Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht 9783486709940

Das Handbuch beschäftigt sich mit der aktiven Krisenbewältigung von Firmenkunden. Das Buch unterstützt die professionell

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German Pages 406 Year 2012

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Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht
 9783486709940

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Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht von

Prof. Dr.Wolfgang Portisch

2. Auflage 3., vollständig überarbeitete Auflage

OldenbourgVerlag München

Die 1. Auflage erschien im Haupt Verlag.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2010 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Coverbild: iStockphoto.de Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-59127-9

Vorwort Das Praxishandbuch „Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht“ analysiert die Krisenbewältigung von Firmenkunden aus Sicht einer Hausbank. Dazu wird der Sanierungsprozess von der Risikoerkennung bis zum Erreichen des Turnarounds detailliert untersucht. Auch der Insolvenzprozess und die Möglichkeiten einer Sanierung nach dem Insolvenzantrag werden intensiv betrachtet. Die theoretischen Inhalte zur Sanierung und Insolvenz von Firmen werden mit Praxisbeispielen und empirischen Daten unterlegt. Ziele des Buches Dieses Buch soll die professionelle Durchführung von Unternehmenssanierungen in Banken und Sparkassen unterstützen. Dazu werden wirtschaftliche und juristische Aspekte des Sanierungsprozesses aus Sicht der beteiligten Kreditinstitute erläutert, um den nachhaltigen Turnaround zu gewährleisten. Es werden praxisnahe Gestaltungsempfehlungen für die einzelnen Sanierungsphasen gegeben. Gezeigt wird, wie bedeutende Akteure in einer Firmensanierung gemeinsam optimal agieren, um den wirtschaftlichen Gesundungsprozess in Krisenunternehmen zu fördern und zu einem abschließenden Erfolg zu bringen. Neuerungen und Erweiterungen in der zweiten Auflage Das Handbuch wurde in der aktuellen Auflage an die neuere Rechtsprechung angepasst. So wurde das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen berücksichtigt. Zudem wurde auf die Bilanzanalyse nach den International Financial Reporting Standards und auf Neuerungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes eingegangen. Das Buch wurde um empirische Ergebnisse zum Sanierungsprozess erweitert und es wurde ein Insolvenzteil integriert, um ein umfassendes Werk zur Sanierung und Insolvenz von Firmenkunden aus Bankensicht zu erhalten. Mein besonderer Dank gilt Rechtsanwalt Dr. Christoph Bode, der den Abschnitt zur übertragenden Sanierung verfasst hat und den Abschnitt Sonderprobleme in der Insolvenz durchgesehen hat. Adressaten des Werkes Zielgruppen für dieses Buch sind in erster Linie Mitarbeiter von Sanierungsabteilungen und Führungskräfte aus Kreditinstituten. Aber auch für Inhaber und Geschäftsführer sowie Kunden und Lieferanten von Unternehmen ist es wichtig, Einblicke zu erhalten wie Kreditinstitute im Sanierungsprozess bei Firmenkunden professionell agieren. Zudem kann das Buch in der Lehre an Fachhochschulen sowie Universitäten in einem Studienschwerpunkt Sanierung, Restrukturierung oder Insolvenz eingesetzt werden. Oldenburg im Januar 2010

Prof. Dr. Wolfgang Portisch

Inhalt Vorwort Abkürzungsverzeichnis

V XI

1

Einleitung

1

2

Aufbau des Buches

3

3

Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

5

3.1

Begriffliche Abgrenzungen

6

3.2

Agency-Theorie

15

3.3

Stakeholder-Modell

19

3.4

Stakeholder-Agency-Modell in der Sanierung

31

4

Sanierung aus Bankensicht

35

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4

Risikoerkennung aus Bankensicht Theorie der Risikoerkennung Praxisfall zur Risikoerkennung Lösung des Praxisfalls zur Risikoerkennung Empirische Ergebnisse zur Risikoidentifizierung

35 36 62 70 76

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4

Bankorganisation und Prozesse der Sanierung Bankinterne Steuerung der Sanierungsengagements Praxisfall zur Steuerung einer Sanierung Lösung des Praxisfalls zur Sanierungssteuerung Empirische Ergebnisse zur Bankorganisation und zu Sanierungsprozessen

81 82 101 103 109

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4

Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung Praxisfall zu den finanzwirtschaftlichen Sofortmaßnahmen Lösung des Praxisfalls zu den Sofortmaßnahmen Empirische Ergebnisse zu den Sofortmaßnahmen

113 114 131 134 138

4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4

Leistungswirtschaftliche Sanierung Auswahl eines geeigneten Sanierungsträgers Praxisfall zum Einsatz eines externen Sanierungsberaters Lösung des Praxisfalls zum Einsatz eines Beraters Empirische Ergebnisse zum Beratereinsatz

141 142 156 158 162

VIII

Inhalt

4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4

Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts Prüfung der Sanierungsfähigkeit und der Sanierungswürdigkeit Praxisfall zur Prüfung des Sanierungskonzepts Lösung des Praxisfalls zur Prüfung des Sanierungskonzepts Empirische Ergebnisse zur Prüfung von Sanierungskonzepten

166 167 185 192 195

4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4

Poolbildung zur Finanzsanierung Umsetzung der finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen Praxisfall zur Poolbildung Lösung des Praxisfalls zur Poolbildung Empirische Ergebnisse zur Sicherheitenpoolbildung

199 200 214 218 228

4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.7.4

Überwachung des Sanierungsverlaufs Information und Kommunikation in der Sanierung Praxisfall zur Sanierungsüberwachung Lösung des Praxisfalls zur Sanierungsüberwachung Empirische Ergebnisse zur Überwachung des Sanierungsverlaufs

232 233 241 242 244

4.8 4.8.1 4.8.2 4.8.3 4.8.4

Sicherung des Turnarounds Prozesse im Anschluss an eine erfolgreiche Sanierung Praxisfall zur Investorlösung Lösung des Praxisfalls zur Investorlösung mit Konzernverbund Empirische Ergebnisse zur Rückgabe in den Normalbereich

248 249 264 267 270

5

Insolvenz aus Bankensicht

275

5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4

Ablauf eines Insolvenzverfahrens Vorläufiger Insolvenzverwalter Abweisung mangels Masse Eröffnetes Insolvenzverfahren Weiterer Verfahrensablauf

276 279 285 286 292

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4

Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens Ziele und Beteiligte des Insolvenzplanverfahrens Ablauf des Insolvenzplanverfahrens Inhalte eines Insolvenzplans Bestätigung und Aufhebung des Insolvenzplans

294 295 297 300 307

5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4

Verlauf einer übertragenden Sanierung Zeitpunkt der übertragenden Sanierung Banken als Betroffene einer übertragenden Sanierung Voraussetzungen der übertragenden Sanierung Gestaltungsmöglichkeiten der Bank

311 312 315 317 322

5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4

Sonderprobleme in der Insolvenz Kreditvergabe in der Insolvenz Anfechtung im Insolvenzverfahren Verwertungen von Sicherheiten aus Bankensicht Haftungsrisiken für Banken und ihre Mitarbeiter

329 330 336 346 359

Inhalt 6

IX Erfolgsfaktoren der Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht

361

Literaturverzeichnis

375

Stichwortverzeichnis

391

Abkürzungsverzeichnis Abs.

Absatz

AG

Aktiengesellschaft

AktG

Aktiengesetz

AnfG

Anfechtungsgesetz

AO

Abgabenordnung

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BilMoG

Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz



Bürgschaft

CF

Cash Flow

DRS

Deutscher Rechnungslegungsstandard

EBIT

Earnings before Interest and Taxes

EBITDA

Earnings before Interest and Taxes, Depreciation and Amortization

EUR

Euro

EURIBOR

Euro Interbank Offered Rate

EWB

Einzelwertberichtigung

FAR

Fachausschuss Recht

FMStG

Finanzmarktstabilisierungsgesetz

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GoS

Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte

GStG

Gewerbesteuergesetz

GS

Grundschuld

XII

Abkürzungsverzeichnis

GuV

Gewinn- und Verlustrechnung

GZ

Globalzession

HGB

Handelsgesetzbuch

HGB-E

Handelsgesetzbuch-Entwurf

IAS

International Accounting Standards

IDW

Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.

IFRS

International Financial Reporting Standards

InsO

Insolvenzordnung

KLV

Kapitallebensversicherung

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

KStG

Körperschaftsteuergesetz

KV

Kreditversicherer

MaK

Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft

MaRisk

Mindestanforderungen an das Risikomanagement

MaS

Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte

Nr.

Nummer

PS

Prüfungsstandard

Rz.

Randziffer

S

Standard

SGB

Sozialgesetzbuch

StBerG

Steuerberatergesetz



Sicherungsübereignung

TEUR

Tausend Euro

UStG

Umsatzsteuergesetz

VaR

Value at Risk

VID

Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e. V.

WPO

Wirtschaftsprüferordnung

ZPO

Zivilprozessordnung

ZVG

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

1

Einleitung

Die Finanzkrise und die globale Rezession der Realwirtschaft zeigen es. Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft in stark ausschlagenden Konjunkturzyklen des Auf- und Abschwungs. Viele Firmen geraten innerhalb weniger Monate in eine Liquiditätskrise, selbst Unternehmen mit einer bislang starken Marktposition. Zusätzlich müssen die Entscheidungsträger in den Firmen häufig neben Krisen in den eigenen Geschäftsfeldern zusätzlich finanzielle Schieflagen von Kunden und Lieferanten meistern. Dabei sind mittlerweile nicht mehr nur die jungen, kleinen und schwachen Unternehmen durch wirtschaftliche Fehlentwicklungen belastet. Immer öfter sind auch alteingesessene und große Traditionsfirmen in ehemals erfolgreichen Branchen von einem wirtschaftlichen Zusammenbruch bedroht. Problematisch ist dann, dass in vielen Jahren geschaffene Werte wie der Ruf und der Kundenstamm eines Unternehmens häufig auf einen Schlag mit der Insolvenz vernichtet werden. Zudem können Zusammenbrüche großer Firmen Folgepleiten bei Kunden und Zuliefererbetrieben nach sich ziehen. Insgesamt verursachen Insolvenzen hohe wirtschaftliche Schäden für die beteiligten Gruppen im Krisenunternehmen und seinem relevanten Umfeld. Das Prinzip, dass nur die am besten angepassten und starken Unternehmen überleben, wurde mittlerweile ausgehebelt. Es zeigt sich, dass viele Firmen durch die exogenen Einflüsse der Finanzmarktkrise oder durch Forderungsausfälle von Kunden in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Positiv ist jedoch, dass viele dieser Krisenfirmen heilbar krank sind. So gesunden zahlreiche Unternehmen in einer Phase der Sanierung. Dies ist eine Lösung für ein Problemfeld in der deutschen Wirtschaft. Durch die konsequente Sanierung und nachhaltige Restrukturierung von Krisenunternehmen können die hohen Insolvenzschäden für die deutsche Volkswirtschaft zumindest in Grenzen gehalten werden. Dabei kommt den beteiligten Kreditinstituten eine Sonderrolle zu. So werden wirtschaftliche Risiken der Kreditnehmer in der Regel durch die begleitenden Kreditinstitute aufgedeckt und bearbeitet. Banken verfügen über professionelle Risikoerkennungsinstrumente und haben in den vergangenen Jahren ein erhebliches Spezialwissen in der Sanierung aufgebaut. Jedoch hängt es auch von den Interessenlagen der betroffenen Kreditinstitute ab, ob ein Gesundungsprozess überhaupt eingeleitet wird, da dies erhebliche Risikoerhöhungen bedeuten kann. Ein Akteur unter den Banken steht in der Krise einer Unternehmung besonders im Fokus, die Hausbank. Dieses Institut führt die laufenden Konten und weist in der Regel das größte Kreditvolumen auf. Meist besteht eine langjährig gewachsene und von gegenseitigem Vertrauen geprägte Geschäftsbeziehung. Gerade wenn die Existenzgründung bereits über die Hausbank finanziert wurde, ist oft eine enge Verbindung vorhanden. Dann besteht auch regelmäßig eine hohe Unterstützungsbereitschaft, wenn die finanzierende Hausbank von der Sanierungsfähigkeit und der Sanierungswürdigkeit des Krisenunternehmens überzeugt ist.

2

1 Einleitung

Die Hausbank ist eine der Kerngruppen im Rahmen der Bearbeitung von Unternehmenskrisen und wird daher in den Vordergrund dieser Untersuchung gestellt. Aber auch andere Banken und weitere Akteure sind beteiligt und können eine Sanierung potenziell fördern oder auch gefährden. So können Streitigkeiten unter den Kreditinstituten, Lieferanten sowie Kreditversicherern über Beteiligungsquoten an Sicherheiten, geforderte vorrangige Rückführungen und persönliche Animositäten eine Sanierung erheblich behindern. Daher ist zu versuchen möglichst alle Gläubiger zu einer Sanierungskoalition zu gewinnen. Dazu sind die verschiedenen Interessen in Einklang zu bringen, um hohe Unterstützungsbeiträge für das Unternehmen zu erhalten und potenzielle Sanierungsgefährdungen zu vermeiden. Nur auf diese Weise kann ein nachhaltiger Turnaround erreicht werden. Erschwert wird die Sanierung durch einen heterogenen Gesellschafterkreis. Hatten es die Risikospezialisten in den Instituten bislang oft mit klassischen Familienunternehmen zu tun, so hat sich der Kreis der Gesellschafter in mittelständischen Betrieben vielfach stark verändert. Im Rahmen der Globalisierung der Finanzmärkte sind immer häufiger auch Finanzinvestoren wie Hedgefonds oder Private-Equity-Geber aus ihrer Gesellschafterstellung an Sanierungen beteiligt und erschweren unter Umständen die Verhandlungen. Neben Gläubigern und Gesellschaftern haben auch andere Unternehmensgruppen ein Interesse an der Sanierung eines Krisenunternehmens. Diese Motivationen lassen sich ausnutzen, um Sanierungsbeiträge zur Stützung der Krisenfirma einzufordern. So können die Mitarbeiter im Rahmen von Gehaltsverzichten und freiwilligen Überstunden und der Fiskus im Wege von Stundungen der Steuern oder Kunden durch Anzahlungen positive Beiträge zur Gesundung eines Unternehmens leisten. Daher erfolgt die Betrachtung des Sanierungsprozesses aus ganzheitlicher Sicht unter Einbezug aller relevanten Anspruchsgruppen eines Unternehmens. Es werden Gestaltungsempfehlungen für die Beziehung der Hausbank zur Krisenfirma und den übrigen Interessengruppen gegeben, um den Sanierungsverlauf positiv zu fördern. Dabei wird die Sanierungsbegleitung in Eigenregie einer Hausbank mit der Aufrechterhaltung der Kundenbeziehung betrachtet, um für das eigene Institut Wertsteigerungen aus dem Engagement und zusätzliches Geschäftspotenzial zu generieren. Im Fall des Scheiterns der wirtschaftlichen Gesundungsmaßnahmen gewinnt die Sanierung im eröffneten Insolvenzverfahren zunehmend an Wichtigkeit. Dies ist gerade dann von Bedeutung, wenn es um die Rettung von gesunden Betriebsteilen großer und bekannter Unternehmen geht. Daher wird zudem die Gestaltung des Insolvenzprozesses zur Erreichung eines wirtschaftlichen Turnarounds im Rahmen einer übertragenden Sanierung oder eines Insolvenzplanverfahrens betrachtet. Bei diesen Sanierungslösungen kommt es auf die professionelle und zielgerichtete Zusammenarbeit der Kreditinstitute mit den weiteren involvierten Interessengruppen und dem Insolvenzverwalter an. Der Themenkomplex zur Bewältigung einer Unternehmenskrise im Rahmen einer Sanierung oder Insolvenz wird in diesem Buch aus Bankensicht umfassend analysiert. Es erfolgt eine integrierte Betrachtung des Sanierungsprozesses auf Basis einer Theorie, einer durchgehenden Praxisfallstudie und den Ergebnissen einer empirischen Studie. Zudem wird der Insolvenzprozess detailliert dargestellt. Primär wird die Sichtweise der Hausbank eingenommen. Die Begriffe Unternehmen, Unternehmung, Firma und Betrieb werden synonym verwendet, ebenso wie die Begriffe Bank, Sparkasse, Finanzinstitut und Kreditinstitut.

2

Aufbau des Buches

Bei diesem Werk handelt es sich um ein Praxishandbuch für Anwender, die Sanierungsfälle im operativen Geschäft in einem Kreditinstitut bearbeiten. Es wird primär die Sichtweise der Gläubigerbanken eingenommen. Aber auch andere Parteien im Sanierungsprozess, ihre Interessen und Verhaltensweisen werden betrachtet, um ein möglichst umfassendes Bild zu gewinnen. Denn es reicht auch für Vertreter der Kreditinstitute nicht aus, ausschließlich eigene Ziele zu vertreten. Um den höchsten Gesamterfolg im Rahmen einer Sanierung zu erreichen, sind die Interessen aller an einer Sanierung direkt und indirekt beteiligten Akteure und Gruppen zu analysieren und in Übereinstimmung zu bringen. Die Sanierung wird als Prozess angesehen, in dem idealtypisch verschiedene Phasen durchlaufen werden. Auch wenn einige Leser aus der Praxis heraus wissen, dass Sanierungen im Detail unterschiedlich verlaufen, so lassen sich doch Kernphasen ausmachen. Daher wird der Sanierungsprozess in diesem Buch der Übersichtlichkeit halber in wichtige Schritte zergliedert. Dies bietet den Vorteil, dass sich bestimmte Eckpunkte im Sanierungsverlauf erkennen lassen, an denen besondere Maßnahmen zu ergreifen sind. Es ermöglicht zudem eine strukturierte und gleichartige Vorgehensweise bei der Bearbeitung von Krisenfällen aus Bankensicht. Des Weiteren wird die Kommunikation mit den verschiedenen Anspruchsgruppen über den gesamten Sanierungsverlauf betrachtet. Die optimale Informationsallokation ist meist ein kritischer Erfolgsfaktor im Gesundungsprozess. Das Buch ist zusammenfassend wie folgt aufgebaut: Im Anschluss an die vorangegangene Einleitung in Kapitel 1 und dem Aufbau in Kapitel 2 wird in Kapitel 3 eine ganzheitliche Theorie erarbeitet, auf die in späteren Abschnitten des Buches Bezug genommen wird. Das Stakeholder-Modell und die Agency-Theorie erlauben es relevante Akteure in einer Firmensanierung zu identifizieren, ihre Interessen zu analysieren und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen für die Bearbeitung von Krisenfällen zu geben. Ein Schwerpunkt des Buches Arbeit liegt in Kapitel 4, in dem die wesentlichen Phasen einer Sanierung untersucht werden. In jedem Abschnitt des vierten Kapitels wird ein Prozessschritt detailliert analysiert. Zur Veranschaulichung wird ein Praxisfall über den gesamten Sanierungsprozess betrachtet. Vorausgeschickt wird in jedem Abschnitt ein Theorieteil, in dem die Grundlage für den nachfolgenden Bearbeitungsschritt der Fallstudie geschaffen wird. Es folgen die Aufgabenstellung und die Lösung des Praxisfallbeispiels. Den Abschluss eines Abschnitts bildet jeweils eine Sanierungsregel als Erfolgsfaktor einer erfolgreichen Sanierung. Unterlegt werden diese Prozessphasen durch die Ergebnisse einer empirischen Studie in der gezeigt wird, wie Kreditinstitute über alle Institutsgrößen und Banksektoren hinweg die Sanierung ihrer Problemkreditengagements derzeit vorantreiben.

4

2 Aufbau des Buches

In Kapitel 5 wird zunächst der Verlauf eines Insolvenzverfahrens erläutert. Dabei wird auf die Stellung der Kreditinstitute Bezug genommen. Es folgt die Darstellung von zwei Sanierungsalternativen im Insolvenzverfahren. Zunächst wird der Ablauf eines Insolvenzplanverfahrens beschrieben. Dazu werden wesentliche Einflussmöglichkeiten zur Gestaltung des Insolvenzplanverfahrens durch die betroffenen Banken aufgezeigt. Anschließend wird der Prozess der übertragenden Sanierung aus der Sicht von Banken untersucht. Zudem werden ausgewählte Sonderprobleme in der Insolvenz betrachtet, die für Kreditinstitute von besonderer Relevanz sein können. Eingegangen wird auf die Kreditvergabe im Insolvenzverfahren, auf Anfechtungstatbestände, auf die Verwertung von Sicherungsgut und auf Haftungsrisiken für die betroffenen Kreditinstitute beziehungsweise ihrer Mitarbeiter. Es wird die aktuelle Rechtsprechung zum Insolvenzrecht berücksichtigt. In Kapitel 6 schließt das Buch mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Erfolgsfaktoren der Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht ab. Die theoretischen Sanierungsregeln werden mit den Ergebnissen aus der empirischen Studie zusammengeführt. Zudem werden Erfordernisse der prozessualen Behandlung von Insolvenzen in der Praxis der Banken aufgezeigt. Der Aufbau des Buches wird in nachfolgender Abbildung 2.1 grafisch dargestellt.

Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht 1 Einleitung und 2 Aufbau des Buches 3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie 3.1 Begriffliche Abgrenzungen

3.2 AgencyTheorie

3.3 StakeholderModell

3.4 Stakeholder-AgencyModell in der Sanierung

4 Sanierung aus Bankensicht 4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

4.7 Überwachung des Sanierungsverlaufs

4.8 Sicherung des Turnarounds

5 Insolvenz aus Bankensicht 5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

5.2 Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens

5.3 Verlauf einer übertragenden Sanierung

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

6 Erfolgsfaktoren der Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht

Abb. 2.1 Aufbau des Buches

3

Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie 3.1 Begriffliche Abgrenzungen 3.2 Agency-Theorie 3.3 Stakeholder-Modell 3.4 Stakeholder-Agency-Modell in der Sanierung

Lernziele: • Begriffe wie Krise und Sanierung abgrenzen können • Kernelemente der Agency-Theorie nachvollziehen können • Eigenschaften des Stakeholder-Modells kennen • Kernaussagen eines Stakeholder-Agency-Modells verstehen

Abb. 3.1 Aufbau und Lernziele in Kapitel 3

Im Folgenden werden zunächst die begrifflichen Grundlagen erarbeitet. Es wird auf die Krisenphasen und den Sanierungsprozess eingegangen. Dabei ist der Begriff der Sanierung von der Restrukturierung deutlich abzugrenzen. So erfordert eine Sanierung gemäß der gewählten Definition die Unterstützung externer Gruppen, während die Restrukturierung auch allein aus dem Unternehmen heraus mit eigenen Mitteln erfolgen kann. Im Anschluss an diese Erläuterungen werden betriebswirtschaftliche Theorien für die späteren Abschnitte ausgewählt. Die Theorieauswahl erfolgt in Bezug auf die prägenden Eigenschaften einer Sanierung. Basis der Untersuchungen bildet zum einen die Agency-Theorie, denn in der Krise bestehen meist starke Informationsasymmetrien zwischen den beteiligten Akteuren. Diese lassen sich mit dem Agency-Ansatz untersuchen. Aus diesem Theoriemodell können praxisnahe Lösungen erarbeitet werden. Zum anderen sind an einer Krise und der sich anschließenden Sanierung meist viele Gruppen mit unterschiedlichen Interessenlagen beteiligt. Die relevanten Akteure und ihre Unterstützungsbeiträge sind zu identifizieren. Werden die Erwartungen dieser internen und externen Akteure durch die Geschäftsführung des Unternehmens berücksichtigt, steigen die Chancen, den Sanierungsprozess erfolgreich abzuschließen.

6

3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

3.1

Begriffliche Abgrenzungen

Das Wort Krise stammt aus dem Altgriechischen (crisis) und steht für die kritische Entwicklungsphase einer Krankheit oder die Zuspitzung einer kritischen Situation (vgl. Müller, 1985, S. 398). Betriebswirtschaftlich gesehen lässt sich dieser Begriff im Rahmen einer einzelwirtschaftlichen Betrachtung auf Unternehmen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten anwenden (vgl. David, 2001, S. 22). Um den Begriff der Krise transparent zu beschreiben, lässt sich die Fehlentwicklung als Prozess ansehen, der: 

zu Umsatzeinbußen, Ertragsrückgängen und Liquiditätsproblemen führt,



die grundlegende Ziele des Unternehmens und die Kapitaldienstfähigkeit bedroht und



die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der handelnden Personen bewirkt.

Der Begriff der Krise eines Unternehmens soll hier prozessual in Anlehnung an den Untersuchungsgegenstand, der Sanierung aus Bankensicht, wie folgt verstanden werden. Definition: Die Krise eines Unternehmens wird als Prozess angesehen, der die Marktstellung und Ertragskraft der Firma nachhaltig schwächt. Gefährdet werden die Zahlungen an die Interessengruppen, wie die vertragskonforme Bedienung des Kapitaldienstes in Form von Zins- und Tilgungsleistungen oder Provisionen an die Kreditinstitute beziehungsweise die Leistungen an die Lieferanten und sonstigen Gläubiger. Zeitlich gesehen lässt sich der Krisenprozess in verschiedene Phasen zergliedern. Es lassen sich drei typische Krisenphasen unterscheiden, die sich überlappen und in denen Rückkopplungen zu zeitlich vorgelagerten Zeitabschnitten bestehen können. Die Strategiekrise ist in der Regel die erste Phase einer Unternehmenskrise. Sie setzt bereits ein, wenn eine Gefährdung der langfristigen Erfolgspotenziale eines Unternehmens möglich erscheint. Erfolgspotenziale sind alle produkt- und marktspezifischen Faktoren einer Unternehmung, um dauerhaft am Markt bestehen zu können. Diese relevanten Merkmale können von der Qualität der Produkte über den Standort bis hin zur Preispolitik oder dem Aufbau eines Markennamens reichen. Folgende Beispiele zeigen alternative Gefährdungen der wichtigen Erfolgsmerkmale eines Unternehmens auf: 

Marktanteile reduzieren sich kontinuierlich im Zeitablauf



Leistungsträger verlassen das Unternehmen



Anpassungen an technologische Veränderungen erfolgen nicht

Dabei können in der Phase der Strategiekrise zwischen Kreditnehmer und Bank unterschiedliche Auffassungen über eine notwendige Änderung der Ausrichtung und die Sanierungsbedürftigkeit bestehen. Der Kreditnehmer ist in dieser Phase der Krise meist noch sehr optimistisch und äußert sich positiv über die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Aber auch bankintern wird die Strategiekrise meist nicht erkannt. Häufig werden viele Kreditengagements oft erst sehr spät als intensiv oder gefährdet eingestuft, obwohl sich eine negative Entwicklung

3.1 Begriffliche Abgrenzungen

7

bereits über Jahre abzeichnet. So zeigt auch eine Befragung unter Bankenvertretern, dass eine der Hauptkrisenursachen von Firmen operative Verluste, infolge lange bestehender Strategiedefizite darstellt (vgl. Emmrich/Titz, 2004, S. 9 ff. und S. 35 ff.). Echte Sanierungsmaßnahmen werden meist erst bei der Feststellung späterer Krisenphasen ergriffen. Je eher aber die Notwendigkeit zur Einleitung von Maßnahmen erkannt wird, desto größer sind erfahrungsgemäß die Chancen einer Gesundung. Schreitet die jedoch Krise weiter fort, ergibt sich ein Schneeballeffekt, da nicht nur die strategische Fehlrichtung korrigiert, sondern auch die negativen Auswirkungen ausgeglichen werden müssen. Auf die Strategiekrise folgt die zweite Phase, die Ertragskrise. In dieser Situation wird die wirtschaftliche Fehlentwicklung im Zahlenmaterial des Unternehmens sichtbar. Über Branchenvergleiche und negative Veränderungen im Zeitablauf lässt sich diese Art der Schieflage offenlegen. Diese Krisenlage zeigt sich mit folgenden Eigenschaften: 

Rückgang der Umsätze und Erträge



Erwirtschaftung von Verlusten



Aufzehrung des Eigenkapitals

Oft wird auch in der Phase der Verschlechterung der Unternehmenszahlen die Krise noch als vorübergehende negative Entwicklung angesehen und mit saisonalen oder konjunkturellen Effekten durch die Firmenleitung begründet. In dieser Situation werden aber die finanziellen Ressourcen bereits merklich angegriffen. Mittel, die aufgezehrt werden, stehen dann für eine Neukonfiguration des Geschäftsmodells nicht mehr zur Verfügung. Wenn sich die Zahlungsmittelbestände nachhaltig verknappen, droht in der dritten Phase die Liquiditätskrise. Dann liegt bereits eine akute Gefahr der Zahlungsunfähigkeit vor. Es treten Kontoüberziehungen auf und Darlehensraten werden nicht mehr eingelöst. Kennzeichen für diese späte Phase der Krise sind die folgenden Merkmale:  Anspannung der Kontoführung bei den Banken  Überziehungen und Rückbuchungen von Darlehensraten  Steigender Informationsbedarf der Kreditinstitute In der Liquiditätskrise sind die Probleme offensichtlich und die Schieflage spitzt sich weiter zu. Dies erschwert eine grundlegende Sanierung und Krisenfinanzierung erheblich. In dieser Phase ist von Seiten der Kreditinstitute und anderer Akteure unter Zeitdruck zu entscheiden, ob frisches Geld gegeben werden kann oder nicht. Dabei spielen haftungsrechtliche Kriterien eine besondere Bedeutung für die Gläubiger, damit nicht der Tatbestand der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung erfüllt wird (vgl. Portisch, 2008a, S. 374 ff.). Zu beachten ist, dass sich die ersten drei Krisenphasen zeitlich überlagern können. Strategiekrisen münden meist mit einer Zeitverzögerung in einer Ertragskrise. Die strategische Fehlentwicklung besteht weiter fort. Dauerhaft rückläufige Erträge bewirken zusätzlich eine angespannte Liquiditätslage. In der Liquiditätskrise können die strategischen Defizite und die Ertragseinschränkungen weiterhin bestehen. Zudem kann es im Krisenprozess zu Rückschrit-

8

3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

ten in vorgelagerte Krisenphasen kommen. So ist nach einer kurzfristigen Bereinigung der Liquiditätsenge die langfristige Ertragssituation häufig noch angespannt. Dies kann mittelfristig wieder zu einer Belastung der Liquidität führen. Daher ist dieser Regelkreis zu durchbrechen und die Ursachen der Schieflage sind nachhaltig zu beseitigen. Gelingt dies nicht, schließt sich der Liquiditätskrise in der folgenden Phase die Insolvenz an. Der Insolvenzverwalter erhält nach dem Insolvenzantrag und der Eröffnung des Verfahrens die Verfügungsgewalt über das insolvente Unternehmen und der Betrieb wird in vielen Fällen liquidiert. Es können jedoch auch Sanierungsmaßnahmen aus der Insolvenz heraus ergriffen werden, beispielsweise über das Insolvenzplanverfahren (vgl. Hanken, 2005, S. 284 ff.) oder die übertragende Sanierung (vgl. Bode, 2005, S. 316 ff.). Nachfolgende Abbildung 3.2 zeigt die verschiedenen Krisenphasen mit Rückkopplungen in vorgelagerte Stufen und einer möglichen Zuspitzung der Schieflage in die Insolvenz.

Krisenphasen und Insolvenz

Strategiekrise

Ertragskrise

Liquiditätskrise

Insolvenz

Zunahme der Existenzgefährdung

Abb. 3.2 Krisenphasen mit Rückkopplungen und Überlagerungen

Meist wird die Fehlentwicklung des Krisenunternehmens von einer Bank erst in einer späten Phase der Liquiditätskrise entdeckt. In diesem Stadium ist die Bedrohung des Bestands eines Unternehmens aber schon sehr weit fortgeschritten. Ziel muss es daher sein, die Krisenlage eines Firmenkunden möglichst frühzeitig zu erkennen. Dies kann durch die Einführung eines Frühwarnsystems geschehen, um bereits die Strategiekrise zu identifizieren. Dazu sind leistungsfähige Risikofrüherkennungsinstrumente notwendig. So muss die Wertschöpfungskette und die strategische Ausrichtung der Unternehmen laufend auf aktuelle und künftige marktliche Bedrohungen untersucht werden. Nachfrageverschiebungen an Absatzmärkten und technologische Neuerungen sind ständig zu beobachten. Dabei kann eine Branchenspezialisierung der Analysten in Kreditinstituten sinnvoll

3.1 Begriffliche Abgrenzungen

9

sein. Aber auch der Geschäftsführer ist gefragt, der seinen Betrieb und den relevanten Markt kennen sollte. Werden erste Gefahren erkannt, ist die Informationstransparenz zu den Kreditinstituten zu verbessern, damit eine Sanierung einsetzen kann. Denn in einem frühen Stadium der Krise sind die Banken meist noch bereit, Hilfestellung zu leisten. Wird die Krise erkannt, sind unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, um den Sanierungsprozess anzustoßen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass von der Feststellung der Krise bis hin zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen viele Monate vergehen können (vgl. Blatz/ Eilenberger, 2004, S. 428 ff. und Roland Berger Strategy Consultants, 2006, S. 8 ff.). In diesem Zeitraum wird meist die finanzielle Substanz des betreffenden Unternehmens weiter angegriffen und die Negativsituation verschärft sich. Daher ist es auch aus Bankensicht von großer Bedeutung, Sanierungsmaßnahmen unverzüglich und professionell einzuleiten. Nicht nur die Krisenursachen und die Krisenphasen sind ausfindig zu machen, um die Fehlentwicklung zu überwinden. Auch der Verlauf einer Sanierung beeinflusst die Nachhaltigkeit und den positiven Richtungsverlauf des Gesundungsprozesses maßgeblich. Werden in einer Sanierung unter anderem bei der Gestaltung der Finanzierung, der Umsetzung von marktseitigen Maßnahmen oder der Kommunikation mit wichtigen internen und externen Unternehmensgruppen Fehler gemacht, kann dies einen negativen Einfluss für das Gelingen des Turnarounds haben. Wichtig ist es, dem Unternehmen langfristig aus der Krise zu helfen. Meist ist dazu eine komplette Neuausrichtung notwendig. Dies erfordert ein professionelles Vorgehen der involvierten Akteure im Rahmen der Sanierung. Zunächst ist der Begriff Sanierung zu definieren, um Ansatzpunkte für eine dauerhafte wirtschaftliche Gesundung zu erhalten. Etymologisch stammt der Begriff Sanierung vom Lateinischen (sanare) ab und heißt soviel wie heilen oder gesund machen. Ziel der Sanierung ist es, dem problembehafteten Unternehmen nachhaltig aus der Krise zu helfen. Dies lässt sich unter anderem mit folgenden Zielmerkmalen umschreiben: 

Beheben existenzbedrohender Krisenursachen und Erreichen der Kapitaldienstfähigkeit



Schaffen einer langfristigen Ertragsgrundlage mit einer angemessenen Rentabilität



Sicherung der nachhaltigen Erfolgspotenziale und der Wettbewerbsfähigkeit

Dabei wirken verschiedene Rahmenbedingungen in der akuten Krisenlage und dem Sanierungsprozess auf die Zielerreichung ein, wie: 

Zeitdruck, Komplexität und angegriffene Ressourcen



Unvollständige Informationen bei verschiedenen Unternehmensgruppen



Befangenheit der betroffenen Personengruppen

Definitionen für den Begriff Sanierung unterscheiden sich in der Literatur vielfach. Es existieren weite und enge Umschreibungen. In dieser Arbeit wird eine eigene Definition für den Begriff der Sanierung gewählt. Dies verfolgt den Zweck, die Bedeutung des Begriffs auf den Untersuchungsgegenstand des Buches anzupassen. Dabei stehen die Sicht der Kreditinstitute und die Perspektiven anderer Interessengruppen im Vordergrund der Analysen.

10

3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

Definition: Unter dem Begriff der Sanierung werden alle rechtlichen, organisatorischen, personellen, leistungs- und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen verstanden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und damit die Ertragslage nachhaltig zu stabilisieren und langfristig die Kapitaldienstfähigkeit für alle Gläubiger und die branchenübliche Rentabilität für die übrigen Anspruchsgruppen zu gewährleisten. Der Begriff der Sanierung ist von der Restrukturierung abzugrenzen. Eine Restrukturierung erfolgt im Gegensatz zur Sanierung aus dem Unternehmen heraus und meist ohne die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Ressourcen von externen Gruppen. Die finanziellen und die leistungswirtschaftlichen Potenziale sind hier noch nicht substanziell angegriffen. Dem Unternehmen kann es aus eigener Kraft gelingen, die notwendigen Reorganisationsmaßnahmen einzuleiten und umzusetzen. Es sind daher bezogen auf die finanzwirtschaftliche Komponente keine Unterstützungsmaßnahmen externer Akteure notwendig, um eine Restrukturierungskonzeption zu erstellen (vgl. Portisch, 2005b, S. 10 ff.). Definition: Unter Restrukturierung wird die langfristige Absicherung der strategischen Erfolgsfaktoren eines Unternehmens verstanden. Häufig werden die Unternehmensorganisation und die Prozessketten neu konfiguriert, um am Markt nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch eine Umpositionierung in neue Geschäftsfelder wird oftmals durchgeführt. Eine Restrukturierung erfolgt im Gegensatz zur Sanierung aus dem Unternehmen heraus und meist ohne die finanziellen Hilfen externer Gruppen. Wie die Unternehmenskrise verläuft auch die Sanierung über eine längere Zeitschiene und über mehrere Teilschritte. Der Sanierungsprozess wird hier in acht Kernphasen unterteilt, die sich überlappen oder mit Rückkopplungen verlaufen können. In dieser Arbeit wird ein typischer Sanierungsablauf als Idealprozess zugrunde gelegt, um die Stadien der Krisenbehebung übersichtlich darstellen und beurteilen zu können. Der Gesundungsprozess beginnt aus Bankensicht bereits mit der Risikoerkennung. Dabei gilt grundsätzlich: Je früher eine wirtschaftliche Schieflage erkannt wird, desto größer sind in der Regel auch die Chancen der erfolgreichen Gesundung. Somit sollte den Banken im Optimalfall bereits die frühe Fehlentwicklung der strategischen Krise auffallen. Dies macht den Einsatz qualitativer Analyseinstrumente neben der quantitativen Untersuchung aktueller Unternehmensdaten zur Risikofrüherkennung unerlässlich. Wurde die Krise eines Unternehmens durch ein Kreditinstitut erkannt, erfolgt im Rahmen der bankinternen Prozesse eine unverzügliche Berichterstattung an den Kompetenzträger und die Übergabe der Kreditakten an die Spezialabteilung. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Schritte in den Instituten zum Teil erheblich. Zu beachten sind bei der Engagementeinstufung und der Krisenbearbeitung die Vorgaben der MaRisk zur organisatorischen Gestaltung des problembehafteten Kreditgeschäfts. Wichtig bei der Betreuung der Problemkredite ist die Federführung der Marktfolge (vgl. Ifftner, 2008, S. 234 ff.). Es schließen sich bestimmte Sofortmaßnahmen je nach Intensität der Krisenlage an. Ziel ist primär die Sicherung der Liquidität und des Eigenkapitals, um die Insolvenzantragspflicht zu

3.1 Begriffliche Abgrenzungen

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vermeiden. Dazu ist es notwendig die Überschuldung über einen Bilanzstatus prüfen zu lassen und die Liquidität über einen Finanzplan zu analysieren. Zusätzlich kann es notwendig werden, eine bestehende Überschuldung zu bereinigen oder die Zahlungsfähigkeit über eine Überbrückungsfinanzierung sicherzustellen. Des Weiteren sind von Seiten der Hausbank die Gespräche mit der Geschäftsleitung der Krisenfirma aufzunehmen, um eine Auswahl geeigneter Unternehmensberater anzubieten. Ziel ist es, mit der Feststellung der Sanierbarkeit den Gesundungsprozess weiter voranzutreiben. Anschließend folgt die Einleitung der Sanierung mit der Beauftragung eines Sanierungsberaters durch die Geschäftsleitung der Krisenfirma. Der Sanierer hat die leistungswirtschaftliche und finanzielle Situation des Krisenunternehmens zu analysieren und ein Gutachten zur Feststellung der Sanierungsfähigkeit zu erstellen. Bei der Mandatierung ist von Bankensicht auf die Auswahl eines qualifizierten Akteurs und den festgelegten Auftragsumfang zu achten (vgl. Portisch et al., 2008e, S. 494 ff.). Der Vertrag zur Sanierungsprüfung kann die reine Erstellung des Konzepts oder zusätzlich die Umsetzung von Maßnahmen vorsehen. Wichtig für den weiteren Sanierungsprozess ist die Feststellung der Sanierungsfähigkeit. Liegt das Sanierungsgutachten den kreditgebenden Banken vor, so ist aus Bankensicht eine Überprüfung des Sanierungskonzepts vorzunehmen und die Sanierungswürdigkeit zu beurteilen. Neben einer bestehenden positiven Fortführungsprognose sollte die Bank aufgrund der eigenen Erfahrungen von einem vorhandenen Sanierungspotenzial überzeugt sein. Dabei spielen wirtschaftliche Aspekte über die Abwägung von Chancen und Risiken sowie die geforderten Unterstützungsbeiträge eine große Rolle. Auch die Qualität eines vorgelegten Gutachtens kann die Einschätzung der Kreditinstitute beeinflussen und eine Sanierung eher fördern oder behindern. Daher sind bestimmte Standards einzuhalten (vgl. IDW, 2009b, S. 1 ff., Portisch, et al., 2007d, S. 468 ff., Portisch, 2009c, S. 36 ff.). Wird das Sanierungskonzept von den Kreditinstituten positiv votiert, ist der finanzielle Rahmen zur Umsetzung der wirtschaftlichen Gesundung bereitzustellen. Dies geschieht in der Regel über die Poolbildung der Gläubiger zur finanziellen Sanierung. Denn auch bei einer Sanierungsfähigkeit kann die Realisierung der Maßnahmen noch an finanziellen Unzulänglichkeiten scheitern, unter anderem wenn einzelne Gläubiger abspringen. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn mehrere Parteien über eine Umsetzung der Sanierung zu entscheiden haben und dazu auch ihre Beiträge leisten sollen. Je mehr Interessengruppen beteiligt sind, desto komplexer wird die Situation. Die Hausbank sollte in diesem Fall den Abschluss eines Sicherheitenpoolvertrags mit einer Sicherheitenabgrenzung zur Bindung der Parteien und zur Ordnung der Sicherheitenlage herbeiführen. Ist diese wichtige Hürde überwunden, können die Sanierungsmaßnahmen umgesetzt werden. Oft zeigen sich bereits nach kurzer Zeit erste Erfolge. Umso wichtiger ist es, den Verlauf der Sanierung und Abweichungen zu den Planungen mittel- und langfristig zu überwachen. Die Überwachung des Sanierungsverlaufs ist durch die beteiligten Kreditinstitute effizient zu organisieren. Dazu sind geeignete Berichtssysteme zu installieren. Es bietet sich an, ein internetgestütztes Sanierungsinformationssystem zum Monitoring einzusetzen. Zum einen lässt sich auf diese Weise der finanzielle Sanierungserfolg zeitnah und effizient überwachen. Zum anderen besteht durch dieses Controllingsystem für Kreditinstitute die Möglichkeit, die Informationsunterschiede zur Geschäftsführung abzubauen.

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3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

Verläuft die Sanierung erfolgreich, ist die Sicherung des Turnarounds von Relevanz. Dazu wird das Engagement in die Normalkreditbearbeitung übergeben. Von großer Bedeutung für die Umklassifizierung in den Normalbereich ist die Festlegung bestimmter Kriterien, die eine nachhaltige Gesundung des Firmenkunden anzeigen. Dies ist in der Praxis der Banken häufig die Kapitaldienstfähigkeit. Weiter kann die wirtschaftliche Lage der Firma mit bonitätsstarken Firmenkunden der gleichen Branche verglichen werden. Wichtig ist, dass die Gesundung langfristig gegeben ist und weiter überwacht wird. Zur Weiterführung des Engagements in der Normalkreditbearbeitung ist ein Übergabeprotokoll zu erstellen, um den Analysten bei der weiteren Risikoüberwachung auf die risikorelevanten Aspekte des ehemaligen Problemkunden hinzuweisen. Es sollte zudem ein Übergabegespräch stattfinden. Weiter können die Systeme zur Risikofrüherkennung in den Banken auf Basis der Erfahrungen aus den Sanierungen neu eingestellt werden. Damit kann die Früherkennung von gefährdenden Entwicklungen bei anderen Engagements verbessert werden (vgl. Portisch, 2008f, S. 66 ff.). Die folgende Abbildung 3.3 veranschaulicht den Sanierungsprozess von der Risikoerkennung bis zum wirtschaftlichen Turnaround.

Idealtypischer Sanierungsprozess

Risikoerkennung aus Bankensicht

Sicherung Turnaround

Organisation Prozesse

Überwachung der Sanierung

Finanzielle Maßnahmen

Poolbildung der Gläubiger

Auswahl des Sanierers

Prüfung des Konzepts

Abb. 3.3 Idealtypischer Sanierungsprozess

Schlägt die Sanierung dagegen fehl, folgt in der Regel die Stellung des Insolvenzantrags. Im Eröffnungsverfahren prüft der vorläufige Insolvenzverwalter die Sanierungsfähigkeit und er kann bereits geeignete Sanierungsmaßnahmen vorbereiten. Die Eigenverwaltung wird als Sanierungsalternative im Insolvenzprozess nicht betrachtet, da das Vertrauen der Gläubiger in das ehemalige Krisenmanagement meist eingeschränkt ist und diese Fortführungsalternative in der Praxis der Insolvenzverfahren nur selten vorkommt. Jedoch stellt die Insolvenzordnung zwei alternative wirksame Sanierungshilfen im Insolvenzverfahren bereit, das Insolvenzplanverfahren und die übertragende Sanierung. Erfolgt die Eröffnung des Verfahrens, besteht über ein Insolvenzplanverfahren ein Weg zur Sanierung des Unternehmens auch innerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens. So kann die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter im Berichtstermin mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragen. Dieser Plan ermöglicht den Verfahrensbeteiligten gemäß

3.1 Begriffliche Abgrenzungen

13

§§ 217 ff. InsO eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Verfahrensabwicklung zum Erhalt des Unternehmens. Dabei kann der Insolvenzplan frei ausgestaltet werden. Gerade bei größeren Unternehmen kann diese aufwendige Sanierungsalternative Anwendung finden, um durch die Gesundung den Firmennamen, ganze Betriebsteile und darüber eine Vielzahl von Arbeitsplätzen zu retten (vgl. Rattunde, 2003b, S. 596 ff.). Eine weitere Alternative ist die übertragende Sanierung. In diesem Fall wird der Verkauf des gesamten Unternehmens oder von funktionsfähigen Unternehmensteilen des insolventen Rechtsträgers im Wege eines Asset Deals, mit der Übereignung einzelner Vermögensgegenstände, an einen neuen Rechtsträger vollzogen (§ 159 ff. InsO). Es handelt sich nicht um eine Sanierung im herkömmlichen Sinne. Dennoch kann auch in diesem Fall oft eine Rettung von betrieblichen Teilaktivitäten beziehungsweise des Firmennamens sowie des Kundenstamms erreicht werden (vgl. Bode, 2005, S. 319 ff.). Den Gläubigern fließt im Gegenzug der Kaufpreis für die veräußerten Wirtschaftsgüter zu. Folgende Abbildung 3.4 zeigt die Alternativen der Sanierung und Abwicklung im Insolvenzverfahren.

Sanierungsalternativen in der Insolvenz

Stellung des Insolvenzantrags

Eröffnung des Verfahrens

Alternative 1

Insolvenzplanverfahren

Gesundung in der Insolvenz

Alternative 2

Übertragende Sanierung

Neuer Rechtsträger

Alternative 3

Abwicklung Liquidation

EinzelVeräußerung

Abb. 3.4 Sanierungsalternativen in der Insolvenz

In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Früherkennung von Risiken im Kreditgeschäft eine große Bedeutung zukommt, damit die Sanierungschancen möglichst hoch sind. Eine rechtzeitig eingeleitete Sanierung bietet einen großen Entscheidungsrahmen und damit die besten Möglichkeiten einer langfristigen Gesundung. So ist der Begriff des Risikos zu beschreiben, um Ansatzpunkte für eine zeitnahe Gefährdungserkennung zu finden. Unter Risiko wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur die Unsicherheit über das Erreichen bestimmter Ziele oder Zielgrößen verstanden. Dabei existieren unterschiedliche Risikodefinitionen. Nach den Arten von Risiken unterscheidet man in der Bankenliteratur zwischen operationellen Risiken, Liquiditätsrisiken, Preisrisiken und Bonitätsrisiken. Kern dieser Untersuchung ist das Bonitätsrisiko, das als Gefahr angesehen wird, dass der Schuldner bezie-

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3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

hungsweise das Schuldnerunternehmen die im Kreditvertrag festgelegten Bedingungen nicht vertragskonform erfüllt (vgl. Schiller/Tytko, 2001, S. 5). Auch eine eingetretene Bonitätsverschlechterung kann bereits als Kreditrisiko interpretiert werden. Ursachen dieser wirtschaftlichen Gefährdungen liegen in internen und externen Krisenfaktoren bei den Firmenkunden. Auswirkungen auf die betroffenen Banken bestehen in rückständigen Zinsen, Tilgungen oder Provisionen beziehungsweise möglichen Ausfallrisiken. Folgewirkungen betreffen auf Ebene der Banken die Bildung von Einzelwertberichtigungen und potenzielle Abschreibungen. Unter dem Begriff Bonitätsrisiko wird hier folgendes verstanden. Definition: Das Bonitätsrisiko wird als potenzielle oder bereits akute Gefahr angesehen, dass ein Kreditnehmer die vereinbarten Bedingungen aus dem Kreditvertrag nicht erfüllen kann, seine Kapitaldienstfähigkeit eingeschränkt ist und eine erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeit besteht. Die Folge ist, dass das Rating herabgestuft wird, Einzelwertberichtigungen, Abschreibungen oder Rückstellungen für ein Engagement gebildet werden müssen und für den Kreditnehmer eine besondere Betreuung erforderlich wird. Diese negativen erfolgswirksamen Auswirkungen sind aus Bankensicht zu vermeiden, um die eigenen Gewinnpotenziale nicht zu gefährden. Zielsetzung ist es, einen Forderungsausfall zu verhindern beziehungsweise diesen in Grenzen zu halten und die Kundenbeziehung als künftige Ertragsquelle zu erhalten. Dazu ist in den Fällen, in denen eine realistische Sanierungschance besteht, die wirtschaftliche Gesundung des Unternehmens zu fördern, um den Turnaround zu erreichen. Der Begriff Turnaround kann als wirtschaftliche Wende verstanden werden und wird in diesem Buch wie folgt definiert. Definition: Der Turnaround lässt sich als positiver Abschluss einer Sanierung mit dem Erreichen der Ziele für die relevanten Anspruchsgruppen beschreiben. So haben die beteiligten Kreditinstitute regelmäßig das Interesse, dass die Kapitaldienstfähigkeit nachhaltig wiederhergestellt wird und das Engagement in die Normalbearbeitung übergeben wird. Weitere Ziele anderer Interessengruppen sind die vertragskonforme Zahlung der Löhne und Gehälter und die Bedienung anderer Gläubiger innerhalb der Zahlungsziele. Die Lieferanten beziehungsweise Kreditversicherer sollen künftig keine Forderungsausfälle bei der Krisenfirma erleiden. Auch die Lieferfähigkeit für die Kunden ist nachhaltig sicherzustellen. Zudem sollten die Gesellschafter eine marktübliche Rendite erhalten. Die Interessen weiterer Gruppen sind im Sanierungsverlauf ebenfalls zu berücksichtigen. Zusammenfassung Abschnitt 3.1: In diesem Abschnitt wurden wesentliche Begriffe für den Untersuchungsgegenstand der Sanierung definiert und auf den speziellen Inhalt dieses Buches angepasst. Die Betrachtung erfolgt primär aus Sichtweise der Kreditinstitute. Diese haben einen wesentlichen Einfluss auf die Einleitung und Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen bei ihren Firmenkunden und können dadurch den erfolgreichen Gesundungsprozess maßgeblich steuern. Dazu findet eine prozessuale Betrachtung der Sanierung von der Risikoerkennung bis zum Turnaround statt. Die Teilschritte der Sanierung werden im Folgenden auf Basis einer Theoriegrundlage untersucht.

3.2 Agency-Theorie

3.2

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Agency-Theorie

Ein zentraler Faktor in der Sanierung einer Unternehmung ist die Informationsverteilung auf die beteiligten Akteure. Die Allokation der Daten hat auch einen maßgeblichen Einfluss darauf, ob die Sanierungsnotwendigkeit im Rahmen der Risikofrüherkennung von den Kreditinstituten überhaupt festgestellt wird. Im Verlauf einer Sanierung ist die Kommunikation zum Abbau dieser Informationsunterschiede insbesondere zwischen dem Unternehmen und der Hausbank wichtig. Nur wenn die laufenden Zahlen im Gesundungsprozess zeitnah und vollständig offengelegt werden, wird meist verloren gegangenes Vertrauen zur Hausbank wieder aufgebaut. Werden Informationen dagegen gezielt zurückgehalten oder nur verspätet eingereicht, kann dies den Turnaround-Erfolg stark beeinträchtigen. Informationsdifferenzen und ihre Beseitigung sind Hauptziel und Untersuchungsgegenstand der Agency-Theorie. Diese bildet im Folgenden die Theoriegrundlage für die Untersuchung des Sanierungsprozesses. Die an einer Sanierung beteiligten Akteure weisen oftmals einen unterschiedlichen Informationsstand auf. So treten in den einzelnen Krisenstadien und den sich daran anschließenden Sanierungsphasen Informationsdifferenzen unterschiedlicher Art und Intensität zwischen Banken und ihren Kreditnehmern auf. Diese sind zur Förderung des Sanierungsprozesses abzubauen. Die Agency-Theorie kann im Rahmen der Problemanalyse und der Findung praxisnaher Lösungen Hilfestellung leisten. Mit der Agency-Theorie lassen sich die Verhaltensweisen zweier Akteure in einer Auftragsbeziehung beschreiben und analysieren (Jensen/Meckling, 1976, S. 305 ff.). Dabei können Kreditbeziehungen zwischen Gläubigern und Schuldnern als Principal-Agent-Verbindungen interpretiert werden. Die Kapitalgeber übernehmen die Funktion des Principals und die Kapitalnehmer die Rolle der Agents. Die Agents sind in diesem Fall die Entscheidungsträger in der Geschäftsführung des Unternehmens. Die Kapitalgeber übertragen in ihrer Funktion als Principals ihren Kreditnehmern die Aufgabe, die gewährten Kreditmittel vertragsgerecht zurückzuzahlen (vgl. Schiller/Tytko, 2001, S. 37 ff.). Bedeutende Untersuchungsgegenstände der Agency-Theorie lassen sich wie folgt benennen. Definition: Die Agency-Theorie analysiert Verhaltensweisen zweier Akteure, dem Principal und dem Agent, in einer Auftragsbeziehung und gibt Gestaltungsempfehlungen für diese Relation. Ursächlich für Probleme aus dieser Beziehung sind unterschiedliche Ziele und Interessen begleitet durch eine heterogene Informationsverteilung. So ist der Agent in der Regel über seine wirtschaftliche Lage besser informiert als der Principal und kann diesen Informationsvorteil zu seinen Gunsten nutzen. Spezifische Probleme aus einer Agency-Beziehung können daraus entstehen, dass der Agent Entscheidungen in der Verfolgung eigener Interessen trifft und damit das Nutzenniveau des Principals beeinträchtigt. So kann der Kreditkunde schon frühzeitig planen, die ausbezahlten Mittel anderweitig zu verwenden oder er hat genaue Informationen über den erhöhten Risikogehalt seiner kreditfinanzierten Investitionen. Im Fall einer Krise kann die wirtschaftliche Schieflage durch einen Unternehmer verschleiert werden. Bei der Sanierung können die Erfolgsaussichten besser dargestellt werden, als sie tatsächlich sind. Des Weiteren können Ent-

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3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

nahmen vorgenommen oder Gesellschafterdarlehen zurückgeführt werden, um Gelder zu retten und Sanierungsbeiträge einseitig zu Lasten der Gläubiger zu verteilen. Agency-Probleme treten auf, wenn eine heterogene Informationsverteilung vorliegt. In dieser Situation ist der Agent besser informiert als der zugehörige Principal (vgl. Swoboda, 1991, S. 162 ff. und Arrow, 1985, S. 37 ff.). Dann werden negative Charaktereigenschaften oder Handlungen für den Principal nicht sichtbar. Nach der Art des Informationsvorsprungs lassen sich zwei Formen ungleicher Informationsverteilungen unterscheiden. Der Fall Hidden Information bezieht sich auf Merkmale des Agenten, die dem Principal vor Eingehen einer Vertragsbeziehung verborgen geblieben sind, die aber auch in den Verlauf der Beziehung hineinwirken können. So kennt der Agent seine Aktionsmöglichkeiten, seine charakterlichen Eigenschaften, seine Qualifikationen und Präferenzen meist besser als der Principal. Er wird daher versuchen, diese persönlichen Merkmale positiver darzustellen, um Vorteile für die Finanzierungsbeziehung zu generieren. Probleme aus Hidden Action sind dadurch bestimmt, dass der Agent Handlungen während einer laufenden Vertragsbeziehung vornimmt, die der Principal nicht beobachten kann. Als Resultat kann ein Schaden für den Principal entstehen. Informationsunterschiede bewirken unter anderem, dass der Arbeitseinsatz, das Anstrengungsniveau und die Sorgfalt des Agenten während der Laufzeit einer Kreditbeziehung nicht komplett überwacht werden können. Auch bewusste Schädigungen des Agenten sind nicht unverzüglich zu erkennen. Durch bilanzpolitische Maßnahmen kann die wirtschaftliche Lage zudem verschleiert werden. Ebenfalls kann der Principal nicht einschätzen, ob die Unternehmenserfolge auf Leistungen des Agenten beruhen oder auf günstige oder ungünstige Umwelteinflüsse wie eine boomende oder schleppende Konjunktur zurückzuführen sind. Probleme aus Hidden Action und Hidden Information können isoliert, aber auch kombiniert auftreten. Die nachfolgende Abbildung 3.5 verdeutlicht die Agency-Verbindung zwischen einem Principal und Agent in einer Auftragsbeziehung mit einem Kapitalgeber und einem Kapitalnehmer.

Agency-Beziehung Hidden Action Handlungen

Principal Kapitalgeber

Auftragsbeziehung

Hidden Information Eigenschaften

Abb. 3.5 Agency-Beziehung zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer

Agent Kapitalnehmer

3.2 Agency-Theorie

17

Die Stärke von Informationsasymmetrien steigt in der Krise eines Unternehmens regelmäßig an. So werden in der wirtschaftlichen Schieflage häufig Daten geschönt oder an die Gläubiger nicht weitergegeben. Im Zweifel liegen krisenrelevanten Informationen der Firma selbst nicht vor, wenn unzureichende Controllingsysteme bestehen. Dies behindert die rechtzeitige Einleitung der Sanierung, verlängert die Dauer des Gesundungsprozesses und beeinträchtigt die Erfolgsaussichten für den Turnaround. In den Stadien der Krise lassen sich im Zeitablauf verschiedene Arten und Intensitäten von Informationsasymmetrien feststellen. In der Strategiekrise sind die wirtschaftlichen Probleme der finanzierenden Hausbank meist noch verdeckt. So wird das Management des Unternehmens häufig noch als qualitativ gut eingeschätzt und die Rahmendaten der Firma gelten als gesichert. In der akuten Schieflage wird diese Haltung dann oft plötzlich und stark revidiert. Hidden-Information- und Hidden-Action-Probleme sind in der Strategiekrise nicht offenkundig, da der Kapitaldienst geleistet wird und die Schwierigkeiten verschleiert sind. Die Geschäftsführung kann bereits erste Anzeichen einer strategischen Krise durch Anspannungen der Marktlage erkennen. Die Leitung kann jedoch die Relevanz der Auswirkungen nicht wahrnehmen oder die Probleme nicht berichten. In der Ertragskrise wirkt sich die negative wirtschaftliche Entwicklung bereits deutlich aus und zeigt sich in Form reduzierter und schwacher Erfolgskennzahlen. Probleme aus Hidden Action und Hidden Informationen werden Dritten wie Kreditinstituten oft erstmals sichtbar. Schwierigkeiten treten auf, wenn die Krisenfestigkeit der Geschäftsleitung nicht eingeschätzt werden kann. Die Ertragskrise erfordert ein starkes Gegensteuern mit Maßnahmen wie Kostensenkungen, um die drohende Liquiditätskrise abzuwenden. In der Liquiditätskrise kommt der Beachtung von Agency-Problemen aus asymmetrischer Informationsverteilung eine besondere Wichtigkeit zu. Kann der Hausbank als Hauptgläubigerin nicht versichert werden, dass eine Abwendung der Krise noch möglich ist und werden Informationen an diese nicht weitergegeben, führt ein gesteigertes Misstrauen unter Umständen zur Beendigung der Vertragsbeziehung. Oftmals ist das vorhandene Vertrauen in dieser Krisenphase mitentscheidend darüber, ob das betreffende Unternehmen überhaupt als unterstützungswürdig eingestuft wird. Die Reduzierung der Agency-Probleme und der Informationsdifferenzen hat in dieser Phase eine besondere Wichtigkeit. So ist es von Bedeutung, dass gerade der Unternehmer und die Hausbank die wirtschaftlichen Schwierigkeiten gleichermaßen feststellen und Einigkeit zur Notwendigkeit einer Sanierung besteht. Auch im Gesundungsprozess sind die Interessenunterschiede und Informationsasymmetrien zu untersuchen und abzubauen. In der Sanierung ist es von Bedeutung, dass die wesentlichen Sanierungsträger die gleichen Ziele und Interessen haben. Zudem ist Datentransparenz herzustellen, damit die Gläubiger den Sanierungsverlauf effizient überwachen können. Wieder stehen Agency-Probleme aus Hidden Action und Hidden Information im Vordergrund. Zwischen den Gläubigerbanken und dem Krisenunternehmen ist im Sanierungsprozess in erster Linie die Reduzierung von Problemen aus Hidden Action relevant, da eine bereits bestehende Vertragsbeziehung untersucht wird. Es ist von Bedeutung, wie eine Interessenangleichung in der Sanierung erreicht werden kann. In der Praxis helfen hier Instrumente der Absicherung in Form von persönlichen Sicherheiten und vertragliche Verpflichtungserklärungen in Form

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3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

von Financial Covenants und Soft Covenants, um das Verhalten des Kreditnehmers unter anderem zur Informationsweitergabe positiv zu beeinflussen. Es sind jedoch auch Probleme aus Hidden Information von Relevanz. So ist die Qualifikation des Managements für den Erfolg einer Sanierung von erheblicher Bedeutung. Daher ist vor der Einleitung des Gesundungsprozesses insbesondere darüber zu entscheiden, ob das Management als krisenfest eingestuft wird, die Sanierung erfolgreich umzusetzen. Gegebenenfalls sollte das Alt-Management durch ein Interimsmanagement unterstützt oder ersetzt werden. Dies ist gerade von Bedeutung, wenn neue Geldmittel gegeben werden sollen. Diese Entscheidung wird in Banken nicht leichtfertig getroffen, um keine weiteren potenziellen Abschreibungen zu erzeugen. In diesem Fall hängt die Neukreditvergabe neben den positiven Sanierungsaussichten maßgeblich von den Qualifikationen des Kreditnehmers ab. Lösungsansätze für den Problembereich der bestmöglichen Besetzung des Sanierungsträgers können direkt aus der Agency-Theorie abgeleitet werden. Bestreben der Agency-Theorie ist es, Anreiz-, Überwachungs- und Kontrollmechanismen zu gestalten. Diese Maßnahmen haben eine Reduzierung der ungleichen Informationsverteilung und eine Angleichung der Interessenlagen zwischen Principal und Agent zum Ziel. Probleme aus asymmetrischer Informationsverteilung zwischen Banken und Kreditnehmern lassen sich bereits vor Eingehen einer Vertragsbeziehung (Hidden Information) antizipieren und durch konkrete Maßnahmen verringern. Diese können umfassen: 

die Erstprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse und Firmensicherheiten,



die persönliche Obligierung des Geschäftsführers oder Gesellschafters und



die Festlegung von Covenants zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.

Bei Bestehen der Vertragsbeziehung (Hidden Action) existieren weitere Instrumente zur Reduzierung von Agency-Problemen. Dabei ist zu versuchen, den Unternehmer, insbesondere in der Krise und eingeleiteten Sanierung, zur Weitergabe richtiger Informationen anzureizen. Hier kann das Signaling besondere Wirkungen setzen. Es geht von einer Signalsendung des Agenten aus und stellt eine spezielle Form der Informationsübermittlung dar, die der Agent nutzt, um ein verbessertes Vertragsangebot zu erhalten (vgl. Schiller/Tytko, 2001, S. 39 ff.). So können freiwillig erstellte Finanzpläne als ein positives Signal für die Unternehmensbonität interpretiert werden und durch verbesserte Zinskonditionen belohnt werden. Eine andere Form ist das Monitoring mit der Installierung von bestimmten Überwachungsinstrumenten durch die Gläubiger. Es sind die Überwachungsdesigns zu wählen, die Agency-Probleme aus negativen Handlungen verhindern, wie unter anderem: 

die laufende Überprüfung der Kapitaldienstfähigkeit,



die Überwachung der Sicherheiten in regelmäßigen Intervallen und



die stetige Analyse des aktuellen Zahlenmaterials.

Die Informationsübermittlung von Seiten des Unternehmens ist in der Krise von besonderer Bedeutung. Gerade wenn eine wirtschaftliche Schieflage sichtbar wird, ist es für Kreditinstitute wichtig, eine optimale und dauerhaft gute Datenlage zu erhalten, damit die Vertrauens-

3.3 Stakeholder-Modell

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grundlage erhalten bleibt. Es sind vom Unternehmen richtige, vollständige und risikorelevante Daten, möglichst zielgruppengerecht aufbereitet, zu übermitteln, die von den Risikosystemen der Kreditinstitute untersucht werden können. Banken sind unter gewissen Voraussetzungen gesetzlich dazu verpflichtet, Informationen über Kreditnehmer hereinzunehmen und auszuwerten (§ 18 KWG). Diese Pflicht besteht auch in der Krise und Sanierung. Zudem sind weitere Akteure an Informationen interessiert. Mitarbeiter, Lieferanten, Kreditversicherer und Kunden bestimmen den Erfolg des Sanierungsverlaufs maßgeblich mit und sind daher mit Daten zu versorgen. Sie können den Sanierungsprozess unterstützen, indem sie als Mitarbeiter auf Entgelte verzichten oder als Lieferanten stillhalten und das Krisenunternehmen zu den bisherigen Konditionen weiter beliefern. Sie können den Erfolg der Sanierung aber auch gefährden, wenn zum Beispiel Linien von Kreditversicherern gekürzt werden oder Kunden die Produkte und Dienstleistungen boykottieren. Daher reicht es nicht aus, sich allein auf die Sichtweise der Kreditinstitute zu beschränken, sondern es sind die Ziele und Einflussmöglichkeiten weiterer an einem Sanierungsprozess beteiligter Personen, Gruppen und Institutionen zu analysieren. Dazu werden die Eigenschaften, Interessen und Motivationen der sanierungsrelevanten Akteure im Stakeholder-Modell untersucht. Zusammenfassung Abschnitt 3.2: In diesem Abschnitt wurden Grundzüge der AgencyTheorie dargestellt und der Bezug zur Unternehmenssanierung aufgezeigt. Gerade Probleme aus Hidden Information und Hidden Action sind in der wirtschaftlichen Krise von Bedeutung. Als kritisch können sich Zielunterschiede und Informationsasymmetrien zwischen Kapitalnehmern und Kapitalgebern erweisen. Daher sind Maßnahmen des Monitoring oder des Signaling einzusetzen, um diese Agency-Probleme aus Sicht der Kreditinstitute abzubauen und den Sanierungsprozess zu fördern.

3.3

Stakeholder-Modell

Sanierungen werden in ihrem Verlauf durch verschiedene Akteure beeinflusst. Gerade externe Gläubiger entscheiden über das Vorgehen bei einem Kreditnehmer in einer Krisenlage auf der Basis von rationalen wirtschaftlichen Gründen. Sie werden zum Teil aber auch von irrationalen Gegebenheiten geleitet. So kann das Verhalten der Geschäftsführung die Unterstützungsbereitschaft erhöhen oder verringern. Firmen werden mit den Erwartungen und Anforderungen von Akteuren im Unternehmen und im Umfeld konfrontiert, den sogenannten Stakeholdern. Diese Parteien lassen sich wie folgt definieren. Definition: Stakeholder sind Individuen oder Gruppen mit eigenen Zielen und Bedürfnissen, die von Handlungen einer Unternehmung beeinflusst werden oder diese auch aktiv beeinflussen oder unterstützen können (vgl. Freeman, 1984, S. 46.). Die Ansprüche der wirtschaftlich involvierten Parteien steigen in der Krise und Sanierung eines Unternehmens erheblich, da die bedrohte Unternehmensexistenz auch negative Folgen für diese Stakeholder bedeutet. Daher fordern insbesondere Banken zur intensiven Überwa-

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3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

chung detaillierte Liquiditätspläne und die Gesellschafter Informationen über die wirtschaftliche Lage. Werden die Stakeholder-Interessen vernachlässigt kann dies in schwierigen Unternehmenssituationen wie einer Krise den Erfolg des Gesundungsprozesses stark beeinträchtigen. So können Kreditversicherer und Banken ihre Linien auf Basis des gestiegenen Risikogehalts kürzen oder qualifizierte Mitarbeiter verlassen das Unternehmen aufgrund der erhöhten Insolvenzgefahr. Daher sind die in einer Krise und Sanierung bedeutenden Stakeholder zu identifizieren. Die Unternehmensleitung sollte ihre Entscheidungen dann im Sinne eines optimalen Sanierungserfolgs auf die bedeutenden Gruppen abstimmen. Hilfestellung dazu leistet das Stakeholder-Modell. Es schafft einen strukturierten Rahmen, um die Chancen und Bedrohungen der relevanten Interessengruppen für die Sanierung eines Unternehmens systematisch zu untersuchen und Gestaltungsempfehlungen für einen Sanierungsprozess zu geben. Der Stakeholder-Management-Ansatz umfasst zum einen die Analyse von Ansprüchen und Beiträgen ausgewählter Unternehmensgruppen. Zum anderen schafft er ein Abbild der unternehmensrelevanten Umwelt, indem er die in der Krise und Sanierung auf die Unternehmung treffenden Forderungen, Erwartungen und Ansprüche auf konkrete Stakeholder-Gruppen zurückführt (vgl. Schuppisser, 2002, S. 7). Der langfristige Erfolg des Unternehmens hängt dann davon ab, wie gut es der Geschäftsführung gelingt, eine Balance zwischen den verschiedenen Interessen und der Befriedigung der Ansprüche der Stakeholder zu finden (vgl. Freeman, 1984, S. 52 ff.). Die wesentlichen Aussagen des Stakeholder-Modells lassen sich wie folgt beschreiben. Definition: Das Stakeholder-Modell betrachtet Interaktionen zwischen Unternehmen und ihrem Umfeld. Im Stakeholder-Modell sind drei Schritte zu vollziehen. Erstens sind die für eine Problemsituation relevanten Stakeholder zu identifizieren. Zweitens sind ihre Interessen und Einflussmöglichkeiten genau zu bestimmen. Drittens sind die Entscheidungen der Geschäftsführung auf die Bedürfnisse der wichtigen Stakeholder abzustimmen. Zudem sind die Stakeholder-Beziehungen untereinander zu koordinieren. Der Stakeholder-Ansatz geht weiter als Shareholder-Modelle, indem die Sicht umfassender ist und nicht auf die Ansprüche der Anteilseigner begrenzt wird. Das Modell kann deskriptiv eingesetzt werden, also auf der beschreibenden Ebene. In diesem Fall werden die Ansprüche der Stakeholder in Bezug auf ein Unternehmen dargelegt. Das Konzept kann zudem instrumentell verwendet werden, indem zweckdienliche Aussagen zur Verfolgung ökonomischer Zielsetzungen gegeben werden. Mit dem Stakeholder-Modell lassen sich außerdem normative Aussagen ableiten. Als Resultat wird dann eine Richtschnur des optimalen Handelns für die Akteure vorgegeben (vgl. Schuppisser, 2002, S. 12 ff.). In dieser Arbeit wird das Stakeholder-Modell verwendet, um Beschreibungen vorzunehmen, die ein realistisches Abbild des Unternehmens in einer Krise und Sanierung geben. Zudem wird versucht das Modell instrumentell einzusetzen, um nützliche Gestaltungsempfehlungen für die Hauptbeteiligten an einer Sanierung zu geben. Im Vordergrund steht die Hausbank. Eine normative Nutzung des Modells wird dagegen nicht als sinnvoll angesehen, da Sanierungsverläufe vom Handeln vieler Akteure unter nicht vergleichbaren Rahmenbedingungen

3.3 Stakeholder-Modell

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bestimmt werden und schwer in ein Schema zu pressen sind. Es lassen sich jedoch praxisnahe Regeln zu einer professionellen Sanierungsbegleitung ableiten. Das Stakeholder-Modell ist ein strategisches Konzept. Das Modell gewinnt seine Bedeutung daraus, dass Chancen und Bedrohungen relevanter Stakeholder eines Unternehmens erfasst und gesteuert werden können. Diese Analysen können auf den Untersuchungsgegenstand der Sanierung angepasst werden. Damit besteht die Möglichkeit, eine Sanierung durch gezieltes Handeln an bestimmten Eckpunkten auf den richtigen Weg zu bringen und den Sanierungsverlauf positiv zu beeinflussen. So lässt sich durch die Einforderung von Beiträgen bestimmter Gruppen der Gesundungsprozess stabilisieren. Gleichermaßen sind negative Wirkungen anderer Parteien zu analysieren und es ist zu versuchen, diesen Störungen im Vorfeld zu begegnen. Diese Untersuchungen können Banken dazu nutzen, um den Sanierungsverlauf aktiv zu gestalten. Auf diese Weise lässt sich zum einen ein hoher Wirkungsgrad der Sanierung erreichen, indem positive Unterstützungsbeiträge gefördert werden. Zum anderen lassen sich mögliche Gefährdungen frühzeitig erkennen und es kann gegengesteuert werden, wenn unter anderem einzelne Stakeholder eine Sanierung behindern. Um eine Stakeholder-Analyse durchzuführen sind folgende drei Ablaufschritte zu vollziehen: Im ersten Schritt sind die für eine Krise und Sanierung relevanten Stakeholder zu identifizieren. Im zweiten Schritt sind die Interessen, Sanierungsbeiträge und Bedrohungspotenziale der Gruppen zu bestimmen. Im dritten Schritt sind die Entscheidungen der Geschäftsführung auf die Bedürfnisse der wichtigen Akteure abzustimmen und die Interaktionen zwischen den Stakeholdern zu steuern und zu überwachen. Erster Schritt: Stakeholder-Identifikation Bei der Identifizierung der für eine Sanierung wichtigen Gruppen ist strukturiert vorzugehen. Dazu sind die Stakeholder in Kategorien einzuteilen. So lassen sich ihre primären Interessen optimal ableiten. Ein mögliches Entscheidungsmerkmal differenziert Stakeholder nach ihrer Stärke, Bindung und Zugehörigkeit zum Krisenunternehmen in interne und externe Gruppen. Interne Stakeholder haben einen engen Bezug zum Unternehmen und befinden sich im direkten Einflussbereich unternehmerischer Entscheidungen beziehungsweise treffen diese. Interne Akteure haben meist aus existenziellen Gründen ein originäres Interesse am Fortbestehen des Krisenunternehmens. Zu den ausgewählten internen Stakeholdern gehören in dieser Untersuchung die Geschäftsführung, die Anteilseigner, der Aufsichtsrat oder Beirat, das Mittlere Management und die Mitarbeiter beziehungsweise der Betriebsrat. Die externen Stakeholder befinden sich im Unternehmensumfeld und können meist nur indirekt auf unternehmerische Entscheidungen einwirken. Zu den externen Stakeholdern gehören unter anderem Kreditinstitute, Lieferanten und Kreditversicherer, Kunden, Sanierungsberater, gegebenenfalls Insolvenzverwalter und die Öffentliche Hand. Besondere Vorteile dieser Zuordnung zu internen und externen Gruppen sind: 

Differenzierung nach der Einwirkung auf den Sanierungsverlauf: Interne Stakeholder haben meist starke und direkte Einwirkungsmöglichkeiten auf Unternehmen und unternehmerische Entscheidungen. Diese besonderen Gestaltungspotenziale sind von den externen Stakeholdern wie Kreditinstituten zu berücksichtigen.

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3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie



Zuordnung nach der Stärke der Verbundenheit zum Unternehmen: Der persönliche und emotionale Bezug ist bei den Internen meist stärker vorhanden als bei den Externen. Auch die Betroffenheit aufgrund der höheren Abhängigkeit der internen Gruppen in einer Krise und Sanierung ist meist intensiver ausgeprägt.



Bezug zur Informationsverteilung: Interne Akteure sind aufgrund der Nähe zum Wertschöpfungsprozess, der fachlichen Kenntnisse und des erleichterten Zugangs zu formellen und informellen Informationsquellen oft besser informiert über den wirtschaftlichen Zustand eines Unternehmens als externe Gruppen.

Dabei ist zu beachten, dass Akteure existieren, die gleichzeitig der internen und der externen Gruppierung angehören. So können Mitarbeiter auch Kunden oder Anteilseigner der Krisenfirma sein. Der Übersichtlichkeit halber wird zu Lasten der Genauigkeit davon ausgegangen, dass jeder Akteur nur einer Kernanspruchsgruppe angehört und ausschließlich ihre Interessen vertritt. Weiter wird zunächst unterstellt, dass die Akteure innerhalb einer Anspruchsgruppe einheitliche Ziele und Interessen verfolgen. Später wird die Homogenität in den Gruppen unter anderem im Banken- oder Gesellschafterkreis aufgehoben. So kann es im Gesellschafterkreis eines Unternehmens zu erheblichen Differenzen kommen, wenn in einer Krisenlage neues Geld eingeschossen werden soll. Es kann Anteilseigner geben, die das Unternehmen bedingungslos unterstützen wie die Unternehmensgründer. Andere Gesellschafter wie zum Beispiel Finanzinvestoren können rein finanzielle Interessen verfolgen und ihr bestehendes Investment bereits abgeschrieben haben. In diesem Fall sind keine Zugeständnisse zu erwarten. Ebenfalls können die Ziele und Vorgehensweisen innerhalb der Kreditinstitute stark differieren. Zum Beispiel kann ein Institut mit einem geringen Kreditvolumen von der Hausbank die Ablösung fordern. Dies erschwert den Sanierungsprozess meist erheblich. Die möglichen Interessenunterschiede und die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen werden später im Verlauf der Sanierung untersucht. Entscheidungen im Rahmen einer Sanierung werden aus Sicht der betroffenen Gruppen primär aus wirtschaftlichen Kalkülen heraus getroffen. So kann im Vordergrund die ökonomische Frage stehen, ob ein Unternehmen aus Sicht der Banken kapitaldienstfähig ist oder eine marktübliche Rendite für die Anteilseigner erwirtschaftet. Neben den Banken und den Gesellschaftern sollen hier in erster Linie Stakeholder betrachtet werden, die ein ökonomisches Interesse am Fortbestand des Krisenunternehmens haben. Dies sind in der Sanierung die folgenden ausgewählten internen Stakeholder: 

Geschäftsführung: Das Top-Management hat die Krise häufig verursacht. Die Bereinigung der wirtschaftlichen Schieflage über eine Sanierung muss oft mit Hilfe der Manager gestaltet werden. Ist die Geschäftsführung nicht geeignet, die Sanierung umzusetzen, besteht die Möglichkeit des Ersatzes durch ein Interimsmanagement.



Anteilseigner: Von den Gesellschaftern werden meist erhebliche Sanierungsbeiträge gefordert. Von Anteilseignern sollte zusätzliche Liquidität bereitgestellt werden. Zu beachten ist, dass sich häufiger Finanzinvestoren im Gesellschafterkreis von Firmen befinden, deren Interessen von klassischen Anteilseignern erheblich abweichen können.

3.3 Stakeholder-Modell

23



Aufsichtsrat/Beirat: Diese Organe haben die Aufgabe die Geschäftsführung oder den Vorstand zu überwachen und in Krisenzeiten verschiedene Kontrollpflichten zu erfüllen. Zudem kann dieses Gremium nach einer erfolgreichen Sanierung installiert werden, um den Turnaround mittel- bis langfristig abzusichern.



Mittleres Management: Diese Gruppe hat einen wesentlichen Beitrag bei der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen zu leisten. Daher sollte in einer Sanierung in Erwägung gezogen werden einen internen Lenkungsausschuss zu installieren, der als Projektorganisation die Sanierung abteilungsübergreifend steuert und überwacht.



Mitarbeiter/Betriebsrat: Die Mitarbeiter als Arbeiter und Angestellte ohne Führungsaufgaben, sind meist existentiell von einer Krise und Sanierung betroffen. Häufig müssen sie Zugeständnisse in Form von Lohn- und Gehaltsverzichten leisten. Der Betriebsrat ist von Bedeutung, wenn er als Vermittler und Verhandlungspartner auftritt.

Unter den externen Gruppen ist die Abgrenzung schwerer zu ziehen, da der potenzielle Kreis der Teilnehmer größer ist. Ausgewählt wird zunächst folgender Kreis, der für eine Sanierung relevanten Gruppen. Dieser wird später auf zusätzliche Akteure erweitert: 

Kreditinstitute: Für Banken und Sparkassen drohen in der Schieflage eines Firmenkunden meist erhebliche Ausfallrisiken. Kreditinstitute können in der wirtschaftlichen Krise eines Kreditnehmers unterschiedliche Strategien verfolgen. So kann das Bestreben darin bestehen das eigene Risiko zu vermindern. Ebenso kann ein Verkauf des gesamten Kreditengagements zur Disposition stehen. Hier soll das vornehmliche Interesse einer aktiven Sanierung des Kreditnehmers im Vordergrund stehen.



Lieferanten/Kreditversicherer: Diese Akteure müssen in der Krise eines Kunden mit Forderungsausfällen und Umsatzeinbußen rechnen. Dabei ist ihre Risikolage aufgrund von kollidierenden Positionen und dem möglichen Untergang von Sicherheiten schwach. Warenkreditversicherer haben einen erheblichen Einfluss auf den Handlungsspielraum der Lieferanten. Da sich deren Interessen zum Teil überschneiden, werden Kreditversicherer und Lieferanten überwiegend zusammenhängend betrachtet.



Kunden: Diese Gruppe bestimmt den Erfolg unternehmerischer Aktivitäten erheblich. Daher kommt der Kommunikations- und Informationspolitik zu den Kunden in der Sanierungsphase besondere Bedeutung zu. Zudem können Großabnehmer mit finanziellen Unterstützungen erhebliche Sanierungsbeiträge leisten. Dies wird der Fall sein, wenn ein Abnehmer von den Vorprodukten maßgeblich abhängig ist, da keine Substitute bestehen oder eine enge Verzahnung in der Wertschöpfungskette vorliegt.



Sanierungsberater: Sie übernehmen im Rahmen eines Beratungsauftrags die Aufgabe das Krisenunternehmen nachhaltig zu sanieren. Dabei können diese Stakeholder entweder der Geschäftsführung eines wirtschaftlich schwachen Unternehmens zur Seite stehen oder auch im Rahmen eines Interimsmanagements die bisherige Geschäftsführung des wirtschaftlich schwachen Unternehmens unterstützen oder ersetzen.



Insolvenzverwalter: Der Verwalter hat im vorläufigen und im eröffneten Insolvenzverfahren zu prüfen, ob Sanierungschancen durch eine übertragende Sanierung oder ein In-

24

3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie solvenzplanverfahren bestehen. Auf die Auswahl eines erfahrenen und risikobereiten Insolvenzverwalters ist gerade bei Unternehmen mit guten Gesundungschancen zu achten. Dies sind meist große Firmen mit einem umfangreichen Kundenstamm.



Öffentliche Hand: Gemeint sind verschiedene Gruppen außerhalb des Unternehmens, die von einem Krisenfall wirtschaftlich betroffen sein können, wie der Fiskus, der Bund oder das Land. So können Steuerausfälle diese Akteure belasten. Gleichermaßen können über Sanierungsmittel wie Landesbürgschaften oder die Stundung von Steuerzahlungen erhebliche Unterstützungen im Gesundungsprozess geleistet werden.

Die folgende Abbildung 3.6 bietet eine Übersicht über die betrachteten Stakeholder-Gruppen im Sanierungsprozess, differenziert nach internen und externen Gruppen.

Interne und externe Unternehmensstakeholder Externe Stakeholder Öffentliche Hand

Kreditinstitute

Interne Stakeholder Anteilseigner

Insolvenzverwalter

Mitarbeiter Betriebsrat

Geschäftsführung

Aufsichtsrat Beirat

Lieferanten Kreditversicherer

Mittleres Management Sanierungsberater

Kunden

Abb. 3.6 Ausgewählte interne und externe Stakeholder

Interne und externe Stakeholder sind im Sanierungsprozess zwingend zu beachten. Dies lässt sich aus dem Anspruchspotenzial aufgrund von Legitimationsrechten und Einflusswirkungen dieser Gruppen begründen (vgl. Schuppisser, 2002, S. 16 ff.): 

Stakeholder können ein positives oder negatives Einflusspotenzial auf den Sanierungsverlauf ausüben. Zu beachten sind die Beziehungen der relevanten Stakeholder zum Krisenunternehmen, aber auch die Verbindungen der Stakeholder untereinander.

3.3 Stakeholder-Modell 

25

Stakeholder haben gewisse Legitimationsrechte im Sanierungsprozess. Diese resultieren aus Eigentumsrechten bei Gesellschaftern oder durch eine enge Einbeziehung in die Wertschöpfungskette bei Lieferanten und Kunden.

Aus diesen Ansprüchen ergeben sich Bedrohungspotenziale oder Möglichkeiten, eine Sanierung aktiv zu unterstützen. Dies gilt es im zweiten Schritt der Stakeholder-Analyse differenziert nach internen und externen Gruppen zu untersuchen. Zweiter Schritt: Interessen, Bedrohungen und Sanierungsbeiträge Zwischen den ausgewählten internen und externen Stakeholdern und dem Krisenunternehmen bestehen wechselseitige Beziehungen. Die wirtschaftliche Lage und die Entscheidungen der Geschäftsleitung können auf diese Stakeholder einwirken und es kann im Gegenzug zur Einflussnahme auf das Krisenunternehmen kommen. Ein erfolgreich gestalteter Sanierungsprozess setzt die Kenntnis der Entscheidungsalternativen der Stakeholder voraus (vgl. Buschmann, 2004, S. 205 ff.). Dabei wirken einige Maßnahmen positiv und fördern die Sanierung, andere Schritte wirken negativ und beeinträchtigen den wirtschaftlichen Gesundungsprozess. Insbesondere auf die internen Gruppen kann meist ein erheblicher Einfluss ausgeübt werden. Daher sind die positiven Beiträge zu forcieren und die Gefährdungspotenziale zu vermeiden. Eine Übersicht gibt die folgende Tabelle 3.1. Tab. 3.1 Unterstützungen und Bedrohungen der internen Stakeholder in der Krise und Sanierung

Unterstützungen Gehaltsverzicht Einschuss Gelder Kapitalerhöhung Rangrücktritt Darlehen Sanierungsunterstützung Sanierungsüberwachung Gehaltsverzicht Freiwillige Überstunden Gehaltsverzicht Freiwillige Überstunden

Interne Stakeholder Geschäftsführung Anteilseigner Aufsichtsrat/Beirat Mittleres Management Mitarbeiter

Bedrohungen Kündigung Missmanagement Entnahmen Verweigerung Kapitalerhöhung Fehlende Überwachung Passivität Blockadehaltung Innere Kündigung Kündigung Demotivation

Auch das Verhalten der externen Stakeholder ist in der Krise und Sanierung von Bedeutung. Diese Akteure können mit der Krisenfirma kooperieren, indem sie zum Beispiel Stillhalten und das Unternehmen mit Sanierungsbeiträgen unterstützen. Sie können die Geschäftsbeziehungen aber auch zu Lasten des Unternehmens neu gestalten oder beenden (vgl. Buschmann, 2004, S. 203 ff.). Auch innerhalb einer Stakeholder-Gruppe kann es unterschiedliche Verhaltensweisen geben. So kann die Hausbank eine Sanierung in jeglichen Punkten unterstützen, während ein gut abgesichertes Kreditinstitut eine Verwertung vorzieht und daher alle Sanie-

26

3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

rungsbeiträge konsequent ablehnt. Die möglichen Maßnahmen der externen Gruppen werden in nachfolgender Tabelle 3.2 aufgezeigt. Tab. 3.2

Unterstützungen und Bedrohungen der externen Stakeholder in der Krise und Sanierung

Unterstützungen Stundungen Neukreditvergabe Weiterbelieferung Erhalt Versicherungslinien Finanzielle Unterstützungen Fortführung Geschäftsbeziehung Professionelle Sanierung Interimsmanagement Branchenwissen Sanierungserfahrung Vergabe Landesbürgschaft Stundung Steuerzahlungen

Externe Stakeholder Kreditinstitute Lieferanten/KV Kunden Sanierungsberater Insolvenzverwalter Öffentliche Hand

Bedrohungen Kündigungen/Linienkürzungen Nachbesicherungen Lieferung gegen Vorkasse Kürzung Einkaufslinien Verzögerung von Zahlungen Wechsel zur Konkurrenz Unprofessionelle Sanierung Kostenfaktor Risikoaversion Fehlendes Sanierungswissen Versagung öffentlicher Hilfen Einforderung Steuerzahlungen

Dabei kann sich das Entscheidungsverhalten im Zeitablauf verändern, unter anderem wenn einzelne Stakeholder Einfluss auf andere Akteure nehmen. So kann der Druck der Banken unter Umständen verhindern, dass Kreditversicherer ihre Linien kürzen oder ihre Geschäftsbeziehung vollständig beenden. Oftmals spielt auch der Zeitpunkt, zu dem ein Akteur einen Sanierungsbeitrag gewährt, eine bedeutende Rolle, um andere Stakeholder zur Unterstützung zu gewinnen. Wenn die Anteilseigner vorrangig neues Geld geben und damit ein Zeichen setzen, können Gläubiger dazu bewegt werden, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Um diese möglichen Unterstützungen und Bedrohungen erklären zu können, werden die Ansprüche der Stakeholder in der Krise und Sanierung untersucht. Folgende Grundinteressen dieser ausgewählten internen Stakeholder können identifiziert werden: 

Geschäftsführung: Die Unternehmensleitung hat das Interesse, die Existenz der Firma zu erhalten. Dazu gilt es die Insolvenz zu vermeiden und das Unternehmen über Sanierungsmaßnahmen langfristig aus der Krise herauszuführen. Gleichzeitig besteht das Ziel, den eigenen Arbeitsplatz und die Reputation zu erhalten.



Anteilseigner: Gesellschafter haben in der Regel das Interesse, das Krisenunternehmen vor der Insolvenz zu bewahren. Dies kann aus der Kapitalerhaltung, dem Aufrechterhalten einer Einkommensquelle oder der Absicherung eines Familienunternehmens resultieren. Interessen von Finanzinvestoren im Gesellschafterkreis sind oftmals auf finanzielle Aspekte der Wertsteigerung und der Ausschüttung gerichtet.

3.3 Stakeholder-Modell

27



Aufsichtsrat/Beirat: Diese Organe vertreten die Interessen der Anteilseigner und haben in ihrer Funktion die Geschäftsführung intensiv zu überwachen. Zudem besteht das Ziel einen eingeleiteten Sanierungsprozess erfolgreich zu gestalten. Dabei kann es notwendig werden, die bestehende Geschäftsführung durch ein neues Management zu ersetzen.



Mittleres Management: Führungskräfte haben das Ziel, das Unternehmen aus der Krise herauszuführen, auch wenn dies mit einem erhöhten Arbeitseinsatz und Verzichten bei Gehältern verbunden ist. Es besteht meist eine hohe Eigenmotivation zur Krisenbewältigung. Jedoch kann es auch zur Abwanderung erfolgreicher Kräfte kommen.



Mitarbeiter/Betriebsrat: Diese Akteure haben als Angestellte ein Interesse am Fortbestand ihres Unternehmens, um den Arbeitsplatz als Erwerbsquelle zu erhalten. Optionen ergeben sich in der Unterstützung in Form von Sanierungsbeiträgen. In der Regel ist die Bereitschaft hoch, Gehaltsverzichte und Mehrarbeit zu leisten.

Bei externen Gruppen sind die Interessenlagen meist differenziert ausgeprägt und stark von der Dauer und dem Umfang der Geschäftsbeziehung abhängig: 

Kreditinstitute: Banken haben das vornehmliche Interesse an einer vertragskonformen Bedienung ihrer Kredite und einer unter Risiko- und Ertragsgesichtpunkten profitablen Geschäftsbeziehung. Zugeständnisse beziehungsweise Verweigerungen im Sanierungsprozess hängen häufig von der Kreditrisikostrategie der Institute, dem Kundenobligo, der Höhe und Werthaltigkeit der Sicherheiten und dem möglichen Sanierungserfolg ab. Um das Unternehmen in einer Sanierung zu unterstützen, bestehen diverse Optionen, die finanziellen Beziehungen neu zu gestalten. Diese reichen von Stillhaltevereinbarungen bis hin zur Vergabe neuer Finanzmittel. Ein Sanierungserfolg kann jedoch auch über eine Rücknahme von Linien oder Konditionenanhebungen beeinträchtigt werden.



Lieferanten/Kreditversicherer: Lieferanten haben das Interesse an der Fortführung der Geschäftsbeziehung und sind grundsätzlich bereit, das Unternehmen in einer Sanierung weiter zu beliefern. Dabei können sich jedoch die Zahlungskonditionen verändern. Dieses Verhalten ist meist von der Reaktion der Warenkreditversicherer abhängig. Kreditversicherer haben aufgrund ihrer schwachen Risikoposition und ihrer geringen Kundenbindung oft das Bestreben, die Linien zu kürzen oder komplett zu streichen.



Kunden: Abnehmer haben in der Regel ein Interesse daran, dass ein Krisenunternehmen saniert wird, damit Geschäftsmöglichkeiten weiter gegeben sind und künftige Garantieund Kulanzleistungen erbracht werden. Bestehen intensive wirtschaftliche Beziehungen aufgrund einer engen Verzahnung in den Geschäftsprozessen, kann von Abnehmerseite eine große Unterstützungsbereitschaft in der Krise bestehen.



Sanierungsberater: Unternehmensberater haben ein starkes Interesse, den Turnaround ihres Mandanten zu erreichen, um die eigene Reputation zu erhöhen und Folgeaufträge zu erhalten. Die Handlungsoptionen bestehen in der Erstellung eines qualitativ hochwertigen Sanierungskonzepts und der Umsetzung von Maßnahmen. Der zeitliche und intensitätsmäßige Einsatz kann je nach Auftragsumfang stark variieren.

28

3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie



Insolvenzverwalter: Der Insolvenzverwalter hat in seiner Funktion zu prüfen, ob in einem Insolvenzverfahren Sanierungschancen über ein Planverfahren oder Möglichkeiten der Fortführung über die übertragende Sanierung bestehen. Ein Insolvenzverwalter sollte daher risikobereit sein und zudem das Wissen und die Erfahrung aufweisen, eine Sanierung bei aussichtsreichen Gesundungschancen umzusetzen.



Öffentliche Hand: Gemeint sind der Bund, die Länder, die Gemeinden und die Finanzbehörden. Diese haben ein Interesse am Fortbestand des Krisenunternehmens, da die öffentlichen Kassen in einer Insolvenz meist stark belastet werden. Oftmals werden daher in aussichtsreichen Sanierungsfällen Hilfen in Form von Landesbürgschaften oder Stundungen von bestimmten Steuerzahlungen gewährt.

Die Interessen und Handlungsoptionen der einzelnen Stakeholder werden in den folgenden Abschnitten mit Bezug zu den fachlichen Fragestellungen in den einzelnen Sanierungsphasen behandelt. Insgesamt wird das Krisenunternehmen mit Fortschreiten der wirtschaftlichen Schwäche zunehmend abhängiger von seinen wichtigen Anspruchsgruppen. Somit sind die Beziehungen zwischen den einzelnen Gruppen zu analysieren und die Entscheidungen der Geschäftsführung auf die Forderungen und Interessen dieser internen und externen Akteure abzustimmen. Dies erfolgt im abschließenden dritten Schritt, dem Stakeholder-Management (vgl. Buschmann, 2006, S. 139 ff.). Dritter Schritt: Abstimmung der Entscheidungen auf die Stakeholder Im dritten Ablaufschritt sind die Einfluss- und Bedrohungspotenziale der ausgewählten Stakeholder-Gruppen zu erfassen, damit diese in ihrer Auswirkung analysiert und bei Risiken gegengesteuert werden kann. Es ergeben sich Bedrohungspotenziale durch bestimmte Akteure aus der Möglichkeit heraus, negativ auf die geschäftlichen Beziehungen zum Krisenunternehmen einzuwirken. Zum Beispiel besteht die Option der Kreditkündigung von Nebenbanken oder der Linienkürzung von Kreditversicherern. Meist lässt sich Einfluss nehmen auf negative Entscheidungen einzelner Parteien. Dazu sind verbündete Partner wie die Hausbank zu suchen, um auf diese Stakeholder einzuwirken. Zudem werden die Einflusspotenziale des Krisenunternehmens auf die Entscheidungen bestimmter Stakeholder-Gruppen erfasst. So besteht zum Beispiel die Möglichkeit, auf ungesicherte Banken oder Lieferanten mit umfassendem Belieferungsvolumen Einfluss zu nehmen, da die Abhängigkeiten dieser Gruppen zu der Krisenfirma meist hoch sind. Zusätzlich lassen sich aufgrund der partnerschaftlich geprägten geschäftlichen Verbindungen in der Regel erhebliche Unterstützungsbeiträge von verschiedenen Stakeholdern realisieren. Gerade bei einem hohen Bedrohungspotenzial durch bestimmte Gruppen ist meist eine starke Überzeugungsarbeit zu leisten, um diese Parteien fest in den Sanierungsprozess zu integrieren (vgl. Buschmann, 2004, S. 210 ff.). Wenn sich wichtige Stakeholder vom Krisenunternehmen abwenden und ihre Geschäftsbeziehung beenden, ist ein Scheitern weiterer Sanierungsbemühungen vorprogrammiert. Verlässt ein relevanter Akteur diese Sanierungsgemeinschaft, folgen häufig andere Stakeholder und diese Erosionseffekte sind nicht weiter aufzuhalten. Daher sind die konkreten Parteien mit hohem Bedrohungspotenzial zu benennen und in die Sanierung einzubinden, möglichst über schriftliche Verträge.

3.3 Stakeholder-Modell

29

Ziel ist im abschließenden Analyseschritt, Transparenz in den Stakeholder-Beziehungen herzustellen, um Gefahren für eine Sanierung zu erkennen und frühzeitig gegenzusteuern. Dabei ist eine Differenzierung innerhalb der Stakeholder-Gruppen notwendig. So ist unter anderem bei Abnehmern zwischen Großkunden oder gestreuten kleineren Kunden zu unterscheiden. Auch zu Lieferanten können umfangreiche Geschäftsbeziehungen bestehen oder Verbindungen zu kleinen und substituierbaren Akteuren. Speziell im Bankenkreis sind die unterschiedlichen Positionen zu analysieren. Dabei spielen das Kreditvolumen, die Höhe und Werthaltigkeit der Sicherheiten, der regionale Bezug und die individuelle Kreditrisikostrategie eine wichtige Rolle. Auch die Organisationsform einer Sanierungsabteilung mit der Möglichkeit der internen Bearbeitung der Problemengagements oder dem Outsourcing beziehungsweise einem Verkauf von Problemengagements spielen bei der Weiterbehandlungsstrategie eine wesentliche Rolle. Es ist daher in Erfahrung zu bringen, wie sich die betreffenden Kreditinstitute in vergleichbaren Sanierungsfällen verhalten haben. Die Hausbank kann bei dieser Untersuchung helfen und zudem Überzeugungsarbeit leisten, um unter anderem die abwanderungswilligen Kreditinstitute an die Krisenfirma zu binden. Ein Ausstieg wichtiger Stakeholder ist unbedingt zu vermeiden. Dabei kann auch die Übermittlung von krisenrelevanten Informationen vertrauensbildend wirken. Daher hat der Sanierungsberater oftmals die Aufgabe, neben der Konzepterstellung die Kommunikation zu den Gruppen im Umfeld des Krisenunternehmens zu übernehmen. Insgesamt ergibt sich in nachfolgender Abbildung 3.7 die Beziehungsmatrix der Einflüsse und Bedrohungen in der Krise eines Unternehmens (vgl. Buschmann, 2006, S. 142).

Beziehungsmatrix der Einflüsse und Bedrohungen Notwendigkeit vertrauensbildender Maßnahmen

Beeinflussbarkeit der Stakeholder (Einflusspotenziale) Gering

Ungesicherte Banken Anteilseigner Kunden Betriebsrat Beirat

► Fordern und absichern

► Einbinden und fordern

Sanierungsberater Insolvenzverwalter Öffentliche Hand

Gesicherte Banken Kreditversicherer Kunden

► Anreize prüfen

► Binden und überzeugen

Gering

Hoch

Einfluss der Stakeholder (Bedrohungspotenziale)

Abb. 3.7 Matrix der Einfluss- und Bedrohungspotenziale

Nutzung von Abhängigkeiten

Hoch

Lieferanten Mitarbeiter Mittleres Management

30

3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

Aus der Systematik lässt sich eine an den Fall angepasste Stakeholder-Strategie entwickeln. Zu beachten ist, dass sich das Verhalten der Akteure im Zeitablauf verändern kann. Folgende Gestaltungsmöglichkeiten bestehen (vgl. Buschmann, 2004, S. 211): 

Im Sanierungsprozess sind Bedrohungspotenziale der Gruppen zu überwachen und es ist zu versuchen diese Parteien durch konkrete Maßnahmen in den Sanierungsprozess zu verankern oder die Abhängigkeit zu diesen Gruppen zu verringern.



Im Gesundungsprozess lassen sich Bindungen von bestimmten Stakeholdern zum Krisenunternehmen nutzen, um über diese Einflusspotenziale umfassende Unterstützungsbeiträge für einen erfolgreichen Sanierungsverlauf zu realisieren.

Im Stakeholder-Modell wurde gezeigt, dass nicht allein die Kreditgeber für einen erfolgreichen Sanierungsverlauf von Bedeutung sind, sondern weitere Stakeholder in die wirtschaftlichen Gesundungsprozesse von Krisenunternehmen einzubinden sind. Verdeutlicht wird im Stakeholder-Modell, dass verschiedene Akteure im Unternehmen und im Unternehmensumfeld bestimmte Interessen verfolgen, die den Sanierungserfolg positiv oder negativ beeinflussen können. Jedoch werden im Stakeholder-Ansatz Ursachen dieser verschiedenen Zielsetzungen nicht ausreichend analysiert und es werden nur ungenügende Lösungsmöglichkeiten zum Interessenausgleich in der Sanierung angeboten. Dagegen wird im Rahmen der Agency-Theorie erklärt, dass Probleme zwischen zwei Unternehmensakteuren im Kern auf Zieldifferenzen und Informationsunterschieden beruhen. Diese können sich in der Krise und einer Sanierung deutlich verstärken, da der Handlungs-, Erfolgs- und Entscheidungsdruck rapide ansteigt. Zudem werden im Rahmen der Theorie konkrete Empfehlungen gegeben, um diese Informationsdifferenzen abzubauen. Jedoch werden lediglich Zweierbeziehungen zwischen einem Principal und einem Agent betrachtet. Dieses Verhältnis bildet die Realität nur ungenau ab, da in Sanierungsprozessen meist viele Akteure einbezogen sind, die zudem wechselseitig handeln. Somit ist es empfehlenswert, beide Konzepte zu einem Modell zusammenzuführen. Zur Verbindung der Vorteile beider Ansätze werden die Kernelemente der Modelle kombiniert, um Einblicke in das Entscheidungsverhalten von verschiedenen Stakeholdern in einer Situation asymmetrischer Informationsverteilung in der Anwendungssituation der Sanierung zu erhalten. Im Folgenden werden die Theorieansätze zum Stakeholder-Agency-Modell verbunden. Hauptziel gilt der Findung praxisnaher Lösungen, um einen Sanierungsprozess zwischen Unternehmen und den relevanten Stakeholdern zu erleichtern und unter informationstheoretischen Gesichtpunkten positiv zu beeinflussen. Zusammenfassung Abschnitt 3.3: Im vorangegangenen Abschnitt wurde das Stakeholder-Modell dargestellt und die Anwendungsmöglichkeiten auf die Thematik der Sanierung eines Unternehmens aufgezeigt. Dabei wurden die Interessen von relevanten Stakeholdern im Gesundungsprozess untersucht. Dies diente dem Verständnis, welche Gruppen im Unternehmen und in deren Umfeld positive Sanierungsbeiträge erbringen können und welche Akteure Bedrohungen für einen Sanierungsverlauf bewirken können.

3.4 Stakeholder-Agency-Modell in der Sanierung

3.4

31

Stakeholder-Agency-Modell in der Sanierung

Unternehmen stehen in wechselseitigen Verbindungen zu internen und externen Interessengruppen. Oftmals sind diese Beziehungen durch Verträge unterlegt. Vertragliche Beziehungen sind wiederum gekennzeichnet von Interessendivergenzen der Beteiligten und AgencyProblemen aus Hidden Action und Hidden Information. Somit lässt sich ein Unternehmen und seine relevante Umwelt als komplexes Netzwerk von vertraglichen Beziehungen zwischen verschiedenen internen und externen Stakeholdern (Principals) und der Geschäftsführung (Agent) begreifen (vgl. Hill/Jones, 1992, S. 131 ff.). Diese Principal-Agent-Beziehungen lassen sich in einer ganzheitlichen Sicht als StakeholderAgent-Beziehungen interpretieren. Ein darauf aufbauendes Modell beschreibt daher multiple Beziehungen zwischen verschiedenen Principals und ihren Agents. Definition: Das Stakeholder-Agency-Modell stellt eine Verallgemeinerung der AgencyTheorie dar und beschreibt die wechselseitigen Beziehungen zwischen Unternehmen und seinen internen und externen Stakeholdern. Das Konstrukt begreift die Unternehmung als komplexes Netzwerk von Beziehungen. Es werden Interessenunterschiede und Informationsdifferenzen bei multiplen Agency-Problemen analysiert, die in der Sanierung von großer Bedeutung sein können. Dabei übernimmt das Management eine zentrale Koordinierungsfunktion und wird als Agent der Stakeholder betrachtet. Interessenunterschiede und asymmetrische Informationen stellen Kernelemente der AgencyTheorie dar. Diese Merkmale sind für die Steuerung eines Sanierungsprozesses mit unterschiedlichen Interessengruppen von Bedeutung. Daher sollen die Stakeholder-Beziehungen vor dem Hintergrund dieser beiden Kriterien untersucht werden. Zwischen den Stakeholdern und dem Unternehmen bestehen häufig Interessenunterschiede. Diese können sich in der angespannten wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens verstärken. Bei den internen Stakeholdern des Unternehmens kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass individuelle Interessen in der Schieflage zugunsten der Unterstützung der Firma zurückgestellt werden. So sind das Mittlere Management und die Mitarbeiter oft bereit, Gehaltsverzichte oder freiwillige Mehrarbeit hinzunehmen. Die externen Stakeholder weisen häufig eine hohe Risikoexposition zum Krisenunternehmen auf. In der Krise und Sanierung kann dies starke finanzielle Einbußen bedeuten. Somit ist davon auszugehen, dass externe Stakeholder in einer wirtschaftlichen Schieflage ihres Geschäftspartners versuchen, ihr eigenes Risiko abzubauen oder die wirtschaftliche Verbindung zu beenden. Dabei ist der Abhängigkeitsgrad zum Unternehmen zu beachten. So sind Stakeholder mit einem niedrigen Abhängigkeitsgrad geneigt ihre Position durch Nachverhandlungen zu verbessern. Zum Beispiel können von Banken mit geringem Kreditvolumen neue Sicherheiten oder Sondertilgungen eingefordert werden. Im Zweifel können die Geschäftsbeziehungen in einer Situation mit einer geringen Bindung komplett aufgegeben werden. Dagegen sind externe Stakeholder mit hohen Abhängigkeiten eher bereit, individuelle Interes-

32

3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

sen zurück zu stellen und Unterstützung zu leisten. Diese Verhaltensweise kann durch spezifische Investitionen erklärt werden (vgl. Williamson, 1985, S. 52 ff.). Definition: Spezifische Investitionen haben einen originären Charakter und sind auf das empfangende Unternehmen abgestimmt. Diese Investitionen können nicht ohne weiteres in anderen Objekten eingesetzt werden, erzeugen daher eine Bindung zum Unternehmen und gegebenenfalls starke Abhängigkeiten, wenn Wechselkosten bestehen (vgl. Schmidt/ Weiß, 2003, S. 5 ff.). Oft besteht ein Interesse an der Fortführung der Geschäftsbeziehung zu einem Krisenunternehmen insbesondere bei Stakeholdern, die spezifische Investitionen eingebracht haben. Die Insolvenz stellt eine schlechte Alternative dar, da in diesem Fall die eingebrachten spezifischen Investitionen im Wert verlieren oder komplett untergehen. Die Geschäftsführung einer Krisenfirma kann diese Gegebenheit nutzen, um von Akteuren mit eingebrachten spezifischen Investitionen hohe Unterstützungsbeiträge und Einwirkungen auf andere Stakeholder einzufordern (vgl. Buschmann, 2004, S. 215 ff.). Diese starken Verbindungen zu bestimmten Stakeholdern können aktiv als Erfolgsfaktor im Krisenmanagement genutzt werden (vgl. Buschmann, 2006, S. 169 ff.). Beispielsweise können Abhängigkeiten in Form von spezifischen Investitionen aufgrund einer direkten Verzahnung in der Wertschöpfungskette bestehen. In der Praxis existieren zum Beispiel spezifische Investitionen wenn ein Automobilzulieferer in Spezialmaschinen investiert oder seine Produktionskapazitäten auf die Auftragslage seines Kunden anpasst. Aufgrund der Abhängigkeit kann der Lieferant in der Krise seines Abnehmers zu Preiszugeständnissen gedrängt werden (vgl. Buschmann, 2006, S. 97 ff.). Jedoch kann sich diese enge Verbindung auch zu Lasten des Produzenten umkehren, wenn eine Marktbereinigung der Zulieferer aufgrund der schwachen Margen eintritt und damit ein Oligopol oder Monopol für Vorprodukte entsteht. Folgende Arten von spezifischen Investitionen können besondere Abhängigkeiten in der Wertschöpfungskette hervorrufen (vgl. Williamson, 1985, S. 52 ff.): 

Standortspezifität: Investitionen an transaktionsgünstigen Standorten



Sachkapitalspezifität: Investitionen in transaktionsspezifische Maschinen



Humankapitalspezifität: Erlangung von Spezialwissen innerhalb einer Transaktion



Auftragsspezifität: Investitionen in Kapazitäten aufgrund erwarteter Absatzmengen

Auch die Bereitstellung umfangreicher finanzieller Ressourcen kann eine spezifische Investition für Finanzierungs-Stakeholder darstellen, wenn vertragliche Bindungen vorliegen oder eine zügige Mittelrückführung durch das Unternehmen nicht möglich ist. Es existieren spezifische Investitionen der Banken aufgrund der nachfolgenden Faktoren: 

Kreditvolumen: Höhe des Engagements in Relation zum Eigenkapital der Bank



Sicherheitenlage: Art, Qualität und Umfang der Kreditsicherheiten



Reputation: Abhängigkeiten aufgrund einer regionalen Verbundenheit



Beteiligung: Verbindungen aus einer Anteilseignerposition des Kreditinstituts

3.4 Stakeholder-Agency-Modell in der Sanierung

33

Lösen sich dagegen gerade Finanzierungs-Stakeholder aufgrund einer geringen Bindung aus ihrem Engagement und findet sich aus Unternehmenssicht kein Ersatz, kann die Existenz gefährdet sein. Somit ist ein Kapitalrückzug der Kreditinstitute unbedingt zu vermeiden. Insgesamt zeigt sich, dass Firmen in ihrer Finanzierung stabiler sind wenn sie es schaffen mehrere und verschiedenartige Stakeholder in die Firmenfinanzierung mit einzubinden. Vorteil dieser multiplen Stakeholder-Finanzierung ist ein festes Finanzierungssystem verteilt auf mehrere Köpfe. Dies bedeutet eine Risikoteilung für die Stakeholder und das Unternehmen und damit eine erhöhte Stabilität und Nachhaltigkeit bei der Finanzierung. In der Krise und Sanierung eines Unternehmens gewinnen finanzielle Beziehungen stark an Bedeutung. Dann ist die Weiterfinanzierung durch verschiedene Interessengruppen wie Banken, Liefanten, Kreditversicherer und Anteilseigner gemeinsam zu gewährleisten. Finanzierungen im Rahmen eines Sicherheitenpools und eines Sicherheitenabgrenzungsvertrags sind mögliche Mittelbereitstellungen mehrerer Stakeholder zur Forcierung einer Interessenangleichung (vgl. Schmidt/ Weiß, 2003, S. 5 ff. und Buschmann, 2004, S. 197 ff.). Des Weiteren ist die unterschiedliche Informationsverteilung in einer Sanierung zu steuern. So können interne Stakeholder Informationsvorteile in Bezug auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens gegenüber den externen Stakeholdern aufweisen. Sowohl die Geschäftsführung als auch das Mittlere Management haben oft Detailkenntnisse über die aktuelle und künftig erwartete Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Die Anteilseigner haben ebenfalls jederzeit Zugang zu allen wirtschaftlich relevanten Unternehmensdaten und damit regelmäßig einen guten Informationsstand. Die Mitarbeiter eines Unternehmens haben hohe fachspezifische Kenntnisse über Produkte und Märkte und können sich ein gutes Bild über die wirtschaftliche Lage des eigenen Arbeitgebers verschaffen. Zudem ist die Informationslage über einen Betriebsrat meist gut. Nicht zu vernachlässigen sind informelle Informationskanäle, die für eine gute Versorgung der Mitarbeiter mit quantitativen und qualitativen Daten über die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers sorgen können. Die Transparenz der externen Stakeholder über die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens ist dagegen eingeschränkt. Diese Gruppen müssen sich häufig auf die Informationen verlassen, die ihnen von der Firmenleitung mitgeteilt werden. Ist die wirtschaftliche Situation des Geschäftspartners angespannt, so steigt der Informationsbedarf der Externen regelmäßig in Bezug auf Umfang und Aktualität der Daten. Eine Sonderrolle nimmt die Hausbank ein, die häufig unter den Externen noch über die beste Informationsbasis verfügt. Dies ist oft auf ein langjähriges geschäftliches Vertrauensverhältnis zurückzuführen. Aufgrund der wachsenden Bedeutung der Informationen in der Krise kann die zeitnahe Weitergabe von sanierungsrelevanten Daten an die externen Stakeholder zu einem kritischen Erfolgsfaktor für den Gesundungsprozess werden. Wenn unter anderem Zahlenmaterial über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nicht oder nur unzureichend weitergeleitet wird, kann dies bestimmte Stakeholder veranlassen, die Geschäftsbeziehung zu beenden. So fragen insbesondere die beteiligten Banken und Kreditversicherer aufgrund ihres hohen Risikos detaillierte Informationen über die geschäftliche Entwicklung im Krisen- und Sanierungsverlauf nach. Werden Informationen nicht zeitnah weitergegeben, kann dies erhebliche negative Konsequenzen für die Weiterführung des Engagements haben.

34

3 Stakeholder-Modell und Agency-Theorie

Es lassen sich im Ergebnis viele Ansatzpunkte für eine Stakeholder-Agency-Strategie entwickeln, um einen Sanierungsprozess anzustoßen und positiv voranzutreiben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass innerhalb der Stakeholder-Gruppen unterschiedliche Forderungen zu stellen sind. Zusätzlich ist auf die Veränderung der Verhaltensweisen einzelner Stakeholder im Zeitablauf zu achten und gegebenenfalls darauf zu reagieren. Aus diesem Grund ist ein ständiges Überwachen der Sanierungsakteure notwendig: 

Im Sanierungsprozess lassen sich Abhängigkeiten vom Krisenunternehmen nutzen, um Unterstützungsbeiträge für einen optimierten Sanierungsverlauf zu realisieren. Stakeholder, die vom Krisenunternehmen abhängig sind, sollten in den Sanierungsprozess eng eingebunden werden. Bedrohungspotenziale sind stetig zu überwachen und es ist zu versuchen, abwanderungswillige Akteure vertraglich einzubinden.



Im Verlauf eines Sanierungsprozesses sind die Interessenunterschiede der beteiligten Stakeholder zu steuern. Dazu sind die Entscheidungen der Geschäftsleitung des Krisenunternehmens auf die Bedürfnisse der Stakeholder abzustimmen. Es ist eine Balance der Interessen anzustreben, um einen optimalen Sanierungserfolg zu erreichen.



Zudem spielt der Abbau asymmetrischer Informationen eine wichtige Rolle. So sind regelmäßig Daten über den Sanierungsverlauf gerade an die externen Stakeholder abgestuft weiterzuleiten, um auf diese Art und Weise die Informationsallokation zu verbessern und die gegenseitige Vertrauensbildung zu unterstützen.

Im Folgenden wird der Sanierungsprozess eines Krisenunternehmens aus Sicht der beteiligten Kreditinstitute und anderer relevanter Anspruchsgruppen im Rahmen des StakeholderAgency-Modells untersucht. Dies erfordert zunächst die Feststellung eines erhöhten Gefährdungsgrads bei einem Unternehmen. Denn grundsätzlich kann eine Sanierung erst dann eingeleitet werden, wenn die Krisenlage eindeutig festgestellt wurde. Der Anstoß zur Einleitung einer Sanierung erfolgt häufig durch Banken die eine professionelle Risikoanalyse bei ihren Firmenkunden betreiben. So ist die Feststellung eines erhöhten Ausfallrisikos bei Unternehmen für das eigene Geschäftsmodell von großer Bedeutung. Besonders die Hausbank hat aufgrund ihrer Sonderstellung die Funktion, ein stetiges Screening bei ihren Engagements vorzunehmen. Dabei stehen heutzutage vielfältige Methoden der Krisenfrüherkennung zur Verfügung. Im folgenden Abschnitt werden verschiedene Risikoerkennungsinstrumente aus Bankensicht dargestellt und ihr Einsatz in der Praxis zur Identifikation von Problemkreditengagements und Sanierungsfällen beurteilt. Dazu erfolgt eine Ausrichtung der Risikoermittlung auf die einzelnen Krisenphasen. Zusammenfassung Abschnitt 3.4: In diesem Abschnitt wurde die Agency-Theorie mit dem Stakeholder-Ansatz zu einem integrierten Stakeholder-Agency-Modell zusammengeführt. Die Vorteile beider Ansätze wurden kombiniert, um auf wesentliche Kernpunkte in einer Sanierung hinweisen zu können. So lassen sich Unterstützungsmöglichkeiten, Bedrohungspotenziale und Informationsanforderungen der internen und externen Stakeholder analysieren. Auf dieser Basis können die Entscheidungen der Geschäftsleitung und der Hausbank auf die Interessen der übrigen Stakeholder abgestimmt werden.

4

Sanierung aus Bankensicht

4.1

Risikoerkennung aus Bankensicht

Risikoerkennung aus Bankensicht

Organisation Prozesse

Finanzielle Maßnahmen

Auswahl des Sanierers

Prüfung des Konzepts

Poolbildung der Gläubiger

Überwachung der Sanierung

Sicherung Turnaround

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht 4.1.1 Theorie der Risikoerkennung 4.1.2 Praxisfall zur Risikoerkennung 4.1.3 Lösung des Praxisfalls zur Risikoerkennung 4.1.4 Empirische Ergebnisse zur Risikoidentifizierung

Lernziele:  Risiken bei Kreditnehmern rechtzeitig und systematisch erkennen  Krisenphasen kennen und bei Firmenkunden bestimmen können  Instrumente der Risikoerkennung den Krisenphasen zuordnen können  Einsatz von Risikofrüherkennungsverfahren in der Praxis kennen

Abb. 4.1 Aufbau und Lernziele in Kapitel 4.1

In diesem Abschnitt werden verschiedene Verfahren der Risikofrüherkennung aus Sicht der Kreditinstitute dargestellt und beurteilt. Wird die Krise eines Firmenkunden in einer frühen Phase erkannt und eine Sanierung unverzüglich eingeleitet, steigen die Chancen einen Turnaround zu erreichen meist erheblich. Oftmals sind beim rechtzeitigen Wahrnehmen der wirtschaftlichen Schieflage noch ausreichend finanzielle, personelle und sonstige firmeninterne Ressourcen vorhanden, um eine Fehlentwicklung abzuwenden. Es ist jedoch ein unverzügliches Handeln auf erste Krisenanzeichen erforderlich, um einer Schieflage erfolgreich zu begegnen. Jedoch zeigen Untersuchungen, dass die Reaktionen der Geschäftsführung auf erste Signale einer wirtschaftlichen Schwächephase häufig verspätet erfolgen (vgl. Roland Berger, 2006, S. 23 ff.). Auch Banken bemerken Krisen häufig zu spät. Damit verstreicht ungenutzte Zeit. Dies kann eine Sanierung verlängern und erschweren.

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4 Sanierung aus Bankensicht

4.1.1

Theorie der Risikoerkennung

Der vorstehende Sachverhalt verdeutlicht, dass nicht nur die Geschäftsführer der wirtschaftlich geschwächten Unternehmen oft erst sehr spät Maßnahmen ergreifen, sondern auch, dass Kreditinstitute zeitlich stark verzögert durchgreifen. Dies kann aus Bankensicht zwei Hauptursachen haben. Entweder erkennen Banken die Krise ihrer Kreditnehmer nicht rechtzeitig oder es wird nur unzureichend auf eine Krisenlage reagiert. Herausgestellt sei, dass Banken aktiv die Krisenerkennung bei ihren Firmenkunden betreiben und die Sanierung eigenständig einleiten und begleiten sollten. Unter anderem sprechen folgende Gründe für die Betreuung von Sanierungsfällen im eigenen Hause und gegen ein Outsourcing der Bearbeitung auf eine Bad Bank oder einen Verkauf der Problemengagements: 

Erfolgsfaktor: Reduzierung von Einzelwertberichtigungen und Abschreibungen



Wissenssicherung: Erhalt und Aktualisierung des Know-Hows in der Sanierung



Krisenfrüherkennung: Nutzen des Sanierungswissens zur Risikofrüherkennung



Aufsicht: Entwicklung von Verfahren zur Risikofrüherkennung gemäß MaRisk



Kundenbindung: Fürsorgepflichten zu den meist langjährigen Firmenverbindungen

Im Vordergrund steht die Nutzung der Sanierung von Firmenkunden als wirtschaftlichen Erfolgsfaktor zur Erhöhung des Jahresüberschusses eines Kreditinstituts. Zudem hat die Sicherung von aktuellem Wissen in der Sanierung, Kreditbearbeitung und Risikofrüherkennung eine große Bedeutung. Weitere positive Nebeneffekte liegen in einer Erfüllung der Pflichten der Bankenaufsicht und einer Erhöhung der Kundenbindung. Im Folgenden werden alternative Instrumente der Risikofrüherkennung dargestellt, die aus theoretischer und praktischer Sicht geeignet erscheinen, eine kritische Entwicklung bei Firmenkundenengagements in den verschiedenen Phasen einer Krise wahrzunehmen. Bevor der Sanierungsprozess beim Firmenkunden eingeleitet werden kann, muss die Krise des Unternehmens durch die betreffenden Kreditinstitute festgestellt werden. Die Krisenerkennung kann durch verschiedene Instrumente erfolgen. Diese lassen sich klassifizieren in Methoden, die eine quantitative Datenbasis haben. So wird das Zahlenmaterial von Firmen mit Kennzahlen aufbereitet, wie zum Beispiel im Rahmen der Jahresabschlussanalyse. Des Weiteren existieren qualitativ ausgerichtete Verfahren mit der Analyse von Fähigkeiten des Managements und der Firmenstrategie unter anderem über ein Polaritätsprofil. Schließlich bestehen kombinierte Instrumente, die quantitative und qualitative Merkmale zusammenführen, wie in den angewendeten Rating-Verfahren und Scoring-Modellen. Dabei weisen die Instrumente zur Risikoermittlung bestimmte Stärken bei der Gefährdungsfrüherkennung in den verschiedenen Krisenphasen auf. So lässt sich die Strategiekrise verstärkt durch qualitative Verfahren identifizieren, da diese geschäftspolitischen Krisenmerkmale häufig sehr unscharf sind und sich noch nicht in quantitativen Daten widerspiegeln. Die Ertragskrise wird in der Regel durch eine Kennzahlenanalyse des Zahlenmaterials erkannt. Die Liquiditätskrise kann durch eine detaillierte Untersuchung der Kontoführung nachgewiesen werden, zum Beispiel über eine Zeitreihenanalyse.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

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Weiter lassen sich diese Instrumente nach dem Zeitbezug der Datengrundlage klassifizieren. So existieren Methoden, die eine verstärkt vergangenheitsbezogene Datenbasis nutzen, wie die Jahresabschlussanalyse nach HGB oder IFRS. Zudem bestehen Instrumente einer Kennzahlenanalyse aus zeitnahem Datenmaterial unter anderem bei betriebswirtschaftlichen Auswertungen. Außerdem lassen sich zukunftsbezogene Planzahlen über Kennzahlen analysieren und mit Soll-Ist-Vergleichen laufende Überwachungen vornehmen. Verstärkt werden in jüngster Vergangenheit Informationen aus der Kontoführung untersucht, um Risiken systematisch zu erkennen. Gerade die Hausbank eines Unternehmens kann mit der Führung der laufenden Konten aus einer maschinellen Analyse der Kontoführung einen hohen Nutzen ziehen. Im Gegensatz zu anderen externen Stakeholdern steht der Primärbank damit ein Informationsmedium zur Verfügung, welches zeitnäher als andere Ex-Post-Daten einen aktuellen Einblick in das operative Geschäft erlaubt. Es können zusammengefasst zahlreiche Instrumente der Risikoerkennung in Kreditinstituten eingesetzt werden, um Krisenursachen bei ihren Firmenkunden systematisch zu identifizieren. Nachfolgende Grafik stellt diesen Sachverhalt in einem Würfel dar. Jedes Element dieses Würfels steht repräsentativ für ein Instrument der Risikoerkennung, das in der Praxis angewendet werden kann. Dabei kann es zu Überschneidungen in der Zuordnung kommen. So lassen sich Kennzahlenanalysen sowohl zum Erkennen der Ertragskrise, als auch der Liquiditätskrise nutzen. Wichtig ist es aus Bankensicht, eine Kombination verschiedener Verfahren zu wählen, die optimale Eigenschaften in methodischer und zeitlicher Hinsicht vereinen, um eine differenzierte Risikoerkennung bei Firmenkunden in den unterschiedlichen Krisenphasen effizient betreiben zu können. Nachfolgende Abbildung 4.2 zeigt die Systematik zur Strukturierung der Instrumente der Risikoerkennung.

Methodik der Risikofrüherkennung

Datenbasis

Mischformen

Zeitbezug Zukunft

Qualitativ Gegenwart Quantitativ

Beispiel: Qualitative Methode Zukunftsbezug Strategiekrisenerkennung

Vergangenheit

Krisenphasen

Strategiekrise Ertragskrise Liquiditätskrise

Abb. 4.2 Dimensionen und Elemente der Risikoerkennung

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4 Sanierung aus Bankensicht

Bei der Risikoerkennung ist zu beachten, dass Mitarbeiter in den Kreditinstituten zu marktlichen Gegebenheiten meist hohe Wissensnachteile zu den Spezialisten in den Industrieunternehmen aufweisen. So kennen die Entscheidungsträger in den Unternehmen das Geschäftsmodell und die Produkte und den Markt genau. Nur in wenigen Banken werden gezielt Branchenspezialisten eingestellt, um den Kenntnisstand anzugleichen. Dennoch besitzen Banken auch Vorteile, Risiken bei ihren Kreditnehmern zu erkennen, aufgrund von: 

Erfahrungen: Kreditfälle der gleichen Branche oder eines nahen Wirtschaftszweigs eines Belieferers oder Abnehmers liefern wichtige risikorelevante Informationen.



Spezialwissen: Die Risikoanalyse von Unternehmen auf Basis von Kennzahlen aus den Jahresabschlüssen und der Kontoführung ist ein Spezialgebiet von Banken.



Informationen: Der Zugang zu Daten volkswirtschaftlicher Abteilungen oder zu Marktinformationen wie Risikoprämien für Kreditabsicherungen ist vorhanden.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Früherkennung von wirtschaftlichen Risiken bei Unternehmen eine große Bedeutung zukommt, damit die Sanierungschancen bei einer identifizierten Krisenfirma hoch sind. Eine rechtzeitig eingeleitete Sanierung, bereits in der Strategiekrise, bietet den größtmöglichen Entscheidungsrahmen und damit die besten Möglichkeiten einer langfristigen Gesundung. Denn meist bestehen noch ausreichende finanzielle Ressourcen für den Sanierungsprozess. Erfolgt eine Sanierung erst in einer späten Krisenphase, so sind verstärkt die Ressourcen externer Stakeholder zur Unterstützung notwendig. Ob diese Hilfen in allen Fällen gewährt werden ist unsicher. Somit ist ein rechtzeitiges Erkennen der wirtschaftlichen Schieflage in Form einer Risikofrüherkennung eminent wichtig, damit das Krisenunternehmen eigenständig die Krise bewältigen kann und nicht von externen Stakeholdern abhängig wird. Den Anstoß zum Einleiten einer frühzeitigen Sanierung kann die Hausbank leisten. Sie ist der Risikospezialist und setzt meist leistungsstarke Instrumente zur frühen Risikoerkennung ein. Diese Instrumente sollten folgende Merkmale aufweisen, damit eine wirkungsvolle und effiziente Anwendung zur Risikoidentifikation auf breiter Fläche bei Firmenkunden erfolgen kann: 

Zukunftsgerichtetheit: Es sind Analyseinstrumente einzusetzen, die bedeutende wirtschaftliche Risiken bei Unternehmen frühzeitig und auf lange Sicht antizipieren. Dazu sind unter anderem Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen in deren Branchenumfeld und den technologischen Fortschritt anzustellen.



Ganzheitlichkeit: Die Risikosicht sollte umfassend sein. Sie sollte die komplette Risikoposition aus Bankensicht erfassen, inklusive Lieferanten und Kunden der Krisenfirma, die ebenfalls Kreditkunden der Bank sein können. Ebenso lassen sich Informationen anderer Stakeholder als Diagnosehilfe nutzen, um Warnsignale zu erkennen.



Informationssicherheit: Die Höhe des Kreditrisikos wird durch die verfügbaren Informationen wesentlich beeinflusst. Daher ist aus Bankensicht ein laufender, aktueller und effizienter Informationstransfer durch den Kreditnehmer sicherzustellen, um Informationsasymmetrien abzubauen und Krisen in einem frühen Stadium zu erkennen.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

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In den Krisenstadien können unterschiedliche Gefährdungsmerkmale auftreten. Diese können aus dem Unternehmen heraus entstehen und werden als interne Krisenmerkmale bezeichnet. Treten beispielsweise Fehler in der Kalkulation oder unzureichende Überwachungen im Controlling auf, spiegelt dies Qualifikationsdefizite dieser Geschäftsleitung wider. Interne Krisenursachen können sich auch in mangelhaften Produkten oder Geschäftsprozessen zeigen. Weiter können Krisenursachen auf externen Ereignissen beruhen, die von der Firma nicht zu beeinflussen sind, wie steigende Rohstoffpreise oder konjunkturelle Schwankungen innerhalb einer Branche (vgl. Wilden, 2009, S 48 ff.). Daneben können Kombinationen aus internen und externen Merkmalen auftreten, wenn bestimmte Krisenursachen einen externen Ursprung haben, diese Risiken jedoch nicht erkannt werden oder ihnen nicht begegnet wird. So haben Forderungsausfälle primär einen externen Grund, können aber durch Vorauszahlungen, Bonitätsprüfungen oder Kreditversicherungen vermieden werden. Diese Gefahren weisen daher sekundär auf interne Managementprobleme hin. Meist treten in der Praxis mehrere Krisenursachen kombiniert auf, können sich gegenseitig verstärken und aufgrund einer Kausalkette eine Bedrohung für ein Unternehmen darstellen. Im Folgenden werden ausgewählte Instrumente zur Erkennung von internen und externen Krisenmerkmalen erläutert und ihr effizienter Einsatz in Kreditinstituten beurteilt. Ziel ist es, die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Banken und ihren Kreditnehmern abzubauen, um den Krisenentstehungsprozess transparent zu machen und der zunehmenden Gefährdung entgegenzuwirken. Es erfolgt eine Darstellung der Risikoerkennungsinstrumente in Anlehnung an den zeitlichen Entstehungsprozess einer wirtschaftlichen Schieflage mit den Phasen der Strategiekrise, der Ertragskrise und der Liquiditätskrise. Risikofrüherkennungssysteme der fortgeschrittenen Generation gehen davon aus, dass wesentliche Ursachen für strategische Gefährdungen in Strukturbrüchen der Unternehmensumwelt bestehen. Diese können unter anderem auf Nachfrageverschiebungen oder technologischen Veränderungen beruhen. Auch Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft können geschäftspolitische Fehler mit dem Eingehen von Klumpenrisiken verdeutlichen. Die Zielrichtung der Risikofrüherkennung richtet sich auf die Entwicklung von strategischen Radarsystemen, die auf Umweltsignale reagieren (vgl. Ansoff, 1976, S. 129 ff.). Sie sind einzusetzen, um eine Strategiekrise zu erkennen und das Ausmaß der Wirkungen einzuschätzen. Da die Strategiekrise den anderen Krisenphasen vorgelagert ist, sollten Banken im Rahmen einer frühzeitigen Risikoerkennung versuchen, gerade diese Phase bei ihren Kreditnehmern zu identifizieren. Eine Strategiekrise lässt sich wie folgt definieren. Definition: Die Strategiekrise beschreibt eine vorgelagerte Phase im Krisenprozess. Sie setzt bereits ein, wenn eine Gefährdung der Erfolgspotenziale des Unternehmens möglich erscheint. So kann die künftige Wettbewerbsfähigkeit der Produkte und Dienstleistungen beeinträchtigt sein. In der Folge sind auch die Ansprüche der Stakeholder wie die Renditeforderungen der Anteilseigner oder die Kapitaldienstfähigkeit bei den Banken bedroht. Daher sind Kreditinstitute darauf angewiesen, strategische Risikofrüherkennungssysteme einzusetzen. Zum Erkennen einer Strategiekrise sind bereits schwache Warnsignale, sogenannte Weak Signals, wahrzunehmen und die möglichen Auswirkungen über mathematische Simulationen transparent zu machen (vgl. Ansoff, 1976, S. 129 ff.).

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4 Sanierung aus Bankensicht

Das Erkennen der Strategiekrise eines Kreditnehmers ist aus Sicht der Banken meist schwierig. Ein Grund liegt darin, dass das Problemumfeld wenig klar umrissen ist, sich nur unscharf identifizieren lässt und die Intensität der Effekte auf das betrachtete Unternehmen nur schwer einzuschätzen sind. Folgende Problembereiche bestehen bei einer systematischen Wahrnehmung strategischer Krisenpotenziale (vgl. Krystek, 2005, S. 174): 

Bedrohungspotenzial: Dieses lässt sich nur für Unternehmen in einer Branche angeben. Die Relevanz für ein bestimmtes Unternehmen ist nicht feststellbar.



Unschärfe: Das Problemfeld der Warnsignale ist wenig konkret. Quellen und Ursachen latenter Gefahren und deren Auswirkungen lassen sich nur vage ermitteln.



Informationsunsicherheit: Diese Situation zeichnet sich durch eine schwache Datenbasis, eine erschwerte Strukturierbarkeit und schlecht objektivierbare Auswertungen aus.

Weiter wird die Einschätzung dadurch erschwert, dass die betreuende Bank keine Möglichkeit besitzt, auf unternehmensspezifische Daten zuzugreifen. Interne Informationen wie unter anderem die Auftragslage oder die Qualität der Leistungen sind aber notwendig, um unscharfe Risikomerkmale einzuschätzen. Zudem sind die Möglichkeiten der Auswertung von strategischen Daten durch Kreditinstitute aufgrund ihrer Analysekapazitäten begrenzt und daher nur für risikorelevante Firmen mit hohem Kreditvolumen anwendbar. Folgende Merkmale beschreiben die stark eingeschränkte Datenlage und Untersuchungsmöglichkeit aus Sicht der Banken. Diese Faktoren zeigen typische Eigenschaften einer asymmetrischen Informationsverteilung bei der Ermittlung dieser frühen Krisenphase auf: 

Informationszugang: Der fehlende Zugang zu risikorelevanten Unternehmensinformationen erschwert die Früherkennung strategischer Fehlentwicklungen.



Handlungsoptionen: Die Reaktionsweise der Unternehmensleitung auf diese erkannten strategischen Problemfelder ist nicht bekannt.



Intensität: Es bestehen Unsicherheiten bezüglich der Stärke einer Auswirkung von wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Unternehmen oder in deren Umfeld.

Trotz dieser Schwierigkeiten sollten Kreditinstitute versuchen, ihre Risikosysteme auch auf die diffusen strategischen Krisenmerkmale auszurichten und diese stetig zu verbessern. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass eine Kreditbeziehung oft viele Jahre andauert und im Laufe der Zeit die Umweltunsicherheit stark zunimmt. Es sind nicht nur bei der Erstgenehmigung, sondern während der gesamten Kreditlaufzeit detaillierte Überwachungen vorzunehmen, um Gefährdungen rechtzeitig zu erkennen. Im Folgenden werden Instrumente zur Analyse von Bonitätsrisiken dargestellt und im Praxiseinsatz beurteilt. Im Vordergrund steht zunächst das Erkennen der Strategiekrise, die einen qualitativen Charakter aufweist und daher Instrumente erfordert, die diese internen und externen Gefährdungen anzeigen. Die Szenariotechnik bietet die Möglichkeit einer Risikoevaluation in einer frühen Phase des Krisenentstehungsprozesses. Es werden ausgewählte, für den Problemfall und die Entscheidungssituation wichtige Einflussfaktoren simuliert und die Outputgrößen berechnet. Die Inputvariablen können anhand eines Zufallsgenerators erzeugt oder durch Experten geschätzt

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

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werden (vgl. Schiller/Tytko, 2001, S. 201). Dazu werden alternative Szenarien aus miteinander vernetzten Einflussfaktoren entwickelt, die in der Zukunft eintreten können (vgl. Möhrle/Müller, 2005, S. 188 ff.). Mit diesem Analysemodell lassen sich zum Beispiel die Auswirkungen auf die Kapitaldienstfähigkeit eines Unternehmens ableiten. Zunächst ist der konkrete Untersuchungsgegenstand festzulegen. Dies kann die Einschätzung des Erfolgs des Leistungsprogramms einer Firma sein. Im nächsten Schritt sind die internen und externen Einflussfaktoren auf das Problemfeld zu untersuchen. Anschließend sind Kennzahlen zur Beschreibung des identifizierten Umfelds zu formulieren (Deskriptoren) und es sind Erwartungen der Veränderungen dieser Merkmale in der Zukunft zu schätzen (Projektionen). Es folgen die Auswahl relevanter Bündel von Annahmen und die Ableitung von Umfeldszenarien. Daraus werden besonders realistische Szenarien für das Unternehmen erarbeitet, die in der Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit eintreten können. Abschließend ist zu analysieren wie das Unternehmen auf diese Entwicklungen reagieren kann. Die nachfolgende Abbildung 4.3 zeigt den Prozess der Szenariotechnik.

Prozess der Szenariotechnik 1. Strukturierung und Definition des Problembereichs

2. Identifizierung und Strukturierung wichtiger Einflüsse

3. Formulierung von Deskriptoren und Projektionen

4. Bildung und Auswahl von Annahmenbündeln

5. Entwicklung und Interpretation der Umfeldszenarien

6. Ausarbeitung der realistischen Szenarien

7. Erarbeiten von Lösungen auf Basis der Szenarien

Abb. 4.3 Prozess der Szenariotechnik

Die Darstellung kann zudem mit einem Entscheidungsbaum wie bei sequentiellen Entscheidungen visualisiert und mit Wahrscheinlichkeiten für alternative Szenarien versehen werden (vgl. Kruschwitz, 2009, S. 333 ff.). Die Modellierung kann bei quantitativen Daten auch mit einer computergestützten Simulation im Rahmen einer Risikoanalyse erfolgen. Damit lassen sich im Ergebnis Risikoprofile als Wahrscheinlichkeitsverteilung ableiten und mit statistischen Kennzahlen auswerten. Auf diese Weise lassen sich realistische und extreme Trends

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für Erfolgsgrößen eines Unternehmens ermitteln, die bereits erste Anzeichen einer Strategiekrise aufzeigen. Wichtig ist es aus Risikosicht, den Wahrscheinlichkeitsgrad des Eintritts von negativen Extremsituationen als Randereignis wie bei Value-at-Risk-Kennziffern abzuschätzen. Des Weiteren können Handlungsoptionen der Geschäftsleitung auf Veränderungen von relevanten Ausgangsdaten über die Abbildung von Realoptionen mathematisch berücksichtigt werden (vgl. Copeland/Antikarov, 2002, S. 21 ff.). Wenn Daten in quantitativer Form vorliegen, können auch Sensitivitätsanalysen durchgeführt werden, um die Stabilität von Outputgrößen in Abhängigkeit von einer oder mehrerer Inputgrößen zu testen (vgl. Kruschwitz, 2009, S. 318 ff.). Dieses Verfahren dient primär der Entscheidungsunterstützung. Es kann dazu eingesetzt werden, um zu bestimmen, ab welchen Grenzen der Variation unsicherer Inputdaten negative Unternehmensergebnisse auftreten. So lassen sich Schwankungen von Rohstoffpreisen und ihre Auswirkungen auf das Betriebsergebnis analysieren und simulieren. Auf diese Weise wird erkannt, wie empfindlich die Outputgröße Betriebsergebnis auf mögliche Veränderungen von Inputgrößen reagiert. Insgesamt lassen sich sowohl qualitative als auch quantitative Informationen verarbeiten. Die folgende Abbildung 4.4 zeigt eine Darstellung der Szenariotechnik.

Szenariotechnik mit Entscheidungsbaum Relevante Inputdaten: • Prognose von Rohstoffpreisen • Prognose von Wechselkursen • Prognose von Zinsen

Alternative Zukunftslagen: • Quantitative Outputgrößen: EBIT, Kapitaldienstdeckung

Zusätzlich: • Risikoanalyse zur Ableitung einer Wahrscheinlichkeitsverteilung der Outputgröße • Realoptionen zur Bewertung von Handlungsoptionen des Managements • Sensitivitätsanalysen der Outputgröße bezüglich unsicherer Inputdaten Gegenwart

Zukunft

Zeit

Abb. 4.4 Szenariotechnik dargestellt als Entscheidungsbaum

Vorteile bei Anwendung der Szenariotechnik bestehen aus Bankensicht in der Möglichkeit, Risiken des Unternehmensumfeldes bei Firmenkunden umfassend zu berücksichtigen. Damit lassen sich in Kreditinstituten vorhandene Informationen aus volkswirtschaftlichen Analysen zu den Einschätzungen von Zinsänderungen, Prognosen von Wechselkursen, Schwankungen

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von Rohstoffpreisen und anderen Marktpreisen nutzen. Wurden erhöhte Risiken in verschiedenen Bereichen für ein Unternehmen identifiziert, sind anschließend die Auswirkungen dieser Gefährdungen abzuschätzen. Bei bedeutenden Problemen ist das Unternehmen im Hinblick auf die festgestellten Risiken zu sensibilisieren und es sind Reaktionsstrategien der Geschäftsleitung zu erfragen. Wird aus Sicht der Banken eine ausreichende Befassung mit diesen Problemen und die Einleitung von Maßnahmen konstatiert, so sind die künftigen Gefahren zu überwachen. Erfolgt keine Reaktion auf mögliche Bedrohungen sollte das Kreditinstitut das Risiko bei diesem Kreditnehmer senken. Beispiel: Analysen der Banken an den Energie- und Zinsmärkten prognostizieren einen Anstieg der Preise für die nächsten Jahre. Ein Firmenkunde aus der Metall verarbeitenden Branche arbeitet sehr kapital- und energieintensiv und ist von stabilen Marktpreisen abhängig. Auf Nachfragen der Hausbank, wie dem Problem der steigenden Preise für Energie und Kapital begegnet wird, antwortet der Geschäftsführer: „Wir werden uns wenn es notwendig wird mit diesem Thema beschäftigen.“ In diesem Fall liegen Anzeichen einer Strategiekrise und zudem qualitative Managementprobleme vor, wenn das Unternehmen keine vorsorglichen Maßnahmen zur Absicherung dieser Preisrisiken trifft, beziehungsweise es ablehnt, sich mit dieser Thematik aktiv zu befassen. Die Ermittlung aussagekräftiger und valider Daten zur strategischen Risikoerkennung über Szenarien ist für Externe wie Bankenvertreter kaum möglich. Lediglich Bedrohungen durch Unsicherheiten im Unternehmen und in dessen Umfeld können wahrgenommen werden und es kann geprüft werden, ob das Management eines Firmenkunden angemessen auf diese Gefährdungen reagiert. Unter Umständen lässt sich auf diese Weise eine Strategiekrise über die Anwendung der Szenariotechnik erkennen. Diese Analysemethode ist aus Effizienzgründen, aufgrund des Analyseaufwands, jedoch oft nur für ausgewählte Firmenkunden wirtschaftlich durchführbar. Daher eignet sich die Szenariotechnik regelmäßig nur theoretisch zur systematischen Risikofrüherkennung im gesamten Kreditportfolio. Ein praxisnahes Verfahren zur Identifizierung einer Strategiekrise ist die SWOT-Analyse. Diese Methode nutzt verstärkt qualitative Informationen. Mit diesem Verfahren werden interne Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) im Unternehmen neben Chancen (Opportunities) und Bedrohungen (Threats) aus dem relevanten Umfeld bestimmt. Es werden im Rahmen der SWOT-Analyse die im Unternehmen vorhandenen Stärken und Schwächen im Vergleich zum Marktführer oder zu dem stärksten Mitbewerber untersucht (vgl. Meffert, 2000, S. 68 ff. und S. 1135 ff.). Aus Bankensicht ist dieser Vergleich gut durchführbar, wenn Informationen von Kreditnehmern der gleichen Branche vorliegen. Zudem werden Chancen und Risiken im Unternehmensumfeld systematisch überprüft. Dabei können Kreditinstitute auf vorhandene Branchenanalysen in ihren volkswirtschaftlichen Abteilungen zurückgreifen. Anhand der vier SWOT-Kriterien lässt sich ein individuelles Unternehmensprofil erstellen, das Anzeichen von Gefährdungen aufzeigen kann. Die SWOT-Analyse zeigt die momentane Einschätzung der Lage eines Unternehmens, sollte aber auch Zukunftsentwicklungen beinhalten. Sie kann für den Kreditnehmer geschäftsfeldbezogen oder für einzelne Tochterunternehmen angewendet werden, um die Genauigkeit bei

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diversifizierten Unternehmen oder in Konzernen zu erhöhen. Die folgende Tabelle 4.1 zeigt die Anwendung dieses Instrumentariums zur strategischen Krisenerkennung. Tab. 4.1 SWOT-Analyse an einem Beispiel

Stärken (Strengths)

Schwächen (Weaknesses)

Skaleneffekte hoher Produktionsmengen

Geringe Produktstandardisierung

Gute Qualität der Produkte

Investitionsstau

Chancen (Opportunities)

Risiken (Threats)

Konkurrenz auf die Region beschränkt

Kostendruck steigender Rohstoffpreise

Know-How auf dem Arbeitsmarkt

Starker Preiswettbewerb

Im Rahmen der Durchführung einer SWOT-Analyse ist es notwendig, sich intensiv mit dem Unternehmen und der relevanten Branche zu beschäftigen. Erkennen lassen sich unter anderem Veränderungen in den relevanten Technologien, dem Branchenumfeld und bei der Konkurrenz. Auch interne Risiken können sichtbar gemacht werden. Die SWOT-Analysetechnik basiert auf einer verstärkt qualitativen Bewertung des Unternehmens (vgl. Portisch, 2005b, S. 22 ff.). Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel geschäftspolitische Krisenentwicklungen bei Firmenkunden frühzeitig identifizieren. Die SWOT-Analyse lässt sich auch einsetzen, um die Marktlage und die Branchensituation von Firmenkunden systematisch zu strukturieren. Für Banken ist es von großer Bedeutung, die Märkte zu verstehen, in denen ihre Kreditnehmer tätig sind. Einen abgegrenzten Sektor nennt man auch den relevanten Markt. Er ist zu beschreiben und gegenüber anderen Bereichen abzugrenzen. Die genaue Darstellung ist notwendig, um im Zeitablauf mögliche Veränderungen in der Kundennachfrage, den angewendeten Technologien und den sektoralen Verschiebungen zu erkennen. Die Abgrenzung des relevanten Marktes, in dem der Kreditnehmer tätig ist, kann anhand folgender Dimensionen erfolgen (vgl. Meffert, 2001, S. 37): 

Räumliche Abgrenzung: Regionaler, nationaler oder internationaler Markt



Zeitliche Abgrenzung: Saisonalität des Geschäfts und Produktlebenszyklus



Sachliche Abgrenzung: Marktvolumen, Marktwachstum und Technologiefortschritt

Die Bedeutung der Beschreibung eines Marktes, in dem der Kreditnehmer tätig ist, liegt darin, Entwicklungspotenziale zu untersuchen und Marktdatenveränderungen unter anderem im Volumen oder Wachstum zu erkennen. Daher kann ein sinkendes Marktvolumen in einem Sektor auf ein Umsatzrisiko mit Kapazitätsüberhängen hindeuten. Über eine Kontrollabfrage lässt sich ein Bild darüber gewinnen, ob der Firmenkunde seinen Markt kennt und wesentliche Veränderungen zu antizipieren vermag. Zudem sind seine Planungen und Reaktionsweisen auf wesentliche Änderungen zum Beispiel des technischen Fortschritts interessant. Die Abgrenzung des Marktes reicht jedoch nicht aus, um Risiken zu erkennen. Einen Schritt weiter geht die Branchenanalyse, die auch im Rahmen einer SWOT-Analyse eingesetzt werden kann, um das relevante Unternehmensumfeld zu untersuchen.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

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Die Branchenanalyse dient der genauen Untersuchung des Marktumfeldes, in dem ein Unternehmen tätig ist. Diese Analysetechnik ist umfassender als die reine Abgrenzung des relevanten Marktes, da weitere Determinanten in das Untersuchungsgebiet einwirken zum Beispiel die Prüfung des Einflusses der Lieferanten, der Konkurrenten und der Abnehmer. Es wird damit auch die Wettbewerbssituation untersucht. Auf diese Weise kann eine Branchenanalyse ebenfalls dazu dienen, Kreditrisiken früh zu erkennen. Diese Methode ermöglicht es, schwache Risikosignale, sogenannte strategische Diskontinuitäten, zu ermitteln (vgl. Ansoff, 1976, S. 129 ff.). Für diese Risikoerkennung ist es positiv, dass in Banken umfassende Branchenkenntnisse aus der Vielzahl der betreuten Kreditfälle vorhanden sind. In einigen Banken wird sogar eine Branchenspezialisierung in der Betreuung und in der Marktfolge vorgenommen, um dieses Spezialwissen zu konzentrieren. Der Ansatz von Porter zielt auf eine genaue Branchenanalyse ab. Dabei wird die Wertschöpfungskette eines Unternehmens sektorspezifisch untersucht (vgl. Porter, 1999, S. 33). Kritische Veränderungen können frühe Indikatoren für eine strategische Krise darstellen und sind daher zu beobachten. Porter identifiziert insgesamt fünf Determinanten der Wettbewerbssituation in einem Marktbereich (vgl. Staehle, 1994, S. 856): 

Determinanten der Konkurrenzintensität: Branchenwachstum, Konkurrenzintensität, Preispolitik, Größe und Anzahl der Konkurrenten



Determinanten des Markteintritts: Kapitalbedarf, kritische Unternehmensgröße, notwendige Produktdifferenzierung, Schnelligkeit des Technologiefortschritts



Determinanten der Substitutionsgefahr: Produktqualität, Ersatzprodukte und alternative Leistungen, Umstellungskosten, Substitutionsneigung



Determinanten der Lieferantenmacht: Lieferantenkonzentration, Vorwärtsintegration der Lieferanten, spezieller Produktzuschnitt, Produktkomplexität, Input-Substitute



Determinanten der Abnehmermacht: Abnehmerkonzentrationen, Abnehmervolumina, Gefahr der Rückwärtsintegration, Ersatzprodukte und Ersatzleistungen

Diese strukturellen Merkmale einer Branche können durch Kreditinstitute überwacht werden und gezielt zur Risikofrüherkennung dienen. So können Technologieänderungen erkannt, der Eintritt von Konkurrenten mit zunehmendem Preisdruck sichtbar und eine weitgehende Abhängigkeit von Lieferanten und Abnehmern festgestellt werden. Insgesamt zeigt sich, dass Kreditinstitute sich intensiv mit den Chancen und Risiken einer Branche und dem Geschäftsmodell ihrer Unternehmenskunden beschäftigen sollten. Dieses Feld kann aktiv zur frühzeitigen Identifizierung von Risiken bei Kreditnehmern genutzt werden. Ergeben sich grobe Veränderungen in einer Branche, die auf eine Gefährdung im Rahmen dieser fünf Determinanten des Wettbewerbs hindeuten, sind die möglichen Auswirkungen zu überprüfen und die Reaktionsweisen des Unternehmens abzufragen. Es empfiehlt sich in regelmäßigen Abständen, Marktanalysen einzuholen, um die Position von Firmenkunden im Konkurrenzumfeld zu überwachen. Veränderungen des Marktes und der Wettbewerbsstärke eines Unternehmens können anschließend mit einer SWOT-Analyse eingeschätzt wer-

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4 Sanierung aus Bankensicht

den. Dabei kann sich ergeben, dass ein Unternehmen von vorneherein eine falsche Marktposition gewählt hat, wie folgendes Beispiel zeigt. Beispiel: Ein mittelständisches Unternehmen stellt Standard-Elektronikartikeln im Hifiund TV-Bereich her. In den Anfangsjahren werden gute Markterfolge erzielt. Das Unternehmen befindet sich jedoch in einem konkurrenzintensiven Umfeld mit vielen großen und international tätigen Wettbewerbern. Aufgrund dieser Markt- und Branchenkonstellation hat das mittelständische Unternehmen in dieser kapitalintensiven Branche, gekennzeichnet durch einen hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwand geringe Überlebenschancen. Es wird keine Produktnische gewählt. Diese Fehlpositionierung hätte durch eine Strukturanalyse der Branche frühzeitig erkannt werden können. Es zeigt, dass eine nicht vorhandene kritische Unternehmensgröße ein wichtiges Risikomerkmal sein kann. Die Strukturanalyse des Marktes und der Branche bilden in Unternehmen meist das Grundgerüst für die Formulierung einer Vision und einer strategischen Mission. Die unzureichende zielgerichtete Ausrichtung kann ein Risiko für eine Firma bedeuten. Denn die instabile und dynamische Umwelt führt dazu, dass die Unsicherheit im Zeitablauf zunimmt. Firmen müssen sich an Veränderungen im Tagesgeschäft anpassen. Um frühzeitig reagieren zu können, sind langfristige Planungen notwendig. Dabei sollte eine Strategie nicht immer auf historischen Stärken aufbauen. Die Strategiefestsetzung ist ein dynamischer Prozess, der die künftigen Gegebenheiten des Marktes antizipieren sollte (Porter, 1999, S. 33). Die Festlegung einer Unternehmensstrategie umfasst die Mittel und Wege zur Erreichung gesetzter Ziele (vgl. Staehle, 1994, S. 575). Insbesondere wird im Rahmen der Unternehmensstrategie die Produkt-Markt-Kombination festgelegt. Weiter sind die Chancen und Risiken der Strategie im Hinblick auf die internen Ressourcen und das betriebliche Umfeld zu prüfen. Ebenso sind die Strukturen und Prozesse im Unternehmen auf die gewählte Strategie abzustimmen. Meist verläuft der Prozess der Unternehmensstrategiefestlegung in mehreren Phasen. Zunächst wird die Ausgangsposition untersucht. Anschließend werden verschiedene Strategieoptionen geprüft. Nach Auswahl einer geeigneten Strategie ist die Unternehmenspolitik anzupassen. Dazu gehören die Ausarbeitung der internen und externen Kommunikation, die Abstimmung der Aufbauorganisation und die Optimierung der Geschäftsprozesse. Dann erfolgt die operative Umsetzung (vgl. Staehle, 1994, S. 577 ff.). Wichtig ist, dass die internen firmenbezogenen und die externen marktorientierten Ressourcen mittelfristig bis langfristig in Übereinstimmung gebracht werden können. Auch die Unternehmensstrategie eines Firmenkunden kann auf Risiken hindeuten und sollte daher aus Bankensicht überprüft werden. Die systematische Abfrage von Bestandteilen der Unternehmensstrategie durch Banken erfolgte in der Vergangenheit im Rahmen der Umstellung auf den Euro oder bei anstehenden Nachfolgeregelungen. Dies sind jedoch nur unstetige Analysen in besonderen Unternehmenssituationen. Aufgrund der Bedeutung einer ProduktMarkt-Strategie als Ausdruck des individuellen Geschäftsmodells sollte in festen Intervallen eine Befragung der Strategiedeterminanten bei allen Firmenkunden erfolgen, zum Beispiel im Rahmen des jährlichen Prolongationstermins.

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Ingesamt gesehen ist für externe Stakeholder wie Banken das Erkennen strategischer Warnsignale bei Firmenkunden aufgrund der unvollkommenen Informationslage meist schwierig. Zudem besteht das Problem, eine systematische Analyse strategischer Warnsignale bei allen Firmenkunden effizient durchführen zu können. Gründe liegen in dem Erhebungsaufwand und den hohen Informationsverarbeitungskosten für die Kreditinstitute. Anwendbar erscheinen daher nur die praxisnahen Verfahren der SWOT-Analyse und der Szenariotechnik. Diese Methoden sind aus Effizienzgründen ausschließlich bei Firmenkunden mit einer hohen Risikorelevanz in einem Kreditinstitut einsetzbar. Es lassen sich strategische Krisenmerkmale erkennen, wenn sich diese zum Beispiel deutlich zeigen, in Form von: 

Qualitativ und quantitativ beschränkten Managementressourcen



Bindungen in der Wertschöpfungskette bei Kunden und Lieferanten



Abhängigkeiten von Marktpreisen bei Rohstoffen, Zinsen und Währungen

Des Weiteren können Informationen anderer Stakeholder als Erkenntnisquelle zur Ermittlung von strategischen Risiken genutzt werden. Denn gerade in der Strategiekrisenentwicklung ist die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Kreditinstituten und ihren Firmenkunden stark ausgeprägt. Anspruchsgruppen des Unternehmens können somit eine Diagnosehilfe leisten, um die Krise einer Firma zu erkennen und das Gesamtbild eines Kreditnehmers abzurunden. Die grundlegende Basis des vorgeschlagenen Verfahrens zur Risikofrüherkennung soll die Stakeholder-Analyse sein. Der gewählte Ansatz der Risikofrüherkennung geht davon aus, dass sich schwache Krisensignale in der Beziehung zu den internen und externen Stakeholdern zeigen und sich auf diesem Weg wirtschaftliche Risiken frühzeitig identifizieren lassen (vgl. Ansoff, 1976, S.129ff.). Folgende Stakeholder und daraus abgeleitete Merkmale können ein Signal für künftige Risiken bei einem Firmenkunden darstellen. Risikoidentifizierung über die Geschäftsführung 

Fehlende Unternehmensstrategie, keine Nachfolgeregelung



Mangelhafte Qualifikation der Geschäftsführung



Intensives Entnahme- und Investitionsverhalten der Geschäftsführer

Risikoidentifizierung über die Anteilseigner 

Gesellschafterdarlehen werden besichert oder zurückgeführt



Gesellschaftsanteile werden ohne nachvollziehbaren Grund veräußert



Bürgschaften werden zurückgefordert

Risikoidentifizierung über den Aufsichtsrat/Beirat 

Mangelhafte Qualifikationen der Mitglieder des Überwachungsorgans



Vermehrte Sitzungen des Aufsichtsrats



Unerfahrene Mitglieder im Aufsichtsrat

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4 Sanierung aus Bankensicht

Risikoidentifizierung über das Mittlere Management 

Mitarbeiter der zweiten Führungsebene verlassen das Unternehmen



Fehlende Qualifikationen des Mittleren Managements



Hohes Alter der zweiten Führungsriege

Risikoidentifizierung über Mitarbeiter/Betriebsrat 

Fehlzeiten nehmen zu und die Arbeitsmotivation sinkt



Weniger Auszubildende und hoher Altersdurchschnitt



Qualifikation und Qualität der Mitarbeiter nehmen ab

Risikoidentifizierung über Kreditinstitute 

Höhere Ausnutzung der Linien bei anderen Kreditinstituten



Negative Bankauskünfte anderer Finanzinstitute und Mahnbescheide



Anstieg der Gesamtverschuldung gemäß Evidenzmeldung

Risikoidentifizierung über Lieferanten und Kreditversicherer 

Klumpenrisiken bei einzelnen Lieferanten



Höhere Ausnutzung von Lieferantenkrediten



Linien von Kreditversicherern werden gekürzt

Risikoidentifizierung über Kunden 

Abhängigkeiten von einzelnen Händlern und Endabnehmern



Verringerung der Bestellmengen von Auftraggebern



Vermehrte Reklamationen und Rückgaben durch Kunden

Dieser längst nicht vollzählige Katalog kann Hinweise auf risikorelevante Veränderungen im Unternehmen und seinem Umfeld geben. Dies stärkt eine qualitative Risikoanalyse. So kann eine Checkliste erarbeitet werden, mit der die qualitativen Krisenindikatoren durch den Firmenkundenbetreuer systematisch abgefragt werden. Gerade die Hausbank hat meist Informationsvorteile. Es besteht aufgrund der jahrelangen Geschäftsbeziehung häufig eine hohe Wissensdichte beziehungsweise ein geringerer Grad an asymmetrischer Information. Dieser Vorteil kann dazu genutzt werden, um eine wirksame Risikofrüherkennung bei Firmenkunden zu betreiben. Auf diese Weise besteht die Chance bereits eine strategische Krisenphase zu erkennen. Zum Teil liegen relevante Informationen den Banken bereits vor, sie werden jedoch nur ungenügend genutzt. Wichtig ist, dass Risikoanalysen in den Kreditinstituten nicht nur auf quantitativen Daten beruhen, sondern dass zudem verstärkt qualitative Krisenmerkmale identifiziert werden. Nur eine umfassende Risikofrüherkennung kann das Wahrnehmen einer strategischen Gefährdung bei Firmenkunden ermöglichen.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

49

Während die Anzeichen einer Strategiekrise oft nur unscharf sichtbar werden, sind die Folgen meist sehr gut erkennbar. Spiegelt sich die Strategiekrise im Zahlenwerk wider, so ist der Übergang zur Ertragskrise offenkundig und nicht zu verbergen. Definition: Als Ertragskrise bezeichnet man einen Zeitraum, in dem die Umsatz- und Ertragslage bei einem Unternehmen nachhaltig rückläufig und die Kapitaldienstfähigkeit bei den Banken gefährdet ist. Ertragskrisen spiegeln sich im internen und externen Zahlenmaterial wider. Kreditinstitute sollten daher versuchen, durch systematische Kennzahlenauswertungen aktueller Daten aus dem internen Controlling und dem externen Rechnungswesen von Firmenkunden bereits erste Anzeichen dieser Krisenphase zu erkennen. Die Ertragskrise zeigt sich bei einer Krisenfirma durch rückläufige Umsätze und Ergebnisse. Dies wirkt sich mit der Dauer auf die Kapitalstruktur negativ und destabilisierend aus. Das Feststellen einer rückläufigen Ertragslage ist durch verschiedene quantitativ geprägte Instrumente wie die Jahresabschlussanalyse und weitergehende statistische Verfahren in der Praxis möglich. Dabei liefern Kennzahlenanalysen des Jahresabschlusses oder der betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) wichtige Informationen zur Überwachung der Bonität eines Firmenkunden. Auch Planzahlen lassen sich mit Kennzahlen auswerten und zeigen über Soll-Ist-Vergleiche unter Umständen negative Abweichungen von einer erwarteten Entwicklung auf. Daten aus diesen Informationsmedien sind für Kreditinstitute meist gut zugänglich und beschreiben die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens im Zeitablauf. Wichtig für die Überwachung der Bonität ist die Auswahl geeigneter Indizes, die als Risikoindikatoren eine drohende Fehlentwicklung verlässlich anzeigen. Dabei können Diskriminanzanalysen aufbauend auf einer Jahresabschlussanalyse bei der Erfassung bedeutender Krisenindikatoren helfen. Dieses multivariate Analyseverfahren identifiziert Kennzahlenkombinationen aus empirischen Jahresabschlussdaten der Vergangenheit, die eine verlässliche Prognose für die Zukunft gewährleisten sollen. Es wird unterstellt, dass negative Veränderungen ausgewählter Kennzahlen aus dem externen Rechnungswesen eine Insolvenzgefährdung bei Unternehmen bereits frühzeitig anzeigen und sich diese Indizes bei schwachen Firmen deutlich von Unternehmen ohne eine Krisenentwicklung unterscheiden. Ziel ist die Ermittlung einer mathematischen Diskriminanzfunktion, die über ein trennscharfes Kennzahlenprofil als Risikoindikator dienen kann. Die Untersuchung von Kennzahlen aus der externen Rechnungslegung stellt mit der Jahresabschlussanalyse ein Instrument zur Schwachstellendiagnose in der Ertragskrise dar. So hat die Bilanzanalyse über Kennzahlensysteme und darauf aufbauende statistische Verfahren inhaltlich gesehen in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Zeitreihenanalysen und Branchenvergleiche lassen sich effizient durchführen. Vorteil einer Bilanzanalyse ist das individuelle Analysieren und Eingehen auf Informationen und Probleme jedes einzelnen Engagements. Dabei sind alle Einzelabschlüsse und Konzernbilanzen zu analysieren, um auch bei komplexen Firmenkundenengagements die wirtschaftliche Lage verlässlich einschätzen zu können. So stellt Hauschildt bei der Krisendiagnose über Jahresabschlüsse treffend fest: „Jeder Fall verlangt letztlich seinen individuellen Analysepfad.“ (Hauschildt, 2002, S. 1008). Untersuchungsfelder sind die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage.

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4 Sanierung aus Bankensicht

Die Analyse der Daten des externen Rechnungswesens nach HGB erfolgt anhand ausgewählter Kennzahlen. Dabei arbeitet jedes Kreditinstitut aufgrund eigener Erfahrungen mit unterschiedlichen Kennziffernkatalogen bei der Bonitätsbeurteilung. Es werden sowohl Bestandsals auch Stromgrößen verwendet. Aus der Bilanz lassen sich unter anderem Veränderungen in der (Eigen-)Kapitalstruktur erkennen, die eine große Bedeutung bei der Bonitätseinschätzung hat (Vermögenslage). Zudem kommt der Analyse des Umlaufvermögens große Wichtigkeit zu, da in diesen Positionen große Risiken aus überbewerteten Materialvorräten, Warenbeständen und dubiosen Forderungen stecken können. Auch die Entwicklung des Eigenkapitals als Verlustauffangpotenzial zeigt die Stabilität des Unternehmens zur Überwindung von temporären Krisenphasen auf. Dabei hängt die Bildung von neuem Eigenkapital eng mit der Ertragskraft zusammen, die sich in der GuV zeigt. Verstärkt besteht in der Analysepraxis von Kreditinstituten der Trend, sich intensiv der Analyse der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) zuzuwenden, da in dieser Aufstellung der Erfolg des Leistungserstellungsprozesses abgebildet wird (Ertragslage). Anhand der Erfolgsanalyse lassen sich auffällige Veränderungen im Zeitvergleich oder in Relation zu anderen Kreditnehmern in einer Branche ermitteln. Eine zentrale Größe zur Bonitätseinschätzung in Banken ist die Ermittlung der Kapitaldienstfähigkeit. Diese lässt sich aus der aktuellen und künftigen Ertragskraft ableiten. Zudem lassen sich die Ertragsdaten durch die Kontoführung und die Finanzplanung plausibilisieren. So sollte sich eine gute Ertragslage in der Kontoführung und damit in einer stabilen Liquiditätslage widerspiegeln. Die Beurteilung der Liquiditätslage steht immer stärker im Vordergrund einer Kennzahlenanalyse, da diese als Indikator für die unternehmerische Zahlungsfähigkeit angesehen werden kann (Finanzlage). Die Hausbank verfügt mit der Führung der laufenden Konten über eine kostenlose und stets aktuelle Informationsquelle, die auszuwerten ist. So können die Saldenentwicklungen Gefährdungen anzeigen, zum Beispiel wenn Soll- und Haben-Umsätze entgegen der Historie und vom Saisonverlauf auffällig negativ abweichen und zudem nicht der aktuellen Ertragslage entsprechen. Hohe Kontoinanspruchnahmen und auftretende Überziehungen können ebenfalls auf Liquiditätsrisiken hindeuten. Die Vermögenslage, die Ertragslage und die Finanzlage werden schwerpunktmäßig im Rahmen der Jahresabschlussanalyse untersucht. Zusätzlich können Informationen aus dem Anhang, dem Lagebericht und dem Bericht des Aufsichtsrats herangezogen werden, um ein umfassendes Bild zu erhalten (vgl. Portisch, 1997, S. 184 ff.). Zur Aggregation der Zahlen aus dem Jahresabschluss erfolgt eine Kennzahlenanalyse auf Basis einer Strukturbilanz. Dabei handelt es sich um eine aufbereitete Originalbilanz. Die Umgestaltung erfolgt nach den individuellen Anforderungen des Kreditinstituts (vgl. Küting/Weber, 2009, S. 53 ff.). Besondere Vorzüge der Kennziffernanalyse auf Grundlage einer Strukturbilanz sind: 

Vergleichbarkeit der Kennziffern mit anderen Betrieben oder Betriebsteilen



Trendvergleiche von Zahlen und Kennziffern im Zeitablauf



Objektive und effiziente Auswertungsmöglichkeiten über die Datenverarbeitung

Die nachfolgende Abbildung 4.5 zeigt mögliche Auswertungsbereiche über Kennzahlen im Rahmen der Jahresabschlussanalyse nach dem Handelsrecht.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

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Jahresabschlussanalyse nach HGB Vermögenslage • Kapitalstrukturanalyse (z.B. Eigenkapitalquote) • Vermögensstrukturuntersuchung (z.B. Vermögenskonstitution) • Bilanzstrukturanalyse (z.B. Anlagendeckung)

Investitions- und Finanzierungspolitik

Ertragslage • Ergebnisbetragsanalyse (z.B. Umsatzrentabilität) • Ergebnisstrukturanalyse (z.B. Rohergebnisquote) • Kennzahlen zur Aufwandsstruktur (z.B. Materialeinsatzquote)

Ertragskraft und Innenfinanzierungspotenzial

Finanzlage • Liquiditätsgrade (z.B. Liquidität 1./2./3. Grades) • Liquiditätskennzahlen (z.B. Debitoren-, Kreditorenlaufzeit) • Kapitaldienstfähigkeitsanalyse (z.B. Kapitaldienstdeckungsgrad)

Schuldentilgungspotenzial und Liquiditätspolitik

Zeitvergleich Betriebsvergleich Branchenvergleich

Abb. 4.5 Komponenten der Jahresabschlussanalyse nach HGB

Es ist zu beachten, dass der vorrangige Rechnungslegungszweck des Handelsrechts im Gläubigerschutz liegt (vgl. Buchholz, 2008, S. 4 ff.). Dies kann dazu führen, dass Bilanzierungsund Bewertungswahlrechte ausgeübt werden, die das tatsächliche Bild der wirtschaftlichen Lage für Externe im Rahmen der Bilanzanalyse verfälschen. Erschwert wird die Vergleichbarkeit von Jahresabschlussdaten zudem, wenn Firmen entweder nach HGB oder den International Financial Reporting Standards (IFRS) bilanzieren. Zusätzlich ist zu beachten, dass die Übereinstimmung der Abschlüsse nach HGB im Zeitablauf aufgrund der Umsetzung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) eingeschränkt sein kann. Ziele der Umsetzung des BilMoG sind zum einen die Entlastung der kleinen Unternehmen von Bürokratie und Kosten und zum anderen die Erhöhung der Aussagekraft des Jahresabschlusses mit einer Angleichung an die IFRS. Gerade der zweite Aspekt ist bei der Bilanzanalyse von Bedeutung, denn durch das BilMoG wurden verschiedene Ansatz- und Bewertungsvorschriften geändert und an die internationale Rechnungslegung angenähert. Künftig besteht unter anderem ein Ansatzwahlrecht für selbstgeschaffene immaterielle Vermögenswerte des Anlagevermögens inklusive der Entwicklungskosten (vgl. Kessler et al., 2008, S. 82 ff.). Allerdings existiert ein spezielles Ansatzverbot für nicht entgeltlich erworbene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Wichtig ist es, im Rahmen der Bilanzanalyse zu überprüfen, ob die Werthaltigkeit von angesetzten Positionen des immateriellen Vermögens gegeben ist (vgl. Buchholz, 2009, S. 293 ff.). Dagegen wurden die Vorschriften zum Sonderposten mit Rücklageanteil gestrichen und die Bildung von Aufwandsrückstellungen eingeschränkt. Auch der Ansatz eigener Anteile ist nach dem BilMoG künftig unzulässig.

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4 Sanierung aus Bankensicht

Weitere wesentliche Änderungen betreffen die Bewertungsvorschriften. So wurden die Ansatzvorschriften zu den Herstellungskosten an die Vollkostenbewertung nach IFRS angenähert (§ 255 Abs. 2 HGB). Wichtig ist es, die sich ergebenden Änderungen durch das BilMoG in den Auswertungsbögen der Jahresabschlüsse der Kreditinstitute zu erfassen. Strukturbrüche durch die geänderte Bilanzierung und Bewertung und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers sind genau zu analysieren. Insgesamt zeigt sich, dass die materiellen Änderungen des Handelsrechts die Intention haben, eine Annäherung an die Vorschriften der internationalen Rechnungslegung nach IFRS zu erreichen (vgl. Buchholz, 2008, S. 208 ff.). Die Pflicht zur Bilanzierung nach IFRS betrifft insbesondere kapitalmarktorientierte Unternehmen. Mit der Einführung des Bilanzrechtsreformgesetzes wird in § 315a HGB geregelt, dass kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen einen Konzernabschluss nach den internationalen Rechnungslegungsstandards zu erstellen haben. Definition: Als kapitalmarktorientierte Unternehmen werden Firmen bezeichnet, deren Wertpapiere in Form von Eigen- und Fremdkapitaltiteln am Bilanzstichtag auf einem regulierten Markt eines beliebigen Mitgliedsstaates der EU gehandelt werden. Es zeigt sich, dass neben der Verpflichtung für kapitalmarktorientierte Unternehmen immer mehr Marktakteure freiwillig ihren Jahresabschluss nach IFRS erstellen und diesen den Banken für Analysezwecke zur Verfügung zu stellen. Zudem erweitern sich für kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, die nicht zur Erstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, die Pflichtbestandteile eines Jahresabschlusses gemäß § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel. Wahlweise kann der Jahresabschluss zusätzlich um eine Segmentberichterstattung ergänzt werden. Diese Bestimmungen zeigen eine Harmonisierung der Regelungen des HGB mit den IFRS, indem die Informationspflichten aller kapitalmarktorientierten Unternehmen ausgedehnt und vereinheitlicht werden (vgl. Kessler et al., 2008, S. 47 ff.). Gerade diese zusätzlichen Instrumente können zur Erhöhung der Transparenz für Externe wie Anleger sorgen und auch Kreditinstituten zur Risikofrüherkennung dienen (vgl. Portisch, 2008a, S. 356 ff.). Damit sollte sich auch die Bilanzanalyse der Banken verändern, denn der Jahresabschluss nach IFRS unterscheidet sich materiell und formell von seinem handelsrechtlichen Gegenstück. So wird in der IFRS-Bilanz das Vermögen in der Regel zu aktuellen Zeitwerten ausgewiesen. Zudem existieren weniger Bilanzierungswahlrechte. Dies erhöht zwar die Transparenz für Außenstehende, dennoch sind Anpassungen bei den Kennzahlen notwendig, um die wirtschaftliche Lage von Unternehmen einheitlich zu analysieren. Problematisch ist, dass verdeckte Bilanzierungswahlrechte bestehen, die eine systematische Auswertung deutlich erschweren können (vgl. Kirsch, 2003, S. 1111 ff.). Die IFRS-Rechnungslegung verfolgt insbesondere das Ziel der Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen an verschiedene Stakeholder. Zudem sollen die Adressaten in die Lage versetzt werden, die Leistung eines Managements in der Berichtsperiode zu beurteilen (vgl. Pellens et al., 2008, S. 112 ff.). Als Norm gilt der Grundsatz der Fair Presentation mit einer Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse der wirtschaftlichen Lage einer Firma. Der Jahresabschluss nach IFRS sollte allen Stakeholdern als Informationsinstrument dienen. Je-

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

53

doch wird der Investorenschutz häufig als vorrangiges Ziel dieser Rechnungslegung angesehen (vgl. Buchholz, 2008, S. 215 ff.). Eine Besonderheit dieser Form der Berichterstattung besteht in der Bereitstellung weiterer Informationsinstrumente wie der Eigenkapitalveränderungsrechnung, der Kapitalflussrechnung und der Darstellung der internen Segmente eines Unternehmens (vgl. Pellens, 2008, S. 161 ff.). Die Eigenkapitaldarstellung zeigt die Veränderungen der Eigenkapitalposten im Zeitablauf. Die Kapitalflussrechnung gibt Auskunft über die Bestände der Finanzmittelfonds. Die Segmentberichterstattung gemäß IFRS 8 zeigt unter anderem die Aufteilung des Gesamterfolgs auf die einzelnen Produktgruppen. Diese Darlegung folgt dem Management Approach und grenzt die Bereiche in Anlehnung an die interne Steuerung durch das Unternehmenscontrolling ab. Die Entscheidungsorientierung, die Bewertung mit dem Fair Value inklusive der Begrenzung der Ausübung von Wahlrechten und die Bereitstellung weiterer Recheninstrumente erhöhen den Informationsgehalt der IFRS-Rechnungslegung. Dies kann auch für eine Risikobeurteilung im Rahmen einer Bonitätsprüfung deutliche Vorteile ergeben (vgl. Grünberger, 2009, S. 56 ff.). Stellen die Kunden einer Bank somit ihre Rechnungslegung in absehbarer Zeit auf IFRS um, sollten sich auch die Institute mit der Analyse dieser Abschlüsse befassen, um auf dieser Basis eine Risikoeinschätzung vornehmen zu können. Dazu ist zunächst die Aufbereitung des Jahresabschlusses notwendig, um eine standardisierte Erfassung zu ermöglichen. Es ist eine Strukturbilanz zu erstellen, die eine optimale Auswertung aus Gläubigersicht ermöglicht. Bei der Ausnutzung von Wahlrechten sind gegebenenfalls Korrekturen der Bilanzpositionen vorzunehmen, zum Beispiel bei der Aktivierung von immateriellen Vermögenswerten oder von Fremdkapitalzinsen. Auch Wertansätze, die auf Schätzmodellen der Firma beruhen, sind kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu berichtigen. Ziel ist es, die gestaltende Jahresabschlusspolitik der Geschäftsleitung durch eine geeignete Aufbereitung des Datenmaterials rückgängig zu machen, um eine Schlussfolgerung im Hinblick auf die Stabilität und die Kapitaldienstfähigkeit ziehen zu können. Dieses erfordert eine eigenständige IFRS-Bilanzanalyse mit der Bildung von geeigneten Kennzahlen zur Untersuchung der wirtschaftlichen Lage (vgl. Kirsch, 2006, S. 2 ff.). Auch bei der Jahresabschlussanalyse nach IFRS lassen sich die Untersuchungen in die Bereiche der Vermögenslage, der Ertragslage und der Finanzlage aufgliedern. Einige Kennzahlen können aus der Bilanzanalyse nach HGB übernommen werden. Es ist jedoch die unter Umständen veränderte Aussagekraft dieser Indizes zu beachten. Zudem ist auch die Bildung neuer Kennzahlen möglich, da zusätzliche Rechnungslegungsinstrumente zur Verfügung stehen. Die Auswertung der Vermögenslage umfasst die Kapitalstruktur und horizontale Kennzahlen zur Bilanz und kann um eine Prüfung der Eigenkapitalveränderungsrechnung erweitert werden. Aus Analysegesichtspunkten ist es zudem interessant, dass alle Kapitaltransaktionen mit den Anteilseignern inklusive der Gewinnausschüttungen sichtbar werden. Auch Korrekturen zum Eigenkapital werden deutlich erkennbar. Weiterhin kommt der Eigenkapitalquote als Kennzahl eine große Bedeutung zu. Diese kann jedoch höher ausfallen, wenn mezzanine Finanzprodukte eingesetzt werden. So kann Genussrechtskapital nach IFRS als wirtschaftliches Eigenkapital anerkannt werden, wenn es unbefristet und unkündbar zur Verfügung gestellt wird und die Vergütung im Ermessen eines Unternehmens liegt, zum Beispiel von den jährlichen Dividendenzahlungen abhängt (vgl. Portisch, 2008a, S. 217 ff. und Grünberger,

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4 Sanierung aus Bankensicht

2009, S. 184 ff.). Auch die Anlagenintensität kann deutlich höher ausfallen, wenn umfassende Vermögenspositionen gemäß IFRS als langfristig deklariert oder neu eingeschätzt werden. Dies kann der Fall sein, wenn Neubewertungen von Sachanlagen zu aktuell höheren Zeitwerten erfolgen. Zudem kann eine detaillierte Auswertung des Working Capitals erfolgen, da dieses im IFRS-Abschluss in der Regel differenzierter ausgewiesen wird. Bei der Analyse der Ertragslage lassen sich insbesondere Informationen aus der Segmentberichterstattung nutzen, um die Entstehung des Ergebnisses differenziert nach Geschäftsbereichen, Regionen, Produkten oder Produktgruppen aufzuzeigen (vgl. Gräfer, 2008, S. 155 ff.). Eine wichtige Kennzahl der Ertragsanalyse ist der EBIT mit seinen verschiedenen Abwandlungen. Der EBIT soll wie das Betriebsergebnis den Unternehmenserfolg frei von Einflüssen unterschiedlicher Kapitalstrukturen als vorläufiges Ergebnis vor Zinsen und Steuern aufzeigen (vgl. Gräfer, 2008, S. 57 ff.). Zusätzlich können weitere Rentabilitäts- und Cash-FlowKennzahlen zur Ermittlung der Erfolgsindikatoren in den einzelnen Unternehmenssegmenten gebildet und im Branchen- und Zeitvergleich ausgewertet werden. Zu beachten ist, dass die GuV nach IFRS um außerordentliche Bestandteile sowohl im Betriebs- als auch im Finanzergebnis zu bereinigen ist. Diese Positionen werden nach IFRS in der Regel nicht differenziert ausgewiesen (vgl. Weigel/Flick, 2007, S. 392 ff.). Auswertungen der Finanzlage können wie bei einer Analyse nach HGB auf Bilanzuntersuchungen mit statischen Liquiditätskennzahlen beruhen. Die Liquiditätsgrade sind jedoch an die IFRS anzupassen (vgl. Kirsch, 2006, S. 97 ff.). Zusätzlich kann die Untersuchung um eine zahlungsstromorientierte Liquiditätsanalyse erweitert werden. Hier erleichtert die Kapitalflussrechnung nach IAS 7 Interpretationen, da Zahlungsvorgänge abgebildet werden. Dieses kann den Aussagegehalt einer Untersuchung des Liquiditätsbereichs erhöhen, da die Mittelherkunft und die Mittelverwendung deutlich werden. Es werden die Cash Flows aus der laufenden Geschäftstätigkeit, der Investitionstätigkeit und der Finanzierungstätigkeit sichtbar. Zudem lässt sich der Cash Flow aus außerordentlicher und finanzieller Geschäftstätigkeit darstellen und detailliert mit Kennzahlen auswerten. Zusätzlich kann die Rückführungsdauer der Nettoverschuldung berechnet werden. So können in einem Cash Flow Statement strukturierte Auswertungen vorgenommen werden, um damit die nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit auf Basis einer Kapitalflussrechnung zu bestimmen. Die Jahresabschlussanalyse nach IFRS ähnelt der Bilanzanalyse nach HGB. Jedoch existieren mit der Eigenkapitalveränderungsrechnung, der Segmentberichterstattung und der Kapitalflussrechnung bei den IFRS Zusatzinstrumente, die eine hohe Transparenz zeigen und differenzierte Auswertungen ermöglichen. Des Weiteren unterscheiden sich die Jahresabschlüsse nach HGB und IFRS inhaltlich. Dies ist auf unterschiedliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften zurückzuführen. Die folgende Abbildung 4.6 fasst die Analysen zusammen. Insgesamt haben die aus den IFRS-Positionen abgeleiteten Kennzahlen eine unterschiedliche Aussagekraft im Vergleich zum HGB, aufgrund folgender Faktoren: 

Fair Value-Bewertung: Zeitwertansätze basieren auf Schätzungen



Ergebnisvolatilität: Werte können im Zeitablauf stark schwanken



Realisationsprinzip: Realisierbare Gewinne werden bereits erfolgswirksam erfasst

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

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Jahresabschlussanalyse nach IFRS Bilanz und Eigenkapitalveränderungsrechnung

Vermögenslage • Kapitalstrukturanalyse (z.B. Wirtschaftliches Eigenkapital) • Vermögensstrukturuntersuchung (z.B. Anlagenintensität nach IFRS) • Bilanzstrukturanalyse (z.B. Working-Capital-Ratio IFRS)

Gewinn- und Verlustrechnung Segmentberichterstattung

Kapitalflussrechnung und Anhang (Notes)

Ertragslage • Ergebnisbetragsanalyse (z.B. EBIT, EBITDA) • Ergebnisstrukturanalyse (z.B. EBIT je Segment) • Kennzahlen zur Rentabilität (z.B. Segmentrendite)

Finanzlage • Liquiditätsgrade nach IFRS (z.B. Liquidität 1./2./3. Grades) • Zahlungsstromkennzahlen (z.B. Cash-Flow-Kennzahlen) • Schuldenrückführungsanalyse (z.B. Schuldentilgungsdauer)

Abb. 4.6 Komponenten der Jahresabschlussanalyse nach IFRS

Motivationen zur Ausnutzung von Bilanzierungsspielräumen ergeben sich aus der jeweiligen Unternehmenslage und Firmenstrategie. Von Vorteil für die Analyse einer IFRS-Bilanz ist, dass diese Abschlüsse weder für die Gewinnverwendung noch für die Besteuerung herangezogen werden. Damit entfallen zwei Argumente für eine gezielte Bilanzgestaltung. Dennoch können Ansatz- und Bewertungswahlrechte auch bei den IFRS zu Spielräumen führen wie unter anderem bei der Aktivierung von Fremdkapitalkosten gemäß IAS 23 oder der Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögenswerte (vgl. Grünberger, 2009, S. 70 ff.). Auch die im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen nach IFRS 3 bestehenden Wahlrechte können sich erheblich auf den Erfolgsausweis auswirken, zum Beispiel bei der Bewertung von Anteilen ohne beherrschenden Einfluss (vgl. Haaker, 2008, S. 292 ff.). Von elementarer Bedeutung ist daher die Untersuchung des Anhangs, in dem die zugrunde liegenden Bilanzierungsmaßstäbe und Bewertungsmethoden erläutert werden. Wenn auch die traditionelle Jahresabschlussanalyse nach HGB oder IFRS von großer Praxisnähe gekennzeichnet ist, so ergeben sich doch einige Mängel im Hinblick auf eine frühzeitige und zuverlässige Krisenerkennung. Nachteile einer Kennzahlenanalyse zur Krisenanalyse sind unter anderem (vgl. Wilden, 2009, S. 52): 

Vergangenheitsbezug und Stichtagsbezogenheit der Daten



Ansatz- und Bewertungswahlrechte verfälschen das Bild



Geringe Aussagekraft zu qualitativen Faktoren

Bestimmte Kennziffern aus der Jahresabschlussanalyse nach HGB oder IFRS können in den Banken als Grundlage für weitere Verfahren wie multivariate Diskriminanzanalysen genutzt werden. Ziel ist bei diesem statistischen Verfahren die Risikoerkennung auf Basis der Ermittlung wichtiger Indizes, die eine Insolvenzgefährdung früh anzeigen. So kann durch ein schrittweises Vorgehen eine Kombination von Finanzkennzahlen ermittelt werden, die eine Klassifikation zwischen wirtschaftlich starken Unternehmen und insolvenzgefährdeten Fir-

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4 Sanierung aus Bankensicht

men vornimmt. Berechnet wird eine trennscharfe Funktion mit einer geringen Zahl an Fehlzuordnungen (vgl. Gräfer, 2008, S. 163 und Schiller/Tytko, 2001, S. 91 ff.). In verschiedenen Praxisstudien hat sich gezeigt, dass Verknüpfungen von einem Renditemaß, einer Kapitalstrukturquote und einer Liquiditätskennzahl in einer Diskriminanzfunktion zu einer Voraussage mit hoher Validität, Reliabilität und Objektivität führen können (vgl. Wilden, 2009, S. 53 ff.). Dabei kann es zweckmäßig sein, in branchenbezogene Richtwerte zu unterscheiden, um die Genauigkeit dieses Verfahrens zu erhöhen. Dennoch wird auch die Güte der Diskriminanzanalyse stark durch den Vergangenheitsbezug der Daten des Jahresabschlusses eingeschränkt. Zudem lassen sich die vielschichtigen Ursachen und Symptome einer Krise auch mit diesem Verfahren nicht genau erkennen. Insgesamt zeigt sich, dass eine frühe Krisenfeststellung anhand von Jahresabschlussdaten aufgrund der veralteten Zahlen besondere Schwächen aufweist. Diese Nachteile können durch die zusätzliche Auswertung aktuellen Materials ausgeglichen werden. Somit gewinnen auch unterjährige Zahlen zur Risikoanalyse an Bedeutung (vgl. Grigg, 2005, S. 111 ff.). Diese Daten liegen in der Regel in Form betriebswirtschaftlicher Auswertungen (BWA) von der DATEV oder auf Basis selbst erstellter monatlicher Zahlenwerke der Unternehmen vor und ermöglichen eine zeitnahe Beurteilung. Auswerten lassen sich BWA mit Hilfe des bereits genannten Kennzahleninstrumentariums, gegebenenfalls mit Korrekturen. Auch lassen sich sogenannte Controlling-Reports der DATEV zur Analyse der Vermögenslage, Ertragslage und Finanzlage nutzen, um Bonitätsrisiken zu erkennen. Von Vorteil ist die höhere Aktualität der Daten aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung. Nachteile bestehen in Form einer nicht erfolgten unterjährigen Abgrenzung, nicht vorhandener Bestandsdaten zum Umlaufvermögen und fehlender Spartenrechnungen. Des Weiteren fehlt bei diesem Zahlenwerk eine perspektivische Vorausschau im Rahmen einer Planungsrechnung. Somit stellt auch die BWA-Analyse nur ein Mosaikstein bei der Untersuchung der Bonität eines Unternehmens dar. Ein Hauptproblem, gerade für Kreditinstitute, ist zudem die Verfügbarkeit dieser monatlichen Zahlen. Häufig werden diese unterjährigen Daten den Instituten trotz mehrfacher Aufforderung nicht oder nur verspätet eingereicht. Liegen den Banken neben dem Jahresabschluss und der BWA zusätzlich zukunftsorientierte Zahlenwerke in Form von Planzahlen vor, können auch diese systematisch mit Kennzahlen ausgewertet werden. Des Weiteren bieten sich unterjährige Soll-Ist-Vergleiche auf monatlicher Basis der Ergebnisplanung mit den ermittelten Ist-Zahlen an (vgl. Dobler, 2009, S. 15 ff.). Diese detaillierten Abweichungsanalysen gewinnen später im Rahmen der Sanierungsüberwachung und dem Sanierungscontrolling stark an Bedeutung. Zudem nutzen Banken als weiteres Instrument Sekundärmarktinformationen zur Risikoerkennung, wie Bonitätseinstufungen von Kreditversicherern oder Factoring-Instituten. Vorteil dieser Daten ist, dass sie stark verdichtet sind. Diese Komprimierung ist gleichzeitig auch ein Nachteil, da eine individuelle und differenzierte Feststellung einer Krise und ihrer Ursachen nicht möglich ist. Zudem sind diese Informationen nicht für alle Kreditinstitute verfügbar, da diese für Kreditversicherer und Factoring-Institute eine Geschäftsgrundlage darstellen und nicht veröffentlicht werden. Über gesellschaftsrechtliche Verbindungen oder Kooperationen mit den Versicherern lässt sich in der Praxis der Zugang zu diesen Daten ermöglichen. Als weitere Informationsquellen sind sie unbedingt heranzuziehen.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

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Zusätzlich können Risikoprämien für Kreditabsicherungen beobachtet werden, um die Einschätzungen anderer Marktakteure zu Kreditnehmern oder einer Branche zu erhalten. Steigen die Absicherungsprämien, ist dies ein Ausdruck der Zunahme des Forderungsausfallrisikos. So sind die Preise für Credit Default Swaps (CDS) meist verlässliche Stimmungsbarometer (vgl. Kremers, 2007, S. 21 ff.). Nehmen die Prämien in Form von CDS-Spreads in bestimmten Branchen systematisch zu, sind Kreditnehmer aus diesen Sektoren einer genauen Kreditanalyse zu unterziehen. Auch das Länderrisiko bei internationalen Firmenkunden kann über diese Marktpreise berücksichtigt werden. Ebenso spielt die Liquiditätslage von Unternehmen bei der Bonitätsbeurteilung eine immer stärkere Rolle. Galt in früheren Zeiten noch der Leitsatz: „Liquidität folgt der Rentabilität“, so lässt sich diese Redensart nach den Erfahrungen der Finanzkrise abwandeln in „Liquidität vor Rentabilität“. Dies bedeutet, dass die Sicherung einer jederzeitigen Zahlungsfähigkeit in unsicheren konjunkturellen Zeiten eine höhere Wichtigkeit haben kann, als die zu erreichenden Renditeziele (vgl. Portisch et al., 2009e, S. 39 ff.). Üblicherweise folgt im Krisenprozess die Liquiditätskrise auf die Ertragskrise. Wenn die Erträge ausbleiben und die Rentabilität dauerhaft geschwächt wird, schlägt sich dies auf die Zahlungsfähigkeit von Unternehmen nieder. Die Inanspruchnahmen bei den Banken und Lieferanten steigen kontinuierlich an. Zudem ist bei Umsatzeinbußen ein Rückgang der HabenUmsätze zu verzeichnen. Schnell befindet sich das betrachtete Unternehmen in einer prekären Lage, da Zwangsmaßnahmen der Gläubiger drohen und diese einen Insolvenzantrag nach sich ziehen können. Eine Liquiditätskrise lässt sich wie folgt beschreiben. Definition: Als Liquiditätskrise bezeichnet man eine Krisenphase, in dem die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens nachhaltig gefährdet wird. So steigt die dauerhafte Ausnutzung der Kreditlinien aufgrund rückläufiger Ergebnisse an. Bei nachhaltigen und deutlichen Überziehungen besteht eine erhöhte Insolvenzgefahr. Gerade Hausbanken haben üblicherweise Einblick in die Kontoführung und verfügen über ausreichendes Datenmaterial, um eine Liquiditätskrise bei ihren Firmenkunden frühzeitig zu erkennen. Dreh- und Angelpunkt der Geschäftsbeziehung eines Kreditinstituts zu einem Firmenkunden ist das laufende Konto (vgl. Wilden, 2009, S. 68 ff.). Somit bietet eine systematische Kontoführungsanalyse eine gute Möglichkeit der Risikoidentifikation bei einer drohenden Liquiditätskrise. Des Weiteren kann das Zahlungsverhalten des Kreditnehmers aus seiner Kontoführung abgelesen werden. Daher fließen Informationen über positive Handlungsweisen wie die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen zur Kontoführung als wichtiger Baustein in die Ratingbeurteilungen mit ein. Jedoch werden auch negative Aspekte in Form von häufigen und im Vorfeld nicht abgestimmten Überziehungen, einer angespannten Kontoführung oder die Nichteinhaltung von Rückführungsvereinbarungen sowie Kontopfändungen und Mahnbescheiden als qualitative Kriterien im Rating berücksichtigt. Die Feststellung der Liquiditätskrise ist aus Bankensicht in der Praxis systematisch und effizient durch eine detaillierte Kontoführungsanalyse möglich. Kontodatenanalysen basieren auf der Überlegung, dass in der Regel ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der geschäftlichen Entwicklung und den Kontokorrentinanspruchnahmen besteht (vgl. Schiller/Tyt-

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4 Sanierung aus Bankensicht

ko, 2001, S. 109 ff.). Diese Untersuchung dient zur Abrundung des Gesamtbildes eines Kreditnehmers. Dabei ist die Zahlungsmoral eines Unternehmers ein wichtiges Kriterium seines Geschäftsgebarens und kann ein zeitnaher Frühwarnindikator sein. Kreditinstitute haben Vorteile beim Erkennen einer Liquiditätsenge, wenn sie als Hausbank die laufenden Konten führen. Dabei stellt das laufende Konto bei der Hausbank generell die „Drehscheibe des Unternehmens“ dar. In den Zahlungsströmen stecken gebündelte Informationen über das operative Geschäft, die aufzulösen sind. Durch eine systematische Analyse der Soll- und Haben-Umsätze lassen sich bereits frühzeitig Merkmale einer Liquiditätskrise ausmachen. So können potenzielle Krisenfaktoren im Rahmen von Zeitreihenanalysen und im Branchenvergleich durch folgende Parameter erkannt werden: 

Änderungen in den Zahlungsgewohnheiten der Kunden und Lieferanten



Rückläufige Haben-Umsätze und ansteigende Soll-Salden



Untypische saisonale Inanspruchnahmen und auftretende Überziehungen

Anhand der laufenden Kontoführung kann zudem die Umsatzentwicklung hinterfragt werden. Zusätzlich kann ein Abgleich mit der Auftragslage und der aktuellen BWA zur Plausibilisierung der Saldenentwicklung vorgenommen werden. Die Prüfung der Zahlungsfähigkeit erfordert zudem eine Abstimmung mit den Beständen des Umlaufvermögens und den kurzfristigen Inanspruchnahmen bei anderen Banken und Lieferanten. Dabei ist es erforderlich, dass die Höhe der Kontokorrentlinie angemessen zum Umsatz, zum Umfang und zur Dauer des Vorfinanzierungsbedarfs für Aufträge, Material und Personal festgelegt wird. So sollte keine Luftlinie bestehen, aber auch keine zu enge Kreditlinie. Die Höhe der Kontokorrentlinie ist in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und in Anlehnung an die Aufträge und Umsätze anzupassen. Die nachfolgende Abbildung 4.7 zeigt alternative Entwicklungen der Salden eines Kontokorrentkontos im Zeitablauf an.

Entwicklung der Salden Haben

Haben Neutrale Entwicklung

Haben Negative Entwicklung

Positive Entwicklung

Zeit

Zeit

Zeit

Linie

Linie

Linie

Soll

Abb. 4.7 Analyse der Kontoführung

Soll

Soll

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

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Kontodaten können regelmäßig mit Kennzahlen ausgewertet und im Zeitablauf mit historischen Daten verglichen werden. Zudem können die Kreditausnutzungen oder Überziehungen in Prozent der Kontokorrentlinie und bezogen auf die Dauer der Inanspruchnahme berechnet werden. Des Weiteren lassen sich zahlreiche Plausibilitätsprüfungen durchführen, indem die Kontoführung mit dem unterjährigen Zahlenmaterial verglichen wird. Vorteile dieser Analysen sind, dass die Daten stets aktuell sind und automatisch bereitgestellt werden. Eine genaue und widerspruchsfreie Untersuchung setzt jedoch im Idealfall voraus, dass nur eine Kontoverbindung besteht, über die sämtliche Umsätze abgewickelt werden. Die Kontoführung ermöglicht zudem einen Abgleich mit der Finanzplanung. Werden den Kreditinstituten von ihren Firmenkunden neben dem Bilanzmaterial auch regelmäßig Liquiditätspläne bereitgestellt, können diese in Bezug zur Kontoführung gesetzt und zum Erkennen von Krisen genutzt werden. Die folgende Tabelle 4.2 zeigt exemplarisch den Aufbau eines monatlich gestaffelten Finanzplans als Liquiditätsübersicht. Tab. 4.2 Grundaufbau eines Finanzplans Werte in TEUR Einzahlungen Zahlungswirksame Umätze Sonstige Einzahlungen Liquiditätszugang (1) Auszahlungen Material/Waren Personalkosten Investitionen Miete/Pacht Werbung/Vertrieb Kapitalkosten Privatentnahmen Steuern Liquiditätsabgang (2) Liquiditätssaldo (1) – (2) Kumuliert Kontokorrentlinie Überdeckung/Unterdeckung Avallinie Avalinanspruchnahme Überdeckung/Unterdeckung

Januar

Februar

März



Summe

60

4 Sanierung aus Bankensicht

Gerade zum Erkennen einer drohenden Liquiditätskrise nimmt die Bedeutung von Finanzplänen zu. Aus diesem Grunde fordern gerade Banken die Einreichung dieser Prognosen, die eine Vorausschau über die Liquidität liefern sollen. Durch Abweichungsanalysen lassen sich die Planungen mit den tatsächlichen Kontodaten vergleichen. Zudem können gerade bei Unternehmen mit einem längeren Auftragsvorlauf bereits frühzeitig Engpässe bei Kredit- und Avallinien erkannt werden. Befindet sich ein Unternehmen bereits in der Krise, so steigt der Grad der Anforderung an die Detaillierung der Finanzpläne. Dann sind taggenaue Pläne zu erstellen. Über die Kontoführungsanalyse und die Einhaltung der Finanzpläne wird das Geschäftsverhalten deutlich. Dies spiegelt einen wichtigen qualitativen Aspekt bei der Bonitätsanalyse wieder und sollte somit auch Bestandteil des Ratings sein. Jedes Kreditinstitut kann nach eigenem Ermessen und auf Basis von Erfahrungen quantitative und qualitative Kriterien zur Identifizierung von erhöhten Risiken festlegen. Mittlerweile verfügen Banken über gut justierte Ratingverfahren, die sich zur Krisenerkennung bei Firmenkunden eignen (vgl. Ifftner, 2008, S. 230 ff.). Im Ratingprozess werden quantitative und qualitative Daten eines Kreditnehmers betrachtet und mit Gewichtungen belegt. Eine daraus abgeleitete Ratingnote dient als Maßstab der Bonität auf einer Schulnotenskala. Diese Kennzahl stellt ein individuelles Urteil der Bank über die Bonität des Kreditnehmers dar, mit der Abschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit auf ein Jahr bezogen. Sie dient neben der Identifikation von erhöhten Risiken auch dem Pricing der Konditionen. Weiter ist sie ein Maßstab für das maximale Kreditvolumen, die Kreditkompetenzen und die Anforderung der Eigenkapitalunterlegung nach Basel II (vgl. Portisch, 2008a, S. 102). Das Rating dient zur Beurteilung der künftigen Fähigkeit eines Unternehmens, seinen Zahlungsverpflichtungen vertragsgemäß nachzukommen und damit zur Einschätzung von Ausfallrisiken. Dabei wird sich das Rating im gesamten Kreditportfolio einer Bank mit bestimmten Volumina auf verschiedene Bonitätsklassen verteilen. Viele Banken zerlegen das risikorelevante Kreditportfolio zur Steuerung in mehrere Schichten und unterscheiden dort hinsichtlich der Risikoqualität. Werden erhöhte Risiken bei einer Gruppe erkennbar, so sind diese Kreditnehmer genauer zu beurteilen. Die Zuordnung zu diesen Problemkrediten erfolgt anhand von Muss- oder Kann-Kriterien. So führen Muss-Kriterien wie eine fehlende Kapitaldienstfähigkeit oder eine Überschuldung zwingend zu einer Einstufung als Intensivkunde oder Problemengagement. Kann-Kriterien dagegen lösen über Watch-List-Systeme in der Regel nur eine Berichtspflicht der Normalkreditbetreuung oder eine Überprüfung der Intensivbetreuung aus. In Zweifelsfällen sollte eine Übertragung des Firmenengagements an die Intensiv- oder Sanierungsabteilung erfolgen. Über die genaue Einstufung wird grundsätzlich einzelfallbezogen entschieden (vgl. Ifftner, 2008, S. 232 ff.). Besondere Aufmerksamkeit gilt den Problemkrediten. Diese sind gemäß den MaRisk an spezialisierte Mitarbeiter oder Bereiche abzugeben. Die Federführung für diese Engagements ist regelmäßig im Bereich der Marktfolge angesiedelt. Ergeben sich bei den Forderungen potenzielle Gefährdungen eines Ausfalls, wird es erforderlich, diese mit einer Einzelwertberichtigung (EWB) zu belegen. Falls diese Kreditforderungen tatsächlich ausfallen, zieht dies in Höhe der Wertberichtigung eine erfolgsneutrale Abschreibung und Ausbuchung der Forderung nach sich. Nachfolgende Tabelle 4.3 soll den Aufbau eines Ratingmodells mit den verschiedenen Abstufungen beispielhaft illustrieren.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

61

Tab. 4.3 Beispiel für eine Ratingskala mit Benotungen von 1 bis 16 Ratingstufen

Bonitätseinschätzung

1 bis 13

Normaler Risikogehalt in verschiedenen Abstufungen

14

Intensivkunden mit ersten Warnsignalen aus einer Watch List

15

Gefährdete Firmenkunden mit der Einstellung einer EWB

16

Notleidende Engagements mit Kündigung und Abschreibung

Insgesamt sind die Ratingverfahren der Kreditinstitute mittlerweile sehr leistungsfähig und können daher eine drohende Gefährdung oft verlässlich anzeigen. Von Vorteil ist bei diesen Klassifikationen, dass vielerlei Informationen qualitativer und quantitativer Art in die Bonitätsbeurteilung mit eingehen. Zudem führen langjährige Erfahrungen zu stetigen Verbesserungen dieser Modelle. Ratingsysteme lassen sich in der Praxis aufgrund einer automatischen Zuführung mit Inputdaten sehr effizient einsetzen. Problematisch ist, dass oftmals quantitative Kriterien aus dem abgelaufenen Jahresabschluss die Ratingnote dominieren. Auf qualitative Aspekte wird ein weniger starkes Gewicht gelegt, obwohl die Bedeutung dieser Soft Facts hoch sein kann. Zudem werden die Informationen automatisch verarbeitet, sodass wie bei einer Black Box kein Einblick in die Ratingprozeduren beim Beurteiler besteht. Der Anwender kann somit auch nicht aktiv auf die Einschätzung einwirken. Dies erhöht die Objektivität des Ratingverfahrens, lässt aber keinen Spielraum zur Berücksichtigung subjektiver Sachverhalte. Insgesamt hat sich bei der Beurteilung der Verfahren zur Risikofrüherkennung gezeigt, dass bestimmte Vor- und Nachteile bei der Anwendung der verschiedenen Methoden in den einzelnen Phasen der Krise bestehen. So sind nur wenige dieser Risikoinstrumente in der Praxis für das gesamte Kreditportfolio effizient einsetzbar. Daher sollen im Folgenden nur die praktikablen Instrumente am Fallbeispiel angewendet werden. Dies sind die SWOT-Analyse mit ihrer Eignung zum Erkennen der Strategiekrise, die Jahresabschlussanalyse mit Kennzahlen zum Identifizieren der Ertragskrise und die Analyse der Kontoführung inklusive der Prüfung der Finanzplanung zur Feststellung der Liquiditätskrise. Zusätzlich runden das Rating und die Stakeholder-Analyse das Gesamtbild ab. Zusammenfassung Abschnitt 4.1.1: In diesem Abschnitt wurden unterschiedliche Risikoerkennungsinstrumente aus Bankensicht untersucht. Es erfolgte eine Orientierung am Krisenphasenschema. Es zeigte sich, dass vielfältige Verfahren eine Risikoerkennung in den einzelnen Krisenstadien ermöglichen. Ausgewählte Modelle wurden dargestellt und ihr Praxiseinsatz beurteilt. Bei der Einschätzung wurden die Rahmenbedingungen in Kreditinstituten beachtet. So gilt es, eine Vielzahl von Kreditengagements laufend anhand der auftretenden Risiken zu überwachen. Dabei können die SWOT-Analyse, die Jahresabschlussanalyse und die Analyse der Kontoführung zu einer wirksamen Risikoidentifikation auf breiter Ebene effizient für das Gesamtportfolio eingesetzt werden. Über Ratingsysteme lassen sich diese Daten zudem aggregieren und für eine Klassifikation des Kreditnehmerportfolios und ebenfalls zur Risikofrüherkennung verwenden.

62

4 Sanierung aus Bankensicht

4.1.2

Praxisfall zur Risikoerkennung

Die ausgewählten Methoden der Risikofrüherkennung sollen nun am Beispiel eines Unternehmens aus der Druckindustrie angewendet werden. Alle Namen, Daten und Zahlen dieser Fallstudie sind fiktiv. Wir befinden uns am Anfang des Jahres xxx1 und betrachten die Situation aus Sichtweise dieses Startjahres der Sanierung. Die Druck GmbH ist ein mittelständisches Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe. Die Firma wurde 1950 zunächst als Einzelfirma gegründet. 1975 erfolgte aus haftungsrechtlichen Gründen die Umwandlung in eine GmbH. Die Druck GmbH bilanziert nach HGB. Das Unternehmen erstellt Druckerzeugnisse verschiedener Art im Rollen- und Bogendruck. Ein Umsatzschwerpunkt liegt auf der Erstellung von Formularen für öffentliche Verwaltungen. Dieses Segment macht rund 60 % des Gesamtumsatzes aus (Geschäftsfeld 1). Die weiteren Bereiche umfassen den Etikettendruck für die Lebensmittelbranche (Geschäftsfeld 2) und den Druck von Werbebroschüren für Einzelhändler, Versicherungen und Banken (Geschäftsfeld 3). Durch den Kontakt zu den Banken wurde ein neues Geschäftsfeld mit der Organisation der Logistik von Büroartikeln und Papiererzeugnissen für das Filialgeschäft der Kreditinstitute (Geschäftsfeld 4) aufgebaut. Das Unternehmen schätzt seine Produkte anhand einer Portfolioanalyse gemäß Abbildung 4.8 wie folgt ein.

hoch

Produktportfolio - Druck GmbH

Marktattraktivität

GF 4 Logistik

GF 1 Formulardruck GF 2 Etikettendruck

niedrig

GF 3 Werbedruck

niedrig

Wettbewerbsstärke

Abb. 4.8 Produktportfolio der Druck GmbH

hoch

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

63

Gesellschafterstruktur Die Firma wird von dem geschäftsführenden Gesellschafter Müller bereits in zweiter Generation geleitet. Er besitzt zugleich 75 % der Anteile an der Druck GmbH. Einen Firmenanteil von 10 % hält der Finanzinvestor Beteiligungs AG gegen eine hohe Verzinsung der Einlage. Diese Beteiligung wurde seinerzeit auf Drängen der Banken eingeworben, um das Eigenkapital der Firma zu stärken. Weiter hält die Druckmaschinen AG 10 % der Gesellschafteranteile. Die Firma produziert Druckmaschinen und hat sich in früheren Jahren an dem Unternehmen beteiligt, um Neuentwicklungen bei der Druck GmbH zu testen. Zur Mittelstandsbank AG besteht eine langjährige Kundenbeziehung. Die Druck GmbH bezeichnet die Mittelstandbank AG als ihre Hausbank. Seinerzeit beschloss der Vorstand der Bank, sich an dem Unternehmen mit 5 % zu beteiligen. Die nachfolgende Abbildung 4.9 zeigt die Gesellschafterstruktur bei der Druck GmbH zum Zeitpunkt xxx1.

Gesellschafter - Druck GmbH Anteile an der Druck GmbH • Müller • Beteiligungs AG • Druckmaschinen AG • Mittelstandsbank AG

75 % 10 % 10 % 5%

Abb. 4.9 Beteiligungsverhältnisse bei der Druck GmbH

Unternehmensstruktur Der alleinige Geschäftsführer Diplom-Kaufmann Müller ist 55 Jahre alt. Seine Zuständigkeiten liegen primär im kaufmännischen Sektor. Unter anderem ist das Controlling in seinem Aufgabenbereich angesiedelt. Eine persönliche Obligierung für die Druck GmbH lehnt Müller ab. So sträubt er sich gegenüber der Forderung der Hausbank, eine Bürgschaft abzugeben. Müller gilt als eigensinnig und ist als Individualist bekannt. Sein Geschäftsführergehalt beträgt 120 TEUR pro Jahr und er weist ein freies Vermögen von 250 TEUR aus. Weitere Bereiche des Betriebs sind die Abteilungen Entwicklung, Produktion und Vertrieb. Die Abteilung Entwicklung wird von dem 40-jährigen Diplom-Ingenieur Schmidt geleitet. Schmidt ist als potenzieller Nachfolger vorgesehen, wenn Müller in rund zehn Jahren aus Altersgründen ausscheidet und in den Beirat einzieht. Vor einem Jahr gab es Differenzen in der strategischen Planung. Vor kurzer Zeit hat Schmidt daher angekündigt, einen Wechsel in die Geschäftsführung nicht mehr in Betracht zu ziehen. Der Bereich Produktion wird von dem Abteilungsleiter Janssen, 45 Jahre alt, geführt. In der Vergangenheit sind aufgrund des Tests neuer Anbauteile zeitliche Verzögerungen bei der Umrüstung der Druckmaschinen aufgetreten. Der Vertrieb wird durch den langjährigen Mitarbeiter Meyer im Alter von 55 Jahren geleitet. Meyer ist mit 16 Jahren in die Firma eingetreten, hat sich kontinuierlich hochgearbeitet

64

4 Sanierung aus Bankensicht

und ist als Intimus des Geschäftsführers bekannt. Er hält an alten Methoden im Vertrieb fest und steuert seine Abteilung anhand von Erfahrungswerten. Das Unternehmen Druck GmbH hat insgesamt 85 Mitarbeiter. Der Krankenstand ist in der letzten Zeit merklich angestiegen. Das Organigramm zeigt in folgender Abbildung 4.10 die Firmenstruktur der Druck GmbH mit den ersten beiden Führungsebenen.

Organigramm - Druck GmbH Geschäftsführer Dipl.-Kfm. Müller Kaufmännischer Leiter 55 Jahre

Abteilungsleiter Entwicklung Dipl.-Ing. Schmidt 40 Jahre

Abteilungsleiter Produktion Janssen 45 Jahre

Abteilungsleiter Vertrieb Meyer 55 Jahre

Abb. 4.10 Organigramm der Druck GmbH

Lieferantenstruktur Es besteht eine enge Service-Beziehung zur Druckmaschinen AG. Diese wartet die Maschinen, liefert Ersatzteile und testet neue Aufsatzteile. Des Weiteren wird die Druck GmbH von zwei Papierlieferanten beliefert, die hohe Einkaufslinien gewähren. Die beiden Lieferanten, Papierlieferant GmbH und Papierzulieferer KG haben ihre Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an die Druck GmbH bei der Kreditversicherer AG und bei der Warenversicherer GmbH rückversichert. In der letzten Zeit haben Gespräche mit den Lieferanten auf Druck der Kreditversicherer stattgefunden, da die Einkaufslinien überzogen wurden. Mittlerweile konnten die hohen Inanspruchnahmen bei den Papierlieferanten durch stärkere Ausnutzungen der Kontokorrentlinien bei den Banken zurückgeführt werden. Neben weiteren unbedeutenden und substituierbaren Lieferanten besteht eine langjährige und enge Kundenbeziehung zur Farbenlieferant OHG, die Druckfarben für sämtliche Erzeugnisse liefert. Die Farbenlieferant OHG befand sich vor zwei Jahren in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Kreditinstitute hatten aufgrund der Krise die laufenden Linien gekürzt. Nur durch das Eingreifen der Druck GmbH konnte eine Insolvenz verhindert werden. Die Druck GmbH hatte das Unternehmen mit einem unverzinslichen Darlehen unterstützt. Mittlerweile weist die Farbenlieferant OHG wieder gute wirtschaftliche Verhältnisse auf. Folgende Abbildung 4.11 zeigt die Lieferantenstruktur der Druck GmbH.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

65

Lieferantenstruktur - Druck GmbH

Druck GmbH

Druckmaschinen AG

Papierlieferant GmbH

Papierzulieferer KG

Kreditversicherer AG

Warenversicherer GmbH

Farbenlieferant OHG

Abb. 4.11 Lieferantenstruktur der Druck GmbH

Kunden- und Produktstruktur Eine ausführliche Dokumentation über die Kunden der Druck GmbH liegt nicht vor. Es können lediglich die hauptsächlichen Nachfragergruppen in den einzelnen Produktsparten spezifiziert werden. In der letzten Zeit weist die Mittelstandsbank AG auf Qualitätsprobleme bei der Logistik hin. Lieferungen der Druck GmbH an die Bank kommen zum Teil verspätet an und es wurden zum Teil falsche Produkte versendet. Die Qualität der Produkte und Dienstleistungen wird laut Angaben der Kunden jedoch generell als gut beurteilt. Die folgende Abbildung 4.12 stellt die Produktsparten und Kunden dar.

Kunden

Geschäftsfelder

Produktsparten und Kunden - Druck GmbH

GF 1 Formulardruck

GF 2 Etikettendruck

GF 3 Werbedruck

GF 4 Logistik

z.B. Steuerformulare

z.B. Flaschenetiketten

z.B. Prospekte, Kataloge

z.B. Büroartikel

• Öffentliche Verwaltungen • Krankenkassen • Finanzämter

• Lebensmittelproduzenten • Großhändler • Einzelhändler

• Einzelhändler • Banken • Versicherungen

• Banken • Versicherungen • Finanzdienstleister

Abb. 4.12 Kunden und Produkte der Druck GmbH

66

4 Sanierung aus Bankensicht

Markt- und Wettbewerbsstruktur Die Wirtschaftlage in der Druckindustrie hat sich nach mehreren schwierigen Jahren wieder stabilisiert. Die Umsätze, Produktionskapazitäten und Kapazitätsauslastungen nahmen nach Rückgängen in den letzten drei Jahren wieder zu. Jedoch ist die geschäftliche Gesamtsituation sowohl in der Druckereibranche als auch in den angrenzenden Bereichen der Produktion von Druckmaschinen und Papier noch nicht als zufriedenstellend zu bezeichnen. Die schwache Konjunkturlage konnte bei den Unternehmen in der gesamten Branche meist nur über einen starken Personalabbau abgefedert werden. Die Umsatzlage stagniert weiterhin auf einem geringen Niveau. Nachdem die Papierpreise in den letzten Jahren stark angestiegen sind, haben sich die Materialkosten mittlerweile wieder reduziert. Der Markt für Druckerzeugnisse ist in den Produktbereichen der Druck GmbH stark segmentiert und durch einen intensiven Wettbewerb gekennzeichnet. Neben wenigen großen Druckunternehmen agieren in den betreffenden Produktfeldern viele Konkurrenten mittlerer Unternehmensgröße. Die Druck GmbH bezeichnet sich als klassischen Mittelständler. Das Unternehmen spielt in der Region eine bedeutende Rolle und Geschäftsführer Müller versteht sich selbst als Meinungsbildner vor Ort und in der Region. Im Bereich Formulardruck gehört die Druck GmbH zu den fünfzig großen Unternehmen in Deutschland. Der Markttrend für den Formulardruck ist in der Zukunft leicht negativ, da viele Firmen und Behörden ihre Formulare mittlerweile selbst ausdrucken. Dies zeigt sich aktuell bereits durch Kapazitätsüberhänge in der Produktion. Für die Segmente Etikettendruck und Werbedruck ergeben sich gemäß einer aktuellen Geschäftsklimaumfrage positive Markttrends. So wird in der Lebensmittelbranche verstärkt mit selbstklebenden farbigen Etiketten gearbeitet, die von der Druck GmbH in hoher Qualität erstellt werden. Jedoch besteht meist eine Mindestgröße für lukrative Etikettenaufträge, die aufgrund fehlender Kapazitäten nicht produziert werden können. Der Druck von Werbematerialien ist von einem Anstieg der Direct-Mail-Aktionen vieler Unternehmen gekennzeichnet. Jedoch sind die Margen aufgrund der Kleinstaufträge und der hohen Umrüstungskosten bei den Druckmaschinen gering. Der Bereich der Logistik verspricht aufgrund weiterer Outsourcing-Bestrebungen der Banken gute Zuwachsraten und ist zudem sehr lukrativ. In den letzten Jahren wurden zwei neue Druckmaschinen angeschafft und über die Hausbank finanziert. Das Unternehmen ist damit technologisch auf dem neuesten Stand. Die Maschinen wurden geordert, da das Auftragsvolumen im Formulardruck in den vergangenen Jahren aufgrund einer Sondersituation sehr umfangreich war. Gläubigerstruktur Zwischen der Druck GmbH und ihrer Hausbank, der Mittelstandsbank AG, besteht eine über lange Jahre gewachsene Kundenbeziehung. Die Druck GmbH ist neben der Bearbeitung von Druckaufträgen zugleich als Service-Betreuer für die Logistik von Büroartikeln im gesamten Filialgeschäft der Hausbank tätig. Zudem werden zeitweise Werbebroschüren im Mehrfarbendruck erstellt und über Direct Mailings vertrieben. Um die langfristige Zusammenarbeit abzusichern und diese Partnerschaft zu dokumentieren hat sich die Mittelstandsbank AG sei-

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

67

nerzeit an der Druck GmbH beteiligt. Der Vorstand der Bank pflegt zudem gute Beziehungen zur Geschäftsführung des Mittelständlers. Neben der Mittelstandsbank AG bestehen Kreditnehmerbeziehungen zu weiteren Banken. So stellen die Großbank AG und die Ausstiegsbank AG die weiteren Kontokorrentlinien bereit. Diese Linien werden unbefristet, das heißt „bis auf weiteres“ (b.a.w.), gewährt. Kürzlich hat der Vorstand der Ausstiegsbank AG jedoch angekündigt, seine Kundengruppenstrategie zu verändern. Die Bank möchte sich stärker im Geschäftsfeld für vermögende Privatkunden positionieren und zudem nur noch Großunternehmen als Kreditkunden betreuen. Die Grundbank AG hat das in xxx0 erstellte repräsentative Bürogebäude mit der anliegenden Produktionshalle in der Innenstadt gegen mit Grundschulden besicherten Darlehen finanziert. Die Altimmobilie steht seitdem leer. Eine Vermietung ist mittelfristig geplant. Die Solobank AG hat sich auf den Mittelstand spezialisiert und in der Vergangenheit bereits Teile der kurzfristigen Linien der Ausstiegsbank AG in ein Darlehen umgeschuldet. Wir befinden uns am Anfang des Jahres xxx1. Gerade abgelaufen ist das Jahr xxx0. Die vorhergehenden Jahre werden durch die Kürzel xxx-1 und xxx-2 beschrieben. Zusammengefasst besteht zum Betrachtungszeitpunkt mit Jahresbeginn xxx1 folgende Gläubigerstruktur mit Krediten und Sicherheiten, wie die nachfolgende Tabelle 4.4 zeigt. Tab. 4.4 Gläubigerspiegel der Druck GmbH

Gläubiger

Kreditprodukte

Linien in TEUR

Sicherheiten

Kreditinstitute Mittelstandsbank AG

Kontokorrentlinie

3.000

Warenübereignung

Investitionsdarlehen

2.000

Druckmaschinen, KLV

Avallinie

500

Blanko

Großbank AG

Kontokorrentlinie

1.500

Blanko

Ausstiegsbank AG

Kontokorrentlinie

500

Blanko

Grundbank AG

Darlehen

5.700

Grundschuld

Solobank AG

Darlehen

300

Blanko

Lieferanten Papierlieferant GmbH

Einkaufslinie

1.000

Verlängerter EV

Papierzulieferer KG

Einkaufslinie

800

Verlängerter EV

Farbenlieferant OHG

Einkaufslinie

300

Verlängerter EV

Kreditversicherer Kreditversicherer AG

Warenversicherung

500

Verlängerter EV

Warenversicherer GmbH

Warenversicherung

400

Verlängerter EV

68

4 Sanierung aus Bankensicht

Wirtschaftliche Struktur Neben dem Gläubigerspiegel liegen Daten aus den Jahresabschlüssen gemäß HGB vor. Die bilanziellen Verhältnisse der Druck GmbH haben sich in den letzten drei Jahren deutlich verändert. So ist das Anlagevermögen aufgrund der Investition in die Druckmaschinen im Jahr xxx-1 stark angestiegen. In xxx0 wurde das neue Gewerbeobjekt fertiggestellt. Folgende Tabelle 4.5 zeigt eine Übersicht ausgewählter Positionen zum Bilanzstichtag. Tab. 4.5 Ausgewählte Bilanzpositionen der Druck GmbH

Position

Bilanz xxx-2

Bilanz xxx-1

Bilanz xxx0

Anlagevermögen

4.550

6.350

12.800

Kasse

200

100

100

Vorräte

1.800

1.900

1.900

Forderungen LuL

1.550

1.700

2.000

Eigenkapital

1.000

1.000

800

Darlehen Müller

500

450

400

Verbindlichkeiten KI

4.500

6.500

13.500

Verbindlichkeiten LuL

2.100

2.100

2.100

Bilanzsumme

8.100

10.050

16.800

Die Investitionstätigkeit hat sich auch in der Gewinn- und Verlustrechnung widergespiegelt. Dabei ist der Zinsaufwand aufgrund der erhöhten Verschuldung stark angestiegen. Die Umsätze und Erträge blieben jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Die folgende Tabelle 4.6 zeigt die angespannte Ertragslage der Druck GmbH. Tab. 4.6 Verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung der Druck GmbH

Position

GuV xxx-2

GuV xxx-1

GuV xxx0

Umsatz/Gesamtleistung

15.700

15.000

13.700

Materialaufwand

8.500

7.800

7.300

Rohertrag

7.200

7.200

6.400

Personalaufwand

3.400

3.200

3.100

Abschreibungen

400

500

600

Zinsaufwand

200

300

500

Sonstige Aufw.

3.000

2.900

2.400

Jahresergebnis

200

300

-200

Cash Flow

600

800

400

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

69

Es liegt eine monatliche Finanzplanung für das kommende Halbjahr xxx1 der Monate 01 bis 06 vor. Die Hochrechnung auf das Gesamtjahr beinhaltet die erwartete umsatzstarke zweite Jahreshälfte. Die künftig geplante Kontoführung wird durch eine steigende Inanspruchnahme geprägt. Mitte des Jahres wird es zu Überziehungen kommen, die bis zum Jahresende wieder ausgeglichen werden sollen, wie folgende Tabelle 4.7 darstellt. Tab. 4.7 Finanzplanung der Druck GmbH für das erste Halbjahr und das Gesamtjahr xxx1

TEUR/Monate

01

02

03

04

05

06

Jahr

Konto-Anfangsbestand

-4.900

-4.925

-4.950

-4.975

-5.000

-5.025

-4.900

Einzahlungen

1.000

1.000

1.000

1.000

1.000

1.000

14.000

Materialkosten

500

500

500

500

500

500

7.000

Personalkosten

250

250

250

250

250

250

3.000

Zinsen

50

50

50

50

50

50

600

Tilgung

50

50

50

50

50

50

600

Sonstige Auszahlungen

175

175

175

175

175

175

2.500

Saldo Ein-/Auszahlungen

-25

-25

-25

-25

-25

-25

300

Konto-Endbestand

-4.925

-4.950

-4.975

-5.000

-5.025

-5.050

-4.600

Banklinien

5.000

5.000

5.000

5.000

5.000

5.000

5.000

Überdeckung/Unterdeckung

75

50

25

0

-25

-50

400

In der Mittelstandsbank AG steht die jährliche Prolongation des Kreditengagements an. Versetzen Sie sich in die Lage des zuständigen Kreditanalysten der Mittelstandsbank. Aufgabenstellungen 1

Stellen Sie in einem Überblick das Kreditengagement der Druck GmbH bei der Mittelstandsbank AG im Zeitablauf der Jahre xxx-2 bis xxx0 dar.

2

Wenden Sie die SWOT-Analyse an, um festzustellen, ob mögliche Anzeichen einer Strategiekrise vorliegen.

3

Führen Sie eine Jahresabschlussanalyse mit Hilfe geeigneter Kennzahlen durch und bestimmen Sie, ob eine Ertragskrise besteht.

4

Untersuchen Sie die Liquiditätsplanung und Warnsignale der Kontoführung im Hinblick auf eine Liquiditätskrise.

5

Untersuchen Sie, ob die relevanten Stakeholder des Unternehmens besondere Anzeichen für Risikosignale geben.

6

Erstellen Sie ein abschließendes Votum zur weiteren Vorgehensweise.

70

4 Sanierung aus Bankensicht

4.1.3 1

Lösung des Praxisfalls zur Risikoerkennung

Stellen Sie in einem Überblick das Kreditengagement der Druck GmbH bei der Mittelstandsbank AG im Zeitablauf der Jahre xxx-2 bis xxx0 dar.

Die folgende Tabelle 4.8 gibt einen Kurzüberblick über das gesamte Kreditengagement der Druck GmbH bei der Mittelstandsbank AG in den letzten drei Jahren. Tab. 4.8 Übersicht über das Engagement Druck GmbH

Engagement Druck GmbH Rating

10

12

12

Angaben in TEUR per

xxx-2

xxx-1

xxx0

Volumen

3.500

5.500

5.500

Kontokorrentlinie

3.000

3.000

3.000

(Inanspruchnahme)

(2.550)

(2.800)

(2.950)

Investitionsdarlehen

---

2.000

2.000

Avallinie

500

500

500

(200)

(300)

(450)

Sicherheiten

---

1.700

1.650

RKW Kapital-LV

---

---

50

Warenübereignung

---

700

600

Druckmaschinen

---

1.000

1.000

3.500

3.800

3.850

---

---

---

(Avalausnutzung)

Blanko/Risiko EWB

Die Druck GmbH ist seit vielen Jahren Kreditnehmer der Mittelstandsbank AG und wird auf der bankinternen Ratingskala von 1–16 mit der Note 12 eingestuft. Es liegen weitere Informationen zu dem Firmenengagement vor: Gemäß der Kundenkalkulation belief sich der Deckungsbeitrag aus dem Engagement in xxx0 auf 39 TEUR. Weiteres Cross-Selling-Potenzial wird zukünftig im Versicherungsgeschäft erwartet. Laut vierteljährlicher Evidenzstatistik der Millionenkredite gemäß § 14 KWG ergibt sich folgende Tabelle 4.9. Tab. 4.9 Evidenzmeldung beim Engagement Druck GmbH

Evidenzzahlen per Volumen Mio. EUR Anzahl Institute

xxx-2

xxx-1

xxx0

4.250

6.600

12.600

2

2

3

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht 2

71

Wenden Sie die SWOT-Analyse an, um festzustellen, ob mögliche Anzeichen einer Strategiekrise vorliegen.

Die folgende Tabelle 4.10 zeigt die Ergebnisse der SWOT-Untersuchung. Die Analyse wurde in Abstimmung zwischen Markt und Marktfolge in der Bank erstellt. Tab. 4.10 SWOT-Analyse für die Druck GmbH

Stärken (Strengths)

Schwächen (Weaknesses)

Maschinenpark auf neuestem Stand

Schwächen im Controlling

Kein sonstiger Investitionsstau

Ungezügelte Expansion

Flexibilität durch flache Firmenstrukturen

Keine geschäftsfeldbezogene Strategie Hohe Verschuldung durch Investitionen Rückläufige Umsätze und Erträge Anstieg Warenlager und Forderungen Überziehungen zur Jahresmitte

Chancen (Opportunities)

Risiken (Threats)

Abnehmer mit guter Bonität

Kostendruck steigender Rohstoffpreise

Ausbau der neuen Geschäftsfelder

Technologische Veränderungen in der Branche

Regionale Marktführerschaft

Rücknahme der Linie durch Ausstiegsbank AG

Aufgrund der Vielzahl interner Schwächen im Unternehmen und externer Risiken aus dem Unternehmensumfeld sind erste Warnsignale einer Strategiekrise erkennbar. Kernproblem ist das Hauptgeschäftsfeld Formulardruck. Dieser Bereich ist einem grundlegenden strukturellen Wandel unterworfen. So werden Formulare in vielen Verwaltungen nur noch elektronisch erfasst und über die betriebseigene Datenverarbeitung ausgedruckt. Zudem können Kunden der Verwaltung oder von Krankenkassen ihre Formulare über Internet selbst ausfüllen und über eine e-mail versenden. Des Weiteren erhalten Finanzämter externe Daten wie Einkommensteuererklärungen verstärkt über digitale Medien. Insgesamt bedeuten diese Veränderungen eine starke Bedrohung des Hauptgeschäftsfeldes der Druck GmbH. Die genauen Ursachen und Wirkungen dieser Trendentwicklung sind zu ergründen und strategische Maßnahmen der Firma auf das veränderte Nachfrageverhalten sind zu eruieren. Aufgrund der Bedrohung des Geschäftsfeldes, das rund 60 % der Umsätze ausmacht, ist eine Neugestaltung der Firmenstrategie notwendig, um die potenziellen Umsatzeinbußen aufzufangen. Auch das Geschäftsfeld Etikettendruck weist aufgrund der fehlenden Umsatz- und Auftragsgröße Schwächen auf. Dieses Segment kann jedoch als Zukunftsbereich angesehen werden, da das Marktvolumen jährlich ansteigt. Zudem ist die technische Ausstattung zur Bedienung dieses Bereiches vorhanden. Die weiteren Geschäftsfelder erscheinen ebenfalls ausbaufähig. Im Ergebnis ist zu prüfen, ob der Umsatzrückgang im Formulardruck durch ein Wachstum in den anderen Bereichen aufgefangen werden kann.

72 3

4 Sanierung aus Bankensicht Führen Sie eine Jahresabschlussanalyse mit Hilfe geeigneter Kennzahlen durch und bestimmen Sie, ob eine Ertragskrise besteht.

Folgende ausgewählte Kennzahlen in Abbildung 4.13 werden verwendet, um eine Jahresabschlussanalyse durchzuführen und die wirtschaftliche Lage der Druck GmbH zu untersuchen.

Kennzahlen zur Jahresabschlussanalyse Vermögenslage

Ertragslage Rohertrag Rohertragsquote   100 Gesamtleistung

Eigenkapital Eigenkapitalquote   100 Gesamtkapital

Verschuldungsgrad 

Fremdkapital Eigenkapital

Dynamischer  Verschuldungsgrad 

Anlagendeckung 

Materialei nsatzquote  Fremdkapital Cash  Flow

Eigenkapital  100 Anlagevermögen

Materialau fwand  100 Gesamtleis tung

Finanzlage Debitorenlaufzeit 

Forderungen  360 Umsatz

Liquidität  1.Grades 

Kasse  100 kurzfr.Verbindlichkeiten

Personaleinsatzquote 

Personalaufwand 100 Gesamtleistung

Liquidität  2.Grades 

Kasse  Forderungen  100 kurzfr.Verbindlichkeiten

Cash  Flow  Quote 

Cash  Flow  100 Gesamtleistung

Liquidität  3.Grades 

Kasse  Ford.  Vorräte  100 kurzfr.Verbindlichkeiten

Abb. 4.13 Ausgewählte Kennzahlen zur Jahresabschlussanalyse

Anhand der aufgeführten Kennzahlen werden die Zahlen aus der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung auf auffällige negative Veränderungen im Jahr xxx0 untersucht. Dabei werden die Gesellschafterdarlehen nicht als Eigenkapitalsurrogat berücksichtigt. Die Kennzahlen zur Vermögenslage der Druck GmbH ergeben sich in nachfolgender Tabelle 4.11. Tab. 4.11 Vermögenslage der Druck GmbH

Vermögenslage der Druck GmbH Kennzahlen in %

xxx-2

xxx-1

xxx0

xxx1 (Plan)

Eigenkapitalquote

12,35

9,95

4,76 ↓

---

Verschuldungsgrad

7,10

9,05

20,00 ↑

---

Dyn. Verschuldungsgrad

11,83

11,31

40,00 ↑

---

Anlagendeckung

21,98

15,75

6,25 ↓

---

Anhand der Kennzahlen zur Vermögenslage zeigt sich eine im Zeitvergleich verschlechterte Eigenkapitalquote und damit ein geringeres Verlustauffangpotenzial. Aufgrund bestehender Risiken der Bewertung des Umlaufvermögens ist eine Überschuldung nicht auszuschließen. Das gleiche Bild offenbaren der gestiegene Verschuldungsgrad und der erhöhte dynamische Verschuldungsgrad. Auf Basis des aktuellen Cash Flows hat sich die Zeitdauer der Schuldenrückführung erheblich verlängert. Der Anlagendeckungsgrad ist indiskutabel. Insgesamt gesehen haben sich die Vermögenslage und die Bilanzstrukturen durch die Investitionen in das Anlagevermögen stark verschlechtert.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

73

Die Erfolgssituation der Druck GmbH zeigt in Tabelle 4.12 ebenfalls schwache wirtschaftliche Verhältnisse und deutliche Anzeichen einer Ertragskrise. Tab. 4.12 Ertragslage der Druck GmbH

Ertragslage der Druck GmbH Kennzahlen in %

xxx-2

xxx-1

xxx0

xxx1 (Plan)

Rohertragsquote

45,86

48,00

46,72 ↓

50,00

Materialeinsatzquote

54,14

52,00

53,28 ↑

50,00

Personaleinsatzquote

21,66

21,33

22,63 ↑

21,43

Cash-Flow-Quote

3,82

5,33

2,92 ↓

5,00

Die Kennzahlen zur Ertragslage haben sich in xxx0 gegenüber den Vorjahren negativ verändert. Die Rohertragsquote und die Materialeinsatzquote haben sich aufgrund aktueller Preiserhöhungen für Papier leicht verschlechtert. Die Personalkosten sind prozentual angestiegen und die Cash-Flow-Quote hat sich aufgrund der erhöhten Kosten deutlich reduziert. Die Ertragslage verbessert sich gemäß den Planzahlen in der Periode xxx1. Die angekündigten Umsätze und Ergebnisse in xxx1, abgeleitet aus dem Finanzplan, erscheinen jedoch sehr optimistisch. Die Schwächen in der Vermögenslage und der Ertragslage wirken sich auch auf die Finanzlage aus, wie nachfolgende Tabelle 4.13 darlegt. Tab. 4.13 Finanzlage der Druck GmbH

Finanzlage der Druck GmbH Kennzahlen in Tagen/%

xxx-2

xxx-1

xxx0

xxx1 (Plan)

Debitorenlaufzeit (Tage)

35,54

40,80

52,55 ↑

---

Liquidität 1. Grades (%)

3,28

1,64

1,41 ↓

---

Liquidität 2. Grades (%)

28,69

29,51

34,43 ↑

---

Liquidität 3. Grades (%)

58,20

60,66

65,57 ↑

---

Die Debitorenlaufzeit hat sich von einem Monat in xxx-2 auf fast zwei Monate in xxx0 deutlich verlängert und der Vorfinanzierungsbedarf ist erheblich gestiegen. Die Kennzahlen zur Liquidität 2. und 3. Grades haben sich absolut gesehen verbessert. Jedoch kann der Anstieg des Umlaufvermögens auch Risiken bedeuten. So ist dringend die Werthaltigkeit der Vorräte und Forderungen durch einen Wirtschaftsprüfer zu verifizieren. Aufgrund der Analyse der Ertragslage und Finanzlage wird deutlich, dass sich das Unternehmen Druck GmbH neben der Strategiekrise bereits in einer Ertragskrise und auch in einer drohenden Liquiditätskrise befindet. Unklar ist, worauf sich der Optimismus der Planungen im Jahr xxx1 gründet. Denn die aktuellen Daten zeigen im Detail deutliche Anzeichen einer starken wirtschaftlichen Schieflage in sämtlichen Bereichen.

74

4 Sanierung aus Bankensicht

Zudem bestehen im Controlling erkennbare Schwächen. Es existiert keine Spartenrechnung, die darstellt, in welchen Geschäftsfeldern Gewinne oder Verluste erzielt werden. Unklar ist, ob die höheren erwarteten Umsätze in xxx1 mit dem Auftragsvorlauf abgestimmt sind. Eine Kapitalflussrechnung, die eine Verwendung des Cash Flows gestaffelt nach Entnahmen, Investitionen und Schuldentilgungen zeigt, liegt nicht vor. Ebenso fehlt eine ABC-Analyse der Kundenstruktur in den einzelnen Produktsparten. Es zeigen sich insgesamt starke Mängel im Controlling und in der Kostenrechnung der Druck GmbH. 4

Untersuchen Sie die Liquiditätsplanung und Warnsignale der Kontoführung im Hinblick auf eine Liquiditätskrise.

Die Liquiditätslage hat sich aufgrund der angespannten Ertragslage ebenfalls verschlechtert. Die Kapitaldienstfähigkeit ist laut Berechnungen der Bank derzeit nicht gegeben. Dies bestätigen auch die Beobachtungen der aktuellen Kontoführung. Zu bemängeln ist bei der Liquiditätsplanung die fehlende Einarbeitung der Saisonalität in den einzelnen Monaten. Unklar ist weiter, wie Überziehungen in den kommenden Monaten aufgefangen werden sollen. Insgesamt gesehen scheint sich die Ertragskrise bereits in eine Liquiditätskrise gewandelt zu haben. Daher sind unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die Insolvenzgefahr abzuwenden und einen Sanierungsprozess einzuleiten. Das Engagement ist als Intensivkunde einzustufen und gegebenenfalls in die Problemkreditbearbeitung zu übergeben. 5

Untersuchen Sie, ob die relevanten Stakeholder des Unternehmens besondere Anzeichen für Risikosignale geben.

Interne Stakeholder 

Geschäftsführung: Konzentration der Leitung auf Müller, Defizite im Controlling



Gesellschafter: Fehlende Obligierung und Rückführung der Gesellschafterdarlehen



Aufsichtsrat/Beirat: Überwachungsorgan existiert nicht



Mittleres Management: Probleme bestehen insbesondere im Vertrieb



Mitarbeiter: Anmerkungsbedürftig ist der gestiegene Krankenstand

Externe Stakeholder 

Kreditinstitute: Hohe Verschuldung und Abhängigkeit von mehreren Banken



Kunden: Qualitätsmängel und Falschlieferungen in der Vergangenheit



Lieferanten/Kreditversicherer: Ergebnisse der Problemgespräche sind nicht bekannt



Sanierungsberater: Keine Informationen über eingesetzte Berater



Öffentliche Hand: Problemfelder sind in diesem Bereich nicht zu erkennen

Wichtige Auffälligkeiten stellen von Stakeholderseite die hohe Verschuldung, der gestiegene Krankenstand, die aufgetretenen Qualitätsmängel und die Abhängigkeiten zu den Kreditinstituten, Lieferanten und Kreditversicherern dar.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht 6

75

Erstellen Sie ein abschließendes Votum zur weiteren Vorgehensweise.

Deutliche Anzeichen einer Strategiekrise sind bereits erkennbar. Negative Auswirkungen auf die Ertragslage und die Finanzlage werden daraus abgeleitet sichtbar. Daher wird empfohlen, unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, um das Unternehmen zu stabilisieren und nachhaltig zu sanieren. Folgende Maßnahmen sind von der Mittelstandsbank AG umzusetzen: 

Unverzügliche Einschaltung der Sanierungsabteilung der Bank



Hereinnahme einer Bürgschaft von Geschäftsführer Müller



Kapitalbelassungs- und Rangrücktrittserklärung für die Gesellschafterdarlehen



Prüfung der Risiken aus der Beteiligung der Mittelstandsbank AG in Höhe von 5 %



Aufbau eines aussagekräftigen Controllings durch Einsatz einer Unternehmensberatung

 Wiedervorlage (WV) in spätestens sechs Monaten auf Basis der Halbjahreszahlen Die Risikoerkennung und das unverzügliche Einschalten der Spezialabteilung sind wesentliche Erfolgsfaktoren im Sanierungsprozess von Banken. Aus der geplanten Vorgehensweise lässt sich eine Sanierungsregel für die erste Phase im Gesundungsprozess formulieren.

1. Sanierungsregel: Das frühe Feststellen einer Krise und die unverzügliche Einleitung des Sanierungsprozesses mit Einschaltung der Sanierungsabteilung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor zum Erreichen des nachhaltigen Turnarounds bei einem Firmenkunden.

Erläuterung der 1. Sanierungsregel Eine frühe Risikoerkennung, möglichst in der Phase einer Strategiekrise, erhöht die Sanierungschancen erheblich. Damit die Krisenengagements aus Bankensicht professionell betreut werden, sollte eine unverzügliche Einbeziehung der Sanierungsspezialisten erfolgen. Durch das Abwarten und Vertrauen auf Aussagen zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung durch die Geschäftleitung verstreicht wertvolle Zeit. Es reduzieren sich kontinuierlich die finanziellen Ressourcen des Krisenunternehmens, sodass der Sanierungsprozess erschwert und das positive Ergebnis gefährdet wird. Banken sollten zur Erkennung eines frühen Krisenstadiums weiterhin in die ständige Entwicklung der Risikosysteme, die Qualifizierung ihres Personals und die Fortentwicklung der Geschäftsprozesse mit der Einrichtung von Frühwarnsystemen investieren. Nur so können Krisen bei Firmenengagements bereits im Stadium der Strategiekrise erkannt werden. Zudem ist auf die Weiterentwicklung leistungsfähiger Organisationsstrukturen und professioneller Abläufe bei der bankinternen Betreuung von Problemkrediten zu achten. Auf diese Weise lassen sich in Zukunft erhebliche Kreditausfälle vermeiden. Dazu kann eine Spezialabteilung als Profit Center eingerichtet werden, in der alle Sanierungsfälle bearbeitet werden. Im Folgenden wird mit einer empirischen Studie geprüft, welche Systeme in Banken zur Identifikation von Risiken eingesetzt werden.

76

4.1.4

4 Sanierung aus Bankensicht

Empirische Ergebnisse zur Risikoidentifizierung

Im Folgenden wird Rückgriff genommen auf eine Untersuchung von Banken und Sparkassen in Deutschland aus dem Jahr 2008 (vgl. Portisch, 2008f, S. 9 ff.). Im Zeitraum von März bis Juni wurden Kreditinstitute aus verschiedenen Banksektoren in Deutschland mit einem Fragebogen angesprochen. Im Ergebnis haben 106 Personen aus verschiedenen Kreditinstituten den Fragebogen, der den gesamten Sanierungsprozess umfasst, beantwortet. Nach Banksektoren kommen rund 27 % der Rückläufer aus überregional und regional tätigen Privatbanken, etwa 37 % stammen aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor und circa 26 % aus dem Bereich der Volks- und Raiffeisenbanken inklusive der Spitzeninstitute DZ Bank und WGZ Bank. Rund 10 % der Antwortenden sind in Spezialbanken wie Autobanken oder Finanzinstituten tätig, die sich auf den Ankauf von Problemkrediten konzentriert haben. Etwa 38 % der Befragten arbeiten in kleinen Kreditinstituten mit einer Bilanzsumme von weniger als 5 Mrd. EUR Diese Banken gehören damit nach der Bilanzsumme nicht zu den 100 größten Instituten Deutschlands. Circa 36 % der Antwortenden stammen aus mittleren Banken und 26 % der Responsaten sind in großen und internationalen Kreditinstituten mit einer Bilanzsumme von insgesamt mehr als 50 Mrd. EUR tätig. Innerhalb der Banksektoren ist im Sample eine Übergewichtung großer Banken im Privatbankensektor festzustellen, mittlerer Banken im öffentlich-rechtlichen Sektor und eine überproportional hohe Anzahl an Rückläufern von Vertretern kleiner Banken aus dem genossenschaftlichen Bereich. Dieser Zusammenhang ist hoch signifikant. Ein Großteil der Befragten hat bereits Sanierungserfahrung mit Firmenkunden gesammelt und steht zudem in direktem Kundenkontakt mit den Entscheidungsträgern der Problemengagements. Eine Vielzahl der Befragten kommt aus der Sanierungsabteilung, ein geringerer Anteil aus der Firmenkundenbetreuung oder aus der Rechtsabteilung. Des Weiteren befinden sich Kreditanalysten, Vorstände und Revisoren im Sample der Antwortenden. Es zeigt sich, dass von einer Mehrzahl der Personen große Marktgebiete betreut werden. So umfasst bei rund 59 % der Befragten der Verantwortungsbereich das Gesamtinstitut und bei weiteren 10 % den Filialbezirk. Dieser Umstand ist für den Befragungsrahmen von Bedeutung. So kann aufgrund der Verteilung auf verschiedene Banksektoren, die unterschiedliche Größe der Institute und die Reichweite der Kompetenzen der Entscheidungsträger auf eine gute Marktabdeckung der Stichprobe geschlossen werden. Zudem sind Sanierungsspezialisten als Multiplikatoren in der Bearbeitung von Krisenfällen anzusehen und erhöhen damit die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Grundgesamtheit. Banken sind üblicherweise Spezialisten bei der Früherkennung von Kreditrisiken. Im Hinblick auf die Vielzahl der betreuten Engagements ist die Risikoerkennung effizient zu organisieren und mit systemseitiger Unterstützung zu gestalten. Nach der Bedeutungsrangfolge werden besonders Jahresabschlussanalysen, Ratingverfahren und Untersuchungen der Kontoführung von den Instituten zur Früherkennung von Gefährdungen bei Firmenkunden eingesetzt. Diese Verfahren arbeiten mit Zahlenmaterial und lassen damit eine effiziente Auswertung, unter anderem mit quantitativen Kennzahlen über die bankeigene Datenverarbeitung, zu. So zeigen Verschiebungen der wirtschaftlichen Kerndaten eines Unternehmens im Zeitablauf positive wie auch negative Veränderungen an.

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

77

Selten werden qualitative Instrumente genutzt, die sich auf die Analyse von Branchenrisiken, der Unternehmensstrategie oder von Gefährdungen durch Abhängigkeiten im Geschäftspartnernetzwerk konzentrieren. Weitere Einzelnennungen zu sonstigen Verfahren betreffen abgelehnte Kreditanträge, Cash-Flow-Projektionen, Analysen des Managements und Verprobungen von Planzahlen. Nachfolgende Abbildung 4.14 stellt die von Banken häufig angewendeten Verfahren zur frühen Erkennung von Gefährdungen dar.

Auf welche Art und Weise betreibt Ihre Bank bei Firmenkunden Risikofrüherkennung? Jahresabschlussanalyse

99%

Ratingsysteme

94%

Analyse Kontoführung

86%

Branchengefährdungen

46%

Analyse Strategie

34%

Abhängigkeiten

33%

Sonstige Verfahren

19% 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Mehrfachnennungen möglich

Abb. 4.14 Einsatz von Verfahren zur Risikofrüherkennung

Analysen von Jahresabschlüssen sowie unterjährigen Reportings und der Einsatz von Ratingverfahren werden von allen Institutsgruppen und Banken verschiedener Größenordung gleichermaßen angewendet. Eine Untersuchung der Kontoführung wird in Spezialinstituten selten durchgeführt. Es ist damit erklärbar, dass diese häufig nicht die Hausbankfunktion innehaben oder keine laufenden Geschäftskonten führen und damit Analysen zur Kontoführung nicht möglich sind. Stärker qualitativ ausgerichtete Verfahren zur Risikofrüherkennung wie Untersuchungen der Branche, der Geschäftsfeldstrategie und Analysen zu Abhängigkeiten von Kunden und Lieferanten im Geschäftspartnerverbund werden häufiger von großen Kreditinstituten durchgeführt. Dabei kann in den Risikosystemen insgesamt verstärkt auf interne oder externe Krisenmerkmale zurückgegriffen werden. Auf der Bedeutungsskala steht die Erkennung firmeninterner Krisensignale, wie aus Kennzahlen zur Ertrags- und Finanzlage, an erster Stelle der Nennungen und wird von 90 % der

78

4 Sanierung aus Bankensicht

Befragten als sehr wichtig beziehungsweise wichtig eingeschätzt. Diese internen Merkmale werden über alle Institutsgruppen und Bankgrößen hinweg als bedeutsam zur Früherkennung von Kreditnehmerrisiken angesehen. Die Identifizierung eines möglichst frühen Krisenstadiums wird von den befragten Parteien überwiegend als wichtig für einen späteren Sanierungserfolg eingeschätzt und zeigt die Bedeutung der Weiterentwicklung von Risikosystemen im Hinblick auf eine frühe Gefährdungsphase der Strategiekrise auf. Externe Anzeichen einer wirtschaftlichen Schieflage, aufgrund sich verschärfender konjunkturellen Rahmenbedingungen, werden von rund zwei Drittel der Antwortenden als bedeutend beurteilt. Diese Faktoren bieten die Chance einer echten Früherkennung, da diese Merkmale künftig entstehende Krisen meist vorzeitig ankündigen. So sollte künftig ein verstärktes Augenmerk auf die externen Indikatoren gelegt werden. Beispielsweise können die Auswirkungen von Gefährdungen durch Preisrisiken über Simulationen der Erfolgsrechnung transparent gemacht werden (vgl. Gleißner, 2008, S. 50 ff.). Im Gegenzug spiegeln sich Anzeichen einer wirtschaftlichen Schieflage in Zahlenwerken der Firmen wie den Jahresabschlüssen häufig erst mit zeitlicher Verzögerung wider und werden durch eine verspätete Einreichung der Daten erst mit einem weiteren Time Lag in den Analysen der Banken sichtbar. Folgende Abbildung 4.15 zeigt die Einschätzung der Bedeutung interner und externer Risikosignale durch die Vertreter der Finanzinstitute.

Welche internen und externen Merkmale sind zur Krisenerkennung bei einem Unternehmen wichtig? 94%

Liquiditätslage

6%

Controlling

91%

9%

Ertragslage

90%

10%

85%

Strategie

15%

69%

Vermögenslage

26%

63%

Expansion

31%

81%

Marktveränderungen

27%

66%

Preisrisiken

0%

10%

20%

30%

3%

36% 40%

50%

60%

Wichtig

Mittel

Unwichtig

Abb. 4.15 Bedeutung interner und externer Krisensignale

70%

80%

2% 3%

31%

62%

Abhängigkeiten

6%

17%

70%

Forderungsausfälle

5%

2% 90%

100%

4.1 Risikoerkennung aus Bankensicht

79

Im Folgenden wird untersucht, welchen internen und externen Merkmale zur Krisenfrüherkennung eine hohe Bedeutung beigemessen wird und ob negative Veränderungen dieser Faktoren von den Risikosystemen in den Banken aus Sicht der Sanierungsspezialisten erkannt werden. Es ist ein Unterschied in der Bedeutung quantitativer und qualitativer Risikoindikatoren zu bemerken. Zunächst wurden die Teilnehmer befragt, welche internen und externen Signale sie zur Krisenerkennung als wichtig einschätzen. Im Anschluss war die Beurteilung des Erfüllungsgrads zur Erkennung kritischer Veränderungen dieser Gefährdungsmerkmale durch die bankinternen Risikosysteme von Interesse. Bei der Einschätzung der Wichtigkeit interner Merkmale zur Krisenfrüherkennung liegen die quantitativen Merkmale leicht vorne. So wird die Untersuchung der Liquiditäts- und Ertragslage bei Unternehmen von über 90 % der Teilnehmer als bedeutend eingeschätzt. Qualitative Krisenmerkmale, die als erheblich eingeschätzt werden, sind Intransparenzen im Bereich des Controllings und der Strategieprobleme. Auf den hinteren Rängen folgen die genaue Analyse der Vermögenslage und die Überprüfung einer starken Expansion. Dabei liegt die Beobachtung von Marktveränderungen vor der Untersuchung von Forderungsausfällen, Preisrisiken und Abhängigkeiten von Geschäftspartnern wie Kunden und Lieferanten. Im Anschluss an die Bedeutung der Merkmale wird der Erfüllungsgrad zur Erkennung dieser relevanten internen und externen Krisenindikatoren durch die Risikosysteme der Kreditinstitute untersucht. Bei diesen quantitativen Analysemethoden zu internen Krisenmerkmalen aus der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage wie zum Beispiel durch eine Jahresabschlussanalyse wird kein Verbesserungsbedarf bestehender Risikoverfahren gesehen. Anders sieht es bei der Erkennung innerbetrieblicher qualitativer Krisensignale zu Strategieoder Controllingproblemen aus, die von diesen Befragten als wichtig benannt, offensichtlich von den Risikosystemen der Banken aber dennoch nicht optimal erfasst werden. So wird die Identifizierung dieser dem Management zuzurechnenden Probleme als bedeutsam eingestuft. Gleichzeitig wird von denselben Probanden ein hoher Bedarf gesehen, die Risikosysteme der Banken in Richtung dieser Faktoren stärker zu sensibilisieren. Gemäß den Antworten werden kritische Veränderungen interner qualitativer Krisensignale in Firmen gerade zur Risikofrüherkennung noch nicht ausreichend genutzt. Die Einschätzungen der Spezialisten zeigen interessante Ansatzpunkte zur Verbesserung der bankinternen Risikosysteme. Diese Beurteilung wird durch eine weitere empirische Analyse gestützt, die zu dem Ergebnis kommt, dass die alleinige Untersuchung von quantitativem Zahlenmaterial für eine frühzeitige Krisenerkennung nicht ausreicht (vgl. KPMG, 2002, S. 9 ff.). Insgesamt zeigt sich aus dem Meinungsbild der Befragten die Bedeutung, verstärkt qualitative Analysekriterien zur Krisenerkennung in die Risikosysteme der Banken mit aufzunehmen. Dagegen wird bei klassischen quantitativen Untersuchungen zur Vermögens-, Finanz-, und Ertragslage kein Verbesserungsbedarf gesehen. Somit offenbart sich im Ergebnis die Wichtigkeit der Einbeziehung weiterer Krisenmerkmale, um eine verstärkt ganzheitliche Risikofrüherkennung zu betreiben. Dabei bieten gewichtete intern-extern und qualitativ-quantitativ kombinierte Kriterien gute Chancen zur Optimierung bestehender Risikosysteme in Kreditinstituten. Diese Einschätzungen sind gemäß der Zuordnung der Vertreter aus verschiedenen Banksektoren und über alle Größenklassen hinweg ähnlich.

80

4 Sanierung aus Bankensicht

Zur Umsetzung kann verstärkt der Einsatz strategischer qualitativer Risikoerkennungsverfahren, zum Beispiel über SWOT-Analysen, geprüft werden, um Problemfelder bei Firmenkundenengagements aufzuzeigen. Zudem kann die Einschätzung bestimmter qualitativer Risikofelder in das Ratingsystem einfließen. Des Weiteren können auf der Grundlage volkswirtschaftlicher Analysen zu Preisrisiken bei Rohstoffen unter anderem Sensitivitätsanalysen zur Ertragslage im Hinblick auf bemerkbare Veränderungen der Materialeinsatzquote durchgeführt werden. Auch eine Variation bei den Energiekosten bietet sich an. Gerade die Beachtung von Marktpreisrisiken wird wichtiger, dies zeigt auch eine aktuelle Befragung von Unternehmen (vgl. Roland Berger Strategy Consultants, 2008, S. 4 ff.). Die Bedeutung interner quantitativer Risikomerkmale wird über alle Institutsgrößen hinweg als wichtig eingeschätzt und kritische Veränderungen der Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage werden in den Risikosystemen bereits ausreichend analysiert. Die Relevanz externer Faktoren zur Krisenerkennung wird von großen Instituten am wichtigsten eingeschätzt und nimmt in ihrer Bedeutung über mittlere bis hin zu kleinen Kreditinstituten leicht ab. Jedoch wird auch bei kleinen und mittleren Instituten ein hoher Bedarf gesehen, diese exogenen Risikomerkmale genauer zu analysieren. So werden externe Merkmale als wichtig eingestuft, aber gleichzeitig wird auch Verbesserungsbedarf bei den bankinternen Verfahren zur Krisenerkennung erkannt. Denn werden Risiken bei einem Firmenkunden früh identifiziert, so können wirtschaftliche Gesundungsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden. Eine frühe Krisenerkennung und rechtzeitige Übergabe an die Spezialisten der Sanierung ist für die Chancen eines späteren Turnarounds von großer Wichtigkeit. Dies erfordert jedoch ein frühes Anschlagen der Risikosysteme zum Beispiel auf einer Watch List mit einer Überprüfung der erkannten Krisensignale durch die Normalkreditbearbeitung. Werden nach einer eingehenden Untersuchung erhebliche Risiken festgestellt, sollte unverzüglich eine Umstufung in den Bereich der Intensiv- oder Problemkunden erfolgen und dies in einem Kurzbericht bei der Übergabe an die neuen Bearbeiter festgehalten werden. Ziel ist die Überleitung der gefährdeten Engagements in einer frühen Krisenphase. Unternehmen durchlaufen zunächst eine Phase der Strategiekrise, gelangen dann in die Erfolgskrise und gegebenenfalls in die Liquiditätskrise. Kulminationspunkt dieses Prozesses ist die Insolvenz (vgl. Portisch, 2008a, S. 373 ff.). Rund 60 % der Vertreter aus den Kreditinstituten geben bei Mehrfachantworten an, dass Firmenkunden im Stadium der Ertragskrise an die bankinternen Sanierungsspezialisten übergeleitet werden. Etwa 93 % der Befragten äußern, dass zudem bereits die zeitlich folgende Stufe einer Liquiditätskrise vorliegt und in circa 31 % der Fälle werden Engagements erst im Stadium der Insolvenz an eine Spezialabteilung übergeben. Lediglich 5 % geben an, bereits häufig im frühen Stadium der Strategiekrise tätig zu werden und aktiv Maßnahmen einzuleiten. Diese Resultate sind kritisch zu sehen. Denn damit beginnen die meisten der befragten Institute erst in der Ergebniskrise oder in der Liquiditätskrise mit der Sanierungsarbeit. Dadurch verringern sich die Chancen, der Krise erfolgreich zu begegnen, oft erheblich. Handlungsoptionen werden reduziert, da finanzielle Ressourcen bereits verbraucht wurden. Eine effiziente und zeitnahe Überleitung von erhöht risikobehafteten Engagements auf eine Spezialabteilung erfordert neben der Erfassung kritischer Risikomerkmale zudem klare Prozesse und Strukturen in der bankinternen Kreditorganisation.

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

4.2

81

Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

Risikoerkennung aus Bankensicht

Organisation Prozesse

Finanzielle Maßnahmen

Auswahl des Sanierers

Prüfung des Konzepts

Poolbildung der Gläubiger

Überwachung der Sanierung

Sicherung Turnaround

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung 4.2.1 Bankinterne Steuerung der Sanierungsengagements 4.2.2 Praxisfall zur Steuerung einer Sanierung 4.2.3 Lösung des Praxisfalls zur Sanierungssteuerung 4.2.4 Empirische Ergebnisse zur Bankorganisation und zu Sanierungsprozessen

Lernziele:  Organisationsmodelle von Sanierungsabteilungen kennen  Ablaufprozesse bei Sanierungsfällen in Banken wissen  Spezialprobleme bei Kreditengagements beurteilen können  Strukturen und Sanierungsprozesse in der Praxis kennen

Abb. 4.16 Aufbau und Lernziele in Kapitel 4.2

In diesem Abschnitt werden verschiedene interne Aufbauorganisationen von Sanierungsabteilungen in Kreditinstituten und die Ablaufprozesse zur Behandlung der Krisenengagements dargestellt und beurteilt. Zu beachten sind die Anforderungen der MaRisk zum organisatorischen Aufbau des Kreditgeschäfts und zur strukturellen Ausgestaltung der Behandlung von Problemkrediten. Wesentlich ist dabei die Realisierung einer klaren Funktionstrennung zwischen Markt und Marktfolge. Des Weiteren sind detaillierte Regelungen zur Kompetenzverteilung und im Entscheidungsprozess zu treffen. Zunächst werden alternative bankinterne Organisationsmodelle betrachtet, die in der Praxis angewendet werden können. Dabei zeigt sich, dass die Einbindung der marktnahen Bereiche stark variieren kann. Es wird bewertet, welche Strukturmodelle in der Praxis Vorteile bieten. Anschließend werden prozessuale Besonderheiten zur Betreuung von Problemengagements untersucht. Neben der genauen Zuordnung der Engagements auf Intensiv-, Sanierungs- und Abwicklungskunden, wird Wert gelegt auf eine genaue Risikoerfassung und umfassende Berichterstattung an den jeweiligen Kompetenzträger. Zudem ist von Bedeutung, dass Schnittstellen festgelegt, Zuständigkeiten abgegrenzt und Doppelarbeiten vermieden werden. Aufbauend auf den Empfehlungen zu den Strukturen und den Prozessen werden besondere Probleme bei verbundenen Kreditrisiken, operationellen Risiken und Gefährdungen aus Beteiligungen von Banken an Krisenfirmen aufgezeigt. Die effiziente Steuerung von Sanierungsfällen ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Kreditinstitute.

82

4.2.1

4 Sanierung aus Bankensicht

Bankinterne Steuerung der Sanierungsengagements

Das Kreditgeschäft ist nach MaRisk BTO 1.1 mit einer klaren Trennung der Zuständigkeiten auf den Markt und die Marktfolge zu organisieren (vgl. Hannemann et al., 2008, S. 320 ff. und Falter, 2007, S. 571 ff.). Unter dem Bereich Markt werden die jeweiligen Firmenkundenbetreuer, marktverantwortlichen Leiter und Bankvorstände subsumiert, die für die direkte Betreuung der Kunden zuständig sind. Sie sind verantwortlich für die vertrieblichen Zielsetzungen und verhandeln die Finanzierungsstruktur und die zu stellenden Sicherheiten. Diese Finanzierung wird mit der Bonitätseinschätzung dokumentiert und stellt das Erstvotum dar. Damit es zu einer Kreditvergabe kommt kann, ist jedoch ein positives Zweitvotum durch die Marktfolge notwendig. Die Marktfolge führt dazu eine umfassende Kreditwürdigkeitsprüfung durch. Auf diese Weise wird die Deckung der zu erbringenden Zins- und Tilgungsleistungen verifiziert und das endgültige Rating berechnet. Des Weiteren wird die Marktfolge sowohl eine Plausibilitätsprüfung der Kundenangaben als auch des Erstvotums vornehmen. Nach dem Ergebnis dieser Untersuchungen wird dem Erstvotum entweder zugestimmt oder es werden Auflagen an den Markt übermittelt, die vor Vergabe eines positiven Zweitvotums erfüllt sein müssen. Mit Abschluss der Kreditwürdigkeitsprüfung durch ein positives Zweitvotum der Marktfolge werden die weiteren Schritte im Kreditprozess ausgelöst. Diese werden in der Regel von einer separaten Kreditbetreuung vorgenommen. Zu ihren Aufgaben gehören im Wesentlichen die vertragliche Gestaltung der Finanzierungsstruktur, die Prüfung der Sicherheiten sowie die Archivierung der Dokumente. Die nachfolgende Abbildung 4.17 stellt den Kreditentscheidungsprozess dar (vgl. Portisch, 2008, S. 103 ff.).

Kreditprozess

Vertrieb

Kreditanalyse

Kreditbetreuung

 Akquise

 Analyse

 Verträge

 Strukturierung

 Plausibilisierung

 Dokumentation

 Informationen

 Bewertung

 Service

 Pricing

 Bestellung

 Überwachung

Ratingprozess Erstvotum

Zweitvotum

Markt

Marktfolge

Abb. 4.17 Kreditentscheidungsprozess nach den MaRisk

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

83

Die Organisation und die Abläufe im Kreditgeschäft verändern sich mit dem erhöhten Risikogehalt der Engagements. Dabei sind Strukturen der Intensivbetreuung und der Behandlung von Problemkrediten einzurichten. Aufgrund der Ermessensspielräume der MaRisk kann die Ausgestaltung dieser Organisation in der Praxis variieren. Die Einbindung des Marktes kann unterschiedlich ausfallen wie Abbildung 4.18 zeigt (vgl. Ifftner, 2008, S. 235).

Organisationsstrukturen der Sanierung Markt und Marktfolge (Überwachung)

Modell B

Modell D

Spezialmarktfolge

Modell A

Normalbetreuung

Intensivbetreuung

Sanierung

Abwicklung

Normalbetreuung

Intensivbetreuung

Überwachung Intensiv

Sanierung

Abwicklung

Modell C

Normalbetreuung

Intensivbetreuung

Sanierung

Überwachung Intensiv

Überwachung Sanierung

Abwicklung

Normalbetreuung

Intensivbetreuung

Sanierung

Abwicklung

Überwachung Intensiv

Überwachung Sanierung

Überwachung Abwicklung

Abb. 4.18 Organisationsstrukturen der Intensivbetreuung, Sanierung und Abwicklung

Modell A zeigt die komplette Übergabe der problematischen Engagements an die Marktfolge und lässt sich als Spezialistenmodell klassifizieren. Der Markt ist bereits bei den Intensivfällen nicht mehr involviert. Dies schont Vertriebskapazitäten und erleichtert die Steuerung von Risikoengagements auf hohem Niveau. Jedoch ist die Übertragung von Problemkunden in den Sanierungsbereich und zurück jeweils mit einem Betreuerwechsel verbunden. Dies erhöht den Aufwand und kann die Kundenbeziehung belasten. Modell B stellt mit einer Spezialisierung der Marktfolge auf Sanierungs- und Abwicklungsfälle ein häufig praktiziertes Modell dar. Zum einen kann das Spezialwissen gebündelt werden und zum anderen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Intensivengagements oft wieder in die Normalbearbeitung zurück übertragen werden. Der Bereich der intensiv zu führenden Kunden wird lediglich durch die Spezialkreditabteilung in der Marktfolge überwacht. Zudem kann die Problemkreditbearbeitung bedarfsgerecht eingebunden werden, zum Beispiel in die Gesprächsführung und bei der Beratung von komplexen Fällen. Auf diese Weise werden die Ressourcen im Markt geschont und eine fachliche Bearbeitung auf betriebswirtschaftlich und rechtlich hohem Niveau sichergestellt.

84

4 Sanierung aus Bankensicht

In den Modellen C und D erfolgt die Bearbeitung in den verschiedenen Risikostadien durch den Markt und die Normalkreditbearbeitung. Zusätzlich findet eine Überwachung durch die Spezialmarktfolge in den Bereichen Intensiv, Sanierung oder Abwicklung statt. Diese Strukturen eignen sich besonders für kleine Banken, bei denen der Aufbau einer Spezialabteilung aus Kosten-Nutzen-Überlegungen nicht lohnenswert erscheint. Die Risikoengagements werden weitgehend im Markt belassen. Dies fördert zudem die enge Kundenbindung. Insgesamt ist von jeder Bank zu prüfen, welches Organisationsmodell individuell geeignet erscheint. Dies wird von verschiedenen Kriterien abhängen, wie der Größe des Instituts, der bankspezifischen Kreditrisikostrategie, der Anzahl und der Größenordnung der Problemkreditengagements und den vorhandenen personellen Ressourcen (vgl. Ifftner, 2008, S. 236 ff.). Zudem ist über den regionalen Aufbau der Spezialabteilung zu entscheiden. Entschließt sich eine Bank für die feste Installierung einer Fachabteilung für Problemkreditkunden, so ist ein verstärkt zentrales oder dezentrales System einzurichten. Während in den neunziger Jahren dezentrale Organisationsmodelle der Betreuung von Krisenengagements üblich waren, zeichnet sich eine zunehmende Zentralisierung dieser Spezialabteilungen ab. Diese Zentralisierung ist unter anderem notwendig, um die immer komplexer werdenden Sanierungen, in denen verstärkt Spezialkenntnisse erforderlich sind, professionell begleiten zu können. Zudem kann das Fachwissen über Sanierungsfälle gebündelt werden, um positive Effekte für die Gesamtbank zu erzielen. So wird die Einrichtung einer zentralen Spezialabteilung zur Behandlung von Intensivfällen, Sanierungen und Abwicklungsengagements empfohlen (vgl. Hannemann et al., 2003, S. 154 ff.). In Kreditinstituten werden diese Spezialabteilungen mit vielfältigen Namen wie Sanierungsabteilung, Sanierungsmanagement, Intensivabteilung oder auch Work Out Group bezeichnet. Dabei können sich der Aufbau und die Tätigkeiten dieser Bereiche in verschiedenen Instituten deutlich unterscheiden. Im Folgenden werden ausgewählte Organisationsstrukturen und die damit zusammenhängenden Aufgaben- und Kompetenzverteilungen in der Praxis dargestellt und beurteilt. Betrachtet wird die Aufbauorganisation unterhalb des Risikovorstands. Es wird Bezug genommen auf die Ausgestaltung des Modells B. Das zunächst dargestellte Organisationsmodell 1 hat einen verstärkt zentral geprägten Charakter. Problemkreditengagements, bei denen auffällige Risiken bestehen, werden von einer Fachabteilung umfassend betreut. Der Leiter einer zentralen Sanierungsabteilung übernimmt vorwiegend administrative und steuernde Aufgaben und zum Teil operative Tätigkeiten mit der Betreuung der für die Bank bedeutenden Krisenfälle. Die Bearbeitung der übrigen Engagements erfolgt in Sanierungsteams, die eine Risikostrategie bei den einzelnen Fällen festlegen und abgestufte Entscheidungskompetenzen besitzen. Im Team führt der Sanierungsanalyst die Back-Office-Tätigkeiten durch. Der Sanierungsbetreuer hat die Entscheidungskompetenz und hält den Kundenkontakt in Zusammenarbeit mit dem Firmenkundenbetreuer der Filiale. Auf diese Weise kann das kundenspezifische Vorwissen des Vertriebsmitarbeiters genutzt und das Engagement im Fall des Turnarounds wieder in seinen Entscheidungsbereich zurückgegeben werden. Des Weiteren besteht häufig ein Abwicklungsbereich, der sich auf die Verwertung von Sicherungsgut spezialisiert. Fachleute aus der Rechtsabteilung sind in diese Organisationsform integriert und betreuen mit ihrem

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

85

juristischen Know-How insbesondere die Insolvenzfälle. Mitarbeiter für besondere Aufgaben unter anderen bei Sicherheitenbewertungen und bei Spezialfinanzierungen oder zur Weiterentwicklung der Risikosysteme ergänzen dieses Konzept. Die nachfolgende Abbildung 4.19 zeigt beispielhaft den Aufbau dieses Modells.

Zentrales Organisationsmodell 1 Leiter Sanierung Zentrale Leitung

Sanierungsteam 1 Analyse Betreuung

Sanierungsteam 2 Analyse Betreuung

Abwicklung Verwertung Vermarktung

Rechtsbetreuung Insolvenzrecht Inkasso

Spezialbereich Spezialfinanzierungen Risikosysteme

Abb. 4.19 Sanierungsabteilung im zentralen Organisationsmodell 1

Oftmals arbeiten in dieser Organisationsform die Sanierer und die Vertriebsverantwortlichen mit weiteren internen Spezialisten und unter Umständen mit externen Beratern zusammen in Projektteams. Diese Konstellation ist häufig bei der Bearbeitung von großen Krisenengagements anzutreffen, aufgrund einer hohen Komplexität der zu bearbeitenden Aufgaben. Die Zusammenarbeit weist Komponenten einer Projektgruppe auf, der zeitlich begrenzt die Aufgabe der Sanierung eines Kunden übertragen wird. Auf diese Art und Weise lässt sich Fachwissen bündeln und Expertenwissen optimal nutzen. Wird die Entscheidungskompetenz bankintern auf mehrere Personen eines Teams aufgeteilt, besteht jedoch die Gefahr von Effizienzverlusten. So können sich wie in einer mehrdimensionalen Matrixorganisation Konflikte aus unklaren Kompetenzregelungen und unterschiedlichen Risikopräferenzen und Interessenlagen der Entscheidungsträger ergeben. Daher sollte die Hauptverantwortlichkeit einer Person zugeordnet werden. Optimal erscheint die Aufgabenverteilung, wenn der Sanierungsbetreuer gleichzeitig Kompetenzträger für das Krisenengagement ist, da bei dieser Person die Fäden in einer Sanierung zusammenlaufen. Bei großen Fällen sollte der Risikovorstand die Entscheidungen treffen. Wichtig ist außerdem, dass der ehemalige Vertriebsbetreuer weiter Ansprechpartner für den Kunden bleibt. Auf diese Weise bleibt der Markt in der Verantwortung. Der Firmenkundenbetreuer ist an der Engagementführung beteiligt. So kann das Vertrauen des Kunden erhalten werden, auch wenn erhebliche Sanierungseinschnitte erfolgen. Im Fall des Turnarounds wird das Engagement in die Kompetenz des Vertriebs und der Normalkreditbearbeitung zurückübertragen. Diese Teamarbeit vereint mehrere Vorteile. Hauptvorzüge sind die Einbringung des Expertenwissens und die Möglichkeit der schnellen Abstimmung untereinander, die in Sanierungsfällen oftmals wichtig ist. Übernimmt ein Sanierungsteam die Engagementbetreuung, so ist eine professionelle Betreuung sichergestellt. Die ehemals Verantwortlichen in der Kreditab-

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4 Sanierung aus Bankensicht

teilung werden entlastet und eine einheitliche Problemanalyse und Entscheidungspolitik wird gewährleistet. Bei der Bearbeitung dieser Sanierungsfälle sind das Fachwissen und auch die Erfahrung Voraussetzungen für eine professionelle Betreuung. Nachteilig ist, dass diese Bearbeitungsform kostenintensiv ist, da teure Sanierungsspezialisten auch in Zeiten mit geringen Zahlen von Problemfällen vorgehalten werden müssen. Dann kann es sich anbieten, Beratungsleistungen für andere Kreditinstitute zu offerieren, um die zentralen Ressourcen auszulasten. Ausgewählte Vorteile dieses Modells sind: 

Aufbau und Bündelung von Spezialwissen



Klare Strukturen, Entscheidungskompetenzen und Aufgabenverteilungen



Kurze Informations- und Entscheidungswege



Engagementüberblick über alle Krisenfälle einer Bank



Einheitliche Umsetzung einer Kreditrisikostrategie

Organisationsmodell 2 vereint zentrale mit dezentralen Elementen. Der Leiter der Zentraleinheit übernimmt in diesem Fall vorrangig steuernde Aufgaben. Die Krisenfälle der Bank werden bei diesem Modell nur partiell von der zentralen Sanierungsabteilung bearbeitet. So verbleiben die Aktenführung und die Datenaufbereitung für alle Engagements weiter in den ursprünglichen regionalen Krediteinheiten. Die dezentralen Analysten erhalten zudem eine limitierte Entscheidungskompetenz für kleine Firmen. Die Engagementsteuerung wird erst bei Überschreiten von festgelegten Risikolimiten von den Sanierungsbetreuern der Zentrale wahrgenommen. Bei Überschreiten dieser Grenzen sind die zentralen Sanierungsbetreuer alleinige Kompetenzträger und für die Risikostrategie und den Kundenkontakt zuständig. Der Firmenkundenbetreuer gibt bei diesem Modell die Betreuungsfunktion insgesamt an die Sanierer ab und das Engagement wird der Spezialabteilung komplett übertragen. Nachfolgende Abbildung 4.20 zeigt das Organigramm dieses Betreuungskonzepts.

Dezentrales Organisationsmodell 2 Leiter Sanierung Zentrale Leitung

Sanierungsanalyst Branchenanalysen Risikosysteme

Sanierungsbetreuer Kundenkontakte Kompetenz

Abwickler Insolvenzfälle Verwertungen

Regionale Sanierer Aktenführung Analysen

Abb. 4.20 Sanierung im dezentralen Organisationsmodell 2

Rechtsabteilung Insolvenzrecht Inkasso

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

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Die Sanierungsanalysten führen in dem dezentralen Modell die Untersuchungen auf Gesamtbankebene durch und entwickeln die Risikosysteme der Bank weiter. Abwickler übernehmen die Verwertung von Sicherheiten und betreuen die gekündigten Engagements und Insolvenzfälle. Ausgegliedert ist die Rechtsabteilung. Es wird von Seiten der Sanierer und Abwickler nur fallweise, bei rechtlichen Spezialproblemen, auf Fachleute des Rechtsbereichs zurückgegriffen. Vorteile dieser Organisationsform sind: 

Stärkere Kundennähe der regionalen Kreditanalysten



Schnelle Bearbeitung kleiner Krisenfälle durch dezentrale Büros



Aufbau von Sanierungsspezialwissen in den regionalen Gebieten



Ausgliederung von Bearbeitungstätigkeiten und damit Entlastung der Zentrale



Möglichkeit der Schulung regionaler Mitarbeiter in der zentralen Sanierungseinheit

In einem abgewandelten Organisationsmodell 3 verbleiben die Sanierungsfälle komplett in der Betreuung und Kompetenz der bisherigen Kreditverantwortlichen. Der Firmenkundenbetreuer ist weiterhin Ansprechpartner für den Sanierungskunden (vgl. David, 2001, S. 196 ff.). Dieses System hat den Vorteil, dass die Mitarbeiter der Kreditabteilung dezentral Fachwissen aufbauen und Erfahrungen bei der Risikobeurteilung sammeln können. Diese Einblicke können auch für unauffällige Kreditengagements genutzt werden. Ebenso kennt der Kreditbearbeiter das Unternehmen meist Jahre und es entstehen keine Schnittstellenprobleme mit anderen Abteilungen. Nach erfolgreichem Turnaround entfällt eine Engagementüberleitung. Jedoch fehlen oftmals das Spezialwissen und die Strukturen für eine einheitliche Behandlung von Krisenfällen. Zudem besteht die Gefahr der Überlastung der Normalkreditbearbeitungen, da Sanierungsfälle einer meist intensiven Betreuung bedürfen. Die langjährige Bearbeitung eines Firmenengagements kann zudem dazu führen, dass wesentliche Risikoaspekte übersehen oder nicht mehr neutral eingeschätzt werden. Dieses kostengünstige Modell erscheint daher nur in kleinen Kreditinstituten gut anwendbar zu sein. Ein anderes Organisationsmodell 4 sieht eine Betreuung und Steuerung der Problemkreditfälle allein durch die Rechtsabteilung vor. Wird die Bearbeitung komplett auf diese Abteilung übertragen, so werden die Krisenfälle aus juristischer Sicht optimal betreut und potenzielle Haftungsrisiken für Banken lassen sich häufig vermeiden. Nachteilig kann jedoch sein, dass das betriebswirtschaftliche Wissen zur Behandlung von Sanierungsfällen nicht gebündelt vorliegt. Somit besteht die Gefahr, dass wichtige Sanierungsentscheidungen nicht primär betriebswirtschaftlich getroffen werden, da juristische Fragen der Besicherung und der Forderungsrealisierung im Vordergrund stehen. Zudem erscheint die vollständige Auslagerung aus der Kreditabteilung aufgrund der im Tagesgeschäft notwendigen Kenntnisse der Aktenbearbeitung und der EDV-Systeme nicht möglich zu sein. Elemente dieser Strukturmodelle lassen sich zu weiteren Modellen von Aufbauorganisationen kombinieren. In der Praxis ist festzustellen, dass diverse Formen bestehen, die vollumfänglich nicht abgebildet werden können. Zudem werden die Organisationskonzepte in den Banken fortlaufend verändert, weiterentwickelt und an die aktuellen Gesetze und Richtlinien angepasst (vgl. Hannemann et al., 2008, S. 50 ff.).

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4 Sanierung aus Bankensicht

Ingesamt hat sich das Modell einer zentralen Sanierungsabteilung mit Sanierungsteams analog dem Organisationsmodell 1 in der Praxis für viele Banken als vorteilhaft erwiesen. Auf diese Art und Weise kann notwendiges Spezialwissen zur Betreuung der oft komplexen Fälle gebündelt werden. Zudem wird die Entscheidungskompetenz auf einen Sanierungsbetreuer verlagert. Damit wird die Umsetzung einer einheitlichen Risikopolitik gewährleistet. Spezialisten aus dem Rechtsbereich können bei juristischen Fragenstellungen hinzugezogen werden. Auch der bisherige Firmenkundenbetreuer wird nicht aus der Betreuungsfunktion enthoben und gewinnt nicht den Eindruck, aus dem Engagement gedrängt zu werden. Auf diese Weise kann mit dem Kunden in vertrauensvoller Atmosphäre weitergearbeitet werden und das Kreditinstitut erhält die notwendigen Informationen vom Kreditnehmer. Eng im Zusammenhang mit den Strukturen stehen die Geschäftsprozesse für erhöht risikobehaftete Engagements. Dabei können die Abläufe für Problemkreditengagements nach den MaRisk flexibel gehandhabt werden. Es wird lediglich gefordert, dass die Problemkredite an spezialisierte Mitarbeiter abzugeben sind und die Federführung für diese Engagements in der Marktfolge anzusiedeln ist (MaRisk BTO 1.2.5 Tz. 1). Die Vorgehensweise bei den Risikokunden steht in enger Verbindung mit der gewählten Kreditrisikostrategie. Die Geschäftsleitung eines Kreditinstituts hat gemäß MaRisk AT 4.2 eine in sich konsistente Risikostrategie festzulegen, die eine geeignete Vorgehensweise bei Kreditrisiken beinhaltet. Zur Umsetzung sind angemessene Risikosteuerungs- und Controllingprozesse einzuführen (MaRisk AT 4.3.2). Die festzulegende Risikostrategie eines Instituts ist in diesen Ablauf zu integrieren. Bei Wahl einer geeigneten Zielsetzung ist zusätzlich die Risikotragfähigkeit des Eigenkapitals zu beachten. Somit bestehen Interdependenzen zwischen der Kreditrisikostrategie, dem Steuerungsprozess und der Risikotragfähigkeit, die genau aufeinander abzustimmen sind. Es bietet es sich an, ein übergeordnetes Risikomanagementsystem zu installieren. Anhand dieser Struktur kann eine Kreditstrategie transparent im operativen Geschäft umgesetzt werden. Der Aufbau wird in Tabelle 4.14 verdeutlicht. Tab. 4.14 Risikomanagementsystem zur Umsetzung einer Kreditrisikostrategie

Kreditrisikomanagementsystem Risikoanalyse

Risikosteuerung

Risikoüberwachung

Risikoidentifikation

Einzelbetrachtung

Controlling

Risikoquantifizierung

Portfoliobetrachtung

Berichtswesen

Risikobewertung

Steuerungsmaßnahmen

Dokumentationen

Im ersten Schritt ist eine Risikoermittlung durch eine ganzheitliche Bestandsaufnahme und Bewertung der Einzelkreditnehmerrisiken vorzunehmen. Somit kann die Belastung für das Eigenkapital eingeschätzt werden. Im zweiten Schritt ist das Risiko auf Basis der institutsspezifischen Strategie zu steuern. Dabei sind sowohl Maßnahmen auf Ebene der Einzelkreditnehmer, als auch zur Beeinflussung des Kreditportfolios von Bedeutung. Wichtig ist es, dass eine Steuerung der Einzelkreditnehmer nicht losgelöst von der gewählten Risikostrategie erfolgt und auf dem gesamten Kreditportfolio aufgrund von Verbundrisiken und Diversi-

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

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fikationseffekten aufsetzt. Zur weiteren Analyse des Kreditportfolios ist die Granularität der Forderungen zu untersuchen. Es lassen sich Schichtungen nach den Volumina, der Branche, den vorhandenen Sicherheiten und weiteren strukturellen Gesichtspunkten vornehmen. Im dritten Schritt ist das Exposure über ein zu implementierendes Controllingsystem und VaRKennziffern zu überwachen. Weiter umfasst das Risikomanagement die Erstellung von Auswertungen und die Weiterentwicklung dieser Dokumentationen in Form von Kredithandbüchern. Es sollten Rückkopplungen zur regelmäßigen Anpassung der Kreditrisikostrategie an die aktuellen wirtschaftlichen Ereignisse und die neuen rechtlichen Regulierungen erfolgen, damit sich der gesamte Regelkreis schließt. Ziel dieser Vorgehensweise ist die gleichmäßige Umsetzung einer Kreditrisikostrategie über die Gestaltung einheitlicher Bearbeitungsstrukturen. Im Folgenden soll dieser Prozessablauf bei einem Problemkreditengagement eines Firmenkunden im operativen Tagesgeschäft eines Kreditinstituts in Abbildung 4.21 illustriert werden.

Geschäftsprozess der Sanierung

Risikokriterien Einstufung Rating

Intensivkunde Problemkredit Abwicklung

Überleitung Festlegung Schnittstellen

Grobanalyse Engagement Sicherheiten

Strategie Sanierung Erstbericht

Abb. 4.21 Bearbeitungsschritte bei erhöht risikobehafteten Engagements

Zunächst sind die bestehenden Risiken über harte und weiche Kriterien zu identifizieren. Es folgt die Ratingklassifizierung, die direkt in den nächsten Prozessschritt überleitet. Dabei ist eine Schichtung des Kreditportfolios vorzunehmen. Anhand der Bonitätseinstufung und den besonderen Kriterien der Risikofrüherkennung sind die Problemkreditengagements zu unterteilen in (vgl. MaRisk BTO 1.2 und Hannemann et al., 2008, S. 391 ff.): 

Intensivengagements: Begutachtung der Intensität des Risikos



Gefährdete Engagements: Belegung mit einer Einzelwertberichtigung



Abwicklungsengagements: Kündigung, Abschreibung und Ausbuchung

Intensiv zu betreuende Engagements weisen Anzeichen einer erhöhten Gefährdung auf und werden zum Beispiel über das Rating oder eine Watch List identifiziert. Diese Engagements sind streng zu überwachen und es sind Maßnahmen zu ergreifen, um eine Rückstufung in die Normalkreditbearbeitung zu erreichen. Verschlechtern sich die Bedingungen, ist eine Umstufung in die nachfolgende Gefährdungsstufe notwendig. In diesem Fall befindet sich der Kreditnehmer in der Strategie-, Ertrags- oder Liquiditätskrise und es kann eine akute Insolvenz-

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4 Sanierung aus Bankensicht

gefahr drohen. Abwicklungsengagements umfassen bereits gekündigte oder insolvente Kreditnehmer, mit der Einleitung von Verwertungs- und Vollstreckungsmaßnahmen. Dabei lässt sich differenzieren in echte Abwicklungen, bei denen eine Abschreibung und Ausbuchung erfolgt, und in unechte Abwicklungen, bei denen sich die Bank durch eine gezielte Aussteuerung von Engagements trennen möchte (vgl. Ifftner, 2008, S. 229 ff.). Es schließt sich die zeitnahe Überleitung auf die Spezialabteilung an. Wichtig ist, dass die Bearbeitungsprozesse klar strukturiert sind. Dazu sind Schnittstellen abzugrenzen, Zuständigkeiten zuzuordnen und Doppelarbeiten aus Effizienzgründen zu vermeiden. Es sind auch die Personalressourcen an die individuellen Notwendigkeiten der Organisation und das Risiko eines Instituts anzupassen. Den Sanierungsspezialisten sollte es in jeder Situation möglich sein, zu agieren, anstatt zu reagieren (vgl. Ifftner, 2008, S. 259). Dies erfordert das Vorhalten entsprechender Personalressourcen. Alternativen zur Einsparung von Personalkosten stellen das Outsourcing der Problemkredite auf eine Bad Bank oder der Forderungsverkauf dieser Engagements dar. In diesen Fällen besteht jedoch die Gefahr, dass dem Institut Know-How in der Risikobearbeitung und Sanierung verloren geht. Insgesamt sind die Anforderungen an die Qualifikationen der Sanierungsbetreuer und Sanierungsanalysten hoch. Diese Spezialisten sollten über ausgeprägte analytische, fachliche und konzeptionelle Fähigkeiten verfügen. Eine hohe Durchsetzungskraft, intensive Belastbarkeit, starke Eigeninitiative und Entscheidungsfreude sowie unternehmerisches Denken sind weitere Eigenschaften, die vorhanden sein sollten (vgl. David, 2001, S. 201). Des Weiteren sind aufgrund der Konflikthäufigkeit neben kommunikativen Fähigkeiten in hohem Maße besondere Merkmale der persönlichen und sozialen Kompetenz gefragt. Aufgrund des erheblichen Risikogehalts sind die Qualifikationen zu überprüfen und stetig an die aktuellen wirtschaftlichen Erfordernisse der Risikolage des Instituts anzupassen (vgl. MaRisk AT 7.1). Zur Weiterbildung sind Schulungen, institutsübergreifenden Erfahrungsaustausche und Informationen aus Fachzeitschriften sowie aus sonstigen Publikationen hilfreich. Im nächsten Schritt erfolgt eine Grobanalyse der Problemengagements mit Feststellung der Volumina und der Kreditsicherheiten. Die institutsspezifische Risikoposition umfasst sämtliche Konten zu inländischen und ausländischen Bankstellen und weitere aus der Geschäftsverbindung resultierende Risiken. Auf diese Weise bekommt der Sanierungsbetreuer einen Überblick über die gesamte Risikolage und den Blankoteil eines Kreditengagements. Im Wesentlichen sind die nachfolgenden Positionen als weitere Verpflichtungen des Krisenkunden zu beachten und bei der Risikomessung mit aufzunehmen: 

Kredite, Darlehen und Unterbeteiligungen der Bank an Krediten anderer Institute



Avale, aufgegliedert nach Avalarten mit verschiedenem Risikogehalt



EV-Gutschriften aus Schecks oder Lastschriften



Cash-Management-Vereinbarungen, EC-Karten und Kreditkarten



Verpflichtungen aus Derivaten und sonstigen Termingeschäften

Ebenso ist von Bedeutung, sich einen Überblick über Art und Qualität der Sicherheiten zu verschaffen. Sicherheitenverträge sind zu untersuchen und bei Fehlern in den Vertragswer-

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

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ken sind formale und inhaltliche Mängel unverzüglich zu heilen. Zudem ist der materielle Wert der Sicherheiten zu prüfen, da die Wertansätze einen Einfluss auf die Höhe der einzustellenden Einzelwertberichtigung haben. Mit dieser Einschätzung ist sorgfältig vorzugehen, da diese Ansätze erfolgswirksam sind und durch den Wirtschaftsprüfer und die Finanzbehörden intensiv kontrolliert werden. Bei der Bewertung von Sicherheiten ist bei einem gefährdeten oder notleidenden Engagement ein Sicherheitenstresstest durchzuführen. Dies bedeutet, dass die Bewertung sich an Marktwerten und einer Liquidation der Vermögensgegenstände orientieren sollte. Es erfolgt eine Worst-Case-Betrachtung. Die Einschätzung von Spezialmaschinen oder Gewerbeobjekten sollte aus Gründen der Objektivität und der Beweiskraft möglichst auf einem externen Wertgutachten basieren. Des Weiteren ist eine formale Prüfung und materielle Überwachung der Personal- und Sachsicherheiten nach MaRisk BTO 1.2.2 vorzunehmen (vgl. Hannemann et al., 2008, S. 391 ff.). Umfang und Zeitabstand der Prüfungen sollten sich am Risikogehalt der Engagements und der Werthaltigkeit der Sicherheiten ausrichten (vgl. Falter, S. 573 ff.). So ist die Bewertung gerade bei variablen Sicherheiten des Umlaufvermögens zum Beispiel aufgrund von Preisänderungen für Rohstoffe oder der Einschätzung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen stets Schwankungen unterworfen, die sich auf die Risikoposition erheblich auswirken können. Zudem ist der rechtliche Zugriff zu überprüfen. Zusätzlich ist festzustellen, ob Rechte Dritter die Werthaltigkeit der Sicherheiten negativ beeinträchtigen können. Denkbar sind hier unter anderem Mehrfachabtretungen von Forderungen zugunsten anderer Institute, vorrangige Belastungen bei Grundpfandrechten, inklusive der Berücksichtigung von Zinsen, und kollidierende Vorrechte von Lieferanten und Kreditversicherern. Haben sich die Sanierungsbetreuer und Analysten einen Überblick über die Sicherheitenlage verschafft, ist zu überprüfen, welche freien Sicherheiten hereingenommen werden können, um den Blankoteil und damit das Risiko zu senken. Bedeutend ist unter anderem die Globalzession der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Sind diese noch nicht abgetreten, sollte sich gerade das Institut, das die laufenden Konten führt, die globale Forderungsabtretung aufgrund potenzieller insolvenzrechtlicher Anfechtungen von Zahlungseingängen rechtzeitig sichern. Auch Eintragungen von nachrangigen und scheinbar wertlosen Grundschulden können in einer späteren freien Verwertung noch Lästigkeitsprämien erbringen. Zudem sind freie Guthaben der Krisenfirma bei der betreffenden Bank zu verpfänden und weitere Ansprüche des Kunden gegenüber der Bank zu prüfen, um gegebenenfalls aufrechnen zu können. Folgende Ansprüche des Kunden können bestehen: 

Sichteinlagen, Festgelder, Spareinlagen



Wertpapierdepots, Schrankfächer und Verwahrstücke



Forderungen der Krisenfirma gegenüber dem Kreditinstitut

Auf Basis der Kreditvolumina und der Sicherheiten kann die genaue Risikohöhe in Form des Blankoteils festgestellt werden. Darauf aufbauend ist die Engagementstrategie bankindividuell gemäß der eigenen Risikoposition festzulegen. Diese kann unter anderem in Anlehnung an die Größe des Einzelengagements zum Eigenkapital der Bank, der Besicherung oder dem erwarteten Mehrwert aus einer Sanierung erfolgen.

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4 Sanierung aus Bankensicht

Bei bedeutenden Fällen wird eine individuelle Kundensanierung durchgeführt. Bei kleinen Engagements mit einem nur geringem Mehrwert aus einer Sanierung erfolgt ein stark strukturierter Bearbeitungsprozess in Form einer „Sanierung Light“. Kleinstkunden werden über eine Kontensanierung lediglich auf Abbau gestellt und bei Verstößen gegen die Absprachen zur Rückführung der Konten werden Zwangsmaßnahmen eingeleitet. Zusätzlich kann auch die Alternative der gezielten Aussteuerung in Erwägung gezogen werden. Für die Entscheidung zu einer Sanierungsstrategie ist der potenzielle Mehrwert aus den verschiedenen Alternativen über Zahlungsströme abzuschätzen. So sind die Einzahlungen und Auszahlungen jeder Sanierungsstrategie gegenüberzustellen. Bei den Szenarien ist der Mehraufwand einer aktiven Sanierung, einer passiven Sanierungsstrategie und einer Abwicklung abzuwägen. Im Kern ist die Frage zu beantworten, ob sich der Aufwand einer Sanierung gegenüber einer Abwicklung anhand folgender Kriterien lohnt: 

Zeitaufwand und geforderte finanzielle Sanierungsbeiträge



Risikoadäquate Verzinsung oder zu vereinnahmende Provisionen



Öffentlichkeitswirkung und Reputationsrisiko



Sekundärrisiken aus Krediten an Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten



Wahrscheinlichkeit eines Sanierungserfolgs

Eng angelehnt an die Auswahl der Engagementstrategie sind die Entscheidungskompetenzen der Mitarbeiter. Die Kreditkompetenz bei erhöht ausfallgefährdeten Risiken ist in der Regel an das Rating, in Verbindung mit dem Brutto- und dem Nettorisiko, anzupassen. Weiter kann differenziert werden in Grundkompetenzen, sowie in Befugnisse zur Bildung und Auflösung von Einzelwertberichtigungen und Verantwortlichkeiten für Zins- und Forderungsverzichte. Die Höhe der Einzelkompetenzen ist an den Qualifizierungsgrad der Sanierungsspezialisten und das Stellenprofil anzupassen. So sind Sanierungsbetreuern in der Regel höhere Genehmigungskompetenzen einzuräumen als Analysten oder Assistenten. Zudem kann eine Differenzierung nach Geschäftsfeldern in Privatkunden, Firmenkunden und Großkunden vorgenommen werden. Dabei ist abzuwägen zwischen einerseits zu niedrigen Entscheidungskompetenzen, die zu Effizienzverlusten führen können, und andererseits zu hohen Berechtigungen, bei denen die genehmigten Risiken stark ansteigen. Auf Basis der gewählten Kundenstrategie erfolgt die Berichterstattung an den Kompetenzträger mit Darstellung der wirtschaftlichen Lage und des Weiterbehandlungskonzepts. Es ist zwischen einem detaillierten Erstbericht (EB) und den darauf aufbauenden späteren Folgeberichten (FB) zu unterscheiden. Die FB sollten mindestens einmal jährlich oder bei aktuellen Ereignissen erstellt werden. Die Darstellungen können aggregiert in den Risikobericht an die Geschäftsleitung mit aufgenommen werden (vgl. MaRisk AT 4.3.2 Tz. 4 und BTR 1 Tz. 7). Insgesamt greifen bei der Gefährdung besondere Berichtspflichten. Dabei kommt der genauen Quantifizierung des Engagements, aufgrund der Gewinn beeinflussenden Risikoauswirkung mit der Bildung einer Einzelwertberichtigung (EWB), eine große Bedeutung zu. Zudem sind Volumen und Blankoteil entscheidend für die Ausübung der Entscheidungskompetenz, damit kein Verstoß gegen interne Richtlinien begangen wird.

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

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Neben dem Berichtskopf in Form der Rahmendaten sind auch der Ertrag und die Kreditkonditionen im Sanierungsbericht genau darzustellen. So kann überprüft werden, ob das Risiko adäquat bepreist wird. Einzugehen ist zudem auf die qualitativen Risikoarten, unter anderem in Form operationeller und verbundener Risiken. Ebenso ist die Engagementhistorie zu beschreiben, um qualitative Informationen über den Kreditnehmer, die Branche und mögliche Krisenursachen zu erhalten. Wichtig ist es, das Zahlenmaterial zur Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage zu analysieren und zu bewerten. Zudem ist auf die übrigen beteiligten Gläubiger einzugehen, um sich ein Gesamtbild zu verschaffen. Anschließend ist eine Risikostrategie in Form eines Weiterbehandlungskonzepts auszuarbeiten. Es sind die Szenarien bei einer Sanierung beziehungsweise Abwicklung mit den finanziellen Auswirkungen genau aufzuzeigen. Von Bedeutung ist, dass für den Kompetenzträger im Votum eine Entscheidung vorbereitet wird. Der Entscheidungsbedarf und der Wiedervorlagetermin sind abschließend aufzuzeigen, wie in nachfolgender Abbildung 4.22 dargestellt. Sanierungsbericht Rating, Linien, Inanspruchnahmen, Sicherheiten, Risiko, EWB und Kreditanträge → darzustellen im EB und in den FB Konditionen, Deckungsbeiträge aus der Kundenbeziehung und Evidenzmeldung → darzustellen insbesondere im EB Verbundene Kreditrisiken, operationelle Risiken und Risiken aus Beteiligungen → darzustellen im EB und Entwicklungen in den FB Historie des Engagements mit Geschäftsmodell, Krisenursachen und alte Kreditberichte → lediglich aufzuführen im EB Aktuelle Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage → darzustellen im EB und in den FB Gläubigerstruktur und Sicherheiten der Gläubiger, Verhalten der Gläubiger, Poollösungen → darzustellen im EB und in den FB Weiterbehandlungskonzept mit gewählter Sanierungsstrategie oder Abwicklungskonzept → darzustellen im EB und in den FB Entscheidungsbedarf und Wiedervorlagetermin Abb. 4.22 Inhalte eines Sanierungsberichts

Wurden die Risiken im Erstbericht dargestellt, schließt sich die laufende Überwachung des Krisenengagements mit der Darstellung in den Folgeberichten an. Zudem ist die Auswertung wichtiger Rahmendaten wie zu den Krisenursachen und dem Erfolg des Weiterbehandlungskonzepts für den Aufbau eines Datenpools für eine Ex-Post-Analyse zu empfehlen. Auf Basis dieser Auswertungen lassen sich Rückschlüsse aus Krisenfällen und Sanierungen für die gesamte Bank ziehen, die in der Zukunft zur Risikofrüherkennung und erfolgreichen Sanie-

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4 Sanierung aus Bankensicht

rung genutzt werden können. So sollten insbesondere häufig festgestellte Krisenursachen zur systematischen Identifizierung von Gefährdungen in das Ratingsystem einfließen. Folgende Abbildung 4.23 zeigt das Vorgehen einer Risikobestandsaufnahme bei der Bearbeitung von auffälligen Firmenengagements. Von ganz erheblicher Bedeutung ist die genaue Quantifizierung des gesamten Engagements und des Blankovolumens, da diese Größen zur Festlegung der Einzelwertberichtigung (EWB) herangezogen werden.

Risikobestandsaufnahme Quantifizierung der Linien und Inanspruchnahmen

Bestimmung der Sicherheitenlage (formal, materiell)

Festlegung des Blankorisikos (EWB)

Ermittlung qualitativer Risiken (operationelle Risiken)

Berichterstattung an den Kompetenzträger (EB und FB)

Überwachung des Engagements

Auswertungen für den Datenpool

Abb. 4.23 Prozess der bankinternen Risikobestandsaufnahme

Die EWB bemisst sich nach dem aktuellen Forderungsbetrag, abzüglich der stressgetesteten Sicherheiten. Die EWB-Höhe bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamtengagement des Schuldners und nicht nach einzelnen Krediten. Wenn allerdings die Einbringlichkeit einzelner Engagementteile unterschiedlich ist, sind die einzelnen Kreditteile gesondert zu bewerten (vgl. Scharpf, 2004, 4.3.5.3.6). Wichtig ist, dass die Inanspruchnahme die Obergrenze für die EWB-Bildung bildet. Kreditzusagen in Form von nicht ausgenutzten Linien sind noch nicht bewertungsrelevant. Auch wenn das Kreditinstitut eine unwiderrufliche Kreditzusage erteilt hat, führt diese noch nicht zu einer EWB-Bildung. Dieses Risiko ist durch eine Rückstellung zu berücksichtigen (vgl. Becker/Schneider, 2007, S. 88 ff.). Das künftig eintretende Abschreibungsrisiko der Bank kann dagegen höher ausfallen, wenn unter anderem Kontokorrentlinien oder Avallinien zum Bewertungsstichtag nicht ausgenutzt sind oder anderweitige Kreditzusagen bestehen. Aus diesem Grunde ist bei einer internen Berichterstattung immer der jeweils höhere Wert zwischen den Linien und Inanspruchnahmen bei der Ermittlung des Blankorisikos anzusetzen. Bei der Einschätzung der Sicherheiten

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

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sind aktuelle und realistische Verwertungsmöglichkeiten in der Situation einer wirtschaftlichen Krise zugrunde zu legen. Wird das Engagement komplett durch stressgetestete Sicherheiten gedeckt, ist keine EWB einzustellen. Nicht zu vernachlässigen ist allerdings als mögliche Risikokomponente das potenzielle Zinsausfallrisiko. Die EWB soll Ausdruck für das Ausfallrisiko einer Forderung sein. Das individuelle Ausfallrisiko eines Kunden bestimmt sich nach der Bonität des Unternehmens. Diese wird maßgeblich durch die Zahlungsfähigkeit beeinflusst. Die Zahlungsfähigkeit des Kunden ist daher das bestimmende Kriterium bei der EWB-Bildung. Diese gilt dann als beeinträchtigt, wenn die künftigen Einzahlungsüberschüsse nachhaltig nicht mehr ausreichen, um den Kapitaldienst in Form von Zins-, Tilgungs- und Provisionsleistungen zu decken. Folgende Einzeltatbestände führen daher regelmäßig zur Bildung einer Wertkorrektur in Form einer Einzelwertberichtigung (vgl. Becker/Schneider, 2007, S. 91 ff.): 

Zahlungsverzug mit Überziehungen und rückständigen Darlehensraten



Nachhaltige Verlustsituation mit einer Aufzehrung des Eigenkapitals



Verschlechterte wirtschaftliche Situation mit einer Kapitaldienstunterdeckung

Wichtig ist, dass die Bewertungsentscheidung der Bank nicht subjektiv oder willkürlich zur Steuerung des Jahresüberschusses erfolgt. Der Prozess, der zur Einstellung einer EWB führt, sollte transparent sein. So bietet das interne Ratingsystem der Banken die Möglichkeit eine Objektivität der EWB-Bildung anhand festgelegter Kriterien herzustellen. Wesentlich für die Bildung ist auch die steuerliche Anerkennung. Einzelwertberichtigungen auf Forderungen sind gemäß § 253 Abs. 3 HGB zu bilden, wenn die Bonität des Kunden oder andere Gründe die Aktivierung zum Nennwert nicht zulassen. Für Forderungen von Kreditinstituten gilt, dass diese handelsrechtlich gemäß § 340e Abs. 1 HGB mit den Vorschriften für das Umlaufvermögen nach dem strengen Niederstwertprinzip oder mit dem geringeren beizulegenden Wert zu berücksichtigen sind (vgl. Becker/Schneider, 2005, S. 26 ff.). Zu bewerten sind Forderungen steuerlich dagegen mit dem niedrigeren Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG. Beizulegender Wert nach dem HGB und Teilwert nach dem EStG unterscheiden sich in der Praxis aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips jedoch meist nicht. Dabei haben sich die steuerlichen Vorschriften im Hinblick auf die Anerkennung der Risikovorsorge durch das „Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002“ erheblich verschärft. Kriterium für die Bildung einer steuerlich zulässigen Teilwertabschreibung und auch die Vermeidung einer Wertaufholung ist das Tatbestandsmerkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung einer Forderung. Zudem ist die Beweispflicht der Kreditinstitute verstärkt worden. So ist der Nachweis der Dauerhaftigkeit der Wertbeeinträchtigung bei jeder Forderung zu führen und zu dokumentieren (vgl. Becker/Schneider, 2007, S. 81 ff.). Zudem wurde ein Wertaufholungsgebot zu jedem Abschlussstichtag eingeführt, das heißt die alljährliche Rückkehr zur Regelbewertung zu den Anschaffungskosten oder Herstellungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Nr. 2 Satz 3 EStG. Die steuerliche Wertaufholungspflicht mit der jeweiligen Rückkehr zur Bewertungsobergrenze führt also im Ergebnis

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4 Sanierung aus Bankensicht

dazu, dass jede wertberichtigte Forderung zum Abschlussstichtag erneut auf die Dauerhaftigkeit ihrer Wertberichtigungsnotwendigkeit zu überprüfen ist (vgl. Becker/Schneider, 2007, S. 55). Somit ist regelmäßig zu jedem Bilanzstichtag eine Neubewertung dieser Forderungen und auch der Sicherheiten vorzunehmen. Während die Bildung und Auflösung von Einzelwertberichtigungen nach HGB und EStG noch überschaubar ist, so verändert sich diese Situation bei der Bilanzierung nach IAS oder IFRS. Diese Rechnungslegungsvorschriften haben kapitalmarktorientierte Kreditinstitute zu beachten. Im Rahmen der Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IFRS verkompliziert sich auch die Ermittlung der Wertberichtigungen. Die Ermittlung der Risikovorsorge auf Forderungen ist in IAS 39 geregelt (vgl. Löw, 2005, S. 526 ff.). So sind Einzelwertberichtigungen auf Forderungen zu erfassen, bei denen eine Wertminderung (Impairment) festgestellt wurde. Zur Ermittlung der Risikovorsorge muss die bilanzierende Bank nach IAS 39.58 zu jedem Bilanzstichtag prüfen, ob Hinweise für eine Wertminderung vorliegen. Ein Impairment liegt nach IAS 39.59 dann vor, wenn bei einem laufenden Kreditengagement objektive Hinweise auf eine Wertminderung vorliegen. Indikatoren für ein Loss Event sind unter anderem (vgl. PricewaterhouseCoopers, 2005, S. 286 ff.): 

Erhebliche finanzielle Schwierigkeiten des Schuldners



Verzug von Zinszahlungen und Tilgungsleistungen



Sanierungsmaßnahmen oder eine Insolvenzantragstellung werden wahrscheinlich

Bei Vorliegen eines Loss Events ist die Wertverminderung aus dem laufenden Buchwert der Forderung und dem Barwert der noch zu erwartenden Zahlungsströme aus dem Engagement zu errechnen. Bei bedeutenden Einzelforderungen ist eine Einzelprüfung nach IAS 39.64 zur Ermittlung der Höhe der Risikovorsorge vorzunehmen. Die Wertberichtigung ist nach dieser Bestimmung ergebniswirksam zu erfassen (vgl. Stosch, 2008, S. 241 ff.). Zur genauen Ermittlung der Risikovorsorge werden die erwarteten Zahlungsströme in Form von Zins- und Tilgungsleistungen sowie potenzielle Erlöse aus Sicherheitenverwertungen unter Berücksichtigung von Verwertungskosten geschätzt und mit einem geeigneten Diskontierungssatz abgezinst. Bei Krediten mit fester Zinsbindung wird der ursprünglich vereinbarte Effektivzinssatz für die Abzinsung verwendet. Bei variabel verzinslichen Darlehen gilt der aktuelle laufzeitspezifische Marktzinssatz. Die einzelnen Zahlungsströme sind gemäß IAS 39 zu dokumentieren, um die Barwertberechnung nachvollziehbar zu gestalten. Diese Barwerte sind im Zeitablauf fortzuschreiben. Eine unerwartete Zahlung, beziehungsweise das unerwartete Ausbleiben einer Zahlung, ist ebenfalls bei der Forderung und der Anpassung der Risikovorsorge zu berücksichtigen (vgl. Löw, S. 533 ff.). Vorteil dieser Bilanzierung ist die detaillierte Erfassung von Einzelwertberichtigungen, unter Berücksichtigung der effektiven Zahlungsströme. Nachteil ist der hohe Aufwand bei der Ermittlung der Wertberichtigungen bei einer Vielzahl von Krisenfällen. Daher wird in diesem Buch künftig der Blankoteil als Wertberichtigung angesetzt, da der Hauptzweck des Werkes der professionellen Bearbeitung von Sanierungsfällen gilt und nicht der buchungstechnischen Erfassung der Risikovorsorge. Es wird im Folgenden weiter der Begriff Einzelwertberichtigung verwendet, auch wenn dieser Begriff gemäß IFRS nicht existiert.

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

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Erhebliche zusätzliche Risiken können für Kreditinstitute aus gesellschaftsrechtlichen oder wirtschaftlichen Verflechtungen zu einer Krisenfirma entstehen. So kann die Schieflage der Firma auf andere Kunden der Bank ausstrahlen und sich damit der Risikoeffekt für das Institut vervielfachen. Zudem kann die Bank selbst Abnehmer von Produkten einer Krisenfirma sein, mit einer engen Verflechtung in der Wertschöpfungskette. Auch können sich aus Beteiligungen an Kreditnehmern besondere Risiken ergeben. Diese Gefährdungen aus dem unmittelbaren Umfeld des Krisenfalls sind zu untersuchen. Ausgewählte Risiken aus gesellschaftsrechtlichen oder wirtschaftlichen Verbindungen können sein: 

Sekundärrisiken: Verbundene Kredite zu anderen Kreditnehmern



Operationelle Risiken: Lieferungs- oder Leistungsverträge mit der Krisenfirma



Risiken aus Beteiligungen: Gesellschafterstellung der Bank beim Krisenunternehmen

Diese Risikokomponenten sollen im Folgenden analysiert werden, da sie eine große wirtschaftliche Bedeutung für ein betroffenes Kreditinstitut haben und die Wirkung des bisher festgestellten Blankorisikos vervielfachen können. So können sich, infolge von Abhängigkeiten einer Krisenfirma zu Lieferanten oder Abnehmern, die ebenfalls Kreditkunden der Bank sind, Risikokonzentrationen ergeben. Diese besonderen Gefährdungen werden im Folgenden als verbundene Kreditrisiken bezeichnet (vgl. Portisch, 2005a, S. 52 ff.). Gerät ein großes Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage, sind die Auswirkungen auf das relevante Umfeld meist gravierend. Betroffen von der Krise sind verschiedene Stakeholder im Unternehmen und im externen Unternehmensumfeld. Mitarbeiter der Krisenfirma verlieren ihre Arbeitsplätze, Hauptlieferanten vermerken Umsatzeinbrüche und Forderungsausfälle, Abnehmer haben mit Leistungseinbußen zu rechnen. Für Kreditinstitute ist dann unter Umständen nicht allein das originäre Blankorisiko bei einer Krisenfirma wertzuberichtigen, sondern es folgen mit einem Time Lag weitere Risiken im Schlepptau, sogenannte sekundäre Risiken (vgl. Portisch, 2005a, S. 52). Die genaue Quantifizierung der Kreditrisiken darf sich somit nicht allein auf das originäre Blankovolumen beschränken, sondern muss nach dem Grad der ausstrahlenden Gefährdung auch die ausgereichten Kreditmittel an weitere abhängige Stakeholder dieses Kreditrisikoverbundes erfassen. Der Verbund kann weiter reichen als die Kreditnehmereinheit nach § 19 Abs. 2 KWG. Ursache ist die wirtschaftliche Abhängigkeit der internen und externen Stakeholder zum Krisenunternehmen. Besonders zwischen Firmen in einer Region bestehen häufig enge wirtschaftliche Verflechtungen über Geschäftspartnernetzwerke. Diese starken Verbindungen erzeugen wechselseitige Abhängigkeiten. So kann allein ein großes Umsatzvolumen eine gegenseitige wirtschaftliche Verzahnung zueinander erzeugen. Weitergehend sind spezifische Investitionen bedeutend, wenn unter anderem die Produktionskapazitäten genau auf die Auftragslage eines Kunden angepasst sind. Die Auswirkungen können zudem die Arbeitnehmer der Krisenfirma betreffen und Ausfälle bei Objektfinanzierungen und Ratenkrediten bewirken. Aufgrund der Übersichtlichkeit und der Risikobedeutung sollen allein Firmenverbindungen betrachtet werden. Die nachfolgende Abbildung 4.24 zeigt den möglichen Ausstrahlungseffekt des Krisenkunden auf Lieferanten und Abnehmer mit der Erfassung des gesamten Kreditrisikoverbundes.

98

4 Sanierung aus Bankensicht

Kreditrisikoverbund in der Wertschöpfungskette

Lieferanten

Krisenunternehmen

Abnehmer

Gesamtwirkung des Kreditrisikoverbunds für ein Kreditinstitut

Abb. 4.24 Kreditrisikoverbund eines Engagements

Die Ausstrahlungseffekte der Gefährdungen bei einer großen Krisenfirma können somit für eine Bank erhebliche Risikowirkungen entfalten. Daher sind auch diese Folgerisiken zu identifizieren, transparent zu machen und zu steuern. Folgende Kriterien können mögliche Anhaltspunkte für wirtschaftliche Beziehungen zur Krisenfirma liefern und Ausgangspunkt für eine bankinterne Analyse sein (vgl. Portisch 2005a, S. 54): 

Finanzielle Abhängigkeiten von Unternehmen aus offenen Forderungen



Volumensmäßige Verflechtungen mit Lieferanten und Abnehmern



Strategische Kooperationen und Partnerschaften mit anderen Firmen

Wichtig ist es, bedeutende Abhängigkeiten herauszufiltern. Informationen über enge Kooperationen lassen sich aus Kreditgesprächen gewinnen. Starke Abnehmer- und Lieferantenbeziehungen ergeben sich aus betriebswirtschaftlichen Auswertungen, Kreditorenaufstellungen und Debitorenlisten. Weiter lassen sich Daten zur Ermittlung eines Verbunds über den Zahlungsverkehr und die Auswertung der Kontoführung gewinnen. Die Darstellung lässt sich in einem Map visualisieren, um eine Gesamtsicht auf die Risiken zu erhalten. Interessant für die Analyse und Steuerung sind jedoch allein die Verbindungen, die eine direkte Wirkung auf die Bonität erwarten lassen. Wird zum Beispiel festgestellt, dass ein Lieferant, der ebenfalls Kreditnehmer der Bank ist, rund 50 % seines Umsatzes mit der Krisenfirma abwickelt, so ist er in diesen Risikoverbund mit aufzunehmen, da eine negative Auswirkung des Krisenunternehmens auf die Bonität dieses Lieferanten wahrscheinlich ist. Nach der Identifikation eines Risikokreises sind die Inanspruchnahmen, die stressgetesteten Sicherheiten und die Blankoteile aller Teilnehmer des Kreditrisikoverbundes zu erfassen, um einen Überblick über die Gesamtrisiken zu erhalten. Aufgabe der Verbundquantifizierung ist

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

99

es, das mögliche Schadenspotenzial gemeinsamer Kreditrisiken zu berechnen. Anschließend ist abzuwägen, welche Maßnahmen im Rahmen der Risikosteuerung zu ergreifen sind. Interessant ist die Steuerung der möglichen Folgerisiken aus dem Umstand heraus, dass meist ein großes Zeitfenster für den Abbau dieser verbundenen Risiken besteht. Folgende ausgewählte Handlungsoptionen bestehen für betroffene Banken: 

Neukreditgeschäft: Wurde festgestellt, dass ein bestehender oder neuer Kunde aus dem Verbund einen Kreditantrag stellt, kann dieser Kredit abgelehnt werden oder die Zinskonditionen dem Risiko adäquat angepasst werden.



Prolongationen: Der Rahmen der Risikosteuerung ist hier enger gesteckt, da sich das Risiko bereits in den Büchern befindet. Es ist ein Kundengespräch mit der betroffenen Firma zu initiieren. Die Abhängigkeitsproblematik ist unter Wahrung des Bankgeheimnisses zu kommunizieren. Handlungsoptionen können der abhängigen Firma aufgezeigt werden, um die Verflechtung zum Krisenunternehmen zu lockern. Alternativ können die Linien gesenkt oder eine Nachbesicherung gefordert werden.

Wurde der Risikoverbund identifiziert und Gegenmaßnahmen eingeleitet, so sind die Risikokonzentrationen nachhaltig zu kontrollieren. Es bietet sich an, diese Überwachungsaufgabe durch die zentrale Sanierungsabteilung durchführen zu lassen. Auf diese Art und Weise können relevante Informationen aller betroffenen Kreditnehmer den Filialen und Geschäftsstellen zugänglich gemacht werden. So wird eine hohe Informationstransparenz innerhalb der Bank sichergestellt. Die Kreditentscheidungen für die beteiligten Engagements sollten unter Hinzuziehung der Sanierungsabteilung erfolgen. Diese Abteilung kann den Risikogehalt von Geschäften mit Teilnehmern aus dem Kreditrisikoverbund präzise einschätzen. Ebenfalls ist die Kundenkommunikation an die brisante Thematik anzupassen. Diese ist durch die Sanierungsabteilung zu steuern. Große Verbünde sind in den vierteljährlichen Risikobericht an die Geschäftsleitung mit aufzunehmen, wenn sie von Bedeutung für das Kreditportfolio und das Eigenkapital der Bank sind (vgl. Portisch, 2005a, S. 56). Neben dem Verbundrisiko können operationelle Risiken bestehen. Diese beschreiben die mögliche Gefahr von Verlusten für ein Kreditinstitut, die aufgrund einer Unangemessenheit oder eines Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen eintreten können beziehungsweise auf externen Ereignissen beruhen. Operationelle Risiken können damit auch aus dem Umstand heraus resultieren, dass eine Bank in technischer oder logistischer Abhängigkeit zu einer Krisenfirma steht. So können Kreditinstitute abhängig sein von externen Rechenzentren, Software-Unternehmen oder Zulieferern für Bankprodukte. Wenn starke Verflechtungen bestehen, die nicht kurzfristig substituiert werden können, existieren operationelle Risiken, die zu beachten und zu bewerten sind. Entstehen bei dem Partnerunternehmen eines Kreditinstituts Bonitätsrisiken, sind unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, um die operative Abhängigkeit zu der Krisenfirma zu verringern. Dieser Schritt sollte durch die zentrale Sanierungsabteilung eingeleitet und auch überwacht werden, da in dieser Abteilung zeitnahe Informationen über die wirtschaftliche Lage der Krisenfirma vorliegen. Insbesondere wenn andere Bankbereiche betroffen sind, ist oftmals eine abteilungsübergreifende Vorstandsentscheidung notwendig, damit Maßnahmen zur Reduzierung der Abhängigkeit schnell und wirkungsvoll umgesetzt werden können.

100

4 Sanierung aus Bankensicht

Des Weiteren können Risiken bestehen, wenn Banken sich aufgrund einer engen Geschäftsbeziehung oder aus anderen Gründen an einem Firmenkunden beteiligt haben. Bislang galt, dass bei der Beteiligung eines Kreditinstituts an einem Kreditnehmer die Bestimmungen zum Eigenkapitalersatz gemäß § 32 a Ab. 1 GmbHG greifen können. Diese Norm beschreibt ein eigenkapitalersetzendes Darlehen dahingehend, dass ein Gesellschafter zu einem Zeitpunkt, zu dem ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, ein Darlehen gewährt hat. Gesellschafterdarlehen werden dann zu wirtschaftlichem Eigenkapital umqualifiziert. Zahlungen auf diesen Kredit sind rückwirkend für ein Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags gemäß § 32 b GmbHG zurückzugewähren (Schmidt, 2009, S. 166 ff.). Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) wird diese Regelung abgeschafft (vgl. Goette, 2008, S. 24 ff.). Die Bestimmungen nach §§ 32 a und 32 b GmbHG wurden in die Insolvenzordnung verlagert (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Nach dem neuen Konzept existieren keine eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen mehr. Jedes Darlehen eines Gesellschafters ist bei Eintritt der Insolvenz künftig nachrangig, unabhängig davon, ob es in einem Stadium der Krise gewährt oder auch nur stehen gelassen wurde. Zusätzlich können sämtliche Leistungen, die der Gesellschafter innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag erhalten hat, durch den Insolvenzverwalter rückwirkend angefochten werden (vgl. Bauer, 2008, S. 207 ff.). Auch das Sanierungsprivileg wird künftig rechtsformneutral gehandhabt und in die Insolvenzordnung integriert (§ 39 Abs. 4 InsO). Erwirbt ein Kreditgeber in der Krise Geschäftsanteile zum Zweck der Überwindung der Schwächephase, so führt dieser Sachverhalt für seine bestehenden oder neu gewährten Kredite nicht zur Anwendung der Insolvenzordnung. Weiterhin problematisch ist jedoch die Dauer der Privilegierung. Denn die Kredite und sonstigen Finanzierungsleistungen werden nur einmalig den Regelungen der InsO entzogen. Ein erneuter wirtschaftlicher Zusammenbruch führt auch künftig zur Nachrangigkeit der neu gewährten und der stehengelassenen Darlehen. Das Kleingesellschafterprivileg gilt bis zu einer Beteiligungsgrenze von 10 % (§ 39 Abs. 5 InsO). Unabhängig von diesen Regelungen können sich in der Praxis wirtschaftliche Probleme aus Beteiligungen von Kreditinstituten an Krisenfirmen ergeben. So werden die übrigen Gläubiger auf die Gesellschafterstellung einer Bank hinweisen und den Einschuss von notwendigen Finanzmitteln fordern, wie auch von anderen Gesellschaftern. Aus dieser Sicht ist eine Beteiligung von Banken an Nichtbanken generell abzulehnen. Aus Informationsaspekten können sich dennoch Vorteile aus einer Beteiligung und eventuellen Mandaten in Aufsichtsräten und Beiräten ergeben. Auf diese Weise erhält eine beteiligte Bank faktisch Einblicke, die sich aus der alleinigen Position als Kreditgeber nicht ergeben würden. Zusammenfassung Abschnitt 4.2.1: In diesem Abschnitt wurden verschiedene Organisationsformen und Geschäftsprozesse von Sanierungsabteilungen dargestellt und ihr Einsatz in der Praxis beurteilt. Dabei zeigte sich, dass zentrale Abteilungen Vorteile bei der einheitlichen Umsetzung einer Kreditrisikostrategie haben. Zudem können Abläufe effizient koordiniert und umgesetzt werden. Zusätzlich ist von Bedeutung, dass eine umfassende Risikobetrachtung der Engagements erfolgt, indem verbundene Kreditrisiken, operationelle Gefährdungen und Risiken aus Gesellschafterstellungen berücksichtigt werden.

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

4.2.2

101

Praxisfall zur Steuerung einer Sanierung

Wir befinden uns in der Mitte des Jahres xxx1. Nachdem Risikoauffälligkeiten bei der Druck GmbH festgestellt wurden, hat der zuständige Kreditanalyst der Mittelstandsbank AG das Kreditengagement mit dem Rating 14 als anmerkungsbedürftig versehen und mit sämtlichen Akten an die zentrale Sanierungsabteilung übergeben. Das Engagement Druck GmbH fällt in den Filialbereich von Sanierungsteam 1. Die Entscheidungskompetenz für dieses Firmenengagement liegt aufgrund des Kreditvolumens und des hohen Blankoteils nach dem internen Kompetenzschema beim Risikovorstand des Kreditinstituts. Die Hausbank der Druck GmbH hat in den letzten Jahren eine zentrale Sanierungsabteilung mit Sanierungsbetreuern und Analysten aufgebaut. Bei Durchsicht der Unterlagen durch den Sanierungsbetreuer der Mittelstandsbank AG ergeben sich erste Hinweise auf die Krisenursachen aus früheren Aktenvermerken. So hat es in der Vergangenheit bereits wirtschaftliche Schwierigkeiten gegeben und es ist verstärkt vor den erheblichen Investitionen in Gebäude und Maschinen mit dem potenziellen Aufbau von Überkapazitäten gewarnt worden. Ebenso fällt dem Sanierungsbetreuer ein Vermerk zu einer im Jahr xxx-1 stattgefundenen Gläubigerrunde in die Hände, zu der die Lieferanten und Warenkreditversicherer aufgrund der hohen Ausnutzung der Linien und der Klärung der Sicherheitenlage mit den kreditgebenden Banken gebeten hatten. Weitere Informationen zu der Sitzung sind nicht bekannt. Aktuell stehen nach Durchsicht der Unterlagen keine Gespräche an. Aus den Vermerken und der Zusendung neuen Zahlenmaterials ergeben sich weitere Informationen: 

Ein Großabnehmer aus der öffentlichen Verwaltung ist weggefallen. Dieser druckt seine Formulare künftig über die hauseigene Datenverarbeitung aus.



Bei einem Abnehmer ist ein Forderungsausfall in Höhe von 50 TEUR aufgetreten. Diese Forderung wurde nicht durch eine Versicherung oder Anzahlungen abgesichert.



Es haben sich erhebliche Fehlkalkulationen, verursacht von Geschäftsführer Müller, bei mehreren Aufträgen ergeben, mit umfassenden Volumina.



Die Papierlieferant GmbH, ebenfalls Firmenkunde der Mittelstandsbank AG, mit einem Kreditvolumen von rund 3.000 TEUR blanko, weist ein Forderungsvolumen von 1.000 TEUR gegenüber der Druck GmbH auf. Die Einkaufslinie der Druck GmbH ist in Höhe von 500 TEUR rückversichert bei der Kreditversicherer AG. Das First Loss Piece trägt die Papierlieferant GmbH. Bei einem Schadensfall sind die ersten 500 TEUR damit unversichert. Zahlungspflichtiges Ereignis ist die Insolvenz des Kunden. Der Lieferant tätigt rund 10 % der Gesamtumsätze mit der Druck GmbH.



Die Ausnutzung der Kreditlinien bei anderen Banken und Gläubigern ist nicht bekannt. Aufgrund der Liquiditätsenge wird von einer Vollausschöpfung ausgegangen.



Die Einkaufsabteilung der Mittelstandsbank AG hat das Logistik-Geschäft mit der Krisenfirma intensiviert und plant die Software eng mit der Druck GmbH zu verzahnen.



Der zuständige Firmenkundenbetreuer beantragt auf Wunsch der Firma eine Erhöhung der Kontokorrentlinie um 100 TEUR auf 3.100 TEUR bis Ende des Jahres xxx1.

102

4 Sanierung aus Bankensicht

Aktuelles Zahlenmaterial aus dem ersten Halbjahr per 06/xxx1 zeigt Tabelle 4.15. Tab. 4.15 GuV der Druck GmbH mit Halbjahreszahlen per 06/xxx1

Gewinn- und Verlustrechnung der Druck GmbH GuV per

xxx-2

xxx-1

xxx0

06/xxx1

Umsatz/Gesamtleistung

15.700

15.000

13.700

5.700

Materialaufwand

8.500

7.800

7.300

3.200

Rohertrag

7.200

7.200

6.400

2.500

Personalaufwand

3.400

3.200

3.100

1.500

Abschreibungen

400

500

600

300

Zinsaufwand

200

300

500

300

Sonstige Aufwendungen

3.000

2.900

2.400

1.400

Jahresergebnis

200

300

-200

-1.000

Cash Flow

600

800

400

-700

Als Ursachen für die wirtschaftliche Fehlentwicklung im ersten Halbjahr per 06/xxx1 werden Forderungsausfälle und Fehlkalkulationen angegeben. Zudem hat sich die Auftragslage nicht wie geplant entwickelt. So ist die Druck GmbH bei mehreren lukrativen Projekten nicht zum Zuge gekommen. Zusätzlich konnten die Kosten aufgrund des größtenteils fixen Charakters unterjährig nicht unverzüglich an die reduzierte Auftragslage angepasst werden: 

Es bestehen freie Kapazitäten bei den Druckmaschinen. So wurde bereits eine der neuen Maschinen temporär stillgelegt. Die Druckmaschinen werden aktuell nur noch mit einem Verkehrswert von 400 TEUR pro Stück am Markt gehandelt.



Der Analyst erkennt inhaltliche Fehler bei der Warensicherungsübereignung. So sind im Sicherungszweck nur Fertigwaren angegeben. Werthaltig sind die Rohstoffe, das Papier und die Farben. Zudem ist der Sicherungszweck auf das laufende Konto begrenzt.



Der Stresstest hat eine Abwertung bei der Warensicherungsübereignung auf Null ergeben, aufgrund der ungeklärten Vorrechte der Lieferanten aus erweitertem und verlängertem Eigentumsvorbehalt am werthaltigen Rohstoff Papier.

Laut Aktenlage und Prüfung der Sicherheiten liegt keine Bürgschaft von Müller vor. Gemäß einem Vermerk weigert sich Müller zu einer persönlichen Obligierung und begründet dies mit seinem fortgeschrittenen Alter. Das Unternehmen Druck GmbH wurde als erhöht risikobehaftet eingestuft und dem zentralen Sanierungsmanagement übergeben. Aufgabenstellungen 1

Erstellen Sie einen Erstbericht für den Kompetenzträger.

2

Geben Sie eine Empfehlung für die Entscheidung des Vorstands.

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

4.2.3 1

103

Lösung des Praxisfalls zur Sanierungssteuerung

Erstellen Sie einen Erstbericht für den Kompetenzträger.

Rating, Linien, Sicherheiten, Risiko und Risikovorsorge Tab. 4.16 Übersicht über das Engagement Druck GmbH

Engagement Druck GmbH Rating

10

12

12

14

15

Angaben in TEUR

xxx-2

xxx-1

xxx0

xxx1 Ist

xxx1 Antrag

Volumen*

3.500

5.500

5.500

5.600

5.600

Kontokorrentlinie

3.000

3.000

3.000

3.000

3.100

(2.550)

(2.800)

(2.950)

(3.100)

(3.100)

---

2.000

2.000

2.000

2.000

Avallinie

500**

500

500

500

500

(Avalausnutzung)

(200)

(300)

(450)

(500)

(500)

Sicherheiten

---

1.700

1.650

900

1.000

RKW Kapital-LV

---

---

50

100

100

Warenübereignung

---

700

600

---

---

Druckmaschinen

---

1.000

1.000

800

800

Globalzession

---

---

---

---

100

Blanko/Risiko

3.500

3.800

3.850

4.700

4.600

---

---

---

---

4.600

(Inanspruchnahme) Investitionsdarlehen**

EWB *

Volumen = Linie oder Inanspruchnahme, die höhere Ausnutzung zählt

**

Tilgungsersatzleistungen für die Druckmaschinendarlehen in Höhe von 50 TEUR p.a.

Kreditanträge 

Antrag auf befristete Erhöhung der Kontokorrentlinie um 100 TEUR bis Ende des Jahres xxx1 gemäß der Inanspruchnahme, gegen Globalzession beschränkt auf 100 TEUR.



Einforderung einer Bürgschaft von Müller über 500 TEUR und Eintragung einer nachrangigen Grundschuld über 500 TEUR auf der Gewerbeimmobilie.



Umqualifizierung des Engagements in die Ratingstufe 15 als gefährdetes Engagement und Einstellung einer EWB in Höhe des Blankoteils von 4.600 TEUR.



Weitere Verfolgung einer stringenten Sanierungsstrategie gemäß dem nachfolgend dargestellten Weiterbehandlungskonzept.

104

4 Sanierung aus Bankensicht

Konditionen, Deckungsbeiträge aus der Kundenbeziehung und Evidenzmeldung Tab. 4.17 Rahmendaten beim Engagement Druck GmbH

Konditionsbeiträge und Evidenzmeldung Zeitpunkte

xxx-2

xxx-1

xxx0

xxx1 Ist

xxx1 Antrag

Konditionen KK

8,00 %

9,00 %

9,00 %

9,50 %

10,00 %

Konditionen Darlehen

6,00 %

6,00 %

6,00 %

6,00 %

6,00 %

Avalkonditionen

0,50 %

0,50 %

0,50 %

0,75 %

1,00 %

Deckungsbeitrag TEUR

35

38

39

70

75

Volumen in Mio. EUR

4.250

6.600

12.600

12.800

12.800

2

2

3

3

3

Anzahl Institute

Verbundene Kreditrisiken, operationelle Risiken und Risiken aus Beteiligungen 

Es besteht ein enger wirtschaftlicher Risikoverbund der Druck GmbH zum Kreditnehmer Papierlieferant GmbH. Das gemeinsame Risiko aus den Linien und der Inanspruchnahmen beläuft sich auf 8.600 TEUR, blanko 7.600 TEUR.



Das Risiko ist somit erheblich und es sind Maßnahmen zu ergreifen, um den Blankoteil bei beiden Engagements zu senken. Zu beachten ist bei der Kommunikation mit der Papierlieferant GmbH die Wahrung des Bankgeheimnisses.

Nachfolgende Abbildung 4.25 verdeutlicht die Kreditvolumina aus dem Kreditrisikoverbund.

Kreditrisikoverbund - Druck GmbH Papierlieferant GmbH

Druck GmbH

Linien: TEUR 3.000 Blanko: TEUR 3.000

Linien: TEUR 5.600 Blanko: TEUR 4.600

Kreditrisikoverbund bei der Mittelstandsbank AG Linien: TEUR 8.600 Blanko: TEUR 7.600

Abb. 4.25 Kreditrisikoverbund der Druck GmbH gemäß Kreditantrag

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

105



Aufgrund der engen Einbindung der Druck GmbH in die Logistikkette der Mittelstandsbank AG bei der Belieferung mit Büroartikeln existieren operationelle Risiken. In einer Insolvenz der Druck GmbH könnte es zu Lieferengpässen kommen.



Zudem kann aufgrund der Abhängigkeit potenziell Druck auf die Mittelstandsbank AG als Kreditgeber ausgeübt werden. Die Reduzierung dieser Abhängigkeit ist einzuleiten. Dazu ist Kontakt zu den betroffenen Abteilungsdirektoren der Bank aufzunehmen.



Es besteht ein Risiko aus der Beteiligung der Mittelstandsbank AG in Höhe von 5 % an der Druck GmbH. Dieses Beteiligungsrisiko ist durch die Juristen zu prüfen und Möglichkeiten zur Beseitigung dieser Gesellschafterstellung sind vorzuschlagen.

Historie des Engagements 

Die Geschäftsbeziehung der Mittelstandsbank AG zur Druck GmbH besteht seit vielen Jahren. Wichtige Profit Center der Druck GmbH sind die Bereiche Formulardruck, Etikettendruck, der Werbedruck und die Logistik.



Die Geschäftsführung ist stark auf Hauptgesellschafter Müller ausgerichtet. Hohe Investitionen wurden in den letzten Jahren in zwei Druckmaschinen und ein neues Gewerbeobjekt getätigt. Dadurch hat sich die Verschuldung stark erhöht.



Es bestehen viele interne Risiken aufgrund unzureichender Controllingsysteme, überhöhter Kapazitäten, starker Verschuldung, rückläufiger Umsätze und Erträge, eines Anstiegs des Warenlagers sowie externe Risiken aufgrund eines Branchenrückgangs.



Das Unternehmen befindet sich derzeit in einer Strategiekrise, Ertragskrise und Liquiditätskrise. Diese wirtschaftlichen Kerndaten werden im Folgenden angegeben.

Aktuelle Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage Tab. 4.18 Wirtschaftliche Verhältnisse der Druck GmbH

Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage Angaben TEUR und (%)

xxx-2

xxx-1

xxx0

06/xxx1

Eigenkapital

1.000

1.000

800

-200

Wirtschaftliches Eigenkapital

1.500

1.450

1.200

200

Umsatz/Gesamtleistung

15.700 (100)

15.000 (100)

13.700 (100)

5.700 (100)

Materialaufwand

8.500 (54,14)

7.800 (52,00)

7.300 (53,28)

3.200 (56,14)

Rohertrag

7.200 (45,86)

7.200 (48,00)

6.400 (46,72)

2.500 (43,86)

Personalaufwand

3.400 (21,66)

3.200 (21,33)

3.100 (22,63)

1.500 (26,32)

Jahresergebnis

200 (1,27)

300 (2,00)

-200 (-1,46)

-1.000 (-17,54)

Cash Flow

600 (3,82)

800 (5,33)

400 ( 2,92)

-700 (-12,28)

Debitorenlaufzeit (Tage)

35,54

40,80

52,55

61,20

106

4 Sanierung aus Bankensicht

Das Eigenkapital wurde gemäß den unterjährigen Zahlen aufgezehrt und kann nur durch die Gesellschafterdarlehen bilanziell gestützt werden. Umsätze und Erträge sind stark rückläufig. Die Ertragslage ist katastrophal. Die Materialaufwandsquote hat sich gegenüber den Vorjahren stark verschlechtert. Der unterjährige Jahresfehlbetrag ist deutlich negativ und der Cash Flow deckt die Kapitaldienste der Gläubiger nicht. Insgesamt gesehen weist die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage eine desolate Entwicklung auf. Die Kernursachen für diese negative Entwicklung sind im strategischen Bereich zu vermuten. Die Auswirkungen zeigen sich bereits deutlich in den finanziellen Daten des Unternehmens. Gläubigerstruktur und Sicherheiten der Gläubiger Tab. 4.19 Gläubigerspiegel mit geschätzten Blankoteilen

Gläubiger

Kreditprodukte

Linien in TEUR

Blankoteil/Risiko

Kreditinstitute Mittelstandsbank AG

Kredite und Avale

5.600

4.600

Großbank AG

Kredite

1.500

1.500

Ausstiegsbank AG

Kredite

500

500

Grundbank AG

Kredite

5.700

2.000

Solobank AG

Kredite

300

300

Lieferanten Papierlieferant GmbH

Einkaufslinie

1.000

500

Papierzulieferer KG

Einkaufslinie

800

400

Farbenlieferant OHG

Einkaufslinie

300

300

Kreditversicherer Kreditversicherer AG

Warenversicherung

500

500

Warenversicherer GmbH

Warenversicherung

400

400

Weiterbehandlungskonzept 

Die Warensicherungsübereignung ist zu aktualisieren und es ist generell zu versuchen einen weiten Sicherungszweck für alle Konten zu erreichen. Es ist eine Sicherheitenprüfung durchführen und die Vorrechte der Lieferanten sind zu klären. Eine Anpassung der Werte ist nach einem Stresstest vorzunehmen.



Die Globalzession ist mit weitem Sicherungszweck zu vereinbaren. Zunächst wird die Hereinnahme einer erstrangig auf 100 TEUR begrenzten Globalzession angestrebt. Eine Bürgschaft von Müller über einen nennenswerten Betrag, zum Beispiel 500 TEUR, ist einzufordern, damit er im Zweifel eine Sanierung voll unterstützt.

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

107



Die Eintragung einer nachrangigen Grundschuld über 500 TEUR sollte auf dem Gewerbeobjekt erfolgen. Zudem sind die Rückübertragungsansprüche aus Grundschulden der vorrangigen Gläubiger an die Mittelstandsbank AG abzutreten und anzuzeigen. Zugleich ist ein Verkaufsauftrag für die Altimmobilie hereinzunehmen.



Die Darstellung des Gesamtrisikos dieses Kreditengagements ist in den vierteljährlichen Risikobericht an den Aufsichtsrat aufzunehmen, aufgrund der Gefährdungen aus diesem Risikoverbund, der operationellen Risiken und der Gefahren aus der Beteiligung. Diese drei Risikokomponenten sind zu überwachen und abzubauen.



Es ist eine Liquiditätsplanung mit einer Vorausschau für mindestens sechs Monate hereinzunehmen. Die Überschuldung ist abzuwenden und die Liquidität abzusichern. Anschließend soll der Einsatz eines externen fachkundigen Unternehmensberaters zur Feststellung der Sanierungsfähigkeit der Firma erfolgen.

In einem Gespräch mit der Druck GmbH ist dem Geschäftsführer Müller die katastrophale wirtschaftliche Lage zu verdeutlichen. Zu erörtern sind die Krisenursachen und die notwendigen Maßnahmen zur Einleitung einer Sanierung. Alle Sicherheiten sind formal und materiell zu prüfen und die neuen Sicherheiten sind hereinzunehmen. Laufend sind Überwachungen und Überprüfungen der Besicherungen vorzunehmen. Aufgrund der festgestellten verbundenen Risiken zu einem Lieferanten sind auch mit der Papierlieferant GmbH unverzüglich Gespräche zu führen, um die Abhängigkeit aus Klumpenrisiken zu verdeutlichen. Weiter ist die Liquidität zu überwachen, um eine drohende Insolvenz abzuwenden, die alle weiteren Sanierungsbemühungen im Keim ersticken würden. Der Steuerberater sollte kurzfristig einen Überschuldungsstatus einreichen und Maßnahmen zur Abwendung der Überschuldung vorschlagen und umsetzen. Die Abwendung der Überschuldung ist vom Steuerberater schriftlich zu dokumentieren. Entscheidungsbedarf und Wiedervorlagetermin 

Umqualifizierung des Engagements in die Ratingstufe 15 und Einstellung einer EWB in Höhe des Blankoteils von 4.600 TEUR.



Ausweitung der Kontokorrentlinie um 100 TEUR auf 3.100 TEUR gegen Hereinnahme einer erstrangigen und auf 100 TEUR beschränkten Globalzession.



Einforderung der Bürgschaft von Müller über nominal 500 TEUR und Eintragung einer nachrangigen Grundschuld über nominal 500 TEUR.



Genehmigung der weiteren Vorgehensweise gemäß Weiterbehandlungskonzept. Insbesondere Vermeidung der Insolvenz mit zu treffenden Sofortmaßnahmen.



Einsetzung einer internen Projektgruppe unter Leitung des Sanierungsteams 1 mit dem vorrangigen Ziel der Feststellung der Sanierungswürdigkeit.



Weitere Bearbeitung des Engagements mit einer laufenden Überwachung der Kontoführung anhand eines Liquiditätsplans und Berichterstattung bei aktuellen Ereignissen.

108

4 Sanierung aus Bankensicht

Das Unternehmen Druck GmbH befindet sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Alle Krisenstadien wurden bereits durchlaufen, sodass sich das Unternehmen in der Liquiditätskrise befindet. Dringend sind Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Liquidität und des Eigenkapitals gemäß dem Weiterbehandlungskonzept einzuleiten. Dazu sind Gespräche mit dem Unternehmen zu führen, um die finanzielle Situation zu verifizieren. Es ist die Einsetzung eines externen Beraters zu forcieren, der die Sanierungsfähigkeit bestimmt. 

Vorschlag für die Wiedervorlage (WV) per 10/xxx1

2

Geben Sie eine Empfehlung für die Entscheidung des Vorstands.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind unverzüglich einzuleiten. Dabei sind die Liquiditätsprobleme und eine Überschuldung abzuwenden, um die drohende Insolvenz zu vermeiden. Dringend sind die Sicherheiten auf den neuesten Stand zu bringen. Der Sanierungsberater sollte neben einer Stand-Alone-Lösung ebenfalls die Alternativen einer Kooperationslösung oder des Engagements eines Investors prüfen. Eine Aufstockung der Linie um 100 TEUR in Höhe der derzeitigen Inanspruchnahme wird gegen die Hereinnahme der auf 100 TEUR begrenzten Globalzession, einer unbefristeten Bürgschaft von Müller über 500 TEUR und einer nachrangigen Grundschuld über 500 TEUR auf dem Gewerbeobjekt genehmigt. Die Linienaufstockung und die Hereinnahme der Sicherheiten sind rechtlich vor dem Hintergrund der möglichen Überschuldung und drohenden Zahlungsunfähigkeit zu prüfen. Gegebenenfalls ist bei hoher Insolvenzgefahr ein Bargeschäft, das heißt eine befristete Aufstockung der Kontokorrentlinie gegen Hereinnahme gleichwertiger Sicherheiten zu gestalten. Zusätzliche Liquidität muss sich die Firma über Einlagen der weiteren Gesellschafter oder andere Gläubiger beschaffen. Die übrigen Gesellschafter sind in die Sicherung der Liquidität und des Eigenkapitals mit einzubinden, unter anderem über den Einschuss von Fresh Money und die Erklärung des Rangrücktritts bei den Gesellschafterdarlehen.  WV 10/xxx1 auf Basis des aktuellen Zahlenmaterials

2. Sanierungsregel: Bei auffälligen Risiken hat nach Überleitung an die Sanierungsabteilung unverzüglich eine Bestimmung der quantitativen und der qualitativen Risikoposition des Kreditinstituts zu erfolgen. Zudem sind Schritte zur Senkung des Risikos einzuleiten.

Erläuterung der 2. Sanierungsregel Nach Feststellung des Risikos ist ein umfassender Bericht durch die Sanierungsabteilung zu erstellen, damit ein Gesamtüberblick über die Historie und die wirtschaftliche Entwicklung der Krisenfirma besteht. Auf Basis dieser Berichterstattung lassen sich weitere Gefährdungen oder erste Risikosenkungspotenziale erkennen. Linienreduzierungen sollten genutzt werden, um den Blankoteil zu senken. Es sollten neue Sicherheiten hereingenommen werden und es lassen sich Unzulänglichkeiten bei bestehenden Verträgen bereinigen.

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

4.2.4

109

Empirische Ergebnisse zur Bankorganisation und zu Sanierungsprozessen

Die Strukturen und Abläufe zur Behandlung von Firmensanierungsengagements in Banken haben sich gegenüber früheren Untersuchungen deutlich verändert. Während Studien aus den Jahren 1997 und 2002 zeigen, dass problembehaftete Engagements häufig noch in der Normalkreditbearbeitung und Firmenkundenbetreuung belassen wurden, hat sich dieser Zustand mit zunehmender Professionalisierung der Bearbeitung von Intensivfällen und Problemengagements gewandelt (vgl. David, 1997, S. 101 ff. und KPMG, 2002, S. 3 ff.). Der in damaligen Studien konstatierte Veränderungsbedarf wurde damit umgesetzt. Dabei äußern in dieser Untersuchung aus dem Jahr 2008 rund 83 % der Probanden, dass in den Instituten zentrale Sanierungsabteilungen bestehen und Krisenfälle dort konzentriert betreut werden. Bei 45 % der Nennungen werden Insolvenzfälle in der Rechtsabteilung bearbeitet. Auch ein Outsourcing der Sanierung spielt mit 19 % der Antworten immer häufiger eine Rolle und deutet auf den Trend zur Aufspaltung des Bankgeschäfts auf spezialisierte Institute hin. Die dezentrale Sanierungsabteilung mit 17 % der Antworten und die Übertragung der Sanierung auf die Rechtsabteilung mit 16 % werden ebenfalls oft genannt. Die Betreuung von Fällen durch die Normalkreditbearbeitung findet mit 9 % und eine Ausgliederung der Abwicklung findet mit 6 % der Nennungen nur selten statt, wie folgende Abbildung 4.26 zeigt.

In welcher Organisationseinheit werden Problemengagements bei Ihnen betreut? 83%

Zentrale Sanierungsabteilung 45%

Rechtsabteilung Insolvenzfälle

37%

Firmenkundenbetreuer involviert 19%

Outsourcing Sanierungsabteilung Dezentrale Sanierungsabteilungen

17%

Rechtsabteilung Sanierungsfälle

16%

Normalkreditbearbeitung

9%

Sonstige Organisationsformen

8%

Outsourcing Abwicklung

6% 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Mehrfachnennungen möglich

Abb. 4.26 Organisationsformen bei der Betreuung von Sanierungsfällen

70%

80%

90%

110

4 Sanierung aus Bankensicht

Insgesamt bleibt der ehemalige Firmenkundenbetreuer in 37 % der Fälle dem Sanierungsengagement verbunden. Von diesen 37 % kommen eine überproportionale Zahl der Antworten aus dem Bereich der Privatbanken und eine unterproportionale Anzahl der Nennungen aus den Landesbanken und Sparkassen. In rund 31 % der Antworten aus dem Gesamtsample erfolgt eine gemeinsame Bearbeitung durch eine Kombination von zentraler Sanierungseinheit und Firmenkundenbetreuung. Nach Banksektoren ergeben sich deutliche Unterschiede in der Anwendung dieses Teammodells. Von diesen 31 % stammen rund 55 % der Nennungen aus Privatbanken, 27 % aus Volks- und Raiffeisenbanken, 12 % aus Sparkassen und Landesbanken und 6 % aus Spezialinstituten. Rund 40 % der Antwortenden kommen aus großen Banken, 38 % aus mittleren und 22 % aus kleinen Kreditinstituten. Diese gemeinsame Betreuung kann Vorteile bei der Sanierung und bei der späteren Rückgabe des Engagements in die Normalbearbeitung nach erfolgreichem Turnaround aufweisen. Rund 22 % der Antwortenden aus Banken, die das Teammodell nutzen, schätzen den Sanierungserfolg mit einer Rückgabe in die Normalbearbeitung als häufig vorkommend und damit besser als der Durchschnitt ein. Daher existiert die Möglichkeit, dass das oftmals bestehende Vertrauensverhältnis zwischen dem Firmenkundenbetreuer und dem Krisenkunden bei einschneidenden Sanierungsschritten unterstützend wirkt und die Erfolgschancen für den Turnaround erhöht. Zudem ist sowohl bei der Umklassifizierung in ein gefährdetes Engagement als auch bei der Rückklassifizierung kein Betreuerwechsel erforderlich. Dies steigert durch weniger Überleitungen die Effizienz in den Kreditinstituten. Die zentrale Betreuung von Problemkreditengagements in Spezialabteilungen dominiert über alle Sektoren hinweg. In Volks- und Raiffeisenbanken ist mit rund 19 % der Nennungen die Normalkreditbearbeitung häufig in der Betreuung der problembehafteten Engagements vertreten, während im Privatbankenbereich 11 % beziehungsweise bei den Landesbanken und Sparkassen nur rund 5 % der Antwortenden angibt, dass die Normalbearbeitung das Krisenengagement weiter führt. Sanierungsengagements und Insolvenzfälle werden in Sparkassen und Landesbanken überproportional durch die Rechtsabteilung bearbeitet (vgl. David, 2001, S 434 ff.). Bei dem kompletten Outsourcing der Sanierungs- und Abwicklungsabteilung sind keine deutlichen Unterschiede zu erkennen. Eine Ausgliederung der Abwicklungsfälle zum Inkasso kommt häufiger in Spezialinstituten vor. Ingesamt hat sich zu früheren Untersuchungen eine Verschiebung hin zu einer Konzentration der Sanierungsfälle auf spezialisierte Einheiten ergeben. So erfolgt über alle Bankengrößen hinweg die Betreuung von Intensiv-, Problem- und Abwicklungskrediten häufig in zentralen Sanierungsabteilungen. Dieses Vorgehen sichert eine professionelle und einheitliche Bearbeitung der Krisenfälle. Zudem haben auch die Vorgaben der MaRisk den organisatorischen Aufbau einer Problemkreditbearbeitung beeinflusst. Lediglich in kleinen Banken bleibt mit 18 % der Nennungen die Normalkreditbearbeitung weiter in die Problemkreditbetreuung involviert. Eine kritische Institutsgröße für den Aufbau eigener Workout-Abteilungen scheint daher nicht mehr so stark gegeben zu sein wie in einer früheren Untersuchung aus dem Jahr 2002 festgestellt wurde (vgl. KPMG, 2002, S. 16 ff.). Die Entscheidungskompetenzen liegen bei 90 % der Kreditinstitute laut Angaben der Befragten komplett und bei den restlichen 10 % zumindest teilweise in der Sanierungsabteilung. Hier hat sich eine deutliche Veränderung gegenüber einer Untersuchung aus dem Jahr 1997

4.2 Bankorganisation und Prozesse der Sanierung

111

ergeben, bei der eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf bankinterne Krisenspezialisten nur in 28 % der Fälle angegeben wurde (vgl. David, 2001, S 415 ff.). Sicherlich spielt auch die Umsetzung der MaRisk mit der Kompetenzverlagerung in die Spezialmarktfolge bei dieser Entwicklung eine Rolle (vgl. MaRisk BTO 1.2.4 und 1.2.5). Nur bei kleinen Banken ist die Kompetenzübertragung deutlich seltener der Fall. Die Organisations- und Entscheidungsmodelle für gefährdete und notleidende Engagements werden in der Praxis ständig optimiert. Zudem sind in Anlehnung an diese Modelle die Prozesse unter Effizienzaspekten straff zu gestalten. Die Herangehensweise erfolgt gegenüber früheren Untersuchungen deutlich differenzierter. So werden besonders der individuelle Weg der Kundensanierung und die effiziente standardisierte Betreuung im Rahmen einer Sanierung Light für problembehaftete Fälle genutzt. Rund 59 % der Antwortenden geben an, dass in ihren Instituten eine individuelle Herangehensweise bei allen Krisen- und Sanierungsfällen jeglicher Größenordnung praktiziert wird. 41 % teilen mit, dass nur bei größeren Sanierungen eine individuelle Strategie durchgeführt wird. 46 % der Befragten erklären, dass weniger komplexe Krisenfälle in einem stark standardisierten Sanierungsprozess begleitet werden. Es existieren nach Banksektoren und der Größe der Institute klare Unterschiede in der Bearbeitung mit einer Klassifizierung der Engagements. Nach Banksektoren geben 85 % der Vertreter aus dem genossenschaftlichen Sektor an, eine individuelle Sanierung bei allen Krisenengagements zu betreiben, während dieser Satz bei Spezialinstituten bei rund 73 % liegt und bei Sparkassen und Landesbanken auf 59 % beziehungsweise bei Privatbanken auf 29 % absinkt. Eine individuelle Herangehensweise nur bei großen Sanierungen wird bei Privatbanken von 68 % und im öffentlich-rechtlichen Sektor von 41 % am häufigsten genannt, während lediglich 27 % der Befragten aus Spezialbanken und 15 % aus Genossenschaftsbanken dieses Vorgehen bejahen. Standardisierte Sanierungsabläufe bei kleinen Firmenkunden werden mit 68 % der Nennungen überwiegend in Privatbanken durchgeführt. Nach Bankengrößen wählen vermehrt kleine Institute generell eine individuelle Herangehensweise bei Sanierungen. Ursache dieses Ablaufs kann sein, dass sich auch Schieflagen kleiner Krisenengagements stark auf den Erfolg dieser Kreditinstitute auswirken können und daher einer engen Begleitung bedürfen. Mittlere und große Banken differenzieren dagegen häufiger zwischen einer individuellen, maßgeschneiderten Kundensanierung und einem stark standardisierten und formalen Sanierungsweg. Dabei bestehen wichtige interne Bearbeitungsschritte in der Risikobestandsaufnahme und der Einschaltung einer Spezialabteilung, die von rund 86 % der Banken im Sample vorgenommen wird. Des Weiteren ist die Übergabe der Sanierungsakten mit 85 % und die Berichterstattung an den Kompetenzträger mit 80 % der Nennungen der Regelfall. Die Sicherheitenakten werden nur von 63 % der Banken im Sample an eine Spezialabteilung übergeben und ein obligatorischer Stresstest bei den Kreditsicherheiten wird lediglich von 36 % durchgeführt. Diese geringe Antwortquote verwundert sehr, da die MaRisk eine Anpassung der Beleihungswerte bei Intensivfällen oder Problemengagements vorschreiben (vgl. MaRisk BTO 1.2.2 Tz. 4). Operationelle Risiken, die auch Banken aus Abhängigkeiten zum Krisenkunden betreffen können, werden in 28 % der antwortenden Banken systematisch analysiert. Sonstige Schritte betreffen bankinterne technische Vorgänge. Nachfolgende Abbildung 4.27 zeigt wichtige Arbeitsschritte nach Feststellung der Krise bei einem Firmenkunden.

112

4 Sanierung aus Bankensicht

Welche Prozessschritte werden nach der Krisenerkennung in Ihrer Bank umgesetzt? Risikoposition

86%

Spezialabteilung

86%

Kreditaktenübergabe

85% 80%

Berichterstattung 63%

Sicherheitenakten 36%

Sicherheitenstresstest

28%

Operationelle Risiken Sonstige Schritte

7%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Mehrfachnennungen möglich

Abb. 4.27 Interne Bearbeitungsschritte in der Sanierung

Wichtige Prozessschritte wie die Feststellung der Risikoposition, die Einschaltung der Sanierungsabteilung, die Übergabe der Kreditakten und die Berichterstattung an den Kompetenzträger werden gemäß den Nennungen in den überwiegenden Fällen über alle Banksektoren und Bankengrößen hinweg gleichermaßen vorgenommen. Erkennbare Unterschiede aus der Deskription existieren bei den Sicherheitenstresstests und der Ermittlung operationeller Risiken. Diese Schritte werden überwiegend von Vertretern aus Privatbanken und den Spitzeninstituten im genossenschaftlichen Sektor und nach Größenklassen vermehrt von Antwortenden aus größeren Kreditinstituten angekreuzt. Wünsche zur Veränderung der Organisationsformen werden aus der Befragung nicht ersichtlich. Dies zeigt eine bereits in den letzen Jahren erfolgreich umgesetzte Professionalisierung und Effizienzverbesserung der Aufbauorganisation und der Geschäftsprozesse bei der Sanierungsbetreuung. Neben den bankinternen Ablaufschritten werden regelmäßig auch Sofortmaßnahmen in der Sanierungsbearbeitung mit externem Bezug umgesetzt. Dazu zählt insbesondere die Durchführung eines Kundengesprächs, um den eigentlichen Gesundungsprozess einzuleiten. Auch die finanzwirtschaftliche Sanierung zur Vermeidung der Insolvenz gehört zu den bedeutenden Sofortmaßnahmen. Wichtig ist es, die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags zu vermeiden. Mit dem Insolvenzantrag verliert der Schuldner die Verwaltung- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen. Dies erstickt meist jegliche Sanierungsbemühungen im Keim. Daher ist es von Bedeutung, die Insolvenztatbestände zu kennen, um die Eröffnungsgründe über eine Sanierung nachhaltig abzuwenden zu können.

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

4.3

113

Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

Risikoerkennung aus Bankensicht

Organisation Prozesse

Finanzielle Maßnahmen

Auswahl des Sanierers

Prüfung des Konzepts

Poolbildung der Gläubiger

Überwachung der Sanierung

Sicherung Turnaround

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen 4.3.1 Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung 4.3.2 Praxisfall zu den finanzwirtschaftlichen Sofortmaßnahmen 4.3.3 Lösung des Praxisfalls zu den Sofortmaßnahmen 4.3.4 Empirische Ergebnisse zu den Sofortmaßnahmen

Lernziele:  Insolvenztatbestände zur Antragstellung kennen  Maßnahmen zur Abwendung der Überschuldung beherrschen  Instrumente zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit anwenden können  Wichtige umzusetzende Sofortmaßnahmen in Banken kennen

Abb. 4.28 Aufbau und Lernziele in Kapitel 4.3

In diesem Abschnitt werden finanzwirtschaftliche Maßnahmen beschrieben, um unmittelbar nach Feststellen der Krise die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags zu prüfen und gegebenenfalls abzuwenden. Insolvenzeröffnungsgründe sind die (drohende) Zahlungsunfähigkeit und rechtsformabhängig die Überschuldung. Zunächst gilt es die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, denn diese ist ein häufiger Insolvenzgrund. Die Liquiditätslage lässt sich über die Aufstellung eines Finanzplans prüfen. Ebenso von Bedeutung ist die Prüfung der Überschuldung. Zu beachten ist, dass das Überschuldungskriterium durch Art. 5 des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FMStG) derzeit modifiziert wurde. So liegt eine Überschuldung bei juristischen Personen und haftungsbeschränkten Personengesellschaften vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt. Es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Damit gewinnt die Fortführungsprognose für den Überschuldungsbegriff an Bedeutung. Hat sich eine Insolvenzantragspflicht ergeben, ist diese zunächst abzuwenden, um zumindest die Sanierungsfähigkeit überprüfen zu können. Dabei kommt der Hausbank eine bedeutende Rolle zu. Zum einen trägt sie in dieser Phase oft die Hauptlast der zusätzlich bereitzustellenden finanziellen Mittel. Zum anderen übernimmt sie eine steuernde Funktion, wenn Gesellschafter und übrige Stakeholder in die Finanzsicherung eingebunden werden sollen. Im Folgenden werden die Kriterien für das Bestehen der Zahlungsunfähigkeit und das Vorgehen bei der Überschuldungsprüfung schrittweise ausgearbeitet.

114

4 Sanierung aus Bankensicht

4.3.1

Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt gemäß § 16 InsO voraus, dass ein Eröffnungsgrund gegeben ist. Wesentliches Ziel der Insolvenzrechtsreform war es, eine möglichst frühe Einleitung der Insolvenz zu bewirken, um massearme Verfahren zu verringern und über Sanierungen in der Insolvenz höhere Befriedigungsquoten für die beteiligten Gläubiger zu erreichen. Mit der Einführung der Insolvenzordnung (InsO) wurden die Insolvenzgründe daher um den Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit erweitert. Aus der Insolvenzordnung ergeben sich insgesamt drei Eröffnungsgründe: 

Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 1 InsO



Drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 Abs. 1 InsO



Überschuldung gemäß § 19 Abs. 1 InsO

Sind die Kriterien Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung erfüllt, so haben die Organe der Gesellschaft spätestens drei Wochen nach Eintritt des Eröffnungsgrunds einen Insolvenzantrag beim zuständigen Insolvenzgericht zu stellen (§ 15a InsO). Lediglich beim Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit besteht seitens des Schuldners ein freiwilliges Antragsrecht. Des Weiteren gilt das Kriterium der Überschuldung nur bei haftungsbeschränkten Firmen beziehungsweise bei Firmen ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, wie bei der GmbH & Co. KG. Die Notwendigkeit zur Stellung des Insolvenzantrags besteht darin, dass in der Krise keine weitere Verlagerung des Risikos unter anderem auf die Gläubiger stattfindet. Daher haben auch Gläubiger die Möglichkeit gemäß § 14 InsO einen Insolvenzantrag bei einer anderen Firma zu stellen. Voraussetzung dafür ist, dass eine glaubhafte und begründete Forderung besteht. Der Eröffnungsgrund wird durch das zuständige Insolvenzgericht geprüft und gegebenenfalls festgestellt (vgl. Hefermehl, 2008, S. 49). In der Praxis kommt die Antragsstellung durch einen Gläubiger jedoch selten vor und lässt sich durch ein geplantes Vorgehen im Rahmen der finanzwirtschaftlichen Sanierung in der Regel vermeiden. Zunächst wird analysiert, wie sich das Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bestimmen lässt. Zudem wird auf die Modifizierung der Überschuldungsprüfung durch das FMStG eingegangen. Anschließend ist zu untersuchen, wie im Rahmen von Sofortmaßnahmen zur finanzwirtschaftlichen Sanierung die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags vermieden werden kann. Es werden sowohl Maßnahmen aus dem Unternehmen heraus, als auch Schritte externer Stakeholder erörtert. Definition: Die finanzwirtschaftliche Sanierung im Rahmen der Sofortmaßnahmen beschreibt Möglichkeiten zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit und Abwendung der Überschuldung, nach Feststellen der Krise. Ziel ist es, durch finanzielle Maßnahmen die Zahlungsströme und die Kapitalstruktur derart zu gestalten, dass eine frühzeitige Stellung des Insolvenzantrags, ohne Prüfung der Sanierungsfähigkeit, vermieden wird.

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

115

Rechtliche und wirtschaftliche Bestimmung der Zahlungsunfähigkeit Der häufig vorkommende Insolvenzeröffnungsgrund Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn das Schuldnerunternehmen aus einem Mangel an Finanzmitteln nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 InsO). Bei Bestehen der Zahlungsunfähigkeit hat der Geschäftsführer, unabhängig von der Rechtsform seines Unternehmens, die Pflicht einen Insolvenzantrag zu stellen. Definition: Zahlungsunfähigkeit beschreibt gemäß § 17 Abs. 2 InsO den Zustand eines Schuldners seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Für den Unternehmer ist es wichtig den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit zu erkennen, damit er rechtzeitig den Insolvenzantrag stellt. Aufgrund der unklaren Begriffsbestimmung hat der Gesetzgeber daher drei Kriterien an das Bestehen einer Zahlungsfähigkeit geknüpft, um diese von einer Zahlungsstockung abzugrenzen (BGH vom 24.05.2005 IX ZR 123/04): 

Zeitkriterium: So liegt eine bloße Zahlungsstockung vor, wenn ein Zeitraum zur notwendigen Mittelbeschaffung von drei Wochen nicht überschritten wird.



Erheblichkeitskriterium: Bei einer Liquiditätslücke von weniger als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten ist in der Regel nicht von einer Zahlungsunfähigkeit ausgehen.



Prognosekriterium: Die Erheblichkeitsgrenze gilt jedoch nicht, wenn die Zahlungslücke in der Zukunft voraussichtlich mehr als 10 % erreichen wird.

Demnach ist von einer Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags auszugehen, wenn die Liquiditätsunterdeckung über einer Grenze von 10 % der fälligen Verbindlichkeiten liegt und diese Liquiditätslücke in einem Zeitraum von drei Wochen nicht unter 10 % gesenkt beziehungsweise innerhalb von drei Monaten nicht endgültig beseitigt werden kann (vgl. IDW, 2009a, S. 3 ff.). Eine genau festgelegte Grenze der Deckungslücke von 10 % erscheint unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten jedoch problematisch zu sein, wie das Beispiel zeigt. Beispiel: Der Schuldner verfügt über eine freie Liquidität von 90 TEUR. Es bestehen drei fällige Verbindlichkeiten in Höhe von 50 TEUR, 30 TEUR und 20 TEUR. Da die Liquiditätslücke nicht mehr als 10 % beträgt, besteht keine Insolvenzantragspflicht. Wird nun aber die Verbindlichkeit in Höhe von 20 TEUR getilgt, so haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht verschlechtert. Jedoch beträgt die Unterdeckung nun 12,5 %, da freie Mittel von 70 TEUR jetzt fälligen Zahlungsverpflichtungen von 80 TEUR gegenüber stehen. Es liegt eine Unterdeckung von 10 TEUR im Verhältnis zu 80 TEUR vor. Da sich die wirtschaftliche Situation in dem obigen Beispiel durch die Tilgung der Verbindlichkeit nicht verschlechtert hat, ist unklar, warum die Einhaltung dieser starren Grenze vom Gesetzgeber genannt wird. Deutlich wird der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit erkennbar, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 InsO). Ingesamt bestehen zwei Methoden, um die Illiquidität festzustellen. Zum einen das wirtschaftskriminalistische

116

4 Sanierung aus Bankensicht

Verfahren anhand von Indizienbeweisen und zum anderen die betriebswirtschaftliche Analyse mit statischen Kennzahlen oder einer dynamischen Liquiditätsplanung. Bei den wirtschaftskriminalistischen Untersuchungen werden Indizien als äußere Beweisanzeichen einer Zahlungsunfähigkeit herangezogen. So kann eine Häufung von Mahnungen, Mahn- und Vollstreckungsbescheiden, Pfändungen sowie die Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, Krankenkassen- und Sozialversicherungsbeiträgen sowie Steuervorauszahlungen neben dauerhaften Überziehungen auf den laufenden Konten auf eine Illiquidität hindeuten. Dieses Verfahren wird jedoch oft erst nachträglich unter anderem zur Feststellung der Verletzung einer rechtzeitigen Insolvenzantragspflicht in gerichtlichen Verfahren angewendet. Alternativ ist die betriebswirtschaftliche Zahlungsfähigkeitsanalyse möglich. Diese kann mit statischen Liquiditätskennziffern oder mit einem Liquiditätsstatus auf Basis der Bilanz erfolgen. Aufgrund des Stichtagsprinzips, der fehlenden Aktualität der Datengrundlage und der mangelnden Zukunftsbetrachtung weisen diese Vorgehensweisen jedoch Schwächen auf. Die Feststellung der Zahlungsfähigkeit erfolgt daher regelmäßig über die Aufstellung eines detaillierten Finanzplans, in dem alle Einzahlungen und Auszahlungen auf einer Zeitschiene gegenübergestellt und Über- beziehungsweise Unterdeckungen zu den bestehenden Kreditlinien aufgezeigt werden. Auch Avale sollten mit aufgenommen werden, da diese zum Teil auf die Kontokorrentlinien angerechnet werden und die Limite dann reduzieren. Der Planungszeitraum sollte mindestens zwölf Monate umfassen (vgl. IDW, 2009a, S. 5 ff. und Staufenbiel/Hoffmann, 2008a, S. 785 ff., 2008b, S. 838 ff.). Zur Erstellung eines Finanzplans sind sämtliche Zahlungsvorgänge zu berücksichtigen. Zu beachten ist die Vollständigkeit der Planung, die Zeitpunktgenauigkeit des Eintrittszeitpunkts von Zahlungen und die Betragsgenauigkeit der Schätzung einzelner Zahlungsvorgänge (vgl. Wöhe/Bilstein, 2002, S. 399 ff.). Ebenso ist das Zahlungsrisiko zu berücksichtigen. So sind stark ausfallgefährdete Zahlungen nicht oder nur mit einer Quote aufzuführen. Der Finanzplan kann mit einer Kapitalflussrechnung verknüpft werden. Die Herkunft und Verwendung der Zahlungsströme wird dann zusätzlich in den betrieblichen, finanziellen und investiven Bereich unterteilt und damit Veränderungen der Bestände im Working Capital sichtbar gemacht. Über die Erstellung einer Finanzplanung erhält der Unternehmer eine Sicht auf seine künftigen Einzahlungen und Auszahlungen für die nächsten Monate oder Jahre. Auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit wird damit erkennbar. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit besteht gemäß § 18 Abs. 2 InsO, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine Zahlungsverpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. So kann bereits zu einem frühen Zeitpunkt absehbar sein, dass es dem Unternehmer nicht möglich sein wird, die Löhne und Gehälter am Monatsende zu leisten. Im Gegensatz zur Betrachtung der bestehenden Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 InsO liegt bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schwerpunkt auf einer Zukunftsbetrachtung. Dabei kommt es auf die künftige Entwicklung der erwarteten Einzahlungen und Auszahlungen an (vgl. Obermüller, 2007, S. 32 ff.). Empfohlen wird als Planungszeitraum für die Einzahlungen und Auszahlungen oft eine Zeitspanne von ein bis zwei Jahren. Die Planungsfähigkeit ist jedoch stark von der Branche abhängig. Gemäß der Prognose ist eine drohende Zahlungsunfähigkeit dann anzunehmen, wenn

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

117

die Erfüllung der künftigen Verbindlichkeiten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gelingen wird. Aufgenommen wurde dieser Tatbestand in die Insolvenzordnung, um einem Schuldner mit dem Eigenantrag die Möglichkeit zu geben, bereits in einem frühen Stadium der Krise, mit größeren Sanierungschancen, ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Jedoch kann die drohende Zahlungsfähigkeit mit der Zuführung von Eigenkapital, Mezzaninkapital oder Fremdkapital durch externe Stakeholder vermieden werden. Abwendung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit Wichtig für die Beseitigung der Liquiditätsenge ist die Frist gemäß § 15a InsO. Dem Schuldner bleiben drei Wochen Zeit zur Abwendung der Illiquidität. Nach Ablauf dieses Zeitraums schlägt die Zahlungsstockung in eine Zahlungsunfähigkeit um. Somit verbleibt dem Unternehmen nur wenig Spielraum, den Liquiditätsengpass über die Zuführung neuer Mittel oder die Vermeidung des Abflusses von Zahlungsmitteln nachhaltig zu überwinden (vgl. Tetzlaff, 2007, S. 1334 ff.). Aus Sicht der Banken sind zunächst alle Möglichkeiten der internen Liquiditätssicherung aus dem Unternehmen heraus zu forcieren. Dies ist der Geschäftsleitung deutlich zu adressieren (vgl. Crone, 2007, S. 181 ff.). Maßnahmen zur Kapitalgenerierung aus dem Unternehmen heraus Grundsätzlich gilt in einer akuten Liquiditätskrise bei allen zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen der Grundsatz: „Liquidität vor Rentabilität“. Von Bedeutung ist daher, dass sämtliche liquiditätswirksamen Vorgänge innerhalb des Unternehmens abgestimmt werden. Dies betrifft unter anderem den Wareneinkauf, Verkäufe auf Ziel und den gesamten Investitionsbereich. Es empfiehlt sich die Einrichtung eines Liquiditätsbüros. Dieses Gremium, aus Mitgliedern der Geschäftsführung und ausgewählten Abteilungsleitern, hat die Aufgabe, die Zahlungsströme eines Unternehmens zu planen und zu überwachen. Kernaufgaben dieser Einheit sind unter anderem (vgl. Eichhorn/Warnke, 2003, S. 20 ff.):  Herstellen von Transparenz über die Liquiditätslage im Unternehmen  Einrichtung eines Cash-Pool-Systems bei bislang autarken Betriebsstätten  Treffen von Zahlungsvereinbarungen mit Lieferanten und anderen Gläubigern  Ergreifen von akuten Maßnahmen zur Liquiditätssteuerung bei Unterdeckungen  Zeitnahe Ermittlung und Überwachung des Liquiditätsbedarfs über einen Finanzplan Eine Hauptaufgabe dieser Projektgruppe liegt darin, das Liquiditätsmanagement im Unternehmen organisatorisch zu verankern. Unter einem Liquiditätsmanagement wird die umfassende Steuerung und Überwachung aller liquiditätswirksamen Vorgänge in einer Firma oder in einem Konzern verstanden. Dies beinhaltet die Planung der Liquidität und alle Steuerungsmaßnahmen zur positiven Beeinflussung der Finanzen. Ein wichtiges Instrument für ein funktionierendes Liquiditätsmanagement ist der Finanzplan, in dem alle zahlungswirksamen Vorgänge im Unternehmen vorausschauend abgebildet werden. In der Regel ist es ratsam, zwei Finanzpläne zu entwerfen. So ist ein taggenauer Plan für die tägliche Disposition über einen Zeitraum von einer bis vier Wochen zu erstellen. Mit Hilfe

118

4 Sanierung aus Bankensicht

dieser Vorausschau werden alle laufenden Zahlungsvorgänge im Detail dargestellt und können von Kreditinstituten mit der laufenden Kontoführung abgeglichen werden. Wichtig ist es, dass dieser kurzfristige Liquiditätsplan revolvierend zur Verfügung gestellt, täglich überprüft und laufend aktualisiert wird. Auf diese Weise werden drohende Liquiditätsengpässe frühzeitig sichtbar und es können Gegenmaßnahmen umgesetzt werden. Ein zweiter Liquiditätsplan über einen Zeitraum von zwölf Monaten ist zusätzlich erforderlich, um einen Jahresüberblick zu gewinnen und insbesondere saisonale Einflüsse zu erkennen. An diesem Jahresplan orientiert sich die mittelfristige Finanzplanung. Finanzielle Engpässe lassen sich dann bereits Monate im Voraus erkennen und frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten. Beide Pläne sind den Banken kontinuierlich und zeitnah zur Verfügung zu stellen, denn diese Controllinginstrumente sind ein wichtiger Bestandteil einer offenen Finanzkommunikation zu dieser wichtigen Stakeholder-Gruppe. Neben der Abbildung und Steuerung der Zahlungsvorgänge im Krisenunternehmen hat der Ausschuss in Form eines Liquiditätsbüros konkrete Maßnahmen zur Stützung der Liquidität umzusetzen. Dies bedeutet auf Ebene des Unternehmens unter anderem: 

Kostensenkungen im Personalbereich und bei den Sachkosten



Verkauf von nicht-betriebsnotwendigen Aktiva und Sale and lease back



Festlegung eines vollständigen Investitionsstopps



Beschleunigung von Einzahlungen und Hinauszögern von Auszahlungen



Abbau von Forderungen, Material- und Warenbeständen

Durch ein konsequentes Forderungsmanagement besteht für die Geschäftsführung häufig ein wirkungsvolles und kurzfristig umsetzbares Instrument zu einer deutlichen Verbesserung der Liquiditätslage im Unternehmen. So ist das Debitorenmanagement in vielen Unternehmen, die in eine Krise geraten sind, eine große Schwachstelle. Basis für das Debitorenmanagement ist eine aktuelle und aussagefähige Forderungsliste. In dieser Aufstellung müssen Informationen über den Schuldner, das Datum der Forderungsentstehung, das Zahlungsziel, der Fälligkeitszeitpunkt der Forderung, die ursprüngliche Forderungshöhe, gezahlte Abschläge sowie die aktuell noch offenstehende Forderung enthalten sein. Bei hohen Außenständen und einer Vielzahl überfälliger Posten ist es ratsam, einen oder mehrere Mitarbeiter, zumindest temporär, ausschließlich mit dem Beitreiben dieser Forderungen zu beauftragen. In einem weiteren Schritt ist ein straff organisiertes Mahnwesen zu installieren. Deutlich überfällige Forderungen sollten an ein Inkassobüro oder einen spezialisierten Rechtsanwalt abgegeben werden. Auch ein Forderungsverkauf kommt grundsätzlich in Frage. Eine weitere Möglichkeit zur Liquiditätsgenerierung ergibt sich aus der kritischen Überprüfung aller Aktivpositionen eines Unternehmens. Dies können unter anderem betriebsfremde Beteiligungen, Wertpapiere, nicht genutzte Maschinen und Grundstücke, überschüssiges Material und Warenbestände sein. Dabei müssen grundsätzlich alle nicht betriebsnotwendigen Aktiva zur Disposition stehen. Es sind zunächst die einfach zu liquidierenden Vermögensgegenstände zu veräußern. Meist reichen die Maßnahmen der Innenfinanzierung aus dem Unternehmen heraus jedoch nicht aus, um die Liquiditätslage nachhaltig zu stabilisieren. Da-

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

119

her ist bankseitig zu prüfen, welche finanziellen Mittel von Seiten der Gesellschafter zusätzlich bereitgestellt werden können, um die Liquidität zu festigen. Mittelbereitstellung und Liquiditätsstabilisierung durch Gesellschafter Befindet sich ein Unternehmen in der Liquiditätskrise, so sind zur Abwendung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit aus Sicht der Kreditinstitute in erster Linie Mittelbereitstellungen durch die Gesellschafter zu prüfen. Zu nennen sind hier insbesondere die Kapitalerhöhung oder eine Gewährung neuer Darlehen durch die bestehenden Anteilseigner und zusätzlich die Ausschöpfung von Möglichkeiten der Aufnahme neuer Gesellschafter gegen Bareinlage. Diese bereits betrachteten Maßnahmen von Seiten der Gesellschafter werden in der Praxis oft nicht ausreichen oder stehen nicht zur Verfügung, da keine neuen risikobereiten Gesellschafter gefunden werden können und die Altgesellschafter über kein weiteres liquides Vermögen verfügen. Zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit sind daher weitere Möglichkeiten zu prüfen, um ein wirkungsvolles Maßnahmenbündel zu schnüren. Wurden alle Optionen von Seiten der Gesellschafter ausgereizt, ist im nächsten Schritt die Einbindung der Kreditinstitute zur Stützung der Liquidität zu prüfen. In dieser Phase ist meist die Hausbank gefragt, da sie die laufenden Konten führt und ein enges Vertrauensverhältnis zur Krisenfirma besteht. Sie sollte auch die Koordination der übrigen beteiligten Kreditinstitute bei der Finanzmittelsicherung übernehmen. Dabei sind verschiedene Maßnahmen möglich, von einem Stillhalten über eine Stundung bis hin zu einer Neukreditvergabe. Stillhalten, Stundung und Neukreditvergabe durch Kreditinstitute Zunächst kommt aus Sicht der Kreditinstitute ein Stillhalten mit Aufrechterhalten der Linien Bedeutung zu, da kein neues Geld gegeben werden muss und das Risiko nicht unmittelbar ausgeweitet wird. Dazu ist es notwendig, dass die von allen Kreditinstituten zur Verfügung gestellten Linien bestehen bleiben. Ein Stillhalten kann jedoch auch eine Risikoerhöhung durch einen Wertverfall der Sicherheiten nach sich ziehen, wenn Vermögenswerte vom Unternehmen zur Stützung der Liquidität kontinuierlich reduziert werden. Insbesondere die variablen Sicherheiten wie die Globalzession oder die Warensicherungsübereignung sind hiervon betroffen, wenn Forderungen oder Rohstoff- und Warenbestände zur Liquiditätsgenerierung abgebaut werden und sich die Sicherheitenwerte reduzieren. Somit kann ein Stillhalten bereits einen erheblichen Sanierungsbeitrag und eine Risikoausweitung der Hausbank bedeuten und sollte auch gegenüber den anderen Banken deutlich herausgestellt werden. Das Stillhalten ist nicht immer bei allen Instituten leicht durchzusetzen, insbesondere wenn eine heterogene Gläubigerstruktur besteht. So wirken sich die Größe des Engagements, die individuelle Besicherung und die subjektive Einschätzung der Sanierungswürdigkeit neben den Ausstiegsmöglichkeiten, unter anderem über eine zeitliche Befristung der Kreditlinien, erheblich auf die Entscheidungen der einzelnen Gläubiger aus. Ein weitergehendes Mittel zur Liquiditätssicherung sind Stundungsvereinbarungen. Diese gehen weiter als reine Stillhalteabkommen, da Kreditinstitute auf vertraglich vereinbarte Kapitaldienstleistungen zunächst befristet verzichten. In Frage kommen Stundungsvereinbarungen zu Zins- und Tilgungsleistungen (Moratorien). Aus Bankensicht ist ein Zinsverzicht oder eine Stundung der Zinsen dagegen aus Ertragsgründen eindeutig abzulehnen. Zu beachten ist zudem, dass sich an den Tilgungsstundungen alle Gläubiger beteiligen sollten. In der Praxis

120

4 Sanierung aus Bankensicht

werden meist nur zeitlich befristete Tilgungsaussetzungen ausgesprochen. Dies ist aus Bankensicht zu befürworten, um den Sanierungsdruck für die Firma stetig aufrecht zu erhalten. Ein großer Vorteil ist, dass Stundungsvereinbarungen ohne Limitausweitung keinerlei haftungsrechtliche Konsequenzen für die beteiligten Banken haben. Dies kann bei einer Vergabe neuer Kreditmittel und der Vereinbarung zusätzlicher Sicherheiten beziehungsweise bei einer Ausweitung des Sicherungszwecks von Kreditsicherheiten in der Krise und Sanierung eines Unternehmens deutlich problematischer sein. Bei Zahlungsschwierigkeiten in der Krise sollte nur eine Überbrückungsfinanzierung zur Abwendung der Insolvenz bewilligt werden. Der Überbrückungskredit dient der Mittelbereitstellung für den Zeitraum, der für die Erstellung des Gutachtens zur Feststellung der Sanierungsfähigkeit notwendig ist. Der Verwendungszweck ist für den Kredit genau zu benennen. Die Laufzeit für diese Zwischenfinanzierung ist zudem zeitlich zu begrenzen und an die Erstellung eines Sanierungsgutachtens zu binden. Sind freie und werthaltige Sicherheiten vorhanden, so kann eine Vergabe neuer Mittel für die finanzierenden Banken unter Umständen risikoneutral gestaltet werden. Werden Firmensicherheiten hereingenommen, sind die Mittelvergabe und die Hereinnahme der Kreditsicherheit als Bargeschäft, mit einer zeitlichen Nähe und einer Gleichwertigkeit der Leistung und Gegenleistung zu vereinbaren. Dies ist wichtig, wenn unmittelbar Insolvenzgefahr droht und sich daraus Anfechtungsgefahren bei Sicherheiten ergeben (vgl. Obermüller, 2007, S. 72 ff.). Bei der Ausweitung des Sicherungszwecks auf andere Kredite ist bei unmittelbarer Insolvenzgefahr vorsichtig vorzugehen und im Zweifel ein Gutachten aus der Rechtsabteilung zu möglichen Haftungsgefahren und Anfechtungsrisiken einzuholen. Unproblematisch ist dagegen die Hereinnahme von Drittsicherheiten, zum Beispiel in Form von Bürgschaften der Gesellschafter. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, lediglich projektbezogene Einzelgeschäfte für die Krisenfirma vorzufinanzieren und diese Kredite mit den Rückflüssen aus den Projektgeschäften abzusichern. Ein Vorteil dieser Finanzierungsart ist aus Sicht der Kreditgeber die nur befristete Bereitstellung von Finanzmitteln, die in einem überschaubaren Zeitraum zurückgeführt werden. Zudem lässt sich die Absicherung als Bargeschäft ausgestalten und ist damit in einer Insolvenz nicht anfechtbar. Des Weiteren besteht bei der Finanzierung von durchgehandelten Einzelgeschäften nur das Lieferungs- und Leistungsrisiko, wenn die Bonität des Auftraggebers einwandfrei ist. Dies ist unbedingt zu überprüfen. Gegebenenfalls kann eine große Einzelforderung auch an ein Factoringinstitut verkauft werden. Eine Auftragsfinanzierung und deren Rückführung lassen sich über eine Finanzplanung für dieses konkrete Einzelgeschäft und die Separierung der Kreditmittel auf bestimmten Konten mit geschäftsbezogener Rückführung genau überwachen (vgl. Portisch, 2007c, S. 38 ff.). Dagegen unterscheidet sich der Sanierungskredit von einer reinen Überbrückungsfinanzierung oder der Finanzierung von Einzelgeschäften darin, dass dieser von der Firma flexibel genutzt werden kann und der Zeitraum der Kreditgewährung länger andauert. So dient diese Kreditvergabe der Überwindung der Krisensituation mit einer Sanierung des Unternehmens und umfasst Laufzeiten von oft mehreren Jahren. Aufgrund der langfristigen Wirkung und der Obligoerhöhung sind Entscheidungen zu einer Neukreditierung sorgfältig abzuwägen. Die Linienausweitungen sind zu befristen, um lange Kündigungszeiten abzukürzen. Zudem sind die Risiken auf viele Gläubiger zu verteilen. Daher ist auch die Einbindung öffentlicher

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

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Finanzierungshilfen zu prüfen. Es werden unter anderem Ausfallbürgschaften des Landes mit einer Absicherungsquote von bis zu 80 % vergeben. Im Zuge der Finanzmarktkrise werden ebenfalls Finanzmittel an betroffene Unternehmen zugeteilt. Jedoch ist der Prozess der Beantragung dieser Hilfen meist zeitaufwendig und die Bewilligung zudem unsicher. Dies steht dem Zeitdruck in einer Krise und Sanierung häufig entgegen. Zu beachten ist, dass eine neue Kreditvergabe der Banken Haftungstatbestände unter anderem aus der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung oder aus der eigennützigen Kreditvergabe begründen kann. Zusätzlich können sich bei einer Neubeordnung von Sicherheiten besondere Risiken durch Anfechtungen eines Insolvenzverwalters gemäß § 129 ff. InsO ergeben. Daher ist jegliche Neukreditvergabe und Sicherheitenausweitung rechtlich zu überprüfen sowie die Sanierungsabsicht zu dokumentieren. Zudem sind die Sanierungsaussichten durch ein externes Fachgutachten zu untermauern. Zur Finanzierungssicherung ist es zusätzlich erforderlich, dass weitere Stakeholder mit eingebunden werden. Gerade die Aufrechterhaltung der Wertschöpfungskette durch die Lieferanten ist hier zu nennen. Stillhalteabkommen mit Lieferanten und Kreditversicherern Voraussetzung in einer Sanierung ist, dass sich die Zulieferer über ein Stillhalteabkommen verpflichten, Waren weiterhin auf Basis der bestehenden Einkaufslinien und Zahlungskonditionen zu liefern. Sind erste Anzeichen zu erkennen, dass die Lieferanten ihre Zahlungsziele verkürzen oder ausschließlich Geschäfte gegen Vorkasse durchführen, ist gegenzusteuern, da sich das Risiko einseitig auf die Banken verlagert. Neben den Lieferanten sind auch die Kreditversicherer in die Stillhaltevereinbarungen mit einzubeziehen. Warenkreditversicherer decken das Obligo der Belieferer gegen Zahlungsausfälle ab und tragen in der Krise aufgrund der schwachen Sicherheitenposition regelmäßig hohe Risiken. Daher ist das Bestreben groß, die versicherten Linien der Lieferanten zu reduzieren. Aus Sicht der Kreditinstitute ist dies zu vermeiden, damit sich Änderungen in den Zahlungsanforderungen der Lieferanten nicht zu Lasten des Kontokorrents verschieben. Eine Linienausweitung ist bei den Rückversicherern anzustreben, in der Praxis jedoch meist nicht erreichbar. Einige der Maßnahmen zur Sicherung der Zahlungsunfähigkeit dienen gleichzeitig zur Abwendung einer Überschuldung. So wird durch eine Bereitstellung von Eigenkapital ebenfalls das bilanzielle Vermögen gestärkt. Im Folgenden werden die aktuellen und künftigen gesetzlichen Regelungen zur Bestimmung einer Überschuldung bei haftungsbeschränkten Firmen dargestellt und beurteilt. Des Weiteren werden verschiedene Möglichkeiten zur Beseitigung einer bestehenden Vermögensunterdeckung aufgezeigt. Feststellung der Überschuldung nach bestehender und neuer gesetzlicher Regelung Überschuldung liegt bei einer Unterdeckung der bestehenden Verbindlichkeiten durch das Vermögen vor (§ 19 Abs. 2 InsO). Nach § 19 Abs. 1 InsO ist bei juristischen Personen oder gemäß § 19 Abs. 3 InsO bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, die Überschuldung Eröffnungsgrund für eine Insolvenz. Eine Überschuldung wird durch eine Gegenüberstellung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten in einer Sonderbilanz, die Überschuldungsstatus genannt wird, ermittelt (vgl. Obermüller, 2007, S. 37 ff.). Von Bedeutung ist, dass dieser Status

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4 Sanierung aus Bankensicht

losgelöst von den Ansatz- und Bewertungsvorschriften des Handelsrechts aufgestellt wird. So kann eine nach HGB oder IFRS aufgestellte Bilanz mit einer Unterdeckung lediglich ein Indiz für eine Überschuldung liefern (vgl. Hefermehl, 2008, S. 40 ff.). Definition: Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Die insolvenzrechtlich relevante Überschuldung wird in einem Status durch die Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva, frei von den Rechnungslegungsvorschriften nach HGB oder IFRS, ermittelt. Zu beachten ist, dass die Überschuldungsprüfung durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) und das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen zeitlich befristet bis zum 31.12.2013 geändert wurde. Diese Gesetzesänderung wurde verabschiedet, um die Unternehmen und Kreditinstitute vor einer Verschärfung der Finanzmarktkrise zu schützen. So liegt eine Überschuldung bei Kapitalgesellschaften oder bei haftungsbeschränkt ausgestalteten Personengesellschaften wie der GmbH & Co. KG dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Ist allerdings eine Fortführung des betrachteten Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich, ist eine Überschuldung unerheblich (§ 19 Abs. 2 InsO i. V. m. Artikel 5 FMStG). Damit lässt sich über eine positive Prognoseaussage aus einem Sanierungsgutachten die Überschuldung abwenden. Ab dem 01.01.2014 kehrt der Gesetzgeber dann wieder zu der alten dreistufigen Regelung zurück wie folgende Abbildung 4.29 zeigt (vgl. Portisch, 2009c, S. 36 ff.).

Befristete aktuelle Rechtslage (FMStG): Zweistufige Überschuldungsprüfung bis zum 31.12.2013

Vor dem FMStG bestehende und künftige Rechtslage: Dreistufige Überschuldungsprüfung ab dem 01.01.2014 § 19 Abs. 2 InsO

Bei positiver Fortführungsprognose kommt es auf die rechnerische Überschuldung nicht an

Bei positiver Fortführungsprognose ist die Überschuldung unter Ansatz von Fortführungswerten zu prüfen

Abb. 4.29 Überschuldungsbegriff auf Basis des FMStG

Somit hat die Fortführungsprognose nicht mehr nur eine wirtschaftliche Bedeutung zur Einschätzung der Sanierungsfähigkeit. Zudem ist die Prognoseaussage direkt für die rechtliche Insolvenzantragspflicht entscheidend (vgl. Portisch, 2009c, S. 36 ff.). Im Folgenden werden die Anforderungen an die Ausgestaltung einer Fortführungsprognose analysiert, da diese im

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

123

Zentrum der Überschuldungsprüfung, sowohl nach dem alten als auch nach dem neuen Ansatz, steht. Die Prognose ist nicht nur für die Beurteilung der Fortführungschancen, sondern auch für einen Bewertungsansatz der Aktiva zu Fortführungs- oder Liquidationswerten entscheidend, wie die nachfolgende Abbildung 4.30 zeigt.

Zweistufige Überschuldungsprüfung bis zum 31.12.2013

Dreistufige Überschuldungsprüfung ab dem 01.01.2014

Überschuldungsprüfung zu Liquidationswerten Aktiva < Passiva

1. Stufe

2. Stufe

Aktiva > Passiva

2. Stufe

Fortführungsprognose Positiv

1. Stufe

Positiv

Negativ Überschuldungsprüfung zu Liquidationswerten

Überschuldungsprüfung zu Fortführungswerten

3. Stufe

Aktiva > Passiva Neu: Keine Insolvenzantragspflicht

Keine Insolvenzantragspflicht

Keine Insolvenzantragspflicht

Aktiva < Passiva

Überschuldung: Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags

Abb. 4.30 Überschuldungsprüfung nach geltendem und künftigem Recht

Zweistufige Überschuldungsprüfung bis zum 31.12.2013 Im Rahmen der aktuell geänderten Regelung durch das FMStG ist auf der ersten Stufe eine Fortführungsprognose für ein defizitäres Unternehmen auf Basis eines Gutachtens abzuleiten. Grundlage dieser Zukunftsaussage ist ein detailliertes und objektives Sanierungskonzept, das unter anderem auf die Kernkrisenursachen, die Marktverhältnisse und die erforderlichen leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Maßnahmen zur Überwindung der Krise eingeht. Begleitend ist ein Finanzplan, abgeleitet aus einer integrierten Bilanz- und Ertragsplanung zu erstellen. Prognosegegenstand ist im Wesentlichen die mittelfristige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens (vgl. Bork, 2000, S. 1711). Nach herrschender Meinung umfasst der relevante Prognosezeitraum ein bis zwei Jahre. Eine positive Fortführungsprognose setzt nach der Rechtsprechung als subjektives Element den Fortführungswillen des Schuldners beziehungsweise der Organe der Gesellschaft voraus. Zudem muss als objektives Kriterium eine Ertrags- und Finanzplanung zeigen, dass das Un-

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4 Sanierung aus Bankensicht

ternehmen mittelfristig zahlungsfähig bleibt und in der Lage ist, positive Ergebnisse zu erzielen (BGH vom 09.10.2006 II ZR 305/05). Fällt die Prüfung der Fortführung positiv aus, gilt die Überschuldung nach der derzeitigen Regelung direkt als abgewendet. Bei einer negativen Prognoseaussage ist auf der zweiten Stufe eine Abdeckung der Verbindlichkeiten durch die Vermögenswerte, bewertet unter Zerschlagungsgesichtspunkten, zu prüfen. Dieses wird im Ergebnis häufig zu einer Überschuldung führen. Damit steht die Prüfung einer Fortführungsfähigkeit im Blickpunkt der insolvenzrechtlichen Überschuldung. Die rechtliche Fortbestehensannahme basiert somit auf dem finanziellen Gleichgewicht und ist daher primär eine Zahlungsfähigkeitsprognose (Groß/Amen, 2002, S. 225 ff.). Die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens sollte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Daher sind die Durchsetzung des neuen Unternehmenskonzeptes, die StakeholderInteressen und die voraussichtliche Branchenentwicklung neben der gesamtwirtschaftlichen Konjunkturlage im Prognoseergebnis zu berücksichtigen (vgl. Groß/Amen, 2002, S. 433 ff. und Groß/Amen, 2003, S. 67 ff.). Anhaltspunkte für das Erstellen einer Fortführungsprognose bieten ebenfalls betriebswirtschaftliche Standards. Die Regelung FAR 1/1996 des IDW setzt direkt an der Überschuldungsprüfung an und formuliert die relevante Fortbestehensprognose als qualitativ wertendes Urteil über die Lebensfähigkeit des Unternehmens in der vorhersehbaren Zukunft. Gemäß diesem Standard wird die Prognose auf Grundlage eines Unternehmenskonzepts und der Finanzplanung getroffen. Auch eingeleitete oder beabsichtigte interne Sanierungsmaßnahmen mit Liquiditätswirkungen und Kapitalstabilisierungen dürfen bereits berücksichtigt werden, wenn diese Effekte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Externe Maßnahmen, die von den Entscheidungen Dritter abhängen, sind dagegen in der Finanzplanung nur dann zu berücksichtigen, wenn deren Realisierung hinreichend gesichert erscheint. Der aktuelle Prüfungsstandard IDW PS 270 setzt bei der Bewertung der Aktiva unter GoingConcern-Gesichtspunkten nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB an und ist auf die Prüfung des Jahresabschlusses zugeschnitten. Bei diesem Standard kommt die Ableitung einer Zahlungsfähigkeitsprognose aus einer ganzheitlichen Unternehmensstrategie als wesentliche Grundlage einer Fortführungsaussage zum Ausdruck. Neuere Ansätze wie die Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte (GoS) sind weitergehend als bisherige Konzepte. So basieren die GoS auf einem ganzheitlichen Regelwerk an Grundsätzen, die eine gesamte Prozesskette des Sanierungsprojekts, beginnend mit der Beauftragung eines qualitativ geeigneten Beraters bis hin zur Umsetzung beschreiben. Auch die Fortführungsprognose als abschließendes Urteil kommt hier zum Ausdruck. Gerade die Schaffung der Voraussetzungen zur Realisierung der empfohlenen Maßnahmen wird in diesem Rahmenkonzept als bedeutsam für den Sanierungserfolg herausgestellt und ist in der Schlussaussage zu berücksichtigen (vgl. Portisch et al., 2007d, S. 468 ff.). Auch der IDW Standard S 6 als neues Regelungswerk für die Erstellung eines Sanierungskonzepts zeigt deutliche Erweiterungen gegenüber dem alten Standard FAR 1/1991. Die Einschätzung der zusammenfassenden Fortführungsprognose umfasst neben der reinen Liquiditätsbetrachtung auch die Schuldendeckungsmasse für den Prognosezeitraum. Zusätzlich wird die Einhaltung folgender Kriterien gefordert (vgl. IDW, 2009b, S. 1 ff.):

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

125



Nachhaltige Fortführungsfähigkeit im Sinne des § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB



Feststellung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem relevanten Markt



Renditefähigkeit für die Eigenkapitalgeber in Höhe der branchenüblichen Verzinsung

Somit beinhaltet das Prognoseurteil zu den Erfolgsaussichten einer Sanierung neben den rein quantitativen Größen auch Unwägbarkeiten des Marktgeschehens und Unsicherheiten für die Renditeaussichten bestimmter Stakeholder. Diese Fortbestehensprognose baut auf den Darlegungen des Sanierungskonzepts auf und geht neben den quantitativen Planungsrechnungen zusätzlich auf die Mitwirkungen externer Stakeholder sowie die zur Umsetzung notwendigen Sanierungsmaßnahmen ein (vgl. Portisch, 2009c, S. 36 ff.). Insgesamt zeigt sich, dass die betriebswirtschaftliche Fortführungsprognose weiter reicht als eine rechtliche Zahlungsfähigkeitsprognose. Vielmehr ist die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens umfassend zu prüfen. Die Bestimmung einer Überdeckung der Zahlungsströme in einem Finanzplan ist nur ein Element einer Fortführungsprüfung. So sind auch die Ertragschancen, die Wettbewerbsfähigkeit des Geschäftsmodells, die genaue Unternehmensstrategie und die Handlungen der Stakeholder neben dem Planzahlenmaterial bei den Untersuchungen zu berücksichtigen (vgl. Wolf/Schlageck, 2007, S. 19 ff.). Ebenso sollten besondere Risiken der Umsetzbarkeit finanzwirtschaftlicher und leistungswirtschaftlicher Sanierungsmaßnahmen durch einen Sanierer oder die Geschäftsführung bewertet werden. Dagegen entscheidet die Fortführungsprognose beim dreistufigen Prüfungsansatz lediglich über die Bewertung der Vermögensgegenstände entweder zu Zerschlagungswerten oder zu Wertansätzen bei Unterstellung einer Fortführung der Tätigkeit. Dreistufige Überschuldungsprüfung ab dem 01.01.2014 Gemäß § 19 Abs. 2 InsO erfolgt die Prüfung der Überschuldung nach dieser Regelung in drei Stufen (vgl. Bork, 2000, S. 1709). Auf der ersten Stufe findet eine Bewertung der Aktiva zu Liquidationswerten statt. Die Vermögenswerte auf der Aktivseite sind unter der Berücksichtigung konkreter Verwertungsmöglichkeiten, unabhängig von den bilanziellen Ansätzen nach HGB oder IFRS, zu bewerten. Beim Passivvermögen sind die Schulden ohne Stammkapital und die Rücklagen zu Nominalwerten aufzuführen (vgl. Obermüller, 2007, S. 38 ff.). Besteht nach dieser Gegenüberstellung keine Vermögensunterdeckung, so ist eine Insolvenzantragspflicht aufgrund einer Überschuldung nicht gegeben. Ist dagegen im Überschuldungsstatus eine Vermögensunterdeckung zu erkennen, so ist auf der zweiten Stufe eine Prognose über den Fortbestand des Unternehmens zu stellen. Dabei ist einzuschätzen, ob eine Fortführung des Unternehmens nach den geltenden Umständen als überwiegend wahrscheinlich erscheint (§19 Abs. 2 Satz 2 InsO). Für die Inhalte der Fortführungsprognose gelten die vorgestellten Anforderungen aus den Standards GoS und IDW S 6. Nur wenn das Resultat der Prognose positiv ausfällt, wird die Überschuldungsprüfung weiter fortgeführt. Ansonsten besteht eine Insolvenzantragspflicht. Auf der dritten Stufe sind bei einer positiven Prognose alle Vermögenswerte und Schulden im Überschuldungsstatus mit ihren Fortführungswerten anzusetzen. Dies bedeutet im Wesentlichen den Ansatz von Zeitwerten. Stille Reserven und werthaltige immaterielle Vermö-

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4 Sanierung aus Bankensicht

gensgegenstände können zum Beispiel berücksichtigt werden (vgl. Wolf/Schlagheck, 2007, S. 34 ff.). Abweichungen auf der Aktivseite und bei den Passiva von der handelsrechtlichen Bewertung können sich unter anderem ergeben bei einer: 

Auflösung stiller Reserven in Grundstücken über externe Wertgutachten



Bewertung von Vorräten zu Marktpreisen und Forderungen mit einer Ausfallquote



Realistischen Bewertung von Rückstellungen

In der Praxis sind erste Anzeichen einer Überschuldung oft aus der Handelsbilanz ersichtlich (vgl. Hefermehl, 2008, S. 44 ff.). Anhand der Bilanzpositionen kann ein Überschuldungsstatus aufgestellt werden, wie die folgende Abbildung 4.31 zeigt. Eine Abwendung der Überschuldung sollte den Kreditinstituten möglichst durch einen Wirtschaftsprüfer bestätigt werden, da dies wesentlich für die Herauslegung neuer Kredite ist.

Überschuldungsstatus mit Fortführungswerten Status

Bilanz der WP GmbH

250

Grundstücke

150

Stammkapital

200

Vorräte

150

100

Forderungen LuL

150

0 550

Fehlbetrag Summe

50 500

Status 0

0

Rückstellungen

100

50

Verbindlichkeiten LuL

150

150

Verbindlichkeiten KI

250

250

Summe

500

450

Abb. 4.31 Überschuldungsstatus abgeleitet aus der Bilanz

Wenn eine Überschuldung aufgrund des Status nicht gegeben ist, gilt auch die Insolvenzantragspflicht aufgrund einer Überschuldung endgültig als abgewiesen. Eine positive Fortführungsprognose ist nach der künftigen Regelung nur für den Wertansatz der Vermögenspositionen entscheidend. Allein das Ergebnis des Überschuldungsstatus entscheidet, ob eine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung besteht oder nicht. So kann trotz positiver Prognoseaussage eine Vermögensunterdeckung gemäß der Überschuldungsbilanz vorliegen und dieser Umstand eine Insolvenzantragspflicht auslösen. Ursächlich für die Definition ist die Zielsetzung des Gesetzgebers, den Gläubigerschutz zu verbessern. Es soll damit vermieden werden, dass Gläubiger von der gegebenenfalls subjektiven Einschätzung der Fortführungsfähigkeit des Krisenunternehmen abhängig sind (vgl. Reck, 2004, S. 663). Das Vorgehen der dreistufigen Überschuldungsprüfung erscheint in der Praxis jedoch kompliziert und ohne Erkenntnisgewinn zu sein, da eine Überschuldung zu Liquidationswerten in der Regel gegeben ist. Demnach kann der erste Prüfschritt eigentlich entfallen und direkt mit

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

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der Fortführungsprognose begonnen werden (vgl. Lützenratz et al., 2006, S. 26 ff.). Die Prüfung besteht dann aus den Schritten Fortführungsprognose und Überschuldungsstatus gemäß einem Vorgehen nach IDW FAR 1/1996. Zudem kann der komplette Prüfzyklus abgekürzt werden, wenn die Sicherung des Fortbestands durch einfach zu kontrollierende Sachverhalte wie eine finanzwirtschaftliche Absicherung durch eine wirtschaftlich starke Konzernmutter nachgewiesen wird oder ersichtlich ist, dass eine Überschuldung selbst bei vorsichtigen Zerschlagungswerten nicht gegeben ist (vgl. IDW, 1996, S. 4). Unabhängig vom insolvenzrechtlichen Ablauf des Prüfprozesses zur Überschuldung und den Bewertungsalternativen kann die Vermögensunterdeckung durch finanzielle Maßnahmen der internen oder externen Stakeholder nachhaltig bereinigt werden. In Betracht kommen als Instrumente der Überschuldungsbereinigung unter anderem: 

Finanzielle Maßnahmen der Gesellschafter



Rangrücktritt, Verzicht oder Teilverzicht der Gläubiger



Unterstützungen durch die Lieferanten und Kreditversicherer

Rangrücktritt, Verzicht und Kapitalerhöhung durch Gesellschafter Zur Abwendung der Überschuldung sind in erster Linie die Gesellschafter gefragt. Sie besitzen ein originäres Interesse am Fortbestand des eigenen Unternehmens. In vielen Firmen haben die Gesellschafter gleichzeitig die Position des Geschäftsführers inne. Sind die Anteilseigner darüber hinaus haftungsmäßig über Bürgschaften eingebunden, so folgt einer betrieblichen Insolvenz meist auch die Privatinsolvenz mit einer Existenzgefährdung für die betroffenen Familien und ein Ansehensverlust in der Öffentlichkeit. Da der Unternehmer dies unter allen Umständen vermeiden möchte, ist eine finanzielle Einbindung zur Vermeidung der Überschuldung meist leicht durchzusetzen. Ein übliches Mittel zur Abwendung der Überschuldung von Seiten der Gesellschafter ist die Erklärung eines wirksamen Rangrücktritts inklusive einer Kapitalbelassungserklärung für bestehende oder neu vergebene Gesellschafterdarlehen. Die Gesellschafter des Krisenunternehmens äußern dabei schriftlich, dass sie mit ihren Darlehen hinter die gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen übriger Geldgeber im Rang zurücktreten. Erforderlich ist bei der Rangtiefe des Rücktritts, dass die Gläubiger hinter die in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO genannten Forderungen zurücktreten. Nicht mehr notwendig ist dagegen die Gleichstellung mit statutarischem Eigenkapital (vgl. Hirte, 2008, S. 689 ff.). Somit rückt der Gesellschafter als Kreditgeber gemäß § 39 Abs. 2 InsO einen Rang hinter diejenigen Gesellschafter, die keine derartige Erklärung abgegeben haben (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Wird das Darlehen jedoch trotz Rangrücktritt zurückgezahlt, begründet dies lediglich die Möglichkeit einer Insolvenzanfechtung. Auch die bestellten Kreditsicherheiten für Gesellschafterdarlehen werden gemäß § 135 InsO künftig anfechtbar sein (vgl. Rechtmann, 2008, S. 120 ff.). In der Praxis ist das Instrument des Rangrücktritts vertraglich sehr einfach umsetzbar. Zudem zeigt sich hier die Bereitschaft der Gesellschafter, bedingungslos hinter ihrem Unternehmen zu stehen. Da stehengelassene Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren nur als nachrangige Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können, erscheint die Abgabe einer

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4 Sanierung aus Bankensicht

Rangrücktrittserklärung für den Gesellschafter aus wirtschaftlicher Sicht unproblematisch zu sein (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Sind die Anteilseigner eines Unternehmens nicht bereit, diese Erklärung zu geben, so werden sich die externen Gläubiger auch kaum dazu bereiterklären, das Unternehmen durch finanzielle Beiträge zu stützen. Alternativ kann ein Verzicht auf die Rückzahlung dieser Forderungen erteilt werden. Neben einem Rangrücktritt oder Verzicht durch die Gesellschafter besteht auch die Möglichkeit, das Eigenkapital durch zusätzliche Einlagen in Form einer Kapitalerhöhung aufzustocken. Dabei kommen sowohl Barmittel als auch Sacheinlagen in Betracht (vgl. Bauer, 2008, S. 43 ff.). Auch hier ist die positive Außenwirkung auf die externen Gläubiger von Bedeutung. Bestehen von Seiten der Gesellschafter Möglichkeiten, finanzielle Mittel aus dem privaten Bereich in die Firma einzubringen, so wird dies von den externen Gläubigern erwartet werden. Eine Verweigerung von Seiten der Gesellschafter würde ein sehr negatives Zeichen setzen. Es zeigt die mangelnde Bereitschaft, voll hinter dem eigenen Unternehmen zu stehen und deutet auf schlechte geschäftliche Aussichten hin. Erwähnt werden soll auch die Kapitalstärkung durch die Aufnahme neuer Gesellschafter aus dem Kreis der internen Stakeholder. Durchaus Erfolg versprechend ist eine Beteiligung des Managements über Geschäftsanteile an dem Unternehmen. In Frage kommen dabei in erster Linie die Führungsebene und das Mittlere Management. Sie kennen die Strukturen und auch die Position des Unternehmens am Markt und sind damit in der Lage, die Zukunftsperspektiven einer Sanierung detailliert zu beurteilen. Ein wichtiger Antrieb für den angesprochenen Personenkreis wird das Streben nach Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes und damit letztlich auch der eigenen Existenz sein. Die Chance, dass sich dagegen neue Gesellschafter von externer Seite finden, die das Unternehmen in der Krise mit Eigenkapital versorgen, ist in der Praxis oft sehr gering. Die aufwendige Suche eines potenziellen Investors und die notwendigen wirtschaftlichen und rechtlichen Prüfungen eines Neuengagements, stehen einem hohen zeitlichen Druck in der Krise und Sanierung entgegen. Dagegen werden gerade mittelständische Unternehmen heutzutage vielfach von Finanzinvestoren begleitet. Diese haben häufig Kapital in Form von Mezzaninen wie einer stillen Beteiligung oder Genussrechten bereitgestellt. Unter Umständen kann hier eine Umwandlung der eigenkapitalähnlichen Mittel in bilanzielles Eigenkapital im Rahmen eines Debt Equity Swap erfolgen und damit die Überschuldung bereinigt werden. Auch von Seiten der Kreditinstitute bestehen verschiedene Möglichkeiten der Kapitalstützung eines Krisenunternehmens. Diese werden jedoch erst eingesetzt, wenn die Gesellschafter aus Sicht der Banken alle finanziellen und vertraglichen Möglichkeiten der Kapitalstärkung ausgereizt haben. Rangrücktritt, Verzicht oder Forderungsumwandlung durch Kreditinstitute Kreditinstitute können mit einer Rangrücktrittserklärung ebenfalls eine Insolvenzantragspflicht aufgrund der Überschuldung vermeiden. Auch ein Verzicht auf die Rückzahlung von Krediten oder ein Teilverzicht mit Besserungsschein sind mögliche Alternativen der Kapitalstärkung. Auslöser für ein solches Verhalten müssen jedoch außergewöhnlich starke Interessen des Kreditinstitutes am Fortbestand der Unternehmung, gepaart mit einer Aussichtslosigkeit weiterer Möglichkeiten sein. In dem betrachteten Umfeld eines Krisenunternehmens ist ein solches Verhalten der Kreditinstitute kaum anzutreffen.

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

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Eine weitere Alternative zur Kapitalbereinigung der Krisenfirma von Seiten der Kreditinstitute besteht in der Umwandlung von Forderungen in eine Beteiligung am Unternehmen. Für die dann entstehende Gesellschafterstellung ist jedoch die Dauer des Sanierungsprivilegs problematisch (§ 39 Abs. 4 InsO). Die Kredite und sonstigen Finanzierungsleistungen werden nur einmalig den Regelungen der Insolvenzordnung entzogen. Ein erneuter wirtschaftlicher Zusammenbruch führt dann künftig zur Nachrangigkeit der gewährten und auch der stehengelassenen Darlehen eines Gesellschafters, der mit mehr als 10 % an dem Unternehmen beteiligt ist. Unabhängig von dieser Regelung ergeben sich in der Praxis oft wirtschaftliche Probleme aus Beteiligungen von Banken an Krisenfirmen. So werden die übrigen Gläubiger auf diese Gesellschafterstellung hinweisen und künftig den Einschuss von notwendigen Finanzmitteln fordern, wie auch von anderen Anteilseignern. Ist jedoch mit der späteren Werthaltigkeit der Gesellschaftsanteile aufgrund der guten Sanierungsaussichten zu rechnen, sollten sich die finanzierenden Banken möglichst die Rechte an den Firmenanteilen sichern. Werden diese über eine erfolgreiche Sanierung wieder werthaltig gemacht, partizipieren die Institute an einem späteren Verkaufserlös. Dies erscheint dann gerechtfertigt, wenn die Kreditinstitute maßgeblich zur Überwindung der Krisenlage beitragen. Zur Sicherheitenbestellung bietet sich die doppelnützige Treuhand an. Dabei wird eine Quote von Geschäftsanteilen, unter Berücksichtigung steuerlicher Aspekte, auf einen nicht weisungsabhängigen Treuhänder übertragen. Dieser nimmt für die Kreditgeber reine Sicherungsinteressen wahr, indem er die Anteile vorrangig für die Institute hält. Werden diese später durch den Treuhänder veräußert, wird er durch die konkrete Sicherungsabrede verpflichtet, den Erlös an die finanzierenden Institute auszukehren. Nachrangig ist auch der Treugeber berechtigt, da ihm ein möglicher Übererlös aus der Veräußerung dieser Anteile zusteht. Diese Form der Treuhandvereinbarung endet erst dann, wenn die gesicherte Forderung vollständig zurückgeführt worden ist (vgl. Portisch, 2009a, S. 34 ff.). Unterstützungen durch Lieferanten und Kreditversicherer Existieren starke wechselseitige Verbindungen zu Lieferanten ist zu prüfen, inwieweit bestehende oder neue Darlehen mit Rangrücktrittserklärungen versehen werden können oder auch Beteiligungen zur Kapitalfestigung realisierbar sind. Dies wird nur in Frage kommen, wenn ausgeprägte Abhängigkeiten bestehen. Lieferanten sind ebenfalls potenzielle Kandidaten für Verzichte. In der Praxis sind diese Möglichkeiten der Kapitalunterstützung einer Krisenfirma jedoch nicht häufig anzutreffen. Zudem ist ein wesentlicher Einspruch der Kreditversicherer zu erwarten, wenn diese den Verzicht der Forderungen unter Umständen anteilig tragen müssen. Meist ist es von größerer Wichtigkeit, sich in einer Krise und eingeleiteten Sanierung die weitere Lieferbereitschaft auf Basis der bestehenden Einkaufslinien zu sichern. Dies ist besonders dann bedeutend, wenn keine Substitutionsmöglichkeiten bestehen und die Belieferungsprozesse durch Engpässe bedroht werden. Insgesamt gesehen wird ein Insolvenzantrag aufgrund der Überschuldung eines Unternehmens selten gestellt, da ein großer Handlungsspielraum besteht, die Überschuldung zu bereinigen. Die Generierung und Sicherung der Liquidität hat meist eine sehr viel größere Bedeutung, da sich gerade die Beschaffung neuer Mittel meist weitaus schwieriger gestaltet. Nachfolgend werden ausgewählte finanzwirtschaftliche Sanierungsinstrumente in Tabelle 4.20 zusammengefasst dargestellt (vgl. Bales, 2007, S. 260 ff.).

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4 Sanierung aus Bankensicht

Tab. 4.20 Finanzwirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen

Zahlungsunfähigkeit

Überschuldung

Liquiditätsmanagement im Unternehmen

Auflösung stiller Reserven

Bareinlagen von Gesellschaftern

Kapitalaufstockungen

Liquidation nicht betriebsnotwendiger Aktiva

Rangrücktrittserklärungen

Zins- und Tilgungsstundungen

Forderungsverzichte

Neukreditvergabe

Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital

Zu beachten ist, dass Schritte zur Bereinigung der Überschuldung steuerliche Wirkungen entfalten können. So ist die Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns gemäß § 3 Nr. 66 EStG ersatzlos gestrichen worden (vgl. Lauer, 2005, S. 389 ff.). Begründungen für die Aufhebung waren seinerzeit, dass eine Doppelbegünstigung zum einen durch den Erlass der Steuern auf die Sanierungsgewinne zur Kapitalbereinigung und zum anderen durch Vorteile aus Verlustvorträgen mit einer Schmälerung zukünftig entstehender Gewinne vermieden werden sollte (vgl. Janssen, 2005, S. 1027 ff.). Entschärft worden ist diese ertragsteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen durch das BMF-Schreiben vom 27. März 2003. Dieses sieht vor, dass auf Sanierungsgewinne entfallende Steuern auf Antrag des Steuerpflichtigen gestundet oder erlassen werden können (§§ 163, 222, 227 AO). Dabei ist die Annahme eines begünstigten Sanierungsgewinns von weiteren Voraussetzungen abhängig, wie unter anderem von der Sanierungsbedürftigkeit und der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens. Zusätzlich werden die Sanierungseignung des Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht des Gläubigers gefordert (vgl. Strüber/Donat, 2003, S. 2037 ff.). Gemäß dem geforderten Vorgehen muss der Schuldner zunächst eine uneingeschränkte Verlustverrechnung durchführen, um seinen steuerlichen Gewinn zu minimieren. Die Verluste müssen dabei vorrangig mit dem Sanierungsgewinn verrechnet werden. Verbleibt nach der Verlustverrechnung ein zu versteuernder Sanierungsgewinn, so hat das zuständige Finanzamt gemäß Ziffer 8 Satz 2 des BMF-Schreibens die Steuer auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen. Dies erfolgt gemäß § 222 AO mit einer Möglichkeit der Stundung oder des Erlasses gemäß § 227 AO. Für die Stundung oder den Erlass der Gewerbesteuer ist die jeweilige Gemeinde zuständig. Dabei ist aus Unternehmenssicht ein Verzicht auf die Gewerbesteuer anzustreben. Auf diese Weise wird eine meist hohe Liquiditätsbelastung auch in der Zukunft vermieden (vgl. Geist, 2008, S. 2658 ff.). Zusammenfassung Abschnitt 4.3.1: Dieser Abschnitt befasste sich mit den finanzwirtschaftlichen Sofortmaßnahmen nachdem die Krise festgestellt wurde. Ziel ist die Vermeidung der Insolvenz, die weitere Sanierungsbemühungen meist unmöglich macht. Dargestellt wurden Maßnahmen, um die Insolvenzeröffnungsgründe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung abzuwenden. Wichtig ist es, die Beiträge vieler Stakeholder zusammenzuführen. Aus Sicht der Hausbank sind bei der Stützung des Unternehmens die möglichen Beiträge der Gesellschafter und der Lieferanten zu mobilisieren. Erst wenn die finanzielle Stabilität hergestellt ist, kann eine Prüfung der Sanierungsfähigkeit erfolgen.

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

4.3.2

131

Praxisfall zu den finanzwirtschaftlichen Sofortmaßnahmen

Wir befinden uns am Ende des dritten Quartals des Jahres xxx1. Die Mittelstandsbank AG ist Hausbank der Druck GmbH. Bei ihr besteht das größte Blankorisiko unter den Gläubigern. Zudem existieren weitere Risiken aus verbundenen Kreditengagements, operationellen Prozessen und gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen. Die negativen Informationen bei der Firma Druck GmbH verdichten sich und die Strategie-, Ertrags- und die Liquiditätskrise sind mittlerweile offensichtlich. Folgendes aktuelles Zahlenmaterial zur Ertragslage liegt der Mittelstandsbank AG in Form einer verkürzten GuV per 09/xxx1 vor, wie folgende Tabelle 4.21 zeigt. Tab. 4.21 Auszüge aus der GuV der Druck GmbH

Gewinn- und Verlustrechnung der Druck GmbH GuV per

xxx-2

xxx-1

xxx0

09/xxx1

Umsatz/Gesamtleistung

15.700

15.000

13.700

8.700

Materialaufwand

8.500

7.800

7.300

4.800

Rohertrag

7.200

7.200

6.400

3.900

Personalaufwand

3.400

3.200

3.100

2.300

Abschreibungen

400

500

600

400

Zinsaufwand

200

300

500

400

Sonstige Aufwendungen

3.000

2.900

2.400

1.900

Jahresergebnis

200

300

-200

-1.100

Cash Flow

600

800

400

-700

Bis zum dritten Quartal per 09/xxx1 ist ein im Vergleich zum Halbjahr angestiegener Verlust entstanden, der sich bis zum Jahresende laut Firmenangaben weiter erhöhen kann. Auch der Cash Flow ist deutlich negativ und weist auf einen Verzehr der Zahlungsmittelbestände hin. Die angestiegenen Verluste zeigen sich auch in der angespannten Kontoführung. Folgende weitere Informationen zeigen die Brisanz der Lage: 

Das Eigenkapital ist bereits aufgezehrt. Dies deutet auf eine mögliche Überschuldung in der Jahresabschlussbilanz xxx1 hin. Die Liquidität ist zusätzlich angespannt, alle Linien sind bereits vollständig ausgereizt, sodass auch eine kurzfristig eintretende Zahlungsunfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann.



Geschäftsführer Müller weist telefonisch auf eine Liquiditätslücke für die nächsten acht Wochen in Höhe von insgesamt 100 TEUR gemäß dem nachfolgenden Finanzplan hin. Er beantragt eine Erhöhung der Kontokorrentlinie um weitere 100 TEUR auf insgesamt 3.200 TEUR bis Ende xxx1 bei der Mittelstandsbank AG.

132

4 Sanierung aus Bankensicht



Es wurde ein erstes Krisengespräch geführt. Teilgenommen haben von Firmenseite der Geschäftsführer Müller und sein Steuerberater. Von der Bank sind der Firmenkundenbetreuer und der zuständige Sanierungsbetreuer anwesend. Zunächst wurden die bestehenden Sicherheitenverträge aktualisiert und die neuen Sicherheiten hereingenommen.



Müller zeigt sich zunächst nicht einsichtig zu der bestehenden Krise und spielt diese im Gespräch mit der Aussage herunter: „Die Geschäftslage wird sich im vierten Quartal verbessern.“ Der Steuerberater unterstützt Müller mit der Aussage, dass er die Firma seit vielen Jahren kennt und diese auch früher Krisensituationen überstanden hat.



Der Sanierungsbetreuer erläutert dem Geschäftsführer und Steuerberater die Regelungen des Insolvenzrechts und weist auf die Pflicht zur Antragstellung gemäß § 15a InsO hin. Des Weiteren klärt er Müller über die Gefahren der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung aus Sicht der Mittelstandsbank AG im Hinblick auf die andauernde Überziehung auf.



Der Sanierungsspezialist der Mittelstandsbank weist deutlich auf die Klärung der Sanierungsfähigkeit der Druck GmbH hin. So ist in Kürze ein Gutachten zu beauftragen, dass über eine Fortführungsprognose die potenziellen Sanierungsaussichten der Firma untersucht. Er nennt dem Geschäftsführer dazu verschiedene geeignete externe Berater.



Nachdem alle Argumente ausgetauscht wurden, konnten Müller und sein Steuerberater überzeugt werden, Maßnahmen zur Sanierung der Druck GmbH einzuleiten. So ist Müller bereit, mit finanzwirtschaftlichen Sofortmaßnahmen eine Insolvenzantragspflicht zu vermeiden. Zudem möchte er Kontakt zu einem externen Berater aufnehmen.



Das Engagement der Mittelstandsbank AG bei der Papierlieferant GmbH konnte auf ein Volumen von 2.500 TEUR, blanko 1.500 TEUR, verringert werden. Die operationellen Risiken konnten ebenfalls leicht abgebaut werden. Die Gefährdungen aus der Beteilung werden von der Rechtsabteilung aufgrund der 10 %-Grenze als gering eingeschätzt.

Zunächst ist zu bestimmen, welche Liquiditätsprobleme bis zum Jahresende xxx1 zu erwarten sind. Dazu hat das Unternehmen einen kurzfristigen Finanzplan für die folgenden Monate erstellt. Dieser wird in folgender Tabelle 4.22 abgebildet. Tab. 4.22 Verkürzter Finanzplan der Druck GmbH

Angaben in TEUR/Monate

10

11

12

Konto-Anfangsbestand

-5.100

-5.150

-5.200

Einzahlungen

1.000

1.000

1.000

Auszahlungen

1.050

1.050

1.000

Saldo Ein-/Auszahlungen

-50

-50

0

Konto-Endbestand

-5.150

-5.200

-5.200

Banklinien

5.100

5.100

5.100

Über-/Unterdeckung

-50

-100

-100

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

133

Der Steuerberater hat kurzfristig einen Überschuldungsstatus anhand von Liquidationswerten erstellt, da derzeit noch keine positive Fortführungsprognose für das Unternehmen vorliegt. Die Wertansätze der Grundstücke und Gebäude basieren auf einem externen Gutachten. Die Verbindlichkeiten wurden zu Nominalwerten angesetzt. Derzeit weist der Status eine Unterdeckung auf. Eine Bereinigung der Überschuldung ist mit Erklärung eines wirksamen Rangrücktritts für das Gesellschafterdarlehen über insgesamt 400 TEUR möglich. Müller hat sich dazu bereiterklärt. Tabelle 4.23 zeigt den aktuellen Stand der Überschuldung vor deren Bereinigung durch den Rangrücktritt. Tab. 4.23 Überschuldungsstatus der Druck GmbH

Vermögensgegenstände

Schulden

Anlagevermögen

12.800

Umlaufvermögen

4.100

Unterdeckung Summe

300 17.200

Gesellschafterdarlehen Verbindlichkeiten Vorläufiger Jahresfehlbetrag Summe

400 15.700 1.100 17.200

Da die übrigen Gläubiger bereits vor einiger Zeit starken Druck auf die Firma ausgeübt haben, sollen die anderen Banken und Lieferanten beziehungsweise Kreditversicherer nicht von diesem Erstgespräch unterrichtet werden. Auf diese Weise kann notwendige Zeit zur Erstellung eines Gutachtens mit Prüfung der Sanierungsfähigkeit gewonnen werden. Am Ende des Gesprächs einigt man sich auf folgende zu ergreifende Maßnahmen: Prüfung der Linienerhöhung um weitere 100 TEUR gegen eine deckungsgleiche Globalzession, Erklärung eines Rangrücktritts mit Kapitalbelassungserklärung zu den Gesellschafterdarlehen durch Müller, schriftliche Bestätigung der Abwendung der Überschuldung durch den Steuerberater, Hebung von Liquiditätsreserven in der Firma, Übersendung eines taggenauen Liquiditätsplans mit Vorausschau rollierend im Voraus für die folgenden acht Wochen. Zudem verpflichtet sich Müller, einen externen Sanierungsberater einzusetzen, der ein Gutachten mit einer abschließenden Sanierungsaussage nach dem neuen IDW Standard S 6 oder der Einhaltung der Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte (GoS) erstellt. Zur Bestimmung der weiteren Vorgehensweise wird ein Kurzgespräch in drei Tagen vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt soll auch die Entscheidung der Mittelstandsbank AG zu der beantragten Erhöhung der Kontokorrentlinie über weitere 100 TEUR vorliegen. Diese Mittel sollen nur als Überbrückungskredit bis zur Klärung der Sanierungsaussichten gewährt werden. In dem Gespräch soll der externe Berater vorgestellt werden. Aufgabenstellungen 1

Erstellen Sie einen Folgebericht für den Kompetenzträger und geben Sie eine Empfehlung zur weiteren Vorgehensweise.

2

Machen Sie einen Vorschlag für die Entscheidung des Risikovorstands.

134

4 Sanierung aus Bankensicht

4.3.3 1

Lösung des Praxisfalls zu den Sofortmaßnahmen

Erstellen Sie einen Folgebericht für den Kompetenzträger und geben Sie eine Empfehlung zur weiteren Vorgehensweise.

Tab. 4.24 Übersicht über das Engagement Druck GmbH

Berichtskopf des Engagements Druck GmbH Rating

12

12

14

15

15

Angaben in TEUR

xxx-1

xxx0

xxx1

xxx1 Ist

xxx1 Antrag

Volumen*

5.500

5.500

5.600

5.600

5.700*

Kontokorrentlinie

3.000

3.000

3.000

3.100

3.200

(Inanspruchnahme)

(2.800)

(2.950)

(3.100)

(3.100)

(3.100)

Investitionsdarlehen

2.000

2.000

2.000

2.000

2.000

500

500

500

500

500

(Avalausnutzung)

(300)

(450)

(500)

(500)

(500)

Sicherheiten

1.700

1.650

900

1.000

1.100

RKW Kapital-LV

---

50

100

100

100

Warenübereignung

700

600

---

---

---

1.000

1.000

800

800

800

Globalzession

---

---

---

100

200

Grundschuld**

---

---

---

(500)

(500)

Bürgschaft**

---

---

---

(500)

(500)

3.800

3.850

4.700

4.600

4.600

---

---

---

4.600

4.600

Avallinie

Druckmaschinen

Blanko/Risiko EWB *

Volumen = Linie oder Inanspruchnahme, die höhere Ausnutzung zählt

**

(500) bedeutet nominaler Sicherheitenwert 500 TEUR aus Vorsichtsgründen ohne Bewertung

Kreditanträge 

Beantragt wird eine Erhöhung der KK-Linie um weitere 100 TEUR, gegen eine Erhöhung der begrenzten Globalzession auf insgesamt 200 TEUR, zunächst befristet bis Ende des Jahres xxx1. Zwischenzeitlich soll ein externer Berater eingesetzt werden, der ein Gutachten mit einer Fortführungsprognose nach IDW S 6 oder GoS erstellt.



Gleichzeitig soll Müller den Rangrücktritt mit Kapitalbelassung für sein Gesellschafterdarlehen erklären. Zudem wird der Steuerberater aufgefordert, unverzüglich schriftlich zu bestätigen, dass keine Überschuldungssituation mehr besteht. Dies ist Voraussetzung für die befristete Krediterhöhung im Kontokorrent.

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

135

Aktuelle Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage Tab. 4.25 Aktuelle wirtschaftliche Verhältnisse der Druck GmbH

Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage Angaben TEUR und (%)

xxx-2

xxx-1

xxx0

09/xxx1

Eigenkapital

1.000

1.000

800

-300

Wirtschaftliches Eigenkapital

1.500

1.450

1.200

100

Umsatz/Gesamtleistung

15.700 (100)

15.000 (100)

13.700 (100)

8.700 (100)

Materialaufwand

8.500 (54,14)

7.800 (52,00)

7.300 (53,28)

4.800 (55,17)

Rohertrag

7.200 (45,86)

7.200 (48,00)

6.400 (46,72)

3.900 (44,83)

Personalaufwand

3.400 (21,66)

3.200 (21,33)

3.100 (22,63)

2.300 (26,44)

Jahresergebnis

200 (1,27)

200 (1,33)

-200 (-1,46)

-1.100 (-12,64)

Cash Flow

600 (3,82)

800 (5,33)

400 ( 2,92)

-700 (-0,08)

Debitorenlaufzeit (Tage)

35,54

40,80

52,55

62,50

Die wirtschaftlichen Verhältnisse zeigen keine starke Verbesserung. Lediglich der Rückgang des Jahresfehlbetrags konnte verlangsamt werden. Gläubigerstruktur und Sicherheiten der Gläubiger 

Es bestehen keine Veränderungen der Engagements der übrigen Gläubiger.

Weiterbehandlungskonzept 

Die Firma befindet sich in einer akuten Liquiditätskrise. Um die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden ist die Kontokorrentlinie um weitere 100 TEUR auszuweiten. Die Linienerhöhung soll zunächst bis Ende des Jahres xxx1 befristet werden. Dann soll das Sanierungsgutachten des Unternehmensberaters vorliegen und beurteilt worden sein.



Dem Unternehmen sollen verschiedene der Bank bekannte einschlägige Sanierer vorgeschlagen werden. Nach spätestens zwei Wochen ist ein Berater vom Unternehmen einzusetzen. Das Sanierungsgutachten soll dann nach weiteren sechs Wochen mit einer genauen Einschätzung der Sanierungsfähigkeit vorliegen.



Das Konzept soll auf die Krisenursachen, die notwendigen leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen und die personelle Umsetzung der Maßnahmen eingehen. Das Sanierungsgutachten ist durch eine integrierte Planungsrechnung insbesondere zur Liquidität und zur Ertragslage nach Sparten zu unterlegen.

Nachfolgende Abbildung 4.32 zeigt die Terminplanung mit den wichtigsten Aktivitäten und ihrer Zeitdauer. Zudem lassen sich der Bearbeitungsstand und die Teilnehmer des Vorgangs an dem Balkendiagramm vermerken und mit erfolgreichem Abschluss einer Aktivität bedeutender Meilensteine eintragen (vgl. Litke, 2004, S. 102 ff.).

136

4 Sanierung aus Bankensicht

Maßnahmenkatalog auf einem Zeitraster Aktivitäten Auswahl Berater Sanierungsgutachten zur Feststellung der Sanierungsfähigkeit

Weitere Gespräche mit der Papierlieferant GmbH

Überwachung der Kontoführung anhand einer Liquiditätsplanung

Gespräche mit der Firma und Sicherung der Liquidität

0

1

2

3

4

5

6

7

8

Zeit in Wochen

Abb. 4.32 Terminplanung als Balkendiagramm

Wichtig ist, dass dem Krisenunternehmen mehrere branchenkundige Beratungen empfohlen werden. Es darf von Seiten der Bank kein Druck ausgeübt werden, dass eine bestimmte Beratungsfirma eingesetzt wird, um nicht in die Geschäftsführung einzugreifen. Damit die Feststellung der Sanierungsfähigkeit über ein Gutachten ermöglicht wird, ist in diesem Stadium die Liquidität abzusichern und über einen Finanzplan laufend zu überwachen. Liegt das Gutachten vor, ist durch das Sanierungsteam der Mittelstandsbank AG die Sanierungswürdigkeit aus Sicht der Bank zu prüfen. Die weiteren Gläubiger sollen aufgrund der Einschätzungen der Druck GmbH zunächst nicht mit einbezogen werden, da in der Vergangenheit von Seiten der Lieferanten und Kreditversicherer erheblicher Druck ausgeübt wurde. Von diesen Stakeholdern können daher erhebliche Sanierungsgefährdungen ausgehen. Unter anderem können die Einkaufslinien und die Zahlungsziele gekürzt werden. Entscheidungsbedarf und Wiedervorlagetermin 

Das Unternehmen Druck GmbH befindet sich in einer unmittelbaren Gefährdungslage. Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen sind unverzüglich umzusetzen. Dazu wird die Linienerhöhung um 100 TEUR auf 3.200 TEUR im Kontokorrent als Überbrückungsfinanzierung bis zur Vorlage des Gutachtens befürwortet. Die Aufstockung wird zur Feststellung der Sanierungsfähigkeit als notwendig erachtet.



Voraussetzung für die Krediterhöhung ist, dass von Müller die Auflagen des Rangrücktritts und der Beauftragung eines qualifizierten externen Beraters erfüllt werden. Nach Vorlage des Gutachtens ist auf Basis der Fortführungsprognose die Sanierungswürdigkeit der Druck GmbH zu bestimmen. Wiedervorlage nach Einreichung des Gutachtens mit Prüfung der weiteren Begleitung durch die Bank.

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen 2

137

Machen Sie einen Vorschlag für die Entscheidung des Risikovorstands.

Zur Erhöhung der Kontokorrentlinie um 100 TEUR auf 3.200 TEUR: Der Liquiditätsbedarf der nächsten Monate ist über einen taggenauen Finanzplan zu verifizieren. Die Saisonalität der Umsätze sollte in den Finanzplan eingearbeitet werden. Es wird darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren eine Rückführung des Gesellschafterdarlehens erfolgte. Die notwendigen Mittel von 100 TEUR soll Müller daher durch eine Bareinlage mit Wiederauffüllung des Gesellschafterdarlehens auf den ursprünglichen Stand von 500 TEUR gewährleisten. Gleichzeitig ist von ihm ein wirksamer Rangrücktritt mit Kapitalbelassung oder besser ein Verzicht für dieses Darlehen zu erklären. Die steuerlichen Auswirkungen sind zu prüfen. Die Anträge und das Weiterbehandlungskonzept werden auf dieser Basis genehmigt. Einzubinden sind die Juristen der Bank, um die Gestaltung der Sanierungshilfen rechtlich abzusichern. Die Liquiditätsplanung für die nächsten acht Wochen muss im Rahmen der bewilligten Linien liegen. Die Firma soll weiterhin alle Quellen zur Liquiditätsgenerierung aus dem Unternehmen nutzen. Wareneinkäufe sind auf das Notwendigste zu beschränken und es ist ein strenges Forderungsmanagement zu betreiben. Es ist unverzüglich eine Sicherheitenprüfung der Forderungen und des Warenlagers vorzunehmen.  Unverzügliche WV nach Feststellung der Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit

3. Sanierungsregel: Nach Identifizierung einer Krise ist über finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen die Zahlungsfähigkeit abzusichern und bei haftungsbeschränkten Firmen die Überschuldung abzuwenden, um die Insolvenzantragspflicht zu vermeiden.

Erläuterung der 3. Sanierungsregel Die Vermeidung der Insolvenz ist der erste Meilenstein, der erreicht werden sollte, damit die Sanierungsbemühungen nicht bereits in einer frühen Phase scheitern. Dazu ist bei haftungsbeschränkten Firmen die Überschuldung abzuwenden. Dies kann über eine positive Fortführungsprognose beziehungsweise mit der Aufdeckung stiller Reserven oder der Erklärung eines Rangrücktritts erreicht werden. Schwieriger gestaltet sich in der Praxis die Sicherung der Liquidität zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit. Von Bedeutung ist, zunächst alle Möglichkeiten der Liquiditätsgenerierung aus dem Unternehmen heraus umzusetzen. Gleichzeitig sind von den Gesellschaftern finanzielle Beträge einzufordern. Erst wenn diese Alternativen ausgeschöpft sind, ist eine Überbrückungsfinanzierung durch die Banken zu prüfen. Diese ist an strenge Auflagen wie die Beauftragung eines externen Beraters zur Erstellung eines qualifizierten Gutachtens zu knüpfen. Das Sanierungskonzept sollte nach dem aktuellen Standard des IDW S 6 oder den GoS beziehungsweise den MaS erstellt werden. Dabei ist insbesondere auf die Krisenursachen, das Geschäftsmodell, die strategischen Optionen, die finanz- und leistungswirtschaftlichen Maßnahmen und deren personelle Umsetzung einzugehen. Das Sanierungsgutachten ist durch eine integrierte Planungsrechnung zu unterlegen und sollte mit einem klaren Urteil zur Sanierungsfähigkeit abschließen.

138

4 Sanierung aus Bankensicht

4.3.4

Empirische Ergebnisse zu den Sofortmaßnahmen

Verschiedene Maßnahmen mit externem Charakter werden von Banken unmittelbar nach der Beobachtung von Auffälligkeiten im Rahmen von Sofortmaßnahmen bei den Firmenkunden eingeleitet. Am häufigsten genannt wird mit 97 % der Rückmeldungen die Durchführung eines Krisengesprächs mit der Geschäftsleitung der Firma. Weitere Schritte, die oft umgesetzt werden, sind mit 65 % der Nennungen die Risikoreduzierung mit einer Tilgung oder Nachbesicherung, mit 59 % die Liquiditätssicherung des Kunden zur Vermeidung der Insolvenz, mit 57 % die Empfehlung zur Einsetzung eines Sanierungsberaters und mit 48 % die Einleitung von Gesprächen zur Sicherheitenpoolbildung mit den übrigen beteiligten Banken beziehungsweise anderen Gläubigern, wie Lieferanten und Kreditversicherern. Sonstige Maßnahmen, die genannt werden, betreffen unter anderem die Prüfung eines Verkaufs des Kreditengagements oder die Ursachenanalyse der bestehenden Krise. Nachfolgende Abbildung 4.33 zeigt nach der Rangfolge der Nennungen die Sanierungsschritte, die von den Kreditinstituten in der Krise des Kunden häufig eingeleitet werden.

Welche externen Schritte werden unverzüglich nach der Krisenerkennung von Ihrer Bank eingeleitet? 97%

Kundengespräch

65%

Risikoreduzierung

59%

Liquiditätssicherung

57%

Empfehlung Berater

48%

Gespräche Poolbildung

10%

Sonstige Schritte 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Mehrfachnennungen möglich

Abb. 4.33 Sofortmaßnahmen nach Häufigkeit der Antworten

Nach Banksektoren ergeben sich Unterschiede in dieser Bewertung. So wird von Vertretern der Privatbanken die Aufnahme von Gesprächen zur Sicherheitenpoolbildung sehr viel häu-

4.3 Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen

139

figer angekreuzt. Landesbanken und Sparkassen nennen öfter die Liquiditätssicherung und Empfehlung zum Einsatz eines Sanierungsberaters. Antworten von Volks- und Raiffeisenbanken liegen über dem Durchschnitt bei der Durchführung von Maßnahmen zur Risikoreduzierung. Diese Einschätzungen korrespondieren mit den häufig vorzufindenden Größenordnungen der Institute in den verschiedenen Banksektoren. Nach der Bankengröße steht bei kleinen Instituten neben der Führung des Kundengesprächs die Risikoreduzierung an zweiter Stelle der Nennungen und zeigt die Sensitivität für Ausfallrisiken. Dagegen wird von großen Banken die Poolbildung am häufigsten als zweiter Sanierungsschritt genannt. Neben der Häufigkeit ist die Einschätzung der Bedeutung der einzuleitenden Maßnahmen aus Sicht der Banken von Interesse. Die Relevanz der zu gestaltenden Sanierungsmaßnahmen wird unterschiedlich beurteilt. Als besonders wichtig werden in der Bedeutungsreihenfolge die Schritte Kundengespräch einleiten, finanzielle Maßnahmen von den Gesellschaftern, Realisierung von Kosteneinsparungen und Liquiditätssicherung, noch vor der Einsetzung einer Unternehmensberatung, angegeben. Es folgen die finanzielle Unterstützung von Seiten der Banken mit Tilgungsstundungen, die Risikoreduzierung bei den Engagements und die Prüfung finanzieller Unterstützungen von Geschäftspartnern, wie die folgende Abbildung 4.34 zeigt. Es erscheint, dass die Hilfen von Seiten der Kunden und Lieferanten noch nicht ausreichend genutzt werden.

Für wie wichtig schätzen Sie die folgenden ersten Sanierungsschritte ein? 99%

Kundengespräch

1%

91%

Gesellschafterunterstützung

8% 1%

86%

Kosteneinsparungen

12% 2%

83%

Liquiditätssicherung

17%

74%

Beratungseinsetzung

20%

67%

Bankenunterstützung

29%

54%

Risikoreduzierung

34%

48%

Geschäftspartnerunterstützung 0%

10%

20%

Abb. 4.34 Bedeutung externer Sanierungsschritte

40%

50%

60%

70%

Wichtig

Mittel

Unwichtig

4% 12%

39% 30%

6%

13% 80%

90%

100%

140

4 Sanierung aus Bankensicht

Von den Vertretern aus den verschiedenen Banksektoren und Größenklassen werden diese Sanierungsschritte als ähnlich bedeutend eingeschätzt. Erfreulich ist, dass die Risikoreduzierung von den Befragten aus den Kreditinstituten nicht als am wichtigsten eingestuft wird, denn dieses Vorgehen würde alle weiteren Sanierungsbemühungen zunichte machen, wenn Engagements in erster Linie zurückgeführt werden. Zur Realisierung von Unterstützungspotenzialen bestehen aus der Häufigkeit der Nennungen noch Chancen bei der Ansprache von Geschäftspartnern. Dies ist in der Praxis jedoch von der Verhandlungsmacht der Krisenfirma im eigenen Geschäftspartnernetzwerk abhängig. Für die Akzeptanz der aktiven Sanierungsbetreuung durch Banken ist auch die Einsicht des Unternehmers wichtig, dass eine Krisenlage existiert. Daher ist von Bedeutung, in welcher Phase die Geschäftsführung die wirtschaftliche Schieflage wahrnimmt. Aus Sicht der Bankspezialisten erkennen Unternehmer die eigene wirtschaftliche Schieflage meist erst sehr spät. So geben die Befragten aus Banken an, dass nur 1 % der Unternehmen das Stadium der Strategiekrise identifiziert, 20 % die Phase der Ertragskrise und rund 79 % die Stufe der Liquiditätskrise. Aus Perspektive der Sanierer in Banken reagiert die Geschäftsleitung auf die festgestellte Krise oft erst bei angespannten finanziellen Mitteln. Die Krisenlage wird nicht nur durch das späte Erkennen, sondern auch durch das verzögerte Aktivwerden von Unternehmensseite noch verschärft. Bei möglichen Mehrfachnennungen ist nur 1 % der Antwortenden aus den Banken der Meinung, dass Unternehmer regelmäßig auf strategische Probleme ihrer Firma aktiv reagieren. Nur rund 37 % der Responsaten schätzen ein, dass die Geschäftsleitung auf rückläufige Umsätze und Erträge eine erste Reaktion zeigt. Etwa 92 % erwarten, dass der Firmeninhaber oder Geschäftsführer erst bei akuten Liquiditätsproblemen bis hin zur Illiquidität handelt. Circa 90 % der Probanden sind zudem der Ansicht, dass der Unternehmer erst auf zunehmenden Druck der Kreditinstitute mit wirklichen Sanierungsmaßnahmen beginnt. Somit werden die Krisengespräche und weitere Sanierungsschritte meist erst von Seiten der Banken angeregt. Aus zeitlicher Sicht wird diese Reaktionsweise der Unternehmen ebenfalls kritisch eingeschätzt. Denn rund 27 % der Antwortenden sind der Meinung, dass der betroffene Krisenunternehmer innerhalb von ein bis sechs Monaten nach Feststellung der Krise wirksame Sanierungsmaßnahmen einleitet. Rund 51 % der Responsaten erwarten Umsetzungen im Rahmen einer Sanierung erst innerhalb von sechs bis zwölf Monaten. Eine sehr späte Reaktion nach zwölf Monaten schätzen immerhin noch 22 % der Probanden aus den Banken als häufig vorkommend ein. Diese Beurteilung zeigt deutlichen Handlungsbedarf. Dieses späte Aktivwerden wird durch Untersuchungsergebnisse von Unternehmensseite aus dem Jahr 2006 bestätigt. So ist nach Meinung der befragten Firmen die Reaktionszeit bei der Krisenerkennung bis zur Einleitung von echten Sanierungsmaßnahmen von 14 Monaten im Jahr 2003 auf rund 20 Monate im Jahr 2006 angestiegen (vgl. Roland Berger Strategy Consultants, 2006, S. 24 ff.). Im Ergebnis kann sich das späte Handeln bei der Sanierung negativ auf die Chancen eines Turnarounds auswirken. Eine der wesentlichen Maßnahmen des verantwortlichen Unternehmers ist die Beauftragung eines externen Sanierungsträgers, der ein Gutachten zur Sanierungsfähigkeit erstellt und die empfohlenen Maßnahmen unter Umständen selbst im Krisenunternehmen umsetzt.

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

4.4

141

Leistungswirtschaftliche Sanierung

Risikoerkennung aus Bankensicht

Organisation Prozesse

Finanzielle Maßnahmen

Auswahl des Sanierers

Prüfung des Konzepts

Poolbildung der Gläubiger

Überwachung der Sanierung

Sicherung Turnaround

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung 4.4.1 Auswahl eines geeigneten Sanierungsträgers 4.4.2 Praxisfall zum Einsatz eines externen Sanierungsberaters 4.4.3 Lösung des Praxisfalls zum Einsatz eines Beraters 4.4.4 Empirische Ergebnisse zum Beratereinsatz

Lernziele:  Kriterien zur Auswahl eines geeigneten Sanierungsberaters kennen  Verschiedene Beratungsansätze verstehen können  Notwendige Bestandteile eines Sanierungsauftrags wissen  Einschätzungen der Banken zu verschiedenen Sanierern kennen

Abb. 4.35 Aufbau und Lernziele in Kapitel 4.4

In diesem Abschnitt wird die leistungswirtschaftliche Sanierungsphase untersucht. Zentraler Faktor ist die Auswahl eines geeigneten Beraters, der das Sanierungskonzept erstellt und gegebenenfalls umsetzt. Dieser externe Sanierungsträger sollte den Gesundungsprozess im Krisenunternehmen anstoßen und gegebenenfalls aktiv begleiten. Jedoch ist der Markt für Sanierungsberater sehr heterogen ausgeprägt. Vorrangiger Ansprechpartner bei der Wahl eines qualifizierten Akteurs ist die Hausbank. Sie kann der Geschäftsleitung der Krisenfirma verschiedene erfahrene und hochwertige Berater empfehlen. Die endgültige Auswahl eines externen Sanierungsträgers und den Auftragsumfang muss der Unternehmer selbst festlegen, damit kein Eingriff in die Geschäftsführung durch die Bank vorliegt. Der Markt für Unternehmensberater oder andere mögliche externe Sanierungsträger ist breit gestreut und die Qualifikationen sind unterschiedlich ausgeprägt. Wichtig ist es aus Sicht des Krisenunternehmens, sich für einen bestimmten Beratertyp zu entscheiden. Bestehen Probleme bei der Erstellung verlässlicher Zahlenwerke kann dies auf einen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater hindeuten. Sind verstärkt kreative Aspekte beim Beratungsauftrag erforderlich, können Unternehmensberater diese Aufgabe unter Umständen gut lösen. Bei der Suche eines Investors sind beispielsweise Interimsmanager mit Branchenkenntnissen gefragt. Im folgenden Abschnitt werden zunächst Kriterien erarbeitet, die für die Beratungssituation einer Unternehmenskrise von Bedeutung sind. Im nächsten Schritt werden die Sanierungsakteure anhand dieser Kriterien im Hinblick auf die Eignung zur Sanierung beurteilt.

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4 Sanierung aus Bankensicht

4.4.1

Auswahl eines geeigneten Sanierungsträgers

Zur Bewältigung der Unternehmenskrise sind besondere Konzeptions- und Umsetzungsqualitäten gefragt. Daher ist die Einbeziehung externer Akteure in den Sanierungsprozess unabdingbar. Die leistungswirtschaftliche Sanierung beginnt mit der Auswahl des geeigneten Beraters. Durch seine Expertise können Schwächen der Unternehmensführung behoben werden. Insgesamt kann die komplette leistungswirtschaftliche Sanierung inklusive der Umsetzung durch externe Kräfte übernommen werden. Der Sanierungsberater kann zusätzlich die Kommunikation zu den wichtigen Stakeholdern koordinieren. Definition: Die leistungswirtschaftliche Sanierung umfasst sämtliche Maßnahmen, die zur Analyse und Reorganisation des Geschäftsmodells und der Geschäftsprozesse zu gestalten sind, um ein Unternehmen wieder erfolgreich am Markt zu positionieren. Ein Kernpunkt der erfolgreichen leistungswirtschaftlichen Sanierung stellt die Auswahl des geeigneten Sanierungsträgers dar. Dieser hat ein Sanierungsgutachten zu erstellen und die empfohlenen Maßnahmen gegebenenfalls im Krisenunternehmen umzusetzen. Die Krise des Unternehmens markiert für das bestehende Management oft einen Ausnahmezustand, der mit dem operativen Tagesgeschäft nicht viel gemein hat. Hinzu kommt, dass die Krise häufig auf das Versagen der Geschäftsführung zurückzuführen ist. Zudem besteht beim Alt-Management oft keinerlei Erfahrung mit dem Umgang einer Existenz gefährdenden Situation. Daher ist die Nutzung von externem Expertenwissen anzuraten. Die Auswahl eines geeigneten Sanierers ist eine Schlüsselentscheidung für den Turnaround. Die Notwendigkeit zur Beauftragung eines externen Sanierungsberaters in der Krise lässt sich wie folgt begründen (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 34 ff. und David, 2001, S. 241 ff.): 

Expertenwissen: Die in der Krise zu lösenden Probleme sind komplexer als das normale Tagesgeschäft und verlangen betriebswirtschaftliche Methoden und Spezialwissen.



Verhandlungsgeschick: Die Krisenlage und Sanierung erfordern Erfahrung im Umgang und der Kommunikation mit den beteiligten Stakeholdern beim Lösen von Konflikten.



Objektivität: Die zu treffenden Maßnahmen und ihre Folgewirkungen sind meist einschneidend und durch einen Externen mit geringeren Widerständen umsetzbar.



Ressourcen: Die zu erledigenden Arbeiten stehen unter einem hohen Zeit- und Erfolgsdruck, bei der das operative Tagesgeschäft nicht vernachlässigt werden darf.



Neutralität: Die Krise und Sanierung erfordern eine unbelastete Persönlichkeit, zu der ein höheres Vertrauen der Banken als zur bestehenden Geschäftsführung besteht.

Ein Kernpunkt der Beauftragung eines externen Sanierers ist die Informationsaufhellung. Es soll mit der Analyse der Krisenursachen und der Erstellung eines Gutachtens Klarheit in die aktuelle Unternehmenssituation gebracht werden. Ziel ist es festzustellen, ob die Firma überhaupt überlebensfähig ist. So ist die Aussage des Beraters zur Sanierungsfähigkeit eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Weiterbegleitung des Engagements und die Bereitschaft der Banken und anderer Stakeholder zu finanziellen Zugeständnissen.

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

143

Es werden aufgrund der speziellen Anforderungen an eine Sanierung ausschließlich externe Sanierungsträger betrachtet, die mit der Erstellung und gleichzeitig mit der Umsetzung der Maßnahmen aus dem Sanierungskonzept beauftragt werden können. Dabei steht die Reputation des Beraters ständig auf dem Prüfstand. Definition: Der Sanierungsträger beschreibt eine Person, ein Team oder eine Organisation, die das Sanierungskonzept erstellt und die Maßnahmen aus dem Konzept gegebenenfalls eigenständig umsetzt. Auch eine personelle Trennung zwischen dem Ersteller des Gutachtens und dem Umsetzer des Sanierungsprojekts ist möglich. Es gilt, aus verschiedenen Akteuren den für ein bestimmtes Krisenunternehmen passenden Akteur zu finden. Beeinflusst wird diese Auswahl durch die Situation der Schieflage mit dem Vorliegen einer bestimmten Krisenphase oder einer drohenden Insolvenz. Zudem kann die Entscheidung von einer speziellen Problematik zum Beispiel der Sanierungsumsetzung oder der Suche eines Investors aus der Branche abhängen. Somit existiert erstens eine verstärkt aufgabenorientierten Beratung. Hier steht die Abarbeitung von Teilaufträgen wie die Aufbereitung von Zahlenmaterial oder die Erstellung eines ganzheitlichen Sanierungskonzepts im Vordergrund. Zweitens besteht die Möglichkeit einer umsetzungsorientierten Beratung. Diese kann von einer Realisierung der Sanierungsmaßnahmen bis hin zu einer diskontinuierlichen Tätigkeit in einem Lenkungsausschuss reichen. Weitergehend ist das Management auf Zeit. Bei diesem Ansatz wird das Alt-Management oft zeitlich begrenzt durch ein neues Krisenmanagement ersetzt. Damit sind Kriterien festzulegen, nach denen bestmöglich geeignete Sanierungsträger für die jeweilige Krisensituation ausgewählt werden können. Zu differenzieren ist zwischen folgenden Klassen von hervorzuhebenden Eigenschaften: 

Fachliche Eignung: Dieses Merkmal benennt die notwendigen Fachqualifikationen des Sanierers, die für die umfassende Analyse der Krisenlage erforderlich sind.



Persönliche Anforderungen: Dieses Attribut beschreibt individuelle Eigenschaften, die in der Persönlichkeitsstruktur des Krisenmanagers verankert sein sollten.



Erfordernisse einer Beratungsorganisation: Dieser Faktor wird durch die Größe, die vorhandenen Kompetenzen und den Ruf der Unternehmensberatung definiert.

Aus diesen grundsätzlichen Eigenschaften sind konkrete Anforderungskriterien zu bestimmen, die durch potenzielle Sanierungsakteure zu erfüllen sind. Dabei wird eine gute Reputation der verpflichteten Unternehmensberatung vorausgesetzt. Es ist jedoch für das Krisenunternehmen häufig schwierig, eine passende Beratung auszuwählen, da diese Situation für die Geschäftsführung neu ist. In dieser Lage kann die Hausbank Hilfestellung leisten, indem sie eine Auswahl potenziell geeigneter Kandidaten vorgibt. In Banken sollte daher auch stetig ein Screening der regional und überregional tätigen Beratungsgesellschaften und Interimsmanager vorgenommen werden. Die Bewertung der Akteure kann in Kreditinstituten anhand eines Merkmalkatalogs und eines Polaritätsprofils erfolgen. Auf diese Weise kann eine Bank schnell und unkompliziert Hilfestellung für ein Krisenunternehmen leisten.

144

4 Sanierung aus Bankensicht

Die Bewertungskriterien orientieren sich an den persönlichen und fachlichen Merkmalen des Krisenmanagers. Dabei sind möglichst überschneidungsfreie und voneinander unabhängige Faktoren auszuwählen. Folgende Kriterien werden als notwendige Anforderungen an einen externen Sanierungsträger formuliert (vgl. David, 2001, S. 251 ff.): 

Individuelle Anforderungen: Dieser Faktor definiert die Anpassungsfähigkeit des Beraters an die individuellen Gegebenheiten eines Krisenfalls. So sollte der Berater in der Lage sein auf die Entscheidungsträger im Unternehmen einzugehen, Vertrauen gegenüber Stakeholdern aufzubauen und die notwendige Neutralität zu wahren.



Analysewissen: Dieses Merkmal basiert auf dem Ausbildungsweg beziehungsweise den Erfahrungen eines Sanierungsberaters und beschreibt seine analytischen Fähigkeiten zur Untersuchung von Schwachstellen im betroffenen Unternehmen. Dies erfordert betriebswirtschaftliches Fachwissen und die Möglichkeit vernetzt zu denken.



Krisenerfahrung: Dieser Aspekt beschreibt die Erfahrung des externen Sanierungsträgers im Krisenmanagement, die Spezialisierung auf bestimmte Krisenphasen, die Konfliktfähigkeit und das besondere Verhandlungsgeschick in Krisenlagen, das unternehmerische Denken und die Kreativität für das Design innovativer Lösungen.



Branchenkenntnisse: Diese Eigenschaft meint die Kenntnisse eines Sanierungsträgers über die Eigenheiten der Branche informiert zu sein, mit dem Verstehen des Geschäftsmodells, dem Mitbringen von Kontakten zu potenziellen Investoren oder Kooperationspartnern und Verbindungen zu Kunden, Lieferanten und Kreditversicherern.



Umsetzungsfähigkeit: Dieses Kriterium beschreibt die Fähigkeiten, die Sanierung einzuleiten, die Sanierungsmaßnahmen im Unternehmen konsequent umzusetzen und gegebenenfalls in die Geschäftsführung einzutreten, die Sanierungserfolge zu überwachen und die Ergebnisse den externen Stakeholdern zu kommunizieren.

Das Kriterium der Umsetzungsfähigkeit von Sanierungsmaßnahmen ist von starker Bedeutung, da der nachhaltige Turnaround vom aktiven Handeln in der Sanierung abhängt. Denn das bestehende Management ist meist nicht bereit oder nicht in der Lage, einschneidende Sanierungsmaßnahmen zu realisieren. Der Berater sollte daher gegebenenfalls auch die Fähigkeit mitbringen, seine Empfehlungen in die Praxis umzusetzen. Dies ist häufig ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Gesundungsprozess, wie auch empirische Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2008 zeigen (vgl. Portisch et al., 2008e, S. 500 ff.). Die Höhe des Honorars in Form der zu zahlenden Tagessätze wird von den Firmen häufig als zusätzliches Kriterium für die Auswahl eines Beraters in Betracht gezogen. Aufgrund der unterschiedlichen Honorarforderungen innerhalb einer Klasse von Akteuren, der Größe der Beratungen und der möglichen Anpassung des Leistungskatalogs an den Einzelfall wird dieses Kriterium daher nicht in die Beurteilung der grundsätzlichen Sanierungseignung mit einbezogen. Zudem weist dieses Merkmal keinen Bezug zu der eigentlichen Sanierungsqualifikation im Sinne der notwendigen Fähigkeiten auf. Die Erfüllbarkeit der Honorarforderungen ist als einzuhaltende Nebenbedingung anzusehen. Gegebenenfalls ist mit den Kreditinstituten eine Einigung zur Übernahme der Kosten zu treffen.

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

145

Bei der Auswahl eines Sanierungsträgers sollte nicht unbedingt auf die Erfüllung aller Kriterien geachtet werden. Vielmehr ist ein externer Akteur auszuwählen, der kritische Faktoren oder fehlende Kompetenzen in der Unternehmensleitung optimal ergänzt. So kann ein Externer unter anderem bei der Erstellung von Zahlenmaterial tätig werden. Es lassen sich verschiedene Arten von externen Sanierungsberatern unterscheiden. Dabei ist jedoch klar darauf hinzuweisen, dass Banken als aktive Sanierer, die in die Geschäftsführung eingreifen, nicht betrachtet werden. Aus Haftungsgründen, Interessenkonflikten und fehlender Expertise ist eine aktive Beteiligung an einer Sanierung durch Bankmitarbeiter unbedingt zu vermeiden. So kann sich das Risiko durch einen aktiven Eingriff in die Geschäftsführung stark potenzieren. Externe Träger der Sanierung sind in der Praxis häufig: 

Rechtsanwälte



Steuerberater



Wirtschaftsprüfer



Unternehmensberater



Interimsmanager

Im Folgenden sollen die potenziellen externen Sanierungsträger anhand der Bewertungskriterien in Bezug auf ihre grundsätzliche Eignung zur Krisenberatung eingeschätzt werden. Rechtsanwälte Rechtsanwälte sind Freiberufler und beraten ihre Mandanten vorrangig in juristischen Fragestellungen. Rechtsanwälte sind eine häufig auftretende Berufsgruppe unter den Insolvenzverwaltern in Deutschland und regelmäßig besteht eine Zusatzqualifikation als Fachanwalt für Insolvenzrecht. Demgegenüber unterhalten große Firmen üblicherweise eigene Rechtsabteilungen. Kleine und mittlere Unternehmen führen meist enge Geschäftsverbindungen zu Anwaltskanzleien. Werden externe Anwälte eingesetzt, besteht häufig eine langjährige Geschäftsbeziehung. Die Rechtsanwälte kennen das Unternehmen und die handelnden Personen dann genau. Die Fähigkeit auf individuelle Anforderungen des Krisenunternehmens einzugehen ist bei externen Rechtsanwälten meist gut vorhanden. Rechtsanwälte durchlaufen ein juristisches Studium mit generalistischer Rechtsausprägung. In der Regel werden keine detaillierten betriebswirtschaftlichen Kenntnisse vermittelt, sodass die fachliche Erarbeitung von kreativen ökonomischen Sanierungsmaßnahmen und das notwendige Analysewissen oft nicht gegeben sind. Lediglich bei Fachanwälten für Insolvenzrecht sind häufig gute Spezialkenntnisse in betriebswirtschaftlichen Methoden und zudem rechtliches Spezialwissen für Krisenunternehmen, zum Herauslösen von Unternehmensteilen oder der Veränderung einer rechtlichen Gestaltung von Unternehmen, vorhanden. Aufgrund der Spezialisierungen wird dieser Personenkreis in vielen Fällen als Insolvenzverwalter bestellt. Es zeigt sich jedoch, dass der Einsatz erst in einer weit fortgeschrittenen Krise oder bereits in der Insolvenz erfolgt. In vorgelagerten Krisenphasen wie der Strategie- oder Ertragskrise werden Rechtsanwälte dagegen eher selten eingesetzt und mit der Erarbeitung von Sanierungskonzepten nur in Ausnahmefällen beauftragt.

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4 Sanierung aus Bankensicht

Die eigentliche Krisenerfahrung ist oft nur gering ausgeprägt. Lediglich bei der Erstellung von Konsortialverträgen, Sozialplänen und Sicherheitenprüfungen oder als Treuhänder sind Rechtsanwälte gut einsetzbar. Auch Branchenkenntnisse in einem speziellen Sektor dürften nicht ausgeprägt sein, da Rechtanwälte sich selten auf die Vertretung von Unternehmen aus bestimmten Sektoren spezialisieren. Die Umsetzungsfähigkeit von Maßnahmen ist aufgrund der fehlenden betriebswirtschaftlichen Ausbildung ebenfalls meist nicht optimal vorhanden. Zudem erscheint die zeitliche Belastung, ein Unternehmen umfassend zu begleiten, aufgrund der sonstigen Mandatstätigkeiten aus Kapazitätsgründen unmöglich zu sein. Es ergibt sich in nachfolgender Tabelle 4.26 das zusammengefasste Eignungsprofil zur Begleitung einer Sanierung, jedoch ohne Gewähr auf Allgemeingültigkeit. Tab. 4.26 Rechtsanwälte als externe Sanierungsträger

Rechtsanwälte Grundsätzliche Eignung zur Sanierung Individuelle Anforderungen

Gut

Mittel

Schlecht

X

Analysewissen

X

Krisenerfahrung

X

Branchenkenntnisse

X

Umsetzungsfähigkeit

X

Einsatz als externer Sanierungsträger 

X

Es lässt sich als Fazit zusammenfassen, dass Rechtsanwälte aufgrund der häufig nur geringen betriebswirtschaftlichen Qualifikationen grundsätzlich wenig geeignet erscheinen, ein Sanierungskonzept zu erstellen und in die Praxis umzusetzen. Gut einsetzbar sind Rechtsanwälte bei Spezialproblemen in der Sanierung. Beispielhaft seien hier genannt, rechtlich komplexe Vertragsgestaltungen, Vertragsprüfungen oder der Einsatz als Treuhänder. Steuerberater Steuerberater sind als Freiberufler ebenfalls meist selbstständig tätig. Zwischen Steuerberatern und der Geschäftsführung gerade kleiner und mittlerer Unternehmen mit inhaberbezogener Struktur bestehen häufig langjährig gewachsene Beziehungen, die über die eigentliche Steuerberatung und Erstellung von Jahresabschlussunterlagen hinausgehen. Daher besitzt ein Steuerberater aus dieser Verbindung oft umfangreiche Informationen, die sich ein externer Akteur ansonsten erst verschaffen müsste (vgl. David, 2001, S. 337). Diese Beziehung wird auch durch die kleine und mittlere Unternehmensgröße begünstigt. Die individuellen Anforderungen des Unternehmens und die handelnden Personen sind bekannt und lassen eine grundsätzliche Eignung eines Steuerberaters erkennen, auf die Erfordernisse der Krisenfirma einzugehen. Es besteht jedoch meist ein Vertrauensverhältnis, was notwendige harte Sanierungseinschnitte behindern kann. Dies kann eine erfolgreiche Sanierung deutlich beeinträchtigen. So wird aus Sicht der Sanierungsspezialisten der Kreditinstitute die Neutralität eines Steuerberaters in Sanierungsfragen ihrer Kunden oft angezweifelt.

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

147

Steuerberater sind Fachleute im Steuerrecht (§ 57 StBerG). Eine zusätzliche Spezialisierung in einer Wirtschaftsberatung ist selten gegeben. Daher ist ein umfassendes Analysewissen aufgrund der fehlenden Qualifikationen und Berufserfahrung in der Realwirtschaft oft nicht vorhanden. So deckt ein Steuerberater meist nur rechnungswesenbezogene Teile im Rahmen eines Krisenmanagements ab, zum Beispiel durch die Erstellung von Planbilanzen und Finanzplänen. Ein tiefgehendes Verständnis für strategische und marktbezogene Vorgänge, die bei der Erstellung und Umsetzung eines Sanierungskonzepts notwendig sind, ist bei Steuerberatern nicht immer gegeben (vgl. David, 2001, S. 343 ff.). Auch eine ausgeprägte Krisenerfahrung zum Beispiel aus einer unternehmerischen Tätigkeit ist nicht immer existent. Zudem fehlt vielen Steuerberatern die Erfahrung aus betriebswirtschaftlichen Funktionsbereichen in Firmen. Spezielle Branchenkenntnisse sind ebenfalls selten vorhanden, da Steuerberater in allen Wirtschaftzweigen tätig sind und sich selten auf bestimmte Sektoren spezialisieren. Die Umsetzungsfähigkeit von Sanierungsmaßnahmen ist aufgrund der eingeschränkten Personalkapazitäten meist unmöglich. Auch fehlt die Erfahrung bei der Realisierung von Sanierungsmaßnahmen in der unternehmerischen Praxis. Aufgrund der Nichterfüllung wesentlicher Kriterien an eine umfassende Sanierungsberatung ist der Einsatz eines Steuerberaters als externer Träger im Gesundungsprozess eher abzulehnen. Empirische Untersuchungen stützen diese Ergebnisse. So geben laut einer Untersuchung aus dem Jahr 1996 nur 22 % aller Steuerberater an, erfolgreich eine Sanierung durchgeführt zu haben. Knapp 19 % räumen ein, nur anfänglich an einer Sanierung beteiligt gewesen zu sein, während die restlichen 59 % befragten Steuerberater noch nie einen Sanierungsauftrag erhalten beziehungsweise erfolgreich abgewickelt haben (vgl. Kratz, 1996, S. 72 ff.). Insgesamt sind Steuerberater gut einsetzbar bei Spezialproblemen in einer Sanierung bei der Erstellung von Zahlenmaterial in Form von Planbilanzen, Planerfolgsrechnungen oder auch Finanzplänen. Auch ein Überschuldungsstatus mit der Abwendung einer Überschuldungslage kann durch einen Steuerberater dokumentiert werden. Gegebenenfalls können Kleinstsanierungen mit Schwerpunkten beim Aufbau des Controllings begleitet werden. Die Erarbeitung eines umfassenden Sanierungskonzepts und die Umsetzung der Maßnahmen gehört dagegen selten zu den Aufgabenbereichen eines Steuerberaters. Die folgende Tabelle 4.27 fasst die Eignung von Steuerberatern zur Unternehmenssanierung zusammen. Tab. 4.27 Steuerberater als externe Sanierungsträger

Steuerberater Grundsätzliche Eignung zur Sanierung Individuelle Anforderungen Analysewissen

Gut

Mittel

Schlecht

X X

Krisenerfahrung

X

Branchenkenntnisse

X

Umsetzungsfähigkeit

X

Einsatz als externer Sanierungsträger 

X

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4 Sanierung aus Bankensicht

Wirtschaftsprüfer Das Berufsbild eines Wirtschaftsprüfers ist durch den Rahmen der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) geprägt. In der WPO werden die Inhalte der Tätigkeiten eines Wirtschaftsprüfers in § 2 WPO beschrieben. Dazu zählen unter anderem: 

Jahresabschlussprüfungen mit der Erteilung von Bestätigungsvermerken



Beratung und Vertretung in steuerlichen Angelegenheiten



Auftreten als Sachverständige bei wirtschaftlichen Problemen

Im Mittelpunkt der Tätigkeit steht die Prüfung der externen Rechnungslegung. Dabei ist die Unabhängigkeit eines Prüfers nach § 43 WPO von Bedeutung (vgl. Rockel/Andersch, 2009, S. 252 ff.). Dieser Aspekt kann sich auch auf die Zulässigkeit der gleichzeitigen Prüfung und Beratung eines Mandanten beziehen. Betreut ein Wirtschaftsprüfer einen Kunden, der sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, so können die Grenzen zwischen Prüfung und Beratung verschwimmen. Die Wahrung der Unabhängigkeit kann problematisch sein, wenn eine wirtschaftliche Beratung empfohlen wird und sich das Wirtschaftsprüfungsunternehmen selbst für diese Aufgabe anbietet (vgl. David, 2001, S. 356 ff.). So ist die gleichzeitige Beratung und Prüfung eines Mandanten als kritisch anzusehen, wenn die Krisenfirma unbedingt als langjähriger Kunde erhalten bleiben soll. Daher ist die gleichzeitige Betreuung in mehreren Funktionen als problematisch anzusehen (vgl. Verhaltenskodex für Wirtschaftsprüfer beziehungsweise Deutscher Corporate Governance Kodex vom 08.06.2008 Nr. 7.2.1 und BGH vom 21.04.1997 sowie BGH vom 25.11.2002). Dennoch kann die Erstellung eines Sanierungsgutachtens aufgrund der langen Geschäftsbeziehung und guten Kenntnisse der individuellen Anforderungen des Mandanten durch den Wirtschaftsprüfer sinnvoll sein. So besteht in vielen Fällen ein gutes Vertrauensverhältnis. Es verschafft diesem Akteur einen umfassenden Zugang zu internen Unternehmensinformationen und begünstigt den Abbau asymmetrischer Informationen. Durch eine enge geschäftliche Beziehung kann die Neutralität jedoch auch beeinträchtigt sein. Es stellt sich die Kernfrage nach der Sanierungsqualifikation in Form des Analysewissens. Während das Eingehen auf individuelle Anforderungen des Mandanten grundsätzlich gegeben scheint, liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers primär auf der Prüfung des externen Rechnungswesens und weniger auf der Erarbeitung kreativer Lösungen und Marktanalysen, die im Rahmen einer Sanierungskonzeption von Bedeutung sind. Jedoch können sich Wirtschaftsprüfer aufgrund ihrer Erfahrungen aus der Prüfungstätigkeit und der guten betriebswirtschaftlichen Kenntnisse auf die rechnungswesenbasierten Bereiche in Sanierungen wie die Erstellung von Planungsrechnungen konzentrieren. So kann auch das Umsetzungscontrolling einer Sanierung durch Wirtschaftsprüfer überwacht werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die Kenntnisse aus Risikoanalysen und zukunftsbezogenen Risikoeinschätzungen bei Unternehmen aufzugreifen (KonTraG). Auch wenn eine gute Analysefähigkeit unterstellt werden kann, ist die Krisenerfahrung bei Wirtschaftsprüfern weniger ausgeprägt. Ursachen sind die starke fachliche Fokussierung auf das externe Rechnungswesen und retrospektive Tätigkeiten einer Prüfung (vgl. David, 2001,

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

149

S. 365). Daher sind in einer fortgeschrittenen Krise erfahrene Sanierungsspezialisten hinzuzuziehen (vgl. Rockel/Andersch, 2009, S. 250). Aufgrund einer hohen Anzahl von Mandaten in gleichen Branchen oder der Spezialisierung von Wirtschaftsprüfungen auf bestimmte Sektoren sind Branchenkenntnisse dagegen oft vorhanden. Eine Grenze ist bei der Umsetzungsfähigkeit von Sanierungsmaßnahmen zu ziehen. Wenn der Sanierungsberater unternehmerische Entscheidungen treffen soll, sind Prüfungshandlungen zeitgleich nicht zulässig (vgl. Kämpfer, 1997, S. 869 ff.). Aufgrund der zu wahrenden Unabhängigkeit kommt ein Wirtschaftsprüfer als Krisenmanager mit einer Tätigkeit im Unternehmen zur Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen oder zur Unterstützung des Managements daher nicht in Betracht (vgl. David, 2001, S. 357). Bei einer Realisierung von Sanierungsschritten erscheinen Wirtschaftsprüfer zudem aufgrund der gering ausgeprägten Sanierungsqualifikationen und Erfahrungen im Krisenmanagement ungeeignet zu sein. Nachfolgende Tabelle 4.28 zeigt das Eignungsprofil von Wirtschaftsprüfern. Tab. 4.28 Wirtschaftsprüfer als externe Sanierungsträger

Wirtschaftsprüfer Grundsätzliche Eignung zur Sanierung

Gut

Individuelle Anforderungen

X

Analysewissen

X

Mittel

Krisenerfahrung Branchenkenntnisse

Schlecht

X X

Umsetzungsfähigkeit

X

Einsatz als externer Sanierungsträger 

X

In der Praxis werden Wirtschaftsprüfer, die gleichzeitig Abschlussprüfer des Unternehmens sind, häufig auch in Sanierungen eingesetzt. Kritisch ist zu sehen, dass diese Berater dann nicht mehr als unbefangene Außenstehende betrachtet werden können. Wenn auch die guten Vorkenntnisse der Verhältnisse des Unternehmens besondere Vorzüge bei der Krisendiagnose und zeitliche Vorteile bei einer Sanierung erbringen können, so erschweren das fehlende Krisen-Know-How und die eingeschränkte Umsetzungsfähigkeit den Einsatz als externe Sanierungsträger. Dagegen erscheint der Einsatz von Wirtschaftsprüfern bei Spezialproblemen in einer Sanierung aufgrund der guten Reputation und der guten Analysefähigkeiten sinnvoll. So ist ein Einsatz in komplexen Sanierungsfällen zu empfehlen zum Beispiel bei der Bewertung von Unternehmen, als Treuhänder zur Sicherheitenverwaltung oder auch als Moderator unter anderem in Sicherheitenpoolverhandlungen. Auch wenn Wirtschaftsprüfer grundsätzlich eine geringere Eignung zur aktiven Bearbeitung und Realisierung von Sanierungsumsetzungen aufweisen, so haben Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oft Tochterunternehmen oder Spezialabteilungen, die sich mit der Sanierungsmaterie befassen. Diese zählen zu den klassischen Unternehmensberatungen und sollen im Folgenden zusammen mit den Beratern behandelt werden.

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4 Sanierung aus Bankensicht

Unternehmensberater Unternehmensberatung kann als vertraglich vereinbarte externe Hilfestellung unabhängiger Personen beziehungsweise Organisationen zur Lösung betriebswirtschaftlicher Probleme von Unternehmen über einen ganzheitlichen Beratungsansatz verstanden werden (vgl. Rüschen, 1989, S. 3 und S. 24 ff.). Zu den typischen Aufgaben gehört die Entwicklung von Konzepten zur Umgestaltung von Unternehmen, Firmenteilen oder Organisationseinheiten (vgl. David, 2001, S. 300 ff.). Dazu sind in hohem Maße Eigenschaften der Problemdiagnose, ein umfassendes Methodenwissen, eine starke Konfliktfähigkeit und die Empfehlung und Umsetzung unkonventioneller und kreativer Maßnahmen notwendig. Der Berufsstand des Unternehmensberaters ist in Deutschland gesetzlich nicht geschützt. Die Folgen sind ein großes Angebot und ein unüberschaubarer Markt, auf dem sich namhafte Berater oder professionelle Gesellschaften wie auch unerfahrene und unqualifizierte Akteure bewegen (vgl. Trippler, 2005, S. 84 ff.). So besteht für den Unternehmer und die Banken das Problem, einen geeigneten Berater auszuwählen, der die notwendigen Fähigkeiten für den Spezialfall der Sanierung erfolgreich erfüllen kann. Hilfestellung bei der Auswahl kann der Bundesverband deutscher Unternehmensberater (BDU e. V.) leisten. Mit der vom BDU bereitgestellten Beraterdatenbank kann eine Vorauswahl geeigneter Unternehmensberater mit Sanierungsspezialisierung selektiert werden. Berater des BDU haben sich zur Einhaltung von Berufsgrundsätzen verpflichtet, wie unter anderem (vgl. BDU, 2005, S. 1 ff.): 

Fachliche Kompetenz: Unternehmensberater übernehmen nur Aufträge, für deren Bearbeitung die erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen bereitgestellt werden können. Sie suchen Lösungen, die dem Stand der Wissenschaft, der Entwicklung einer Branche und den Bedürfnissen des Klienten in bester Weise gerecht werden.



Seriosität und Effektivität: Unternehmensberater empfehlen ihre Dienste nur, wenn sie erwarten, dass ihre Arbeit große Vorteile für den Klienten erbringt. Sie geben realistische Leistungs-, Termin- und Kostenschätzungen ab und bemühen sich, diese einzuhalten. Berater erarbeiten Empfehlungen und wirken bei deren Realisierung mit.



Objektivität, Neutralität und Eigenverantwortlichkeit: Unternehmensberater werden grundsätzlich eigenverantwortlich tätig und akzeptieren in Ausübung der Tätigkeit keine Einschränkung ihrer Unabhängigkeit durch die Erwartungen Dritter. Sie führen eine objektive Beratung durch und erstellen keine Gefälligkeitsgutachten.



Vertraulichkeit: Unternehmensberater behandeln alle internen Vorgänge und Informationen des Klienten, die ihnen durch ihre Arbeit bekannt werden, streng vertraulich. Insbesondere werden auftragsbezogene Unterlagen nicht ohne Einverständnis des Kunden an Dritte weitergegeben oder auf sonstige Weise veröffentlicht.



Angemessene Preisbildung: Unternehmensberater berechnen Honorare, die im richtigen Verhältnis zu Art und Umfang der durchgeführten Arbeit stehen und die vor Beginn der Beratungstätigkeit mit dem Mandanten abgestimmt worden sind. Aus den Angeboten wird auch deutlich, welche sonstigen Kosten in Rechnung gestellt werden.

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

151

Des Weiteren sind fünf Jahre Berufserfahrung in der Unternehmensberatung und drei qualifizierte Mandatsreferenzen nachzuweisen. Der Markt für Unternehmensberater ist heterogen. So existieren Spezialisten für die IT-Beratung, die Personalberatung und auch für die Krisenberatung. Diese werden im Folgenden betrachtet. Dabei lassen sich die Gesellschaften zur Krisenberatung anhand ihrer Größe und des genauen Tätigkeitsfeldes strukturieren. Zur Auswahl einer geeigneten Beratung für die Probleme und Bedürfnisse des Unternehmens lässt sich der Gesamtmarkt für Beratungsunternehmen nach Wirtschaftssegmenten (Industrie, Handel, Dienstleistungen), nach regionalen Märkten (regional, national, international), nach verschiedenen Größenklassen (klein, mittel, groß) und nach der Zugehörigkeit zu Konzernen segmentieren (vgl. David, 2001, S. 313). Diese Kriterien sind auf den Einzelproblemfall der Krisenfirma abzustimmen. Zusätzlich sollte die Größe der Beratung an das Krisenunternehmen angepasst werden. So lassen sich in eine wirtschaftliche Schieflage geratene internationale Großkonzerne meist durch international tätige Gesellschaften beraten, da die Komplexität der zu lösenden Probleme hoch ist. Für kleine und mittlere Unternehmen sind dagegen Einzelsanierungsberater oder mittelständische Beratungsfirmen interessanter. Insgesamt lässt sich anhand der Größe des Krisenunternehmens und dem regionalen Bezug meist eine Vorauswahl eines potenziell geeigneten Kandidaten treffen. Zusätzlich sind zwei Sanierungsansätze in Beratungsunternehmen zu unterscheiden. In einer frühen strategischen Krise lassen sich externe Berater einsetzen, die durch ein Coaching im Krisenunternehmen einen eigenständigen Sanierungsprozess anstoßen. Auf diese Weise werden betriebsinterne Fähigkeiten mobilisiert, um eine Sanierung in einer frühen Phase unternehmensintern einzuleiten und zu gestalten. Fraglich ist, ob eine Prozessberatung durch die externen Gläubiger als ausreichend angesehen wird. Gerade in der Erfolgs- und Liquiditätskrise, die meist Auslöser von Sanierungen ist, ist das Unternehmen oft nicht mehr in der Lage, eine Sanierung aus eigener Kraft zu gestalten. In diesen Krisenphasen ist das Vertrauen der Gläubiger und der Mitarbeiter in die Geschäftsführung weitgehend zerstört, sodass die Einschaltung externer Experten mit Sanierungskenntnissen als einzige Möglichkeit zur Vermeidung einer Insolvenz angesehen wird. Insbesondere Banken sollten in fortgeschrittenen Krisenphasen auf eine Expertenberatung drängen, um ein neutrales Urteil über die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens zu erhalten (vgl. Trippler, 2005, S. 80 ff.). Bei der Auswahl eines geeigneten Beraters kann die Hausbank aufgrund ihrer Erfahrungen eine gute Hilfestellung leisten. Der eingesetzte Sanierer wird in der Regel in der Lage sein, sich in kurzer Zeit an die individuellen Anforderungen des Krisenfalls anzupassen. Zudem sind das Analysewissen und die Sanierungsqualifikation der Mitarbeiter in Beratungsgesellschaften, die sich auf Krisenunternehmen spezialisiert haben, hoch. Auch eine umfangreiche Krisenerfahrung mit Firmen in einer Schieflage kann unterstellt werden. Gerade bei großen Unternehmensberatungen besteht meist eine Aufteilung nach bestimmten Branchen. Zudem haben sich auch viele kleinere Gesellschaften auf konkrete Sektoren konzentriert, sodass mit einer geeigneten Beraterauswahl gute Branchenkenntnisse unterstellt werden können. Eine ausgeprägte Umsetzungsfähigkeit von Sanierungsmaßnahmen ist dagegen nicht in allen Fällen gegeben. Wenn diese Expertise notwendig ist, sollte bereits bei der Auftragsvergabe auf diese Eigenschaft geachtet werden. Aus folgender Tabelle 4.29 ergibt sich das Eignungsprofil der auf Sanierungsfälle spezialisierten Unternehmensberater.

152

4 Sanierung aus Bankensicht

Tab. 4.29 Unternehmensberater als externe Sanierungsträger

Unternehmensberater Grundsätzliche Eignung zur Sanierung

Gut

Individuelle Anforderungen

X

Analysewissen

X

Krisenerfahrung

X

Branchenkenntnisse

X

Umsetzungsfähigkeit Einsatz als externer Sanierungsträger 

Mittel

Schlecht

X X

Insgesamt gesehen weisen auf Krisen spezialisierte Unternehmensberater eine hohe Eignung bei der Bearbeitung von Sanierungsfällen auf. Häufig werden diese Akteure durch Banken in das Mandat gebracht. Sanierungsspezialisten lassen sich grundsätzlich in allen Krisenphasen beauftragen. Schwerpunktmäßig werden Berater zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens eingesetzt (vgl. Portisch et al., 2007b, S. 494 ff.). Zudem kann direkt eine Überleitung mit der Umsetzung der empfohlenen Sanierungsmaßnahmen stattfinden. Die Realisierung kann alternativ auch durch Interimsmanager erfolgen. Diese üben eine zeitlich begrenzte Tätigkeit in der Geschäftsleitung eines Krisenunternehmens aus und setzen ihre Sanierungsmaßnahmen vor Ort um (vgl. Portisch et al., 2008f, S. 29 ff.). Interimsmanager Die Hauptaufgabe eines Krisenmanagers, Zeitmanagers oder Interimsmanagers besteht in der Übernahme einer zeitlich begrenzten Führungsfunktion im Krisenunternehmen. Als Externe erhalten sie über die hierarchische Einordnung als Geschäftsführer meist Weisungsbefugnisse gegenüber den Mitarbeitern. Grundsätzlich können Interimsmanager in allen Phasen einer Sanierung eingesetzt werden. Optimal ist es, wenn ein Zeitmanager bereits an der Erstellung des Gutachtens mitgewirkt hat. Dann kennt er die Gegebenheiten des Betriebs und hat sich in die Zahlenwerke eingearbeitet (vgl. Portisch, 2006d, S. 58 ff.). Meist wird er jedoch erst in einer späteren Phase im Gesundungsprozess positioniert. Kerneinsatzgebiet eines Interimsmanagers ist die Umsetzung der leistungswirtschaftlichen Sanierung. Die Aufgaben sind vielfältig und reichen vom Umbau der Organisationsstrukturen über eine Optimierung der Unternehmensprozesse bis hin zur Installierung eines aussagefähigen internen und externen Berichtswesens. Auch können sich positive Sanierungsoptionen ergeben, wenn der Zeitmanager über Branchenkontakte verfügt. Meist werden Interimsmanager auch eingestellt, um unpopuläre Maßnahmen wie einen umfassenden Personalumbau auszuführen. Von Vorteil ist, dass der neue Geschäftsführer von außen kommt und auf intern gewachsene Strukturen und Seilschaften keine Rücksicht nehmen muss. Die Aufgaben des Interimsmanagers verlagern sich mit zunehmendem Verlauf der Sanierung weg von den operativen Tätigkeiten hin zu verstärkt überwachenden Aufgaben. Dieses beinhaltet unter anderem die Leitung von Lenkungsausschusssitzungen, die Durchführung von

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

153

Fortschrittskontrollen und die Überwachung der Zahlenwerke, um Erfolge langfristig abzusichern. Um die Akzeptanz innerhalb eines Unternehmens zu erhöhen, sollte der Zeitmanager die Integration von Führungskräften aus der zweiten Reihe in verantwortliche Sanierungspositionen prüfen. Die Installierung eines Lenkungsausschusses unter der Mitarbeit des Mittleren Managements ist für den Sanierungserfolg meist von Vorteil. So kennen diese leitenden Mitarbeiter die Unternehmenskultur, aber auch Schwachpunkte in den Strukturen und Abläufen. Auch kann die Expertentätigkeit des Interimsmanagers im Verlauf der Sanierung sukzessive auf die zweite Managementebene verlagert werden. Die Expertenberatung durch den Zeitmanager wandelt sich im Laufe des erfolgreichen Sanierungsprozesses zu einer Prozessberatung im Rahmen eines Coachings und schafft Strukturen für eine erfolgreiche Übergabe an ein neues Management. Meist erfolgt im Rahmen der Einsetzung eines Interimsmanagers eine genaue Aufgabenbeschreibung im Sanierungsprojekt. Der dauerhafte Erfolg der Sanierungsbegleitung wird in der Regel durch eine Übertragung der kompletten Verantwortung erreicht. Bei der Suche und Auswahl der künftigen fest installierten Geschäftsführung kann der Interimsmanager aktiv mitwirken, da er die individuellen Gegebenheiten des Krisenunternehmens kennt. Er kann anschließend den TurnaroundProzess im Rahmen einer Tätigkeit in einem Überwachungsorgan wie dem Aufsichtrat oder Beirat weiter begleiten (vgl. Portisch, 2007b, S. 36 ff.). Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen aus einem Sanierungskonzept ist oftmals ein wesentlicher Erfolgsfaktor einer Sanierung (vgl. Portisch et al., 2007b, S. 36 ff., Portisch et al., 2008e, S. 494 ff. und Portisch, 2008f, S. 60 ff.). Eine Sanierung kann trotz guter Aussichten noch scheitern, wenn es an der Umsetzungsfähigkeit der bestehenden Geschäftsführung fehlt. Die schwierige Unternehmenssituation der Krise und Sanierung weicht vom normalen Geschäftsalltag stark ab, da viele komplexe Aufgaben unter Zeit- und Erfolgsdruck zu erledigen sind. In diesem schwierigen Umfeld kann ein Interimsmanager helfen, die Sanierung erfolgreich zu gestalten. Der Umsetzer kann fehlende Managementkapazitäten ergänzen oder sogar komplett ersetzen. Interimsmanager haben als zeitlich limitiert eingesetzte interne Umsetzungsberater eine Doppelrolle. Sie sind als Berater und zugleich als interne Führungskraft tätig. Diese Position weist folgende Vorteile auf: 

Vertrauensvorschuss der Stakeholder aufgrund der erwarteten Neutralität



Übernahme kritischer Entscheidungen wie Personalentlassungen



Ergänzung fehlender Qualifikationen in der Geschäftsführung

Die Fähigkeit eines Interimsmanager, auf die individuellen Anforderungen des Unternehmens eingehen zu können, ist neben den persönlichen Eigenschaften stark vom Zeitpunkt des Einsatzes abhängig. Wird der Krisenmanager bereits in die Phase der Erstellung des Sanierungskonzepts einbezogen, so ist die Einarbeitungsphase überwunden und es besteht bereits eine Informationsgrundlage mit intensiven Kenntnissen der Unternehmensspezifika. Zudem kennt der zukünftige Krisenmanager bereits die handelnden Personen in der zweiten Managementebene, was eine Einarbeitungszeit ebenfalls verkürzen kann. Deshalb sollte der verpflichtete Interimsmanager ein Höchstmaß an Sensibilität aufweisen, damit Vertrauen zu sei-

154

4 Sanierung aus Bankensicht

ner Person innerhalb des Unternehmens entsteht und Ängste, unter anderem der Mitarbeiter, abgebaut werden können (vgl. Klinkmann, 1996, S. 195 ff.). Bei Interimsmanagern handelt es sich häufig um erfahrene Führungskräfte mit generalistisch geprägter betriebswirtschaftlicher Ausbildung. Das Analysewissen ist aufgrund der Qualifikation und der Erfahrung aus einer unternehmerischen Tätigkeit meist hoch, jedoch geringer ausgeprägt als bei den auf die Konzeption von Gutachten spezialisierten klassischen Sanierungsberatern. Krisenerfahrung und Methodenwissen zur Situationsanalyse mit einer Entwicklung von Gegenmaßnahmen in wirtschaftlichen Schieflagen haben diese Manager oft in selbst durchlebten wirtschaftlichen Schwächephasen von Unternehmen erworben. Damit ist die Sanierungsqualifikation dieser Zeitmanager als hoch einzuschätzen, denn das analytische Potenzial zur ganzheitlichen Analyse von Krisenursachen und der Erarbeitung innovativer Lösungen ist aufgrund des Erfahrungsschatzes vorhanden. Auch detaillierte Branchenkenntnisse können bei der geeigneten Auswahl eines Interimsmanagers unterstellt werden. Zeitmanager fokussieren ihren Arbeitseinsatz meist auf Branchen, in denen sie eigene berufliche Erfahrungen gesammelt haben. Dies kann Vorteile bei der Sanierung mit sich bringen, da die relevanten Märkte und die Eigenheiten der Branche bekannt sind. Zudem eröffnen sich neue Sanierungslösungen, wenn über vorhandene Kontakte eine Investorlösung oder ein Kooperationsmodell mit anderen Unternehmen der Branche angestrebt wird. Gerade die Eignung zur Umsetzungsfähigkeit von Maßnahmenpaketen im Rahmen von Sanierungen ist bei Zeitmanagern oft stark ausgeprägt (vgl. Portisch, 2009d, S. 44 ff.). Dabei sind zwei Einsatzmodelle denkbar. Dies kann erstens den kompletten Ersatz des bisherigen Managements oder zweitens die Ergänzung fehlender Managementfunktionen unter Beibehaltung der alten Geschäftsführung bedeuten. Es ergibt sich in folgender Tabelle 4.30 das zusammengefasste Eignungsprofil für Interimsmanager. Tab. 4.30 Interimsmanager als externe Sanierungsträger

Interimsmanager Grundsätzliche Eignung zur Sanierung Individuelle Anforderungen

Gut

Mittel

Schlecht

X

Analysewissen

X

Krisenerfahrung

X

Branchenkenntnisse

X

Umsetzungsfähigkeit

X

Einsatz als externer Sanierungsträger 

X

Somit weisen in der Zusammenfassung spezialisierte Unternehmensberater und Interimsmanager eine gute Eignung auf, Krisenunternehmen als externe Sanierungsträger qualifiziert zu betreuen. Aus Bankensicht werden diese externen Akteure in Bezug auf ihre Sanierungsqualifikationen gut eingeschätzt. Aufgrund der Erfahrung mit verschiedenen Sanierungsberatern können Kreditinstitute Hilfestellung bei einer Auswahl geeigneter Kandidaten leisten. Diese

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

155

Unterstützung beschränkt sich jedoch auf die Aufzählung einer Anzahl von qualifizierten Beratern. Eine bekannte Sanierungsberatung von Seiten der Bank ins Mandat zu drängen, kann sich dagegen als Eingriff in die Geschäftsführung erweisen. Im Verlauf eines Sanierungsprojekts ist zunächst der Sanierungsberater mit der Konzepterstellung zu betrauen. In der ersten Umsetzungsphase ist der Berater weiter involviert. Zur weiteren Realisierung von Maßnahmen kann es von Vorteil sein, einen Interimsmanager in die Geschäftsführung zu implementieren. Seine Aufgaben wandeln sich im Sanierungsprojekt von der Konzeptumsetzung hin zur Überwachung, wie Abbildung 4.36 zeigt.

Sanierungsprojekt t0 Projektbeginn

Projektende t1

Sanierungseinleitung

Sanierungsumsetzung

Sanierungsberater

Sanierungsüberwachung

Interimsmanager

Abb. 4.36 Externer Beratereinsatz im Sanierungsprojekt

Insgesamt unterscheidet sich die Qualität von Beratern und ihrer Sanierungskonzepte in der Praxis meist stark. Als Ergebnis einer Untersuchung lassen sich deutliche Differenzierungen der Sanierungsgutachten in Bezug auf ihre materiellen und formalen Inhalte feststellen (vgl. Portisch, 2009d, S. 44 ff.). Diese Unterschiede können einen erheblichen Einfluss auf den späteren Sanierungserfolg haben. Gute Eignungen in der Krisenberatung weisen insbesondere spezialisierte Sanierungsberatungen in der Konzeption der Gutachten und Interimsmanager in der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen auf. Bei der Auswahl eines geeigneten Sanierungsträgers sollten notwendige Qualifizierungen im Vorfeld bekannt sein. Eine Zertifizierung für Beratungsunternehmen und eine Fachqualifikation bei Beratern und Interimsmanagern mit der Spezialisierung auf Sanierungsfälle könnte Außenstehenden diese Qualitäten verdeutlichen und Transparenz auf dem heterogenen Beratermarkt herstellen. Hier sollten in Zukunft feste Ausbildungswege erarbeitet werden (vgl. Portisch, 2009d, S. 44 ff.). Zusammenfassung Abschnitt 4.4.1: Der vorangegangene Abschnitt beschäftigt sich mit der Auswahl eines externen Sanierungsträgers. Die Beauftragung eines geeigneten Beraters ist oftmals ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der leistungswirtschaftlichen Sanierung. Bei den Untersuchungen hat sich gezeigt, dass auf Sanierungsfälle spezialisierte Unternehmensberater und Interimsmanager meist gute Qualifikationen aufweisen, um den Gesundungsprozess von der Konzepterstellung bis zur Umsetzung umfassend zu begleiten.

156

4.4.2

4 Sanierung aus Bankensicht

Praxisfall zum Einsatz eines externen Sanierungsberaters

Wir befinden uns im 4. Quartal des Jahres xxx1. Kurz nach der Entscheidung des zuständigen Risikovorstands der Mittelstandsbank AG wurde ein Gespräch mit der Geschäftsleitung der Druck GmbH vereinbart. Teilnehmer von Seiten der Firma sind der Geschäftsführer Müller und sein langjähriger Steuerberater. Von der Mittelstandsbank AG sind der zuständige Sanierungsbetreuer und der Firmenkundenbetreuer bei der Sitzung anwesend. Gesprächsziele von Seiten der Bank sind die Umsetzung der Vorgaben des Vorstands sowie der Maßnahmen aus dem Weiterbehandlungskonzept des Votums. Im Vordergrund steht die Vereinbarung der Beauftragung eines qualifizierten Sanierungsberaters. Es herrscht nach langer Diskussion und den Begründungen der Bank jetzt Einigkeit über die Bedingungen zur künftigen finanziellen Ausstattung der Firma. Müller ist bereit, sein Gesellschafterdarlehen über eine Bareinlage von 100 TEUR wieder auf den ursprünglichen Stand zu bringen und eine Rangrücktritts- und Kapitalbelassungserklärung für sein Darlehen über 500 TEUR abzugeben. Auch ist er einverstanden mit einer engen Finanzplanung und einer Umsetzung liquiditätsschonender Maßnahmen im Unternehmen. Weitere finanzielle Belastungen sollen durch Einsparungen im Einkauf erfolgen. Der Steuerberater wird zudem die Abwendung der Überschuldung schriftlich bestätigen. Das Gespräch wendet sich nun dem Kernpunkt zu, der unverzüglichen Einsetzung eines externen Beraters zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens. Zu diesem Zweck hat sich der Sanierungsbetreuer der Bank bereits ein Bild über mögliche, der Bank positiv bekannte Spezialisten verschafft. In der engeren Auswahl stehen drei Unternehmensberatungen. Unter diesen Dreien wird von der Mittelstandsbank AG die Druckereiberatung GmbH favorisiert, da sich diese Gesellschaft auf die Druckbranche spezialisiert hat und bereits in mehreren Sanierungsfällen der Mittelstandsbank AG erfolgreich tätig war. So passt das Beratungsprofil der Druckereiberatung GmbH gut zur Krisenfirma. Die Größe und die Zielrichtung der Unternehmensberatung sind fokussiert auf mittelständische Firmen. Das Honorar in Höhe der Tagessätze ist auf das Klientel abgestimmt. Die Sanierer des Beratungsunternehmens sind in der Lage schnell Vertrauen aufzubauen auch bei typischen Unternehmerpersönlichkeiten. Die individuellen Anforderungen an die besonderen Rahmenbedingungen des Krisenunternehmens können damit insgesamt gut erfüllt werden. Das Analysewissen ist bei den Beratern aufgrund der guten Qualifikationen und der langjährigen Ausbildung vorhanden und auch für komplexe Sanierungsfälle geeignet. Das Krisen-Know-How ist ebenfalls gegeben. So haben die Berater stets Verhandlungsgeschick bewiesen und auch schwierige Konfliktsituationen optimal gemeistert. Die Branchenkenntnisse sind vorhanden, da die Mehrzahl der Berater in der Druckbranche gearbeitet hat. Viele der Seniorberater waren früher in Führungspositionen tätig. Damit ist auch die Umsetzungsfähigkeit sichergestellt. Die personellen Kapazitäten dieser Firma ermöglichen es zudem, zeitlich befristet einen Interimsmanager abzustellen. Die Beauftragung zur Erstellung eines tragfähigen Sanierungskonzepts durch eine der vorgeschlagenen Beratungsfirma soll aus Sicht der Mittelstandsbank innerhalb von zwei Wochen

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

157

erfolgen. Dies ist gleichzeitig das erste Projektteilziel und ein wichtiger Meilenstein in der Sanierung. Der Geschäftsführung der Druck GmbH wird erläutert, dass diese Vorgehensweise üblich ist bei Firmen, die in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind. Damit der wichtige Schritt der Prüfung der Sanierungsfähigkeit erreicht wird, ist in dieser Phase die Liquidität abzusichern und über einen Finanzplan eng zu überwachen. Im Folgenden wird der weitere Sanierungsprozess durch den Firmenkundenbetreuer dargelegt. Nach Vorlage des Gutachtens bei der Bank wird die Sanierungswürdigkeit geprüft. Dies bedeutet, dass die Sanierungschancen und die geplante Zeitdauer der Krisenüberwindung aus Sicht der Bank abzuschätzen sind und eine logische Prüfung des Gutachtens vorgenommen wird. Stehen die Chancen und Risiken einer erfolgreichen Sanierung in einem angemessenen Verhältnis und lassen sich die Sanierungsrisiken auf die Stakeholder optimal verteilen, so kann der Gesundungsprozess fortgeführt werden. Der Firmenkundenbetreuer weist zudem auf die gute Geschäftsbeziehung hin und versucht den Druck aus dem Gespräch zu nehmen. Jedoch sperrt sich der Patriarch und Unternehmer Müller gegen den Einsatz eines externen Beraters. Müller weist gegenüber der Bank auf folgendes hin: 

„Wirtschaftliche Schwächephasen haben wir in der Vergangenheit auch durchlebt. Wir haben es immer wieder aus eigener Kraft geschafft, uns zu stabilisieren.“



„Ein Berater kostet nur Geld, die Liquidität darf nicht zusätzlich durch teure Unternehmensberater belastet werden. Das können wir uns in der derzeitigen Lage nicht leisten.“



„Der Berater kennt unser Unternehmen nicht. Wenn jemand geeignet ist zu helfen, dann unser Steuerberater, mit dem wir ein angemessenes Honorar vereinbaren.“

Der Steuerberater unterstützt die Anmerkungen von Geschäftsführer Müller. Er verweist darauf, dass er die Gegebenheiten der Firma bereits seit vielen Jahren kennt. Die Krisenlage sieht er ebenfalls als nicht so problematisch an. Er spricht die hohen Zinsen der Banken an, die das Unternehmen erst in diese kritische Lage gebracht haben. Der Steuerberater erklärt, dass er sich in die Erstellung eines Sanierungsgutachtens einarbeiten und ein Konzept vorlegen wird. Dazu hat er sich schon einschlägige Literatur zugelegt. Zudem kann er sich an sein Studium vor zwanzig Jahren erinnern. Damals hat er ein Seminar zur Finanzierung in kritischen Unternehmensphasen belegt. Bei der Erarbeitung des Gutachtens wird er eng mit Müller zusammenarbeiten, da dieser ihm gute Tipps geben kann. Der Steuerberater betont, dass er von Unternehmensberatungen wenig hält und deutet auf die hohen Kosten hin, die auftreten würden. Daraufhin entbrennt eine heftige Diskussion. Aufgabenstellungen 1

Nennen Sie Argumente aus Sicht der Mittelstandsbank AG, die den Einsatz eines spezialisierten Sanierungsberaters im Krisenunternehmen begründen können.

2

Versetzen Sie sich in die Situation des Betreuers der Mittelstandsbank AG und helfen Sie dem Unternehmen bei der Wahl eines geeigneten Sanierungsträgers.

3

Erläutern Sie den Ablauf einer Sanierungsberatung. Welchen Umfang und welche Inhalte sollte der mit der Beratung vereinbarte Sanierungsauftrag haben?

158

4 Sanierung aus Bankensicht

4.4.3 1

Lösung des Praxisfalls zum Einsatz eines Beraters

Nennen Sie Argumente aus Sicht der Mittelstandsbank AG, die den Einsatz eines spezialisierten Sanierungsberaters im Krisenunternehmen begründen können.

Häufig bestehen von Seiten der Geschäftsleitung erhebliche Widerstände bei der Einsetzung eines externen Sanierungsberaters. Gründe liegen zum einen in den drohenden Kosten, zum anderen in dem fehlenden Eingeständnis der Geschäftsführung, das Unternehmen in die Krise geführt zu haben und diesen Zustand nicht selbst bereinigen zu dürfen. Es ist von Seiten der Bank kein Druck auszuüben, einen Berater zu verpflichten. Vielmehr sollte der Nutzen eines Einsatzes sachlich begründet werden. Folgende Argumente können die Unternehmensleitung überzeugen, Berater zu beauftragen, denn diese: 

ergänzen kritische Managementkapazitäten in Krisenzeiten,



ermöglichen die Konzentration des Managements auf das operative Geschäft,



bringen notwendiges Spezialwissen, Branchenkontakte und kreative Ideen mit ein,



erhöhen durch ihre Neutralität das Vertrauen der Gläubiger und



fungieren als Verantwortliche bei harten personellen Einschnitten.

Erst wenn die Geschäftsleitung auf diese Argumente keine Einsicht zeigt, sollte auf die Existenzbedrohung der Firma und die Verantwortung für die Mitarbeiter hingewiesen werden. Durch eine Androhung der Kündigung kann meist Einsicht erzielt und der Sanierungsprozess vorangetrieben werden. Wichtig ist, dass keine Zeit verloren geht, denn dies verbraucht weitere finanzielle Ressourcen und gefährdet den Sanierungserfolg. 2

Versetzen Sie sich in die Situation des Betreuers der Mittelstandsbank AG und helfen Sie dem Unternehmen bei der Wahl eines geeigneten Sanierungsträgers.

Wie bereits im Theorieteil gezeigt, weisen auf Krisenfälle spezialisierte Unternehmensberater potenziell ein gutes Eignungsprofil auf, den Sanierungsprozess zu begleiten. Aufgaben in der Sanierung reichen von der Erstellung eines Konzepts bis hin zur Umsetzung und Überwachung von Maßnahmen. Zu achten ist bei einer Auswahl auf die Größe des Krisenunternehmens und die Kommunikationsfähigkeit des Beraters. Zudem sind die Anforderungen der Branche zu berücksichtigen, neben den sanierungsspezifischen Qualifikationen. Damit Banken in Krisen ihrer Kreditnehmer unverzüglich bei der Selektion eines Beraters helfen können, sollten bisher gemachte Erfahrungen mit den Sanierern dokumentiert werden. Wichtig ist die Erfassung möglichst objektiver Daten über die Berater, damit die Beurteilung nicht primär auf individuellen Einschätzungen beruht (vgl. David, 2001, S. 131 ff.). Daher besteht die Möglichkeit, ein Polaritätsprofil für jeden Berater anzulegen (vgl. Schiller/Tytko, 2001, S. 71 ff.). Anhand einer Schulnotenskala können persönliche und fachliche Qualifikationen auf Basis der bereits bekannten Kriterien bewertet werden. Zusätzlich lassen sich weitere Informationen aufnehmen, wie zum Beispiel die bisher gemachten Erfahrungen in Sanierungsfällen. Es lässt sich ein Wissenspool aufbauen und in der Zukunft kann von Banken schnell auf diese Auswertungen zurückgegriffen werden.

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

159

Akteure für Spezialprobleme sollten ebenfalls in dieser Statistik aufgeführt werden, da diese Personen meist einen Engpassfaktor darstellen. Dies können unter anderem Wirtschaftsprüfer für Bewertungsgutachten oder Experten für die Erstellung von Poolverträgen sein. Auch potenzielle Interimsmanager können erfasst werden. Folgende Tabelle 4.31 zeigt eine mögliche Profilbeschreibung für externe Sanierungsspezialisten. Tab. 4.31 Beispiel für das Polaritätsprofil eines Sanierers

Name Unternehmensberatung/Sanierungsberater: Skala: 1 = „trifft stark zu „ bis 6 = „trifft gar nicht zu“ Individuelle Anforderungen Anpassungsfähigkeit Einfühlungsvermögen Neutralität Analysewissen Analysefähigkeit Methodenwissen Ganzheitliches Denken Krisenerfahrung Konfliktfähigkeit Verhandlungsgeschick Kreativität Branchenkenntnisse Kenntnisse der Brancheneigenheiten Branchenkontakte Investorenkontakte Umsetzungsfähigkeit Unternehmertyp Führungspersönlichkeit Kommunikationsfähigkeit Sonstiges Berufsqualifizierender Abschluss Honorarforderungen Spezialgebiete Bisherige Erfahrungen

1

2

3

4

5

6

160

4 Sanierung aus Bankensicht

Die Erkenntnisse zu den externen Sanierungsberatern und den Interimsmanagern sind stetig zu erfassen und auszuwerten. Dazu bietet es sich an, eine Datenbank anzulegen, die laufend zu pflegen und zu erweitern ist. Auch potenzielle Kandidaten für die Durchführung von Sanierungen sollten stetig gesichtet und zur Vorstellung in die Bank eingeladen werden. Die zentrale Sanierungsabteilung wird damit Evidenzstelle für den Beratereinsatz bei Krisenfirmenkunden auch für dezentrale Sanierungseinheiten. 3

Erläutern Sie den Ablauf einer Sanierungsberatung. Welchen Umfang und welche Inhalte sollte der mit der Beratung vereinbarte Sanierungsauftrag haben?

Bei der Auswahl eines geeigneten Beraters sollte aus Sicht des Krisenunternehmens die Hilfe der Hausbank in Anspruch genommen werden, die den Markt für Sanierer in der Regel aus ihren Erfahrungen gut kennt. Ist die Entscheidung für einen konkreten Berater gefallen, so ist der Umfang des Sanierungsauftrags vertraglich genau zu vereinbaren. Zu diesem Zweck sind die gewünschten Inhalte des Konzepts und die Rahmenbedingungen des Beratungsauftrags schriftlich festzulegen, wie unter anderem: 

Einhaltung Standards wie IDW S 6 oder MaS beziehungsweise GoS



Prüfungsumfang mit Aussagen zur Sanierungsfähigkeit



Ergründung der Krisenursachen der Firma



Darstellung des relevanten Marktes mit Daten über Marktanteile und Volumina



Finanzwirtschaftliche Absicherung der Sanierung



Vorschlag geeigneter leistungswirtschaftlicher Sanierungsmaßnahmen



Entwicklung einer integrierten Planungsrechnung



Zeitpunkt, wann das Sanierungskonzept vorliegt



Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen im Unternehmen



Kostenpauschale für die Erstellung und Umsetzung des Gutachtens

Ist der Sanierungsauftrag genau definiert, fordert der Berater in der Regel die Sicherstellung seiner Honorarforderungen. Die Hausbank sollte sich gegebenenfalls für die Übernahme der Kosten im Verbund mit den anderen beteiligten Instituten bereit erklären. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die Vereinbarung der Konzepterstellung von Bedeutung ist. Wichtig ist, dass auch Vorschläge für die Umsetzung der empfohlenen Schritte aus dem Sanierungsgutachten hervorgehen sollten. Die Realisierung der Maßnahmen kann ebenfalls durch den Unternehmensberater erfolgen, da dieser sich bereits eingearbeitet hat. Wird die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen durch Externe sichergestellt, kann das Vertrauen zu den Gläubigern meist wieder aufgebaut werden. Insbesondere lässt sich auf diese Weise oft eine Verbesserung der externen Finanzkommunikation erreichen. Dies führt zu einem Abbau der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Unternehmen und seinen Gläubigern mit einer Optimierung des externen Reportings.

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

161

Aus Bankensicht ist der Einsatz des Sanierungsberaters zu überwachen. Dazu sind die zu erreichenden Meilensteine aus zeitlicher Sicht festzulegen. Der Ablauf der Beratung ist zu koordinieren und zu kontrollieren. Es ergibt sich aus folgender Abbildung 4.37 ein möglicher strukturierter Ablauf zum Einsatz eines Beraters. Ablauf einer Sanierungsberatung 1.

Auswahl eines geeigneten Beraters

2.

Festlegung des Umfangs des Sanierungsauftrags

3.

Sicherung des Honorars

4.

Prüfung der Sanierungsfähigkeit über ein Gutachten

5.

Gewährleistung der Umsetzung des Sanierungskonzepts

Abb. 4.37 Ablauf des Sanierungseinsatzes

4. Sanierungsregel: Die Empfehlung eines geeigneten externen Sanierungsträgers ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Sanierung. Nicht allein die Erstellung eines umfassenden Konzepts, sondern auch die Sicherstellung der Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen aus dem Gutachten ist bedeutend für das Erreichen eines nachhaltigen Turnarounds.

Erläuterung der 4. Sanierungsregel Untersuchungen zeigen, dass insbesondere externe Sanierungsberater, die sich auf Krisenfälle spezialisiert haben, in der Lage sind, Sanierungen erfolgreich zu bearbeiten (vgl. Portisch et al., 2008e, S. 494 ff.). Wichtig bei der Auswahl eines geeigneten Beraters ist aus Sicht der Kreditinstitute, dass dem Unternehmer die freie Entscheidung bei der Beauftragung gewährt wird. Bankenvertreter sollten aus Haftungsgründen lediglich mehrere Unternehmensberater empfehlen und den Geschäftsführer nicht zur Entscheidung für einen bestimmten Berater drängen. Neben den fachlichen Eignungen, die der Akteur aufweisen sollte, ist es bedeutend, dass die Kommunikation zwischen der Geschäftsleitung und dem Sanierer stimmt. Dies erfordert ein erhebliches Einfühlungsvermögen beim Berater. Zunächst ist durch den Berater ein Sanierungskonzept zu erstellen, das wesentliche Kerninhalte aufweist. Dabei ist auf die Einhaltung eines Standards zu achten. So sollte ein Gutachten nach dem Standard IDW S 6 oder in Anlehnung an die Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) beziehungsweise die Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte (GoS) gefordert werden (vgl. ISU, 2008, S. 1 ff. und Portisch et al., 2007d, S. 468 ff.). Auf dieser Basis kann die erforderliche Qualität des Gutachtens sichergestellt werden. Der Sanierungsberater ist an der Einhaltung des Standards zu messen. Unter Umständen können unwesentliche Teile weggelassen werden, wenn diese für die Analyse nicht von Bedeutung sind. Es ist dann im Bericht auf diese fehlenden Segmente hinzuweisen.

162

4.4.4

4 Sanierung aus Bankensicht

Empirische Ergebnisse zum Beratereinsatz

Die Einbindung eines externen Beraters ist für die weitere Begleitung durch die betroffenen Kreditinstitute eine wesentliche Grundvoraussetzung (vgl. TAC, 2005b, S. 11 ff.). Dabei benennen rund 81 % der Antwortenden aus den Kreditinstituten, dass die Konzepterstellung für den Turnaround-Erfolg wichtig ist. Die Bedeutung der Umsetzung des Sanierungsgutachtens durch einen Externen wird von insgesamt 94 % der Probanden als wichtig eingeschätzt und nimmt damit ebenfalls einen sehr hohen Stellenwert ein. Bei der Sanierung können unterschiedliche externe Sanierungsträger zum Einsatz kommen, unter anderem Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater oder Interimsmanager. Von Interesse ist, welche Beratertypen von den Kreditinstituten favorisiert werden, um eine Sanierung erfolgreich zu begleiten. In der Bedeutungsrangfolge, der als qualifiziert angesehenen Akteure, liegen an erster Stelle spezialisierte Sanierungsberater mit 93 % der Nennungen, es folgen Wirtschaftsprüfer mit Sanierungsabteilung mit 69 %, Sanierungsberater, die gleichzeitig als Interimsmanager fungieren können mit 55 % der Antworten sowie reine Interimsmanager mit 44 %. Seltener genannt werden Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte und sonstige Akteure, zum Beispiel Business Angels, wie nachfolgende Abbildung 4.38 zeigt.

Welche Berater halten Sie für geeignet, um eine Sanierung erfolgreich zu begleiten? 93%

Sanierungsberater 69%

Wp-Sanierungsabteilung Interimssanierer

55% 44%

Interimsmanager 22%

Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwälte

13% 11%

Sonstige 4% 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

Mehrfachnennungen möglich

Abb. 4.38 Eignung der Sanierungsbegleitung durch Externe

80%

90%

100%

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

163

Steuerberater werden überdurchschnittlich von rund 27 % und reine Wirtschaftsprüfer von etwa 23 % der Vertreter aus Volks- und Raiffeisenbanken, ohne die Nennungen der Zentralinstitute, als geeignet zur Sanierungsbegleitung eingeschätzt. Im Gegensatz dazu sieht kein einziger Befragter aus den Spitzeninstituten des genossenschaftlichen Sektors diese Gruppen als passend zur Konzepterstellung beziehungsweise Umsetzung an. Wirtschaftsprüfer werden von Antwortenden aus Sparkassen mit 29 % und aus Spezialinstituten mit 27 % der Nennungen als geeignete Sanierungsträger angesehen. Privatbanken und Landesbanken sind anderer Meinung und schätzen die positive Eignung zur Sanierungsbegleitung durch Wirtschaftsprüfer deutlich seltener als gegeben ein. Auch bei reinen Interimsmanagern oder gleichzeitig als Sanierungsberater tätigen Zeitmanagern ist das Bild unterschiedlich geprägt. Diese Akteure werden von den Befragten aus Spitzeninstituten im genossenschaftlichen Sektor und den Privatbanken deutlich häufiger als zweckmäßig zur Unternehmenssanierung angesehen als von anderen Bankengruppen. Nach der Bankengröße stufen 15 % der Probanden aus kleinen Kreditinstituten Rechtsanwälte und 25 % Steuerberater überproportional häufig als geeignet zur Sanierungsbegleitung ein. Reine Wirtschaftsprüfer werden mit jeweils 25 % der Antwortenden aus kleinen und mittelgroßen Banken häufiger als geeignet beurteilt als von Probanden aus großen Banken mit nur 15 % der Nennungen. Keine Bewertungsunterschiede existieren bei Sanierungsberatern und Wirtschaftsprüfern mit eigener spezieller Sanierungsabteilung. Beide Parteien werden über alle Bankengrößen hinweg sehr häufig als befähigt eingestuft. Differenziert fällt das Bild bei der Beurteilung von Sanierungsberatern aus, die gleichzeitig als Interimsmanager fungieren. Rund 82 % der Befragten aus großen Kreditinstituten sehen diese Gruppe als geeignet zur Betreuung von Krisenfällen an, während aus mittleren Instituten nur 53 % und aus kleinen Banken nur 40 % diese Einschätzung teilen. Ähnlich ist das Antwortschema bei der alleinigen Sanierung durch Interimsmanager, die lediglich von Vertretern aus großen Banken häufig als geeignet für die Gestaltung des wirtschaftlichen Gesundungsprozesses im Rahmen einer Sanierung angesehen werden. Dabei ist auch in der Praxis zu beobachten, dass bei kleinen Krisenengagements oft der altbewährte Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer die Sanierungsarbeiten erledigt. Kostengründe mögen bei der Beurteilung eine Rolle spielen. In größeren Instituten werden diese Akteure als Krisenberater größtenteils abgelehnt. Eine Studie aus dem Jahr 2008 zu den Qualifikationen verschiedener Typen von Sanierungsberatern und zur Güte von Sanierungskonzepten bestätigt die Ergebnisse aus dieser Deskription. So weist die Qualität des eingesetzten Sanierers oft einen Zusammenhang mit dem Erreichen des wirtschaftlichen Turnarounds eines Unternehmens auf. Es werden auf Sanierungen spezialisierte Coaches empfohlen. Diese erfahrenen Berater konnten aus den Ergebnissen der Studie höhere Turnaround-Erfolge erzielen als die nicht primär auf Sanierungsfälle eingestellten Akteure. Somit zeigt sich, dass die Beauftragung eines geeigneten Beraters ein erfolgskritisches Merkmal in einer Sanierung darstellt (vgl. Portisch, et al., 2008e, S. 494 ff.). Insbesondere ist ein Beraterwechsel in einer eingeleiteten Sanierung zu vermeiden. Dies erhöht die Kosten und den Zeitdruck im Gesundungsprozess. Daher ist bereits im Vorfeld auf wichtige Fähigkeiten der beauftragten Sanierer zu achten.

164

4 Sanierung aus Bankensicht

Eigenschaften, die von den Befragten bei Sanierungsakteuren erwartet werden, betreffen von der Rangfolge zunächst das Sanierungswissen und die Umsetzungserfahrung. Insbesondere die große Bedeutung der notwendigen Qualifikation zur Realisierung von Maßnahmen aus dem Sanierungskonzept wird auch in einer früheren Studie aus dem Jahr 2002 bestätigt (vgl. KPMG, 2002, S. 24 ff.). Es folgt die Analysefähigkeit mit Methodenwissen vor den persönlichen Eigenschaften des Beraters. Das genaue Branchenwissen wird dagegen nur von 61 % der Antwortenden als wichtig eingeschätzt. Der Erfüllungsgrad dieser als wichtig empfundenen Eigenschaften der Berater wird von den Antwortenden dagegen in der Praxis nicht immer als vollständig gegeben beurteilt. So existieren laut den Nennungen Defizite bei den Merkmalen Analysefähigkeit von Krisenfällen, Sanierungserfahrung und Charaktereigenschaften wie die Führungseignung sowie die Kommunikationsfähigkeit, die nur von rund 50 % der Befragten aus den Kreditinstituten als in der Praxis von Beratern erfüllt bewertet werden. Auffällige Mängel in den Einschätzungen bestehen bei der Umsetzung von Sanierungsschritten und dem Wissen über den Wirtschaftssektor. Lediglich 24 % der Probanden beurteilen, dass Berater Branchenwissen vorweisen können und knapp 27 % schätzen die Umsetzungserfahrung von Sanierungsmaßnahmen durch die eingesetzten Berater regelmäßig als gut gegeben ein, wie die nachfolgende Abbildung 4.39 darstellt.

Wie beurteilen Sie den Erfüllungsgrad von wichtigen Beratereigenschaften in der Praxis?

55%

Analysefähigkeit

53%

Sanierungserfahrung

50%

Charaktereigenschaften

0%

10%

43%

4%

9%

50%

24%

Branchenwissen

5%

41%

27%

Umsetzungserfahrung

40%

23%

57%

20%

30%

40% Erfüllt

50% Mittel

19%

60%

70%

Nicht erfüllt

Abb. 4.39 Erfüllungsgrad wichtiger Beraterqualifikationen in der Praxis

80%

90%

100%

4.4 Leistungswirtschaftliche Sanierung

165

Insgesamt zeigen diese Einschätzungen zur Wichtigkeit und zum Erfüllungsgrad der Beraterqualifikationen, dass nicht immer eine vollständige Zufriedenheit mit den Fähigkeiten der Sanierungsträger besteht. Die oftmals fehlende Eigenschaft von Beratern, ihre empfohlenen Sanierungsmaßnahmen auch in der Praxis zu realisieren, wird insbesondere von Privatbanken, den Spitzeninstituten des genossenschaftlichen Sektors und Landesbanken als kritisch angesehen. Das fehlende Branchenwissen wird von Privatbanken und genossenschaftlichen Spitzeninstituten als besonders negativ eingestuft. Rund 85 % der Befragten aus großen Banken schätzen die Umsetzungserfahrung der externen Berater als wichtig ein, aber nur 17 % der Antwortenden sehen diese Eignung insgesamt in der Praxis als erfüllt an. Antwortende aus großen Banken stufen zudem das Branchenwissen in 74 % der Fälle als bedeutend ein, der Erfüllungsgrad wird jedoch lediglich von 21 % als optimal gegeben beurteilt. In den Bereichen der Konzeptumsetzung und Spezialisierung auf Branchen bestehen somit vorwiegend aus Sicht der Probanden aus großen Banken Defizite bei den meisten externen Sanierungsträgern. Eine bedeutende Aufgabe, die ein Berater aus Sicht der Befragten nach Einarbeitung in den Krisenfall zu erfüllen hat, ist die Einführung geeigneter Controllinginstrumente zur Überwachung der Ertrags- und Liquiditätslage und zur Schaffung von Datentransparenz. Dazu gehört auch ein bankengerechtes Finanzreporting. Das gründliche Vorgehen bei der Konzepterstellung wird wichtiger eingeschätzt als die schnelle Vorlage des Sanierungsgutachtens. Es folgen die Bereiche Konzeptumsetzung und Gläubigerkommunikation. Diese Einschätzungen zu bedeutenden Aufgaben der Berater werden durch die Befragten aus den verschiedenen Größenordnungen der Kreditinstitute und unterschiedlichen Banksektoren ähnlich vorgenommen. Differenzen existieren lediglich bei der Beurteilung der Konzeptumsetzung durch den Berater, die von 89 % der Antwortenden aus großen Banken als wichtig eingeschätzt wird, während nur 70 % aus kleinen Instituten diesen Aufgabenbereich als bedeutsam beurteilt. Dies spiegelt die oft eingeschränkten monetären Möglichkeiten zur Beauftragung einer Sanierungsumsetzung bei kleinen Firmenkunden wider. Bei der Erstellung eines Sanierungskonzepts sollte verstärkt auf die Einhaltung von Qualitätsstandards geachtet werden. Dies sollte von den beteiligten Kreditinstituten zur Auflage gemacht werden. Nur wenn eine umfassende Sanierungsprüfung erfolgt, kann sichergestellt werden, dass im weiteren Verlauf des Gesundungsprozesses alle erfolgskritischen Schritte abgedeckt werden. Das Sanierungskonzept ist Basis für die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit des Krisenunternehmens. Es stellt eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die begleitenden Banken zur weiteren Krisenbegleitung dar. Diese Gutachten werden einer eingehenden Prüfung unterzogen. Dazu werden die einzelnen Bausteine auf die logische Struktur und die Inhalte hin überprüft. Wenn ein Sanierungsgutachten eine gute Qualität aufweist und zudem die Sanierungsfähigkeit konstatiert wird, ist die weitere Begleitung durch die Banken und die übrigen Stakeholder meist einfach durchsetzbar. Die notwendigen Inhaltsbausteine von Sanierungsgutachten und der Prüfprozess dieser Konzepte durch die Sanierungsbetreuer in den Kreditinstituten werden im folgenden Abschnitt näher untersucht.

166

4.5

4 Sanierung aus Bankensicht

Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

Risikoerkennung aus Bankensicht

Organisation Prozesse

Finanzielle Maßnahmen

Auswahl des Sanierers

Prüfung des Konzepts

Poolbildung der Gläubiger

Überwachung der Sanierung

Sicherung Turnaround

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts 4.5.1 Prüfung der Sanierungsfähigkeit und der Sanierungswürdigkeit 4.5.2 Praxisfall zur Prüfung des Sanierungskonzepts 4.5.3 Lösung des Praxisfalls zur Prüfung des Sanierungskonzepts 4.5.4 Empirische Ergebnisse zur Prüfung von Sanierungskonzepten

Lernziele:  Strukturen und Inhalte von Sanierungskonzepten kennen  Sanierungskonzepte anhand von Maßstäben beurteilen können  Verschiedene Sanierungsalternativen begutachten können  Chancen und Risiken einer Sanierung bewerten

Abb. 4.40 Aufbau und Lernziele in Kapitel 4.5

Im Anschluss an die Auswahl eines qualifizierten Beraters werden in diesem Abschnitt die Anforderungen an Sanierungskonzepte und die Überprüfung dieser Manuskripte betrachtet. Die Ansprüche an die Struktur und die Inhalte eines Sanierungskonzepts sind durch die Empfehlungen des IDW und des ISU Instituts überarbeitet beziehungsweise neu gestaltet worden. Der aktuelle Standard des IDW zur Erstellung von Sanierungskonzepten und die Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte (GoS) im Rahmen der Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) werden in Bezug auf ihre materiellen Aussagen beurteilt. Dabei hat die Fortführungsprognose aus dem Sanierungskonzept aufgrund des FMStG derzeit auch insolvenzrechtliche Konsequenzen zur direkten Abwendung einer Überschuldung. Im Sanierungskonzept ist einzugehen auf die wesentlichen Krisenursachen, die strategische Neuausrichtung, die Einzelmaßnahmen zur finanzwirtschaftlichen und leistungswirtschaftlichen Sanierung und die allgemeinen Chancen der Sanierbarkeit auf Basis des Geschäftsmodells. Nur wenn der Gutachter die Überwindung der Krise für überwiegend wahrscheinlich hält, wird die Sanierungsfähigkeit des Engagements als positiv eingeschätzt. Die Sichtweise eines Kreditinstituts ist eine andere. Neben einer logischen Prüfung der Inhalte und der Aussagen aus dem Sanierungskonzept sind verschiedene Alternativen der Weiterbehandlung zu prüfen. Diese Möglichkeiten reichen von der Sanierung bis zur Kündigung und Abwicklung oder dem Verkauf der Kredite. Bei der Prüfung der Sanierungswürdigkeit stehen erwartete Erfolge und mögliche Risiken im Vordergrund der Betrachtung.

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

4.5.1

167

Prüfung der Sanierungsfähigkeit und der Sanierungswürdigkeit

Die Analyse der Sanierungschancen erfolgt durch einen externen qualifizierten Sanierungsberater. Das Krisenunternehmen ist ganzheitlich im Hinblick auf die internen Krisenursachen und die externe Einbindung in die relevanten Märkte zu untersuchen. Wichtig ist, dass die Analyse mit einem Urteil zur Sanierungsfähigkeit abschließt. Im Folgenden sollen die Anforderungen an die Struktur und die Inhalte eines Sanierungskonzepts auf Basis existierender Regelwerke der Praxis dargestellt und beurteilt werden. Der Standard IDW FAR 1/1991 ist eine bekannte Norm für die Erstellung von Sanierungsgutachten. Wichtige Bestandteile dieses Standards sind die Beschreibung des Unternehmens, die Krisenursachenanalyse mit Lagebeurteilung und die Erarbeitung eines strategischen Leitbilds des sanierten Unternehmens sowie die einzuleitenden Maßnahmen mit der Planverprobungsrechnung. Nachfolgende Abbildung 4.41 zeigt die Kernpunkte der Gliederungsstruktur eines Sanierungsgutachtens nach IDW FAR 1/1991.

Gliederung eines Sanierungskonzepts nach IDW FAR 1/1991 1.

Beschreibung des Unternehmens • • •

2.

Analyse des Unternehmens • • •

3.

Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit Entwicklung einer Marktstrategie Beziehungen zu den Kapitalgebern und sonstigen Stakeholdern

Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens • • •

5.

Aufarbeitung quantitativer und qualitativer Daten Krisenursachenanalyse Interne und externe Lagebeurteilung

Leitbild des sanierten Unternehmen • • •

4.

Bisherige Unternehmensentwicklung Rechtliche und organisatorische Verhältnisse Finanzwirtschaftliche und leistungswirtschaftliche Rahmenbedingungen

Sanierung auf Basis des erarbeiteten Leitbilds Finanzwirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen Leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen

Planverprobungsrechnung • • •

Zahlenmäßige Darstellung des geplanten Sanierungsverlaufs Nachweis der Finanzierbarkeit der Sanierungsmaßnahmen Integrierte Planungsrechnung mit Planbilanz, Plan-GuV, Finanzplanung

Abb. 4.41 Gliederung eines Sanierungskonzepts nach IDW FAR 1/1991

Auffällig ist, dass ein Management Summary und eine Gesamtaussage zur Sanierungsfähigkeit des untersuchten Unternehmens nicht explizit vorgesehen sind. Der IDW Standard FAR 1/1991 ist insgesamt wie folgt zu beurteilen:

168

4 Sanierung aus Bankensicht



Gute Basis für ein Gutachten, praxisnah mit detaillierter Inhaltsgliederung



Beraterauswahl und Sanierungsumsetzung werden nicht betrachtet



Aufwendig für Sanierungen von KMU und fehlende Aussage zur Sanierungsfähigkeit

Das IDW hat die Schwächen des ehemaligen Standards erfasst und ein neues Regelungswerk zu den Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten erarbeitet. Im Folgenden wird der aktuelle Standard IDW S 6 dargestellt und beurteilt (vgl. IDW, 2009b, S. 1 ff.). Der Standard IDW S 6 löst die Regelung IDW FAR 1/1991 ab (vgl. Groß, 2007, S. 49 und 2008, S. 49). Diese neue Norm ist umfassend und behebt Nachteile des vorigen Regelwerks. Der komplette Sanierungsprozess wird abgebildet. Dazu werden Empfehlungen von der Vereinbarung der Auftragsinhalte bis hin zur Sanierungsfähigkeitsaussage gegeben. Die Anforderungen an die Sanierungsprüfung und Berichterstattung sind gegenüber der vorigen Norm gestiegen und beruhen auf einer Analyse vollständiger, aktueller und wesentlicher Informationen. Auch relevante Stakeholder und die Aufarbeitung der Krisenstadien werden in die Untersuchungen mit einbezogen. Hervorgehoben wird die leistungswirtschaftliche Lage mit der Erarbeitung eines zukunftsfähigen Geschäftsmodells. Der Standard IDW S 6 richtet sich in erster Linie an Wirtschaftsprüfer. Er kann jedoch auch von Unternehmensberatern als Qualitätsstandard angewendet werden (vgl. Portisch, 2009c, S. 36 ff.). Wesentliche Kernbestandteile sind in folgender Abbildung 4.42 dargestellt.

Kernbestandteile eines Sanierungskonzepts nach IDW S 6 1.

Beschreibung von Auftragsgegenstand und -umfang • • •

2.

Darstellung der Ausgangslage mit Krisenstadium und Krisenursachen • • •

3.

Abbildung des Ziels der Unternehmensentwicklung Erarbeitung eines nachhaltig wettbewerbsfähigen Geschäftsmodells Krisenstadiengerechte Überwindung der wirtschaftlichen Schieflage

Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise • • •

5.

Analyse der internen, externen, rechtlichen und wirtschaftlichen Unternehmenslage Feststellung des Krisenstadiums und des Intensitätsgrads der Krisenlage Analyse der wesentlichen zusammenwirkenden Krisenursachen

Erarbeitung eines Leitbilds des sanierten Unternehmens • • •

4.

Festlegung der verantwortlichen Sanierer Beschreibung der Auftragsbedingungen und der Begutachtungsinhalte Vereinbarung einer zusammenfassenden Schlussbemerkung

Sanierung auf Basis des erarbeiteten Leitbilds Finanzwirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen Leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen

Integrierte Unternehmensplanung • • •

Zahlenmäßige Darstellung der Maßnahmeneffekte Integrierte Planungsrechnung mit Planbilanz, Plan-Guv, Finanzplan Kennzahlen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage

Abb. 4.42 Kernbestandteile eines Sanierungskonzepts nach IDW S 6

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

169

Insgesamt handelt es sich bei dem Standard IDW S 6 um eine umfassende Abbildung wichtiger Sanierungshandlungen. Diese Norm erklärt, welche Grundsätze bei der Erstellung eines Gutachtens einzuhalten und welche Kerninhalte zu erarbeiten sind. Es wird in zwei Stufen vorgegangen (vgl. Groß, 2009, S. 232 ff.). Auf der ersten Stufe erfolgt die Prüfung der Fortführung auf Grundlage der Zahlungsfähigkeit und Kapitalisierung für das laufende und folgende Jahr (vgl. Groß/Amen, 2002a, S. 225 ff. und 2002b, S. 433 ff.). Wird diese bejaht, ist auf der zweiten Stufe die Wiederherstellung der nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit auf Basis einer krisenstadiengerechten Bewältigung der Schieflage zu gestalten. Die Berichterstattung auf Basis des Standards IDW S 6 ist wie folgt zu beurteilen: 

Ganzheitliche und vollständige Betrachtung der Sanierungsprüfung



Detailliertes Eingehen auf die Erstellung der Fortführungsprognose



Hohe Komplexität und Unübersichtlichkeit der einzelnen Prüfungsschritte

Einschränkungen in der Anwendbarkeit des IDW S 6 ergeben sich aufgrund der Komplexität und dem Umfang des Standards insbesondere bei der Sanierung kleiner und mittlerer Unternehmen. Diese sind gegebenenfalls nicht in der Lage, die Kosten für ein derart umfassendes Gutachten zu tragen. Zudem wird in dem Regelwerk nicht auf die Umsetzungsschritte der Maßnahmen eingegangen. So fehlt die Forderung zur Beschreibung des Sanierungsprojekts mit Meilensteinen, Verantwortlichkeiten und zeitlicher Abarbeitung. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte (GoS) betrachten den umfassenden Sanierungsprozess, beginnend mit der Auswahl eines qualifizierten und neutralen Gutachters über die Erstellung des Sanierungskonzepts bis hin zur Umsetzung der Maßnahmen (vgl. Portisch et al., 2007d, S 468 ff.). Zudem bestehen die GoS aus einem flexibel anpassbaren Rahmenkonzept. Dieses kann auch auf kleine Sanierungsprojekte praxisnah abgestimmt werden. Gemäß der GoS-Struktur sind neun Grundsätze zu beachten, um eine ganzheitliche Sanierungsberatung, inklusive der Berichterstattung und Umsetzung, auf hohem Qualitätsniveau sicherzustellen (vgl. Portisch et al., 2008e, S. 494 ff.). Im Rahmen einer empirischen Untersuchung von Sanierungsgutachten zeigt sich, dass insbesondere die Einhaltung der Grundsätze GoS 2 „Grundsatz der Vollständigkeit und Aktualität“ und GoS 8 „Grundsatz der Sicherstellung des Sanierungsmanagements“ erfolgskritisch für einen Turnaround sind. So ist bei der Vollständigkeit eines Sanierungsgutachtens auf eine detaillierte Analyse der leistungswirtschaftlichen Lage und der daraus abgeleiteten Maßnahmen zu achten, denn diese bestimmen den Sanierungserfolg erheblich (GoS 2). Dabei kann das Branchenwissen eines Beraters helfen, um das Geschäftsmodell schnell und detailliert zu erfassen. Die finanzwirtschaftliche Seite und das künftige Finanzreporting sind weitere Rahmenbedingungen, die im Konzept zu erörtern sind. Zudem ist die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Konzept erfolgsbestimmend und auch im Sanierungskonzept umfassend darzulegen. Es ist auch auf die Schaffung einer internen oder externen Sanierungsorganisation einzugehen (GoS 8). Die Beachtung der GoS sorgt dafür, dass eine Sanierung umfassend und auf hohem Niveau sichergestellt wird. Auf diese Weise kann ein optimales Sanierungsergebnis erreicht werden. Das Sanierungsgutachten ist ein dazu ein wichtiger Baustein im Gesundungsprozess.

170

4 Sanierung aus Bankensicht

Von Bedeutung für einen nachhaltigen Turnaround ist, dass Untersuchungen im Sanierungskonzept vollständig erfolgen und die vorgeschlagenen leistungswirtschaftlichen Maßnahmen möglichst durch ein Sanierungsteam umgesetzt werden (vgl. Portisch et al., 2008e, S. 494). Die GoS werden in der nachfolgenden Abbildung 4.43 dargestellt.

Anforderungen an ein Sanierungskonzept nach GoS 1.

Neutralität und Qualifikation des Gutachters • •

2.

Grundsatz der Vollständigkeit und Aktualität • •

3.

Eingehen auf die individuellen Risikomerkmale Berücksichtigung des Krisenverlaufs und der Rahmenbedingungen

Sicherstellung des Sanierungsmanagements • •

9.

Prüfung einer lückenlosen Argumentationskette Abbildung der Unsicherheit durch Szenariorechnungen

Grundsatz der Flexibilität • •

8.

Überprüfung der Informationsquellen und Darlegung der Vorgehensweise Formulierung von transparenten und praxisnahen Handlungsempfehlungen

Grundsatz der Folgerichtigkeit • •

7.

Berücksichtigung der Komplexität des Falls Untersuchung der für den Einzelfall relevanten Sachverhalte

Grundsatz der Klarheit • •

6.

Besondere Analyse der risikorelevanten Bereiche Hervorhebung wichtiger Inhalte der Analyse

Grundsatz der Angemessenheit • •

5.

Vollständige Einbeziehung aller Daten Eingehen auf aktuelle Erkenntnisse und Erfordernisse

Grundsatz der Wesentlichkeit • •

4.

Detaillierte Auftragsvergabe und Verantwortlichkeit der Auftragsdurchführung Nachweis der Qualifikation des Gutachters

Gewährleistung der Maßnahmenumsetzung aus dem Gutachten Schaffung einer Sanierungsorganisation und eines Sanierungscontrollings

Grundsatz der Dokumentation • •

Schriftliche Erstellung eines strukturierten Sanierungsgutachtens Klare Fortführungsprognose und Aussage zur Sanierungsfähigkeit

Abb. 4.43 Anforderungen an ein Sanierungskonzept nach den GoS

Die Einhaltung des Aufbaus und der Inhalte des Regelungswerkes GoS erlaubt bei gleichzeitig hoher Praxisnähe und Flexibilität eine Sanierungsuntersuchung und Berichterstattung auf hohem Niveau. Die Durchführung einer Sanierungsanalyse nach den Grundsätzen ist in der Praxisanwendung insgesamt wie folgt zu beurteilen: 

Ganzheitlicher Sanierungsprozess mit der Auswahl eines Gutachters und Umsetzung



Flexible Anpassung an kleine oder komplexe Sanierungsfälle

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts 

171

Keine Vorgabe in Form einer Checkliste oder Gliederung eines Sanierungskonzepts

Aufbauend auf den GoS wurde mit den Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) ein umfangreicher Standard zur praxisnahen Bewältigung von Sanierungsprojekten, außergerichtlich und im eröffneten Insolvenzverfahren, entwickelt. Es handelt sich um ein pragmatisches Regelungswerk zur Erstellung von Sanierungskonzepten unter anderem mit Checklisten (vgl. ISU, 2008, S. 1 ff.). Im Folgenden sollen die wichtigen Informationen aus den vorgestellten Standards und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte verdichtet und für die Ausgestaltung eines Sanierungskonzepts genutzt werden. Ein Sanierungsgutachten oder Sanierungskonzept sollte in jedem Fall mit einer detaillierten rechtlichen und wirtschaftlichen Bestandsaufnahme in Form einer Unternehmensanalyse beginnen, um die Krisenphase, wesentliche Krisenursachen und damit mögliche Ansatzpunkte für Sanierungsmaßnahmen zu erkennen. Dazu ist auch das Krisenstadium festzustellen, in dem sich das Unternehmen befindet. Dies ist von Bedeutung, da in einer akuten Liquiditätskrise unverzüglich Maßnahmen zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit ergriffen werden müssen, um eine Insolvenzantragspflicht zu vermeiden. Das Erkennen und Darlegen der internen und externen Krisenursachen ist Kern eines Sanierungsgutachtens, da die zu ergreifenden Sanierungsmaßnahmen diese Gründe der Schieflage beseitigen sollen. Die Erforschung der Krisenfaktoren sollte systematisch erfolgen und strukturiert in dem Konzept dargelegt werden. Daher bieten sich folgende Ausgangspunkte an, um die wesentlichen Krisenmerkmale zu ermitteln: 

Untersuchung der Geschäftsfelder, Produkte und Dienstleistungen



Analyse des Managements und der übrigen internen Stakeholder



Untersuchung der Organisationsstruktur und der Geschäftsprozesse

Unterscheiden lassen sich interne, externe und interne-externe Mischformen von Krisenursachen. Unternehmensschieflagen sind in der Regel nicht allein auf einen Grund zurückzuführen. Typischerweise ist eine Krise durch multikausale Faktoren geprägt. Zudem sind Ursachen und Wirkungen meist stark verflochten. Bedeutende Krisenursachen und nachfolgende Auswirkungen können sich oft vermischen. Häufig auftretende interne Krisenursachen, die aus dem Unternehmen heraus entstehen, sind: 

Managementfehler und mangelhafte personelle Ressourcen



Fehlende oder nicht leistungsfähige Controllingsysteme



Qualitätsmängel bei Produkten und Dienstleistungen

Beispiele für nicht vom Unternehmen zu verantwortende externe Krisengründe sind: 

Ansteigende Zinsen, Energie- und Rohstoffpreise



Veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen



Konjunkturelle Einbrüche der Wirtschaft und Finanzkrisen

172

4 Sanierung aus Bankensicht

Beispiele für vernetzte interne-externe Krisenursachen sind: 

Forderungsverluste bei Kunden



Nachfrageverschiebungen auf Märkten



Veränderungen bei Verfahren und Technologien

Als methodisches Hilfsmittel zur systematischen Feststellung von Krisenursachen in Unternehmen kann unter anderem die Analyse der Wertschöpfungskette von Porter dienen, die in folgender Abbildung 4.44 dargestellt wird (vgl. Porter, 2000, S. 70).

Unternehmensanalyse – Analyse der Wertschöpfungskette

e ann nsp win Ge

Unternehmensinfrastruktur Personalwirtschaft

Sekundäre Aktivitäten

Technologieentwicklung Beschaffung

Operationen

Marketing Vertrieb

Ausgangslogistik

Kundendienst

Ge w i nns pan ne

Eingangslogistik

Primäre Aktivitäten Abb. 4.44 Wertschöpfungskette nach Porter

Zur Analyse des Unternehmens wird dieses in unterschiedliche Aktivitäten gegliedert (vgl. Porter, 2000, S. 70 ff.). Die Trennung erfolgt zum einen in Primäraktivitäten, auch Kernprozesse genannt, die unmittelbar mit der Herstellung und dem Vertrieb des Produktes verbunden sind und einen Beitrag zur Wertschöpfung leisten. Zum anderen bestehen Sekundäraktivitäten. Bei diesen Supportprozessen handelt es sich um unterstützende Tätigkeiten, die über keinen direkten wertschöpfenden Charakter verfügen. Diese erbringen jedoch Versorgungsund Steuerungsleistungen für die primären Aktivitäten und sind daher zur Ausführung der Kernprozesse notwendig. Das Ziel der Untersuchung der Wertschöpfungskette ist eine systematische Ordnung und Beschreibung der Unternehmensressourcen aus strategischer Sicht. Auf dieser Grundlage können dann die Steuerungskräfte der Ressourcen kontinuierlich erfasst und gesteuert werden (vgl. Noeske, 2005, S. 209 ff.).

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

173

Die relevanten Aktivitäten der Wertschöpfungskette ergeben sich aus den Unternehmenstätigkeiten einer Branche. Diese Analyse bietet einen Ausgangspunkt und Rahmen für die Untersuchung von Krisenursachen in einem Unternehmen. Wurden wesentliche Krisenursachen aus einer Analyse der Wertschöpfungskette erkannt, so sollte ein Sanierungsgutachten anschließend auf die relevanten Märkte, in denen das betreffende Unternehmen agiert, eingehen. Kenntnisse über die Absatzmärkte sind von Bedeutung, um das eigene Verhalten auf die übrigen Akteure wie Konkurrenten einzustellen und zu optimieren. Unverzichtbar sind qualitative Informationen über die verschiedenen Produkteigenschaften, die Kundenbedürfnisse, die Konkurrenzsituation, die regulatorischen Bestimmungen und die Markteintrittsbarrieren (vgl. Ganz, 2004, S. 38 ff.). Neben qualitativen Beschreibungen des Marktes sind quantitative Informationen notwendig, um detaillierte Untersuchungen der Absatzkanäle durchführen zu können. Diese Daten sind oft nur über eigene Studien verfügbar oder müssen von Markforschungsgesellschaften käuflich erworben werden. So sind quantitative Informationen über Marktvolumina, Marktanteile, Entwicklungstrends, Wachstumsraten und das Preisgefüge einzuholen. Auch Daten über Wirkungszusammenhänge wie Preiselastizitäten bei Produkten können helfen, um das PreisMengen-Gefüge tiefgehend zu verstehen. Abbildung 4.45 zeigt ausgewählte Analyseverfahren, um die Produkte, die Branche und die Wettbewerbslage auf den relevanten Märkten beschreiben zu können (vgl. Faulhaber/Grabow, 2009, S. 69 ff.).

Marktanalyse – Produkte, Branche, Wettbewerb Portfolioanalyse

Marktattraktivität

Branchenwettbewerbsanalyse Potenzielle Konkurrenten

GF 1 Marktvolumen Marktanteil

Macht der Lieferanten

Marktvolumen

Wettbewerbsstärke

Wettbewerb In der Branche

Produktlebenszyklus Neue Produkte und Verfahren

Zeit

Abb. 4.45 Instrumente zur Analyse der relevanten Produkte und Märkte

Macht der Abnehmer

174

4 Sanierung aus Bankensicht

Oftmals wird gerade eine Kunden-ABC-Analyse erstaunliche Ergebnisse erbringen. So wird häufig festgestellt, dass der Hauptanteil des Umsatzes und des Deckungsbeitrages (80 %) mit einer geringen Kundenanzahl (20 %) erzielt wird (80/20-Regel). Als methodische Hilfsmittel zur Untersuchung der relevanten Märkte können dienen: 

Branchenstudien mit Befragungen von Kunden, Lieferanten und Konkurrenten



ABC-Analysen je Geschäftsfeld, Produkt und Region



Portfolio-, Konkurrenz- und Produktlebenszyklus-Analysen

Wurden die Krisenursachen systematisch erforscht und das Unternehmen, die Produkte und die Märkte detailliert beschrieben, so sind in dem Sanierungskonzept anschließend geeignete leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen zur Beseitigung der Krisenursachen aufzuzeigen. Vorzustellen sind kreative, realisierbare und praxisnahe Lösungen. Ziel ist es, zunächst über pragmatische und operative Sanierungsschritte wichtige Krisenherde zu beseitigen, zum Beispiel eine Liquiditätsenge über Kosteneinsparungen. Dabei sollte der Maßnahmenkatalog umsetzungsorientiert ausgearbeitet sein, sodass dieser bei Einleitung der Sanierungsmaßnahmen als Grundlage zur Umsetzung des Sanierungsprojekts verwendet werden kann. Wichtig ist es, die vorgesehenen Prozesse und Funktionen mit Zuständigkeiten und Erledigungsterminen zu versehen. Auch die Realisierung der Sanierungsmaßnahmen unter Hilfestellung eines Interimsmanagers, durch ein intern-extern besetztes Projektteam oder durch die bestehende Geschäftsführung sollten erörtert werden. Auch langfristig wirkende strategische Vorschläge, unter anderem in Form einer Kooperation mit anderen Unternehmen oder einer Investorlösung, sind zu erörtern. Zudem ist auf die personelle Umsetzung und Überwachung der geplanten Sanierungsmaßnahmen einzugehen. So kann unter anderem auf die Einrichtung eines Lenkungsausschusses zur Umsetzung des Sanierungsprojekts hingewirkt werden. Weiter sollten das Sanierungshauptziel und Teilziele mit genauen Meilensteinen formuliert und auf einem Zeitraster dargestellt werden. Aufgrund der Individualität der empfohlenen Sanierungsmaßnahmen wird an dieser Stelle nicht weiter auf diese einzelnen möglichen Handlungsweisen eingegangen. In dem Sanierungskonzept ist umfassendes Zahlenmaterial bereitzustellen. Dazu ist einzugehen auf den letzten vorliegenden Jahresabschluss und die aktuellen unterjährigen Zahlen. Die Analysen zur Bilanz sollten unter anderem die Eigenkapitalisierung und die vorsichtige Bewertung des Umlaufvermögens umfassen. Die Ertragszahlen sind nach Geschäftsfeldern und Profit Centern zu gliedern. Neben den Ist-Daten sind Planungsrechnungen in enger Verzahnung mit den leistungswirtschaftlichen Maßnahmenpaketen abzustimmen. Das bedeutet, dass auch Sanierungsaufwendungen, unter anderem für Sozialpläne und die Schließung von Bereichen, in die Planzahlen mit einzubeziehen sind. Wichtig ist die Darstellung des finanzwirtschaftlichen Rahmens, der die leistungswirtschaftliche Sanierung über den gesamten Zeitraum des Sanierungsprozesses begleitet. So sind den Gläubigern die zur Sanierung erforderlichen externen finanziellen Leistungen in Form von Verzichten, neuen Finanzmitteln, Tilgungsstundungen oder einem Stillhalten klar und überzeugend darzulegen. Die notwendigen finanziellen Maßnahmen sollten je nach StakeholderGruppe aufgegliedert werden. So werden Banken meist im Rahmen von Stillhalteabkommen,

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

175

Tilgungsstundungen oder Neukrediten in die finanzwirtschaftliche Sanierung mit eingebunden. Bei Lieferanten und Warenkreditversicherern steht oft die Absicherung der geschäftlichen Lieferbeziehungen auf Basis der bestehenden Linien der Kreditversicherer im Vordergrund. Zusätzliche finanzielle Sofortmaßnahmen zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung sind besonders hervorzuheben. Wichtig ist es auch, den finanziellen Beitrag der Gesellschafter und der internen Stakeholder aufzuzeigen. So sehen es die externen Stakeholder als sehr positiv, wenn Gesellschafter neue Finanzmittel vergeben und die Mitarbeiter Gehaltseinbußen hinnehmen. Die Bereitschaft der Gläubiger zu Sanierungsbeiträgen sollte bereits im Vorfeld erfragt und in die Planungsrechnungen mit einbezogen werden. Bedeutend ist es, die Rahmenbedingungen, unter denen die Planungen erstellt wurden, zu nennen. Zu erarbeiten sind unter Beachtung der Stakeholderbeiträge insbesondere folgende finanzielle Rechenwerke: 

Planbilanz mit Plan-GuV inklusive Spartenrechnung



Investitionsplanung



Liquiditätsplanung

Starkes Gewicht legen Banken insbesondere auf einen realistischen und genauen Liquiditätsplan. Nachträgliche Überraschungen in Form von Überziehungen werden aufgrund der direkten Risikowirkung sehr negativ beurteilt. Des Weiteren sind bei der Aufstellung der Finanzplanung die Saisonalität der Umsätze und die Realisierbarkeit der Einzahlungen zu berücksichtigen. Folgende betriebswirtschaftliche Grundsätze sind bei der Erstellung eines Liquiditätsplans zu beachten (vgl. Wöhe/Bilstein, 2002, S. 399 ff.): 

Vollständigkeit: Sämtliche Zahlungen sind in der Planung zu erfassen



Zeitpunktgenauigkeit: Genaue Schätzung der Zahlungszeitpunkte



Betragsgenauigkeit: Höhe der Beträge ist detailliert abzuschätzen



Aktualität: Neue Erkenntnisse sind unverzüglich einzuarbeiten



Risikoschätzung: Mögliche Forderungsausfälle sind zu berücksichtigen

Meist werden in Sanierungsgutachten zwei Finanzpläne erstellt. In einem langfristigen Plan wird eine Jahresprognose mit einer nach Monaten unterteilten Liquiditätsplanung gegeben. Zudem ist eine zweite fortlaufende Planung zu erstellen, in der ein taggenauer Überblick mit einem Vorlauf der Einzahlungen und Auszahlungen von sechs bis acht Wochen aufgezeigt wird. Der Zeitraum der Planung hängt davon ab, in welcher Branche ein Unternehmen tätig ist. So lassen sich bei Auftragsfertigungen im Anlagenbau meist sehr genaue Planungen für eine lange Zeitdauer im Voraus erstellen. Im Handel und Dienstleistungsbereich dagegen ist die detaillierte Finanzplanung stark vom Tagesgeschäft und von saisonalen Schwankungen abhängig. Finanzpläne sollten aufgrund der Unsicherheiten des Sanierungsverlaufs konservativ aufgebaut sein und ein realistisches Szenario präsentieren. Generell sind Szenario-Rechnungen für Externe hilfreich, um die Planungsunsicherheit bei einer Sanierung abzubilden. So sollten ein Base-Case- und ein Worst-Case-Szenario bei den

176

4 Sanierung aus Bankensicht

Planungen berücksichtigt werden. Das Base-Case-Szenario bildet eine wahrscheinliche Parameterkonstellation ab. Dagegen zeigt der Worst-Case als konservative Einschätzung das Schaubild, das bei einer negativen Entwicklung eintreten kann. Szenario-Rechnungen erhöhen insgesamt die Transparenz und können ein besseres Bild über die möglichen Erfolgsaussichten und Risiken einer Sanierung geben. Zudem kann die Stabilität dieser Ergebnisse bei möglichen Planabweichungen durch Sensitivitätsanalysen geprüft werden. Grundsätzlich legen die beteiligten Banken großen Wert auf das bereitgestellte Planzahlenmaterial zur Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage. Diese Daten lassen sich von den Kreditinstituten effizient anhand von Kennzahlen auswerten. Dabei ist für Kreditinstitute von Bedeutung, zu erkennen, ab wann sich erste Sanierungserfolge einstellen und ab welchem Zeitpunkt mit einem endgültigen Turnaround und Risikoabbau zu rechnen ist. Von Vorteil für diese Zeitabschätzung kann sein, die geplanten quantitativen Sanierungserfolge visualisiert darzulegen. Es bietet sich eine Darstellung in Form einer Ergebnisbrücke wie in nachfolgender Abbildung 4.46 gezeigt an (vgl. Kraus/Haghani, 2004, S. 24).

Sanierungsmaßnahmen – Visualisierung der geplanten Erfolge

+ 200 + 600

+1.000

+ 200 -700

Cash Flow 3. Quartal xxx1

Zeit

-700 Reduktion Personal und Material

Reduktion Sonstiger Aufwand

Neue Produkte

Desinvestition bei Maschinen Plan Cash Flow 4. Quartal xxx3

Abb. 4.46 Sanierungserfolge dargestellt auf einer Ergebnisbrücke

Das Sanierungskonzept sollte mit einer Zusammenfassung enden, in der die Krisenursachen und die primär zu ergreifenden Sanierungsmaßnahmen aufgezeigt werden. Das Resümee erleichtert es einem Leser, einen Gesamtüberblick über das Gutachten zu gewinnen. Zum Abschluss ist eine klare Aussage zur Sanierungsfähigkeit abzugeben. Die positive oder negative Einschätzung der Sanierbarkeit sollte kurz begründet werden. Dabei ist auf die wesentlichen Randbedingungen der Sanierungsbegleitung durch die wichtigen Stakeholder einzugehen. Abschließend sollte das Konzept unterschrieben sein, damit der Berater dokumentiert, dass er zu seinen Einschätzungen steht. Ein praxisnahes Sanierungsgutachten hat zusammengefasst folgenden Aufbau, wie in Abbildung 4.47 dargestellt.

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

177

Aufbau eines Sanierungskonzepts 1.

Unternehmensanalyse • • •

2.

Marktanalyse • • •

3.

Finanz- und leistungswirtschaftliche Maßnahmen Zielformulierung mit Unterzielen und Zeitraster der Umsetzung Verantwortlichkeiten und Lenkungsausschuss

Zahlenmaterial mit Erläuterungen • • •

5.

Abgrenzung und Beschreibung der relevanten Märkte Analyse der Branche und der Wettbewerbssituation Durchführung von Portfolio-, Branchen-, ABC-Analysen

Sanierungsmaßnahmen • • •

4.

Bestimmung der Krisenphasen und der Krisenursachen Wirtschaftliche, rechtliche und organisatorische Verhältnisse Untersuchung der Wertschöpfungskette

Aufbereitung der Ist-Zahlen inklusive Spartenrechnungen Integrierte Planungsrechnung zu Bilanz, GuV, Liquidität Szenario-Rechnungen (Best Case, Base Case, Worst Case)

Zusammenfassung und Sanierungsaussage • • •

Management Summary zu den wesentlichen Maßnahmen Zeitdauer bis zur nachhaltigen Krisenüberwindung Klare Aussage zur Sanierungsfähigkeit

Abb. 4.47 Aufbau eines praxisnahen Sanierungskonzepts

Liegt das Gutachten mit den aufgezeigten Inhalten vor, so beginnt anschließend die Prüfung des Sanierungskonzepts aus Sicht der beteiligten Gläubiger, insbesondere der Kreditinstitute. Diese Prüfung ist ein wichtiger Baustein zur Beurteilung der Sanierungswürdigkeit des Krisenunternehmens. Dazu ist ebenfalls eine Einschätzung zu den weiteren Handlungsoptionen bei einer Sanierungsbegleitung zu geben. Die Begriffe Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit lassen sich insgesamt wie folgt definieren. Definition: Der Begriff der Sanierungsfähigkeit beschreibt die potenzielle und überwiegend wahrscheinliche Sanierbarkeit eines Unternehmens und ist durch ein neutrales externes Sanierungsgutachten zu bestimmen. Die Sanierungswürdigkeit umfasst die individuelle Einschätzung eines Kreditinstituts, mit subjektiven Wertungselementen, ein Krisenunternehmen bei den Sanierungsbemühungen unterstützen zu wollen. Dabei sind zwei Schritte zu vollziehen. Erstens ist eine Überprüfung des Sanierungsgutachtens vorzunehmen. Zweitens beinhaltet die Prüfung der Sanierungswürdigkeit die Beurteilung weiterer Handlungsalternativen aus der Risikosicht einer Bank. So ist zu entscheiden, ob eine Abwicklung oder ein Kreditverkauf aus wirtschaftlichen Gründen vorzuziehen ist. In enger Anlehnung an den Aufbau eines Sanierungsgutachtens kann der erste Schritt zur Feststellung der Sanierungswürdigkeit durchgeführt werden, die Überprüfung der Plausibilität des Sanierungskonzepts aus Sicht der kreditgebenden Banken. Bei der Prüfung von Sanierungsgutachten können die Spezialisten aus den Kreditinstituten in der Regel auf umfassende

178

4 Sanierung aus Bankensicht

Erfahrungswerte zurückgreifen. Daher ist neben einer Kontrolle der formalen Struktur des Gutachtens meist auch eine wirkungsvolle Überprüfung der Inhalte möglich. Prüfung des Sanierungskonzepts Die formale und die inhaltliche Prüfung eines Sanierungskonzepts können sich überlappen. Dennoch wird versucht, diese Prüfungsmaßnahmen einer Bank im Sinne einer strukturierten Darstellung in formale und inhaltliche Prüfschritte trennen, damit ein möglichst hoher Grad an Validität und auch Reliabilität der Kontrollen erreicht wird. Validität bedeutet, dass das Ergebnis der Untersuchungen eine hohe Gültigkeit besitzt. So sollte die Prüfung den tatsächlichen Sachverhalt widerspiegeln und die Prüfungshandlungen eine hohe Güte haben. Die Korrelationen zwischen der Einschätzung der Sanierungsfähigkeit durch den externen Gutachter, der Bestätigung der Sanierbarkeit durch die prüfenden Banken und dem tatsächlich eintretenden Turnaround des Unternehmens sollten möglichst hoch sein. Auch sollten die Prüfungsergebnisse einen hohen Grad an Zuverlässigkeit oder Reliabilität aufweisen. Ein Messergebnis ist reliabel, wenn das Ergebnis frei von zufälligen Messfehlern ist und vergleichbare Untersuchungen das gleiche Ergebnis erbringen würden (vgl. Backhaus et al., 2006, S. 377). Daher sollte das Prüfungsergebnis des Sanierungskonzepts in den Banken möglichst wiederholt festgestellt werden können, zum Beispiel unter der subjektiven Betrachtung unterschiedlicher Sanierungsentscheider. Die Prüfung der Struktur und der Inhalte kann systematisch in Anlehnung an die Einhaltung der GoS und des Standards IDW S 6 erfolgen. Folgende Inhaltsbausteine sollten in einem Sanierungskonzept vorhanden sein und können Prüfschritte in Form von Fragestellungen zur formalen Vollständigkeit nach sich ziehen: 

Ist eine detaillierte Beschreibung der Ausgangslage mit Krisenursachen vorhanden?



Werden leistungs- und finanzwirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen dargestellt?



Wird die Umsetzung des Sanierungsprojekts mit Verantwortlichkeiten aufgezeigt?



Wird die Sanierung mit einer integrierten Planung zahlenmäßig abgebildet?



Wird eine klare und nachvollziehbare Aussage zur Sanierungsfähigkeit abgegeben?

Gelten diese Erfordernisse als erfüllt, schließt sich eine Untersuchung der Inhalte des Sanierungsgutachtens an. Zur materiellen Prüfung des Sanierungsgutachtens bietet sich aus Bankensicht die Beantwortung folgender Fragestellungen an: 

Werden die Planungsprämissen detailliert dargelegt?



Wurden die Krisenursachen und die Krisenphasen eingehend bestimmt?



Decken sich die Krisenursachen mit den Einschätzungen der Bank?



Basiert das Konzept auf einer plausiblen strategischen Planung?



Wurden der Markt, die Branchenlage und der Wettbewerb berücksichtigt?

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

179



Setzen die operativen Sanierungsmaßnahmen an den Krisenursachen an?



Ist die Umsetzung des Sanierungskonzepts personell und finanziell abgesichert?



Werden die geplanten Sanierungserfolge wirklichkeitsnah in den Planzahlen abgebildet?



Lassen die Sanierungsmaßnahmen einen nachhaltigen Turnaround erwarten?



Wurden auch Kooperationslösungen oder Investorlösungen in Betracht gezogen?

Dabei kann es von Wichtigkeit sein, die Anforderungen des IDW oder der GoS für den Prüfprozess in Kredithandbüchern zugrunde zu legen (vgl. Reiner, 2009, S. 325). Es ergibt sich in Anlehnung an den Aufbau eines Sanierungskonzepts folgende Checkliste zur Prüfung des Gutachtens aus Bankensicht, wie folgende Abbildung 4.48 zeigt.

Prüfung des Sanierungskonzepts 1.

Prüfung der Unternehmensanalyse • • •

2.

Prüfung der Marktanalyse • • •

3.

Liegt eine Sanierungsstrategie bezogen auf den Markt vor? Ist die Liquidität in der Phase der Sanierung gesichert? Wurde geklärt, wer das Sanierungskonzept umsetzt?

Prüfung des Zahlenmaterials • • •

5.

Wurde der relevante Markt umfassend beschrieben? Wird auf die Marktentwicklungen und das Umfeld eingegangen? Wurden betriebswirtschaftliche Instrumente angewendet?

Prüfung der Sanierungsmaßnahmen • • •

4.

Wurden die Krisenphasen richtig bestimmt? Decken sich die Krisenursachen mit den Bankeinschätzungen? Wurden die Organisation und die Geschäftsprozesse untersucht?

Ist das Zahlenmaterial vollständig, aktuell und richtig? Wurden die Sanierungsmaßnahmen im Zahlenwerk abgebildet? Schätzen Szenario-Rechnungen das Sanierungsrisiko ab?

Prüfung der Sanierungsaussage • • •

Wird die Sanierungsfähigkeit logisch abgeleitet? Sind die geforderten Sanierungsbeiträge der Banken vertretbar? Werden die Risiken der Sanierung realistisch eingeschätzt?

Abb. 4.48 Checkliste für die Prüfung eines Sanierungskonzepts

Positiv ist es, wenn neben der eigenständigen Sanierungslösung der Krisenfirma, Stand Alone, auch mögliche Alternativen geprüft wurden. So kann bei einer Kooperationslösung unter Umständen das Geschäftsmodell in die Wertschöpfungskette eines anderen Unternehmens eingebunden werden. Als weitere externe Möglichkeit besteht der Verkauf der Firmenanteile im Rahmen einer Investorlösung an ein anderes Unternehmen und die vollständige Integration in eine neue Firmengruppe. Die nachfolgende Abbildung 4.49 zeigt die möglichen Alternativen in einer Sanierung aus Sicht des Unternehmens.

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4 Sanierung aus Bankensicht

Sanierungsalternativen für das Unternehmen Stand Alone

Kooperationslösung

Investorlösung

Abb. 4.49 Sanierungsalternativen aus Unternehmenssicht

Meist lassen sich in der Praxis nur die beiden Extremlösungen der eigenständigen Sanierung oder des Unternehmensverkaufs realisieren. Wird der Verkauf favorisiert, ist es wichtig bereits früh mit der Suche nach einem Kaufinteressenten zu beginnen, da der Markt für Unternehmensübernahmen in Deutschland nicht sehr ausgeprägt ist und es daher einige Zeit benötigen kann, um potenzielle Käufer zu finden. Das Sanierungsgutachten sollte unbedingt auf die Chancen dieser Handlungsalternativen eingehen, damit keine Möglichkeiten zur langfristigen Genesung des Krisenunternehmens unversucht bleiben. Der Verkauf hat für die Banken den Charme, einen wirtschaftlich starken Käufer zu gewinnen und die Sanierung unverzüglich abschließen zu können, entweder aufgrund einer Weiterbegleitung des Engagements mit der Nutzung der verbesserten Bonität des Käufers oder über eine Ablösung. Auch mögliche Stolpersteine einer Sanierung sollten erörtert und berichtet werden. Dann ist insbesondere das Verhalten der übrigen relevanten externen Stakeholder zu berücksichtigen und realistisch zu antizipieren. Dabei spielen die zu leistenden Sanierungsbeiträge eine große Rolle. Für Banken sind die erforderlichen Verzichte, die Vergabe von neuem Geld und die Aushöhlung von Sicherheiten bedeutend. Diese finanziellen Bedingungen zur Gestaltung des wirtschaftlichen Gesundungsprozesses sind zudem bei der Prüfung der Sanierungswürdigkeit aus Sicht der Kreditinstitute von besonderer Relevanz. Prüfung der Sanierungswürdigkeit Wurden die Sanierungschancen als positiv befunden, so ist im zweiten Schritt zu analysieren, ob die Sanierungswürdigkeit gegeben ist. Bei dieser Prüfung spielt die subjektive Interessenlage der Hausbank eine wichtige Rolle (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 61 ff.). Dabei ist abzuwägen zwischen den zu leistenden Sanierungsbeiträgen und anderen Handlungsoptionen. Daher ist auch von Relevanz, ob weitere Stakeholder einen maßgeblichen Beitrag leisten sollen. Es ist das Verlustpotenzial zu minimieren bei folgenden Sanierungsbeiträgen: 

Stillhalten oder Umschuldung: Prolongation der Kreditlinien, Entlastung Kapitaldienst



Stundung: Befristeter Verzicht auf die Vereinnahmung von Tilgungen (Moratorium)



Freigabe von Sicherheiten: Verzicht auf Personal- oder Sachsicherheiten



Verzicht: (Teil-)Forderungsverzicht mit Besserungsabrede



Fresh Money: Vergabe neuer Kreditmittel oder zusätzlicher Avale

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

181

Es ist darüber zu entscheiden, ob die zusätzlichen Sanierungsbeiträge oder das Stillhalten auf Basis bestehender Kreditlinien und Konditionen wirtschaftlich tragbar sind. Neukredite oder zusätzliche Avale werden direkt erfolgswirksam und sind daher meist schwer umsetzbar. Bei der Entscheidung für eine neue Mittelvergabe spielen neben finanziellen Verlustrisiken auch Haftungsrisiken eine Rolle. So sollte eine Insolvenzantragspflicht bei der weiteren finanziellen Begleitung eines Engagements auf alle Fälle ausgeschlossen sein. Zudem sind bei einer Statusänderungen der Kredite, unter anderem im Rahmen einer Umschuldung, die möglichen Auswirkungen aus dem Erlöschen sowie den Anfechtungsrisiken fiduziarischer oder akzessorischer Sicherheiten zu beachten (vgl. Bales, 2007, S. 260 ff.). Bei der Auswahl von Alternativen zur weiteren Begleitung im Rahmen einer außergerichtlichen Sanierung sind die subjektiven Interessenlagen der einzelnen kreditgebenden Banken von Bedeutung. Dazu sind die Sanierungsrisiken und das Verlustpotenzial zu beurteilen. Bei der Bewertung spielen qualitative Argumente eine Rolle: 

Zeitdauer der nachhaltigen Sanierung



Entscheidungsträger bei der Sanierungsumsetzung



Reputationsrisiken bei einer Nichtbegleitung der Sanierung

Wichtig sind für die beteiligten Finanzinstitute meist die quantitativen Faktoren. Ein Institut wird in erster Linie die Handlungsweise wählen, die das eigene Verlustpotenzial minimiert. Folgende quantitative Merkmale beeinflussen diese Einschätzung: 

Höhe des Engagements, der Sanierungsbeiträge und mögliche Zusatzerträge



Werthaltigkeit der Sicherheiten und die Aushöhlung der Sicherheitenwerte



Betreuungsressourcen, die in der Sanierungsabteilung vorgehalten werden

Da die qualitativen Argumente nur in speziellen Situationen zu betrachten sind und Banken gerade bei hohen Blankoteilen ausschließlich auf ihr eigene finanzielle Risikoposition achten, konzentriert sich die Entscheidung in der Regel auf eine quantitative Bewertung. So ist die Begleitung einer Sanierung aus Bankensicht zu befürworten, wenn der Barwert der künftigen Einzahlungen abzüglich noch zu leistender Auszahlungen für künftige Sanierungshilfen bei einer Fortführung des Engagements größer ist als der Barwert des Saldos künftiger Einund Auszahlungen bei einer Liquidation mit Verkauf der Sicherheiten oder bei einem Komplettverkauf des Engagements inklusive der Sicherheiten. Dabei ist ein risikoadäquater und laufzeitspezifischer Diskontierungszins zur Abzinsung der Zahlungen zu wählen. Zusätzlich sind Opportunitätskosten bei der Weiterführung des Engagements im Rahmen der Sanierung in Abzug zu bringen, unter anderem in Höhe des gebundenen Eigenkapitals. Eine ähnliche Betrachtung untersucht Märki in einem Sanierungsentscheidungsmodell (vgl. Märki, 2004, S. 73 ff.). So steht in dem Modell die Minimierung des Barwerts der erwarteten Verluste aus Sicht der Gläubigerbank im Vordergrund einer Sanierung, eines Kreditverkaufs oder einer Abwicklungslösung (vgl. Märki, 2004, S. 81 ff.). Der erwartete Kreditverlust (V) stellt die zentrale Größe dar. Diese ist nach jedem Sanierungsschritt neu zu ermitteln. Wichtige Variablen, die den erwarteten Verlust beeinflussen, sind:

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4 Sanierung aus Bankensicht



R (Recovery Rate): Rückgewinnungsrate der Forderung nach Sicherheitenerlösen



D (Default Rate): Ausfallwahrscheinlichkeit der Forderungen



E (Exposure): Höhe der Inanspruchnahme aller ausstehenden Forderungen

Der erwartete Verlust im Zeitpunkt T ergibt sich dann unter der Berücksichtung der betrachteten Einflussfaktoren nach der folgenden Formel.

VT  (1  RT )  DT  ET

Folgendes Beispiel soll diese Formel illustrieren. Beispiel: Beträgt das ausstehende Volumen (E) beispielsweise 1.000 TEUR und der Wert der Sicherheiten 500 TEUR und damit die Recovery Rate (R) 50 % vor Sanierung bei einer Default Rate (D) von 95 %, so beläuft sich der erwartete Verlust (V) aus dem Krisenengagement im Fall eines negativen Kreditereignisses auf insgesamt 475 TEUR. Neben diesen Größen sind die zu erbringenden Sanierungsleistungen (S) in Form von Kapitalverzichten, Zinsverzichten oder Kapitalzuschüssen als Verlust erhöhend in die Rechnung mit einzubeziehen. Weiter sind Opportunitätskosten (O) unter anderem in Form des gebundenen Kapitals und im Bearbeitungsaufwand im Fall einer aktiven Sanierungsbetreuung zu berücksichtigen. Ein möglicher Verwertungsaufwand bei den Sicherheiten lässt sich bei der Recovery Rate oder als Preisabschlag beim Verkauf der Kredite einpreisen. Ein Engagement wird nach diesem Rechenmodell dann als sanierungswürdig eingeschätzt, wenn der Barwert (BW) des erwarteten Verlustes (V) bei einer Sanierung inklusive noch zu erbringender Sanierungsleistungen (S) und auftretender Opportunitätskosten (O) geringer ist als das Minimum der Barwerte der Sanierungsverluste bei sofortiger Abwicklung mit Abschreibung oder bei einem Verkauf des Engagements zum Preis (P). Die Differenz der Ungleichung kann bei Vorteilen für die Sanierung auch als Sanierungsgewinn bezeichnet werden. Folgendes Modell gibt den oben beschriebenen Sachverhalt wieder.

BW (V ( R, D, E , S , O, ))  Min ( BW ( E  (1  R )); BW ( E  P ))

Bei der Wahl einer außergerichtlichen Sanierungslösung sollte aus Bankensicht der Barwert (BW) des erwarteten Verlustes (V) in Abhängigkeit von R, D, E, S und O geringer ausfallen als das Minimum des Barwerts der Verluste im Fall einer Abwicklung (BW in Abhängigkeit von E und R) oder bei einem Kreditverkauf mit der Übertragung der Sicherheiten zum Preis von P (BW in Abhängigkeit von E und P).

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

183

Gerade bei engen Personalkapazitäten in der Sanierungsabteilung sind Alternativen zu einer weiteren Begleitung zu prüfen. So bestehen optionale Vorgehensweisen zu einer Sanierung aus Sicht der Banken in einem Kreditverkauf oder einer Abwicklung des Engagements mit Liquidation der Sicherheiten, wie folgende Abbildung 4.50 zeigt.

Handlungsalternativen für Banken Sanierung

Kreditverkauf

Abwicklung

Abb. 4.50 Handlungsalternativen von Banken bei Sanierungen

Gerade Distressed-Debt-Transaktionen mit einem Verkauf von risikobehafteten Forderungen standen in den vergangenen Jahren als weitere Alternative zu einer Sanierung zur Verfügung, da vermehrt Finanzinvestoren auf dem deutschen Markt für Kreditforderungen aufgetreten sind. Dieser Markt ist mittlerweile aufgrund der Finanzmarktkrise stark eingebrochen. Zudem kann der Kreditverkauf eine Sanierung für andere Banken erschweren, da Finanzinvestoren wie Hedge Fonds allein Renditeforderungen der Eigenkapitalgeber in den Vordergrund ihrer Handlungen stellen. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass Finanzinvestoren, die sich im Anteilseigner- oder Gläubigerkreis von Krisenfirmen befinden, eine Sanierung behindern können (vgl. Portisch, 2009a, S. 34 ff.). Markttransaktionen des Forderungsverkaufs unterscheiden sich in der Anzahl der sich gegenüberstehender Akteure. So können die Kredite einzelnen Investoren angeboten werden. Des Weiteren können Portfolios mehrerer Forderungen gleichzeitig verschiedenen Kapitalmarktteilnehmern zugänglich gemacht werden. Über differenzierte Qualitäten der Einzeltranchen kann die Bonität strukturiert werden. Folgende Transaktionen existieren: 

Single-Name-Transaktion: Veräußerung einer Einzelforderung



Basket-Transaktion: Verkauf eines Forderungsportfolios

Basket-Transaktionen werden häufig über sogenannte synthetische Wertpapiere am Kapitalmarkt verbrieft und damit fungibel gemacht (vgl. Portisch et al., 2008a, S. 155 ff.). Die Verbriefung ist in der Regel verknüpft mit einer Standardisierung der Eigenschaften des Kreditportfolios. Dies erleichtert Transaktionen mit den Wertpapieren und wirkt begünstigend auf die Liquidität des Börsenhandels (vgl. Gleumes, 2005, S. 368 ff.). Jedoch sind bestimmte Rahmenbedingungen zu erfüllen, damit der Verkauf eines Problemkreditportfolios als True Sale mit einer Ausbuchung aus der Bilanz und der kompletten Risikoübertragung in Betracht gezogen werden kann. Dies meint im Wesentlichen die folgenden Voraussetzungen beim Underlying:

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4 Sanierung aus Bankensicht



Umfang und Homogenität des Kreditportfolios



Rechtlicher Status der Kredite, gekündigt oder nicht gekündigt



Vertragliche Struktur der Transaktion mit Bilanzwirksamkeit als True Sale

In der Vergangenheit haben einige Banken umfassende Kreditverkäufe von Problemengagements vorgenommen. Auch künftig werden diese Marktlösungen möglich sein. Vorteile der Wahl dieser Option für die Kreditinstitute sind unter anderem: 

Einsparen von Kosten und Personal zur Sanierungsbegleitung und Abwicklung



Verringerung des bilanztechnischen Aufwands nach IFRS



Akzeptable Preise bei Bietungsverfahren von mehreren Interessenten

Die erzielten Erfolge beim Verkauf von Forderungsportfolios stützen die genannten Vorteile. Nicht unbeachtet bleiben sollen jedoch auch Schwierigkeiten, die sich bei einer Veräußerung von Problemkrediten ergeben können. Diese bestehen in den Merkmalen: 

Komplexität der Veräußerungen mit hohen Transaktionskosten



Abschreibungen aufgrund hoher Preisabschläge bei einem Kreditverkauf



Verlust an Reputation bei den veräußernden Kreditinstituten

Insgesamt gesehen erscheint diese Ausstiegsstrategie der Banken aus Sicht des Autors keine dauerhafte Alternative zur aktiven Bearbeitung von Problemkreditengagements zu sein. Auf diese Weise werden die Problemursachen in Banken nicht gelöst und Lerneffekte bei der Risikofrüherkennung und Sanierung nicht genutzt. Zudem ist der Verkauf von erhöht risikobehafteten Engagements meist eine teure Lösung, da die Aussteuerungskredite meist weit unter dem Nominalwert veräußert werden müssen, mit zum Teil hohen Abschreibungen. Ergeben sich somit aus quantitativer und qualitativer Einschätzung Vorteile für eine weitere Begleitung im Rahmen einer Sanierung, so gilt auch die endgültige Sanierungswürdigkeit als festgestellt. Dieser Fall wird im Folgenden weiter betrachtet. Zusammenfassung Abschnitt 4.5.1: Dieser Abschnitt beschäftigte sich mit dem Aufbau und den Inhalten eines Sanierungsgutachtens. Im Prüfungsprozess der Kreditinstitute sind zur Feststellung der Sanierungswürdigkeit zwei Schritte zu vollziehen. Im ersten Schritt ist das Sanierungskonzept formal und materiell auf den Prüfstand zu stellen. Wurden diese Kontrollen erfolgreich durchgeführt und die positive Sanierungsfähigkeitsprognose des Gutachtens auch durch die Bank bestätigt, schließt sich im zweiten Schritt die Abwägung weiterer Handlungsoptionen an. So kann die Abwicklung mit einem Verkauf der Sicherheiten und einer Abschreibung der Restforderung neben einer Marktlösung mit Verkauf der Problemkredite vorteilhaft sein. Bei Auswahl einer dieser Optionen sind qualitative und quantitative Auswirkungen zu berücksichtigen. Erst wenn sich auch in diesem zweiten Schritt eine Vorteilhaftigkeit für eine Sanierungslösung ergibt, wird die Sanierungswürdigkeit bestätigt und das Krisenengagement kann durch die Spezialisten der Kreditinstitute im Sanierungsprozess weiter eng begleitet werden.

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

4.5.2

185

Praxisfall zur Prüfung des Sanierungskonzepts

Wir befinden uns am Anfang des Jahres xxx2. Geschäftsführer Müller hat sich nach langer und heftiger Diskussion mit dem Spezialisten der Mittelstandsbank AG entschlossen, die Druckereiberatung GmbH mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts zu beauftragen. Sein Steuerberater hat sich aus dem Gespräch zurückgezogen, als er bemerkt hat, dass die Probleme zu umfassend sind, um diesen Schwierigkeiten allein mit der Erstellung einer Finanzplanung zu begegnen. Zudem möchte der Steuerberater das Verhältnis zur Bank nicht weiter strapazieren und keine Risiken in der Sanierung eingehen. Überzeugt haben den Geschäftsführer Müller letztlich die sachlichen Argumente des Sanierungsbetreuers der Mittelstandsbank AG mit dem Hinweis auf die limitierten Managementressourcen. So hat Müller eingesehen, dass es keinen Sinn macht, das operative Geschäft zu Lasten zahlreicher und nervenaufreibender Gespräche mit Banken, Lieferanten und Kreditversicherern zu vernachlässigen. Gleichzeitig ist es aber wichtig und existentiell notwendig, dass sich ein Akteur um die Einleitung der Sanierung, die Erstellung des Planzahlenmaterials und die Verhandlungen mit den Stakeholdern kümmert. Müller hat daher auf Anraten der Mittelstandsbank AG einen umfassenden Beratungsauftrag an die in der Druckbranche bekannte und qualifizierte Druckereiberatung GmbH vergeben. Das Mandat beinhaltet zum einen das Erstellen eines Sanierungsgutachtens und zum anderen weitere Aufgaben der Kommunikation mit den übrigen Gläubigern neben der Initiierung und Umsetzung von Maßnahmen im Sanierungsprojekt. Aufgrund der Einsichtigkeit von Müller hat die Mittelstandsbank AG die Kontokorrentlinie von 3.100 TEUR zunächst auch über die Jahresfrist xxx1 hinaus weiter aufrechterhalten. Mittlerweile liegt das Konzept der Druckereiberatung GmbH der Mittelstandsbank AG und den anderen beteiligten Kreditinstituten vor. Die wichtigsten Ergebnisse des Sanierungsgutachtens werden im Folgenden in Anlehnung an den Aufbau des Konzepts aus dem vorigen Abschnitt erläutert. Die Analysen der Unternehmensberatung erfolgen in Anlehnung an die Einhaltung der GoS und von Teilen des IDW Standards S 6. Unternehmensanalyse Die Druck GmbH befindet sich in einer Liquiditätskrise und hat bereits die Stadien der strategischen Krise und der Ertragskrise durchschritten. Die Geschwindigkeit des Durchlaufens der Krisenphasen ist bedrohlich. Aus Sicht der Beratung ist die Aufarbeitung aller Krisenstadien notwendig, um die Ursachen der Schieflage tiefgehend zu ergründen und Maßnahmenpakete zur Bewältigung der Gefährdungssituation vorzuschlagen. Auch das Stakeholderumfeld ist in die Analysen und Vorschläge mit einzubeziehen. Ziel ist die Bestimmung der Fortführungsfähigkeit mit der Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit auf Basis eines zukunftsorientierten Geschäftsmodells. Dazu sind die aktuellen Unternehmens- und Marktdaten vollständig zu sammeln und in der Untersuchung zu berücksichtigen. Die festgestellten Krisenursachen aus den verschiedenen Krisenstadien sind vielfältig. Interne Krisenursachen sind unter anderem eine nicht optimale Firmenstruktur und Ineffizienzen in den Geschäftsprozessen. So besteht keine ausreichend besetzte zweite Führungsebene, die

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4 Sanierung aus Bankensicht

in die strategischen Planungen eingebunden wird. Zudem existiert kein entscheidungsunterstützendes Controllingsystem. Es fehlen unter anderem eine Spartenrechnung für die einzelnen Profit-Center und eine detaillierte Kalkulation für die Druckaufträge. Eine ABC-Analyse zeigt, dass bei 80 % der Aufträge ein negativer Deckungsbeitrag erzielt wird. Diese Erkenntnisse bedeuten wesentliche Ursachen für das Abgleiten in die Erfolgskrise und erfordern unverzügliche Gegenmaßnahmen, damit sich die bereits entstandene Liquiditätskrise nicht weiter verschärft. Durch finanzwirtschaftliche Maßnahmen ist die jederzeitige Zahlungsfähigkeit über den Zeitraum dieser Sanierung sicherzustellen, um eine Insolvenzantragspflicht zu vermeiden und die Umsetzung der Sanierungsschritte zu gewährleisten. Des Weiteren wurden mögliche Bedrohungspotenziale in der Wertschöpfungskette überprüft. So bestehen Risiken der weiteren Finanzierung durch Kreditversicherer. Gleichzeitig können auch Druckpunkte bei Lieferanten und Kreditversicherern aufgrund bestehender Abhängigkeiten und guter Geschäftsbeziehungen gesetzt werden. So kann die Einforderung von Unterstützungsbeiträgen mehrerer Stakeholder die Gleichbehandlung im Gläubigerkreis fördern und in der Summe erhebliche finanzielle Beiträge mobilisieren. Aus den Feststellungen zur Absatzkrise in den verschiedenen Sparten ergibt sich folgendes: Externe Krisenursachen sind ein rückläufiges Marktvolumen und ein harter Wettbewerb im Geschäftsfeld Formulardruck (GF 1). Im zweiten Hauptgeschäftsfeld Etikettendruck (GF 2) fehlt dem Unternehmen Druck GmbH zudem die kritische Betriebsgröße, um am Markt langfristig erfolgreich bestehen zu können, denn lukrative Aufträge haben meist ein großes Volumen, das von der Druck GmbH aufgrund begrenzter Kapazitäten nicht bearbeitet werden kann. Der Ausbau der weiteren Geschäftsfelder (GF 3 und GF 4) verspricht dagegen Erfolg. Ingesamt wurden folgende Krisenursachen festgestellt: 

Keine Reaktion auf die Veränderung der Märkte



Wegbrechen der Absatzmärkte in einem Hauptgeschäftsfeld



Fehlende strategische Ziele und Maßnahmen in lukrativen Bereichen



Managementdefizite im kaufmännischen Bereich



Unzureichender Einsatz von Planungsinstrumenten



Fehlende Spartenrechnung für die Geschäftsfelder



Nichtexistenz einer Vor- und Nachkalkulation von Aufträgen



Nicht vorhandene Kommunikation mit Banken und anderen Stakeholdern



Suboptimale Führungsstrukturen im Unternehmen



Ineffizienzen in den gesamten Geschäftsprozessen



Ungezügelte Expansion mit der Erstellung eines Gewerbeobjektes



Aufbau von nicht benötigten und nicht ausgelasteten Druckkapazitäten



Starke Verschuldung und erheblicher Anstieg des Kapitaldienstes

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

187

Marktanalyse Eine Untersuchung der relevanten Märkte in den vier Geschäftsfeldern hat folgende zusammenfassende Erkenntnisse erbracht: 

Geschäftsfeld 1: Das Marktvolumen für den Formulardruck ist stark rückläufig. Dies zeigt auch der Geschäftsklimaindex in diesem Bereich. Die Auftragsbestände gehen seit Jahren zurück, bei ständig fallenden Preisen und Bestellgrößen. Gleichzeitig sind starke Konzentrationsprozesse in diesem Segment zu beobachten.



Geschäftsfeld 2: Der Bereich Etikettendruck für die Lebensmittelindustrie verspricht aktuell und in der Zukunft gute Wachstumsraten und Margen. Bedeutsam ist es, eine kritische Unternehmensgröße zu erreichen. Nur auf diese Weise kann das Unternehmen auf Dauer in diesem wettbewerbsintensiven Umfeld erfolgreich bestehen.



Geschäftsfeld 3: Das Segment Werbedruck wächst durch die verstärkten Direct-MailAktionen der Unternehmen kontinuierlich. Die Margen sind auskömmlich und der Konkurrenz- und Wettbewerbsdruck gering. Es ist zudem möglich, sich nur auf bestimmte Nischenprodukte und Serviceleistungen zu spezialisieren.



Geschäftsfeld 4: Der Bereich Logistik für Banken verspricht aufgrund der erheblichen Outsourcing-Bestrebungen vieler Kreditinstitute große Chancen. Es werden gute Preise bei bonitätsstarken Abnehmern erzielt und die Konkurrenzlage zeigt am Markt bislang nur viele verstreute kleine regionale Serviceanbieter.

Sanierungsmaßnahmen Im Rahmen der leistungswirtschaftlichen Maßnahmen wird unter anderem die Neuausrichtung der Unternehmensstrategie untersucht. Es werden Empfehlungen zur Reorganisation der strategischen Geschäftsfelder des Unternehmens gegeben. Leistungswirtschaftliche Maßnahmen 

Reduzierung Geschäftsfeld 1 (Formulardruck) mit der Konzentration auf große und lukrative Aufträge bei genauer Vor- und Nachkalkulation.



Ausbau Geschäftsfeld 2 (Etikettendruck) mit der Suche nach Kooperationspartnern, da eine kritische Größe eigenständig nicht erreicht werden kann.



Erweiterung Geschäftsfeld 3 (Werbedruck), da dieser Bereich aufgrund der hohen Margen und eines zukünftigen Anstiegs des Marktvolumens Chancen verspricht.



Ausbau Geschäftsfeld 4 (Logistik) mit Serviceleistungen für Banken aufgrund der guten Margen und der noch geringen Wettbewerbsintensität.



Für alle Geschäftsfelder ist ein Preiskalkulationssystem einzuführen. Aufträge mit negativem Deckungsbeitrag sind strikt abzulehnen.



Die Installierung eines Einkaufs- und Forderungsmanagements ist dringend notwendig und mit einem Cash-Management-System zu verzahnen.

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4 Sanierung aus Bankensicht



Mittel- bis langfristig soll ein fester Kooperationspartner oder ein strategischer Investor zur finanziellen Unterstützung gefunden werden.



Sale and Lease Back der Gewerbeimmobilie wurde geprüft, um Liquidität zu generieren. Es findet sich kein Institut, das diese Transaktion begleitet.



Der Verkauf der Altimmobilie ist zur Generierung neuer Liquidität notwendig. Da sich die Veräußerung jedoch hinziehen kann, wird der Erlös nicht fest eingeplant.



Eine Druckmaschine soll für geschätzte 400 TEUR verkauft werden. Die frei werdenden Mittel sollen zur Entschuldung bei der Hausbank eingesetzt werden.

Dabei sind diese empfohlenen strategischen und operativen Maßnahmen abzusichern durch folgende finanzwirtschaftliche Schritte. Finanzwirtschaftliche Maßnahmen zur Sicherung des Eigenkapitals und der Liquidität 

Aktuell wird bei Aufstellung der Bilanz zum Stichtag per Ende xxx1 von einer Eigenkapitalunterdeckung von 400 TEUR ausgegangen.



Eine Überschuldung kann vermieden werden, wenn ein Verzicht oder ein Rangrücktritt mit Kapitalbelassung bei den Gesellschafterdarlehen über 500 TEUR erklärt wird.



Weiter wird es notwendig, dass die Gläubiger einem Verzicht über 500 TEUR zustimmen, damit die Druck GmbH im Verlauf der Sanierung ausreichend kapitalisiert bleibt.



Alle Kreditinstitute sollen gebeten werden, zunächst für ein Jahr auf jegliche Tilgungen und Tilgungsersatzleistungen zu verzichten, um die Liquidität zu schonen.



Zur Liquiditätserhaltung sind 500 TEUR von den Kreditinstituten neu zu gewähren. Die Lieferanten und Kreditversicherer müssen ihre Linien und Konditionen aufrechterhalten.

Es soll bereits per Ende xxx2 ein deutlich verringerter Jahresfehlbetrag ausgewiesen werden können. Nachhaltige Ertragsverbesserungen lassen sich jedoch nur durch eine Kooperationsoder Investorlösung mit einer bonitätsstarken Firma erreichen. Zahlenmaterial mit Erläuterungen Die Analyse der Ist-Zahlen hat ergeben: 

GF 1 mit rückläufigen Umsätzen und nicht wettbewerbsfähigen Kostenstrukturen



GF 2 deckt die zugerechneten Kosten und ist erfolgsneutral



GF 3 erbringt eine gute Umsatzrendite bei geringen Fixkosten



GF 4 erarbeitet ebenfalls einen zufriedenstellenden Erfolgsbeitrag

Erkenntnisse zur Untermauerung der Rentabilitätseinschätzung der einzelnen Geschäftsfelder hat die Spartenrechnung mit den Ist- und Planzahlen erbracht. Dies wird in Tabelle 4.32 gezeigt. Auf eine zusätzliche Darstellung der Bilanz- und Finanzplanung im Rahmen eines integrierten Planungssystems wird hier aufgrund der Übersichtlichkeit verzichtet.

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

189

Tab. 4.32 Spartenrechnung der Druck GmbH

Spartenrechnung IST per xxx1 und PLAN per xxx2 Werte in TEUR

GF 1

GF 2

GF 3

GF 4

IST

PLAN

Umsatz

7.000

2.400

1.300

1.000

11.700

11.400

Materialaufwand

3.400

1.300

1.000

700

6.400

6.100

Rohertrag

3.600

1.100

300

300

5.300

5.300

Personalaufwand

2.500

400

100

100

3.100

3.000

Abschreibungen

300

100

0

0

400

400

Zinsaufwand

300

100

50

50

500

400

Sonst. Aufwendungen

1.400

500

50

50

2.000

1.800

Jahresergebnis

-900

0

100

100

-700

-300

Cash Flow

-600

100

100

100

-300

100

 = im Branchenvergleich deutlich zu hoch  = im Branchenvergleich leichte Abweichung nach oben  = liegt im Branchendurchschnitt  = liegt leicht unter dem Branchendurchschnitt  = liegt deutlich unter dem Branchendurchschnitt

Die Wirtschaftlage ist von einer leichten Konjunkturflaute geprägt. Die Nachfrage nach Druckerzeugnissen stagniert. Den Planzahlen liegen folgende Prämissen zugrunde: 

Vorsichtige Planung bei Annahme eines Worst-Case-Szenarios für das Jahr xxx2, aufgrund der unsicheren gesamtwirtschaftlichen Lage.



GF 1 mit einer geplanten Reduzierung der Umsätze, da Aufträge mit einem negativen Deckungsbeitrag in Zukunft konsequent abgelehnt werden sollen.



GF 2 soll ausgebaut werden, da dieser Bereich bei vergleichbaren Unternehmen bereits ertragsstark betrieben wird und die Auftragslage insgesamt gut ist.



GF 3 wird ebenfalls moderat ausgeweitet, da diese Sparte zukunftsträchtig ist und hohe Deckungsbeiträge bei gesicherten Umsätzen verspricht.



GF 4 soll mittelfristig erweitert werden. Derzeit erfolgt eine vorsichtige Planung, da die Geschäftskontakte erst angebahnt werden sollen.



Kostenersparnisse sollen sich bereits in xxx2 durch eine stringente Personaloptimierung und durch eine Reduzierung der sonstigen Aufwendungen zeigen.



Ziel ist es zunächst in xxx2 den Jahresfehlbetrag auf 300 TEUR zu reduzieren und einen positiven Cash Flow von 100 TEUR auszuweisen.

190

4 Sanierung aus Bankensicht

Zusammenfassung und Sanierungsaussage Die Druck GmbH befindet sich in einer akuten Krise mit Insolvenzgefahr. Die Überschuldung ist nur durch die Erklärung eines Rangrücktritts bei den Gesellschafterdarlehen oder einen Verzicht abzuwenden. Ein Teilverzicht der Gläubigerbanken in Höhe von 500 TEUR ist notwendig, um das Eigenkapital nachhaltig zu festigen. Das Aussetzen des Überschuldungskriteriums bei einer positiven Fortführungsprognose gemäß FMStG wirkt nur bis Ende 2013 und soll daher nicht als Grundlage zur Planung des Eigenkapitals dienen. Des Weiteren sind Maßnahmen zu ergreifen, um die Liquidität abzusichern. So wird es notwendig, dass alle Banken zunächst für ein Jahr alle Tilgungen stunden, beziehungsweise ihre Tilgungsersatzleistungen streichen. Zusätzlich ist Kapital in Höhe von 500 TEUR durch die Gläubiger aufzubringen. Auch die weitere Belieferung zu alten Konditionen mit Aufrechterhaltung der Einkaufs- und Rückversicherungslinien ist notwendig. Dazu sind zudem Absprachen mit den Lieferanten und Warenkreditversicherern zu treffen. Empfohlen wird zur finanzwirtschaftlichen Stabilisierung eine Poolbildung unter den Banken. Zusätzlich ist ein Sicherheitenabgrenzungsvertrag zu schließen, um die Lieferanten und die Kreditversicherer in eine Finanzierungslösung mit einer Prolongation der Linien auf bestehender Basis zu integrieren. Entscheidend ist, dass alle externen Gläubiger diese Bedingungen mittragen und anteilig Sanierungsbeiträge leisten. Zu diesem Zweck ist in Kürze eine Gläubigerrunde einzuberufen, unter Leitung der Druckereiberatung GmbH. Künftiges Markt und Produktangebot Das Unternehmen Druck GmbH ist in vier Geschäftsbereichen tätig. Es werden drastische leistungswirtschaftliche Maßnahmen erforderlich, da der Markt im Hauptgeschäftsfeld Formulardruck (GF 1) stark rückläufig ist. Zudem zeigt die Spartenrechnung für das GF 1 einen negativen Deckungsbeitrag. Eine durchgeführte ABC-Analyse deckt auf, dass viele unlukrative Aufträge abgewickelt werden. Daher wird empfohlen, ein Kalkulationssystem einzuführen und nicht kostendeckende Aufträge strikt abzulehnen. Da das Marktvolumen im Formulardruck rückläufig ist und die Margen aufgrund von Konzentrationsprozessen unter Druck stehen, wird ein leichter Abbau von GF 1 empfohlen. GF 2 (Etikettendruck) ist gemäß der Spartenrechnung ergebnisneutral, jedoch wird die kritische Unternehmensgröße in diesem Sektor nicht erreicht. Empfohlen wird daher die aktive Suche eines strategischen Kooperationspartners, um gemeinsam größere Auftragsvolumina abzuwickeln zu können. GF 3 (Werbedruck) ist ein sehr zukunftsträchtiges Geschäftsfeld. Der Ausbau wird mittelfristig empfohlen und ist mit den vorhandenen Kapazitäten und Maschinenpark darstellbar. GF 4 (Logistik) ist lukrativ und soll ebenfalls stark ausgeweitet werden. Zur Entwicklung des Wachstums in den beiden letztgenannten Geschäftsbereichen GF 3 und GF 4 wird dringend zusätzliche Liquidität benötigt. Da die Reduzierung des GF 1 zu freien Druckkapazitäten führt, soll eine der Druckmaschinen verkauft und die Mittel aus dieser Veräußerung zur Entschuldung eingesetzt werden. Zudem sollen nicht benötigte räumliche Kapazitäten im Verwaltungsgebäude vermietet werden, um eine neue dauerhafte Geldquelle zu erschließen.

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

191

Aufstellung des zukünftigen Unternehmens Im Unternehmen sind drastische Kosteneinsparungen zu treffen. So werden freiwillige Überstunden notwendig und die Mitarbeiter sollen auf das Urlaubs- und Weihnachtsgeld für ein Jahr verzichten. Zudem ist ein Liquiditätsbüro einzurichten, das die Investitions- und Finanzierungsentscheidung koordiniert. Alle Einkaufsentscheidungen sind künftig mit dem Liquiditätsbüro abzustimmen. Des Weiteren ist ein Lenkungsausschuss mit den Führungskräften aus jeder Abteilung und einem Akteur aus der Unternehmensberatung einzurichten. Dieses Steuerungsgremium hat die Aufgabe, die Sanierungsschritte zu überwachen und die aufbereiteten Ergebnisse den Gläubigern in regelmäßigen Abständen zu berichten. Die Berichterstattung kann auch zentral an die künftige Poolführerin erfolgen. Des Weiteren sind die Planzahlen auf Basis der Ist-Daten weiter fortzuschreiben und an die Gläubiger weiterzuleiten. Dabei sollen verschiedene Zukunftsszenarien eingearbeitet werden. Zudem ist über die Fortschritte bei der Kooperation im Geschäftsfeld 2 mit einem möglichen Investor zu informieren. Der Verkauf der alten Firmenimmobilie ist weiter zu forcieren und es sind die örtlichen Makler einzuschalten. Insgesamt ist die Berichterstattung und die Kommunikation zu den externen Stakeholdern auszubauen und gegebenenfalls durch den Berater oder einen Interimsmanager vorzunehmen. Die Umsetzung des Sanierungsprojekts durch den externen Manager ist aufgrund der Vielzahl der Maßnahmen und der hohen Komplexität der Umsetzung der Sanierungsschritte dringend anzuraten. Umsetzung der Sanierung Zur Unterstützung der Geschäftsführung bei den dringenden Sanierungsaufgaben wird ein Interimsmanager, der zeitlich befristet eingesetzt wird, empfohlen. Spezielle Tätigkeiten des Zeitmanagers beinhalten die Umsetzung des Sanierungsprojekts, die Einrichtung einer Projektorganisation zur Steuerung des Gesundungsprozesses und die Einbindung der Führungskräfte in die Sanierung. Es besteht die Option, einen kaufmännischen Leiter aus der zweiten Führungsebene eng in die Neuorganisation einzubinden und diesen vorrangig mit dem Aufbau des Controllinginstrumentariums zu beauftragen, um die Strukturen und Steuerungsmodule zur Überwachung und Kalkulation nachhaltig zu verbessern. Der Interimsmanager sollte als neutrale Person die Kommunikation zu den relevanten Stakeholdern übernehmen. Des Weiteren sollte der Zeitmanager seine Kontakte zur Suche eines strategischen Investors nutzen. Denn das Unternehmen wird mittel- bis langfristig aufgrund der fehlenden kritischen Unternehmensgröße in den Hauptgeschäftsfeldern Probleme haben, sich am Markt durchzusetzen. Zudem kann ein Zusammenschluss mit einer Partnerfirma den Strategiewechsel mit Kapital und Know-How beschleunigen. Müller sollte daher bereits jetzt darauf vorbereitet werden, seine Geschäftsanteile zur Verfügung zu stellen. Aufgabenstellungen 1

Nehmen Sie eine formale und materielle Prüfung des Sanierungsgutachtens vor und untersuchen Sie die Aussage zur Sanierungsfähigkeit.

2

Beurteilen Sie die endgültige Sanierungswürdigkeit aus Sicht der Mittelstandsbank AG unter Abwägung verschiedener Handlungsalternativen.

192

4 Sanierung aus Bankensicht

4.5.3 1

Lösung des Praxisfalls zur Prüfung des Sanierungskonzepts

Nehmen Sie eine formale und materielle Prüfung des Sanierungsgutachtens vor und untersuchen Sie die Aussage zur Sanierungsfähigkeit.

Die formale Prüfung des Konzepts auf Vollständigkeit und zur Struktur hat keine Beanstandungen ergeben. Bei der materiellen Prüfung der Inhalte ist negativ aufgefallen: 

Wenig herausgestellt wird die Rolle von Müller. Nach den Einschätzungen der Bank hat der Geschäftsführer das Unternehmen in die Krise geführt. Es wird nicht aufgezeigt, ob Müller weiter im operativen Geschäft eingesetzt werden soll.



Die Planungsprämissen werden nicht detailliert dargelegt. Zudem werden keine unterschiedlichen Szenarien (Best Case/Base Case/Worst Case) für den potenziellen Sanierungserfolg in den Rechenwerken dargestellt.



Unklar ist, wie der Ausbau von GF 3 und GF 4 mittelfristig gelingen soll, da die finanziellen Ressourcen knapp sind. Die Planzahlen sind zudem nicht nach Geschäftssparten aufgegliedert und können so den prognostizierten Erfolg nicht detailliert aufzeigen.



Die finanzielle Absicherung des Sanierungskonzepts mit der erforderlichen Kapitalisierung und der Wiederherstellung der Liquidität sieht nur geringe finanzielle Beiträge der Gesellschafter vor. Die Kreditinstitute haben die Hauptlast zu tragen.



Es wird nicht deutlich, wie die Reduzierung des Zinsaufwands von 500 auf 400 TEUR erreicht werden soll. Nicht dargelegt wird zudem, wie der entstehende Jahresfehlbetrag im Kapital und bei der Liquidität aufgefangen werden soll.

Positiv ist bei der Untersuchung des Sanierungskonzepts zu vermerken: 

Die wesentlichen Krisenursachen werden herausgestellt und stimmen im Allgemeinen mit den Einschätzungen der Kreditinstitute überein. Der Hinweis auf ein fehlendes Controlling als wirkungsvolles Steuerungsinstrumentarium ist bedeutend.



Wichtig sind die Analysen der Geschäftsfelder anhand der wesentlichen Marktdaten und künftigen Branchenentwicklungen. So werden die Erfahrungen der Druckereiberatung in den verschiedenen Geschäftsfeldern zugrunde gelegt.



Es ist positiv, dass auf die Umsetzung der Maßnahmen eingegangen wird und personelle Vorschläge für die Realisierung des Sanierungskonzepts gemacht werden. Die Installierung eines Lenkungsausschusses und eines Interimsmanagers sind wichtig.



Es ist hervorzuheben, dass neben einer eigenständigen Sanierungslösung auch eine Kooperationslösung und eine Investorlösung in Betracht gezogen werden. Damit kann das Unternehmen unter Umständen langfristig stabilisiert werden.



Die geplante Sanierungsstrategie ist in sich logisch und insgesamt schlüssig. Die Planzahlen per xxx2 erscheinen realistisch und bilden ein vorsichtiges Szenario ab.

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

193

Auffällig ist, dass das Fazit keine konkrete Aussage zur Sanierungsfähigkeit abgibt. So wird nicht deutlich herausgestellt, ob das Unternehmen auch aus eigener Kraft als sanierungsfähig angesehen wird oder nur mit externer Hilfe der Gläubiger oder eines Investors. Da zu diesem Punkt keine definitive Erklärung abgegeben wird, ist davon auszugehen, dass die Druckereiberatung GmbH das Engagement sehr kritisch einschätzt. Eine Schlussbemerkung zur Sanierungsfähigkeit ist jedoch wesentlicher Kernbestandteil eines Sanierungskonzepts und sollte daher als abschließendes Urteil von der Beratung eingeholt werden. Die Sanierungsfähigkeit wird von der Mittelstandsbank AG aufgrund der positiven Aussichten in den Geschäftsfeldern als möglich angesehen. Dennoch ist aus Sicht der Mittelstandsbank eine Investorlösung zu forcieren, da auf diese Weise ein schneller und sicherer Sanierungserfolg erreicht werden kann. Dazu kann das eigene Kundenportfolio der Kreditinstitute auf mögliche Kooperationspartner und Übernehmer untersucht werden, unter strenger Wahrung des Bankgeheimnisses. Der Fokus sollte neben der Einleitung der Sanierung unbedingt auf der Suche nach einem strategischen Investor liegen. 2

Beurteilen Sie die endgültige Sanierungswürdigkeit aus Sicht der Mittelstandsbank AG unter Abwägung verschiedener Handlungsalternativen.

Neben der weiteren Begleitung des Engagements im Rahmen der Sanierung bestehen für die Mittelstandsbank AG zwei weitere Handlungsoptionen, der Kreditverkauf oder die Abwicklung mit Liquidation der Sicherheiten. Da lediglich ein potenzieller Kreditaufkäufer angefragt hat und nur eine geringe Quote von 10 % auf die Nominalforderungen bei Übernahme der Sicherheiten angeboten hat, scheidet diese Alternative aus Sicht der Mittelstandsbank AG aus. Auch die Liquidation wurde eingehend geprüft. Aufgrund der schwachen Sicherheitenposition ergibt sich ein hoher Blankoteil und bei einer Verwertung der meist als Spezialsicherheiten deklarierten Werte in einer Insolvenz ein umfangreicher Kreditausfall. Es wird nur die Chance gesehen, im Rahmen einer Sanierung weniger Geld zu verlieren, bei noch tragbaren Risiken. Wichtige Voraussetzung ist jedoch, dass Müller das Sanierungskonzept uneingeschränkt akzeptiert und sich einer Investorlösung nicht verschließt. Daher sollten bereits zu diesem Zeitpunkt die Gesellschaftsanteile von Müller und der übrigen Anteilseigner auf einen Treuhänder übertragen werden, um einen Unternehmensverkauf kurzfristig abwickeln zu können. Die Banken sollten sich die Rechte an den Gesellschaftsanteilen sichern. Werden diese Firmenanteile über eine erfolgreiche Sanierung wieder werthaltig, partizipieren die Kreditinstitute an einem Verkaufserlös. Die doppelnützige Treuhand bietet sich zur Umsetzung dieser Lösung an (vgl. Portisch, 2009a, S. 34 ff.). Des Weiteren ist es notwendig, dass die übrigen relevanten Stakeholder der Sanierung zustimmen und auch ihre Sanierungsbeiträge leisten. Dazu ist der Abschluss eines Poolvertrags anzustreben. Zur finanziellen Sanierung sind die Liquidität und das Eigenkapital langfristig über den mehrjährigen Gesundungsprozess abzusichern. Es sind möglichst alle Gläubiger im Rahmen einer Poolvereinbarung mit Sicherheitenabgrenzungsvertrag einzubinden (vgl. Portisch, 2006c, S. 54 ff.). Damit dies aus Sicht der Hausbank erreicht wird, sind im Vorfeld die strategischen Ziele der übrigen Gläubiger zu eruieren und Koalitionen zu bilden. Es sind die möglichen Unterstützungsbeiträge der Stakeholder und das Druckpotenzial aufgrund der Höhe der Kreditvolumina und der Qualität der Sicherheiten abzuschätzen. So bieten Gläubiger

194

4 Sanierung aus Bankensicht

mit hohem Abhängigkeitsgrad Möglichkeiten für die Mittelstandsbank AG, um Koalitionen zur Unterstützung der Krisenfirma einzugehen. Von besonderer Bedeutung ist die Sicherstellung der Umsetzung der Maßnahmen im Sanierungsprojekt. Es ist auf die Installierung einer Interimsmanagementlösung hinzuwirken. Das Vertrauen in das Altmanagement ist erheblich eingeschränkt. Zudem können die vielfältigen Probleme nicht durch die bestehende Geschäftsführung gelöst werden (vgl. Portisch, 2006d, S. 58 ff. und 2007b, S. 36 ff.). Auf der Grundlage des Konzepts, der Voraussetzung einer erfolgreichen Poolbildung und der Sicherstellung der Umsetzung einer Neugestaltung werden sowohl die Sanierungsfähigkeit als auch die Sanierungswürdigkeit auf Basis der subjektiven Bewertung durch die Mittelstandsbank AG als positiv eingeschätzt. Dies ist ein wichtiger Baustein im weiteren Sanierungsprozess. Denn nur wenn die Hausbank das Engagement weiterhin unterstützt, können die übrigen Gläubiger für eine Sanierungslösung gewonnen werden. Als Hauptargument zur weiteren Begleitung wird angesehen, dass das Unternehmen am Markt und bei den Kunden eine gute Stellung aufweist und der Umbau der einzelnen Geschäftsfelder gelingen kann. Ein weiterer Fokus der Sanierung liegt auf der Suche nach einem bonitätsstarken strategischen Investor, der Kapital einschießt oder das Unternehmen komplett übernimmt und in seine Firmengruppe einbindet.

5. Sanierungsregel: Ein Sanierungsgutachten sollte die langfristigen Erfolgspotenziale eines Krisenunternehmens analysieren und die Firmenstruktur, das Produktangebot sowie das Marktprofil auf seine langfristigen Chancen und Risiken überprüfen. Abschließend sollte die Sanierungsfähigkeit als zusammenfassendes Urteil eingeschätzt werden. Zudem ist auf die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen einzugehen.

Erläuterung der 5. Sanierungsregel Ein Sanierungsgutachten, das von den Banken und anderen Gläubigern akzeptiert wird, sollte eine Unternehmensanalyse beinhalten und interne und externe Krisenursachen feststellen. Im Rahmen einer Marktanalyse sind die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens im Marktzusammenhang zu betrachten. Anschließend sind die notwendigen Sanierungsschritte, unterteilt nach finanzwirtschaftlichen und leistungswirtschaftlichen Maßnahmen, auszuweisen. Das Sanierungskonzept sollte durch aktuelles und differenziertes Zahlenmaterial unterlegt werden. So sollte eine Spartenrechnung die Ertragslage und Erfolgsbereiche des Unternehmens darstellen. Wichtig ist es, dass realistische Planzahlen in Form einer Ertragsplanung und Liquiditätsplanung bereitgestellt werden. Abschließend sollte das Sanierungsgutachten ein Urteil zur Sanierungsfähigkeit abgeben. Wird auf Basis dieser Prognose auch die Sanierungswürdigkeit aus Sicht der Kreditinstitute bestätigt, kann der Gesundungsprozess weiter voranschreiten. Um die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen sicherzustellen, ist zu erreichen, dass möglichst alle Gläubiger stillhalten und nicht einseitig versuchen, ihre Positionen durch Linienkürzungen zu verbessern. Dies gelingt in der Regel durch den Abschluss eines Poolvertrags mit Sicherheitenabgrenzungsvereinbarung.

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

4.5.4

195

Empirische Ergebnisse zur Prüfung von Sanierungskonzepten

Wichtige Inhalte in Gutachten, die von Banken gefordert werden, betreffen in erster Linie die finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen mit einer Darstellung der Ist-Situation, einer Fortführungsprognose und aussagekräftigem Zahlenmaterial. Dies zeigt eine starke Zahlenorientierung der Bankmitarbeiter. Die Daten erlauben eine objektive Sicht auf die erwartete künftige wirtschaftliche Lage und eine genaue Überwachung des Sanierungsverlaufs anhand von Soll-Ist-Vergleichen. Zudem lassen sich Zahlenwerke effizient auswerten. Auch der Struktur eines Gutachtens nach IDW Standard wird von den Bankspezialisten eine hohe Bedeutung beigemessen. Die Darstellung der Branchen- und Marktlage, die zeitlichen Umsetzungsschritte im Projekt und die leistungswirtschaftlichen Maßnahmen beurteilt dagegen nur eine geringe Anzahl der Antwortenden als wichtig. Ursache kann sein, dass die leistungswirtschaftlichen Untersuchungen aufgrund des fehlenden Detailwissens in der Branche von den Risikospezialisten nur erschwert bewertet werden können. Insbesondere die geringe Bedeutung der Darstellung des Sanierungsprojekts steht in Widerspruch zur eingeschätzten Wichtigkeit der Sanierungsumsetzung. Denn eine Realisierung von Sanierungsmaßnahmen setzt voraus, dass die Projektschritte durchgeplant im Sanierungskonzept dargelegt werden. Die nachfolgende Abbildung 4.51 zeigt die Ergebnisse der Bewertung.

Welche Struktur und Inhalte sind in einem Sanierungskonzept wichtig? 97%

Finanzmaßnahmen

95%

Krisenursachen

5%

93%

Fortführungsprognose

5% 2%

88%

Zahlenmaterial

12%

84%

IDW Standard

16%

69%

Branche und Markt

25%

55%

Umsetzungsschritte

32%

52%

Leistungsmaßnahmen 0%

3%

10%

20%

30%

13%

38% 40% Wichtig

Abb. 4.51 Bedeutung der Inhalte von Sanierungsgutachten

50% Mittel

60%

70%

Unwichtig

6%

10% 80%

90%

100%

196

4 Sanierung aus Bankensicht

Neben der Beurteilung der wichtigen Inhalte interessiert auch die von den Befragten wahrgenommene Zufriedenheit mit den Sanierungskonzepten in der Praxis in Bezug auf die vorhandenen Inhaltsbausteine und Strukturmerkmale. Im Ergebnis erfüllen die Sanierungskonzepte insbesondere die Erwartungen bei der Ausarbeitung notwendiger finanzwirtschaftlicher Maßnahmen und der Darstellung der Ist-Situation mit den Krisenursachen. So geben 60 % der Befragten an, mit der Erarbeitung der finanzwirtschaftlichen Maßnahmen zufrieden zu sein und rund 57 % bestätigen dies bei der Darlegung der Ist-Situation. Diese Zufriedenheit nimmt jedoch deutlich ab bei der gestellten Fortführungsprognose, die nur von 46 % als aussagekräftig und klar eingeschätzt wird. Zudem wird von lediglich 44 % der Befragten die Einreichung von aktuellem und gut strukturiertem Zahlenmaterial in Form von Finanz- und Ertragsplänen als durchgehend positiv bewertet. Da diese Inhaltsbausteine für die Beurteilung der weiteren Begleitung aus Bankensicht von großer Bedeutung sind, besteht hier deutlicher Handlungsbedarf in der Beratungspraxis. So sollten Unternehmensberater aufgefordert werden, im Sanierungsgutachten eine klare Fortführungsprognose zu stellen und aktuelles Zahlenmaterial in strukturierter Form beizubringen. Auch eine Struktur der Konzepte nach IDW Standard bewerten nur rund 28 % der Befragten als gut erfüllt, obwohl die Wichtigkeit des IDW-Aufbaus als hoch eingeschätzt wird, wie nachfolgende Abbildung 4.52 zeigt. Auch eine Berücksichtigung der GoS oder der MaS kann hier weiterhelfen (vgl. Portisch et al., 2007d, S. 468 ff.).

Wie beurteilen Sie den Erfüllungsgrad von Struktur und Inhalten in Sanierungskonzepten?

0%

10%

44%

43%

13%

Leistungsmaßnahmen

26%

54%

20%

Umsetzungsschritte

25%

49%

26%

Branche und Markt

29%

43%

28%

IDW Standard

12%

44%

44%

Zahlenmaterial

17%

37%

46%

Fortführungsprognose

20%

5%

38%

57%

Krisenursachen

6%

34%

60%

Finanzmaßnahmen

30%

40%

Erfüllt

50%

Teils Teils

60%

70%

Nicht erfüllt

Abb. 4.52 Erfüllungsgrad bedeutender Merkmale von Sanierungsgutachten

80%

90%

100%

4.5 Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts

197

Die Darstellungen zur Branche und Marktlage, zu den Umsetzungsschritten im Sanierungsprojekt und den leistungswirtschaftlichen Maßnahmen werden noch seltener als erfüllt angesehen (vgl. Schuppener et al., 2008, S. 29 ff.). In diesen Punkten weicht der als hoch eingeschätzte Grad der Wichtigkeit aus der Beurteilung der Spezialisten deutlich vom Erfüllungsgehalt ab und zeigt klare Defizite der Sanierungskonzepte in der Praxis auf. Diese leistungswirtschaftlichen Analysen werden oft nur unzureichend erfüllt. Ergebnisse einer Studie zur Beurteilung der Qualität von Sanierungsgutachten aus dem Jahr 2008 zeigen auf, dass Verbesserungen des Aufbaus und der Inhalte von Sanierungskonzepten insbesondere bei den Bausteinen zur leistungswirtschaftlichen Analyse und einer Darlegung der Umsetzungsschritte existieren (vgl. Portisch et al., 2008e, S. 494 ff.). Diese Komponenten sind für die Beurteilung der Fortführung und das künftige Sanierungscontrolling wichtig und gehören in ein qualitativ hochwertiges Sanierungskonzept. Daher sollte der Fokus von Bankentscheidern bei der Bewertung von Sanierungskonzepten künftig verstärkt auf diesen Inhaltsbereichen liegen. Im Rahmen der Beurteilung von Sanierungsgutachten ist aus Bankensicht auf eine detaillierte leistungswirtschaftliche Analyse mit einer Untersuchung der Branchen- und Marktlage und den daraus abgeleiteten Maßnahmen zu achten. Ebenso sollte die Beschreibung und Umsetzung des Sanierungsprojekts im Gutachten mit den Verantwortlichkeiten genau dargelegt werden. Diese Komponenten sind von den Sanierungsspezialisten inhaltlich und logisch zu überprüfen. Gerade die Realisierung von Sanierungsmaßnahmen ist erfolgsbestimmend im wirtschaftlichen Gesundungsprozess. Daher ist die Umsetzung bankseitig zu überwachen. Die Kontrolle kann sich an den Projektbeschreibungen aus dem Sanierungskonzept orientieren. Damit die Realisierung der Sanierungsmaßnahmen gewährleistet ist, sollte auch die personelle Besetzung frühzeitig geplant werden (vgl. Schuppener et al., 2008, S. 71 ff.). Es ist schon bei der Beauftragung eines Beraters auf die Umsetzungseignung zu achten und der schriftliche Sanierungsauftrag sollte die Realisierung mit umfassen. Auffälligkeiten bestehen bei einem Vergleich mit der Einschätzung der Wichtigkeit und des Erfüllungsgrads in der Praxis bei verschiedenen Merkmalen. Nur 19 % aus dem Privatbankensektor sehen den IDW Standard in der Praxis als häufig erfüllt an, obwohl die Bedeutung von 54 % der Befragten als wichtig eingeschätzt wird. Zudem sehen 37 % der Probanden aus Sparkassen und Landesbanken den IDW Standard in der Praxis selten als gegeben an. Bei der Untersuchung der Branchen- und Marktlage sind insbesondere die Privatbanken mit der Entsprechung in der Realität unzufrieden. So sind nur 19 % der Antwortenden aus dem privaten Bankensektor der Meinung, dass in den Gutachten regelmäßig eine genauere Untersuchung der Branchen- und Marktsituation erfolgt. Auch die Darlegung des Sanierungsprojekts ist häufig unzureichend. Ein Großteil der Vertreter aus den verschiedenen Banksektoren sieht die Darstellung der Projektschritte im Sanierungskonzept als nicht oder nur teilweise erfüllt an. Gleichermaßen schätzt eine Vielzahl der Antwortenden diesen Inhaltsbaustein als wichtig ein. Die Analyse und Gestaltung von leistungswirtschaftlichen Maßnahmen wird besonders von Befragten aus dem genossenschaftlichen Sektor häufig als nicht oder nur teilweise gegeben angesehen.

198

4 Sanierung aus Bankensicht

Die Einhaltung des IDW Standards wird nach verschiedenen Institutsgrößen ähnlich schlecht bewertet und nur von durchschnittlich rund 28 % der Antwortenden in der Praxis als häufig gegeben angesehen. Die Zufriedenheit mit der Darstellung und Untersuchung der Branchenund Marktlage wird nach der Bankengröße unterschiedlich beurteilt. Von großen Instituten sehen rund 39 % der Befragten diese Darlegungen in den Konzepten als erfüllt an, während dieser Satz bei kleinen Banken bei etwa 24 % liegt und sich bei der mittleren Institutsgröße auf lediglich 22 % beläuft und damit deutliche Schwächen anzeigt. Die Bewertungen beim Aufzeigen des Sanierungsprojekts und der leistungswirtschaftlichen Maßnahmen nehmen mit fallender Bankengröße kontinuierlich ab. So sehen rund 32 % Vertreter aus großen Banken die Darstellung der Sanierungsumsetzung im Konzept als gut erfüllt an, während dieser Satz bei mittleren auf etwa 19 % und bei kleinen Instituten auf circa 13 % absinkt. Die Zufriedenheit mit der Transparenz der leistungswirtschaftlichen Schritte wird noch zurückhaltender beurteilt. Nur rund 19 % der Antwortenden aus großen Banken sehen dieses Merkmal überwiegend als gegeben an, circa 14 % der Probanden aus mittleren Banken und etwa 8 % Antwortende aus kleinen Kreditinstituten. Bei der Beurteilung der Sanierungswürdigkeit wird von der Bedeutungsrangfolge eine klare und aussagekräftige Fortführungsprognose als besonders wichtiger Faktor eingeschätzt. Dies erscheint nachvollziehbar, da von der abschließenden Bewertung im Sanierungsgutachten die Entscheidung zur weiteren Begleitung aus Bankensicht wesentlich beeinflusst wird. Weitere Aspekte zur Beurteilung der Sanierungswürdigkeit aus Bankensicht sind die Gewährleistung der Umsetzung des Konzepts, die folgerichtig abgeleiteten Sanierungsmaßnahmen, die guten Erfahrungen aus der Vergangenheit mit dem eingesetzten Berater und die Prüfung verschiedener alternativer Sanierungsstrategien wie eine Investorlösung. Nach Banksektoren werden aus der Deskription deutliche Unterschiede nur bei der Wichtigkeit einer Prüfung alternativer Sanierungsstrategien, wie beispielsweise bei einer Investorlösung, sichtbar. Die Bedeutung der Erarbeitung alternativer Lösungen wird bei Antwortenden aus Privatbanken mit rund 70 % als relevant eingeschätzt, während dieser Satz bei Sparkassen und Landesbanken auf 67 %, bei Volks- und Raiffeisenbanken inklusive der Spitzeninstitute auf 46 % und bei Spezialbanken auf 36 % absinkt. Diese Einschätzung steht in Übereinstimmung mit dem Tatbestand, dass in Privatbanken oft größere Sanierungsengagements betreut werden und dort Beteiligungslösungen oder Unternehmensverkäufe häufiger Erfolg versprechend sind. In Anlehnung an die Größe der Institute geben rund 73 % der Befragten aus großen Banken an, dass sie die Erkundung der Möglichkeiten alternativer Sanierungslösungen für wichtig halten. Diese Einschätzung sinkt bei mittleren Banken auf circa 60 % und bei kleinen Instituten auf etwa 51 % ab. Im Anschluss an die Prüfung der Sanierungsfähigkeit und an die Bewertung der Sanierungswürdigkeit sind die finanziellen Rahmenbedingungen festzulegen, unter denen der Gesundungsprozess begleitet werden kann. Dabei kann eine Poolbildung mit einer Aufteilung der Sicherheiten, der Sanierungsbeiträge und der Verabredung eines Stillhaltens die Begleitung des Kreditengagements fördern. Mit Abschluss eines Sicherheitenpoolvertrags wird der Ausstieg einzelner Banken und übriger Gläubiger aufgehalten.

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

4.6

199

Poolbildung zur Finanzsanierung

Risikoerkennung aus Bankensicht

Organisation Prozesse

Finanzielle Maßnahmen

Auswahl des Sanierers

Prüfung des Konzepts

Poolbildung der Gläubiger

Überwachung der Sanierung

Sicherung Turnaround

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung 4.6.1 Umsetzung der finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen 4.6.2 Praxisfall zur Poolbildung 4.6.3 Lösung des Praxisfalls zur Poolbildung 4.6.4 Empirische Ergebnisse zur Sicherheitenpoolbildung

Lernziele:  Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität und des Eigenkapitals umsetzen können  Kernelemente von Poolverträgen und Organisation einer Poollösung wissen  Unterstützungen und Behinderungen auf dem Weg zu einer Poolbildung kennen  Einbindung der Lieferanten und Kreditversicherer erreichen können

Abb. 4.53 Aufbau und Lernziele in Kapitel 4.6

Wurden bei einem Krisenengagement die Sanierungsfähigkeit durch ein externes Gutachten bestätigt und die Sanierungswürdigkeit durch die begleitenden Banken bescheinigt, sind im nächsten Schritt die finanziellen Rahmenbedingungen zu gewährleisten, damit die leistungswirtschaftliche Sanierung störungsfrei ablaufen kann. Dies erfordert es, möglichst alle Gläubiger des Krisenunternehmens vertraglich zumindest zum Stillhalten zu verpflichten, damit sich nicht einzelne Parteien aus dem Engagement zurückziehen. Zudem wird durch die Einbindung der beteiligten Gläubiger eine Risikoteilung erreicht. Somit ist die Bildung eines Sicherheitenpools im Rahmen der finanzwirtschaftlichen Sanierung meist unumgänglich. Dabei spielt die Hausbank eine wichtige Hauptrolle. Sie hat die Aufgabe, die Kreditverhandlungen zu einer Poollösung einzuleiten und erfolgreich zu gestalten. Sicherheitenpoolverträge regeln die Belange und Verhältnisse der Banken untereinander und gegenüber dem Schuldnerunternehmen, soweit die in den Poolvertrag eingebrachten Kredite und Sicherheiten betroffen sind. Wichtige Regelungsinhalte sind unter anderem die gleichmäßige Informationsverteilung, die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der jeweiligen Kreditlinien, die Festlegung einer Poolquote und die Vereinbarung eines Saldenausgleichs. Des Weiteren ist es von Bedeutung, die Lieferanten und Kreditversicherer in die Vereinbarungen mit einzubeziehen, damit das operative Geschäft weiterlaufen kann. Dies gelingt in der Regel über den Abschluss eines Sicherheitenabgrenzungsvertrags. Die Vereinbarung regelt die Partizipation an den Erlösen aus den Sicherheiten des Umlaufvermögens.

200

4.6.1

4 Sanierung aus Bankensicht

Umsetzung der finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen

Die Finanzierung in der Sanierung birgt für die beteiligten Banken hohe Risiken. Neben dem bereits bestehenden Kreditrisiko kommt die Gefahr hinzu weiteres Geld zu verlieren. Zusätzlich können sich einzelne Gläubiger aus dem Krisenengagement lösen und die Risikostruktur zu Lasten anderer Institute umverteilen. Es tritt regelmäßig ein Wettlauf um mögliche Rückführungen und die verbliebenen Sicherheiten ein (vgl. Rechtmann, 2006b, S. 176 ff.). Poolverträge können dann dafür sorgen, dass die Gläubiger ihre Interessen bündeln und sich nicht gegenseitig behindern (vgl. Sickel, 2008, S. 89 ff. und Berner, 2006, S. 1 ff.). Damit wird ein einheitliches Vorgehen im Rahmen eines Sicherheitenpools oder eines Sanierungspools geregelt. Ziele sind unter anderem die optimale Nutzung und Aufteilung der Sicherheiten und die Einbeziehung der Kredite und Avale zur Stabilisierung der finanzwirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen im Rahmen eines Moratoriums. Sicherheitenpoolverträge dienen der Aufteilung und Bündelung von Kreditsicherheiten bei der Sanierung eines Unternehmens. Beteiligt sind die kreditgebenden Banken und regelmäßig die betroffenen Lieferanten und Kreditversicherer im Rahmen einer Sicherheitenabgrenzungsvereinbarung. Poolverträge sind von Konsortialverträgen abzugrenzen. Konsortialverträge beziehen sich auf das schuldrechtliche Darlehensgeschäft mehrerer Banken zur Bereitstellung umfangreicher Investitionsmittel (vgl. Lauer, 2005, S. 357 ff., Peppmeier/Neumann, 2005, S. 53 ff., Rechtmann, 2006b, S. 176 ff.). Sowohl Konsortialverträge als auch Poolverträge begründen von ihrer Rechtsnatur her Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) gemäß §§ 705 ff. BGB (vgl. Lwowski/Merkel, 2003, S. 25). Im Folgenden konzentriert sich die Untersuchung auf Sicherheitenpoolvereinbarungen. Diese haben die Aufgabe, die Gläubiger in einer Sanierung zu binden und die Kreditsicherheiten zu strukturieren (vgl. Portisch et al., 2007f, S. 30 ff.). Dazu werden wesentliche Kredite und die zur Verfügung stehenden Sicherheiten in den Poolvertrag mit einbezogen. Bei den Forderungen der Banken kann es sich grundsätzlich um alle üblichen Arten der Mittelbereitstellungen oder Verbürgungen handeln. Schwerpunktmäßig werden Kontokorrentkreditlinien, Sonderkredite, Darlehen, Avalkredite und Diskontkredite mit eingebracht und vertraglich gebündelt. Die Poolsicherheiten können alle Formen von Personalsicherheiten, Sachsicherheiten und sonstigen Kreditsicherheiten umfassen. Definition: Unter dem Begriff Sicherheitenpool wird der Zusammenschluss von Banken in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verstanden. Ziel ist es, die in dem Poolvertrag getroffene Regelung zur gemeinschaftlichen Verwaltung, Kontrolle und Verwertung von Mobiliar-, Immobilien- und sonstigen Kreditsicherheiten sicherzustellen. Primär dient der Pool zur Stabilisierung der Finanzierung in der Sanierung eines Unternehmens. Der Poolvertrag werden die Belange und Verhältnisse der Banken untereinander und gegenüber dem Schuldnerunternehmen geregelt, soweit die in den Poolvertrag eingebrachten Kredite beziehungsweise Sicherheiten betroffen sind. Die Pool-GbR ist eine reine Innengesellschaft (vgl. Peppmeier/Neumann, 2005, S. 53 ff.). Allein die Sicherheiten werden gebündelt

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

201

und fortan im Innenverhältnis gesamthänderisch gehalten. Denn letztendlich vergibt jede beteiligte Poolbank ihre Kredite einzeln und bleibt auch weiterhin Gläubiger aus ihrem eigenen Kreditvertrag. Selbst wenn in einer Sanierung neue Kreditmittel herausgelegt werden, bleiben die Banken isolierte Kreditgeber. Die Kreditinstitute treten nicht nach außen gemeinsam in ihrer Verbundenheit als GbR auf (vgl. Obermüller, 2007, S. 923 ff.). Das Institut mit dem größten Kreditengagement, die sogenannte Hausbank, übernimmt in der Regel die Rolle der Poolführerin gegen ein vereinbartes Entgelt. Zu den Hauptaufgaben gehören die Ausarbeitung des Vertragswerkes, die stetige Information aller Poolmitglieder und die regelmäßige Einberufung von Bankenrunden. Eine weitere Funktion besteht in der Abwicklung des Saldenausgleichs. Danach verpflichten sich die Poolpartner untereinander, mit bereits im Poolvertrag erteilter genereller Zustimmung des Schuldners, durch entsprechende Überträge auf den Konten des Kreditnehmers dafür zu sorgen, dass für sämtliche Banken eine Kreditinanspruchnahme nach dem prozentualen Verhältnis der vereinbarten Linien entsteht. Denn das Unternehmen wird seine Kontodispositionen nicht immer so exakt planen können, dass die Linien bei allen Banken gleichmäßig ausgenutzt werden (vgl. Obermüller, 2007, S. 929 ff.). Zudem wird der Schuldner bestrebt sein, vorrangig diejenigen Linien auszuschöpfen, für die der geringste Zinssatz vereinbart ist. Die üblichen Regelungen sehen vor, dass der Ausgleich für jede Kreditart getrennt vorgenommen wird. Definition: Im Rahmen eines Saldenausgleichs verpflichten sich die Poolpartner untereinander, durch Überträge auf den laufenden Konten des Kreditnehmers dafür zu sorgen, dass für alle beteiligten Banken eine Kreditinanspruchnahme nach dem Verhältnis der im Poolvertrag vereinbarten Linien entsteht. Folgendes Beispiel soll dies erläutern: Poolbank A stellt eine Kontokorrentlinie von 1.000 TEUR nach der Festlegung im Poolvertrag bereit, bei einer Inanspruchnahme von 950 TEUR zum Abrechnungsstichtag. Poolbank B stellt eine Betriebsmittelkreditlinie von 500 TEUR bereit, bei einer Inanspruchnahme von 400 TEUR. Um einen Saldenausgleich gemäß dem prozentualen Verhältnis der Kreditlinien durchzuführen, muss ein Übertrag von Bank B auf Bank A in Höhe von insgesamt 50 TEUR erfolgen. Die Inanspruchnahmen betragen dann bei Bank A 900 TEUR und bei Bank B 450 TEUR und liegen damit jeweils bei 90% der bereitgestellten Linien. Der Saldenausgleich wird in der Regel von der Poolführerin durchgeführt. Die Poolführerschaft kann in Ausnahmefällen auch auf einen außenstehenden Treuhänder übertragen werden. Weitergehend kann auch der gesamte Prozess der Poolbildung mit den meist komplexen Verhandlungen durch einen neutralen Akteur begleitet werden. Auf diese Weise gelingt es möglicherweise schneller, zu einer Einigung zu gelangen. Dieser Akteur besitzt als Mediator bei den Gläubigern gegebenenfalls eine höhere Akzeptanz und kann bei Konflikten ausgleichend wirken (vgl. Peppmeier/Neumann, 2005, S. 55). Jedoch entstehen mit der Übertragung der Poolführerschaft und der Organisation der Sicherheitenpoolbildung durch einen externen Treuhänder im Zweifel hohe laufende Kosten. Neben der Festschreibung der Kreditlinien enthalten Poolverträge weitere Regelungen, wie mit den vorhandenen Sicherheiten umgegangen wird und welche neuen Sicherheiten bestellt werden sollen. Auch Kriterien, ab welchem Zeitpunkt eine Verwertung erfolgen soll, können

202

4 Sanierung aus Bankensicht

festgelegt werden. So kann das Liquidationsszenario schon im Voraus geplant werden und spätere Unsicherheiten und Schwierigkeiten der Einigung zur Abwicklung werden vermieden. Die relevanten Sicherheiten können auf den Pool übertragen werden oder aber bei dem jeweiligen Poolmitglied verbleiben. Werden Sicherheiten an die Poolführerin oder an einen Treuhänder abgegeben, ist zu beachten, dass bei akzessorischen Sicherheiten auch die Kreditforderung mit abgetreten werden muss. Die Übertragung kann im Rahmen einer doppelnützigen Treuhand erfolgen (vgl. Bork, 1999b, S. 337 ff.). Als Treuhänder kommen Akteure in Betracht, die außerhalb des Pools stehen. So übernehmen Wirtschaftsprüfer häufig die Rolle dieser neutralen Partei. Die Hauptaufgaben bestehen in der Verwaltung der Poolsicherheiten, der Sicherheitenbewertung und der Prüfung von variablen Sicherheiten des Umlaufvermögens. Vorteile dieser Regelung sind:  Kompetenz bei der Bewertung und Prüfung von Sicherheiten  Neutralität gegenüber anderen Poolmitgliedern  Vermeidung von Haftungsrisiken bei der Sicherheitenverwaltung Solange die Poolmitglieder lediglich ihre bereits vorhandenen Sicherheiten in den Pool mit einbringen, verschafft die Poolbildung den Gläubigern insgesamt keine Vorteile gegenüber dem Schuldner. Werden jedoch neue Sicherheiten begründet, bisherige rechtliche Schwachstellen beseitigt oder auch Sicherheitenzwecke erweitert, führt erst die Poolbildung zur Bestellung dieser Kreditsicherheiten. Für eine Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO, die Nichtigkeit nach § 226 Abs. 3 InsO oder das Erwerbsverbot des § 91 InsO ist dann auf den Zeitpunkt der Poolbildung abzustellen (vgl. Obermüller, 2007, S. 926). Dies ist in einer akuten Krise mit unmittelbar drohender Insolvenzgefahr stets zu beachten. Im Folgenden wird auf wesentliche Inhalte in Poolverträgen eingegangen. Muster für einen Poolvertrag finden sich in verschiedenen Lehrbüchern (vgl. Obermüller, 2007, S. 914 ff. und Rechtmann, 2006b, S. 194 ff.). In der Poolvereinbarung sind folgende Vertragsinhalte festzuhalten (vgl. Obermüller, 2007, S. 913 ff. und Lauer, 2005, S. 358 ff.):  Bezeichnung der Vertragsparteien: Zu benennen sind der Kreditnehmer, die beteiligten Kreditinstitute und gesondert die Poolführerin. Des Weiteren sind die Drittsicherungsgeber im Poolvertrag zusätzlich mit aufzuführen.  Benennung der bereitgestellten Kredite: Es ist eindeutig festzulegen, welche Kredite in den Poolvertrag einbezogen werden. Differenziert werden sollte zwischen Alt- und NeuKrediten und zwischen den verschiedenen bereitgestellten Kreditarten, um Probleme der späteren Zuordnung von Sicherheiten zu vermeiden. Auch die Anrechnung von Mischlinien bei Aval- und Kontokorrentlinien ist festzulegen. Gegebenenfalls ist eine gesonderte Vereinbarung zu einem Verzicht oder einer Neukreditvergabe zu treffen.  Vereinbarung zur Aufrechterhaltung der genannten Kreditlinien: Es wird festgelegt, dass Reduzierungen oder komplette Streichungen von Kreditlinien nur im gegenseitigen Einvernehmen vorgenommen werden dürfen. Diese Regelung ist notwendig, damit alle

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

203

Banken die Sanierung gemeinsam unterstützen und nicht einzelne Gläubiger sich einseitig Vorteile, unter anderem durch Reduzierungen, verschaffen können.  Genaue Bezeichnung der zu poolenden Sicherheiten: Wichtig ist die exakte Beschreibung und Zuordnung der Sicherheiten auf die einzelnen Banken und den Gesamtpool, um im Fall einer Verwertung potenzielle Auseinandersetzungen aufgrund von Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Poolpartnern zu vermeiden.  Beschreibung des Sicherungszwecks: Diese Bestimmung regelt den engen oder weiten Sicherungszweck zu den Kreditforderungen. Zudem ist der Rang der Sicherheiten für den Pool und die einzelnen Institute anzugeben. Häufig wird vereinbart, dass Poolsicherheiten nachrangig auch für sonstige nicht im Poolvertrag aufgeführte Forderungen haften. Auch die Sicherheitenfreigabe bei einer Übersicherung ist festzulegen.  Bestimmungen zu Zins- und Tilgungsleistungen: Werden Darlehen in den Pool einbezogen, ist zu klären, inwieweit Tilgungsleistungen angepasst werden, um eine Ausgewogenheit der Rückführungen zu erreichen. Es ist festschreiben, wie lange im Rahmen der Sanierung Tilgungsstundungen gewährt werden sollen. Die Zinssätze im Kurzfristbereich sind dem Risiko anzupassen und untereinander anzugleichen. Sondergebühren einzelner Banken sollten grundsätzlich ausgeschlossen werden.  Pflichten aus der Poolführung: Die Aufgaben der Poolführerin bestehen insbesondere darin, die Rechte und Pflichten aus den Sicherheitenverträgen wahrzunehmen. Dabei ist einzuräumen, dass die Poolführerin die Aufgaben der Verwaltung und Überprüfung der Firmensicherheiten mit Zustimmung aller Poolpartner auf einen Dritten treuhänderisch übertragen kann. Dies kann gerade bei der Sanierung von großen Unternehmen empfehlenswert sein, wenn viele und schwer zu bewertende Sicherheiten bestehen. Zudem ist ein angemessenes Entgelt für die Poolführerschaft zu vereinbaren.  Informationspflichten: Es sind die gegenseitigen Unterrichtungspflichten aller Poolbeteiligten genau festzuhalten. So hat die Poolführerin laufend über den Stand der Sanierung oder Abwicklung zu berichten. Die Poolbanken werden ebenfalls dazu angehalten, sich vorhandene Informationen gegenseitig zur Verfügung zu stellen. Dabei wird es unter Umständen erforderlich, dass die Firma und die übrigen Sicherungsgeber außerhalb des Pools die Poolbanken vom Bankgeheimnis befreien.  Bestimmungen zu den Verwertungsmaßnahmen: Es wird festgelegt, dass die Verwertung von Poolsicherheiten der Zustimmung aller Poolmitglieder bedarf. Auch wird dargelegt, ab wann Verwertungsmaßnahmen eingeleitet werden dürfen. Entweder bereits mit Einstellung der Zahlungen durch das Schuldnerunternehmen oder erst mit Antrag beziehungsweise Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Kriterien für den Verwertungsfall sollten vorab genau definiert werden, damit später keine Unklarheiten auftreten.  Festlegung des Saldenausgleichs: Es ist ein Saldenausgleich zu vereinbaren. Darüber wird das Ausfallrisiko im Verhältnis zu den vereinbarten Linien auf die Poolakteure prozentual gleichmäßig verteilt. Dabei ist aus Gründen der Klarheit zwischen verschiedenen Kreditarten zu differenzieren. Bei Mischlinien ist festzulegen, ab wann eine Inanspruchnahme zu erwarten ist und wie eine Anrechnung, zum Beispiel von Avalen, erfolgt.

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4 Sanierung aus Bankensicht

 Regelungen zur Erlösverteilung: Die geplante Aufteilung der Erlöse aus Poolsicherheiten ist anzugeben. Es ist eine Rangfolge der Verteilung auf Kosten, Steuern, Entgelte für die Poolführerin und sonstige Aufwendungen festzulegen. Anschließend erfolgt eine Verteilung auf die Poolkredite und auf außerhalb des Pools gewährte Kredite.  Ausführungen zur Laufzeit des Poolvertrags und den Kündigungsrechten: Ein Poolvertrag wird in der Regel auf unbestimmte Zeit geschlossen, wobei sich die beteiligten Partner üblicherweise das Recht einer Kündigung vorbehalten. Zumindest sollte eine angemessene Kündigungsfrist schriftlich vereinbart werden. Damit sich unter den Poolbanken gegenseitiges Vertrauen aufbaut, ist sicherzustellen, dass wichtige Vereinbarungen im Poolkonsortium nicht durch einzelne Parteien oder durch eine einfache Mehrheit entschieden werden. Es ist anzustreben, dass bei allen Parteien komplette Einigkeit herrscht, was in der Praxis nicht immer leicht zu erreichen ist. Meist sind die Entscheidungen, die einzelne Poolmitglieder betreffen, von großer wirtschaftlicher Reichweite. Dies ist der Fall, wenn bisher von bestimmten Instituten gehaltene Sicherheiten künftig der Poolgesamtheit zukommen sollen. Vereinbarungen im Pool stehen daher meist unter einem strengen Konsortialvorbehalt. Es bedeutet, dass alle Beteiligte diese Regelungen des gemeinsamen Vertragwerkes mittragen müssen (vgl. Lubos, 2002, S. 1033 ff.). Dabei lässt sich der Begriff des strengen Konsortialvorbehalts wie folgt umschreiben: Definition: Ein strenger Konsortialvorbehalt bedeutet, dass alle Gläubiger die zu vereinbarenden Bestimmungen im Poolvertrag mittragen müssen. Es gilt grundsätzlich das Prinzip der Einstimmigkeit bei zu treffenden Entscheidungen im Sicherheitenpool. Sind die Entscheidungen über die Ausgestaltung der Finanzierungspartnerschaft komplex, so bietet es sich aus Sicht der betroffenen Gläubiger an, die Zusage zu einer Regelung in einer Bankensitzung unter der Formulierung eines Gremienvorbehalts abzugeben. Dies bedeutet, dass die Entscheidung nicht sofort im Rahmen der Gläubigersitzung getroffen wird, sondern eine endgültige Genehmigung erst beim Kompetenzträger im eigenen Hause einzuholen ist. Somit sollten Vorstände es möglichst vermeiden, an Verhandlungen in Bankenrunden teilzunehmen. Ansonsten kann eine Entscheidung zu Sanierungsbeiträgen bereits in einer Sitzung präjudiziert werden. Die Vereinbarung von Poolverträgen weist generell bestimmte Vorzüge für die beteiligten Gläubiger des Krisenunternehmens auf:  Bindung und Risikoteilung der Poolbanken beim Stillhalten oder einer erforderlichen Neukreditvergabe zur Liquiditätssicherung.  Informationsallokation über eine Verbreitung aller Daten meist durch die Poolführerin mit einem Abbau asymmetrischer Informationen.  Ausschöpfen von Sicherheiten durch das Ausschließen von Kollisionen bei Sicherungsrechten und das Vermeiden von Einzelverwertungen. Da eine Kündigung von Krediten durch einzelne Banken die gesamte Sanierung gefährden kann, verpflichten sich die Poolbanken im Rahmen des Sanierungspoolvertrags regelmäßig, die vom Vertrag umfassten Kredite für die Dauer der vertraglichen Regelung offen zu halten

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

205

und Kürzungen oder Kündigungen nur im gegenseitigen Einvernehmen vorzunehmen. Diese Erklärung kann befristet oder unbefristet gegeben werden und soll die Flucht einzelner Poolbanken aus der Vertragsvereinbarung verhindern. Öffnungsklauseln erleichtern den Beitritt weiterer Gläubiger (vgl. Rechtmann, 2006b, S. 179 ff.). Von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die Reduzierung asymmetrischer Informationsverteilungen unter den Stakeholdern sind Bestimmungen zu gegenseitigen Berichterstattungen der Poolmitglieder. Nur wenn regelmäßig Meldungen erfolgen und Gespräche stattfinden, kann ein einheitliches Vorgehen sichergestellt werden. Die Leitungsrolle in der Gläubigerkommunikation übernimmt die Poolführerin. Sie ist gemäß dem Sicherheitenpoolvertrag zur Unterrichtung der anderen Poolpartner verpflichtet. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, dass der Kreditnehmer und etwaige Drittsicherungsgeber die Poolbanken vom Bankgeheimnis befreien. Auf diese Weise wird die Voraussetzung für eine optimale Informationsverteilung unter allen beteiligten Hauptgläubigern geschaffen. Zum einheitlichen Vorgehen ist es wichtig, die Verwertungsvoraussetzungen genau im Vertragswerk zu bestimmen. Der Verwertungsfall kann unter anderem an eine Kreditkündigung oder die Stellung des Insolvenzantrags geknüpft werden. Die Abwicklung wird in der Regel durch die Poolführerin in Abstimmung mit den anderen Poolbanken durchgeführt. Für die Befriedigung von Forderungen, unter anderem aus Barlinien, wird in der Regel eine Reihenfolge vereinbart. Die Erlösverteilung erfolgt zunächst auf Kosten, Steuern und anschließend auf das Entgelt der Poolführerin. Dann wird eine Aufteilung der Mittel auf die Forderungen der Banken aus den Poolkrediten nach vollzogenem Saldenausgleich gemäß einer festgelegten Poolquote vorgenommen. Es folgen die Rückführung geduldeter Überziehungen und die Verrechnung auf Ansprüche außerhalb der Poolkredite. Zusätzlich können Abschläge aufgrund von Risiken einer Kollision mit den Sicherungsrechten anderer Gläubiger, zum Beispiel durch gesonderte Vereinbarungen mit Lieferanten ausgeschlossen werden. Insgesamt ist dieses gemeinsame Vorgehen im Verwertungsfall kostengünstiger als eine isolierte Geltendmachung der Sicherheiten. Auf diesem Wege kann häufig eine komplette Zerschlagung des Krisenunternehmens vermieden und ein höherer Verwertungserlös mit einer Gesamtveräußerung erzielt werden (vgl. Rechtmann, 2006b, S. 176 ff.). Dazu kann es sinnvoll sein andere Gläubiger wie Lieferanten und Kreditversicherer über eine gesonderte Vereinbarung in den Pool mit aufzunehmen. Poolverträge werden in der Regel unter Kreditinstituten geschlossen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Lieferanten und Kreditversicherer in die vertraglichen Vereinbarungen mit einzubeziehen. Lieferanten und Kreditversicherer haben in Finanzierungsverhandlungen zur Überbrückung einer Krise häufig das Bestreben, die Konditionen an das höhere Risiko anzupassen, ihre Linien zu reduzieren oder die Vertragsbeziehung komplett zu beenden. Ist dieses Verhalten zu erwarten, sollte diesen Parteien klargemacht werden, dass eine Insolvenz auch für sie augenblicklich hohe Ausfälle bedeuten würde. Denn gelieferte Produkte werden regelmäßig weiterverarbeitet oder veräußert. Die Durchsetzung der Rechte der Belieferer aus verlängertem Eigentumsvorbehalt gestaltet sich dann in der Regel problematisch. Als Anreiz zu einer Stillhaltelösung kann den Lieferanten und Kreditversicherern daher der Abschluss eines Abgrenzungsvertrags angeboten werden, der primär die Erlösaufteilung von Sicherheiten des Umlaufvermögens auf die Gläubigerklassen bestimmt.

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Dieser Vertrag regelt die Partizipation der Lieferanten und Kreditversicherer an den Erlösen aus den Sicherheiten des Umlaufvermögens. Die Zurechnung der Rohstoffe, Halb- und Fertigfabrikate, Waren und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen erfolgt meist nach der Materialeinsatzquote, also dem Anteil der Materiallieferungen am Wert des erzeugten Endprodukts. Denn es bestehen bei variablen Sicherheiten wie Halbfabrikaten und Fertigprodukten in der Regel Abgrenzungsprobleme und Kollisionen, unter anderem zwischen dem verlängerten Eigentumsvorbehalt der Lieferanten und der Globalzession der Banken. Um künftige Erlösverteilungsprobleme in einer Insolvenz zu vermeiden und eine Einigung zwischen den Banken und den Lieferanten inklusive der Kreditversicherer herbeizuführen, ist der Abschluss eines Abgrenzungsvertrags unbedingt anzuraten. Für das betroffene Unternehmen bedeutet dieser Vertrag eine erhebliche Finanzierungssicherheit in der Sanierung, nicht nur bei den Banken, sondern auch gegenüber den Lieferanten beziehungsweise den Kreditversicherern. Dies ist von großer Bedeutung, um den operativen Betrieb aufrecht zu erhalten. Ein Beispiel für einen Sicherheitenabgrenzungsvertrag findet sich bei Obermüller (vgl. Obermüller, 2007, S. 933 ff.). Dabei werden üblicherweise Regelungen zu den folgenden Sachverhalten getroffen:  Benennung der Vertragspartner: Dies sind in der Regel der Schuldner, die Banken, die Lieferanten und die angeschlossenen Kreditversicherer.  Beschreibung der Sicherungsrechte: Die verschiedenen Sicherheiten sind differenziert nach Gläubigern und Gläubigergruppen aufzuführen.  Verteilung der Sicherheitennettoerlöse: Zu regeln ist die Aufteilung der Erlöse bis zu einer bestimmten Höhe oder einem Prozentsatz auf die Gruppen der Banken, Lieferanten und Kreditversicherer. Die Festlegung der Quote führt häufig zu konträren Diskussionen. Dies erschwert eine schnelle Einigung. Meist bietet die Wertschöpfung im Unternehmen einen Anhaltspunkt zur Aufteilung der Erlöse gemäß der Materialeinsatzquote. Zu unterscheiden ist bei der Quotenfestlegung insbesondere zwischen Rohstoffen und Waren spezifiziert nach Verarbeitungsstufen. Je genauer die Verwertung beschrieben wird, desto geringer sind später Auseinandersetzungen bei der Erlösverteilung. Dazu ist zu definieren, was unter den Nettoerlösen zu verstehen ist. Zudem ist der Rang der Verteilung der Sicherheitenerlöse auf bestimmte Gläubiger und Gläubigergruppen anzugeben. Auch die Kosten der Mitwirkung des Insolvenzverwalters sind bei der Verwertung und bei der Erlösverteilung bereits zu berücksichtigen.  Modalitäten zur Aufrechterhaltung der Linien und Lieferkonditionen: Hauptzweck des Sicherheitenabgrenzungsvertrags ist es, das Stillhalten der Lieferanten und Kreditversicherer zu erreichen. Dazu ist zu vereinbaren, dass die künftigen Lieferungen zu unveränderten Zahlungsbedingungen stattfinden.  Regelungen zu Nachweispflichten, Kontrollen und Informationsrechten: Regeln zur Informationsallokation haben die wichtige Aufgabe, das Vertrauen zwischen den Beteiligten mit zum Teil sehr unterschiedlichen Interessen aufrechtzuerhalten. Daher sind die vertraglichen Informationsvereinbarungen stringent zu formulieren und die Einhaltung ist von allen Parteien genau zu beachten.

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

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Durch den Abschluss des Sicherheitenabgrenzungsvertrags werden potenzielle Verwertungserlöse aus Kreditsicherheiten für den Fall der Insolvenz bereits im Vorfeld aufgeteilt. Lieferanten und Kreditversicherer lassen sich durch dieses Angebot oft zum Stillhalten bewegen, da sich ihre Risikoposition deutlich verbessert. Es herrscht Verwertungssicherheit durch die Beseitigung von Kollisionsproblemen bei Sicherungsrechten. Vorteile des Abschlusses eines Sicherheitenabgrenzungsvertrags sind unter anderem:  Erreichung einer Einigungslösung mit den Lieferanten und Kreditversicherern und das Vermeiden eines Ausstiegs über Linienkürzungen oder Konditionenveränderungen.  Wirtschaftliche sinnvolle Verwertung der Warenbestände und der Forderungen mit der Beseitigung von Abgrenzungsschwierigkeiten bei den Sicherungsrechten.  Faire Aufteilung der Verwertungserlöse auf die Gläubigergruppen über die gemeinsame Festlegung einer Materialeinsatzquote als Bezugsgröße für die Verteilung. Versucht werden sollte über den Poolvertrag und den Sicherheitenabgrenzungsvertrag stets, die Gleichbehandlung der Banken und der übrigen Gläubiger zu gewährleisten. Gelingt eine Vereinbarung dieser Verträge, so wird eine Einigungslösung festgeschrieben. Dies bedeutet eine erhebliche Sicherheit für die finanzwirtschaftliche Sanierung. Denn oft entsteht bereits früh nach Bekanntwerden einer wirtschaftlichen Krise große Unruhe auf Seiten der Banken, Lieferanten und Kreditversicherer. Einzelne Gläubiger versuchen dann, ihre eigene Risikoposition zu verbessern, indem sie aus dem Engagement aussteigen. Da es von entscheidender Bedeutung ist, dass möglichst alle Parteien die Sanierung finanziell unterstützen, ist unverzüglich nach Feststellen der Sanierungsfähigkeit und der Sanierungswürdigkeit von Seiten der Hausbank eine Gläubigersitzung einzuberufen, um die Interessen im Sinne der Krisenfirma zu koordinieren (vgl. Rösler et al., 2002, S. 689 ff.). Dabei ist das Unternehmen zur Absicherung der finanziellen Mittel meist auf die Unterstützung der Hausbank aufgrund der Komplexität, der Erfahrung und des notwendigen Fachwissens bei der Poolbildung angewiesen. Im weiteren Verlauf werden daher die Interessen der Hausbank und des Krisenunternehmens als gleichgerichtet beschrieben. Einschränkend ist zu bemerken, dass im Folgenden nur Anhaltspunkte für Kreditverhandlungen zur Realisierung notwendiger finanzieller Hilfestellungen in einem Sicherheitenpool gegeben werden können, da die Ausgestaltung der realen Situation differenziert sein kann und sich Verhaltensweisen der Gläubiger zudem über die Zeit verändern können. Dennoch sind die nachfolgend beschriebenen Reaktionsmuster in der Praxis häufig anzutreffen. Ist die unterstützende Hausbank auf diese Situation vorbereitet, so lassen sich Strategien anwenden, die Gläubigerinteressen auf das Ziel der gemeinsamen finanziellen Absicherung des Krisenunternehmens im Rahmen einer Poollösung auszurichten. Zunächst sind die Interessen der Gläubiger zu analysieren, um im nächsten Schritt das Bedrohungspotenzial einzelner Akteure zu identifizieren. Die Kreditgeber können unter anderem nach dem Grad ihrer Abhängigkeit zur Krisenfirma unterschieden werden. Dazu sind unter anderem die Banken nach der Höhe der Kredite, der Sicherheitenposition und der individuellen Kreditrisikostrategie zu klassifizieren. Werden bei einem Bankinstitut potenzielle

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4 Sanierung aus Bankensicht

Gefahren eines Rückzugs erkannt, ist zu untersuchen, welche Instrumente einzusetzen sind, um eine vertragliche Bindung dieses Gläubigers zu erreichen. Es bestehen innerhalb der betrachteten Stakeholder besondere Parteien, die einen intensiven Einfluss ausüben können und deren Eigenbedrohung von einer Krise aufgrund einer starken Abhängigkeit zum Unternehmen hoch ist. Dies sind unter anderem Banken mit hohem Kreditvolumen und Blankoteil oder Kreditinstitute mit starker regionaler und persönlicher Bindung zum Krisenunternehmen. Zudem existieren Lieferanten mit hohen Umsatzanteilen, umfassenden Einkaufslinien, erheblichen Außenständen, umfangreichen Spezialgütersortimenten oder einer engen Verzahnung in der Wertschöpfungskette. Angeschlossen sind regelmäßig Kreditversicherer mit entsprechend hohen Risiken. Des Weiteren existieren Stakeholder, deren Abhängigkeitsgrad aus der Geschäftsbeziehung mittelmäßig oder nur gering ausgeprägt ist. Es sind unter den Banken meist gut abgesicherte Finanzinstitute, Banken mit geringem Kreditvolumen oder ausländische Kreditinstitute. Bei den Lieferanten sind dies Akteure einfacher, homogener Güter mit geringem Lieferanteil und Kreditversicherer mit niedrigen Limiten. Trotz des geringeren Eigenrisikos bedeuten gerade diese Gruppen ein besonderes Gefährdungspotenzial für die Finanzierung eines Krisenunternehmens in der Sanierung. So bestehen vielfach starke Begehrlichkeiten dieser Parteien, ihr Risiko einseitig zu verringern oder komplett abzubauen. Um die Ziele und Verhaltensweisen der Gläubiger einschätzen zu können, sind die Beteiligten in die Segmente Gläubiger mit geringem, mittlerem und hohem Abhängigkeitsgrad zu klassifizieren. Anschließend können Verhandlungsstrategien entwickelt werden, um eine gemeinsame Finanzierung des Krisenunternehmens zu gestalten und den Ausstieg einzelner Parteien zu verhindern. Dazu ist schnellstmöglich nach Feststellung der Sanierungswürdigkeit von der Hausbank eine Gläubigersitzung einzuberufen, um die Interessen und Handlungen aller externen Gläubiger im Sinne der Krisenfirma zu koordinieren. Je höher die Anzahl der Finanzierer ist und umso heterogener die Forderungen und Sicherheiten verteilt sind, desto schwieriger wird die Einigung auf einen gemeinsamen Poolvertrag. Meist nimmt dann die Komplexität des Vertragswerkes zu und es steigen die potenziellen Konfliktbereiche. Dies erschwert die Festlegung einer geeigneten Verhandlungsstrategie für die Hausbank, um die Poolverhandlungen einer gemeinsamen Lösung zuzuführen. Im Folgenden wird das häufig anzutreffende Verhalten der Gläubiger im Hinblick auf ihren Abhängigkeitsgrad klassifiziert, um gute Ansatzpunkte für eine wirkungsvolle Stakeholderstrategie zu erhalten. So bestehen folgende Gläubigertypen: 

Gläubiger mit hohem Abhängigkeitsgrad: Diese Stakeholder verhalten sich aufgrund der engen Verbindungen zum Krisenunternehmen und der hohen Risikowirkung eines Verlustes meist kooperativ. Daher sollte mit diesen Gläubigern eng zusammengearbeitet werden, um sie als Partner zu gewinnen. Die zu wählende Verhandlungsstrategie heißt:  Koalitionen bilden.



Gläubiger mit mittlerem Abhängigkeitsgrad: Die Bindung zum Krisenengagement ist bei diesen Gruppen meist differenziert ausgeprägt und Bestrebungen können in einer Risikoreduzierung liegen. Wichtig ist es, diese Gläubiger einzubeziehen, da mit dem Rück-

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

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zug eine Gefahr des Scheiterns der Sanierung verbunden sein kann. Die Strategie lautet:  Überzeugen und einbinden. 

Gläubiger mit geringem Abhängigkeitsgrad: Diese Akteure haben meist das Ziel, ihr Risiko kurzfristig zu verringern, indem Linien gestrichen, Umschuldungen mit Tilgung vorgenommen oder neue Sicherheiten eingefordert werden. Diese Akteure sind in einen Pool mit einzubinden, damit keine Aufweichungseffekte entstehen. Die Strategie heißt:  Rückzug vermeiden.

Problematisch für die Einigung sind diejenigen Gläubiger, die einer Poolvereinbarung potenziell entgegenstehen. Dies sind oftmals Nebenbanken, gut abgesicherte Kreditinstitute, ausländische Banken und zudem Kreditversicherer oder auch Leasinginstitute. Lieferanten können eine Poolvereinbarung potenziell meiden, gerade wenn die angeschlossenen Versicherer eine Lösung nicht mittragen und die Rückversicherungslinien reduzieren oder streichen. Diese Parteien weisen Merkmale eines geringeren Abhängigkeitsgrades auf. In einer ersten Poolsitzung ist das Bestreben dieser Parteien meist hoch, auf eine komplette Ablösung zu drängen (Exit). Falls eine Ausstiegsmöglichkeit nicht besteht, wird häufig ein sukzessiver Engagementabbau über zusätzliche Sondertilgungen oder eine Risikoreduzierung über weitere Absicherungen eingefordert (Voice). Lediglich die stärker engagierten Banken und die Hausbank sind oft von Anfang an bereit, die Krisenfirma in der Sanierung weiter zu begleiten (Loyalty). Gefährdungsmöglichkeiten und Unterstützungspotenziale, die durch die Gläubiger existieren können, sind in Tabelle 4.33 dargestellt. Tab. 4.33 Finanzielle Gefährdungen und Unterstützungen in einer Sanierung

Sanierungsgefährdungen

Sanierungsunterstützungen

Engagementabbau durch Tilgungen

Moratorien

Befristung von Kreditlinien

Neukreditvergabe

Reduzierung von Limiten

Zins- und Tilgungsstundungen

Hereinnahme von neuen Sicherheiten

Umschuldungen

Kreditkündigungen

Forderungsverzichte

Da im Wege einer bestmöglichen Krisenbewältigung aus Sicht einer sanierungsbegleitenden Hausbank versucht werden sollte, alle externen Gläubiger für eine Poollösung zu gewinnen, beginnen in den Bankenrunden meist Diskussionen, in denen Koalitionen gebildet werden. Anzustreben ist durch die unterstützende Hausbank, über eine Mischung von Rückzugsangeboten, dem Eingehen von Koalitionen und die Ausübung von Druck, die Gespräche zu dem gewünschten Ziel zu führen. Diese Art der Verhandlungsstrategie wird in der Organisationstheorie als „Bargaining“ bezeichnet (vgl. Staehle, 1994, S. 405 ff.). Ziel des Bargaining ist es, die Verhandlungen zwischen verschiedenen Akteuren und Gruppen mit Interessendivergenzen so zu steuern, dass eine Vereinbarung hinsichtlich des Austausches von Leistungen erzielt wird. Dabei verfügen die Verhandlungspartner über Machtmittel, mit denen sie das Verhalten der anderen Parteien in Konfliktsituationen beeinflussen

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4 Sanierung aus Bankensicht

können. So kann die Hausbank, über die Einbeziehung der Öffentlichkeit oder auch über die Androhung von boykottierenden Verhaltensweisen in vergleichbaren Sanierungen bei anderen Problemkreditengagements auf die ausscheidungswilligen Gläubiger erheblichen Druck ausüben. Es sollte unbedingt versucht werden, eine Einigungslösung zwischen den Parteien mit verschiedenen Interessen und Ausgangspositionen zu finden. Oft sind bei Poolverhandlungen mit Gläubigern unterschiedlicher Abhängigkeiten zum Krisenunternehmen Probleme eines Gefangenendilemmas mit mehreren Akteuren zu beobachten. So ziehen einzelne Gläubiger einen Nutzen daraus, ihre eigene Situation zu optimieren, indem sie einseitig Tilgungen einfordern oder ihre Sicherheitenlage zu verbessern versuchen. Diese individuellen Optimierungen führen jedoch häufig zu einer suboptimalen Gesamtlösung. Im Extremfall kann die Sanierung komplett scheitern, sodass sich alle Parteien in einer Insolvenz schlechter stellen (vgl. Portisch, 2006c, S. 54 ff.). Daher ist es bei den Poolverhandlungen bedeutsam, eine für alle Stakeholder ausbalancierte und stabile Gleichgewichtslösung zu finden. Werden einzelne Parteien benachteiligt, verlassen wichtige Stakeholder diese Finanzierungsgemeinschaft und die Sanierung scheitert. Das Problem ist die wechselseitige Abhängigkeit der Entscheidungen der Stakeholder. Diese gemeinsame Variante der Poolbildung kommt nur dann zustande, wenn jede Partei auf einseitige risikoreduzierende Maßnahmen verzichtet (vgl. Dixit/Nalebuff, 1997, S. 17). Es ist eine Lösung für diese Problemsituation notwendig, mit der die Strategie der Hausbank umgesetzt werden kann. Ansätze zur Lösung dieser Problematik finden sich in der Spieltheorie, der Wissenschaft vom strategischen Denken. Dabei empfiehlt sich ein nach der Intensität gestuftes Vorgehen je nach Widerstand und Abhängigkeitsgrad der einzelnen Akteure. Ist die Gefahr des Rückzugs eines Gläubigers groß, sind alle Maßnahmen auszuschöpfen: 

Teamwork: Die Bildung einer Gruppe aus mehreren Akteuren, die eine Sanierung entschlossen unterstützt, kann eine Art Gruppenzwang bewirken und andere Parteien dazu bewegen, ihre Konfrontationshaltungen aufzugeben. Daher sind Koalitionen zu anderen, die Sanierung stützenden Gläubigern nachhaltig aufzubauen.



Selbstbindung: Mündliche und schriftliche Absichtserklärungen zur Unterstützung des Krisenunternehmens schränken die Möglichkeit ein, sich aus dieser Selbstbindung zu lösen. Dazu sind Sicherheitenpoolverträge ein geeignetes Mittel, um diese Bindung zu erzeugen und die Finanzierung mittel- bis langfristig abzusichern.



Unterhändler: Die Hausbank wird bei den Poolverhandlungen oft nicht als objektiv angesehen, da sie von der Stützung des Unternehmens profitiert. Es kann es daher förderlich sein, einen neutralen Akteur wie den Sanierungsbetreuer damit zu beauftragen, die Poolverhandlungen als Moderator zu leiten und einer Lösung zuzuführen.



Anreize: Es können Anreize in Form von Beteiligungen an Sicherheiten oder geringen Tilgungen gesetzt werden, um einen Ausstieg von Gläubigern zu verhindern. Auf diese Weise können unbesicherte Banken überzeugt werden. Auch Lieferanten und Kreditversicherer können mit einer Sicherheitenabgrenzung überredet werden.

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

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Öffentlichkeit: In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass Sanierungen gerade bei großen Krisenunternehmen eine umfassende Öffentlichkeitswirkung entfalten. Dies kann zur Findung einer Poollösung beitragen, wenn die Gläubiger bei einem Rückzug ein Reputationsrisiko sehen. So ist gerade Banken negative Presse sehr unangenehm.



Boykott: Banken, Lieferanten und Kreditversicherer treffen in mehreren Sanierungsfällen und Bankenrunden aufeinander. Es ist zu beachten, dass in den verschiedenen Verhandlungssituationen jeweils eine andere Partei Vorteile besitzt. Nutzt ein Akteur seine Vorteile einseitig aus, so werden die Anderen sich fortan ähnlich verhalten.

Insgesamt lässt sich festhalten: Entsteht der Eindruck, dass ein Gläubiger übermäßig gierig agiert, indem er einseitig den Abbau von Krediten vornimmt, massiv Sicherheiten einfordert oder sich an Verzichten und Neukreditvergaben nur unzureichend beteiligt, werden die anderen Verhandlungspartner in der Zukunft weniger geneigt sein, mit dieser Partei zusammenzuarbeiten. Sie werden in anderen Sanierungsfällen, an denen der Störenfried beteiligt, aber schlechter positioniert ist, als harte Verhandlungspartner auftreten. Auf der zwischenmenschlichen Ebene kann ein unfairer Sieg diese Geschäftsbeziehungen dauerhaft verderben. Daher ist eine Kooperation im Pool für alle Beteiligten anstrebenswert. Die Umsetzung der finanzwirtschaftlichen Sanierung kann nur gelingen, wenn das Krisenunternehmen möglichst von allen Gläubigern unterstützt wird. Dabei ist auf eine faire Verteilung der auftretenden Sanierungsbelastungen zu achten. Eine Einigungslösung wird im Rahmen der Anreiz-Beitrags-Theorie als Gleichgewichtszustand beschrieben. Dieser Zustand ist erreicht, wenn die dem Verhandlungspartner angebotenen Anreize gleich den zu leistenden Beiträgen sind (vgl. Staehle, 1994, S. 405 ff.). So können einzelnen Gläubigern zusätzliche Sicherheiten, Tilgungen oder in äußersten Notfällen auch Ablösungen gegen Verzichtsquoten angeboten werden. Um im Optimalfall alle Gläubiger einzufangen und eine stabile Poollösung zu erreichen, sind zusätzlich folgende Eckpfeiler in den Verhandlungen mit den Gläubigern zu beachten (vgl. Rösler et al., 2002, S. 689 ff.):  Tragbare Vereinbarungen: Die Vergabe zusätzlicher Mittel, eine Stillhaltevereinbarung oder ein Verzicht muss allen Parteien zumutbar sein.  Gleichhohe Sanierungsbeiträge: Finanzielle Unterstützungen müssen ausgewogen sein, das heißt Verzichte oder neue Mittel sind quotal zu gewähren.  Einheitliches Vorgehen: Alle Gläubiger sollten die Vereinbarungen mittragen, auch jene mit geringen Forderungen und gut abgesicherte Akteure. Zeitlich gesehen wird in der Regel zuerst der Poolvertrag unter den Banken abgeschlossen, bevor im Rahmen eines Sicherheitenabgrenzungsvertrags die Lieferanten und Kreditversicherer in die finanzielle Sanierung eingebunden werden. Zunächst sind die Banken zur Stützung des Unternehmens zu gewinnen. Zeichnet sich hier bereits ab, dass keine Einigung unter den Kreditinstituten gefunden werden kann, ist das Scheitern der Sanierung oft bereits vorprogrammiert. Da eine Poollösung unter Banken aufgrund der handelnden Personen und der divergierenden Interessenlagen nicht immer leicht zu finden ist, sollte versucht werden, das Problem der Abstimmung über ein formales Verfahren zu versachlichen. Denn selbst wenn alle beteiligten Gläubiger grundsätzlich bereit sind, die Krisenfirma gemeinsam zu be-

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4 Sanierung aus Bankensicht

gleiten, kann die Finanzstrukturierung letztendlich noch an der genauen Festlegung der Quoten im Poolvertrag scheitern (vgl. Portisch, 2006a, S. 208 ff.). Die Poolquoten der einzelnen Kreditinstitute werden aus dem Verhältnis der bereitgestellten nominellen Kreditvolumina zu den Gesamtkrediten ermittelt, gegebenenfalls unter angemessener Berücksichtigung eingebrachter Kreditsicherheiten. Differenziert werden kann zwischen den verschiedenen Kreditarten. So werden oft nur die Barkreditlinien und die Avallinien in eine Poollösung unter Banken mit aufgenommen. In einem Pool dient die Quote als Basis für die rechnerische Zuordnung der Sicherheiten für die Partner und damit für die Ermittlung des jeweiligen Kreditrisikos. Ebenso sind Quoten zu ermitteln zur:  Ermittlung der Forderungsverzichte  Kalkulation der jeweiligen Anteile bei einer Neukreditvergabe  Durchführung eines Saldenausgleichs Dabei zeigt sich, dass gerade die Aufteilung einer notwendigen Kreditneuvergabe in der Sanierung schwer zu erreichen ist. Hauptgrund ist die erforderliche Risikoerhöhung der Engagements der Gläubiger. Eine Aufstockung der Kreditengagements ist meist nur dann möglich, wenn alle Akteure gute Sanierungschancen sehen, zusätzliche werthaltige Sicherheiten angeboten werden oder Ausfallbürgschaften die eine Neukreditierung mit hohen Quoten absichern. In der Praxis ist zu beobachten, dass ein Anstieg der Unternehmensgröße und eine hohe Öffentlichkeitswirkung positive Effekte auf die Neukreditvergabe der Gläubiger bewirken können (vgl. Märki, 2004, S. 108 ff.). Zu beachten ist, dass bei Liquiditätsengpässen zunächst Gesellschafter oder Investoren neue Mittel zur Verfügung stellen sollten. Im Folgenden wird differenziert zwischen der Ermittlung der Poolquote und der Anteile der Banken an notwendigen neuen Kreditvergaben oder Forderungsverzichten. Während Quoten in Poolverträgen meist in Relation der nominalen Höhe des eigenen Engagements zu den gesamten Poollinien ermittelt werden, kann die Festlegung der jeweiligen Anteile an einer neuen Mittelvergabe oder an Verzichten differenziert erfolgen. Die Ermittlung einer fairen Quote für Sanierungsbeiträge ist daher immer wieder ein Streitpunkt unter den Banken, insbesondere wenn die Kreditportfolios sehr unterschiedlich strukturiert sind. In einer Situation, in der verschiedene Kreditarten und Sicherheitenarten bestehen, sind konträre Verhandlungen über die zu leistenden finanziellen Sanierungsbeiträge vorprogrammiert. Wird das Kreditvolumen als Grundlage einer Quotenermittlung herangezogen, so kann das Abweichen von Linien und Inanspruchnahmen zu Diskussionen führen. Ist der Blankoteil relevant, kann es Meinungsverschiedenheiten über individuelle Bewertungen bei den Sicherheiten geben. Die Quote für Verzichte und neue Mittelvergaben lässt sich besser über einen formalen Ansatz finden. Einigen sich alle Gläubiger auf ein Risikogewichtungsverfahren, so tritt ein fester Verfahrensablauf an die Stelle der meist kontroversen und lang andauernden Diskussionen (vgl. Portisch, 2005c, S. 60 ff.). Dieses Verfahren läuft wie folgt ab: Im ersten Schritt ist zu klären, welche Kredite und Sicherheiten bei den einzelnen Kreditinstituten bestehen. Im zweiten Schritt wird festgelegt, dass die grundlegende Basis für die Berechnung von Verzichten oder die Vergabe neuer Mittel das Kreditvolumen darstellt, an-

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

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fangs ohne den Einbezug von Sicherheiten. Dies hat den Vorteil, dass zunächst keine Auseinandersetzungen über Sicherheitenbewertungen erfolgen. Erst im dritten Schritt werden die einzelnen Kreditarten in Kombination mit den zugehörigen Sicherheiten auf einer Skala gewichtet angesetzt. Auf diese Weise kommt die unterschiedliche Werthaltigkeit der Forderungen und Sicherheiten kombiniert zum Ausdruck und zeigt das mögliche Ausfallrisiko an. Zur Hilfestellung kann der Einigungsprozess zusätzlich durch eine neutrale Unternehmensberatung unterstützt werden, um die Situation zu entschärfen. Ein großer Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass eine Diskussion über die Bewertung der unterschiedlich gesicherten Kreditportfolios der Banken versachlicht und objektiviert wird. So wird lediglich eine Einigung auf die Verfahrensweise und über die Risikogewichtung der einzubringenden Forderungen im Verbund mit den Sicherheiten notwendig. Wird eine geeignete Gewichtung gefunden, so können die Anteile an den Sanierungsbeiträgen auf einfache Art und Weise berechnet werden. Diese Quote dient zur Aufteilung der Sanierungsleistungen, unter anderem bei Verzichten oder bei Neukreditgewährungen. Mit Abschluss eines Poolvertrags unter Banken und eines Sicherheitenabgrenzungsvertrags mit Einbeziehung der Lieferanten und Kreditversicherer lässt sich der Sanierungsprozess von der finanziellen Seite her meist gut absichern. Denn eine große Gefährdung für die finanzwirtschaftliche Gesundung ist, dass einzelne Gläubiger versuchen, ihre Risikoposition einseitig zu verbessern. Aus diesem Grunde ist es bedeutend, dass die Hausbank, in Abstimmung mit dem Krisenunternehmen, die Gespräche mit den übrigen Gläubigern aufnimmt und für alle Stakeholder eine tragbare Lösung erreicht. Es zeigt sich in der Praxis, dass die Bildung eines Bankenpools zur gemeinsamen Kreditgewährung und Risikoteilung unabdingbar für das Gelingen des wirtschaftlichen Turnarounds ist. So ist das schnelle Zustandekommen eines Bankenpools ein wichtiger Erfolgsfaktor einer Sanierung. Dazu ist ein professionelles Management der Poolführerin mit einer Integration aller Beteiligten notwendig, um die Zahlungsfähigkeit und das Eigenkapital mittel- bis langfristig abzusichern (vgl. Emmrich/Titz, 2004, S. 27 ff.). Dies ist eine wesentliche Rahmenbedingung der leistungswirtschaftlichen Sanierung mit einer Umsetzung der produkt- und leistungsbezogenen Neugestaltungsmaßnahmen. Zusammenfassung Abschnitt 4.6.1: In diesem Abschnitt wurde die finanzwirtschaftliche Stabilisierung der Krisenfirma untersucht. Diese kann in der Regel nur durch den Abschluss eines Poolvertrags der Banken mit einer Sicherheitenabgrenzung zu den Lieferanten und Kreditversicherern gelingen. Auf diese Weise werden eine Bindung der Akteure und eine Risikoteilung im Rahmen der Finanzierung erreicht. Problematisch kann es sein, eine Einigung unter den Gläubigern zu finden, wenn neue Kredite zu vergeben sind oder ein Verzicht zu leisten ist. Dann fallen die Vertragsverhandlungen in der Praxis gewöhnlich sehr kontrovers aus. Ein weiterer Bestandteil von Diskussionen ist regelmäßig die Erlösverteilung der Sicherheiten über die Poolquote und die Materialeinsatzquote. Auch in diesem Fall gibt es häufig unterschiedliche Vorstellungen über die genauen Poolquoten. Wichtig für eine faire und stabile Lösung ist es, dass alle Gläubiger gleichmäßig an den Erlösen partizipieren, damit keine Unzufriedenheit aufkommt.

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4 Sanierung aus Bankensicht

4.6.2

Praxisfall zur Poolbildung

Wir befinden uns am Anfang des Jahres xxx2. Als Müller erfährt, dass die Druck GmbH von der Mittelstandsbank AG grundsätzlich als sanierungsfähig und sanierungswürdig eingeschätzt wird, fällt ihm „ein Stein vom Herzen“. Nachdem sich die erste Euphorie gelegt hat, teilt die Mittelstandsbank dem geschäftsführenden Gesellschafter die Voraussetzungen mit, unter denen sich die Hausbank eine weitere Begleitung vorstellen kann. Wesentliche Nebenbedingungen für die weitere Finanzierung sind: 

Müller leistet einen Vorwegbeitrag von 100 TEUR und verzichtet auf die Rückzahlung seiner gesamten Gesellschafterdarlehen. Alle Kreditinstitute verzichten gleichzeitig zunächst für ein Jahr auf jegliche Tilgungen und Tilgungsersatzleistungen.



Müller erklärt sich zu einer Investorlösung bereit, auch wenn dies mit dem Ausscheiden aus der Geschäftsleitung und dem Verlust seiner Unternehmensanteile verbunden ist. Er wird seine Gesellschaftsanteile auf einen zu benennenden Treuhänder übertragen.



Alle Banken schließen einen Sicherheitenpoolvertrag. Die Mittelstandsbank AG wird als Poolführerin bestellt. Der notwendige Verzicht von 500 TEUR und die neu einzuschießenden Finanzmittel von 500 TEUR werden über eine Quote gerecht verteilt.



Die Lieferanten und Kreditversicherer werden in diese Vereinbarung integriert. Es wird ihnen der Abschluss eines Sicherheitenabgrenzungsvertrags angeboten. Im Gegenzug ist die weitere Belieferung zu gleichen Limiten und Konditionen sicherzustellen.



Die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen aus dem Gutachten wird eng durch die Druckereiberatung GmbH begleitet. Zusätzlich wird ein Interimsmanager eingesetzt und ein Lenkungsausschuss zum Sanierungscontrolling im Unternehmen installiert.

Nachdem Müller bekundet, „alles in seinen Möglichkeiten stehende zu tun“, und alle Unterlagen unterschreibt, beschließt die Mittelstandsbank AG unverzüglich eine Sitzung einzuberufen und zunächst nur die beteiligten Banken einzuladen. Den übrigen Kreditinstituten hat das Sanierungsgutachten der Unternehmensberatung ebenfalls seit einiger Zeit vorgelegen, sodass davon auszugehen ist, dass alle anderen Banken bereits ihre Bereitschaft zu einer weiteren Begleitung der Krisenfirma umfassend geprüft haben. Drei Tage nach der Sitzung soll mit den Ergebnissen aus der Bankenrunde das Gespräch mit den Lieferanten und Kreditversicherern aufgenommen werden, um das Verhalten der Warengläubiger zu prüfen. Wichtig erscheint es dem Sanierer der Mittelstandsbank AG, bei der Umsetzung dieser Maßnahmen keine weitere Zeit zu verlieren. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass sich die Krise und drohende Insolvenz in der Branche bereits herumspricht. Somit sind dringend positive Meldungen notwendig, dass das Krisenunternehmen von den Gläubigern unterstützt wird. Die Beantragung einer Landesbürgschaft zur Unterlegung der zusätzlichen Finanzmittel wird aufgrund des engen Zeitrahmens und der erforderlichen EU-Ratifizierung nicht in Betracht gezogen. Der Sanierungsbetreuer der Mittelstandsbank AG analysiert die ihm vorliegenden Unterlagen und bereitet sich eingehend auf die erste Bankenrunde vor. Von Bedeutung ist, dass die übri-

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

215

gen Gläubigerbanken ihre grundsätzliche Bereitschaft zu Sanierungsbeiträgen bekunden und der Abschluss eines Poolvertrags erreicht wird. Anhand des Gläubigerspiegels überprüft der Sanierungsbetreuer die Ausgangslage der übrigen Akteure. Es wird davon ausgegangen, dass alle Kreditlinien voll valutieren. Der Blankoteil der anderen Gläubiger wird von dem Sanierungsbetreuer anhand eigener Bewertungen der Sicherheiten geschätzt. Die folgende Tabelle 4.34 zeigt die Struktur der Engagements aller Gläubiger. Tab. 4.34 Bankenspiegel mit Krediten und Sicherheiten

Gläubiger

Kreditprodukte

Linien/Blanko

Sicherheiten

Kreditinstitute Mittelstandsbank AG

Kontokorrentlinie

3.100/2.900

WÜ, GS, GZ, BÜ

Investitionsdarlehen

2.000/1.200

SÜ, KLV, BÜ, GS

Avallinie

500/500

BÜ, GS

Großbank AG

Kontokorrentlinie

1.500/1.500

Blanko

Ausstiegsbank AG

Kontokorrentlinie

500/500

Blanko

Grundbank AG

Darlehen

5.700/2.000

GS

Solobank AG

Darlehen

300/300

Blanko

Lieferanten Papierlieferant GmbH

Einkaufslinie

1.000

Verlängerter EV

Papierzulieferer KG

Einkaufslinie

800

Verlängerter EV

Farbenlieferant OHG

Einkaufslinie

300

Verlängerter EV

Kreditversicherer Kreditversicherer AG

Warenversicherung

500

Verlängerter EV

Warenversicherer GmbH

Warenversicherung

400

Verlängerter EV

Dem Sanierungsbetreuer liegen zu den verschiedenen Gläubigern weitere Informationen vor, die für die anstehenden Gesprächsrunden von großer Bedeutung sein können: Die Großbank AG hat eine professionelle Sanierungsabteilung. Die Sanierer sind dem Betreuer der Mittelstandsbank aus anderen Fällen, in denen die Großbank AG Poolführerin ist, persönlich bekannt. Die Großbank AG verfolgt in mehreren Kreditfällen das Ziel, ihre Kunden nachhaltig zu sanieren. Zudem möchte die Großbank AG in der Zukunft das Firmenkundengeschäft ausbauen. Bekannt ist jedoch auch, dass diese Bank in einigen Krisenfällen ihre kurzfristigen Linien drastisch gekürzt oder gegen Tilgungen umgeschuldet hat. So hat es vor zwei Monaten eine Demonstration von Mitarbeitern einer insolventen Krisenfirma auf dem Firmengelände der Großbank AG gegeben. Der Bank wurde vorgeworfen, die Insolvenz aktiv durch eine Kreditkündigung provoziert zu haben. Der Reputationsverlust kann unter Umständen für eine Unterstützung der Druck GmbH genutzt werden.

216

4 Sanierung aus Bankensicht

Der Ausstiegsbank AG eilt ihr Ruf als harter Verfechter eigener Interessen voraus. Sanierungsbeiträge werden nur selten geleistet. In Krisenfällen wird in erster Linie versucht, aus den Engagements komplett auszusteigen. Es zeigt sich auch die Bereitschaft, einer Ablösung gegen eine geringe Quote zuzustimmen. Zudem hat der Vorstand die Geschäftpolitik im letzten Jahr geändert. So möchte sich diese Bank dem gehobenen Privatkundengeschäft widmen und aus dem Firmenkundengeschäft komplett zurückzuziehen. Zur Umsetzung dieser Strategie wurde in der Vergangenheit bereits ein umfassendes Firmenkreditportfolio an einen amerikanischen Finanzinvestor verkauft. Aufgrund dieser Geschäftstrategie ist davon auszugehen, dass die Verhandlungen mit dieser Bank schwierig werden. Die Grundbank AG ist ein Realkreditinstitut mit langer Historie. Das Hauptgeschäft umfasst die Finanzierung von Gewerbeobjekten für Großunternehmen und den Mittelstand. In der Vergangenheit hat das Institut mehrfach Unternehmen bei Sanierungen geholfen. Jedoch lautet die Geschäftsdevise, in Krisen möglichst keine neuen Mittel bereitzustellen. Lediglich Tilgungsstundungen wurden in der Vergangenheit häufiger gewährt. Die Grundbank hat zurzeit aufgrund der Finanzmarktkrise mit Refinanzierungsproblemen zu kämpfen. Es ist bekannt, dass bereits einige Kreditengagements zurückgeführt wurden. Aufgrund der schwierigen Geschäftslage ist auch in diesem Fall erhebliche Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Solobank AG hat einen guten Ruf unter der mittelständischen Firmenkundschaft. Nach einigen Jahren der Zurückhaltung ist der Vorstand der Bank bestrebt, das Kreditgeschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen erheblich auszuweiten. In der Vergangenheit wurden bei mehreren Sanierungsfällen erhebliche Unterstützungsbeiträge in Form von zusätzlichen Mitteln und Tilgungsstundungen geleistet. Dem Sanierungsbetreuer der Mittelstandsbank AG ist auch bekannt, dass eine andere Bank in einem Krisenfall abgelöst wurde. Unter Umständen kann es jedoch problematisch sein, dass das bereitgestellte Kreditvolumen nur gering ist und Begehrlichkeiten zu einer Rückführung weckt. Die Papierlieferant GmbH beliefert das Unternehmen bereits seit vielen Jahren. Es hat sich eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung entwickelt. In der jüngsten Vergangenheit hat die Druck GmbH diesem Lieferanten mehrmals in Krisensituationen geholfen. Beide Unternehmen sind in der Wertschöpfungskette miteinander verzahnt. Zudem kennen sich die beiden Geschäftsführer persönlich. Ein Aufrechterhalten der Linien und gegebenenfalls ein Verzicht auf Teile der Forderungen erscheinen daher realisierbar zu sein. Die als Rückversicherer angeschlossene Kreditversicherer AG ist als harter Verhandlungspartner bekannt. Das Risikovolumen ist in Relation zum Geschäftsumfang als hoch einzuschätzen. Über die genauen Versicherungskonditionen ist nichts bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein hohes First Loss Piece durch die Papierlieferant GmbH zu tragen ist. In der Vergangenheit konnte in vergleichbaren Sanierungsfällen ein Stillhalten erreicht werden. Dies ist auch in diesem Fall anzustreben. Es sind jedoch zähe Verhandlungen aufgrund der Risikoposition und der geringen Bindung des Versicherers zu erwarten. Die Papierzulieferer KG ist eine mittelständische Firma in Familienbesitz. Es besteht seit vielen Jahren eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung zu der Druck GmbH. Die Verbindung wurde seinerzeit aufgebaut, um die Abhängigkeit von nur einem Papierlieferanten zu verringern. Das Einkaufsvolumen wurde in den letzten Jahren stetig ausgeweitet. Dieser Lieferant

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

217

drängt stets auf die zeitnahe Begleichung seiner Forderungen. Die Bonität dieses Unternehmens ist als gut zu bezeichnen. Aufgrund der wirtschaftlichen Stärke erscheint nur das Erreichen einer Belieferung zu bisherigen Konditionen möglich zu sein. Die Warenversicherer AG versichert als angeschlossener Kreditversicherer die gelieferten Rohstoffe der Papierzulieferer KG gegen potenzielle Forderungsausfallrisiken. Der Versicherer hat sich auf die Papierbranche spezialisiert. Es bestehen gute Geschäftsverbindungen zu namhaften Lieferanten. Über die genauen Konditionen der Versicherung liegen keine weiteren Informationen vor. Aufgrund guter Geschäftskontakte zu anderen Papierlieferanten kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Rückversicherer bereits von den wirtschaftlichen Problemen der Druck GmbH Kenntnis erhalten und seine Linien gekürzt hat. Die Farbenlieferant OHG ist regionaler Marktführer bei der Belieferung von Unternehmen der Druckindustrie mit Farben. Die Geschäftsbeziehung wurde in der Vergangenheit ausgebaut. Mittlerweile ist die Druck GmbH einer der Großkunden der OHG. Die Verbindung ist freundschaftlich geprägt, da die Druck GmbH der Firma vor zwei Jahren stark geholfen hat. Der Geschäftsführer der Farbenlieferant OHG hat bereits signalisiert, Unterstützungsbeiträge zu leisten, wenn die Banken ebenfalls zu Einschnitten bereit sind. Ein teilweiser Forderungsverzicht und eine weitere Belieferung erscheinen realistisch zu sein. Die übrigen Anteilseigner, die Druckmaschinen AG und die Beteiligungs AG, konnten nach ersten Gesprächen, trotz ihrer Gesellschafterstellung zu keinen Sanierungsbeiträgen bewegt werden. Beide Parteien waren jedoch bereit, ihre Firmenanteile an der Druck GmbH auf einen Treuhänder zu übertragen, um auf diese Weise eine Investorlösung zu ermöglichen. Die Generierung zusätzlicher Sanierungsbeiträge soll aus Sicht der Mittelstandsbank AG nicht weiterverfolgt werden, da die Bank selbst mit 5 % an der Druck GmbH beteiligt ist. Den anderen Instituten ist die Beteiligung bislang nicht aufgefallen. Daher ist unverzüglich geplant, die Geschäftsanteile an einen Treuhänder abzugeben. Dem Sanierungsbetreuer der Mittelstands AG wird deutlich, dass sich das Unternehmen und die Hausbank auf schwierige Verhandlungen einzustellen haben. Er berät sich daher mit seinen Kollegen über die künftige Vorgehensweise. Zudem nimmt er Kontakt zu Müller und zum verantwortlichen Berater der Druckereiberatung GmbH auf. Gemeinsam wird beschlossen, dass die Gespräche durch den Unternehmensberater geleitet werden. Dieser hat bereits Erfahrung aus vielen Bankenrunden und sieht sich in der Lage, die Gläubiger zu einer weiteren Begleitung im Rahmen eines Poolvertrags zu überzeugen. Als neutraler Akteur hat er den Vorteil, dass er von den Gläubigern als unbefangen angesehen wird. Aufgabenstellungen 1

Welche Strategie sollte die Mittelstandsbank AG anwenden, um die weiteren kreditgebenden Banken zu den Sanierungsbeiträgen zu bewegen?

2

Auf welche Art und Weise lassen sich die Lieferanten und insbesondere die Kreditversicherer zum Stillhalten bewegen?

3

Wie sieht eine mögliche Poollösung in der Umsetzung mit der Vertragsgestaltung und der Verteilung von Sanierungsbeiträgen aus?

218

4 Sanierung aus Bankensicht

4.6.3 1

Lösung des Praxisfalls zur Poolbildung

Welche Strategie sollte die Mittelstandsbank AG anwenden, um die weiteren kreditgebenden Banken zu den Sanierungsbeiträgen zu bewegen?

Der Betreuer der Mittelstandsbank AG sollte zunächst systematisch die Positionen der weiteren Banken analysieren und auf dieser Basis versuchen, deren erwartete Verhaltensweisen zu antizipieren. Auf Basis dieser Einschätzungen kann der Sanierungsbetreuer alternative Strategien vorbereiten, um die übrigen Banken zu einer Poollösung und den erforderlichen Sanierungsbeiträgen zu überzeugen. Kriterien, die das Verhalten der übrigen Banken bei einem Krisenfall beeinflussen können, sind unter anderem: 

Kreditrisikostrategie: Strategische Risikoausrichtung der Kreditinstitute



Kreditprodukt: Kreditarten und vertragliche Kündigungsmöglichkeiten



Kreditvolumen und Blankoteil: Risikoposition der Kreditinstitute



Sicherheitenposition: Sicherheitengattungen und -bewertungen



Sonstiges: Verhaltensweisen bei anderen Sanierungsfällen

Die Handlungsalternativen der Banken können positive Sanierungsunterstützungen bedeuten, wie zum Beispiel eine Neukreditvergabe oder Tilgungsstundung, die eine Sanierung fördern. Es können jedoch auch Maßnahmen ergriffen werden, die eine finanzielle Gesundung beeinträchtigen. Folgende finanzwirtschaftliche Maßnahmen können von den Kreditinstituten beispielsweise in Betracht gezogen werden: 

Neukreditvergabe



Verzichte oder Teilverzichte



Zins- oder Tilgungsstundungen



Leistung des vertraglich vereinbarten Kapitaldienstes



Einfordern von Sondertilgungen und Gebühren



Nachbesicherungen



Kündigung von einzelnen Krediten oder des gesamten Engagements



Verkauf der Forderungen

Um sich ein Bild über die Gesamtlage zu verschaffen, beschließt der Sanierungsbetreuer, die Position jeder einzelnen Bank zu analysieren und ein Tableau mit den wesentlichen Kriterien und Verhaltensausprägungen der Banken aufzubauen. Zudem sollen Bedrohungen und mögliche Gegenmaßnahmen erarbeitet werden. Abschließend ist die Strategie zum Umgang mit dem Verhandlungspartner abzustimmen, um eine maximale Unterstützung zu erreichen. Für die Großbank AG ergibt sich in Tabelle 4.35 folgendes Bild.

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

219

Tab. 4.35 Charakteristika der Großbank AG

Großbank AG Kriterien

Ausprägungen

Kreditrisikostrategie

Risikosensitiv, professionelle Sanierungsabteilung

Kreditprodukt

Kontokorrentlinie bis auf weiteres

Kreditvolumen und Blankoteil

Mittleres Kreditvolumen relativ zur Größe der Bank

Sicherheitenposition

Schwache Sicherheitenlage

Sonstiges

Bank steht in weiteren Sanierungsfällen in Kontakt mit

Mögliche Bedrohungen

Maßnahmen

Kündigung, Reduzierung der Kreditlinie

Anbieten von Sicherheiten bei Poollösung

Umschuldung mit Tilgung, Anhebung Konditionen

Druck ausüben bei anderen Krisenengagements

Begleitung von mehreren Sanierungen Keine Befristung Hoher Blankoteil in Bezug auf das Kreditvolumen Nachbesicherung wird unter Umständen angestrebt der Mittelstandsbank AG

Verbündeter Partner aufgrund von Erfahrungen

Fazit mit Einschätzung

Einigung zur Poolbildung erreichbar Neukredit und Teilverzicht möglich  Koalition bilden

Wichtig ist es von Seiten der Mittelstandsbank AG, die Großbank AG als Verbündeten zur Unterstützung des Krisenunternehmens zu gewinnen. Es ist zu versuchen, dieses im Rahmen einer Einigungslösung zu erreichen, ohne die Ausübung von Druck. Angeboten werden kann der Großbank AG aufgrund ihrer schwachen Sicherheitenlage eine Beteiligung an den variablen Sicherheiten des Umlaufvermögens, insbesondere an der Globalzession und der Warensicherungsübereignung. Aufgrund der hohen Kontokorrentlinie ist die Großbank AG unbedingt in eine Poollösung mit einzubinden, um die Sicherung der laufenden Liquidität zu gewährleisten. Dies ist auch der Hebel, an dem anzusetzen ist, denn das Blankorisiko ist für diese Bank sehr hoch. Daher sollte zusätzlich auch ein Verzicht durchgesetzt werden, um das Eigenkapital der Druck GmbH langfristig zu stabilisieren. Die Strategie zur Einbindung dieser Bank lautet: Koalition bilden. Die Ausstiegsbank AG wird als sehr problematisch in Bezug auf ihre erwartete Handlungsstrategie eingeschätzt. In der Vergangenheit sind mehrere Sanierungen gescheitert, weil sich diese Bank jeglichem Sanierungsbeitrag verwehrt hat. So wurden in anderen Fällen die kurzfristigen Kontokorrentlinien plötzlich gekündigt. Die Kürzungen wurden den anderen beteiligten Banken in der Regel nicht mitgeteilt. Das Kreditvolumen wird zudem in Bezug auf die Größe der Bank als sehr gering eingeschätzt. Dies lässt auf die Wahl der Ausstiegsalternative schließen. Zudem hat sich die Geschäftspolitik der Bank verändert. So wurde vom Vorstand dieser Bank eine Abkehr vom Firmenkundengeschäft und der Ausweitung des Geschäfts mit

220

4 Sanierung aus Bankensicht

vermögenden Privatkunden verkündet. Die nachfolgende Tabelle 4.36 liefert einen Überblick über das prognostizierte Verhalten der Ausstiegsbank AG. Tab. 4.36 Charakteristika der Ausstiegsbank AG

Ausstiegsbank AG Kriterien

Ausprägungen

Kreditrisikostrategie

Keine Begleitung von Krisenunternehmen

Kreditprodukt

Kontokorrent blanko

Kreditvolumen und Blankoteil

Geringes Kreditvolumen für die Größe der Bank

Sicherheitenposition

Schwache Sicherheitenlage

Sonstiges

Abbaustrategie bei Problemkrediten

Mögliche Bedrohungen

Maßnahmen

Kündigung

Überzeugen aufgrund schwacher Absicherung

Reduzierung der Kreditlinie

Gegebenenfalls Ablösung gegen geringe Quote

Ausstieg aus dem Firmenkundengeschäft Befristung nicht bekannt Blankoteil nicht von Bedeutung Sicherheiten nicht von Interesse Verkauf Problemkredite an ausländischen Investoren

Schwer in eine Sanierung einzubinden

Fazit mit Einschätzung

Kreditvolumen muss aufgefangen werden Ablösung gegen geringe Quote anzustreben  Rückzug vermeiden

Zunächst sollte mit Unterstützung der anderen Banken versucht werden diesen Akteur in die Sanierung einzubinden. Eine Maßnahme zur Vermeidung des Rückzugs besteht im Anbieten einer Beteiligung an den Kreditsicherheiten. Alternativ soll eine Ablösung offeriert werden, wenn die Bedingungen angemessen sind. Von der Ausstiegsbank AG wurde eine Quote von 60 % genannt. Es ist zu versuchen, diese Quote mit dem Hinweis auf den potenziellen Ausfall weiter abzusenken. Problematisch ist, dass das Kreditvolumen durch eine oder mehrere Banken aufgefangen werden muss. Unter Umständen ist die Solobank AG aufgrund ihrer aggressiven Volumenstrategie bereit, das Kreditvolumen der Ausstiegsbank AG gegen eine angemessene Quote zu übernehmen. Im Zweifel sind die Mittel auf die anderen Institute aufzuteilen. Die anzustrebende Strategie lautet: Rückzug vermeiden. Die Grundbank AG hat das neue Gewerbeobjekt finanziert und sich bislang nicht so sehr für das operative Geschäft der Druck GmbH interessiert. Da der Kapitaldienst immer geleistet wurde, könnte dieses Institut von der Krise überrascht worden sein. Bei der Grundbank AG bestehen insgesamt gute Chancen, diese in eine Sanierung mit einzubinden. Die Bereitschaft zu Tilgungsstundungen wird als durchsetzbar angesehen. Die Beteiligung an einem Verzicht

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

221

erscheint im Hinblick auf die schwache Sicherheit an dem Spezialgewerbeobjekt möglich zu sein. Bei der Grundbank AG ergibt sich gemäß Tabelle 4.37 folgendes Bild. Tab. 4.37 Charakteristika der Grundbank AG

Grundbank AG Kriterien

Ausprägungen

Kreditrisikostrategie

Bislang geringe aktive Sanierungserfahrung

Kreditprodukt

Grundbuchlich gesicherter Kredit

Kreditvolumen und Blankoteil

Mittleres Kreditvolumen für die Größe der Bank

Sicherheitenposition

Absicherung auf der Gewerbeimmobilie

Sonstiges

Keine aggressive Marktstrategie

Mögliche Bedrohungen

Maßnahmen

Außerordentliche Kündigung

Überzeugen, aufgrund schwacher Absicherung

Einforderung der Regeltilgungen

Druck durch die Öffentlichkeit

Grundsätzlich Begleitung von Krisenunternehmen Lange Laufzeit und Zinsbindung Hoher geschätzter Blankoteil Schlechte Verwertungsaussicht, da Spezialobjekt Bank stützt Sanierungen mit Tilgungsstundungen

Einbindung über Tilgungsstundungen

Fazit mit Einschätzung

Neues Geld nicht durchsetzbar Gegebenenfalls Teilverzicht möglich  Überzeugen und einbinden

Die Grundbank wird aufgrund der bisherigen Kreditstrategie als kooperativer Verhandlungspartner angesehen. Aufgrund der Bereitstellung eines langfristigen Darlehens mit einer Vertragsbindung und einer schwachen Absicherungsbasis auf einem Spezialobjekt erscheint die Gewinnung dieses Instituts für Sanierungsbeiträge möglich zu sein. Es soll in erster Linie erreicht werden, das Kreditinstitut zu langfristigen Tilgungsstundungen zu bewegen. Zudem ist möglichst ein Verzicht zur Stützung des Kapitals anzustreben. Die festgelegte Strategie lautet in diesem Fall: Überzeugen und einbinden. Das Verhalten der Solobank AG wird insgesamt als unproblematisch angesehen. Interessant ist die Kreditstrategie dieses Instituts. So ist vom Vorstand geplant das Kreditvolumen im Mittelstand erheblich auszuweiten. Bisher wird nur ein Darlehen mit geringem Umfang bereitgestellt. Wichtig ist es, dieses Kreditinstitut neben Tilgungsstundungen zu weiteren Sanierungsbeiträgen zu gewinnen. Es wird einen schwierigen Teil der Verhandlungen darstellen. So ist anzustreben, dass diese Bank den Kontokorrentkredit der Ausstiegsbank AG komplett übernimmt oder zumindest teilweise in die Ablösung eingebunden wird. Es ergibt sich in folgender Tabelle 4.38 die Einschätzung des Verhaltens der Solobank AG.

222

4 Sanierung aus Bankensicht

Tab. 4.38 Charakteristika der Solobank AG

Solobank AG Kriterien

Ausprägungen

Kreditrisikostrategie

Starke Mittelstandsorientierung

Kreditprodukt

Tilgungsdarlehen

Kreditvolumen und Blankoteil

Mittleres Kreditvolumen für die Größe der Bank

Sicherheitenposition

Keine Sicherheiten

Sonstiges

Bank unterstützt Sanierungen häufig

Mögliche Bedrohungen

Maßnahmen

Außerordentliche Kündigung

Überzeugen mit Ausrichtung auf den Mittelstand

Einforderung der Regeltilgungen

Beteiligung an den Sicherheiten

Expansion im Firmenkundengeschäft Befristung nicht bekannt Hoher Blankoteil in Bezug auf das Kreditvolumen Nachbesicherung angestrebt Gewährung Tilgungsstundungen und neues Geld

Einbindung über Tilgungsstundungen

Fazit mit Einschätzung

Teilverzicht nicht möglich Ablösung der Ausstiegsbank AG erreichen  Überzeugen und einbinden

Auch die Solobank AG ist von den Sanierungsbeiträgen zu überzeugen und in die Sanierung einzubinden. Die Strategie lautet: Überzeugen und einbinden. Nachdem der Sanierungsbetreuer der Mittelstandsbank AG die Kernpositionen der einzelnen Kreditinstitute analysiert hat, ergibt sich in Tabelle 4.39 folgender Gesamtüberblick über die möglichen Sanierungsbeiträge aller Kreditinstitute. Tab. 4.39 Einschätzung der Kreditinstitute

Kreditinstitute

Tilgungsstundung

Neue Mittel

Verzicht

Mittelstandsbank AG

Ja, bei einer Poollösung

Ja, bei einer Poollösung

Ja, bei einer Poollösung

Großbank AG

Keine Darlehen

Ja, bei einer Poollösung

Ja, bei einer Poollösung

Ausstiegsbank AG

Ablösung

Ablösung

Ablösung

Grundbank AG

Ja, bei einer Poollösung

Nein

Unter Umständen

Solobank AG

Ja, bei einer Poollösung

Unter Umständen

Nicht möglich

Neben den Sanierungsbeiträgen ist der Poolvertrag genauer auszugestalten. Es ist zu untersuchen, ob es sinnvoll ist, die Kredite in mehrere Gruppierungen aufzuteilen. Dabei besteht die

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

223

Möglichkeit eine Trennung gemäß den Laufzeiten nach Kurzfrist- und Langfristkrediten vorzunehmen. Zudem kann eine Differenzierung hinsichtlich der Kreditarten erfolgen. Es kann unter anderem darüber entschieden werden, ob Kontokorrentlinien und Avallinien gemischt oder getrennt in den Poolvertrag mit aufgenommen werden. In diesem Fall erscheint eine Poolbildung unter den Kreditinstituten, die Kontokorrentlinien gewähren, sinnvoll zu sein, da lediglich in diesem Bereich Gefahren eines einseitigen Rückzugs bestehen und ausschließlich in diesem Segment Sicherheiten zu poolen sind. Die übrigen Banken, die Darlehen bereitstellen, befinden sich in festen Vereinbarungen mit der Firma. Sie haben bereits erklärt, eine Aussetzung der Tilgungen beziehungsweise der Tilgungsersatzleistungen und notwendige Forderungsverzichte wohlwollend zu prüfen. Voraussetzung für das Mitgehen aller Banken ist, dass mit den Lieferanten und den Kreditversicherern eine Stillhaltevereinbarung getroffen werden kann. Versucht werden sollte, die Lieferanten in die Verzichtslösung zu integrieren, damit der Forderungsverzicht weiter aufteilt und damit tragbar wird. Der Verzicht sollte mit einem Besserungsschein ausgestaltet werden. Diese Erklärung verpflichtet den Schuldner bei einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse, Zahlungen auf die erlassenen Forderungen zu leisten. Dabei ist auf eine genau spezifizierte Ausgestaltung des Maßstabs einer wirtschaftlichen Erholung und der zu erbringenden Leistungen zu achten. Einem Besserungsschein kommt aufgrund der auch in der Zukunft geringen Zahlungsaussichten weniger eine materielle als vielmehr eine psychologische Bedeutung zu (vgl. Lauer, 2005, S. 238 ff.). In den Sanierungsverhandlungen werden kontroverse Meinungen aufeinander treffen. Wichtig ist es aus Sicht der Mittelstandsbank AG, sich starke Verbündete in jeder Gläubigergruppe zu suchen, um auf diesem Weg die geplante Sanierungsstrategie durchzusetzen. Dabei ist den übrigen Parteien klarzumachen, dass die Gesundung nur gelingen kann, wenn die Finanzierung über den gesamten Sanierungsprozess abgesichert wird und alle Akteure dazu ihre Beiträge leisten. Eine stabile finanzielle Lösung mit einer Selbstbindung der Banken kann nur über den Abschluss eines Poolvertrags erreicht werden. Weiter ist problematisch, dass die geplanten Poolsicherheiten in Form der Warensicherungsübereignung und der Globalzession mit den Sicherungsrechten der Lieferanten und Warenkreditversicherer aus erweitertem und verlängertem Eigentumsvorbehalt kollidieren können. Diese Problematik sorgt häufig für erhebliche Unruhe unter den Lieferanten und den Kreditversicherern, da diese Parteien ihre Rechte in einer Sanierung potenziell beeinträchtigt sehen. Um einen Rückzug der Lieferanten und Kreditversicherer zu vermeiden, sind diese über eine Sicherheitenabgrenzung in die Sanierung vertraglich fest mit einzubinden. 2

Auf welche Art und Weise lassen sich die Lieferanten und insbesondere die Kreditversicherer zum Stillhalten bewegen?

In Sanierungsfällen ist es oft problematisch die Lieferanten und Kreditversicherer zu einem Stillhalten zu bewegen. Ursachen sind die schlechte Risikoposition der Lieferanten und eine meist geringe Kundenbindung der Kreditversicherer. Des Weiteren besteht die Problematik der Kollision von Sicherungsrechten mit denen der Banken, insbesondere bei der Globalzession und der Warensicherungsübereignung. Zudem werden gelieferte Rohstoffe meist unverzüglich verarbeitet und die Rohware geht unter.

224

4 Sanierung aus Bankensicht

In einer Insolvenz erleiden Lieferanten und Kreditversicherer daher regelmäßig hohe Ausfälle. Aus diesem Grund sollten die an der Poollösung mitwirkenden Banken, die auch die Sicherheiten des Umlaufvermögens halten, den Lieferanten und den Kreditversichern den Abschluss eines Sicherheitenabgrenzungsvertrags anbieten. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, diese für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs wichtigen Akteure vertraglich zu binden. Dabei sind die folgenden Punkte mit den Gläubigern auszuhandeln: 

Fortbestand der Sicherungsrechte der Lieferanten und Kreditversicherer neben den im Abgrenzungsvertrag begründeten Rechten. Das heißt die Warengläubiger partizipieren durch die Vereinbarung zusätzlich an Sicherungsrechten, die ursprünglich allein für die Kreditinstitute vorgesehen waren.



Bestimmung der Materialeinsatzquote mit der Definition einer Quote, zu der die Nettoverwertungserlöse aufgeteilt werden. Anhaltpunkt für die Festlegung dieses Anteils ist die Wertschöpfung, die im Unternehmen geleistet wird. Die Erlösverteilung folgt damit der Verarbeitungsstufe der Produkte.



Aufrechterhaltung der Lieferkonditionen mit einer Verpflichtung der Lieferanten und Kreditversicherer, ihre Einkaufslinien und Versicherungslimite zu unveränderten Konditionen weiter aufrechtzuerhalten. Wichtig ist es, dass die Limite nicht abgebaut und die Zahlungsbedingungen nicht verschärft werden.

Als Grundlage zur Berechnung der Materialeinsatzquote kann der Jahresabschluss herangezogen werden. Demnach beträgt die Materialeinsatzquote bei Endprodukten durchschnittlich 55 %, gemäß dem Jahresabschluss per xxx1. Bei Vereinbarung dieser Quote werden im Fall einer Verwertung 55 % der Nettoerlöse aus den Endprodukten auf die Lieferanten und Kreditversicherer und 45 % auf die Kreditinstitute verteilt. Durch den Abschluss des Sicherheitenabgrenzungsvertrags werden die Lieferanten und Kreditversicherer nicht schlechter gestellt. So werden Rohstoffe, Halbfabrikate und Waren, die ausgesondert werden können, von den Regelungen dieses Vertrags nicht berührt. Lediglich verarbeitete Güter und die daraus entstehenden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen werden im Verwertungsfall aufgeteilt. Dies dient der Klarheit einer späteren Erlösverteilung in der Insolvenz. Auf diese Weise kann es gelingen, alle Lieferanten und Kreditversicherer in dieser Phase der Sanierung zum Stillhalten zu bewegen. Zusätzlich ist hier zu versuchen, die Lieferanten aufgrund der Kundenbindung zu einem Verzicht zu überzeugen. 3

Wie sieht eine mögliche Poollösung in der Umsetzung mit der Vertragsgestaltung und der Verteilung von Sanierungsbeiträgen aus?

Die Erarbeitung eines Sicherheitenpoolvertrags mit einem zusätzlichen Sicherheitenabgrenzungsvertrag ist komplex, da sich Banken, Lieferanten und Kreditversicherer auf einheitliche Vertragsbedingungen einigen müssen. Dies gelingt aufgrund der unterschiedlichen Standardverträge in den einzelnen Häusern in der Regel erst nach einigen Verhandlungsrunden. Hier einigen sich die potenziellen Poolbanken unter Gremienvorbehalt darauf, dass die Kontokorrentlinien in den Vertrag einbezogen werden sollen. Als Sicherheiten sind die Warensicherungsübereignung und die Globalzession vorgesehen.

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

225

Alle Kreditinstitute, die Darlehen bereitstellen, haben sich zudem unter Konsortialvorbehalt bereit erklärt Tilgungsstunden zunächst für ein Jahr zu bewilligen. Zudem einigt sich die Solobank AG mit Ausstiegsbank AG auf eine Ablösequote von 60 %. Damit werden Nominalforderungen der Ausstiegsbank AG von 500 TEUR für nur 300 TEUR verkauft. Im Außenverhältnis zur Druck GmbH hat dieser Quotenverkauf keine Auswirkung, da die nominellen Forderungen buchmäßig in gleicher Höhe bestehen bleiben. Das Kreditengagement bei der Solobank AG erhöht sich somit um 500 TEUR auf 800 TEUR. Weitaus schwieriger gestaltet sich die Umsetzung der materiellen Sanierungshilfen. So sind die finanziellen Unterstützungsbeiträge auf die restlichen Gläubiger angemessen aufzuteilen, damit sich einzelne Akteure nicht benachteiligt fühlen. Es sind in diesem Fall zu klären: 

Vergabe neuer Mittel über 500 TEUR: Verteilung auf die begleitenden Banken



Verzicht über 500 TEUR: Aufteilung des Verzichts auf Banken und Lieferanten

Die restlichen Gläubiger einigen sich nach langer Diskussion darauf, über ein Gewichtungsverfahren eine gerechte Lösung für die Bereitstellung der neuen Mittel und die Aufteilung des Verzichts zu finden. Die Solobank AG ist aufgrund der bereits unter strengem Konsortialvorbehalt signalisierten Ablösung nicht mehr in weitere Sanierungsbeiträge einzubeziehen, aber dennoch im Poolvertrag als Mitglied zu berücksichtigen. Die Ausstiegsbank AG scheidet aufgrund der geplanten Ablösung aus. Die Grundbank AG erklärt sich zu einem Teilverzicht bereit. Die Lieferanten der Druck GmbH sollen aufgrund der langjährigen Geschäftsbeziehung mit angemessenen Beiträgen in die Verzichtslösung eingebunden werden. Sie haben dazu bereits ihr grundsätzliches Einverständnis erklärt. Die Gläubiger beschließen aufgrund des Zeitdrucks die Anwendung eines festen Ablaufverfahrens zur Ermittlung der Quoten für die Neukreditvergabe und den Forderungsverzicht: Im ersten Schritt wird entschieden, dass alle Kredite und Sicherheiten in die Bemessung einbezogen werden sollen. Im zweiten Schritt wird festgelegt, dass Basis für die Berechnung von Verzichten und einer Neukreditvergabe das Forderungsvolumen ist, zunächst ohne Einbezug von Sicherheiten. Im dritten Schritt werden die einzelnen Kreditarten in Kombination mit den zugehörigen Sicherheiten, die bei den Kreditinstituten, Lieferanten und Kreditversicherern bestehen, auf einer Skala gewichtet. Auf diese Weise kommt die unterschiedliche Wertigkeit der Kredite in Kombination mit den eingebrachten Sicherheiten und das Ausfallrisiko des Gesamtengagements der Akteure zum Ausdruck. Die Gläubiger legen eine Bewertungsskala von 1–10 für ihre unterschiedlich gesicherten Kreditarten wie folgt fest: Unbesicherter Kontokorrent

10

Besicherter Kontokorrent

8

Besicherte Kreditlinie der Lieferanten

5

Besicherte Investitionsdarlehen

5

Grundbuchlich besicherte Darlehen

3

Besicherte Avallinien

3

226

4 Sanierung aus Bankensicht

Aufgrund der Risikogewichtung lassen sich die Quoten und daraus abgeleitet die neuen Mittel und Verzichte errechnen. Es wird davon ausgegangen, dass jegliche Erträge der Druck GmbH aus Kapitalverzichten über Verlustvorträge der Vorjahre steuerlich aufgefangen werden können. Die folgende Tabelle 3.40 zeigt das Ergebnis der Berechnungen. Tab. 4.40 Poollösung mit Risikogewichtungsverfahren

Gläubiger

Kredite/Quote/Neue Mittel

Kredite/Quote/Verzicht

Mittelstandsbank AG

36.300/71 %/355

36.300/46 %/230

Großbank AG

15.000/29 %/145

15.000/19 %/95

Grundbank AG

Nein

17.100/22 %/110

Papierlieferant GmbH

Nein

5.000/6 %/30

Papierzulieferer KG

Nein

4.000/5 %/25

Farbenlieferant OHG

Nein

1.500/2 %/10

Sanierungsbeitrag:

500

500

Die ermittelten Quoten weichen von denen des Bankenpoolvertrags ab, da im Poolvertrag die Kredite der Solobank AG mit einbezogen und die Poolquoten nach den bereitgestellten Kontokorrentlinien ermittelt werden. Bei der Mittelstandsbank AG wird die Entscheidung getroffen, den Verzicht beim Darlehen zu leisten und die Kontokorrentlinie aufzustocken. Vorteile dieses Verzichts liegen in einem höheren Zinsertrag und einer gestiegene Quote an den vereinbarten Poolsicherheiten. Bei der Großbank AG wird das Engagement aufgestockt und der Verzicht bei den Soll-Inanspruchnahmen im Kontokorrent geleistet. Damit ergibt sich gemäß nachfolgender Tabelle 4.41 der veränderte Bankenspiegel. Tab. 4.41 Bankenspiegel nach Sanierungsmaßnahmen

Gläubiger

Kreditprodukte

Linien in TEUR

Sicherheiten

Kreditinstitute Mittelstandsbank AG

Kontokorrentlinie (Pool)

3.455

Poolsicherheiten, SÜ, GZ

Investitionsdarlehen

1.770

SÜ, KLV, BÜ, GS

Avallinie

500

BÜ, GS

Großbank AG

Kontokorrentlinie (Pool)

1.645

Poolsicherheiten, SÜ, GZ

Grundbank AG

Darlehen

5.590

GS

Solobank AG

Kontokorrentlinie (Pool)

500

Poolsicherheiten, SÜ, GZ

Darlehen

300

Blanko

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

227

Da die Poolsicherheiten nun allen Kreditinstituten zur Verfügung stehen ist eine Gewichtung nicht mehr notwendig. Die Banken einigen sich darauf, dass die Poolquote der Kontokorrentlinien in Relation zu den gesamten Poolkrediten berechnet wird und sich wie folgt ergibt: 

Mittelstandsbank AG

 Poollinien 3.455 TEUR

 Poolquote 61,70 %



Großbank AG

 Poollinien 1.645 TEUR

 Poolquote 29,40 %



Solobank AG

 Poollinien 500 TEUR

 Poolquote 8,90 %

Voraussetzungen für diese Poollösung ist die Bereitschaft von Müller, vorab Finanzmittel in Höhe von 100 TEUR einzuschießen. Gleichermaßen wird von den Banken erklärt, dass alle Beiträge der Kurzfristkreditgeber unter strengem Konsortialvorbehalt geleistet werden. So ist eine wesentliche Voraussetzung, dass die Lieferanten und Warenkreditversicherer die Sanierung begleiten, die oben genannten Kapitalverzichte leisten und sich zudem vertraglich dazu verpflichten, ihre Lieferbereitschaft auf Basis bestehender Konditionen aufrechtzuerhalten. Als Poolsicherheiten stehen die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und die Warensicherungsübereignung zur Verfügung. Diese sind quotal auf die beteiligten Poolbanken aufzuteilen. Die Lieferanten und Kreditversicherer partizipieren an den Verwertungserlösen in einer Insolvenz aufgrund des Sicherheitenabgrenzungsvertrags. Damit besteht auch für diese Akteure Verwertungssicherheit bei der Verarbeitung oder Vermischung von Lieferungen und den Kollisionen von Sicherungsrechten mit denen der Kreditinstitute.

6. Sanierungsregel: In einer eingeleiteten Sanierung sind möglichst alle Gläubiger zu einer Poollösung mit dem zusätzlichen Abschluss einer Sicherheitenabgrenzungsvereinbarung zu gewinnen, um die finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Sanierung vertraglich abzusichern und die Risiken auf viele Parteien quotal gleich zu verteilen.

Erläuterung der 6. Sanierungsregel Die Umsetzung der leistungswirtschaftlichen Sanierung kann erst beginnen, wenn die finanziellen Rahmenbedingungen abgesichert sind. Dabei ist zu vermeiden, dass einzelne Gläubiger isoliert Schritte zur Absenkung ihres Risikos vornehmen. Dies erfordert die schriftliche Vereinbarung im Rahmen eines Sicherheitenpoolvertrags. Mit diesem Vertrag gelingt es zum einen, die vorhandenen Sicherheiten in einer Sanierung neu zu strukturieren und zum anderen, die Poolbanken zu binden und schädigende Handlungen zu vermeiden. Über diese Ausgestaltung steigt der Informationstransfer zwischen den Poolpartnern und gleichzeitig wächst das Vertrauen. Zusätzlich ist der Ausstieg der Lieferanten und Kreditversicherer zu verhindern. Denn wenn Lieferanten nur noch gegen Vorkasse liefern oder die Warenkreditversicherer ihre Linien kürzen, wird die Liquidität belastet und der Gesundungsprozess kann scheitern. Die Integration der Warengläubiger gelingt mit dem Abschluss einer Abgrenzungsvereinbarung. Durch diese Regelung werden Kollisionen von Sicherheitenrechten ausgeräumt und es wird Klarheit für den Fall einer Verwertung geschaffen.

228

4 Sanierung aus Bankensicht

4.6.4

Empirische Ergebnisse zur Sicherheitenpoolbildung

Die Poolbildung ist gerade bei einem zersplitterten und heterogenen Gläubigerkreis in einer Sanierung notwendig. Von 48 % der Befragten wird der Abschluss eines Sicherheitenpoolvertrags als wichtig für den späteren Sanierungserfolg angesehen. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2003 wurde die Bedeutung für den Turnaround seinerzeit noch höher bewertet (vgl. Wieselhuber & Partner, 2004, S. 27 ff.). Im damaligen Untersuchungssample waren jedoch verstärkt große Banken vertreten, die dieses Instrument in der Praxis häufiger einsetzen. Die Bedeutung eines Sicherheitenpoolvertrags wird von Privatbanken (63 %), gefolgt von Sparkassen und Landesbanken (47 %), Volks- und Raiffeisenbanken inklusive der Spitzeninstitute (39 %) und den Spezialbanken (27 %) als wichtig eingestuft. Rund 78 % der Befragten aus großen Instituten, etwa 44 % aus mittleren und rund 32 % aus kleinen Banken schätzen den Sicherheitenpoolvertrag als wichtiges Instrument für den Sanierungserfolg ein. Diese Reihenfolge mit den wenigen Nennungen in kleinen Banken kann mit der oft geringen Unternehmensgröße betreuter Sanierungsfälle in Zusammenhang stehen. Poolverträge werden oft erst bei mittleren und großen Sanierungsfällen notwendig, die überproportional von mittleren und großen Banken begleitet werden. Als Störfaktoren der Poolbildung werden eine hohe Anzahl von Kreditinstituten und das Vorhandensein gut besicherter Institute sowie kleiner Nebenbanken gesehen, wie folgende Abbildung 4.54 zeigt.

Welche Gläubiger und Gegebenheiten können eine Sicherheitenpoolbildung behindern?

77%

Hohe Anzahl Banken

72%

Gut besicherte Institute 61%

Nebenbanken 34%

Ausländische Banken

27%

Kreditversicherer

25%

Lieferanten

19%

Spezialbanken 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Mehrfachnennungen möglich

Abb. 4.54 Störfaktoren bei der Poolbildung

70%

80%

90%

100%

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

229

Auf der Bedeutungsskala liegen die ersten drei Störmerkmale über alle Banksektoren hinweg überwiegend auf den ersten drei Rängen. Lediglich von den Antwortenden aus Spezialinstituten werden Probleme mit ausländischen Banken als hindernder Faktor häufiger genannt als Schwierigkeiten mit Nebenbanken, die nur geringe Kreditvolumina aufweisen. Auf den hinteren Rängen wird die Reihenfolge weitgehend eingehalten. Jedoch wird von den Befragten aus Sparkassen und Landesbanken die Behinderung der Poolbildung durch Kreditversicherer häufig noch vor Problemen mit ausländischen Banken gesehen. Nach der Bankengröße wird die Rangfolge der Nennungen im Wesentlichen bestätigt. Lediglich von kleinen Banken ergibt sich eine Verschiebung auf den ersten beiden Plätzen. Somit werden Störungen bei der Sicherheitenpoolbildung durch das Vorhandensein gut besicherter Institute von den Befragten häufiger als bedeutend angesehen als Probleme aufgrund einer umfangreichen Anzahl von Banken. Prozentual werden auch Hindernisse durch ausländische Banken von großen Instituten überwiegend als bedeutend angesehen. Dies hängt unter Umständen mit dem Klientel großer Sanierungsengagements zusammen, bei denen oftmals auch ausländische Banken involviert sind. Besondere Probleme mit Lieferanten und Kreditversicherern bei einer Poolbildung werden dagegen gerade in kleinen Banken vermerkt. Dies entspricht der Sanierungskundschaft kleiner und mittlerer Unternehmen, die häufig mit Widerständen der Kreditversicherer und Belieferer zu kämpfen hat. Als wichtige Merkmale, um einen Poolprozess aktiv zu fördern und zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, werden mehrere Kriterien häufig genannt. Dazu zählen eine gute Informationsaufbereitung in der Bankenrunde, professionell handelnde Gläubiger, gleichartige Interessenlagen der Bankinstitute, eine hochwertige Geschäftsführung und eine gute Moderation der Poolführerin. Nach Banksektoren ergeben sich insbesondere bei Vertretern aus Spezialinstituten Abweichungen in der Beurteilung zu den prozessunterstützenden Merkmalen der Poolbildung. So werden die Faktoren transparente Informationslage (73 %), gute Moderation in der Bankenrunde (36 %), qualitativ gute Geschäftsführung (64 %) und finanzieller Gesellschafterbeitrag (55 %) als unterproportional wichtig gegenüber dem Durchschnitt der Antworten eingeschätzt. Von Vertretern aus Privatbanken werden besonders ein professionelles Vorgehen der Gläubiger sowie eine gute Informationsverteilung zwischen den Akteuren mit 100 % der Nennungen als besonders wichtig bewertet. Die Einschätzungen der Befragten aus unterschiedlich großen Banken variieren. So werden gleiche Interessenlagen von einer höheren Prozentzahl aus kleinen Banken (92 %) als wichtig beurteilt, gegenüber den Bewertungen von Vertretern aus großen Kreditinstituten (77 %). Dies zeigt, dass große Banken gegebenenfalls nicht so stark auf ein gemeinsames Interesse angewiesen sind, eher eigene Ziele bei der Poolbildung durchzusetzen versuchen und dabei Konflikte nicht scheuen. Der finanzielle Gesellschafterbeitrag (69 %) und die Moderation in der Bankenrunde (50 %) werden von mittleren Instituten nur als unterdurchschnittlich bedeutend eingeschätzt. Eine gute Informationslage mit rund 95 % der Antworten und der Abschluss eines Sicherheitenabgrenzungsvertrags mit etwa 55 % sind für kleine Banken wichtiger als für den Durchschnitt. Letzteres wird durch die Einschätzung zu häufigen Problemen mit Lieferanten und Kreditversicherern durch kleine Institute gestützt, denn diese Schwierigkeiten können meist durch einen Abgrenzungsvertrag ausgeräumt werden.

230

4 Sanierung aus Bankensicht

Gerade der Poolführerin kommt eine bedeutende Rolle bei der Moderation, der erfolgreichen Vertragsgestaltung und den Folgearbeiten nach der Bildung eines Pools zu. Meist ist dies die Bank mit dem größten Kreditvolumen. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, dass Banken diese Tätigkeit als einträgliches Nebengeschäftsfeld ansehen, denn für die Poolführung werden hohe Honorare vergütet. Rund 75 % der Antwortenden aus allen Banken geben an, dass sie die Poolführerschaft insbesondere dann übernehmen, wenn sie das größte Kreditvolumen bereitstellen. Etwa 36 % versuchen die Rolle der Poolführung aus Gründen der Arbeitsintensität unbedingt zu vermeiden. 30 % streben eine Leitungsrolle im Pool an, um die künftige Sanierungsstrategie aktiv beeinflussen zu können. Immerhin rund 7 % der Befragten äußern, dass die Poolführung ein Profit Center im eigenen Hause ist. Überproportional häufig geben Befragte aus Landesbanken und Sparkassen mit rund 89 % der Nennungen an, dass sie die Poolführerschaft generell übernehmen, wenn sie das größte Engagement inne haben. Die Vermeidung dieser Rolle wird von allen Instituten ähnlich häufig eingeschätzt. Gerade zwei Merkmale wurden von Befragten aus Privatbanken überdurchschnittlich oft angekreuzt, mit rund 39 % der Nennungen die Festlegung der Sanierungsstrategie und mit etwa 11 % der Antworten die Betrachtung als Profit Center. Letztere Merkmale geben Befragte von großen Banken häufiger an. So benennen rund 64 % der Antwortenden, dass sie die Rolle der Poolführerin anstreben, um die künftige Sanierungsstrategie zu bestimmen und etwa 20 % nennt diesen Bereich einen eigenen Profit Center. Neben den Abläufen sind auch die strukturellen Rahmenbedingungen zu beachten, die eine Poolbildung zwischen den Gläubigern begünstigen können. Hier wird an erster Stelle die Einigkeit bei den Gläubigerinteressen genannt. Es folgen zumutbare und gleich verteilte Sanierungsbeiträge. Banken achten somit stark auf die Fairness bei der Aufteilung der Sanierungszugeständnisse, unter anderem in Form von Tilgungsstundungen, Verzichten und Fresh Money. Als weitere Nebenbedingung, die eine gemeinsame Finanzierung fördert, wird die ausgewogene Sicherheitenverteilung angesehen. Mit etwas Abstand folgen die als unwichtiger eingeschätzten Merkmale, dass eine Risikoreduzierung kurzfristig erreicht werden kann und freie Kreditsicherheiten bestehen, die unter den Poolpartnern aufgeteilt werden können. Dies zeigt die nachfolgende Abbildung 4.55. Bei den Strukturmerkmalen, die eine Poolbildung unterstützen, bestehen nach Banksektoren zu den meisten Merkmalen ähnliche Einschätzungen. Abweichungen existieren in der überproportional höheren Bewertung der Wichtigkeit freier Sicherheiten gegenüber dem Durchschnitt durch Spezialinstitute mit rund 55 % der Nennungen. Freie Sicherheiten werden dagegen durch Privatbanken mit 32 % als weniger wichtig für die Einigung auf einen gemeinsamen Sicherheitenpoolvertrag eingestuft. Eine kurzfristige Risikoreduzierung wird von etwa 54 % der Antwortenden aus den Privatbanken dagegen höher eingeschätzt als im Mittel. Für Spezialinstitute sind zumutbare Sanierungsbeiträge mit rund 73 % der Nennungen dagegen von untergewichteter Bedeutung im Vergleich zum Durchschnitt. Im Wesentlichen kommt es somit auf die Einigkeit der Gläubiger an. Tragbare Sanierungsbeiträge und eine faire quotale Gleichbehandlung können den Poolbildungsprozess weiter unterstützen. Dabei sind auch die Sicherheiten gleichmäßig zu verteilen, denn die beteiligten Banken achten sehr stark auf die Fairness bei Entscheidungen im Sicherheitenpool.

4.6 Poolbildung zur Finanzsanierung

231

Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Eckpunkte zur Erreichung einer erfolgreichen Poolbildung?

Gläubigereinigkeit

90%

8% 2%

Zumutbare Beiträge

89%

11%

86%

Gleiche Zugeständnisse

12% 2%

60%

Sicherheitenverteilung

Risikoreduzierung

27%

44%

Freie Sicherheiten

40%

42% 0%

10%

20%

13%

16%

37% 30%

40% Wichtig

50% Mittel

60%

21% 70%

80%

90%

100%

Unwichtig

Abb. 4.55 Rahmenbedingungen bei der Poolbildung

Aufgeteilt nach der Bankengröße werden die Einigkeit des Meinungsbildes zu den Bestandteilen des Poolvertrags und zumutbare sowie gleichhohe Sanierungsbeiträge überwiegend als wichtig gewertet. Antwortende aus mittelgroßen Banken schätzen dagegen eine ausgewogene Sicherheitenverteilung mit rund 71 % und freie Sicherheiten mit circa 49 % als begünstigende Faktoren zur Einigung auf einen Sicherheitenpoolvertrag deutlich höher ein als der Durchschnitt. Kleine Banken nennen mit rund 49 % häufiger eine kurzfristig zu erreichende Risikoreduzierung als positiven Eckpfeiler einer Poolbildung. Gelingt eine Einigung auf einen gemeinsamen Poolvertrag, so sind die finanziellen Rahmenbedingungen abgesichert und die leistungswirtschaftliche Sanierung kann auf Grundlage des Konzepts erfolgen. Für die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen ist eine geeignete Organisationsform zu wählen. Bei der personellen Besetzung des Sanierungsteams bestehen verschiedene Alternativen, die von der Belassung des Altmanagements über die Unterstützung durch ein Interimsmanagement bis hin zu einer neuen und fest installierten Geschäftsführung reichen können. Die künftigen Sanierungsergebnisse sind durch die beteiligten Banken anhand des Zahlenmaterials und des Controllings der Projektschritte zu überwachen. Im Folgenden wird der Sanierungsverlauf mit der Umsetzung der Einzelmaßnahmen und der Überwachung der Ergebnisse durch die Banken untersucht. Dabei kommt auch der Informationsübermittlung im Rahmen des Zahlenmaterials eine bedeutende Rolle zu. Wichtig ist es, über eine adäquate Finanzkommunikation Vertrauen bei allen Gläubigern aufzubauen.

232

4.7

4 Sanierung aus Bankensicht

Überwachung des Sanierungsverlaufs

Risikoerkennung aus Bankensicht

Organisation Prozesse

Finanzielle Maßnahmen

Auswahl des Sanierers

Prüfung des Konzepts

Poolbildung der Gläubiger

Überwachung der Sanierung

Sicherung Turnaround

4.7 Überwachung des Sanierungsverlaufs 4.7.1 Information und Kommunikation in der Sanierung 4.7.2 Praxisfall zur Sanierungsüberwachung 4.7.3 Lösung des Praxisfalls zur Sanierungsüberwachung 4.7.4 Empirische Ergebnisse zur Überwachung des Sanierungsverlaufs

Lernziele:  Bedeutung der ungleichen Informationsverteilung im Sanierungsprozess kennen  Sanierungsüberwachungen aus Bankensicht effizient und zeitnah betreiben können  Anforderungen an ein quantitatives Sanierungsinformationssystem wissen  Wichtigkeit qualitativer Umsetzungsinformationen einschätzen können

Abb. 4.56 Aufbau und Lernziele in Kapitel 4.7

Mit Umsetzung der leistungswirtschaftlichen Sanierung im Anschluss an die Poolvertragsgestaltung steigen auch die Kommunikationsanforderungen. So ist von Seiten des Krisenunternehmens stetig über den Fortgang der Maßnahmen zu berichten, damit die Kreditinstitute den Sanierungsverlauf genau überwachen können. In der Regel sind die Informationskanäle und die Berichtsinhalte zu den Gläubigern neu zu strukturieren. Dazu ist das Controlling der Firma auf die Finanzkommunikation auszurichten. Die Hausbank oder die Poolführerin kann Hilfestellung zu einer bankengerechten Berichterstattung leisten. Sie ist Empfängerin der Informationen, die an die weiteren Poolbanken oder die übrigen Gläubiger weitergegeben werden. Zu berichten sind die qualitativen Erfolge im Umsetzungsprojekt und die Auswirkungen im Zahlenwerk auf das Ergebnis und die Liquidität. Dabei sind aus Sicht der Kreditinstitute zahlreiche Sanierungsinformationen aus einer Vielzahl von Krisenengagements auf Gesamtbankebene effizient zu analysieren. Hilfreich ist es, diese Fälle in Bezug auf ihre Risikoauswirkung zu klassifizieren. Mit wachsender Bedeutung steigen dann die Informationsanforderungen. Die eingereichten Daten sind aufzubereiten, um eine effektive Überwachung und ein rechtzeitiges Gegensteuern bei Planverfehlungen zu ermöglichen. Es ist zu analysieren, welche Daten aus Bankensicht nachzufragen sind, um eine effiziente Überwachung von Sanierungsfällen zu gewährleisten und Risiken zu kontrollieren. Das Finanzreporting ist aus Sicht des Krisenunternehmens notwendig, um das Vertrauen bei den Kreditinstituten zurück zu erlangen.

4.7 Überwachung des Sanierungsverlaufs

4.7.1

233

Information und Kommunikation in der Sanierung

Die Problemsituation der Krise setzt neue Anforderungen an die Kommunikationspolitik des Unternehmens. Die internen und externen Stakeholder haben in der Sanierung einen erhöhten Informationsbedarf gegenüber normalen wirtschaftlichen Zeiten. Gläubiger fragen verstärkt qualitative und quantitative Daten über den Sanierungsverlauf nach. Ursache ist das gestiegene Risiko für Banken, Lieferanten oder Kreditversicherer einen Forderungsausfall zu erleiden. Jedoch ist die Krise häufig von einer asymmetrischen Informationsverteilung geprägt. Insider im Unternehmen sind die Geschäftsleitung, die Gesellschafter und gegebenenfalls der Aufsichtsrat oder Beirat, mit genauen Informationen über die aktuelle wirtschaftliche Lage. Zwischen der Geschäftsleitung und den externen Gruppen wie Banken, Lieferanten und Kreditversicherern bestehen meist starke Informationsunterschiede. Treten zu dieser Lage abweichende Zielsetzungen hinzu, können Agency-Probleme auftreten und Kosten für ein intensives Monitoring der Gläubiger verursachen. Finanzkommunikation des Krisenunternehmens Eine Verbesserung der Situation zum Abbau asymmetrischer Informationen liefert das freiwillige Signaling. So kann der Krisenunternehmer von sich aus wirtschaftliche Daten übermitteln, aus denen der Vertragspartner auf die Entwicklung in der Sanierung schließen kann. Diese Zeichen müssen glaubwürdig sein. Dies sind sie in der Regel dann, wenn ein falsches Signaling zu negativen Marktreaktionen für die Firma führt (vgl. Portisch, 2008b, S. 44 ff.). Ein positives Signaling würde bedeuten, dass die Krisenfirma freiwillig vollständige, richtige und zeitnahe Daten an Externe wie Gläubigerbanken bereitstellt. Die Informationsübermittlung ist ein sehr sensitiver Bereich. So können falsche oder unvollständige Datenübermittlungen zu einem starken Vertrauensbruch führen. Im Ergebnis kann eine wirtschaftliche Gesundung trotz guter Aussichten aufgrund einer nicht angemessenen Informationspolitik von Seiten der Firma im Gesundungsprozess scheitern. Denn in der Sanierung ist auf eine deutliche Zunahme der Wissensbedürfnisse der Stakeholder Rücksicht zu nehmen, um Glaubwürdigkeit zu vermitteln und Vertrauen aufzubauen. Informationen sollten, um starke Vertrauenssignale zu senden, hohe Anforderungen an die Richtigkeit, Vollständigkeit, Zeitnähe und Regelmäßigkeit erfüllen. Die Informationslage ist zudem auf die Adressaten auszurichten (vgl. Portisch, 2008a, S. 391). Im Folgenden werden in erster Linie die Informationsanforderungen der Banken betrachtet. Die Hausbank kann der Krisenfirma die Ansprüche auf eine adäquate Informationsversorgung verdeutlichen. Bei der festzulegenden Kommunikationsstrategie sind folgende Fragen zu beantworten:  Wer aus der Krisenfirma kommuniziert?  Welche Informationen sind zu übermitteln?  Wann wird die betreffende Information gegeben?  Wem werden die relevanten Daten zugespielt?  Über welche Kommunikationswege werden die Informationen verteilt?

234

4 Sanierung aus Bankensicht

Neben den Informationen, die weitergegeben werden, spielt die Art der Kommunikation eine große Rolle bei der Beurteilung des Krisenunternehmens aus Bankensicht. Dabei kann ein neutraler Sanierungsberater neben dem fachlichen Coaching die gesamte unternehmensinterne und firmenexterne Kommunikation übernehmen. Er ist dann Ansprechpartner für Banken, Lieferanten und Kreditversicherer und kann aufgrund seiner neutralen und ausschließlich auf den Turnaround ausgerichteten Funktion eine Emotionalisierung im Sanierungsprozess vermeiden. Die auf Sanierungen spezialisierten Berater kennen die Informationsanforderungen der Banken und können die wesentlichen nachgefragten Informationen problemgerechter mit verschiedenen Finanzreporting-Tools darstellen. Zudem kann das Verhältnis der Banken zum Altmanagement aufgrund der Krisenlage gestört sein. Diese Unstimmigkeit kann durch den Einsatz des neutralen Sanierungsberaters behoben und Vertrauen kann damit zurück gewonnen werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, den Lenkungsausschuss nicht nur mit der Aufgabe zu betrauen, fachliche Lösungsvorschläge zur Bewältigung der Krise zu erarbeiten, sondern zusätzlich eine kontinuierliche Unternehmenskommunikation sicherzustellen. Wichtig ist insgesamt, dass im Sanierungsprozess offen kommuniziert wird und allen Stakeholdern die relevanten Informationen zugeleitet werden, die sie für ihre Entscheidungen benötigen. Bestehen Unklarheiten, wie eine geeignete Informationspolitik in der Sanierung zu gestalten ist, können bestimmte Informationsgrundsätze beachtet werden (vgl. DVFA, 2008, S. 4 ff.). Folgende Prinzipien werden vorgeschlagen (vgl. Portisch, 2008c, S. 44 ff.): 

Zielgruppenorientierung: Die Struktur der Daten sollte sich an den Verarbeitungsgewohnheiten der Adressaten ausrichten. Banken sind Informationen bereitzustellen, die eine aktuelle und zukunftsbezogene Risikoeinschätzung ermöglichen.



Informationen: Neben qualitativen Mitteilungen über die Abarbeitung der Meilensteine im Sanierungsprojekt sind verdichtete quantitative Daten mit Soll-Ist-Vergleichen und Abweichungsanalysen zeitnah und vollständig zu übermitteln.



Übermittlungsprozess: Von großer Bedeutung ist die gleichmäßige Information, damit nicht einzelne Gläubiger abspringen. Die regelmäßige Übermittlung der Finanzdaten ist fest zu institutionalisieren, damit dauerhaft Vertrauen aufgebaut wird.

Die Hausbank sollte Hilfestellung leisten, damit dem Unternehmen klar ist, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt bankengerecht übermittelt werden. Gerade die Kommunikation zu den Banken ist wichtig, um verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen und die Glaubwürdigkeit zum Krisenunternehmen wieder herzustellen. Dabei sind nicht nur positive Meldungen von Bedeutung. So sollte auch über einen negativen Sanierungsverlauf informiert werden, bevor die Institute es über andere Informationskanäle erfahren. Denn Bankenvertreter reagieren meist sehr sensibel auf plötzliche und unerwartete negative Wendungen in einer Sanierung. So werden unangekündigte Überziehungen aufgrund einer weiteren Verlustwirtschaft in einer Neuordnungsphase negativ beurteilt. Insgesamt sind von Unternehmensseite jederzeit vollständige und aktuelle Daten bereitzustellen, um die asymmetrische Informationsverteilung zu den Kreditinstituten abzubauen. Die Hausbank oder die Poolführerin hat die Aufgabe, diese relevanten Sanierungsdaten einzuholen.

4.7 Überwachung des Sanierungsverlaufs

235

Dabei gilt es aus Sicht der Kreditinstitute, eine Vielzahl von Sanierungen auf Ebene der Gesamtbank effizient zu überwachen. Es bietet sich eine Schichtung des Problemkreditportfolios nach der Bedeutung für das Institut in A-, B- und C-Fälle an. Diese Unterteilung kann sich unter anderem an der Risikoauswirkung eines Problemengagements auf die Bank ausrichten. Mit steigender Wichtigkeit sind die Überwachungsmechanismen zu intensivieren. So ist bei unbedeutenden C-Fällen lediglich eine Kontenüberwachung mit der Einhaltung des Kapitaldienstes nach Gewährung der finanzwirtschaftlichen Sanierungshilfen laufend zu überprüfen. Mittelwichtige B-Engagements werden über Soll-Ist-Abgleiche bei den Bilanz-, GuV- und Liquiditätsdaten gesteuert und es werden in regelmäßigen Abständen Gespräche mit der Geschäftsleitung geführt. Bei bedeutenden A-Fällen ist neben einer stetigen Überwachung der Zahlenwerke mit Plan- und Ist-Daten zusätzlich das Einhalten der leistungswirtschaftlichen Umsetzungsschritte im Sanierungsprojekt zu kontrollieren. Dazu sind die relevanten quantitativen Daten zur Überwachung der Sanierung festzulegen. Diese sind objektiv, lassen sich effizient auswerten und ermöglichen einen Soll-Ist-Abgleich. Quantitative Informationsbedürfnisse der Kreditinstitute Notwendig ist die Auswertung von Zahlen zur Ertragslage, Liquiditätslage und Vermögenslage. Zur Erfolgsanalyse aus Bankensicht richtet sich der Fokus zunächst auf die traditionelle Gewinn- und Verlustrechnung als Monats- und Jahresrechnung. Die Monatsrechnung kann sich an die betriebswirtschaftliche Auswertung oder an die kurzfristige Erfolgsrechnung anlehnen. Neben einer Ist-Rechnung sind diese Daten denen der Planungsrechnung des Sanierungskonzepts gegenüberzustellen. Abweichungen sind zu ermitteln und Ursachen für auftretende Differenzen sind darzulegen. Weiter sind aus Sicht der Kreditinstitute Spartenrechnungen oder Profitcenter-Modelle wünschenswert, damit eine umfangreiche Erfolgsanalyse der Verlustbringer und der erfolgreichen Geschäftsfelder ermöglicht wird. Zur Überwachung der Liquiditätslage sind laufend mittelfristige Monatspläne und kurzfristige detaillierte Wochenfinanzpläne nachzufragen. Auf diese Weise kann aus Sicht der Kreditinstitute die laufende Kontoführung nachvollzogen und kontrolliert werden. Zudem können die eingereichten Daten zur Ertragslage plausibilisiert werden. Denn wenn sich eine gute Ertragslage nicht in der laufenden Kontoführung widerspiegelt, kann dies unter anderem aus einem gestiegenen Forderungsvolumen mit dem Aufbau dubioser Forderungen resultieren. Neben kurzfristigen Plänen ist eine Jahresplanung einzureichen. Zur Kontrolle der Vermögenslage sind monatliche und jährliche Ist- und Plan-Bilanzdaten nachzuhalten. Ausgangspunkt von Analysen zum Kapital ist die Sanierungseröffnungsbilanz mit den korrigierten Passivpositionen zur Wiederherstellung des Eigenkapitals. Schwerpunkte der laufenden Analyse der Aktiva und Passiva umfassen die: 

Prüfung des Umlaufvermögens: Messung und Bewertung der Vorräte und Beurteilung der Werthaltigkeit und Fristigkeit von Forderungen.



Untersuchung des Eigenkapitals: Überwachung der Eigenkapitalausstattung und dauerhafte Abwendung der Überschuldungssituation.



Analyse der Verbindlichkeiten: Darstellung und Veränderungen der Lieferanten- und Bankverbindlichkeiten mit notwendigen Kapitaldiensten.

236

4 Sanierung aus Bankensicht

Die quantitativen Unterlagen dienen als wichtiges Überwachungsinstrument für Kreditinstitute. Diese interdependenten Zahlenwerke sollten eine Einheit in Form eines integrierten Planungssystems bilden, wie folgende Abbildung 4.57 zeigt.

Integriertes Planungssystem Ertragsplanung Profit Center 1

Finanzplanung Monate

Profit Center 2

Einnahmen

Einzahlungen

Ausgaben

Auszahlungen

Gewinn

Saldo

Investitionsplanung Profit Center 1

Gesamtjahr

Bilanzplanung

Profit Center 2

Planjahr 1

Sachinvestitionen

Anlagevermögen

Finanzinvestitionen

Umlaufvermögen

Saldo

Bilanzsumme

Planjahr 2

Abb. 4.57 Integriertes Planzahlensystem mit Soll-Ist-Vergleich zur Sanierungsüberwachung

Problematisch ist in Sanierungsfällen meist, dass die relevanten Daten vollumfänglich in der Regel nur zu Beginn einer Sanierung vorliegen. Im Laufe des Sanierungsprozesses lässt die Informationsbereitschaft des Krisenunternehmens häufig nach. Um eine Nachhaltigkeit bei der Überwachung aus Sicht der Banken sicherzustellen, ist zu gewährleisten, dass alle relevanten Sanierungsinformationen dauerhaft zur Verfügung stehen. Dazu ist der Informationsprozess zu institutionalisieren. Dies kann durch die Installierung eines Controlling-Systems in Form eines Sanierungsinformationssystems (SIS) erreicht werden. In Betracht kommt ein internet-basiertes Sanierungsinformationssystem (SIS) als sogenannte APS-Lösung (Application Service Providing). Über dieses Fremdsystem als Dienstleistung werden Banken zeitnah mit den wesentlichen Informationen über den Verlauf der Sanierung versorgt (Portisch, 2003b, S. 318 ff.). Per Internet können von Kreditinstituten aktuelle Daten des Krisenunternehmens zur Liquiditätsentwicklung, Auftragslage und Umsatz- und Ertragslage mit einer Zugangsberechtigung abgerufen werden. Bedeutend ist die Aktualität der Daten. So können Ertrags- und Liquiditätsdaten meist mit einem nur geringen Time Lag abgefragt werden. Auch die Aufbereitung der Finanzdaten ist von großem Vorteil und kann spezifisch auf die Branche, die Krisenfirma und die Informationswünsche der beteiligten Banken zugeschnitten werden (Portisch, 2003b, S. 318 ff.). Zur Analyse kann ein Auswertungstool bedeutende positive und negative Abweichungen von branchenspezifischen Kennzahlen mit einer Ampelfunktion aufzeigen, das heißt Abweichun-

4.7 Überwachung des Sanierungsverlaufs

237

gen werden farbig markiert und bewertet (rot, gelb, grün). Auch lassen sich historische Daten über dieses System für Zeitvergleiche abrufen. Diese laufende Berichterstattung fördert als Kommunikationsmittel insbesondere den Abbau asymmetrischer Informationen zu den Stakeholdern (vgl. Lauer, 2004, S. 65 ff.). Auf diese Weise lässt sich unter anderem die Informationsallokation auf alle an einem Sicherheitenpool beteiligten Gläubiger sicherstellen. So wird die Poolführerin bei der Weitergabe von Unternehmenszahlen entlastet, wenn alle Banken den Zugang zu den Daten des SIS erhalten. Auch werden Informationsasymmetrien innerhalb des Gläubigerkreises vermieden. Nachfolgende Abbildung 4.58 zeigt den möglichen Grundaufbau eines SIS (Wegener/Schäfer, 2005, S. 146).

Sanierungsinformationssystem SIS Grundaufbau

Manuelle Eingaben aus Rechnungswesen und Jahresabschluss

Input über Internet Ausgaben und Sichten entsprechend Rollen und Berechtigungen

InputEbenen Kennzahlen Zentrales ParameterVerzeichnis

Output über Internet

Datenbank StandardAusgaben Bilanz GuV Cash-Flow Liquidität Kapitalfluss

Zentrale Berechnungslogik

Zentrale Parameter Zentrale Rechenlogik Zentrale Datenhaltung

Vermögen Ertrag Finanzen Plan/Ist Version

Eingaben differenziert nach flexiblen Strukturen Strukturen Sparten, Profit-Center

Datenbank- und Applikationsserver mit SIS-Portal

Abb. 4.58 Grundaufbau eines Sanierungsinformationssystems (SIS)

Bei komplexen Sanierungen, die für eine Bank zudem stark risikorelevant sind, sollte neben einer Überwachung der Unternehmenszahlen auch eine genaue Überprüfung der Umsetzung des Sanierungsprojekts erfolgen. Dazu sind die qualitativen Informationen zur Realisierung der Schritte im Sanierungsverlauf nachzufragen. Qualitative Informationsanforderungen der Kreditinstitute Das Sanierungsmonitoring umfasst neben der Überwachung der Zahlenwerke auch die Kontrolle der leistungswirtschaftlichen Umsetzung (vgl. Lützenrath, 2008, S. 177 ff.). Basis des Monitorings sind die im Sanierungskonzept zugrunde gelegten Maßnahmendurchführungen.

238

4 Sanierung aus Bankensicht

Die Teilprojekte werden in einem umfassenden Gutachten meist detailliert dargelegt. Neben den personellen Verantwortlichkeiten werden zudem zeitliche Vorgaben für die Realisierungen vorgestellt. Meist sind im Sanierungsprojekt unter Hochdruck gleichzeitig mehrere Maßnahmenpakete voranzutreiben, wie folgende Abbildung 4.59 zeigt.

Teilprojekte der Sanierungsumsetzung Aktivitäten Optimierung Einkauf Lagerverkauf und Forderungsabbau

Personalanpassung

Vertriebsoffensive

Verbesserung der Führungsstruktur

0

1

2

3

4

5

6

7

8

Zeit in Monaten

Abb. 4.59 Umsetzung des Sanierungsprojekts

Damit die Sanierung zu einem Erfolg führt, sind wichtige Maßnahmen wie Kostenreduzierungen zeitnah einzuleiten. Zudem ist die Umsetzung der einzelnen Projektschritte aus Sicht der Kreditinstitute zu überwachen. Nur wenn eine echte Realisierungskontrolle erfolgt, kann von Seiten der Kreditinstitute der Fortschritt einer Sanierung kontrolliert werden. Neben der laufenden Informationseinreichung bei den Banken spielt die gesamte Kommunikation aus Sicht des Krisenunternehmens zu den internen und externen Stakeholdern eine bedeutende Rolle bei einer erfolgreichen Sanierung (vgl. Portisch, 2004, S. 56 ff.). Durch eine zielgruppengerechte Kommunikation, die auf unterschiedlichen Interessengruppen abgestimmt wird, kann Vertrauen aufrechterhalten oder wieder neu aufgebaut werden. Stakeholder-Kommunikation in der Sanierung Die Geschäftsleitung der Krisenfirma weiß häufig nicht, wann und mit welchen Inhalten die unterschiedlichen Adressaten anzusprechen sind, denn jede Interessengruppe, ob Mitarbeiter, Kunde, Lieferant oder Bank, hat einen gruppenspezifischen Informationsbedarf (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 67 ff.). Auch ist zu beachten, dass die verschiedenen internen und externen Stakeholder differenziert auf die Sanierungsinformationen reagieren können. Um möglichen Konflikten aufgrund fehlerhafter Kommunikation und Information entgegenzuwirken,

4.7 Überwachung des Sanierungsverlaufs

239

bietet es sich an, die Informationsübermittlung an die einzelnen Anspruchsgruppen im Sanierungsprozess genau zu strukturieren und zu planen. Neben der Art und dem Umfang der zielgruppengerichteten Information ist insbesondere der Zeitpunkt der Informationsübermittlung von besonderer Relevanz. Neben den internen Interessengruppen Anteilseigner und Aufsichtsrat beziehungsweise Beirat ist gerade die Hausbank zeitnah über die wirtschaftliche Fehlentwicklung zu unterrichten. Diese sollte bereits bei Erkennen erster Krisenanzeichen durch die Geschäftsführung informiert werden, denn sie bekommt mit der Führung der laufenden Konten und der Analyse unterjährigen Zahlenmaterials die Krise früh zu spüren. Die Unternehmensführung sollte in dieser Phase aktiv auf die Hausbank zugehen und diese eng in den Informationsprozess mit einbinden. Dies erhöht das Vertrauen und damit die Bereitschaft zur weiteren Begleitung des Unternehmens in den folgenden Sanierungsphasen. Dann wird die Hausbank auch einen positiven Einfluss auf das Verhalten der übrigen Kreditinstitute nehmen. Im Verlauf der Sanierung nimmt die Anzahl der zu informierenden Gruppen meist zu. Dabei kommt den Lieferanten und den Kreditversicherern im Sanierungsprozess eine bedeutende Rolle zu. Der Zeitpunkt der Krisenkommunikation zu diesen Gruppen ist von der genauen Situation und Brisanz der Krisenlage abhängig. Die weiterzugebenden Informationen erfordern ein äußerstes Fingerspitzengefühl, da gerade die Warenkreditversicherer häufig bei bloßem Bekanntwerden einer Krise ihre Limite reduzieren oder gar streichen. Die Einbeziehung dieser Gruppen in den Kommunikationsprozess sollte erst ab der Phase der eingeleiteten Sanierung mit dem Einsatz des Beraters erfolgen. Mit Hilfe der Hausbank ist zu versuchen, die anderen Gläubiger zu einem Stillhalten zu bewegen. Dies kann über die Vereinbarung eines Poolvertrags mit Sicherheitenabgrenzungsvereinbarung erfolgen. Im Anschluss an die Präsentation des Konzepts im Bankenpool kann der Sanierungsberater mit der Krisenkommunikation betraut werden. Er verfügt über Fachwissen in Sanierungsfällen und bei ihm laufen die Fäden in der Regel zusammen. Zudem hat er durch eine intensive Kommunikation in der Krise zu allen Stakeholdern gute Kontakte und wird von diesen meist als objektiv wahrgenommen. Dies führt zu einer Versachlichung bei kritischen Themen. Der Sanierungsberater kann im Folgenden darüber entscheiden, welche Informationen in welcher Detaillierung an die bestimmten Stakeholder-Gruppen weitergegeben werden. Die Informationspolitik zu den weiteren internen Gruppen hängt maßgeblich davon ab, ob sich die Schieflage im Unternehmen bereits herumgesprochen hat. Üblicherweise sollten das Mittlere Management, der Betriebsrat und die Mitarbeiter jedoch erst mit Umsetzung des Sanierungskonzepts eingeweiht werden. Dies wird unter anderem notwendig, da in der Regel weitreichende Sanierungsbeiträge durch die Belegschaft zu leisten sind. Der Betriebsrat kann dann als Informationsübermittler für die Mitarbeiter genutzt werden. Kunden sind ebenfalls erst in einer späten Phase einer Sanierung von der Unternehmensleitung in Einzelgesprächen, zu informieren, um einer Verunsicherung vorzubeugen. Bedeutenden Abnehmern kann unter Umständen das ausgearbeitete Sanierungskonzept vorgestellt werden. Gegebenenfalls lassen sich Großkunden dazu gewinnen, Sanierungsbeiträge zu leisten, wenn das gelieferte Produkt einen Engpassfaktor darstellt. Sind Unterstützungen der öffentlichen Hand notwendig, sind diese in den Informationskatalog mit einzubeziehen. Der externen Pressearbeit kommt ebenfalls eine große Bedeutung zu, um Vertrauen bei Kunden zu schaffen.

240

4 Sanierung aus Bankensicht

Die Informationsinhalte und Kommunikationsmedien sind an die Informationsphasen anzupassen (vgl. Portisch, 2004, S. 56 ff.). In der Anfangsphase einer Sanierung sind persönliche Gespräche durch die Geschäftsführung zu bevorzugen, da mit diesen Informationen sehr vertraulich umgegangen werden muss. In den folgenden Phasen ist stakeholderorientiert vorzugehen. Je nach Sanierungsphase sind weitere Stakeholder zu informieren. Die nachfolgende Abbildung 4.60 stellt das Stakeholderkommunikationsmodell dar.

Adressatengerechte Stakeholderkommunikation im Sanierungsprozess Risikoerkennung aus Bankensicht

Organisation Prozesse

Finanzielle Maßnahmen

Auswahl des Sanierers

Prüfung des Konzepts

Poolbildung der Gläubiger

Überwachung der Sanierung

Sicherung Turnaround

Interne und externe Stakeholder Anteilseigner Geschäftsführung Aufsichtsrat/Beirat Kreditinstitute

Anteilseigner Geschäftsführung Aufsichtsrat/Beirat Kreditinstitute

Anteilseigner Geschäftsführung Aufsichtsrat/Beirat Kreditinstitute Sanierungsberater Mittleres Management Lieferanten/Kreditversicherer

Anteilseigner Geschäftsführung Aufsichtsrat/Beirat Kreditinstitute Sanierungsberater Mittleres Management Lieferanten/Kreditversicherer Mitarbeiter/Betriebsrat

Anteilseigner Geschäftsführung Aufsichtsrat/Beirat Kreditinstitute Sanierungsberater Mittleres Management Lieferanten/Kreditversicherer Mitarbeiter/Betriebsrat Kunden Öffentliche Hand

Leistungswirt. Maßnahmen Finanzwirt. Maßnahmen

Umsetzungsschritte Soll-Ist-Vergleiche

Persönliche Gespräche Bankenrunde

Planzahlen im SIS Gespräche Interimsmanager

Informationsinhalte Krisenursachen Einleitung Sanierung

Abwendung Insolvenz Einsatz Sanierungsberater

Präsentation Gutachten Sanierungsfähigkeit

Informationsmedien Persönliche Gespräche

Persönliche Gespräche

Präsentation durch Berater Schriftliches Gutachten

Abb. 4.60 Kommunikationsmodell in der Sanierung

Das Informationsmodell im Sanierungsprozess kann Anhaltspunkte für eine adressatenorientierte Berichterstattung liefern. Es ist auf die Größe der Firma und das jeweilige Krisenstadium anzupassen. Das Grundmodell kann helfen, wichtige Eckpunkte im Sanierungsprozess zu erkennen und die Kommunikation zu strukturieren. Zusammenfassung Abschnitt 4.7.1: In diesem Abschnitt wurde untersucht, welche Anforderungen an die Information und Kommunikation in der Sanierung zu stellen sind. Aus Bankensicht sind regelmäßig quantitative und qualitative Daten von der Krisenfirma abzurufen, um den Sanierungsverlauf einschätzen zu können. Für den quantitativen Informationstransfer bietet sich der Einsatz eines Sanierungsinformationssystems an. Zudem sind qualitative Berichte über den Status des Umsetzungsprojekts abzugeben. Um diesen Informationsprozess zu systematisieren, ist in den Sanierungsphasen gestuft vorzugehen. So kann die Informationsstruktur und Weitergabe für die einzelnen Stakeholder zielgruppengerecht geplant und der Sanierungsprozess unterstützt werden.

4.7 Überwachung des Sanierungsverlaufs

4.7.2

241

Praxisfall zur Sanierungsüberwachung

Wir befinden uns im 1. Quartal des Jahres xxx2. Die Situation der Mittelstandsbank AG war in den Poolverhandlungen zunächst schwierig. Dabei ist von den übrigen Banken aufgrund der Gesellschafterstellung der Mittelstandsbank AG erheblicher Druck ausgeübt worden. Diese Argumente konnten mit dem Verweis auf die hohen Sanierungsbeiträge der Bank abgeschmettert werden. Die Hausbank wurde daher auch zur Poolführerin gewählt. Aktuell ist die Mittelstandsbank AG vorrangig damit beschäftigt, die Ausgestaltung des Poolvertrags mit den übrigen Parteien abzustimmen. Die anderen Kreditinstitute haben sich zu den finanziellen Beiträgen positiv geäußert. Wichtig ist, dass die Umsetzung der leistungswirtschaftlichen Sanierungsschritte unverzüglich vorangetrieben wird. Die interne Kommunikation unter den Poolmitgliedern verläuft gut. Alle beteiligten Banken bringen ihr Sanierungswissen ein, um den Gesundungsverlauf positiv zu gestalten. Insbesondere werden die Kundenportfolios im Hinblick auf potenzielle Investoren oder Kooperationspartner durchsucht. Zudem wird versucht, die Druckmaschine und auch die Altimmobilie an einen Bankkunden zu verkaufen. Auch die Kreditversicherer und Lieferanten haben sich als kooperativ erwiesen und sind grundsätzlich bereit, ihre Linien zu den bisherigen Konditionen aufrecht zu erhalten. Grundlage dafür ist der Abschluss eines Sicherheitenabgrenzungsvertrags. Des Weiteren ist für die Warengläubiger die laufende Information über die Erfolge des Sanierungsprozesses von großer Bedeutung. In Anbetracht der schwierigen Lage und auf Drängen der Gläubiger hat sich Müller mittlerweile entschlossen, einen Interimsmanager einzusetzen. Dieser soll sich zum einen um die Bankenkommunikation kümmern. Dazu ist ein Sanierungsinformationssystem einzuführen. Die Poolbanken erhalten Zugang zu relevanten Daten über einen mit Kennwort geschützten Bereich. Bereitgestellt werden die verdichteten und aktuellen Ertrags- und Liquiditätszahlen. Zum anderen soll der Zeitmanager die Realisierung der Schritte aus dem Sanierungskonzept gewährleisten. Der jeweilige Stand der Teilprojekte beziehungsweise das Erreichen der einzelnen Meilensteine wird fortlaufend an die Banken übermittelt. Der Interimsmanager ist der Mittelstandsbank AG bereits positiv bekannt. Es hat bereits ein Treffen mit den Poolbanken stattgefunden. Die Kreditinstitute möchten außerdem die Suche eines strategischen Investors oder Kooperationspartners weiter verfolgen. Der Zeitmanager soll dazu seine Kontakte in der Druckbranche nutzen. Zudem sollen alle Möglichkeiten der Liquiditätsgenerierung genutzt werden. Dazu wird der Interimsmanager alle Kosten auf den Prüfstand stellen. Als Alternative kann zusätzlich ein Cost Cutter eingestellt werden, der sich auf die Reduzierung der Kosten, zum Beispiel im Einkauf, fokussiert und eine Provision in Abhängigkeit von den erzielten Einsparungen erhält. Aufgabenstellungen 1

Was ist beim Einsatz eines Interimsmanagers zu beachten? Welche Aufgaben kann der Zeitmanager übernehmen und welche Qualifikationen sollte er aufweisen?

2

Nennen Sie Vorteile des Einsatzes eines Sanierungsinformationssystems (SIS) für die an der Sanierung beteiligten Banken.

242

4 Sanierung aus Bankensicht

4.7.3 1

Lösung des Praxisfalls zur Sanierungsüberwachung

Was ist beim Einsatz eines Interimsmanagers zu beachten? Welche Aufgaben kann der Zeitmanager übernehmen und welche Qualifikationen sollte er aufweisen?

Zu beachten ist, dass der Zeitmanager im Unternehmen mit umfassenden Befugnissen ausgestattet wird. Daher sollte er den Status eines Geschäftsführers erhalten und im Innen- sowie Außenverhältnis wichtige Entscheidungen treffen dürfen. Dazu sind im Anstellungsvertrag seine Befugnisse festzuschreiben. Konkrete Aufgaben des Interimsmanagers sollten aufgrund der Sanierungsempfehlungen im Gutachten sein: 

Installierung eines Controllingsystems (SIS) zum Finanzreporting



Einrichtung eines Lenkungsausschusses zur internen Umsetzung der Sanierung



Festlegung der Verantwortlichkeiten im Umsetzungsprozess



Stetige Information der Stakeholder über den Stand der Teilprojekte



Weiterentwicklung der Führungsstrukturen im Mittleren Management



Reorganisation der Geschäftsprozesse im Unternehmen



Ausbau oder Reduzierung der vorhanden Geschäftsfelder gemäß Sanierungskonzept



Verkauf der Druckmaschine und der Altimmobilie



Suche nach einem Kooperationspartner oder strategischen Investor



Übernahme der Kommunikation zu den relevanten Stakeholdern

Aufgrund dieser umfassenden Tätigkeiten sollte der Interimsmanager bestimmte Fähigkeiten aufweisen, um die Sanierungsmaßnahmen erfolgreich umsetzen zu können. Wichtige Eigenschaften des Zeitmanagers sind aufgrund der genannten Aufgaben: 

Lange Sanierungserfahrung bei Krisenunternehmen



Wissen bei der Einführung von Controllingsystemen



Projektleitungserfahrung, aufgrund der Umsetzungsmaßnahmen



Führungserfahrung, aufgrund der Stellung als Geschäftsführer



Umfassende Branchenkenntnisse und Kontakte in der Druckindustrie



Gute Kommunikationsfähigkeit zu den Gläubigern

Relevant ist, dass die Banken stetig über den Sanierungsverlauf in Kenntnis gesetzt werden, um die asymmetrische Informationsverteilung abzubauen. Dazu sind Zahlen aus dem operativen Geschäft laufend über ein Sanierungsinformationssystem zu übermitteln. Zudem ist der jeweilige Status der Teilprojekte zu signalisieren. Auch über den Stand der Investorensuche sollte den Banken in regelmäßigen Abständen berichtet werden.

4.7 Überwachung des Sanierungsverlaufs 2

243

Nennen Sie Vorteile des Einsatzes eines Sanierungsinformationssystems (SIS) für die an der Sanierung beteiligten Banken.

Mit der Einrichtung des Controllingsystems kann der Sanierungsverlauf effizient überwacht werden. In der Regel liegt dem Sanierungsgutachten ein Termsheet bei, in dem die erwarteten Sanierungserfolge auf einem Zeitraster dargestellt werden. Anhand des SIS kann die Einhaltung des Terminplans mit wesentlichen Meilensteinen der Sanierung anhand des Zahlenwerkes detailliert verfolgt werden. Des Weiteren kann dieses System zur Überwachung der Vermögenslage, der Ertragslage und der Liquiditätslage eingesetzt werden. Besondere Vorteile eines Sanierungsinformationssystems sind für die Gläubiger: 

Laufendes Controlling und Monitoring des Sanierungsverlaufs: Der Sanierungsverlauf kann periodisch durch Auswertungen, Plan-Ist-Abweichungsanalysen und Kennzahlen effizient gesteuert und überwacht werden.



Systematische und transparente Informationsverteilung: Eine weitere Funktion des SIS ist die Sicherstellung einer stetigen und aktuellen Verteilung von Informationen an alle Fremdkapitalgeber, die an der Sanierung beteiligt sind.



Sicherstellung einer effizienten Sanierungsüberwachung: Es lässt sich eine Vielzahl von Sanierungsfällen auf der Gesamtbankebene bei geringen Transaktionskosten zeitnah und kostengünstig überwachen.

7. Sanierungsregel: Der Erfolg einer Sanierung hängt maßgeblich von einer Umsetzung der leistungswirtschaftlichen Maßnahmen ab. Daher ist die personelle Verantwortlichkeit für den Realisierungsprozess und die Überwachung der Teilprojekte sicherzustellen. Die Fortschritte sind von den Kreditinstituten über die Kontrolle der quantitativen und qualitativen Informationen stetig und zeitnah zu überwachen.

Erläuterung der 7. Sanierungsregel Sanierungen zeigen häufig gute Anfangserfolge, da zu Beginn einer Sanierung durchgreifende Maßnahmen umgesetzt werden wie Personalreduzierungen und sonstige einmalige Kostenersparnisse. Im weiteren Verlauf nehmen die Erfolge zumeist ab und der Gesundungsprozess stagniert. Oftmals verschlechtern sich die Ertragszahlen nach den Anfangserfolgen wieder, da das Unternehmen in alte Gewohnheiten zurückfällt und Wachstumsprozesse stagnieren. Daher ist der Sanierungsprozess mit den wesentlichen Maßnahmen aus dem Sanierungskonzept nachhaltig umzusetzen. Die Realisierung ist zu überwachen, um bei Planverfehlungen gegensteuern zu können. Empfohlen wird die Installierung eines Sanierungsinformationssystems. Zudem ist zu prüfen, ob das Management für einen bestimmten Zeitraum durch einen Interimsmanager unterstützt wird, damit die Empfehlungen aus dem Sanierungsgutachten zeitnah und konsequent umgesetzt werden. Das Unternehmen kann im Anschluss an den nachhaltigen Turnaround wieder in eine neue Wachstumsphase übergehen.

244

4.7.4

4 Sanierung aus Bankensicht

Empirische Ergebnisse zur Überwachung des Sanierungsverlaufs

Insbesondere die Umsetzung der Maßnahmen aus dem Konzept ist einer der Erfolgsfaktoren der Sanierung, bei der dem externen Berater eine besondere Rolle zukommt, wie eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2008 zeigt (Portisch, 2008e, S. 494 ff.). Eine Untersuchung aus dem Jahr 1997 bestätigt, dass die Chancen für den Sanierungserfolg steigen, wenn Externe bei der Realisierung der Maßnahmen eingesetzt werden (vgl. David, 2001, S. 438 ff.). Um hohe Erfolgschancen zu wahren, sollten daher die Sanierungsmaßnahmen im Unternehmen aufbauund ablauforganisatorisch fest verankert werden. Zudem ist den Banken die Abarbeitung der Teilprojekte und Maßnahmenpakete zu berichten. Bei der Sanierungsorganisation in den Leitungsfunktionen des Krisenunternehmens bestehen verschiedene Alternativen, wie die nachfolgende Abbildung 4.61 zeigt.

Wer ist für die Sanierungsumsetzung wichtig, um möglichst hohe Erfolgschancen zu wahren?

72%

Altmanagement mit Berater

32%

Lenkungsausschuss

32%

25%

Interim Management

0%

10%

26%

42%

11%

Sanierungsberater

28%

51%

13%

Altmanagement

45%

42% 20%

30%

10%

36%

47%

23%

Neumanagement

18%

47% 40%

50%

Wichtig

Mittel

60%

70%

80%

90%

100%

Unwichtig

Abb. 4.61 Personelle Besetzung des Sanierungsteams

Bevorzugt wird mit 72 % und damit in den überwiegenden Fällen eine Kombinationslösung zwischen dem Altmanagement und dem Sanierungsberater im Team (vgl. Schuppener et al., 2008, S. 116 ff.). Dies verwundert auf den ersten Blick, da das Vertrauen zu dem bisherigen Management häufig eingeschränkt ist, da es als eine wesentliche Krisenursache identifiziert

4.7 Überwachung des Sanierungsverlaufs

245

wurde. Aus Zeitmangel zum Finden einer neuen Geschäftsleitung, zur notwendigen fachlichen Einarbeitung und den Kosten einer externen Lösung erscheint dieses Teammodell jedoch meist ohne Alternative. Zudem wird bei inhabergeführten Unternehmen die Absetzung des Managements in vielen Fällen blockiert. Daher wird auch die Einrichtung eines Lenkungsausschusses aus internen und externen Mitgliedern mit rund 32 % den Nennungen als wichtig empfunden, um die Sanierungsumsetzung auch in diesen Fällen effizient steuern zu können (vgl. Wieselhuber & Partner, 2002, S. 30 ff.). Eine Einzellösung der Konzepterstellung und Umsetzung durch den Sanierungsberater wird dagegen mit 11 % selten präferiert, ebenso wie die alleinige Maßnahmenrealisierung durch das Altmanagement mit 13 % der Nennungen. Die Begleitung durch ein Interimsmanagement liegt mit 25 % und der komplette Einsatz eines neuen Managements mit 23 % im Mittelfeld der Antworten. Diese Option der temporären Besetzung einer neuen Geschäftsleitung wird von der Größe des Krisenfalls abhängen und bei kleinen und mittleren Unternehmensgrößen aus Kostengründen unter Umständen nicht in Frage kommen. Nach Bankensektoren schätzen mit einem überdurchschnittlichen Prozentsatz von rund 77 % der Befragten aus dem genossenschaftlichen Bereich gegenüber 75 % der Antwortenden aus den Privatbanken eine Teamumsetzungslösung von Altmanagement und Berater als wichtig für den Sanierungserfolg ein. Rund 50 % der Antwortenden aus den Privatbanken haben mit der Einrichtung eines Lenkungsausschusses gute Erfahrungen gemacht und halten diesen für wichtig, während 55 % aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor diesen als unwichtig empfinden. Insgesamt bewerten die Befragten aus den Privatbanken die Bedeutung eines externen Managements zur Realisierung der Sanierungsmaßnahmen häufiger als wichtig für den Turnaround-Erfolg, als die Probanden aus den anderen Banksektoren. Zudem schätzen Antwortende aus großen Banken die Wichtigkeit der Integration eines neuen Managements, eines Interimsmanagers oder eines Lenkungsausschusses deutlich häufiger als hoch ein, als Vertreter kleiner und mittlerer Institute. Da große Banken mit einer stärkeren Gewichtung bei Privatbanken im Sample vorkommen, wird das vorangegangene Ergebnis bestätigt. So werden in großen Instituten vermehrt mittlere und große Unternehmenskunden begleitet und es kann bei diesen Engagements das komplette Repertoire bei der externen Unternehmenssteuerung ausgeschöpft werden, da auch die finanziellen Möglichkeiten dieser Krisenfirmen in der Regel umfangreicher sind. Die Beobachtung des Erfolgsgrads einer Sanierung ist aus Bankensicht stark zahlenorientiert geprägt. An erster Stelle steht mit 97 % der Nennungen die Überwachung der Liquiditätslage. Die laufende Prüfung der Zahlungsfähigkeit ist von großer Bedeutung. Negative Abweichungen im Finanzplan können einen Insolvenzantrag nach sich ziehen und steigende Inanspruchnahmen zudem höhere Einzelwertberichtigungen oder Abschreibungen für Kreditinstitute bewirken. Auch die Überwachung der Ertragslage wird von 93 % der Antwortenden als wichtig eingeschätzt. Fast ebenso nachdrücklich wird von 89 % der Probanden die Einführung eines Controllingsystems zur Erhöhung der Transparenz als positiv eingestuft. Dieser Sachverhalt korrespondiert mit der Prüfung der Liquiditäts- und Ertragslage, da mit der Einführung eines bankengerechten Controllings oft erstmalig finanzielle Reportings für eine externe Überwachung zur Verfügung stehen. Die Kontrolle der Umsetzung leistungswirtschaft-

246

4 Sanierung aus Bankensicht

licher Maßnahmen fällt mit 82 % und die Einhaltung einer neuen Unternehmensstrategie mit 71 % der Nennungen in der Rangfolge nur leicht ab. Überwachungen der Liquiditäts- und Ertragslage und die Einrichtung eines unternehmensinternen Controllingsystems werden nach Banksektoren und Bankgrößen ähnlich oft als bedeutend eingeschätzt. Unterschiede ergeben sich bei der Umsetzungskontrolle von leistungswirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen und der Unternehmensstrategie, die von den Responsaten kleiner Banken häufig als nicht so wichtig bewertet werden wie von den Befragten anderer Institutsgrößen. Insgesamt zeigt sich, dass Banken eine Sanierung verstärkt anhand von Zahlenmaterial zur Liquiditäts- und Ertragslage überwachen. Auf diese Art und Weise kann eine effiziente Kontrolle mit Soll-Ist-Vergleichen durchgeführt werden. Dieser Sachverhalt stimmt mit der hohen Bedeutung finanzieller Inhaltsbausteine in Sanierungskonzepten überein. Jedoch wird auch die leistungswirtschaftliche Umsetzung von vielen Befragten als wichtig eingeschätzt und gerade von den großen Kreditinstituten für den späteren Sanierungserfolg als bedeutsam angesehen. Demnach sollte auch eine intensive Überwachung des Umsetzungsprojekts aus Bankensicht vorgesehen sein. Etwa 96 % der Probanden geben an, dass die Sanierungskontrolle über den gesamten Verlauf bis zum Erreichen des Turnarounds andauert. Rund 19 % der Antwortenden nennen zusätzlich, dass die Überwachung auch in die Phase nach einer Rückgabe des Engagements in die Normalkreditbearbeitung reichen kann. Dann sollten ehemals tragend gewordene Risikofaktoren weiterhin kontrolliert werden. 15 % der Antwortenden gibt eine durchschnittliche Sanierungsdauer und Betreuung in der Spezialabteilung von maximal zwei Jahren als üblich an. 66 % der Probanden sind der Meinung, dass die Sanierungsbearbeitung bis zu drei Jahre andauert und immerhin 19 % der Antwortenden teilen mit, dass die Verweildauer der Krisenengagements in der Spezialabteilung häufig länger als drei Jahre beträgt. Unterschiede in den Antworten sind nach Bankengröße und Sektor nicht zu erkennen. Wichtige Maßnahmen zur Erreichung eines Sanierungserfolgs betreffen aus Sicht der Beurteiler in Banken primär eine zeitnahe und handlungsorientierte Vorgehensweise. Dazu gehören eine frühe Krisenerkennung und ein rechtzeitiges Reagieren durch den Unternehmer, die Überwachung der Umsetzung, ein ganzheitliches Sanierungskonzept und das Mittragen des Gesundungsprozesses durch das gesamte Management (vgl. Roland Berger Strategy Consultants, 2006, S. 8 ff.). Als bedeutend wird auch die Umsetzung von leistungswirtschaftlichen Maßnahmen durch das Krisenunternehmen eingeschätzt, unter anderem mit einer unverzüglichen Realisierung von Kosteneinsparungen (vgl. KPMG, 2002, S. 26 ff.). Ein finanzieller Gesellschafterbeitrag wird ebenfalls von der überwiegenden Zahl der Sanierungsentscheider in den Instituten als wichtig empfunden. Bankunterstützungen im Bereich Fremdkapital, beispielsweise über Tilgungsstundungen, werden dagegen nur von der Hälfte der Antwortenden als bedeutend eingestuft (vgl. Becker/Brenner, 2005, S. 15 ff.). Bankhilfen im nichtfinanziellen Bereich, unter anderem bei der Beraterauswahl, im Bereich Eigenkapital, zum Beispiel bei der Vermittlung strategischer Kapitalgeber, werden in der Bedeutungsrangfolge als weniger wichtig beurteilt. Auch die strategische Neuausrichtung ist gemäß den Einschätzungen der Sanierer in den Banken kein wesentlicher Erfolgsfaktor einer wirtschaftlichen Gesundung, wie die nachfolgende Abbildung 4.62 zeigt.

4.7 Überwachung des Sanierungsverlaufs

247

Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Gründe für den Erfolg einer Sanierung? 96%

Frühes Handeln

4%

Überwachung Umsetzung

88%

10% 2%

Ganzheitliches Konzept

87%

13%

Management Commitment

85%

14% 1%

80%

Schnelle Umsetzung Kostensenkungen

19%

66%

32%

64%

Gesellschafterbeitrag

Bankhilfe Sonstiges

35%

Strategische Neuausrichtung

34%

0%

10%

2%

48%

17%

59%

7%

48% 20%

2%

45%

19%

Bankhilfe Eigenkapital

2%

34%

53%

Bankhilfe Fremdkapital

30%

1%

33%

40%

50%

60%

70%

Wichtig

Mittel

Unwichtig

80%

90%

100%

Abb. 4.62 Wichtige Erfolgsfaktoren einer Sanierung

Ein ganzheitliches Sanierungskonzept wird von rund 95 % der Befragten aus Landesbanken und Sparkassen als Erfolgsfaktor genannt. Ein Unternehmensmanagement, das hinter dem Konzept steht, wird von rund 91 % der Responsaten aus Spezialinstituten klar bevorzugt. Die schnelle Umsetzung der Maßnahmen wird von nur rund 55 % der Probanden aus Spezialinstituten als wichtig angesehen. Die Realisierung von Kostensenkungen im Unternehmen ist besonders für Privatbanken mit 75 % der Antworten wichtig, während nur rund 57 % aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor diesen Punkt als bedeutend erachten. Ein finanzieller Gesellschafterbeitrag wird von den verschiedenen Instituten insgesamt ähnlich wichtig und als bedeutendes Signal der Unterstützung durch die Eigentümer gewertet. Finanzielle Sanierungshilfen beim Fremdkapital werden insbesondere von Antwortenden aus Spezialbanken mit rund 64 % und von circa 60 % der Vertreter aus Sparkassen und Landesbanken überproportional als wichtig angesehen. Die strategische Neuausrichtung des Kunden als Erfolgsfaktor einer Sanierung wird von Privatbanken mit rund 40 % der Nennungen als besonders bedeutsam eingeschätzt. Unterstützungen beim Eigenkapital werden von den Privatbanken mit rund 25 % der Antworten überdurchschnittlich häufig als wichtig gewertet, während etwa 41 % der Vertreter von Sparkassen und Landesbanken diese Hilfen oft als unwichtig einstufen. Nach der Bankengröße ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede in den Beantwortungen. Abschließend ist zu beurteilen, wann eine Sanierung aus Bankensicht als erfolgreich abgeschlossen gilt und welche Arbeitsschritte nach einem Turnaround in den Kreditinstituten umgesetzt werden sollten.

248

4.8

4 Sanierung aus Bankensicht

Sicherung des Turnarounds

Risikoerkennung aus Bankensicht

Organisation Prozesse

Finanzielle Maßnahmen

Auswahl des Sanierers

Prüfung des Konzepts

Poolbildung der Gläubiger

Überwachung der Sanierung

Sicherung Turnaround

4.8 Sicherung des Turnarounds 4.8.1 Prozesse im Anschluss an eine erfolgreiche Sanierung 4.8.2 Praxisfall zur Investorlösung 4.8.3 Lösung des Praxisfalls zur Investorlösung 4.8.4 Empirische Ergebnisse zur Rückgabe in den Normalbereich

Lernziele:  Erfolgsfaktoren einer erfolgreichen Sanierung wissen  Prozessschritte zur Rückgabe in die Normalbearbeitung kennen  Risiken bei einer Investorlösung identifizieren und vermeiden können  Abläufe der Nachbearbeitung von Sanierungsfällen kennen

Abb. 4.63 Aufbau und Lernziele in Kapitel 4.8

Zum Abschluss des Sanierungsprozesses wird entweder der Turnaround erreicht oder es folgt bei einem Scheitern der Sanierung der Insolvenzantrag. Es ist von Interesse, welche Kriterien einen nachhaltigen Turnaround anzeigen und wann eine Sanierung als gescheitert gilt. Diese Standards können bereits beim Einleiten der Sanierung festgelegt werden, um den Entscheidungsprozess zur Rückgabe in die Normalbearbeitung oder zur Weitergabe an die Abwickler zu erleichtern. Zunächst ist von Bedeutung, welche Arbeitsschritte in den Kreditinstituten im Fall eines Turnarounds einsetzen. So kommt der nachträglichen Analyse erfolgreicher Sanierungsfälle eine Bedeutung auch für künftige Krisenengagements zu. Zudem können die Risikofrüherkennungssysteme weiterentwickelt und die Erkenntnisse aus dem Sanierungsprozess genutzt werden, um die bankinternen Ablaufschritte zu verbessern. Von Bedeutung ist es, die Erfolge einer Sanierungsabteilung zu messen, um diesen als Profit Center beurteilen zu können. Dazu sind qualitative und quantitative Daten auszuwerten. Zudem sollte das Wissen in der Sanierungsabteilung an andere Bereiche weitergegeben werden. So können die Erkenntnisse in internen Schulungen an Mitarbeiter der Normalkreditbearbeitung und des Vertriebs übermittelt werden, um diese im täglichen Geschäft für Risiken zu sensibilisieren. Des Weiteren kann auf der Basis des Erfahrungsschatzes eine Beratung angeschlossener Banken im Rahmen eines Consultings erfolgen. Daher ist eine intensive Analyse und Berichterstattung über die abgeschlossenen Sanierungsfälle wichtig. Diese Daten sollten in die Risikoberichte an den Vorstand und Aufsichtsrat mit eingehen.

4.8 Sicherung des Turnarounds

4.8.1

249

Prozesse im Anschluss an eine erfolgreiche Sanierung

Neben den Ablaufschritten zur Sanierung eines Problemengagements ist auch die Gestaltung der Geschäftsprozesse im Anschluss an eine erfolgreiche Sanierung wichtig. Diesen Betrachtungen wird in der Praxis bislang nur wenig Beachtung geschenkt. Dabei sind diese Prozesse im Anschluss an den erfolgreichen Turnaround von großer Bedeutung zur: 

Weiterentwicklung der Risikosysteme



Konstruktion neuer Anreizsysteme



Schaffung eines Risikobewusstseins

Damit der Turnaround verlässlich festgestellt werden kann, müssen die Krisenmerkmale, die seinerzeit zu einer Einschätzung als erhöht risikobehaftetes Engagement geführt haben, im Hinblick auf positive Veränderungen untersucht werden. Dazu ist auf den individuellen Krisenfall einzugehen. Es ist zu prüfen, ob die Risikomerkmale aller Krisenstadien langfristig beseitigt worden sind. Insgesamt sollte keine Liquiditätskrise, keine Ertragskrise und keine Strategiekrise mehr bestehen und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit wieder hergestellt worden sein. Anhaltspunkte einer Krisenüberwindung ergeben sich auch aus den Standards zur Erstellung von Sanierungsgutachten in Form des IDW S 6, den GoS sowie den MaS. Nur wenn sich die ermittelten Risikokriterien bei der betrachteten Firma dauerhaft verbessert haben, kann eine Auflösung der Einzelwertberichtigung erfolgen und zudem eine Übergabe in die Normalkreditbearbeitung in Betracht gezogen werden. Kriterien für eine Rückgabe in die Normalbearbeitung Auslöser zur Bildung und Auflösung einer Einzelwertberichtigung ist in der Regel das interne Ratingsystem eines Kreditinstituts. Die Ratingklassifikation dient unter anderem zur Einschätzung der künftigen Ausfallwahrscheinlichkeit bezogen auf ein Jahr. Relevant ist insbesondere die Kapitaldienstfähigkeit eines Unternehmens. Es werden qualitative und quantitative Faktoren zur Beurteilung der Bonität des Firmenkunden einbezogen. Quantitative Analysen bewerten die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage eines Unternehmens im Zeitvergleich und in Relation zur Branche anhand folgender Größen: 

Eigenkapitalquote, Verschuldungsgrad



Umsatzvolumen, Jahresüberschuss, Cash Flow



Verhalten der Kontoführung, Soll- und Haben-Umsätze

Qualitative Faktoren, die untersucht werden können und zur Einschätzung der Bonität dienen sind Beurteilungen zu folgenden Bereichen: 

Geschäftsführung und mittleres Management



Produkte, Dienstleistungen und Wettbewerbsfähigkeit



Unternehmensstrategie und interne Controllinginstrumente

250

4 Sanierung aus Bankensicht

In Anlehnung an die Bewertung der quantitativen und qualitativen Daten sind Entscheidungen über die Auflösung der EWB, die Ratingverbesserung und eine Rückübertragung in den Normalbereich vorzunehmen. Die Umstufung im Rating, die EWB-Auflösung und die Übertragung in die Normalkreditbearbeitung sollten zeitgleich erfolgen. Wichtig ist es, die zu erreichenden Maßstäbe für einen Turnaround festzuschreiben und in die internen Richtlinien der Kreditinstitute mit aufzunehmen. Damit wird die Verlässlichkeit für diese wichtige Entscheidung gestärkt. Denkbar ist die Festlegung einer Checkliste, die in allen Punkten erfüllt sein muss, damit eine Rückübertragung des Engagements in die Normalkreditbearbeitung erfolgen kann. Wichtige Faktoren, die als Grundbedingung für einen Turnaround gegeben sein sollten, betreffen unter anderem die folgenden Bereiche: 

Kapitaldienstfähigkeit: Die Kapitaldienstfähigkeit wird als dauerhaft gegeben eingeschätzt. Die Kontoführung erfolgt im Rahmen der vereinbarten Linien.



Insolvenzabwendung: Tatbestände, die eine Insolvenzantragspflicht auslösen, müssen nachhaltig ausgeschlossen werden können.



Wettbewerbsfähigkeit: Eine durchschnittliche Sektorrendite wird beständig erzielt. Das Eigenkapital erreicht eine branchenübliche Größenordnung.

Wurde der nachhaltige Turnaround festgestellt sowie durch zwei unabhängige Voten positiv entschieden, sollten feste Geschäftsprozesse einsetzen, damit das ehemalige Krisenengagement strukturiert in die Normalbearbeitung übergeben wird. Geschäftsprozesse im Anschluss an den Turnaround Neben der Ratingverbesserung und der EWB-Auflösung sind weitere Geschäftsprozesse für die Übergabe in den Normalbereich auszugestalten und schriftlich zu fixieren. So sind unter anderem die Kreditkonditionen dem neuen Risiko anzupassen. Die veränderte Bonitätseinschätzung ist dem Kreditnehmer in einem Kundengespräch zu übermitteln. Anschließend ist das Engagement in den Marktfolgebereich der Normalkreditbearbeitung zu überführen. Die Überleitung sollte mit der Übergabe der Kredit- und Sicherheitenakten und einem schriftlichen Protokoll erfolgen. In diesem Dokument sind die Krisenursachen und der Sanierungsverlauf festzuhalten. Zusätzlich sollte ein Übergabegespräch erfolgen. Auf diese Weise kann das Engagement künftig im Hinblick auf die früheren Risikoanzeichen überwacht werden. Zudem ist im Anschluss an die Rückgabe eine bestimmte Zeitdauer festzulegen, in der das Engagement weiterhin intensiv kontrolliert wird. Die Änderung der internen Zuständigkeit und die Ratingverbesserung sind dem Kunden nach dieser schwierigen und intensiven Betreuungsphase aus Gründen der Fairness unbedingt mitzuteilen. War der Firmenkundenbetreuer permanent in den Sanierungsprozess mit einbezogen, ist ein Betreuerwechsel auf der Marktseite nicht notwendig. Ein Vorteil aus diesem Organisationsmodell ist für ein Kreditinstitut, dass der Firmenkundenbetreuer die Krisenursachen der Firma kennt und seine Erfahrungen bei der künftigen Risikoüberwachung mit einbringen kann. Zudem kann dieses Engagement auf Neugeschäft und Cross-Selling-Potenzial überprüft werden. Wichtig ist es, die Kundenbindung wieder voll aufzunehmen, jedoch unter der weiteren Beobachtung von möglichen Risikoanzeichen.

4.8 Sicherung des Turnarounds

251

Als zusätzliche Ex-Post-Maßnahmen sind die Sanierungserfolge zu quantifizieren, die Abläufe auf Optimierungspotenziale hin zu überprüfen und die Erkenntnisse aus neuen Risikomustern in die Früherkennungssysteme einzuarbeiten. Diese Maßnahmen dienen zur qualitativen Verbesserung der Risikoerkennung und der Einführung dauerhafter Sanierungsstrukturen innerhalb eines Kreditinstituts. Die folgende Abbildung 4.64 zeigt die Geschäftsprozesse, die mit dem Erreichen des Turnarounds umgesetzt werden sollten.

Prozesse bei Erreichen des Turnarounds Feststellen des Turnarounds (Kriterien)

Anpassung Rating und Zinskonditionen, Auflösung EWB

Überführung in die Normalbearbeitung

Laufende Überwachung des Engagements

Kommunikation gegenüber dem Kunden

Quantifizierung der Sanierungserfolge

Qualitative Auswertungen der Sanierung

Krisendiagnose für das Risikoerkennungssystem

Abb. 4.64 Geschäftsprozesse nach dem Erreichen des Turnarounds

Die Einzelauswertungen zu den Engagements sollten in regelmäßigen Abständen verdichtet werden zu einem Gesamtbankbericht. Dieser basiert auf der Ex-Post-Auswertung aller bearbeiteten Problemkreditfälle in einem festgelegten Zeitraum. Neben den quantitativen Erfolgen aus der Sanierungsarbeit können laufende qualitative Verbesserungen der Arbeitschritte aufgezeigt werden. Dies ist gerade dann von Bedeutung, wenn der Bereich bereits als eigenständigen Profit Center innerhalb der Bank betrieben wird. Auf diese Weise können die Leistungen gegenüber dem Vorstand und Aufsichtsrat dokumentiert und nachgewiesen werden. Die Inhalte sollten zudem in die Risikoberichterstattung für die Geschäftsleitung der Bank eingehen (MaRisk AT 4.3.2 Tz. 4). Auf diese Weise kann die Einhaltung des risikostrategischen Rahmens im Problemkreditbereich festgehalten werden. Dazu sind die strukturellen Gegebenheiten des Kreditportfolios darzulegen (MaRisk BTR 1 Tz. 7).

252

4 Sanierung aus Bankensicht

Die Verteilung der Adressenausfallrisiken ist in diesem Analysebericht unter anderem nach Branchen, Ländern und Größenklassen auszuwerten und die Entwicklung der Risikovorsorge ist ausführlich darzustellen. Der Problemkreditbericht ist Bestandteil der Risikokommunikation innerhalb der Bank und ein zentrales Informationsinstrument für die Geschäftsleitung. Dieser Report dient zur nachträglichen Reflektion der Kreditrisikostrategie und einer möglichen Neuausrichtung des Instituts (vgl. Hannemann et al., 2008, S. 185 ff.). Dabei ist die Sanierungskreditberichterstattung ein wichtiger Baustein zur Beurteilung der Adressenausfallrisiken und der Qualität eines Kreditportfolios. Des Weiteren dienen die Auswertungen des qualitativen Sanierungsprozesses zur Ermittlung von Krisen- und Erfolgsfaktoren der Sanierung mit der: 

Identifikation von Ergebnismustern einer erfolgreichen Sanierung



Dokumentation der Erfahrungen mit dem Sanierungsberater



Ermittlung und Nutzung von Krisensignalen für andere Kreditfälle

Zudem sind häufig auftretende Krisenursachen in das Risikomanagementsystem der Bank zu integrieren oder bestehende Merkmale gegebenenfalls im Hinblick auf die Erkenntnisse zur künftigen Risikofrüherkennung neu zu gewichten. Wichtig ist es, die Ergebnisse der Auswertungen zu den Krisensignalen und den Erfolgsfaktoren einer Sanierung in der Bank zu kommunizieren, um Lerneffekte auf Gesamtbankebene zu erreichen. So können die Erkenntnisse der Sanierungsarbeit in das interne Seminarwesen einfließen. Auf diese Weise lassen sich über einen permanenten Informationsfluss das stetige Lernen und der Wissensaufbau in einer Bankorganisation sicherstellen. Dabei sind die Sanierungsinformationen nur den relevanten internen Bereichen zur Verfügung zu stellen. Gegebenenfalls können auch entgeltliche Schulungen angeboten werden. Bei der externen Kommunikation ist jedoch strikt darauf zu achten, dass keine vertraulichen Daten preisgegeben werden. Des Weiteren kann diese Dokumentation der Sanierungsarbeit zur Weiterentwicklung eines Profit Centers und Erschließung neuer Geschäftsfelder dienen. So können Inhalte zur Erstellung einer Imagebroschüre herangezogen werden, damit die Sanierungsarbeit anderen internen Bereichen und auch externen Nachfragern dargelegt werden kann. Auf diese Weise kann ein Inhouse Consulting für angrenzende Geschäftsbereiche angeboten werden. Zudem besteht die Möglichkeit, auch anderen Instituten über ein externes Consulting die entgeltliche Sanierungsarbeit zu offerieren. Dieses kann gerade innerhalb des Sparkassensektors oder im genossenschaftlichen Bereich über die Zentralinstitute umgesetzt werden. Dazu können unter anderem einzelne oder umfassende Dienstleistungen rund um das Intensiv- und Problemkreditgeschäft zum Beispiel den Volksbanken und Raiffeisenbanken im Genossenschaftssektor offeriert werden (vgl. Ifftner, 2008, S. 251). Die gemessenen quantitativen und qualitativen Erfolge bei der Sanierungsarbeit können zur Anreizwirkung auf Mitarbeiterebene eingesetzt werden. So überlagern sich in der Problemkreditbearbeitung regelmäßig Backoffice-Tätigkeiten mit kundenbezogenen Aufgaben. Dies erhöht die Eignung variabler Vergütungssysteme. Dabei können individuelle oder teambezogene Bonussysteme besondere Anreizwirkungen entfalten und das unternehmerische Denken auch in den internen Bereichen deutlich fördern.

4.8 Sicherung des Turnarounds

253

Anpassung der Vergütungssysteme in der Sanierungsbearbeitung Variable Vergütungssysteme sind im Vertriebsbereich von Banken mittlerweile erfolgreich eingeführt. Jedoch bieten auch Marktfolge- oder Schnittstellenbereiche besondere Möglichkeiten der Steuerung und Motivation über eine anreizbezogene Bezahlung. So existieren in der Problemkreditbearbeitung Stellenprofile, bei denen sich interne Aufgaben in der Kreditbearbeitung mit den Tätigkeiten der Kundenbetreuung überlagern (vgl. Hören, 2003, S. 24). Es ist zu prüfen, inwieweit und auf welche Art und Weise sich variable Leistungsanreize in der Sanierungsabteilung einsetzen lassen, um zum einen Effizienzreserven zu heben und zum anderen Leistungsanreize zu setzen (vgl. Portisch, 2009b, S. 60 ff.). Bislang werden Backoffice-Bereiche in Kreditinstituten von der variablen Vergütung größtenteils ausgegrenzt. Als Gründe werden zum Beispiel fehlende quantitative Bezugsgrößen zur Messung des Erfolgs und die Subjektivität der Bewertung der Leistung genannt. Dennoch tragen alle Abteilungen in Kreditinstituten in ihrer Gesamtheit zum Unternehmenserfolg bei und sollten damit auch durch variable Vergütungen motiviert werden. Zudem existieren bei der Problemkreditbetreuung Bereiche, in denen Überschneidungen zwischen der klassischen Sachbearbeitung und der Tätigkeit beim Kunden bestehen. Es ist zu prüfen, ob die Arbeitsmotivation über eine leistungsgerechte Entlohnung mit der Einführung eines variablen Vergütungssystems gesteigert werden kann. Unter der variablen Vergütung wird die leistungsorientierte Zahlung im Rahmen einer tariflichen Öffnungsklausel zusätzlich zum Fixum verstanden (vgl. Böhmer, 2007, S. 37 ff.). In Kreditinstituten stellen Personalkosten einen großen Fixkostenblock dar, der die Wettbewerbsfähigkeit im nationalen und internationalen Vergleich stark beeinflusst. So liegen die Cost Income Ratios deutscher Kreditinstitute meist über denen der internationalen Konkurrenz. Zudem ist dieser Kostenblock statisch geprägt und entwickelt sich unabhängig von der tatsächlichen Geschäftslage. In Banken erfolgt häufig eine fixierte Entlohnung auf Grundlage der Tarifverträge und das Gehaltssystem ist meist nur durch geringe leistungsabhängige Anteile geprägt. Aber gerade die variablen Bestandteile der Entlohnung können Anreize für die Mitarbeiter entfalten und zugleich die individuelle Bankstrategie fördern. Ziele und Vorteile eines variablen Vergütungssystems sind (vgl. Portisch, 2009b, S. 60 ff.): 

Flexibilisierung der Personalkosten



Erhöhung der Motivation und der Leistungsgerechtigkeit



Förderung der Unternehmensstrategie

Häufig werden bestimmte Mitarbeitergruppen von der variablen Entlohnung ausgegrenzt. So wird argumentiert, Stellen in der Marktfolge bieten aufgrund der fehlenden quantitativen Erfolgsmessungskriterien keine Basis für eine individuell ausgestaltete variable Vergütung. Jedoch können Vergütungssysteme heutzutage auch verstärkt qualitative Kriterien berücksichtigen. Zudem existieren in Kreditinstituten oftmals Tätigkeitsbereiche, bei denen klassische Backoffice-Arbeiten mit vertriebsähnlichen Aufgaben kombiniert auftreten und damit auch messbare Zielgrößen bieten. Zu prüfen ist daher, ob sich variable Entlohnungssysteme gerade in der Problemkreditbearbeitung von Banken einsetzen lassen.

254

4 Sanierung aus Bankensicht

Einsatzgebiete der variablen Vergütung in der Sanierung In einer Problemkreditbearbeitung bestehen in Abhängigkeit von der Aufbauorganisation unterschiedliche Tätigkeitsbereiche. Die Stellenprofile sind verstärkt durch quantitativ messbare Bestandteile oder durch qualitative Inhalte geprägt. In Kreditinstituten existieren verschiedene Arten von Tätigkeitsgebieten in der Sanierungsarbeit bei Firmenkunden. Dies sind erstens klassische Sachbearbeiter in der Sanierung, die unter anderem Teilaufgaben der Analyse von Kreditengagements, der Votierung und der Erstellung von Auswertungen für die Gesamtbank verrichten. Die Aufgaben sind nach der Messbarkeit verstärkt quantitativ geprägt. Als Messgröße bietet sich unter anderem die bearbeitete Fallzahl an. Zweitens existieren in vielen Instituten Spezialisten mit besonderen Aufträgen in der Sanierung oder Insolvenz eines Kunden. So werden von diesem Mitarbeiterkreis Verwertungen von Objekten oder sonstigem Sicherungsgut sowie weitere Spezialaufgaben in der Insolvenz durchgeführt. Zur genauen Leistungsmessung kann der quantitative Erfolg bei gerichtlichen oder außergerichtlichen Verwertungen herangezogen werden. Drittens bestehen Betreuer mit Analyseaufgaben und Tätigkeiten mit Kundenkontakt. Bei diesen Stellen vermischen sich Aktivitäten im internen Backoffice mit externen Aufgaben beim Kunden oder bei anderen Stakeholdern. Damit sind Messgrößen zu verwenden, die qualitative und quantitative Eigenschaften miteinander vereinen. Viertens besteht die Möglichkeit, eine Bewertung im Team vorzunehmen, bei der eine Leistungsmessung den gesamten Sanierungs-, Insolvenz- und Verwertungsprozess bei Firmenengagements umfasst. Die folgende Tabelle 4.42 zeigt die verschiedenen Alternativen auf (vgl. Portisch, 2009b, S. 61). Tab. 4.42 Tätigkeitsbereiche und Leistungsmessung im Sanierungsbereich Tätigkeiten

Bemessungsgrößen

Eignung

Sachbearbeiter

Analyse

Quantitativ

Mittel bis Gut

Spezialist

Verwertung/Insolvenz

Quantitativ

Mittel bis Gut

Betreuer

Kundenbetreuung

Quantitativ/Qualitativ

Gut

Team

Kunde/Backoffice

Quantitativ/Qualitativ

Gut

Hauptproblem bei der Gestaltung eines Anreizsystems mit variablen Gehaltskomponenten ist die genaue Messung der Leistung. Dabei werden häufig individuelle Personalbeurteilungen durch den Vorgesetzten anhand von Kriterienkatalogen oder quantitativen Merkmalen, zum Beispiel des Verkaufserfolgs, vorgenommen. Die Beurteilung des Erfolgs in einer Sanierung ist dagegen differenziert ausgestaltet und erfordert ganzheitliche Verfahren. Weitere aktuelle Instrumente, bei denen sich sowohl quantitative als auch qualitative Merkmale berücksichtigen lassen, sind individuelle oder teambezogene Zielvereinbarungen und die sich anschließende Messung des Zielerreichungsgrades auf Mitarbeiter- oder Teamebene. Dabei bietet es sich an, ein Anreizsystem auf Basis der Balanced Scorecard zu installieren. Auf diese Weise lassen sich qualitative und quantitative Kennzahlen mit Gewichtungen bei der individuellen Leistungsmessung berücksichtigen. Gleichzeitig werden damit die Gesamtbankziele und die Kreditrisikostrategie unterstützt.

4.8 Sicherung des Turnarounds

255

Gerade in der Sanierungsabteilung bietet sich das Messverfahren und Steuerungskonzept der Zielvereinbarung über eine Balanced Scorecard an, da Tätigkeiten in der Problemkreditbearbeitung durch weiche und harte Faktoren geprägt sind. Dabei sollten die Ziele und Vorgaben zwischen den Mitarbeitern und der Führungskraft verhandelt werden, um eine Motivationswirkung entfalten zu können und Fehlsteuerungen zu vermeiden. Die Anzahl der zu vereinbarenden Kriterien sollte überschaubar und die Gewichtung im Voraus verdeutlicht werden, damit das System transparent ist. Vorteil der Verwendung einer Balanced Scorecard besteht in der Möglichkeit, quantitative, qualitative und teambezogene Zielvorgaben zu kombinieren und zugleich die bankbezogene Unternehmensstrategie zu fördern. Dabei sind die Kenngrößen und Gewichtungen auf den individuellen Arbeitsplatz anzupassen. Kriterien für eine Zielvereinbarung und Leistungsmessung Von Bedeutung ist, dass die festgelegten Richtwerte die Kreditrisikostrategie eines Instituts abbilden. In Anlehnung an die Balanced Scorecard können die zu erreichenden Ziele und die zu bestimmenden Kennzahlen aus verschiedenen Prozessperspektiven abgeleitet werden, wie die nachfolgende Abbildung 4.65 zeigt.

Zielvereinbarungen auf Basis einer Balance Scorecard Prozessperspektive - Ziele - Messgrößen - Zielwerte - Zielerreichungsgrad

Finanzperspektive - Ziele - Messgrößen - Zielwerte - Zielerreichungsgrad

Bankstrategie

Teamperspektive - Ziele - Messgrößen - Zielwerte - Zielerreichungsgrad

Abb. 4.65 Balanced Scorecard für den Sanierungsbereich

Potenzialperspektive - Ziele - Messgrößen - Zielwerte - Zielerreichungsgrad

256

4 Sanierung aus Bankensicht

Die Dimensionen der Balanced Scorecard werden im Folgenden anhand ausgewählter Fragestellungen und Merkmale erläutert: 

Finanzperspektive: Welche Ziele leiten sich aus den finanziellen Erwartungen ab? – Kennzahlen zum Abbau der Einzelwertberichtigungen, Beitreibung von neuen Sicherheiten, Abbau der Problemkreditvolumina, Erzielung einer risikoangepassten Zinsmarge, Verwertungen über den Sicherheitenwert hinaus.



Potenzialperspektive: Welche Ziele sind festzulegen, damit die Qualifikationspotenziale den aktuellen und künftigen Herausforderungen gewachsen sind? – Verbesserung der Qualifikation der Mitarbeiter über interne und externe Schulungen, Förderung des Erwerbs von Zertifikaten, Durchführung von Studiengängen.



Prozessperspektive: Welche Ziele sind bei den Prozessen zu setzen, um die Unternehmensstrategie zu fördern? – Fortschritte bei der Risikofrüherkennung und Engagementbearbeitung, Produktivitätssteigerungen bei den Bearbeitungszahlen, Optimierungen der Prozesse über Klassifikationen in ABC-Kunden, Reportingqualität.



Teamperspektive: Welche Ziele sind zu setzen, um die Strategie über den Teamerfolg zu fördern? – Ratingverbesserung im Problemkreditportfolio, Gesamtbankanalysen zur Erhöhung der Transparenz im Kreditportfolio, Abbau der Einzelwertberichtigungen im Gesamtportfolio, gemeinsame Dozententätigkeiten im Team.

Es lassen sich je Dimension zum Beispiel drei bis fünf Kennzahlen festlegen, die diese Ziele unterstützen. Die Bewertungen können auf einer fünfstufigen Likert-Skala im Rahmen eines Profils oder einer Punkteskala nach einem Scoring-Verfahren erfolgen. Dabei ist eine Gewichtung der Kategorien in Anpassung an das Stellenprofil zu wählen. Die zu erreichenden Zielschwellenwerte sind aufgrund der Veränderung der Kreditportfoliozusammensetzung in regelmäßigen Abständen anzupassen. Wichtig ist, dass die ausgewählten Kennzahlen transparent, beeinflussbar und zielkonform sind, das heißt in einem direkten Zusammenhang mit den Unternehmenszielen und den daraus abgeleiteten Strategien stehen. Gerade die Ausprägung der Teamkomponente kann zur Unterstützung der Bankstrategie eingesetzt werden. Zur Messung des Teamerfolgs kann das Problemkreditportfolio auch virtuell auf die Sanierungsabteilung übertragen werden. Strukturelle Verbesserungen wie der EWB-Abbau sind quantitativ messbar und bei der Teambewertung zu berücksichtigen. Chancen und Risiken der variablen Vergütung im Sanierungsbereich Damit kann auch in der Sanierungsabteilung eine Leistungsmessung und eine variable Vergütung vorgenommen werden, die die individuelle Motivation fördert und eine Teilhabe am Erfolg garantiert. So können Leistungsträger, die in der Problemkreditbearbeitung eine wichtige Funktion haben, über eine stärkere gehaltliche Differenzierung an das Institut gebunden werden. Besondere Chancen der Vereinbarung einer variablen Vergütung im Sanierungsbereich sind zum Beispiel (vgl. Portisch, 2009b, S. 60 ff.): 

Anreizwirkung mit Motivations- und Beurteilungskomponenten



Verbesserung der Cost Income Ratio und Optimierung der Prozesse



Steigerung des persönlichen Engagements und des unternehmerischen Denkens

4.8 Sicherung des Turnarounds

257

Dabei ist das Bonussystem transparent, flexibel und leistungsgerecht aufzubauen. Auf diese Weise lässt sich der zu erreichende Unternehmenserfolg mit der individuellen Leistung und dem erzielten Einkommen verknüpfen. Es ist auf die zeitliche Messung der Erfolgskomponenten zu achten. So zeigt sich ein nachhaltiger Sanierungserfolg meist erst nach vielen Jahren. Zudem kann nach dem festgestellten Turnaround ein Rückschlag eine erneute Risikovorsorge und eine Rücküberführung in den Sanierungsbereich erfordern. So sollte eine Leistungsprämie erst nach einer Karenzzeit gewährt werden und die Rückerstattung bereits erhaltener Tantiemen ebenfalls möglich sein. Eine andere Möglichkeit, kurzfristig einen Sanierungserfolg bei einer Krisenfirma mit einer Bonusbeteiligung zu erlangen, bietet die Investorlösung, mit einer Übernahme durch interne oder externe Käufer. Alternative Sanierungslösungen über Investoren Investoren können unter anderem die Mitarbeiter oder das Mittlere Management des Krisenunternehmens im Rahmen eines Management-Buy-Outs sein. Häufig besteht aber auch die Möglichkeit, die Krisenfirma an ein anderes Unternehmen der Branche oder einen reinen Finanzinvestor zu verkaufen. In der Regel beabsichtigt der Investor, zumindest Mehrheitsgesellschafter eines Krisenunternehmens zu werden, um künftig die Geschäfte zu führen (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 74 ff.). Oftmals wird auch ein Interimsmanager mit der Aufgabe betraut, einen Käufer zu finden. Die Investorlösung kann ebenfalls als eine besondere Art der Sanierungsstrategie angesehen werden. Denn unter Umständen ist das Krisenunternehmen zu klein und wenig ertragreich, um langfristig in bestimmten Geschäftsfeldern erfolgreich wirtschaften zu können. Zudem sind die beteiligten Kreditinstitute in einer Krisensituation meist nicht bereit, das notwendige Unternehmenswachstum zu finanzieren. Im Folgenden sollen Möglichkeiten, Chancen und Risiken der Beteiligung einer externen Investorfirma bei einem Krisenunternehmen untersucht werden. Definition: Unter einer Investorlösung im Rahmen einer Sanierung wird hier der Verkauf von Mehrheitsanteilen der Krisenfirma an interne oder externe Stakeholder verstanden, mit dem Ziel direkt eine wirtschaftliche Gesundung herbeizuführen. Damit ein Verkauf der Anteile vorgenommen werden kann, ist in der Regel das Einverständnis der Gesellschafter notwendig. Dazu sind zunächst die Motive des Verkäufers zu untersuchen. Diese können beispielsweise in der Realisierung eines hohen Kaufpreises, der Sicherung des Lebenswerkes, der Wahrung des öffentlichen Ansehens, der Entlastung von psychischem Druck aufgrund der Sanierung, dem Erhalt der Arbeitsplätze oder der Befreiung von persönlichen Haftungstatbeständen bestehen (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 75 ff.). Auch die Beweggründe eines potenziellen Investors spielen bei einer Übernahme eine Rolle. Wichtige Beteiligungsanlässe eines möglichen Investors können sein: 

Finanzinvestor: Erzielen einer hohen Rendite mit Kauf und Wiederverkauf von Krisenfirmenanteilen oder Nutzung steuerlicher Verlustvorträge



Realinvestor: Gewinnen von neuen Kunden, Marktanteilen, Patenten, Know-How der Mitarbeiter, Produkten und Realisierung von Synergieeffekten

258

4 Sanierung aus Bankensicht

Für die beteiligten Kreditinstitute ist eine Investorlösung grundsätzlich interessant, denn es ergeben sich oft neue Handlungsoptionen und veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen für das Krisenunternehmen. So besteht bei einer Übernahme der Krisenfirma die Option eines Ausstiegs aus dem Firmenengagement, wenn die Hausbank des Käufers eine Ablösung in Aussicht stellt. Auch kann sich die Bonitätseinschätzung mit der Übernahme grundsätzlich ändern, wenn ein wirtschaftlich starkes Unternehmen die Haftung für die Krisenfirma übernimmt. Eine Weiterbegleitung kann dann unter Umständen neue Geschäftsmöglichkeiten erbringen. Diese positiven Resultate lassen sich jedoch nicht immer erzielen. Vielmehr knüpft der Investor mit dem Kauf des Krisenunternehmens bestimmte Erwartungen an die Eigentümer und Gläubiger, die nicht immer tragbar erscheinen. So werden in vielen Fällen bei einer Investorlösung von den beteiligten Banken und übrigen Gläubigern zum Teil erhebliche Sanierungsbeiträge gefordert. Dies wird bei krisenbehafteten Kreditengagements geradezu erwartet. Es werden bei einer Haftungseinbindung des Käufers im Fall einer Weiterbegleitung oder bei einer kompletten Ablösung häufig hohe Forderungsverzichte von den finanzierenden Instituten verlangt. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob eine weitere Sanierung Stand Alone oder eine Insolvenz geringere Verluste erwarten lässt. Aufgrund der Unsicherheit des Sanierungserfolgs, des langjährigen Sanierungsprozesses und der meist geringen Liquidationserlöse in einer ebenfalls lang andauernden Insolvenz oder einer außergerichtlichen Abwicklung wird einer Investorlösung in der Praxis jedoch oft auch unter finanziellen Zugeständnissen zugestimmt. Hier soll der Fall untersucht werden, dass ein Unternehmensinvestor mit guter Bonität das Krisenunternehmen kauft und auf diese Weise den Turnaround einleitet. In die Verhandlungen des Unternehmensverkaufs sind die beteiligten Banken regelmäßig einbezogen, aufgrund der Gestaltung der Konditionen zu den möglichen Kreditübernahmen oder einer Übernahme der Firmenanteile aus einer doppelnützigen Treuhand. Die beteiligten Banken werden versuchen bei einer Investorlösung eine Verbesserung der Bonität zu erreichen oder aus dem Engagement komplett auszusteigen. Dabei bestehen folgende Alternativen für die begleitenden Kreditinstitute, wie nachfolgende Abbildung 4.66 zeigt.

Handlungsoptionen der Kreditinstitute

Finanzieller Beitrag

Ohne Forderungsverzicht

Mit Forderungsverzicht

Weitere Begleitung

(1)

(2)

Ausstieg

(3)

(4)

Optionen

Abb. 4.66 Handlungsalternativen der Banken bei einer Investorlösung

4.8 Sicherung des Turnarounds

259

In der Praxis werden bei einer Investorlösung häufig die Fälle (1), (2) und (4) auftreten. Bei diesen Alternativen ist entweder eine finanzielle Unterstützung oder die weitere Begleitung der Institute erforderlich. Alternative (3) ist die Lösung, die aus Bankensicht angestrebt werden sollte. Des Weiteren hängt die Option einer weiteren Begleitung davon ab, inwieweit das Krisenunternehmen in das gesunde Investorunternehmen integriert wird und ob der Investor bereit ist, die Haftung für die Altkredite zu übernehmen. Dabei bestehen die folgenden Möglichkeiten der Haftungseinbindung (vgl. Lauer, 2005, S. 258): 

Der Investor übernimmt eine Garantie oder eine Bürgschaft gemäß §§ 765 ff. BGB, eine harte Patronatserklärung, er erklärt eine Schuldübernahme gemäß §§ 414 ff. BGB oder einen Schuldbeitritt nach §§ 311 ff. BGB (vgl. Lwowski/Merkel, 2003, S. 41 ff.).



Der Investor erwirbt einzelne Vermögensgegenstände des Krisenunternehmens im Rahmen eines Asset Deals oder übernimmt die Mehrheit der Firmenanteile beziehungsweise die kompletten Unternehmensanteile im Wege eines Share Deals.



Der Investor erwirbt die Kreditforderungen der Banken im Rahmen eines Forderungskaufvertrags. Zu beachten ist in diesem Fall, dass die treuhänderisch gehaltenen Sicherheiten gesondert übertragen werden müssen.

Im Folgenden soll die Weiterbegleitung durch die bestehenden Banken bei einer Investorlösung untersucht werden. Im Hinblick auf die Fortführung des Kreditengagements kann es für die Banken vorteilhaft sein, einen neuen Schuldner mit guter Bonität zu erhalten. Dennoch können sich künftig auch neue Risiken ergeben. Auch wenn sich die Bonität der Krisenfirma durch diese Übernahme mit der Haftungseinbindung zunächst kurzfristig verbessert, können spätere Gefährdungen aus einem Verkauf resultieren. Bei einer Investorlösung wird das Krisenunternehmen in die Unternehmensgruppe des Investors integriert und es entsteht eine Konzernlösung. Die Konzernzugehörigkeit kann sich auch auf die Bonität des Unternehmens auswirken. Bestehen bei Firmenkreditengagements Beteiligungen von übergeordneten Gesellschaften, so kann über Ergebnisabführungsverträge oder Verwaltungsumlagen die Ertrags-, Finanz- oder Liquiditätslage des Kreditnehmers langfristig geschwächt werden. Die Höhe der Ergebnisabführungen wird maßgeblich von der wirtschaftlichen Lage der Konzernmuttergesellschaft bestimmt. Zunächst ist zu definieren, was unter einem Konzern zu verstehen ist, um anschließend mögliche Problemsituationen aufzuzeigen und Instrumente zur Steuerung von Risiken aus der Zugehörigkeit von Konzernen zu diskutieren und umzusetzen (vgl. Portisch, 2006, S. 47). Definition: Als Konzerne werden wirtschaftliche Entscheidungs- und Handlungseinheiten zwischen zwei oder mehreren juristisch selbstständigen oder unselbstständigen Unternehmen und Betrieben bezeichnet. Diese agieren als wirtschaftliche Einheit in personeller, institutioneller oder funktioneller Hinsicht, zeitlich befristet oder auf Dauer im Rahmen abgestimmter Planungen und verfolgen in der Regel ein gemeinsames wirtschaftliches Ziel (vgl. Theisen, 2000, S. 18). Hauptmerkmal eines Konzerns ist eine einheitliche Leitung oder ein beherrschender Einfluss in Verbindung mit einer Kapitalbeteiligung des herrschenden Unternehmens (§ 290 Abs. 1 und Abs. 2 HGB und § 19 Abs. 2 KWG).

260

4 Sanierung aus Bankensicht

Aus Kreditgebersicht sind die einem Konzern zugehörigen Unternehmen als Risikogemeinschaft anzusehen (§ 19 Abs. 2 KWG). Es ist für den Firmenkomplex ein einheitliches Gruppenrating festzulegen, da das wirtschaftliche Schicksal eines Konzernsteils direkte Auswirkungen auf die künftige Existenz anderer Konzernmitglieder haben kann (Rösler et al., 2002, S. 556 ff.). Dagegen muss die wirtschaftliche Lage eines einzelnen Unternehmens aus dem Konzern nicht zwingend der Gesamtlage des Konzerns entsprechen. Aus einer Konzernstruktur können sich Spannungsfelder ergeben, die auf die Kreditinstitute ausstrahlen. So können Risiken allein aus einer Gruppenzugehörigkeit resultieren. Betrachtet wird in der nachfolgenden Abbildung 4.67 der Übersichtlichkeit halber eine einstufige Konzernstruktur mit Mutter- und Tochterunternehmen.

Einstufige Konzernstruktur

Konzernmutter Beteiligung > 20 %

Beteiligung > 50 %

Konzerntochter

Konzerntochter

Einheitliche Leitung (§ 290 Abs. 1 HGB)

Beherrschender Einfluss (§ 290 Abs. 2 HGB)

Abb. 4.67 Einstufige Konzernstruktur

Ausgewählte Problembereiche für das Tochterunternehmen und die betroffenen Kreditgeber können beispielsweise sein (vgl. Portisch, 2006, S. 48 ff.): 

Abhängigkeiten: Oft werden Tochterunternehmen in einer Unternehmensgruppe eng in die Wertschöpfungskette anderer Konzernteile eingebunden. Wenn sich die Bonität einzelner Konzernmitglieder aufgrund einer Krisenlage verschlechtert, kann dies negative Auswirkungen auf die Liefer- und Leistungsbeziehungen und damit auf die Umsatz- und Ertragslage dieser Konzerntochter haben. So können Patente und sonstige Schutzrechte verlagert und deren Nutzung nur gegen eine hohe Gebühr genehmigt werden.



Unternehmensentscheidungen: Wichtige Entscheidungen bei Standortverlagerungen, Umfirmierungen oder Schließungen von Betrieben werden in der Regel in einem Konzerngefüge von den Einheiten in der Obergesellschaft getroffen. Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage einzelner Konzernteile, so können Entscheidungen die Bonität des Kreditnehmers als Tochterunternehmen negativ beeinflussen. Es können gute Betriebszweige verkauft werden, um die Liquiditätslage im Konzern zu verbessern.

4.8 Sicherung des Turnarounds

261



Zahlungsverflechtungen: Über ein zentrales Cash-Management-System können Liquiditätsreserven der Konzerntochter auf Konten anderer Banken umgebucht werden. Diese Reserven stehen einem Unternehmen dann nicht mehr zur Verfügung. Gerade in einer Krisenlage von Konzernteilen können diese Transaktionen zu drohenden Liquiditätslücken bei dem Tochternehmen und dadurch zu Überziehungen führen. Problematisch ist, dass diese Transaktionen nicht mehr rückgängig gemacht werden können.



Ertragsaushöhlungen: Tochterunternehmen können über Ertragsverlagerungen systematisch ausgehöhlt werden. Dies kann erfolgen über tatsächliche oder fiktive konzerninterne Lieferungen oder Verwaltungsumlagen für Leistungen der Zentrale. Meist werden über Ergebnisabführungsverträge Gewinnanteile von Tochterunternehmen auf die Obergesellschaft verlagert. In diesem Fall kann sich die Kapitaldienstfähigkeit für Untergesellschaften und deren Gläubiger unter Umständen stark verschlechtern.



Vermögenstransfers: Es können Vermögensverschiebungen auftreten, wenn Aktiva im Konzernverbund auf andere Firmen übertragen werden. Die Gesamthaftungsmasse wird über diese Umverteilung auf andere Konzernteile gezielt gesteuert und gegebenenfalls dem Tochterunternehmen und ihren Gläubigern entzogen. Auch lassen sich Sachsicherheiten wie Sicherungsübereignungen im Zweifel schwer oder nicht lokalisieren und realisieren, wenn der neue Standort nicht bekannt ist.



Überinvestitionsproblem: Auch können über eine selektive Investitionspolitik riskante Projekte bei rechtlich selbstständigen Tochtergesellschaften realisiert werden, für die eine Obergesellschaft wie auch andere Konzernteile nur begrenzt haften und zu keinerlei Kompensationszahlungen verpflichtet sind. Das Risiko verbleibt dann beim Tochterunternehmen und seinen Gläubigern. Die residualen Überschüsse aus den riskanten Investitionen werden dagegen von der Konzernmutter abgezogen.

Die genannten Problembereiche können sich verstärken wenn das Mutterunternehmen seinen Firmensitz im Ausland hat und damit internationale Strukturen im Konzernverbund bestehen. Strategische Entscheidungen über ein deutsches Tochterunternehmen werden dann gegebenenfalls unter eigenen nationalen Interessen getroffen. Vermögens- und Ertragsverlagerungen sind dann unter Umständen dem deutschen Rechtsbereich entzogen. Zudem besteht eine Verhaltensunsicherheit bei einer ausländischen Konzernmutter zu einem deutschen Tochterunternehmen. So ist in einer wirtschaftlichen Krise der deutschen Tochter unklar, ob die ausländische Konzernmutter weiter zu dem deutschen Engagement steht. Eventuell kann eine mangelnde Verbundenheit der Mutter zum Tochterunternehmen dazu führen, dass notwendige Finanzhilfen versagt bleiben und die Insolvenz in Kauf genommen wird. Die dargestellten und in der Praxis häufig vorkommenden Problembereiche können isoliert oder auch kombiniert auftreten. Dies kann den Druck auf die kreditgebenden Institute einer Konzerntochter verstärken. Zudem zeigt sich bei einer Investorlösung häufig, dass sich das aufgekaufte Unternehmen langfristig in einer schwachen Position befindet. Risiken aus Konzernstrukturen sind bei der Bonitätseinstufung zu antizipieren. Treten diese Schwierigkeiten bei einer Investorlösung im Rahmen eines Konzernverbunds auf, sind aus Sicht der betroffenen Kreditinstitute rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten.

262

4 Sanierung aus Bankensicht

Daher kommt auch der Bonitätseinschätzung für Konzerntochterunternehmen eine besondere Bedeutung zu, da von der Ratingnote zu fordernde Sicherheiten, Limite, Konditionen und die Kreditvergabe abhängen. Als Basis für ein Rating kommen in Betracht, die Beurteilung der Bonität des Kreditnehmers, die Klassifikation der Konzernmutter oder die schlechteste Ratingnote eines Konzernteils. Folgende Abbildung 4.68 zeigt mögliche Risikokonstellationen in einer Konzernstruktur mit Mutter- und Tochterunternehmen.

Konzernrisiken in der Firmenstruktur

Konzernmutter hat

eine schlechte Bonität

eine gute Bonität

Konzerntochter hat eine schlechte Bonität

(1) Gefahr

(2) Mithaftung

eine gute Bonität

(3) Mitgefährdung

(4) Idealzustand

Abb. 4.68 Risikokonstellationen im einstufigen Konzern



Situation (1): Konzernmutter und Tochter weisen eine schlechte Bonität auf. Von dieser Situation geht eine besondere Gefahr bei einer Investorlösung aus. Es ist zu klären, ob die Krise der Mutter die Schieflage der Tochter noch verstärken kann. Dies wäre im Rating der Tochter mit einem zusätzlichen Abschlag zu berücksichtigen. Eine Investorlösung würde in diesem Fall keinen Nutzen für die Krisenfirma erbringen.



Situation (2): Die Obergesellschaft weist gute wirtschaftliche Verhältnisse auf und das Tochterunternehmen hat eine schlechte Bonität. In diesem Fall ist eine Mithaftung der Muttergesellschaft unbedingt durchzusetzen. Ist eine Obligierung der Mutter nicht zu erreichen, ist das schlechtere Rating der Tochter für die Unternehmensgruppe anzusetzen und es sind risikoreduzierende Maßnahmen einzuleiten.



Situation (3): Die Konzernmutter weist schwache wirtschaftliche Verhältnisse auf, die Konzerntochter hat eine gute Bonität. Diese Situation zeigt eine potenzielle Mitgefährdung an. In diesem Fall ist schwer abzuschätzen, wie sich die Krise der Obergesellschaft auf das Tochterunternehmen auswirkt. Im Zweifel kann die Finanz- und Ertragslage der Tochter durch abfließende Liquidität geschwächt werden.



Situation (4): Beide Konzernteile befinden sich in einer guten wirtschaftlichen Verfassung. Grundsätzlich ist dies der anzustrebende Idealzustand. Dennoch können in der Zukunft neue Probleme auftauchen oder aber Schwierigkeiten anderer Konzerntochtergesellschaften Nachteile für das betrachtete Unternehmen bedeuten. Gegebenenfalls kann Liquidität abgezogen werden, um schwache Konzernsegmente zu stützen.

4.8 Sicherung des Turnarounds

263

Zur Kreditanalyse sind neben dem Konzernabschluss alle Einzelabschlüsse der Konzernmitglieder zu überprüfen. Das Gruppenrating sollte aus Vorsichtsgründen durch die bonitätsmäßig schwächste Firma bestimmt werden. Diese vorgestellten Konstellationen zeigen Risiken auf, die im Rahmen einer Investorlösung in der Krise zu antizipieren und zu bewerten sind. So kann eine schlechte Bonität der Konzernmutter (Fälle 1 und 3) beim Eingehen der Kreditbeziehung über folgende vorbeugende Maßnahmen abgeschwächt werden: 

Erklärungen der Mutter- und Tochtergesellschaft zur Gewinnthesaurierung und Verbesserung der Eigenkapitalrelation über Financial Covenants.



Einforderung von werthaltigen Sachsicherheiten zum Beispiel in Form von Grundschulden oder eine Risikoteilung mit anderen Banken.



Abbau von Abhängigkeiten im Konzern im Rahmen der Wertschöpfungskette und aufgrund von Ergebnisabführungsverträgen oder Cash Pools.

Ebenfalls sind Maßnahmen einzuleiten, wenn das Mutterunternehmen über eine gute Bonität verfügt (Fälle 2 und 4). So ist bei einer Investorlösung und Aufrechterhaltung der Kreditbeziehung die Mithaftung der Muttergesellschaft zu erreichen. Dieses kann über folgende vertragliche Vereinbarungen geschehen (vgl. Portisch, 2006, S. 50): 

Aufnahme der Konzernmutter als weiteren Kreditnehmer oder Hereinnahme einer Bürgschaft, Garantie oder einer harten Patronatserklärung der Muttergesellschaft.



Organschaftserklärungen, wenn die Muttergesellschaft mit der Tochter einen Gewinnabführungsvertrag geschlossen hat.



Verpflichtungserklärungen der Mutter, während der Laufzeit der Kredite, keine Firmenteile ohne Zustimmung der Kreditgeber zu veräußern mit Ownership Covenants.

Somit bestehen vielfältige Möglichkeiten, die Bonität des Investors zu nutzen, um das Rating der Krisenfirma zu verbessern. Nur wenn bereits bei Eingehen der Kreditbeziehung im Rahmen der Investorlösung diese dargestellten möglichen Problemfelder vorausschauend eingeplant und Maßnahmen eingeleitet werden, kann eine Risikoreduzierung auch auf lange Dauer erreicht werden. Dabei ist es notwendig, in den Kreditverhandlungen die Obligierung eines möglichst bonitätsmäßig starken Investors zu erreichen. Zusammenfassung Abschnitt 4.8.1: In diesem Abschnitt wurden wesentliche Kriterien beschrieben, die den Turnaround eines Unternehmens kennzeichnen. Aus Sicht der beteiligten Banken wurde untersucht, welche Geschäftsprozesse nach einer erfolgreichen Sanierung einsetzen sollten, um das Firmenengagement endgültig in die Normalbearbeitung zu übertragen und die Erfahrungen der Sanierung für künftige Fälle auswerten zu können. Daher sind die Risikoursachen zu dokumentieren, damit auch bei künftigen Prolongationen genau diese Konstellationen beim ehemaligen Krisenunternehmen überwacht werden können. Zudem lassen sich Erfolgsfaktoren der Sanierung für künftige Fälle bestimmen. Des Weiteren wurden Vorteile und Nachteile von Investorlösungen beurteilt. Dabei können Konzernrisiken auftreten, die eine Firma später weiter schwächen können.

264

4 Sanierung aus Bankensicht

4.8.2

Praxisfall zur Investorlösung

Wir befinden uns am Anfang des Jahres xxx3. Die Sanierung der Druck GmbH verläuft nach guten Anfangserfolgen in xxx2 mittlerweile schleppend. In der ersten Periode konnten durch die geplanten Kosteneinsparungen erhebliche Sanierungserfolge erzielt werden. Dabei wurden die Konten bei den Poolbanken lange Zeit im Rahmen geführt. Aktuell hat sich die Lage wieder leicht eingetrübt. So zeigt sich, dass das Unternehmen weiterhin in den Hauptgeschäftsfeldern Formulardruck und Etikettendruck erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten aufweist. In diesen beiden Bereichen fehlt dem Unternehmen die ausreichende Größe und Rentabilität, um nachhaltig am Markt bestehen zu können. Der Interimsmanager hat neben seinen Tätigkeiten im operativen Geschäft der Druck GmbH seinen Auftrag zur Suche nach einem strategischen Investor forciert. Nach einigen Monaten der Sondierung des Marktumfeldes hat ein ausländischer Konkurrent des Unternehmens im Bereich Etikettendruck, die Print AG, eine ernst zu nehmende Anfrage zur Übernahme der Druck GmbH gestellt. Als wesentliche Bedingungen für die Akquisition der Geschäftsanteile der Druck GmbH durch die Print AG werden genannt: 

Die beteiligten Poolbanken erklären einen Forderungsverzicht von 30 % des Nominalwertes ihrer Forderungen auf die kurzfristigen Kontokorrentlinien und werden das Unternehmen weiter begleiten. Alle übrigen Darlehensgeber werden ihre Engagements fortführen und auch die beteiligten Lieferanten und Kreditversicherer halten ihre Kreditlinien zu den bisherigen Konditionen weiter geöffnet.



Das Krisenunternehmen wird zu 100 % übernommen. Die gesamten Firmenanteile werden für einen symbolischen Euro auf die Print AG übertragen. Müller erhält 500 TEUR für zwei Patente im Bereich des Etikettendrucks. Dieses Geld wird dazu verwendet, damit Müller sich bei der Mittelstandsbank AG aus seiner persönlichen Haftung herauslösen kann. Er scheidet anschließend aus dem Unternehmen aus.



Kreditnehmer bleibt die Druck GmbH als eigenständiges Unternehmen. Sie wird in die Konzerngruppe der Print AG integriert. Es wird eine „weiche“ Patronatserklärung der Konzernmutter zu Gunsten der kreditgebenden Institute abgegeben. Die Firma wird in den unternehmensinternen Cash Pool einbezogen und mit allen Lieferbeziehungen in die Wertschöpfungskette der Print Gruppe integriert.

Nachdem die Mittelstandsbank AG dieses Angebot schriftlich von der Print AG erhalten hat, werden die aktuellen Zahlen der Druck GmbH analysiert, um die Chancen eines Sanierungserfolgs Stand Alone zu prüfen. Denn die Beiträge in Form des Verzichts im Rahmen der Investorlösung erscheinen der Mittelstandsbank AG sehr weitgehend zu sein. Auch die übrigen Banken sind von den geforderten Übernahmebedingungen nicht überzeugt und möchten zunächst alle weiteren Alternativen vorab prüfen. Die Vertreter der Lieferanten und Kreditversicherer sind skeptisch und verifizieren die Bonität des Käufers. Dazu werden Bankauskünfte eingeholt und die Prämien für Kreditabsicherungen untersucht. Die Ergebnisse fallen zufriedenstellend aus und werden den Poolbanken ebenfalls zur Verfügung gestellt. Insgesamt sind die Lieferanten und Kreditversicherer mit

4.8 Sicherung des Turnarounds

265

der Zusammenarbeit im Pool zufrieden. Die Analyse der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen der Sanierung der Druck GmbH wird auch von den Lieferanten und den Kreditversicherern mit großer Spannung erwartet. Die Spartenrechnung aus dem Online-Sanierungsinformationssystem zeigt die aktuelle Ertragslage der Druck GmbH und einen Vergleich zu den Planzahlen aus dem Sanierungskonzept, wie in nachfolgender Tabelle 4.43 dargestellt. Tab. 4.43 Spartenrechnung IST und PLAN per xxx2

Spartenrechnung IST per xxx2 und PLAN per xxx2 Werte in TEUR

GF 1

GF 2

GF 3

GF 4

IST

PLAN

Umsatz

6.800

2.200

1.200

1.000

11.200

11.400

Materialaufwand

3.100

1.200

1.000

700

6.000

6.100

Rohertrag

3.700

1.000

200

300

5.200

5.300

Personalaufwand

2.350

350

100

100

2.900

3.000

Abschreibungen

300

100

0

0

400

400

Zinsaufwand

300

100

50

50

500

400

Sonst. Aufwendungen

1.350

450

50

50

1.900

1.800

Jahresergebnis

-600

0

0

100

-500

-300

Cash Flow

-300

100

0

100

-100

100

 = im Branchenvergleich deutlich zu hoch  = im Branchenvergleich leichte Abweichung nach oben  = liegt im Branchendurchschnitt  = liegt leicht unter dem Branchendurchschnitt  = liegt deutlich unter dem Branchendurchschnitt

Da die Zahlen stark aggregiert sind, wird der Interimsmanager aufgefordert die wirtschaftlichen Verhältnisse inhaltlich zu kommentieren. Folgende Zusatzinformationen werden zu den einzelnen Geschäftsfeldern gegeben: 

Geschäftsfeld 1: Aufgrund der Kostenersparnisse konnte eine Reduzierung des Fehlbetrags im Formulardruck erreicht werden. Jedoch ist der Ergebnisbeitrag weiter stark negativ. Zudem haben sich die Umsätze verringert, da kleinere Aufträge mit negativem Deckungsbeitrag konsequent abgelehnt wurden.



Geschäftsfeld 2: Im Etikettendruck wird weiterhin lediglich ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt. Größere Aufträge konnten bislang mangels ausreichender Kapazitäten nicht abgewickelt werden. Bei einer Kalkulation mit der teilweisen Fremdvergabe von Teilaufträgen konnte mit den Konkurrenzangeboten nicht mitgehalten werden.

266

4 Sanierung aus Bankensicht



Geschäftsfeld 3: Beim Werbedruck wird entgegen der Prognosen nur ein ausgeglichenes Ergebnis erreicht. Dieses Geschäftsfeld hat sich enttäuschend entwickelt. So ist der kapazitätsmäßige Ausbau dieses Bereichs aufgrund der Finanzlage stark eingeschränkt. Ein Großauftrag musste aufgrund der fehlenden Liquidität abgelehnt werden.



Geschäftsfeld 4: Die Logistik bei Kreditinstituten zeigt weiterhin eine gute Ertragslage. Der Ausbau gestaltet sich unter den engen finanziellen Rahmenbedingungen schwierig. Zudem sind neue Konkurrenzanbieter in den Markt eingetreten. In der Zukunft ist daher mit einer deutlichen Reduzierung der Gewinnmarge zu rechnen.

Der Zeitmanager betont, dass das Unternehmen auf dem richtigen Weg sei und sich die Sanierung nur noch einige Jahre weiter hinziehen werde. Zudem ist in den nächsten drei Jahren mit einem Anspringen der Konjunktur zu rechnen. Müller sieht die langfristigen Prognosen ebenfalls sehr positiv. Diese Erwartungen lassen sich jedoch nicht durch Fakten unterlegen, wie etwa durch eine deutlich anziehende Auftragslage. Die Gläubiger zeigen sich bestürzt. Insgesamt gesehen konnten die Planzahlen für das Gesamtjahr xxx2 trotz der vorsichtigen Planung nicht erreicht werden. Zudem stagnieren die Sanierungserfolge. Der Turnaround der Druck GmbH im Rahmen einer eigenständigen Sanierung erscheint aufgrund der unzureichenden Unternehmensgröße nicht realistisch zu sein. Die Kapitaldienstfähigkeit wird trotz der Tilgungsaussetzungen nicht erreicht. Die Kontoführung zeigt keine Entspannung. Die Druck GmbH operiert ständig an der Kreditgrenze und zeitweise kommt es zu Überziehungen. Die künftige Einhaltung der Kreditlinien ist weiterhin nur durch die externe Unterstützung der Gläubiger im Rahmen von Tilgungsstundungen möglich. In Kürze laufen jedoch die Vereinbarungen zwischen den Banken, Lieferanten und Kreditversicherern aus und es wird mit erheblichen Schwierigkeiten bei den erneuten Verhandlungen gerechnet. Daher ist die Mittelstandbank AG bestrebt, die Investorlösung voranzutreiben, um ein endgültiges und stabiles Sanierungsresultat zu erreichen. Es wird verstärktes Augenmerk auf das Angebot des potenziellen Investors Print AG gelegt. Die Bedingungen der Print AG für die Übernahme der Geschäftsanteile der Druck GmbH erscheinen für die Mittelstandsbank grundsätzlich annehmbar zu sein. Jedoch ist die Forderung von 30 % als Verzichtsquote zu hoch. Ziel ist es daher, den Teilverzicht auf maximal 20 % zu begrenzen. Die Vertreter der Print AG zeigen Verhandlungsbereitschaft in diesem Punkt. Im Folgenden sollen die übrigen Poolbanken von einer Übernahme der Druck GmbH durch die Print AG gegen Forderungsverzicht überzeugt werden. Aufgabenstellungen 1

Erläutern Sie, warum die Mittelstandsbank AG den Übernahmebedingungen der Print AG zustimmen sollte und welche Vereinbarungen zusätzlich zu treffen sind.

2

Wie können die übrigen Poolbanken, die Lieferanten und die Kreditversicherer dazu bewegt werden, der Investorlösung ebenfalls zuzustimmen?

3

Welche Geschäftsprozesse werden nach Durchführung der Investorlösung bei der Mittelstandsbank AG umgesetzt?

4.8 Sicherung des Turnarounds

4.8.3 1

267

Lösung des Praxisfalls zur Investorlösung mit Konzernverbund

Erläutern Sie, warum die Mittelstandsbank AG den Übernahmebedingungen der Print AG zustimmen sollte und welche Vereinbarungen zusätzlich zu treffen sind.

Die Mittelstandsbank AG sieht insgesamt folgende Chancen aus einer vollständigen Übernahme der Druck GmbH durch die Print AG: 

Das Überleben der Firma wird langfristig gesichert. Zuliefererbetriebe, Mitarbeiter und andere Kreditkunden werden durch die Insolvenz nicht belastet.



Operationelle Risiken aus der Geschäftsverbindung der Bank mit der Druck GmbH, die noch nicht komplett abgebaut werden konnten, fallen weg.



Über eine Haftungseinbindung der Print AG lässt sich die Bonität der Krisenfirma sofort und unter Umständen langfristig deutlich verbessern.



Die Einzelwertberichtigung kann bei einer überprüften und als gut befundenen Bonität der Print AG mit einer adäquaten Haftungseinbindung aufgelöst werden.



Es wird eine Risikoreduzierung in Höhe von 500 TEUR erreicht, da die Bürgschaft von Müller ausschließlich die Kredite der Mittelstandsbank AG besichert.

Die Bonität der Print AG wird nach einer Überprüfung des Konzernjahresabschlusses als gut bewertet. Es besteht eine hohe Eigenkapitalquote nach Bereinigungen im Umlaufvermögen und bei den immateriellen Vermögensgegenständen von 45 %. Die Ertragslage ist als stark einzuschätzen mit einer Umsatzrentabilität von 10 % und einem hohen Gewinnausweis. Die Haftungseinbindung der als bonitätsmäßig gut eingestuften Print AG über eine „weiche“ Patronatserklärung wird von der Mittelstandsbank AG jedoch als deutlich zu schwach angesehen. Die Hausbank bevorzugt intensivere Absicherungen über eine Bürgschaft, eine Garantie, einen Schuldbeitritt oder eine Schuldmitübernahme. „Weiche“ Patronatserklärungen gewähren Kreditinstituten keinerlei Sicherheit, da sie die Muttergesellschaft nicht verpflichten, verbindliche Maßnahmen zu ergreifen, die eine Zahlungsfähigkeit der Tochtergesellschaft gewährleisten. Anders verhält es sich bei einer sogenannten „harten“ Patronatserklärung. Diese ist gemäß § 251 HGB bilanzausweispflichtig. Sagt die Muttergesellschaft einem Kreditgeber der Tochtergesellschaft zu – „die Tochtergesellschaft für die Dauer des Kreditverhältnisses stets finanziell so auszustatten, dass sie ihren Verbindlichkeiten aus dem Kreditvertrag jederzeit nachkommen kann“ – so übernimmt die Muttergesellschaft gegenüber dem Kreditgeber der Tochterfirma die Gewähr, für die zukünftige finanzielle Leistungsfähigkeit zu garantieren. Kommt die Muttergesellschaft den Verpflichtungen aus der Patronatserklärung nicht nach, steht dem Kreditgeber ein einklagbarer Schadensersatzanspruch gemäß § 280 BGB zu (vgl. Lwowski/Merkel, 2003, S. 67 ff.). Ziel muss es daher sein, dass die Print AG für die Kredite der Druck GmbH eine wirkliche Haftung übernimmt und zumindest eine „harte“ ausweispflichtige Patronatserklärung gegenüber den kreditgebenden Poolbanken abgibt.

268 2

4 Sanierung aus Bankensicht Wie können die übrigen Poolbanken, die Lieferanten und die Kreditversicherer dazu bewegt werden, der Investorlösung ebenfalls zuzustimmen?

Die übrigen Poolbanken sind von den Forderungen der Print AG überrascht, teilen aber dennoch die grundsätzliche Meinung, dass die Übernahme für eine dauerhafte Lösung notwendig ist. Jedoch stören sich die Sanierungsbetreuer der Großbank AG und der Solobank AG an den einseitigen Rückführungsbestrebungen der Mittelstandsbank AG. Sie fordern einen Anteil an dem geplanten Erlös aus der Freigabe der Bürgschaft über insgesamt 500 TEUR und drohen, diese Investorlösung ansonsten scheitern zu lassen. Zudem sind die Geschäftsanteile von Müller über den Treuhänder an den gesamten Bankenpool abgetreten. Damit ist die persönliche Bürgschaft von Müller indirekt an diese Poolsicherheit gebunden. Daraufhin macht der Sanierungsbetreuer der Mittelstandsbank AG nach eingeholter Genehmigung beim Risikovorstand den Vorschlag, den Erlös aus der Freigabe der Bürgschaft von Müller in Anlehnung an die Poolquoten auf die Banken aufzuteilen. Somit ergeben sich für die Kreditinstitute des Pools folgende Rückführungsbeträge: 

Mittelstandsbank AG

 Poolquote 61,70 %

 Rückführung 308 TEUR



Großbank AG

 Poolquote 29,40 %

 Rückführung 147 TEUR



Solobank AG

 Poolquote 8,90 %

 Rückführung 45 TEUR

Die Sanierungsbetreuer der beteiligten Banken erkennen diese Aufteilung als faire Lösung an, da sie sich ja bereits zu diesen Poolquoten erklärt haben. Einer Investorlösung steht damit nichts mehr im Wege. Lediglich die Umsetzung ist zu gestalten. Alle Banken sind sich einig, dass die Print AG sich haftungsmäßig stärker einbinden muss. Dieses soll als Forderung gegenüber dem Käufer durchgesetzt werden. Den Lieferanten und Kreditversicherern erscheint die Investorlösung ebenfalls als durchführbar. Sie werten die Sanierungsbeiträge der Kreditinstitute als positiv und sehen die bonitätsstarke Print AG mit neuen Geschäftsmöglichkeiten als optimalen Partner im Rahmen einer Investorlösung an. 3

Welche Geschäftsprozesse werden nach Durchführung der Investorlösung bei der Mittelstandsbank AG umgesetzt?

Nachdem alle Parteien der Übernahme der Gesellschaftsanteile zugestimmt haben und die Print AG zudem über eine „harte“ Patronatserklärung ein deutliches Zeichen gesetzt hat, besteht aus Sicht der Mittelstandsbank AG kein Grund mehr für den Bestand der Einzelwertberichtigung. Auch die Unternehmenszahlen haben sich seit der Übernahme und der Integration in die Print-Gruppe deutlich verbessert. So kann der Kapitaldienst der Druck GmbH wieder aus eigener Kraft geleistet werden. Die Sanierungsabteilung der Mittelstandsbank konstatiert den Turnaround und beginnt mit der Einleitung der Geschäftsprozesse zur Überführung des Engagements in die Normalkreditbearbeitung. Als erstes wird das Rating der Druck GmbH angepasst. Es ergibt sich aus Vorsichtsgründen eine Klassifizierung von 12. Es wird nicht das Einzelkreditnehmerrating der Print AG von 8 zugrundegelegt, da die Haftungseinbindung über eine weiche oder harte Patronatserklärung nicht die gleiche Qualität aufweist wie eine Bürgschaft oder ein Schuldbeitritt. Im Anschluss an das neue Rating werden aufgrund der geringeren prognostizierten Ausfallwahrscheinlich-

4.8 Sicherung des Turnarounds

269

keit und den niedrigeren Eigenkapitalbindungskosten die Zinskonditionen gesenkt. Dies geschieht in Einverständnis und im Gleichklang mit allen Mitgliedern im Sicherheitenpool, der aufgrund der Risikoteilung der Banken zunächst beibehalten werden soll. Nachdem der Interimsmanager aus dem Unternehmen planmäßig ausgeschieden ist, wurde eine neue Geschäftsleitung von Seiten der Print AG benannt. Müller ist zwischenzeitlich als Geschäftsführer ausgeschieden. Das neue Rating sowie die verbesserten Zinskonditionen und Provisionen werden dem neuen Management der Druck GmbH kommuniziert. Gleichzeitig erfolgen die interne Umstellung des Engagements und die Übergabe der Akten an die Normalkreditbearbeitung. Um den Kollegen in der Kreditbearbeitung der Mittelstandsbank AG die Übergabe zu erleichtern, wurde eine umfassende Dokumentation über den Krisen- und den Sanierungsverlauf erstellt. In diesen Bericht wurden Informationen aufgenommen zu den aufgetretenen Krisenursachen und den eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen. Des Weiteren wurde auf alle beteiligten Gläubiger, die Poolbanken, die erfolgte Übernahme durch die Print AG mit der Bonitätsprüfung des Käufers und die möglichen Risiken der Investorlösung aufgrund der Integration in den Konzernverbund eingegangen. Wichtig ist, dass diese Kurzdokumentation künftig zur laufenden Überwachung des Engagements in der Normalkreditbearbeitung genutzt wird. Dieser Bericht dient auch zur Bewertung der quantitativen Sanierungserfolge bei der Druck GmbH. Zudem erfolgte eine umfangreiche qualitative Auswertung des Sanierungsverlaufs. So wurden der Interimsmanager und die Effizienz der Begleitung des Sanierungsprozesses beurteilt und Anregungen für die künftige Betreuung von Problemengagements gegeben. Zielrichtungen dieser umfassenden Auswertung sind die Erzielung von Fortschritten bei der Risikofrüherkennung auf Gesamtbankebene, die schnelle und effiziente Einleitung von Sanierungsprozessen bei Krisenfällen und die laufende Optimierung der Sanierungsbegleitung durch die Spezialabteilung. Weiter kann der Bericht für eine variable Vergütung herangezogen werden.

8. Sanierungsregel: Die Kapitaldienstfähigkeit ist ein Merkmal für den Sanierungserfolg. Auch die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit auf dem relevanten Markt ist für den Turnaround zu beachten. Eine Investorlösung kann den Sanierungsprozess beschleunigen.

Erläuterung der 8. Sanierungsregel Die Kapitaldienstfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit sind Kriterien für den Turnaround. Häufig kann nur eine Übernahme für einen nachhaltigen Sanierungserfolg sorgen. Wird ein Investor gefunden, so fordert dieser meist einen Forderungsverzicht der beteiligten Banken. Für Banken bestehen in dieser Phase des Unternehmensverkaufs meist zwei Handlungsoptionen. So existiert erstens die Option, den Forderungsverzicht zum Anlass zu nehmen, um aus dem Krisenunternehmen auszusteigen. Zweitens kann bei einer Weiterbegleitung eine Haftungseinbindung des Investors gefordert werden. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, dass der Turnaround erreicht wird und sich die wirtschaftliche Lage des Krisenunternehmens aufgrund des starken Partners unverzüglich positiv verändert.

270

4 Sanierung aus Bankensicht

4.8.4

Empirische Ergebnisse zur Rückgabe in den Normalbereich

Gerade den Folgearbeiten nach der wirtschaftlichen Gesundung des ehemaligen Krisenunternehmens ist im Sanierungsprozess eine besondere Beachtung zu schenken. Es schließen sich bankinterne Schritte an, die eine langfristige Wirkung auf die Professionalisierung der Sanierungsarbeit in den Kreditinstituten entfalten können. Auf diese Weise können die Effizienz bei der Betreuung laufend verbessert und die Risikosysteme optimiert werden. Zunächst ist zu prüfen, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit ein Turnaround als vollzogen gilt. Rund 57 % benennen, dass einzelfallbezogen über eine Rückübertragung in den Normalkreditbereich entschieden wird und nur 12 % geben an, dass feste Richtlinien für eine Rückgabe in die Normalkreditbearbeitung gelten. Diese wenigen Antworten verwundern, da feste Kriterien objektiv sind. Bei den Einzelnennungen von Turnaroundmerkmalen dominieren zahlendeterminierte Kriterien. Am häufigsten wird mit 80 % eine Wiederherstellung der Kapitaldienstfähigkeit genannt. Es folgen mit 62 % eine dauerhafte Entspannung der Liquiditätslage und mit 60 % der Antworten eine langfristig verbesserte Ertragssituation. Weitere Merkmale, die seltener genannt werden, sind mit 26 % ein merklicher Abbau der Verschuldung, mit 23 % eine Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und mit 7 % eine Ratingverbesserung, wie die folgende Abbildung 4.69 zeigt.

Wie definieren Sie den erreichten Turnaround bei einer Firma?

80%

Kapitaldienstfähigkeit

62%

Liquiditätsentspannung

60%

Ertragsverbesserung

26%

Verschuldungsabbau

23%

Wettbewerbsfähigkeit

Ratingverbesserung

7% 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Mehrfachnennungen möglich

Abb. 4.69 Wichtige Merkmale eines Turnarounds

70%

80%

90%

100%

4.8 Sicherung des Turnarounds

271

Damit stehen aus Bankensicht insbesondere finanzielle Merkmale für die Entscheidung zum Turnaround im Vordergrund. Es verwundert dagegen, dass die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit nur selten genannt wird. Denn dieses Kriterium stellt in der Regel eine bedeutende Grundlage für den langfristigen Turnaround dar. So können sich diese Zahlenwerke kurz- bis mittelfristig verbessern, jedoch ist für eine nachhaltige Gesundung die Wiederherstellung der Marktposition notwendig. Die Wettbewerbsfähigkeit ist jedoch oft nur unter erhöhtem Aufwand von Externen einschätzbar. Dennoch sollte zumindest versucht werden, die allgemeine Konjunktur- und Marktlage, die Entwicklung der Branchensituation, die Konkurrenz und die Positionierung der Firma in diesem Umfeld zu beurteilen, um die Stabilität des Turnarounds auf lange Sicht zu verifizieren. Nach Banksektoren wird die Erreichung der Kapitaldienstfähigkeit besonders von genossenschaftlichen Instituten mit rund 93 % der Antworten als wichtiges Erfolgskriterium genannt, während dieses Merkmal nur von circa 55 % der Responsaten aus Spezialbanken angekreuzt wurde. Die Liquiditätsentspannung wird von rund 70 % der Antwortenden aus dem genossenschaftlichen Sektor und die Ertragsverbesserung überproportional von 69 % der Probanden aus Sparkassen und Landesbanken als klares Merkmal für einen Turnaround angesehen. Den Abbau der Verschuldung schätzen rund 31 % aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor und circa 28 % von privaten Instituten als wichtig ein. Aus Privatbanken bewerten rund 32 % der Antwortenden die Wiederherstellung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit als wichtiges Kriterium einer wirtschaftlichen Wende. Merkmale wie eine Ratingverbesserung werden von den genossenschaftlichen Instituten öfter genannt. In Anlehnung an die Bankengröße wählen verstärkt kleine Banken die Kapitaldienstfähigkeit und eine verbesserte Ertrags- und Liquiditätslage als Indikatoren für eine erfolgreiche wirtschaftliche Gesundung, während große Banken zusätzlich dem Abbau der Verschuldung eine hohe Bedeutung beimessen. Rund 59 % der Befragten halten feste organisatorische Abläufe in der Endphase einer Sanierung für besonders wichtig. Dies sind mit circa 65 % überproportional Antwortende aus kleinen Instituten und nach Bereichen mit 64 % überdurchschnittlich viele Befragte aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor. Im Anschluss an die Feststellung des Turnarounds erfolgt in den Instituten in der Regel eine Überführung in die Normalkreditbearbeitung mit 95 % der Rückäußerungen, die Auflösung der Einzelwertberichtigung mit 83 % der Nennungen und eine Verbesserung der Ratingnote mit 82 % der Antworten. Nicht so häufig wird mit jeweils 47 % der Beantwortungen die ursprüngliche Kreditkompetenz wieder eingesetzt oder ein Kundengespräch mit der Firma zur Mitteilung der Krisenüberwindung geführt, wie die nachfolgende Abbildung 4.70 zeigt. Der letzte Punkt verwundert, da die erfolgreiche Sanierung des ehemaligen Krisenfalls eine Neuausrichtung der Kundenbeziehung bedeuten kann. Es zeigt sich, dass ein Gespräch mit der Geschäftsleitung des ehemaligen Krisenunternehmens nicht immer fest in die bankinternen Abläufe verankert ist. Dabei können in einer gemeinsamen Runde die künftigen Chancen einer Zusammenarbeit aufgezeigt werden. Zudem kann verdeutlicht werden, dass eine Überwachung der ehemaligen Krisenmerkmale aus Vorsichtsgründen von Seiten der Geschäftsführung notwendig ist und diese Gründe für die wirtschaftliche Schieflage auch von der Bank kontrolliert werden. Dies erscheint wichtig, damit die Firma nicht in alte Krisenzeiten zurückfällt.

272

4 Sanierung aus Bankensicht

Welche Schritte folgen in Ihrer Bank auf den festgestellten Turnaround?

Normalkreditbearbeitung

95%

Auflösung Wertberichtigung

83%

Ratingverbesserung

82%

Kompetenzveränderung

47%

Kundengespräch

47%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Mehfachnennungen möglich

Abb. 4.70 Ablaufschritte nach dem erreichten Turnaround

Die Häufigkeiten der Antworten zur Überführung in die Normalbearbeitung und zur Auflösung der Wertberichtigung sind über die Banksektoren ähnlich verteilt. Eine Ratingverbesserung erfolgt nach den Nennungen mit rund 93 % häufiger in Privatbanken und seltener in öffentlich-rechtlichen Instituten mit etwa 72 % der Antworten. Die Herstellung der ursprünglichen Kompetenzen wird mit rund 72 % überproportional in Privatbanken und mit 26 % weniger häufig in Genossenschaftsbanken umgesetzt. Ein Abschlussgespräch wird dagegen mit rund 59 % der Nennungen öfter in Sparkassen und Landesbanken durchgeführt und nicht so häufig in Privatbanken mit etwa 39 % der Antworten. Im Hinblick auf die Größe der Finanzinstitute werden die Rückführung in die Normalbearbeitung und die Auflösung der eingestellten Wertberichtigung über alle Größenklassen ähnlich häufig genannt. Unterschiede bestehen bei der Ratingverbesserung, die 96 % der Antwortenden aus großen Kreditinstituten, 78 % aus mittleren und 75 % aus kleinen Banken angekreuzt haben. Die Herstellung der ursprünglichen Kompetenzen erfolgt mit rund 60 % der Antworten überproportional häufig in mittelgroßen Banken. Von kleinen Instituten wird die Einsetzung der alten Entscheidungsbedingungen in nur 28 % Fällen genannt. Gerade in kleinen Banken wird mit rund 63 % der Nennungen häufig ein Kundengespräch nach erfolgreichem Abschluss der Sanierung geführt, während dies nur von 38 % der Vertreter aus mittleren Banken und 41 % der Antwortenden aus großen Instituten benannt wird. Hier zeigen sich in kleinen Instituten der meist enge Kundenkontakt und eine starke Verbundenheit zwischen Betreuer und Firma auch nach einer durchstandenen Krise.

4.8 Sicherung des Turnarounds

273

Neben formalen Ablaufschritten sind inhaltliche Folgearbeiten zur Verbesserung der internen Ratingsysteme von Bedeutung, um die Risikofrüherkennung und Sanierung in den Kreditinstituten laufend zu professionalisieren. Gerade aus abgeschlossenen Sanierungsfällen können Banken und ihre Mitarbeiter meist viel lernen. So können die Krisenfrüherkennungssysteme auf Basis der neuen Informationen weiterentwickelt und unter anderem im Hinblick auf die Identifizierung neuer Risikomerkmale optimiert werden. Dieses Wissen kann auch bei einer Neukreditvergabe genutzt werden, wenn bestimmte Konstellationen Gefährdungen aufzeigen, die vorher noch nicht bekannt waren. Auch die Sanierungsprozesse können optimiert werden, wenn Erfahrungen aus den abgeschlossenen Fällen laufend in die Bearbeitung neuer Engagements eingebracht werden. Dazu ist es jedoch notwendig, dass wichtige Daten erfasst und detailliert aufgearbeitet werden. Welche Informationen als relevant einzuschätzen sind, wird im Folgenden aufgezeigt. Von rund 84 % der Antwortenden wird die Verbesserung der Risikosysteme als besonders wichtig angesehen. Es folgen der Wissenstransfer mit der Einbeziehung der gewonnenen Informationen in interne Schulungen und die weitere Überwachung der Risikomerkmale bei den ehemaligen Krisenfällen mit jeweils etwa 74 % der Nennungen. Dabei werden insbesondere die Optimierung der Risikoverfahren von 35 % und der Erfahrungsaustausch innerhalb der Bank von 39 % der Befragten als bislang nicht erfüllt angesehen. Hier besteht deutlicher Verbesserungsbedarf. Vermutlich werden die Kenntnisse aus der Spezialabteilung von vielen Instituten noch nicht ausreichend in andere Bereiche weitergegeben. Dabei können auch die Erstellung von Sanierungsberichten und die Verbreitung von weiteren Sanierungsinformationen über bankinterne Newsletter oder Konferenzen zu einer Verbesserung der Risikoerkennung, der Risikosteuerung und der Problemkreditbetreuung beitragen. Auch Firmenkundenbetreuer können geschult werden, um Risiken früh zu erfassen. Die Bedeutung der schriftlichen Erfassung quantitativer und qualitativer Sanierungserfolge wird von vielen Befragten als wichtig bewertet. Dabei schätzen immerhin rund 58 % die Zusammenfassung qualitativer und etwa 46 % der Antwortenden die Sammlung quantitativer Daten in Ex-Post-Berichten als relevant ein. Jedoch wird in diesem Bereich noch Verbesserungspotenzial gesehen, da der Nichterfüllungsgrad bei diesen Folgearbeiten ebenfalls hoch ist. Banken bieten einen großen Datenpool, den es auszuwerten gilt. Die Berücksichtigung von Sanierungserfolgen im Rahmen einer variablen Vergütung wird dagegen von vielen Befragten als weniger wichtig eingestuft und scheint in Banken als Leistungsanreiz nicht üblich zu sein. Diese Beurteilung verwundert sehr, da Spezialisten aus der Sanierung befragt wurden, die von einer erfolgsabhängigen Tantieme, zum Beispiel gekoppelt an die Auflösung der Einzelwertberichtigung, profitieren können. Nach Banksektoren werden die Wichtigkeit und der Erfüllungsgrad zur Weiterentwicklung der Risikosysteme ähnlich wie im Durchschnitt eingeschätzt. Der Erfahrungsaustausch über Schulungen wird mit jeweils rund 82 % der Nennungen insbesondere im genossenschaftlichen Sektor und in Privatbanken als wichtig eingestuft. Ein negativer Erfüllungsgrad beim Erfahrungsaustausch wird von 50 % der Antwortenden in Genossenschaftsbanken gesehen. Daher scheint gerade im genossenschaftlichen Sektor ein Bedarf zu bestehen, das oft zentrale Spezialwissen weiter in die dezentralen Marktsegmente hineinzutragen.

274

4 Sanierung aus Bankensicht

Die weitere Überwachung der Krisenfaktoren, auch nach einer Übergabe an die Normalbearbeitung, wird im genossenschaftlichen Sektor mit rund 85 % der Antworten überproportional wichtig bewertet und von 48 % der Antwortenden in diesem Bereich auch überdurchschnittlich häufig als erfüllt angesehen. Von Probanden aus Privatbanken wird die Erfassung qualitativer und quantitativer Sanierungserfolge in Ex-Post-Berichten über dem Durchschnitt liegend wichtig eingeschätzt. Besonders bei Spezialinstituten wird eine Abweichung zwischen der Bedeutung und dem nicht eingehaltenen Erfüllungsgrad zwischen der Erfassung qualitativer und quantitativer Erfolge sowie der variablen Vergütung bei erfolgreichen Sanierungen erkennbar und zeigt mögliche Verbesserungspotenziale. Bei kleinen Banken wird eine überproportional hohe Nichterfüllung bei den Faktoren Weiterentwicklung der Risikosysteme, interner Erfahrungsaustausch und kontinuierliche Überwachung der Turnaroundfirmen anhand der Krisenfaktoren erkennbar, obwohl die Wichtigkeit dieser Merkmale von Vertretern dieser Banken als durchweg hoch eingestuft wird. Der Grad der Nichterfüllung könnte mit den fehlenden Kapazitäten zusammenhängen, um diese Nachbearbeitungsschritte durchführen zu können. Aber auch in großen Kreditinstituten wird ein überdurchschnittlich hoher Bedarf zur Verbesserung des Wissenstransfers in andere Abteilungen und Marktbereiche konstatiert. Dies verwundert, da hier ausreichende Mitarbeiterressourcen für diese Folgearbeiten vorhanden sein sollten. Fortschritte bei den Risikoklassifizierungsverfahren und den Ermittlungen der Sanierungserfolge können zugleich der Verbesserung der allgemeinen internen Berichterstattung dienen. Dabei können nachträgliche Auswertungen in Berichten zu Sanierungsfällen auch im Rahmen der MaRisk bei der Risikoberichterstattung an die Geschäftsleitung an Bedeutung gewinnen. Auch der Wissenstransfer von außen zur Verbesserung der Geschäftsprozesse und der Aufbauorganisation in der Risikoerkennung und der Sanierung kann in Kreditinstituten als strategischer Wettbewerbsfaktor noch stärker genutzt werden. Rund 62 % der Antwortenden sind der Meinung, dass Sanierungsberichte über die gesamten Erfolge der Spezialabteilung wichtig sind, aber 39 % der Antwortenden sehen in der eigenen Bank noch deutliche Defizite bei dieser Dokumentation. Auch ein Erfahrungsaustausch mit Vertretern anderer Banken wird von etwa 59 % der Probanden als wichtig bewertet, aber von der Mehrzahl mit 51 % nicht als erfüllt angesehen. Ein Benchmarking im Vergleich zu anderen Kreditinstituten wird von 27 % der Responsaten als bedeutend eingestuft. Jedoch sehen 69 % der Antwortenden diesen Punkt als Ansatz für Prozessoptimierungen. Es wird deutlich, dass Bedarf besteht, auch von anderen Instituten bei der Sanierungsarbeit zu lernen. Um diesen Mangel zu beheben, können Erfahrungsaustausche in Weiterbildungen durchgeführt oder die Teilnahme der Sanierungsarbeiter an Konferenzen forciert werden. Die Erfordernisse des Wissenstransfers sowie des Erfahrungsaustausches sind über alle Banksektoren und Größenklassen hinweg zu beobachten. Es zeigt sich, dass eine verstärkte Öffnung der Institute nicht nur Risiken, sondern auch Chancen zur Verbesserung der eigenen Sanierungsarbeit mit sich bringt. Das Augenmerk sollte der stetigen Professionalisierung der Risikosysteme und der Sanierungsprozesse gelten. Dies gilt nicht nur für die außergerichtliche Sanierung. Auch in einer Insolvenz ist erhebliches Fachwissen der Bankmitarbeiter notwendig, um einen Gesundungsprozess voranzutreiben. Die möglichen Sanierungsoptionen im Insolvenzverfahren werden im Folgenden untersucht.

5

Insolvenz aus Bankensicht

5 Insolvenz aus Bankensicht 5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens 5.2 Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens 5.3 Verlauf einer übertragenden Sanierung 5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

Lernziele: • Ablauf eines Insolvenzverfahrens kennen • Inhalte eines Insolvenzplanverfahrens verstehen • Rolle der Banken bei übertragenden Sanierungen kennen • Spezialprobleme im Insolvenzverfahren wissen

Abb. 5.1 Aufbau und Lernziele in Kapitel 5

In 2009 ist aufgrund der Finanzmarktkrise und des Konjunktureinbruchs ein Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Vorjahr eingetreten. In 2010 wird die Zahl der Insolvenzen voraussichtlich weiter hoch bleiben. Als Gläubiger sind Kreditinstitute von dieser Entwicklung stark betroffen. Daher ist zu untersuchen, wie Kreditinstitute im Verlauf eines Insolvenzverfahrens agieren können, damit Forderungsausfälle in Form von Abschreibungen gering gehalten werden. Zunächst wird der Insolvenzprozess dargelegt, um Sanierungshebel im Antrags- und Eröffnungsverfahren zu erkennen. Das Insolvenzrecht unterscheidet gemäß § 1 InsO zwischen dem Regelverfahren und dem Planverfahren. Während beim Regelverfahren primär die Verwertung betrachtet wird, steht beim Insolvenzplanverfahren die Sanierung des Unternehmens im Vordergrund der Untersuchungen. Beim Insolvenzplanverfahren wird eine abweichende Gestaltung im Gegensatz zur Verwertung und Verteilung des Schuldnervermögens getroffen. Ein Insolvenzplanverfahren soll die wirtschaftliche Situation für die beteiligten Gläubiger verbessern. Des Weiteren ist die Veräußerung werthaltiger Assets des insolventen Rechtsträgers im Rahmen einer übertragenden Sanierung möglich, um den Schaden für die Gläubiger zu begrenzen und Unternehmensteile fortzuführen. Beide in der Praxis durchgeführten Sanierungsinstrumente können genutzt werden, um eine vollständige Abschreibung zu vermeiden.

276

5.1

5 Insolvenz aus Bankensicht

Ablauf eines Insolvenzverfahrens

Verschärfen sich die marktlichen und die finanziellen Verhältnisse des Krisenunternehmens, so ist ein gemeinsames Vorgehen der Gläubiger häufig nicht mehr möglich. Einzelne Kreditinstitute kündigen die Geschäftsbeziehung, Lieferanten liefern nur noch gegen Vorkasse und Sozialversicherungsträger drohen mit der Stellung des Insolvenzantrags. Scheitern die außergerichtlichen Sanierungsbemühungen, ist eine Insolvenz meist die Folge. Das Insolvenzverfahren wird gemäß § 13 InsO auf Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO die Gläubiger und der Schuldner. Ein Gläubigerantrag ist möglich bei Überschuldung oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit. Gläubiger sind berechtigt, aber nicht verpflichtet, einen Insolvenzantrag bei Bestehen dieser Tatbestände zu stellen. Voraussetzung ist zudem, dass ein rechtliches Interesse an der Eröffnung besteht und die Forderung und der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht werden können (§ 14 InsO). Dies wird bei Vorliegen einer titulierten und fälligen Forderung regelmäßig der Fall sein. Dennoch scheuen sich gerade Banken vor der Stellung eines Insolvenzantrags (vgl. Obermüller, 2007, S. 5). Gründe sind erwartete Beeinträchtigungen der Reputation oder wirtschaftliche Nachteile bei einer Verwertung des Sicherungsguts zu Zerschlagungswerten unter der Abführung von Kostenpauschalen an den Insolvenzverwalter. In Ausnahmefällen kann ein Insolvenzantrag durch Banken wirtschaftlich sinnvoll sein. Dies ist von Relevanz, wenn schädigende Handlungen des Gläubigers die Risikolage eines Kreditinstituts deutlich verschlechtern können. Dieser Fall trifft beispielsweise zu, wenn zur Sicherung übereignete Wirtschaftsgüter vom Betriebsgrundstück ohne Ankündigung entfernt werden oder wenn Zahlungsströme, die einer globalen Forderungsabtretung unterliegen, bewusst auf die Konten anderer Kreditinstitute umgeleitet werden. Insolvenzanträge der Krankenversicherer, der Sozialversicherungsträger und des Finanzamts sind häufiger zu verzeichnen, da sich bei dem Nichtabführen von Abgaben die Risikopositionen dieser Stakeholder unmittelbar und deutlich verschlechtern, weil keine Absicherungen bestehen. Der Schuldner hat gemäß § 15a InsO bei Vorliegen des Insolvenzgrundes Zahlungsunfähigkeit und rechtsformspezifisch bei einer Überschuldung die Pflicht einen Insolvenzantrag zu stellen. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit besteht lediglich ein Antragsrecht. Dieses Kriterium wurde mit aufgenommen, um den Eröffnungszeitpunkt einer Insolvenz vorzuverlagern und damit die Anzahl massearmer Verfahren zu verringern und die Aussichten einer Sanierung in der Insolvenz zu erhöhen. Die nachfolgende Tabelle 5.1 stellt die Rechte und Pflichten der Gläubiger und Schuldner zur Insolvenzantragstellung dar. Tab. 5.1 Stellung des Insolvenzantrags durch Gläubiger und Schuldner

Gläubiger

Schuldner

Zahlungsunfähigkeit

Antragsrecht

Antragspflicht

Drohende Zahlungsunfähigkeit

Kein Antragsrecht

Antragsrecht

Überschuldung

Antragsrecht

Antragspflicht

5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

277

Das Insolvenzverfahren wird nur dann eröffnet, wenn der Antragsteller das Vorliegen eines Insolvenzgrundes glaubhaft machen kann. Es erfolgt eine Überprüfung durch das zuständige Insolvenzgericht. Sachlich zuständig ist nach § 2 Abs. 1 InsO das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat. Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, beziehungsweise der Schwerpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit liegt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO). Es wird untersucht, ob die Insolvenztatbestände Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bestehen (vgl. Hanken, 2005, S. 288 ff.). Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn das Schuldnerunternehmen gemäß § 17 Abs. 2 InsO nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Die Illiquidität wird klar erkennbar, wenn der Schuldner die Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Drohende Zahlungsunfähigkeit besteht gemäß § 18 Abs. 2 InsO, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist gemäß § 18 Abs. 1 InsO nur Eröffnungsgrund, wenn der Schuldner selbst einen Insolvenzantrag stellt. Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldnerunternehmens nicht ausreicht, um die Verbindlichkeiten zu decken. Eine Überschuldung kommt als Insolvenzeröffnungsgrund bei juristischen Personen (§ 19 Abs. 1 InsO), dem nicht rechtsfähigen Verein (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsO) und bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit in Betracht, bei denen keiner der persönlich haftenden Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 19 Abs. 3 InsO). Das trifft unter anderem auf die GmbH & Co. KG zu. Zu beachten ist bei der Überschuldung die aktuelle Regelung durch das FMStG. Im Eröffnungsverfahren überprüft das zuständige Insolvenzgericht von Amts wegen, ob ein zulässiger Antrag gestellt wurde. Dabei wird kontrolliert, ob ein Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wurde und das freie Vermögen des schuldnerischen Unternehmens voraussichtlich ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 und § 26 Abs. 1 InsO). Die Kostendeckung ist in aller Regel gewährleistet, wenn feststeht, dass das Restvermögen des Unternehmens rund 5.000 EUR freie Masse ausmacht. Die folgende Abbildung 5.2 zeigt wichtige Schritte im Insolvenzantragsverfahren.

Eröffnungsverfahren

Insolvenzantrag

Gerichtliche Anordnungen: - Vorläufiger Insolvenzverwalter - Festlegung Befugnisse - Sicherungsmaßnahmen

Wichtige Maßnahmen: - Betriebsfortführung - Insolvenzgeld - Prüfung Sanierung

Bis zu 3 Tage

Bis zu 3 Monate

Abb. 5.2 Verlauf des Eröffnungsverfahrens

Eröffnungsbeschluss

278

5 Insolvenz aus Bankensicht

Während der Dauer des Eröffnungsverfahrens, das sich meist über mehrere Monate erstreckt, sind vorläufige Maßnahmen zu treffen. So hat das Gericht gemäß § 21 Abs. 1 InsO darüber zu bestimmen, ob gegebenenfalls Sicherungsmaßnahmen getroffen werden müssen, um bis zur Entscheidung über die Insolvenzeröffnung eine nachteilige Veränderung der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Geschützt werden sollen die Insolvenzmasse, die Interessen der Gläubiger von Insolvenzforderungen, die Aussonderungsberechtigten sowie die Absonderungsberechtigten. Aus diesem Grund wird das Gericht in der Regel gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Die Auswahl des vorläufigen Verwalters ist auch für das weitere Verfahren von großer Bedeutung, da ein späterer Wechsel aufgrund der notwendigen Einarbeitungszeit und wichtiger Entscheidungen zur Fortführung faktisch nicht mehr vorgenommen werden kann. Die Bestimmung des vorläufigen Verwalters liegt beim zuständigen Insolvenzgericht. Entschieden wird die Bestellung unter anderem auf der Basis von Vorauswahllisten, die jene Kandidaten aufführen, die eine grundsätzliche Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters aufweisen. Jedoch erscheint diese Wahl aus Sicht der Kreditinstitute in Bezug auf die Firmengröße und die Branche nicht immer ideal auszufallen. Die notwendigen Anforderungen werden mit der Auswahl in der Praxis nicht immer erfüllt. Gerade die Gläubigerbanken wünschen sich daher eine frühe Einbindung in den Entscheidungsprozess der Insolvenzgerichte. Die Möglichkeit der Abwahl und Bestellung eines neuen Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren gemäß § 57 InsO durch die Gläubigerversammlung kommt eindeutig zu spät. Voraussetzung für die Bestellung zum Verwalter ist, dass potenzielle Kandidaten geschäftskundig sind und bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse für den Einsatz als Insolvenzverwalter mitbringen. Eine gute Vorbildung, eine fachgerechte Berufsgruppe und praktische Erfahrungen in der Wirtschaft sollten vorhanden sein. Es ist zusätzlich auf die Einzelfalleignung in Bezug auf die Unternehmensgröße, die Branche und die Problemstellung einzugehen. Insgesamt zeigt sich, dass das betriebswirtschaftliche Wissen im Rahmen Insolvenzsanierung an Bedeutung gewinnt. Des Weiteren ist die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters ein wichtiges Kriterium (vgl. Kirchhof et al., 2007, S. 1644 ff., § 56 InsO, Rz. 17 ff.). Ansatzpunkte zu den persönlichen und organisatorischen Voraussetzungen der Berufsausübung eines Insolvenzverwalters finden sich in den Berufsgrundsätzen des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands e. V. (VID). Zur Vorauswahl von Insolvenzverwaltern durch die Gerichte bieten sich ebenfalls die Empfehlungen der Uhlenbruck-Komission an (vgl. Uhlenbruck, 2007a, S. 760 ff. und Uhlenbruck 2007b, S. 268 ff.). Vorgeschlagen wird von diesen Gremien die Objektivierung dieser Auswahlentscheidung der Insolvenzgerichte im Sinne einer Wahrung der wirtschaftlichen Interessen gemäß § 1 InsO und der optimalen Befriedigung der Gläubiger. Zur Verbesserung der Auswahl können Daten der eingesetzten Insolvenzverwalter nach Abschluss des Verfahrens erhoben und ausgewertet werden. Abgefragt werden können Merkmale zur Qualifikation und Erfahrung eines Insolvenzverwalters, sein Branchenwissen und die Infrastruktur der Büroorganisation. Vertreter von Kreditinstituten können zur Transparenz von Abrechnungen und der Mitwirkung des Insolvenzverwalters bei einer optimalen Sicherheitenverwertung befragt werden. Auch die Risikobereitschaft und die Sanierungseignung mit der Durchführung von Planverfahren oder übertragenden Sanierungen und der daraus resultierende wirtschaftliche Erfolg in Höhe

5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

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der Befriedigungsquoten kann gemessen werden. Die qualitativen und die quantitativen Daten sind zu gewichten und in einer Ratingkennziffer zusammenzufassen. So wurde in einer empirischen Untersuchung ein Qualitätsmanagementsystem auf Basis von harten Bewertungsfaktoren für Insolvenzverwalter aufgebaut. Die einzelnen Erfolgskriterien sind beeinflussbar durch das Engagement des Insolvenzverwalters und können stetig erhoben werden. Auf diese Weise lässt sich die Auswahl der Verwalter auf eine objektive Grundlage stellen (vgl. Haarmeyer/Schaprian, 2006, S. 673 ff.). Mit einer Erfassung wichtiger Daten erhalten die Insolvenzgerichte neben Informationen zum Verfahren eine standardisierte Einschätzung der Insolvenzverwalter (vgl. Wollgarten/Killig, 2009, S. 32 ff.). Werden die Auswertungen für die künftige Verwalterauswahl genutzt, kann auch die Kritik der Bestellung von Insolvenzverwaltern nach „althergebrachter Übung“ entkräftet werden. Zusätzlich kann die Überprüfung von Eckdaten dazu beitragen, die Qualität der abgewickelten Insolvenzverfahren nachträglich zu analysieren (vgl. Frind, 2006, S. 843 ff.). Der eingesetzte vorläufige Verwalter wird zunächst die Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren prüfen und gegebenenfalls die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes. Des Weiteren wird er die Möglichkeit der Sanierung im eröffneten Insolvenzverfahren eruieren. Bei einer Fortführung wird der vorläufige Insolvenzverwalter zur Finanzierung des Massekostenvorschusses und des Insolvenzgeldes auf die Hausbank oder ein ihm bekanntes Institut zugehen. Während die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes einen Zusatzertrag verspricht, kann der Massekostenvorschuss zur Insolvenzeröffnung für die beteiligten Institute auch aus anderen Gründen wirtschaftlich sinnvoll sein. Der Insolvenzverwalter kann klageweise Ansprüche aus Anfechtungstatbeständen gegen Dritte realisieren und damit die Masse weiter anreichern. Zudem besteht die Option, mit der Verwertung des Gesamtbetriebs einen höheren Erlös als über die Einzelliquidation der Wirtschaftsgüter zu erreichen.

5.1.1

Vorläufiger Insolvenzverwalter

Während der Dauer des Eröffnungsverfahrens wird der vorläufige Insolvenzverwalter das Unternehmen in der Regel fortführen. Dies wird durch die Zahlung des Insolvenzgeldes von der Bundesagentur für Arbeit unterstützt. So werden für die Dauer von drei Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Löhne und Gehälter des insolventen Betriebs von der Bundesagentur übernommen. Der Zeitraum des Eröffnungsverfahrens wird somit davon abhängen, ob bereits rückständige Löhne und Gehälter bestehen. Ist dies nicht der Fall, wird der vorläufige Verwalter in der Regel den maximalen Zeitabschnitt der Zahlung des Insolvenzgeldes von drei Monaten für das Eröffnungsverfahren voll ausschöpfen. Denn durch den Wegfall der Löhne und Gehälter kann auf diese Weise oftmals die notwendige Liquidität zur weiteren Betriebsfortführung geschaffen werden. Es kann damit unter Umständen auch der Grundstein für eine Sanierungslösung in der Insolvenz gelegt werden. Das Insolvenzgeld wird erst nach Eröffnung des Verfahrens gezahlt. Somit hat sich der vorläufige Verwalter um die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes zu kümmern. Ansonsten wird es im Eröffnungsverfahren kaum möglich sein, die Arbeitnehmer zu einer Weiterarbeit zu motivieren, wenn auf die Zahlung des Arbeitslohns erst nach Eröffnung des Verfahrens verwiesen wird (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 229 ff.). Des Weiteren hat er unter Umständen

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5 Insolvenz aus Bankensicht

den für eine Insolvenzeröffnung notwendigen Massekostenvorschuss zur Begleichung der Verfahrenskosten bei der Hausbank zu beantragen (§ 26 InsO). Das Verfahren wird nur dann eröffnet, wenn die Gerichtskosten gedeckt sind. Neben den Sicherungsmaßnahmen hat der vorläufige Insolvenzverwalter auch die Möglichkeiten, eine Sanierung über das Planverfahren oder die Übertragung von Assets zu prüfen und gegebenenfalls notwendige Vorbereitungen dafür zu treffen. Folgende Maßnahmen sind vom vorläufigen Insolvenzverwalter zu untersuchen und gegebenenfalls umzusetzen: 

Prüfung der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren



Beantragung der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes



Erreichung der Finanzierung eines Massekostenvorschusses



Ergreifung von Maßnahmen zur Sicherung des Firmenvermögens



Überprüfung von Möglichkeiten zur Sanierung in der Insolvenz

Zur Bewältigung dieser Aufgaben sind die gewährten Befugnisse des vorläufigen Verwalters durch das Insolvenzgericht entscheidend. In § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO wird zwischen dem sogenannten „starken“ und dem „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter differenziert. Maßgebend für die Unterscheidung ist, ob das Insolvenzgericht dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt. Dies hat zur Folge, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen komplett oder teilweise auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht. Die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters wird gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 InsO in einem Beschluss öffentlich bekanntgemacht. Da diese Befugnisse für die beteiligten Kreditinstitute von Bedeutung sind, sollten sie den Beschluss einsehen, um den Haftungsumfang des vorläufigen Verwalters zu kennen. Starker vorläufiger Insolvenzverwalter Wird dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so ist die Rechtsstellung als starker vorläufiger Insolvenzverwalter der des endgültigen Insolvenzverwalters bereits sehr nahe (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 1. Halbsatz InsO). Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO geht in diesem Fall die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vollständig auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Mit der Übertragung dieser Befugnis verliert der Schuldner beziehungsweise das Schuldnerunternehmen die Kompetenz, über das Vermögen zu bestimmen. Gemäß § 24 Abs. 1 InsO in Verbindung mit §§ 81, 82 InsO sind Verfügungen des Schuldners oder seiner Vertreter über das Vermögen des insolventen Unternehmens unwirksam. Kreditinstitute können mit dem starken vorläufigen Verwalter direkt verhandeln. Dies kann den weiteren Ablauf des Verfahrens erheblich erleichtern, da Verwertungshandlungen ohne Behinderungen des Schuldners durchgeführt werden können. Bereits der vorläufige Insolvenzverwalter hat die Aufgabe die Insolvenzmasse zu mehren. Definition: Die Insolvenzmasse beschreibt gemäß § 35 InsO das gesamte einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Schuldners, das zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden ist, später im Verlauf des Insolvenzverfahrens erworben wird oder im Wege der Anfechtung zurückgeholt werden kann (Obermüller, 2007, S. 60).

5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

281

Der starke vorläufige Verwalter hat die Aufgabe, das Schuldnervermögen zu sichern und zu erhalten. Er ist berechtigt und auch verpflichtet, das Vermögen in Besitz zu nehmen. Der starke vorläufige Insolvenzverwalter ist in Rechtsstreitigkeiten gegen oder für das schuldnerische Unternehmen Partei kraft Amtes. Er ist dazu berechtigt, im eigenen Namen zu klagen. Gleichzeitig wird der starke vorläufige Insolvenzverwalter verpflichtet, das Schuldnerunternehmen bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, sofern nicht das Insolvenzgericht einer Stilllegung zustimmt. Es besteht die Möglichkeit, dass der starke vorläufige Insolvenzverwalter Forderungen des schuldnerischen Unternehmens einzieht, auch wenn diese sicherungshalber an Kreditinstitute abgetreten sind. Verbindlichkeiten, die der vorläufige starke Insolvenzverwalter im Rahmen der weiteren Unternehmensfortführung begründet, nehmen dabei den Rang von sogenannten Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 2 InsO ein. Definition: Die Masseverbindlichkeiten sind gemäß § 53 InsO neben den Kosten des Insolvenzverfahrens vorweg aus der Insolvenzmasse zu begleichen. Massegläubiger stehen im Rang hinter den Aussonderungsberechtigten und den Absonderungsberechtigten, sind jedoch vorrangig zu Insolvenzgläubigern und nachrangigen Insolvenzgläubigern. Folge dieser Privilegierung zur Masseverbindlichkeit ist, dass diese vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter in vollem Umfang zu befriedigen sind. Anderenfalls können Schadenersatzverpflichtungen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters begründet werden. In der Praxis werden daher starke vorläufige Insolvenzverwalter von den zuständigen Gerichten nur in Ausnahmefällen eingesetzt, wenn unter anderem von Handlungen des Gemeinschuldners mit der Erfüllung von Insolvenzstraftatbeständen auszugehen ist. Aufgrund der Haftung für Masseverbindlichkeiten kann die Fortführung von Unternehmen durch den vorläufigen Verwalter beeinträchtigt sein, wenn dieser risikoscheu ist. Daher wird das Insolvenzgericht in der Regel einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen. Schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter Nach § 22 Abs. 2 InsO kann das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen und seine Pflichten im Einzelnen bestimmen. Diese definierten Verpflichtungen dürfen jedoch nicht über diejenigen eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit vollständiger Verwaltungsund Verfügungsbefugnis hinausgehen. Entschließt sich das Gericht daher zur Bestellung eines schwachen vorläufigen Verwalters, wird angeordnet, dass gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Halbsatz InsO Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Der Schuldner oder das Schuldnerunternehmen behält damit grundsätzlich die Verfügungsbefugnis über sein gesamtes Vermögen. Das Insolvenzgericht kann den Umfang der Pflichten des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters jedoch an die Erfordernisse des Einzelfalles anpassen. So können seine Rechte unter anderem erweitert werden, wenn dem Schuldner ein besonderes Verfügungsverbot bezüglich der Vermögenswerte bei einem Kreditinstitut auferlegt wird (vgl. Obermüller, 2007, S. 57). Da das Gericht kurz nach dem Insolvenzantrag nicht zu erkennen vermag, wie die wirtschaftliche Situation des schuldnerischen Unternehmens einzuschätzen ist und welches konkrete

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5 Insolvenz aus Bankensicht

Sicherungsbedürfnis besteht, wird es häufig beschließen, dass alle Verfügungen des Schuldners der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bedürfen. Dies ist weniger einschneidend als das Verfügungsverbot und schont das Ansehen des Schuldners im Rechtsverkehr. Damit werden alle Verfügungen des Schuldners nur mit nachträglicher Genehmigung oder aufgrund der vorherigen Einwilligung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam und sind im Fall der Verweigerung durch den vorläufigen Verwalter unwirksam. Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ist in diesen Fällen nicht allgemeiner Vertreter des Schuldners. Er kann keine Verbindlichkeiten zur Masse gemäß § 55 Abs. 2 InsO begründen. Jedoch kann das Insolvenzgericht den schwachen vorläufigen Verwalter ermächtigen, einzelne im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der Insolvenzmasse einzugehen, soweit dies für die Verwaltung notwendig ist (vgl. Obermüller, 2007, S. 57 ff.). Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter hat vor allem die Aufgabe, durch Überwachung des Schuldners das vorhandene Vermögen zu erhalten. Dazu wird ihm auch die Befugnis eingeräumt, über Bankguthaben des Schuldners zu verfügen, Forderungen einzuziehen und diese Gelder auf einem Anderkonto zu verwahren. Außerdem wird er dazu beauftragt, das Unternehmen zusammen mit dem Schuldner fortzuführen. Die Verpflichtung zur Unternehmensfortführung gemeinsam mit dem Schuldner wird durch das Insolvenzgericht regelmäßig als besondere Einzelanordnung festgelegt. Aufgaben und Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters Gemäß §§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO hat der starke vorläufige Insolvenzverwalter das Unternehmen des Schuldners bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen. Dem schwachen vorläufigen Verwalter wird nach § 22 Abs. 2 InsO die Unternehmensfortführung regelmäßig gemeinsam mit dem Schuldner übertragen. Das Insolvenzgericht begründet dazu eine Fortführungspflicht. Der vorläufige Verwalter kann daher nicht über die Frage entscheiden, ob er das schuldnerische Unternehmen fortführen will oder nicht. Unabhängig von der Frage, ob das Gericht einen starken oder einen schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, wird dieser Akteur aufgrund seiner Verpflichtung zur Weiterführung sowohl für die Gläubiger als auch für den Schuldner zur zentralen Figur des Insolvenzantragsverfahrens (vgl. Hanken, 2005, S. 291 ff.). Zur Betriebsfortführung kann es bereits im Eröffnungsverfahren notwendig sein, Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger zu verhindern, damit das Schuldnervermögen nicht zerschlagen wird und jegliche Sanierungsmaßnahmen unmöglich gemacht werden. So kann das Gericht gemäß § 21 bs. 2 Nr. 3 InsO die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen untersagen oder einstellen. Des Weiteren kann das Gericht mit Umsetzung des Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens gemäß § 21 bs. 2 Nr. 5 InsO anordnen, dass Gegenstände, die zur Sicherung übereignet sind, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen, wenn diese für die Weiterführung der unternehmerischen Aktivitäten von erheblicher betrieblicher Bedeutung sind. Zudem kann das Insolvenzgericht festlegen, dass Forderungen, die zur Sicherheit abgetreten sind, nicht vom Gläubiger, sondern vom vorläufigen Insolvenzverwalter offengelegt werden. Damit kann bereits im Insolvenzantragsverfahren erheblich in die Rechte der Kreditinstitute eingegriffen werden. Zieht bereits der vorläufige Insolvenzverwalter an die Banken abgetre-

5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

283

tene Forderungen ein, verringert sich der Sicherheitenerlös bereits im Eröffnungsverfahren um Kostenbeiträge für die Feststellung und Verwertung. Dies ist für die betroffenen Institute gegenüber der früheren Regelung von Nachteil. Stilllegung des Geschäftsbetriebes durch den vorläufigen Verwalter Der vorläufige Insolvenzverwalter hat grundsätzlich die Pflicht, eine vorzeitige Zerschlagung des Unternehmens zu verhindern. Der vorläufige Verwalter ist in der Regel nicht berechtigt, den Betrieb stillzulegen. Besteht allerdings die Gefahr, dass hohe Verluste durch die Fortführung entstehen, die zu einer Verringerung der Insolvenzmasse führen würden, kann der vorläufige Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb mit der Zustimmung des Gerichts einstellen. Hatte der Gemeinschuldner den Unternehmensbetrieb jedoch bereits beendet, bevor der vorläufige Insolvenzverwalter eingesetzt wurde, ist der vorläufige Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, die geschäftlichen Aktivitäten wieder aufzunehmen. Vorläufiger Insolvenzverwalter als Sachverständiger Um eine Entscheidung darüber zu treffen, ob das Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, wird das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 InsO damit beauftragen, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt, welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens im eröffneten Verfahren bestehen und ob die Kosten des Verfahrens gedeckt sind. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird sich auch mit der Frage beschäftigen, ob das Unternehmen insolvenzplanfähig ist, ob also im eröffneten Insolvenzverfahren die Gläubiger einen Insolvenzplan akzeptieren würden. Während des Insolvenzantragsverfahrens wird er somit den Schwerpunkt seiner Tätigkeit auf die Prüfung der Frage legen, ob und zu welchen Bedingungen das Unternehmen des Insolvenzschuldners fortführungswürdig ist und durch einen Insolvenzverwalter im Rahmen eines Insolvenzplans oder durch eine Auffanggesellschaft fortgeführt werden kann. Er wird eine umfassende Analyse durchführen, um die genauen Ursachen für die Unternehmenskrise, Fehlentwicklungen und Schwachstellen aufzudecken. Außerdem wird der Insolvenzverwalter Vorschläge und Maßnahmen zur Verbesserung der Ertrags- und Liquiditätslage unterbreiten und die Basis für ein tragfähiges Sanierungskonzept erarbeiten. Dabei kann er unter Umständen auf ein bestehendes Sanierungsgutachten zurückgreifen. Im vorläufigen Verfahren bietet sich die Chance, ohne die Kostenposition des Personalaufwands Gewinne zu erwirtschaften und eine Basis für die Fortführung zu legen. Die Sanierung in der Insolvenz über ein Planverfahren oder die übertragende Sanierung kann auch für die betroffenen Banken von Vorteil sein. Kreditinstitute sollten daher frühzeitig Kontakt zum vorläufigen Insolvenzverwalter aufnehmen. Denn auch wenn das Auskunftsrecht gemäß § 167 InsO erst im eröffneten Verfahren gilt, ist dieser häufig bereit auch im Antragsverfahren detaillierte Informationen zu den Chancen einer Fortführung zu geben. Zur Finanzierung des Fortgangs der Geschäfte beziehungsweise zur Bereitstellung des Massekostenvorschusses um die Verfahrenseröffnung zu erreichen wird der vorläufige Verwalter auf die involvierten Kreditinstitute zugehen. So werden im Antragsverfahren unter anderem bestehende Aufträge abgearbeitet. Notwendig wird dann die Bestellung von Rohstoffen und Waren. Bei einer Vorfinanzierung durch die Banken werden durch den starken vorläufigen

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5 Insolvenz aus Bankensicht

Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeiten begründet. Der Verwalter hat die Pflicht, einen Überblick über die Zahlungsvorgänge im Unternehmen zu behalten, damit die Rückführung dieser Verbindlichkeiten hinreichend gesichert ist. Daher sollten von den Banken eine Rentabilitätsvorausschau und eine Liquiditätsplanung vom vorläufigen Verwalter für das Eröffnungsverfahren eingefordert werden. Können diese Zahlenwerke nicht bereitgestellt werden, ist die Vorfinanzierung zum Beispiel von Warenbestellungen im vorläufigen Verfahren kritisch zu überdenken (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 209 ff.). Wenn sich dann nach Eröffnung des Verfahrens herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, können auch Massegläubiger mit ihren Forderungen teilweise oder ganz ausfallen. Bei einer Massekreditvergabe von einem Kreditinstitut sollten zusätzliche Sicherheiten hereingenommen werden. Dazu bieten sich die neu entstehenden Forderungen an. Trotz rechtlicher Unwägbarkeiten hat die finanzierende Bank dann zumindest eine bessere Verhandlungsposition gegenüber dem Insolvenzverwalter. Um eine Privilegierung als Masseverbindlichkeit zu erhalten, ist bei einem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter ein Beschluss des Insolvenzgerichts zur Genehmigung der Darlehensaufnahme und der Besicherung einzuholen. Dies ist von Vorteil, denn gemäß § 61 InsO haftet der vorläufige Insolvenzverwalter persönlich für die Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten. Entlasten kann sich der vorläufige Insolvenzverwalter nur dann, wenn er darlegen kann, dass die Masseunzulänglichkeit bei Begründung der Verbindlichkeiten nicht erkennbar war. Der BGH stellt jedoch hohe Anforderungen an diesen Entlastungsbeweis (vgl. BGH-Urteil vom 06.05.2004 - IX ZR 48/03 und BGH-Urteil vom 17.12.2004 - IX ZR 185/03). So kann sich der vorläufige Insolvenzverwalter nur befreien, wenn er zum Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeit einen auf zutreffenden Tatsachen beruhenden und sorgfältig erwogenen Liquiditätsplan erstellt hat, der eine Erfüllung der Masseverbindlichkeiten erwarten ließ. Dem Verwalter obliegt somit nicht die Darlegung und der Beweis für die Ursachen einer von der Liquiditätsprognose abweichenden Bewertung (§ 61 Satz 2 InsO). Grundlage dieser Entlastung ist somit ein qualitativ hochwertiger Liquiditätsplan. Dieser muss alle Einzahlungen und Auszahlungen dezidiert erfassen und auch besondere Risiken, beispielsweise eines Forderungsausfalls, berücksichtigen. Zur Erstellung der Liquiditätsprognose sind die folgenden betriebswirtschaftlichen Grundsätze zu beachten: 

Grundsatz der Vollständigkeit der Planung: Es sind alle Zahlungen der Planungsperiode in Form von Ein- und Auszahlungen zu berücksichtigen.



Grundsatz der Zeitgenauigkeit der Planung: Erforderlich ist eine exakte und realistische Schätzung der Eintrittszeitpunkte der Zahlungen.



Grundsatz der Betragsgenauigkeit der Planung: Erwartete Zahlungen sind der Höhe nach genau abzuschätzen und unter anderem Saisoneffekte zu beachten.



Grundsatz der Antizipation von Risiken: Mögliche Forderungsausfälle oder verspätete Einzahlungen sind realistisch einzukalkulieren.



Grundsatz der laufenden Anpassung der Planung: Die Planung ist rollierend fortzuführen und der jeweils aktuellen Entwicklung anzupassen.

5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

285

Werden diese Grundsätze eingehalten, so zeigt dieses Vorgehen die betriebswirtschaftlichen Planungsqualitäten des vorläufigen Insolvenzverwalters. Durch Vorverlagerungen von Einzahlungen und Hinausschieben von Auszahlungen kann zusätzliche Liquidität für eine jederzeitige Überdeckung geschaffen werden. Dann ist jedoch zu erwarten, dass nach Stellung des Insolvenzantrags nicht alle Einzahlungen plangemäß eintreffen. So werden Schuldner der insolventen Firma versuchen, Beträge einzubehalten. Aus diesem Grunde empfiehlt sich der Einsatz einer Szenarioanalyse mit der Berücksichtigung eines Worst-Case-Falls, um die Unsicherheit der Prognose zu erfassen. Die Einreichung von hochwertigen Planungsunterlagen gibt den Banken ein positives Signal. Diese werden die Sanierungsoptionen in der Insolvenz mit einem fachlich geeigneten Insolvenzverwalter optimistischer sehen. Der vorläufige Insolvenzverwalter prüft dazu bereits im Eröffnungsverfahren, ob den Gläubigern im Rahmen eines Insolvenzplans eine deutliche bessere Quote im Vergleich zu einer Zerschlagung des Unternehmens angeboten werden kann. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird versuchen, bereits zu diesem Zeitpunkt die Umsatz- und Ertragszahlen für die nächsten Jahre zu prognostizieren und eine für die Betriebsfortführung notwendige Zusammenarbeit mit den Kreditinstituten planen. Nach Vorlage des Gutachtens vom vorläufigen Insolvenzverwalter trifft das Gericht eine Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens. Diese kann auch negativ ausfallen und eine Abweisung mangels Masse bewirken.

5.1.2

Abweisung mangels Masse

Gemäß § 26 InsO weist das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab, wenn das freie Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens abzudecken. Die Abweisung mangels Masse kann gemäß § 26 Satz 2 InsO durch den Vorschuss eines ausreichenden Geldbetrages zum Beispiel durch eine Bank verhindert werden. In der Regel werden 5.000 EUR ausreichen, um die Verfahrenskosten zu decken. Der Umfang dieser Verfahrenskosten ergibt sich aus § 54 InsO. Gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 InsO handelt es sich dabei um die Gerichtskosten und gemäß Nr. 2 um die Vergütung und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters beziehungsweise der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Die Bereitstellung eines Massekostenvorschusses kann auch für Banken sinnvoll sein, wenn an der Eröffnung des Verfahrens Interesse besteht. So kann eine Insolvenzeröffnung wirtschaftliche Vorteile für die betroffenen Kreditinstitute ergeben. Der Insolvenzverwalter wird die Verwertung des Sicherungsguts vornehmen und die absonderungsberechtigten Gläubiger von zusätzlicher Arbeit entlasten, allerdings gegen die Abführung von Kostenbeiträgen der Feststellung und Verwertung (§ 171 InsO). Gerade die freihändige Verwertung von Objekten wird im eröffneten Insolvenzverfahren mit Zustimmung des Insolvenzverwalters ermöglicht, wenn der Schuldner sich bislang gegen diese Form der Veräußerung sperrt. Zudem kann aus Anfechtungstatbeständen gegenüber Dritten die Masse angereichert werden. Daher ist aus Sicht der Kreditinstitute zu prüfen, ob Vorteile einer Eröffnung des Verfahrens bestehen und der Massekostenvorschuss daher vorfinanziert werden sollte. Im Antragsverfahren erhöhen aufgelaufene Zinsen und Provisionen die anzumeldenden Forderungen. Die im Antragsverfahren angefallenen Zinsen für das Kreditengagement können

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5 Insolvenz aus Bankensicht

bis zur Eröffnung im gleichen Rang wie die Hauptforderung geltend gemacht werden. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt unter anderem der Kontokorrentvertrag. Dies bedeutet, dass die betreffende Bank von diesem Zeitpunkt an nur noch einfache Zinsen auf den Schlusssaldo fordern kann. Darüber hinaus kann die Bank den Ersatz des Verzugsschadens fordern. Der Verzugszins liegt 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz. Während des Insolvenzverfahrens fällige Zinsen können jedoch nur noch im Nachrang geltend gemacht werden (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Nachrangige Forderungen werden jedoch nur beglichen, wenn alle Insolvenzgläubiger vollständig befriedigt wurden. Dies wird in der Praxis selten der Fall sein (vgl. Obermüller, 2007, S. 318 ff.). Die interne Behandlung der Zinsberechnung kann von der externen Verfahrensweise abweichen. Die interne Verrechnung hängt maßgeblich damit zusammen, ob das insolvente Engagement erfolgsmäßig auf die Sanierungsabteilung übertragen wird. Wird der Spezialbereich als eigener Profitcenter geführt, dann sollten die Zinsen für die Refinanzierung, der Eigenkapitalverzinsungsanspruch und die sonstigen Aufwendungen als Opportunitätskosten im Controlling angesetzt werden. Wird das Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen, trägt das Gericht den Schuldner in das Schuldnerverzeichnis ein, um den Geschäftsverkehr vor vermögenslosen Personen und Gesellschaften zu schützen. Gemäß § 26 Abs. 2, 2. Halbsatz InsO wird die Eintragung im Schuldnerverzeichnis nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren gelöscht. Handelt es sich bei dem Insolvenzschuldner um eine freiberuflich tätige Person, kann nach Rechtskraft des Abweisungsbeschlusses gemäß § 26 InsO die Bestellung zum Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Apotheker, Arzt, Rechtsanwalt oder Notar wegen Vermögensverfall widerrufen werden. Bei Kapitalgesellschaften, Genossenschaften sowie bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit und ohne unbeschränkt haftende natürliche Personen als Gesellschafter führt die rechtskräftige Abweisung des Eröffnungsantrages zur Auflösung der Gesellschaft. Kommt es dagegen zur Eröffnung des Verfahrens, ist der weitere Ablauf fest vorgegeben.

5.1.3

Eröffnetes Insolvenzverfahren

Stellt das Gericht auf Grundlage des Berichtes des vorläufigen Insolvenzverwalters fest, dass Insolvenzgründe vorliegen und ausreichend Masse vorhanden ist oder ein Vorschuss geleistet wurde, wird das Insolvenzverfahren durch Beschluss eröffnet. Das zuständige Insolvenzgericht bestellt im Insolvenzeröffnungsbeschluss eine natürliche Person zum Insolvenzverwalter (§ 27 InsO). In der Regel wird das Gericht den bereits im Insolvenzantragsverfahren tätigen vorläufigen Verwalter zum Insolvenzverwalter bestellen. Der Eröffnungsbeschluss ist öffentlich bekannt zu machen (§ 30 InsO). Die Registergerichte und Grundbuchämter sind zu benachrichtigen und der Beschluss ist den Gläubigern und Schuldnern zuzustellen (§§ 31, 32, 33 InsO). Gemäß § 31 InsO wird die Eröffnung des Verfahrens bei Grundstücken im Eigentum des Schuldners in das Grundbuch eingetragen. Da die Insolvenzeröffnung für die Gläubiger von Bedeutung ist, darf sich zum Beispiel eine Bank nicht darauf verlassen, dass sie erst von dritter Seite diese Information erhält. Kreditinstitute sollten regelmäßig die Bonität ihrer Schuldner überwachen und von einer Insolvenz nicht überrascht werden. So sind die in den Sanierungsabteilungen bekannten Fälle zu überprüfen und der Bundesanzeiger ist zu lesen. Denn mit der Eröffnung des Verfahrens verliert

5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

287

der Schuldner die Befugnis, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (§ 80 InsO). Im eröffneten Verfahren handelt der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes im eigenen Namen mit Wirkung für und gegen den Insolvenzschuldner. Der Insolvenzverwalter begründet durch seine Handlung Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO und unterliegt einer verschärften Haftung gemäß § 61 InsO. Die Vertragspartner des Insolvenzschuldners können nach der Verfahrenseröffnung schuldbefreiend nur noch an den Insolvenzverwalter leisten, falls die Leistungen nicht in Unkenntnis der Eröffnung der Insolvenz erfolgten (§ 82 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ansprechpartner für die Kreditinstitute ist somit fortan der eingesetzte Insolvenzverwalter. Im Eröffnungsbeschluss werden die Gläubiger gemäß § 28 InsO i. V. m. § 174 InsO aufgefordert, ihre Forderungen und Sicherungsrechte beim Insolvenzverwalter schriftlich anzumelden. Die Befriedigung der Forderungen hängt maßgeblich von ihrem Rang ab. Vorrangig sind die aussonderungsberechtigten Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens zu befriedigen. Gemäß § 47 InsO kann ein aussonderungsberechtigter Gläubiger, zum Beispiel der Eigentümer einer Sache, den Gegenstand aus der Insolvenzmasse heraus verlangen. Ein Anspruch auf Aussonderung eines Wirtschaftsgutes bestimmt sich nach den Gesetzen außerhalb des Insolvenzverfahrens. So kann der Eigentümer die Herausgabe einer Sache verlangen, wenn dem Besitzer kein Recht zum Besitz zusteht (§§ 985, 986 BGB). Ein wichtiges Aussonderungsrecht ist in der Praxis der Eigentumsvorbehalt des Warenlieferanten gegenüber dem Schuldner gemäß § 449 Abs. 1 BGB. Wurden diese Wirtschaftsgüter jedoch bereits weiterveräußert, so kann der Aussonderungsberechtigte nach § 48 InsO die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung als Ersatzaussonderung verlangen (vgl. Obermüller, 2007, S. 60 ff.). Aussonderungsberechtigte Gläubiger sind keine Insolvenzgläubiger, weil sich ihr Anspruch nicht gegen die Insolvenzmasse richtet. Die Rechte absonderungsberechtigter Gläubiger sind in den §§ 49 bis 51 InsO geregelt. Absonderungsberechtigte Gläubiger haben ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus Gegenständen der Insolvenzmasse. Abgesonderte Befriedigung bedeutet, dass der mit dem Absonderungsrecht belastete Gegenstand durch den Insolvenzverwalter verwertet und der dann erzielte Erlös bis zur Höhe der gesicherten Forderung an den begünstigten Gläubiger ausgeschüttet wird, wobei gemäß § 171 InsO in der Regel 4 % beziehungsweise 9 % des Verwertungserlöses der Masse verbleiben. Absonderungsberechtigte Gläubiger sind zum Beispiel Grundschuldgläubiger, Gläubiger, die sich gemäß § 50 InsO auf ein gesetzliches Pfandrecht berufen können oder gemäß § 51 InsO Gläubiger, denen der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs eine bewegliche Sache oder Rechte übertragen hat. Aufgrund bestehender Kreditsicherheiten haben Banken regelmäßig das Recht, eine abgesonderte Befriedigung aus der Verwertung der betroffenen beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgüter und der Einziehung der abgetretenen Forderungen zu verlangen. Massegläubiger werden aus der Insolvenzmasse vorweg, das heißt vor den Insolvenzgläubigern, befriedigt. Das Gesetz unterscheidet zwischen den Verfahrenskosten gemäß § 54 InsO und den Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO. Zu den Verfahrenskosten gehören insbesondere die Gerichtskosten und die Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters, des vorläufigen Insolvenzverwalters sowie der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Masseverbindlichkeiten werden durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder des starken vorläufigen

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5 Insolvenz aus Bankensicht

Insolvenzverwalters begründet oder können aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung vom Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse verlangt wird, entstehen. Zu der Insolvenzmasse gehört das gesamte Vermögen des Schuldners oder des Schuldnerunternehmens, das zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens vorhanden ist, im späteren Verlauf dazugewonnen oder im Wege der Anfechtung zurückgeholt wird (§ 35 InsO). Von Bedeutung sind daher auch die Anfechtungsmöglichkeiten im Insolvenzverfahren, die dem Insolvenzverwalter eine Handhabe geben, Schmälerungen des Vermögens oder der Insolvenzmasse vor Verfahrensöffnung wieder rückgängig zu machen. Dies erfasst im Wesentlichen Vermögensverschiebungen des Schuldners zum Nachteil der Gläubiger. Jedoch wird der Insolvenzverwalter auch Zahlungseingänge bei Banken genau überprüfen und versuchen, Einzahlungen gegebenenfalls anzufechten, um damit die Masse anzureichern. Insolvenzgläubiger werden im Rahmen des Insolvenzverfahrens befriedigt. Dies sind die persönlichen Gläubiger, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben. Die Insolvenzgläubiger werden unterschieden in nicht nachrangige und nachrangige Insolvenzgläubiger. Nicht nachrangige Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO sind Gläubiger, die ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Diese werden im Rahmen der Verteilung der Insolvenzmasse quotal befriedigt. Als nachrangige Insolvenzgläubiger gelten gemäß § 39 InsO die Gläubiger, die erst dann eine Ausschüttung erhalten, wenn die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger vollständig befriedigt worden sind und darüber hinaus ein Überschuss verbleibt. Aufgrund des Nachrangs ist in der Regel nur mit einer geringen quotalen Zahlung auf die derart klassifizierten Forderungen zu rechnen. Die folgende Tabelle 5.2 führt die Gläubiger nach dem Rang ihres Rechts und der Art der Befriedigung zusammengefasst auf. Tab. 5.2 Gläubiger innerhalb und außerhalb des Insolvenzverfahrens (vgl. Foerste, 2008, S. 8)

Recht

Befriedigung

Aussonderungsberechtigte gemäß §§ 47 ff. InsO

Aussonderung Gegenstand

Außerhalb des Insolvenzverfahrens

Absonderungsberechtigte gemäß §§ 49 ff. InsO

Befriedigung durch Verwertung

Im Insolvenzverfahren

Massegläubiger gemäß §§ 53 ff. InsO

Vorrang vor den Insolvenzgläubigern

Im Insolvenzverfahren

Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO

Vor nachrangigen Insolvenzgläubigern

Im Insolvenzverfahren

Nachrangige Insolvenzgläubiger gemäß § 39 InsO

Quotale Befriedigung gemäß ihrem Rang

Im Insolvenzverfahren

Mit dem Insolvenzbeschluss wird zugleich angeordnet, dass der Insolvenzverwalter ein Verzeichnis der Massegegenstände (§ 151 InsO), ein Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) und eine Vermögensübersicht (§ 153 InsO) zu erstellen hat. Diese Aufstellungen sind eine Woche vor dem Berichtstermin in der Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsicht auszulegen.

5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

289

Das Verzeichnis der Massegegenstände gemäß § 151 InsO umfasst alle Sachen und Rechte des Schuldners inklusive der Ansprüche aus schwebenden Geschäften und Anfechtungen. Mit aufzunehmen sind Gegenstände, an denen ein Absonderungsrecht besteht. Vermögensgegenstände, die unstreitig der Aussonderung unterliegen, sind in der Regel nicht mit aufzuführen. Eine Ausnahme stellen die unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Waren dar, obwohl diese gemäß § 47 InsO der Aussonderung unterliegen, denn das wirtschaftliche Interesse des Vorbehaltslieferanten ist dem Absonderungsrecht stark angenähert und es ergibt sich ansonsten ein verzerrtes Bild der Vermögenslage. Auch bereits freigegebene Werte sind aufzuführen, da das Verzeichnis der Massegegenstände rückwirkend auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung erstellt wird. Basis dieser Aufstellung kann der Jahresabschluss oder eine Inventur sein. Bei den einzelnen Gegenständen und Rechten sind die Fortführungs- und Liquidationswerte mit anzugeben. Diese stellen die Aktivseite einer Vermögensübersicht dar. Problematisch ist in der Regel die Ermittlung der Fortführungswerte, da die Weiterführung des insolventen Unternehmens nicht immer möglich ist (vgl. Bruder, 2008, S. 119 ff.). Des Weiteren hat der Insolvenzverwalter ein Gläubigerverzeichnis gemäß § 152 InsO zu erstellen. Dieses wird auf Basis der angemeldeten Forderungen geschehen, erfordert jedoch auch eine Nachforschungspflicht des Insolvenzverwalters, ob weitere noch nicht bekannte Gläubiger bestehen. Das Verzeichnis stellt in der Regel die Passivseite der Vermögensübersicht dar. Dabei sind in der Aufstellung gemäß § 152 Abs. 2 InsO die absonderungsberechtigten Gläubiger und die einzelnen Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger gesondert zu erfassen, um ein Gesamtbild zu erhalten. Anzugeben sind die Gläubiger mit ihren Postanschriften, der Forderungsgrund, die Höhe der Forderung, der Gegenstand der Absonderung, der mutmaßliche Ausfall und mögliche Aufrechnungen. Die aufgeführten Absonderungsrechte korrespondieren mit dem Masseverzeichnis und der Aktivseite der Vermögensübersicht. Auch die Vorbehaltslieferanten sind mit dem Gegenstand der Lieferung aufzuführen, um ein tatsächliches Bild der Vermögenslage zu erhalten. Die Höhe der Masseverbindlichkeiten ist gemäß § 152 Abs. 3 InsO zu schätzen. Das Gläubigerverzeichnis kann im Berichtstermin als Grundlage für die Festlegung der Stimmrechte herangezogen werden. Es beinhaltet alle wesentlichen Angaben, die auch in der später zu erstellenden Insolvenztabelle enthalten sein müssen, ersetzt diese Aufstellung jedoch nicht (§ 175 InsO). Die Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO fasst die vorigen Verzeichnisse zusammen und soll einen Überblick über den Status der Vermögenswerte und Schulden zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, differenziert nach Liquidations- und Fortführungswerten, liefern. Diese Aufstellung gibt Kreditinstituten einen Anhaltspunkt über voraussichtliche Verwertungserfolge und die zu erwartende Insolvenzquote. Diese drei Zahlenwerke bilden eine integrierte Einheit. Das Verzeichnis der Massegegenstände stellt die Aktivseite und das Gläubigerverzeichnis die Passivseite dieser Vermögensübersicht dar. Die Vermögensübersicht dient verschiedenen Zwecken, wie unter anderem (vgl. Bruder, 2008, S. 125): 

Kontrolle der Vermögensgegenstände durch das Insolvenzgericht



Leitfaden für den Insolvenzverwalter bei der Verwertung



Information der Gläubigerversammlung und des Gläubigerausschusses

290

5 Insolvenz aus Bankensicht

Die Vermögensübersicht kann auch bereits Hinweise für Gestaltungen in einem Insolvenzplanverfahren geben (vgl. IDW, 2000, S. 286 ff.). Daher kann der Verwalter eine integrierte Planungsrechnung aus den Verzeichnissen und der Vermögensaufstellung als Bestandteil des Insolvenzplans ableiten und im Verlauf des Verfahrens die jeweiligen Positionen den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Die nachfolgende Abbildung 5.3 zeigt eine Zusammenstellung der gesetzlich vorgesehenen Aufzeichnungen.

Aufstellungen im Insolvenzverfahren Verzeichnis der Massegegenstände gemäß § 151 InsO Fortführungswert

Liquidationswert

Vermögensgegenstände

30.000

20.000

Forderungen

10.000

10.000

Gläubigerverzeichnis gemäß 152 InsO Grund der Forderung

Höhe der Forderung

Besicherung

Mutmaßlicher Ausfall

Papierlieferant GmbH

Warenlieferung

300.000

Eigentumsvorbehalt

250.000

Mittelstandsbank AG

Darlehensvertrag

500.000

Grundschuld

300.000

Vermögensübersicht gemäß 153 InsO Aktiva

Passiva

Abb. 5.3 Verzeichnisse und Übersichten im Insolvenzverfahren

Sämtliche Verzeichnisse und Übersichten nach §§ 151 ff. InsO sind spätestens eine Woche vor dem Berichtstermin in der Geschäftsstelle zur Einsicht niederzulegen (§ 154 InsO). Eine Kontrolle ist aus Bankensicht zu empfehlen. War der vorläufige Verwalter im Insolvenzantragsverfahren lediglich als schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, geht nunmehr nach § 80 Abs. 1 InsO das Recht des Schuldners, über das zur Masse gehörende Vermögen zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter kann über alle Massegegenstände verfügen. Verfügungen des Schuldners sind dagegen gemäß § 81 Abs. 1 Nr. 1 InsO absolut, das heißt gegenüber jedermann, unwirksam. Im Eröffnungsbeschluss bestimmt das Insolvenzgericht gemäß § 29 InsO den Termin für die Gläubigerversammlung, in der auf Grundlage eines Berichtes des Insolvenzverwalters über den Fortgang des Verfahrens entschieden wird. Der Termin zur Gläubigerversammlung muss spätestens drei Monate nach dem Eröffnungsbeschluss anberaumt werden. Der Insolvenzverwalter hat in diesem Berichtstermin, der in § 156 InsO geregelt ist, ausführlich über die wirtschaftliche Lage des Schuldners beziehungsweise des Schuldnerunternehmens und die Ursachen der Krise zu informieren. Er hat des Weiteren darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen zu erhalten und welche Möglich-

5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

291

keiten für die Umsetzung eines Insolvenzplans existieren. Zudem sind die Aussichten für die Befriedigung der Gläubiger bei den verschiedenen Vorgehensweisen darzulegen. So ergeben sich folgende Handlungsoptionen aus einem Insolvenzplan mit den entsprechenden Auswirkungen für die Gläubiger (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 212): 

Liquidation des Unternehmens mit Einzelverwertung der Vermögensgegenstände



Sanierung des vorhandenen Rechtsträgers durch Reorganisation der Firma



Übertragende Sanierung im Rahmen eines Asset Deals auf einen neuen Rechtsträger

Im Berichtstermin beschließt die Gläubigerversammlung über den Fortgang des Verfahrens (§ 157 InsO). So wird darüber entschieden, ob das Unternehmen stillgelegt oder fortgeführt werden soll. Ein Beschluss kommt gemäß § 76 Abs. 2 InsO dann zustande, wenn die Summe der Forderungsbeträge der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Forderungen dieser abstimmenden Gläubiger beträgt. Bei den absonderungsberechtigten Gläubigern, denen der Schuldner nicht persönlich haftet, tritt der Wert des Absonderungsrechts an die Stelle des Betrags der Forderungen. Die Gläubigerversammlung kann den Insolvenzverwalter zudem gemäß § 157 InsO mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, den Insolvenzverwalter im Gläubigerausschuss abzuwählen und einen neuen Verwalter zu bestimmen. Dies erfordert gemäß § 57 i. V. m. § 76 Abs. 2 InsO neben der Summenmehrheit auch die Kopfmehrheit der Abstimmenden. Da sich der Insolvenzverwalter bereits eingearbeitet und wesentliche Entscheidungen vorbereitet hat, wird diese Alternative in der Praxis nur selten gewählt. Zur Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters kann die Gläubigerversammlung aus ihrer Mitte einen Gläubigerausschuss wählen. Die Hauptaufgaben dieses Gremiums sind in § 69 InsO festgehalten und betreffen unter anderem die Prüfung des Geldverkehrs. Da der Gläubigerausschuss zur Umsetzung dieser Aufgaben erhebliche Informationsrechte besitzt, ist die Entsendung eines Vertreters des Kreditinstituts sinnvoll. Zudem ist die Zustimmung des Gläubigerausschusses bei bestimmten für das weitere Verfahren wichtigen Handlungen notwendig (§ 160 InsO). Die Beschlussfassung im Gläubigerausschuss erfolgt gemäß § 72 InsO, wenn die Mehrheit der Mitglieder teilgenommen hat und der Beschluss mit der Mehrheit der Stimmen gefasst worden ist. Die Zusammensetzung ist in § 67 Abs. 2 InsO geregelt. So sollen die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen und die Kleingläubiger in diesem Gremium vertreten sein. Die Haftung des Ausschusses ergibt sich aus § 71 InsO und die Mitglieder haben gemäß dem erforderlichen Zeitaufwand Anspruch auf eine Vergütung (§ 73 InsO). Bereits im Eröffnungsbeschluss bestimmt das Insolvenzgericht die Frist, innerhalb derer die Insolvenzforderungen anzumelden sind. Dabei ist eine Maximaldauer von drei Monaten ab Eröffnung der Insolvenz zu beachten. Jedoch können auch nach dieser Frist noch Forderungen berücksichtigt werden. Die Anmeldung der Forderungen und Sicherungsrechte der Kreditinstitute wird regelmäßig auf Basis der bestehenden Darlehens- und Sicherheitenverträge geschehen. Der Insolvenzverwalter trägt die angemeldeten Forderungen in eine gesonderte Insolvenztabelle ein (§ 175 Abs. 1 InsO). Diese Aufstellung unterscheidet sich von den Zahlenwerken gemäß §§ 151, 152, 153 InsO und ist später Grundlage des Verteilungsverzeich-

292

5 Insolvenz aus Bankensicht

nisses (§ 188 InsO). Die Überprüfung der angemeldeten Forderungen erfolgt gemäß § 176 InsO an einem extra dafür anberaumten Prüfungstermin. Der Berichtstermin kann mit dem Prüfungstermin verbunden werden (§ 29 Abs. 2 InsO). Im Prüfungstermin werden die Forderungen nach ihrem Betrag und Rang kontrolliert (§ 176 InsO). Gemäß § 178 Abs. 1 InsO gilt eine Forderung dann als festgestellt, wenn weder der Insolvenzverwalter noch ein Insolvenzgläubiger gegen diese am Prüfungstermin oder in einem schriftlichen Verfahren Widerspruch erhoben hat (vgl. Hanken, 2005, S. 296). Nachfolgende Abbildung 5.4 zeigt die wichtigen Ablaufschritte im eröffneten Insolvenzverfahren.

Eröffnetes Insolvenzverfahren

Eröffnungsbeschluss

Termine und Entscheidungen: - Gläubigerversammlung - Berichts-/Prüfungstermin - Wahl Gläubigerausschuss Bis zu 3 Monate

Verfahrensverlauf: - Planverfahren/Üb. Sanierung - Liquidation - Schlusstermin und Verteilung

Aufhebung Verfahren

Mehrere Jahre

Abb. 5.4 Ablauf des eröffneten Insolvenzverfahrens

Trifft die Gläubigerversammlung die Entscheidung, das Unternehmen nicht weiter fortzuführen, hat der Insolvenzverwalter die Aufgabe, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen unmittelbar nach dem Berichtstermin zu verwerten (§ 159 InsO). Es bedeutet, dass der Verwalter die Forderungen des schuldnerischen Unternehmens einzuziehen und die vorhandenen Vermögenswerte zu liquidieren hat. Dabei hat er die Verwertung und die Verteilung der Gelder zügig und ohne schuldhaftes Verzögern durchzuführen.

5.1.4

Weiterer Verfahrensablauf

Sobald die gesamte Insolvenzmasse verwertet ist, wird das Gericht einen Schlusstermin anberaumen. Zur Durchführung der endgültigen Aufteilung gemäß § 188 InsO wird ein Verteilungsverzeichnis erstellt. In das Schlussverzeichnis sind die angemeldeten Forderungen aufzunehmen, die bei der Erlösverteilung berücksichtigt werden. Dies sind die Forderungen, die zur Insolvenztabelle angemeldet und bereits als unbestritten aufgenommen worden sind. Des Weiteren sind die bestrittenen aber titulierten Forderungen in das zu erstellende Schlussverzeichnis mit aufzunehmen (vgl. Hanken, 2005, S. 296). Nach Abhaltung des Schlusstermins wird das Insolvenzgericht dem Insolvenzverwalter die Zustimmung zur Ausschüttung der Masse an die Gläubiger geben. Die Erlöse aus der Verwertung der Insolvenzmasse hat er unter den Insolvenzgläubigern zu verteilen (§§ 187, 195, 196 InsO). Nachdem die Schlussverteilung gemäß § 196 InsO vollzogen wurde, beschließt

5.1 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

293

das Insolvenzgericht die Aufhebung des Verfahrens (§ 200 Abs. 1 InsO). Damit erhält auch der Schuldner die Verfügungsmacht über sein restliches Vermögen zurück. Das Amt des Insolvenzverwalters erlischt. Die nachfolgende Abbildung 5.5 zeigt den kompletten Ablauf eines Insolvenzverfahrens mit den wichtigen Fristen und Terminen.

Ablauf eines Insolvenzverfahren Abweisung mangels Masse

Insolvenzantrag

Eröffnungsverfahren Bis zu 3 Monate - Vorläufiger Verwalter - Massekostenvorschuss - Insolvenzgeldfinanzierung

Liquidation juristischer Personen

Beschluss

Beschluss Eröffnung Verfahren

Berichtstermin

Prüfungstermin

Bis zu 3 Monate - Wirtschaftliche Lage - Fortführung - Gläubigerausschuss

Bis zu 2 Monate - Prüfung Forderungen - Prüfung Sicherheiten - Prüfung Kollisionen

Verfahrensverlauf Mehrere Jahre - Sanierung - Übertragung - Verwertung

Aufhebung Insolvenzverfahren

Abb. 5.5 Ablauf eines Insolvenzverfahrens

Gemäß § 201 InsO können die Insolvenzgläubiger auch nach Aufhebung des Verfahrens ihre Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen und aus der Eintragung in der Insolvenztabelle nach § 201 Abs. 2 InsO die Zwangsvollstreckung betreiben. Im Folgenden soll auf das Insolvenzplanverfahren detaillierter eingegangen werden, da es die Möglichkeit schafft, das insolvente Unternehmen zumindest in Teilen zu erhalten. Im Rahmen einer Unternehmensfortführung kann unter Umständen eine optimale Gläubigerbefriedigung insbesondere für die betroffenen Banken erreicht werden. Zusammenfassung Abschnitt 5.1: In diesem Abschnitt wurde der Ablauf des Insolvenzverfahrens erläutert. Es wurde auf wesentliche Begrifflichkeiten des Insolvenzrechts eingegangen. Der Verfahrensablauf wurde von der Insolvenzantragsstellung über die Position eines starken oder schwachen vorläufigen Verwalters, die rechtliche Stellung der gesicherten und ungesicherten Gläubiger bis hin zur Aufhebung des Verfahrens in den einzelnen Ablaufschritten dargestellt. Detailliert wurde auf die Fristen und die Termine eingegangen. Dabei kann die Insolvenz auch zur Sanierung eines Unternehmens im Insolvenzverfahren genutzt werden. So kann die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter im Berichtstermin damit beauftragen, einen Insolvenzplan zum Zweck der Fortführung der Firma auszuarbeiten, und darüber eine gerichtliche Sanierung weiter vorantreiben.

294

5.2

5 Insolvenz aus Bankensicht

Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens

Das Insolvenzverfahren dient gemäß § 1 InsO dazu, die Gläubiger des Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Dies kann durch das Regelinsolvenzverfahren geschehen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös gemäß den gesetzlichen Vorschriften verteilt wird. Alternativ besteht jedoch auch die Möglichkeit, in einem Insolvenzplan eine von der Verwertung und Erlösverteilung abweichende Gestaltung zu treffen. Ein Insolvenzplan soll die wirtschaftliche Situation der an einer Insolvenz beteiligten Akteure verbessern. Dies kann auch die Kreditinstitute als Hauptgläubigergruppe betreffen. Die Insolvenzordnung, die am 01.01.1999 in Kraft trat und damit die alte Konkursordnung, Vergleichsordnung und Gesamtvollstreckungsordnung ablöste, hat mit der Einführung eines Insolvenzplans ein neues Instrumentarium geschaffen, das den Beteiligten auf Grundlage der Gläubigerautonomie eine flexible und marktkonforme Abwicklung und Gestaltung von Insolvenzen ermöglicht. Dabei ist eine Reorganisation einer Firma über ein Insolvenzplanverfahren dann anzudenken, wenn der rechnerische Fortführungswert den Liquidationswert des Unternehmens klar übertrifft und damit eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung gegeben ist (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 1634, Vor § 217 bis 269 InsO, Rz. 6). Definition: Der Insolvenzplan hat die Aufgabe, eine Alternative zu der Verwertung des insolventen Unternehmens aufzuzeigen. Inhalte des Plans sind der darstellende Teil, der gestaltende Teil und die Plananlagen (§ 219 ff. InsO). Gemäß § 217 InsO kann durch einen Insolvenzplan eine von den Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens abweichende Verfahrensweise zur Befriedigung der Gläubiger und Verwertung der Insolvenzmasse getroffen werden. Ziel ist unter anderem im Sanierungsplan die leistungswirtschaftliche und finanzielle Gesundung des insolventen Unternehmens. Aber auch andere Vorgehensweisen wie der Unternehmensverkauf in einem Übertragungsplan sind denkbar. Die Entwicklung eines Insolvenzplans mit Bewilligung und Umsetzung des Konzepts ist in der Regel komplex, sodass die Anwendung in erster Linie bei großen Unternehmen durchführbar erscheint. Der Insolvenzplan gewinnt als Sanierungsinstrument in der Praxis immer mehr an Bedeutung (vgl. Paffenholz/Kranzusch, 2007, S. 1 ff.). Jedoch sind die Vorarbeiten umfangreich und zeitaufwendig. Es ist in der Regel eine umfassende betriebswirtschaftliche Beratung notwendig, die eine Planausarbeitung kostenintensiv gestaltet. Aktuell wird das Insolvenzplanverfahren aber auch immer häufiger in mittelständischen Betrieben und bei Freiberuflern angewendet (vgl. Steinwachs, 2007, S. 80 ff.). Dabei ist die Erarbeitung von Muster-Insolvenzplänen bei überschaubaren Verfahren ist auch durch kleine Insolvenzbüros effizient durchführbar. Große Verfahren erfordern dagegen eine angemessene Büroorganisation mit einer betriebswirtschaftlichen Abteilung. Alternativ können Einzelaufträge an Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfer extern vergeben werden, wie zum Beispiel die Erstellung eines Sanierungsgutachtens. Im Folgenden werden die wesentlichen Grundzüge des Insolvenzplanverfahrens dargestellt.

5.2 Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens

5.2.1

295

Ziele und Beteiligte des Insolvenzplanverfahrens

Das Insolvenzplanverfahren gemäß §§ 219 ff. InsO kann helfen, das insolvente Unternehmen in wesentlichen Zügen zu erhalten und zu konsolidieren. Im Optimalfall geht diese Alternative mit einer verbesserten Rückführung der Bankverbindlichkeiten gegenüber einer Einzelliquidation der Vermögenswerte einher. Zur Vorbereitung eines Insolvenzplans ist die Prüfung der Sicherheitenstruktur notwendig, denn die aussonderungsberechtigten Gläubiger sind an einem Planverfahren nicht beteiligt. Mit den Aussonderungsberechtigten, wie beispielsweise den Leasinggebern, sind zeitnah Verhandlungen aufzunehmen, damit keine betriebsnotwendigen Wirtschaftsgüter abgezogen werden (vgl. Steinwachs, 2007, S. 82). Wirtschaftlich planfähig erweisen sich gerade große Unternehmen oder Konzerne mit einem guten Ruf, einem umfangreichen Kundenstamm und einer festen Auftragslage. Dabei ist die Größe nicht immer entscheidend dafür, dass ein Insolvenzplanverfahren umgesetzt werden kann. Jedoch sind die Unternehmensgröße und der Bekanntheitsgrad meist eng miteinander verbunden. Zusätzlich ist es hilfreich, wenn bereits ein außerbilanzielles Sanierungsgutachten vorliegt, in dem die leistungswirtschaftliche Lage eingehend untersucht und wichtige Sanierungsmaßnahmen vorgeschlagen wurden. In diesem Fall sollte der Insolvenzplan auf dem Sanierungskonzept aufsetzen, denn so kann wertvolle Zeit eingespart werden. Es zeigt sich in der Praxis, dass je länger sich die Insolvenz zeitlich hinzieht, desto stärker zu erwarten ist, dass die Reputation des Unternehmens am Markt stark leidet. Der Insolvenzplan ermöglicht den Verfahrensbeteiligten eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Abwicklung, insbesondere zum Erhalt des insolventen Unternehmens. Die Gläubiger als Hauptbeteiligte des Insolvenzverfahrens sollen eine Entscheidung darüber treffen, auf welche Art und Weise beziehungsweise durch welche Strategie eine bestmögliche Befriedigung ihrer offenen Forderungen erfolgen kann. Eine Umsetzung dieses Prinzips erfolgt durch Mehrheitsentscheid der Gläubiger. Anzustreben ist ein Interessenausgleich über den Insolvenzplan, damit sich möglichst alle Gläubiger mit ihrer Zustimmung und der Bereitschaft zu Verzichten an der Planlösung beteiligen. Ziel des Insolvenzplans ist die optimale Befriedigung aller Insolvenzgläubiger. Durch die Fortführung der betrieblichen Tätigkeit des Schuldnerunternehmens erhalten die Gläubiger oft die Chance auf eine höhere Quote als bei einer Einzelverwertung zu Liquidationswerten. Des Weiteren ist die Arbeitsbelastung unter Umständen geringer. Die Befriedigung erfolgt aus den laufenden Einnahmeüberschüssen (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 1665, § 217 InsO, Rz. 24). Die Insolvenzordnung enthält aufgrund der Privatautonomie der Gläubiger nur grobe Vorgaben zur Gestaltung eines Insolvenzplans. Einen Typenzwang möglicher Gestaltungen gibt es nicht, allerdings haben sich in der Praxis verschiedene Grundformen herausgebildet: 

Sanierungslösung: Der Sanierungsplan stellt den typischen Fall eines Insolvenzplans dar. Dieser bezweckt die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens oder bestimmter Unternehmensteile, um die Gläubiger aus den laufenden Erlösen zu befriedigen.



Übertragungslösung: Gegenstand des Übertragungsplans ist der Verkauf wesentlicher Vermögensgegenstände auf einen neuen Rechtsträger, etwa eine Auffanggesellschaft, im Rahmen eines Asset Deals. Der Erlös wird an die Gläubiger verteilt.

296 

5 Insolvenz aus Bankensicht Liquidationslösung: Gegenstand des Liquidationsplans ist eine planmäßige Verwertung der Vermögensgegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens. Die Gläubigerbefriedigung erfolgt direkt aus den Verwertungserlösen der Assets.

Gerade die Reorganisationslösung im Rahmen eines Sanierungsplans kann für die Gläubigerbanken interessant sein, wenn eine höhere Rückführung der Forderungen gegenüber einer übertragenden Sanierung oder einer Einzelliquidation zu erwarten ist, da das Unternehmensvermögen als wirtschaftliche Einheit erhalten bleibt. Insolvenzrechtlich lässt sich unter der Unternehmensreorganisation die Sanierung der notleidenden Firma in der Hand des bisherigen Rechtsträgers verstehen (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 1713, § 217 InsO, Rz. 171). Erforderlich sind leistungswirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Maßnahmen, vergleichbar mit den außergerichtlichen Sanierungsschritten. Diese sind im darstellenden Planungsteil zu erörtern und im gestaltenden Teil umzusetzen (§§ 220, 221 InsO). Der Insolvenzplan kann auf dem bestehenden Sanierungsgutachten aufsetzen. Zur Genehmigung des Insolvenzplans ist die Zustimmung aller Beteiligten einzuholen. Gemäß § 217 InsO sind der Schuldner, die Insolvenzgläubiger, die nachrangigen Insolvenzgläubiger und die absonderungsberechtigten Gläubiger an dem Planverfahren beteiligt (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 1676 ff., § 217 InsO, Rz. 59). Der Insolvenzschuldner ist eine natürliche oder juristische Person beziehungsweise eine Gesellschaft, gegen die sich das Insolvenzverfahren richtet. Der Schuldner muss dem ausgearbeiteten Insolvenzplan im Zweifel zustimmen. Von den übrigen Gläubigern ist eine Bestätigung einzuholen. Insolvenzgläubiger sind die persönlichen Gläubiger, die zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegenüber dem Schuldnerunternehmen haben. Die Insolvenzgläubiger werden unterschieden in nicht nachrangige und nachrangige Insolvenzgläubiger. Nicht nachrangige Insolvenzgläubiger sind diejenigen Gläubiger, die ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden und im Rahmen der Verteilung der Insolvenzmasse anschließend quotal befriedigt werden (§ 38 InsO). Als nachrangige Insolvenzgläubiger gelten gemäß § 39 InsO diejenigen Gläubiger, die erst dann eine Ausschüttung erhalten werden, wenn sämtliche nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger in ihren Rangklassen vollständig befriedigt wurden und darüber hinaus ein Überschuss verbleibt. Die Forderungen dieser nachrangigen Insolvenzgläubiger gelten im Insolvenzplanverfahren gemäß § 225 InsO jedoch als erlassen, wenn im Insolvenzplan nicht etwas anderes vorgesehen ist (vgl. Hanken, 2005, S. 298 ff.). Die Rechte der absonderungsberechtigten Gläubiger sind in den §§ 49 ff. InsO geregelt. Absonderungsberechtigte Gläubiger haben ein Anrecht auf eine vorzugsweise Befriedigung aus Gegenständen und Rechten der Insolvenzmasse. Es bedeutet, dass der mit dem Absonderungsrecht belastete Gegenstand verwertet und der erzielte Erlös bis zur Höhe der gesicherten Forderung an den berechtigten Gläubiger ausgeschüttet wird, wobei gemäß § 171 InsO 4 % beziehungsweise 9 % des Verwertungserlöses bei der Masse verbleiben. Absonderungsberechtigte Gläubiger sind zum Beispiel Grundschuldgläubiger, Gläubiger, die sich gemäß § 50 InsO auf ein gesetzliches Pfandrecht berufen können oder Gläubiger, denen der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs eine bewegliche Sache übertragen oder Rechte abgetreten hat (§ 51 InsO). Dies werden im Wesentlichen Kreditinstitute sein.

5.2 Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens

297

Massegläubiger und aussonderungsberechtigte Gläubiger sind dagegen nicht am Insolvenzplanverfahren beteiligt. Massegläubiger sind Gläubiger, deren Ansprüche erst nach Verfahrenseröffnung begründet und durch das Verfahren selbst veranlasst worden sind. Massegläubiger werden aus der Insolvenzmasse vorweg, das heißt vor den Insolvenzgläubigern befriedigt. Das Gesetz unterscheidet zwischen den Verfahrenskosten nach § 54 InsO und den Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO. Zu den Verfahrenskosten gehören die Gerichtskosten, die Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters, des vorläufigen Insolvenzverwalters sowie der Mitglieder eines Gläubigerausschusses. Masseverbindlichkeiten werden durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder des starken vorläufigen Insolvenzverwalters begründet oder entstehen aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter zur Insolvenzmasse verlangt wird. Gemäß § 47 InsO kann ein aussonderungsberechtigter Gläubiger, einen ihm gehörenden Gegenstand aus der Insolvenzmasse heraus verlangen. Ein Anspruch auf Aussonderung eines Vermögensgegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen außerhalb des Insolvenzverfahrens. Aussonderungsberechtigte Gläubiger sind keine Insolvenzgläubiger, weil sich ihr Anspruch nicht gegen die Insolvenzmasse richtet. Im Folgenden wird der Ablauf eines Insolvenzplanverfahrens dargestellt. Verstärkt wird Bezug genommen auf eine Sanierungslösung innerhalb des Insolvenzplanverfahrens.

5.2.2

Ablauf des Insolvenzplanverfahrens

Gemäß § 218 Abs. 1 InsO ist der Insolvenzplan dem Insolvenzgericht vorzulegen. Das Initiativrecht zur Vorlage eines Plans haben der Insolvenzverwalter oder auch der Schuldner. Die Planvorlage durch den Insolvenzschuldner kann bereits mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen (§ 218 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der Schuldner hat somit die Möglichkeit, frühzeitig durch Vorlage eines Insolvenzplans gestaltend auf das Verfahren einzuwirken. Die Einreichung eines Insolvenzplans durch den Schuldner kann bei Antragstellung ein Mittel sein, den beteiligten Gläubigern schon zu Beginn des Verfahrens mögliche alternative Lösungen zur Bewältigung der Unternehmenskrise anzubieten. Handelt es sich bei dem schuldnerischen Unternehmen um eine Kapitalgesellschaft, wird der Insolvenzplan üblicherweise durch den Geschäftsführer beziehungsweise den Vorstand vorgelegt. Bei Personengesellschaften sind die vertretungsberechtigten Gesellschafter zur Vorlage des Insolvenzplans berechtigt, bei einer Kommanditgesellschaft übernimmt diese Aufgabe der persönlich haftende Gesellschafter. Die Gläubiger werden der Planvorlage jedoch selten zustimmen, da der Schuldner in der Regel als Geschäftsführer die Insolvenz verursacht hat und die Schuld für den entstandenen Schaden in den Kreditinstituten trägt. Daher ist die Planerarbeitung durch den Insolvenzverwalter der Regelfall. Der Verwalter kann auch von der Gläubigerversammlung im Berichtstermin damit beauftragt werden, einen Insolvenzplan auszuarbeiten (§ 157 Satz 2 InsO). Aus § 218 Abs. 3 InsO ergibt sich allerdings, dass der Insolvenzverwalter nicht an die genauen Planvorgaben Dritter gebunden ist. Die Gläubigerversammlung kann dem Insolvenzverwalter damit keine direkten Vorgaben für die genauen Inhalte des Insolvenzplans erteilen (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 1725, § 218 InsO, Rz. 15). Jedoch kann die Gläubigerversammlung gemäß § 157 Satz 2 InsO

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5 Insolvenz aus Bankensicht

das Planziel vorgeben und damit die Zielrichtung als Sanierungsplan, als Übertragungsplan oder auch als Liquidationsplan prägen. Zudem wird der Verwalter inhaltlich umsetzbare Anregungen einzelner Gläubiger oder auch der Gläubigerversammlung dankend annehmen, soweit anzunehmen ist, dass diese Vorgaben von der Gläubigermehrheit getragen werden. Auf diese Weise wird die Chance zur Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubigerversammlung wesentlich erhöht. Es ist generell von Vorteil, wenn alle Hauptgläubiger an einer Sanierung über einen Insolvenzplan interessiert sind, da in der Regel für die Fortführung weitere Liquidität bereitgestellt werden muss. Eine Planumsetzung gegen den Willen der Kreditinstitute wird dagegen in der Praxis kaum möglich sein. Gemäß § 218 Abs. 2 InsO hat der Insolvenzverwalter den Planentwurf in einer angemessenen Frist dem Gericht vorzulegen, wenn die Gläubigerversammlung den Insolvenzverwalter mit der Erstellung eines Insolvenzplans beauftragt hat. Als angemessen wird eine Frist von maximal drei Monaten angesehen. In der Regel wird der Insolvenzverwalter zur Vorbereitung des Berichtstermins die für die Erstellung eines Insolvenzplans notwendigen Informationen im Wesentlichen ausgearbeitet haben. Zumal der Insolvenzverwalter regelmäßig bereits als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt war und sich in dieser Funktion im Rahmen der Prüfung der Fortführungsaussichten des schuldnerischen Unternehmens mit der Möglichkeit der Erstellung eines Insolvenzplans bereits befasst hat. Das Insolvenzgericht nimmt gemäß § 231 InsO eine Vorprüfung der Planungsunterlage vor. Erfüllt der Insolvenzplan die Voraussetzungen nicht, wird er gemäß § 231 Abs. 1 InsO von Amts wegen zurückgewiesen. Dadurch tritt eine wesentliche Verzögerung dieses Verfahrens ein. Zudem ist ein Vertrauensverlust in die Kompetenz des Vorlegenden vorprogrammiert. Daher ist der Insolvenzplan formal und inhaltlich sorgfältig auszuarbeiten. Die Abarbeitung einer Checkliste möglicher formaler und inhaltlicher Zurückweisungsgründe kann bei der Erstellung eines Insolvenzplans helfen (vgl. Gietl, 2008, S. 877 ff.). Erachtet das Gericht diesen Plan als zulässig, so wird das Unternehmenskonzept zunächst gemäß § 232 Abs. 1 InsO zur Stellungnahme an den Gläubigerausschuss weiter geleitet. Im nächsten Schritt wird durch die Gläubiger über die Annahme oder Ablehnung entschieden. Dies geschieht in einem einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin. In diesem Termin werden zunächst der Insolvenzplan und das Stimmrecht erläutert. Es werden mögliche Bedenken ausgeräumt und die erforderlichen Mehrheiten für die Abstimmung geprüft. Damit wird die Grundlage für die Entscheidung über den Plan geschaffen. Der Zeitpunkt dieser Sitzung wird gemäß § 235 InsO durch das Insolvenzgericht bestimmt. Der Erörterungs- und Abstimmungstermin darf nach § 236 InsO nicht vor dem Prüfungstermin stattfinden, da die Ergebnisse des Prüfungstermins wesentlich für die im Insolvenzplan zu gestaltenden Rechte der Beteiligten sind. Vor der Abstimmung sind die Stimmrechte der Gläubiger festzustellen und die Zuordnung zu den Gruppen vorzunehmen (§§ 237 ff. InsO). Entscheiden sich die Gläubiger für die Annahme des Insolvenzplans, so ist dieser anschließend durch das Insolvenzgericht gemäß §§ 248 ff. InsO zu bestätigen. Die Bestätigung ist Voraussetzung für das Wirksamwerden des Plans. Das Insolvenzgericht prüft die ordnungsgemäße Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger und die Einhaltung des gesetzlichen Ablaufs. So wird der Minderheitenschutz genau begutachtet. Die Inhalte des Insolvenzplans bleiben dabei unangetastet (vgl. Gietl, 2008, S. 894 ff.). Die Entschei-

5.2 Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens

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dung über die Annahme oder die Ablehnung ergeht gemäß § 252 Abs. 1 InsO durch einen gerichtlichen Beschluss. Mit Wirkung dieser Entscheidung treten die im gestaltenden Teil vorgesehenen Regelungen für oder gegen die Beteiligten ein. Anschließend erfolgt gemäß §§ 258, 259 InsO die Aufhebung des Insolvenzplans durch das Gericht. Zuvor hat der Insolvenzverwalter die unstreitigen Masseverbindlichkeiten zu berichtigen (§§ 53 ff. InsO). Zudem ist er aus § 259 InsO zur Rechnungslegung verpflichtet. Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlöschen gleichzeitig die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Der Schuldner erhält das zudem Recht zurück, über die Insolvenzmasse zu verfügen (§ 59 Abs. 1 InsO). Damit die im Plan vorgesehenen Verpflichtungen auch eingehalten werden und das Konzept gemäß den vorgegebenen Rahmenbedingungen verwirklicht wird, ist eine Planüberwachung vorgesehen. Die Überwachungsfunktion wird durch den Insolvenzverwalter ausgeübt (§§ 260, 261 InsO). Er besitzt Detailkenntnisse über den Insolvenzplan und ist für die Überprüfung daher geeignet. Jedoch sind auch andere Kontrollformen möglich, wie durch einen von den Gläubigern bestimmten Sachwalter. Die Überwachung ist gemäß § 267 InsO durch das Insolvenzgericht bekannt zu machen. Auch die Aufhebung der Planüberwachung ist durch das Gericht nach maximal drei Jahren zu beschließen und zu veröffentlichen. Die nachfolgende Abbildung 5.6 zeigt den schematischen Ablauf eines Insolvenzplanverfahrens.

Ablauf eines Insolvenzplanverfahrens Erstellung Planentwurf und Einreichung Insolvenzgericht

Gerichtliche Vorprüfung des Insolvenzplans

Stellungnahme durch den Gläubigerausschuss

Erörterungstermin und Abstimmungstermin

Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht

Aufhebung des Insolvenzverfahrens

Plandurchführung und Überwachung für max. 3 Jahre

Aufhebung der Planüberwachung

Abb. 5.6 Verlauf eines Insolvenzplanverfahrens

300

5 Insolvenz aus Bankensicht

Grundlage für den ordnungsgemäßen Verlauf ist die Erfüllung der Auflagen des Insolvenzplans. Kommt der Schuldner den im Plan vorgesehen Verpflichtungen nicht nach, ergeben sich die Rechtsfolgen aus §§ 255 ff. InsO. So leben die im gestaltenden Teil erlassenen oder gestundeten Forderungen wieder auf. Voraussetzung dafür ist ein erheblicher Rückstand gemäß § 255 Abs. 1 Satz 2. Dieser ist anzunehmen, wenn der Schuldner beispielsweise eine fällige Verbindlichkeit nicht bezahlt hat, obwohl er schriftlich gemahnt wurde und dabei eine zweiwöchige Frist festgesetzt wurde. Im Folgenden werden die inhaltlichen Ausgestaltungen des Insolvenzplans im Detail untersucht.

5.2.3

Inhalte eines Insolvenzplans

Gemäß § 219 InsO besteht der Insolvenzplan aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil sowie den Plananlagen (§§ 229, 230 InsO). Gemäß § 220 InsO ist im darstellenden Teil zu beschreiben, welche Maßnahmen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter getroffen worden sind oder noch getroffen werden sollen, um die Grundlage für eine geplante Gestaltung der Rechte aller Beteiligten zu schaffen. In der Darstellung sind die Auswirkungen zu erläutern, um eine Entscheidungsgrundlage für die Gläubiger und das Gericht zu schaffen. Im gestaltenden Teil ist gemäß § 221 InsO festzulegen, wie sich die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan ändert. Zur inhaltlichen Ausgestaltung des Insolvenzplans kann der IDW Standard Anforderungen an Insolvenzpläne (IDW S 2) herangezogen werden (vgl. IDW, 2000, S. 285 ff.). Nach dem Standard sind Insolvenzpläne auf der Grundlage vorhandener Informationen aus dem internen und externen Rechnungswesen zu erstellen. Zudem kann unter Umständen auf ein bestehendes Sanierungskonzept zurückgegriffen werden. Zusätzlich können Daten aus den nach Verfahrenseröffnung erstellten Unterlagen verwendet werden (vgl. Becker, 2008, S. 380 ff.). Dazu besteht die Möglichkeit, das Masseverzeichnis (§ 151 InsO), das Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) und die Vermögensübersicht (§ 153 InsO) als Basis für eine Vorteilhaftigkeitsvergleichsrechnung zwischen einer Fortführung und einer Abwicklung zu verwenden. Diese Daten sind laufend zu aktualisieren und zu einem echten Planungsinstrument weiterzuentwickeln. Szenarioanalysen können verschiedene zu erwartende Zukunftsverläufe abbilden (vgl. IDW, 2000, S. 285 ff.). Dabei ist das jeweilige Planungsziel der Sanierung, Übertragung oder Liquidation zugrunde zu legen. Im Folgenden wird verstärkt auf die Fortführungslösung Bezug genommen, da diese meist zentraler Gegenstand eines Insolvenzplans ist. Darstellender Teil des Insolvenzplans (§ 220 InsO) Der darstellende Teil eines Insolvenzplans soll zunächst den aktuellen Zustand des Unternehmens beschreiben. Dabei ist einzugehen auf die Krisenursachen und Auswirkungen auf das Unternehmen, die Marktsituation und die aktuelle Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage (vgl. Obermüller, 2007, S. 136 ff.). Im Zentrum steht die Überprüfung der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens über finanzwirtschaftliche und leistungswirtschaftlichen Maßnahmen (vgl. Gietl, 2008, S. 860 ff.). Daher kann von der Konzeptstruktur her auf den Standard IDW S 6 und die GoS beziehungsweise die Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) zurückgriffen werden. Denn diese Untersuchungen sind vergleichbar mit den außergerichtlichen Sanierungshandlungen. Der darstellende Teil eines Insolvenzplans soll eine Ergebnis-

5.2 Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens

301

prognose für die beteiligten Gläubiger beinhalten und genaue Ausführungen darüber machen, wie sich die Gläubigerbefriedigung bei Wirksamwerden eines Insolvenzplans im Vergleich zur Zerschlagung oder zum Verkauf des Unternehmens oder seiner Teile gestaltet. Konkrete Inhalte des darstellenden Teils sind unter anderem: 

Krisenursachenanalyse und genaue Darlegung der aktuellen Marktstellung



Darstellung der bereits eingeleiteten oder noch geplanten Sanierungsschritte



Leitbild des sanierten Unternehmens zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit

Das Konzept sollte ein zusammenfassendes Ergebnis zu den Chancen der Sanierung enthalten. Hilfestellung zur abschließenden Einschätzung der Sanierungsfähigkeit auf qualitativer Basis kann ein Stärken-Schwächen- beziehungsweise Chancen-Risiken-Profil leisten. Dabei sind die Ergebnisse im Insolvenzplan differenziert nach Gläubigergruppen darzustellen. So ist auf die zu erbringenden Leistungen im Rahmen eines Verzichts, einer Stundung oder notwendiger Neukreditierungen einzugehen. Da die Gläubiger durch die Umsetzung des Insolvenzplans eine finanzielle Verbesserung erreichen sollen, ist diese in einer Vergleichsrechnung gemäß § 229 InsO nachzuweisen (vgl. Foerste, 2008, S. 234). Der gestaltende Teil setzt auf den Analysen des darstellenden Abschnitts auf. Gestaltender Teil des Insolvenzplans (§ 221 InsO) Gemäß §§ 187 ff. InsO werden die Insolvenzforderungen nach der Regelabwicklung quotal befriedigt. Wenn von dieser gesetzlichen Regelung abgewichen werden soll, ist gemäß § 224 InsO im gestaltenden Teil eines Insolvenzplans anzugeben, in welcher Höhe Forderungen gekürzt oder welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen. Im gestaltenden Teil wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll. Es bedeutet, dass die im Insolvenzplan vorgesehenen Eingriffe in die Rechte sämtlicher Beteiligter zu erläutern sind. Involviert sind die nicht nachrangigen, die nachrangigen Insolvenzgläubiger sowie die absonderungsberechtigten Gläubiger. Dabei gelten die Forderungen der nachrangigen Insolvenzgläubiger nach § 225 Abs. 1 Satz 1 InsO als erlassen, wenn im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist. Nach § 223 InsO bleiben die Rechte der absonderungsberechtigten Gläubiger unberührt, falls der Plan nichts anderes regelt. Soll die Rechtsstellung der absonderungsberechtigten Gläubiger im Insolvenzplan geändert werden, sind die Rechte dieser Gläubigergruppe im Abstimmungstermin einzeln zu erörtern. Deshalb müssen die abweichenden Regelungen im gestaltenden Teil gemäß § 223 Abs. 2 InsO genau angegeben werden. Somit können unter anderem auch von den Absonderungsberechtigten wie Banken im Insolvenzplan erhebliche Zugeständnisse gefordert werden. Diese reichen von einer Stundung bis hin zu einem Zinsverzicht oder auch zu einem teilweisen beziehungsweise vollständigen Forderungserlass. Der Verzicht sollte zumindest mit einem Besserungsschein versehen sein. Damit besteht die Hoffnung, dass künftig gegebenenfalls noch Zahlungen erfolgen. Auch erhebliche Eingriffe in die Sicherungsrechte der Banken sind möglich, wenn unter anderem bei einer Neukreditaufnahme den neu hinzutretenden Gläubigern ein Gleichrang oder sogar ein Vorrang an einer werthaltigen Kreditsicherheit eingeräumt werden soll. Dies ist von den Kreditinstituten genau zu überprüfen (vgl. Obermüller, 2007, S. 137 ff.).

302

5 Insolvenz aus Bankensicht

Die Interessenlagen der Gläubiger sind in der Regel heterogen ausgeprägt. Daher sind die Gläubiger in Gruppen aufzuteilen und gemäß § 226 InsO in den Einheiten gleich zu behandeln. Dies fördert in der Regel eine Einigungslösung, da in den Gruppen über den Plan abgestimmt wird (vgl. Foerste, 2008, S. 235). Im Insolvenzplan sind diese gebildeten Gläubigergruppen detailliert zu beschreiben und voneinander abzugrenzen (vgl. IDW, 2000, S. 289). Kerninhalte des gestaltenden Teils betreffen daher unter anderem: 

Bildung der Gläubigergruppen



Neugestaltung der Gläubigerrechte



Ausführungen zur Planüberwachung

Gemäß § 227 InsO wird der Insolvenzschuldner mit den im gestaltenden Teil vorgesehenen Regelungen von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern befreit. Der Schuldner erhält also eine Restschuldbefreiung, ohne dass er das Restschuldbefreiungsverfahren nach den §§ 286 ff. InsO durchlaufen muss. Dies bedeutet, dass selbst der nach § 295 InsO unredliche Schuldner oder der Schuldner, der die Voraussetzungen für eine Versagung der Restschuldbefreiung nach § 290 InsO erfüllt, von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit wird. Hierzu sind ebenfalls Ausführungen im gestaltenden Teil des Insolvenzplans zu machen, da dies für die Gläubiger von Bedeutung sein kann. Zur Abrundung des Insolvenzplans sind verschiedene Plananlagen ergänzend aufzustellen. Plananlagen des Insolvenzplans (§§ 229, 230 InsO) Plananlagen dienen der zahlenmäßigen Nachvollziehbarkeit des Insolvenzplans und müssen daher mit den beabsichtigen Sanierungsmaßnahmen eine Einheit bilden. Handelt es sich um einen Fortführungsplan, so sollen die Gläubiger erkennen können, wie sie aus den künftigen Erträgen des wieder gesundeten Unternehmens befriedigt werden. Es sind gemäß § 229 InsO bestimmte Zahlenwerke zu erstellen und diese dem Insolvenzplan als quantitative Grundlage beizufügen (vgl. Gietl, 2008, S. 866 ff.). Dies sind im Wesentlichen: 

Planvermögensübersicht



Plangewinn- und Verlustrechnung



Planliquiditätsrechnung

Hilfreich ist zudem eine weitere Differenzierung der Rechenwerke. So kann zusätzlich zur Plangewinn- und Verlustrechnung eine Segmentberichterstattung für wichtige Teilbereiche erstellt werden, die die prognostizierte Entwicklung für jeden Profit Center aufzeigt. Bei der Liquiditätsplanung sollte nach Fristen differenziert werden. Neben einer langfristigen nach Monaten aufgeteilten Jahresplanung ist eine Wochen- oder auch eine Tagesplanung zu erarbeiten. Die bereitgestellten Plananlagen müssen eng aufeinander abgestimmt werden zu einem integrierten System (vgl. IDW, 2000, S. 290). Diese Planzahlen sollten mit einer Software interdependent und widerspruchsfrei erstellt werden. Dabei sind auch die Prognoseannahmen und die Zeitdauer der Umsetzung des Konzeptes mit anzugeben. Im Folgenden wird der Aufbau des Insolvenzplans mit dem darstellenden und dem gestaltenden Teil sowie den ergänzenden Plananlagen in Abbildung 5.7 aufgezeigt.

5.2 Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens

303

Aufbau eines Insolvenzplans Darstellender Teil (§ 220 InsO) - Beschreibung des Unternehmens - Analyse der Krisenursachen - Leistungswirtschaftliche Maßnahmen - Leitbild des sanierten Unternehmen - .......... Gestaltender Teil (§ 221 ff. InsO) - Bildung der Gläubigergruppen - Neugestaltung der Gläubigerrechte - Eingriff in die Gläubigerrechte - Gesellschaftsrechtliche Änderungen - .......... Plananlagen (§ 229 ff. InsO) - Planvermögensübersicht - Plangewinn- und Verlustrechnung - Planliquiditätsrechnung - Vergleichsrechnung zum Regelinsolvenzverfahren - ..........

Abb. 5.7 Struktur und Inhalte eines Insolvenzplans

Bei der Begleitung des Insolvenzplans ist aus Sicht der Kreditinstitute zu untersuchen, ob das Sanierungskonzept mit den finanzwirtschaftlichen und leistungswirtschaftlichen Maßnahmen mit Blick auf die erwarteten finanziellen Zugeständnisse tragbar erscheint. Die Prüfungsprozesse entsprechen denen des vorinsolvenzlichen Sanierungskonzepts (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 224). Nach der genauen Erläuterung des Plans im Erörterungs- und Abstimmungstermin wird im Anschluss an die Feststellung der Stimmrechte über den Insolvenzplan abgestimmt. Wesentlich für die Annahme und Umsetzung des Insolvenzplans ist die Aufteilung der Beteiligten auf die verschiedenen Gläubigergruppen. Denn es wird in gleichartigen wirtschaftlichen Fraktionen über das Konzept entschieden. Gruppenbildung (§§ 237, 238, 243 ff. InsO) Im Anschluss an die Erörterung des Plans und vor der eigentlichen Abstimmung in den einzelnen Gruppen sind die genauen Stimmrechte durch den Insolvenzverwalter festzustellen (§§ 237, 238 InsO). In einer Stimmliste ist festzuhalten, welche Stimmrechte den Gläubigern zustehen (§ 239 InsO). Gleichermaßen wird durch dieses Verzeichnis eine Zuordnung zu den Gruppen vorgenommen, es sei denn, der Insolvenzplan trifft gemäß § 222 Abs. 2 InsO eine andere Regelung. Der Zuschnitt der Gruppen liegt in der Hand des Planverfassers und kann auch die Annahme des Insolvenzplans beeinflussen. So kann der Gestalter diejenigen Gläubiger, die einem Insolvenzplan voraussichtlich gewogen sind, in zwei Gruppen aufteilen und

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5 Insolvenz aus Bankensicht

ihnen damit ein doppeltes Stimmgewicht geben. Der Plan gilt gemäß § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO mit der Mehrheit der Gruppen als angenommen (vgl. Foerste, 2008, S. 236 ff.). Gemäß § 222 InsO sind zur Festlegung der Stimmrechte der einzelnen Beteiligten im Insolvenzplan genau definierte Gläubigergruppen zu bilden, sofern diese mit einer unterschiedlichen Rechtsstellung am Insolvenzverfahren beteiligt sind. Das Gesetz unterscheidet gemäß § 222 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 InsO zwischen folgenden Gruppen: 

Absonderungsberechtigte Gläubiger



Nicht nachrangige Insolvenzgläubiger



Nachrangige Insolvenzgläubiger verschiedener Rangklassen



Arbeitnehmer, als Insolvenzgläubiger



Kleinstgläubiger, mit geringen Forderungen

Gemäß § 222 Abs. 2 InsO können innerhalb der Gläubigergruppen nochmals weitere Untergruppen mit gleichen wirtschaftlichen Interessen gebildet werden (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 1835 ff., § 222 InsO, Rz. 2 ff.). Innerhalb jeder Gruppe sind allen Beteiligten dieselben Rechte anzubieten und es sind alle gleich zu behandeln (§ 226 InsO). Die Abgrenzungskriterien der Gruppenzuteilung sind gemäß § 222 Abs. 2 InsO im Plan anzugeben und gegebenenfalls durch den Insolvenzverwalter näher zu erläutern. Nachdem die Stimmrechte festgestellt und die Gruppenaufteilung erfolgt ist, kommt es zum eigentlichen Abstimmungsprozess. Gemäß § 243 InsO stimmt jede Gruppe gesondert über den Plan ab. Zur Annahme des Plans ist es gemäß § 244 InsO erforderlich, dass in jeder der gebildeten Gruppen die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger dem Plan zustimmt und die Summe der Ansprüche der zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt. Somit ist die Kopf- und die Summenmehrheit in jeder Gruppe für eine positive Entscheidung zu erreichen. Definition: Unter Kopfmehrheit versteht man, dass innerhalb einer Gruppe die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger zustimmen muss. Es wurde beispielsweise eine Gläubigergruppe der Lieferanten aus sechs Mitgliedern gebildet. Insgesamt hat diese Gruppe Forderungen in Höhe von 120.000 EUR gegen den Schuldner. Die Kopfmehrheit in der Gruppe wird erreicht, wenn vier der sechs Lieferanten zustimmen. Unter Summenmehrheit versteht man, dass innerhalb einer Gruppe die Summe dieser Ansprüche aller zustimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der gesamten Ansprüche der abstimmenden Gläubiger beträgt. Ausgehend vom oben genannten Beispiel wäre die Summenmehrheit erreicht, wenn die Lieferanten, die dem Plan zustimmen, insgesamt mehr als 60.000 EUR der Forderung auf sich vereinigen können. Stimmen zwar vier Lieferanten zu, haben diese aber in der Summe nur 59.000 EUR der Forderungen inne, ist die Summenmehrheit nicht erreicht. Dabei soll das Obstruktionsverbot verhindern, dass ein wirtschaftlich sinnvoller Plan aufgrund des Widerstandes einzelner Gläubiger oder einer Gruppe abgelehnt wird (§ 245 InsO). Über diese Norm wird das Mehrheitsprinzip relativiert (vgl. Foerste, 2008, S. 244). Bei der

5.2 Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens

305

Ablehnung eines Insolvenzplans durch eine Gruppe kann die Zustimmung durch das Gericht fiktiv unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt werden, wenn: 

die Gläubiger dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Plan stünden (§ 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO).



die Gläubiger dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der den Beteiligten auf Grundlage des Plans zufließen soll (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO).



die Mehrheit dieser abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Stimmenmehrheiten zugestimmt hat (§ 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO).

Durch das Obstruktionsverbot soll verhindert werden, dass das Zustandekommen eines wirtschaftlich sinnvollen Plans durch die Ablehnung einer Gruppe blockiert wird, obwohl das Konzept insgesamt mindestens gleichwertige Ergebnisse für alle vorsieht, im Vergleich zu einer Liquidation, und die Mehrheit der Gruppen dem Plan zugestimmt haben. Gemäß § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO kann die Zustimmung daher fingiert werden, wenn die blockierende Gruppe durch den Insolvenzplan nicht schlechter gestellt wird, als ohne den Plan. Maßgebend ist, ob die für die betreffende Gruppe vorgesehene Planregelung ein schlechteres Ergebnis ausweist, als bei einer Regelabwicklung. Dies ist bereits dann der Fall, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die im Insolvenzplan prognostizierten Erlöse zu einer besseren Befriedigung der Gläubiger führen würden, als im Fall der Regelabwicklung durch eine Verwertung über eine Einzelliquidation. Gemäß §§ 245 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 1 bis 3 InsO kommt eine Zustimmungsfiktion nur dann in Frage, wenn die Gläubiger der ablehnenden Gruppe darüber hinaus angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der den Beteiligten auf Grundlage des Plans zufließen soll. So liegt eine angemessene Beteiligung der Gläubiger dieser Gruppe dann vor, wenn nach dem Plan kein anderer Gläubiger wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen, kein nachrangiger Gläubiger, der Schuldner oder eine an ihm beteiligte Person wirtschaftliche Werte erhalten und kein Gläubiger gegenüber anderen gleichrangigen Gläubigern besser gestellt wird (vgl. Hanken, 2005, S. 308 ff.). Durch einen wirksamen Minderheitenschutz gemäß § 251 InsO wird zusätzlich sichergestellt, dass keiner der Beteiligten gegen seinen Willen durch den erarbeiteten Insolvenzplan schlechter gestellt wird, als im Fall einer Liquidation. Da durch Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger über den Inhalt des Insolvenzplans innerhalb einer Gruppe entschieden wird, besteht für Gläubigerminderheiten oder für einzelne Gläubiger durch die Ausgestaltung des Insolvenzplans unter Umständen die Gefahr, dass Entscheidungen über die Verwertung und die Gläubigerbefriedigung zugunsten der Gläubigermehrheit auf Kosten dieser Minderheit oder des Einzelnen getroffen werden können. Die Bestätigung des Insolvenzplans kann daher auf Antrag eines einzelnen Gläubigers gemäß § 251 InsO versagt werden, wenn dieser dem Konzept spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle widersprochen hat und er zudem glaubhaft macht, durch den Plan voraussichtlich schlechter gestellt zu sein, als ohne Plan. Voraussetzung für die Zurückweisung eines Insolvenzplans ist der form- und fristgerechte Wider-

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5 Insolvenz aus Bankensicht

spruch des Gläubigers, der spätestens vor dem förmlichen Schluss des Abstimmungstermins erklärt werden muss. Zudem hat der Gläubiger die Tatsachen glaubhaft zu machen, mit denen er diese voraussichtliche Schlechterstellung klar begründen kann. Enthält der Insolvenzplan eine salvatorische Klausel, nach der den Gläubigern, die durch den Plan schlechter gestellt werden als sie ohne diese Ausarbeitung stehen würden, eine Kompensation angeboten wird, können die Wirkungen des § 251 InsO ausgehebelt werden. Aus Sicht der beteiligten Kreditinstitute ist die individuelle Einstellung zum Insolvenzplan relevant. Wird der Plan grundsätzlich von den Banken gestützt, dann ist bereits bei der Gruppenbildung auf eine geeignete Einteilung der Gläubiger zu achten. Bei einer negativen Beurteilung der Sanierungswürdigkeit stellt sich in der Praxis die Frage, ob eine Begleitung der Sanierung über einen Insolvenzplan überhaupt gegen den Willen der beteiligten Kreditinstitute möglich erscheint. Denn in der Regel werden zur Fortführung neue Geldmittel benötigt, die meist nur durch die involvierten Banken bereitgestellt werden können. Diese werden die weiteren Gelder jedoch nur dann zur Verfügung stellen, wenn die Sanierungsaussichten äußerst positiv sind. Zudem werden Geschäftspartner des Schuldnerunternehmens vor neuen Vertragsabschlüssen genau darauf achten, ob der Insolvenzplan auf einer juristisch gesicherten Basis steht oder ob zu den wirtschaftlichen Risiken weitere rechtliche Wagnisse und sonstige Gefährdungen hinzutreten können (vgl. Obermüller, 2007, S. 144). Vorprüfung des Insolvenzplans durch das Insolvenzgericht Gemäß § 231 InsO nimmt das Insolvenzgericht eine Vorprüfung des Insolvenzplans auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften und Inhalte vor. Das Gericht weist den Insolvenzplan von Amts wegen zurück, wenn die Vorschriften über das Recht zur Vorlage und des Inhalts nicht beachtet worden sind und der Vorlegende den Mangel nicht beheben kann oder innerhalb einer angemessenen, vom Gericht gesetzten, Frist nicht behebt (§ 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Im Übrigen untersucht das Insolvenzgericht, ob der Plan unzulässige Regelungen enthält. Die Gliederung und die vorgegebenen Inhalte sind notwendige zu erfüllende Voraussetzungen für eine Annahme eines Plans (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 1830 ff., § 221 InsO, Rz. 108). Gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO hat das Gericht den Insolvenzplan zudem zurückzuweisen, wenn eine vom Schuldner vorgelegte Ausarbeitung keine Aussicht auf eine Annahme durch die Gläubiger oder die Bestätigung durch das Gericht hat. Ebenso hat das Gericht den Plan gemäß § 231 Abs. 1 Nr. 3 InsO abzulehnen, wenn fraglich ist, ob die Ansprüche, die den Beteiligten nach dem gestaltenden Teil eines vom Schuldner vorgelegten Plans zustehen sollen, überhaupt erfüllt werden können. Eine Zurückweisung des Plans kommt in Betracht, wenn der Schuldner den Gläubigern Leistungen zusagt, die er bei objektiver Betrachtung seiner Leistungsfähigkeit nicht erbringen kann. Zweck der Vorprüfung ist die zügige und effiziente Abwicklung des Insolvenzverfahrens. Durch diese Analyse wird verhindert, dass die Gerichte mit gesetzeswidrigen und aussichtslosen Insolvenzplänen befasst werden und damit das Insolvenzverfahren verzögert wird. Falls der Insolvenzplan ohne formalrechtliche Mängel eingereicht wird, legt das Insolvenzgericht nach § 232 Abs. 1 InsO den Plan zur Stellungnahme dem Gläubigerausschuss, dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten vor. Zudem wird der Plan dem Schuldner zur Stellungnahme dargelegt, wenn er diese Ausarbeitung nicht selbst erstellt

5.2 Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens

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hat. Entsprechendes gilt für den Insolvenzverwalter. Das Gericht bestimmt eine Frist für die Abgabe einer Stellungnahme nach § 232 Abs. 3 InsO. Anschließend ist im Erörterungs- und Abstimmungstermin über den Plan zu beraten und abzustimmen. Erörterungs- und Abstimmungstermin Das Insolvenzgericht legt gemäß § 235 Abs. 1 Satz 1 InsO in der Regel einen gemeinsamen Erörterungs- und Abstimmungstermin fest, in dem der Insolvenzplan und das Stimmrecht diskutiert und über den Plan abgestimmt werden soll. Nach § 241 InsO kann das Gericht einen gesonderten Abstimmungstermin bestimmen, der nicht mehr als einen Monat nach dem Erörterungstermin liegt. Eine Trennung des Erörterungstermins von der Abstimmung ist unter anderem sinnvoll, wenn der Insolvenzplan aufgrund komplexer Sachverhalte zunächst besprochen werden soll. Dann muss der Insolvenzverwalter beziehungsweise das Insolvenzgericht davon ausgehen, dass die Gläubiger erst nach gründlicher Überprüfung der im Erörterungstermin verhandelten Gesichtspunkte zu einer Entscheidung über den Insolvenzplan im Rahmen der Abstimmung gelangen werden. Zu Beginn des Termins wird der Insolvenzverwalter den Gläubigern die wesentlichen Inhalte des Insolvenzplans darlegen. Anschließend können die Beteiligten diesen Insolvenzplan besprechen und ihre Stellungnahmen abgeben. Danach werden die Stimmrechte der Insolvenzgläubiger und der absonderungsberechtigten Gläubiger festgestellt. Gemäß §§ 237, 238 InsO in Verbindung mit § 77 Abs. 1 InsO sind diejenigen Insolvenzgläubiger stimmberechtigt, deren Forderungen angemeldet und weder vom Insolvenzverwalter noch von einem stimmberechtigten Gläubiger bestritten worden sind. Der Insolvenzplan sollte auf eine breite Gläubigerzustimmung stoßen, die nur dadurch zu erzielen ist, dass der Inhalt des Planungskonzepts insgesamt überzeugt. Im Erörterungs- und Abstimmungstermin wird es daher häufig dazu kommen, dass der Plan aufgrund von Einwendungen oder Anregungen der Gläubiger inhaltlich noch abgeändert werden muss. Gemäß § 240 InsO ist der Vorlegende zur Änderung des Plans aufgrund der Diskussionen im Erörterungs- und Abstimmungstermin berechtigt. Über die gewünschten Anpassungen kann auch im Termin abgestimmt werden. Damit die Rechte der am Insolvenzplanverfahren Beteiligten ausreichend berücksichtigt werden, sollte der Insolvenzplan möglichst in seinem Kern erhalten bleiben. Nicht zulässig sind insbesondere Änderungen, aufgrund derer erstmalig in die Rechte von Beteiligten eingegriffen wird, die nach dem ursprünglichen Plan bislang von unveränderten Rechtsstellungen ausgehen konnten.

5.2.4

Bestätigung und Aufhebung des Insolvenzplans

Der Schuldner muss dem vorgelegten Plan zustimmen. Gemäß § 247 Abs. 1 InsO gilt seine Zustimmung als erteilt, wenn er dem Plan nicht spätestens im Abstimmungstermin schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle widerspricht. Nach § 247 Abs. 2 InsO ist der Widerspruch des Schuldners unbeachtlich, wenn dieser durch diesen Plan voraussichtlich nicht schlechter gestellt wird, als er ohne diesen stünde und kein Gläubiger einen wirtschaftlichen Wert erhält, der den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigt.

308

5 Insolvenz aus Bankensicht

Nach der Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger gemäß §§ 244 ff. InsO und der Zustimmung des Schuldners, bedarf die Konzeption einer rechtskräftigen Bestätigung durch das zuständige Insolvenzgericht (§ 248 Abs. 1 InsO). Vor der Entscheidung des Gerichts sind der Insolvenzverwalter, der Gläubigerausschuss und der Schuldner anzuhören. Der Gegenstand einer Überprüfung des Gerichts vor der Entscheidung über die Bestätigung ergibt sich aus § 250 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO. Danach ist die Bestätigung von Amts wegen zu versagen, wenn die Vorschriften über den Inhalt und die verfahrensmäßige Behandlung des Insolvenzplans sowie über die Annahme durch die Gläubiger und die Zustimmung des Schuldners in wesentlichen Punkten nicht beachtet worden sind und dieser Mangel nicht behoben werden kann. Verstöße, die dazu führen, dass das Insolvenzgericht ein Bestätigungshindernis annehmen muss, sind zum Beispiel Vergehen gegen die Pflicht zur Zuleitung des Plans gemäß § 232 InsO. Der Beschluss des Gerichts erfolgt im Abstimmungstermin oder in einem besonderen Termin. Gegen diesen Beschluss können Gläubiger und Schuldner sofortige Beschwerde gemäß § 253 InsO einlegen. Mit Rechtskraft der Bestätigung des Plans treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein (§ 254 Abs. 1 InsO). Die Wirkungen des bestätigten Plans gelten nach § 254 Abs. 1 Satz 3 InsO auch für Insolvenzgläubiger, die ihre Forderung nicht angemeldet haben und für Beteiligte, die diesem Insolvenzplan widersprochen haben. Gemäß § 254 Abs. 2 InsO bleiben Sicherungsrechte der Gläubiger gegenüber Dritten bestehen. Drittsicherheiten bestehen zum Beispiel in Form von Ansprüchen gegen Bürgen des Insolvenzschuldners, gegen Schuldbeitretende und gegen Gesamtschuldner, die mit dem Insolvenzschuldner gemeinschaftlich haften. Alle von Dritten gewährten dinglichen Sicherheiten wie Sicherungsübereignungen, Sicherungsabtretungen und Pfandrechtsbestellungen an Sachen und Rechten bleiben damit bestehen. Dies gilt ebenso für Vormerkungen im Grundbuch. Diese Sicherungsrechte verbleiben auch nach der Bestätigung des Plans in der Höhe der ursprünglich gesicherten Forderung erhalten. Der Drittschuldner kann gegenüber dem Gläubiger nicht einwenden, die Hauptforderung gegenüber dem Insolvenzschuldner sei durch den Insolvenzplan reduziert oder erloschen. § 254 Abs. 2 Satz 2 InsO versagt dem in Anspruch genommenen Dritten den Schuldnerregress. Der Dritte kann seine Regressforderung gegenüber dem Schuldner nur in der Höhe durchsetzen, die dem Gläubiger gemäß dem bestätigten Insolvenzplan im Ergebnis erhalten geblieben ist. Hier zeigt sich auch für den Drittsicherungsgeber im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens ein erhebliches Ausfallrisiko für seine Leistungen. Gemäß § 258 Abs. 1 InsO beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens, sobald die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig ist. Voraussetzung für diese Aufhebung ist neben der Rechtskraft des Insolvenzplans auch die Erfüllung sämtlicher Masseansprüche gemäß § 258 Abs. 2 InsO. Der Insolvenzverwalter hat die unstrittigen Masseansprüche aus der vorhandenen Insolvenzmasse zu berichtigen. Diese Regelung ist vor allem für Bankkredite maßgebend, die vom starken vorläufigen Verwalter oder vom Insolvenzverwalter aufgenommen worden sind. Der Beschluss und der Grund der Aufhebung des Insolvenzverfahrens sind öffentlich bekannt zu machen (§ 258 Abs. 3 Satz 1 InsO). Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlischen die Ämter des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses gemäß § 259 Abs. 1 InsO.

5.2 Gestaltung eines Insolvenzplanverfahrens

309

Der Schuldner erhält gemäß § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO das Recht zurück, frei über die Insolvenzmasse zu verfügen. Insbesondere ist er berechtigt und durch den Plan in aller Regel auch verpflichtet, das Unternehmen weiter fortzuführen. Aus dieser Formulierung wird auch das Recht des Schuldners hergeleitet, den Besitz an den Massegegenständen zurückzuverlangen. Der Insolvenzschuldner hat also gegen den Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Herausgabe aller Vermögensgegenstände, die der Verwalter während des Verfahrens für die Insolvenzmasse, unter anderem aus einer Fortführung, erworben hat. Ansprüche der Insolvenzmasse stehen nunmehr dem Insolvenzschuldner zu. Forderungen, die der Insolvenzverwalter zugunsten der Masse begründet hat, sind ausschließlich durch den Insolvenzschuldner geltend zu machen. Stellt sich nach Aufhebung des Verfahrens heraus, dass noch Masseverbindlichkeiten bestehen, sind diese vom Insolvenzschuldner zu befriedigen. Gemäß § 259 Abs. 3 InsO verliert der Insolvenzverwalter mit der Aufhebung des Verfahrens die Prozessführungsbefugnis für Rechtsstreitigkeiten für und gegen das schuldnerische Unternehmen. Lediglich Anfechtungsprozesse kann der Insolvenzverwalter nach § 259 Abs. 3 InsO zu Ende führen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass diese Legitimation im gestaltenden Teil des Insolvenzplans genau vorgesehen ist. Die Forderungen der Insolvenzgläubiger, die aufgrund des gestaltenden Teils des Insolvenzplans gestundet oder teilweise erlassen worden sind, leben allerdings wieder auf, sobald der Schuldner mit der Erfüllung der Planvorgaben erheblich in Rückstand gerät. Ein Erfüllungsrückstand ist anzunehmen, wenn der Schuldner seine ihm nach dem Insolvenzplan obliegenden Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt. Schuldet der Insolvenzschuldner nach dem Insolvenzplan andere Leistungen als Zahlungen, gilt Entsprechendes. Gemäß § 255 Abs. 1 Satz 2 InsO ist ein erheblicher Rückstand erst dann anzunehmen, wenn der Insolvenzschuldner eine fällige Verbindlichkeit nicht bezahlt hat, obwohl der Gläubiger ihn schriftlich gemahnt und ihm dabei eine mindestens zweiwöchige Nachfrist gesetzt hat. Diese Vorschrift zwingt den Insolvenzschuldner, die ihm nach dem Insolvenzplan obliegenden Verpflichtungen gegenüber allen Gläubigern einzuhalten. Gerät der Insolvenzschuldner mit der Erfüllung seiner Verpflichtungen in Rückstand, werden diese Veränderungen an den Forderungen wieder rückgängig gemacht. Dies hat zur Folge, dass die Forderungen in ihrem ursprünglichen Bestand wieder aufleben. Die Regelung des § 255 Abs. 1 Satz 1 InsO betrifft jedoch nur die Forderung eines Gläubigers, dem gegenüber der Insolvenzschuldner in Rückstand geraten ist. Nach § 255 Abs. 2 InsO leben indes alle Gläubigerforderungen des Insolvenzplans vollständig wieder auf, wenn über das Vermögen des Schuldners oder des Schuldnerunternehmens ein erneutes Insolvenzverfahren eröffnet wird. Nach § 260 Abs. 1 bis 3 InsO kann im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehen sein, dass nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens genau überwacht wird, ob die Ansprüche, die den Gläubigern nach dem gestaltenden Teil des Plans zustehen, vom Insolvenzschuldner erfüllt werden. Die Planüberwachung kommt allerdings nur in Betracht, wenn das Überwachungsverfahren im gestaltenden Teil des Insolvenzplans geregelt ist. Die Überwachung erfolgt durch einen sogenannten Sachwalter, der im Insolvenzplan bereits namentlich benannt wird. Dieser hat ausschließlich die Aufgabe die Planvorgaben zu kontrollieren. In der Regel wird der bisherige Insolvenzverwalter auch zum Sachwalter bestellt.

310

5 Insolvenz aus Bankensicht

Stellt der Sachwalter fest, dass die im Insolvenzplan den Gläubigern zugesagten Leistungen vom Schuldner eingehalten werden, zeigt er dem Gericht die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan als gesichert an. Das Gericht kann jederzeit Auskünfte über den Status der Planerfüllung vom Sachwalter verlangen. Damit der Sachwalter seine Überwachungsund Informationspflichten erfüllen kann, sind ihm die gleichen Betretungsrechte wie einem vorläufigen Insolvenzverwalters gemäß § 261 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 22 Abs. 3 InsO zugewiesen. Die Planüberwachung wird zusammen mit dem Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus § 267 InsO öffentlich bekannt gemacht. Gemäß § 268 InsO wird der Beschluss und der Grund für die Aufhebung der Überwachung durch den Sachwalter ebenfalls veröffentlicht (§ 268 Abs. 2 und § 267 Abs. 3 InsO). Restschuldbefreiung des Schuldners Ist im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt, wird der Schuldner gemäß § 227 Abs. 1 InsO mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen Gläubigern befreit. Während im Regelverfahren nach § 201 Abs. 1 InsO die Insolvenzgläubiger auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens berechtigt sind, ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend zu machen, wird der Schuldner bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Wirksamkeit eines Insolvenzplans von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit. Voraussetzung ist, dass im Plan keine abweichende Regelung vorgesehen ist. Insgesamt hat der Gesetzgeber in der Insolvenzordnung seine Zielvorstellungen wie die Stärkung der Gläubigerautonomie und die Förderung von Sanierungslösungen in der Insolvenz wirksam umgesetzt und den Beteiligten mit den Ausgestaltungsmöglichkeiten des Insolvenzplans ein erfolgsversprechendes Instrument zur Verfügung gestellt (vgl. Kirchhof et al. 2008, S. 1632 ff., Vor § 217 InsO, Rz. 1 ff.). Es bleibt daher zu hoffen, dass dieses Modell in Zukunft häufiger angewendet wird. Damit ein Anreiz zur vermehrten Durchführung von Planverfahren besteht, könnte die Anzahl der erfolgreichen Verfahren als Kriterium für eine Vorauswahlliste und ein Ranking von Insolvenzverwaltern herangezogen werden (vgl. Wollgarten/Killig, 2009, S. 32 ff.). Eine weitere Form der Sanierung in der Insolvenz ist der Verkauf der Unternehmensaktiva an einen Dritten im Rahmen einer übertragenden Sanierung (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 1712, § 217 InsO, Rz. 168). Die übertragende Sanierung kann auch innerhalb eines Insolvenzplans vorgesehen sein (vgl. Gietl, 2008, S. 859). Aufgrund des festen Verfahrensablaufs und der Zustimmungserfordernisse kann es dort jedoch zu erheblichen Verzögerungen kommen. Der Verlauf einer übertragenden Sanierung wird im Folgenden aus Sicht der meist stark involvierten Kreditinstitute beschrieben. Zusammenfassung Abschnitt 5.2: In diesem Abschnitt wurde das Insolvenzplanverfahren dargestellt. Es wurde auf die Ziele, die Beteiligten und den Ablauf eines Planverfahrens eingegangen. Dabei zeigte sich, dass bei der inhaltlichen Ausgestaltung einer Sanierungslösung im Insolvenzplan auf die Ausarbeitungen des Sanierungsgutachtens zurückgegriffen werden kann. Wesentlich für die Durchsetzung eines Plans ist die Abstimmung in den Gruppen im Erörterungs- und Abstimmungstermin. Zur Erreichung einer Mehrheit ist auf die Gruppenbildung zu achten. Das Plankonzept sollte auf eine breite Zustimmung stoßen. Dies gelingt in der Regel nur über eine detaillierte Erörterung der Inhalte.

5.3 Verlauf einer übertragenden Sanierung

5.3

311

Verlauf einer übertragenden Sanierung

Neben dem Insolvenzplanverfahren hat sich ein weiteres praxisnahes Instrument der Rettung von Unternehmen etabliert. Die übertragende Sanierung ist dabei nicht als klassische Sanierungslösung zu bezeichnen. Vielmehr wird über dieses Vehikel erreicht, dass gesunde Unternehmen oder Betriebsteile durch eine Übertragung auf einen neuen Rechtsträger erhalten bleiben. Das Unternehmen wird in diesem Fall vor einer Liquidation bewahrt, indem die gesunden Teile extrahiert, auf neue rechtliche Hülle übertragen werden und damit die Fortführung ermöglicht wird. Der Erwerber wird sich dabei die wertvollen Vermögensgegenstände aus der Unternehmensinsolvenz heraussuchen und diese dann in der Gesamtheit weiter nutzen. Für die Kreditinstitute ist diese Lösung von Interesse, da der Kaufpreis zur Reduzierung der Altverbindlichkeiten herangezogen werden kann. Wesentlich für die Übertragung sind die vollrechtliche Übereignung im Wege der Rechtsnachfolge und die Trennung der gesunden Assets vom insolventen Unternehmensträger. Mit dieser Sanierungstechnik ist eine Aufspaltung der Aktiva und Passiva möglich (vgl. Schmidt, 1980, S. 328 ff.). Die interessanten Vermögensgegenstände werden auf den neuen Rechtsmantel übertragen. Die Altverbindlichkeiten bleiben beim insolventen Unternehmen und belasten damit in der Regel den neuen Anteilseigner nicht. Auf diese Weise gelingt unter Umständen ein erfolgreicher Neustart mit einer Weiterführung des operativen Geschäfts. Weiter ist kennzeichnend, dass die Veräußerung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt stattfindet, in der sich das Unternehmen entweder im Eröffnungsverfahren oder bereits im eröffneten Insolvenzverfahren befindet (vgl. Thiele, 2008, S. 932). Kreditinstitute haben in der Regel ein großes Interesse an einer Übertragungslösung, da über einen Bietungsprozess potenzieller Kaufinteressenten ein hoher Erlös generiert werden kann. Des Weiteren besteht der Vorteil, dass im Gegensatz zum Insolvenzplan ein einfaches Verfahren zugrunde liegt. Auf diese Weise kann oft auch unter Zeitdruck schnell eine Übertragungslösung erarbeitet werden. Zudem greift der Insolvenzverwalter als Richtschnur für die Kaufpreisverhandlung anders als im Regelinsolvenzverfahren nicht auf die Liquidationswerte der einzelnen Wirtschaftsgüter, sondern auf die Fortführungswerte zurück, da die Übertragung eine Fortsetzung unternehmerischer Aktivitäten beinhaltet. Somit lassen sich für Sachwerte und auch für immaterielle Wirtschaftgüter wie Marken- oder Patentrechte hohe Erlöse erzielen (vgl. Lerche/Wahl, 2004, S. 380 ff.). Im Folgenden wird der Verlauf der übertragenden Sanierung näher untersucht. Dabei wird die Bankensichtweise in den Vordergrund gestellt. Denn Kreditinstitute können von einem Verkauf der wesentlichen Vermögensteile im Rahmen einer Insolvenz maßgeblich profitieren und haben daher häufig ein Interesse, diese alternative Sanierungslösung zu unterstützen beziehungsweise voran zu treiben. Dieser Abschnitt wurde von Rechtsanwalt Dr. Christoph Bode verfasst, der auf eine jahrelange Erfahrung als Vertreter von Banken im Rahmen übertragender Sanierungen zurückblicken kann und aktuell in der Bankenberatung bei Sanierungen, Konsortialverträgen und als Insolvenzverwalter tätig ist.

312

5.3.1

5 Insolvenz aus Bankensicht

Zeitpunkt der übertragenden Sanierung

Für die Gläubiger kann es vorteilhaft sein, das insolvente Unternehmen mit einer übertragenden Sanierung zumindest in Teilen zu erhalten. Dabei handelt es sich bei der übertragenden Sanierung nicht um eine wirtschaftliche Gesundung im eigentlichen Sinne. Es wird vielmehr ein neuer rechtlicher Rahmen vorbereitet, auf den die werthaltigen Vermögensgegenstände übertragen werden, von denen ein wirtschaftlicher Erfolg zu erwarten ist. Das insolvente Unternehmen verbleibt weiter im Regelinsolvenzverfahren und wird nach den gesetzlichen Bestimmungen liquidiert. Dabei ist die übertragende Sanierung im Wesentlichen auf die Interessen der Gläubiger ausgerichtet und daher eine Verwertungshandlung des Insolvenzverwalters zum Nutzen der Gläubiger (vgl. Thiele, 2008, S. 932 ff.). Da maßgeblich in die Rechte der Gläubiger eingegriffen wird, ist die Zustimmung der Gläubigerversammlung oder eines Gläubigerausschusses für die Übertragung einzuholen (§ 160 InsO). Definition: Unter einer übertragenden Sanierung ist der Verkauf des gesamten Unternehmens oder von funktionsfähigen Unternehmensteilen des insolventen Rechtsträgers im Wege des Asset Deals, also der Übereignung einzelner Vermögensgegenstände im Paket, an einen neuen Rechtsträger zu verstehen (Uhlenbruck, 2003, § 159 InsO, Rz. 24). Nach Durchführung der übertragenden Sanierung entfaltet der insolvente Rechtsträger in aller Regel keine operative Tätigkeit mehr. Der wesentliche Vermögenswert ist der Kaufpreis, der ihm als Gegenwert für die übertragenen Vermögensgegenstände zugeflossen ist und der unter Beachtung der Vorschriften der Insolvenzordnung an die absonderungsberechtigten Gläubiger verteilt wird (Wellensiek, 2002, S. 233 ff.). Die übertragende Sanierung ist daher nicht mit der klassischen Gesundung eines insolventen Schuldnerunternehmens im Rahmen eines vollständigen Sanierungsprozesses gleichzusetzen (Falk/Schäfer, 2004, S. 1337 ff.). Vielmehr werden die sanierungsfähigen Vermögensgegenstände ausgesucht und auf den neuen Rechtsmantel übertragen. Zur Realisierung eines hohen Kaufpreises ist eine möglichst frühe Übertragung erforderlich, da das Unternehmen in einer frühen Phase der Sanierung oder Insolvenz oft noch in voller Funktion und somit für einen potenziellen Käufer von Interesse ist. Der Zeitpunkt der Übertragung ist daher von wesentlicher Bedeutung für den erzielbaren Kaufpreis. Eine übertragende Sanierung ist nicht zwingend an die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geknüpft. Sie kann auch im Vorfeld der Insolvenz oder bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren erfolgen. Übertragende Sanierung im Vorfeld einer Insolvenz Bei einem Erwerb im Vorfeld einer Insolvenz muss der Käufer jedoch in der Regel erhebliche Haftungsrisiken eingehen. Zwar wurde § 419 BGB, der eine Haftung desjenigen, der das gesamte Vermögen eines Dritten übernahm, für sämtliche Verbindlichkeiten dieses Dritten vorsah, mit der Einführung der Insolvenzordnung aufgehoben (Müller-Feldhammer, 2003, S. 2186). Beibehalten wurde jedoch § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB. Der Erwerber haftet somit bei Fortführung der Firma des übernommenen Unternehmens für dessen gesamte Verbindlichkeiten, wenn auch diese Haftung gemäß § 25 Abs. 2 HGB durch eine entsprechende Eintragung im Handelsregister ausgeschlossen werden kann.

5.3 Verlauf einer übertragenden Sanierung

313

Hinderlich wirkt sich auch § 75 Abs. 1 AO aus. Danach haftet das übernommene Vermögen weiter für Steuerschulden des übertragenden Unternehmens. Nicht zu vernachlässigen sind zudem die Rechtsfolgen aus § 613a BGB. Nach dieser Vorschrift tritt der Erwerber eines Betriebes oder Betriebsteiles in die Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. So muss der Käufer die bisherige Zugehörigkeit eines Arbeitnehmers zum Unternehmen akzeptieren. Hinzu kommt schließlich, dass die vorinsolvenzlich erfolgte Vermögensübertragung mit der Unsicherheit der Anfechtbarkeit gemäß §§ 129 ff. InsO belastet ist. Es bedeutet, dass eine Übertragung vor der Insolvenzeröffnung durch einen späteren Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren angefochten werden kann. Dies wird einen potenziellen Erwerber normalerweise davon abhalten, ein insolvenzgefährdetes Unternehmen oder wesentliche Betriebsteile zu übernehmen. Dagegen ist die übertragende Sanierung im Insolvenzeröffnungsverfahren üblicher. Die Risiken sind für einen Käufer geringer und die schnelle Veräußerung ermöglicht unter Umständen einen zufriedenstellenden Kaufpreis. Übertragende Sanierung im Insolvenzeröffnungsverfahren Im Eröffnungsverfahren wird die übertragende Sanierung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter unter Mitwirkung des Schuldners oder des Insolvenzgerichts vorgenommen (vgl. Kammel, 2000, S. 102 ff. und Vallender, 2004, S. 543 ff.). Die Haftung für Steuerverbindlichkeiten gemäß § 75 Abs. 1 AO entfällt, da nach § 75 Abs. 2 AO der erste Absatz dieser Norm bei "einem Erwerb aus der Insolvenzmasse" nicht zum Tragen kommt und der BFH diese Ausnahmeregelung auch im Eröffnungsverfahren für anwendbar erachtet (vgl. BFH, ZIP 1998, 1845 ff.). Darüber hinaus ist die Möglichkeit der Anfechtung durch einen späteren Insolvenzverwalter, der in der Regel mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter personenidentisch sein wird, von untergeordneter Bedeutung. Die Haftungsnormen des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB und insbesondere des § 613 a BGB stellen jedoch unverändert ein beträchtliches Hindernis dar. Daher erfolgt die übertragende Sanierung in der Praxis regelmäßig erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Übertragende Sanierung im eröffneten Insolvenzverfahren Bei einem Unternehmenserwerb im eröffneten Insolvenzverfahren findet § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nach der Rechtsprechung des BGH keine Anwendung (BGHZ 104, 151, 153, vgl. auch Müller-Feldhammer, 2003, S. 2186 und 2188). Zudem werden die Folgen des § 613a BGB insoweit abgemildert, als das der Erwerber nicht für solche Verbindlichkeiten haftet, die vor Verfahrenseröffnung entstanden sind, wie zum Beispiel Pensionszusagen (vgl. BAG, NJW, 1993, S. 2259 und 2260 und Menke, 2003, S. 1133 und 1140). Aufgrund der Ausnahmeregelung des § 75 Abs. 2 AO braucht der Erwerber ebenfalls keine Haftung für Steuerverbindlichkeiten zu fürchten. Schließlich besteht auch kein Risiko einer Anfechtung der Übertragung. Denn die §§ 129 ff. InsO gelten nur für Rechtshandlungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden (§ 129 Abs. 1 InsO). Die haftungsrechtliche Privilegierung der übertragenden Sanierung im eröffneten Insolvenzverfahren ist somit ganz erheblich und führt dazu, dass übertragende Sanierungen in der Bankenpraxis fast ausnahmslos nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durchgeführt werden (vgl. Vallender, 2004, S. 642 und 649). Die kommenden Ausführungen beziehen sich deshalb auf diese Fallgestaltung. Die nachfolgende Abbildung 5.8 illustriert das Vorgehen der Asset-Übertragung auf einen neu gegründeten Rechtsträger in Form einer NewCo.

314

5 Insolvenz aus Bankensicht

Übertragende Sanierung als Asset Deal Bilanz der WP GmbH i. I.

NewCo

Grundstücke Maschinen Vorräte Forderungen LuL Summe

Abb. 5.8 Übertragende Sanierung auf einen neuen Rechtsträger

Fremderwerb oder Auffanggesellschaft mit Beteiligung des insolventen Rechtsträgers Die Veräußerung der einzelnen Vermögensgegenstände kann zum einen an Dritte, insbesondere an Mitbewerber eines insolventen Unternehmens, die an dessen Kundenstamm und am Marktanteil interessiert sind, erfolgen. Zum anderen kann ein Verkauf auch an Gesellschafter oder Mitarbeiter des insolventen Unternehmens durchgeführt werden. Dieser Fremderwerb wird bei einer übertragenden Sanierung regelmäßig angestrebt, da dieser für den insolventen Rechtsträger beziehungsweise die handelnden Personen, insbesondere für den eingesetzten Insolvenzverwalter, eine endgültige Lösung bedeutet. Das künftige Schicksal der übertragenen Unternehmensteile ist dann aus Sicht des insolventen Unternehmens ohne Belang. Die wirtschaftlichen Risiken einer Fortführung des Geschäftsbetriebs sind künftig allein Angelegenheit des Erwerbers. Dies ist auch für die beteiligten Kreditinstitute von Vorteil, wenn der Fall endgültig abgeschlossen werden kann. Es kommt auch die Gründung einer Auffanggesellschaft in Betracht, an der der insolvente Rechtsträger als Gesellschafter beteiligt ist (vgl. Vallender, 2004, S. 543 ff.). Diese Variante bietet sich an, wenn ein Fremderwerb kurzfristig nicht zu realisieren ist, Teile des insolventen Unternehmens jedoch profitabel und somit ohne die Altlasten des insolventen Unternehmens wirtschaftlich überlebensfähig sind. In die Auffanggesellschaft werden dann die für die überlebensfähigen Unternehmensteile benötigten Wirtschaftsgüter eingebracht. Ziel ist auch in diesem Fall der Erwerb dieser Auffanggesellschaft durch Dritte. Somit wird eine mittelbare Verwertung der in die Auffanggesellschaft eingebrachten Vermögensgegenstände zugunsten der Gläubiger des insolventen Unternehmens ermöglicht. Falls sich das gesamte insolvente Unternehmen als sanierbar und überlebensfähig erweist, ist die zwischengeschaltete Gründung einer Auffanggesellschaft hingegen weder erforderlich noch sinnvoll. Vielmehr wird der Insolvenzverwalter dann zunächst das insolvente Schuldnerunternehmen in der bestehenden Rechtsform weiter fortführen, um später, wenn dessen Überlebensfähigkeit unter Beweis gestellt worden ist, einen Fremderwerb zu erreichen.

5.3 Verlauf einer übertragenden Sanierung

5.3.2

315

Banken als Betroffene einer übertragenden Sanierung

Von einer übertragenden Sanierung können Kreditinstitute in verschiedener Weise betroffen sein, zum einen als Kreditgeber des insolventen Unternehmens, zum anderen auch als absonderungsberechtigte Sicherungsnehmer. Das insolvente Unternehmen hat der Bank in der Regel Sicherungsrechte eingeräumt, die im Insolvenzverfahren ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem jeweiligen Sicherheitenerlös gewähren. Zunächst ist die Rolle der Bank als Kreditgeber des insolventen Unternehmens zu beachten. Dabei ist zwischen der Bank als Geldkreditgeber und als Avalkreditgeber zu unterscheiden. Kerngeschäft eines Kreditinstituts ist die Gewährung verschiedener Formen von Geldkrediten. Dieses können sowohl kurzfristige Kontokorrentkredite als auch mittelfristige Investitionskredite oder langfristige Grundschulddarlehen sein. Banken sind aufgrund des drohenden Forderungsausfalls in der Insolvenz eines Unternehmens immer stark betroffen. Die Bank als Geldkreditgeber nimmt dabei in aller Regel eine besonders herausgehobene Gläubigerposition ein, die ihr ein entsprechendes Stimmgewicht in der Gläubigerversammlung verleiht (vgl. § 76 Abs. 2 InsO). Diese Gewichtung wird im Unterschied zur Konkursordnung nicht durch zur Absonderung berechtigende Sicherungsrechte reduziert. Die übertragende Sanierung ist als Rechtshandlung zu qualifizieren, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung ist. Sie bedarf gemäß § 160 InsO der Zustimmung der Gläubigerversammlung oder eines Gläubigerausschusses, dem im Allgemeinen ein Vertreter der Bank als Mitglied angehören wird (§ 67 Abs. 2 InsO und vgl. Menke, 2003, S. 1133 ff.). Aufgrund dieses Zustimmungserfordernisses kommt der Bank bei der Entscheidung über die Durchführung oder Ablehnung einer übertragenden Sanierung eine Schlüsselrolle zu. Sofern die Bank ausschließlich als Geldkreditgeber von der Insolvenz betroffen ist, wird sie sich bei ihrer Entscheidung daran orientieren, ob durch die übertragende Sanierung eine Mehrung der Insolvenzmasse erreicht wird, die später die Ausschüttung einer Insolvenzquote ermöglicht. Neben der Höhe des Kaufpreises, der im Rahmen der übertragenden Sanierung als Gegenwert für die übereigneten Vermögensgegenstände zur Masse fließt, ist dabei zu berücksichtigen, ob die übertragende Sanierung zur Verringerung von bevorrechtigten Masseforderungen zum Beispiel von Arbeitnehmern führt. Außer als Geldkreditgeber kann eine Bank auch als Avalkreditgeber an einer Insolvenz beteiligt sein, das heißt sie hat sich im Auftrag des insolventen Unternehmens gegenüber dessen Geschäftspartnern verbürgt. Soweit die Bank aus den herausgelegten Avalen noch nicht in Anspruch genommen wurde, handelt es sich bei den Avalkreditforderungen der Bank gegen das insolvente Unternehmen um Eventualforderungen, die in einem Insolvenzverfahren allerdings im Wesentlichen wie fällige Forderungen zu behandeln sind und dementsprechend auch ein volles Stimmrecht gewähren (Kirchhof et al. 2007, S. 1092, § 42 InsO, Rz. 11 und S. 2038, § 77, Rz. 40). Die Bank als Avalkreditgeber wird somit zunächst dieselben Überlegungen anstellen wie ein typischer Geldkreditgeber. Allerdings muss die Bank ein Interesse daran haben, dass sie aus den von ihr herausgelegten Avalen nicht in Anspruch genommen wird. Eine übertragende Sanierung, mit der eine wirtschaftliche Fortführung des Geschäftsbetriebs des insolventen Unternehmens verbunden ist, dient diesem Interesse. Denn gerade bei einer Betriebsfortführung besteht die Möglichkeit,

316

5 Insolvenz aus Bankensicht

dass laufende Verträge erfüllt und bei bereits abgeschlossenen Arbeiten mögliche aufgetretene Mängel beseitigt werden. Dadurch kann eine Inanspruchnahme der von der Bank gestellten Gewährleistungs- und Vertragserfüllungsavale in aller Regel abgewendet wird. Zudem hält häufig allein die Tatsache der weiteren Betriebsfortführung Avalbegünstigte insbesondere bei Gewährleistungsavalen von einer Inanspruchnahme ab, da die Begünstigten in diesem Fall damit rechnen müssen, dass die ausgesprochenen Mängelrügen von den noch verfügbaren, sachkundigen Mitarbeitern des insolventen Unternehmens sorgfältig bearbeitet werden. Bei einer Betriebsstilllegung kann die Bank hingegen oft nicht auf Unterlagen und Mitarbeiter des insolventen Unternehmens zurückgreifen, um sich dann gegen unberechtigte Avalinanspruchnahmen aktiv zur Wehr zu setzen. Als Avalkreditgeber wird das Kreditinstitut eine übertragende Sanierung somit in aller Regel befürworten. Im Gegenzug zur Kreditgewährung lässt sich eine Bank vielfach Sicherungsrechte einräumen, die ihr im Insolvenzfall ein Recht auf abgesonderte, also vorrangige Befriedigung aus dem jeweiligen Sicherheitenerlös geben (vgl. §§ 49, 50, 51 und 170 Abs. 1 InsO). Als Sicherungsnehmer ist das primäre Interesse der Bank auf die optimale Verwertung ihres Sicherungsgutes gerichtet. Die Mehrung der Insolvenzmasse mit dem mittelbaren Ziel der Erlangung einer möglichst hohen Quotenzahlung tritt dagegen angesichts der häufig sehr geringen Insolvenzquote in den Hintergrund. Im Folgenden soll die Werthaltigkeit der einzelnen Sicherungsrechte im Rahmen der übertragenden Sanierung geprüft werden. Immobiliarsicherheiten Wenn die Bank über Grundpfandrechte am Betriebsgrundstück des insolventen Unternehmens verfügt, ist die übertragende Sanierung oft der einzige Weg, einen nennenswerten Sicherheitenerlös zu erzielen. Aufgrund der bereits seit einigen Jahren andauernden schwachen Nachfrage nach Gewerbeimmobilien ist eine Verwertung des für die Bank belasteten Grundstücks für sich allein dagegen häufig nur zu sehr niedrigen Kaufpreisen realisierbar. Falls das Objekt mit besonderen Nachteilen wie einer schlechten Verkehrsanbindung, einer veralteten Bausubstanz oder Altlastenrisiken behaftet ist, kann es sogar gänzlich unmöglich sein, einen Käufer zu finden. Zudem handelt es sich bei Betriebsimmobilien in der Regel um Spezialobjekte, die eine alternative Nutzung meist nicht oder nur schwer ermöglichen. Gerade bei einer Immobiliarsicherheit ist eine rasche Verwertung für die Bank jedoch von herausgehobener Bedeutung. Denn neben den auflaufenden Zinsen hat das Institut bis zum Verwertungszeitpunkt die Grundabgaben, die Aufwendungen für die Gebäudeversicherung und die Energiekosten zu tragen. Zwar trifft sie als Grundpfandrechtsgläubiger keine rechtliche Verpflichtung. Nicht bezahlte Grundabgaben nebst Säumniszuschlägen ruhen jedoch als vorrangige öffentliche Last auf dem Grundstück. Und bei nicht bezahlten Versicherungsprämien erlischt der Versicherungsschutz, was im Brandfall zur nahezu vollständigen Vernichtung des Sicherungswertes führen kann. Beinahe ebenso wichtig ist die fortwährende Versorgung des Beleihungsobjekts mit Energie, um beispielweise in den Wintermonaten einem Rohrbruch aufgrund von zugefrorenen Leitungen vorzubeugen. Eine fortgesetzte Nutzung des grundpfandrechtlich belasteten Grundstücks im Rahmen einer übertragenden Sanierung ist für die Bank also äußerst vorteilhaft. Dies gilt selbst dann, wenn das Grundstück von dem Übernehmer nicht sofort gekauft, sondern lediglich gemietet wird.

5.3 Verlauf einer übertragenden Sanierung

317

Aus den der Bank zustehenden Nutzungsentgelten können zumindest die laufenden Abgaben und Kosten beglichen werden. Zudem wird das Objekt instandgehalten und vor Vandalismus bewahrt. Im Übrigen wird der Übernehmer bei einer erfolgreich verlaufenden übertragenden Sanierung das Objekt später häufig doch noch erwerben. Mobiliarsicherheiten Auch für die Verwertungsmöglichkeiten von Mobiliarsicherheiten, also üblicherweise der Sicherungsübereignung beweglicher Sachen und der Sicherungsabtretung von Forderungen des insolventen Unternehmens gegen dessen Geschäftspartner, ist das Gelingen einer übertragenden Sanierung vielfach von zentraler Bedeutung. Bewegliche Sachen wie Vorräte, Waren, Maschinen und sonstiges Inventar des insolventen Unternehmens erfahren durch eine Betriebsstilllegung im Verhältnis zu ihrem Fortführungswert oftmals sogar stärkere Werteinbußen als das Betriebsgrundstück. Dies gilt insbesondere für teilfertige Erzeugnisse und für Vorräte, die für den speziellen Fertigungsprozess des insolventen Unternehmen angeschafft wurden (vgl. Vallender, 2004, S. 642 ff.). Solche Güter sind für Dritte häufig nicht verwendungsfähig, mit der Folge, dass ein Verwertungserlös in der Regel nicht erzielbar ist. Aber auch Maschinen und andere Gegenstände, die am Markt veräußerbar sind, werden durch eine Betriebsstilllegung meist stark beeinträchtigt und erbringen im Zweifel nur einen geringen Erlös. Neben dem üblichen „Insolvenzrabatt“, den ein Erwerber in diesem Fall stets erwartet, wirken sich hier insbesondere die Verwertungskosten, wie Versteigerungs-, Ausbau- und Abtransportkosten, stark aus. Somit wird die Bank als Sicherungseigentümer beweglicher Sachen eine Betriebsfortführung im Rahmen einer übertragenden Sanierung regelmäßig befürworten. Ähnlich verhält es sich, wenn der Bank Forderungen des insolventen Unternehmens gegen dessen Geschäftspartner, dem sogenannten Drittschuldner, sicherungshalber abgetreten worden sind. Besonders die Werthaltigkeit von Forderungen aus teilfertigen Arbeiten tendiert im Fall einer Betriebsstilllegung gegen Null. Hier wirken letztlich dieselben Mechanismen wie bei den gestellten Avalen. Denn die Verringerung von Gegenansprüchen der Geschäftspartner bedeutet gleichzeitig eine erhöhte Realisierbarkeit der gegen die Geschäftspartner gerichteten und jedoch an die Bank abgetretenen Forderungen. Um eine übertragende Sanierung zu realisieren, sind jedoch bestimmte Bedingungen zu erfüllen.

5.3.3

Voraussetzungen der übertragenden Sanierung

Wie bereits dargelegt kann häufig nur durch eine übertragende Sanierung ein angemessener Erlös aus der Verwertung der einer Bank gestellten Sicherheiten erzielt werden. Zudem bietet sich mit einer übertragenden Sanierung aus Sicht der Bank die Chance einer schnellen, umfassenden und damit Arbeit und Kosten sparenden Abwicklung des Kreditengagements. Diesen auf den ersten Blick überzeugenden Vorteilen stehen allerdings auch Nachteile und besondere Gefährdungen für die beteiligten Kreditinstitute gegenüber. So bestehen weitere Ausfallrisiken unter anderem dann, wenn für die Realisierung der übertragenden Sanierung weitere Kredite vergeben werden müssen. Dann können bei einer negativen Entwicklung zu den geplanten Abschreibungen neue Forderungsausfälle hinzu kommen.

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5 Insolvenz aus Bankensicht

Fortführung des Betriebs und Gewährung eines Massekredits Eine übertragende Sanierung wird in der Regel nur gelingen, wenn der potenzielle Erwerber vom Insolvenzverwalter einen lebenden Geschäftsbetrieb übernehmen kann. Denn eine Betriebsstilllegung führt in der Regel dazu, dass sich die Geschäftspartner des insolventen Unternehmens anderweitig orientieren (vgl. Vallender, 2004, S. 642 ff.). Bestehende Liefer- und Absatzverbindungen gehen meist unwiederbringlich verloren. Ebenso negativ wirkt sich der Weggang von fähigen Arbeitskräften aus. Gerade die qualifizierten Mitarbeiter, die für das Überleben des Unternehmens von zentraler Bedeutung sind, gehen bei einer Betriebsstilllegung meist unverzüglich Verträge mit anderen Arbeitgebern ein und stehen dann für einen Neuanfang nicht mehr zur Verfügung. Schließlich sollte auch die negative Außenwirkung einer Betriebsstilllegung nicht unterschätzt werden. Wenn der Markt das insolvente Unternehmen erst einmal als aus dem Wirtschaftsprozess ausgeschieden betrachtet, ist es schwer, dieses Bild wieder zu korrigieren. Der eingeführte Name des insolventen Unternehmens und der Kundenstamm, die für einen potenziellen Erwerber von bedeutendem Anreiz sind, verlieren dann massiv an Wert. Dies alles lässt die Kosten und die Risiken einer Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs im Vergleich zur Übernahme eines lebenden Geschäftsbetriebes deutlich steigen, sodass eine übertragende Sanierung nach einer erfolgten Betriebsstilllegung in aller Regel nicht mehr oder nur unter hohen Risiken möglich ist. Wichtig ist eine Fortführung des Geschäftsbetriebs nach Insolvenzantragstellung auch deswegen, weil nur eine Fortführungsphase dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter die Gelegenheit gibt, das Unternehmen umzugestalten, es insbesondere von unrentablen Geschäftsfeldern und einer nicht verkraftbaren Personalausstattung und Mitarbeiterstruktur zu befreien (vgl. Wellensiek, 2002, S. 233 ff.). Denn nicht von ungefähr ist das Unternehmen in seiner bisherigen Form insolvent geworden. Die Umgestaltungsmaßnahmen des vorläufigen Insolvenzverwalters dienen zum einen der Steigerung der Attraktivität des insolventen Unternehmens und damit der Erhöhung des vom Erwerber bei einer übertragenden Sanierung zu zahlenden Kaufpreises. Zum anderen wird sich ohne eine derartige Umstrukturierung oft kein externer Partner für eine übertragende Sanierung finden lassen. So bedeutend eine erfolgreiche Betriebsfortführung als Voraussetzung einer übertragenden Sanierung ist, so problembehaftet ist sie allerdings auch. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter findet ein defizitär arbeitendes Unternehmen vor, dessen Abläufe er nicht kennt. Er ist selbst als sogenannter starker vorläufiger Insolvenzverwalter mit eigener Verfügungsbefugnis zunächst auf die Zusammenarbeit mit dem vorhandenen, gescheiterten Management angewiesen. Nur die ehemalige Geschäftsführung kann die von ihm benötigten Zahlen und Daten zur Verfügung stellen. Eine sorgfältige Überprüfung dieser Angaben ist dem Verwalter angesichts der Kürze der Zeit, in der jetzt Entscheidungen getroffen werden müssen, oftmals nicht möglich. Es besteht also die Gefahr der Fehleinschätzung der mit einer Betriebsfortführung einhergehenden Kosten und Risiken. Hinzukommen kann, dass die Umgestaltungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters nicht sofort greifen und Verluste erwirtschaftet werden. Das Eingehen dieser Risiken lässt sich auch aus Sicht des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, der an seine mögliche persönliche Haftung aus den §§ 60 und 61 InsO denken muss, häufig nur deshalb vertreten, weil die Personalkosten des Unternehmens für den Zeitraum von maximal drei Monaten vor der Insolvenzverfahrenseröffnung durch das Insolvenzgeld aufge-

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fangen werden. Der Personalaufwand der Firma wird von der Agentur für Arbeit übernommen, sodass der Betrieb im Insolvenzgeldzeitraum ohne diese Kostenbelastung weiter fortgeführt werden kann. Eine der ersten Handlungen des gerade eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalters wird somit sein, zu prüfen, ob und wie lange die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer schon rückständig sind. Ein bestehender Rückstand verkürzt den Zeitraum, für den der Betrieb ohne eigene Personalkosten aufrecht erhalten werden kann. Die Kostenentlastung durch das Insolvenzgeld ändert jedoch nichts daran, dass das Unternehmen für eine Betriebsfortführung häufig zusätzliche Finanzmittel benötigt. Schließlich sind die laufenden Sachkosten weiter zu tragen. Zudem müssen Waren und Vorräte gekauft werden, wobei eine weitere Belieferung nach Insolvenzantragstellung nur noch gegen Vorkasse möglich sein wird. In dieser Situation muss die Bank als Sicherungsnehmerin darauf achten, dass nicht ohne ihre Zustimmung Sicherheiten verwertet und Verwertungserlöse zur Deckung der laufenden Kosten der Betriebsfortführung verwendet werden. Dies gilt insbesondere für an die Bank abgetretene Forderungen des insolventen Unternehmens gegen dessen Geschäftspartner. Hier führen missverständlich formulierte Beschlüsse der Insolvenzgerichte über die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens, in denen es heißt, Schuldner des insolventen Unternehmens dürfen mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an den zum Forderungseinzug berechtigten Insolvenzverwalter leisten, mitunter dazu, dass eigentlich der Bank zustehende Forderungen auf das Treuhandkonto des (vorläufigen) Insolvenzverwalters gezahlt werden, der auf diese Weise eine willkommene Liquidität erhält. In Anbetracht des Liquiditätsbedarfs des Unternehmens einerseits und der im Normalfall bei der Insolvenzantragstellung nicht mehr oder nur sehr spärlich vorhandenen Barmittel andererseits sieht sich die Bank indes häufig mit einem neuen Problem bei der geplanten Fortführung konfrontiert, dem Wunsch des (vorläufigen) Insolvenzverwalters nach der Gewährung eines Massekredits. Die Bank ist also aufgefordert, dem insolventen Unternehmen weitere finanzielle Mittel oder Avale zur Verfügung zu stellen. Die Rückzahlung des Massekredits soll dann aus der freien Insolvenzmasse, das heißt im Wesentlichen aus den während einer Fortführungsphase erzielten Gewinnen erfolgen. Grundsätzlich wird die Bank einem solchen Ansinnen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters skeptisch begegnen. Denn beim Anlegen banküblicher Kriterien verbietet es sich eigentlich, einem Unternehmen, das gerade Insolvenzantrag gestellt hat, einen neuen Kredit zu geben. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass das insolvente Unternehmen nun zum einen unter der Leitung eines neuen Managements, nämlich der des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, steht und zum anderen aufgrund der Insolvenzgeldregelung eine gewisse Zeit ohne Personalkosten wirtschaften kann. Zudem muss sich die Bank vergegenwärtigen, dass die Verweigerung eines Massekredits eine Betriebsfortführung und damit eine spätere übertragende Sanierung unmöglich machen wird. Die Beantragung einer Massekreditgewährung lässt die Bank somit in einen Abwägungsprozess folgender Aspekte eintreten: 

Größenordnung des beantragten Massekredits



Risiko des Scheiterns einer Betriebsfortführung nach Bankeneinschätzung



Vorteile der übertragenden Sanierung für die Verwertung der Sicherheiten

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Die Massekreditgewährung ist daher letztlich weniger als Kreditgewährung, sondern eher als Kostenbestandteil einer Verwertungsmaßnahme anzusehen. Nicht immer wird es bankintern für die mit der Insolvenzabwicklung betrauten Mitarbeiter leicht sein, diese Sichtweise ihren für eine Gewährung von Krediten zuständigen Kollegen zu vermitteln. Zudem ist die Weiterführung aller Arbeitsverhältnisse für den Erwerber problematisch. Ausräumen der § 613a BGB-Problematik § 613a BGB ist die einzige Norm, die denjenigen, der den Betrieb oder Betriebsteile eines insolventen Unternehmens im Wege der übertragenden Sanierung vom Insolvenzverwalter übernimmt, für Verbindlichkeiten des insolventen Unternehmens einstehen lässt. Gemäß dieser Vorschrift gehen die Arbeitsverhältnisse des insolventen Unternehmens auf den Erwerber über. Dieser kann zwar nun betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Dies ist jedoch ein langwieriger und oft kostenintensiver Prozess. Außerdem wird die vorzunehmende Sozialauswahl meist eine wenig attraktive Arbeitnehmerstruktur hinterlassen. Die Rechtsfolgen des § 613a BGB erweisen sich somit nicht selten als entscheidendes Hindernis für eine übertragende Sanierung. Deswegen hat die Praxis Vorgehensweisen entwickelt, um die sich aus § 613a BGB ergebenden Probleme auszuräumen. So wird der (vorläufige) Insolvenzverwalter versuchen, mit dem Betriebsrat des insolventen Unternehmens einen Sozialplan aufzustellen und nach Verfahrenseröffnung eine Interessenausgleichsvereinbarung schließen, in der die Arbeitnehmeranzahl, die sozialen Auswahlkriterien für eine Kündigung und die Höhe der Abfindung geregelt werden. Zudem enthält diese Liste meist bereits erste Namen der zu entlassenden Arbeitnehmer (vgl. Rattunde, 2003a, S. 2103 ff.). Wenn eine solche Vereinbarung getroffen wird, ist die Möglichkeit der einzelnen entlassenen Arbeitnehmer, erfolgreich gegen die vom Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung vorzugehen, beschränkt. Der Insolvenzverwalter kann einem Übernahmeinteressenten nach Durchführung dieser Maßnahme somit eine bereinigte Arbeitnehmerstruktur präsentieren. Die für einen Übernehmer verbleibenden rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken sind überschaubar (vgl. Kammel, 2000, S. 102 ff.). Die im Rahmen der Interessenausgleichsvereinbarung vom Insolvenzverwalter zu erbringenden Abfindungszahlungen belasten die Insolvenzmasse allerdings mit erheblichen Kosten. Dies gilt insbesondere, wenn die Interessenausgleichsvereinbarung mit dem Betriebsrat vorsieht, dass die gekündigten Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum unter Fortzahlung ihrer bisherigen Gehälter in eine neu geschaffene Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wechseln können (vgl. Uhlenbruck, 2003, § 159 InsO, Rz. 29 und Wellensiek, 2002, S. 233 ff.). Da die Insolvenzmasse häufig nicht über ausreichende Geldmittel verfügt und das Kreditinstitut von einer übertragenden Sanierung profitiert, wird die Bank die Bitte des Insolvenzverwalters, sich an den Kosten zu beteiligen, nicht ablehnen können. Dies kann durch eine direkte Zahlung an die Insolvenzmasse geschehen. Eleganter dürfte jedoch die indirekte Beteiligung über erhöhte Kostenbeiträge des Insolvenzverwalters sein. Finanzierung des Übernehmers Der Erwerber, der den Betrieb des insolventen Unternehmens im Rahmen einer übertragende Sanierung übernimmt, richtet sich häufig mit dem Wunsch an die Hausbank, ihm den für die

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übereigneten Vermögensgegenstände zu zahlenden Kaufpreis vorzufinanzieren. Wenn kein anderer Übernahmeinteressent zur Verfügung steht, macht der potenzielle Erwerber die übertragende Sanierung sogar nicht selten von einer Finanzierung durch die Bank abhängig. Für die betroffene Bank bieten sich dann nur die Alternativen, in die Finanzierung einzuwilligen oder die übertragende Sanierung zum Scheitern zu verurteilen. Ein Scheitern hätte zur Folge, dass die bisher von der Bank im Rahmen der Vorbereitung der übertragenden Sanierung getätigten Aufwendungen vergebens gewesen wären. Insbesondere bliebe der durch die zunächst noch nicht eingeleitete Sicherheitenverwertung eingetretene Zeit- und damit Zinsverlust ohne jegliche Kompensation (vgl. Kirchhof et al., 2007, S. 58 ff., § 1 InsO, Rz. 87 ff.). Die Hoffnungen auf einen höheren Sicherheitenerlös im Vergleich zu einer Einzelverwertung wären zudem endgültig dahin. Angesichts der Alternativen wird sich die Bank dem Finanzierungswunsch des möglichen Erwerbers in der Regel nicht verschließen. Dies bedeutet allerdings auch, dass sich das Kreditinstitut nicht endgültig von dem problematischen Kreditengagement trennen kann. Gegen eine Betriebsfortführung kann auch ein hoher Erlös aus der Einzelliquidation von Wirtschaftsgütern sprechen. Verlust der Chancen einer Einzelverwertung Bei einer übertragenden Sanierung übernimmt der Erwerber sämtliche für die Fortführung des übernommenen Betriebs oder Betriebsteils benötigten Vermögensgegenstände und zahlt dafür insgesamt einen Kaufpreis, dessen Aufteilung Absprachen zwischen dem Insolvenzverwalter und den einzelnen Sicherungsnehmern vorbehalten ist. Es kommt zu einer Verwertung der Vermögensgegenstände im Ganzen. Dies kann für die Bank nützlich sein. Wenn ihr jedoch nicht an allen übertragenen Vermögensgegenständen Sicherungsrechte zustehen, was regelmäßig der Fall sein wird, muss die Bank sorgfältig prüfen, ob ihre jeweiligen Sicherungsrechte bei der Kaufpreisfindung und der Verteilung des Kaufpreises angemessen berücksichtigt werden (vgl. Uhlenbruck, 2003, § 159 InsO, Rz. 29). Dies kann sich insbesondere als problematisch erweisen, wenn der Insolvenzverwalter dem potenziellen Erwerber eine Paketlösung andient, die die Übernahme sehr lukrativer Betriebsteile von der gleichzeitigen Übernahme weniger attraktiver Betriebsteile abhängig macht. Falls der Bank Sicherungsrechte gerade an Vermögenswerten der interessanten Betriebsteile zustehen, kann eine Einzelverwertung dieser Sicherheiten vorteilhafter sein als eine Gesamtlösung im Rahmen einer übertragenden Sanierung (vgl. Vallender, 2004, S. 642 ff.). Wie die dargestellten Überlegungen zeigen, ist für eine übertragende Sanierung ein einheitliches Handeln aller betroffenen Akteure erforderlich. Nur wenn sich der Insolvenzverwalter und sämtliche Sicherungsnehmer, also in der Regel die Banken und Lieferanten, einig sind, können einem Erwerber alle für eine Betriebsfortführung benötigten Vermögensgegenstände übertragen werden. Dieses Einigkeitserfordernis eröffnet nicht so gut gesicherten Gläubigern Spielräume, Lästigkeitspotenziale auszuschöpfen, um den auf sie entfallenden Kaufpreisanteil unangemessen groß ausfallen zu lassen. Zu denken ist hier insbesondere an nachrangige Grundpfandrechtsgläubiger, die im Fall einer Zwangsversteigerung leer ausgehen. Sie können für die benötigte Löschungsbewilligung zur Umsetzung der Grundstücksübereignung ein Entgelt fordern. Solche Verhaltensweisen, aber auch grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen der Betroffenen über eine gerechte Verteilung des erzielten Kaufpreises, können eine erfolgreiche übertragende Sanierung gefährden.

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5.3.4

5 Insolvenz aus Bankensicht

Gestaltungsmöglichkeiten der Bank

Hauptakteur einer übertragenden Sanierung ist zweifellos der (vorläufige) Insolvenzverwalter. Aufgrund der rechtlichen Vorgaben der Insolvenzordnung kommt jedoch auch den Gläubigern eine wichtige Bedeutung zu. So muss der Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung der übertragenden Sanierung zustimmen und zusätzlich sind die Sonderrechte der aus- und absonderungsberechtigten Gläubiger zu beachten. Diese rechtlichen Rahmenbedingungen, aber auch die tatsächlichen Notwendigkeiten der Mitwirkung der Banken, beispielsweise bei einem Massekreditbedarf, eröffnen den Kreditinstituten verschiedene Möglichkeiten der Einflussnahme auf das weitere Geschehen. Rechtzeitige Vorbereitung einer übertragenden Sanierung Ein wichtiges Kriterium zur Realisierung einer übertragenden Sanierung ist der Zeitfaktor. Dies gilt allein schon deswegen, weil der Insolvenzgeldzeitraum, innerhalb dessen eine Betriebsfortführung oftmals wirtschaftlich vertretbar ist, auf maximal drei Monate begrenzt ist. Eine rasche Umsetzung der Umgestaltungsmaßnahmen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters und ein frühzeitiger Kontakt zu den potenziellen Erwerbern sind daher von wesentlicher Bedeutung für das Gelingen einer übertragenden Sanierung. Wichtig ist daher die rechtzeitige Vorbereitung einer übertragenden Sanierungslösung, mit der möglichst bereits im Vorfeld der Stellung des Insolvenzantrags begonnen werden sollte. Bei der rechtzeitigen Vorbereitung kann die Bank eine aktive Rolle einnehmen. Da ihr regelmäßig die wirtschaftlichen Verhältnisse offenzulegen sind und sie auch aus anderen Quellen, wie zum Beispiel der Kontoführung, Informationen erlangen kann, ist die Bank vielfach in der Lage, Krisenanzeichen bei einer Firma frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Dies erfolgt mitunter schneller als die Reaktion des Managements eines insolvenzgefährdeten Unternehmens, das sich die eigenen Fehler nicht eingestehen möchte. Die Bank kann in dieser Situation die Unternehmensleitung auf die sich abzeichnende Krise aufmerksam machen und eine Sanierung mit externer Unterstützung durch eine spezialisierte Unternehmensberatung anregen. Insbesondere durch die Beauftragung einer Unternehmensberatung durch die Geschäftsleitung lassen sich wichtige Erkenntnisse über die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens oder bestimmter Unternehmensteile gewinnen. Selbst wenn sich ein erstelltes Sanierungsgutachten als nicht umsetzbar erweist oder wenn die Untersuchungen der Unternehmensberatung zu dem Ergebnis führen, dass eine Insolvenz nicht mehr abwendbar ist, müssen die dafür getätigten Aufwendungen nicht vergebens sein. Denn die gewonnenen Erkenntnisse können in einer Insolvenz als Grundlage für die Ausarbeitung eines Übertragungskonzepts verwendet werden. Dies kann zu einer erheblichen Zeitersparnis führen. Darüber hinaus werden auch die Verhandlungen mit Übernahmeinteressenten beschleunigt, da in diesem Fall Unternehmensdaten zur Verfügung gestellt werden können, die von dritter Seite verlässlich und objektiv ermittelt wurden. Abstimmung mit anderen Gläubigern Nach Erkennen der ersten Krisenanzeichen bietet es sich für die Bank an, die Abstimmung mit anderen Gläubigern, insbesondere solchen, die Sicherungsrechte innehaben, zu suchen.

5.3 Verlauf einer übertragenden Sanierung

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Zu denken ist dabei zunächst an andere Kreditinstitute. Die Kontaktaufnahme mit den weiteren Gläubigerbanken, die das insolvente Unternehmen finanzieren, dient zweierlei Zielen. Zum einen gilt es zu verhindern, dass eine Bank im Alleingang ihre Kredite kündigt und so vorschnell die Insolvenz auslöst. Zum anderen kann die Aufteilung der zu erwartenden Sicherheitenerlöse bereits in diesem frühen Stadium geregelt werden. So wird vermieden, dass die nach Insolvenzantragstellung unter beträchtlichem Zeitdruck zu führenden Verhandlungen über eine übertragende Sanierung durch unnötige Auseinandersetzungen zwischen den involvierten Banken und Lieferanten belastet werden. Um die vorgenannten Ziele erreichen zu können, schließen sich Kreditinstitute in der Praxis häufig zu einem Sicherheitenpool zusammen, der die quotale Verteilung der auf die Sicherungsrechte der beteiligten Banken entfallenden Erlöse grundsätzlich entsprechend der Höhe ihrer ausgereichten Kredite festschreibt. Allerdings sollte ein im Vorfeld der Insolvenz geschlossener Sicherheitenpoolvertrag nicht zum Nachteil anderer Gläubiger wirken. Ansonsten könnte er vom späteren Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 129 ff. InsO angefochten werden. Der Sicherheitenpoolvertrag darf also keine Neubestellung von Sicherheiten ohne gleichwertige Gegenleistung als Bargeschäft oder eine massebeeinträchtigende Ausweitung des Sicherungszwecks einzelner Kreditsicherheiten enthalten. Zulässig ist es hingegen, die Verteilung der jeder einzelnen Bank anfechtungsfest zustehenden Sicherheitenerlöse in beliebiger Weise untereinander vertraglich zu regeln. Ebenso zweckmäßig ist eine Abstimmung mit den betroffenen Lieferanten des insolvenzgefährdeten Unternehmens. Diese haben in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Regel einen Eigentumsvorbehalt hinsichtlich der gelieferten Produkte sowie eine Abtretung der aus dem Verkauf dieser Güter resultierenden Forderungen festgeschrieben. Die Sicherungsrechte der Lieferanten konkurrieren dann mit den Sicherungsübereignungen und Sicherungsabtretungen zugunsten der Banken. Im Vorfeld der Insolvenz ist eine Gesprächsaufnahme mit den Lieferanten allerdings schwierig, da im Normalfall eine Vielzahl von Lieferanten existiert und eine Interessenbündelung in einem gemeinsamen Vertretungsgremium, das als Ansprechpartner für die Banken fungieren könnte, noch nicht erreicht ist. Nach Insolvenzantragstellung hingegen finden sich die Lieferanten nicht selten auf Initiative der Kreditversicherungsgesellschaften in einem Lieferantenpool zusammen. Mit diesem Pool kann die Bankenseite dann verlässliche Absprachen über die genaue Abgrenzung der Sicherungsrechte treffen. Diese Abgrenzung erfolgt überwiegend anhand der Materialeinsatzquote, also des Anteils der Materiallieferungen am Wert des erzeugten Endprodukts. Einflussnahme auf die Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters Der (vorläufige) Insolvenzverwalter bestimmt den Verlauf des Insolvenzverfahrens entscheidend. Von seiner Sachkenntnis und Erfahrung hängt der Erfolg oder Misserfolg einer übertragenden Sanierung maßgeblich ab. Deswegen kommt der Auswahl des Insolvenzverwalters eine herausgehobene Bedeutung zu. Obgleich das Insolvenzverfahren nach dem Leitbild der Insolvenzordnung von der Gläubigerautonomie geprägt ist (vgl. Uhlenbruck, 2003, § 1 Rz. 4 und 13), wird diese für das gesamte Insolvenzverfahren zentrale Entscheidung nicht von den Gläubigern, sondern vom Insolvenzgericht getroffen (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 1 und § 27 Abs. 1 Satz 1 InsO und vgl. Rattunde, 2003b, S. 596 ff.). Lediglich in der ersten Gläubigerversammlung haben die Gläubiger gemäß § 57 InsO die Möglichkeit, einen anderen In-

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solvenzverwalter zu wählen. Zu diesem Zeitpunkt, der durchaus ein halbes Jahr nach der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahren liegen kann, sind die für eine übertragende Sanierung wesentlichen Weichenstellungen jedoch bereits gefallen. Außerdem gilt für die Wahl eines anderen Insolvenzverwalters die Ausnahme, dass dafür nicht nur eine nach der Höhe der angemeldeten Forderungen zu bemessende Stimmenmehrheit in der Gläubigerversammlung, sondern auch die Mehrheit der abstimmenden Gläubiger nach Köpfen gerechnet erforderlich ist. Dies erschwert der Bank die Abwahl des bisherigen Insolvenzverwalters und die Besetzung durch einen neuen Akteur meist erheblich. Die Bank muss deshalb versuchen, bereits auf die Auswahl des vorläufigen Verwalters durch das Insolvenzgericht Einfluss zu nehmen. Solche Versuche können allerdings auch das Gegenteil des Gewollten bewirken. Denn nicht selten werten die Insolvenzrichter einen entsprechenden Vorstoß des Kreditinstituts als mangelnden Respekt vor der richterlichen Unabhängigkeit und nehmen den Vorschlag einer bestimmten Person zum Anlass, gerade diese nicht zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter zu bestellen (vgl. Rattunde, 2003a, S. 2103 ff.). Dabei wird indes übersehen, dass ein Zusammenwirken des (vorläufigen) Insolvenzverwalters mit den Hauptgläubigern und Absonderungsberechtigten entscheidend für einen positiven Verlauf des Insolvenzverfahrens und auch für eine übertragende Sanierung ist. Die Bank wird sich insbesondere schwer tun, einen Massekredit zu gewähren, wenn sie zu der Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters kein Vertrauen hat. Die Bestellung eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters, dem die Hauptgläubiger mit Skepsis begegnen oder der über keine ausreichenden Erfahrungen mit Betriebsfortführungen und übertragenden Sanierungen verfügt, kann eine übertragende Sanierung somit schon im Ansatz scheitern lassen. Im Ergebnis sollte sich die Bank deshalb nicht scheuen, Kontakt zum zuständigen Insolvenzrichter aufzunehmen, um mit diesem die Auswahl einer geeigneten Person als Insolvenzverwalter zu besprechen. Dabei wird die Bank die Auswahlentscheidung des Insolvenzrichters eher in ihrem Sinne beeinflussen können, wenn sie sich nicht nur auf eine Person fokussiert, sondern mehrere qualifizierte Personen vorschlägt. Einrichtung eines Gläubigerausschusses mit Verfahrenseröffnung Für eine übertragende Sanierung ist die Zustimmung der Gläubigerversammlung oder eines Gläubigerausschusses erforderlich. Da schnelle Entscheidungen für das Gelingen einer übertragenden Sanierung unerlässlich sind, die erste Gläubigerversammlung jedoch häufig erst geraume Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfindet, empfiehlt es sich, in Insolvenzverfahren, in denen eine übertragende Sanierung in Betracht kommt, zeitgleich mit der Verfahrenseröffnung einen Gläubigerausschuss zu bilden, der einer übertragenden Sanierung auf unkomplizierte Weise zustimmen kann. Das Abwarten der ersten Gläubigerversammlung ist dann nicht erforderlich. Dem Gläubigerausschuss kommen somit wesentliche Entscheidungsbefugnisse zu. Zudem lassen sich über eine Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss wichtige Informationen erlangen und das Kreditinstitut kann eine gewisse Kontrolle des Insolvenzverwalters sicherstellen (vgl. § 69 InsO). Deshalb muss das Interesse der Bank darauf gerichtet sein, einen Vertreter in den Gläubigerausschuss zu entsenden. Die Bildung eines Gläubigerausschusses und dessen Zusammensetzung obliegt der Entscheidung des Insolvenzgerichts, erfolgt aber in der Regel auf Vorschlag des vorläufigen Insol-

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venzverwalters. Die Bank ist also gut beraten, wenn sie gegenüber dem vorläufigen Verwalter rechtzeitig die Bildung eines Gläubigerausschusses anregt und ihren Anspruch auf Entsendung eines Vertreters in den Ausschuss geltend macht. Normalerweise wird sich dies aufgrund der Verfahrensbeteiligung der Bank als Großgläubiger und Absonderungsberechtigter ohnehin aufdrängen, sodass das Anliegen der Bank nicht zu Unstimmigkeiten mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter führen sollte. Falls der vorläufige Insolvenzverwalter allerdings zu erkennen gibt, dass er dem Wunsch der Bank nicht folgen wird, sollte die Bank sich unmittelbar an das Insolvenzgericht wenden. Unabhängig von der Entscheidung des Gerichts darf aber nicht übersehen werden, dass eine Auseinandersetzung zwischen der Bank und dem vorläufigen Insolvenzverwalter in dem frühen Stadium nicht optimal für den weiteren Verfahrensverlauf und das Gelingen einer übertragenden Sanierung ist. Absicherung einer Massekreditgewährung Wenn für die Fortführung des Betriebes des insolventen Unternehmens die Gewährung eines Massekredits erforderlich ist und die Bank sich einem entsprechenden Antrag des (vorläufigen) Insolvenzverwalters im Hinblick auf die erwarteten Vorteile einer durch die Betriebsfortführung ermöglichten übertragenden Sanierung nicht zu verschließen vermag, sollte die Bank ihre Massekreditzusage gleichwohl an verschiedene Bedingungen knüpfen. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Massekredit bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren oder erst im eröffneten Insolvenzverfahren gewährt werden soll. Bei einer Massekreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren sieht sich eine Bank meist einem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter gegenüber, der keine Verfügungsbefugnis besitzt und der im Gegensatz zu einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter mit eigener Verfügungsbefugnis keine vorrangigen Masseverbindlichkeiten begründen kann. Um dem Kreditrückzahlungsanspruch der Bank im eröffneten Insolvenzverfahren den Rang einer Masseforderung zu geben, ist daher auf den Beschluss des Insolvenzgerichts zu drängen, der einem vorläufigen Insolvenzverwalter diese konkrete Massekreditaufnahme gestattet und ihn so partiell zu einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter macht. Zudem ist darauf zu achten, dass die Massekreditgewährung von der Vereinbarung neuer Sicherheitenverträge begleitet wird. Insoweit kommen regelmäßig eine Sicherungsübereignung der mit dem Massekredit erworbenen Güter und eine Sicherungsabtretung der aus der Betriebsfortführung erzielten Forderungen in Betracht. Aber auch andere freie Vermögenswerte des insolventen Unternehmens zum Beispiel Patentrechte oder freie Grundschuldteile können als zusätzliche Sicherheiten herangezogen werden. Um jegliche Zweifel an der Befugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Sicherheitenbestellung auszuräumen, sollte in dem Gerichtsbeschluss zur Massekreditaufnahme die Erlaubnis zur Sicherheitenbestellung durch den vorläufigen Verwalter ausdrücklich enthalten sein. Für eine Massekreditgewährung im eröffneten Insolvenzverfahren ist dagegen kein Gerichtsbeschluss erforderlich, da hier ein vollumfänglich verfügungsbefugter Insolvenzverwalter Vertragspartner der Bank ist. Mit diesem kann auch die Bestellung von Sicherungsrechten vereinbart werden. Eine solche neue vertragliche Vereinbarung über die Massekreditgewährung und deren Besicherung ist auch dann erforderlich, wenn ein im Insolvenzeröffnungsverfahren aufgenommener Massekredit verlängert werden soll. Denn unabhängig davon, ob der

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Kreditrückzahlungsanspruch eine Masseforderung darstellt oder nicht, ist der Insolvenzverwalter nicht an die Vereinbarungen des vorläufigen Verwalters gebunden. Dies gilt selbst dann, wenn es sich beim vorläufigen Insolvenzverwalter um ein und dieselbe Person handelt, die später zum Insolvenzverwalter bestellt wird. Möchte die Bank Sicherungsrechte an den nach Insolvenzverfahrenseröffnung vom insolventen Unternehmen erworbenen Vermögensgegenständen erlangen, so muss sie eine Bestätigung zur Massekreditaufnahme einschließlich der Sicherungsvereinbarungen vom Insolvenzverwalter erhalten. Sowohl im Insolvenzeröffnungsverfahren als auch im Insolvenzverfahren kann ein Massekredit als sogenannter echter oder unechter Massekredit gewährt werden. Definition: Von einem echten Massekredit spricht man, wenn die zugesagten Mittel wie bei einem normalen Bankkredit von einem Kreditinstitut zur Verfügung gestellt werden. Bei einem unechten Massekredit stammen die Kreditmittel dagegen aus der Verwertung von Vermögensgegenständen des insolventen Unternehmens, an denen die Bank ein Absonderungsrecht besitzt, insbesondere aus der Einziehung sicherungsabgetretener Forderungen. Statt einer unverzüglichen Auskehrung der erzielten Erlöse aus den Forderungen an die absonderungsberechtigte Bank, wie es die Insolvenzordnung gemäß § 170 Abs. 1 S. 2 InsO vorsieht, verwendet der (vorläufige) Insolvenzverwalter die über einen Forderungseinzug erlangten Gelder zur Finanzierung der Betriebsfortführung. Häufig fällt der Bank die Gewährung eines unechten Massekredits leichter als die Einräumung eines echten Massekredits, da ein unechter Massekredit bankintern gewöhnlich nicht als Risikoausweitung betrachtet wird. Diese Sichtweise darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass wirtschaftlich kein Unterschied besteht. Denn wenn ein Massekredit nicht zurückgezahlt werden kann, ist es für die Bemessung des der Bank daraus entstehenden Schadens gleichgültig, ob es sich um einen echten oder unechten Massekredit handelt. Erlösabgrenzung zwischen Bank und Insolvenzmasse Ein häufiger Streitpunkt zwischen der Bank und dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter ist die Abgrenzung der Sicherheitenerlöse einschließlich der Höhe der von der Bank an die Insolvenzmasse zu zahlenden Kostenbeiträge. Denn diese Fragen berühren elementare finanzielle Interessen der Beteiligten. Während für die Bank jedes Zugeständnis zu einer unmittelbaren Erhöhung ihres Kreditausfalls führt, bedeutet ein Entgegenkommen für den (vorläufigen) Insolvenzverwalter eine Reduzierung der freien Insolvenzmasse, die wiederum Grundlage für die Bemessung seiner persönlichen Vergütung ist. Um zu einer für alle Parteien einvernehmlichen Lösung zu gelangen, bietet sich ein schrittweises Vorgehen an. Im ersten Schritt sollte eine grundlegende Einigung über die Abgrenzung der Sicherheitenerlöse erzielt werden. Dabei können sich die Verhandlungspartner an gesetzlichen Vorgaben, zum Beispiel an den Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung gemäß §§ 129 ff. InsO orientieren. Eine Einigung über die Erlösabgrenzung wird daher regelmäßig so aussehen, dass die bis zur Kenntnis der Bank von der Insolvenzantragstellung entstanden Forderungen und erzeugten Güter dem Kreditinstitut und anschließend der Insolvenzmasse zustehen. Dieses erfordert insbesondere bei teilfertigen Arbeiten eine exakte Bestandsaufnahme, um spätere Unstimmigkeiten zu vermeiden.

5.3 Verlauf einer übertragenden Sanierung

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In einem zweiten Schritt können dann die Kostenbeiträge festgelegt werden. Auch für die Bemessung der Kostenbeiträge gibt es gemäß § 171 InsO Vorgaben in der Insolvenzordnung. Diese Regelungen sind jedoch zum einen nicht abschließend, so findet sich keine gesetzliche Norm zum freihändigen Verkauf von Grundstücken. Zum anderen ist die grundsätzlich vorgesehene Verwertungspauschale von 5 % nicht immer geeignet, dem Aufwand des (vorläufigen) Insolvenzverwalters im Zusammenhang mit einer Betriebsfortführung und einer sich anschließenden übertragenden Sanierung gerecht zu werden. Insofern verbietet sich hier ein schematischer Lösungsansatz. Vielmehr kann für jede Sicherheit und Sicherheitengruppe gesondert eine Regelung, unter Berücksichtigung des Einzelfalls, gefunden werden. Gleichwohl haben sich in der Praxis bestimmte Kostenbeitragsrahmen herausgebildet, die als Leitlinien dienen können. Eine praxisnahe Lösung könnte demnach so aussehen, dass für den freihändigen Verkauf von Grundstücken ein Kostenbeitrag von 3 % bis 5 %, für die Veräußerung sicherungsübereigneter Sachen und den Einzug von Forderungen aus fertiggestellten Arbeiten ein Kostenbeitrag von 10 % bis 15 % und für den Einzug rechtshängiger Forderungen und von Forderungen aus teilfertigen Arbeiten, die vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter beendet werden, ein Kostenbeitrag von bis zu 30 % des auf die Bank entfallenden Erlöses an die Insolvenzmasse gezahlt wird. Innerhalb dieser Bandbreiten sind unterschiedliche Varianten, wie zum Beispiel eine Staffelung der Kostenbeiträge je nach Verwertungserfolg des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, vorstellbar. Es sei auf eine Besonderheit der Kostenbeitragsverhandlungen in Insolvenzverfahren, bei denen es zu einer Betriebsfortführung mit anschließender übertragenden Sanierung kommt, hingewiesen: Während der vorläufige Insolvenzverwalter gemäß den Vorschriften der Insolvenzordnung grundsätzlich keine Sicherheiten verwerten darf und für durchgeführte Verwertungsmaßnahmen keine Kostenbeiträge zur Insolvenzmasse erhält, vereinbaren die Beteiligten in den Fällen der Fortführung des Betriebes des insolventen Unternehmens mit dem Ziel einer späteren übertragenden Sanierung regelmäßig, dass bereits der vorläufige Insolvenzverwalter Verwertungsmaßnahmen durchführen darf und dafür dieselben Kostenbeiträge zur Masse zu zahlen sind wie bei einer Verwertung im eröffneten Insolvenzverfahren. Bei einer übertragenden Sanierung erwirbt der Übernehmer lediglich bestimmte Vermögensgegenstände des insolventen Unternehmens. Er tritt, abgesehen von besonderen Gestaltungen im Einzelfall, nicht in bestehende Verträge ein und übernimmt auch keine Verbindlichkeiten daraus. Dies gilt auch für Verpflichtungen des insolventen Unternehmens, für deren Erfüllung sich die Bank verbürgt hat. Bei einer Inanspruchnahme der Bank aus den von ihr gestellten Avalen kann die Bank daher grundsätzlich nicht auf den Übernehmer zurückgreifen, um ihre Zahlungspflicht abzuwenden. Da der Übernehmer aufgrund der teilweisen Betriebsübernahme jedoch zum einen über die technischen und personellen Möglichkeiten verfügt, die Verpflichtungen des insolventen Unternehmens zu erfüllen, und er zum anderen ein Interesse daran haben muss, die bestehenden Geschäftsverbindungen unbelastet zu erhalten, wird er sich häufig bereit erklären, für die Bank tätig zu werden. Aus Sicht der Bank empfiehlt es sich, diese Bereitschaft des Übernehmers sowie die von der Bank dafür zu erbringende Gegenleistung bereits im Übernahmevertrag rechtsverbindlich festzuschreiben. Diese Gegenleistung der Bank kann in einer Reduzierung des Kaufpreises für die Vermögensgegenstände, an denen die Bank Sicherungsrechte hält, bestehen.

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5 Insolvenz aus Bankensicht

Umsetzung der übertragenden Sanierung nach Ende des Insolvenzgeldzeitraums Voraussetzung einer übertragenden Sanierung ist in aller Regel eine unverzügliche Fortführung des Geschäftsbetriebs. Die mit einer Betriebsfortführung verbundenen Risiken sind jedoch oft nur tragbar, weil die Personalkosten durch das von der Bundesagentur für Arbeit gezahlte Insolvenzgeld aufgefangen werden. Spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens läuft diese Vereinbarung jedoch aus. Dann werden mit der Betriebsfortführung vielfach Verluste erwirtschaftet, die sukzessive sowohl die freie Insolvenzmasse als auch die Sicherungswerte der Bank aufzehren. Dies ist aus Sicht der absonderungsberechtigten Kreditinstitute unbedingt zu vermeiden. Die Bank muss darauf hinwirken, dass die übertragende Sanierung möglichst sofort nach Ende des Insolvenzgeldzeitraums erfolgt. Idealerweise hat der vorläufige Insolvenzverwalter den Vertrag zur übertragenden Sanierung schon zur Insolvenzverfahrenseröffnung unterschriftsreif ausgehandelt. Der Übernahmevertrag wird dann unmittelbar nach Insolvenzverfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter geschlossen und von dem bereits bestellten Gläubigerausschuss genehmigt. Jede Abweichung von diesem Idealverlauf einer übertragenden Sanierung birgt Risiken und wirkt sich in der Regel finanziell nachteilig aus. Wenn die übertragende Sanierung nicht sofort nach Ende des Insolvenzgeldzeitraums gelingt, muss die Bank eine fortgesetzte Betriebsfortführung äußerst kritisch begleiten und notfalls über ihren Einfluss im Gläubigerausschuss und in der Gläubigerversammlung, aber auch durch Einzelmaßnahmen wie der Kündigung eines gewährten Massekredits, eine Betriebsstilllegung erzwingen. Damit zerschlägt sie zwar endgültig die Hoffnung auf eine übertragende Sanierung, es wird jedoch auch eine weitere risikoerhöhende Verlustwirtschaft beendet. Von einer übertragenden Sanierung ist die Bank als Kreditgeber und als Sicherungsnehmer in vielfältiger Weise betroffen. Eine übertragende Sanierung kann sich für die Bank positiv auswirken. Insbesondere mit der Betriebsfortführung, die fast immer Voraussetzung für eine übertragende Sanierung ist, sind jedoch nicht unwesentliche Risiken verbunden. Diese Gefährdungen lassen sich nur dann vertreten, wenn die übertragende Sanierung rasch umgesetzt wird. Dazu sind ein vertrauensvolles Zusammenwirken aller Beteiligten und deren Bereitschaft zu unkonventionellen Lösungen erforderlich. Zusammenfassung Abschnitt 5.3: In diesem Abschnitt wurde die Gestaltung einer übertragenden Sanierung aus Sicht der beteiligten Banken untersucht. Es zeigte sich, dass der Zeitpunkt der Übertragung von großer Bedeutung für die Werthaltigkeit der zu übertragenden Assets ist. Dazu ist durch den Insolvenzverwalter frühzeitig Kontakt zu potenziellen Erwerbern aufzunehmen. Optimal ist eine Umsetzung der Übertragung direkt nach Ausnutzung des Insolvenzgeldzeitraums. Dabei muss ein eingesetzter Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung der übertragenden Sanierung zustimmen. Zusätzlich sind die Sonderrechte der aus- und absonderungsberechtigten Gläubiger zu beachten. Wichtig ist es, die werthaltigen Assets aus einem fortgeführten Betrieb heraus zu übertragen, um einen maximalen Kaufpreis zu erzielen. Zur Weiterführung des Betriebs kann daher auch die Gewährung eines Massekredits durch die beteiligten Banken erforderlich sein.

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

5.4

329

Sonderprobleme in der Insolvenz

Im Folgenden werden verschiedene Spezialprobleme behandelt, die nach dem Insolvenzantrag eines Unternehmens eintreten können. Zunächst wird die Kreditvergabe nach Stellung eines Insolvenzantrags dargestellt. Dabei kann es sich um die Finanzierung eines Massekostenvorschusses, um die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes, um die Gewährung eines Massedarlehens zur Fortführung der operativen Tätigkeiten, um die Finanzierung von Einzelprojekten oder die Bereitstellung eines Kreditrahmens für die Umsetzung eines Insolvenzplanverfahrens oder einer übertragenden Sanierung handeln. Nachfolgend wird die Anfechtung in der Insolvenz betrachtet. Aus Anfechtungstatbeständen können erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Folgewirkungen für die beteiligten Kreditinstitute entstehen. So können insbesondere Zahlungseingänge, die einzelne Kreditinstitute bereits vor dem Insolvenzantrag erhalten haben, vom Insolvenzverwalter nachträglich angefochten werden. Kongruente und inkongruente Deckungen von Zahlungsvorgängen werden erläutert und an Beispielen erklärt. Ebenso wird die Bestellung von Kreditsicherheiten kurz vor dem Insolvenzantrag untersucht. Es wird zudem die Vereinbarung eines in einer späteren Insolvenz anfechtungsfesten Bargeschäfts näher erläutert. Anschließend wird auf die Sicherheitenverwertung aus Sicht der Kreditinstitute eingegangen. Erörtert wird die Liquidation von beweglichen Wirtschaftsgütern und Rechten der Banken als absonderungsberechtigte Gläubiger. Zudem wird die zwangsweise Verwertung oder die freihändige Veräußerung von Immobilien behandelt. Dabei sind die Ersatzansprüche und die Kostenbeiträge aus der Veräußerung für die beteiligten Institute von wesentlicher Bedeutung. Dazu werden Strategien aufgezeigt, um die Sicherheitenerlöse zu maximieren. So wird auf das Auskunftsrecht und den Nachweis der Wahl der bestmöglichen Verwertungsalternative durch den Insolvenzverwalter eingegangen. Abschließend werden Haftungsrisiken der Kreditinstitute und ihrer Mitarbeiter aus der Begleitung eines Krisenunternehmens in der Sanierung und Insolvenz betrachtet. Haftungstatbestände können unter anderem eintreten, wenn sich Kreditinstitute im Rahmen einer Sanierung an Unternehmen beteiligen, wenn sie Beihilfe zur Insolvenzverschleppung leisten oder aus eigennützigen Gründen einen Sanierungskredit vergeben. Auch Bankmitarbeiter können dem Vorwurf der leichtfertigen Kreditvergabe ausgesetzt sein, wenn die Sanierungsfähigkeit des Krisenunternehmens von ihnen nur unzureichend geprüft wurde. Mit Stellung des Insolvenzantrags ist üblicherweise die Kreditwürdigkeit des Schuldnerunternehmens derart stark beeinträchtigt, dass eine weitere Mittelvergabe der beteiligten Banken aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich erscheint. Dennoch existieren Situationen, in denen eine weitere Ausreichung von Krediten wirtschaftlich sinnvoll sein kann, um den Geschäftsbetrieb in der Insolvenz zunächst weiter fortzuführen. Nachfolgend werden verschiedene Möglichkeiten der Finanzierung betrachtet. Im Vordergrund stehen der Ablauf der Kreditierung und die damit verbundenen Risiken. Ziel ist es, besondere Gefährdungen im Vorfeld zu erkennen, um Strategien zu deren Vermeidung einzuleiten.

330

5 Insolvenz aus Bankensicht

5.4.1

Kreditvergabe in der Insolvenz

Die Kreditvergabe nach der Stellung eines Insolvenzantrags oder nach der Verfahrenseröffnung ist aufgrund des Risikos eines zusätzlichen Kreditausfalls gut vorzubereiten. Folgende Anlässe der Finanzierung in der Insolvenz kommen in der Praxis häufiger vor: 

Finanzierung des Massekostenvorschusses oder Gewährung eines Massekredites



Einzelgeschäftsfinanzierung oder Kreditrahmen im Insolvenzplanverfahren



Insolvenzgeldvorfinanzierung zur Weiterführung des Betriebs im Antragsverfahren

Insolvenzgeldvorfinanzierung Nach Stellung des Insolvenzantrags besteht im Eröffnungsverfahren für den vorläufigen Verwalter die Möglichkeit, den Geschäftsbetrieb durch die Zahlung von Insolvenzgeld zunächst aufrecht zu erhalten und über die Einsparung der Personalkosten Liquidität und Gewinne zu erwirtschaften. Das Insolvenzgeld dient zur Entlastung von Lohn- und Gehaltszahlungen und damit zur Sicherung der Liquidität (vgl. Seagon, 2009, S. 583 ff.). Auf diese Weise können bestehende Aufträge abgearbeitet und verschiedene Alternativen der Sanierung in der Insolvenz geprüft werden. Das Insolvenzgeld wird von der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt. So kann das insolvente Unternehmen für einen Zeitraum von maximal drei Monaten ohne Personalkosten weiterarbeiten, wenn bei Insolvenzantragstellung keine Lohn- und Gehaltsrückstände bestanden. Jedoch erfolgt die Auszahlung des Insolvenzgeldes zeitlich erst nach Eröffnung des Verfahrens. Dies kommt zu spät, da die Mitarbeiter auf ihre Löhne und Gehälter angewiesen sind. Das Insolvenzgeld wird maximal für die letzten drei Monate gezahlt, in denen die Gehälter und Löhne vor dem Eröffnungsbeschluss vom Arbeitgeber nicht mehr gezahlt wurden. Dies umfasst bei vollständiger Ausnutzung des Insolvenzgeldzeitraums die Monate Februar bis April, wie in folgender Abbildung 5.9 gezeigt.

Zeitraum der Zahlung des Insolvenzgeldes

Insolvenzantrag

Eröffnungsbeschluss

Insolvenzgeldzeitraum

Vorläufiges Insolvenzverfahren

Januar

Februar

März

Abb. 5.9 Maximaler Insolvenzgeldzeitraum von drei Monaten

April

Mai

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

331

Die zeitnahe Bezahlung der Löhne und Gehälter ist wichtig, da ansonsten die Gefahr besteht, dass Mitarbeiter zur Weiterarbeit nicht mehr motiviert werden können und das Unternehmen verlassen (vgl. Lützenrath et al. 2006, S. 229). Nichtbezahlte Löhne und Gehälter können die Situation verschärfen, wenn bestehende Aufträge nicht mehr zeitlich eingehalten oder qualitativ minderwertig abgeliefert werden. Der Geschäftsbetrieb droht zum Erliegen zu kommen. In dieser Situation ist die Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes durch ein Kreditinstitut zur Bindung der Mitarbeiter geboten (vgl. Seagon, 2009, S. 584). Dies kann über die Hausbank oder andere Kreditinstitute erfolgen, die sich auf die Bevorschussung dieser Gelder spezialisiert haben. Die Bestimmungen zum Insolvenzgeld sind im dritten Buch des Sozialgesetzbuches in §§ 183 ff. SGB III enthalten. Ein Anspruch auf die Zahlung des Insolvenzgeldes besteht, wenn der Arbeitnehmer kein Arbeitsentgelt erhalten hat. Dieses Anrecht ist gegenüber der Bundesagentur für Arbeit geltend zu machen. Im Optimalfall kann der Betrieb im Eröffnungsverfahren für drei Monate weitergeführt werden. Jedoch verkürzen rückständige Löhne und Gehälter diese Zeitspanne entsprechend. Das Insolvenzgeld wird rückwirkend für die letzten drei Monate gezahlt, vor: 

Eröffnung des Insolvenzverfahrens



Abweisung des Insolvenzverfahrens mangels Masse



Einstellung des Geschäftsbetriebs bei offensichtlicher Masselosigkeit

Gleichgestellt zum Insolvenzereignis der Eröffnung sind somit die Abweisung des Verfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit bei offensichtlicher Masselosigkeit. Wichtig ist, dass die Insolvenzgeldvorfinanzierung die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraussetzt. Denn die Abtretung der Insolvenzgeldansprüche an eine vorfinanzierende Bank ist nur mit dem vorherigen Einverständnis der Bundesagentur für Arbeit wirksam. Voraussetzung dafür ist, dass ein wesentlicher Teil der Arbeitsplätze des insolventen Unternehmens zunächst erhalten bleibt. Beispiel: Die Insolvenz wird am 1. Mai des Jahres per Beschluss durch das zuständige Insolvenzgericht eröffnet. Ist das Arbeitsverhältnis nicht gelöst worden und bestehen keine rückständigen Löhne und Gehälter, umfasst der Zeitraum des Insolvenzgeldes die Zeit vom 1. Februar bis 30. April. Endete das Arbeitsverhältnis dagegen bereits am 31. März, so umfasst der Insolvenzgeldzeitraum die Zeit vom 1. Januar bis 31. März. Die Zuwendungen betreffen alle aus dem betreffenden Arbeitsverhältnis bestehenden Lohnansprüche, vermindert um die gesetzlichen Abzüge, die das Arbeitsamt direkt an die zuständige Einzugsstelle zahlt (§ 208 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Die Lohnansprüche gehen mit Stellung des Antrags auf die Bundesagentur für Arbeit über. Der Antrag auf Zahlung des Geldes ist innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Stellung des Insolvenzantrags beim zuständigen Arbeitsamt durch den Anspruchsinhaber, den Mitarbeiter, zu stellen. Wurden diese Ansprüche auf einen Dritten übertragen, so ist der Antrag auf Auszahlung von dem Dritten zu stellen (§ 188 Abs. 1 SGB III). Dies betrifft in der Regel das vorfinanzierende Kreditinstitut. Zur Vereinfachung kann in einem Sammelantrag auch die Auszahlung der Ansprüche mehrerer Arbeitnehmer gleichzeitig beantragt werden.

332

5 Insolvenz aus Bankensicht

Ablauf der Insolvenzgeldvorfinanzierung Einige Kreditinstitute haben sich auf die Vorfinanzierung von Insolvenzgeld spezialisiert, da. das Risiko aufgrund der genauen Vertragsgestaltung als begrenzt einzuschätzen ist. Es haben sich drei Alternativen der Vorfinanzierung herausgebildet: 

Individuelle Kreditierung



Rahmenkreditvertrag



Forderungskaufverfahren

Beim individuellen Kreditierungsverfahren trifft jeder Arbeitnehmer mit seiner Hausbank eine Vereinbarung, mit der er sein laufendes Konto oder einen Kreditrahmen in Höhe von bis zu drei Nettomonatsgehältern in Anspruch nehmen kann. Zur Sicherheit lässt sich die finanzierende Bank die Entgeltforderungen gegenüber dem Schuldnerunternehmen abtreten. Mit dem Antrag auf Insolvenzgeld geht die Forderung auf die Bundesagentur für Arbeit über und wird durch diese Insolvenzgeldforderung ersetzt. Die Rückführung erfolgt nach Auszahlung des Insolvenzgeldes an den Arbeitnehmer. Zur Verringerung des bürokratischen Aufwands besteht die Möglichkeit einen Rahmenkreditvertrag mit allen Arbeitnehmern abzuschließen. Jedoch ergeben sich Einschränkungen beim Kreditierungsverfahren, wenn unpfändbare Ansprüche abgetreten werden sollen. Üblich ist daher die Vorfinanzierung über ein regressloses Forderungskaufverfahren. Damit erwirbt das finanzierende Kreditinstitut im Eröffnungsverfahren von den Arbeitnehmern der insolventen Firma käuflich deren Lohn- und Gehaltsansprüche gegen Zahlung des Kaufpreises in Höhe des Nettoentgelts und Abtretung der Ansprüche auf Insolvenzgeld gegenüber der Bundesagentur für Arbeit. Nach Feststehen des Insolvenzereignisses stehen der Bank die Ansprüche auf Zahlung des Insolvenzgeldes zu (vgl. Wittig, 2009, S 605 ff.). Da das Kreditinstitut das Rückzahlungsrisiko trägt, sollte mit dem Arbeitnehmer zur Sicherheit eine Rückerstattung für den Fall vereinbart werden, dass dieser den Anspruch auf Arbeitsentgelt bereits anderweitig abgetreten oder verpfändet hat. Die Formalia werden üblicherweise vom Lohnbüro des Schuldnerunternehmens mit Überwachung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter erledigt. Der Finanzierungsvertrag ist vom vorläufigen Insolvenzverwalter mit zu unterzeichnen. Zudem empfiehlt sich die Einholung eines Beschlusses des Insolvenzgerichts. Der Ablauf wird im Folgenden erläutert (vgl. Obermüller, 2007, S. 741 ff.). Schuldner der Löhne und Gehälter ist das Krisenunternehmen (1.). Nach Stellung des Insolvenzantrags verkaufen die Arbeitnehmer ihre Ansprüche auf Insolvenzgeld mit vorheriger Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit an das Kreditinstitut (2.). Anschließend zahlt das Kreditinstitut das Nettoentgelt an die Arbeitnehmer aus (3.). Nach der Insolvenzverfahrenseröffnung stellen die Arbeitnehmer, das Lohnbüro der Firma oder die finanzierende Bank, die im Zuge der Finanzierung eine entsprechende Vollmacht von den Arbeitnehmern erhalten hat, innerhalb von zwei Monaten einen Antrag auf Zahlung des Insolvenzgeldes bei der jeweiligen Agentur für Arbeit (4.). Diese Mittel werden von der Agentur für Arbeit an die Bank ausgezahlt (5.). Die Agentur für Arbeit hat einen zur Insolvenztabelle anzumeldenden Anspruch auf Rückzahlung der Gelder gegenüber dem insolventen Unternehmen (6.). Nachfolgende Abbildung 5.10 stellt den Ablauf der Vorfinanzierung dar.

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

333

Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes

Arbeitnehmer

3. Auszahlung des Nettoarbeitsentgelts

2. Verkauf des Anspruchs auf Insolvenzgeld

1. Anspruch auf Arbeitslohn

4. An tr a ga

uf

In s olv enz gel d

Unternehmen i. I.

6. Rückzahlung des Insolvenzgeldes

2. Zustimmung der Agentur Kreditinstitut 5. Zahlung des Insolvenzgeldes

Bundesagentur für Arbeit

Abb. 5.10 Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes durch ein Forderungskaufverfahren

Besondere Risiken für die finanzierenden Banken können durch den Zinsverlust entstehen, denn zwischen der Vorfinanzierung der Löhne und der Erstattung des Insolvenzgeldes durch die Bundesagentur für Arbeit vergeht meist einige Zeit. Der Zinsanspruch wird durch das Insolvenzgeld nicht abgedeckt. Die Bank muss somit einen Weg suchen, der es ihr ermöglicht, den Zinsanspruch sicher durchzusetzen. In der Regel geschieht dies durch eine Vereinbarung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter, dass die Insolvenzmasse die Zinsen trägt. Insoweit sind die jeweiligen Befugnisse des vorläufigen Verwalters zu beachten. Stand dem vorläufigen Verwalter im Eröffnungsverfahren die Verfügungsbefugnis nicht zu, so erhalten rückständige Zinsforderungen aus der Zeit bis zur Verfahrenseröffnung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens lediglich den Rang einfacher Insolvenzforderungen. Die finanzierende Bank kann lediglich auf die Vertrauenswürdigkeit des schwachen Insolvenzverwalters abstellen, der keine Masseverbindlichkeiten begründen kann. Zudem besteht die Unsicherheit, dass er mit Verfahrenseröffnung nicht zum Insolvenzverwalter bestellt wird. Die Absicherung des Risikos kann über die persönliche Haftung des vorläufigen Verwalters erfolgen. Der vorläufige Insolvenzverwalter muss somit bereit sein, mit seinem Privatvermögen für bestehende Unterdeckungen einzustehen (vgl. Obermüller, 2007, S. 744 ff.). Diese Risiken entfallen, wenn der schwache Insolvenzverwalter durch Beschluss zur Eingehung bestimmter Masseverbindlichkeiten ermächtigt oder dem vorläufigen Verwalter im Eröffnungsverfahren die vollständige Verfügungsbefugnis übertragen wurde. In diesen Fällen bilden unbeglichene Zinsforderungen im eröffneten Verfahren Masseschulden gemäß § 55 Abs. 2 InsO. Wenn im Hinblick auf eine mögliche Masseunzulänglichkeit jegliches Risiko ausgeschlossen werden soll empfiehlt es sich, einen Einbehalt von rund 10 % zur Bedienung der Zinsen und Kosten bei der Kreditauszahlung vorzunehmen.

334

5 Insolvenz aus Bankensicht

Kreditaufnahme im Antragsverfahren und im eröffneten Verfahren Zur Betriebsfortführung ist die Aufnahme neuer Kredite im Insolvenzantragsverfahren meist unumgänglich. Dazu wird in der Regel ein Kreditrahmen beantragt, der für die Vorfinanzierung von Materialien und die weiteren laufenden Betriebskosten eingesetzt wird. Die Finanzierung durch die Gläubigerinstitute sollte aber nur dann erfolgen, wenn die Rückführung der Mittel hinreichend gesichert ist. Im Eröffnungsverfahren ist dazu der Status des Insolvenzverwalters zu beachten. Wird der Kredit durch einen schwachen vorläufigen Verwalter gemäß § 22 Abs. 2 InsO beantragt, gilt der Kreditrückzahlungsanspruch im eröffneten Verfahren nicht als privilegierte Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 2 InsO. Daher ist die ausreichende Besicherung von großer Bedeutung. Jedoch kann das Insolvenzgericht den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter durch einen Einzelbeschluss dazu ermächtigen der Höhe nach genau definierte Verbindlichkeiten bereits im Eröffnungsverfahren zu beantragen. Diese erhalten dann den Status von Masseschulden (vgl. Wittig, 2009, S. 593 ff.). Der starke Verwalter gemäß § 22 Abs. 1 InsO kann dagegen im Antragsverfahren Masseverbindlichkeiten begründen, die im eröffneten Verfahren vorrangig befriedigt werden. Mit der Verfahrenseröffnung geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der zur Insolvenzmasse zugehörigen Wirtschaftsgüter gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Nur der Verwalter kann jetzt neue Kreditvereinbarungen treffen und Sicherheitenverträge abschließen. Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 2 InsO ist hierzu die Zustimmung der Gläubigerversammlung oder eines gewählten Gläubigerausschusses erforderlich. Die Genehmigung ist entbehrlich, falls die Insolvenzmasse nicht erheblich belastet wird. Für die Rückführung der Masseverbindlichkeiten haftet der Insolvenzverwalter persönlich gemäß § 61 InsO. Die Haftung genügt aus Bankensicht jedoch meist nicht als ausreichende Sicherheit für die Vergabe von Neukrediten. So trifft den Verwalter der Schadensersatzanspruch nach § 61 Satz 2 InsO nicht, wenn er bei Begründung der neuen Verbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die freie Masse zur Rückführung nicht ausreicht und er dies über einen fachgerecht erstellten Liquiditätsplan vorab genau überprüft hat und er dies belegen kann. Von Bedeutung ist für das finanzierende Kreditinstitut zudem, dass Masseverbindlichkeiten mit anderen Verbindlichkeiten konkurrieren und damit ein erhöhtes Ausfallrisiko beinhalten. So werden Masseschulden des vorläufigen Insolvenzverwalters nach der Einstellung des Eröffnungsverfahrens mangels Masse erst im dritten Rang nach den Kosten gemäß § 54 InsO und den nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründeten Masseverbindlichkeiten gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO befriedigt. Der Vorrang geht somit verloren, wenn die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um sämtliche Masseverbindlichkeiten zu erfüllen (vgl. Obermüller, 2007, S. 765). Daher kommt der ausreichenden Besicherung eine große Bedeutung zu. Für die Absicherung hat der Insolvenzverwalter ebenfalls die Zustimmung der Gläubigerversammlung beziehungsweise des Gläubigerausschusses einzuholen. Eine Anfechtung dieser Sicherheiten ist nicht möglich, da § 129 InsO eine Bestellung von Sicherheiten vor Insolvenzeröffnung voraussetzt und es zudem an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt, wenn es sich um ein Bargeschäft handelt. Auch die Rechtshandlungen des starken vorläufigen Verwalters sind nicht anfechtbar, da seine Verfügungen gemäß § 55 Abs. 2 InsO dem eröffneten Verfahren zugerechnet werden. Bei Rechtshandlungen des Schuldners mit Zustimmung eines schwachen Insolvenzverwalters scheidet die Anfechtung gemäß § 142

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

335

InsO aus, sofern es sich um ein Bargeschäft handelt, bei dem Kreditbetrag und Sicherheitenwert in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dies ist gegeben, wenn ein deckungsgleicher und ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Kreditgewährung und Besicherung vorliegt. Die Hereinnahme von Drittsicherheiten, die nicht zum Vermögen des insolventen Unternehmens gehören, ist ebenfalls unproblematisch. Insgesamt ist bei einer Neukreditgewährung die Bestellung zusätzlicher werthaltiger Sicherheiten aus Bankensicht unbedingt einzufordern. Dies können die neu angeschafften Vorräte und Waren des Umlaufvermögens beziehungsweise die neu entstehenden Forderungen sein. Außerdem ist aus Sicht der Institute zu prüfen, ob weitere Vermögensgegenstände existieren, die noch frei von Sicherungsrechten Dritter sind. Zudem stellen die Kostenbeiträge der Verwertung ein weiteres Sicherungspotenzial dar. Diese können den Banken zusätzlich im Gegenzug zur Bereitstellung neuer Mittel abgetreten werden. Des Weiteren kann die Sicherheitenbasis unter Umständen durch Drittsicherheiten wie Bürgschaften angereichert werden. So kann ein künftiger Erwerber unter Umständen Interesse daran zeigen, dass der Geschäftsbetrieb zunächst aufrechterhalten wird, und sich für Kredite verbürgen. Wurden im Verfahren Masseverbindlichkeiten begründet, sind diese gemäß § 55 InsO aus der Insolvenzmasse vor den Forderungen aller Insolvenzgläubiger vorrangig zu befriedigen. Auch ein Insolvenzplanverfahren gemäß §§ 217 ff. InsO kann diese feste Rangordnung nicht verändern, da der Insolvenzplan nur die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger regelt. In die Rechte der Massegläubiger und der Aussonderungsberechtigten kann der Plan dagegen nicht eingreifen. Dies kann eine Gewährung weiterer Mittel in einem Planverfahren erschweren, wenn vorrangige Masseverbindlichkeiten die Umsetzung des Insolvenzplanverfahrens erheblich belasten. Kreditrahmen zur Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens Mit Bestätigung des Insolvenzplans beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Verfahrens. Gemäß § 258 InsO hat der Insolvenzverwalter die unstreitigen Masseansprüche zu begleichen. Eine Prolongation der Massekredite bedeutet dann für die Bank, dass sie unter Umständen ihren Vorrang verliert. Gemäß § 264 Abs. 1 InsO kann dem Massegläubiger im gestaltenden Teil des Insolvenzplans jedoch ein Vorrang eingeräumt werden, für den Zeitraum der Überwachung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Zur Fortführung der Unternehmensaktivitäten mit Umsetzung des Insolvenzplans ist es in der Regel erforderlich, dass weitere Mittel aufgenommen werden, die für die Dauer des Überwachungsverfahrens den Vorrang besitzen. Der Kreditrahmen ist zum Schutz der Neugläubiger nach § 229 i. V. m. § 264 Abs. 1 Satz 3 InsO auf das im Insolvenzplan festgestellte Aktivvermögen begrenzt. Wird dieser Kreditrahmen dennoch überschritten, so gilt die Privilegierung gemäß § 265 InsO auch für einen übersteigenden Saldo. Voraussetzung für die Gewährung des Vorrangs ist die schriftliche Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter, in welcher Höhe das Darlehen inklusive Zinsen und Bearbeitungskosten innerhalb des Kreditrahmens liegt und privilegiert ist (§ 264 Abs. 2 InsO). Der Vorrang gilt jedoch nur in einem Insolvenzplanverfahren, das einer besondere Überwachung unterliegt (§ 266 InsO). Die Überwachung wird spätestens nach drei Jahren beendet (§ 268 InsO). Dies kann auch früher ge-

336

5 Insolvenz aus Bankensicht

schehen und ist öffentlich bekannt zu geben. Zu diesem Zeitpunkt endet auch der Vorrang der im Insolvenzplanverfahren neu vergebenen Kredite. Somit ist aus Sicht der Kreditgeber darauf zu achten, dass eine Mittelvergabe in einem Insolvenzplanverfahren in den Kreditrahmen gemäß § 264 InsO fällt und dann mit der Zustimmung des Insolvenzverwalters den Vorrang erhält. Es ist mit dem Verwalter eng Kontakt zu halten, damit das Kreditinstitut rechtzeitig von einer vorgezogenen Aufhebung der Überwachung erfährt. Zudem ist aus wirtschaftlicher Sicht der mögliche Sanierungserfolg eines Insolvenzplanverfahrens vorsichtig einzuschätzen. Häufig ist der Ruf eines insolventen Unternehmens derart stark beschädigt, sodass eine Fortführung des Geschäftsbetriebs nur geringe Aussichten auf einen wirtschaftlichen Erfolg mit der Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit hat. Daher ist auch eine Neukreditvergabe umsichtig zu prüfen, damit nicht weitere Abschreibungen zu den bereits verlorenen Finanzmitteln hinzukommen. Auch ein Vorrang hilft nicht weiter, wenn in der Zukunft keine Erträge erwirtschaftet werden. Finanzierung einer übertragenden Sanierung Neben der Finanzierung eines Insolvenzplanverfahrens kann der Erwerber eines insolventen Unternehmens im Rahmen einer übertragenden Sanierung die Mittelbereitstellung für die Übernahme von bestimmten Vermögensgegenständen beantragen. Der Finanzierungswunsch wird dann regelmäßig an die involvierten Gläubigerbanken herangetragen. In diesem Fall ist abzuwägen zwischen den Chancen der Erlangung eines höheren Verwertungserlöses und den Risiken der Rückführung der zusätzlichen Mittel und eines potenziellen Ausfalls künftiger Zinsansprüche. Zudem sind die Kosten der weiteren Begleitung einzupreisen, da sich das Institut nicht endgültig von dem Kreditengagement trennen kann. Eine Fortführung ist daher nur in Erwägung zu ziehen, wenn die Integration der verkauften Betriebsteile in ein neues Unternehmen gute Aussichten verspricht. Abzulehnen ist diese Lösung, wenn die Prognosen sehr unsicher sind und dem finanzierenden Kreditinstitut neben den bereits eingeplanten Abschreibungen weitere Forderungsausfälle aus der Neufinanzierung drohen.

5.4.2

Anfechtung im Insolvenzverfahren

Die das Insolvenzverfahren prägende gleichmäßige Gläubigerbefriedigung kann durch bestimmte Rechtshandlungen vor Stellung eines Insolvenzantrags, welche die Masse schmälern oder einige Gläubigergruppen benachteiligen, beeinträchtigt sein. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Insolvenzordnung im Jahr 1999 das Anfechtungsrecht verstärkt, um einen Ausgleich der Interessen zwischen den verschiedenen Gläubigern zu erreichen, eine Besserstellung Einzelner zu vermeiden und eine Anreicherung der Insolvenzmasse zu ermöglichen. Daher entfalten Anfechtungen eine Wirkung auf Rechtshandlungen, die vor der Stellung des Insolvenzeröffnungsantrags vorgenommen wurden (vgl. Kirchhof et al., 2007, S. 466 ff., Vor §§ 129 InsO, Rz. 2 ff.). Ziel der Insolvenzanfechtung ist es, Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen, die zum einen in zeitlicher Nähe zur Verfahrenseröffnung stehen und zum anderen unter Bedingungen erfolgt sind, die eine Rückgewähr an die Insolvenzmasse gerechtfertigt erscheinen lassen. Damit wird der Gleichbehandlung der Gläubiger bereits im Vorfeld der Insolvenzer-

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

337

öffnung Geltung verschafft. Das Anfechtungsrecht wird gemäß §§ 129 ff. InsO ausschließlich vom Insolvenzverwalter wahrgenommen. Es ist seine Pflicht, die relevanten Sachverhalte aufzudecken und diese Rechtshandlungen anzufechten. Eine erfolgreiche Anfechtung setzt folgende Tatbestände voraus (vgl. Dauernheim, 2008b, S. 397 ff.): 

Benachteiligung: Die Rechtshandlung führt vor oder nach Verfahrenseröffnung gemäß § 147 InsO zu einer Benachteiligung der Insolvenzgläubiger.



Zurechnungszusammenhang: Zwischen der Rechtshandlung und der Benachteiligung besteht ein besonderer zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang.



Tatbestandsvoraussetzungen: Der betreffende Vorgang erfüllt einen der in den §§ 130 bis 136 InsO genannten Tatbestände.

Anfechtungen umfassen die Bereiche der Insolvenzanfechtung aus kongruenter oder inkongruenter Deckung sowie aus unmittelbar nachteiligen Rechtshandlungen gemäß §§ 130 bis 132 InsO, der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, der Schenkungsanfechtung gemäß § 134 InsO und der Anfechtung der Besicherung oder Befriedigung von Gesellschafterdarlehen aus § 135 InsO. Die Berechnung der relevanten Fristen ist in § 139 InsO geregelt. Nachfolgende Tabelle 5.3 zeigt die maßgeblichen Zeiträume und Anfechtungsgründe. Tab. 5.3 Fristen und Anfechtungstatbestände vor Insolvenzantrag (vgl. Dauernheim, 2008b, S. 398)

Fristen der Anfechtung

Anfechtungstatbestände Anfechtung gemäß § 130 InsO und § 131 InsO

Maximal 3 Monate vor Insolvenzantrag

(Kongruente und inkongruente Deckung) Anfechtung gemäß § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen) Anfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO

Maximal 1 Jahr vor Insolvenzantrag

(Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen) Anfechtung gemäß § 136 InsO (Einlagenrückgewähr oder Erlass Verlustanteil)

Maximal 2 Jahre vor Insolvenzantrag

Anfechtung gemäß § 133 Abs. 2 InsO

Maximal 4 Jahre vor Insolvenzantrag

Anfechtung gemäß § 134 InsO

(Entgeltlicher Vertrag mit nahestehenden Personen) (Unentgeltliche Leistung) Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO

Maximal 10 Jahre vor Insolvenzantrag

(Vorsätzliche Benachteiligung) Anfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Sicherung von Gesellschafterdarlehen)

Durch die Anfechtungsmöglichkeiten und die weitreichenden Fristen sollen Vermögensverschiebungen des Schuldners oder Vollstreckungen der Gläubiger, mit der die Masse im Vorfeld des Insolvenzantrags geschmälert wurde, rückgängig gemacht werden. Für Kreditinstitute ist daher bereits in der Phase der Krise und Sanierung auf eine mögliche spätere Anfech-

338

5 Insolvenz aus Bankensicht

tung von Rechtshandlungen im Fall einer Insolvenzeröffnung zu achten. Dabei sind folgende Tatbestände von besonderer Relevanz: 

Kongruente Deckung gemäß § 130 InsO: Anfechtbar ist eine rechtliche Handlung, die dem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder eine Befriedigung gewährt hat, in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Insolvenzeröffnungsantrags des Schuldners.



Inkongruente Deckung gemäß § 131 InsO: Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die dem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung verschafft hat, die er nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte.



Unmittelbar nachteilige Rechtshandlungen gemäß § 132 InsO: Anfechtbar sind insbesondere Rechtsgeschäfte, die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligen, wenn der Schuldner zahlungsunfähig war und der Geldgeber die Zahlungsunfähigkeit kannte.

Diese möglichen Anfechtungsgründe betreffen aus Bankensicht im Wesentlichen Zahlungseingänge oder Besicherungen, die ein Institut im Vorfeld der Insolvenz erhalten hat. Mitarbeiter von Kreditinstituten sollten diese Anfechtungstatbestände kennen, um im Vorfeld bei der Vereinnahmung von Zahlungen oder der Hereinnahme von Sicherheiten geeignete Maßnahmen zu treffen, um das Risiko einer Inanspruchnahme aus einem Anfechtungsprozess zu vermeiden (vgl. Lützenrath, et al., 2006, S. 241). Voraussetzungen und Auswirkungen der Anfechtung Anfechtbar sind gemäß § 129 InsO Rechtshandlungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Weiter ist eine notwendige Bedingung für das Geltendmachen einer Anfechtung die objektive Benachteiligung der Insolvenzgläubiger. Der Nachteil muss in der Beeinträchtigung des den Gläubigern im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung haftenden Schuldnervermögens bestehen (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 519 ff., § 129 InsO, Rz. 76 ff.). Nur der Insolvenzverwalter ist zu einer Anfechtung befugt. Voraussetzung für die Durchführung der Insolvenzanfechtung ist daher zwingend die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Anfechtung bei einer Ablehnung der Verfahrenseröffnung oder eine Insolvenzanfechtung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter im Antragsverfahren sind daher regelmäßig nicht statthaft (vgl. Bauer, 2008, S. 105). Die Geltendmachung der Insolvenzanfechtung erfolgt durch Klage des Insolvenzverwalters innerhalb der Regelverjährung gemäß §§ 146 ff. InsO und §§ 195 ff. BGB. Der Beweis der Gläubigerbenachteiligung obliegt ebenfalls dem Insolvenzverwalter. Er muss darlegen, dass sich die Befriedigung der Insolvenzgläubiger im Fall des Unterbleibens der Rechtshandlung günstiger gestaltet hätte. Mit der Anfechtung wird bezweckt, eine Verkürzung der Masse, die zu einer gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger verwendet werden soll, wieder zu beseitigen. Demnach können insbesondere Zahlungen des Schuldners an einzelne Gläubiger erfolgreich angefochten werden. Dies kann Kreditinstitute beeinträchtigen, zum Beispiel wenn im Kontokorrent verrechnete Zahlungseingänge herauszugeben sind. Drittsicherheiten oder gleichwertige Leistungen und Gegenleistungen wie zum Beispiel bei einem Bargeschäft unterliegen nicht einer Anfechtung, da das Schuldnervermögen nicht betroffen oder die Bedingung einer Benachteiligung anderer Gläubiger nicht gegeben ist. Eine

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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durch einen Insolvenzverwalter erfolgreich durchgeführte Anfechtung führt nicht automatisch zur Nichtigkeit der angefochtenen Rechtshandlung. Vielmehr steht dem Insolvenzverwalter lediglich ein Anspruch auf Rückgewähr zu. Wurde beispielsweise eine zedierte Forderung erfolgreich angefochten, so ist diese zurück abzutreten. Der Rückzahlungsanspruch ist ab der Insolvenzeröffnung mit 5 % über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Von großer Bedeutung sind für Banken Anfechtungen im Zahlungsverkehr aus kongruenter Deckung gemäß § 130 InsO oder aus inkongruenter Deckung gemäß § 131 InsO. Anfechtung bei kongruenter Deckung Eine Deckung ist gemäß § 130 InsO kongruent, wenn der Gläubiger eine Besicherung oder Befriedigung erhält, auf die er einen Anspruch hatte. Dieser Anspruch kann aus einem Kreditvertrag oder einem Sicherungsvertrag begründet sein. Gemäß § 130 InsO ist eine Rechtshandlung aus kongruenter Deckung nur dann anfechtbar, wenn: 

diese Rechtshandlung in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde, der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger zu dieser Zeit Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte.



diese nach dem Insolvenzeröffnungsantrag vorgenommen wurde und der Gläubiger zur Zeit der Rechtshandlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte, beziehungsweise Kenntnis von Umständen hatte, die auf einen Antrag schließen lassen.

Im Folgenden werden die zu berücksichtigenden Tatbestandsvoraussetzungen und Fristen für eine Anfechtung aus kongruenter Deckung in Tabelle 5.4 aufgeführt. Tab. 5.4 Anfechtung bei kongruenter Deckung

Zeitraum Rückwirkung bis 3 Monate vor Insolvenzantrag (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO) Nach Insolvenzantrag (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO)

Tatbestandsvoraussetzungen Wirtschaftliche Lage Schuldner

Kenntnis Gläubiger bei Handlung

Zahlungsunfähigkeit

Zahlungsunfähigkeit

Zahlungsunfähigkeit

Zahlungsunfähigkeit oder Eröffnungsantrag

Bei der Kongruenzanfechtung kommt es somit maßgeblich auf die Kenntnis des Gläubigers an. Diese ist vom anfechtenden Insolvenzverwalter zu beweisen. Daher sind Aktenvermerke oder schriftliche Vermerke in Kredit- oder Sicherungsakten, die auf eine drohende Insolvenz hindeuten, unbedingt zu vermeiden. Anfechtbar sind in der Praxis besonders Zahlungsvorgänge und Vereinbarungen von Sicherheiten. Deshalb sollte bei einer Hereinnahme von Kreditsicherheiten der Schuldnerfirma geprüft werden, ob die Dreimonatsfrist bis zur Stellung eines Insolvenzantrags überdauert werden kann. Ob es sich bei der Verrechnung von Zahlungseingängen um einen Fall der kongruenten Deckung handelt, hängt maßgeblich davon ab, ob die Bank die Deckung zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Eine kongruente Deckung liegt vor, wenn zum Zeitpunkt des Zahlungsein-

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5 Insolvenz aus Bankensicht

gangs die bestehende Forderung der Bank fällig war. Eine Rückzahlung fälliger Forderungen verschafft daher immer eine kongruente Deckung. Handelt es sich um die Überziehung eines Kontokorrentkontos, so kann die Bank die Rückführung in den vereinbarten Kreditrahmen verlangen. Die Deckung ist als kongruent anzusehen (vgl. Obermüller, 2007, S. 704). Besteht dagegen neben dem Kontokorrentvertrag eine Kreditlinie, das heißt ein vereinbartes Limit, bis zu dem der Kunde über sein Konto verfügen kann, ist er im Rahmen der Linie nicht zum Ausgleich eines debitorischen Saldos verpflichtet, und es besteht bei Verfügungen innerhalb der Kontokorrentlinie kein fälliger Rückzahlungsanspruch der Bank. Im Fall einer unmittelbaren Insolvenzgefahr sollte in diesem Fall mit dem Schuldnerunternehmen eine ratierliche Reduzierung der Linie vereinbart oder diese Kreditlinie im Einvernehmen komplett aufgehoben werden, damit bei Verfügungen jederzeit ein fälliger Anspruch entsteht und Einzahlungen gegengerechnet werden können. Eine schriftliche Vereinbarung mit dem Schuldnerunternehmen vor einem Insolvenzantrag ist sinnvoll, wenn Zahlungseingänge auf dem laufenden Konto zu erwarten sind und diese vor einer möglichen Anfechtung zugunsten der Masse gesichert werden sollen. Auch eine Kündigung aus wichtigem Grunde ist möglich, damit ein fälliger Zahlungsanspruch besteht. Dies kann jedoch auch direkt einen Insolvenzantrag nach sich ziehen, und künftige Einzahlungen stehen dem Kreditinstitut dann gegebenenfalls nicht mehr insolvenzanfechtungsfest zu. Beispiel: Die Druck GmbH befindet sich in der Sanierungsphase. Die Ausstiegsbank AG hat der Druck GmbH eine Kreditlinie auf dem Kontokorrentkonto in Höhe von 500.000 EUR eingeräumt. Am 10. Januar weist das Konto einen Sollsaldo von 550.000 EUR mit einer nur geduldeten Überziehung von 50.000 EUR auf. Am 15. Januar erfolgt die Einzahlung eines Kunden in Höhe von 50.000 EUR, die sofort mit dem Sollsaldo verrechnet wird. Am 1. März stellt die Druck GmbH Insolvenzantrag. Es liegt ein Fall der kongruenten Deckung vor, da die Ausstiegsbank AG Anspruch auf die Rückführung der Überziehung hatte. Der Insolvenzverwalter kann diese Einzahlung nicht anfechten, es sei denn, er kann nachweisen, dass die Bank Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte. Neben den Zahlungseingängen ist auch bei der Vereinbarung von Kreditsicherheiten darauf zu achten, zu welchem Zeitpunkt sie hereingenommen werden und ob eine kongruente Gegenleistung vorliegt, damit es nicht zu einer Insolvenzanfechtung kommen kann. Unproblematisch ist die Besicherung im Fall eines Bargeschäfts. Ebenfalls scheint ein hinreichender Schutz gegeben zu sein, wenn zwischen der Besicherung und dem Insolvenzantrag mindestens ein Zeitraum von drei Monaten vergangen ist. Bei bestimmten Kreditsicherheiten wie der Globalzession haben sich in der Vergangenheit verstärkt Diskussionen über die mögliche Anfechtung aus kongruenter oder inkongruenter Deckung ergeben. Dabei wurde die Werthaltigkeit der Globalzession grundsätzlich in Frage gestellt. Problematisch für die Bewertbarkeit der Globalzession als Kreditsicherheit erweist sich das Urteil des OLG Karlsruhe vom 08.04.2005, das die potenziellen Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters betrifft. In dieser Entscheidung zieht das OLG Karlsruhe eine Parallele zwischen dem AGB-Pfandrecht der Banken und der Forderungsabtretung aufgrund eines zuvor geschlossenen Globalzessionsvertrages. Damit habe die Bank zwar aufgrund des bestehen-

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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den Globalzessionsvertrages einen Anspruch darauf, dass eine Forderung im Zeitpunkt ihres Entstehens an die Bank abgetreten wird, sie hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass gerade diese Forderung entstehe. Diese sei im Zeitpunkt der Vereinbarung der Globalzession nicht konkret vorhersehbar. Deshalb handele es sich bei der Forderungsabtretung wie beim Entstehen eines AGB-Pfandrechts um eine inkongruente Deckung. Eine inkongruente Deckung ist gemäß § 131 InsO anfechtbar. Im Ergebnis bedeutet es, dass in der Regel sämtliche Forderungen, die innerhalb der letzten drei Monate vor Insolvenzantragstellung entstanden sind, im Wege der Anfechtung zur Insolvenzmasse gezogen werden können. Der Bank verbleiben dann nur noch diejenigen Forderungen, die älter als drei Monate sind. Dies werden in aller Regel die einredebehafteten oder uneinbringlichen Forderungen sein. Zu überzeugen vermag dieses Urteil des OLG Karlsruhe nicht. Zum einen fragt sich, ob die Anforderungen an die Kongruenz nicht überspannt werden, zumal eine genaue Bestimmung der künftig abzutretenden Forderungen in der Regel unmöglich ist. Zum anderen ist hervorzuheben, dass es sich bei der Globalzession um eine revolvierende Kreditsicherheit handelt. Über die ursprünglich unmittelbar im Gegenzug zur Kreditvergabe als Bargeschäft insolvenzfest abgetretenen Forderungen lässt die Bank das Unternehmen in der Gewissheit verfügen, dass diese Forderungen durch neue Forderungen ersetzt werden. Diese Ersetzung wiederholt sich kontinuierlich bis zur Insolvenz des Unternehmens. Damit liegt eine Kette von Bargeschäften vor, wodurch die Forderungsabtretung einer Insolvenzanfechtung entzogen ist (vgl. Portisch/Bode, 2007a, S. 142 ff.). Die kontrovers diskutierte Fragestellung der Anfechtbarkeit von Forderungsabtretungen auf einer Basis von geschlossenen Globalzessionsverträgen hat mit der Entscheidung des BGH vom 29.11.2007 vorerst sein Ende gefunden (vgl. BGH vom 29.11.2007 – IX ZR 30/07). Die von einem Kreditinstitut vorgenommen Verrechnungen wären demnach nur als kongruente Deckung gemäß § 130 InsO anfechtbar. Im Gegensatz zur Anfechtung bei einer inkongruenten Deckung ist bei Annahme einer kongruenten Deckung die Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldnerunternehmens wichtige Voraussetzung (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 608, § 130, Rz. 31). Argumentiert wird, dass die Entstehung künftiger Rechte nicht von vorneherein als inkongruent angesehen werden kann, nur weil sie von Anfang an nicht genau identifizierbar waren (vgl. Dauernheim, 2008b, S. 412 ff.). Ausgeführt wird weiter, dass eine Globalzession auf dem gemeinsamen Verständnis beruht, dass der Geschäftsbetrieb fortgeführt wird und dass beide Parteien bereits bei Abschluss des Kreditsicherungsvertrags alles dafür tun werden, um die abgetretenen Forderungen bestimmbar zu machen, was für die Annahme der kongruenten Deckung ausreicht. So genügt für die Bestimmbarkeit im Rahmen des § 398 BGB die übliche Bezeichnung zur Abtretung „sämtlicher bestehender und zukünftiger Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen unsere Kunden der Anfangsbuchstaben A bis Z" (vgl. Dippmann/Jordans, 2008, S. 132 ff.). Damit hat der BGH eine sehr praxisnahe Entscheidung zugunsten der Finanzierung des Mittelstands getroffen. Denn häufig stellt dieses werthaltige Kreditsicherungsmittel für kleine und mittlere Unternehmen die einzige Möglichkeit dar Finanzmittel von Kreditinstituten zu erhalten. Mit der aktuellen Entscheidung besteht mittlerweile Rechtssicherheit für die betroffenen Banken und Unternehmen. Somit ist die Globalzession insolvenzsicher und die Hereinnahme ist den finanzierenden Banken dringend zu empfehlen.

342

5 Insolvenz aus Bankensicht

Des Weiteren ist eine Deckungsanfechtung bei Bargeschäften grundsätzlich ausgeschlossen. Die Anfechtung des Bargeschäfts scheidet aufgrund der fehlenden Gläubigerbenachteiligung aus (§ 142 InsO). Voraussetzung für ein Bargeschäft ist der in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang stehende Austausch deckungsgleicher Leistungen. Die Leistung und die bezogene Gegenleistung müssen gleichwertig sein und in einem engen wirtschaftlichen, rechtlichen und zeitlichen Bezug zueinander stehen. So liegt bei einer Neukreditvergabe, vor einem möglichen Insolvenzantrag, unter anderem zur Vorfinanzierung eines spezifischen Projekts, mit einer gleichwertigen Besicherung in Form der Abtretung einer neu entstehenden Forderung, ein Bargeschäft vor (vgl. Portisch, 2007c, S. 38 ff.). Beispiel: Die Druck GmbH befindet sich in der Sanierung. Die Gefahr einer Insolvenz ist nicht auszuschließen. Die Druck GmbH erhält einen Großauftrag der WP GmbH. Dieser soll durch die Mittelstandbank AG vorfinanziert werden. Die Vorfinanzierung umfasst im Wesentlichen den Materialeinkauf in Höhe von 200.000 EUR. Im Gegenzug wird die Abtretung der neu entstehenden Forderung des Kunden in Höhe von 220.000 EUR im Rahmen eines Einzelzessionsvertrags vorgenommen. Die Abwicklung des Auftrags scheint hinreichend gesichert zu sein, da vergleichbare Projekte von der Firma in der Vergangenheit ebenfalls erfolgreich abgearbeitet wurden. Die Druck GmbH reicht der Mittelstandsbank AG einen projektbezogenen Finanzplan ein. Die Ein- und Auszahlungen werden auf besonderen Konten separiert und die Zahlungsvorgänge anhand eines Finanzplans überwacht. In diesem Fall liegt eine kongruente Deckung zwischen der Finanzierung und der Besicherung vor, da Leistung und Gegenleistung in einem engen wirtschaftlichen, rechtlichen und zeitlichen Bezug zueinander stehen (vgl. Portisch, 2008a, S. 420 ff.). Die Gleichwertigkeit der Absicherung ist grundsätzlich gegeben, wenn der Wert der Sicherheit, unter Berücksichtigung üblicher Wertschwankungen, die Höhe des herausgelegten Kredites nicht wesentlich übersteigt. Bei der Inkongruenz der Leistung und Gegenleistung ist ein Bargeschäft dagegen stets ausgeschlossen, und das betreffenden Rechtsgeschäft oder die jeweilige Rechtshandlung sind nicht gemäß § 142 InsO der Anfechtung entzogen. Anfechtung bei inkongruenter Deckung Eine Rechtshandlung ist als inkongruente Deckung gemäß § 131 InsO anfechtbar, wenn sie dem Gläubiger eine Besicherung oder eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in dieser Art oder nicht zu dieser Zeit zu beanspruchen hatte. Dies betrifft aus Sicht der Kreditinstitute im Wesentlichen Einzahlungen oder Besicherungen. Die folgende Tabelle 5.5 zeigt die Fristen und Tatbestandsvoraussetzungen. Demnach ist eine Rechtshandlung bei inkongruenter Deckung gemäß § 131 InsO anfechtbar, wenn: 

die Handlung im letzten Monat vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bereits nach dem Insolvenzantrag vorgenommen wurde.



die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war.



die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Antrag vorgenommen wurde und dem Gläubiger die Benachteiligung des Insolvenzgläubigers bekannt war.

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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Tab. 5.5 Anfechtung bei inkongruenter Deckung

Zeitraum Rückwirkung bis 1 Monat vor Insolvenzantrag (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO) 2–3 Monate vor Insolvenzantrag (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO) 2–3 Monate vor Insolvenzantrag (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO)

Tatbestandsvoraussetzungen Wirtschaftliche Lage Schuldner

Kenntnis Gläubiger bei Handlung

Unerheblich

Unerheblich

Zahlungsunfähigkeit

Unerheblich

Unerheblich

Gläubigerbenachteiligung

In diesen Fällen ist die Anfechtbarkeit verschärft, da ein Gläubiger, der eine ihm nicht zustehende Leistung, zum Beispiel unter der Ausübung von Druck erhält, weniger schutzwürdig gegenüber demjenigen ist, dem eine kongruente Deckung gewährt wird. Daher sind Rechtshandlungen nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO innerhalb eines Monats vor dem Insolvenzeröffnungsantrag, unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des Schuldners und der Kenntnis des Gläubigers zur Zeit der Handlung, anfechtbar (vgl. Dauernheim, 2008b, S. 414 ff.). Darüber hinaus sind Rechtshandlungen anfechtbar, wenn sie im zweiten und dritten Monat vor Insolvenzeröffnung erfolgen und der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig war. Bei der Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO kommt es nicht auf die Kenntnis des Gläubigers von der Illiquidität an (vgl. Obermüller, 2007, S. 393 ff.). Es reicht das Wissen über eine Benachteiligung anderer Insolvenzgläubiger aus. Dies gilt unabhängig von der wirtschaftlichen Lage eines Schuldners, das heißt seiner Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Die Qualifizierung als kongruente oder inkongruente Deckung ist insbesondere für Zahlungseingänge bei Kreditinstituten relevant. Verwendet eine Bank Zahlungseingänge aus einer Überweisung zugunsten des Kunden zur Reduzierung des Sollsaldos auf seinem Konto oder verrechnet sie den Zahlungseingang auf einem kreditorischen Konto, dass mit einem debitorischen Konto saldiert wird, so erhält sie je nach Fälligkeit der Forderung eine kongruente oder inkongruente Deckung. Bei einer Abgrenzung zwischen Kongruenz oder Inkongruenz kommt es somit maßgeblich darauf an, ob die Bank diese Deckung zu diesem Zeitpunkt zu beanspruchen hatte. Bei der Beurteilung ist regelmäßig auf die Kreditvereinbarung mit dem Schuldner abzustellen (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 253 ff.). War der Kredit im Zeitpunkt des Zahlungseingangs bereits gekündigt, so ist die Fälligkeit hergestellt und damit die Kongruenz gegeben. Es setzt jedoch voraus, dass die Bank den Kredit wirksam und anfechtungsfrei gekündigt hat. Wurde ein Kredit innerhalb der Frist von zwei bis drei Monaten vor der Insolvenzeröffnung wirksam gekündigt, ist die nachfolgende Deckung kongruent. Wird die Kündigung dagegen erfolgreich angefochten, gilt der Kredit als ungekündigt und die Verrechnung der Zahlungseingänge als inkongruent. Eine Kündigung, die innerhalb der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag mit der besonderen Begründung einer deutlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse erfolgte, wird fast immer anfechtbar sein. Denn es ist dabei zu vermuten, dass die Bank in diesem Fall bereits Kenntnis von der schwachen wirtschaftlichen

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5 Insolvenz aus Bankensicht

Lage des Kunden hatte. Dies gilt sowohl für die ordentliche als auch für die außerordentliche Kündigung (vgl. Obermüller, 2007, S. 393 ff.). Problematisch ist es für Banken, wenn der nichtausgenutzte Teil einer Kreditlinie gekündigt werden soll. Aus Risikosicht kann dies verlockend sein, da unverzüglich eine Verminderung der Einzelwertberichtigung erreicht wird. Vorteilhaft ist es in diesem Fall, eine Vereinbarung mit dem Schuldner über eine freiwillige Reduzierung der Linie zu treffen. Im Zweifel führt diese Verkürzung jedoch gleichzeitig zur Insolvenz des Schuldnerunternehmens, wenn keine weiteren freien Kontokorrentlinien bei anderen Instituten bestehen. Somit kommt es in der Regel auf die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzantrag beziehungsweise der Benachteiligung anderer Insolvenzgläubiger an. Hat das betreffende Kreditinstitut im maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis von diesen Tatbeständen, so ist die Aufrechnung oder Verrechnung von Zahlungseingängen in der Regel anfechtbar. Hat die Bank dem Unternehmen einen Kontokorrentkredit gewährt und nimmt der Schuldner das laufende Konto innerhalb der vereinbarten Linien in Anspruch, hat das Kreditinstitut dagegen keinen fälligen Anspruch auf die Rückführung eines Sollsaldos. Einzahlungen würden der Bank nur eine inkongruente Deckung verschaffen. Eine Fälligkeit des Anspruchs ergibt sich erst bei der Vereinbarung einer Rücknahme der Kreditlinie oder einer wirksamen Kündigung (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 254 ff.). Beispiel: Die Ausstiegsbank AG hat der Druck GmbH eine Kreditlinie auf dem Kontokorrentkonto in Höhe von 500.000 EUR eingeräumt. Am 10. Januar weist das Konto einen Sollsaldo von 500.000 EUR auf. Am 15. Januar erfolgt die Einzahlung eines Kunden in Höhe von 50.000 EUR, die sofort verrechnet wird, sodass ein Sollsaldo von 450.000 EUR entsteht. Am 1. März stellt die Druck GmbH Insolvenzantrag. Hier liegt ein Fall der inkongruenten Deckung vor, da die Ausstiegsbank AG keinen Anspruch auf diese Zahlung hatte. Der Insolvenzverwalter kann diese Einzahlung wirksam anfechten. Um dies zu verhindern, hätte die Ausstiegsbank AG mit der Druck GmbH rechtzeitig eine schriftliche Vereinbarung zur Rückführung der Kreditlinie auf 450.000 EUR treffen müssen. Auch Besicherungen kurz vor dem Insolvenzantrag können inkongruent sein und der Insolvenzanfechtung unterliegen. Eine nicht zu beanspruchende inkongruente Sicherheit liegt vor, wenn der Insolvenzgläubiger kein hinreichend konkretisierbares Anrecht auf die Besicherung hatte (vgl. Kirchhof et al., 2008, S. 631 ff., § 131 InsO, Rz. 20 ff.). Dabei sind Drittsicherheiten ebenso wie Bargeschäfte nicht anfechtbar, da es an einer Gläubigerbenachteiligung fehlt. Der Anfechtung unterliegt nur die Hereinnahme von Sicherheiten aus dem Vermögen des insolventen Kreditnehmers (vgl. Dauernheim, 2008b, S. 415). Bereits die Erweiterung des Sicherungszwecks auf andere Kreditforderungen kann anfechtbar sein. Wenn daher gleichzeitig mit einem Neukredit ein bereits ausgezahlter Kredit besichert werden soll, empfiehlt sich die Vereinbarung eines festen Rangverhältnisses in der Sicherungszweckvereinbarung, sodass zunächst der Neukredit aus dem Sicherheitenerlös zurückzuführen ist. Für die neue Forderung handelt es sich dann um ein der Anfechtung entzogenes Bargeschäft, während die Besicherung der Altkredite unter Umständen anfechtbar ist. Damit Abgrenzungsschwierigkeiten von Vorneherein vermieden werden, kann zur Besiche-

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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rung der Altkredite auch der Anspruch auf Rückgewähr der betreffenden Kreditsicherheiten verwendet werden. In diesem Fall stellt der gleichwertige Austausch von Kreditsicherheiten ein Bargeschäft dar (vgl. Obermüller, 2007, S. 883 ff.). Beispiel: Die Ausstiegsbank AG droht der Druck GmbH mit der Kündigung der Kontokorrentlinie, da die wirtschaftlichen Verhältnisse sich verschlechtert haben und eine Insolvenz droht. Die Bank fordert am 20. Februar eine Sicherheitenverstärkung für die Kontokorrentlinie in Form der Abtretung einer Einzelforderung über 100.000 EUR aus einer Warenlieferung. Diese Zahlung geht am 25. Februar auf dem Konto der Ausstiegsbank AG ein. Bereits am 1. März des Jahres stellt die Druck GmbH aufgrund der Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag. Die Besicherung ist als inkongruente Deckung anfechtbar, da der Insolvenzantrag innerhalb der Monatsfrist gestellt wurde. Mit der erfolgreichen Anfechtung durch den Insolvenzverwalter wird die Forderungszession nichtig und der eingezogene Betrag muss zuzüglich Zinsen an den Verwalter zurückgezahlt werden. Somit ist auch bei der Bestellung neuer Sicherheiten auf die Einmonatsfrist beziehungsweise Dreimonatsfrist zu achten. Des Weiteren sind die formalen und materiellen Anforderungen für mögliche Anfechtungen bei Sanierungsengagements bereits im Vorfeld genau zu prüfen und gegebenenfalls mit der Rechtsabteilung abzusprechen, damit sich im Fall des Insolvenzantrags keine negativen Überraschungen ergeben. Weitere Schwierigkeiten aus Anfechtungen von Krediten und Sicherheiten können entstehen, wenn sich Banken bei Sanierungen als Gesellschafter am Krisenunternehmen beteiligen. So kann es wirtschaftlich reizvoll sein, mit dem Tragen des Sanierungsrisikos gleichzeitig an einer künftigen Werthaltigkeit der Anteile zu partizipieren. Dies kann im Rahmen eines Debt Equity Swaps oder auch durch eine Abtretung oder Verpfändung der Geschäftsanteile erfolgen. Zu beachten sind insoweit die neuen Regelungen zum Anfechtungsrecht bei Gesellschafterdarlehen. Anfechtung von Gesellschafterdarlehen Durch das MoMiG wurde das Eigenkapitalersatzrecht abgeändert, und die Regelungen zur Behandlung von Gesellschafterdarlehen einschließlich deren Rückführung und Besicherung wurden in den § 39 und § 135 InsO konzentriert. Demnach ist jedes Gesellschafterdarlehen bei Eintritt der Insolvenz nachrangig. Das Sanierungsprivileg wurde ebenfalls in die Insolvenzordnung übernommen (§ 39 Abs. 4 InsO und § 135 Abs. 4 InsO). Von diesen Regelungen werden Gesellschafter an einer GmbH und AG erfasst, die mit mehr als 10 % am Haftkapital beteiligt sind (§ 39 Abs. 5 InsO und § 135 Abs. 5 InsO). Problematisch ist jedoch, dass das Sanierungsprivileg nur einmalig bis zu einer nachhaltigen Sanierung gilt. In einer danach erneut eingetretenen wirtschaftlichen Krise bei einem Unternehmen greift diese Privilegierung nicht mehr und bestehende Darlehen und Sicherheiten fallen künftig unter die Regelungen der Insolvenzanfechtung gemäß § 135 InsO. In Ergänzung zur Ausweitung der Pflichten der Gesellschafter im Insolvenzverfahren wurde gemäß § 135 InsO in der neuen Fassung die Insolvenzanfechtung ausgeweitet und Zahlungen des Unternehmens an den Gesellschafter, die innerhalb eines Jahres vor Antragstellung erfolgen, der Anfechtung unterworfen. Zudem sind Leistungen, durch die ein Gesellschafterdarlehen besichert worden ist, innerhalb eines Zeitraums von bis zu zehn Jahren vor Stellung

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5 Insolvenz aus Bankensicht

des Insolvenzantrags anfechtbar. Anders als bisher kommt es jetzt nicht mehr darauf an, ob das Darlehen in der Krise gewährt oder stehen gelassen wurde oder nicht. Sanierungsdarlehen im Rahmen eines Privilegs sind hiervon nicht betroffen. Die Neuregelung des Anfechtungsrechts und der Verzicht auf die Tatbestandsvoraussetzung „Krise“ führen zu einer erheblichen Ausweitung der Anfechtungsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters. Somit ist jegliche Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens durch den Verwalter anfechtbar, wenn die Rückführung innerhalb eines Jahres vor Stellung des Insolvenzantrags erfolgte. Wird die Eröffnung dagegen mangels Masse abgelehnt, können die Gläubiger eigenständig Leistungen an die Gesellschafter gemäß § 6 AnfG anfechten (vgl. Lurati et al., 2009, S. 210). Des Weiteren kann das Gesellschaftervermögen in der Insolvenz weiter genutzt werden. Der Herausgabeanspruch von Vermögensgegenständen, die der Gesellschafter dem Unternehmen zur Verfügung gestellt hat, ist eingeschränkt, wenn der Gegenstand für die Fortführung in der Insolvenz von erheblicher Bedeutung ist (§ 135 Abs. 3 InsO). Somit kann bei einer Betriebsfortführung verhindert werden, dass wichtige Wirtschaftsgüter auseinander gerissen werden. Jedoch ist ein Ausgleich für den entstehenden Wertverlust und zusätzlich eine Nutzungsentschädigung zu leisten. Hierbei handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit. Im Folgenden soll die Veräußerung von Sicherheiten betrachtet werden. Beschrieben wird primär die Sicherheitenverwertung innerhalb des Insolvenzverfahrens. Dabei werden Strategien aus Sicht der absonderungsberechtigten Kreditinstitute zur Optimierung der Verwertungsprozesse und der Veräußerungserlöse in den Vordergrund der Betrachtung gestellt.

5.4.3

Verwertungen von Sicherheiten aus Bankensicht

Auch wenn die Sanierung innerhalb der Insolvenz sicherlich häufig anzustreben ist, wird in den meisten Fällen das Vermögen verwertet. Die Erlöse werden auf die verschiedenen Gläubigergruppen aufgeteilt. Banken sichern sich für den möglichen Fall einer Insolvenz antizipativ durch die Vereinbarung von Kreditsicherheiten ab. Besondere wirtschaftliche Bedeutung für Banken haben die variablen Kreditsicherheiten des Anlage- und Umlaufvermögens in Form von Sicherungsübereignungen oder Zessionen. Des Weiteren gehören Grundpfandrechte zu den werthaltigen Besicherungen. Den Banken steht im Fall der Liquidation ein Absonderungsrecht gemäß §§ 49 ff. InsO an dem Veräußerungserlös der Vermögenswerte und Rechte zu, abzüglich der vorweg zu entrichtenden Kosten für die Feststellung und Verwertung des Sicherungsguts, die an die Masse gehen (§§ 170, 171 InsO). Definition: Das Absonderungsrecht gewährt dem Gläubiger gemäß § 49 InsO die vorzugsweise Befriedigung eines Anspruchs aus einem der Masse zugehörigen Gegenstand oder Recht. Die Verwertungsbefugnis liegt gemäß §§ 165 ff. InsO grundsätzlich beim Insolvenzverwalter. In diesem Fall kommen Kostenbeiträge der Feststellung und Verwertung uneingeschränkt der Masse zu. Die Veräußerung eines Vermögensgegenstands oder Rechts kann auch durch den Gläubiger selbst erfolgen (vgl. Dauernheim, 2008a, S. 313). Bei Kreditsicherheiten werden akzessorische und fiduziarische Rechte unterschieden. Akzessorische Sicherungsrechte erfordern das Bestehen der Hauptforderung, während fiduziarische

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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Sicherheiten von einer Hauptforderung unabhängig sind (vgl. Lwowski/Merkel, 2003, S. 48). In der Praxis haben aufgrund dieser Eigenschaft insbesondere fiduziarische Sicherheiten an Bedeutung gewonnen. Wichtige Kreditsicherheiten, bei denen bewegliche Gegenstände sicherungsübereignet (§§ 929 ff. BGB), Rechte abgetreten (§§ 398 BGB) oder unbewegliche Vermögenswerte belastet (§ 1191 BGB) werden, sind: 

Sicherungsübereignungen: Übereignet werden in der Praxis genau bestimmte Gegenstände des Anlagevermögens, wie Maschinen oder Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens oder Warenlager, im Rahmen eines Raumsicherungsübereignungsvertrags.



Sicherungszessionen: Abgetreten werden einzelne Forderungen im Rahmen einer Einzelzession oder Forderungsgesamtheiten im Rahmen einer Mantel- oder Globalzession. Von Bedeutung ist, dass diese Forderungen hinreichend bestimmbar sind.



Grundpfandrechte: In der Praxis werden häufig Grundschulden bestellt. Dabei wird ein Grundstück in der Weise belastet, dass dem Begünstigten eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist und ihm ein Verwertungsrecht zusteht.

Bei der Verwertung durch den eingesetzten Insolvenzverwalter stehen den absonderungsberechtigten Kreditinstituten verschiedene Rechte zu. Dies sind unter anderem: 

Auskunftsrecht gemäß § 167 InsO: So hat der Insolvenzverwalter dem absonderungsberechtigten Kreditinstitut bei der Verwertung von beweglichem Anlagevermögen oder Rechten Auskunft über den Zustand der Sache oder des Rechts zu erteilen.



Verwertungsmöglichkeit gemäß § 168 InsO: Der Insolvenzverwalter hat dem absonderungsberechtigten Gläubiger die beabsichtigte Veräußerung mitzuteilen. Der Gläubiger kann binnen einer Woche auf eine bessere Verwertung hinweisen.



Zinsanspruch gemäß § 169 InsO: Wird ein Gegenstand vom Insolvenzverwalter nicht zeitnah verwertet, so sind dem absonderungsberechtigten Gläubiger vom Berichtstermin an die geschuldeten Zinsen aus der Masse zu zahlen.



Wertersatzanspruch gemäß § 172 InsO: Bei Nutzung des Sicherungsguts durch den Insolvenzverwalter ist der entstehende Wertverlust durch laufende Zahlungen an den absonderungsberechtigten Gläubiger auszugleichen.

Es ist in der Praxis aus Sicht der Kreditinstitute sinnvoll, mit dem Insolvenzverwalter zu kooperieren und gegebenenfalls mit ihm zu verhandeln. Auf diese Weise lassen sich Vereinbarungen zu Kostenbeiträgen erzielen, die unter den gesetzlichen Beträgen gemäß § 171 Abs. 1 und Abs. 2 InsO in Höhe von 4 % der Feststellungspauschale des Verwertungserlöses und in Höhe von 5 % für die Verwertung des Sicherungsgutes liegen. Des Weiteren sollten bankintern eigene Verwertungskompetenzen und Absatzkanäle aufgebaut werden. Es kann ein interner Verwertungsspezialist in die Sanierungsorganisation integriert werden, der Erfahrungen bei der Liquidation von Wirtschaftsgütern sammelt. Er sollte zudem Kontakte zu professionellen Verwertern aufbauen. Dies ist aus Ertragsgesichtspunkten und zur Umsetzung der MaRisk anzuraten. In MaRisk BTO 1.2.5 Tz. 5 werden Empfehlungen zur optimalen Erlöserzielung aus einer Abwicklung der Sicherheiten gegeben, um ei-

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5 Insolvenz aus Bankensicht

nen möglichst hohen Anteil der Restforderung einzutreiben. Nach MaRisk wird die Erstellung eines Abwicklungskonzeptes mit Darstellung der Sicherheiten und des geplanten Verwertungsablaufs gefordert. In den gesamten Verwertungsprozess sind qualifizierte Mitarbeiter oder externe Spezialisten einzubeziehen, da die Tätigkeiten umfangreiche Fachkenntnisse und Kontakte erfordern (vgl. Hannemann et al., 2008, S. 451 ff.). Auskunftsrechte und Gestaltungsmöglichkeiten der Banken bei Verwertungen Mit einer eigenständigen und gegebenenfalls freihändigen Verwertung lassen sich in der Regel die Kostenbeiträge für den Insolvenzverwalter senken und damit höhere Erlöse erzielen. Zudem sollte der durch den Verwalter betriebene Verwertungsprozess nicht nur passiv beobachtet werden. Vielmehr sollte aufgrund der zum Teil nicht unerheblichen Liquidationserlöse jederzeit überwacht werden, ob auch der maximale Kaufpreis erzielt wird. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Auskunftsrecht und die Nutzung der eigenen Verwertungsoptionen sind in den §§ 167 ff. InsO gesetzlich verankert. Im Folgenden werden die gesetzlichen Regelungen zur Verwertung von Sicherheiten erläutert, um aus Bankensicht Möglichkeiten der Gestaltung zur Optimierung der Verwertungserlöse aufzuzeigen. Nach dem Eröffnungsantrag werden mit den Forderungen in der Regel gleichzeitig diejenigen Sicherheiten, an denen ein Absonderungsrecht besteht, auf Basis einer Kopie des Sicherungsvertrags beim (vorläufigen) Insolvenzverwalter angemeldet. Dieser prüft zunächst, ob die Besicherung wirksam zustande gekommen ist. Zusätzlich werden die konkurrierenden Rechte wie unter anderem die Zubehörhaftung bei Grundpfandrechten oder das Vermieterund Verpächterpfandrecht in Konkurrenz zur Sicherungsübereignung, Mehrfachabtretungen sowie Kollisionen zum einfachen und verlängerten Eigentumsvorbehalt der Lieferanten, vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter begutachtet. Aus Sicht der Kreditinstitute ist es wichtig, mögliche Beeinträchtigungen des Sicherheitenwertes und der Realisierung bereits im Vorfeld einer Insolvenz zu überprüfen. Dabei sind die bestehenden Sicherheiten aufgrund der hohen Bedeutung für die Risikovorsorge regelmäßig auf formale und materielle Komponenten zu kontrollieren. Ergeben sich mögliche Werteinbußen, sollte versucht werden, diese vertraglich zu heilen oder es sind Wertabschläge mit einem Sicherheitenstresstest vorzunehmen. Zudem sind in einer Insolvenz alle Möglichkeiten zu nutzen, um das Sicherungsgut optimal zu verwerten. Die Bank kann als Sicherungsnehmerin den Insolvenzverwalter rechtzeitig über eine bessere Verwertungsmöglichkeit informieren (vgl. Wegmann, 2009, S. 86 ff.). Die Optimierung der Verkaufserlöse kann durch die aktive Aufnahme einer Investorensuche oder die Initiierung von Auktionen im eigenen Kundenkreis erfolgen (vgl. Fröhlich/Sitter, 2009, S. 378 ff.). Zudem ist auf die zeitnahe Auskehrung der Sicherheitenerlöse durch den Insolvenzverwalter zu achten. Die Kostenbeiträge sind möglichst gering zu halten, indem unter anderem in den Veräußerungsprozess aktiv eingegriffen und mit dem Insolvenzverwalter eine individuelle Verwertungsvereinbarung getroffen wird. Dies gilt ebenfalls für Verwertungen im Sicherheitenpool. So kann die Poolführerin eine Regelung zu den Kostenbeiträgen mit dem Insolvenzverwalter treffen und laufend Informationen über den Stand der Verwertung an die weiteren Poolpartner weitergeben. Nachfolgend werden zunächst Veräußerungen von Sachsicherheiten im beweglichen Vermögen des Schuldnerunternehmens untersucht.

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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Verwertung von Wirtschaftsgütern aus einer Sicherungsübereignung Das Sicherungseigentum besteht an Wirtschaftsgütern des Anlage- oder Umlaufvermögens. Dies können im Anlagevermögen zum Beispiel Maschinen, Kraftfahrzeuge oder Betriebsund Geschäftsausstattung sein. Im Umlaufvermögen werden Rohstoffe, halbfertige Erzeugnisse und Fertigfabrikate zur Sicherung übereignet. Auch Übereignungen von Sachgesamtheiten in Form von Rohstoffen oder Warenlagern mit wechselndem Bestand sind in der Praxis üblich. Die Bank erwirbt aufgrund des Sicherungsübereignungsvertrages ein vollwertiges bürgerlich-rechtliches Eigentum (vgl. Lwowski/Merkel, 2003, S. 92 ff.). Verfügungen über das Sicherungsgut sind nur im Rahmen der getroffenen Sicherungsvereinbarung gestattet. Es handelt sich um ein von der Praxis entwickeltes treuhänderisches Sicherungsrecht. Wichtig ist bei jeder Übereignung die Bestimmtheit der zu übereignenden Sache. Die Individualisierung lässt sich bei Maschinen unter anderem aufgrund eines bestimmten Merkmals wie der Fabriknummer erreichen. Des Weiteren können die zur Sicherung übereigneten Gegenstände markiert werden. Bei einer Übereignung von Sachgesamtheiten wird in der Regel ein Raumsicherungsvertrag geschlossen. Die Individualisierung wird dann durch eine räumliche Abgrenzung erreicht. Dem Sicherungsvertrag wird zum Beispiel eine Lageskizze beigefügt, in der das betreffende Gebiet farblich hervorgehoben wird. Wichtig ist, dass eine Individualisierung der Vermögensgegenstände aus dem Sicherungsvertrag hervorgeht. Verwertung von beweglichen Sachen im Besitz des Insolvenzverwalters Im eröffneten Verfahren steht dem Insolvenzverwalter grundsätzlich das Verwertungsrecht des Schuldnervermögens zu. Dies gilt auch hinsichtlich sicherungsübereigneter Gegenstände. Voraussetzung ist gemäß § 166 Abs. 1 InsO, dass der Insolvenzverwalter die bewegliche Sache im Besitz hat. Bevor der Insolvenzverwalter mit der Veräußerung der Wirtschaftsgüter beginnen kann, hat er einer absonderungsberechtigten Bank mitzuteilen, auf welche Weise die betreffenden Gegenstände verwertet werden sollen (§ 168 Abs. 1 InsO). Die Bank sollte im Gegenzug alternative Verwertungsmöglichkeiten prüfen. Sie kann den Insolvenzverwalter binnen einer Woche auf eine bessere Veräußerungsoption hinweisen. Gerade bei fungiblen Wirtschaftsgütern wie Fahrzeugen sollten die Feststellung des Wertes und die Möglichkeiten alternativer Verkäufe über professionelle Verwerter oder eigene Auktionen, gegebenenfalls im Kundenkreis, überprüft werden. Im Fall einer Verwertung durch den Insolvenzverwalter entstehen nach der Insolvenzeröffnung verschiedene Kostenbeiträge: 

Feststellungskosten gemäß § 171 Abs. 1 InsO: Diese Kostenpauschale in Höhe von 4 % des Bruttoerlöses dient zur Feststellung des Absonderungsrechts. Abgedeckt werden Kosten für die Klärung konkurrierender Rechte oder Verkehrswertgutachten.



Verwertungskosten gemäß § 171 Abs. 2 InsO: Diese Pauschale in Höhe von 5 % des Bruttoerlöses macht der Insolvenzverwalter für die eigentliche Verwertung geltend. Abgegolten wird der Aufwand für die Durchführung des Veräußerungsprozesses.



Umsatzsteuer gemäß § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO: Vom Erlös sind 19 % Umsatzsteuer zu entnehmen, sofern durch die Verwertung solche Lasten zur Masse ausgelöst werden. Berechnungsgrundlage ist der Bruttoerlös vor Abzug der Kostenbeiträge.

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5 Insolvenz aus Bankensicht

Dabei ist es von Relevanz, zu welchem Zeitpunkt und durch wen die Wirtschaftsgüter veräußert werden. Bereits vor dem Insolvenzantrag kann ein Kreditinstitut eine Sicherheit verwerten. Voraussetzung ist, dass entweder der Gläubiger freiwillig zustimmt oder bereits ein fälliger Anspruch aus einer Forderung und dem zugehörigen Sicherungsrecht besteht. Bei diesen Verwertungen fallen keine Kostenbeiträge an und lediglich die Umsatzsteuer ist abzuführen. Im eröffneten Insolvenzverfahren sind dagegen zusätzlich Kostenpauschalen auf den Erlös an die Masse zu entrichten und schmälern den Sicherheitenerlös. Beispiel: Der Insolvenzverwalter der Druck GmbH i. I. veräußert eine sicherungsübereignete Maschine an einen Dritten. Der Erlös beläuft sich auf brutto 119.000 EUR. Darin sind 19.000 EUR Mehrwertsteuer enthalten. Zudem zieht der Verwalter Kostenpauschalen für die Feststellung in Höhe von 4 % (4.760 EUR) und für die Verwertung von 5 % (5.950 EUR) auf den Bruttoerlös von 119.000 EUR ab. Er zahlt somit einen Betrag von 89.290 EUR an die absonderungsberechtigte Mittelstandsbank AG aus. Auch die Verwertung durch Eintritt des Gläubigers ist bei einer günstigen Verwertungsalternative durch ein Kreditinstitut möglich. Der absonderungsberechtigte Gläubiger kann von seinem Eintrittsrecht gemäß § 168 Abs. 3 InsO Gebrauch machen und dem Insolvenzverwalter das betreffende Wirtschaftsgut abkaufen. Der Gläubiger wird damit auch wirtschaftlicher Eigentümer. Dieser Verkaufsprozess löst allerdings eine doppelte Umsatzsteuerzahlung aus, zum einen beim Verkauf durch den Insolvenzverwalter zum anderen bei der Weiterveräußerung durch die Bank an einen Dritten. Dieser Fall wird jedoch eine Ausnahme darstellen, da die Verwertung in der Regel für Banken sehr aufwendig ist (vgl. Obermüller, 2007, S. 1044). Auch die Freigabe eines Sicherungsguts kann durch den Verwalter gemäß § 170 Abs. 2 InsO erfolgen. Diesen Weg wird der Insolvenzverwalter in der Regel nur dann gehen, wenn er von dem Sicherungsgut mehr Schaden als Nutzen erwartet. Wird bewegliches Anlagevermögen durch den Insolvenzverwalter bei einer Betriebsfortführung weiter verwendet, sind dem gesicherten Gläubiger gemäß § 169 InsO ab dem Berichtstermin die laufenden Zinsen aus der Insolvenzmasse für diese Nutzung zu zahlen. Darüber hinaus hat der Insolvenzverwalter den durch eine Nutzung entstandenen Wertverlust mit laufenden Zahlungen auszugleichen (§ 172 Abs. 1 InsO). Allerdings darf der Insolvenzverwalter eine Sache verbinden, vermischen oder verarbeiten, wenn dadurch die Sicherung des Gläubigers nicht beeinträchtigt wird (§ 172 Abs. 2 InsO). Dies gilt in erster Linie für Gegenstände des Umlaufvermögens wie Rohstoffe und Halbfabrikate. Hier kann durch eine Weiterverarbeitung unter Umständen ein erheblicher Mehrwert geschaffen werden. Das Verwertungsrecht am Vorratsvermögen, an dem die Bank aus einem Raumsicherungsübereignungsvertrag ein Absonderungsrecht hat, steht dem Insolvenzverwalter zu, wenn er die Sache in Besitz genommen hat (§ 166 InsO). Die Verwertung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens durch den Insolvenzverwalter ist meist sinnvoll, da der Aufwand bei der Veräußerung sehr hoch ist. Zudem sind mögliche Kollisionen mit dem Vermieterpfandrecht oder Abgrenzungsprobleme mit den Lieferanten und Kreditversicherern aus einem verlängerten Eigentumsvorbehalt zu klären (Lützenrath et al., 2006, S. 267 ff.). Es ist daher der Regelfall, dass dem Insolvenzverwalter der Verwertungsprozess überlassen bleibt.

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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Verwertung von sicherungsabgetretenen Forderungen Entsprechend der Übereignung von beweglichen Sicherheiten des Anlage- oder Umlaufvermögens können auch Forderungen und andere Rechte zur Sicherung gemäß §§ 398 ff. BGB abgetreten werden. Die Sicherungsabtretung hat im Wirtschaftsleben eine große Bedeutung. Die Zession kann dem Drittschuldner als offene Zession angezeigt werden. Üblich ist jedoch die stille Zession. Diese Sicherungsabtretung gibt dem Sicherungsnehmer ein fiduziarisches Recht, das heißt er erhält die volle Inhaberschaft an der Forderung. Er ist allerdings aus dem Sicherungsvertrag dazu verpflichtet, die im Vertrag getroffenen Vereinbarungen zu beachten (vgl. Lwowski/Merkel, 2003, S. 105 ff.). In der Praxis werden häufig Einzelforderungen aus Lieferung und Leistung oder aus Ansprüchen aus Kapitallebensversicherungen im Rahmen eines Einzelzessionsvertrags abgetreten. Des Weiteren können auch Forderungsgesamtheiten bei einer Globalzession abgetreten werden. Wichtig für die Identifizierbarkeit ist, dass die betreffenden Forderungen für einen Dritten hinreichend bestimmbar sind. Auch künftige Forderungen können in ihrer Gesamtheit abgetreten werden, wenn das Kriterium der Bestimmbarkeit erfüllt ist. Dabei ist die Person des Drittschuldners und sowohl der Rechtsgrund als auch der Umfang der Forderung näher zu umschreiben (vgl. Lwowski/Merkel, 2003, S. 113 ff.). Insbesondere Globalzessionen sollten aufgrund der Werthaltigkeit mit der Hereinnahme von Forderungslisten stetig überwacht und damit auch „gelebt“ werden. Die Forderungsaufstellungen sind auf uneinbringliche und im Wert zu berichtigende Forderungen zu überprüfen. Zudem können auch Ansprüche aus Lebensversicherungen abgetreten werden. Besonders Abtretungen der Ansprüche aus Kapitallebensversicherungen haben eine wirtschaftliche Bedeutung. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass diese Abtretung erst wirksam wird, wenn sie der Lebensversicherungsgesellschaft schriftlich angezeigt wurde. Eine stille Zession ist in diesem Fall nicht möglich. Verwertung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen Mit der Kündigung des Engagements in der Krise oder Insolvenz ist zu prüfen, ob die gesicherte Bank die Abtretung gegenüber den Drittschuldnern offenlegen oder die abgetretene Forderung still vereinnahmen sollte. Für Forderungen, die bis zur Eröffnung des Verfahrens durch Zahlungseingang realisiert werden, sind keine Kostenbeiträge an den vorläufigen Insolvenzverwalter auszukehren. Somit steht ein Kreditinstitut besser dar, wenn es die Forderungen selbst einzieht. Jedoch kann die frühe Offenlegung eine Rufschädigung verursachen und künftige Sanierungsbemühungen zunichte machen. Im Verwertungsfall muss das Kreditinstitut beachten, dass es dem Finanzamt gemäß § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG für die noch nicht abgeführte Umsatzsteuer haftet (vgl. Portisch/Bode, 2007a, S. 145 ff.). Aus Sicht des Kreditinstituts ist zu prüfen, in welcher Höhe die Außenstände noch eingehen werden. Es ist ein Stresstest zur Bewertung der Sicherheitenposition nach dem Insolvenzantrag wichtig (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 269 ff.). Bei einem Forderungseinzug durch das Kreditinstitut im Eröffnungsverfahren kann der vorläufige Insolvenzverwalter keine Kostenbeiträge verlangen. Somit sollte ein Institut unter Berücksichtigung des Aufwands erwägen, die Forderungen auf einem separaten Sicherheitenerlöskonto selbst einziehen. Es ist zu prüfen, ob eine Offenlegung nach dem Insolvenzantrag vorgenommen werden sollte. Im Zweifel werden die Drittschuldner Einreden geltend machen, oder der Zahlungswille erlahmt. Mit der

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5 Insolvenz aus Bankensicht

Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Verwertungsrecht gemäß § 166 Abs. 2 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Wurde die Verwertung der Forderungen durch die Bank bereits eingeleitet, ist eine Absprache zur Fortsetzung der Beitreibung mit dem Verwalter zur Erreichung des optimalen Erlöses sinnvoll (vgl. Obermüller, 2007, S. 1022 ff.). Beispiel: Die Ausstiegsbank AG hat vor der Verfahrenseröffnung bei der Druck GmbH mit dem Forderungseinzug begonnen. Es ist eine Einzelforderung von 119.000 EUR auf dem Sicherheitenerlöskonto der Bank eingegangen. In diesem Fall sind keine Kostenpauschalen zu bezahlen, da die Bank den Erlös selbst erzielt und betrieben hat. Jedoch ist die Umsatzsteuer in Höhe von 19.000 EUR abzuführen. Der Bank verbleibt somit ein Betrag von 100.000 EUR. Wenn der Drittschuldner erst nach Verfahrenseröffnung an den Gläubiger zahlt, steht dem Insolvenzverwalter lediglich ein Anspruch auf die Feststellungskosten in Höhe von 4 % auf den erzielten Erlös zu. Wenn der Insolvenzverwalter die Forderung nach der Insolvenzeröffnung selbst offenlegt und vereinnahmt, kann er die Kostenpauschalen für die Feststellung in Höhe von 4 % und für die Verwertung von 5 % auf den Bruttoerlös vollständig für die Insolvenzmasse geltend machen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO zum Forderungseinzug ermächtigen und gleichzeitig den Sicherungsgläubigern den Forderungseinzug untersagen kann. Leistet ein Drittschuldner dennoch in Kenntnis der Einzugsermächtigung des vorläufigen Verwalters an diesen, so hat er nicht mit schuldbefreiender Wirkung geleistet. Gleiches gilt für die Zahlung an den Insolvenzverwalter nach erfolgter Verfahrenseröffnung. Nach der Insolvenzverfahrenseröffnung wird der Verwalter aufgrund der Kostenbeiträge für die Masse und des meist geringen Aufwands nicht auf die Verwertung von Forderungen verzichten. Bei kleinen Einzelforderungen werden Kreditinstitute meist kein Interesse an einer eigenhändigen Verwertung haben. Aus dem Verwertungserlös fließen gemäß § 171 InsO 4 % für die Feststellung und 5 % für die Verwertung der Masse zu. Die Feststellung umfasst den Aufwand für die Prüfung auf Kollisionen mit anderen Sicherungsrechten. Die Verwertungspauschale ist ein Entgelt für den Aufwand des Forderungseinzugs beispielsweise über den Aufbau des Mahnwesens. Auch in diesem Fall gilt, dass eine individuelle Vereinbarung über die Kostenbeiträge mit dem Verwalter getroffen werden kann. Gerade wenn der Aufwand für die Betreibung der Forderungen deutlich geringer ausfällt, ist aus Sicht der Bank eine Reduzierung der Verwertungspauschalen anzustreben (§ 171 Abs. 2 Satz 2 InsO). Verwertung von Ansprüchen aus kapitalbildenden Lebensversicherungen Bei der Verwertung von Kapitallebensversicherungen kommt aus Sicht der Kreditinstitute die weitere Besparung und Fortführung der Verträge in Betracht. Alternativ besteht die Möglichkeit der Beitragsfreistellung, der Kündigung oder des Verkaufs. Dabei sind die Aussichten der Generierung des höchsten Erlöses zu prüfen. Die weitere Besparung von Lebensversicherungen für einen Kreditnehmer in der Krise durch ein Kreditinstitut wird in der Praxis eine Ausnahme darstellen. So stellt sich die Frage, ob eine Bank in der Krise des Kreditnehmers bereit sein wird, das Obligo zu eigenen Lasten über die Prämienbezahlung weiter auszudehnen. Dies wird nur Fälle betreffen, bei denen die abgetretene Lebensversicherung be-

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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reits lange Zeit läuft und der Auszahlungszeitpunkt nicht mehr in weiter Ferne ist. Zudem sollte ein erheblicher Vorteil aus der Überschussbeteiligung erwartet werden können. Dies ist bei der Versicherungsgesellschaft in Erfahrung zu bringen. Stellt der Kreditnehmer einen Insolvenzantrag, wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Dieser ist grundsätzlich zur Fortführung des schuldnerischen Unternehmens verpflichtet. Allerdings wird er nur diejenigen Ausgaben tätigen, die für die Betriebsfortführung unbedingt notwendig sind. Die Beiträge zu einer Kapitallebensversicherung des Schuldners, die zudem an eine Bank abgetreten ist, werden in der Regel nicht dazu gehören. Möchte das Kreditinstitut die volle Kapitalsumme aus der Lebensversicherung erhalten, so muss es selbst für eine Beitragszahlung in dieser Verfahrensphase Rechnung tragen. Dies wird in aller Regel nur dann geschehen, wenn aus der Überschussbeteiligung der Lebensversicherung ein deutlich höherer Anstieg des Rückkaufswertes im Vergleich zu den eingezahlten Beiträgen zu erwarten ist. Alternativ ist eine Beitragsfreistellung ohne Prämienzahlungen möglich. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann die Bank die abgetretene Lebensversicherung durch Kündigung selbst verwerten, wenn der Sicherungsfall eingetreten ist. Veräußert die Bank die Sicherheit im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens, so ist der vorläufige Insolvenzverwalter nicht dazu berechtigt, Verwertungsbeiträge zu verlangen. Das Insolvenzgericht kann jedoch ein Verwertungs- und Einziehungsverbot bereits im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens gegenüber dem Gläubiger und damit der Bank als Inhaberin des Anspruchs auf den Rückkaufswert erlassen. War früher die Kündigung der Lebensversicherung im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens durch das Kreditinstitut noch möglich, kann die Verwertung jetzt bei Erlass eines entsprechenden Beschlusses durch das Insolvenzgericht ausgeschlossen werden. Existiert ein derartiger Beschluss, der den vorläufigen Insolvenzverwalter zur Einziehung der Lebensversicherung ermächtigt, so kann er auch die vollen Verfahrenskostenbeiträge aus der Verwertung verlangen. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist grundsätzlich der Insolvenzverwalter zur Verwertung des Lebensversicherungsvertrages berechtigt. Dem Kreditinstitut als Abtretungsinhaber steht lediglich ein Absonderungsrecht an dem aus der Verwertung der Versicherung erzielten Erlös zu. Ferner ist der Insolvenzverwalter dazu berechtigt, Verfahrensbeiträge zu verlangen. Dabei ist zwischen dem Feststellungsbeitrag und dem Verwertungsbeitrag zu unterscheiden. Der Feststellungsbeitrag gemäß § 171 Abs. 1 InsO in Höhe von 4 % des erzielten Erlöses ist eine aufwandsunabhängige Pauschale. Mit dieser wird der Aufwand des Insolvenzverwalters abgegolten, die Wirksamkeit der Abtretung der Lebensversicherung zu überprüfen. Hier besteht für die Kreditinstitute in der Regel kein Verhandlungsspielraum. Etwas anderes gilt jedoch für den Verwertungsbeitrag nach § 171 Abs. 2 InsO. Der Gesetzgeber hat hier eine Pauschale von 5 % des erzielten Erlöses für angemessen erachtet, soweit nicht der tatsächliche Aufwand erheblich höher oder niedriger ausfällt. Da sich die Verwertung eines Lebensversicherungsvertrages zumeist auf die Versendung des Kündigungsschreibens beschränkt, besteht hier die Möglichkeit für das Kreditinstitut, unter Hinweis auf diesen geringen Aufwand, den Kostenbeitrag erheblich zu senken. Hat der Insolvenzverwalter dem Kreditinstitut diese Abwicklung überlassen, so besteht kein Anspruch auf Zahlung des Verwertungsbeitrags. Bei der Auflösung einer Kapitallebensversicherung durch

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5 Insolvenz aus Bankensicht

Kündigung des Vertrages existieren dann jedoch meist keine Ansprüche auf den möglichen Schlussbonus in Gestalt der Überschussbeteiligung. Als Alternative kann daher die Veräußerung auf einem Zweitmarkt erfolgen. Der Aufkäufer führt die Versicherung weiter fort und erhält die komplette Ablaufleistung. Wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ist zunächst zu prüfen, ob diese Position durch das Insolvenzgericht als schwacher oder starker vorläufiger Insolvenzverwalter ausgestaltet wurde. Wurde ein schwacher Insolvenzverwalter bestellt, kann die Veräußerung der Lebensversicherung durch den Kreditnehmer nur mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgen. Ist die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis komplett auf den starken Insolvenzverwalter übergegangen, kann dieser bereits im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens die Veräußerung allein vornehmen. In beiden Fällen wird der vorläufige Insolvenzverwalter zu diesen Verkäufen nur dann bereit sein, wenn er einen Betrag für die spätere Insolvenzmasse erhält. Dessen Höhe kann sich an den nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichtenden Verfahrenskostenbeiträgen orientieren. Im Rahmen des eröffneten Insolvenzverfahrens kann die Veräußerung durch den Insolvenzverwalter allein vorgenommen werden. Er wird die Veräußerung nur gegen Zahlung entsprechender Beiträge an die Insolvenzmasse durchführen. Unter Umständen wird er auch eine Beteiligung an dem durch die Zweitmarktverwertung generierten Mehrerlös verlangen. Fraglich ist, ob der Insolvenzverwalter diese Handlungsoption prüfen und den Verkauf der Lebensversicherung vornehmen muss. Dabei besteht grundsätzlich die Pflicht für einen Insolvenzverwalter, die Vermögensgegenstände der Masse möglichst gewinnbringend zu veräußern. Vor diesem Hintergrund ist der Insolvenzverwalter haftbar zu machen, wenn er sich grundlos weigert, die Versicherung zu veräußern. Erhält die Masse die höheren Verfahrensbeiträge aus einem Erlös, spricht viel dafür, von einer Veräußerungspflicht des Insolvenzverwalters auszugehen (vgl. Portisch/Seidel, 2007e, S. 542 ff.). Verwertung von beweglichen Wirtschaftsgütern und Forderungen im Zeitablauf Vor Insolvenzantrag steht dem verwertenden Gläubiger der Nettoerlös des Sicherungsguts oder der Forderung abzüglich der zu zahlenden Umsatzsteuer zu. Nach dem Insolvenzantrag ist im Eröffnungsverfahren danach zu unterscheiden, wer den Verkauf einer Sache durchführt oder den Forderungseingang realisiert. Zahlt der Drittschuldner beispielsweise vor der eigentlichen Insolvenzeröffnung auf das Sicherheitenerlöskonto des absonderungsberechtigten Gläubigers ein, so schuldet dieser keine Feststellungs- und Verwertungspauschale an die Masse. Wird der Forderungseinzug durch den vorläufigen Verwalter vorgenommen, wird er die Feststellungs- und Verwertungspauschale für die Masse verlangen. Nach Insolvenzeröffnung wird der Insolvenzverwalter bewegliche Sachen in seinem Besitz und Forderungen verwerten und neben den Feststellungskosten von 4 % auch die zusätzliche Verwertungskostenpauschale von 5 % auf den Erlös geltend machen. Wenn der Drittschuldner nach Verfahrenseröffnung auf eine abgetretene Forderung an den Gläubiger zahlt, steht dem Insolvenzverwalter nur ein Anspruch auf die Feststellungspauschale für die Prüfung der Wirksamkeit des Absonderungsrechts zu. Die Verwertungskostenpauschale kann er dagegen nicht verlangen. Dies gilt ebenfalls, wenn der Insolvenzverwalter dem Gläubiger die Sache zur Verwertung überlässt. Auch in diesem Fall steht ihm nur die Feststellungspauschale von

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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4 % für die Masse zu (vgl. Obermüller, 2007, S. 1037 ff.). Der Insolvenzverwalter kann jedoch geltend machen, dass die Zahlung nicht mit schuldbefreiender Wirkung erfolgt ist und vom Drittschuldner erneut die Zahlung verlangen. Dies wird dann in der Praxis in der Regel dazu führen, dass das Kreditinstitut von dieser vereinnahmten Forderung die verlangten Kostenbeiträge an den Insolvenzverwalter abführt. Die Kosten der Verwertung setzen sich zusammen aus dem Aufwand für die Vorbereitung und den Kosten für die Durchführung der Veräußerung. Liegen die Kosten für den Verwertungsvorgang erheblich über oder unter dem Pauschalbetrag von 5 % so sind gemäß § 171 Abs. 2 Satz 2 InsO die tatsächlichen Kosten zu bezahlen (vgl. Seidel, 2006, S. 502 ff.). Kosten für die Erstellung eines Verkehrswertgutachtens gehören nicht dazu. Diese zählen zu den Feststellungskosten und sind bereits mit der Pauschale von 4 % abgedeckt. Aus Sicht der absonderungsberechtigten Banken ist der tatsächliche Aufwand der Veräußerung kritisch zu überprüfen. Bei fungiblen Wirtschaftsgütern und Forderungen kann ein erhebliches Missverhältnis zwischen dieser Pauschale und dem Verwertungsaufwand bestehen. Es kann daher mit dem Insolvenzverwalter eine Einigung zur Senkung dieser Kosten getroffen werden. Mit Blick auf die Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der entstehenden Kosten empfiehlt es sich, eine Verwertungsvereinbarung zu treffen, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden. Die nachfolgende Abbildung 5.11 zeigt die Verwertung im Zeitablauf.

Verwertung von beweglichen Sachen und Forderungen Zahlungseingang beim bzw. Verwertung durch: Gläubiger

Vor Insolvenzantrag

Keine Kostenbeiträge 19 % Umsatzsteuer

(vorläufigen) Insolvenzverwalter

Im Antragsverfahren

Nach Insolvenzeröffnung

Keine Kostenbeiträge 19 % Umsatzsteuer

4 % Feststellungskosten 19 % Umsatzsteuer

(4 % Feststellungskosten) (5 % Verwertungskosten) 19 % Umsatzsteuer

4 % Feststellungskosten 5 % Verwertungskosten 19 % Umsatzsteuer

Abb. 5.11 Verwertungsbeiträge vor der Insolvenz, im Antragsverfahren und im Insolvenzverfahren

Werthaltige Sicherheiten bestehen ebenfalls an von Kreditinstituten belasteten Objekten. Die Verwertung von Grundstücken und Gebäuden kann im eröffneten Insolvenzverfahren durch den Grundpfandrechtsgläubiger über eine Zwangsversteigerung oder durch den Insolvenzverwalter über einen freihändigen Verkauf betrieben werden. Auch eine (kalte) Zwangsverwaltung kann als Übergangslösung wirtschaftlich geeignet sein, um zwischenzeitlich Mieterlöse zu erzielen und ein Objekt in seinem Zustand zu erhalten. Grundlage dieser verschiedenen Formen von Verwertungshandlungen ist aus Sicht des Kreditinstituts die Belastung mit einem Grundpfandrecht in Form einer Grundschuld oder Hypothek.

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5 Insolvenz aus Bankensicht

Verwertung von Grundpfandrechten an Grundstücken Grundschulden und Hypotheken gehören zur Klasse der Grundpfandrechte. Dabei haben sich Grundschulden aufgrund der fehlenden Akzessorietät als ein praxisnahes Sicherungsmittel erwiesen. So wird bei einer Grundschuld gemäß § 1191 BGB das Grundstück in der Weise belastet, dass an den Begünstigen eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu zahlen ist. Der zu besichernden Forderung bedarf es nicht (vgl. Lwowski/Merkel, 2003, S. 116 ff.). Die Grundschuld wird mit dem Geldbetrag der Forderung und einem Zinssatz im Grundbuch eingetragen. Zudem wird der Inhaber einer Grundschuld genannt. Gegebenenfalls wird über die Grundschuld ein Brief erstellt. Jedoch haben sich in der Praxis aufgrund des erhöhten Aufwands zumeist Buchgrundschulden durchgesetzt. Belastet wird durch die Grundschuld nicht nur das Grundstück, sondern auch die wesentlichen Bestandteile des Grundstücks gemäß §§ 93 ff. BGB und das Zubehör (§ 97 BGB). So fallen unter Umständen auch sicherungsübereignete Gegenstände in diesen Haftungsverbund. Wesentlich dafür ist, ob die Sicherungsübereignung vor der Verbringung auf das Grundstück vorgenommen wurde. Damit ist auch die Zubehörhaftung von wirtschaftlicher Bedeutung für den Grundpfandrechtsgläubiger und durch diesen oder den Insolvenzverwalter bei möglichen Kollisionen mit anderen Sicherungsrechten unbedingt zu prüfen. Verwertung unbeweglicher Vermögensgegenstände Die Verwertung von Grundstücken und Gebäuden kann auf verschiedene Arten erfolgen. Bei den Verkaufsoptionen spielen die Marktsituation und die laufenden Erträge aus dem betreffenden Objekt eine Rolle. Folgende Alternativen sind gegeneinander abzuwägen: 

Freihändige Verwertung: In diesem Fall wird das Objekt am Markt frei veräußert. Die Erlösverteilung erfolgt mit Treuhandaufträgen gegen die Abgabe der Löschungsbewilligungen. Die Vergütungen für den Makler und den Insolvenzverwalter sind zu regeln.



Zwangsverwaltung: Hier bleibt einem Schuldner zwar das Eigentum erhalten, aber das Nutzungsrecht und die Verwaltung werden ihm entzogen. Die Befriedigung der Gläubiger erfolgt aus der weiteren Nutzung des Grundstücks über die Mieterträge.



Zwangsversteigerung: Die Beantragung einer Zwangsversteigerung erfolgt aus einem vollstreckbaren Titel. Dieser kann unter anderem in einer vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde bestehen. Das Verfahren ist stark formalisiert.

Absonderungsberechtigte Gläubiger haben in der Regel ein starkes Interesse an einer zeitnahen Verwertung von Sicherheiten, um mit dem Erlös die wertberichtigte Forderung zu reduzieren, die Restforderung auszubuchen und den Fall abzuschließen. Gerade Verwertungen von Immobilien binden meist erhebliche Personalkapazitäten, da sich der endgültige Verkauf häufig stark verzögert. Des Weiteren bestehen vielfältige Risiken, die den Wert der Objekte beeinträchtigen können. Zusätzlich fallen Kosten unter anderem für die Heizung in den Wintermonaten an. Im Gegenzug kann der Insolvenzverwalter das Interesse haben, den Verkauf, beispielsweise der Firmenimmobilie, zeitlich hinaus zu schieben, um die Möglichkeiten einer Fortführung mit Insolvenzplan oder einer übertragenden Sanierung zu nutzen. In diesem Fall hat er jedoch einen Ausgleich für den Wertverlust und die Nutzung an die absonderungsbe-

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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rechtigten Gläubiger zu entrichten. Wichtig ist es aus Sicht der Banken, dass eine gute Kommunikation mit dem Insolvenzverwalter stattfindet, damit über ein gleichgerichtetes Handeln im Ergebnis ein optimaler Verwertungserlös oder als Alternative hohe laufende Einnahmen aus der Vermietung des Objektes erzielt werden. Bei einer guten Vermarktungsmöglichkeit ist eine freihändige Verwertung von Grundstücken und Immobilien zu bevorzugen, da auf diese Weise grundsätzlich ein höherer Verwertungserlös erzielt werden kann. Daher empfiehlt sich eine frühzeitige Kontaktaufnahme zum Schuldner oder (vorläufigen) Insolvenzverwalter. Im Eröffnungsverfahren ist für den Verkauf die Mitwirkung des Schuldners notwendig. Jedoch wird dieser häufig aus persönlichen Gründen nicht zu einer freihändigen Veräußerung bereit sein. In diesem Fall ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzuwarten. Auf diese Weise kann der Insolvenzverwalter den freihändigen Verkauf der Betriebsimmobilie vornehmen. Jedoch kann auch der starke vorläufige Verwalter über das Eigentum eines Insolvenzschuldners verfügen. Eine freihändige Verwertung im Antragsverfahren ist möglich. Im eröffneten Verfahren ist der Insolvenzverwalter berechtigt, ein Grundstück oder Objekt des insolventen Unternehmens zu verwerten. Wichtig ist es aus Bankensicht, sich rechtzeitig einen Interessenkreis für die Immobilie aufzubauen, der sich im Optimalfall gegenseitig überbietet. Der freihändige Verkauf erfordert die Zustimmung aller Grundpfandrechtsgläubiger. In einem Sicherheitenpool sollte daher schon frühzeitig eine Abstimmung untereinander und eine Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter über die Preisuntergrenze, die Erlösverteilung und die Kostenpauschalen getroffen werden. Wenn der Erwerber durch eine dinglich gesicherte Gläubigerin gefunden wird, kann unter Umständen eine Verringerung der Verwertungspauschale vereinbart werden. Wichtig ist die Abstimmung, damit eine schnelle Veräußerung erfolgen kann. Hindernisse können auftreten, wenn im Rahmen einer Gewährung von Sanierungskrediten die finanzierenden Banken nachrangige Grundschuldeintragungen vorgenommen haben, um Lästigkeitsprämien zu realisieren. In diesem Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Verweigerung der Zustimmung zu einer Löschung des Rechts eventuell Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann. Andererseits kann über die Eintragung von „Schornsteinhypotheken“ gegebenenfalls ein Sondererlös in der Abwicklung erzielt werden. Eine Zwangsverwaltung wird regelmäßig eingesetzt, wenn einerseits Einnahmen aus dem Beleihungsobjekt zu erzielen sind und diese Erträge an die Gläubiger vorbeigeleitet werden. Andererseits kann über diese Maßnahme die Sicherung und der Erhalt der Immobilien gesichert werden (vgl. Gerhards/Keller, 2009, S. 37 ff.). Die Zwangsverwaltung ist daher nur eine sinnvolle Option, wenn Mieterlöse generiert werden können. Diese können auch vom Insolvenzverwalter aus der Masse entrichtet werden, wenn eine Fortführung geplant ist. Häufig erfolgt die Durchführung einer „kalten“ Zwangsverwaltung. Hier wird eine Vereinbarung zwischen dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter und den abgesicherten Kreditinstituten darüber getroffen, dass die Gläubiger von der Einleitung einer Zwangsverwaltung absehen und die Mieteinnahmen abzüglich einer Beteiligung der Masse an die Banken ausgekehrt werden. Dies ist häufig eine wirtschaftlich sinnvolle Regelung für beide Seiten. Zu vereinbaren sind in diesem Fall der Verzicht auf die Beantragung der Zwangsverwaltung, die Verrechnung von Reparaturen und Instandhaltungen, die Einziehung der Mieten und die Aufteilung der Mieterlöse auf die Masse und die Gläubigerinstitute. Nebenbei kann der Ver-

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5 Insolvenz aus Bankensicht

wertungsprozess über einen freihändigen Verkauf oder die Einleitung einer Zwangsversteigerung weiter verfolgt werden. So beantragen die gesicherten Gläubiger neben der Zwangsversteigerung häufig gleichzeitig die Zwangsverwaltung, um während des meist langwierigen Versteigerungsverfahrens auf die Mieten zugreifen zu können. Die Zwangsversteigerung kann durch die Grundpfandrechtsgläubiger aus den verschiedenen Rangklassen oder auch durch den Insolvenzverwalter aus § 165 InsO betrieben werden. Dies erfordert beim dinglich gesicherten Gläubiger die Existenz einer fälligen Forderung und eines vollstreckbaren Titels gemäß § 794 ZPO. Die Vollstreckungsklausel ist auf den Verwalter umzuschreiben, wenn die Abwicklung direkt nach der Eröffnung des Verfahrens eingeleitet werden soll. Da die gesetzliche Regelung keine Verwertungstätigkeit des Insolvenzverwalters bei einer Veräußerung von Immobilien vorsieht, werden auch keine Verwertungsbeiträge geschuldet. Für die Feststellung, ob bewegliche Gegenstände der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen einer Zubehörhaftung unterliegen, erhält der Insolvenzverwalter 4 % des Wertes des Grundstückzubehörs gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a ZVG oder aufgrund einer Einzelvereinbarung einen höheren Betrag (vgl. Seidel, 2006, S. 501). Alternativ besitzt der (vorläufige) Insolvenzverwalter die Möglichkeit, die Zwangsversteigerung vorübergehend einstellen zu lassen, um das Grundstück für den Betrieb weiter nutzen zu können. Dazu muss er glaubhaft machen, dass eine Zwangsversteigerung eine nachteilige Veränderung der Insolvenzmasse bedeuten würde (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 272 ff.). So kann die Zwangsversteigerung einer Betriebsimmobilie die Umsetzung eines Insolvenzplanverfahrens gefährden und damit eine Fortführung unmöglich machen. Im Gegenzug wird den Gläubigern eine Nutzungs- und Wertentschädigung zugestanden. Wird dem Antrag auf Einstellung des Verfahrens stattgegeben, sind den dinglich gesicherten Gläubigern die laufenden Zinsen nach dem Berichtstermin aus der Insolvenzmasse zu begleichen. Wird das Objekt durch den Verwalter weiter genutzt, so ist ein eventuell entstehender Wertverlust auszugleichen. Aus Sicht der Grundschuldgläubiger ist weiter zu prüfen, ob Gegenstände auf dem Grundstück der Zubehörhaftung gemäß § 1120 BGB unterliegen können. Erlöse aus der Veräußerung von haftendem Zubehör entfallen entweder auf den Grundschuldgläubiger oder auf die Masse. Dabei kommt es auf die Reihenfolge des Ablaufs der Elemente Veräußerung, Entfernung und Beschlagnahme des Sicherungsguts in der zeitlichen Ereigniskette an (vgl. Lwowski/Merkel, 2003, S. 124 ff.). Nur im Ausnahmefall wird der Insolvenzverwalter eine Sicherheit freigeben. Der Verzicht auf die Verwertungsbefugnis kann der Sorge gelten, eine Haftung für mögliche Umweltgefahren, zum Beispiel für Altlasten auf einem Grundstück, einzugehen. Dieses Haftungsrisiko könnte sich gegebenenfalls auf den Sicherungsnehmer verlagern. Dies betrifft jedoch nicht den bloßen Grundschuldgläubiger. In diesem Fall sollte der Sicherungsnehmer zur Vermeidung von Gefährdungen sein Sicherungseigentum unbedingt aufgeben, bevor der Insolvenzverwalter ihm das Sicherungsgut zur eigenen Verwertung überlässt (vgl. Obermüller, 2007, S. 1031 ff.). Haftungsrisiken können aus Sicht der Gläubigerinstitute auch aus anderen Tatbeständen entstehen. Betroffen sind nicht nur die Kreditinstitute, sondern auch die handelnden Mitarbeiter in der Problemkreditbetreuung. Daher ist die Kenntnis der rechtlichen Gefährdungen von besonderer Bedeutung, um bei Entscheidungen Haftungsrisiken für Banken und ihre Mitarbeiter unbedingt zu vermeiden.

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

5.4.4

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Haftungsrisiken für Banken und ihre Mitarbeiter

Im Folgenden sollen ausgewählte Gefährdungstatbestände für Kreditinstitute bei Krisen- und Sanierungsfällen betrachtet werden. Von Relevanz sind diese Sachverhalte, da die potenziellen Schadensersatzansprüche anderer Gläubiger gemäß § 826 BGB die eigentlichen Kreditausfallrisiken deutlich übersteigen können. Das Risiko resultiert daraus, dass meist viele anspruchsberechtigte Gläubiger bestehen, wie unter anderem Lieferanten und Kreditversicherer oder Krankenkassen (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 192). Insolvenzverschleppung Eine sittenwidrige Insolvenzverschleppung kommt in Betracht, wenn der Kreditgeber die Insolvenz des Unternehmens lediglich zeitlich hinausschiebt, um eigene Vorteile zu realisieren, wenn also bereits abzusehen ist, dass die Insolvenz allenfalls verzögert, aber auf Dauer nicht verhindert werden kann (vgl. Rösler et al., 2002, S. 827). Daher ist die Abgrenzung zwischen einem zulässigen Sanierungskredit und einer sittenwidrigen Insolvenzverschleppung danach zu treffen, ob diese Kreditgewährung von Anfang an ungeeignet war das Unternehmen zu sanieren und nur dem Zweck diente, eigene Vorteile zu realisieren, oder ob mit dem Kredit beabsichtigt wurde, das Schuldnerunternehmen nachhaltig zu sanieren. Zögert eine Bank den unabwendbaren Zusammenbruch lediglich hinaus, indem sie einen erhöhten Liquiditätsrahmen zur Verfügung stellt, der für eine Sanierung unzureichend ist und nutzt sie diesen Zeitraum für eine Sicherheitenverstärkung zu Lasten anderer Gläubiger aus, liegt möglicherweise eine Beihilfe zur Insolvenzverschleppung vor. Entscheidend dafür ist, dass die Sanierungsmaßnahmen objektiv nicht geeignet waren, um einen Zusammenbruch des Krisenunternehmens auf Dauer zu verhindern. Misslingt der Sanierungsversuch aber, obwohl das Kreditinstitut einen echten Versuch zur Gesundung unternommen hat, liegt kein rechtlicher Verstoß vor, auch wenn die Möglichkeit der Schädigung anderer Gläubiger besteht. Des Weiteren darf bei einer Kreditvergabe keine Insolvenzantragspflicht bestehen. Der Sanierungskredit ist erst auszureichen, wenn die Insolvenztatbestände nicht mehr erfüllt sind. Es ist ein schlüssiges Sanierungskonzept zur Feststellung der Sanierungsfähigkeit hereinzunehmen. Des Weiteren ist zu untersuchen, ob die Kreditvergabe in der Krise nicht als eigennütziger Sanierungskredit zu klassifizieren ist. Der eigennützige Zweck kann unter anderem darin bestehen, dass Anfechtungsfristen überschritten, neue Sicherheiten bestellt oder zeitnah zur Insolvenz entstandene Zahlungseingänge vereinnahmt werden. Eigennütziger Sanierungskredit Wenn einem Bankinstitut noch Forderungen aus früheren Krediten zustehen, so ist ein Sanierungsversuch als eigennützig anzusehen, wenn das Institut in dieser Situation ohne Prüfung einen Kredit vergibt, nur um zum Beispiel eine verbesserte Sicherheitenstellung zu erreichen. Die Bank setzt sich damit dem Vorwurf der (Beihilfe zur) Insolvenzverschleppung und somit erheblichen Haftungsrisiken aus. Auch hier ist das Vorhandensein eines Sanierungskonzepts für eine Entlastung notwendig. Das Gutachten sollte von einem unabhängigen und fachkundigen Dritten erstellt worden sein und die Sanierungsfähigkeit auf Grundlage einer intensiven Prüfung der Geschäftsaussichten eindeutig belegen. Das betreffende Kreditinstitut muss

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5 Insolvenz aus Bankensicht

nachweisen können, dass die Option zur wirtschaftlichen Gesundung sorgfältig geprüft und der Kredit auf dieser Basis gewährt wurde (vgl. Bachmann/Veith, 2006, S. 124 ff.). Nach geltender Rechtsprechung sind die von einem Kreditinstitut im Zusammenhang mit einer eigennützigen Verwendung abgeschlossenen Darlehensverträge sittenwidrig und nichtig. Dies gilt parallel auch für die vereinbarten Sicherheitenverträge. Um daher Risiken aus einer eigennützigen Kreditvergabe zu verringern, ist die Sanierung durch intensive Prüfungshandlungen und Überwachungen von Seiten einer Bank zu begleiten (vgl. Lützenrath et al., 2006, S. 194 ff.). Betroffen sind auch die involvierten Mitarbeiter. So ist durch die Bankmitarbeiter die Vergabe von Sanierungskrediten genau zu prüfen und die Votierung ausreichend zu begründen und schriftlich zu dokumentieren, um sich nicht zusätzlich persönlich dem Vorwurf einer leichtfertigen Kreditvergabe auszusetzen. Das Verhalten eines Mitarbeiters ist in jeder Entscheidungssituation kritisch zu überprüfen. So darf der Bankmitarbeiter dem Unternehmer nicht bestimmte Handlungen anraten, um die Position der Bank zu Lasten anderer Gläubiger zu verbessern. Unter anderem sollte der Bankmitarbeiter nicht in die Kontodisposition eingreifen oder der Firmenleitung bestimmte Entscheidungen vorgeben. Ansonsten liegt ein möglicher Eingriff in die Geschäftsführung des Kunden vor. Schuldnerknebelung In einer verschlechterten wirtschaftlichen Lage wird ein Kreditinstitut die Verstärkung der Sicherheitenbasis fordern. Jedoch sind dabei gewisse Grenzen zu beachten. Bei einer Verletzung können sich die handelnden Personen strafbar machen. Das Kreditinstitut kann sich gegenüber einem Kreditnehmer oder einem Dritter schadensersatzpflichtig machen. Daher ist zu vermeiden, dass das Institut infolge der Besicherungsvereinbarungen in die Position eines faktischen Geschäftsführers gerät (vgl. Rechtmann, 2006a, S. 140 ff.). Die Knebelung eines Kreditnehmers liegt vor, wenn die mit einem Kreditinstitut getroffenen Vereinbarungen seine wirtschaftliche Bewegungsfreiheit ganz oder zu wesentlichen Teilen lähmen. Dies kann unter anderem dadurch verursacht werden, dass sich ein Kreditinstitut die letzten freien Vermögensteile übertragen lässt, obwohl mit dem baldigen Eintritt der Insolvenz zu rechnen ist. Des Weiteren besteht die Gefahr der Knebelung, wenn eine weitgehende Absicherung mit intensiven Kontroll- und Weisungsrechten einhergeht. Dies ist zu vermuten, wenn diese Abmachungen es der Bank ermöglichen, Einfluss auf das operative Geschäft zu nehmen und die Geschäftsführung des Krisenunternehmens zu einem bloßen Verwalter des Kreditinstituts degradiert wird. Selbst die Vereinbarung einer Vielzahl von Hard und Soft Covenants im Kreditvertrag kann ein Unternehmen in seinem Handlungsspielraum stark einschränken. Es empfiehlt sich lediglich die Vereinbarung eines groben Gerüsts an Financial Covenants im Rahmen der geschlossenen Kreditverträge. Zusammenfassung Abschnitt 5.4: In diesem Abschnitt wurden Alternativen der Kreditvergabe in der Insolvenz, unter anderem über einen Massekredit oder die Insolvenzgeldvorfinanzierung, beschrieben. Es wurde zudem auf verschiedene Anfechtungstatbestände eingegangen. Des Weiteren wurde die Verwertung von beweglichen Sachen, Forderungen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern aus Sicht der betroffen Kreditinstitute geschildert. Abschließend wurden mögliche Haftungsrisiken für Kreditinstitute dargestellt.

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Erfolgsfaktoren der Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht

Die Hausbank und die weiteren Gläubiger stehen regelmäßig im Fokus von Sanierungen und Insolvenzen. In diesem Buch wurde der Themenkomplex zur Bewältigung einer Unternehmenskrise im Rahmen der Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht anhand der integrierten Betrachtung einer Theorie, einer durchgehenden Fallstudie und empirischer Erkenntnissen untersucht. Abschließend werden diese theoretischen, praktischen und empirischen Empfehlungen zur Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht zusammengefasst. Sanierung aus Bankensicht Der Sanierungsprozess in Kreditinstituten kann idealtypisch in acht Prozessphasen untergliedert werden. In jedem Teilschritt ergeben sich bestimmte Erfolgsfaktoren auf dem Weg zum Turnaround eines Firmenkunden, unter Berücksichtigung der Interessen eines Kreditinstituts. Vorangestellt werden im Folgenden die aus der Theorie der Sanierung abgeleiteten Gestaltungsregeln in den Sanierungsphasen. Anschließend werden die empirischen Ergebnisse aus der aktuellen Sanierungsstudie zusammengefasst dargelegt. Danach werden Vorschläge zur Optimierung der Sanierungsarbeit in der Praxis ausgesprochen. Risikoerkennung aus Bankensicht 1. Sanierungsregel: Das frühe Feststellen einer Krise und die unverzügliche Einleitung des Sanierungsprozesses mit Einschaltung der Sanierungsabteilung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor zum Erreichen des nachhaltigen Turnarounds bei einem Firmenkunden. Empirische Ergebnisse zur Risikoerkennung aus Bankensicht Der Risikofrüherkennung kommt als erste Phase im Sanierungsprozess eine große Bedeutung zu. Nur wenn Krisen bei Firmenkunden systematisch und frühzeitig erkannt werden, besteht auch eine hohe Chance zur nachhaltigen wirtschaftlichen Gesundung. Wird ein frühes Krisenstadium erfasst, stehen in der Regel noch ausreichende Ressourcen zur Überwindung der Schwächephase zur Verfügung. So kann auch eine strategische Neukonfiguration häufig noch gestaltet werden. Meist wird jedoch von Unternehmensseite oder auch von externen Stakeholdern eine Krise erst sehr spät wahrgenommen. Reizpunkte werden dann oft von der Hausbank gesetzt, die eine verschlechterte Kontoführung oder negative Veränderungen in den Zahlenwerken erkennt. Es kommt aus Sicht der Kreditinstitute darauf an, die Risikoanalyse auf Gesamtbankebene effizient zu betreiben. Ziel ist die Identifizierung drohen-

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6 Erfolgsfaktoren der Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht

der Gefährdungen von Kreditausfällen. Dazu sind die Banksysteme zur Risikofrüherkennung zu optimieren und an neue Erkenntnisse anzupassen. Kreditinstitute wenden in der Praxis verstärkt quantitative Verfahren zur Risikoerkennung an. Dazu nutzen Banken vielfach Jahresabschlussanalysen beziehungsweise BWA-Analysen und Untersuchungen der Kontoführung. Instrumente zur Erkennung qualitativer Risikokomponenten wie SWOT-Analysen werden dagegen deutlich seltener eingesetzt. Verbesserungen der bankinternen Risikosysteme werden aus den empirischen Untersuchungen insbesondere bei einer Erfassung qualitativer firmeninterner und externer Risikokomponenten ersichtlich. Diese Merkmale können zum Teil ein früheres Krisenstadium anzeigen als die bislang verstärkt quantitativ ausgerichteten Verfahren, denn quantitative Systeme greifen stark auf Vergangenheitsdaten zurück, die oft erst zeitverzögert eingereicht werden. Somit lassen sich aus einer Kombination von quantitativen und verstärkt qualitativen Indikatoren Verbesserungen in der frühen Krisendiagnose bei Firmenkunden erzielen. Potenziale zur Weiterentwicklung der Risikosysteme werden aus Sicht der Sanierungsspezialisten in den Kreditinstituten bei internen Merkmalen der Analyse von Strategieproblemen und Intransparenzen aufgrund fehlender Controllingsysteme gesehen. Genaue Einschätzungen externer Faktoren aus der Veränderung von Markttrends und Preisrisiken bieten ebenfalls Verbesserungen bei der Risikofrüherkennung. Der Erfolg bei einem Firmenkunden wird über volatile Marktpreise von Zinsen, Währungen und Rohstoffen häufig extern bestimmt. Durch Simulationen lassen sich Veränderungen der Preise von Inputfaktoren auf den Unternehmenserfolg systematisch untersuchen. Dazu können Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge wichtiger Einflussfaktoren auf das künftige Jahresergebnis ermittelt werden. Diese Untersuchungen können mit Szenario- und Sensitivitätsanalysen durchgeführt werden. Entscheidend für eine Krise ist nicht das Auftreten eines Gefährdungsmerkmals, sondern das gleichzeitige Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren. Selbst die Unternehmensstruktur und die Größe der Firma haben einen Einfluss auf die Krisenhäufigkeit. So sind kleine und inhabergeführte Firmen häufiger von wirtschaftlichen Schieflagen betroffen. Daher sind auch qualitative Eigenschaften bei einer Risikoanalyse mit zu erfassen. Es sollten qualitative und quantitative Indikatoren mit Merkmalen zur Unternehmensstruktur kombiniert werden, um weitere Ansatzpunkte einer umfassenden Risikofrüherkennung zu erhalten. Um aus Bankensicht reagieren zu können, sollten Financial Covenants in Kreditverträge aufgenommen werden, die bei Covenant-Brüchen einen Anlass zu Gesprächen bieten. Anregungen zu den Verfahren der Risikofrüherkennung Die Systeme zur Erkennung von Kreditrisiken sind in Banken verstärkt auf quantitative und unternehmensinterne Risikomerkmale wie einer Verschlechterung von Kennzahlen aus dem Jahresabschluss ausgerichtet. Die Methoden der Früherkennung sollten jedoch auch vorgelagerte Krisenphasen identifizieren. Daher sollten Kreditinstitute Kombinationen von quantitativen und verstärkt qualitativen Risikomerkmalen intensiver untersuchen. Instrumente, die sich einsetzen lassen, sind unter anderem SWOT-Analyse sowie Szenario- und Sensitivitätsanalysen. Dazu sind auch die Bankorganisation und die Prozesse der Risikofrüherkennung und Sanierung konsequent auf diese Verfahren auszurichten.

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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Bankorganisation und Prozesse der Sanierung 2. Sanierungsregel: Bei auffälligen Risiken hat nach Überleitung an die Sanierungsabteilung unverzüglich eine Bestimmung der quantitativen und der qualitativen Risikoposition des Kreditinstituts zu erfolgen. Zudem sind Schritte zur Senkung des Risikos einzuleiten. Empirische Ergebnisse zur Bankorganisation und zu Prozessen der Sanierung Zur Umsetzung der MaRisk im Bereich der Problemkreditbetreuung, haben viele der befragten Bankhäuser mittlerweile spezialisierte Sanierungsabteilungen eingerichtet. Es dominieren bei der Aufbauorganisation zentrale Abteilungen für Sanierungsfälle und die zusätzliche Einschaltung der Rechtsabteilung bei den Insolvenzfällen. Positiv ist, wenn der langjährige Firmenkundenbetreuer in der Bearbeitung eines Krisenengagements involviert bleibt. Eine Begleitung des Krisenkunden durch einen Sanierungsspezialisten, unter gleichzeitiger Einbindung eines Firmenkundenbetreuers, ist ein erfolgreiches Modell, das sich positiv auf den Sanierungserfolg auswirken kann. Ein Outsourcing der Sanierung und Abwicklung ist bei kleinen und mittleren Instituten anzudenken, da das Vorhalten von Kapazitäten der Spezialbetreuung in der Regel sehr kostenintensiv ist. Alternativ kann zudem vermehrt Hilfestellung bei vorhandenen Zentralkreditinstituten eingefordert werden. Die Prozesse in der Sanierung sind an die MaRisk anzupassen. Zur Erhöhung der Effizienz bietet es sich an, verschiedene Sanierungswege zu installieren. So kann ein standardisierter Prozess in Form einer „Sanierung Light“ meist erhebliche Effizienzpotenziale aufdecken. Dazu sind Kunden vorab nach der Bedeutungsstufe und dem Risikograd im jeweiligen Bankhaus zu klassifizieren. Kreditinstitute können dann die Ressourcen auf diejenigen Kunden lenken, die über eine intensive Betreuung einen hohen Mehrwert garantieren. Denn die Sanierungsabteilungen bearbeiten häufig eine Vielzahl von Engagements. Somit ist eine Konzentration auf bedeutende Fälle in der Regel sinnvoll. Daher besteht ein wichtiger Prozessschritte in der Feststellung der Risikoposition aus einem Krisenengagement. Die Übergabe der Akten an die Spezialabteilung ist ebenfalls ein häufig durchgeführter Schritt nach Erkennung einer Gefährdung bei einem Firmenkunden. Somit kann eine Bearbeitung umfassend am Kunden und im Back Office erfolgen. Bedarf besteht bei der Ermittlung operationeller Risiken, wenn Banken durch eine Krise eines Firmenkunden selbst in ihrer Handlungsweise eingeschränkt werden. Zudem wird ein obligatorischer Stresstest der Sicherheiten bei Krisenengagements häufig noch nicht durchgeführt, obwohl die MaRisk auf diesen Schritt hinweisen. Denn die Abweichung in der Sicherheitenbewertung unter Zerschlagungsgesichtspunkten, gegenüber dem Going Concern, kann sich auf die Risikoposition in Form der Einzelwertberichtigung erheblich auswirken. Wichtig ist, dass die Intensivvorgänge und die Sanierungsarbeit einheitlich und effizient verlaufen. Dazu sind die Geschäftsprozesse in einem Handbuch zu hinterlegen. Anregungen zur Bankorganisation und zu Prozessen der Sanierung Die Sanierungsorganisation in Banken ist durch zentralisierte Spezialabteilungen geprägt, die laufend ihr Know-How verbessern. Immer häufiger wird der Sanierungsbereich outgesourct. Dies spiegelt Tendenzen einer zunehmenden Aufspaltung der Institute auf Vertriebs-, Markt-

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folge-, Sanierungs- und Abwicklungseinheiten wider. Eine Engagementführung mit Firmenkundenbetreuer und zentralem Sanierungsspezialisten als Teamlösung wirkt sich positiv auf den Sanierungserfolg aus. Bei den Geschäftsprozessen ist auf eine effiziente Bearbeitung zu achten. Es kann mit Checklisten zum Erfüllungsgrad der internen und externen Sanierungsschritte gearbeitet werden. Zudem sollte eine Klassifikation in wirtschaftlich bedeutende und unbedeutende Sanierungsfälle vorgenommen werden. Finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen 3. Sanierungsregel: Nach Identifizierung einer Krise ist über finanzwirtschaftliche Sofortmaßnahmen die Zahlungsfähigkeit abzusichern und bei haftungsbeschränkten Firmen die Überschuldung abzuwenden, um die Insolvenzantragspflicht zu vermeiden. Empirische Ergebnisse zu finanzwirtschaftlichen Sofortmaßnahmen Die Einleitung einer Sanierung erfolgt häufig von Bankenseite und bietet die Chance, frühzeitiger zu reagieren als der Unternehmer es vermag. Denn es zeigt sich, dass die Geschäftsführung in der Regel erst in einer Phase der Liquiditätskrise die Initiative ergreift oder auf Druck der Hausbank aktiv wird. Häufige externe Maßnahmen, die von Kreditinstituten nach Feststellung einer erhöhten Gefährdung eines Firmenkunden durchgeführt werden, sind das Führen eines Kundengesprächs durch die Sanierungsspezialisten und die Prüfung der Risikoreduzierung neben einer Liquiditätssicherung. Ziel ist zunächst die Vermeidung der Insolvenz, damit die Sanierungschancen ausreichend geprüft werden können. Als wichtig für den Sanierungserfolg werden von den Befragten neben dem Kundengespräch weitere Sofortmaßnahmen angesehen. So sind die Möglichkeiten der Generierung finanzieller Unterstützungen von Gesellschafterseite und der Realisierung von Kostensenkungen im Unternehmen zu prüfen. Ziel ist zunächst die Absicherung der Liquidität, um einen Insolvenzantrag aufgrund einer Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Problematisch ist, dass Krisen meist erst spät erkannt werden, in einer Phase der Liquiditätsenge. Auch das unverzügliche Einsetzen eines passenden Beraters wird als wichtiger Schritt für den späteren Sanierungserfolg genannt. Daher sollte die Beauftragung im ersten Kundengespräch durch die Bank mit dem Anbieten einer Auswahl von geeigneten Beratern angebahnt werden. Problematisch ist hauptsächlich der zeitliche Aspekt der Handlungen. Nicht nur die Krisenlage wird oft erst sehr spät erkannt. Auch die Sanierungsmaßnahmen, die vom Unternehmer durchzuführen sind, werden meist erst mit einer Zeitverzögerung von sechs bis zwölf Monaten realisiert. Somit kommt aus Sicht der Banken dem Nachhalten der Sanierungshandlungen eine große Wichtigkeit zu. Dies bedeutet, dass der Krisenunternehmer die notwendigen Sanierungsschritte nachweist und dies durch die Institute zeitnah überwacht wird. Es bieten sich Checklisten an, zu welchem Zeitpunkt bestimmte Meilensteine einer Sanierung erreicht sein sollten. Ein wichtiger Schritt, der schnell umgesetzt werden sollte, ist die Einsetzung eines qualifizierten Unternehmensberaters. Um einen geeigneten Akteur zu identifizieren, sollten in den Kreditinstituten Auswahllisten von Beratern mit der Nennung von wichtigen persönlichen und fachlichen Eigenschaften geführt werden. Dann kann dem Sanierungskunden im Erstgespräch eine Vorauswahl geeigneter Akteure präsentiert werden.

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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Anregungen zu den finanzwirtschaftlichen Sofortmaßnahmen Externe Sofortmaßnahmen, die in Banken häufig durchgeführt werden, bestehen in der Kontaktaufnahme zum Krisenkunden, der Risikoreduzierung und der Liquiditätssicherung. Dabei werden besonders die Überprüfung finanzieller Unterstützungen durch den Gesellschafter und Kosteneinsparungen als wichtige Schritte zur Stabilisierung empfohlen. Ziele im Kundengespräch sind die Vereinbarung von finanzwirtschaftlichen Maßnahmen zur Vermeidung der Insolvenz und die Beauftragung eines externen Beraters durch die Firma. Wichtig ist aus Bankensicht, unmittelbar nach dem Feststellen eines Risikos zu reagieren und die Maßnahmeneinleitung zur leistungswirtschaftlichen Sanierung mit der Vergabe eines Sanierungsauftrags der Firma an einen Berater konsequent zu überwachen. Leistungswirtschaftliche Sanierung 4. Sanierungsregel: Die Empfehlung eines geeigneten externen Sanierungsträgers ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Sanierung. Nicht allein die Erstellung eines umfassenden Konzepts, sondern auch die Sicherstellung der Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen aus dem Gutachten ist bedeutend für das Erreichen eines nachhaltigen Turnarounds. Empirische Ergebnisse zur leistungswirtschaftlichen Sanierung Wesentlicher Erfolgsfaktor für einen Turnaround ist aus Sicht der befragten Sanierungsspezialisten in den Banken die geeignete Besetzung der Beraterposition. Dabei haben sich gerade auf Sanierungen spezialisierte Akteure als erfolgreich im Gesundungsprozess erwiesen. Sanierungsberater sind in der Regel am besten geeignet, ein qualitativ hochwertiges Sanierungsgutachten zu erstellen. Auch Interimsmanager werden häufig als wichtige Sanierungsträger benannt. Diese können die in den Sanierungskonzepten erarbeiten Maßnahmen in die Praxis umsetzen oder eine Investorlösung anbahnen. Daher erwarten die Bankenvertreter neben der Sanierungserfahrung insbesondere die Umsetzungsfähigkeit leistungswirtschaftlicher Maßnahmen durch einen Berater. Dabei wird gerade die Realisierung der leistungswirtschaftlichen Sanierungsschritte häufig als unzureichend eingeschätzt. Defizite der klassischen Unternehmensberater werden insbesondere beim fehlenden Branchenwissen und der unzureichenden Umsetzungserfahrung gesehen. Daher sollte beim Aussprechen von Empfehlungen zu bestimmten Beratern bereits auf diese Eigenschaften geachtet werden und der erteilte Sanierungsauftrag die Umsetzung unbedingt mit umfassen. Dies ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Sanierung. Der eingesetzte Sanierungsträger ist in die Umsetzung der Maßnahmen mit einzubinden und sollte aus Sicht der Befragten zunächst das Controlling des Unternehmens optimieren und ein aussagekräftiges Berichtswesen installieren. Auch die gründliche Erstellung eines Sanierungskonzepts wird in der Bedeutungsrangfolge noch vor der schnellen Einreichung des Gutachtens gesehen. Somit ist auf die sorgfältige Erarbeitung eines Konzepts zu achten. Dabei kann die Vereinbarung eines Standards beispielsweise des IDW S 6 sowie die Einhaltung der Grundsätze ordnungsgemäßer Sanierungskonzepte (GoS) oder der Mindestanforderungen an Sanierungskonzepte (MaS) die Qualität der Gutachten erhöhen.

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Anregungen zur leistungswirtschaftlichen Sanierung Wichtige Eigenschaften, die ein Sanierungsberater aus Sicht der Spezialisten in den Banken mitbringen sollte, sind Erfahrungen bei der Sanierung, der Konzepterstellung und der Umsetzung von Maßnahmen. Dabei wird die Qualifikation zur Realisierung der Sanierungsmaßnahmen häufig als unzureichend eingeschätzt. Auf diese Fähigkeit ist daher zu achten. Eine wichtige Aufgabe sollte der Einführung von professionellen Controllinginstrumenten gelten, um Transparenz im Unternehmen herzustellen. Der Erstellung eines hochwertigen schriftlichen Sanierungsgutachtens kommt eine große Bedeutung zu. Zur Sicherstellung der Qualität sollte ein Sanierungsstandard eingehalten werden. Erstellung und Prüfung des Sanierungskonzepts 5. Sanierungsregel: Ein Sanierungsgutachten sollte die langfristigen Erfolgspotenziale eines Krisenunternehmens analysieren und die Firmenstruktur, das Produktangebot sowie das Marktprofil auf seine langfristigen Chancen und Risiken überprüfen. Abschließend sollte die Sanierungsfähigkeit als zusammenfassendes Urteil eingeschätzt werden. Zudem ist auf die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen einzugehen. Empirische Ergebnisse zur Prüfung von Sanierungskonzepten Eingereichte Sanierungskonzepte entsprechen aus Bankensicht nicht immer den Erwartungen in der Praxis. Bei verschiedenen Inhaltsbausteinen wird aus Sicht der Sanierungsspezialisten oft ein Verbesserungsbedarf gesehen. So werden der Erfüllungsgrad bei der Darstellung der leistungswirtschaftlichen Maßnahmen und den geplanten Umsetzungen des Sanierungsprojekts sowie die Erläuterungen der Branchen- und Marktlage häufig als unzureichend eingeschätzt. Auch die Fortführungsprognose wird nicht immer als klar und aussagekräftig empfunden, obwohl eine genaue Aussage zur Sanierungsfähigkeit von den Entscheidungsträgern in Banken als sehr wichtig angesehen wird. Diese Inhaltskomponenten bieten zum einen Potenziale zu Verbesserungen durch die Konzeptersteller. Zum anderen ist aus Bankensicht die Einhaltung dieser notwendigen Bausteine genau zu überprüfen. Die Darlegung des Sanierungsprojekts und die Erarbeitung leistungswirtschaftlicher Sanierungsmaßnahmen haben einen Einfluss auf den Turnaround, da die notwendigen Neugestaltungen im Krisenunternehmen aufgezeigt werden. Daher sollten Banken bei der Prüfung der Konzepte auch besonders auf diese Inhaltsbausteine achten und im Zweifel Nachbesserungen verlangen. Die Schlussaussage zur Sanierungsfähigkeit sollte finanzielle und leistungswirtschaftliche Beurteilungen beinhalten, das relevante Stakeholder-Umfeld betrachten und eine Einschätzung zum Wahrscheinlichkeitsgrad des Turnarounds abgeben. Anregungen zur Prüfung von Sanierungskonzepten Das eingereichte Konzept sollte über die Sanierungsfähigkeit der Krisenfirma genauen Aufschluss geben. Bedeutende Inhalte in den Gutachten betreffen die Darstellung der notwendigen finanzwirtschaftlichen Maßnahmen, die Ergründung der Krisenursachen und die Erstellung einer klaren Fortführungsprognose. Eine Struktur nach IDW oder GoS beziehungsweise MaS ist gegebenenfalls zu verlangen. Des Weiteren besteht bei vielen Sanierungsgutachten

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Verbesserungsbedarf in der Erarbeitung leistungswirtschaftlicher Maßnahmen und der Darstellung des Sanierungsprojekts. Diese Komponenten sind einzufordern und in Bezug auf ihre Konsistenz mit den Zahlenwerken zu prüfen. Kreditinstitute sollten zusätzlich auf die folgerichtig abgeleitete Sanierungsfähigkeit achten. Die Prognose der Sanierungsfähigkeit sollte inhaltlich auf die Stakeholder, die finanzielle und die leistungswirtschaftliche Sanierbarkeit eingehen und die Zeitdauer bis zum Turnaround zeigen. Auch auf die Finanzierung des Konzepts über einen Sicherheitenpool sollte das Gutachten eingehen. Poolbildung zur Finanzsanierung 6. Sanierungsregel: In einer eingeleiteten Sanierung sind möglichst alle Gläubiger zu einer Poollösung mit dem zusätzlichen Abschluss einer Sicherheitenabgrenzungsvereinbarung zu gewinnen, um die finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Sanierung vertraglich abzusichern und die Risiken auf viele Parteien quotal gleich zu verteilen. Empirische Ergebnisse zur Poolbildung Ein wichtiger Prozessschritt gilt der finanziellen Absicherung der Sanierung. Nur wenn die monetären Rahmenbedingungen geklärt sind, kann die Umsetzung der Sanierungsschritte auf einer gesicherten Basis erfolgen. Die Bildung eines Sicherheitenpools ist dabei oft ohne Alternative. Da der Gläubigerkreis in vielen Fällen heterogen ist und die Banken und übrigen Gläubiger verschiedene Interessen verfolgen, ist die Einigung auf einen gemeinsamen Poolvertrag, gegebenenfalls mit Sicherheitenabgrenzung, schwierig. So werden als Störfaktoren der Poolbildung eine hohe Anzahl an Banken und gut besicherte Institute neben Instituten mit geringen Kreditvolumina identifiziert. Probleme mit ausländischen Banken, Lieferanten und Kreditversicherern können eine weitere Finanzierung behindern. Daher ist der Prozess zur Poolbildung optimal zu gestalten, um ein gemeinsames Vertragswerk zu erreichen. Als wichtige Faktoren im Prozess der Poolbildung werden eine gute Informationslage und ein professionelles Vorgehen der Gläubiger angesehen. Homogene Interessenlagen können die Poolfinanzierung oder das Stillhalten im Gläubigerkreis aller Banken, Lieferanten und Kreditversicherer ebenfalls fördern. Wichtige Rahmenbedingung, um ein gemeinsames Vertragswerk zu gestalten, ist die Einigkeit unter allen Gläubigern, das Unternehmen weiter begleiten zu wollen. Grundlage dafür ist ein qualitativ hochwertiges Sanierungskonzept und die Gewährleistung der Umsetzung durch einen Externen. Weitere Voraussetzungen, die eine Poolbildung erleichtern, sind zumutbare Sanierungsbeiträge in Form von Stundungen, Verzichten oder Fresh Money. Die beteiligten Banken achten dabei auf die Fairness bei der Verteilung der Sicherheiten und den zu leistenden Sanierungsbeiträgen. Scheren einige Institute aus, kann dies sehr schnell zum Scheitern der Finanzierung und der Sanierung insgesamt führen. Mit Übernahme der Poolführerschaft kann Einfluss auf die weitere Entwicklung bei einem Sanierungsengagement genommen werden. Meist ist die Informationslage der Poolführerin gut und Sanierungsalternativen können vorgeplant werden. Zudem wird die Führungsrolle im Pool hoch vergütet. Daher sehen einige der befragten Banken die Übernahme der Poolführerschaft auch als Profit Center in der Sanierungsabteilung an.

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6 Erfolgsfaktoren der Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht

Anregungen zur Poolbildung Der Abschluss eines Sicherheitenpoolvertrags ist bedeutend für den Sanierungserfolg. Dabei wird der Prozess zur Einigung auf ein gemeinsames Vertragswerk erschwert, wenn eine hohe Anzahl von Banken beteiligt ist. Wichtige Eckpfeiler beim Abschluss einer Poolvereinbarung sind das Erreichen der Einigkeit über zumutbare und gleichwertige Sanierungsbeiträge. Banken achten stark auf die quotale Gleichverteilung ihrer finanziellen Zugeständnisse. Die Vereinnahmung von einseitigen Vorteilen kann sich im Ergebnis kontraproduktiv auswirken und schnell ein Scheitern der Sanierungsbemühungen zur Folge haben. Banken sollten daher offen in die Gespräche gehen und stets kooperationsbereit sein. Die Übernahme der Rolle der Poolführerin wird aus Gründen der hohen Arbeitsintensität häufig gescheut. Dabei kann die Poolführerschaft als Chance angesehen werden, um die künftige Sanierungsstrategie mitzubestimmen. Auch ist mit dieser Rolle meist eine gute Informationslage bei der Überwachung der Sanierungsumsetzung verbunden, da die Poolführerin die wesentlichen Daten und Informationen aus erster Hand vom Krisenunternehmen erhält. Überwachung des Sanierungsverlaufs 7. Sanierungsregel: Der Erfolg einer Sanierung hängt maßgeblich von einer Umsetzung der leistungswirtschaftlichen Maßnahmen ab. Daher ist die personelle Verantwortlichkeit für den Realisierungsprozess und die Überwachung der Teilprojekte sicherzustellen. Die Fortschritte sind von den Kreditinstituten über die Kontrolle der quantitativen und qualitativen Informationen stetig und zeitnah zu überwachen. Empirische Ergebnisse zur Umsetzung und Überwachung des Sanierungsverlaufs Die Maßnahmenumsetzung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im gesamten Sanierungsprozess. Dabei hängt die erfolgreiche Realisierung der leistungswirtschaftlichen Schritte in der Regel von der geeigneten Besetzung des Projektleiters ab. Die Maßnahmenrealisierung kann durch das Altmanagement, den Sanierungsberater oder auch im Team erfolgen. In der Praxis werden häufig Kombinationslösungen zwischen dem Altmanagement und dem externen Berater angewendet, auch wenn diese Alternative nicht immer als optimal empfunden wird. Dennoch ist diese Lösung aus Gründen der oft familiär geprägten Unternehmensstrukturen, der nicht vorhandenen Einarbeitungszeit und den hohen Kosten der Verpflichtung eines Zeitmanagers zum Ersatz des Altmanagements meist nur bei großen Sanierungsfällen möglich. Ein Interimsmanager kann die Umsetzung dagegen schnell vorantreiben. Zusätzlich wird die begleitende Installierung eines Lenkungsausschusses, besetzt mit internen und externen Vertretern, für ein Sanierungscontrolling aus Bankensicht empfohlen. Die Überwachung der Umsetzung des Sanierungsprojekts kann durch die Poolführerin über Berichte des Lenkungsausschusses oder die Teilnahme an den Sitzungen erfolgen. Dabei steht die Kontrolle finanzieller Daten zur Liquiditäts- und Ertragslage im Fokus der Bankspezialisten, um den Erfolgsgrad der Sanierungsmaßnahmen zu begutachten. Als wichtige Erfolgsfaktoren der Sanierung werden ein frühes Reagieren mit Maßnahmen, die Überwachung der Umsetzung von Sanierungsschritten, ein ganzheitliches Konzept und ein Commitment zur schnellen Realisierung von Gegenmaßnahmen angesehen. Neue Finanzquellen sollten in ers-

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ter Linie aus dem Unternehmen beispielsweise in Form von Kostensenkungen generiert werden. Auch ein Gesellschafterbeitrag wird als wichtig gewertet. Bankunterstützungen im Bereich des Fremdkapitals, zum Beispiel über Tilgungsstundungen, werden ebenfalls als bedeutend eingeschätzt. Hilfestellungen bei der Einwerbung von Eigenkapital durch Banken sind dagegen weniger wichtig. Wiederum wird das Merkmal der Überwachung der Umsetzung als relevant für den Sanierungserfolg angesehen. Aus Sicht der Kreditinstitute ist eine stark handlungsorientierte Vorgehensweise mit Unterstützung durch den Berater ein großer Erfolgsfaktor für den Turnaround. Anregungen zur Umsetzung und Überwachung des Sanierungsverlaufs Die geeignete personelle Besetzung des Sanierers und die Umsetzung der Maßnahmen sind für die Erfolgschancen der Gesundung wichtig. Eine Teamarbeit zwischen einem auf Sanierungen spezialisierten Berater und dem Altmanagement ist hier eine praxisnahe Lösung. Die Einbindung externer Sanierungsakteure in die Umsetzung der Gesundungsmaßnahmen und die Installierung eines Lenkungsausschusses für ein Sanierungscontrolling sind positiv für den gesamten Turnaround-Erfolg. Es ist ein handlungsorientiertes Vorgehen mit einer unverzüglichen Realisierung leistungswirtschaftlicher Schritte anzustreben. Die Umsetzungen sind von den Banken zeitnah zu überwachen. Gerade bei großen Engagements bietet es sich an, den Stand der Sanierung anhand eines Projektplans intensiv zu kontrollieren, um den Erfüllungsgrad von wichtigen Sanierungsmaßnahmen festzustellen. Sicherung des Turnarounds 8. Sanierungsregel: Die Kapitaldienstfähigkeit ist ein Merkmal für den Sanierungserfolg. Auch die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit auf dem relevanten Markt ist für den Turnaround zu beachten. Eine Investorlösung kann den Sanierungsprozess beschleunigen. Empirische Ergebnisse zur Sicherung des Turnarounds Die Feststellung des Turnarounds mit der Rückübertragung des Engagements in die Normalkreditbearbeitung wird in den Banken meist nach dem konkreten Einzelfall beurteilt. Wichtige Kriterien, die einen Turnaround anzeigen, sind die Kapitaldienstfähigkeit und die nachhaltige Entspannung der Liquiditäts- und Ertragslage. Somit stehen gerade quantitative und finanzielle Faktoren im Vordergrund der Einschätzung eines Sanierungserfolgs. Die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit wird selten als prägend für den Erfolg einer Sanierung genannt, obwohl die Position des Unternehmens im Marktumfeld eine wichtige Voraussetzung für die Dauerhaftigkeit des Turnarounds darstellt. Häufig durchgeführte Schritte nach dem Turnaround bestehen in der Überführung des Engagements in die Normalkreditbearbeitung, der Auflösung der Wertberichtigung und der Umklassifizierung des Ratings. Selten wird die ursprüngliche Kompetenz wiederhergestellt und ein abschließendes Kundengespräch geführt. Gerade ein Turnaroundgespräch kann jedoch genutzt werden, um dem ehemaligen Krisenfirmenkunden weiterhin die Beachtung ehemaliger Risikomerkmale zu verdeutlichen. Auch kann ein Abschlusstreffen die gemeinsame Verbundenheit stärken und Ansatzpunkte für Neugeschäft ermöglichen.

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6 Erfolgsfaktoren der Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht

Anregungen zur Sicherung des Turnarounds Die internen Folgearbeiten in Banken sind aus Sicht der Befragten noch nicht optimal ausgestaltet, um das Sanierungswissen zu sichern und unter anderem zur Risikofrüherkennung zu nutzen, damit sich der Kreislauf im Sanierungsprozess schließt. So wird ein starker Bedarf zur Anpassung der Risikosysteme mit Erkenntnissen aus den abgeschlossenen Sanierungsfällen ersichtlich. Auch der Erfahrungsaufbau und der Wissenstransfer innerhalb eines Instituts kann deutlich verbessert werden. Dabei kann mit der Erstellung von regelmäßigen Berichten zu den Sanierungserfolgen neben der Datenaufbereitung auch die Pflicht zur Risikoberichterstattung an die Geschäftsleitung nach den MaRisk gefördert werden. Banken bieten einen stetig wachsenden Datenpool, der vielfältige Auswertungen ermöglicht und Erfahrungswerte durch Faktenwissen unterlegen kann. Statistische Analysen sind daher zu forcieren und innerhalb einer Bank zu veröffentlichen. Auch ein Wissensaustausch und ein Benchmarking mit anderen Kreditinstituten ermöglicht eine weitere Professionalisierung der eigenen Sanierungsarbeit. Mögliche Folgearbeiten, die sich den Ereignissen des operativen Geschäfts in der Problemkreditbetreuung anschließen, betreffen unter anderem die Weiterentwicklung der Risikosysteme und den Wissenstransfer in internen Schulungen. Jedoch werden diese Bereiche in Banken vielfach noch nicht optimal erfüllt. Auch Erfahrungsaustausche mit anderen Kreditinstituten zeigen Potenziale zur laufenden Verbesserung der eigenen Sanierungsarbeit auf. Mitarbeiter in der Problemkreditbetreuung sollten die Tätigkeit zudem stetig an neue wirtschaftliche Marktgegebenheiten anpassen und die aktuellen betriebswirtschaftlichen Methoden sowie die rechtlichen Anforderungen kennen. Die Maßnahmen zur Optimierung der Sanierungsarbeit in den einzelnen Prozessphasen können sich als starker Wettbewerbsfaktor erweisen. Nicht nur die Anzahl der Sanierungsfälle steigt in der aktuellen Wirtschaftskrise, auch die Insolvenzzahlen beginnen wieder zu wachsen. Zudem hat sich die Unternehmensgrößenstruktur der Insolvenzfälle verändert. Verstärkt stellen große Unternehmen einen Insolvenzantrag. Dies erfordert eine Anpassung der Bearbeitung in den Abwicklungsabteilungen der Banken. Es ist davon auszugehen, dass bei großen insolventen Firmen häufiger die Sanierung in der Insolvenz über ein Planverfahren oder über eine übertragende Sanierung erfolgt. Zudem ist zu erwarten, dass der Bearbeitungsaufwand für die Mitarbeiter in den Banken wächst und sich die Aufgaben in Richtung der Insolvenzbearbeitung verschieben. Dann werden häufiger Teilnahmen an Gläubigerausschusssitzungen erforderlich sein und Insolvenzpläne sind öfter zu prüfen. Insolvenz aus Bankensicht Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen ist im Jahr 2009 gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Die höhere Fallzahl und die Veränderung der Größenstruktur bei den Unternehmensinsolvenzen erfordern eine Effizienzerhöhung der Abwicklungsstrukturen und eine Weiterqualifizierung der Mitarbeiter in den betroffenen Banken und Sparkassen. Die globale Rezession stellt gerade größere Firmen vor erhebliche wirtschaftliche Probleme. Gründe liegen in den umfassenden und nicht ausgelasteten Kapazitäten dieser kapitalintensiv arbeitenden Betriebe in Verbindung mit einem hohen Verschuldungsgrad. So befinden sich derzeit viele große Zuliefererbetriebe in der Automobilindustrie oder Maschinenbauer bereits in der Insolvenz oder

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

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in akuter Insolvenzgefahr. Dies bedeutet für die betroffenen Gläubigerinstitute hohe Wertberichtigungen und erheblichen Betreuungsaufwand in der Insolvenz. Wettbewerbspotenziale im Abwicklungsbereich sichern Sanierungen werden in den Banken bereits meist professionell gesteuert. Die Erfahrung aus den hohen Insolvenzzahlen, die Regulierung nach Basel II und die Umsetzung der Vorgaben zu den Strukturen und Prozessen der Problemkreditbearbeitung der MaRisk haben zur effizienten Bearbeitung der Sanierungsfälle auf einem hohen Niveau geführt. Die aktuelle wirtschaftliche Problemlage mit einer gestiegenen Zahl an Insolvenzen erfordert jedoch aus folgenden Gründen weitere Anpassungen in den Organisationsstrukturen und den Prozessen der Abwicklungsabteilungen von Banken (vgl. Portisch, 2009f, S. 40 ff.): 

Wirtschaftlicher Druck aufgrund der Ertragswirksamkeit: Mit den steigenden Insolvenzzahlen und großen Einzelkreditvolumina sowie hohen Blankorisiken nimmt die Relevanz der Abwicklungsengagements in den Kreditinstituten zu.



Stärkere Bearbeitungsintensität durch hohe Fallzahlen: Große Einzelfälle mit höheren Volumina und gestiegene Fallzahlen verengen die bestehenden und meist knappen Kapazitäten in der Betreuung der Abwicklungsfälle in Banken.



Gestiegener Aufwand durch komplexe Tätigkeiten: Große Unternehmensinsolvenzen bedeuten einen gestiegenen Betreuungsaufwand und veränderte Qualifikationen, wenn unter anderem Sanierungen in der Insolvenz begleitet werden sollen.

Dabei sind die Regelungen zur Begleitung der Abwicklungsfälle aus den MaRisk heraus nur sehr allgemein gehalten. So sagen die Bestimmungen nur wenig zu den Prozessen und Strukturen in der Abwicklung und der Insolvenzbetreuung. Abwicklungsbetreuung in den MaRisk In BTO 1.2.5 Tz. 5 der MaRisk werden Vorgaben zu der optimalen Erlöserzielung aus einer Abwicklung der vorhandenen Sicherheiten erläutert, um einen möglichst großen Anteil der Restforderung einzutreiben. Im Vordergrund der Empfehlungen der MaRisk steht die Erstellung eines Abwicklungskonzeptes mit der Darstellung der Sicherheiten und der Schritte im Rahmen der geplanten Verwertung. Diese Strategieplanung stellt die Liquidation der Sicherheiten in den Vordergrund, ohne Berücksichtigung der Sanierungschancen in der Insolvenz. Des Weiteren wird nur sehr allgemein eine angemessene Organisation der Abwicklungsprozesse zur Reduzierung der ausstehenden Forderungen verlangt. In die Verwertung sind qualifizierte Mitarbeiter oder externe Spezialisten einzubeziehen, da die Tätigkeiten umfangreiche Fachkenntnisse erfordern (vgl. Hannemann et al., 2008, S. 451 ff.). Die MaRisk äußern sich insgesamt nicht zu einer Sanierungsbegleitung in der Insolvenz. Aufgrund der aktuellen Insolvenzlage ist eine stärkere Detaillierung der MaRisk zu fordern. Die Insolvenzstatistik zeigt eine hohe Risikorelevanz für Kreditinstitute und damit notwendige prozessuale Steuerungen der Abwicklungsfälle auf Gesamtbankebene. So treten in vielen Banken verstärkt große Unternehmensinsolvenzen mit zum Teil erheblichen Klumpenrisiken auf. Dies erfordert Sanierungsaktivitäten auch in der Insolvenz. Es ist eine Insolvenzfrüherkennung zu installieren, da in der aktuellen Krisenlage häufig ein schneller Durchlauf

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6 Erfolgsfaktoren der Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht

von der Sanierung in die Insolvenz zu verzeichnen ist. Eine Vorstrukturierung von Engagements mit potenzieller Insolvenzgefahr ist über die Identifizierung von Früherkennungskriterien möglich. Dies bietet Chancen für Banken mit der: 

Optimierung von Einzelverwertungen



Nutzung der Gesamtverwertung bei einer übertragenden Sanierung



Gestaltung von Insolvenzplanverfahren

Zur Anpassung an die Insolvenzlage ist für die betroffenen Institute in der Regel eine Veränderung der organisatorischen Strukturen, der Prozesse und der Mitarbeiterqualifikationen in den Bereichen Verwertung und Sanierung in der Insolvenz erforderlich. Neuordnung der Betreuungsstrukturen in Kreditinstituten Die organisatorische Ausgestaltung einer Abwicklungsabteilung ist in der Bankenpraxis von der Entscheidung für eine Eigenbetreuung der Insolvenzfälle oder einem Outsourcing dieser Engagements geprägt. Bei der Auswahl eines bestimmten Strukturmodells spielen die Anzahl und der Umfang der Engagements mit dem Vorhalten von Betreuungskapazitäten eine Rolle. Im Folgenden wird unterstellt, dass ein Institut seine Insolvenzengagements in Eigenregie bearbeitet und verstärkt, wie in der beschriebenen Ausgangssituation, von Insolvenzen großer Firmen betroffen ist. Eine höhere Anzahl von Insolvenzen und große Unternehmenspleiten erfordern unter Umständen eine Aufstockung der Betreuungskapazitäten im Abwicklungsbereich. Dies kann auf verschiedene Arten erfolgen: 

Verschiebung von Mitarbeiterkapazitäten in den Abwicklungsbereich: Eine unverzügliche Anpassung kann erfolgen, wenn ehemalige Sanierungsengagements auch in der Insolvenz durch den bisherigen Sanierungsbetreuer weiter bearbeitet werden.



Aufbau des Mitarbeiterstamms in der Abwicklung und Insolvenzbetreuung: Ist ein Kreditinstitut von steigenden Insolvenzzahlen betroffen, kann dies den Aufbau weiterer Kapazitäten erfordern, gerade wenn verstärkt große Insolvenzen zu betreuen sind.

Interessant kann zudem der Aufbau einer externen Beratungsleistung für andere Institute im Rahmen eines Insourcing von Abwicklungsengagements als Profit-Center-Modell sein. Dann können auch externe Insolvenzfälle an das Institut gezogen werden, zum Beispiel aufgrund der Stellung als Zentralinstitut mit dem Anbieten von Betreuungskapazitäten für angeschlossene Kreditinstitute (vgl. Ifftner, 2008, S. 227 ff.). Neben der Anpassung der Strukturen sind auch die Prozesse im Abwicklungsbereich neu zu gestalten. Optimierung der Geschäftsprozesse Wird ein Institut mit einer hohen Anzahl von Insolvenzfällen konfrontiert, erfordert dies eine effiziente Bearbeitung in den einzelnen Prozessschritten. Dabei sollte bereits eine Vorklassifizierung der Fälle nach der Ertragswirkung und der Risikobedeutung für ein Institut erfolgen. Der Betreuungsprozess ist im Detaillierungsgrad in Anlehnung an die Wichtigkeit und die Komplexität der Insolvenzfälle auszurichten. Diese Bearbeitungsschritte können sich an

5.4 Sonderprobleme in der Insolvenz

373

den Aufgaben und den zeitlichen Schritten im Insolvenzverfahren orientieren. So sind diese Teilprozesse effizient zu gestalten, bei der: 

Teilnahme am Berichts- und Prüfungstermin im Insolvenzverfahren



Entscheidung zur Kreditvergabe im (vorläufigen) Insolvenzverfahren



Überwachung des Insolvenzverwalters im Gläubigerausschuss



Prüfung eines Insolvenzplanverfahrens, Begleitung einer übertragenden Sanierung



Kontrolle der Verwertung von Sicherheiten durch den Insolvenzverwalter

Gerade die letzten beiden Aufgaben erfordern mit wachsender Unternehmensgröße der Insolvenzengagements oft einen hohen Betreuungsaufwand. Denn mit der steigenden Firmengröße nehmen auch die Alternativen in der Verwertung und bei der Nutzung von Sanierungsinstrumenten in der Insolvenz zu. Dabei entsprechen die Tätigkeiten unter anderem bei der Prüfung einer Sanierung in der Insolvenz nicht den Aufgaben eines reinen Marktfolgebereiches. Aufgrund der Außenkontakte und der direkten Erfolgswirksamkeit der Auflösung von Wertberichtigungen beziehungsweise dem Reduzieren von Abschreibungen nimmt der Aufgabenbereich eine Zwischenstellung zwischen dem Markt und der Marktfolge wie in der Sanierungsabteilung ein. Diese Aufgaben zur Optimierung der Verwertung und Insolvenzsanierung erfordern hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter. Anforderung an die Qualifikationen der Mitarbeiter Mit einer Verschiebung der auftretenden Problemfälle von den Sanierungsengagements hin zu den Insolvenzfällen kann auch eine Verlagerung der Kapazitäten oder eine Ausdehnung der Tätigkeiten des Sanierungsbetreuers im Insolvenzprozess in Erwägung gezogen werden. Im letzteren Fall werden die Engagements durch den Sanierer in der Insolvenz einfach weiter betreut. Das Eignungsprofil eines Sanierers ist bei Insolvenzen großer Firmen passend, wenn bei einem Insolvenzplanverfahren das Sanierungskonzept aus der außergerichtlichen Gesundungsphase zur Umstrukturierung in der Insolvenz herangezogen wird. Dem bisherigen Betreuer ist das Gutachten bekannt, er kennt die Akteure im Unternehmen und er kann die Chancen und Risiken einer Sanierung auch in der Insolvenz einschätzen. Jedoch sind die Fähigkeiten bei Verhandlungen mit Insolvenzverwaltern, zu Vorgehensweisen in der Gläubigerversammlung oder bei einer Mitwirkung in einem Gläubigerausschuss stetig weiterzuentwickeln. Es sind Schulungen im Insolvenzbereich aufgrund der aktuellen Rechtsprechung erforderlich. Bei der Betreuung großer Insolvenzfälle sind unter anderem folgende Qualifikationen von erheblicher Bedeutung: 

Rechtliches Spezialwissen in der Insolvenz: Beispielsweise bei der Einschätzung der Befugnisse des Insolvenzverwalters und dem Ablauf eines Insolvenzverfahrens.



Wirtschaftliches Know-How: Zum Beispiel bei der Betreuung von Sanierungen in der Insolvenz über ein Insolvenzplanverfahren oder eine übertragende Sanierung.



Unternehmerisches Denken und Verhandlungsgeschick: Abstimmungen im Gläubigerkreis beziehungsweise bei Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter.

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6 Erfolgsfaktoren der Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht

Anregungen für die Organisation und Prozesse der Insolvenzbetreuung Die erst mit einem Time Lag auf eine wirtschaftliche Erholung eintretende Verringerung der Unternehmenspleiten lässt in den nächsten Jahren steigende Insolvenzzahlen erwarten. Dabei weicht die aktuelle Krisenlage mit den vermehrt großen Unternehmensinsolvenzen von denen vergangener Jahre ab. Dies hat vermutlich eine Auswirkung auf die Höhe der Abschreibungen in den betroffenen Instituten. So sind verstärkt Ausbuchungen von großen Einzelforderungen zu erwarten. Daher sollte eine Überprüfung der Strukturen, Prozesse und Qualifikationen im Abwicklungsbereich der betroffenen Kreditinstitute vorgenommen werden. Dies kann gleichzeitig die Einstellung zur Sanierung in der Insolvenz positiv verändern, wenn die bekannten Optionen des Insolvenzplanverfahrens oder der übertragenden Sanierung häufiger genutzt werden. Es ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll, wenn mit der Zerschlagung großer Firmen viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, die mit einer Sanierung in der Insolvenz gerettet werden könnten. Dabei sollte auch eine Überarbeitung der Vorgaben aus den MaRisk im Abwicklungsbereich erfolgen, wenn Banken dadurch angeregt werden können, sich mit dem Bereich der Insolvenz näher zu beschäftigen. Generell sind aus Bankensicht einheitliche Bearbeitungsprozesse nicht nur für Sanierungsengagements, sondern auch für Insolvenzfälle zu gestalten. Dies sichert ein gleichgerichtetes und effizientes Vorgehen auf Gesamtbankebene. Die Prozesse sind möglichst in Richtlinien festzuhalten und laufend an die Erfordernisse der Praxis anzupassen. Des Weiteren sind die rechtlichen Neuerungen durch permanente Schulungen der Mitarbeiter zu erfassen. Somit kann sich nicht nur der Sanierungsbereich, sondern auch die Abwicklungsabteilung als wirklicher Wettbewerbsfaktor für ein Kreditinstitut erweisen. Sanierung und Insolvenz aus Bankensicht Die Finanzkrise und die Rezession in der Realwirtschaft zeigen es deutlich. Die Wirtschaftsentwicklung ist global vernetzt und wird durch Konjunkturzyklen beeinflusst. Unternehmen werden immer intensiver von diesen Schwankungen im Geschäftsverlauf erfasst. Auch alteingesessene Firmen und große Unternehmen sind in diesem Zusammenhang immer häufiger von Krisen betroffen. Insgesamt können Sanierungen und Insolvenzen hohe wirtschaftliche Schäden für die beteiligten Gläubiger eines Krisenunternehmens verursachen. Daher ist es von Bedeutung, dass Banken ihre Sanierungsengagements und Insolvenzfälle in Eigenregie begleiten. Auf diese Weise kann es gelingen, die Problemkreditbearbeitung als Wettbewerbsfaktor in einem Kreditinstitut auszubauen. Dazu soll dieses Buch anregen. Der Themenkomplex der Bewältigung einer Unternehmenskrise im Rahmen der Sanierung und der Insolvenz wurde daher umfassend analysiert und es wurden Gestaltungsempfehlungen gegeben. Insgesamt erfolgte eine integrierte Betrachtung der Sanierung und Insolvenz auf Basis einer Theoriegrundlage, einer Fallstudie und den Ergebnissen einer empirischen Studie. Es wurde gezeigt: Viele Unternehmen sind grundsätzlich sanierbar. Eine Sanierung kann jedoch nur dann gelingen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens mit seinen Produkten und Dienstleistungen am Markt langfristig wiederhergestellt wird. Wichtigster Erfolgsfaktor einer Sanierung ist jedoch die Einleitung des Sanierungsprozesses selbst.

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Stichwortverzeichnis A

C

ABC-Analyse 174 Absonderungsberechtigte Gläubiger 287 Absonderungsrecht 287 Abstimmungstermin 298, 307 Abwicklungsengagement 89 Abwicklungskonzept 348 Agency-Theorie 15, 18 Agent 15, 16 Anfechtung 336, 337 Anfechtungstatbestände 338 Asset Deal 13 Auskunftsrecht 347 Aussonderungsberechtigte Gläubiger 287 Aussonderungsrecht 287 Avalkreditgeber 315

Consulting Covenants Credit Default Swaps

B Balanced Scorecard 255 Bargeschäft 342 Basket-Transaktion 183 Bedrohungspotenziale 28 Berichterstattung 92 Berichtstermin 290 Besserungsschein 128, 223, 301 Bestätigungshindernis 308 Bestimmbarkeit 351 Bestimmtheit 349 Beteiligungsrisiken 97 Betriebswirtschaftliche Auswertung 56 Bonitätsrisiko 14 Branchenanalyse 45

252 18 57

D Darstellender Teil Debitorenmanagement Diskriminanzanalyse Distressed Debt Drittsicherheiten Drohende Zahlungsunfähigkeit

300 118 49, 55 183 308, 338 116, 277

E Echter Massekredit Eigenkapitalersatz Eigenkapitalveränderungsrechnung Eigennütziger Sanierungskredit Einflusspotenzial Eintrittsrecht Einzelgeschäftsfinanzierung Engagementstrategie Entscheidungskompetenz Ergebnisvolatilität Eröffnungsverfahren Erörterungstermin Erstbericht Erstgenehmigung Ertragskrise Ertragslage Exit Expertenberatung Externe Krisenursachen

326 100 53 359 28 350 120 91 85 54 277 298, 307 92, 93 40 7, 49 50 209 151 39, 171

392

Stichwortverzeichnis

F Fair Value-Bewertung Feststellungskosten Finanzlage Finanzperspektive Finanzplan Finanzplanung Finanzwirtschaftliche Sanierung Firmenengagement Folgebericht Forderungen Forderungskaufverfahren Forderungsliste Fortführungsprognose Freihändiger Verkauf Fremderwerb

54 349 50 256 116, 117 59 114 94 92, 93 351 332 118 123 355 314

G Gefährdetes Engagement Gefangenendilemma Geldkreditgeber Gesellschafterdarlehen Gestaltender Teil Gläubigerausschuss Gläubigergruppen Gläubigerversammlung Gläubigerverzeichnis Globalzession Gremienvorbehalt Grundschulden Gruppenbildung

89 210 315 47 301 291, 324 302, 303, 304 290, 297, 324 289 340 204 356 303

H Haftungstatbestand Handlungsoptionen Hidden Action Hidden Information

121 42 16 16

I IDW S 6 IFRS-Rechnungslegung Impairment Informationsasymmetrien Inkongruente Deckung Inkongruenzanfechtung

125, 168 52 96 17 342 343

Insolvenz Insolvenzabwendung Insolvenzanfechtung Insolvenzantrag Insolvenzeröffnungsbeschluss Insolvenzforderungen Insolvenzgeld Insolvenzgläubiger Insolvenzkostenbeiträge Insolvenzmasse Insolvenzplan Insolvenzplanverfahren Insolvenzschuldner Insolvenztabelle Insolvenzverschleppung Intensivengagement Interimsmanager Interne Krisenursachen Investorlösung

8 250 336, 337 12 286 301 279, 318, 330 288, 296 349 280 294, 297, 300 12 296 291 359 89 152 39, 171 257

J Jahresabschlussanalyse

49

K Kapitalbelassungserklärung 127 Kapitaldienstfähigkeit 18, 250 Kapitalerhöhung 119, 128 Kapitalflussrechnung 54 Kapitalmarktorientierte Unternehmen 52 Kennzahlenanalyse 49 Kernprozesse 172 Kleingesellschafterprivileg 100 Kleinstgläubiger 304 Kongruente Deckung 339 Kongruenzanfechtung 339 Konsortialvorbehalt 204 Kontensanierung 92 Kontoführungsanalyse 57 Konzerne 259 Konzernrisiken 262 Konzernverbund 261 Kopfmehrheit 304 Kostenbeiträge 327 Kreditentscheidungsprozess 82 Kreditkompetenz 92

Stichwortverzeichnis Kreditnehmereinheit Kreditrisikostrategie Krise Krisensignale Krisenursachen Kundensanierung

393 97 88 6 47 171 92

Poolquote Potenzialperspektive Principal Prolongation Prozessberatung Prozessperspektive Prüfungstermin

212 256 15, 16 99 151 256 292

L Lästigkeitspotenziale Liquidationsplan Liquiditätsbüro Liquiditätskrise Liquiditätsmanagement Liquiditätsstatus Loss Event

321 296 117 7, 57, 117 117 116 96

M Management-Buy-Out Marktfolge Massegläubiger Massekostenvorschuss Massekredit Massekreditgewährung Masseverbindlichkeiten Masseverzeichnis Materialeinsatzquote Minderheitenschutz Monitoring

257 82 287, 297 280 318, 319 325 281, 299, 335 289 206, 323 305 18, 233

R Rangrücktrittserklärung Rating Ratingklassifizierung Ratingmodell Ratingverfahren Realisationsprinzip Rechtsanwälte Rechtsträger Regelinsolvenzverfahren Relevanter Markt Restrukturierung Restschuldbefreiung Risiko Risikoanalyse Risikobestandsaufnahme Risikoerkennung Risikofrüherkennung Risikostrategie

127 57 89 60 60 54 145 291 294 44 10 310 13 41 94 10 35 88

S N Nachrangige Insolvenzgläubiger 288, 296 Neukreditgeschäft 99 Nicht nachrangige Insolvenzgläubiger 296

O Obstruktionsverbot Operationelle Risiken

304 97

P Plananlagen Planentwurf Planüberwachung Planvorlage Poolbildung Poolführerin

302 298 299, 302, 309 297 11 201

Sachwalter Saldenausgleich Sanierung Sanierungsabteilung Sanierungsanalyst Sanierungsbeitrag Sanierungsberater Sanierungsbericht Sanierungsbetreuer Sanierungsentscheidungsmodell Sanierungsfähigkeit Sanierungsgewinn Sanierungsinformationssystems Sanierungskredit Sanierungsplan Sanierungsprivileg

309 201 10, 92 81 84 25 23 93 84, 90 181 177 130 236 120 295 100, 345

394

Stichwortverzeichnis

Sanierungsprozess 5 Sanierungsträger 143 Sanierungswürdigkeit 177 Schenkungsanfechtung 337 Schlusstermin 292 Schuldnerknebelung 360 Schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter 281 Screening 34 Segmentberichterstattung 54 Sekundärrisiken 97 Sensitivitätsanalyse 42 Sicherheitenabgrenzungsvertrag 199, 206 Sicherheitenerlösabgrenzung 326 Sicherheitenpool 200 Sicherheitenpoolvertrag 199, 200 Sicherheitenstruktur 295 Sicherungseigentum 349 Sicherungsübereignungsvertrag 349 Signaling 18, 233 Single-Name-Transaktion 183 Sofortmaßnahmen 10 Sozialplan 320 Stakeholder 19 Stakeholder-Analyse 47 Stakeholder-Management-Ansatz 20 Stakeholder-Modell 20 Starker vorläufiger Insolvenzverwalter 280 Statische Liquiditätskennziffer 116 Steuerberater 146 Stillhalteabkommen 121 Stimmliste 303 Strategiekrise 6, 39 Stresstest 91, 348 Stundung 119 SWOT-Analyse 43 Szenariotechnik 40

T Teamperspektive Turnaround

256 14, 249

U Überbrückungsfinanzierung Überinvestitionsproblem Überschuldung Überschuldungsstatus Übertragende Sanierung Übertragungsplan Umsatzsteuer Unechter Massekredit Unternehmensberater

120 261 121, 277 121 13, 312 295 349 326 150

V Verbundene Kreditrisiken Verfügungsbefugnis Verfügungsverbot Vergütungssystem Vermögenslage Vermögensübersicht Verwertungskosten Verwertungsvereinbarung Verzeichnis der Massegegenstände Vorläufiger Insolvenzverwalter Vorsatzanfechtung

97 281 280 253 50 289 349 355 289 279 337

W Wertaufholung Wertersatzanspruch Wertschöpfungskette Wettbewerbsfähigkeit Wirtschaftsprüfer Worst-Case

95 347 172 250 148 176

Z Zahlungsunfähigkeit Zustimmungsfiktion Zwangsversteigerung Zwangsverwaltung

115, 277 305 355, 358 355, 357