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German Pages 475 Year 2002
RALF MICHAELS
Sachzuordnung durch Kaufvertrag
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 259
Sachzuordnung durch Kaufvertrag Traditionsprinzip, Konsensprinzip, ius ad rem in Geschichte, Theorie und geltendem Recht
Von Ralf Michaels
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Michaels, Ralf: Sachzuordnung durch Kaufvertrag : Traditionsprinzip, Konsensprinzip, ius ad rem in Geschichte, Theorie und geltendem Recht / Ralf Michaels. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zum bürgerlichen Recht ; Bd. 259) Zugl.: Passau, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10530-3
Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-10530-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Für Steffi
(„die Beste")
Per traditionem quoque iure naturali res nobis adquiruntur. Inst. 2. 1.40
De venditione & emtione notandum, etiam sine traditone, ipso contractus momento transferri dominium posse, atque id esse simplicissimum. Hugo Grotius , De iure belli ac pacis II, 12 § 15.1
The concept of transfer of property is a very comprehensive and complicated one. We must remember the deep wisdom of the early Roman sentences: distinguendum est , and divide et impera.
Fr. Winding Kruse Am.J.Comp.L. 7 (1958) 500 (514)
Vorwort Am Beispiel des „ius ad rem" dürfte sich aber gezeigt haben, daß historische Figuren, „Einkleidungsmöglichkeiten", noch im Gespräch sind, die keinen zureichenden heuristischen Wert haben. Ja, das bloße Wort ist hier bereits schädlich, denn es weckt Assoziationen im Sinne einer Beziehung zur Sache (Dinglichkeitsvorstellungen), die geeignet sind, jene obligationsrechtlichen Modellvorstellungen, an denen sich System und heute praktizierter Rechtsschutz eindeutig ausrichten, zu verunklaren. Schon einem disziplinierten, systemkongruenten Sprachgebrauch zuliebe sollte man solchen „lebenden Fossilien" nur noch als entwicklungsgeschichtlichen Besonderheiten Beachtung schenken Roland Dubischar JuS 1970, 6(12) „Über Wesen ..Bedeutung und Ausgestaltung des ius ad rem in einzelnen besteht ... Streit; eine moderne Untersuchung, die weniger beim Terminus als vielmehr beim dahinterstehenden Sachproblem anzusetzen hätte, steht noch aus" Walter Ogris, Jus ad rem, in: HRG II 490 (491).
Die heftige Ablehnung des ius ad rem in der Rechtswissenschaft einerseits, die sich im Zitat von Dubischar ausdrückt, die Erkenntnis von Ogris andererseits bildeten den Anstoß für diese Arbeit. Bald nach Beginn daran zeigte sich die wahrscheinliche Ursache für das Fehlen einer solchen Untersuchung, wie sie Ogris vermisst: Das „dahinterstehende Sachproblem" ist nämlich ausgesprochen schwer einzugrenzen. Rechtsdogmatisch berührt sind Fragen des allgemeinen Schuldrechts, des Vertragsrechts, des Deliktsrechts, des Sachenrechts und des Zwangsvollstreckungsrechts; rechtstheoretisch sind die Systematik subjektiver Rechte wie auch Grundfragen des Inhalts von Forderungsrechten betroffen. Viele Äußerungen in der Literatur zum ius ad rem als Rechtsfigur wie auch zu einzelnen der betroffenen Sachfragen vernachlässigen den Zusammenhang dieser Gebiete und die Abhängigkeit bestimmter Antworten zu einem Gebiet von - wie selbstverständlich vorausgesetzten - Antworten auf Fragen in anderen Gebieten. Die großen Meinungsdiskrepanzen über die Definition des ius ad rem sowie seine Funktionsfähigkeit und Relevanz als Rechtsfigur einerseits, über die adäquate Lösung der mit ihm verbundenen Sachprobleme andererseits, sind die fast zwangsläufige Folge. Darin liegt der Grund dafür, dass diese Arbeit thematisch so weit ausholt. Sie ist erstens der Stellung des ius ad rem als Rechtsfigur in Geschichte und Gegenwart gewidmet. Zweites Anliegen ist das Finden von Lösungen für die verschiedenen mit dem ius ad rem in Verbindung stehenden Sachprobleme, die nicht nur jeweils
10
Vorwort
für sich überzeugen, sondern auch zueinander konsistent sind. Damit verbunden ist das dritte Ziel der Arbeit: die Formulierung und Erprobung einer übergreifenden Dogmatik, die nach traditionellem Verständnis dem geltenden Recht nicht unterliegt, dieses aber in einigen Aspekten besser zu erklären vermag als die herkömmliche Dogmatik. Das ius ad rem dient also als Ausgangs-, nicht als Endpunkt der Arbeit - sobald es seinen Zweck erfüllt hat, Grundlagen der herrschenden, mit ihm nicht vereinbaren, Dogmatik kritisch in Frage zu stellen, kann auf es selbst als Rechtsfigur zuletzt verzichtet werden. Die Arbeit wurde im Sommersemester 2000 von der Juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen und seitdem weitgehend aktualisiert. Ihr Entstehen verdankt sie in erster Linie der Anregung und Betreuung meines Doktorvaters und langjährigen Lehrers, Prof. Dr. Klaus Schurig. Bei ihm habe ich, neben vielem anderen, auch gelernt, dass Rechtsdogmatik und die angemessene Lösung von Interessenkonflikten nicht einander entgegengesetzt sind, sondern gerade umgekehrt einander bedingen. Besonders dankbar bin ich auch für die schnelle und überaus flexible Behandlung bei Begutachtung und Rigorosum - letzteres gilt auch für Prof. Dr. Bernhard Haffke. Prof. Dr. Jan Wilhelm verdankt die Arbeit weit mehr als nur die zügige Verfassung des ausführlichen Zweitgutachtens - auch wenn er selbst gegen viele ihrer Thesen Widerspruch angemeldet hat. Dank gilt auch zahlreichen Freunden und meinen Eltern für wissenschaftliche und sonstige Unterstützung, sowie für ihre Geduld. Genannt sei stellvertretend und vor allen Dennis Solomon, der große Teile der Arbeit gelesen und minutiöser Kritik unterzogen hat. Schließlich soll der Studienstiftung des deutschen Volkes für langjährige Unterstützung bei Studium und Promotion, dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, insbesondere Prof. Dr. Jan Kropholler, für die Gewähr von Forschungsplatz und -freiraum, der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Gewähr einer Druckkostenbeihilfe gedankt sein. Gewidmet ist die Arbeit Stefanie, aus mancherlei Gründen. Hamburg, im Juli 2001
Ralf Michaels
Inhaltsübersicht
Kapitel 1 Einleitung A. Traditionelle Fragestellungen
35
B. Schwächen des traditionellen Ansatzes und Ansatz dieser Arbeit
47
C. Hypothese und ius ad rem
55
Kapitel 2 Geschichte A. Die Grundlagen des ius ad rem
61
B. Die Entstehung des ius ad rem
107
C. Die Entwicklung des ius ad rem
124
D. Der Niedergang des ius ad rem
159
E. Das ius ad rem im heutigen Privatrecht - rechtsvergleichender Überblick
188
F. Sachzuordnung und ius ad rem - Bewertung der historischen Erkenntnisse
198
Kapitel 3 Theorie A. Das Verhältnis zwischen Eigentum und Besitz bzw. Registereintragung
201
B. Interessen und Ökonomie
209
C. Dogmatik
244
D. Formulierung einer neuen Dogmatik der Sachzuordnung
276
12
Inhaltsübersicht Kapitel 4 Geltendes Recht
A. Der konsensuale Eigentumserwerb gemäß § 930 BGB
282
B. Die Vormerkung
301
C. Das Veräußerungsverbot
330
D. Der Schutz des bloß obligatorisch berechtigten Käufers
354
E. Sachzuordnung durch Kaufvertrag und ius ad rem im deutschen Recht
422
Kapitel 5 Schluss Α. Zusammenfassung der Ergebnisse
426
B. Folgerungen
431
Literaturverzeichnis
433
Namenverzeichnis
467
Sachverzeichnis
469
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 Einleitung A. Traditionelle Fragestellungen I. Konsens-oder Traditionsprinzip 1. Prinzipien
35 35 35
a) Traditionsprinzip
35
b) Konsensprinzip
37
2. Rechtsvergleichender Meinungsstand
37
a) Nichtberücksichtigung der Frage im Kaufrecht
37
b) Meinungsstand im Sachenrecht
38
3. Differenzierung II. Dingliche und persönliche oder absolute und relative Rechte 1. Prinzipien
39 41 41
a) Dingliche und persönliche Rechte
41
b) Absolute und relative Rechte
42
2. Mischfiguren
43
3. Differenzierung
44
III. Anspruch auf Erfüllung in natura oder Anspruch auf Geldersatz 1. Prinzipien
45 45
a) Geldersatz
45
b) Naturalerfüllung
45
2. Rechtsvergleichender Meinungsstand
46
3. Differenzierung
47
B. Schwächen des traditionellen Ansatzes und Ansatz dieser Arbeit I. Der Zusammenhang der Fragen
47 48
1. Notwendigkeit der Zusammenbehandlung
48
2. Möglichkeit der Zusammenbehandlung
49
nsverzeichnis II. Begrifflichkeit
49
1. Notwendigkeit voraussetzungsarmer Begriffe
49
2. Kaufvertrag
51
3. Sachzuordnung
51
a) Wertzuordnung und Sachzuordnung (1) Wertzuordnung als Sachzuordnung im weiteren Sinne
53 53
(2) Sachzuordnung im engeren Sinne
53
b) Relative und absolute Sachzuordnung
54
(1) Sachzuordnung im Innenverhältnis
54
(2) Sachzuordnung im Außenverhältnis
54
C. Hypothese und ius ad rem
55
I. Hypothese
55
II. Ius ad rem
56
III. Hypothese und ius ad rem im Zusammenhang mit den Fragen dieser Arbeit...
57
1. Ius ad rem zwischen Konsens- und Traditionsprinzip
57
2. Ius ad rem zwischen absolut-dinglichem und relativ-persönlichem Recht ...
58
3. Ius ad rem und Erfüllung in natura
58
IV. Gang der Untersuchung
58
1. Geschichte
59
2. Interessen und Dogmatik
60
3. Geltendes Recht
60
Kapitel 2 Geschichte A. Die Grundlagen des ius ad rem
61
I. Römisches Recht
61
1. Frühzeit a) Kaufvertrag und Übereignung
61 61
(1) Mancipatio
62
(2) In iure cessio
63
(3) Traditio
64
b) Grundlagen des Schuldverhältnisses
64
(1) Deliktshaftung
64
(2) Vertragshaftung
65
nsverzeichnis
15
c) Die Durchsetzung von Rechtspositionen
66
(1) Begriff der actio
66
(2) Actio in rem
67
(3) Actio in personam
68
(4) Struktureller Vergleich
69
2. Wandlungen im klassischen Recht
70
a) Kaufvertrag und Übereignung im klassischen Recht
70
(1) Der Kaufvertrag als sachzuordnender Vertrag
70
(2) Die Übereignung durch traditio
71
(3) Die Unvollständigheit der kaufvertraglichen Zuordnung im Außenverhältnis
72
b) Die Durchsetzung von Rechten im Prozess
74
(1) Formularverfahren und omnis condemnatio pecuniaria
74
(2) Kognitionsverfahren
75
(3) Strukturvergleich zwischen actio in rem und in personam
76
3. Das nachklassische Vulgarrecht a) Eigentumserwerb durch Kaufvertrag
76 76
b) Schuld- und Sachenrecht
77
c) Die Durchsetzung von Rechtspositionen
77
d) Ius ad rem im Erbrecht?
78
4. Iustinianisches Recht a) Eigentumserwerb durch traditio
81 81
(1) Der Bedeutungswandel der traditio
81
(2) Auflockerungen des Traditionsprinzips
82
(3) Die Überwindung des Traditionsprinzips aus sich selbst: Übereignung mittels Besitzkonstituts
83
b) Die Durchsetzung von Rechtspositionen
84
(1) Die Trennung von obligatio faciendi und obligatio dandi
84
(2) Grundlagen
85
(3) Bedeutung
87
c) Mischformen zwischen relativ-persönlichen und absolut-dinglichen Positionen
87
(1) Eine relativ-dingliche Klage: Die rei vindicatio utilis
88
(2) Eine absolut-persönliche Klage: die actio in rem scripta
89
(3) Eine Außenwirkung der actio in personam: die in integrum restitutio
89
II. Germanisches Recht 1. Die Eigentumsübertragung a) Die Gewere als Grundbegriff des germanischen Sachenrechts
90 90 90
nsverzeichnis
16
b) Die Übertragung von Grundstücken ( 1 ) Übertragung auf dem Grundstück (2) Übertragung außerhalb des Grundstücks
92 92 92
c) Die Übertragung von Fahrnis
93
2. Sachzuordnung durch Kaufvertrag
94
a) Sachzuordnung im Innenverhältnis
94
b) Der Doppelverkauf
95
3. Dogmatik
96
a) Schuld- und Sachenrecht
96
b) Übereignung durch Vertrag?
97
c) Der Kaufvertrag als unvollständige Übereignung
98
III. Vergleich 1. Die Bedeutung der Form a) Die Unübertragbarkeit von Rechten
99 99 99
b) Eigentumsübertragung als geduldetes Ergreifen
100
c) Sachzuordnung durch Kaufvertrag?
101
2. Die Struktur subjektiver Zuordnungen
102
a) Zweipolige Zuordnungen als Frühform
102
b) Dreipolige Zuordnung
103
c) Zuordnung und Natural Vollstreckung
103
3. Das römisch-rechtliche Traditionsprinzip als Modell für das europäische Privatrecht? 104 a) Die traditio zwischen Vertrag und Ergreifungsakt
104
b) Die Grundlage des Traditionsprinzips
105
c) Die Aufweichung durch das Besitzkonstitut
106
B. Die Entstehung des ius ad rem I. Das ius ad rem im Kirchen- und Lehnrecht
107 108
1. Kanonisches Recht
108
a) Dekretalrecht
108
b) Wissenschaftliche Einordnung
110
c) Würdigung
112
2. Lehnrecht
112
a) Entwicklung
112
b) Wissenschaftliche Einordnung
113
c) Würdigung
114
nsverzeichnis II. Das ius ad rem der Zivilistik 1. Rechtsentwicklung a) Kaufvertrag und Übereignung
17 114 115 115
b) Naturalerfüllungsanspruch beim Kauf
116
c) Doppelverkauf
117
2. Dogmatische Einordnung
119
a) Die Herausbildung subjektiver Rechtspositionen
119
b) Das ius ad rem in der Zivilistik
120
III. Würdigung
121
1. Zum materiellen Zivilrecht
121
2. Zur dogmatischen Einordnung als ius ad rem
122
3. Das ius ad rem zwischen Sachenrecht und Schuldrecht
123
C. Die Entwicklung des ius ad rem I. Humanismus und Usus Modernus
124 124
1. Kaufvertrag und Sachzuordnung
124
2. Dogmatik
125
3. Würdigung
126
II. Naturrechtslehre
127
1. Kaufvertrag und Sachzuordnung a) Die Übereignung durch Vertrag
127
b) Die naturrechtliche Vertragslehre
129
c) Vollstreckung in natura
130
d) Der Doppelverkauf
131
2. Dogmatik
132
a) Dominium
132
b) Ius ad rem
133
3. Würdigung
134
a) Stärken
134
b) Schwächen
135
III. Gemeines Recht
2 Michaels
127
136
1. Die Lehre von titulus und modus
136
2. Die Bedeutung der traditio
137
a) Die konsensuale Übereignung mittels Besitzkonstituts
137
b) Publizitätsprinzip und Erwerb vom nichtberechtigten Besitzer
138
nsverzeichnis
18 3. Doppel verkauf
139
4. Das ius ad rem innerhalb der Lehre von titulus und modus
140
IV. Das ius ad rem in den deutschsprachigen naturrechtlichen Kodifikationen 1. Die Kodifikationen 2. Kaufvertrag und Übereignung
140 140 142
a) Traditionsprinzip
142
b) Die Übereignung mittels Besitzkonstituts
143
3. Sachzuordnung im Innen Verhältnis
144
4. Doppel verkauf und ius ad rem
145
a) Bayern
145
b) Preußen
145
c) Österreich 5. Würdigung V. Das ius ad rem im französischen Code Civil 1. Konsensprinzip beim Kauf
147 148 148 148
a) Regelung
148
b) Einschränkungen
149
(1) Beschränkung auf den Verkauf von dem Verkäufer gehörenden Einzelsachen 149 (2) Relativität c) Erklärungen zur Herkunft der Regel
150 151
(1) Naturrechtlicher Einfluss: Eigentumsübergang durch Willensakt ....
151
(2) Romanistischer Einfluss: traditio ficta
152
(3) Germanischer Einfluss: Kauf als dingliches Geschäft
153
(4) Gefahrtragung
153
(5) Konsensprinzip und obligatio dandi
154
2. Sachzuordnung im Innenverhältnis: Die Unterscheidung von obligatio dandi und obligatio faciendi 155 3. Drittwirkung der Sachzuordnung
156
a) Die Bedeutung des Besitzes
156
b) Die Bedeutung der Eintragung
156
c) Der Doppelverkauf 4. Würdigung D. Der Niedergang des ius ad rem I. Die Ablehnung des ius ad rem in der Lehre des 19. Jahrhunderts 1. Dogmatische Grundlagen
157 158 159 159 159
nsverzeichnis
19
a) Die Trennung subjektiver Rechte in dingliche und persönliche Rechte .. 159 b) Die Übereignung
160
(1) Der dingliche Vertrag
160
(2) Die Bedeutung der traditio
162
c) Die Trennung des materiellen Rechts vom Prozessrecht 2. Sachzuordnung durch Kaufvertrag a) Sachzuordnung im Innenverhältnis b) Sachzuordnung im Außenverhältnis
162 163 163 164
3. Die Verteidigung des ius ad rem durch Ziebarth
165
4. Würdigung
167
II. Die Abschaffung des ius ad rem durch die Gesetzgebung
168
1. Das preußische Eigentumserwerbsgesetz von 1872
168
a) Regelung
168
b) Diskussion
168
c) Die Vormerkung
169
2. Das Bürgerliche Gesetzbuch
170
a) Die Beibehaltung des Traditionsprinzips
170
b) Abschaffung des ius ad rem
171
c) Die Vormerkung des BGB
172
3. Beibehaltung der Realexekution
173
III. Versuche der Wiedereinführung
174
1. Die Thesen von Wellspacher
174
2. Ansätze im Nationalsozialismus
175
a) Relatives Eigentum (Dulckeit, Meyer)
176
b) Das ius ad rem als Ausdruck des Austauschcharakters des Kaufs (Brandt) 176 c) Das „Recht zum Grundstück" (Locher)
177
d) Exkurs: Zur Verwertbarkeit wissenschaftlicher Äußerungen des Dritten Reichs 179 3. Kaufvertrag und Eigentumsübergang im Recht der DDR
180
4. Ansätze in der Wissenschaft der Bundesrepublik
182
a) Die „Verdinglichung obligatorischer Rechte"
182
(1) Inhalt
182
(2) Stellungnahmen der Literatur
182
(3) Würdigung
183
nsverzeichnis
20 b) Das „Anrecht4*
184
(1) Inhalt
184
(2) Würdigung
185
c) Das „spezielle Sach- und Vermögensrecht inter partes"
186
(1) Inhalt
186
(2) Würdigung
187
E. Das ius ad rem im heutigen Privatrecht - rechtsvergleichender Überblick I. Der Doppelverkauf
188 188
1. Deliktsrechtliche Lösungen
188
2. Besondere Regelungen
189
3. Der Doppel verkauf im Konsensprinzip
190
II. Naturalerfüllung und Sachzuordnung beim Kaufversprechen (promesse de vente) 190 a) Die promesse unilatérale de vente
191
(1) Einordnungsversuche
191
(2) Bindende Wirkung und ius ad rem
192
(3) Obligation de faire und Fehlen einer Bindung
193
(4) Würdigung
193
b) Die promesse synallagmatique de vente
194
c) Ergebnis
195
III. Naturalerfüllung und Sachzuordnung im englischen Recht
196
1. Konsensprinzip und Doppelverkauf bei beweglichen Sachen
196
2. Erfüllungsanspruch und equitable interest
197
3. Ergebnis
197
F. Sachzuordnung und ius ad rem - Bewertung der historischen Erkenntnisse I. Die Isolierung der Rechtsfragen der Sachzuordnung II. Ius ad rem
198 198 199
Kapitel 3 Theorie A. Das Verhältnis zwischen Eigentum und Besitz bzw. Registereintragung I. Argumente für einen logischen Zusammenhang
201 201
1. Eigentum und Besitz
201
2. Eigentum und Registereintragung
203
nsverzeichnis 3. Eigentum und „Haben-Beziehung"
21 203
4. Eigentum und Gefahrtragung
204
5. Argumente aus speziellen Vertragsgestaltungen
205
a) Das Argument der logischen Unmöglichkeit
205
b) Mangel an Praktikabilität
206
II. Die Grundlegung der Trennung als Folge eines geänderten Verständnisses der Rechtsübertragung 208 1. Übergabe und gesetzlicher Eigentumsübergang
208
2. Übergabe und privatautonomer Eigentumsübergang
208
III. Folgerungen B. Interessen und Ökonomie I. Interessen
209 209 210
1. Sachzuordnung im Innenverhältnis
210
a) Einfachheit und Vertragsfreiheit
210
b) Interessen am sofortigen Übergang (1) Sachzuordnung und Kaufpreiszahlung
211 211
(2) Die durch Kaufpreiszahlung bedingte Sachzuordnung als anwartschaftsrechtsähnliche sofortige Sachzuordnung 212 c) Beschränkung auf das Innenverhältnis
213
d) Voraussetzung der Naturalexekution für die konsensuale Sachzuordnung
214
2. Sachzuordnung im Außen Verhältnis durch Übergabe oder Eintragung a) Allgemeines Publizitätsprinzip
216 216
(1) Beschränkung der Argumente auf die Sachzuordnung im engeren Sinne 217 (2) Beschränkung der Argumente auf das Verhältnis zu Sachgläubigern 217 (a) Interessen von Sachgläubigern
218
(b) Interessen von Geldgläubigern
220
(c) Fazit
221
b) Beweisfunktion c) Beschränkung auf das Außenverhältnis 3. Außenwirkung konsensualer Sachzuordnung gegenüber Bösgläubigen II. Ökonomische Analyse: die „Efficient Breach Theory"
222 223 223 225
1. Die allgemeine Efficient Breach Theory
226
a) Ergebnis ohne Transaktionskosten
227
b) Ergebnis mit Transaktionskosten
229
c) Fragen der Risikoverteilung
231
d) Zwischenergebnis
232
nsverzeichnis
22
2. Efficient Breach Theory der obligatio dandi
233
a) Opportunitätskosten
234
b) Transaktionskosten
236
(1) Vertretbare und einzigartige Sachen
236
(2) Geldinteressen und Sachinteressen
237
(3) Anwendung gegenüber dem Zweitkäufer
238
c) Risikoverteilung
239
3. Erträge der ökonomischen Analyse: Efficient Breach, property rights und Sachzuordnung 239 a) Efficient Breach als Allokationsproblem
239
b) Allokation und property rights
240
c) Property right und Sachzuordnung
241
d) Die Frage des Zeitpunkts
242
III. Ergebnisse C. Dogmatik'
243 244
I. Die Systematisierung subjektiver Rechte 1. Kriterien der Dinglichkeit a) Beziehung zur Sache - Beziehung zur Person
244 245 245
(1) Varianten
245
(2) Kritik
246
b) Absolutheit - Relativität
247
(1) Varianten
248
(2) Kritik
249
c) Die Verbindungsthese und deren Probleme (1) Der Streit als Unterschied der Sichtweisen
249 249
(2) Die Verbindungsthese
250
(3) Neue Probleme
251
2. Die Systematisierung subjektiver Rechte durch J. Schmidt
252
3. Eine neue Systematisierung
255
a) Absolutes und relatives Recht als Unterscheidung der Richtung
255
b) Dingliches und persönliches Recht als Unterscheidung des Inhalts
256
c) Kombinationsmöglichkeiten, insbesondere das relativ-dingliche Recht .. 258 (1) Die theoretische Möglichkeit des relativ-dinglichen Rechts
258
(2) § 392 Abs. 2 HGB als praktisches Beispiel einer relativen Zuordnung 258
nsverzeichnis II. Die obligatio dandi als relativ-dingliches Recht 1. Der Inhalt des Forderungsrechts
23 261 261
a) Die drei möglichen Anspruchsfunktionen des Schuldvertrags
261
b) Zur Aufteilung dieser Funktionen
263
c) Der Inhalt des Erfüllungsanspruchs (1) Französisches Recht
264 264
(2) Common Law
265
(a) Der Grundsatz des Geldersatzes (b) Specific performance und Sachzuordnung (3) Deutsches Recht
265 266 267
d) Sachzuordnung durch obligatio dandi (1) Die angebliche Vermögenshaftung im deutschen Recht
268 268
(2) Der Inhalt der Primärhaftung
269
(3) Exkurs: Zur Autonomie des materiellen Rechts
272
2. Das Außenverhältnis des Forderungsrechts
273
a) Das Konzept der opposabilité
273
b) Bewertung
274
c) Modifikation
275
D. Formulierung einer neuen Dogmatik der Sachzuordnung
276
I. Sachzuordnung im Innenverhältnis
276
II. Sachzuordnung im Außenverhältnis
276
1. Doppelverkauf
276
a) Zwei gutgläubige Käufer
276
b) Der bösgläubige Zweitkäufer
278
2. Die relative Sachzuordnung in Einzelzwangsvollstreckung und Konkurs ... 278 a) Einzelzwangsvollstreckung
279
b) Konkurs
280
Kapitel 4 Geltendes Recht A. Der konsensuale Eigentumserwerb gemäß § 930 BGB
282
I. Die Möglichkeit der Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB im System der Beziehung von Kaufvertrag und Übereignung 284 1. Übereignung und Besitzverschaffung
284
nsverzeichnis 2. Die Abgrenzung zwischen Begründung eines Verschaffungsanspruchs und konsensualer Eigentumsübertragung 285 3. Konsensprinzip im deutschen Recht als Folgerung?
287
II. Die Außenwirkung der Übereignung nach § 930 BGB
289
1. § 930 BGB im Doppelverkauf
289
a) Das Verhältnis zwischen besitzendem und nicht besitzendem Käufer —
289
b) Das Verhältnis zwischen zwei nicht besitzenden Käufern
290
c) Ergebnis
291
d) BGB und Gemeines Recht
292
2. § 930 BGB gegenüber Geldgläubigern des Verkäufers
292
a) § 930 BGB in der Einzelzwangsvollstreckung
292
b) § 930 BGB im Konkurs
293
III. Ergebnis: Die Übereignung nach § 930 BGB als unvollständige Übertragung der Sachzuordnung 295 1. Dogmatische Rekonstruktion
295
a) Die faktische Verfügungsmacht des noch besitzenden Verkäufers
295
b) Die Beständigkeit des gutgläubigen Erwerbs
297
2. Rechtspolitische Begründung
298
a) Zurechnungsprinzip
298
b) Die Rolle des Besitzes
299
3. Kriterien für die Bösgläubigkeit Die Vormerkung I. Grundzüge und Probleme der gesetzlichen Regelung 1. Entstehensvoraussetzungen
300 301 302 302
a) Anspruch ohne Gefährdung
302
b) Bewilligung ohne dingliche Einigung
303
c) Eintragung 2. Wirkungen
303 303
a) Sicherung gegenüber Zwischenverfügungen
304
b) Sicherung gegenüber Einzelzwangsvollstreckung
304
c) Sicherung im Konkurs
305
3. Bezeichnung II. Rechtsnatur 1. Rechtsnatur der Vormerkung
306 306 307
a) Dingliches oder „quasi-dingliches" Recht
307
b) Durchgangserscheinung auf dem Weg zum dinglichen Recht
308
nsverzeichnis
25
c) Verfügungsverbot
308
d) Grundbuchvermerk
309
2. Vormerkung und Anspruch
309
a) Der Fehler in der Fragestellung nach der Rechtsnatur der Vormerkung .. 309 b) Vormerkung und Widerspruch 3. Rechtsnatur des vorgemerkten Anspruchs
310 311
a) Die Vormerkung ändert nicht das Forderungsrecht
312
b) Vormerkung als Grundbuchvermerk
312
c) Positiv angeordnete Rechtswirkungen
314
d) Rückbeziehung
316
e) Gleichbehandlung der Gläubiger
317
0 Exkurs: Die Relevanz der Ansichten der 1. Kommission für das Verständnis des BGB 317 III. Einzelfragen
318
1. Natur und Rechtswirkungen der Bewilligung nach § 885 Abs. 1 S. 1 BGB 318 2. Anspruch auf Vormerkung aus dem Kaufvertrag
320
a) Meinungen
320
b) Relevanz
321
c) Stellungnahme
322
d) Lösung
323
3. Deliktsschutz des Vormerkungsberechtigten
324
4. Austausch des gesicherten Verschaffungsanspruchs
325
IV. Ergebnisse
327
1. Vormerkung und Sachzuordnung
327
2. Vormerkung und ius ad rem
328
3. Vormerkung und Verdinglichung
329
C. Das Veräußerungsverbot I. Das einstweilige Verfügungsverbot 1. Grundlagen
330 332 332
a) Wirkungen
332
b) Durchsetzung
333
2. Das Problem kollidierender Verfügungsverbote
335
a) Unzulässigkeit des einstweiligen Verfügungsverbots zur Sicherung von Verschaffungsanspriichen? 335 (1) Einstweiliges Verfügungsverbot und ius ad rem
335
nsverzeichnis
26 (2) Stellungnahme
336
b) Meinungen zur Auflösung kollidierender Veräußerungsverbote
338
c) Kritik
339
d) Lösung
340
3. Veräußerungsverbot und Geldgläubiger
342
a) Veräußerungsverbot und Einzelzwangsvollstreckung
342
b) Veräußerungsverbot und Eigentümerkonkurs
343
(1) Grundsatz: Wirkungslosigkeit des Verfügungsverbots gegenüber Verfügungen nach Konkurseröffnung 343 (2) Das publizierte Verfügungsverbot
344
(3) Ergebnis
344
II. Das rechtsgeschäftliche Verfügungsverbot
345
1. Normzweck des § 137 BGB
345
2. Wirkungen des schuldrechtlichen Veräußerungsverbots
347
a) Wirkungen im Innenverhältnis
347
b) Wirkungen im Außenverhältnis
349
3. Umgehungsmöglichkeiten der Beschränkung auf relative Wirkungen a) Bedingte Verfügung
351 351
(1) Bedingung der Veräußerung
351
(2) Bedingung der Pfändung
352
b) Bedingter (Rück-)Übereignungsanspruch III. Ausblick D. Der Schutz des bloß obligatorisch berechtigten Käufers I. Sachzuordnung im Innenverhältnis 1. Die Möglichkeit einer Sachzuordnung durch Vertrag
352 353 354 354 355
a) Vertragsfreiheit und vertragliche Sachzuordnung
355
b) Soll-Zuordnung und Ist-Zuordnung
356
2. Relative Sachzuordnung im engeren Sinne a) Erwirkung der geschuldeten Willenserklärungen
357 357
b) Erwirkung der Eintragung oder Übergabe
358
c) Ergebnisse und Folgerungen
358
3. Relative Sachzuordnung und Gefahrtragung II. Sachzuordnung im Doppelverkauf 1. Die Beschränkung der Diskussion auf das Deliktsrecht
359 360 361
nsverzeichnis 2. Rechtsgutsschutz unter § 823 Abs. 1 BGB a) Genereller Schutz der Forderung unter § 823 Abs. 1 BGB (1) Keine begriffliche Unverletzbarkeit
27 362 362 362
(2) Kein automatischer Schutz von Forderungsrechten wegen Rechtsqualität 363 (3) Begrenzung auf absolute Rechte
364
b) Schutz bei sozialtypischer Offenkundigkeit
367
c) Schutz der Forderung gegen bestimmte Eingriffe
368
d) Schutz bestimmter Elemente der Forderung
370
(1) Schutz der Forderungszuständigkeit
370
(2) Schutz der obligationsmäßigen Willensrichtung des Schuldners e) Stellungnahme 3. Haftung unter § 826 BGB
371 373 374
a) Die schädigende Handlung
375
b) Vorsatz
376
c) Die Notwendigkeit über den Vorsatz hinausgehender Kriterien für die Sittenwidrigkeit 376 (1) Die Notwendigkeit besonderer Sittenwidrigkeitsmerkmale
376
(2) Kriterien für die Sittenwidrigkeit
378
(3) Praktische Relevanz der Kriterien in der Rechtsprechung
378
(4) Theoretische Bewertung der Kriterien
381
(5) Ergebnis
383
d) Konkretisierung des Begriffs der Sittenwidrigkeit in §§ 826 BGB für den Doppel verkauf
384
(1) Zur Dogmatik des § 826 BGB
384
(2) Konkretisierung für die Verleitung zum Vertragsbruch
385
(3) Konkretisierung für den Doppelverkauf
387
(4) Vereinbarkeit des Ergebnisses mit allgemeinen Wertungen
388
e) Doppel verkauf und Sachenrecht 4. Schaden und Schadensersatz a) Inadäquanz von Ersatz in Geld b) Rechtsfolge des deliktischen Anspruchs
389 391 391 392
(1) Geldersatz
392
(2) Direktübereignung an den Erstkäufer
392
(3) Rückübereignung an den Verkäufer
394
(4) Zustimmung zur Übereignungserklärung des Verkäufers
395
nsverzeichnis
28 5. Ergebnis
396
a) Deliktischer Schutz und ius ad rem
396
b) Deliktischer Schutz und relative Sachzuordnung
398
III. Einzelzwangsvollstreckung
398
1. Die obligatio dandi in der Zwangsvollstreckung nach herrschender Meinung 399 a) Der Ausschluss des kaufvertraglichen Verschaffungsanspruchs aus den zur Drittwiderspruchsklage berechtigenden Positionen 399 b) Der Schutz des Käufers nach herrschender Meinung
400
(1) Der Schutz des dinglich gesicherten Käufers
401
(2) Der Schutz des besitzenden Käufers
401
(3) Der Schutz des Anwartschaftsrechts des Vorbehaltskäufers
402
c) Der Schutz von anderen Forderungsrechten unter § 771 ZPO
403
(1) Herausgabeansprüche
403
(2) Treuhandverhältnisse
404
2. Die relative Zuordnung als die Vollstreckung hinderndes Recht
404
a) Das in der Einzelzwangsvollstreckung haftende Vermögen
404
(1) Das „die Veräußerung hindernde Recht"
405
(2) Das haftende Vermögen
406
b) Die Relevanz der relativen Sachzuordnung in der Einzelzwangsvollstreckung 407 (1) Obligatio dandi und Herausgabeanspruch
407
(2) Die Funktion der Drittwiderspruchsklage als Fortsetzung negatorischer Ansprüche 408 c) Drittwirksamkeit der relativen Sachzuordnung
409
(1) Die Struktur des Schutzes besitzlosen Eigentums
409
(2) Übertragung auf den Schutz relativer Sachzuordnung
411
3. Die Einheit von materiellem und Prozessrecht - zur Konzeption von Picker 413 IV. Konkurs des Verkäufers
414
1. Der Schutz der obligatio dandi in der Insolvenz
416
2. Das Wahlrecht des Konkursverwalters nach § 103 InsO
417
3. Umfassender Schutz über ein „Benefiziarrecht"? a) Der Ansatz von Assfalg
418 418
b) Dinglichkeit
419
c) Drittwirksamkeit
420
d) Würdigung
421
E. Sachzuordnung durch Kaufvertrag und ius ad rem im deutschen Recht I. Sachzuordnung im Innenverhältnis
422 422
nsverzeichnis II. Sachzuordnung im Außenverhältnis
29 423
1. Doppelverkauf
423
2. Schutz des Erstkäufers in Einzelzwangsvollstreckung und Konkurs
424
III. Ius ad rem?
425
Kapitel 5 Schluss Α. Zusammenfassung der Ergebnisse I. Geschichte II. Theorie III. Geltendes Recht
426 426 428 429
B. Folgerungen
431
Literaturverzeichnis
433
Namenverzeichnis
467
Sachverzeichnis
469
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABGB Abs. AcP a.E. AKKR allg. ALR Alt. AltK Am.J.Comp.L. An Der civ Anm. ArchBürgR ARSP Art. Aufl. BankA BayObLGZ BB Bd. BGB BGBl. BGE BGHZ BK Bull. Bull.civ. BWNotZ C. Card.L.Rev. Cass. C.civ.
anderer Ansicht am angegebenen Ort (österreichisches) Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch von 1814 Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende Archiv für katholisches Kirchenrecht allgemein (preußisches) Allgemeines Landrecht von 1794 Alternative Alternativkommentar zum BGB American Journal of Comparative Law Anuario de Derecho civil (Spanien) Anmerkung Archiv für bürgerliches Recht Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Auflage Österreichisches Bankarchiv Rechtsprechung des Obersten Landesgerichts, Entscheidungssammlung in Zivilsachen Betriebsberater Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Berner Kommentar Bullettino dell' istituto di diritto romano „Vittorio Scialoja" (Italien) Bulletins civils (Frankreich) Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg Codex Cardozo Law Review (USA) Cour de cassation (Frankreich) Code civil
Abkürzungsverzeichnis chron.
chronique
Cod.civ.
Codice civile (Italien)
Cód.civ.
Código civil (Spanien)
Cod.Max.
Codex Maximilianeus (Bayern)
Col.L.Rev.
Columbia Law Review (USA)
Comp.
Compilatio
Cornell L.R.
Cornell Law Review (USA)
Dali.
Recueil Dalloz (Frankreich)
Defr
Répertoire du notariat Defrénois (Frankreich)
ders.
derselbe
Dig.
Digesten
DJT
Deutscher Juristentag
doctr.
doctrine
DP
Dalloz Périodique (Frankreich)
Duke L.J.
Duke Law Journal (USA)
EEG
(preußisches) Eigentumserwerbsgesetz von 1872
ERPL
European Review of Private Law
EuGH
Europäischer Gerichtshof
f., ff.
folgende
Fed.Cas.
Federal Cases (USA)
FG
Festgabe
Fn.
Fußnote
FS
Festschrift
Gai. Inst.
Gaius, Institutionen
Gaz.Pal
Gazette du Palais (Frankreich)
GBO
Grundbuchordnung
Giur. it.
Giurisprudenza italiana
Gl. Gruch
Glosse
GS
Gedenkschrift / Gedächtnisschrift
HansOLG
Hanseatisches Oberlandesgericht
31
(Gruchots) Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts
HDIEO
Histoire du droit et des institutions de l'église en Occident
Harv.L.Rev.
Harvard Law Review (USA)
HdwbRvgl
Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes
HGB
Handelsgesetzbuch
h.M.
herrschende Meinung
HRG
Handwörterbuch der Rechtsgeschichte
hrsg.
herausgegeben
JhJb
Iherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts
insb.
insbesondere
InsO
Insolvenzordnung
Abkürzungsverzeichnis
32 Inst.
Institutionen
Infi. Rev. L.&Econ. International Review of Law and Economics (USA) i.V.m.
in Verbindung mit
JA
Juristische Arbeitsblätter
J.Contr.L.
Journal of Contract Law (Australien)
J.Law&Econ.
Journal of Law and Economics (USA)
J.Leg.Stud.
Journal of legal studies (USA)
JbJgZRw
Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler
JB1.
Juristische Blätter (Österreich)
JR
Juristische Rundschau
jur.
jurisprudence
Jur.Rev.
Juridical Revue (Schottland)
JurA
Juristische Ausbildung
JuS
Juristische Schulung
JW
Juristische Wochenschrift
JZ
Juristenzeitung
Kap.
Kapitel
KglGehObTribE
Entscheidungen des königlichen Geheimen Obertribunals (Preussen)
King's Coll.L.J.
King's College Law Journal (England)
KO
Konkursordnung
KritV
Kritische Vierteljahrsschrift fur Gesetzgebung und Rechtswissenschaft
KTS
Zeitschrift für Insolvenzrecht
LG
Landgericht
LM
Nachschlagewerk des BGH in Zivilsachen, hrsg. von Lindenmaier und Möhring
L.Quart.Rev.
Law Quarterly Review (England)
m.Anm.
mit Anmerkung
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
MDR
Monatsschrift des deutschen Rechts
MittBayNot
Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins
Mod.L.Rev.
Modern Law Review (England)
Mot.
Motive zum BGB
MünchKomm
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch
MünchKomm-ZPO
Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung
NBW
Nieuw Burgerlijk Wetboek (Niederlande)
Ned. jur.
Nederlands jurisprudence
NJ
Neue Justiz
NJB
Nederlands juristenblad
NJW
Neue Juristische Wochenzeitung
Nouv.rev.hist.
Nouvelle revue historique de droit fran9ais et étranger
Nov.
Novellae
OGH
Oberster Gerichsthof (Österreich)
Abkürzungsverzeichnis ÖJZ
33
Österreichische Juristenzeitung
OLG
Oberlandesgericht
ÖNZ
Österreichische Notariatszeitung
OR
Obligationenrecht (Schweiz)
ÖRZ
Österreichische Richterzeitung
Pr.Ob.Tr.
Preußisches Obertribunal
Prot.
Protokolle der Kommission für die II. Lesung des Entwurfs des BGB
Prot. Ak.Dt.R.
Akademie für deutsches Recht: Protokolle der Ausschüsse
Quart.J.Econ.
Quarterly Journal of Economics (USA)
Q.J.
Quotidien juridique (Frankreich)
RabelsZ
(Rabeis) Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht
Req.
Cour de cassation, chambre de requette (Frankreich)
Rev.crit.der.inm.
Revista critica de derecho inmobiliario (Spanien)
Rev.der.priv.
Revista de derecho privado (Spanien)
Rev.dr.int.comp.
Revue de droit international et de droit compare (Frankreich)
Rev.hist.
Revue historique de droit fran9ais et étranger
Rev.int.dr.comp.
Revue internationale de droit compare (Frankreich)
Rev.jur.not.
Revista jurfdica del notariado (Spanien)
Rev.trim.dr.civ
Revue trimestrielle de droit civil (Frankreich)
RGRK
Reichsgerichtsrätekommentar
RGZ
Amtliche Sammlung der Reichsgerichtsrechtsprechung in Zivilsachen
RheinZ
Rheinische Zeitschrift für Zivil- und Prozeßrecht
R.I.D.A.
Revue internationale des Droits de l'Antiquité
Riv.dir.priv.
Rivista di diritto privato (Italien)
Riv.trim.dir.proc.civ. Rivista trimestrale di diritto e procedura civile (Italien) RMThemis
Rechtsgeleerd Magazijn Themis (Niederlande)
Rn.
Randnummer
Rpfleger
Der deutsche Rechtspfleger
Rs.
Rechtssache
S.
Seite /Satz
S.A. Law Times
The South African Law Times
SALJ
South African Law Journal
SavZ/Germ
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte - Germanistische Abteilung
SavZ/Kan
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte - Kanonistische Abteilung
SavZ/Rom
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte - Romanistische Abteilung
S.C.
Session Cases (Schottland)
SchwJZ
Schweizerische Juristenzeitung
sec.
section
Sem.jur.
La semaine juridique (Frankreich)
3 Michaels
Abkürzungsverzeichnis
34 SeuffArch S.G.A. SLT So.Calif.L.Rev. StGB Stud.Dir.Hist.Iuris
Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sale of Goods Act (England) Scottish Law Times Southern California Law Review (USA) Strafgesetzbuch Studia et Documenta Historiae et Iuris (Italien)
StuR
Staat und Recht (DDR)
SZ
Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofs in Zivil- und Justizverwaltungssachen Tribunal de Grande Instance (Frankreich) Tydskrif vir Heedendaagse Romeins-Hollandse Reg (Südafrika) Transportrecht Tijdschrift voor rechtsgeschiedenis = Revue d'histoire du droit (Niederlande) Tulane Law Review (USA) und andere University of Chicago Law Review (USA) Uniform Commercial Code (USA) Virginia Law Review (USA)
T.G.I. THRHR TranspR TRG Tul.L.Rev. u. a. U.Chi.L.Rev. UCC Va.L.Rev. Var.
Variante
vgl.
vergleiche
WM W.RN.R.
Wertpapier-Mitteilungen Teil IV Weekblad voor Privaatrecht, Notaris-ambt en Registratie (Niederlande)
Yale Law J.
Yale Law Journal (USA)
ZAkDR ZEuP
Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für europäisches Privatrecht
ZfA ZGB ZPO ZSR ZürchKomm zust. ZVG ZVglRWiss ZZP
Zeitschrift für Arbeitsrecht Zivilgesetzbuch Zivilprozeßordnung Zeitschrift für schweizerisches Recht (Zürcher) Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch zustimmend Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozeß
Kapitel 1
Einleitung Α. Traditionelle Fragestellungen Inwieweit ist dem Käufer die Kaufsache zugeordnet, nachdem er darüber einen Vertrag geschlossen hat und bevor sie ihm übergeben wurde oder er die Eintragung seiner Berechtigung in ein Register erlangt hat? Das ist die Frage dieser Arbeit. In dieser Form wird sie allerdings in der rechtswissenschaftlichen Diskussion selten gestellt. Meist beschränkt man sich auf die Frage nach Traditions- oder Konsensprinzip. Tatsächlich sind aber damit drei Fragestellungen verbunden, die traditionell isoliert voneinander behandelt werden und daher auch zunächst getrennt voneinander dargestellt werden sollen, richtigerweise aber zusammen gehören.
I . Konsens- oder Traditionsprinzip 1. Prinzipien
a) Traditionsprinzip Nach dem Traditionsprinzip erfordert der Eigentumsübergang neben einer vertraglichen Einigung die Übergabe der verkauften Sache. Dabei kann die vertragliche Einigung im Kaufvertrag selbst liegen, wie etwa in Österreich1 und Spanien2, oder in einem getrennten dinglichen Vertrag bestehen, dessen Wirksamkeit aber vom zugrundeliegenden Kaufvertrag abhängt - so etwa in den Niederlanden3 und in der Schweiz4; in beiden Fällen ist das Traditions- mit dem Kausalprinzip kombiniert. Ist dagegen neben dem Kaufvertrag eine zusätzliche und von diesem recht1 So zumindest die h.M.: OGH SZ 67/213; R\immc\(-Spielbüchler) 3 § 425 Rn. 2; kritisch Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I 1 1 285 f. 2 Art. 609 Cód.civ.; vgl. Diez-Picazo, Fundamentos III 4 771 ff. 3 Art. 3:84 Abs. 1 NBW; vgl. Mijnssen/de Haan, Zakenrecht I 1 3 161 -187. 4 Vgl. ZüTchKomm.(-Schönke) 3 OR Art. 184 Rn. 24-35; ZGB(-Lam) Art. 656 Rn. 5 (für Grundstücke); ZGB (-Schwander) Art. 714 Rn. 3 f. (für Fahrnis). Grundlegend gegen das Abstraktionsprinzip BGE 55 II 302. 3*
36
1. Kap.: Einleitung
lieh unabhängige Einigung erforderlich, so ist das Traditionsprinzip mit dem Abstraktionsprinzip verbunden. Diese letzte Form gilt vor allem in Deutschland5, daneben für bewegliche Sachen in Griechenland6, sowie in den Mischrechtsordnungen von Südafrika 7 und Schottland8. Allerdings ist der Begriff Traditionsprinzip für das moderne Recht zu eng. Wahrend bei beweglichen Sachen in der Regel tatsächlich die Übergabe Voraussetzung für den Eigentumsübergang ist, tritt bei unbeweglichen Sachen an deren Stelle häufig die Eintragung in das Grundbuch oder ein entsprechendes Register. Dass auch diese Form der Übereignung unbeweglicher Sachen häufig dem Traditionsprinzip zugeordnet wird, liegt wohl zum einen an einer gewissen begrifflichen Trägheit, zum anderen daran, dass man in der Eintragung in ein Register das Funktionsanalogon zur Übergabe bei beweglichen Sachen sieht. Beide Formen gleichen einander insofern, als zum Vertrag noch ein tatsächlicher Akt hinzutreten muss; das rechtfertigt unabhängig von der Bezeichnung ihre gemeinsame Behandlung. Auch wo das Traditionsprinzip im eigentlichen Sinne gilt, findet es aber Einschränkungen. Das Erfordernis einer Übergabe wird häufig stark beschränkt, etwa auf eine symbolische Übergabe, oder faktisch ganz beseitigt, so insbesondere bei der Übereignung mittels Besitzkonstituts. Diese Formen der Übereignung gelten noch als Übereignung durch traditio, konstruktiv sind sie auch vom Konsens- und Einheitsprinzip unterschiedlich, aber faktisch besteht kaum noch ein Unterschied9: Unabhängig von der dogmatischen Konstruktion kann der Eigentumsübergang durch bloßen Vertrag bewirkt werden. Grundlage ist ein ungenauer Begriff der traditio, die in der Diskussion manchmal für den tatsächlichen Vorgang der Übergabe, manchmal aber auch für einen vom rein schuldrechtlichen Kaufvertrag unterschiedlichen dinglichen Vertrag benutzt wird 10 . Traditionsprinzip kann daher dreierlei bedeuten: die Notwendigkeit der körperlichen Übergabe, die Notwendigkeit eines Übertragungsakts (Übergabe oder Eintragung) oder bloß die Notwendigkeit eines dinglichen Übertragungsgeschäfts. Eine solche begriffliche Unschärfe muss fast zwangsläufig zu Missverständnissen in der Diskussion führen 11. Gerade diese Doppeldeutigkeit des Begriffs ist aber so prägend für das Traditionsprinzip in Geschichte und Gegenwart, dass auch in dieser Arbeit nicht eine Definition unter Ausschluss aller anderen verwendet werden soll; stattdessen wird im Einzelfall die jeweilige Bedeutung benannt.
5 Jauernig JuS 1994, 721 -727. 6 Art. 1034 ZGB; anders für unbewegliche Sachen Art. 1033 ZGB. 7 Miller, in: Southern Cross 727 (734-739); Kleyn/Boraine, Property 78-84. β Vgl. Gordon, Studies 210-236. So auch etwa Drobnig, in: Towards a European Civil Code2 495 (503). 10 Vgl. etwa die Nachweise zur Schweizer Diskussion bei Dischler, Rechtsnatur 57-60. 11 Vgl. in diesem Zusammenhang die Beispiele bei Jauernig JuS 1994, 721 f.
9
Α. Traditionelle Fragestellungen
37
b) Konsensprinzip Nach dem Konsensprinzip ist dagegen weder Übergabe noch Eintragung für den Eigentumsübergang erforderlich. Das Eigentum geht durch bloße vertragliche Vereinbarung über; weder die körperliche Übergabe, noch die Eintragung in ein Register ist also Voraussetzung. Dogmatisch kommt das Konsensprinzip nur als Einheitsprinzip in der Form vor, dass der Eigentumsübergang eine automatische Folge des Kaufvertrags ist, dieser also translative Wirkung hat. Ein solches Prinzip gilt in Frankreich 12, Belgien13 und Luxemburg14, daneben etwa in Italien15, sowie - mit Einschränkungen - in England16. Versteht man allerdings traditio als tatsächliche Übergabe, so ist dem Konsensprinzip auch ein Trennungssystem zuzurechnen, das einen vom Kaufvertrag getrennten dinglichen Vertrag erfordert, nicht aber die tatsächliche Übergabe. Wie soeben gesehen, unterliegt auch die Übereignung mittels Besitzkonstituts in diesem Sinne dem Konsensprinzip. Die Doppeldeutigkeit des Begriffs Traditionsprinzip hat also auch eine Doppeldeutigkeit des Begriffs Konsensprinzip zur Folge.
2. Rechtsvergleichender Meinungsstand a) Nichtberücksichtigung
der Frage im Kauf recht
Im Rahmen des Kaufrechts wird - jedenfalls außerhalb der Länder mit Konsensprinzip - die translative Wirkung des Kaufvertrags meist nicht erörtert; das wird auch in der Literatur und den Verträgen zu Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung deutlich. Schon Rabel verzichtete in seinem umfassenden rechtsvergleichenden Werk zum Warenkauf entgegen ursprünglichen Plänen17 darauf, hier Vorschläge zur Vereinheitlichung zu machen18. Diese Zurückhaltung setzte sich in den Haager Übereinkommen zum Einheitskaufrecht vom 1. Juli 1964 19 fort; auch das Wiener UN-Kaufrecht 20 hat die Frage in seinem Art. 4 S. 2 lit. b ausdrücklich 12 Art. 1582, 1583 C.civ.; vgl. unten S. 148-159. 13 Art. 1582, 1583 C.civ.; vgl. de Page, Droit civil belge I V / 1 4 42-60. 14 Art. 1582, 1583 C.civ. 15 Art. 1376 cod. civ.; vgl. Gambaro, Diritto di proprietà 680-692; Jayme, in: FS Mühl 339-347; Chianale, Obbligazione di dare 93-95 m. w. N. 16 S.G.A sec. 17 rule 1 (allerdings unter dem Titel „Transfer of Property as between Seller and Buyer"). Zum Einfluß des Rechts von Louisiana (das seinerseits teilweise auf französischem Recht beruht) auf diese Vorschrift vgl. Chianale, in: Vendita e trasferimento I 843 860. 17 Vgl. Rabel RabelsZ 9 (1935) 1 - 7 9 (1,46).
is Vgl. zur Frage Rabel, Warenkauf I 27 - 32. BGBl. 1973 II, 886. Das Abkommen ist mittlerweile in Deutschland nicht mehr in Kraft: Bek. v. 10. 10. 1990, BGBl. II S. 1482. 19
38
1. Kap.: Einleitung
offengelassen. Die gleiche Zurückhaltung findet sich in den IPR-Übereinkommen. So schließt das Haager Übereinkommen vom 15. Juni 1955 betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht21 die Frage des Eigentumsübergangs in Art. 5 Ziff. 3 aus (bezieht nach derselben Vorschrift aber die Gefahrtragung ein), ebenso der Entwurf eines Übereinkommens über das auf internationale Kaufverträge anwendbare Recht vom 22. 12. 198622 in Art. 5c. Der Entwurf eines Übereinkommens über das auf bestimmte Konsumentenkäufe anwendbare Recht vom 25. 10. 198023 nimmt in Art. 9a Wirkungen auf Dritte aus dem Anwendungsbereich aus. Dass Fragen des Eigentumsübergangs bei der Erörterung der Wirkungen des Kaufvertrags ausgeklammert werden, liegt sicherlich auch daran, dass man sich über eine gemeinsame Regelung nicht einigen konnte24. Dies zeigt sich auch daran, dass der Entwurf für ein Abkommen über die Eigentumsübertragung bei internationalen Käufen beweglicher Sachen25 nie ratifiziert wurde. Darüber hinaus hielt man aber offenbar eine Regelung in diesem Rahmen auch nicht für so wesentlich, dass man an ihrem Fehlen eine Vereinheitlichung hätte scheitern lassen wollen. Das ist wiederum teilweise darauf zurückzuführen, dass man diese Fragen nicht als Problem des Kaufrechts ansieht, sondern ausschließlich dem Sachenrecht zuordnet - obwohl der Eigentumsübergang das (jedenfalls wirtschaftliche) Ziel des Kaufs darstellt und eine gemeinsame Behandlung daher an sich nahe liegt.
b) Meinungsstand im Sachenrecht So wird die Frage nach Konsens- oder Traditionsprinzip meist im Rahmen des Sachenrechts erörtert. Hier sind zwei Entwicklungen zu beobachten, deren Widerspruch nicht immer klar erkannt wird. Einerseits meint man nämlich (insoweit zu Recht), in der Praxis seien die Unterschiede zwischen Konsens- und Traditionsprinzip gar nicht so groß 26. Zwischen den Parteien komme es auf den Unterschied
20 Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4. 1980, BGBL. 1989 II, 588; Text des deutschen Zustimmungsgesetzes vom 5. 7. 1989 in BGBl. 1989 II, 586. 21 Text bei Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht 10 Nr. 76. 22 Text in RabelsZ 51 (1987) 199; vgl. von Mehren, Rapport explicatif Rn. 42. 23 Text in RabelsZ 46 (1982) 795; dazu Böhmer RabelsZ 46 (1982) 643 (657-662). 24 Vgl. zum UN-Kaufrecht Herber/Czerwenka, Internationales Kaufrecht Art. 4 Rn. 16; Slaudinger(-Magnus) f Wiener UN-Kaufrecht (CISG) (1999) Art. 4 Rn. 32; zum heutigen Stand zweifelnd Schlechtriem, UN-Kaufrecht 3 Art. 4 Rn. 29. 25 Text in Conférence de la Haye de Droit International Privé, Actes de la Huitième Session (1957), sowie auszugsweise in RabelsZ 24 (1959) 145; vgl. dazu Petersen RabelsZ 24(1959) 1 (10-21).
26 Etwa Benöhr AcP 178 (1978) 386 (396); Roth ZvglRWiss 92 (1993) 371 (384 f., 393); Ferrari ZEuP 1993, 52 (77).
Α. Traditionelle Fragestellungen
39
in den meisten Fällen nicht an, weil ihr Verhältnis vom Kaufvertrag geregelt sei. Im Verhältnis zu Dritten kämen beide Systeme aber deshalb zu meist gleichen Ergebnissen, weil einerseits in den Rechten mit Konsensprinzip die Rolle des Besitzes so stark ausgestaltet sei, dass die allein auf die Vereinbarung gestützte Translativwirkung im Außenverhältnis abgeschwächt werde, andererseits aber Systeme mit Traditionsprinzip in der Regel Übergabekonstitute vorsähen, so dass die tatsächliche Übergabe gar nicht immer notwendig sei. Obwohl man also schließt, es komme auf die Konstruktion gar nicht an, geht die herrschende Ansicht im Schrifttum dahin, dass das Traditionsprinzip vorzuziehen sei27. Die Begründung liegt manchmal darin, erst nach der Übergabe sei der Käufer wirklich „voller" Eigentümer, manchmal wird das Ergebnis daraus gefolgert, dass dingliche Rechte ihre Bedeutung erst aus der Drittwirkung zögen. Ob dabei eine echte Übergabe erforderlich ist oder ob die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses ausreicht, wird allerdings meist nicht erörtert. 3. Differenzierung Wenn tatsächlich die Ergebnisse von Konsens- und Traditionsprinzip im einzelnen häufig identisch sind, könnte man die Frage, ob das Konsens- oder das Traditionsprinzip vorzuziehen sei, offen lassen. Dass die herrschende Ansicht sich trotzdem für das Traditionsprinzip entscheidet, ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass sie die Frage im Rahmen des Sachenrechts behandelt. Damit gerät aber zum einen das Verhältnis der Parteien aus dem Blickfeld. Zum anderen verzichtet man darauf, die Frage im Zusammenhang mit anderen Rechtsgebieten, insbesondere dem Deliktsrecht zu behandeln. Noch in einer zweiten Hinsicht ist die Entscheidung für das Traditionsprinzip unbefriedigend: Sie erfolgt meist nicht aus der Erkenntnis, dass es dem Konsensprinzip klar überlegen sei, sondern ist das Ergebnis einer Abwägung der Vor- und Nachteile beider Prinzipien. Die Entscheidung für das Traditionsprinzip nimmt also den Verzicht auf die Vorteile des Konsensprinzips in Kauf, anstatt die dogmatischen Grundlagen zu überprüfen, die dieser Alternativität zugrunde liegen28. 27 Ferrari ZEuP 1993, 52 (73-78); Drobnig, in: Towards a European Civil Code2 495 (504); Benke, in: GS Hofmeister 31 (38 f.); Schindler, in: FS Kroeschell 1033 (1041 f.). Die ^cadémie des Privatistes Européens" hat in Art. 46 ihres Entwurfs für ein europäisches Privatrecht bei beweglichen Sachen das Traditionsprinzip vorgeschlagen, bei unbeweglichen und eingetragenen beweglichen Sachen sich einer Regelung enthalten und die Frage dem nationalen Recht überlassen; vgl. Gandolfi Riv.trim.dir.proc.civ. 1997, 1015 (1023-1025). Für ein Konsensprinzip, bei dem die Übergabe im Zweifel den gewollten Moment des Eigentumsübergangs benennt, Wacke, Besitzkonstitut 94; anders (Traditionsprinzip mit Möglichkeit der Vereinbarung eines Konsensprinzips) ders. ZEuP 2000,254 (262). 28 Ähnliche Kritik bei Gambaro, in: Essays on European Law and Israel 407 (414-417): „we should not only ask ourselves whether there are signs that the existing discrepancies may be overcome, but also whether there are signs that the mode of thinking that has generated the said discrepancies may be overcome as well." (415).
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1. Kap.: Einleitung
Eine denkbare Antwort liegt darin, auf einen einheitlichen Eigentunisübergang zu verzichten und die Fragen, für die der Eigentunisübergang relevant werden kann, jeweils ohne Rücksicht auf diesen nach der konkreten Interessenlage zu lösen29. Für eine solche Lösung können die Rechtsordnungen Skandinaviens30 sowie (mit Einschränkungen) Englands31 als Beispiele stehen. Hier ist die Frage, wann beim Kauf das Eigentum übergeht, in weiten Bereichen nicht klar zu beantworten. Sie wird aber häufig auch für weitgehend irrelevant gehalten und nicht wie sonst an den Ausgangspunkt Qiner Untersuchung gestellt, sondern allenfalls induktiv aus den Ergebnissen konkreter Entscheidungen geschlossen. Eigentum geht also nicht einheitlich über, vielmehr wird der Käufer nur jeweils in Bezug auf eine bestimmte Rechtsfrage als Eigentümer behandelt32. Der Vorteil, dass so in jeder einzelnen Situation alle speziellen Interessen gewürdigt werden könnten, wird also dadurch erkauft, dass man auf einen sinnvollen Begriff des Eigentumsübergangs und damit mittelbar auch des Eigentums verzichtet. Die Situation von Käufer und Verkäufer im Verhältnis zueinander und zu Dritten wird dann nur hinsichtlich konkreter Konstellationen behandelt, deren Zusammenhang erschließt sich nicht. Während die Meinung, man müsse sich für ein Prinzip entscheiden, nicht alle sinnvollen Differenzierungsmöglichkeiten ausnutzt, geht die pragmatische Gegenansicht in ihrem gänzlichen Verzicht auf eine Systematisierung daher zu weit. Sowohl eine Abwägung zwischen beiden Prinzipien als auch der Verzicht auf jede Prinzipienbildung sind nur dann notwendig, wenn es nicht ein drittes Modell gibt, das die Vorteile beider Ansätze in sich vereint. Die Erkenntnis, dass beide Systeme in Detailfragen eingeschränkt werden und dadurch zu ähnlichen Ergebnissen kommen, lässt vermuten, dass ein solches Modell formuliert werden könnte.
29 So Kruse Am.J.Comp.L. 7 (1958) 500 (511-515). Gambaro, in: Essays on European Law and Israel 407 (417) meint: „the problem of passing of property will be, as such, dissolved", und fordert eine „deconstraction" des Problems. 30 Vgl. Kruse, Eigentumsrecht II (auch rechtsvergleichend); Gottheiner RabelsZ 18 (1953) 356 (360-368, insb. 361); Lagergren, Delivery 61-63; sowie die Länderberichte in: Transfer of Ownership in International Trade von Ron$e (Denmark), 101 (103, 107 ff.); Mellbye (Norway), 265 (267, 269 ff.); Johnsson (Sweden), 365 (367, 371 ff.). Tiberg/Cronhult/Sterzel (-Tiberg), Swedish Law 142, meint in diesem Zusammenhang: " . . . the law of property is concerned with conflicts between third parties not bound to each other by contractualtiesas far as the object under discussion is concerned"; zum Eigentumsübergang ebenda 146-149 (bewegliche Sachen); 152 f. (unbewegliche Sachen). 31 Weir, in: Vendita e trasferimento 379-405, beginnt: „It is not easy to speak of the passing of ownership under a contract of sale when one's legal system does not really recognise the concept of ownership". 32 Vgl. zu diesem Konzept Kruse Am.J.Comp.L. 7 (1958) 500-515.
Α. Traditionelle Fragestellungen
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I I . Dingliche und persönliche oder absolute und relative Rechte 1. Prinzipien Dass man meint, sich entweder für das Konsens- oder für das Traditionsprinzip entscheiden zu müssen, hängt mit einer zweiten Differenzierung zusammen: der zwischen absolut-dinglichen und relativ-persönlichen Rechten. Das wird klar, wenn man sich die Frage nach dem Eigentumsübergang nicht vom Ergebnis her ansieht, sondern von den Voraussetzungen, also nicht fragt, wann das Eigentum übergegangen ist, sondern welche Rechtsposition der Käufer nach dem Kaufvertrag hat. Aus der Zweiteilung der subjektiven Rechte, die man gemeinhin axiomatisch annimmt, folgt, dass nur zwei Antworten möglich sind. Entweder hat der Käufer bloß ein relativ-persönliches Recht, eine Forderung; das ist die Antwort des Traditionsprinzips. Oder aber er hat ein absolut-dingliches Recht, nämlich Eigentum - die Antwort des Konsensprinzips. Eine dritte Möglichkeit, ein quasi-dingliches (oder quasi-persönliches) Recht, das sich in bestimmter Hinsicht wie ein persönliches, in anderer wie ein dingliches verhält, ist von dieser strikten Trennung ausgeschlossen. Dass man sich in dieser strikten Trennung weitgehend einig ist, ist allerdings insofern überraschend, als Uneinigkeit darüber besteht, worin diese Trennung eigentlich besteht - ob die Unterscheidung zwischen dinglichen und persönlichen zu ziehen ist, oder ob sie vielmehr zwischen absoluten und relativen Rechten besteht oder ob beide Differenzierungen einander entsprechen. a) Dingliche und persönliche Rechte Im kontinentaleuropäischen Recht ist heute die Ansicht vorherrschend, das Eigentum sei dadurch definiert, dass es eine Beziehung zur Sache vermittle, während die Forderung eine Beziehung zu einer anderen Person vermittle33. Die Abgrenzung erfolgt also nach dem Inhalt; subjektive Rechte trennen sich in dingliche und persönliche. Das bedeutet für das dingliche Recht, insbesondere das Eigentum, dass es jedenfalls originär nicht als Rechtsbeziehung zu anderen Menschen gedacht wird; solche entstehen erst als Reflex der Zuordnung und äußern sich gegebenenfalls in Ansprüchen auf Herausgabe, Schadensersatz, Herausgabe der Bereicherung oder Unterlassung. Das Forderungsrecht andererseits ist zwar auf die Leistung einer Sache, genauer: ihre Übergabe / Übereignung, gerichtet, wird aber dogmatisch ausschließlich als rechtliche Beziehung zwischen Personen, nämlich Gläubiger und Schuldner gedacht. Man könnte theoretisch dinglich und persönlich auch anders abgrenzen und die auf Sachen gerichteten Forderungen unter die dinglichen Rechte fassen. Stattdes33 Nachweise aus der deutschen Literatur bei Hadding JZ 1986,926.
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1. Kap.: Einleitung
sen bezieht man aber das Objekt der Forderung nicht in seine Struktur ein, sondern sieht auch im Anspruch etwa auf Herausgabe einer Sache nur ein Recht des Gläubigers gegen die Person des Schuldners. So gelangt man zu einem allgemeinen Begriff des Forderungsrechts. Eine Sachzuordnung durch obligatorischen Kaufvertrag wäre hiernach ein Widerspruch in sich selbst, sie ist danach ausgeschlossen.
b) Absolute und relative Rechte Nicht nach dem Inhalt sondern nach der Richtung des Rechts trennt ein anderer Ansatz, der insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtsraum weit verbreitet ist 34 , aber auch in Deutschland Anhänger gefunden hat. Danach bestehen alle subjektiven Rechte nur zwischen Personen; eine Rechtsbeziehung zu einer Sache wird für unmöglich gehalten. Der Unterschied zwischen Eigentum und Forderung besteht darin, dass die Forderung nur gegen eine bestimmte Person gerichtet ist, das Eigentum dagegen absolut ist im Sinne von allwirksam, gegen alle wirkend. Solange der Käufer danach nur Rechte gegen den Verkäufer hat, ist er noch nicht Eigentümer. Damit wäre ein Unterscheidungskriterium gefunden, das demjenigen zwischen dinglichem und persönlichem Recht entspricht: dinglich heißt danach absolut, persönlich heißt relativ. Die Lehre in Deutschland bleibt auch hier häufig stehen und setzt beide Ansätze gleich. Indes ist der weitere Schritt folgerichtig, das Eigentum in ein Bündel bipolarer Rechtsverhältnisse aufzuspalten, so dass der Eigentümer mit jedem anderen Menschen verbunden ist - ein Ansatz, der heute meist mit dem Namen Hohfelds verbunden wird 35 , aber bereits im 19. Jahrhundert in Deutschland zu finden war 36 . Damit ist die Differenzierung belanglos geworden; alle Rechte sind relativ-persönlich, das absolut-dingliche Recht ist nur eine Bündelung relativpersönlicher Rechte, nicht aber eine eigene Kategorie. Für die Sachzuordnung durch Kaufvertrag hat das ambivalente Konsequenzen. Einerseits macht es danach strukturell im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer keinen Unterschied, ob Rechte des Käufers aus seinem Eigentum fließen oder aus dem Vertrag. Für das Innen Verhältnis besteht in diesem System kein Unterschied zwischen Konsens- und Traditionsprinzip. Andererseits kann man aber auch hier nicht von einer Sachzuordnung durch Kaufvertrag sprechen, und zwar deshalb nicht, weil in diesem System für die Zuordnung von Sachen allenfalls als Reflex Raum bleibt. So besteht der dem Eigentum funktionsäquivalente Begriff des
34 Vgl. Gambaro, in: Property - Propriété - Eigentum 1 (139 ff.). 35 Hohfeld Yale Law J. 23 (1913) 16-59 und Yale Law J. 26 (1916) 710-770; vgl. dazu etwa Gambaro, in: Property-Propriété-Eigentum 1 (151-165); ausführlich Penner UCLA L.Rev. 43(1996)711-820. 36 Bierling, Kritik II, insb. S. 177 f. Zum Einfluß von Bierling auf Hohfeld insoweit Pound Harv.L.Rev. 50 (1937) 557 (572).
Α. Traditionelle Fragestellungen
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property right nach gängiger Doktrin nicht in der Zuordnung von Sachen (schon weil er nicht auf Sachen beschränkt ist), sondern in der Zuordnung von Handlungsspielräumen37. Dem Eigentümer sind danach eine Vielzahl von Rechten und Freiheiten in Bezug auf seine Sache zu eigen, und zwar, wegen des personalistischen Ansatzes, gegenüber jedem anderen. Dabei mögen inhaltlich Unterschiede zwischen Innen- und Außenverhältnis, also dem Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer einerseits, dem Verhältnis zu Dritten andererseits, bestehen. In keinem Fall ist jedoch die Sache selbst zugeordnet, weil eine Sachzuordnung in diesem System keinen Platz findet.
2. Mischfiguren In jedem System, das - gleich nach welchen Kriterien - an der Unterscheidung zwischen absolut-dinglichen und relativ-persönlichen Rechten festhält, stellt sich das Problem, dass bestimmte Positionen nur schwierig der einen oder anderen Kategorie zuzuordnen sind. Paradebeispiel für eine solche Schwierigkeit ist der trust des anglo-amerikanischen Rechts, eine Art treuhänderische Sachzuordnung, die einerseits häufig auf einer Obligation beruht und sich daher „in law" nicht als dingliches Recht einordnen lässt, andererseits aber „in equity" mehr als bloße Obligation ist, weil sie eine Zuordnung darstellt, die wie ein „normales" Sachenrecht auch gegen Dritte wirkt 38 . Auch in Frankreich ist die Trennung nicht immer einfach. Schon im Kernbereich dieser Arbeit, dem Stückkauf, stellt sich die Frage, ob das Eigentum, das durch den Kaufvertrag übergeht, wirklich ein vollwertiges Eigentum ist 39 . Daneben machen mit Besitz verbundene obligatorische Rechte Schwierigkeiten, so etwa das Recht des Wohnungsmieters40. Schließlich gelingt auch in Deutschland die Trennung nicht immer. Unter dem Titel der „Verdinglichung obligatorischer Rechte"41 diskutiert man Figuren, die weder der einen noch der anderen Gruppe zuzuordnen sind, etwa Vormerkung, Vorkaufsrecht, Treuhand, sowie die Rechtsstellung des Wohnungsmieters und des Arbeitnehmers, deren Verträge bei der Übereignung der Mietsache bzw. dem Über37 Dazu noch unten S. 240-242. 38 Im Ergebnis entspricht der trust daher aus kontinentaler Sicht weitgehend einem dinglichen Recht. Dementsprechend ist der trust auch in Schottland zwa eingeführt worden, wird aber dort als dingliches Recht verstanden. 39 Dazu unten S. 148 ff. 40
Rigaud Rev.int.dr.comp. 1963, 557 (558-561). Das französische Verständnis des Besitzes („possession") ist allerdings enger als das deutsche und umfasst die Stellung des Wohnungsmieters nicht. Begriff nach Dulckeit, Verdinglichung (dazu unten S. 182-184).
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1. Kap.: Einleitung
gang des Betriebs auf den Erwerber übergehen (§§ 571, 613a BGB) 42 . Daneben wird mittlerweile auch der umgekehrte Begriff der „Verschuldrechtlichung der Vermögensverfassung" als Hinweis darauf verwendet, dass obligatorische Rechte nicht nur zum Erwerb von Vermögen dienen, sondern selbst immer mehr Vermögenswerte darstellen43.
3. Differenzierung Es ist bezeichnend für die deutsche Dogmatik, dass sie diese Mischgebilde weder als eigenständige, dritte Kategorie neben absolut-dinglichen und relativ-persönlichen Rechten akzeptiert, noch versucht, die Strukturmerkmale subjektiver Rechte so zu schärfen, dass sie auch diese Rechte erfassen könnten. Paradigmatisch ist vielmehr das Vorgehen etwa von Canaris44, nach einer bewusst unscharfen Definition des dinglichen Rechts als „Typus" einzelne Rechtspositionen anhand ihrer Eigenschaften im einzelnen daraufhin zu überprüfen, ob sie eher den dinglichen oder eher den persönlichen Rechten gleichen, und das Ergebnis dann für die Frage heranzuziehen, inwieweit Vorschriften des Sachenrechts analog auf sie angewandt werden können. Ein solches Vorgehen erscheint inadäquat, weil es der Zwischenstellung dieser Gebilde nicht gerecht wird, die sich gerade nicht einer der beiden Gruppen zuordnen lassen. Es ist aber auch deshalb unbefriedigend, weil es das ihm zugrundeliegende Axiom nicht in Frage stellt: die Aufteilung aller subjektiven Rechte in zwei Gruppen. Die Zwischenfiguren machen es eher wahrscheinlich, dass eine solche Zweiteilung nicht genügen könnte. Auch hier liegt eine mögliche Antwort in einem pragmatischen Ansatz, der auf die Kategorisierung subjektiver Rechte verzichtet und nur konkrete Rechtsfragen behandelt. Will man die Frage nach dem Gehalt des subjektiven Rechts nicht völlig vernachlässigen, so bietet sich auf den ersten Blick hierfür das personalistische Prinzip an, alle Rechtsbeziehungen in Zweipersonenverhältnisse aufzuspalten und konkrete Einzelprobleme separat voneinander zu behandeln. Der damit verbundene Verzicht auf eine Systematisierung erscheint aber vorschnell. Wenn es nämlich möglich wäre, die subjektiven Rechte so zu kategorisieren, dass auch für Zwischenrechte ein Bereich bliebe, so hätte das den Vorteil, dass aus einer solchen Systematik heraus auch neue Fragen beantwortet werden könnten, die sich in bezug auf solche Rechte stellen. Insbesondere wäre es möglich, die für die Abgrenzung gefundenen Kriterien aufzugreifen und für eine Systematisierung zu nutzen. Dabei muss der Streit um das richtige Unterscheidungskriterium kein Hindernis sein. Er kann im Gegenteil darauf verweisen, dass mit den Begriffspaaren dinglich -
42 Vgl. unten S. 251. 43 AltK(-Dubischar) vor § 241 ff. Rn. 14-26; ähnlich („Obligatorisierung des Sachenrechts") Wienand, in: Staudinger-Symposion 1998, 107 (118 f.). 44 Canaris, in: FS Flume 371 -427.
Α. Traditionelle Fragestellungen
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persönlich einerseits, absolut - relativ andererseits, ganz Verschiedenes gemeint ist, so dass die Kriterien nicht unvereinbar sind, sondern im Gegenteil einander ergänzen.
I I I . Anspruch auf Erfüllung in natura oder Anspruch auf Geldersatz Schließlich soll ein drittes Problem behandelt werden, das auf den ersten Blick dogmatisch nichts mit den beiden obengenannten zu tun hat: die Frage, ob Ansprüche in natura durchsetzbar sind oder ob der Gläubiger im Falle der Nichterfüllung nur Anspruch auf Geldersatz hat. Sie wird entweder als Frage des allgemeinen Schuldrechts oder - soweit es um die Durchsetzbarkeit geht - des Prozessrechts angesehen. 1. Prinzipien a) Geldersatz Einfach darzustellen ist das Prinzip des Geldersatzes. In einem solchen System ist der Schuldner berechtigt, die Forderung in natura zu erfüllen; der Gläubiger andererseits kann diese Erfüllung nicht erzwingen, sondern nur Geldersatz. Dabei ist eine solche Beschränkung auf Geldersatz in wenigstens zwei Varianten möglich. Das Recht kann zum einen anordnen, dass ein Schuldner erst gar nicht zur Leistung in natura verurteilt werden kann, dass also jede Forderung sich im Fall ihrer klagweisen Geltendmachung in eine Forderung auf Geldzahlung umwandelt. Ein solches Prinzip findet sich prominent schon im klassischen römischen Recht45. Das Recht kann andererseits auch die Verurteilung in natura zulassen, die Vollstreckbarkeit aber so begrenzen, dass der Gläubiger letztlich trotz seines Titels nur die Zahlung von Geld erwirken kann. Davon ist insbesondere auch die Ersatzvornahme umfasst, bei der der Gläubiger nicht etwa die Leistung selbst (durch den Schuldner) erwirkt, sondern von diesem lediglich die Kosten dafür verlangen kann, dass er den geschuldeten Erfolg anderweitig herbeigeführt hat. Beide Varianten laufen darauf hinaus, dass der Gläubiger die geschuldete Sache selbst nicht erwerben kann. b) Naturalerfiillung Das Prinzip der Naturalerfiillung ist komplexer. Es setzt nach dem Vorangegangen voraus, dass der Schuldner zur Leistung selbst verurteilt und auch gezwungen 4
5 Gai. Inst. 4.48; vgl. dazu unten S. 74 f.
46
1. Kap.: Einleitung
werden kann. In einem solchen System hat der Schuldner keine Wahl, ob er erfüllen will oder nicht; vielmehr steht es im Belieben des Gläubigers, ihn dazu zu zwingen (oder eventuell lediglich Schadensersatz zu verlangen). In einem weiteren Sinne sind von solchem Zwang all jene Durchsetzungsmethoden umfasst, bei denen der Gläubiger nicht gegen die Zahlung von Geld auf die Erfüllung seines Anspruchs verzichten muss. Das ist auch der Fall, wenn die Rechtsordnung den Schuldner durch Zwangsmittel zur Erfüllung seiner Verpflichtung zu bringen versucht, etwa durch Zwangsgeld oder Zwangshaft. Dagegen kann man auch von einem engeren Begriff der Naturalerfiillung sprechen. Er besteht darin, dass der Staat den geschuldeten Erfolg anstelle des Schuldners hervorbringt, etwa indem er ihm eine Sache, die dieser übergeben sollte, wegnimmt und sie dem Gläubiger gibt. Die Unterscheidung ist für den hier relevanten Herausgabeanspruch des Käufers nicht bedeutsam.
2. Rechtsvergleichender Meinungsstand Häufig liest man, die Frage bedeute keinen großen Unterschied in der Praxis46. Insbesondere im Handelsverkehr sei der Naturalerfüllungsanspruch normalerweise viel zu unpraktisch, der Käufer wolle im Zweifel gar nicht die Sache selbst, ihm reiche auch Schadensersatz in Geld. Das UN-Kaufrecht hat die Frage noch weitgehend offengelassen. Es lässt zwar einerseits den Naturalerfüllungsanspruch zu (Art. 62, 46), gibt aber andererseits in Art. 28 dem Richter die Möglichkeit, im Einklang mit seinem nationalen Recht ein Urteil bloß auf Geldersatz zu erlassen. Ansonsten sind in der rechtsvergleichenden Diskussion hauptsächlich drei Ansichten zu finden: Zum einen plädiert man für Flexibilität und überlässt häufig dem Richter die Entscheidung im Einzelfall, ob eine Verpflichtung in natura zu erfüllen sei - das ist die Lösung der Principles of European Contract Law (Art. 4.102) und der Unidroit-Principles (Art. 7.2.2). Daneben ist eine Tendenz festzustellen, den Geldersatz als das normale Mittel, die Naturalvollstreckung als Ausnahme anzusehen47. Schließlich wollen einige dem Gläubiger ein Wahlrecht zugestehen48. Die generelle Naturalvollstreckung findet dagegen international (außerhalb Deutschlands) offenbar immer weniger Anhänger.
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Tre ite I, Remedies 71; Atiyah, Law of Contract5 445; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung3 § 35 V (S. 482 f.); Gordley ZEuP 1993, 498 (502); Müller-Chen JbJgZRw 1996, 23 (27 f.); vgl. auch Vahle ZVglRWiss 98 (1999) 54 (71). 47 Vgl. etwa Gordley ZEuP 1993,498 (502). 48 Müller-Chen JbJgZRw 1996, 23 (39 f.).
Β. Schwächen des traditionellen Ansatzes und Ansatz dieser Arbeit
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3. Differenzierung Auch hier ist der Stand der Diskussion unbefriedigend. Die Ansicht, die Vollstreckbarkeit in natura könne nur von Fall zu Fall entschieden werden, erkauft die Einzelfallgerechtigkeit durch erhebliche Rechtsunsicherheit49. Das wäre dann nicht schlimm, wenn es sich lediglich um eine Randfrage handelte. Das ist aber schon in praktischer Hinsicht nicht der Fall. Auch methodisch ist es unbefriedigend, wenn man die Frage der Vollstreckung, wie häufig, ausschließlich als prozessuale behandelt und sich folglich weitgehend auf prozessuale Argumente beschränkt. Dabei wird vernachlässigt, dass die Durchsetzbarkeit einer Forderung, selbst wenn man das Prozessrecht vom materiellen Recht trennt, Rückwirkungen auf den Inhalt der Forderung hat. Kann nämlich der Schuldner sich im Prozess durch Zahlung eines Geldbetrags befreien, so lässt sich - kaum überspitzt - seine Schuld materiellrechtlich als Wahlschuld einordnen, liegt die Entscheidung über die Erfüllung bei ihm. Kann ihn andererseits der Gläubiger zur Erfüllung in natura zwingen, so ist ihm diese Entscheidung genommen. Ist also die Durchsetzung von Forderungen untrennbar mit deren Gehalt verwoben, so fragt sich, warum nicht der Inhalt des Forderungsrechts für die Frage genutzt wird. Der Grund liegt in der Herausarbeitung eines allgemeinen Obligationsbegriffs, innerhalb dessen der Gegenstand der Leistung keine Rolle für die Klassifizierung mehr spielt. Indes ist mit diesem generellen Begriff ein Verzicht auf Klassifizierung in jeder Hinsicht nicht notwendig verknüpft. Daher bieten sich sowohl eine pragmatische Einzelfall-Lösung als auch ein genereller Verweis auf Geldersatz nur dann an, wenn nicht ein inhaltliches Klassifizierungsprinzip für Forderungsrechte gefunden werden kann, anhand dessen sie aufgeteilt werden können in solche, die nur zu Geldersatz berechtigen, und solche, die in natura durchsetzbar sind.
B. Schwächen des traditionellen Ansatzes und Ansatz dieser Arbeit Es zeigt sich, dass in allen drei Fragen zwar über die konkreten Ergebnisse bestimmter Konstellationen meist Einigkeit herrscht, man sich aber trotzdem nicht auf die rechtlich-dogmatische Behandlung einigen kann. Man erkennt, dass die althergebrachten dogmatischen Modelle nicht reibungsfrei zur Erklärung der für richtig gehaltenen Ergebnisse dienen können, ist aber unfähig, bessere, stringente Modelle zu formulieren. Hier soll diese Arbeit ansetzen. Ihr liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Formulierung eines solchen Modells durch zwei Faktoren verhindert wird, die der gesamten Diskussion unausgesprochen zugrunde liegen: Erstens 49 Dawson Mich.L.Rev. 57 (1959) 495 (533).
1. Kap.: Einleitung
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werden die drei behandelten Fragen jedenfalls in Europa meist isoliert voneinander behandelt; es gelingt so nicht, Zusammenhänge zwischen den Fragen zu erkennen. Zweitens sind mit der Isolierung bereits unausgesprochene Voraussetzungen verbunden, die die Zahl der möglichen Antworten einschränken und eine voraussetzungsarme Behandlung der Fragen beeinträchtigen.
I . Der Zusammenhang der Fragen 1. Notwendigkeit der Zusammenbehandlung Nach herkömmlicher Dogmatik gehören alle drei Fragen zu unterschiedlichen Bereichen. Das Verhältnis zwischen Kaufvertrag und Übereignung ist eine Frage des materiellen Rechts (und wird hier, wie gesehen, meist sogar nur als sachenrechtliches Problem angesehen, unter Ausblendung des Schuldrechts). Die Abgrenzung der subjektiven Rechte ist eine Frage der Rechtstheorie; allenfalls behandelt man sie im Rahmen des Allgemeinen Teils des Zivilrechts. Die Frage der Durchsetzbarkeit von Forderungen schließlich sieht man oft als Teil des Prozessrechts an. Folge dieser Trennung ist, dass die einzelnen Fragen häufig isoliert behandelt werden. Indes ist diese konkrete Trennung von Rechtsgebieten nicht logisch vorgegeben; sie ist - jedenfalls in Deutschland - im wesentlichen ein Ergebnis der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts. Neben allen Vorteilen, die eine solche Kategorisierung mit sich bringt, hindert sie den Blick auf Zusammenhänge zwischen den Gebieten. Eine erste These dieser Arbeit ist nun, dass die behandelten Fragen über solche Gebietsgrenzen hinaus miteinander zusammenhängen. Dabei drängt sich am ehesten noch der Zusammenhang zwischen der Frage nach dem Eigentumsübergang und der Klassifizierung der subjektiven Rechte auf; er wurde oben angedeutet. Nicht so sehr auf der Hand liegt der Zusammenhang mit der dritten Frage, der Durchsetzung von Forderungsrechten. Er wird dann sichtbar, wenn man bedenkt, dass etwa nach der Konzeption des französischen Rechts Forderungen traditionell nur in Geld vollstreckt werden, während der Eigentümer einer Sache deren Herausgabe selbst erzwingen kann50. Hier besteht also ein Zusammenhang zwischen Eigentum und Naturalvollstreckung einerseits, Forderungsrecht und Geldersatz andererseits. Gleichzeitig ist dann das dingliche Recht dasjenige, das zur Vollstreckung eines Herausgabeanspruchs in natura berechtigt, während das persönliche Recht nur das Verlangen von Geldersatz ermöglicht; so sind auch zweite und dritte Frage mit einander verbunden.
» Dazu unten S. 155, 264 f.
Β. Schwächen des traditionellen Ansatzes und Ansatz dieser Arbeit
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2. Möglichkeit der Zusammenbehandlung Eine umfassende Behandlung aller drei Fragen würde zwar den Rahmen dieser Arbeit sprengen, sie ist aber auch nicht erforderlich: Vielmehr sollen alle drei Fragen nur insoweit behandelt werden, als sie einander in ihrer Bedeutung überschneiden, und zwar für den Fall des Stückkaufs, also des Kaufs einer bestimmten Sache. Dabei kann sich eine solche Beschränkung als Vorteil erweisen. Es ist nämlich einerseits nicht mehr nötig, eine der drei Fragen umfassend für alle verschiedenen Konstellationen zu beantworten. Andererseits ergibt sich aber die Möglichkeit einer Systematisierung, die nicht an die jeweiligen dogmatischen Grenzen einer dieser drei Fragen gebunden ist, die also in Bezug auf den Fall des Stückkaufs umfassend ist. Für das Verhältnis zwischen Kaufvertrag und Übereignung können im Sachenrecht insbesondere die Frage nach Abstraktions- oder Kausalprinzip sowie die nach der Relevanz der Kaufpreiszahlung für den Eigentumsübergang ausgelassen werden. Zudem gilt die Beschränkung der Diskussion auf den Fall des Stückkaufs, weil der Gattungskauf Probleme eigener Art aufweist und eine Notwendigkeit, Stück- und Gattungskauf gleich zu behandeln, nicht besteht. Bezüglich der Aufteilung der subjektiven Rechte beschränkt sich die Arbeit auf Rechte des Käufers in bezug auf die Kaufsache. Andere Figuren zwischen dinglichem und persönlichem Recht werden also nur dann behandelt, wenn das für die Argumentation hilfreich ist. Schließlich sind bei der Durchsetzung von Forderungsrechten nur zwei interessant: die auf Übergabe und die auf Übereignung gerichteten Forderungen. Ausgespart bleiben also insbesondere die nicht vertretbaren Handlungen, die die Diskussion ansonsten weitgehend bestimmen. Ausgespart bleiben aber auch hier alle Fragen, die andere Verträge als den Stückkaufvertrag betreffen, insbesondere also die Durchsetzung von Ansprüchen aus Gattungskauf.
I I . Begrifflichkeit 1. Notwendigkeit voraussetzungsarmer Begriffe Noch in einer weiteren Hinsicht ist der herkömmliche Ansatz problematisch, insbesondere bezüglich des Unterschieds von Konsens- und Traditionsprinzip. Um die Frage, ob das Eigentum durch den Kaufvertrag übertragen wird, auf verschiedene Rechtsordnungen anwenden zu können, bedürfte man nämlich eines allgemeingültigen Begriffs sowohl des Kaufvertrags als auch des Eigentums. Solche einheitlichen Begriffe werden häufig stillschweigend vorausgesetzt, und so kann es nicht überraschen, dass auch rechtsvergleichende Untersuchungen häufig die Perspektive einer bestimmten Rechtsordnung annehmen, während in Wirklichkeit in verschiedenen Zeiten und Rechtssystemen unterschiedliche Begriffe sowohl des Eigentums als auch des Kaufvertrags verwendet werden. 4 Michaels
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1. Kap.: Einleitung
Diese Einsicht ist an sich ebenso wenig neu51 wie die Erkenntnis, dass Traditions· und Konsensprinzip einander in ihrer konkreten Ausgestaltung recht nahe sind52. Die eigentlich gebotene Folgerung, man müsse diese Begriffe und den hergebrachten Rahmen der Diskussion überwinden, wird aber jedenfalls in dogmatischen Abhandlungen selten gezogen. Das bedeutet insbesondere, dass man weiterhin Sachenrecht und Schuldrecht strikt voneinander trennt. Fragen der Sachzuordnung werden exklusiv dem Sachenrecht zugeordnet und im Rahmen des Vertragsrechts ausgespart. Dem entspricht es, dass man zwar die dogmatische Struktur des Eigentums ausleuchtet, dem Recht des Käufers aus dem Kaufvertrag aber meist wenig dogmatische Beachtung schenkt. Diese Trennung zwischen Schuld- und Sachenrecht hat zwar eine lange Tradition, die sich auf das römische Recht zurückführen lässt, aber sie ist keine logische Notwendigkeit. Vor allem ist mit der bloßen Berufung auf die Tradition noch nicht deren Berechtigung begründet. Das gilt um so mehr, als man diese Tradition weiterträgt, ohne zu prüfen, ob ihre Voraussetzungen überhaupt noch gegeben sind. De lege lata, also zur dogmatischen Arbeit innerhalb einer dieser Tradition verhafteten Rechtsordnung, mag ein solches Vorgehen noch angehen. Dagegen ist überraschend, wie selbstverständlich die Trennung auch in den Diskussionen zu einem zu schaffenden europäischen Privatrecht übernommen wird. Hier droht eine Chance zur Erneuerung dogmatischer Grundlagen versäumt zu werden. Methodisch soll mit dieser Arbeit daher ein anderer Weg beschritten werden, der eine solche Begrenzung durch eine bestimmte Struktur weitestmöglich vermeiden soll. Zunächst sollen Begriffe sowohl der Sachzuordnung als auch des Kaufvertrags entwickelt werden, die nicht einer bestimmten Rechtsordnung entstammen53. Anhand dieser Begriffe lässt sich dann ein nicht auf eine Rechtsordnung bezogenes Modell der Sachzuordnung durch Kaufvertrag formulieren. Dessen Geltung lässt sich dann anhand der Geschichte, der beteiligten Interessen und des geltenden deutschen Rechts überprüfen. Ein solcher Weg mag sehr abstrakt erscheinen. Aber diese Abstraktion scheint vorerst unerlässlich, um Zusammenhänge innerhalb einer bestimmten Rechtsordnung aufzuzeigen, die für die herkömmliche Dogmatik, insbesondere wegen ihrer Trennung von Schuld- und Sachenrecht, unerkannt bleiben. Dabei stellt dieses Modell mittelbar über die Frage der Sachzuordnung durch Kaufvertrag auch die Berechtigung der strengen dogmatischen Trennung von Schuld- und Sachenrecht in der herkömmlichen Form in Frage. Im Rahmen der Frage, inwieweit dieses Modell der Sachzuordnung durch Kaufvertrag sich in der Geschichte entwickelt hat, kann sich nämlich auch zeigen, wie jeweils gegebene So auch Waelbroeck, Transfert 16; Gambaro, in: Essays on European Law and Israel 407 (415 f.). 52 Dazu oben S. 38 f. 53 Zur Notwendigkeit einer eigenen rechtsordnungsunabhängigen Systematik für die Rechtsvergleichung vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung3 § 3 VI (S. 43-46).
Β. Schwächen des traditionellen Ansatzes und Ansatz dieser Arbeit
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Antworten durch das jeweils vertretene Verhältnis von Schuld- und Sachenrecht determiniert waren. Gerade weil die gängigen Ansichten zum Verhältnis von Kaufvertrag und Übereignung in einer herkömmlichen Dogmatik verhaftet sind, macht umgekehrt eine Lösung, die sich von diesen unterscheidet, auch ihrerseits eine Neugestaltung eben dieser Dogmatik erforderlich.
2. Kaufvertrag Es wäre zu eng, im Kaufvertrag lediglich ein Verpflichtungsgeschäft im Sinne der deutschen Dogmatik zu sehen54. Schon der Blick über die Grenze nach Frankreich lehrt, dass der Kaufvertrag auch ein dingliches Geschäft sein kann. Auch historisch hatte der Kaufvertrag lange Zeit eine sachzuordnende Wirkung 55. Ein allgemeiner Begriff des Kaufvertrags muss beide Aspekte umfassen können. Dabei hilft die Besinnung darauf, dass der Kern des Kaufvertrags nicht in seiner dogmatischen Einordnung als reines Verpflichtungsgeschäft liegt, sondern in seinem wirtschaftlichen Ziel: dem Austausch einer Sache gegen einen Kaufpreis. Wenn hier trotzdem die Sachzuordnung nicht „beim Kauf* sondern „durch Kaufvertrag" in Frage steht, so sind damit zwei Aspekte angesprochen. Zum einen geht es darum, inwieweit schon der Kaufvertrag, also die Einigung der Kaufparteien über den Austausch von Sache gegen Geld, diesen Austausch bezüglich der Kaufsache hervorbringt. Zum anderen soll aber auch die weitergehende Frage behandelt werden, ob im Rahmen des Kaufs eine vertragliche Vereinbarung die Änderung der Sachzuordnung hervorbringen kann, ohne dass ein Realakt, etwa die Übergabe erforderlich wäre. Diese zweite Frage geht insofern weiter als die erste, als sie jede Vereinbarung umfasst, also insbesondere auch einen rein dinglichen Vertrag. Aber die Unterscheidung besteht tatsächlich nur in dogmatischer Hinsicht, sobald man den Vertrag dogmatisch einordnet, nicht auf analytischer Ebene. Konkret: Ob in der Vereinbarung zweier Parteien nur ein verpflichtender Vertrag besteht oder ob mit ihrer Erklärung auch eine dingliche Einigung verbunden ist, ist (neben dem Willen der Parteien selbst) abhängig von der dogmatischen Konstruktion des Rechtssystems, innerhalb dessen diese Einordnung vorgenommen wird. Soweit sich dadurch keine Unterschiede hinsichtlich der (noch zu definierenden) Sachzuordnung ergeben, ist eine solche Unterscheidung im Ergebnis irrelevant.
3. Sachzuordnung Sachzuordnung ist grundsätzlich ein Begriff des Sachenrechts56, ihr Prototyp ist das Eigentum. An dessen Gestalt soll sich auch der hier verwendete Zuordnungs54 Vgl. zum Problem zuletzt EuGH, 5. 4. 2001 - Rs. C-518/99, Gaillard/Chekili. 55 Dazu sogleich in Kapitel 2. 4*
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1. Kap.: Einleitung
begriff orientieren, er soll allerdings darüber hinausgehen können. Gemeint ist das, was der Wortsinn ausdrückt: die rechtliche Zuordnung einer Sache zum Berechtigten. Dieser Begriff unterscheidet sich allerdings insofern vom Eigentum, als damit nicht in erster Linie eine dogmatische Konstruktion gemeint sein soll, sondern eine realistische Betrachtung der Rechtsposition des Berechtigten als der Summe seiner Rechte und Befugnisse in Bezug auf die Sache. Ob ihm die Sache in diesem Sinne zugeordnet ist, hängt daher nicht davon ab, ob er nach geltendem Recht eine dingliche Berechtigung daran erworben hat, sondern davon, ob er tatsächlich wie ein dinglich Berechtigter dasteht, ob die Sache ihm „gehört". Die damit mögliche Erstreckung eines Zuordnungsbegriffs auch auf obligatorische Rechtspositionen scheint mit dem oben dargestellten Grundsatz in Konflikt zu kommen, der jedenfalls die auf römisch-rechtlicher Grundlage entstandenen Rechtssysteme prägt: der Trennung dinglicher und persönlicher Rechte. Nach diesem Ansatz kann nur das Eigentum eine Sache zuordnen; durch die Forderung wird nur die Person des Schuldners zugeordnet. Aber der Gegensatz von dinglichem Recht und Anspruch lässt sich hinsichtlich der Sache, auf die sich beide richten, auch innerhalb eines Begriffs der Zuordnung darstellen, und zwar als der zwischen (dinglicher) Ist-Zuordnung und (obligatorischer) Soll-Zuordnung, oder auch zwischen unmittelbarer und mittelbarer Zuordnung57. Die Sachzuordnung im Sinne dieser Arbeit soll ungeachtet der dogmatischen Unterschiede jeweils beide Begriffe dieser Paare umfassen, soweit sich diese in der konkreten Ausgestaltung nicht voneinander unterscheiden58. Konkret lässt sich innerhalb eines solchen Begriffs der Sachzuordnung in zweierlei Hinsicht differenzieren. Inhaltlich kann man zwischen einem (noch näher zu erklärenden) weiteren und einem engeren Begriff der Sachzuordnung unterscheiden; hier soll die Rede von Wertzuordnung und Sachzuordnung sein59. Strukturell besteht ein Unterschied zwischen relativer Sachzuordnung als einer solchen, die 56 Grundlegend Wieacker DRWiss 1941, 49 (61); Westermann(-//./>. V/estermann), Sachenrecht (jetzt 7. Aufl.) § 2 II (S. 9 ff.), ebenso etwa Wilhelm, Sachenrecht Rn. 3, 6. Die Kritik von E. Wolf, Sachenrecht2 6, es handle sich um ein nationalsozialistisches Konzept, ist absurd. Eine Einschränkung der Privatautonomie sieht im Zuordnungsbegriff Staudinger {-Seiler) (2000) Einl zum SachenR Rn. 19, allerdings m.E. zu Unrecht: es handelt sich um einen analytischen Begriff ohne normative Folgen. 57 Wilhelm, Sachenrecht Rn. 16. 58 Dazu noch unten S. 356 f. 59 Gewissermaßen spiegelbildlich hierzu trennt etwa Reinhardt, Gefahrtragung 70-82 m. w. N., zwischen Sachgefahr und Wertgefahr (die er allerdings, anders als hier der Text, auf rechtliche und wirtschaftliche Zuordnung stützt, a.a.O. 74-76). Die Kritik von Ernst AcP 199 (1999) 360 (370 f.): die wirtschaftliche Zuordnung ergebe sich aus dem geltenden Recht und könne daher nicht ihrerseits zu dessen Erklärung herangezogen werden, erscheint zu positivistisch: die (zugegeben aus dem Gesetz zu entwickelnde) gesetzgeberische Wertung einer wirtschaftlichen Sachzuordnung kann, wenn sie unabhängig von ihrer Herleitung überzeugend wirkt, durchaus eine wertende Rechtfertigung für die rechtliche Regelung bilden; es handelt sich dann um ein Prinzip im Sinne Dworkins.
Β. Schwächen des traditionellen Ansatzes und Ansatz dieser Arbeit
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nur zwischen zwei Personen, konkret also etwa zwischen Verkäufer und Käufer besteht, und einer absoluten, die im Verhältnis zu jedem besteht. Beide Differenzierungen, inhaltliche und strukturelle, sind dabei voneinander unabhängig.
a) Wertzuordnung
und Sachzuordnung
(1) Wertzuordnung als Sachzuordnung im weiteren Sinne In einem weiteren Sinne umfasst Sachzuordnung all das, was auch im Eigentum enthalten ist. Das sind nach § 903 BGB die Zuweisung von Nutzungen und der Ausschluss Dritter. Konkret äußert sich ein weit gedachter Zuordnungsbegriff in negatorischen Ansprüchen sowie in Ansprüchen auf Schadensersatz, Ausgleich flir Aufopferung und Herausgabe von Bereicherungen60. Die Summe all dieser Rechtspositionen ist die umfassende Sachzuordnung und entspricht dem Eigentum, sie ergibt eine Zuordnung der Sache in wirtschaftlicher und tatsächlicher Hinsicht. Wertzuordnung soll sie deshalb heißen, weil sie die Sache nicht nur in ihrer körperlichen Gestalt, sondern auch als Vermögenswert dem Vermögen des Berechtigten zuordnet. Umgekehrt setzt aber Eigentum nicht alle diese Positionen voraus; vielmehr können dem Eigentümer auch einzelne dieser Positionen fehlen. Dieser weite Begriff der Wertzuordnung ist daher notwendig unscharf. Man kann lediglich davon sprechen, jemandem sei eine Sache mehr oder weniger zugeordnet, oder sie sei ihm nur in bestimmter Hinsicht zugeordnet. Eine solche Analyse wäre nur für Einzelfragen sinnvoll; ein allgemeiner Begriff der Sachzuordnung ergäbe sich daraus nicht und wäre umgekehrt für die Diskussion auch nicht hilfreich, weil er nur schwer von einem bestimmten Begriff des Eigentums abzugrenzen wäre.
(2) Sachzuordnung im engeren Sinne Hier soll dagegen von einem engeren Begriff der Sachzuordnung ausgegangen werden, der auf die Herrschaft über die Sache beschränkt ist. In diesem Sinne ist eine Sache demjenigen zugeordnet, der über sie selbst in ihrer physischen Gestalt, insbesondere über ihren Verbleib, bestimmen kann. Unbeachtet bleiben alle Fragen der wirtschaftlichen (Wert-)Zuordnung, also insbesondere alle Sekundäransprüche, die sich aus Eingriffen in die Zuordnung ergeben und die auf Geld gerichtet sind. Auch Geldersatz für die Verweigerung der Herausgabe ist damit von der Untersuchung ausgeschlossen. Damit soll nicht gesagt werden, dass diese Zuordnung im engeren Sinne nicht Bedeutung auch für die weitergehende wirtschaftliche Zuordnung hätte. Der Unter» Vgl. Wilhelm, Sachenrecht Rn. 6 - 1 5 .
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1. Kap.: Einleitung
schied lässt sich vielleicht so beschreiben, dass die Sachzuordnung im engeren Sinne die Grundlage für die weitergehende Wertzuordnung bildet: weil jemandem die Sache selbst zugeordnet ist, gebühren ihm auch Schadensersatz und gezogene Bereicherungen. b) Relative und absolute Sachzuordnung (1) Sachzuordnung im Innenverhältnis Im Innenverhältnis, also im Verhältnis zum Verkäufer, ist die Sache dem Käufer dann zugeordnet, wenn sie, untechnisch gesprochen, ihm gehört oder gebührt, dem Verkäufer dagegen nicht. Jedenfalls in einem System, das zwischen Kaufvertrag und Übereignung trennt, scheint hier nun die weite Definition der Zuordnung zu einem Patt in der Beurteilung zu führen. Die Sache gehört dem Verkäufer, aber sie gebührt dem Käufer; welche Position für die Zuordnung den Vorrang haben soll, lässt sich so nicht bestimmen. Aber das Patt löst sich, wenn man von der dogmatischen auf die wertende Ebene wechselt. Hier lässt sich nämlich sagen, die Sache sei dem Käufer dann zugeordnet, wenn er im Innenverhältnis wie ein Eigentümer dasteht, wenn also das „Gebühren" der Sache sich inhaltlich nicht wesentlich von einem „Gehören" unterscheidet. Die Frage nach der Sachzuordnung im Innenverhältnis ließe sich also auch dahingehend formulieren, ob der Käufer im Innen Verhältnis bereits wie ein Eigentümer dasteht61. Man hat die Frage nach dem Eigentumsübergang für das Innenverhältnis als belanglos dargestellt, soweit sie nicht die Frage der Gefahrtragung betreffe 62. Rechte und Pflichten ergäben sich aus dem Vertragsverhältnis, die Frage des Eigentumsübergangs habe Bedeutung nur für das Außenverhältnis. Das ist indes nur dann zutreffend, wenn tatsächlich die Position des Käufers im Innenverhältnis genau der eines Eigentümers entspricht; das muss aber nicht immer der Fall sein63. Im engeren Sinne stellt sich dagegen nur die Frage, ob letztlich der Käufer oder der Verkäufer in körperlicher Hinsicht über die Sache entscheiden kann, insbesondere über ihren Verbleib. (2) Sachzuordnung im Außenverhältnis Nicht viel anders sieht strukturell die Sachzuordnung im Außenverhältnis aus. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie grundsätzlich gegenüber jedem Dritten 61 Ein solcher Vergleich läßt sich sowohl für die weitergehende Wertzuordnung (dazu Wilhelm, Sachenrecht Rn. 6 - 1 5 ) als auch nur für die soeben formulierten speziellen Aspekte der Sachzuordnung im engeren Sinne durchführen; Thema dieser Arbeit ist nur letzteres. 62 Lawson L.Quart.Rev. 65 (1949) 352 (360); ebenso die skandinavische Theorie: Gottheiner RabelsZ 18 (1953) 356 (366 f.); ausdrücklich auch UCC § 2-401.
63 Vgl. dazu Wilhelm, Sachenrecht Rn. 16-27.
C. Hypothese und Ius ad rem
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gilt, beim Kauf insbesondere gegenüber nicht am Kauf beteiligten Personen. Eine solche Form der Zuordnung wird häufig absolut genannt, wobei sich absolut ursprünglich davon herleitet, dass die Position nicht von einer bestimmten rechtlichen Sonderverbindung abhängt. Für eine rein analytische Betrachtung ist indes die Frage, wie ein solches Recht innerhalb einer bestimmten Rechtsordnung begründet wird, unerheblich. Wenn im folgenden daher von absoluter Sachzuordnung gesprochen wird, dann ist damit lediglich die Wirkung gegen Dritte gemeint, nicht die dogmatische Frage nach dem Bestehen einer materiellrechtlichen Sonderverbindung. Der paradigmatische Fall, in dem es auf die Frage der Sachzuordnung im Außenverhältnis ankommt, ist der Doppelverkauf. Dabei geht es um die Frage, wem von zwei Käufern derselben Sache vom selben Verkäufer die Sache zustehen soll. Solange die Sache sich noch beim Verkäufer befindet, stellt sich demnach die Frage, ob ein Käufer den Erwerb der Sache durch den anderen verhindern kann. Hat der andere die Sache bereits erhalten, so geht es darum, ob der Käufer die Sache von ihm heraus verlangen kann. Ein zweiter Komplex betrifft das Verhältnis des Käufers zu Gläubigern des Verkäufers (wobei nur Geldgläubiger gemeint sind, da Sachgläubiger bereits unter den Komplex des Doppel Verkaufs fallen). Hier kann ein Konflikt, der die Frage nach der Sachzuordnung betrifft, nur dann auftreten, wenn der Gläubiger zur Befriedigung seines Geldanspruchs auf die Sache selbst zugreifen will. Das ist möglich bei der Einzelzwangsvollstreckung wie auch in der Insolvenz. Vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellt sich die Frage, ob der Käufer den Zugriff eines Geldgläubigers auf die Kaufsache durch Einzelzwangsvollstreckung vermeiden kann. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt sich die Frage der Sachzuordnung im Verhältnis zwischen dem Käufer und den Gläubigern des Verkäufers. Es geht darum, ob die gekaufte Sache zur Masse gehört mit der Folge, dass der Käufer auf einen Geldanspruch gegen die Masse verwiesen wird, oder ob er, gegebenenfalls unter bestimmten Voraussetzungen, die Sache aus der Masse aussondern darf.
C. Hypothese und Ius ad rem I . Hypothese Diese Arbeit will ein Lösungsmodell für alle drei Fragen und damit auch für die Grundfrage nach der Sachzuordnung durch Kaufvertrag vorschlagen, das weder einer der starren europäischen Regelungen entspricht, noch den resignativen Schritt hin zu einer rein pragmatischen, nicht von allgemeinen Prinzipien geordneten Lösung mitgeht. Es besteht aus drei einfachen Prinzipien:
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1. Kap.: Einleitung
1. Im Innenverhältnis ist die Sache dem Käufer bereits durch den Kaufvertrag zugeordnet, wenn das Recht des Käufers auf die Sache in natura einklagbar und durchsetzbar ist. 2. Im Außenverhältnis ist die Sache dem Käufer erst durch einen publiken Akt (Übergabe oder Eintragung) zugeordnet. 3. Die Sachzuordnung im Innenverhältnis gilt auch einem Dritten gegenüber, sofern dieser sie kennt. Diese drei Prinzipien haben zunächst keine Verbindung miteinander. Es gibt aber eine historische Figur, in der sie weitgehend miteinander kombiniert waren und die sich daher als Ausgangspunkt eignet: das ius ad rem.
I I . Ius ad rem Der Begriff „ius ad rem" bzw. seine deutsche Übersetzung „Recht zur Sache" wurde durch die Geschichte hindurch in ständig anderen Bedeutungen verwendet; auch im heutigen Sprachgebrauch verbindet man ganz verschiedene Dinge damit. Häufig ist die konkrete Verbindung des ius ad rem mit dem Doppelverkauf zur Erklärung des Schutzes des Erstkäufers gegen einen bösgläubigen Zweitkäufer. Daneben versteht man darunter manchmal auch nur ein obligatorisches Recht mit Drittwirkung oder allgemein ein Zwischengebilde zwischen absolut-dinglichem und relativ-persönlichem Recht64. Aber auch für das Innenverhältnis wird das ius ad rem fruchtbar gemacht, und zwar zur Beschreibung der Stellung des Sachgläubigers gegenüber einem Schuldner, der an seine Willenserklärung gebunden ist und die Sache zu liefern hat 65 . Teilweise sieht man darin allgemeiner den Anspruch auf die Leistung einer Sache66. Schließlich werden unter den Begriff von einigen alle obligatorischen Rechte zusammengefasst, gleich worauf sie gerichtet sind67. Wieder andere sehen im ius ad rem schlicht ein (besitzloses) Sachenrecht68, andere wiederum ein equitable interest69. Eine so weite Bedeutungsspanne schließt eine allgemeingültige Definition des ius ad rem grundsätzlich aus. Gerade weil mit dem Begriff (scheinbar) ganz unterschiedliche Aspekte verbunden werden, ist es aber andererseits möglich, mit einem Begriff des ius ad rem zu arbeiten, der diese verbundenen Merkmale aufgreift, ohne mit einer konkreten Ausgestaltung identisch sein zu müssen70. Ius ad rem in 64
Feigentraeger, Einfluß 2; Klug, Beitrag 9. 65 Bloch Rev.trim.dr.civ. 1988, 673 (683); Chazal/ Vicente Rev.crit.dr.civ. 2000,477 (480). 66 So etwa das preußische ALR in Art. 1.2.124. 67 Nachweise bei Eisfeld, Beiträge 10. 68 Heusler, Institutionen I 384; Fournier Rev.hist. 14 (1890) 799. 69 Cium v. Brewer et al. (Circuit Court, D. Massachusetts). 5 Fed.Cas. 1097 (1103). 70 Zum Unterschied zwischen konkreter Rechtsfigur und Wertungen beim ius ad rem auch Michaels ZEuP 2002.
C. Hypothese und Ius ad rem
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diesem Sinne bezeichnet dann die Rechtsposition eines Käufers, der zwar noch nicht Eigentümer der Kaufsache ist, aber schon eine bestimmte Rechtsbeziehung zu ihr erworben hat, die über das Verhältnis zum Schuldner als Person hinausgeht. Im Innenverhältnis sieht diese so aus, dass der Verkäufer ihm gegenüber gebunden ist, die Herausgabe also nicht verweigern kann; im Außenverhältnis ist eben diese Beziehung zur Kaufsache so geschützt, dass der Käufer von einem bösgläubigen Zweitkäufer die Sache heraus verlangen kann.
I I I . Hypothese und ius ad rem im Zusammenhang mit den Fragen dieser Arbeit Ein so geformtes ius ad rem vereinigt in einer Position Antworten auf alle drei Fragen dieser Arbeit. Dabei geht es nicht darum, die Existenz eines ius ad rem im heutigen Recht nachzuweisen, letztlich wird die Analyse entscheidende Unterschiede zwischen dem ius ad rem und dem geltenden Recht aufweisen. Aber das ius ad rem eignet sich als Fixpunkt der Diskussion deshalb, weil es sich in zwei der drei traditionellen Fragestellungen nicht in eine der jeweils zwei vertretenen Ansichten eingliedern lässt.
1. Ius ad rem zwischen Konsens- und lYaditionsprinzip Das historische ius ad rem steht zwischen dem Konsensprinzip auf der einen und dem - mit dem Trennungsprinzip verbundenen - Traditionsprinzip auf der anderen Seite. Es ist nicht dem Konsensprinzip zuzuordnen, weil der Käufer nach dem Kaufvertrag noch nicht Eigentümer ist. Aber es passt auch nicht völlig zu einem Traditions- und Trennungsprinzip, auch wenn es historisch häufig mit dem Traditionsprinzip verbunden war. Denn schon vor der traditio hat der Käufer mit dem ius ad rem eine Beziehung zur Kaufsache erworben, ist sie ihm also im Innenverhältnis in gewisser Weise zugeordnet. Diese Zuordnung macht sich im Doppelverkauf bemerkbar: der Erstkäufer kann aufgrund seines ius ad rem die Kaufsache von einem bösgläubigen Zweitkäufer heraus verlangen. Das bedeutet, dass Konsensprinzip und Traditionsprinzip beide Geltung beanspruchen können, allerdings nur jeweils für einen Bereich. Das Konsensprinzip gilt nur im Innenverhältnis, das Traditionsprinzip dagegen nur im Außenverhältnis. Wie das Verhältnis zu Dritten aussieht, die Kenntnis vom Vertrag haben, ob also insbesondere die Kenntnis hier die Übergabe ersetzt und auch insoweit ein Konsensprinzip gilt oder ob die Außenwirkung auf andere Weise vollzogen wird, muss sich dagegen noch erweisen.
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1. Kap.: Einleitung
2. Ius ad rem zwischen absolut-dinglichem und relativ-persönlichem Recht Rechtstheoretisch steht ein so verstandenes ius ad rem auch zwischen absolutdinglichem und relativ-persönlichem Recht. Es ist einerseits dinglich, insofern es die Zuordnung einer Sache bewirkt, andererseits relativ, insofern diese Zuordnung nur im Verhältnis zu einer Person, im konkreten Fall: dem Verkäufer, besteht, nicht aber gegenüber gutgläubigen Dritten. Das ius ad rem ist also ein relativ-dingliches Recht. Dieser Begriff des relativ-dinglichen Rechts scheint in sich selbst widersprüchlich zu sein, weil er zugleich den absolut-dinglichen und den relativ-persönlichen Rechten zuzuordnen wäre. Indes ist es weder nötig, die Aufteilung subjektiver Rechte ganz aufzugeben, noch einen fließenden Übergang von der einen in die andere' Gruppe anzunehmen, innerhalb dessen das ius ad rem sich irgendwo befindet. Vielmehr kann ein solches relativ-dingliches Recht im System subjektiver Rechte dann bestehen, wenn die entgegengesetzten Begriffe absolut und dinglich einerseits, relativ und persönlich andererseits nicht dieselbe Bedeutung haben.
3. Ius ad rem und Erfüllung in natura Schließlich hängt das ius ad rem auch mit der Frage der Naturalerfüllung zusammen. Denn die Zuordnung im Innenverhältnis setzt voraus, dass der Käufer die Sache herausverlangen kann, dass er also einen in natura durchsetzbaren Anspruch hat. Umgekehrt heißt das, dass ein Käufer, der seinen Anspruch nicht in natura durchsetzen kann, kein ius ad rem in diesem Sinne hat. Der Naturalerfüllungsanspruch steht damit im Zentrum der Frage nach der Sachzuordnung.
IV. Gang der Untersuchung Zunächst handelt es sich bei den drei aufgestellten Prinzipien nur um ein theoretisches Modell, das der Überprüfung bedarf. Diese soll in drei Schritten erfolgen, nämlich in historischer, dogmatischer und aktueller Hinsicht. Dabei soll jeweils besonderes Gewicht auf die Trennung zwischen Konsens- und Traditionsprinzip sowie zwischen absolut-dinglichen und relativ-persönlichen Rechten gelegt werden, jeweils im Zusammenhang mit der Frage nach einem durchsetzbaren Naturalerfüllungsanspruch.
C. Hypothese und Ius ad rem
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1. Geschichte Es bestehen umfassende historische und rechtsvergleichende Untersuchungen in allen drei Bereichen, also sowohl in der Geschichte von Traditions- und Konsensprinzip 71, als auch in der Trennung subjektiver Rechte72 und der Naturalerfiillung73. Auch der Geschichte des ius ad rem sind zahlreiche Abhandlungen gewidmet worden74. Wenn hier trotzdem im ersten Hauptteil eine umfassende rechtsgeschichtliche Behandlung erfolgt, dann deshalb, weil alle angesprochenen Fragen üblicherweise isoliert voneinander diskutiert werden und man sich meist auf eine bloße Beschreibung des Rechts beschränkt. Hier geht es daher weniger darum, neue Daten zu finden, als vielmehr, die bereits gefundenen Daten zueinander in Beziehung zu setzen und die ihnen zugrundeliegenden Wertungen zu ergründen. Dabei wird sich zum einen zeigen, dass sowohl die Trennung zwischen Konsens- und Traditionsprinzip als auch die zwischen absolut-dinglichen und relativ-persönlichen Rechten teilweise so nicht bestanden hat, teilweise durch Prämissen determiniert war, die mittlerweile als überwunden gelten können. Zum anderen ist zu demonstrieren, dass die Frage nach Naturalerfiillung oder Geldersatz immer entweder vom materiellen Recht bestimmt war oder dieses seinerseits beeinflusst hat, jedenfalls also immer ein Bezug zum materiellen Recht bestand.
71
Rechtsgeschichtlich insb. Exner, Rechtserwerb; Biermann, Traditio ficta; Fuchs, Iusta causa; Brandt, Eigentumserwerb; Gordon, Studies; Cornil Nouv.rev.hist. 25 (1901) 136160; rechtsvergleichend v. Caemmerer RabelsZ 12 (1938/39) 675-713; Friedrich, Uebereignung, in: HdwbRvgl VI 606-633; Lawson L.Quart.Rev. 65 (1949) 352-366; Gottheiner RabelsZ 18 (1953) 356-375; Lalive, Transfer of Chatteis; Waelbroeck, Transfert; Lagergren, Delivery; Kruse Am.J.Comp.L. 7 (1958) 500-515; Sacco, in: General Reports 10, 247 - 268; Ferrari ZEuP 1993, 52-78, Roth ZVglRWiss 92 (1993) 371-394; Drobnig, in: Towards a European Civil Code2 495-511; Gambaro, in: Essays on European Law and Israel 407417; van Vliet, Transfer of Movables. 7 2 Dubischar, Grundlagen; allgemein zur Geschichte subjektiver Rechte umfassend Fezer, Teilhabe und Verantwortung 98-333 m. w. N. 7 3 Sintenis ZCP 11 (1838) 20-89; H.F.W.D. Fischer, Geschiedenis; Dilcher SavZ/rom 78 (1961) 277-307; Dawson Mich.L.Rev. 57 (1959) 459-537; Zimmermann, Obligations 770-782; Repgen, Vertragstreue (dort weitere Nachweise S. 328 Fn. 15); Nehlsen-von Stryk AcP 193 (1993) 529-555; Rütten, in: FS Gernhuber 393-359; Morita Rev.hist. 73 (1995) 201-219. 74
Zu nennen sind vor allem v. Brünneck, Ursprung; Ziebarth, Realexecution und Obligation; Gross, Pfründe (bespr. von Fournier Rev.hist. 14 [1890] 799-804); Heymann, in: FS Gierke 1167-1185; Mercier, Jus ad rem; Meijers, Etudes IV 175-189; Landau, in: Proceedings III 81-102; Dubischar JuS 1970, 6 - 1 2 ; Ogris, Jus ad rem, in: HRG III 490-492; Martinez-Cardòs Ruiz Rev.der.priv. 1988, 3 - 1 6 ; Wesener, in: FS Niederländer 191-213. Der Aufsatz von Foncillas Rev.crit.der.inm. 1933, 253-262, 330-340, 411-424, 519-528, 584-595, 641-658, 721-733, 801-810, 881-895; 1934, 15-27, 97-107 ist weitgehend nichts als ein (wörtliches!) Plagiat der Arbeit von Mercier a.a.O.
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1. Kap.: Einleitung
2. Interessen und Dogmatik Im zweiten Hauptteil geht es darum, die Hypothese und die Ergebnisse der geschichtlichen Betrachtung abstrakt zu untermauern. Eine volle Loslösung vom geltenden Recht wird zwar nicht angestrebt. So geht auch die Analyse selbstverständlich von den Instituten des Kaufs und des Eigentums sowie der Möglichkeit der Eigentumsübertragung aus; auch wird die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten vorausgesetzt. Ansonsten bietet die Abstraktion von einer bestimmten Rechtsordnung aber den Vorteil, dass nicht strukturelle und positivrechtliche Vorgaben vorschnell vorausgesetzt werden und dann zu Ergebnissen führen, die nur innerhalb eines bestimmten Rechtssystems sinnvoll sind. Innerhalb der Analyse ist es vorab nötig zu zeigen, dass der häufig behauptete logische Zusammenhang zwischen Eigentum und Besitz nicht besteht. Sodann kann das Modell entwickelt werden. Dabei scheint es zweckmäßig, sich zunächst von jeder dogmatischen Einordnung zu lösen und eine reine Interessenabwägung zu unternehmen. Das geschieht in zwei Schritten: Ein erster weist nach, dass die drei Grundregeln interessengerecht sind, ein zweiter stützt das Ergebnis aus der Sicht der ökonomischen Analyse. Das so gefundene interessengerechte Ergebnis gilt es sodann, in einer funktionierenden Dogmatik zu formulieren. Die so gefundenen und dogmatisch formulierten Regeln können dann abstrakt auf verschiedene Fallkonstellationen angewandt werden.
3. Geltendes Recht Schließlich soll sich die Geltung des Modells anhand des aktuellen Rechts erweisen. Dabei wäre eine umfassende rechtsvergleichende Analyse zwar prima facie interessant. Sie würde aber wegen des hier verwendeten weiten Ansatzes in der gebotenen Tiefe den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher sollen nur einzelne rechtsvergleichende Hinweise erfolgen: im wesentlichen liegt der Blick exemplarisch auf dem deutschen Recht. Dieses bietet sich auch im europäischen Vergleich deshalb besonders an, weil es dogmatischen Zwängen unterliegt, die sich im 19. Jahrhundert herausgebildet haben und die ein ius ad rem aus mehreren Gründen scheinbar unmöglich machen. Kann nachgewiesen werden, dass sogar innerhalb einer solchen Dogmatik faktisch eine Art ius ad rem besteht, so liegt die Vermutung nahe, dass ein solches sich rechtspolitisch auch unabhängig von dieser Dogmatik anbietet.
Kapitel 2
Geschichte Α. Die Grundlagen des ius ad rem I . Römisches Recht 1. Frühzeit a) Kaufvertrag
und Übereignung
Aus heutiger Sicht könnte man glauben, das Traditionsprinzip sei - jedenfalls für primitive Rechtsordnungen - natürlicher, ursprünglicher als das Konsensprinzip; dieses könne sich nur im bewussten Gegensatz zu ihm entwickeln1. Ein Blick auf frühe Rechtsordnungen zeigt, dass eine solche Ansicht irrig ist. Entbehrlich war die Übergabe für den Eigentumserwerb etwa nach Hindurecht2; islamischem Recht3; babylonischem und hebräischem Recht4, ebenso für den ganzen antiken griechischen Rechtskreis5, der auch Ägypten umfasste6. Hier übertrug der Kaufvertrag, teilweise zusammen mit der Kaufpreiszahlung, bereits das Eigentum; eine Übergabe war nicht erforderlich. Auch das frühe römische Recht, das als Modellfall den Barkauf kannte, verband mit diesem wahrscheinlich einen unmittelbaren Eigentumsübergang7. Der Kauf war kein schuldrechtlicher Vertrag, sondern tatsächlich vollzogener Austausch von Ware gegen Geld. Dabei sah das Recht für die wichtigsten Güter förmliche Verfahren vor; die Übergabe spielte nur eine untergeordnete Rolle. ι So etwa Benöhr AcP 178 (1978) 386. 2 Süß, in: FS Wolff 141 (146), unter Berufung auf Josef Kohler, Altindisches Prozeßrecht 54; Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900) 1 (64). Folge war für den Doppelverkauf der Vorrang des ersten Käufers. 3 Josef Kohler ZVglRWiss 12 (1897) 1 (14 f.); ders . ArchBürgR 18 (1900) 1 (65). * Nörr SavZ/Rom 78 (1961) 92 (128); Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900) 1 (65) (allerdings unter Voraussetzung der Kaufpreiszahlung). 5 Pringsheim, Greek Law of Sale 219-232; Simonétos, in: FS Koschaker III 172 (192); Rupprecht , in: GS Kunkel 365 (371 f.) (zu Grundstücken); Herrmann, in: FS Käser 615 (620) (zu Fahrnis). 6
Vgl. Boochs, Altägyptisches Zivilrecht 75 f. 7 Pugliese, in: Vendita e trasferimento I 25 (26); Cannata, ebenda II 413 (414).
62
2. Kap.: Geschichte
(1) Mancipatio Die Urform des Kaufs war die mancipatio8 - das wohl älteste „Übertragungsgeschäft" des römischen Rechts, beschränkt auf die sogenannten res mancipi: Sklaven, bestimmte Vieharten, Grundstücke und Felddienstbarkeiten9. In Anwesenheit von fünf Zeugen und einem Waagenhalter ergriff der Käufer dabei die zu erwerbende Sache10 und erklärte sie in einer festen Formel11 zu seiner; der Verkäufer schwieg dazu und erkannte die Ergreifung damit als rechtmäßig an. In der Frühform war die mancipatio wohl noch tatsächlicher Barkauf 12, die Waage diente dazu, den Kaufpreis abzuwiegen13. Später verkam die Waage zum Symbol: der Käufer schlug nur noch eine Kupfermünze dagegen, man sprach daher von mancipatio nummo uno. Diese sogenannte mancipatio nummo uno entsprach daher vermutlich nicht einem verpflichtenden Kaufvertrag 14, sondern erfolgte zur Erfüllung einer vorher geschlossenen Kaufabrede 15. Von dieser war sie wahrscheinlich abstrakt16. Sie war aber auch nicht wirklich echtes Verfügungsgeschäft oder gar dinglicher Vertrag. Vielmehr glich sie einemritualisierten einseitigen Erwerbsakt 17. Die aktive Rolle fiel ganz dem Erwerber zu, der einseitig die Sache ergriff und damit zu seiner machte18. Der Veräußerer blieb passiv; indem er das Verhalten des Käufers dulde8 Zum Kaufcharakter Beckmann, Kauf I 68 ff.; Arangio-Ruiz, Compravendita 18 ff.; Cannata, in: Vendita e trasferimento II 413 (417-422). 9 Vgl., auch zur Herkunft dieser Begrenzung, Käser, Eigentum und Besitz2 163-173 m. w. N.; ders. y Römisches Privatrecht I 2 § 31 III 2 (S. 123 f.). Zum Hintergrund der besonderen Behandlung zuletzt Sturm, in: Mélanges Piotet 567 (586). 10
Nach a.A. (Meylan) handelt es sich um einen Übertragungsfehler: ergriffen worden sei zunächst nicht die Sache, sondern die symbolische Kupfermünze: Sturm, in: Mélanges Piotet 567 (570-572). Vgl. auch Pugliese, in: Vendita e trasferimento I 25 (27 Fn. 5). n Gai. Inst. 1.1.19, wiedergegeben etwa bei Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 9 II 1 (S. 44). Die Formel entsprach derjenigen, die im Vindikationsprozeß zu sprechen war; vgl. auch unten Fn. 26. 12 Vgl. Käser, Eigentum und Besitz2 107-115; ders., Römisches Privatrecht I 2 § 9 II 2 (S. 44); Archi, Trasferimento della proprietà 79-90,101 -105. 13 Sturm, in: Mélanges Piotet 567 (577 f.). Man findet hier also ganz wie in anderen antiken Rechtsordnungen die Knüpfung des Eigentumsüberganges an die Kaufpreiszahlung; vgl. Pugliese, in: Vendita e trasferimento I 25 (31 f. mit Fn. 14). 14 Sie erzeugte also insbesondere weder eine Pflicht zur Kaufpreiszahlung, noch zur Eigentumsübertragung: Beckmann, Kauf I 102; Pugliese, in: Vendita e trasferimento I 25 (32, 34). 15
Käser, Eigentum und Besitz2 158-162; Zimmermann, Obligations 237 f.; Pugliese, in: Vendita e trasferimento I 25 (34-38). 16 Sojedenfalls Käser, Eigentum und Besitz2 135; ders., Römisches Privatrecht I 2 § 100 II 1 (S. 414); Peters JurA 1986, 449 (453). 17 Deutlich Käser SavZ/Rom 74 (1957) 433 (437 f.); auführlich Thormann, Ursprung 48-54; fener Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 911 3 (S. 45), 33 I 1 (S. 131 f.); Peters JurA 1986,449 (452 f.); Bretone, Geschichte des römischen Rechts 69 f.
. Die
ung
des ius ad rem
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te, verzichtete er darauf, sein Recht geltend zu machen19 und wurde dadurch für spätere Ansprüche präkludiert; die fünf Zeugen dienten zur Beweissicherung20. Die Einseitigkeit des Vorgangs zeigt sich auch in der Etymologie - mancipatio leitet sich von manu capere her, also von Handanlegung, Ergreifung 21. Erworben wurde nicht eigentlich Eigentum, sondern mancipium, eine faktisch-rechtliche Herrschaftsgewalt 22. Diese Herrschaftsgewalt verband sich für den Käufer mit dem Anspruch gegen den Verkäufer, ihm im Streit gegenüber Prätendenten zur Seite zu stehen, Gewährschaft (auctoritas) zu leisten23. (2) In iure cessio Jünger24 war die in iure cessio, deren Bedeutung vor allem darin lag, dass sie wohl auch für res nec mancipi zur Verfügung stand25. Sie war dem Vmdikationsprozess, also einem streitigen Verfahren, nachgebildet26: Vor dem Prätor bezeichnete der Erwerber in einem Scheinprozess die zu erwerbende Sache als seine. Der Veräußerer bestritt diese Behauptung nun nicht, wie er es im streitigen Prozess normalerweise getan hätte27, sondern schwieg dazu. Der Prätor bestätigte die Eigentumsbehauptung des Erwerbers und sprach diesem so durch addictio das Eigentum ZU
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Auch hierbei handelte es sich also offenbar nicht um einen Vertrag oder eine einvernehmliche Eigentumsübertragung. Vielmehr ersetzte die gerichtliche Feststel18
Nach Sturm, in: Mélanges Piotet 567 (578) führte nicht das Ergreifen zum Eigentumserwerb, sondern die Erklärung der Sache zur eigenen; aber man kann wohl nicht das eine isoliert vom anderen sehen. Vgl. auch Mrsich SavZ/rom 96 (1979) 272-289. 19 Vgl. Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 9 II 4 (S. 45 f.). 20 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 9 I 1 (S. 42 f.). 21 Römisches Privatrecht I 2 § 9 II 1 (S. 44); ausführlich zur Begriffsbedeutung und -geschichte ders., Eigentum und Besitz2 180-194. 22 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 9 II 4 (S. 45 f.). 23 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 9 II 4 (S. 45 f.); zur Voraussetzung von Kaufpreiszahlung oder -versprechen für die auctoritas vgl. ebenda § 9 III 1 (S. 46). Ausführlich zuletzt Fuenteseca, in: Vendita e trasferimento I 73-118 m. w. N. 24 Vgl. Käser, Eigentum und Besitz2 140 Fn. 9. 25 Käser, Eigentum und Besitz2 200. 26 Vgl. Hackl SavZ/Rom 106 (1989) 152 (171 -179). Gemeinsamkeiten zwischen mancipatio und rei vindicatio, die auch mancipatio und in iure cessio auf dieselbe Wurzel zurückführen könnten, sieht Thormann, Ursprung, passim. 27 Allerdings folgert man aus der in iure cessio umgekehrt für den streitigen Prozeß, daß der Beklagte hier allgemein die Möglichkeit hatte, auf das Vorbringen des Klägers zu schweigen und dadurch die Forderung anzuerkennen; vgl. Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 5 II (S. 42), § 11 II 2 (S. 73). 28 Vgl. Käser, Eigentum und Besitz2 199-202; ders., Römisches Privatrecht I 2 § 10 (S. 48); Hackl SavZ/Rom 106 (1989) 152 (175-177); allgemein zur addictio Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 11 II 3 a (S. 74) m. w. N.
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lung, der Erwerber sei bereits Eigentümer, einen tatsächlichen (nach moderner Diktion: materiellrechtlichen) Eigentumserwerb; dieser wurde durch das Urteil fingiert 29. Alle Aktivität lag, ähnlich wie bei der mancipatio, beim Erwerber 30. Dabei ergibt sich die Abstraktion der in iure cessio von einem zugrundeliegenden Kaufvertrag hier schon durch die prozessuale Einkleidung31.
(3) Traditio Die „formlose" Übertragung von res nec mancipi, für die sicher die mancipatio, vielleicht auch die in iure cessio nicht zur Verfügung standen, ging anders vor sich; sie erfolgte durch bloße Übergabe, durch traditio. Allerdings konnte ursprünglich an res nec mancipi gar kein echtes Eigentum erworben werden, das zu ihrer Verfolgung berechtigte32. Zwischen Besitz und Eigentum wurde nicht scharf unterschieden, die Funktion des Eigentums übernahm ein unscharfes „meum esse"33. Folglich war die Übergabe schon deshalb automatisch gleichbedeutend mit der Übertragung der Berechtigung, weil der Käufer mehr als berechtigten Besitz nicht erlangen konnte. Umgekehrt mag aber auch die Unmöglichkeit des Eigentums an res nec mancipi dadurch begründet gewesen sein, dass für diese kein förmlicher Erwerbstatbestand zur Verfügung stand34. Von einer Eigentumsübertragung durch traditio lässt sich also jedenfalls für die Frühzeit nicht sprechen.
b) Grundlagen des Schuldverhältnisses (1) Deliktshaftung Dass das frühe römische Recht neben dem Kauf als Austausch noch keinen verpflichtenden Kaufvertrag kannte, liegt daran, dass das Institut des Schuldrechts im allgemeinen und des Vertragsrechts im besonderen noch gar nicht entwickelt war. Man geht heute üblicherweise davon aus, dass im Ursprung des römischen Schuldrechts die Deliktshaftung lag, die sich auch als ein Privatstrafrecht verstehen ließ 35 . Wer einem anderen ein Unrecht angetan hatte, der war dessen Rache unterworfen, gegen den durfte der Geschädigte vorgehen. Damit verbunden war eine persönliche 29 Vgl. Pflüger SavZ/Rom 63 (1943) 301 -313. 30 Käser SavZ/Rom 74 (1957) 433 (438). 31 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 100 III (S. 415). 32 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 35 II 1 (S. 139); Pugliese, in: Vendita e trasferimento I 25 (33). 33 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 31 I (S. 119-121); ders. y Eigentum und Besitz2 6 f. und öfter; vgl. auch Archi, Trasferimento della proprietà 79,90-93. 34 Pugliese, in: Vendita e trasferimento I 25 (33) 35 Zimmermann, Obligations 1 - 3 m. w. Ν.
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Zuordnung des Schädigers selbst zum Vermögen des Geschädigten, der an ihm eine eigentumsähnliche Berechtigung erwarb 36. Dieser ursprüngliche Rachegedanke machte später einem Kompensationsgedanken Platz - der Schädiger haftete nicht mehr unbegrenzt, er konnte sich von seiner Haftung freikaufen 37. Zunächst musste der Betrag nicht dem angerichteten Schaden entsprechen, denn er war ja nicht Schadensausgleich, sondern Freikauf; noch lange Zeit kannte das römische Recht Haftungen, die entweder vom Schadensbetrag unabhängig waren oder ein Vielfaches von diesem betrugen. Ursprünglich war diese Geldzahlung eher eine Last bzw. Obliegenheit als eine Schuld38, eine Möglichkeit, der persönlichen Haftung zu entgehen. Später errang diese Leistung den Vorrang vor der Haftung, man erkannte den Schuldner als zur Leistung verpflichtet, die Haftung als sekundär. Nun ließ sich nämlich davon sprechen, dass der Beklagte dem Kläger für das Unrecht, das er ihm angetan hatte, etwas schulde39. Damit wird auch verständlich, warum der Schuldner bei unverschuldeter Nichterfüllung frei blieb. Unabhängig von der persönlichen Haftung, die das Recht zwar auch noch vorsah, zu der es aber in der Regel nicht kam, waren so Kläger und Klaggegner in einem materiellrechtlichen Rechtsverhältnis miteinander verbunden, der obligatio40. (2) Vertragshaftung Während man über diese Herkunft der deliktischen Haftung weitgehend einig ist, sind die Ursprünge der vertraglichen Haftung umstritten. Die herrschende Ansicht geht von einer freiwilligen Unterwerfung aus41. Danach unterwarf sich der Versprechende der Herrschaft des Versprechensempfängers so, als habe er ein Delikt begangen. Der Versprechensempfänger andererseits durfte seine Herrschaft erst dann ausüben, wenn der Haftungsgrund eingetreten war, wenn also das Versprochene nicht erfüllt wurde. Eine andere Ansicht hält dagegen, eine solch umständliche Konstruktion sei quellenmäßig nicht nachweisbar und mit der Bedeutung der fides im römischen Selbstverständnis unvereinbar42. Nach dieser Ansicht lag im Versprechen einer Leistung keine Unterwerfung, sondern vielmehr die Begründung einer echten Schuld des Versprechenden43. 36 Käser, Altrömisches ius 179 f. 37 Käser, Altrömisches ius 183 f.; Zimmermann, Obligations 2 f. m. w. N. zur Gegenmeinung S. 3 Fn. 11. 38 Käser, Römisches Privatrecht 15 (Studienbuch) § 32 II 5 (S. 153); Zimmermann, Obligations 5. 39 So ist auch erklärlich, warum der Schuldner nur bei verschuldeter Nichterfüllung haftete: nur diese wurde als Unrecht angesehen. 40 Inst. 3.13 pr; vgl. zuletzt Guarini Stud.Doc.Hist.Iuris 66 (2000) 263 - 269. Vgl. nur Zimmermann, Obligations 4 - 6 m. w. N. 42 Waldstein, in: FS Wesener 519-530. 43 Vgl. Gai. Inst. 3.92,4.20. 5 Michaels
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2. Kap.: Geschichte
Hier ist nicht zu entscheiden, welcher Ansicht Recht zu geben ist. Vieles spricht dafür, der Unterschied der Meinungen ergebe sich hauptsächlich daraus, dass moderne Begriffsverständnisse auf das Recht einer Zeit projiziert werden, die solche Unterscheidungen gar nicht treffen konnte. Wesentlich ist ein anderes: Die vertragliche Haftung der Frühzeit war nach beiden Ansichten immer und ausschließlich Haftung wegen Nichterfüllung, der Versprechende haftete also nicht positiv auf die Erfüllung seines Versprechens. Umgekehrt heißt das, dass der Versprechensempfänger nicht die versprochene Leistung fordern konnte, sondern nur Ersatz dafür, dass diese ausblieb. Wie weit der Fides-Gedanke im römischen Recht auch gegangen sein mag, eine durchsetzbare Verpflichtung, das Versprochene zu leisten, konnte er nicht erzeugen.
c) Die Durchsetzung von Rechtspositionen (1) Begriff der actio Der Unterschied zwischen persönlichen und dinglichen subjektiven Rechten, den man heute aus dem römischen Recht herleitet, war diesem selbst unbekannt, weil es die Rechtsfigur des subjektiven Rechts entweder überhaupt nicht kannte44, oder diese jedenfalls bei weitem nicht die gleiche Bedeutung hatte wie in heutigen Rechtsordnungen. Das römische Recht präsentierte sich vielmehr konkret als „law in action", es war ein System der actiones, nicht der subjektiven Rechte. Die actiones stellten dabei neben Sachen und Personen die dritte der drei Institutionen dar, mit denen das römische Recht nach der gaianischen Systematisierung zu tun hatte45. Dabei fielen unter den Begriff der Sachen als Schutzgegenstände des Rechts sowohl Sachen in unserem Sinne, also körperliche Gegenstände, als auch unkörperliche Gegenstände, unter die auch die Obligationen und die - nach modernem Verständnis - beschränkt-dinglichen Rechte zu zählen waren46. Beim Eigentum dagegen war die Sache selbst als res geschützt. Actio bezeichnete dabei ursprünglich wohl keine Klage sondern, getreu dem Wortsinn, eine Handlung, konkret die Handlung des Zugriffs. Man verstand unter 44 Vgl. Villey Rev.hist. 24/25 (1946/47) 201-227; Dubischar, Grundlagen 3-17; Meijers, Etudes IV 175 (177); Coing, Gesammelte Aufsätze 241 (244-248); ausführliche Darstellung der Diskussion bei Fezer, Teilhabe und Verantwortung 111-133. Das Fehlen subjektiver Rechte im römischen Recht hatte bereits im 17. Jahrhundert Ulrich Huber festgestellt; vgl. Feenstra Jur.Rev. 1982, 106 (107 f.). A.A. vor allem Pugliese, Actio e diritto subiettivo; Donahue, Ius in the Subjective Sense. Vgl. auch Mayer-Maly JZ 1987, 343, der die unterschiedlichen Ansichten darauf zurückführt, ob man nach dem Begriff oder den grundlegenden Gedanken des subjektiven Rechts fragt. 45 Gaii Inst. 1.8: „omne autem ius, quo utimur, vel ad personas pertinet, vel ad res, vel ad actiones.44; vgl. dazu Zimmermann, Obligations 25 f. m. w. N. 46 Vgl. Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 92 I 1 (S. 376 f.) m. w. N.
Α. Die Grundlagen des ius ad rem
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der actio in rem die tatsächliche Handlung des Zugriffs durch den Berechtigten auf die Sache, wo immer er sie antraf 47. Ihr zugrunde lag eine Zuordnung der Sache zum Berechtigten, die zwar noch nicht mit einem technisch höherstehenden Begriff wie Eigentum (dominium) bezeichnet werden konnte, wohl aber ein wirtschaftliches „Gehören", eine Herrschaft bezeichnete. Ganz entsprechend war aber auch die actio in personam als manus iniectio ein Zugriff, der Zugriff auf die Person des Schuldners als des tatsächlich „persönlich Haftenden" selbst48. Der Inhaber der actio in personam konnte auf die haftende Person ganz wie auf eine Sache zugreifen. Er durfte sie töten oder später, nach der lex talionis, ihr immerhin noch den gleichen Schaden zufügen, wie sie ihm angetan hatte49, er durfte sie versklaven und verkaufen. Sache und Schuldner waren in diesem Sinne gleichermaßen Objekte des Rechts, und dass eine actio sich entweder gegen das eine oder das andererichtenmusste, ist auf dieser Stufe selbstverständlich. Actio war also Zuordnung einer Sache oder einer Person als Objekt, nicht Subjekt einer rechtlichen Beziehung. Dem entspricht es, wenn man für die Frühzeit von einer Form der Realexekution ausgeht50. Diese wurde zunächst vom Einzelnen ausgeführt und vom Richter lediglich in der Ausübung kontrolliert 51. Realexekution muss dabei im Gegensatz zur Vermögens Vollstreckung verstanden werden; sie bedeutet das Recht, auf die verhaftete Sache oder die verhaftete Person selbst zuzugreifen. Grundlage für die heutige Trennung der subjektiven Rechte ist das Aktionensystem des römischen Rechts und hierbei besonders die „summa divisio actionum", die Trennung in actiones in rem einerseits, actiones in personam andererseits52. In diesem System wurden die drei Elemente des gaianischen Systems - persona, actio und rem - zueinander in Beziehung gesetzt: Die actio ist folglich entweder denkbar in Hinblick auf eine Sache oder in Hinblick auf eine Person. Hier findet sich also tatsächlich ein kategorialer Unterschied zweier verschiedener rechtlicher Beziehungen, zwischen denen keine Zwischenstellung möglich ist. (2) Actio in rem Die legis actio sacramento in rem war ein zweistufiges Verfahren 53. In der ersten Stufe war sie nicht Klage gegen den Besitzer, sondern vielmehr der Antrag an den Käser, Römisches Privatrecht 15 (Studienbuch) § 4 I 1 a (S. 34). 48 Vgl. Käser, Altrömisches ius 179 f., 191 -193. 49
Vgl. Zimmermann, Obligations 2 f. 50 Dawson Mich.L.Rev. 57 (1959) 495 (496 f.); du Plessis THRHR 51 (1988) 349 (350353). 51 Broggini SavZ/Rom 76 (1959) 113 (117-123); Wieacker, in: FS Hübner 357 (361365) Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 3 II 3 (S. 28-30). 52 Vgl. Dubischar, Grundlagen 17-23. 53 Vgl. Broggini, Iudex arbiterve 99-101; JG. Wolf, in: Symp. Wieacker 1985, 1 -40. 5*
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2. Kap.: Geschichte
Richter, die dingliche Berechtigung des Klagenden an der Sache festzustellen, die der Kläger dazu ergriff. Der Prätendent tauchte in der Klagformel gar nicht auf und brauchte sich vielleicht, anders als der Beklagte der actio in personam, nicht auf das Verfahren einzulassen54. Wenn er sich einließ, so tat er das mit der contravindicatio, also ebenfalls einem mit Handanlegung verbundenen Antrag an den Richter, sein Eigentum festzustellen. Das führte zum Ergebnis, dass der Sieger, entsprechend der Struktur des Verfahrens, kein Recht auf Zugriff gegen den Gegner erhielt, sondern nur das gegnerlose Recht des Zugriffs auf die Sache selbst55. Eine Verbindung zwischen den Parteien ergab sich also nur mittelbar dadurch, dass nur eine von beiden siegen konnte56. Der Richter wies für die Zeit des Prozesses die Sache einer der Parteien zu. Stellte sich heraus, dass dieser Besitzer nicht der Eigentümer war, so haftete er auf der zweiten Stufe des Prozesses, weil er die Sache nicht besitzen durfte 57. Diese Haftung war aber eine persönliche, folglich verpflichtete sie nur zu einer Geldzahlung58. Die Struktur der actio in rem als gegnerlose Klage führte daher dazu, dass der unrechtmäßige Besitzer nicht zur Herausgabe gezwungen werden konnte. Lediglich mittelbarer Druck durch Zwangsmittel war möglich. Weigerte er sich trotzdem, so konnte der Eigentümer daher letztlich nur Ersatz in Geld erwirken.
(3) Actio in personam Strukturell war das Verfahren bei der legis actio sacramento in personam ganz ähnlich ausgestaltet. Auch sie stützte sich auf eine Herrschaft des Gläubigers, hier über den Gegner. Der Kläger behauptete, ihm sei durch den Gegner Unrecht geschehen, für das dieser einzustehen habe, und legte als Zeichen seiner behaupteten Herrschaft die Hand an ihn. Folge einer erfolgreichen Klage war, dass der Kläger auf den Schuldner wie auf eine Sache zugreifen konnte und der Prätor ihm diesen durch addictio in Person zur Haftung zusprach59. Der Beklagte dagegen hatte die Möglichkeit, einen vindex zu stellen, der seine Haftung bestritt und wie ein Eigentümer mittels der vindicatio gegen den Kläger die Herausgabe aus dem Herrschaftsverhältnis verlangen konnte60. 54 Käser, Privatrecht I 2 § 32 II (S. 128 mit Fn. 6); a.A. Hackl, in: FS Wesener 147 (152154) und Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 14 II (S. 93 f. mit Fn. 29). 55 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 32IV (S. 130). 56 Im einzelnen ist hier vieles umstritten; vgl. nur Zlinskzy SavZ/Rom 106 (1989) 106 (119 ff.); Hackl SavZ/Rom 106(1989) 152-171. 57 Vgl. Hackl, in: FS Wesener 147-158; zur Frage des Haftungsgrundes auch 7.G. Wolf, in: Symp. Wieacker 1986, 1 (27-32); Käser SavZ/Rom 104 (1987) 53 (81-83). 58 Hackl, in: FS Wesener 147 (156-158); vgl. auch Wenger SavZ/Rom 59 (1939) 315 (334-339, 347-355, 366-368). 59 Käser, Altrömisches ius 110 f.; Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 20 VII (S. 142).
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Insoweit entsprach das Verfahren als Streit über die Zuordnung eines Objekts ganz der actio in rem. Allerdings kam hier hinzu, dass die Zuordnung, also die Haftung, nicht bloß im Verhältnis zu Dritten bewiesen werden musste, sondern auch im Verhältnis zum Haftenden selbst. Das geschah vorher durch die actio in personam, bei der der Kläger die Verhaftung des Beklagten behauptete, jener sie leugnete. Hier trat der Beklagte also als Subjekt, als Person auf - aber nur, um seine eigene Zuordnung als Person zum Kläger zu vermeiden.
(4) Struktureller Vergleich Waren beide Klagarten also in Bezug auf das Haftungsobjekt noch fundamental unterschiedlich, so ähnelten sie einander doch in der Form der Durchsetzung des Rechts an diesem Objekt61. Das wird deutlich, wenn man die unterschiedlichen Schritte betrachtet. Der erste Schritt betraf die Behauptung einer relativen Berechtigung des Klägers am Objekt. Einziger - allerdings beträchtlicher - Unterschied in diesem Stadium war, dass der Beklagte der actio in personam sich, anders als eine Sache, gegen diese Behauptung wehren konnte und seine Verhaftung der Feststellung bedurfte 62. Der zweite Schritt betraf dann das Außenverhältnis und das Bestreiten dieser Berechtigung durch einen Dritten: bei der actio in rem eingeleitet durch die contravindicatio, bei der actio in personam durch die vindicatio des vindex. Dass so die Zuordnung von Sachen und von Personen strukturell ganz ähnlich behandelt wurde, zeigt sich noch in einem anderen Vergleich. Die beiden hochformalisierten Verfahren der mancipatio und der in iure cessio waren zwar auf Sachen beschränkt, hatten aber ihre Parallelen bei der Freilassung von Kindern und Sklaven. Bei der mancipatio ist das schon etymologisch sichtbar (Emanzipation). Sie stand zum einen auch für die Übertragung von Kindern und Sklaven zur Verfügung63; zum anderen entsprach ihr die emancipatio, die (dreimalige) Manzipation des Kindes an einen Dritten, die beim dritten Mal zu seiner Freiheit führte 64. Aber auch die in iure cessio hatte ihre Entsprechung, und zwar in der manumissio vindicta, die der Freilassung von Sklaven diente65. 60 Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 20 V 1 (S. 138); vgl. Behrends, in: Symp. Wieacker 1991, 1-59. Zur dem Doppelverkauf entsprechenden Situation, daß zwei Gläubiger gleichermaßen ein Herrschaftsrecht am Schuldner behaupten, Käser, Altrömisches ius 180 Fn. 7; gegen die dort auf Grundlage der zwölf Tafeln vertretene These einer Zerstückelung des Gläubigers Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 20 VII 1 (S. 144) m. w. N. 61 Vgl. auch Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 12 II (S. 85). 62 Vgl. auch Behrends, in: Symp. Wieacker 1991, 1 (32 f.). 63 Honseil / Mayer-Maly / Selb(-Honseil), Römisches Recht4 § 45 II 2 (S. 102 f.). « Vgl. Honsell/ Mayer-Maly / Selbf-Mayer-Maly), Römisches Recht4 § 149IV (S. 418 f.). 65 Vgl. Honsell / Mayer-Maly / Selbf-Honsell), Römisches Recht4 § 33 II 1 (S. 70); konkret zum Verhältnis zur in iure cessio J.G. Wolf, in: Symp. Wieacker 1991,61 - 9 6 (insb. 66-69).
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Allerdings fällt schon in diesem Stadium eine dieser Struktur nicht entsprechende andere Verbindung beider Klagarten zueinander auf. Der zweite Schritt der actio in rem - die Klage gegen den Besitzer - entsprach als persönliche Klage ganz dem ersten Schritt der actio in personam, und zwar sowohl strukturell, als Verhältnis zwischen zwei Personen, als auch in der Durchsetzung, nämlich in Geldersatz.
2. Wandlungen im klassischen Recht a) Kaufvertrag
und Ubereignung im klassischen Recht
(1) Der Kaufvertrag als sachzuordnender Vertrag Der Kauf der Frühzeit war Barkauf und damit Kombination von Einigung und Ausführung. Einen eigenständigen Kaufvertrag, der verpflichtende Wirkung hatte und klagbar war, brachte erst das klassische Recht in der Form der emptio venditio hervor 66; Ulpian sprach von den Hauptpflichten der Geldzahlung einerseits, der Übergabe (traditio) andererseits67. Die emptio venditio ermöglichte also die Trennung zwischen obligatorischem Kaufvertrag und dinglicher Übereignung68. Eigentümer war der Käufer also nicht, solange nicht die traditio erfolgt war 69 Trotz der obligatorischen Natur des Kaufvertrags zeigt eine Analyse der rechtlichen Stellung des Käufers, dass ihm die Sache im Innenverhältnis schon aufgrund des Kaufvertrags zugeordnet war 70 . Dogmatisch stützt sich diese Ansicht auf die (eben dargestellte) Erkenntnis, dass der Kauf ursprünglich kein Verpflichtungsgeschäft war, dass vielmehr der Konsens selbst zur Zuordnung der Sache führte 71. Ein allgemeiner Vertragsbegriff war den Römern fremd 72, und die emptio venditio wurde offenbar nicht als bloßer Sonderfall zweier stipulationes gesehen. Inhaltlich findet diese Ansicht darin ihre Stütze, dass dem Käufer nach römischem Recht sofort die Nutzungen zustanden, er aber auch das Risiko zu tragen hatte73. Damit er66 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 130 II 2 (S. 546 f.); Arangio-Ruiz, Compravendita 45 ff. 67 Dig. 19.1.11.2, 19.1.13.20 68 Pugliese, in: Vendita e trasferimento I 25 (53 f.). 69 Gordon, Studies 9. 70 Grundlegend Windscheid/Kipp; Pandekten I I 9 § 390 (S. 660); aus neuerer Zeit etwa Lawson L.Quart.Rev. 65 (1949) 352 (365); J.G. WolfTRG 45 (1977) 1 (13 f.); Weyand TRG 51 (1983) 225 (228-255); Thielmann SavZ/Rom 106 (1989) 292 (296 f.); Ernst SavZ/Rom 99 (1982) 216 (243-248); ders., in: FG Flume 1 (37-40); Zimmermann, Obligations 239 f., 291; Martin Bauer, Periculum emptoris 75 ff (vgl. auch die Bespr. durch Pennitz SavZ/Rom 117 [2000] 631-635 [634]). Zum parallelen Ansatz im modernen deutschen Recht unten S. 186, 354-360. 71 Zuletzt Ernst ZEuP 1999,583 (592) m. w. N. in Fn. 26. 72 Gordley, Philosophical Origins 30 m. w. N.
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klärt sich auch der scheinbare Widerspruch zwischen „periculum emptoris"74 einerseits, „casum sentit dominus"75 andererseits76. Wenn nämlich im Innenverhältnis die Kaufsache dem Käufer bereits gehörte, dann trug er die Gefahr sozusagen als deren Eigentümer. Daneben erklärt man mit der relativen Sachzuordnung die exceptio rei venditae et traditae, also die Einrede des Käufers und Besitzers einer res mancipi gegen die Herausgabeklage des Verkäufers, die dieser auf sein Eigentum stützte77. Schließlich wird so verständlich, warum der Käufer aus dem Kaufvertrag klagen konnte, bevor ein allgemeines Institut des Konsensualvertrags entwickelt wurde: Klagegrund war nicht der Konsens, sondern die durch diesen bewirkte Sachzuordnung78. Das obligatorische Moment wurde erst aus dieser sachzuordnenden Funktion und den daraus entstammenden Verpflichtungen der Parteien entwickelt79.
(2) Die Übereignung durch traditio Wenn also der Kaufvertrag ursprünglich sachzuordnende Funktion hatte, wirft das die Frage auf, warum das römische Recht kein Konsensprinzip entwickelte, warum es in der vertraglichen Sachzuordnung nicht eine Eigentumsübertragung sah. Der Grund dürfte darin liegen, dass Eigentum ohne Sachergreifung nicht erworben werden konnte. Die Sachzuordnung durch Kaufvertrag bestand folglich nur als vermögensmäßige, die Sachzuordnung im engeren Sinne konnte nur in der Form des Eigentumserwerbs, konkret durch mancipatio, in iure cessio oder durch traditio erfolgen. Die traditio errang allerdings gegenüber den klassischen Instituten in zweierlei Hinsicht eine größere Bedeutung. Zum einen erarbeitete die klassische Zeit einen echten Eigentumsbegriff, der auch res nec mancipi umfasste 80. Dementsprechend diente nun auch die traditio einem echten Eigentumserwerb81. Anders als mancipatio und in iure cessio war sie aber nicht eigenständiger Rechtserwerb, sondern stellte lediglich den Vollzug der Sachzuordnung dar, der durch das schuldrechtliche Grundgeschäft bereits erfolgt war 82 . Wenn daher eine heute herr73 Dig. 18.6.8 pr.; vgl. Ernst SavZ/Rom 99 (1982) 216-248; Thielmann SavZ/Rom 106 (1989) 292-326. 74 Die (Preis-) Gefahr trägt der Käufer. 75 Den Schaden spürt (und muß tragen) der Eigentümer). 76 Martin Bauer, Periculum emptoris 75 ff. 77 Ernst SavZ/Rom 99 (1982) 218 (245). Allerdings kann man darin auch unabhängig von einer sachzuordnenden Funktion eine Ausprägung der actio doli, speziell des dolo-agitGrundsatzes erblicken; vgl. Windscheid/Kipp, Pandekten I 7 § 172 (S. 885 f. Fn. 5). 78 Ernst ZEuP 1999, 583 (594). 79 Vgl. Ernst ZEuP 1999, 583 (594 f.). so Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 97 I 1 (S. 400 f.). si Gai. Inst. 2.19, 20; vgl. Archi, Trasferimento della proprietà 109-112. 82 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 100IV 2 (S. 417).
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2. Kap.: Geschichte
sehende Meinung den Erwerb durch traditio als nicht abstrakt bezeichnet83, so stellt das im Grunde die Verhältnisse auf den Kopf. Der Kaufvertrag war nicht Voraussetzung dafür, dass die traditio das Recht übertrug. Umgekehrt ordnete der Kaufvertrag selbst die Sache dem Käufer zu, und die traditio brachte diese Sachzuordnung nur zur Wirkung. Zwischen mancipatio und in iure cessio auf der einen und traditio auf der anderen Seite bestand also noch immer ein fundamentaler Unterschied: Nur die erstgenannten förmlichen Verfahren waren überhaupt zur eigenständigen Eigentumsübertragung geeignet. Eine zusätzliche rechtliche Bedeutung erlangte die traditio für die Übertragung von res mancipi. Als das klassische römische Recht eine moderne Form des Eigentums hervorbrachte, das den Namen dominium oder proprietas erhielt 84 und vom Besitz unabhängig war, weichte dieser moderne Begriff zugleich die Bedeutung der mancipatio auf: Wem eine res mancipi tradiert worden war, der hatte zwar nicht „quiritisches" als echtes bürgerlich-rechtliches Eigentum erworben, wohl aber eine Position, die ihn vor dem Herausgabeverlangen des Eigentümers schützte85 und die Ersitzung ermöglichte, das bonitarische Eigentum86.
(3) Die Unvollständigkeit der kaufvertraglichen Zuordnung im Außenverhältnis Die Sachzuordnung durch Kaufvertrag war also notwendig unvollständig. Im Lichte dieses Ergebnisses ist es konsequent, wenn das römische Recht dem Käufer nur einen unvollständigen Schutz gegen Dritte zugestand. Durchaus bejaht wurde die Haftung eines Dritten, der die Vertragserfüllung arglistig verhinderte 87. Ausdrücklich findet sich diese Haftung in den Digesten für den Fall, dass ein Dritter arglistig den vom Schuldner dem Gläubiger geschuldeten Sklaven tötet, so dass der Schuldner von seiner Leistungspflicht befreit wird. Hier haftete der Dritte dem Gläubiger mit der actio de dolo88. Das gleiche galt für den 83 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 35 II 1 (S. 139), § 100 IV 1 (S. 416); Zimmermann, Obligations 239 f. Die immer noch heftig umstrittene Frage, ob für die Wirksamkeit des Eigentumserwerbs durch traditio eine iusta causa erforderlich war, also ein wirksamer Schuldgrund, oder ob eine causa putativa ausreichte (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 100 IV 1 [S. 416] Fn. 27; sowie Evans-Jones/Maccormack, in: FS Nicholas 9 9 - 109; Gordon, ebenda 123-135; zuletzt Behrends, in: Tradere ed altri studii 27-78), kann hier offenbleiben, denn zumindest eine causa putativa war wohl immer nötig, um der traditio ihre Bedeutung zu geben. 84 Zum Unterschied zuletzt Chazal/ Vicente Rev.trim.dr.civ. 2000, 477 (487 ff.). 85 Und zwar mit der exceptio rei venditae et traditae oder doli, die insofern dem modernen dolo-petit-Einwand entspricht: Dig. 6.1.72, 21.3.2,44.4.4. 32; vgl. auch oben bei Fn. 77. 86 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 97 III (S. 403 f.), § 104 II (S. 439). 87 Vgl. O.Chr. Fischer, Verleitung 10ff. 88 Dig. 4.3.18.5.
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Bürgen, der die Erfüllung der Hauptschuld unmöglich machte89. Er konnte nicht mehr aus Bürgschaft haften, weil die Hauptschuld weggefallen war, wohl aber haftete er aus Arglist. Dagegen trat eine Haftung des Zweitkäufers im Doppelverkauf nicht ein. Hier war irrelevant, wer als erster den Kaufvertrag geschlossen hatte. Bei res mancipi nutzte selbst die erfolgte traditio dem Käufer nur bedingt (durch die exceptio rei venditae et traditae) - der Verkäufer war theoretisch noch in der Lage, die Sache einem anderen zu manzipieren und ihn dadurch, selbst wenn er bösgläubig war, zum Eigentümer zu machen90. Unter dem Traditionsprinzip war entscheidend die Priorität des Besitzerwerbs 91. Der Verkäufer konnte also eine bereits verkaufte, noch nicht übergebene Sache noch einmal verkaufen 92, der Erwerber hatte die Sache, selbst wenn er vom ersten Verkauf gewusst hatte, nicht dem Erstkäufer herauszugeben93. Das bedeutete eine strenge Handhabung sowohl des Relativitätsprinzips als auch des Traditionsprinzips. Vor der Übergabe bestanden rechtliche Beziehungen des Käufers nur zum Verkäufer; Dritten gegenüber gehörte die Sache noch dem Verkäufer. Der Schutz des Erstkäufers beschränkte sich auf Sanktionen gegen den Verkäufer - diesem drohte zum einen eine Verurteilung auf doppelten Schadensersatz, zum anderen eine Strafe 94. Aber der eigentliche Grund für diese Regelung ist nach dem Gesagten wohl nicht bloß das Relativitätsprinzip und auch nur mittelbar das Traditionsprinzip, sondern mindestens ebenso das Personalitätsprinzip der Obligation. Weil der Kaufvertrag nicht das Eigentum übertrug, hatte der Käufer keine actio in rem. Folglich war eine rechtlich relevante absolute Zuordnungsbeziehung zwischen dem Käufer und der Kaufsache, die über eine vermögensmäßige (Wert-)Zuordnung hinausging, noch nicht entstanden. Damit verschwindet auch der scheinbare Unterschied gegenüber der Haftung des Dritten, der den Leistungsgegenstand zerstört. Denn dieser Fall betraf die vermögensmäßige Sachzuordnung durch den Kaufvertrag und begründete eine Haftung des Dritten wegen des Ausfalls des Schuldners. Für den Doppelverkauf war eine Haftung des Zweitkäufers daher im argumentum e contrario zu verneinen der Verkäufer konnte noch (in Geld) haften; der Zweitkäufer hatte keine Zuord89 Dig. 4.3.19. 90 Pugliese, in: Vendita e trasferimento I 25 (44 f.). 91 C.3.32.15 pr.; vgl. v. Brünneck, Ursprung 89; Pringsheim SavZ/Rom 50 (1930) 333 (422); Wesener, in: FS Niederländer 195 (204); Zwalve, Hoofdstukken 182 f; Sella-Geusen, Doppelverkauf 32-35. Eine Ausnahme bestand für Kirchen; diesen stand nach C. 1.2.23 schon vor der traditio die vindicatio gegen Dritte zu. Anders lag es auch bei der Dienstmiete: Dig. 19.2.26; vgl. Mulligan SALJ 65 (1948) 564 (568); die Stelle wurde bisweilen analog auf den Doppelverkauf angewandt; so von Johannes ab Imola (vgl. Sella-Geusen, Doppelverkauf 134 f.). 92 Ungenau Zimmermann, Obligations 291: „the vendor can't [resell the thing] (unless he is prepared to commit a breach of contract)" - er kann also doch verkaufen, er darf nur nicht. 93 Ziebarth, Realexecution und Obligation 199; Zimmermann, Obligations 272. 94 Dig.48.10.21; vgl. Sella-Geusen, Doppelverkauf 43-45 m. w. N..
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nung zerstört. Eine ähnliche Unterscheidung findet sich für die actio furti, die Diebstahlsklage: Sie wurde nicht nur dem Eigentümer gegeben, sondern auch dem obligatorisch berechtigten Besitzer, nicht aber dem obligatorisch berechtigten Käufer 95 .
b) Die Durchsetzung von Rechten im Prozeß (1) Formularverfahren und omnis condemnatio pecuniaria Auch das klassische Recht trennte strikt zwischen actio in rem und actio in personam, brachte jedoch mit dem Formularverfahren insoweit eine Änderung und damit eine Aufweichung des Unterschieds beider Klagearten. Die actio in personam beruhte hier gleichfalls auf der Behauptung einer Haftung des Beklagten. Die actio in rem dagegen konnte jetzt auf zwei Weisen erhoben werden: Neben die actio in rem per sponsionem, die noch bloße Feststellungsklage war, trat die formula petitoria, bei der die Frage der Eigentumsberechtigung bloße Vorfrage zur persönlichen Gebundenheit des Beklagten war 96 Eine echte persönliche Verpflichtung war damit zwar wohl nicht verbunden, die actio in rem enthielt nicht gleichzeitig eine actio in personam97. Trotzdem ergab sich hier die Haftung des Beklagten unmittelbar aus der siegreichen Klage; ein Schritt über dessen isolierte Behauptung eigenen Eigentums war nicht mehr erforderlich. Hiermit hatte aber die actio in rem ihren rein sachzuordnenden Charakter teilweise verloren. Auch im Legisaktionsverfahren war sie zwar faktisch nur die Einleitung eines Streits zwischen zwei Personen gewesen, aber strukturell bezog sie sich noch nicht auf eine Person. Das war nun mit der petitorischen actio in rem anders. Sie verband die Behauptung eines Zugriffsrechts an der Sache mit der Behauptung einer rechtlichen Verbindung zu einer Person, verband also in gewisser Weise mit ihrer Eigenschaft als actio in rem auch Charakteristika der actio in personam (obwohl sie prozessual als reine actio in rem behandelt wurde). Diese Personalisierung der actio in rem spiegelte sich auch in der Durchsetzung von Klagen wieder. Die actio in personam, die auf einer obligatio beruhte, war nun nicht mehr auf die persönliche Haftung des Schuldners gerichtet, sondern auf eine Geldhaftung. Das lag an der Herkunft des Obligationsbegriffs. Zwar erkannte man in klassischer Zeit ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien, kraft dessen die eine der anderen die versprochene Leistung schulde; als Regelfall wurde nicht mehr die Nichterfüllung eines Versprechens angesehen, sondern die Erfüllung, die Leistung des Versprochenen. Im Ernstfall der Erfüllungsverweigerung verlor dieser Aspekt aber an Bedeutung, und die Frage nach der Haftung trat in den Vorder95 Dig. 17.2.81 (80) pr. 96 Vgl. Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 47 III (S. 333). 97 Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 47 III 2 (S. 333 Fn. 42).
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grund. Hier war nun die Haftung auf das Versprochene aus historischen Gründen offenbar nicht einmal eine theoretisch erwogene Möglichkeit. Haftung war weiterhin bloß denkbar entweder als persönliche oder als Vermögenshaftung. Nachdem die persönliche Haftung an Bedeutung verloren hatte, bedeutete das, dass die Geldzahlung des Schuldners, die ursprünglich Ablösung eben dieser Haftung gewesen war, jetzt zur allein möglichen Haftung wurde. Der Grundsatz der Geldhaftung war die natürliche Folge eines Verständnisses der actio als einer Klage auf Haftung wegen Nichterfüllung, anstatt einer Klage auf Leistung98. Dieser Grundsatz - omnis condemnatio pecuniaria99 - ging aber über die obligatio hinaus. Vielmehr haftete auch bei der actio in rem der Gegner auf Geldersatz; eine Sachherausgabe konnte unmittelbar nicht vollstreckt werden. Der Besitzer, der sich durch Geldzahlung von der Haftung befreite, wurde einem rechtmäßigen Käufer gleichgestellt und erwarb daher Eigentum100. Das Zugriffsrecht auf die Sache, das durch die actio in rem durchgesetzt werden sollte, war also in diesem Sinne noch nicht ein Recht gegenüber einer anderen Person. Aber ein erster Schritt der Angleichung an die actio in personam war bereits getan. Das Fehlen einer Sachkondemnation bei der actio in rem hat die Rechtswissenschaft seit jeher verwundert 101. Es ist aber die natürliche Folge eines Verständnisses der actio in rem, die ausschließlich die Zuordnung einer Sache zu einer Person regelt, unabhängig vom Verhältnis zu Dritten. Dieses konnte nur als persönliches Verhältnis verstanden und folglich nur wie eine actio in personam durchgesetzt werden.
(2) Kognitionsverfahren Weitere Neuerungen brachte das Kognitionsverfahren, das das Formularverfahren ergänzte und in dem der urteilende Princeps kraft seiner staatlichen Stellung in der Verfahrensleitung wie auch in seinen Entscheidungen freier war und rechtsschöpfend tätig sein konnte. Ursprünglich ergänzte es das Formularverfahren, später trat es an dessen Stelle. Wichtig war das Kognitionsverfahren deshalb, weil der 98 Käser, Römisches Privatrecht (Studienbuch)15 § 35 I 2 (S. 165). Diese Deutung ist nicht unumstritten. Nach a.A. sah das römische Recht ursprünglich die Verurteilung zur Sachleistung vor; erst die Inflation des 3. Jahrhunderts machte Geldschadensersatz erforderlich: Visky R.I.D.A. 19(1972) 469-494. 99 Gai. Inst. 4.48; vgl. dazu insb. Wenger SavZ/rom 59 (1939) 315 (316-369); v. Lübtow SavZ/Rom 68 (1951) 320-359; Dawson Mich.L.Rev. 57 (1959) 495 (496-502); Düll SavZ/Rom 96 (1979) 290-302; Blank SavZ/rom 99 (1982) 303-316; umfangreiche weitere Literatur bei Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 54IV 1 (S. 372 Fn. 20); 100 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 103 I 6 (S. 437); Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeßrecht2 § 55 II 2 (S. 377), dort S. 378 Fn. 23 auch Nachweise zur Frage, ob der Besitzer so quiritisches oder nur bonitarisches Eigentum erwarb. ιοί Vgl. nur Käser/Hackl,
Römisches Zivilprozeßrecht2 § 54IV 1 (S. 373) m. w. N.
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Princeps kraft seiner Stellung an das Prinzip der condemnatio pecuniaria nicht gebunden war und weil daher (wahrscheinlich) auch Urteile auf Sachleistungen möglich waren 102 . Vollstreckt wurden Urteile entweder im ordentlichen Verfahren (was nur bei Geldleistungen möglich war) oder im Kognitionsverfahren. Hier konnte nun der sogenannte executor dem Beklagten eine Sache wegnehmen und sie dem Kläger übergeben103. Das galt sicher bei der Vindikation, ebenso bei der Restitution 104 . Ob auch bei der obligatio dandi die Realexekution zulässig war, ist nicht mit Sicherheit zu ermitteln; jedenfalls galt es nicht für die actio empti 105 .
(3) Strukturvergleich zwischen actio in rem und in personam Der klassische Unterschied zwischen absolut-dinglichen und relativ-persönlichen Rechten oder Klagen war also schon im klassischen Recht aufgeweicht worden. Dabei erfolgte die Annäherung der Klagearten von beiden Seiten. Der erste Schritt war getan, als die actio in rem insofern nicht mehr konsequent eine Sachzuordnung durchsetzte, als sie einerseits direkt gegen den Beklagten gerichtet werden konnte, andererseits aber auch nur noch in Geldersatz vollstreckt werden konnte. Zum anderen näherte sich die obligatio in personam ihrerseits der actio in rem an, sobald sie zum Zugriff auf die geschuldete Sache berechtigte, also nicht mehr bloß die Vermögenshaftung des Schuldners zum Ziel hatte. Damit war der klassische Unterschied zwischen actio in rem und actio in personam schon zum Großteil überlagert. Soweit das Recht die Herausgabe erzwang, war es gleichgültig, ob der Kläger diese Herausgabe mittels actio in rem oder actio in personam erwirken wollte; im Ergebnis spielte es keine Rolle, ob er materiellrechtlich Eigentümer oder bloß Gläubiger war.
3. Das nachklassische Vulgarrecht a) Eigentumserwerb
durch Kaufvertrag
Im nachklassischen Vulgarrecht kamen mancipatio und in iure cessio außer Gebrauch, weil sie sich als zu umständlich für den Rechtsverkehr erwiesen 106. Möglicherweise wurde die formale mancipatio durch eine geschriebene mancipatio er102 Zimmermann, Obligations 772; Repgen, Vertragstreue 46; Scholtz, Naturalexekution 30-32; Nehlsen-von Stryk AcP 193 (1993) 529 (538); Käser/Hackl, Römisches Zivilprozeß2 recht § 741 1 (S. 495 f.). 103 Käser, Römisches Privatrecht (Studienbuch)15 § 78 I 10 (S. 386). 104 Ulp. Dig. 68.6.1.
ι 0 5 Η. E W. D. Fischer, Geschiedenis 29-33 m. w. N. Zur obligatio dandi noch unten S. 84-87. 106 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 100 II, III (S. 414 f.) und I I 2 § 242 I 1 (S. 274); Archi, Trasferimento della proprietà 163 ff.
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setzt oder fingiert - ein frühes Vorbild der späteren traditio ficta. Aber auch die traditio verlor zwischenzeitlich ihre Bedeutung. Der Kauf wurde wieder als beiderseits sofort vollzogenes Handgeschäft behandelt, das Eigentum ging sofort über 107 . Der Publizität wurde jedenfalls bei Grundstücken durch erhöhte Formerfordernisse beim Kaufvertrag genügt108, die traditio wurde daneben entbehrlich109, es galt also ein Konsensprinzip. Folge war, dass der Käufer den Verkäufer nun auf Übergabe der Sache selbst verklagen und diese durchsetzen konnte - er war ja durch den Kaufvertrag bereits Eigentümer 110. Ebenso dürfte sich er auch beim Doppelverkauf als Eigentümer gegen einen späteren Erwerber durchgesetzt haben, da auch das nachklassische Vulgarrecht einen Erwerb vom Nichtberechtigten ablehnte111. Der Kaufvertrag hatte also eine volle sachenrechtliche Funktion; modern gesprochen galt ein Konsens- und Einheitsprinzip. b) Schuld- und Sachenrecht Diesem Konsensprinzip entsprach es, dass Schuld- und Sachenrecht nicht mehr strikt getrennt waren, sondern beide sich einheitlich auf die Zuordnung von Sachen bezogen. Das wurde im Vertragsrecht dadurch möglich, dass das nachklassische Recht weder den Typenzwang noch den Formzwang für Verträge übernahm und so den Vertragsparteien eine größere Flexibilität ermöglichte. Gleichzeitig wurde die Trennung zwischen Besitz und Eigentum zurückgenommen; beide Begriffe wurden nun synonym verwandt und benannten eine Berechtigung an der Sache112. Aber der Schritt war weitgehend begrifflich, denn man trennte nun zwischen possessio iure (etwa dem Eigentum entsprechend) und possessio corpore 113. Insgesamt wandte sich das Vulgarrecht also vom Formalismus des klassischen Rechts ab, hin zu einer pragmatischen Handhabung. Seine Ergebnisse ließen sich in die klassische Dogmatik nicht mehr einordnen.
c) Die Durchsetzung von Rechtspositionen Die Aufweichung der Trennung zwischen Schuld- und Sachenrecht hatte Folgen für die Durchsetzung der obligatio. Der ursprüngliche Grundsatz, dass aus Verträ107 Levy, Property 127 f.; Arangio-Ruiz, Compravendita 93-95; monographisch Gallo, Emptione dominium transfertur. los Levy, Property 128-131; Käser, Römisches Privatrecht II 2 § 242 I 2, III 1 b (S. 278); vgl. auch Wacke, Besitzkonstitut 16 f. 109 Levy, Property 134-136; Käser, Römisches Privatrecht I I 2 § 242 III 1 d (S. 280); vgl. aber auch Gordon, Studies 63-67. no Levy, Property 134, 230; ders., Obligationenrecht 208 f. in Levy, Property 173-176; Käser, Römisches Privatrecht I I 2 § 242 II (S. 276). 112 Levy, Property 19-26, 32-34. 113 Levy, Property 26-34.
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gen nur auf Geld geklagt werden konnte, war schon dadurch abgeschwächt, dass mittels Vertrags nun auch die Übereignung erfolgte und der Käufer aufgrund des Vertrags die actio in rem geltend machen konnte. Aber auch unabhängig davon ließ das Recht jetzt in weitem Maße die Naturalexekution zu und machte sie zur Regel 114 . Die damit verbundene Annäherung der Vertragsklage an die actio in rem hatte schon das klassische Recht vorbereitet. Das Vulgarrecht zog die Konsequenz mit einem veränderten Begriff der vindicatio, die nun nicht mehr auf die Durchsetzung des Eigentums gerichtet war, sondern auch geschuldete Sachen erwirken konnte115. Der klassische Begriff der actio hatte seine Bedeutung verloren 116. Actio in rem und actio in personam wurden nun gänzlich anders unterschieden: actio in personam war jetzt jede Klage auf eine Geldsumme, actio in rem jede Klage auf eine andere Leistung117. Wo dingliche und persönliche Klage zusammenfielen, nahm man nur eine Klage an 1 1 8 . Die Trennung erfolgte also nicht nach dem Klaggrund (modern: dingliches oder persönliches Recht), sondern nach dem Klagziel: Geld (als Nachfolge der persönlichen Haftung) oder eine Sache. Der nun weiter gefassten actio in rem entsprach also in jedem Fall ein (allerdings relatives) Herrschaftsrecht über die Sache, gleich, ob diese dem Kläger bereits gehörte oder bloß geschuldet war.
d) Ius ad rem im Erbrecht? Die Vermischung von Schuld- und Sachenrecht hatte Folgen. Vor allem zu Anfang dieses Jahrhunderts entspann sich eine recht intensive Diskussion um die Frage, ob das römische Recht ein ius ad rem kannte - allerdings nicht im Kaufrecht, sondern im Recht der Fideikommisse. Grundsätzlich hatte der Fideikommissar nach moderner Diktion - nur ein relativ-persönliches Recht gegen den Erben auf Herausgabe der ihm vermachten Sachen; Eigentümer oder Erbe war der Bedachte nicht 119 . Gemäß einer Paulusstelle120 konnte er aber, wenn der Erbe die vermachte Sache an einen Dritten verkauft hatte, der vom Fideikommiss wusste, von diesem 114
Levy, Obligationenrecht 127 f.; Käser, Römisches Privatrecht II 2 § 257 II. 1 (S. 343). us Levy, Property 218 f.; Käser, Römisches Privatrecht II 2 § 245 I (S. 292). 116 Levy, Property 202-210; Käser, Römisches Privatrecht II 2 § 199 I 2 (S. 66 f.). il? Levy, Property 219-221; Käser, Römisches Privatrecht II 2 § 199 I 2 (S. 66 f.). us Levy, Property 228-231. 119 Vgl., auch zum ius commune, Apathy, in: GS Hofmeister 15 (17-20). 120 Paul. Sent. 4.1.15; umfassend dazu Impallomeni, Bull. 70 (1967) 1-104; vgl. auch Levy, Property 215 ff., 224 f. Textkritik von Beseler SavZ/Rom 50 (1930) 18 (66-71), der meint (a. a. O. 69): „Ein fideikommißrechtlicher Anspruch gegen den bonorum emptor auf volle Sachleistung statt auf Wertquote ist unbegreifbar", und nachklassische Interpolationen und Veränderungen der Originalstelle verantwortlich macht. Auf diese speziell romanistische Kritik kann hier nicht eingegangen werden.
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Dritten gleichermaßen die vermachte Sache (durch die sogenannte missio in rem) herausverlangen. Geschützt war der Dritterwerber dagegen dann, wenn er in gutem Glauben erworben hatte 121 . Das ist deshalb eine Besonderheit, weil das römische Recht den guten Glauben noch weniger schützte als das heutige: gutgläubiger Erwerb dinglicher Rechte vom Nichtberechtigten war unbekannt; das Interesse des Erwerbers an der Sache selbst wurde nur durch kurze Ersitzungszeiten geschützt. Wenn also hier ein gutgläubiger Erwerb doch für möglich erachtet wurde, so zeigt sich darin noch einmal deutlich, dass die Drittwirkung der Berechtigung des Bedachten nicht aus einem eigentlichen dinglichen Recht oder gar einem vorweggenommenen Eigentum erwuchs. Mitteis 122 folgerte hieraus, das römische Recht habe ein ius ad rem gekannt. Während er durchaus Nachfolger in seiner Ansicht fand 123 , wandte sich ein Großteil der Autoren gegen seine Deutung124. Man verwies darauf, die Trennung in dingliche und persönliche Rechte sei ein Grundpfeiler des römischen Rechts gewesen und lasse allein schon kein ius ad rem zu 1 2 5 . Das Fideikommiss mit seinen Spezialregeln sei ein Sonderfall 126 und erlaube keinen allgemeinen Schluss auf das System des römischen Rechts127. Die Paulussentenz entspringe entweder selbst einem Missverständnis des Verfassers 128 oder sei ihrerseits so zu übersetzen, dass sie keine Drittwirkung ausspreche129. Weitgehend lässt sich dieser Streit darauf zurückführen, dass die Gegner mit unpassenden Begriffen argumentieren. Stillschweigendes Übereinkommen scheint darüber zu bestehen, das römische Recht sei von einem System subjektiver Rechte ausgegangen, was wie gesehen zweifelhaft ist. Ohne subjektive Rechte hätte aber auch die Rede von einem ius ad rem für die Römer keinen Sinn ergeben. Dass man trotzdem versucht, ein solches nachzuweisen oder zu widerlegen, lässt sich mit einem Verständnis des römischen Rechts begreifen, das noch aus dem 19. Jahrhun121 Voci, in: Enc.dir. XVII 103 (109). 122 Mitteis, Römisches Privatrecht I 88. 123 Honsell / Mayer-Maly / Selbf-Honsell), Römisches Privatrecht4 § 184 I (S. 499 Fn. 6); Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 189 III 1 (S. 759 Fn. 28); nur referierend Meffert, Recht auf die Sache 1 f. 124 Klingmüller SavZ/Rom 44 (1924) 211-223; Levy, Property 232; Beseler SavZ/Rom 50(1930) 18(66). 125 Klingmüller SavZ/Rom 44 (1924) 211. 126 So auch Honsell / Mayer-Maly / Selbf-Honsell), Römisches Privatrecht4 § 184 I (S. 499 Fn. 6). 127 Klingmüller SavZ/Rom 44 (1924) 211 (219-223); Levy, Property 232. 128 Levy, Property 232; Beseler SavZ/Rom 50 (1930) 18 (66): „Die rätselhafte missio in rem perfideicommissum relictam ist ein apokryphes Geschöpf der Gedankenlosigkeit, Unwissenheit oder Willkür des Verfassers der 'Pauli sententiae4". 129 Nach Niebecker, Ius ad rem 28-41, wird die Paulusstelle in der Wissenschaft falsch übersetzt und bezeichnet in Wirklichkeit den Fall, daß der Erbe die verkaufte Sache zurückgekauft habe und nun (natürlich) dem Bedachten herausgeben müsse; auch andere Stellen trügen die herrschende Deutung nicht.
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dert herrührt: der Erklärung des römischen Rechts durch erst später entwickelte Begriffe wie dingliches und persönliches Recht. Löst man sich von solchen Ansätzen, so verliert die Auseinandersetzung viel von ihrer Dramatik. Im Gesamtfeld des späten römischen Rechts, in dem sie relevant wurde, stellt die Regelung nämlich keine große Besonderheit dar. Denn von der Anerkennung der actio in rem auch für relative Rechte war der Schritt zu einer Drittwirkung, der im Recht der Fideikommisse gemacht wurde, sehr viel leichter zu gehen, als von einer puren actio in personam. Dieser Weg wurde für das Fideikommiss offenbar mit der missio in rem gegangen. So ist auch verständlich, dass Iustinian, indem er der actio in rem ihre ursprüngliche Form zurückgab130, für die missio in rem keine Verwendung mehr fand. Er schaffte diese spezielle missio in rem als „tenebrosissimus error" 131 ab und stellte das Fideikommiss dem dinglich wirkenden Vindikationslegat gleich 132 . Dogmatisch lässt sich diese Besonderheit aus der Eigentümlichkeit des Fideikommissrechts erklären. Das Fideikommiss war, worauf schon der Name hindeutet, eine Art Treuhand 133 und beruhte ursprünglich auf dem guten Willen des Erben. Erst Augustus machte es überhaupt bindend134, nahm ihm aber nicht seinen schuldrechtlichen Charakter 135. Vielleicht war es gerade dieser ursprüngliche Treuhandcharakter, der eine pragmatische, wenn auch undogmatische Lösung möglich machte, die sich auch gegen Dritte richten konnte. Der Bedachte war, gerade wegen seiner rechtlich schwachen Position, besonders schutzbedürftig, und zwar auch gegenüber Dritten 136 . Erst als das Fideikommiss von Iustinian dem Damnationslegat gleichgestellt wurde und die Position des Bedachten so von einer aequitasPosition zu einer rechtlich gesicherten wurde, fand dieser Schutz auch seine dogmatische Rechtfertigung in einer dinglichen Berechtigung. Inhaltlich fällt auf, dass die Berechtigung an der Sache sich in der gleichen Form wie beim ius ad rem gegen den Dritterwerber fortsetzte. Die Herausgabepflicht des Dritterwerbers entspricht derjenigen des Erben, der auf die Klage des Bedachten hin sich nicht durch Geldzahlung freikaufen konnte, sondern die Sache selbst herausgeben musste137. An einem anderen Fall wird das noch deutlicher 138: Der Erbe, der verpflichtet war, alternativ eine Sache oder „hundert" herauszugeben, ver130 Dazu sogleich S. 84 f. 131 Nov. 39praef. 132 C.6.42.32; vgl. Inst. 2.23.12. In Westrom lebte die missio in rem dagegen fort: Impallomeni Bull. 70 (1967) 1 (8 ff.); Käser, Römisches Privatrecht I I 2 § 298 IV 1 (S. 560). 133 Vgl. Klingmüller SavZ/Rom 44 (1924) 211 (220 f.). 134 Inst. 2,23,1. Watson SavZ/Rom 79 (1962) 329-334, meint, erst diese Bindung habe dem Fideikommiss überhaupt zu Bedeutung verholfen. 135 Pauli Sent 4.1.18. 136 Vgl. Klingmüller SavZ/Rom 44 (1924) 211 (222 f.). 137 Dig. 34.2.35.1; Voci, in: Enc.dir. XVII 103 (108).
138 Dig. 30.109.1.1.
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kaufte die Sache an einen Dritten. Wenn dieser nun dem Bedachten hundert herausgebe, so sei dieser befriedigt und könne keinen Anspruch auf die Sache geltend machen. Es handelte sich also offenbar um eine Form der Verpflichtung, die genau so, wie sie den Erben traf, auf den Dritten überging. Zum Streit lässt sich abschließend zweierlei sagen. Einerseits entsprach diese Interessenwertung der des ius ad rem. Die Zuordnung im Innenverhältnis übertrug sich dann auf den Dritterwerber, wenn dieser bösgläubig war. So lässt sich auf der Interessenebene kaum leugnen, dass das römische Recht das ius ad rem gekannt habe. Andererseits ist die Bezeichnung dieser Position als ius ad rem irreführend, weil sie dem Verständnis des römischen Rechts nicht gerecht würde. Der Ausgleich der Interessen wurde durch Gewährung von actiones erreicht, nicht durch Zusprechen subjektiver Rechte wie des ius ad rem. Die Existenz des ius ad rem als Rechtsfigur lässt sich so nicht nachweisen.
4. Iustinianisches Recht a) Eigentumserwerb
durch traditio
(1) Der Bedeutungswandel der traditio Iustinian trennte einerseits die Übereignung (wieder) vom Kaufvertrag, ließ also den Eigentumsübergang durch Kaufvertrag nicht mehr zu 1 3 9 . Andererseits übernahm er aber nicht die überkommenen Übereignungsformen früherer Zeiten 140 , sondern wies deren Aufgabe der traditio zu: Im Corpus Iuris sind in sämtlichen alten Quellen die Begriffe mancipatio und in iure cessio durch traditio ersetzt 141. Die insoweit „formlose" Eigentumsübertragung durch Übergabe wurde folglich jetzt auch für res mancipi zugelassen: „traditionibus et usucapionibus dominia rerum non nudis pactis transferuntur" 142. Die traditio selbst blieb von diesem Bedeutungszuwachs nicht unbeeinflusst: Da sie nun den Erwerb echten Eigentums an allen Sachen ermöglichte, wandelte sich ihr Charakter endgültig weg von einem rein tatsächlichen Vorgang hin zu einer Mischung zwischen tatsächlichem Vorgang und rechtlichem Geschäft 143. Dass man sich noch nicht ganz vom früheren Denken gelöst hatte, zeigt sich darin, dass die139 Käser, Römisches Privatrecht I I 2 § 242 IV 1 (S. 282). 140 Vgl. Sturm, in: FS E. Kaufmann 347-356. 141 C. 7.31.1.5. 142 C. 2.3.20: „Durch Übergabe und Ergreifung, nicht durch bloßen Vertrag, wird Eigentum an Sachen übertragen." Gegen die These von Riccobono, traditio sei in der Realität nicht gefordert worden, Gordon Studies 87-95. 143 Dieser Bedeutungswandel der traditio erlaubt es, erst hier Entwicklungen zu behandeln, die ihren Ursprung schon im klassischen römischen Recht hatten. 6 Michaels
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2. Kap.: Geschichte
ser Vollzug weiterhin im Ergreifen, nicht im Übergeben lag. Auch ein geduldetes Ergreifen durch den Käufer reichte aus 144 , dagegen wohl nicht bloß eine geduldete Entäußerung des Verkäufers. Eine konsensuale Übereignung wurde abgelehnt. Im Zentrum stand aber trotzdem noch die Übergabe, kein feierlicher Akt mehr, aber immerhin grundsätzlich doch eine äußerliche Handlung, nicht bloß eine Publizierung des Eigentumsübergangs, sondern der reale Vollzug des Eigentumswechsels selbst145. (2) Auflockerungen des Traditionsprinzips Mancipatio und in iure cessio gehörten einem frühen, auf formalisierten Vorgängen beruhenden Rechtsdenken an. Die traditio als bloße Übergabe war einerseits weit weniger formal, andererseits konnte sie sich schwierig oder unmöglich gestalten (etwa bei Grundstücken), sie konnte unpraktisch sein. Das Traditionsprinzip als Übergabeprinzip erfuhr daher Auflockerungen. So entwickelte das römische Recht schon früh für Fälle, in denen die Übergabe schwer fiel, die symbolische traditio 1 4 6 , die dadurch erfolgen konnte, dass die Sache im Haus des Erwerbers gelassen wurde 147 , durch einen Wächter des Erwerbers bewacht wurde 148 , oder durch Übergabe der Schlüssel149. Eine weitere Vereinfachung war die traditio longa manu 1 5 0 . Dabei reichte zum Eigentumsübergang die Besitzentäußerung des Veräußerers, eine tatsächliche Besitzergreifung durch den Erwerber war nicht erforderlich. Auch dies war keine Ausnahme zum Traditionsprinzip: das (notwendige) Erblicken der Sache wurde als Ersatz für die Ergreifung angesehen, weil das sehende Auge ein Organ sei wie die ergreifende Hand 151 . Der Erwerber musste also jedenfalls anwesend sein (worauf später auch die Glossatoren großen Wert legten)152. Um eine echt konsensuale Übereignung handelte es sich also auch hierbei nicht 153 . Eine noch weitere Annäherung an eine konsensuale Übereignung stellte die traditio brevi manu dar. Sie beschreibt den Fall, in dem der zukünftige Erwerber bereits die Sache besitzt. Hier reichte zur Eigentumsübertragung die bloße Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber über den Eigentumsübergang, ein Hin- und Hergeben der Sache wird nicht gefordert 154. Das scheint eine Ausnahme zum Grundsatz 144 Hägerström SavZ/Rom 63 (1943) 268 (274 f.); Käser SavZ/Rom 74 (1957) 433 (439). 145 Ähnlich Süß, in: FS Wolff 141 (143). 146 Fälle bei Biermann, Traditio ficta 11-17. Der Begriff selbst wurde erst später geprägt. 147 148 149 150
Dig. 41.2.18.2. Dig. 41.2.51. Dig. 18.1.74. Ausgangspunkt ist Dig. 46.3.79.
151 Gordon, Studies 49 f. 152 Biermann, Traditio ficta 90-94; Gordon, Studies 128-134. 153 Gordon, Studies 138. 154 Vgl. Gordon, Studies 36-43, 78.
Α. Die Grundlagen des ius ad rem
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zu sein, dass bloße Einigung nicht genügt155 und damit ein Anwendungsfall des Konsensprinzips156. Wahrscheinlich erklärt sich der Verzicht auf die Übergabe aber auch dadurch, dass der besitzende Erwerber die Sache ja bereits ergriffen haben muss, der tatsächlich nötige Teil der traditio also bereits erfolgt ist; in diesem Sinne wäre die traditio brevi manu kein reines Konsensgeschäft. Wegen ihrer Seltenheit stellte sie aber keine große Herausforderung an das System157.
(3) Die Überwindung des Traditionsprinzips aus sich selbst: Übereignung mittels Besitzkonstituts Bei allen bisher behandelten Formen wurde das Traditionserfordernis nur gelockert, nicht aufgegeben. Anders lag es bei der Übereignung mittels Besitzkonstituts 158 . Entwickelt wurde sie wahrscheinlich159 durch Celsus160. Es handelte sich um eine Konstruktion, die zeigt, dass einerseits im Handel ein Bedürfnis nach formloser, konsensualer Übereignung bestand, dieses Bedürfnis aber nach römisch-rechtlicher Dogmatik andererseits nicht pragmatisch durch Ersetzung des lästigen Prinzips erfolgen konnte, sondern eine komplizierte Konstruktion erforderte. Aus heutiger Sicht handelte es sich schlicht um einen Fall der Umgehung des Traditionsprinzip 161. Das wird klar, wenn man sich die argumentativ erforderlichen Schritte vergegenwärtigt. Vorab war es nötig, den Besitzbegriff so zu fassen, dass auch der Besitz für einen anderen möglich war. Das bedeutete einen gewaltigen Sprung im Konzept des Besitzes, weg von einem tatsächlichen Verhältnis zwischen Person und Sache und hin zu einer über den Willen eines anderen gemittelten Beziehung. Sodann waren konstruktiv drei Vorgänge nötig, um den Eigentumsübergang hervorzubringen 162: Der Veräußerer musste zunächst vom Erwerber die Ermächtigung zur Besitzergreifung in dessen Namen erhalten; er musste sich dann 155 Gordon, Studies 37: „... the classical jurists who accepted traditio brevi manu evidently preferred common sense to too sharp logic in this case." 156 Süß, in: FS Wolff 141 (151); zust. Wacke, Besitzkonstitut 8 Fn. 26. 157 Wacke , Besitzkonstitut 8. 158 Vgl. Gordon, Studies 13-35. Es ist umstritten, ob das klassische römische Recht bereits diese Form der Übereignung anerkannte; vgl. zuletzt We ir Curr.Leg.Prob. 1996, 325 (336-339) m. w. N. Hier soll die Feststellung genügen, daß eine solche Konstruktion möglich gewesen ist. Im übrigen ist es für diese Arbeit zweitrangig, wann diese Form der Übereignung zugelassen wurde; wichtiger ist, daß ihre Anerkennung unter Berufung auf das römische Recht erfolgte. 159 Zweifelnd Wacke Besitzkonstitut 10 f., ebenda Fn. 34 Nachweise zur herrschenden Ansicht. 160 Dig. 41.2.18 pr. Seine Benennung erhielt das Besitzkonstitut erst später durch den Glossator Azo: Wacke, Besitzkonstitut 18 f. 161 Aus diesem Grund hält etwa Schulz, Digesten 73, diese Form der Übereignung für unklassisch. 162 Vgl. Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900) 1 (4). 6*
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als Veräußerer des Besitzes entledigen und schließlich als Stellvertreter des Erwerbers den Besitz an sich nehmen, letztere beide Schritte zusammengefasst in der Umwandlung von Eigen- in Fremdbesitz. Häufig ist die traditio mittels Besitzkonstituts mit der traditio brevi manu verglichen worden; bei beiden komme es zur traditio, ohne dass eine tatsächliche Handlung vonnöten sei 163 . Aber der Vergleich ist irreführend 164. Bei der traditio brevi manu besteht bereits die tatsächliche Besitzsituation, die die traditio (=Übergabe) normalerweise erst bewirken soll: durch die Einigung wird also rechtlich nachvollzogen, was faktisch schon gilt. Bei der traditio mittels Besitzkonstituts dagegen bleibt der Veräußerer unmittelbarer Besitzer; die Einigung, dass nunmehr der Erwerber den Besitz erlangt hat, wie es das Recht fordert, ersetzt die Erlangung tatsächlichen (unmittelbaren) Besitzes. Der Reiz dieser Lösung lag also darin, dass sie die rein konsensuale Übereignung ermöglichte, ohne das Traditionsprinzip preiszugeben. Alle drei Akte geschahen in der Realität mittels eines Vertragsschlusses; eine tatsächliche Handlung war nicht nötig. Konsensuale Übereignung durch Übergabe des Besitzes wäre nach ursprünglichem Verständnis ein Widerspruch in sich gewesen; als Übereignung durch Übergabe durch Vertrag war sie möglich. Das römische Recht erkannte also das Konsensprinzip an, ohne sich vom Traditionsprinzip zu verabschieden165.
b) Die Durchsetzung von Rechtspositionen (1) Die Trennung von obligatio faciendi und obligatio dandi Im Prozeßrecht nahm Iustinian die nachklassische neue Unterscheidung zwischen actio in rem und actio in personam zurück und unterschied wieder nach dem Rechtsgrund der Klagen. Die actio in rem war also wieder grundsätzlich auf die Behauptung des Eigentums, die actio in personam auf die behauptete Haftung des Beklagten gestützt166. Doch war diese Rückkehr zum klassischen Recht weniger vollständig als im materiellen Recht 167 . Das führte zum einen dazu, dass die neue Abgrenzung des Vulgarrechts zwischen den actiones inhaltlich nicht völlig aufgegeben wurde, so dass die Begriffe actio in rem und actio in personam nicht mehr 163 Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900) 1 (2 f.); Benke, in: GS Hofmeister 31 (34); ähnlich Wacke, Besitzkonstitut 9: „Spiegelbild" (aber richtig zum Unterschied in Fn. 28). Im Usus modernus umfaßte der Begriff der brevi manu traditio beide Fälle; vgl. Biermann, Traditio ficta 235. 164 So auch Gordon, Studies 42 f.; Süß, in: FS Wolff 141 (151); Weir Curr.Leg.Prob. 1996, 325 (335 f.). 165 So insb. Josef Kohler, Gesammelte Abhandlungen 1 (6); ders. ArchBürgR 18 (1900) 1-124; tendenziell auch schon Goldschmidt ZHR 9 (1866) 1 (73). 166 Uvy, Property 239. 167 Käser/Hackl,
Römisches Zivilprozeßrecht2 § 77 III, IV (S. 523 f.).
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die gleiche Bedeutung hatten wie zuvor. So waren Mischformen möglich168. Zum anderen übernahm Iustinian die Freiheit des Kognitionsverfahrens bei der Vollstreckung und dehnte sie auf alle Klagearten aus. Damit wurden nun die obligationes bezüglich ihrer Durchsetzung weiter untergliedert. Wahrend nämlich aus einer obligatio faciendi weiterhin nur Geldersatz erwirkt werden konnte169, wurde die Pflicht zur Rückerstattung in natura durchgesetzt170. Das gleiche galt nach heute herrschender Ansicht auch für die obligatio dandi171. Diese unterschiedliche Behandlung verschiedener Arten von Obligationen war neu. Zwar trennte schon Paulus zwischen obligatio dandi, obligatio faciendi und obligatio praestandi172, wobei dare die Übertragung von Eigentum173, facere jede Form von Handlung und praestare ein Einstehen für einen bestimmten Erfolg bezeichnete. Es handelte sich dabei aber ursprünglich nicht um scharf voneinander abgegrenzte Kategorien - so umfasste etwa facere offenbar begrifflich auch das dare 174 . Eine solche scharfe Abgrenzung war auch zunächst nicht notwendig, weil der Inhalt der obligatio in der Frühphase nur eine begrenzte Bedeutung hatte: Er war für die Frage relevant, ob der Schuldner seine Schuld erfüllt hatte, und er spielte für die Bemessung des Ersatzes eine Rolle, den der Gläubiger für Nichtoder Schlechterfüllung verlangen konnte. Aber der Gläubiger konnte nicht sicher sein, das Versprochene, sofern es sich nicht um eine bestimmte Geldsumme handelte, auch tatsächlich zu erhalten. Klagen konnte er nur auf Geldzahlung, und sicher war daher nur, dass er in Geld schadlos gehalten werden würde. Der Unterschied ergab sich in dem Moment, als die obligatio dandi in natura durchgesetzt werden konnte. Nun war der Inhalt der obligatio auch für die Frage der Durchsetzung entscheidend. (2) Grundlagen Warum die obligatio dandi die Naturalvollstreckung ermöglichen sollte, andere obligationes, insbesondere die obligatio tradendi, aber nicht, kann nicht als restlos 168 Dazu sogleich S. 87-90. 169 Dilcher SavZ/Rom 78 (1961/62) 277 (278-283); Zimmermann, Obligations 772 f.; Repgen, Vertragstreue 47-50; Nehlsen-von Stryk AcP 193 (1993) 529 (537-539); a.A. etwa Käser, Römisches Privatrecht I I 2 § 257 II 1, 2 (S. 343 f.); Scholtz, Naturalexekution 28-30; du Plessis TRHR 51 (1988) 349 (354 f.). 170 uip. Dig. 6.1.68. 171 Levy, Obligationenrecht 128; Arangio-Ruiz, Responsabilità contrattuale 9ff.; Dilcher SavZ/Rom 78 (1961/62) 277 (279 f.); Zimmermann, Obligations 772 f.; Nehlsen-von Stryk AcP 193 (1993) 529 (538 f.); Repgen, Vertragstreue 42. 172 Gai Inst. 4.2; Dig. 44.7.3 pr.; vgl. nur Guarino, Diritto privato romano11 Kap. 74 (S. 818-825). 173 Vgl., auch zur Bedeutungsgeschichte, de Francisci, Trasferimento della proprietà 121-125 m. w.N. 174 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 115 I (S. 489).
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geklärt gelten. Eine denkbare Erklärung könnte darin bestehen, dass die obligatio dandi selbst einen Bruch mit der Geschichte der Obligationen darstellt. Anders als die ursprüngliche obligatio war die obligatio dandi nämlich keine reine Handlungsverpflichtung. Erstens verpflichtete sich der Schuldner nicht (bloß) zu einer bestimmten Handlung, sondern zur Herstellung eines bestimmten, auf eine Sache bezogenen Erfolgs, nämlich den Gläubiger zum Eigentümer zu machen. Die Eigentumsübertragung war ja einerseits, wenn der Schuldner selbst etwa Nichtberechtigter war, durch Handlung allein nicht zu bewerkstelligen; andererseits konnte auch der Richter dem Kläger das Eigentum zusprechen, so dass der Erfolg keiner Handlung des Schuldners bedurfte. Zweitens war dieser geschuldete Erfolg zudem kein tatsächlicher, sondern ein rechtlicher; nicht Besitzverschaffung und -erhaltung war geschuldet, sondern Bewirkung einer rechtlichen Zuordnung. Damit passte die obligatio dandi nicht recht in das traditionelle Obligationenrecht hinein, das aus dem Deliktsrecht stammte und dieses mit beinhaltete. Die obligatio dandi war in diesem Sinne nicht nur handlungsbezogene, sondern jedenfalls auch sachbezogene Verpflichtung. Dass so allgemein die Vollstreckbarkeit der obligatio dandi angenommen wird, überrascht trotzdem. Man stützt sich regelmäßig auf Dig. 6.1.68. Aber dort geht es - unter dem Titel „de rei vindicatio" - lediglich um eine obligatio restituendi, also um die Pflicht zur Rückgabe einer Sache. Hier lässt sich nun die Vollstreckbarkeit in natura aber dadurch begründen, dass die Sache wertungsmäßig nie voll aus dem Vermögen des Gläubigers herausgefallen ist und er daher seine noch bestehende Berechtigung geltend macht; ähnlich argumentiert das englische Recht hier mit einem constructive trust. Ein Schluss auf die vertragliche obligatio dandi, bei der eine Sache erst dem Vermögen des Gläubigers zugeführt werden soll, ist daher nicht möglich. Daneben beruft man sich auf Dig. 45.1.75.IO175, wo indes lediglich angesprochen ist, dass man sich durch stipulatio auch zu einem dare verpflichten kann und dann dieses dare auch schuldet, nicht aber, dass dieses dare auch im Prozess erwirkt werden kann. Die Quellenlage für die obligatio dandi ist daher nicht eindeutig. Hier Naturalexekution zuzugestehen, wäre mit dem Vertrags Verständnis der Römer nur schwer zu vereinbaren gewesen; zudem widerspricht der Unterschied zur Geldexekution bei der obligatio tradendi dem pragmatischen Rechtsverständnis. Schließlich fällt auf, dass ausgerechnet der Kauf als wichtigster Vertrag über Sachen nicht in natura vollstreckt werden konnte; das wäre eigenartig, wenn nicht generell aus Vertrag nur auf Geld geklagt werden konnte. Von daher spricht vieles dafür, dass tatsächlich im römischen Recht die obligatio dandi nur auf Geldersatz ging 176 , dass die Naturalexekution eine bestehende Sachzuordnung voraussetzte. Letztlich kann die Frage für diese Arbeit dahinstehen. Wichtig ist insoweit weniger, was die Römer selbst taten, als wovon die Rezeption ausging. Die obligatio 175 Dilcher SavZ/Rom 78 (1961 /62) 277 (279); vgl. auch Scholtz, Naturalexekution 29. 176 So Sintenis ZCP 11 (1838) 20 (63-69).
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dandi lässt sich theoretisch sowohl als sach- wie als handlungsbezogenes Institut verstehen. Spätestens die mittelalterliche Rechtslehre verstand sie offenbar als sachzuordnend und ließ ihre Vollstreckung in natura zu. (3) Bedeutung Der Schritt zur Sachkondemnation - sei es im römischen Recht, sei es erst in der Rezeption - kann nach dem Vorherigen in seiner Bedeutung kaum überschätzt werden. Erst mit der Möglichkeit der Sachkondemnation trennte nämlich das Vertragsrecht die Verbindungen zum Deliktsrecht, aus dem es entstammte, ab und erlangte wirkliche Eigenständigkeit. Denn während die Geldkondemnation immer noch auf eine Haftung bezogen war und sich damit die auf sie gerichtete Vertragsklage von der Deliktsklage nicht wesentlich unterschied, lässt sich bei der auf Sachkondemnation gerichteten obligatio dandi eine Parallele zum Deliktsrecht nicht mehr feststellen. Eine deliktische Haftung auf eine spezifische Leistung (wie sie § 249 BGB vorsieht) wäre für das römische Recht eine undenkbare Alternative zur Geldkondemnation gewesen. Haftung war grundsätzlich Sühne für zugefügtes Unrecht, ob dieses Unrecht nun in einer deliktischen Schädigung bestand oder in der Nichterfüllung eines Versprechens. Eben hier zeigt sich die Neuerung, die die Möglichkeit der Sachkondemnation bedeutete: Sie war als Sühne nicht mehr denkbar. Noch entscheidender ist der Einfluss dieser Entwicklung auf die Dichotomie des Vermögensrechts. Solange der Grundsatz des omnis condemnatio pecuniaria galt, bestand gleichzeitig ein kategorischer Unterschied zwischen actiones in rem und actiones in personam. Nur erstere konnten auf Sachen gerichtet werden, letztere gingen immer auf Geld. Nur die actio in rem konnte folgerichtig Sachen (als Haftungsobjekt) zuordnen, die actio in personam ordnete immer nur entweder die Person des Schuldners oder dessen Vermögen zu. Mit der Möglichkeit der Sachkondemnation auch aus Obligationen war dieser Unterschied überwunden. c) Mischformen zwischen relativ-persönlichen und absolut-dinglichen Positionen Die obligatio dandi erlangte also bei Iustinian eine faktische Zwischenstellung zwischen Schuld- und Sachenrecht. Das römische Recht kannte aber auch ausdrückliche Zwischenfiguren zwischen actio in personam und actio in rem. Zwar hatte es solche schon vorher gegeben, im klassischen Verfahren waren sie aber immer an bestimmte Formen gebunden und daher einer bestimmten Klageart zuzuordnen gewesen. Iustinian übernahm nun nicht die strengen Formeln des Formularverfahrens, auch musste der Kläger den Namen der actio nicht nennen177. Dadurch 177 D. Simon, Untersuchungen 53 ff.; Käser/Hackl, (S. 578 f. mit Fn. 17).
Römisches Zivilprozeßrecht2 § 88 I 3
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war eine Zuordnung zur einen oder anderen Gruppe nicht mehr unabdingbar. Als Folge entstanden Zwischenfiguren.
(1) Eine relativ-dingliche Klage: Die rei vindicatio utilis Der wichtigste Fall einer Mischform war die rei vindicatio utilis, die es bereits im klassischen Recht gab, deren Bedeutung aber unter Iustinian erweitert wurde. Das Adjektiv utilis verweist darauf, dass es nicht eigentlich um eine normale rei vindicatio ging - actiones utiles waren Klagen, die der Prätor in Anlehnung an vorgesehene Klagformen gab, obwohl deren Voraussetzungen nicht ganz erfüllt waren, sofern die Interessenlage es gebot. Die rei vindicatio utilis setzte denn auch nicht das Eigentum des Klägers voraus. Mit ihr konnte etwa der unbezahlte Verkäufer, der nach der lex commissoria vom Kauf zurückgetreten war 178 , die verkaufte Sache auch von einem Dritten herausverlangen, dem sie der Käufer übertragen hatte 179 . Daneben ging die actio auf Surrogate, die an Stelle einer zu fordernden Geldsumme getreten waren 180 , oder auf den Ersatz für Verlust einer Sache durch Verarbeitung/Vermischung 181; wichtige weitere Fälle betrafen die Rückforderung von Geschenken. Wenn die rei vindicatio utilis hier offenbar als Sonderfigur existierte, so zeigt das, dass das römische Recht den Kläger nicht als den echten Eigentümer ansah. Sein Recht gegen einen Dritten bedurfte vielmehr einer besonderen Berechtigung, weil ihm die rei vindicatio normalerweise nicht zustand. Einige meinen sogar, die rei vindicatio utilis habe überhaupt keine dingliche Berechtigung vorausgesetzt, sie habe vielmehr jedem zugestanden, der einen durchsetzbaren Anspruch auf eine Sachleistung hatte, der also Sachkondemnation erzwingen konnte182. Damit hätte die rei vindicatio utilis der actio in rem des Vulgarrechts entsprochen. Selbst wenn das zu weit gehen mag, so ist doch zu erkennen, dass die rei vindicatio utilis sich in das klassische Bild der actiones nicht mehr einpasste, sondern immer auf einer stärkeren, quasi-dinglichen Bindung beruhte.
178 Vgl. Käser, Römisches Privatrecht I I 2 § 264 VI (S. 394). 179 Käser, Römisches Privatrecht2 II § 245 II 6 (S. 296 f.). Ein Teil des Schrifttums erklärt diese Wirkung dadurch, daß die Übereignung durch den Verkäufer aufschiebend bedingt war und mit Bedingungseintritt das Eigentum automatisch zurückfiel {Käser, Römisches Privatrecht I I 2 § 203 II 2 [S. 97], § 264 VI [S. 394]; ausführlich Peters, Rücktrittsvorbehalte 164231 [dort 165 Nachweise zur Gegenauffassung]; auf das Verhältnis zu Dritten geht Peters a. a. O. nicht ein.). Aber dann hätte es ausgereicht, ihm die normale rei vindicatio zuzugestehen. 180 Pringsheim, Kauf mit fremdem Geld 123 -129. 181 Dig. 41.1.9.2; Inst. 2.1.34 (beide zum Eigentumsverlust an einem Untergrund durch Bemalung); Käser, Römisches Privatrecht 21 § 102 III 7 (S. 431). 182 Arangio-Ruiz, Istituzioni14 220; Chiamile, Obbligazione di dare 11.
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(2) Eine absolut-persönliche Klage: die actio in rem scripta Eine andere Aufweichung des Unterschieds findet sich schon in klassischer Zeit in der actio in rem scripta, die auch actio quod metus causa hieß 183 . Sie richtete sich grundsätzlich als actio in personam gegen den Erpresser von Gut. In der Klagformel war indes der Beklagte nicht genannt, und so konnte sie auch gegen jeden Dritten gerichtet werden, der das erpresste Gut erworben hatte184. Der Dritte konnte sich durch Herausgabe des Gutes von der Haftung befreien; erwirkt werden konnte diese allerdings nicht. Hier ist also genau das Umgekehrte geschehen wie bei der rei vindicatio utilis. Es handelte sich um eine persönliche Klage, die konsequenterweise auf einen Geldbetrag gerichtet war. Aber diese Klage war gerade nicht auf einen bestimmten Schuldner beschränkt, sondern ging gegen den jeweiligen Erwerber, hing also wie ein dingliches Recht - an der Sache selbst.
(3) Eine Außenwirkung der actio in personam: die in integrum restitutio Die actio in personam bewirkte insofern die Zuordnung einer bestimmten Geldsumme nur im Verhältnis zu einer Person, als nur der Klagegegner zur Zahlung der Summe verpflichtet war. Insoweit lässt sich sagen, sie sei auch bezüglich der Person relativ gewesen. Aber die Relativität bezog sich nur darauf, dass die Geldsumme aus dem Vermögen der haftenden Person zu stammen hatte - die Zuordnung als solche dieser Geldsumme zum Kläger bestand absolut, auch im Verhältnis zu Dritten. Früher, als der Inhalt der actio in personam der Zugriff auf die Person selbst gewesen war, war dieses Zugriffsrecht gegenüber Dritten durch die rei vindicatio geschützt gewesen. Jetzt, da an die Stelle der Person deren Vermögen als Haftungsobjekt trat, wurde eben das Zugriffsrecht auf dieses Vermögen als Haftungsobjekt geschützt. Das geschah im Zwangsvollstreckungsverfahren durch die in integrum restitutio, das Vorbild der Anfechtungsklage 185. Sie ermöglichte es dem Vollstreckenden, dasjenige zum Haftungsvermögen zu ziehen, was der Haftende im Zusammenwirken mit einem Dritten diesem übertragen hatte. Nach Beendigung des Vollstreckungsverfahrens, das im römischen Recht zugleich Konkursverfahren war, stand dem Gläubiger das interdictum fraudatorium gegen den Dritten zu, das diesen gleichermaßen zum Haftenden machte186. Auch gegen ihn konnte der Prätor die actio in factum zusprechen, wenn er den Kläger für rechtsschutzwürdig erachtete. Iustinian fasste später in integrum restitutio und interdictum fraudal i Dazu Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 59 III 2 b (S. 244 f.); Zimmermann, Obligations 654-656; Ankum, in: FS Wieacker 3 -19. ι«4 Zimmermann, Obligations 655 m. w. N. 185 Vgl. dazu Käser /Hackl, Römisches Zivilprozessrecht2 § 64. 186 Vgl. Dig. 42.8.1 pr., lOpr.
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2. Kap.: Geschichte
torium zur actio Pauliana zusammen187. Insoweit war auch hier eine wirkliche Relativität (als Beschränkung auf ein Zweipersonen Verhältnis) nicht erreicht. Weiterhin war das, was haftete, dem Kläger mit absoluter Wirkung zugeordnet und entkam der Haftung nicht dadurch, dass es an einen Dritten übertragen wurde. Ein fundamentaler struktureller Unterschied zur actio in rem, bei der die Sache selbst haftete, bestand so gesehen nicht.
I L Germanisches Recht 1. Die Eigentumsübertragung Der für das germanische Recht fundamentale Unterschied von Fahrnis- und Liegenschaftsrecht 188 wirkte sich für die Übertragung von Sachen aus; beide folgten verschiedenen Regeln. Gemeinsam war beiden Übertragungstatbeständen aber das Formerfordernis.
a) Die Gewere als Grundbegriff
des germanischen Sachenrechts
Kernstück des germanischen Vermögensrechts war weder Eigentum189 noch Besitz, sondern die Gewere 190 , ein immer noch nicht vollständig geklärtes Institut, das irgendwo zwischen rechtlicher Zuordnung (Eigentum) und tatsächlicher Sachherrschaft anzusiedeln ist. Der Begriff der Gewere selbst machte rechtsgeschichtlich einen Prozess der immer weitergehenden Vergeistigung durch 191. Gewere bedeutete ursprünglich die Übertragung („Gewährung"192) des Besitzes, also eine Handlung 193 . Später bezeichnete der Begriff auch die durch diese Handlung erlangte tatsächliche Sachherrschaft (die allerdings vom Eigenbesitzwillen getragen werden musste)194, noch später wohl eine mit der Sachherrschaft einher gehende, zumindest behauptete Berechtigung, im modernen Sinne also eine Art dingliches Recht, das sich in der Sachherrschaft ausdrückte195. Schließlich wurde das dingliche Recht 187 Vgl. Dig. 22.1.38.4. 188 Vgl. R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 181-184; einschränkend Heusler, Institutionen 113-12. 189 Der Begriff Eigentum wurde überhaupt erst 1230 erstmals urkundlich erstmals erwähnt: Köbler SavZ/Germ 95 (1978) 1 -33. 190 Zusammenfassend Ogris, Gewere, in: HRGI 1658-1667 m. w. N. 191 Vgl. konkret Gierke, Deutsches Privatrecht II 187 f.; Ogris, Gewere, in: HRG I 16581660; allgemeiner Huber, Gewere 80-84. 192 Vgl. Gierke, Deutsches Privatrecht II 188; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 200 f; zur Etymologie auch Ogris, Gewere, in: HRG I 1658 f. 193 Heusler, Gewere 50; Gierke, Deutsches Privatrecht II 188, 270. 194 Vgl. R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 202-205.
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von ihr abstrahiert, die Gewere zum bloßen „Rechtszeichen" des Eigentums196. Das vom Besitz abstrakte dingliche Recht selbst bezeichnete sie dagegen wohl nie 197 . Das Institut der Gewere war für bewegliche und unbewegliche Sachen unterschiedlich. Im Fahrnisrecht konnte Gewere immer nur der unmittelbare Besitzer innehaben198. Im Liegenschaftsrecht, wo man von einem „Haben" der Sache nicht eigentlich sprechen konnte, war dagegen auch mittelbare Gewere (über einen Mittelsmann) oder ideelle Gewere ohne unmittelbare Sachherrschaft möglich199. Immer aber bestand eine direkte Beziehung zur tatsächlichen Gewalt über die Sache, eine hiervon unabhängige Gewere wäre ein Widerspruch in sich selbst gewesen200. Die Wirkungen der Gewere teilt man gemeinhin in drei Gruppen auf. Die Defensivwirkung umfasste den rechtlichen Schutz des Gewereinhabers sowie den Beweis der Berechtigung201. Die Offensivwirkung gab dem Gewereinhaber die Möglichkeit, sich der Sache zu „unterwinden", sie sich also eigenmächtig vom Störer wiederzuholen, und, falls sich der Störer wehrte, gerichtlich gegen ihn vorzugehen 202 . Schließlich bewirkte die Translativwirkung die Möglichkeit des Rechtserwerbs 203. Häufig wird diese beschränkt auf den gutgläubigen Erwerb. Wer vom Nichtberechtigten gutgläubig die Gewere erwarb, erlangte nach Jahr und Tag (durch Verschweigung seitens des Berechtigten) die rechte Gewere, also die volle dingliche Berechtigung. Aber auch beim Erwerb vom Berechtigten kann man von Translativwirkung sprechen, insofern der Erwerb der Gewere wegen deren rechtlichen Gehalts Teil des Erwerbs des Vollrechts war. Die Gewere bewirkte also eine Art faktische Verfügungsmacht - faktisch deshalb, weil sie vom Bestehen einer Berechtigung unabhängig war. Wer die Gewere hatte, galt - vorbehaltlich des Gegenbeweises - als legitimiert 204. Für das Grundstücksrecht waren diese Wirkungen deshalb besonders bedeutsam, weil sie auch an die ideelle Gewere anknüpften, von tatsächlicher Sachherrschaft unabhängig waren. Der Grund ist darin zu sehen, dass die Übertragung der Gewere immer in einem öffentlichen Akt und daher für alle erkennbar erfolgte 205.
>95 Huber, Gewere 39. 196 Huber, Gewere 63. 197 Huber, Gewere 47. 198 Heusler, Gewere 278 f.; Huber, Gewere 40; Gierke, Deutsches Privatrecht II 192 f.; vgl. aber auch Heusler, Institutionen II 189- 193. 199 Gierke, Deutsches Privatrecht II 193-196; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 205209; Ogris, Gewere, in: HRG I 1658 (1663); Buchholz, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht 23. 200 Heusler, Institutionen II 20 f. 201 R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 209-214. 202 R, Hübner, Deutsches Privatrecht5 214-216. 203 Huber, Gewere 20. 204 Huber, Gewere 49. 205 R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 207 f.
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b) Die Übertragung von Grundstücken
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( 1 ) Übertragung auf dem Grundstück Die Übertragung von Grundstücken erfolgte nach germanischem Recht in zwei Stufen 207. Notwendig war zum einen ein Vertrag, die sala, zum anderen die Einsetzung des Käufers in den Besitz, germanisch als Gewere, lateinisch als Investitur bezeichnet208, eine reine Vollzugshandlung. Die sala war kein obligatorischer Vertrag, sondern wies Verbindung zur römisch-rechtlichen traditio auf und wurde mit dieser häufig synonym gebraucht209. Insbesondere Gierke sah in ihr einen dinglichen Vertrag 210; nach herrschender Ansicht sind in ihr schuldrechtliche und sachenrechtliche Charakteristika vereint 211. Im Unterschied zur römisch-rechtlichen traditio war sie jedenfalls von einer Besitzübertragung unabhängig212. Es handelte sich um einen förmlichen Vertrag, dessen Form ursprünglich in einem feierlichen Akt der symbolischen Übergabe bestand, etwa von Zweig und Scholle oder einem Handschuh, die beim Grundstückskauf zur Eigentumsübertragung auf dem Grundstück stattfinden mussten213. Wie die römisch-rechtliche mancipatio war sie von einer vorherigen Einigung der Parteien unabhängig, eine solche Einigung war andererseits nicht bindend.
(2) Übertragung außerhalb des Grundstücks Solange sala und Investitur auf dem Grundstück selbst stattfanden, war weder die Trennung beider Vorgänge noch eine Trennung von Recht und tatsächlicher Sachherrschaft notwendig. Das änderte sich jedoch, als man später auch die sala außerhalb des Grundstücks zuließ. Zunächst entwickelte sich die traditio per cartam, also durch Übergabe einer Urkunde außerhalb des Grundstücks214. Später 206
Dazu ausführlich Joswig, Grundstücksübertragung. 207 Die begriffliche Unterscheidung folgt hier der wohl herrschenden Ansicht. Indes ist die Erklärung des germanischen Rechts mit abstrakten Begriffen problematisch und führt zu begrifflichen Unschärfen und Überschneidungen (Heusler, Institutionen II 66, spricht von einer „beinahe verwirrenden Fülle von Solennitäten"), die hier nicht im einzelnen dargestellt werden können. Auch die Unterscheidung von sala und Investitur wird nicht immer mit gleicher Konsequenz vollzogen. 208 Gierke, Deutsches Privatrecht II 270; Heusler, Institutionen II 34-36. Von der Investitur wird manchmal die Auflassung, die Lossagung des Veräußerers vom Grundstück, getrennt. 209 Gierke, Deutsches Privatrecht II 168; Heusler, Institutionen II 67; v. Brünneck, Ursprung 14. 210 Gierke, Deutsches Privatrecht II 268. 211 Sohm, Eheschließung 80 ff. 212 v. Brünneck, Ursprung 18. 213 Gierke, Deutsches Privatrecht II 168-271; Heusler, Institutionen II 67 f., 73 f.
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kam man zum Erfordernis einer gerichtlichen Eigentumsübertragung215. Dabei erfolgte der Rechtsübergang - in auffälliger Ähnlichkeit zur in iure cessio216 - durch „Verschweigung"; der Eigentümer wurde mit seinem Recht ausgeschlossen, wenn er im öffentlichen Verfahren auf dreimaligen Aufruf schwieg und sein Recht nicht geltend machte217. Diese Prozeßübereignung führte letztlich zum Grundbuchsystem218. Auch die Investitur, die Besitzeinweisung, konnte nun außerhalb des Grundstücks erfolgen 219. Maßgeblich dafür war, dass man im gerichtlichen Verfahren auch die Übertragung der Gewere vollziehen konnte. Während des dreitägigen Prozesses übertrug dabei der Verkäufer dem Käufer den körperlichen Besitz und damit die tatsächliche Gewere. Diese bot dem Käufer die Möglichkeit, einerseits dem Verkäufer die (beschränkte, weil nicht Eigentum behauptende220) Gewere etwa als Pfand zurückzuübertragen, andererseits aber sein Klagerecht gegen ihn nachzuweisen 221 - das germanisch-rechtliche funktionelle Äquivalent zur Übereignung mittels Besitzkonstituts. Der Käufer hatte dann die ideelle Gewere 222. In diesem Rahmen verlor die tatsächliche Besitzeinweisung immer mehr ihre rechtliche Bedeutung und verkam zum tatsächlichen Vorgang 223. Aber auch die Trennung von traditio und Investitur war - wieder - von geringer Bedeutung, da beide zusammen erfolgten 224. Letztlich bestand die Beziehung zum übertragenen Grundstück daher nur noch symbolisch - durch Übergabe von Handschuh oder Zweig - ; eine reale Verbindung zur übertragenen Sache war nicht mehr erforderlich.
c) Die Übertragung von Fahrnis Gegenüber Grundstücken hatte die Übereignung von Fahrnis angesichts deren geringeren Werts weit weniger Bedeutung. Rechtlich ist fraglich, inwieweit überhaupt Rechte an einzelnen beweglichen Sachen anerkannt waren, inwiefern nicht einerseits das Fahrniseigentum sich auf Gesamtheiten von Gütern bezog, andererseits für die einzelne Sache ausschließlich der unmittelbare Besitz entscheidend
214 Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900) 1 (13 f.); Gierke, Deutsches Privatrecht II 271273; Heusler, Institutionen II 68-70. 215 Heusler, Institutionen II 81-103; Gierke, Deutsches Privatrecht II 274-276. 216 Oben S. 63 f. 217 Buchholz, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht 24 f. 218 Gierke, Deutsches Privatrecht II 280 f.; Heusler, Institutionen II 73 ff. 219 Heusler, Institutionen II 70. 220 Vgl. Ogris, Gewere, in: HRG I 1658 (1663). 221 Huber, Gewere, 36 f.; Heusler, Institutionen II 36 f. 222 Vgl. Gierke , Deutsches Privatrecht II 276; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 205. 223 Gierke, Deutsches Privatrecht II 274; Heusler, Institutionen II 71. 224 Heusler, Institutionen II 72.
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war. Soweit man von der Übereignung beweglicher Sachen überhaupt sprechen kann, erforderte sie die Übertragung leiblicher Gewere mit Übereignungswillen225 - die logische Folge der Tatsache, dass Gewere an Fahrnis notwendig an die körperliche Sachherrschaft geknüpft war. Daneben bedurfte die Übereignung keiner besonderen Form 226 . Wegen der engen Verbindung von tatsächlicher Sachherrschaft und rechtlicher Zuordnung kannte das germanische Recht - anders als das römische - auch schon früh eine Art des Erwerbs vom Nichtberechtigten, gemäß dem Grundsatz „Hand muss Hand wahren". Wer eine bewegliche Sache freiwillig weggab, entäußerte sich damit ihrer Gewere. Einen Herausgabeanspruch hatte er dann nur gegen deren Empfänger, und zwar nicht aufgrund dinglicher Berechtigung, sondern aus seiner Vereinbarung mit diesem227. Von einem Dritten konnte er selbst die Sache dagegen nicht herausverlangen 228, und zwar - zunächst - wohl unabhängig davon, ob dieser bös- oder gutgläubig war 229 . Der unfreiwillige Besitzverlust dagegen führte zwar auch zum Verlust der Gewere 230 ; er berechtigte aber den Verlierer, sich der Sache wieder zu bemächtigen231, wobei er nicht ein Eigentumsrecht geltend machte, sondern seine Gewere 232. Trotzdem war damit wahrscheinlich noch kein echter Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten begründet; das Recht des Erwerbers war an seine Gewere gebunden und ging bei Weggabe der Sache wieder unter 233.
2. Sachzuordnung durch Kaufvertrag a) Sachzuordnung im Innenverhältnis Der Kaufvertrag gab dem Käufer im Innenverhältnis eine viel stärkere Position, als er sie nach römischem Recht gehabt hätte. Bereits mit der sala war der Grundstückserwerber berechtigt, sich des Grundstücks zu bemächtigen, hatte also ein Zugriffsrecht. Dieses vermittelte ihm, wenn er es ausüben konnte, bereits vor tatsächlich erfolgten Zugriff eine (schwache) Gewere 234. Gewere bedeutete hier also nicht nur tatsächliche Sachinhabe, es reichte auch die potentielle, der der Inhaber nichts 225 Gierke, Deutsches Privatrecht II 544 f. 226 Heusler, Institutionen II 197; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 466; Nolte, Reform 25 f. 227 Gierke, Deutsches Privatrecht II 558. 228 R, Hübner, Deutsches Privatrecht5 435-437; Gierke, Deutsches Privatrecht II 558. 229 Gierke, Deutsches Privatrecht II 555 f.; H. Hübner, Rechtsverlust 20. 230 R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 437. 231 R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 437-445 mit Ausführungen auch zum Verfahren („Anefang"). 232 Gierke, Deutsches Privatrecht II 553. 233 R, Hübner, Deutsches Privatrecht5 467 f.; Gierke, Deutsches Privatrecht II 560 f. 234 Huber, Gewere 34-37.
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entgegensetzen konnte. Sicher bis zur Rezeption des römischen Rechts, vielfach auch danach, gab bereits der Vertrag (der durch die Hergabe der arrha, eines Handgeldes, für den Verkäufer bindend wurde) dem Käufer die Möglichkeit zur Realexekution gegen den Verkäufer 235. Dabei bewirkte zwar eine Pfändung der Sache zugunsten des Käufers wohl noch nicht den Eigentumsübergang, sondern diente nur als Zwangsmittel gegen den Verkäufer und brachte diesen daher dazu, die Übereignung vorzunehmen236. Diese Möglichkeit der Realexekution scheint aber keine rein prozessuale Figur gewesen zu sein, sondern einer durch Kaufvertrag und arrha bewirkten materiellen relativen Sachzuordnung entstammt zu sein 237 . Anders ist nicht zu erklären, dass der Käufer sogar das Recht hatte, sich der Sache „zu unterwinden", also sie durch Selbsthilfe an sich zu bringen - jedenfalls dann, wenn ihm das im Vertrag erlaubt wurde 238 , wahrscheinlich aber sogar ipso iure.
b) Der Doppelverkauf Wie im Innenverhältnis war auch im Außen Verhältnis die Position des Käufers nach germanischem Recht stärker als nach römischem239. Grundsätzlich hatte der Käufer nach dem Vertrag zwar noch kein dingliches Vollrecht an der Sache; für Ansprüche gegen Dritte (etwa einen Dieb) musste er sich daher an seinen Verkäufer wenden240. Im Doppelverkauf dagegen, also im Fall des Konflikts mit einem anderen, der sein Recht vom selben Verkäufer ableitete, entsprach der stärkeren Stellung des Käufers im Innenverhältnis eine starke Position auch im Außenverhältnis. Solange die Sache noch keinem der beiden Käufer übergeben war, setzte sich der erste Käufer durch 241. Aber auch nach der Übergabe ging der Erstkäufer vor, sowohl bei Liegenschaften 242 als auch im Fahrnisrecht 243. Nur wenn die Priorität des Verkaufs nicht mehr ermittelt werden konnte, setzte sich der Inhaber der Gewere durch 244. Daneben traf den Verkäufer, der an einen
235 Heusler, Gewere 29 f.; H.F.W.D. Fischer, Geschiedenis 34 ff., insb. 55-57, 63-66; Gierke, Schuld und Haftung 345-348; v. Brünneck, Ursprung 19. 236 H.F.W.D. Fischer, Geschiedenis 66-73. 237 So v. Brünneck, Ursprung 19. 238 v. Brünneck, Ursprung 19. 239 A.A. O.Chr. Fischer, Verletzung 36-38. 240 v. Brünneck, Ursprung 18 f., 22-25. 241 Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900) 1 (64); Gierke, Deutsches Privatrecht II 545 Fn. 1; v. Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht 1555-557; v. Brünneck, Ursprung 20 f. 242 Heusler, Gewere 30 f. mit reichem Fallmaterial 33-40; Gierke , Deutsches Privatrecht II 609 Fn. 2. 243 Gierke, Deutsches Privatrecht II 608 f. mit Fn. 2; Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900), 1, 64; ebenso zu den Statuten von Pisa v. Brünneck, Ursprung 93-95; zum skandinavischen Recht v. Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht I 549, 555-557. 244 v. Brünneck, Ursprung 28.
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anderen übergab, eine Strafdrohung 245. Das Problem eines Gutglaubensschutzes des Zweiterwerbers stellte sich nicht, solange die erste Traditio öffentlich erfolgt war. Gegenüber dem bloß formlos Eingewiesenen setzte sich ein gutgläubiger Ersterwerber dagegen durch - nach einer Ansicht sofort 246, nach anderen erst dann, wenn er ein Jahr besessen hatte 247 . Dabei kam offenbar dem Verkäufer im Prozeß ein wesentlicher Teil zu; er musste beschwören, wem er zuerst die Sache verkauft habe 248 .
3. Dogmatik a) Schuld- und Sachenrecht Der Grund für die starke Stellung des Käufers ist in der Dogmatik des germanischen Rechts zu finden. Das germanische Recht bildete keine scharfe Trennung zwischen Schuld- und Sachenrecht heraus 249 und ist daher mit diesen Begriffen nicht vollständig zu erfassen. Auch der Gebrauch von Begriffen wie „dinglicher" oder „verpflichtender" Vertrag droht daher, dem Recht von außen eine Systematik aufzuerlegen, die es selber nicht entwickelt hatte, und kann nur mit Vorsicht erfolgen. Das liegt vor allem daran, dass nur die Römer ein hochentwickeltes Schuldrecht kannten, das sich durch die Rezeption in den Gebieten germanischen Rechts ausdehnte. Das germanische Schuldrecht dagegen - wie im römischen Recht geboren aus dem Deliktsrecht 250 - war kaum ausgebildet und hatte nur geringe Bedeutung 251 . Damit fiel dem Sachenrecht die Regelung nicht nur von Zuordnungsfragen zu, sondern auch von Austauschgeschäften 252, oder, andersherum gesagt, Austauschgeschäfte hatten immer auch einen quasi-sachenrechtlichen, zuordnenden Charakter. Das wird in der Ausgestaltung des germanischen Schuldbegriffs deutlich, der sich von dem des römischen Rechts unterscheidet: Das Forderungsrecht des germanischen Rechts war niemals nur iuris vinculum zwischen zwei Personen; es bezog immer auch das geschuldete Objekt mit ein 2 5 3 und vermittelte eine Beziehung 245 Löning, Vertragsbruch 389 ff.; O.Chr. Fischer, Verletzung 34 f.; Mercier, Jus ad rem 40 f. 246 Huber, Gewere 35 f. mit Fn. 82. 247 v. Brünneck, Ursprung 21. 248 v. Brünneck, Ursprung 20 Fn. 16; v. Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht 1557, 560 f.; dem folgend Gierke, Deutsches Privatrecht II 544 f.; gegen diesen Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 44 f.; vgl. auch Heusler, Gewere 31 f. 249 A.A. Heusler, Institutionen I 376-380. 250 R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 489 f.; Ebel SavZ/Germ 105 (1988) 1 (8 f.). 251 Vgl. Gierke, Deutsches Privatrecht III 1 - 4 . Zur Eigenheit des germanischen Schuldrechts Ebel SavZ/Germ 105 (1988) 1 - 1 6 . 252 Vgl. R, Hübner, Deutsches Privatrecht5 490 f.
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zur Sache selbst254. Auf Sachen gerichtete „Forderungsrechte" waren so gesehen Sachenrechte. Dem Schuldrecht verblieben solche „Ansprüche", die auf ein Tun oder Unterlassen einer anderen Person gerichtet waren, ohne Bezug zu einem körperlichen Objekt 255 . Eine dem römischen Recht ähnliche Trennung subjektiver Rechtspositionen ergibt sich nicht so sehr durch das Bezugsobjekt als vielmehr danach, ob sie mit Gewere verbunden waren oder nicht. Sofern man daher im germanischen Recht von dinglichen Rechten im modernen Sinne sprechen kann, lag deren Kennzeichen nicht in der Verfolgbarkeit gegen Dritte, sondern in der Bekleidung mit Gewere 256. Das „Sachenrecht" war das durch Gewere verstärkte „Schuldrecht". So war Grundlage der Haftung des Zweitkäufers im Doppelverkauf auch nicht die Verleitung zum Vertragsbruch (die den Germanen als Institut unbekannt war) 257 , sondern eine erworbene Sachzuordnung, mag man sie schon als ius ad rem bezeichnen oder nicht. Eben diese bereits erfolgte Sachzuordnung war aber auch die Grundlage dafür, dass der Käufer im Innen Verhältnis auf die verkaufte Sache zugreifen durfte, denn sie war ja bereits seine.
b) Übereignung durch Vertrag? Damit lässt sich auch der Frage beikommen, ob der bloße Vertrag (eventuell verbunden mit der Kaufpreiszahlung) schon das Eigentum übertragen konnte258. Da auch im germanischen Recht der Kauf, jedenfalls von Fahrnis, ursprünglich meist Barkauf war 2 5 9 , stellte sich diese Frage häufig nicht. Vertrag und Ausführung fielen zusammen; der Käufer nahm die Ware sofort mit, hatte daran Gewere und war dadurch automatisch gegen Verkäufer wie auch gegen Dritte geschützt. Aus dem gleichen Grund lässt sich aber auch eine echte Trennung zwischen einem schuldrechtlichen und einem dinglichen Vertrag nicht festmachen; beides fiel in einem Vertrag zusammen. Die Frage selbst, ob der bloße Vertrag Eigentum übertragen konnte, hängt eng mit dem Begriff des Eigentums zusammen und ist deshalb für das germanische 253 Gierke, Deutsches Privatrecht III 56; a.A. Heusler, Institutionen I 373-376, II 225227 (allerdings unter Verkennung des Unterschieds zwischen Zuordnung durch Forderung und Zuordnung der Forderung selbst; vgl. unten S. 273-276). 254 Gierke, Deutsches Privatrecht II 608 f. 255 Heusler, Institutionen I 379. 256 Gierke, Deutsches Privatrecht II 608. 257 O.Chr. Fischer, Verletzung 36. 258 So die These von Sohm, Eheschliessung 80-82; Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900) 1 (64); dagegen Gierke, Deutsches Privatrecht II 545; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 466; v. Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht I 554. 259 Planitz. Grundzüge3 103; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 489, 575, 577; vgl. v. Amira, Obligationenrecht 1554; H.F.W.D. Fischer, Geschiedenis 35. 7 Michaels
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Recht, das einen solchen Begriff erst allmählich herausbildete, kaum zu beantworten. Einerseits war wohl eine echte Eigentumsübertragung unter Zurückbehaltung des Besitzes nicht zulässig - donner et retenir ne vaut 260 , eine Auswirkung der engen Verbindung von Besitz und sachenrechtlicher Zuordnung. Andererseits entsprach die Position des Käufers in wesentlichen Belangen, insbesondere bezüglich des Rechts, auf die Sache selbst zugreifen zu können, wohl schon der eines dinglich Berechtigten261. Offenbar erzeugte der Kaufvertrag anders als im römischen Recht jedenfalls eine Beziehung des Käufers zur Sache selbst - wie man diese nennt, ist demgegenüber zweitrangig. Hatte also einerseits der Kaufvertrag im germanischen Recht schon sachzuordnende Wirkung, so bedurfte andererseits die volle dingliche Rechtsstellung des Besitzes, der echten Gewere. Denn diese brachte dem Erwerber erstens Vorteile hinsichtlich des Beweises262. Zweitens ermöglichte sie ihm den Erwerb der rechten Gewere (nach einem Jahr) als Voraussetzung gutgläubigen Erwerbs. Vor allem aber nahm sie dem Veräußerer faktisch die Möglichkeit, über die Sache noch einmal zu verfügen 263. Die durch bloßen Vertrag vermittelte Sachzuordnung war also unvollständig.
c) Der Kaufvertrag
als unvollständige
Übereignung
So gesehen ist es problematisch, wenn man den Kaufvertrag des germanischen Rechts dem Schuldrecht zuschlägt, denn die Institution Kauf ging historisch der Herausbildung des Schuldrechts voraus. Der germanische Kauf war nicht reiner Schuldvertrag im römisch-rechtlichen Sinne; vielmehr vermittelte er bereits eine Beziehung des Käufers zum Kaufgegenstand. Auch das Recht des besitzlosen Käufers war schon eine Art werdendes Sachenrecht264, was sich darin zeigt, dass es strukturell nicht vom Eigentum verschieden war und sich daher durch Hinzutreten der Gewere in letzteres verwandeln konnte. Damit lag aber im Kaufvertrag schon der Beginn der Sachübertragung, ordnete er bereits die Sache unvollständig zu. Das ergibt sich unabhängig davon, ob man von einer echten eigentumsübertragenden Wirkung des Kaufs sprechen kann, aus den Wirkungen im Kauf. Einige gründen das Recht des Käufers im Doppelverkauf tatsächlich auf ein echtes dingliches Recht, das der Käufer durch die sala erhalten habe 265 . Wer den rechtsübertragenden Charakter des Vertrags leugnet, muss demgegenüber davon ausgehen, dass die Verbindlichkeit des Verkäufers auf den Drit260
Heusler, Institutionen II 199-201, der die Regel auf den Schutz der Erben gründet. 261 Planitz, Grundzüge3 103; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 489. 262 Vgl. Hübner, Deutsches Privatrecht5 210. 263 v. Brünneck, Ursprung 26 f. 264 Begriff von Gierke, Deutsches Privatrecht II 608. 265 So v. Brünneck, Ursprung 20.
Α. Die Grundlagen des ius ad rem
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ten übergeht266. Aber auch dann muss dieses Recht auf einer Beziehung zur Kaufsache beruhen, die der Käufer bereits aufgrund des Kaufvertrags erlangt hat 267 und die mit der Sache übergeht. Die Regelung des Doppelverkaufs setzt also eine Sachzuordnung des Käufers notwendig voraus. Im Immobiliargüterrecht scheint diese Sachzuordnung aus der Dogmatik des germanischen Rechts nicht schwer zu begründen zu sein. Wenn nämlich, wie die herrschende Meinung annimmt, die sala ein dinglicher Vertrag war und dem Käufer die ideelle Gewere bereits übertrug, so lag darin auch die Übertragung des dinglichen Rechts, das er sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis geltend machen konnte. Nicht vollständig erklärt ist damit zwar, warum der Käufer nur gegen den Zweitkäufer, nicht aber gegen den sonstigen Störer vorgehen konnte, sondern sich insoweit an seinen Verkäufer halten musste268. Allerdings war das eine sinnvolle Unterscheidung: Sie verhinderte einerseits, dass der Störer sich zwei Klägern gegenübersah, ermöglichte es aber andererseits dem Käufer, sein Recht dann selbst durchzusetzen, wenn der Verkäufer ihm nicht helfen konnte. Dogmatisch lässt sie sich dadurch begründen, dass die ideelle Gewere eine Art mindere Gewere war. Im Fahrnisrecht scheitert die Erklärung der Außenwirkung mit der Gewere daran, dass eine ideelle Gewere nicht anerkannt war, der Käufer also keine Gewere hatte. Wenn der Fahrniskäufer trotzdem aufgrund des bloßen Kaufvertrags (der indes immer förmlich gewesen sein musste) eine Rechtsposition erworben hatte, die er Dritten entgegenhalten konnte, so lässt sich das nicht anders erklären, als dass der Kaufvertrag ihm auch ohne Gewere die Sache bereits zugeordnet hatte. Nur mit einer relativen Sachzuordnung, nicht mit der Gewere lässt sich nämlich (für Fahrnis- und Grundstücksrecht gleichermaßen) erklären, warum der Käufer gegen den Zweitkäufer vorgehen konnte, nicht aber gegen den Dritten, der die Sache beschädigt hatte.
I I I . Vergleich 1. Die Bedeutung der Form a) Die Unübertragbarkeit
von Rechten
Die Übertragung von Eigentum ist heute ein so alltäglicher Vorgang, dass deren frühe Formen für heutiges Verständnis erstaunlich feierlich und umständlich wirken. Das gilt gleichermaßen für mancipatio und in iure cessio wie für Gewere und Auflassung. Zurückzuführen ist diese Feierlichkeit auf Eigenheiten des frühen Rechts Verständnisses. Für das frühe Recht war die Übertragung von Rechten näm266 v. Amira, Nordgermanisches Obligationenrecht I 555. 267 Gierke, Deutsches Privatrecht II 608 f. 268 Oben S. 95 f. *
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2. Kap.: Geschichte
lieh nicht möglich269. Rechte waren danach offenbar keine abstrakten, gedachten Verhältnisse, sondern konkrete Verbindungen zwischen Subjekt (Rechtsträger) und Objekt. Das bedeutete auf der Subjektseite der Verbindung, dass man Rechte als untrennbar mit ihrem Träger verbunden verstand270. Die Veräußerung musste man sich daher so denken, dass das Eigentum des Veräußerers unterging und beim Erwerber neues Eigentum entstand. Von einer Eigentumsübertragung im eigentlichen Sinne kann man daher gar nicht sprechen; vielmehr waren der Akt der Ergreifung und deren Duldung durch den bisherigen Eigentümer, die zusammengenommen dem Erwerber das Eigentum vermitteln, zwei selbständige Akte. Auf der anderen Seite, der des Objekts, hing das Recht untrennbar an der Sache. Zunächst lag das wohl an der Unfähigkeit, zwischen der Sache und dem Recht an der Sache zu trennen. Auch zwischen Sachübertragung und Rechtsübertragung wurde daher nicht scharf unterschieden271. Im römischen Recht sprach man von rem transferri oder dominium transferri und meinte in beiden Fällen das gleiche272; im germanischen Recht war der Zentralbegriff mit der Gewere ohnehin zwischen Sache und Recht angesiedelt. Folglich konnte Eigentum nicht durch bloße Willensanstrengung erworben werden, sondern nur durch Ergreifung der Sache selbst273. Mancipatio und in iure cessio mögen daher im Ansatz vertragsähnlichen Charakter gehabt haben, wurden aber im römischen Recht nicht als Verträge angesehen274; ebenso war bei der germanischen sala die Form wichtiger als der Wille der Parteien.
b) Eigentumsübertragung
als geduldetes Ergreifen
Die Unfähigkeit, den Verlust des Eigentums auf Seiten des Verkäufers und dessen Erwerb auf Seiten des Käufers als Folge ein und desselben Vorgangs zu sehen, macht verständlich, warum ein Eigentumsübergang nicht mittels bloßen Vertrags erfolgen konnte, warum vielmehr formale Akte notwendig waren 275. 269 Vgl. de Francisci, Trasferimento della proprietà 3 und passim, insb. 129-132 (zu mancipatio und in iure cessio), 139 ff. (zu traditio); Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 54 III 1 I (S. 222 f.), 100 I 1 (S. 412 f.); Sturm, in: Mélanges Piotet 567 (580 f.); a.A. Lange, Kausales Element 21-30; zu Ansichten des 19. Jahrhunderts vgl. Exner, Rechtserwerb durch Tradition 1 - 3 Fn. 1. Käser SavZ/Rom 74 (1957) 433 (434 f.) weist allerdings zu Recht darauf hin, daß für den pragmatischen Ansatz der Römer ein so philosophisches Problem wie das der Übertragbarkeit subjektiver Rechte nicht relevant gewesen sein wird. 270 So erklärt sich auch, daß dem römischen Recht das Institut der Zession unbekannt war. 271 Coing, Gesammelte Aufsätze 241 (247). 272 Vgl. Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 100 (S. 412 ff.). 273 Vgl. zu den Problemen bei der Konstruktion der Forderungszession, bei der der Erwerber kein Objekt ergreifen konnte, Käser, Römisches Privatrecht I § 153 (S. 652 ff.). 274 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 56 II 2 (S. 229); Benke, in: GS Hofmeister 31 (35).
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Auf Seiten des Erwerbers war das im römischen wie im germanischen Recht der Akt des Ergreifens 276. Macht man sich klar, dass der derivative Eigentumserwerb nicht vom originären unterschieden wurde, so ist dieses Erfordernis ganz verständlich. Auf Seiten des Veräußerers stand dagegen das sogenannte Verschweigen. Damit ergibt sich eine auffällige Ähnlichkeit zwischen der germanischen gerichtlichen Auflassung und der gleichfalls gerichtlichen römischen in iure cessio277. Aber auch bei der mancipatio spielte das Verschweigen die gleiche Rolle. Schließlich war wohl auch bei der traditio trotz ihres Namens eine echte Übergabe nicht erforderlich; es genügte, dass der Veräußerer die Ergreifung der Sache durch den Erwerber duldete. So wurde das gleiche Ergebnis erreicht wie beim echten Rechtsübergang, allerdings auf völlig andere Weise: der Käufer erlangte Eigentum wie an einer herrenlosen Sache, und der einzige, der dagegen hätte Einspruch erheben können, schwieg und wurde dadurch präkludiert. Während das germanische Recht im wesentlichen bis zur Rezeption auf diesem Zustand verblieb, entwickelte das römische Recht beide Faktoren weiter. Insbesondere die Übereignung mittels Besitzkonstituts stellte eine enorme Verfeinerung beider Vorgänge dar. Sowohl das Ergreifen wie auch das Verschweigen lagen hier in Willensanstrengungen des Veräußerers, der - fast schizophren - für einen anderen ergreifen und diese Ergreifung für sich selbst dulden musste. So ist es im positiven wie im negativen Sinne richtig, wenn man diese Konstruktion eine »juristische That ersten Ranges" genannt und als Gipfel römisch-rechtlicher Rechtswissenschaft gepriesen hat 278 . Denn neben aller berechtigten Bewunderung für die Gedankenschärfe, die für eine solche Konstruktion notwendig war, sollte man nicht vernachlässigen, dass so ein ungeheuer komplizierter Prozeß für einen ganz simplen Vorgang erforderlich wurde - die Übereignung durch bloßen Vertrag. Im ganzen komplexen Vorgang lag immer noch das altrömische geduldete Ergreifen, dessen Notwendigkeit man nicht überwinden konnte.
c) Sachzuordnung durch Kaufvertrag? Damit findet aber auch die Frage nach der Sachzuordnung durch Kaufvertrag eine neue Antwort. In beiden Rechtsordnungen hatte bereits die Kaufabrede eine sachzuordnende Wirkung. Ursprünglich entsprachen sich beide Rechte sogar völlig; der Kauf war grundsätzlich sofort vollzogener Barkauf und vereinte daher verpflichtende und zuordnende Gehalte. Folglich musste dieser Vorgang formal sein; das zeigt sich im römischen Recht bei mancipatio und in iure cessio, bei den Ger275 Vgl. dazu in diesem Zusammenhang Brandt, Eigentumserwerb und Austauschgeschäft 19-29; Süß, in: FS Wolff 141 (143); Buchholz, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht 17-21. 276 Vgl. Bechmann, Kauf I 68 ff. 277 Wacke, Besitzkonstitut 6; ders. SavZ/Rom 106 (1989) 204. 278 Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900) 1 (1-10).
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2. Kap.: Geschichte
manen in den dort notwendigen Formalien. Während nun das germanische Recht auf diesem Zustand verharrte und ein vom Sachenrecht unabhängiges Schuldrecht nicht herausbildete, trennte das römische Recht langsam vom immer noch formalen Prozess der Eigentumsübertragung den schuldrechtlichen Kaufvertrag ab. Dieser bot den Parteien den Vorteil, dass sie weitgehend formlos Rechtsverhältnisse untereinander regeln konnten. Der Nachteil war aber, dass eben diese Formlosigkeit es verhinderte, durch bloßen Vertrag Eigentum zu übertragen, eben weil dazu immer noch ein formaler Akt erforderlich war. Konkret: der Kaufvertrag verlor zwar nicht seine sachzuordnende Funktion, aber diese Sachzuordnung konnte kein Eigentum mehr sein. Umgekehrt konnte der Kaufvertrag des germanischen Rechts deshalb weiterhin „eigentums"-übertragend wirken, weil er förmlich war.
2. Die Struktur subjektiver Zuordnungen a) Zweipolige Zuordnungen als Frühform Sowohl das vorklassische römische wie auch das frühe germanische Recht kannten statt subjektiver Rechte nur zweipolige Zuordnungen in Form von Herrschaft. Dem Berechtigten zugeordnet war entweder eine Person oder eine Sache. Ein Außenverhältnis dieser Beziehung war zunächst nicht denkbar, aber auch nicht notwendig. Es ergab sich erst mittelbar dann, wenn ein Außenstehender diese zweipolige Zuordnung verletzte, indem er auf die zugeordnete Sache oder die zugeordnete Person zugriff oder einwirkte. Ein solcher Eingriff machte diesen Dritten seinerseits haftbar aus unrechtmäßigem Tun, aber damit lässt sich noch nicht sinnvoll sagen, die Zuordnung habe zuvor speziell gegen ihn gegolten. Auf einer solchen frühen Stufe macht es wenig Sinn, von subjektiven Rechten zu sprechen. Gewiss lassen sich bestimmte Elemente des subjektiven Rechts finden - die Zuordnung zu einer Person, der Schutz gegen die Verletzung durch Dritte. Aber es fehlt sowohl der Bezug dieser Zuordnung zu einem objektiven umfassenden Recht, in dem der Begriff des subjektiven Rechts erst Bedeutung erlangt, als auch das Verhältnis der Zuordnung zu anderen Personen. Das gilt gerade auch für die Zuordnung von Personen. Natürlich hatte diese auf den ersten Blick einen personalen Aspekt und sah einem persönlichen Recht, einem Anspruch ähnlich. Aber gerade sie unterschied sich fundamental vom subjektiven persönlichen Recht moderner Prägung. Die Zuordnung der Person mochte das Ergebnis davon sein, dass diese eine ihr obliegende Verpflichtung missachtet hatte. In der folgenden Verhaftung der Person war aber ihr Charakter als Person eben genommen, war sie nur noch Objekt, nicht Subjekt des Rechts.
Α. Die Grundlagen des ius ad rem
103
b) Dreipolige Zuordnung Das römische Recht ging nun über diese frühe zweipolige Form der Zuordnung dadurch hinaus, dass es einerseits die actio in rem zum Teil als Verfahren gegen eine Person ausgestaltete, andererseits die actio in personam als inhaltlich auf Geld gerichtet ansah. Actio in rem und actio in personam verloren damit schon hier teilweise ihre Gegensätzlichkeit. Beide bezogen sich nun sowohl auf Personen als auch auf Sachen. Die actio in rem bewirkte die Zuordnung einer bestimmten Sache gegenüber allen Dritten (obwohl in der Regel nur eine bestimmte Person, der Prätendent, im Prozeß relevant wurde). Das zeigt sich darin, dass sie faktisch der Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine andere Person diente. Die Berechtigung an der Sache und das Recht gegen dessen Besitzer waren hier also untrennbar miteinander verknüpft. Wichtiger noch war der Wandel für die actio in personam. Für sie ergab sich schon in frühester Zeit ein Funktionswechsel des personalen Bezugs. War die Person anfangs noch tatsächliches Haftungsobjekt gewesen, dem Kläger zugeordnet wie eine Sache, so wurde sie nunmehr zum Subjekt, zum formal gleichgeordneten Rechtsteilnehmer. Den Part des Objekts übernahm das Vermögen des Schuldners, das ausschließliches Haftungsobjekt wurde. Damit war aber auch die actio in personam sowohl auf die Person als Subjekt als auch auf deren Sachen als Objekt bezogen. Actio in personam bezeichnete nicht mehr den Zugriff auf die Person, sondern nur noch auf deren Vermögen. Der Unterschied zwischen beiden actiones lässt sich formal in der Anordnung von Person und Sachen innerhalb der Zuordnung darstellen. Die actio in rem vermittelte eine Beziehung über die Sache zur Person, die actio in personam andererseits über die Person zu ihren Sachen279. Aber dieser Unterschied war ein ganz anderer als der kategorische Unterschied der Frühformen. Beide Zuordnungen waren nun dadurch bestimmt, dass sie Person und Sache umfassten. Dabei war letzten Endes immer die Person das Rechtssubjekt, die Sache dagegen das Objekt. So äußerte sich letztlich auch die actio in rem als Beziehung zwischen Personen in Bezug auf eine Sache, nämlich als Herausgabeklage. Der Unterschied war hiernach nur noch folgender: Die actio in rem war auf eine bestimmte Sache gerichtet, die actio in personam dagegen auf das gesamte Vermögen des Schuldners als Haftungsobjekt.
c) Zuordnung und Naturalvollstreckung Eben an dieser Stelle wurde nun die Naturalvollstreckung relevant, soweit sie sich auf Sachen bezieht. Im germanischen Recht bereitete sie keine Schwierigkeit: der Käufer hatte durch den Kaufvertrag bereits eine dingliche Position erlangt und konnte aus dieser heraus die Naturalexekution erwirken. Im römischen 2
79 Ebenso zur heutigen Dogmatik Wilhelm, Sachenrecht Rn. 18.
2. Kap.: Geschichte
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Recht dagegen, wo das Schuldrecht eine größere Rolle spielte, war der Grundsatz der Geldkondemnation fragwürdig geworden. Wenn die actio in personam ohnehin auf die Sachen des Schuldners als Haftungsobjekt gerichtet war, warum dann nicht auch gleich auf die Sache, die der Schuldner konkret schuldete? Die Zulassung der Vermögenshaftung hatte also die Zulassung der Realexekution als naheliegende Folge. Damit war aber der Weg frei für die umgekehrte Folgerung aus der Vollstreckung auf die Form der actio: Dort, wo der Gläubiger Herausgabe der bestimmten Sache selbst erwirken konnte, hatte er eine dingliche Rechtsposition280. Genau das war die Folgerung, die das Vulgarrecht zog, indem es alle auf bestimmte Sachen bezogenen Klagen als actiones in rem betrachtete und behandelte. Wenn nun Iustinian einerseits diesen Schritt wieder zurücknahm, andererseits aber die Naturalexekution bei auf dare gerichteten Obligationen zuließ, war das insofern eine Inkonsequenz. Die klassische Trennung von actio in personam und actio in rem bestand formal fort, inhaltlich war sie aber ihrer Grundlagen beraubt.
3. Das römisch-rechtliche Traditionsprinzip als Modell für das europäische Privatrecht? Benke hat kürzlich die Traditio des römischen Rechts als das zentrale Modell privatrechtlicher Vermögensübertragung bezeichnet und ihre Eignung für das moderne Recht ausdrücklich mit ihrer Herkunft aus dem römischen Recht begründet 281 . Dieser These (nicht notwendig dem Traditionsprinzip als solchem) ist aus drei Gründen zu widersprechen. a) Die traditio
zwischen Vertrag
und Ergreifungsakt
Richtig ist, dass das römische Recht weiter entwickelt war als das germanische und daher den formalen Charakter überwinden konnte. Die traditio war ein im wesentlichen von Formen entkleideter Übertragungsakt. Nicht überwunden war damit das Erfordernis, dass der Erwerber die Sache ergreifen musste, weil das Eigentum des Erwerbers als ein neu entstandenes gedacht wurde 282. Eigentumserwerb geschah nicht durch Rechtsgeschäft, sondern war auch beim Kauf gesetzlicher Erwerb 283 . Insofern stand auch der Eigentumserwerb durch traditio den Formen originären Eigentumserwerbs nahe - der usucapio (Ersitzung) 284, aber vor allem auch 280 So die These von Ziebarth; unten S. 165-167. 281 Benke, in: GS Hofmeister 31-42. 282 Käser, Römisches Privatrecht I 2 § 54 III 1 (S. 223). 283 Meylan, in: FS Riese 423: „un effet de la loi". 284 Meylan, in: FS Riese 423 (432) meint, aller Rechtserwerb sei im ursprünglichen römischen Recht durch usucapio vonstatten gegangen.
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der occupatio285, dem Erwerb des Eigentums an herrenlosen Sachen durch Ergreifung. Eine Unterscheidung zwischen derivativem und originärem Erwerb traf erst viel später die Naturrechtslehre 286. Wenn man daher in der traditio ein zweiseitiges Rechtsgeschäft sieht 287 , wird das dem römischen Denken nicht gerecht, das wie bei mancipatio und in iure cessio hauptsächlich auf den Ergreifungsakt und damit auf den Erwerber abstellte. Die Duldung durch den Veräußerer war zwar nötig, um den Vorwurf des Diebstahls zu entkräften 288, aber dem Ergreifen untergeordnet. Die Einordnung der Traditio als Vertrag, wie sie insbesondere seit Savigny vertreten wird und den dinglichen Vertrag des § 929 S. 1 BGB maßgeblich geprägt hat, ist damit für das klassische römische Recht zumindest irreführend, wahrscheinlich falsch 289. Zwar mag man aus modernem Blickwinkel Rudimente eines Vertrages darin sehen können, dass an ihr (wie schon an mancipatio und in iure cessio) Veräußerer und Erwerber beteiligt waren und die traditio als ganze wie der Kauf ein zweiseitiger Akt war 290 . Besitzaufgabe und Besitzerwerb standen natürlich in einem inneren Zusammenhang, insofern war die traditio nicht das gleiche wie derelictio und occupatio291, also Aufgabe und Aneignung. Aber der innere Zusammenhang ändert nichts daran, dass es sich nicht um ein wirklich einheitliches Geschäft handelte: das Eigentum wurde nicht übertragen, sondern ging beim Veräußerer unter und entstand beim Erwerber neu. Als echten Vertrag haben die Römer die traditio sicher nicht verstanden, und eine solche Einordnung erscheint daher nicht adäquat.
b) Die Grundlage des Traditionsprinzips Eine wertende Begründung für das Traditionsprinzip ist ursprünglich bei den Römern selbst nicht zu finden 292, das Corpus Iuris hielt es für ein naturrechtliches Prinzip 293 . In der modernen Literatur ist umstritten, warum für die Römer dieses Prinzip so selbstverständlich war. Nach einigen entspringt das Erfordernis der Ergreifung magischen Ideen frühen Rechts, wonach erst durch Berührung einer Sache Macht über sie erlangt werden kann 294 ; nach einer anderen, rationaleren Erklä285 Vgl. Savigny, Besitz7 33 f. 286 de Francisci, Trasferimento della proprietà 11, 83 ff.; Käser SavZ/Rom 74 (1957) 433 (435). 287 Benke, in: GS Hofmeister 31 (33). 288 Dig. 41.2.5. 289 de Francisci, Trasferimento della proprietà (passim); Haag Molkenteller, These 66; jeweils m.w.N; vgl. auch Benke, in: GS Hofmeister, 30 (35): „Figur sui generis" - keine Einordnung, die weiterhilft. 290 Käser SavZ/Rom 74 (1957) 433 (436 f.); vgl. auch Lange, Kausales Element 21-30. 291 Vgl. Lange, Kausales Element 22-24. 292 Gordon, Studies 2. 293 Inst. 2.1.40; vgl. auch schon Gai. Inst. 2.65.
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rung lässt es sich auf platonisch-aristotelische Grundsätze zurückführen 295. Beide diese Erklärungen stimmen insofern überein, als sie die Begründung für das Traditionsprinzip auf eine metaphysische Ebene verlagern. Dem modernen Rechtsverständnis, das rechtliche Institute wertend begründet, entspricht dieser Ansatz nicht. Wenn daher das Traditionsprinzip durch den Hinweis auf das römische Recht legitimiert werden soll, so muss man entweder gleichzeitig behaupten, dass auch dem römischen Recht solche wertenden Begründungen zu Grund gelegen hätten, oder man ersetzt eine solche Begründung selbst durch den Hinweis auf die Herkunft. Beides sind keine starken Legitimationsansätze. c) Die Aufweichung durch das Besitzkonstitut Schließlich kommt hinzu, dass das römische Recht selbst sein Traditionsprinzip als Übergabeprinzip gar nicht strikt durchhielt. Wenn das Traditionsprinzip bzw. das Erfordernis der Ergreifung metaphysischen Ursprungs war und nicht einem äußeren Zweck diente, so ist auch seine weitgehende Aufweichung durch die Zulassung der traditio ficta verständlich. Das Traditionsprinzip wurde, bis auf eine Zwischenphase in der nachklassischen Zeit, als solches nie aufgegeben. Aber seine Voraussetzung wurde immer weiter umdefiniert, bis sie auch durch bloßen Vertrag, bzw. mehrere Verträge, erfüllt werden konnte. Das Ergreifen der Sache konnte durch vertragliche Vereinbarungen fingiert werden. Dadurch war es einerseits möglich, konsensual über eine Sache zu verfügen - darin lag die Aufrechterhaltung des Traditionsprinzips bei tatsächlicher Ersetzung durch das Konsensprinzip296. Andererseits aber machte eben diese Möglichkeit das umständliche Traditionsprinzip handhabbar - das Ergreifenserfordernis störte den Handelsverkehr nicht mehr. In modernen Rechtfertigungen des Traditionsprinzips wird nun diese Aufweichung häufig ignoriert oder allenfalls beiläufig erwähnt. Aber ein strenges Traditionsprinzip, das die Aufweichungen nicht zulässt, kann sich nicht auf das klassische römische Recht stützen; ein laxeres, das sie erlaubt, muss begründen, warum nicht etwa die Übereignung mittels Besitzkonstituts durch eine Übereignung mittels Vertrags ersetzt werden kann. Eine allgemeine Berufung auf das römisch-rechtliche Traditionsprinzip ist ein schwaches Argument für das geltende Recht.
294 Olivecrona, Acquisition; Hägerström SavZ/Rom 63 (1943) 268 (274 f.). 295 Sokolowski, Besitz 150 f., 218. 296 Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900) 1 (4); Süß, in: FS Wolff 141 (146).
. Die E n t u n g des ius ad rem
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B. Die Entstehung des ius ad rem Das Mittelalter rezipierte auf verschiedenen Wegen das römische Recht und verband es mit dem geltenden Recht, das häufig auch germanisch-rechtlich geprägt war. Die für die Themen dieser Arbeit wichtigste Entwicklung war dabei das Aufkommen des ius ad rem, das als Figur sowohl dem römischen als auch dem germanischen Recht fremd war. Dabei hat sich eine intensive Diskussion um den Ursprung des Begriffs entsponnen. Nicht durchsetzen konnte sich die Ansicht, das ius ad rem stamme von den Glossatoren her 297 . Für wahrscheinlicher hält man die Herkunft aus der Kanonistik298 oder aus dem Lehnrecht299; vertreten wird auch eine unabhängige Parallelentwicklung300 oder eine gemeinsame Entwicklung301. Diese isolierte Frage nach dem Ursprung des Begriffs kann hier als rein rechtshistorische offen bleiben, für das geltende Recht ist sie wenig relevant 302. Viel wichtiger ist die Erkenntnis, dass in allen als Ursprung genannten Bereichen die gleiche Entwicklung zu beobachten ist: Erst kam es, offenbar vom klassischen römischen Recht weitgehend unbeeinflusst, zu einer bestimmten konkreten Regelung, die dann, beim Versuch einer Klassifizierung durch römisch-rechtliche Begriffe, Schwierigkeiten bereitete und zum Begriff ius ad rem führte (der spätere Versuche, dieses ius ad rem seinerseits wiederum zu klassifizieren, nicht hinderte). Die Tatsache, dass in verschiedenen Rechtsbereichen der Begriff auftaucht, verweist dabei darauf, dass die ihm zugrundeliegende Wertung jedenfalls zu jener Zeit einem allgemein geteilten Rechtsempfinden entsprach303.
297 Josef Kohler ArchBürgR 18 (1900) 1 (64); Meijers, Etudes IV 175 (177, 188); tendenziell („Andeutung") auch v. Brünneck, Ursprung 93; dagegen bereits Landsberg, Glosse 88 f. Vgl. unten S. 120. 298 Gross, Recht an der Pfründe 166-169; Fournier Rev.hist. 14 (1890) 799 (802); Gillmann AKKR 113 (1933) 463 (484 f.); Landau, in: Proceedings III 81 (96 f., 100-102); Ourliac/de Malafosse, Les Biens2 51; Benson, Bishop-Elect 143 Fn. 20; Ogris, Jus ad rem, in: HRG II 490; Feenstra, Ius in re 15; Pugliese, in: Enc.dir. XII 755 (761); Wesener, in: FS Niederländer 195 (197). 299 v. Brünneck, Ursprung 52 f.; Hinschius, Kirchenrecht I I / 2 653 Fn. 5; R. Hübner, Deutsches Privatrecht5 178; Planitz, Grundzüge3 42; Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte5 § 5 III 4 e. 300 Heymann, in: FS Gierke 1167 (1183); Mercier, Jus ad rem 31 f.; Martinez-Cardòs Ruiz Rev.der.priv. 1988, 3 (6). Für germanisch-rechtliche Wurzeln im kirchlichen und weltlichen Recht Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte I 225 Fn. 2. 301 Niebecker, Ius ad rem 25-27. Vgl. zum Zusammenhang zwischen Lehn und Pfründe schon Stutz SavZ/Germ 20 (1899) 213-247. 302 A.A. Heymann, in: FS Gierke 1167 (1169): davon hänge die Entscheidung über das Wesen heutiger Rechtsgebilde ab. 303 Gierke, Deutsches Privatrecht II 611; Niebecker, Ius ad rem 22 f.
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Ι . Das ius ad rem im Kirchen- und Lehnrecht 1. Kanonisches Recht a) Dekretalrecht Im kanonischen Recht entstammt der Begriff ius ad rem dem Gebiet der Übertragung von Benefizien 304. Sie erfolgte durch verschiedene nacheinanderfolgende Rechtsakte, im wesentlichen die Designation oder Elektion durch den Patron und die Einsetzung (collatio) durch den besetzungsberechtigten Oberen, etwa den Bischof 305. Erst die Einsetzung gab das „Vollrecht" 306; bereits durch die Wahl hatte der Gewählte aber „aliquid iuris" 307 , das später so genannte ius ad rem 308 . Dieses wurde nicht als Teil des Vollrechts verstanden, sondern als Recht eigener Art 3 0 9 . In der Entwicklung dieses „aliquid iuris" sind im Dekretalrecht (also den päpstlichen Rechtssprüchen) drei Stufen zu unterscheiden. Zunächst war es schwach: Sein Recht mit Zwang durchsetzen konnte der Gewählte nicht 310 , wohl weil das den kirchlichen Verhältnissen nicht angemessen gewesen wäre 311 . Auch die dem Doppelverkauf entsprechende Frage, welcher von zwei Eingesetzten den Vorzug haben solle, beantwortete Papst Alexander ΠΙ. zunächst nach der Priorität von Einsetzung und Besitzeinweisung - melier sit conditio possidentis312. Der Bischof konnte demnach also den zuerst Präsentierten zurückweisen und einen anderen an seiner Statt einsetzen. Eine rechtlich stärkere Stellung kam dem ius ad rem bei Papst Lucius ΠΙ. zu 3 1 3 . War es noch zu keiner Einsetzung gekommen, so war der Bischof gehalten, den 304 Dazu umfassend Benson, Bishop-Elect (bespr. von Landau SavZ/Kan 56 [1970] 448454); kurz auch Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte I 313-316 mit umfangreicher Literatur. 305 Vgl. Hinschius, Kirchenrecht I I / 2 649-652 (auch zu abweichenden Formen und Bezeichnungen); Friedberg, Kirchenrecht6 354 f. Zum ius ad rem insoweit Hinschius a. a. O. 653 mit Fn. 4 sowie 653 f. Fn. 8 für Einzelfalle. 3