Sachgerechtes Wirtschaften: Sechs Vorlesungen. Neu Hrsg. Von Gerhard Merk (DTV Premium) (German Edition) 342806500X, 9783428065004

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German Pages 166 [168] Year 1988

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Sachgerechtes Wirtschaften: Sechs Vorlesungen. Neu Hrsg. Von Gerhard Merk (DTV Premium) (German Edition)
 342806500X, 9783428065004

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Johann Heinrich Jung-Stilling

Sachgerechtes Wirtschaften

HEINRICH JUNG Stich von Johann Heinrich Lips ISO I

3o~ann .Peinric~ 3ung~6tiUing

Sechs Vorlesungen

~euherausgegeben

von

Dr. Gerhard Merk

Universitätsprofessor in Siegen

Duncker & Humblot · Hertin

Schriften der

J. G. Herder-Bibliothek Siegerland e. V. Band 20

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Jung-Stilling, Johann Heinrich:

Sachgerechtes Wirtschaften: 6 Vorlesungen I Johann Heinrich Jung-Stilling. Neu hrsg. von Gerhard Merk.- Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 ISBN 3-428-06500-X

Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Werksatz Marschall, Berlin 45 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed·in Germany ISBN 3-428-06500-X

Das Erscheinen dieses Werkes wurde durch die Spenden der folgenden, der Person und dem Werk von

Johann Heinrich Jung-Stilling in besonderer Weise verbundenen Persönlichkeiten, Firmen und Institutionen ermöglicht: Commerzbank, Filiale Siegen, Siegen Herr Fabrikant Hans Flender, Rudolf Flender GmbH & Co. KG, Siegen Herr Dr. h. c. Johannes Gross, Herausgeber von "Capital" und "Impulse", Köln Herr Geschäftsführer Diplom-Volkswirt Franz Becker, Kaiser & Kellermann, Kirchhundem-Welschen Ennest, Kreis Olpe Herr Geschäftsführer Diplom-Kaufmann Reinhard Krückemeyer, Reinhard Krückemeyer KG, Wilnsdorf, Kreis Siegen-Wittgenstein Herr Geschäftsführer Rudolf Lixfeld, Carl Lixfeld GmbH & Co. KG, Siegen-Weidenau Herr Geschäftsführer Günter Inacker, Josef Müller KG, Siegen-Sohlbach Herr Geschäftsführer Johannes Ross, Ross GmbH, Wilnsdorf, Kreis Siegen-Wittgenstein Frau Doris Schäfer, Neunkirchen-Salchendorf, Kreis Siegen-Wittgenstein Herr Geschäftsführer Arnold Schäfer, Leopold Schäfer GmbH, Neunkirchen-Salchendorf, Kreis Siegen-Wittgenstein Herr Pfarrer Erich Schmidt, Reichshof-Eckenhagen, Oberhergiseher Kreis 5

Herr Fabrikant Diplom-Ingenieur Paul Schmidt, Tracto-Technik Paul Schmidt Maschinenfabrik KG, Lennestadt-Saalhausen, Kreis Olpe Verein zur Förderung des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften an der Universität- Gesamthochschule- Siegen, Siegen Herr Fabrikant Günther Weber, Weber Maschinentechnik GmbH, Bad Laasphe-Rückershausen, Kreis Siegen-Wittgenstein Seine Durchlaucht Fürst Otto Friedrich zu Ysenburg und Büdingen, Büdingen, Wetteraukreis

Inhalt Vorwort ........................................ .

9

Ziele und Mittel der Gewerbepolitik ................... .

17

Leitlinien erfolgreicher Wohlstandsmehrung ............. .

42

Vom richtigen Fabrikstandort ........................ .

63

Allgemeines und Besonderes in der Landwirtschaft ........ .

91

Vom Speiseölmarkt ................................ .

117

Beispielhafter Weg eines Pionier-Unternehmers

138

Im Anmerkungsteil mit Kurztitel zitierte Werke

162

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort 1. Kindheit und Jugend von Jung-Stilling ( 1) J ohann Heinrich J ung-Stilling ( 1740-1817) wurde im Dorfe Grund in dem ehemaligen Fürstentum Nassau-Siegen geboren. Der Ort ist heute Teil der Stadt Hilchenbach, Kreis Siegen-Wittgenstein im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Die Mutter starb knapp zwei Jahre nach seiner Geburt. Der hochbegabte, phantasievolle und schon sehr früh geistig entwickelte Knabe half beizeiten zu Hause. Der Großvater betrieb neben einer kleinen Landwirtschaft eine Holzkohlenbrennerei im Walde. Der Vater war Schneider und Schulmeister. Er bildete sein einziges Kind nach besonderem Erziehungsplan.

(2) Durch gelebte Religiosität in der Großfamilie und durch vom Vater gesteuerte Lektüre faßte Jung-Stilling fest Wurzel im christlichen Glauben reformierter Konfession. Zeitlebens fühlte er sich als ,,Stilling": als einer jener "Stillen", die sich ob ihrer geistlichen Einfalt und ihrer gesellschaftlichen Stellung im unteren Handwerkerstand Jesus und den Aposteln besonders nahe verwandt fühlten. Eine tiefgründig eingewurzelte Abneigung gegenüber "hochgeborenen", vornehmen Herren schimmert selbst noch beim greisen Jung-Stilling durch. (3) Gern wäre der Knabe Pfarrer geworden. Aber die Vermögensverhältnisse der Familie ließen eine über den knapp fünfjährigen Besuch der Lateinschule in Hilchenbach hinausgehende höhere Ausbildung nicht zu. So lernte er beim Vater das Schneiderhandwerk und die Knopfmacherei. (4) Der technisch erfinderische Patenonkel betätigte sich nebenbei als Landmesser. Hin und wieder halfen ihm dabei der Bruder und dessen Sohn. So kam Jung-Stilling früh mit der Geodäsie und der Mathematik in Berührung. Bis zu seinem 35. Altersjahr glaubte er, hierin seinen eigentlichen Beruf zu sehen. 9

Mit Unterstützung der Kurpfälzischen Akademie der Wissenschaften zu Mannheim arbeitete Jung-Stillingjahrelang an einem Vermessungsgerät Es sollte bei der Landesaufnahme der Pfalz eingesetzt werden. Jung-Stilling hoffte gar, daß ihm die Oberleitung dieser Arbeiten übertragen werde. (5) Die Wahl desjungen Schneiders zum Schulmeister in Dörfern seiner engeren Heimat brachte ihm stets nur eine Anstellung für kurze Zeit. Auch als Hauslehrer hatte er wenig Erfolg. So zog er mit 22 Jahren als Handwerksbursche in das seinem Vaterland angrenzende Herzogtum Berg. Dieses gehörte damals zum Gebiet des Kurfürsten Kar/ Theodor von der Pfalz. Der Hof befand sich in Mannheim. In der hergiseben Hauptstadt Düsseldorf war seit 1716 nur noch eine Statthalterschaft. 2. Studium und Berufstätigkeiten von Jung-Stilling (6) Jung-Stilling blieb für sieben Jahre in Kräwinklerbrücke (heute Ortsteil der Stadt Remscheid, Bundesland NordrheinWestfalen). Er stieg dort bald zur rechten Hand eines bedeutenden Industriellen und Handelsmannes auf. In der nachfolgenden Abhandlung über Pionierunternehmer schildert Jung-Stilling die Geschichte dieses Hauses. Hier lernte er alle Sparten der Produktion, der Betriebsführung und des Handels kennen. Daneben fand Jung-Stilling auch Zeit, sich vertiefend mit Sprachen, Philosophie, Naturwissenschaften und Medizin zu beschäftigen. (7) Danach studierte Jung-Stilling drei Semester lang in Straßburg Heilkunde und promovierte zum Doktor der ArzneigelehrtbeiL Aufgrund seiner ansehnlichen Vorkenntnisse wurde der bereits 30jährige Student gleich zur Klinik zugelassen. Er übernahm für den zuständigen Professor dazu noch die Grundvorlesung in Chemie und hielt ein Repetitorium in Philosophie. Daneben befaßte er sich aber auch noch mit Mechanik, Geodäsie und Literatur. (8) In Straßburg befreundete sich Jung-Stilling mit Goethe. Dieser widmet ihm in "Dichtung und Wahrheit" eine achtungsvolle, herzliche Charakterschilderung. Er war es auch, der den

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ersten Teil der Lebensgeschichte von Jung-Stilling zum Druck beförderte. Bis heute blieb dieses Werk ein Bestseller. Es wurde in viele Sprachen übersetzt. (9) Gleich nach Abschluß seines Studiums ließ sich Jung-Stilling für sieben Jahre als praktischer Arzt und Geburtshelfer in Wuppertal-Elberfeld nieder. Allerdings vermochte ihn seine Praxis kaum zu ernähren. Denn die Kollegen bedienten die wohlhabenderen Schichten, und Jung-Stilling blieben die (meist zahlungsunfahigen) Armen. Auch widersprach es seiner Veranlagung und Gemütsart, berechtigte Honoraransprüche zu mahnen und Außenstände gehörig einzufordern. - Regelmäßige Vorlesungen für medizinisches Hilfspersonal machten ihm zwar Freude, sie brachten ihm aber kein Geld ein. Auf seinen Vorschlag, in Elberfeld eine entsprechende Fachhochschule zu gründen, ging man bei Hofe zu Mannheim nicht ein. ( 10) Von einem Freund seines Patenonkels hatte Jung-Stilling 1768 ein Manuskript über Augenheilkunde erhalten. Die Ophthalmologie war damals noch kein eigenes Fachgebiet der Medizin; den Augenarzt kannte man noch nicht. Während seines Studiums in Straßburg erweiterte Jung-Stilling seine ophthalmologischen Kenntnisse. Er entwickelte sich bald zu einem der bekanntesten Augenchirurgen seiner Zeit. Bis ins hohe Alter umrangen ihn Augenkranke, wo immer er sich zeigte. Gut 2000 Menschen befreite er durch Operation aus der Blindheit. Ein Entgelt forderte er nicht. ( 11) In Kaiserslautern war 1770 eine technisch-ökonomische Studiengesellschaft gegründet worden. Mit Unterstützung des Kurfürsten Kar/ Theodor erwuchs aus ihr eine Verwaltungs- und Wirtschaftshochschule. Jung-Stilling hatte durch gediegene Beiträge in der Zeitschrift dieser Gesellschaft von sich reden gemacht. Das trug ihm unerwartet die Berufung als Professor für praktische Kameralwissenschaften an die Kamera! Hohe Schule in Kaiserslautern ein. Im Winter 1778 trat er sein neues Amt an. (12) Mit Eifer, Umsicht und Fleiß widmete sich Jung-Stilling in der Folge seinem neuen Aufgabenkreis. Er verfaßte zahlreiche Lehrbücher, schrieb Fachartikel und hielt öffentliche Vorträge. Die Kamera! Hohe Schule wurde 1784 als Staatswirtschafts 11

Hohe Schule der Universität Beideiberg angegliedert. Jung-Stilling (er wurde in diesem Jahr auch zum Kurpfälzischen Hofrat ernannt) zog mit nach Heidelberg. Aber schon 1787 nahm er einen ehrenvollen Ruf als Professor für Ökonomie nach Marburg an. Hier wirkte er während einer Zeit äußerst widriger Umstände (Französische Revolution, Koalitionskriege) bis zum Jahre 1803. (13) Gebietsveränderung im Gefolge der Koalitionskriege ließen im Südwesten das Großherzogtum Baden mit der Hauptstadt Karlsruhe entstehen. Der Herrscher dieses Gebietes war in vielem Jung-Stilling geistesverwandt. Kar/ Friedrich von Baden hatte sogar zwei volkswirtschaftliche Lehrbücher (in französischer Sprache) verfaßt. Er berief Jung-Stilling nach Baden. Bis zu seinem Tode hatte Jung-Stilling das Amt eines Geheimen Hofrats in Geistlichen Sachen inne. Er konnte sich dabei nun ganz dem Bücherschreiben und Reisen zu den Augenkranken widmen.

3. Jung-Stilling als Familienvater ( 14) Jung-Stilling hatte sich 1771 mit der an Epilepsie leidenden und lebensuntüchtigen Tochter eines Kleinunternehmers der Textilbranche in Wuppertal-Ronsdorf verheiratet. Der Schwiegervater trug wesentlich zu den Studienkosten in Straßburg bei. Er leistete auch lange Jahre Zuschüsse zum Haushalt des Paares. Christine Heyder verschied 1781 in Kaiserslautern und hinterließ zwei Kinder. (15) Schon 1782 heiratete Jung-Stilling die kluge, wendige und sparsame Selma von St. George. Nach nur acht Ehejahren starb auch sie in Marburg. Eine Tochter überlebte aus dieser Verbindung. (16) Erneut vermählte sich Jung-Stilling 1790 mit der tatkräftigen, gebildeten und glaubensstarken Tochter eines Kollegen der theologischen Fakultät, Else Coing. Im dritten Ehejahr überfiel sie eine schmerzhafte Körperkrümmung, die nicht mehr geheilt werden konnte. Sie entschlief nur zwei Wochen vor JungStillings Tod 1817. Aus der dritten Ehe überlebten zwei Kinder. 12

Sieben Kinder von Jung-Stilling waren ihm im Tode bereits vorausgegangen. 4. Jung-Stilling als Wissenschaftler (17) Jung-Stilling ist in allen Disziplinen ein auf das Zweckmäßige, Brauchbare, Taugliche ausgerichteter Praktiker - weniger ein tiefschürfender, Neues entdeckenwollender Grübler. Weitläufige Begriffsbestimmungen waren ihm ebenso zuwider wie breite theoretische Abhandlungen. Er kennzeichnet beides als "ekelhaft". Das heißt aber nicht, daß Jung-Stilling oberflächlich dachte und schrieb - ganz im Gegenteil! Er verabscheute lediglich die Mode damaliger (und heutiger!) Wissenschaftler, bei jedem Gegenstand bis zum Letzten zurückzugehen, anstatt die gestellte Aufgabe zügig einer Lösung zuzuführen. (18) Kennzeichnend ist ferner für ihn, daß er sich nirgendwo einer wissenschaftlichen Denkrichtung oder Schule rückhaltslos anschloß. Dazu hatte er aufgrundseines ihm eigenen Selbstbewußtseins weder das Bedürfnis, noch verspürte er als Autodidakt dazu Neigung. Als Ökonom, Theologe, Mediziner- ja auch als Literat!- griff er jeweils solche Elemente auf, die ihm geeignet und verwendbar erschienen. Diese verwob er zu einem für ihn passenden und bloß ihm eigentümlichen neuen Ganzen. 5. Jung-Stilling als Ökonom (19) Aufgrund dessen ist es unmöglich, Jung-Stilling einer volkswirtschaftlichen Schule zuzurechnen. Er war weder Physiokrat, noch Merkantilist, noch Vertreter der zu seiner Zeit aufkeimenden englischen Klassik. Unzutreffend ist auch die bis heute beharrlich übernommene Etikettierung von Jung-Stilling als "später absolutistischer Eklektiker" durch Wilhelm Rascher. Was immer man auch unter "Eklektiker" verstehen mag (das Wort ist Ausdruck vieler Begriffe): die Beifügung "absolutistisch" ist völlig falsch. (20) Jung-Stilling sieht im dauerhaften Wohlstand das Ziel aller volkswirtschaftlichen Bemühungen. Dem Wohlstand als 13

Besitz und Genuß ökonomischer Güter folgen dann von selbst auch Bildung, Verfeinerung der Sitten und edlere Lebensart. Dauerhafter Wohlstand eines Staates kann sich aber bloß auf Rohstoffe im eigenen Land gründen. Diese liefern die Landwirtschaft und der Bergbau. Jung-Stilling sucht nach den Bedingungen, bei denen sich diesen ein verarbeitendes Gewerbe anschließt. Er überlegt ferner, wie ein solches Gewerbe in Form von Klein-, Mittel- und Großbetrieben technisch leistungsfahig gemacht und erhalten werden könne. Die Leistungsfähigkeit ist wiederum Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit. JungStilling entwickelt hier bis ins einzelne gehende absatzpolitische Richtlinien. (21) In heutiger Sprache ausgedrückt, ist es Jung-Stilling um Entwicklungspolitik zu tun. Er möchte die ökonomisch und kulturell unterentwickelten Gegenden Deutschlands "in Flor" bringen. Was er dabei aber nicht beabsichtigt, sind allgemein gültige Regeln. Gleichwohl finden sich bei Jung-Stilling viele Aussagen, die über Zeit und Raum Gültigkeit beanspruchen können. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, daß sich viele seiner Aussagen "modern" anhören. (22) Klar und deutlich spricht Jung-Stilling aus, was einer zielleitenden Wirtschaftspolitik(= Gewerbepolizei) vor allem im Wege steht. Man wird in den folgenden Beiträgen fünf solcher Hemmnisse genauer beschrieben finden. Erstens: Unwissenheit und Größenwahn von Ökonomen. Projektanten beginnen aus mangelnder Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten mit aussichtslosen Vorhaben. Damit bringen sie die Wirtschaftspolitik überhaupt in Verruf. Zweitens: Unwissenheit der Juristen. Diese besetzen die staatlichen Verwaltungsstellen. Allein, sie vermögen aufgrundihrer Sachunkunde weder die angemessenen Ziele noch die richtigen Mittel zu erkennen. Drittens: Hofschranzen und Ränkeschmiede. Sie drängen sich an den Fürsten und seine Minister. Entweder empfehlen sie eigensüchtige, aber volkswirtschaftlich törichte Unterfangen, oder sie bringen gute Vorhaben zu Fall. Viertens: Schlendrian. Jung-Stilling versteht unter "Schlendrianisten" beschränkte, nur auf Routinearbeit festgelegte und allem Neuen gegenüber verschlossene Menschen - vom Minister bis zum Handwerker und Bauer. Fünftens und 14

vor allem: Befehle von oben, Gesetzesdruck und Verordnungsflut. Wirtschaftspolitik soll sich - in heutiger Sprache ausgedrückt- auf das Setzen von Rahmenbedingungen beschränken. Die einzelnen Wirtschaftssubjekte wissen sehr wohl (dazu auch noch viel besser als die "hohen Herren"), wo ihr Vorteilliegt und wo nicht. Jung-Stilling ist entschiedener Verfechter der menschlichen Selbstbestimmung in ökonomischen Angelegenheiten, wie er auch religiösen und politischen Zwang mißbilligt.

6. Vielgeleisigkeit von Jung-Stilling

(23) Die gedrängte Lebensbeschreibung von Jung-Stilling darf nicht die Meinung aufkommen lassen, als sei dieser zunächst Handwerker, dann technischer Betriebswirt, dann Arzt, dann Theologe, dann Literat, dann Ökonom und schließlich religiöser Volksschriftsteller gewesen. Er vereinigte vielmehr zeit seines Lebens alle diese Berufe gleichzeitig in sich. (24) Deshalb findet man auch seine ökonomischen Bücher und Artikel immer wieder vor allem mit philosophischen, historischen und theologischen Anmerkungen durchsetzt. Auch längere Abschweifungen in diese Gebiete sind keine Seltenheit. Häufig unterbrechen sie gar den leitenden Hauptgedanken. Gerade das jedoch macht das Eigentümliche von Jung-Stilling aus.

7. Zur nachfolgenden Sammlung

(25) Freilich sind die wissenschaftlichen Schriften von JungStilling zumeist stilistisch unschön. Ausgedehnte, verwickelt zusammengesetzte Satzgefüge in langen, gestreckten Abschnitten sind die Regel. Dabei ist jedoch die Sprache frisch und lebendig und der Ausdruck fast immer treffend. - In den folgenden Beiträgen wurden allzu weitläufige Satzgebilde vorsichtig getrennt. Die Rechtschreibung folgt durchgehends den jetzt gültigen Regeln. Einige aus dem Gebrauch gekommene oder heute mißverständliche Wörter sind behutsam ersetzt. Auch wurden an einigen Stellen unschöne oder weniger passende Ausdrücke,

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Satzkonstruktionen und Wiederholungen stillschweigend verbessert. Die Abschnitte finden sich allenthalben gekürzt, neu gegliedert und mit passenden Zwischenüberschriften versehen. Diese Überarbeitung kommt sicherlich einer besseren Lesbarkeit des Textes zugute. Denn der Gedankengang von Jung-Stilling soll ja hier vorgestellt werden. Für Liebhaber des Originals ist die Quelle jeweils genau angegeben. (26) Manches von dem, was Jung-Stilling in den nachfolgenden Vorlesungen darlegt, ist auch in unserer Zeit noch immer beherzigenswert. Anderes scheint vergessen, sollte aber doch wieder in Erinnerung gerufen werden. Schließlich kommt auch etliches zur Sprache, was heute überholt ist. Hier bleibt es immer reizvoll und gewinnbringend, die heutige, neue Regelung mit der damaligen, alten zu vergleichen. Dies stärkt das Verstehen unserer jetzigen Zeit und trägt sicher auch in vielem zur Zufriedenheit über die Verhältnisse unserer oft gescholtenen Gegenwart bei. (27) Daß diese Vorlesungen neu herausgegeben werden konnten, ist der Hochherzigkeit einer Reihe wohlwollender StillingsFreunde zuzuschreiben. Ihnen sei auch hier nochmals für ihre Freigebigkeit sehr herzlich gedankt. - An weiteren wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten von Jung-Stilling Interessierte seien hingewiesen auf das im gleichen Verlag 1987 erschienene "JungStilling-Lexikon Wirtschaft" mit über 800 Zitaten aus seinen Lehrbüchern. Ferner erschienen hier auch im Spätsommer 1988 unter dem Titel "Wirtschaftslehre und Landeswohlstand" sechs akademische Festreden von Jung-Stilling. Es ist mir ein herzliches Bedürfnis, der Geschäftsführung und der Herstellungsabteilung des Hauses Duncker & Humblot für die beflissentliche und sorgfältige Betreuung auch dieses Werkes meinen Dank zu bekunden. Siegen, im Sommer 1988

Der Herausgeber

Ziele und Mittel der Gewerbepolitik* Gewerbepolizeil nenne ich denjenigen Teil der Gesetzgebung, wodurch der Regent die drei Gewerbe Landwirtschaft, Fabriken und Handlung zum höchsten Wohlstande jedes einzelnen Staatsbürgers, des ganzen Staates und des regierenden Hauses in Flor2 zu bringen sucht. Aus dieser ganz richtigen und der Sache vollkommen angemessenen Erklärung erhellt, wie wichtig dieser Teil der Staatswirtschaft sein müsse. Er ist gleichsam der Pol, um welchen sich das ganze Beglückungsgeschäft dreht. Ist die Gewerbepolizei gut und wird sie richtig ausgeführt, so ist alles andere eine leichte Sache. Der Finanzminister oder Rat kann hernach leicht heben und sammeln, wo etwas zu heben und zu sammeln ist. Auch der Staatswirt hat gut haushalten, wo die Kassen angefüllt sind. A. Inhalt und Umfang der Staatswirtschaft Der Wichtigkeit dieser Wissenschaft ungeachtet, haben wir kein eigentliches ausschließliches Werk über dieselbe. Der eine nimmt allein auf die Landwirtschaft Rücksicht; der andere begnügt sich, Regeln für die Fabriken vorzuschreiben; ein anderer hält nur die Handlung für das NoN PLUs ULTRA 3 der Mittel zur Beglückung. Und bestrebt sich auch ein dritter, alle mit einander zu verbinden, so geschieht es gewöhnlich nicht im genugsamen Bezug auf einander. Der Gesetze werden dann zu viele. Man setzt die Maschine aus vielen Rädern zusammen- und das ist gerade gegen die Natur gehandelt: QuooFIERI PoTEsT PERPAucA&c.,heißt es in dem großen Buche der Schöpfung. 4 Je näher sich aber die Kunst an die Naturgesetze anschließt, desto vollkommener wird sie wirken. Ich habe mich bei meinen bisherigen Vorlesungen über dieses wichtige Fach der Staatswirtschaft des zweiten Bandes des Sonnenfelsischen 2 Jung·Stilling

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Lehrbuches: "Grundsätze der Polizei, Handlung und Finanzwissenschaft'' bedient, welcher die politische Handlung betrifft. 5 Allein, dieses sonst so schöne Buch erschöpft eigentlich nicht alles, was zur Polizei der Gewerbe gehört. Es geht auch zum Teil in die eigentliche Staatswirtschaft über, die wiederum nicht hierher gehört. Ich rechne aber das nicht als einen Fehler an! Der berühmte Verfasser hatte seinen Plan, dem er treu blieb.

I. Vorläufige Begriffsbestimmung Mir deucht aber, der beste Begriff von dem ganzen Systeme, welches ich schon in meiner Grundlehre 6 skizziert habe, sei folgender: Wirtschaft nenne ich die Summe aller Bemühungen, welche ein Erwerber anwendet, um seine Bedürfnisse zu befriedigen und sein Vermögen zu vergrößern. Die Staatswirtschaft ist also die Summe aller Bemühungen, welche die gesetzgebende Gewalt anwendet, um die Bedürfnisse des Staates zu befriedigen und sein Vermögen - das ist: den Wobistand jedes einzelnen Gliedes, mithin dadurch des Ganzen - zu vergrößern. Das Mittel, wodurch jeder einzelne Erwerber seine Bedürfnisse befriedigt und sein Vermögen vergrößert, ist sein Gewerbe, sein Beruf. Folglich: die Quellen, woraus die Staatsbedürfnisse befriedigt werden, sind die drei Gewerbe, nämlich Landwirtschaft, Fabriken und Handlung. Der Staatswirt muß also auch diese Gewerbe gründlich kennen. Sodann geht die Summe seiner Bemühungen dahin, alle Erwerber des Staates glücklich zu machen. Dieses lehrt ihn die allgemeine Polizei. Da aber ein Mensch nicht bloß dadurch glücklich ist, wenn er reich wird, sondern wenn auch die bürgerliche Gesellschaft, in welcher er lebt, wohltätig für ihn ist, so zerfallt die große allgemeine Polizei in zwei Teile: Der erste oder die Gewerbepolizei lehrt, wie man die Gewerbe blühend machen oder beglücken soll; Der andere oder die bürgerliche Polizei hingegen entwirft und führt die Gesetze aus, wodurch jeder Staatsbürger in Beziehung auf das gesellschaftliche Leben oder als Glied der Gesellschaft gebildet, geschützt und beglückt wird.

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Die Summe aller dieser Bemühungen- oder die Staatswirtschaft- hat keinen andern Zweck, als die Staatsbedürfnisse zu befriedigen. Dieses erfordert einen Aufwand, welcher von sämtlichen Erwerbern erhoben werden muß. Dies lehrt die Finanzwissenschaft. Aber nun stoßen wir auf die dunkle Stelle! II. Abgrenzungsfragen Es ist nichts sonnenheller, als daß wir die ganze Summe sämtlicher unserer Wissenschaften, die wir alle zusammen lehren, und die wir sonst die Kameralwissenschaften nannten, mit Grund und mit Gewißheit Staatswirtschaft nennen müssen. Und doch hatten wir immer einen Lehrer, der auf die Polizei-, Finanz- und Staatswirtschaft berufen war. Was ist diese Polizei? Was ist denn nun diese abermalige eigene, besondere Staatswirtschaft? Wenn der Lehrer unter dem Worte Polizei nur die bürgerliche versteht, wo bleibt dann die Gewerbepolizei, dieses ganz vorzügliche Hauptstück der Staatswirtschaft? Daher muß beides miteinander verbunden werden. Die bürgerliche Polizei legt den Grund, und darauf wird hernach die Gewerbepolizei gebaut. Die Finanzwissenschaft hat ihre unstreitigen Grenzen; sie kommt nirgends in Kollision. Aber nun wieder eine Staatswirtschaft, ein einzelner Lehrgang: was ist denn diese für ein Ding? Wir wollen die reineN atur fragen; sie gibt uns bestimmt Antwort. Die Staatswirtschaft, sagte ich vorhin, sei die Summe aller Bemühungen, welche die gesetzgebende Gewalt anwendet, um das Vermögen des Staates zu vergrößern und dann seine Bedürfnisse zu befriedigen. Da nun die Gewerbepolizei das Vermögen vergrößert, die Finanzverwaltung aber der gesetzgebenden Gewalt einen Teil davon zur Befriedigung der Staatsbedürfnisse zueignet, so ist es nichts leichteres als einzusehen, was die eigentliche Staatswirtschaft sagen wolle: sie lehrt nämlich die Befriedigung der Staatsbedürfnisse selbst. 2•

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111. Benennungsfragen Bei dem gemeinen Privat-Erwerberheißen wir das Haushalten und die Haushaltung, welche einen Teil der Wirtschaft ausmacht, wenn wir anders die Wörter im eigentlichsten Sinne nehmen wollen. Man könnte also wohl auch unsere eigentliche Staatswirtschaft Staatshaushaltung nennen. Allein, da dieses Wort schon allgemein mit Staatswirtschaft verwechselt wird, so würde dadurch die Verwirrung nicht gehoben. Was nehmen wir also für ein Wort? Dies wird durch eine andere Frage richtig entschieden. Was heißt bei dem gemeinen Erwerber haushalten? Sein erworbenes Vermögen wohl anwenden; also: bei dem Regenten? Den ganzen erhobenen Staats-Ertrag aufs beste anwenden. Das ist: die gesamten Bedürfnisse des Staates vollkommen und auf das fruchtbarste befriedigen. Folglich wird sie am eigentlichsten die angewandte Staatswirtschaft genannt. Diese Wissenschaft lehrt also alle Pflichten, welche die gesetzgebende Gewalt in Ansehung des Beglückungsgeschäftes zu erfüllen hat, und zwar in allgemeinen Heischesätzen, so daß sie gleichsam zur Grundlage der Gesetzgebung -ja ich mag wohl sagen - der ganzen Regierung wird. Denn weil alles, was dahin gehört, Staatsbedürfnis ist, das doch aus dem Schatze7 bestritten werden muß, so muß auch alles aus den Grundsätzen der Staatswirtschaft hergeleitet werden. Sehen Sie: dies ist das ganze reine und lautere System der Staatswirtschaft! Jetzt ist jede ihrer Wissenschaften bestimmt, jede kennt ihre Grenzen, folglich auch die Gewerbepolizei. Ich will meinem Zwecke gemäß das Wesentlichste derselben hier auszeichnen und ihr ganzes Lehrgebäude auf gewisse und sichere Grund- oder Heischesätze reduzieren.

B. Aufgaben und Ziele der Gewerbepolitik Die Gewerbepolizei schreibt die Regeln vor, welche der Staatswirt zu befolgen hat, wenn er die drei Gewerbe Landwirt-

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schaft, Fabriken und Handlung blühend machen will. Diese Regeln sind allgemeine und besondere. I. Allgemeine Regeln

Unter den allgemeinen sind folgende die wesentlichsten: Die Werkzeuge der regierenden Gewalt müssen nie vergessen, daß sie nicht Herren, sondern nur Diener des Staates sind, unter welchen der Regent der erste ist. Wenn sie sich durch diese Wahrheit leiten lassen, so wird es ihnen nie einfallen, die Rechte der Menschheit zu kränken und zu befehlen, wo sie nichts zu befehlen haben. 8 Ich kann es nie genug wiederholen: da, wo ein Mensch die Gesetze des Rechtes übertritt, da darf die gesetzgebende Gewalt Zwangsmittel gebrauchen. Aber im Beglückungsgeschäft gilt mehrenteils nur weise Leitung und guter treuer Rat. Je mächtiger wirksam der Regent diese beiden Mittel zu machen weiß, desto weiser, desto wohltätiger, ein desto besserer Fürst ist er. Unter jener weisen Leitung verstehe ich solche Gesetze und Anstalten, welche die Untertanen in die Lage setzen, daß sie von selbst frei und willig die Bahn betreten, die zu ihrem wahren Glücke führt. Sind sie nun willig dazu, es fehlt ihnen aber noch am Wegweiser, so sind nun populäre Volksbüchelchen und Landwirtschafts-Kalender ganz gute und brauchbare Mittel. Solang aber derErwerberseinen Karren auf dem Wege des Schlendrians fortzieht, so hilft das alles sehr wenig. Er liest, er sieht und er hört nicht; und wenn er es auch tut, so wird es nie bei ihm zur lebendigen Erkenntnis. Der Zweck meiner gegenwärtigen Abhandlung geht dahin, Winke zu dieser weisen Leitung zu geben.

1. Achtung der Menschenwürde

Eine Haupt- und Grundregel ist es für den Regenten undjedes Glied der ganzen Dienerschaft, daß er Menschenrecht, Freiheit und Ehre der Untertanen immer im Auge behalte. Dies macht eben die Republikaner so glücklich. Auch der arme Reichsstäd-

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ter, wenn er nicht nur Hunger und Blöße leidet, fühlt sich vergnügt wie ein König. Denn wenn ihm auch die Haut über die Ohren gezogen wird, und er weiß nur, daß er helfen darf, so ist es Staatsnotdurft. Täte es aber der Souverän, so fände er es ungerecht, unerträglich und tyrannisch. Nirgends in der Welt zahlen Bürger und Bauern mehr Mauten und Akzise 9 als in Holland. Ehe der Torf nach Amsterdam kommt, ist er wohl ein dutzendmal verakziset worden. Aber darnach kräht kein Hahn. Warum? Die STATEN-GENERAAL wollen es so: und diese sind die Deputierten des Volkes. Hätte aber der PR INS STADHauDER diese Einrichtung getroffen und befohlen, dann möchte ihm Gott gnädig sein! Im Grunde ist das alles aber auch natürlich und im Ganzen recht. Jeder Sohn Adams,jede Tochter Evens ist der Natur nach frei geboren und Beherrscher der Schöpfung. Daß sich aber alle Erben in das väterliche Gut teilen müssen, das versteht sich auch von selbst. Und damit sich die Kinder in dieser Teilung nicht in die Haare geraten mögen, damit ein jeder seinen Teil bekomme, so hat es die Vorsehung weislich und wohltätig so geordnet, daß einige unter ihnen Wächter und Beschützer der Menschenrechte und Freiheiten sein sollten. Diese sind nun die Regenten. Wehe ihnen, wenn sie ihre größere Gewalt dazu brauchen, um ihre Brüder, die Untertanen, um ihr rechtmäßiges Erbe, um ihre Freiheit zu bringen! Dieser Geist ist die Sinnesart der ganzen Staatswirtschaft und vorzüglich der Gewerbepolizei. Väterlich, brüderlich leiten und raten: das ist sein Charakter.

2. Binnenwirtschaftliche Ergänzungsbezüge

Hiezu kommt aber noch ein Hauptstück, ein großer Kunstgriff: ein Meisterstück des Regenten. Dieses besteht darin, wenn die Leitung der Landwirtschaft so eingerichtet wird, daß sie Fabrikanten und Handelsleute in Menge erzeugt; wenn die Fabriken so geführt werden, daß sie die Landwirtschaft und die Handlung blühend machen, und wenn der Handelsgeist Bauern,

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Bürger, Handwerks- und Handelsleute belebt und schließlich so allenthalben Tätigkeit, Segen, Gedeihen, frohe blühende Gesichter, jauchzende Jugend und heitere Greise das Land erfüllen. Hier entsteht die Frage nicht mehr, wie dem Kindermorde 10 am besten Einhalt zu tun sei? Hier sinnt und dichtet man nicht mehr über BevölkerungsmitteL Hier quält sich der besorgte Polizeibeamte nicht mehr, wie er die Armen unterbringen, beschäftigen und ernähren will. Das alles macht sich von selbst. Bauern, Handwerksleute und Bürger leben von einander. Sie gehen mit einander um, sie sind sich notwendig und können sich wechselseitig nicht entbehren. So entsteht verhältnismäßige Freundschaft, Ehre und Achtung zwischen beiden Ständen. Wenige sind arm, die mehresten wohlhabend, viele reich; überall ist Gelegenheit zu verdienen. Jeder Jüngling findet reichliches Brot, so bald er nur arbeiten kann. Er eilt also, um zu heiraten. Jeder kann das leicht, denn jeder kann sich auf mancherlei Weise ernähren. Folglich fcillt die Veranlassung zum Kindermorde weg. Denn man heiratet sich, wenn man zu früh oder illegitim von der verbotenen Frucht gegessen hat. 11 Und dann ist auch kein herrlicheres Bevölkerungsmittel, als solche Leichtigkeit zu heiraten. Dazu kommt dann noch, daß sich viele Ausländer in ein solches segensvolles Land begeben, um an der Glückseligkeit teilzunehmen. Aber alle diese paradiesischen Aussichten verlieren sich bald- oder der Zugang zu ihnen wird mit ehernen Toren verschlossen - wenn Menschenrechte, Eigentum, Ehre und Freiheit nicht geachtet werden; wenn Brut der Hölle, in Lichtengel verkleidet, 12 den Fürsten umgeben, seine Luft, die er atmet, vergiften, jeden guten Gedanken, jeden landesväterlichen Vorsatz bloß zum Zucker brauchen, mit dem sie ihr Gift versüßen; seine Kräfte und Kasse verprassen, ihre Lieblinge und Kreaturen zu Dienern der gesetzgebenden Gewalt erheben, die dann- wie die apokalytpischen Heuschreckenll- mit.Kronen, Weiberhaaren und Menschengesichtern, aber hintenher mit Skorpionenschwänzen, die armen Untertanen bis zum Seelausfahren aussaugen und so die Menschheit wie Blut gerinnen machen; wo eine Klasse Herr und die andere Sklave ist: verführt ein Herr eine Sklavin, so kann er sie nicht heiraten, der Abstand des Standes und Vermögens ist zu groß, wie leicht wird sie nun Kindermörderin? Bevölkerung! Dieses Ziel, dieser Zweck der ewigen Liebe- denn sie sagte bei dem Erschaffen: Seidfruchtbar und mehret euch 14 - wird in

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solchem Jammerzustande erstickt. Der Herrenstand lebt vom Blutsaugen; Gott bewahre vor seiner größeren Bevölkerung! Der Sklavenstand findet keine Mittel sich zu nähren. Wer kann, der wandert aus. Wer das nicht kann, der wird entweder ganz Sklave, ein Nichtswürdiger, oder er härmt sich durch dieses Jammertal durch und freut sich aufjenes Leben. Dieses ist das treue Bild eines Regiments, wo Menschenrechte nicht geachtet werden. Es ist freilich stark und vollkommen gezeichnet worden. Ich bin stolz genug auf mein deutsches Vaterland um zu behaupten, daß es Gottlob keinen Staat hat, auf den diese schreckliche Schilderung ganz paßt. Aber ob nicht hin und wieder schwache und starke, einzelne und mehrere Züge angetroffen werden können, das ist eine andere Frage.

Doch ich wende mich nun von diesen allgemeinen Bemerkungen zu den besonderen und zeige die vornehmsten näher gelegenen Mittel an, wodurch der Vater des Vaterlandes die Gewerbe blühend machen kann und muß. II. Besondere Regeln In Rücksicht auf die Gewerbepolizei istjeder Erwerber glücklich, wenn er sich seinem Stande und Herkommen gemäß reichlich ernähren und immer einen ansehnlichen reinen Ertrag erübrigen kann. Dies kann der Bauer, wenn er nicht so viel von allen seinen Produkten erzielen kann, als er Gelegenheit findet, zu guten Preisen zu verkaufen. Dieses kann der Handwerksmann und der Fabrikant, wenn er nicht so viel arbeiten als verkaufen kann. Dieses kann der Handelsmann, wenn es ihm schwer fällt , alle in- und ausländischen Bestellungen zu befriedigen. Jetzt entsteht nun die schwere Frage: wie macht man es, um ein Land in diesen glückseligen Zustand zu versetzen? Meine Antwort soll unfehlbar sein, denn sie ist ganz aus der Erfahrung gezogen.

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1. Förderung der Landwirtschaft

Erst suche man die Landwirtschaft blühend zu machen, denn sie ist die wahre Quelle allen Wohlstandes. Der Beweis dieses Satzes ist sehr leicht. Die Bauern machen einmal den größten Teil der Staatsbürger und die wahren eigentlichen Untertanen aus. Ihre Abgaben an die Staatskasse sind beständig und regelmäßig. Und wenn sie durchgehends wohlhabend sind, so kann man mit Recht sagen, es stehe gut mit einem solchen Lande. Zudem ist bei einer blühenden Landwirtschaft, wo alle Lebensmittel, rohe und Hilfsmaterialien aus Überfluß wohlfeil sind, alle Unterstützung und Errichtung der Fabriken sowie der Handlung viel leichter, als wo Mangel an allem ist. So wahr das alles ist, so leicht und so einfach ist es in der Tat, die Landwirtschaft empor zu bringen. Ich habe es mündlich und schriftlich bis zum Ekel wiederholt, daß die Ermunterungspreise auf Verbesserung der natürlichen Wiesen und auf den Anbau der Futterkräuter, vorzüglich auf die Brachfelder, das einzige wahre Mittel ausmachen. Die Brache fällt von selbst weg, wenn die Felder mit Klee besät werden; und die Gemeinweide erfordert keine Abschaffungsgesetze, 15 wenn die Menge des Futters das Weiden unnötig macht. Sogar der Verkauf des Futters und des Strohes bedarf keines Verbotes. 16 Wer wird auch kaufen, wo jeder Überfluß erzielt? Jetzt folgt alles von selbst. Der Überfluß des Futters zieht einen blühenden Viehstand nach sich, dieser Überfluß an Milch und Butter, folglich vortreffliche Nahrung in Menge für die Haushaltungen und vorzüglich einen großen Vorrat an gutem und reichlichem Dünger. Diesen muß nun der Bauer notwendig vernutzen. Er bringt ihn ohne Aufmunterung von selbst auf sein Feld. Die Güter werden also unvermerkt ergiebiger und einträglicher. So entsteht allenthalben eine große Menge Produkte, die freilich der Landmann nicht alle - oder doch nur sehr wohlfeil - verkaufen kann. Aber er leidet dabei keinen andern Mangel, als daß das Geld bei ihm selten ist. Dies ist nun die Lücke, welche die übrigen Gewerbe ausfüllen müssen, und dazu kann nun auch Rat geschafft werden.

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2. Förderung der Fabriken

Hier entsteht nun die große Frage, was der Staatswirt zu tun habe? Jedes Land hat seine Lokal-Beschaffenheit, seine Idiosynkrasie,'7 seine eigene Anlage zu diesen oder jenen Produkten. Folglich muß sich der Regent nach allen Handelsprodukten, welche bisher die Geldquelle des Landmannes waren, genau erkundigen. Unter diesen muß er die fruchtbarsten zu bevölkernden, das ist: zu solchen Fabriken wählen, welche die mehresten Hände beschäftigen können. Hier sind nun zwei Wege, wodurch Fabriken und Handlung blühend werden können. Erstens, wenn wohlhabende Kaufleute und Kapitalisten ein solches Gewerbe unternehmen, indem sie die rohen und Hilfsmaterialien ankaufen, Gebäude anlegen, ihre Fabrikwaren durch Handwerks- und Arbeitsleute für Lohn verfertigen lassen und sie innerhalb und außerhalb des Landes verkaufen. Oder zweitens, wenn einzelne Handwerksmeister im Kleinenjene rohe und Hilfsmaterialien einkaufen, selbst mit ihren Gesellen verarbeiten, und dann zum Teil selbst ihre Waren in ihren eigenen Laden verkaufen, zum Teil auch an Kaufleute absetzen, welche nachher damit in die Fremde und auf die Messen handeln. Es ist äußerst wichtig, daß ich genau prüfe, welche unter beiden Gattungen die nützlichste und wohltätigste sei, und welche also der Staatswirt vorzüglich zu begünstigen habe. Wenn einzelne Kaufleute und Kapitalisten Fabriken unternehmen, so entsteht einmal erst der gewöhnliche und mißliche Fehler, daß sie gerne zu groß anfangen und daher sehr oft Schaden leiden, weil der Absatz noch nicht gegründet und alles noch nicht in gehöriger Ordnung ist; mithin oft manches schöne Unternehmen scheitert, welches dann in der Tat viel schlimmer ist, als wenn man nie angefangen hätte. Gesetzt aber auch, ein solcher fabrizierender Kaufmann wird glücklich, so steht das Wohl und Weh vieler Menschen in der Hand dieses Einzigen. Sein Drang, immer reicher zu werden, hält Bauern und Handwerksleute auf knapper Nahrung. Er zahlt ihnen nicht mehr, als sie haben sollen. Sie schwingen sich nie über die Notdurft empor und sind ganz von ihrem Matadoren 18

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abhängig. Ist er tyrannisch und herrschsüchtig, so wird er ein wahrer türkischer Bassa. 19 Mit seinem Gelde vermag er alles. Er blendet den Beamten, und wenn sich der nicht blenden läßt, so geht er weiter und besticht, was sich bestechen läßt. Der arme bedrückte Untertan kann das nicht und bleibt elend. Endlich sieht man ihm durch die Finger, denn er ist doch ein Mann, der vielen Menschen Brot gibt. Sind nun solcher Geld-Barone viele im Lande, so sieht man freilich überall Geld und Wohlstand: aber nur in den Palästen der Kaufleute- alle übrige Stände sind gedrückt. Jene machen die eigentliche Noblesse/ 0 diese die Sklaven aus, usw. Freilich: wenn ein solcher Kaufmann ein Menschenfreund und Christ ist, dann ist er wahrer Schutzengel der Nation. Aber wie viele gibt es denn solcher Menschen in der Masse des Volkes? Und wer kann nur auf solche Vermutung hin diese Einrichtung begünstigen? Es ist freilich mißlich, Beispiele anzuführen. Indessen kann ich doch nicht umhin, hier des Herzogtums Berg zu gedenken. Ich habe in den fünfzehn Jahren, welche ich dort verlebt habe, Gelegenheit genug gehabt, alle Folgen der kaufmännischen Fabrik-Einrichtung zu beobachten, und ich bin in dieser Sache ganz gewiß geworden. 2 1 Weil dort der Bauer keine rohe Materialien für die Fabriken produziert, so hat er weiter keinen Vorteil davon, als den, welchen der stärkere Kreislauf einer hinlänglich großen Geldmasse mit sich bringt; und dann, daß er Gelegenheit genug hat, seine Obst- und Ackerfrüchte, Milch, Butter und Käse leicht sowie für gute Preise an den Mann zu bringen. Das ist nun freilich schon viel. Allein, dadurch wird doch der Bauernstand nicht so stark und fruchtbar an die Handlung angeknüpft, als wenn er auch den Flachs und das Garn zu den vielen Millionen Pfunden, welche dort jährlich verarbeitet werden, an die Kaufmannschaft ablieferte. Dies würde den Bauern dem Handelsmanne nötig machen und diesen jenem. Der Landmann würde wohlhabender, und da sich in handelnden Staaten allemal die Ehre verhält wie die Menge des Geldes, so würden sich beide einander nähern. Die

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geringem Kaufleute würden häufiger reiche Bauerntöchter heiraten und den reichen Bauernsöhnen würde der Übergang zur Handlung leichter. So aber sind beide Stände zu sehr isoliert, zu weit von einander entfernt, als daß sie ihr Glück miteinander teilen könnten. 3. Förderung des Handwerks

Mit dem Handwerksstande aber sieht es noch weit mißlicher aus. Dieser sollte billig zwischen Bauern und Kaufleuten der Mittelstand sein, in dem beide zusammenflössen. Allein, das ist weit gefehlt. Denn da er von den reichen Fabrikanten ganz abhängig ist, so lebt er im Drucke. Er ist im Ganzen bei weitem nicht auf der Stufe des Glückes, auf dem er seiner Natur nach stehen sollte. Ein Handwerksmann ist gerade gegen seinen Matador in dem nämlichen Verhältnisse, wie in andern souveränen Ländern der Bauer gegen seinen despotischen Beamten. Dazu kommt noch der große Zulauf fremder ausländischer Handwerksgesellen, welche dort hinziehen, und - durch den Glanz geblendet - sitzen bleiben, heiraten und dann lebenslang mit mittelmäßigem Auskommen zufrieden sein müssen. Dazu kommt noch, daß fast alle Handwerker vollkommen frei sind und keinen Zunftzwang haben. 22 Bloß die Solinger und Waffenschmiede sowie die Etherfelder Bleicher und Schneider sind einigermaßen zünftig: und zwar gerade auf eine schädliche Weise! Denn sie sind gewissermaßen geschlossen, alles andere aber ist frei. Dadurch wird nun der Zulauf der Weber und Schneider noch größer, und der Pfuscherei23 ist kein Ende. Sonst hatten die Elberfelder Weber noch eine Gattung von Schaugericht 24 Wenn ein Kaufmann über ein Stück Ware schikanieren wollte, so brachte es der Weber vor die Zunftmeister. Diese urteilten dann, und beide Parteien mußten damit zufrieden sein. Aber auch dieses wohltätige Bollwerk ist durch die Gewalt des Geldes noch vor wenigen Jahren vernichtet worden! Der Erfolg wird lehren, daß die Fabrik unendlich dadurch verloren hat.

Ich will aber mit dem allem nicht sagen, daß der Regent die Kaufmannsfabriken hindern oder einschränken müsse. Beileibe nicht! Er muß sie sogar befördern, aber bei weitem nicht mit dem

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Ernst und der Kraft, welche er auf den Flor des gesamten Handwerksstandes zu verwenden hat. Ich habe mir eine höchst fruchtbare Regel aus meinen Erfahrungen und durch vieles Nachdenken für die Gewerbepolizei abstrahiert. Diese habe ich immer in der Staatswirtschaft - nebst den Hauptlehren von dem Eigentume, der Ehre und der Freiheit - zum Grunde gelegt, nämlich: Die Regierung muß niemals eine Triebfeder in der Handlung oder irgend einem Gewerbe, wenn sie auch mächtig zu wirken beginnt, hindern, oder durch Auflagen25 , Mauten 26 oder Gesetze zu hemmen suchen, sondern sie muß sich darüber freuen. Würde aber irgend eine andere Gewerbekraft dadurch geschwächt oder erstickt, so muß sie diese mit mächtiger Hand unterstützen, doch ohne jener zu schaden. Geschieht das, so werden alle Triebfedern nach und nach wirksam. Eine hält der andern das Gegengewicht, und der ganze Staat kommt in das wohltätigste Gewerbegetriebe. a) Begünstigung des Kleingewerbes Jetzt komme ich nun durch eine ganz natürliche Folge auf die zweite Gattung: auf die Handwerksfabriken, wo nämlich jeder Meister selbst Verleger27 seiner Waren ist. Die Frage: ob dieser Zustand der glücklichste sei, ist bald durch die Antwort auf eine andere entschieden; nämlich: ist es besser, wenn nur wenige Kaufleute die ganze Geldmasse in ihren Händen haben, oder wenn sie durch den ganzen Handwerksstand verteilt ist? Man denke sich eine Stadt, in welcher drei Kaufleute sehr reiche Wollenfabrikanten sind, von welchen die Schafzucht des Landes und die Nahrung aller Wollarbeiter abhängt, und dann eine andere, wo dreißig Wollwebermeister die Landeswolle unter sich teilen, sie verarbeiten und die Tücher verkaufen. Wird nicht im ersten Falle der Preis der Wolle und der Handwerkslohn ganz von den Dreien abhängen, dahingegen im andern Falle dreißig Männer um das alles zusammen konkurrieren? Ich glaube, das Beispiel ist entscheidend. Man überlasse daher Fabriken, welche große Anlagen erfordern, solchen reichen Männern. Alles aber, was sich klein anfangen und treiben läßt,

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das soll so viel wie möglich der Anteil der Handwerksmeister sein. Deutschlands Möser ist hier mein Vorgänger. 28 Seine nie genug gepriesene Abhandlung, reicher Leute Kinder sollen Handwerker lernen, hat mir über diesen Punkt die Augen geöffnet. Es ist der Mühe wert, daß ich hier die Schwierigkeiten zeige, welche dieser wohltätigen Einrichtung gewöhnlich im Wege stehen, und zugleich die wirksamsten Mittel vorschreibe, wie sie zu heben sind. b) Begünstigung von Neuerungen Der Handwerksstand eines Landes ist gewöhnlich eine träge, dunkle, verworrene und arme Masse von Menschen. Es ist schwierig, Tätigkeit, Industrie29 und Licht in sie zu bringen. Der unerschrockenste Mann erschlafft bei dieser herkulischen 30 Arbeit. Daher fängt man die Sache am besten folgender Gestalt an. Man untersucht zuerst genau und sicher, welche rohen Produkte schon wirklich im Lande erzielt werden, und wählt dann eine solche Quelle zu einer Fabrik, wodurch die mehresten Menschen beschäftiget werden. Sind nun schon wirklich Handwerksleute im Lande, die das Handwerk gelernt haben, so wählt man den einen oder andern wackern Jüngling aus, der als Geselle daraufwandern kann, und der zu Haus etwas zu verlieren hat, damit man sich seines Schadens erholen könne, wenn er etwa ausbleiben sollte. 31 Diese jungen Männer versieht man mit Geld und schickt sie mit mündlicher Instruktion und Empfehlung an solche Orte hin, wo die Fabrik am stärksten blüht und am besten arbeitet. Haben sie nun die Sache völlig begriffen, so kommen sie, mit Kenntnissen ausgerüstet, als kultivierte, feine Leute wieder. Diese unterstützt man nun nach und nach mit Geld. So fangen sie schon an, als ehrsame Handwerksmeister mit Gesellen und Lehrjungen zu arbeiten. Ihre wenigen, aber guten Waren, die wegen des geringen bürgerlichen Aufwandes solcher Meister auch wohlfeil bleiben, finden bald genugsamen Abs~tz, der zwar

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noch nicht in die Fremde geht, aber doch das Land selbst zu versorgen anfängt. Während der Zeit schickt man erneut andere in die Fremde. Diese kommen wieder und machen es wie die ersten. So entsteht nach und nach ein ausgebreitetes, wohlhabendes und wohltätiges Handwerk. Da nun diese Meister eigentlich keine Kaufleute sind, so arbeiten sie nur auf die Läden und ziehen allenfalls mit ihren Waren auf die Wochen- und Jahrmärkte. Folglich werden sie nur einen inländischen Fabrikhandel treiben. Das ist aber eben recht, denn nur der Überfluß wird ausgeführt. Kommt daher die Fabrik allmählich so weit, daß sie mehr arbeitet, als das Land braucht, so muntert man entweder wohlhabende Meister zur Handlung mit solchen Waren aufund läßt sie damit auf Messen ziehen bzw. in die Fremde handeln. Oder man gibt Kaufleuten und Kapitalisten Winke, diesen Handlungszweig zu ergreifen. Diese kaufen dann den Handwerksmeistern den Überfluß ab und schicken ihn zum größten Nutzen des Staates ins Ausland. Hier ist aber eine Klippe unbedingt zu vermeiden, welche den Lauf des Glückes gar sehr aufhalten und gänzlich hindern kann; nämlich: wenn man den Kaufleuten den Alleinhandel zugesteht, so daß der Handwerksmann seine Ware nicht anders als an den Kaufmann abgeben darf. Dieser Umstand findet hin und wieder in England statt und ist höchst schädlich. Die Kaufleute erschleichen gar gern solche Privilegien unter allerhand glänzenden Vorspiegelungen. Aber ein scharfsichtiger Staatswirt läßt sich nicht blenden. Sein Grundsatz ist immer, den Wohlstand unter allen Gewerbeständen so viel wie möglich gleich zu halten, und keinen auf Unkosten des andern zu begünstigen. c) Begünstigung des gesellschaftlichen Ansehens Es bleibt immer eine ausgemachte Sache: Geld bringt Ehre und Armut bringt Schmach. So wie der Handwerksstand wohlhabender wird, so wächst auch sein Ansehen. Hat ein Handwerksmann Geld, so kleidet er sich reiner und zierlicher. Er findet in guten Gesellschaften eher Zutritt. Hat er noch überdas

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gewandert und die Welt gesehen, so hat er auch Lebensart; diese macht ihn angenehm. Sein Vermögen setzt ihn nachher auch in den Stand, seine Kinder lernen zu lassen und sie auszubilden. So wachsen fortan auch Aufklärung 32 und Kenntnis. Die machen hernach - außer ihrer eigenen wohltätigen Wirkung - auch dem Staatswirte sein allgemeines Beglückungsgeschäft viel leichter. Alles dieses will eben Möser mit seinem Satze sagen, daß reicher Leute Kinder Handwerker lernen sollen. Allein, wie bringt man sie dazu? Dies möchte wohl ein schweres Stück Arbeit sein? Ich antworte: auf meinem vorgeschlagenen Wege am allerersten. Hat man einmal Wohlstand in ein Handwerk gebracht, so folgt ihm die Ehre auf dem Fuße nach. Welcher unter allen bürgerlichen Ständen wird sich lang bedenken, die Tochter eines Wollwebers mit zwanzig bis dreißig tausend Talern zu heiraten, wenn sie nur die gehörigen häuslichen Tugenden und eine gute physische und moralische Bildung hat? Und ebenso wird ein Handwerksgeselle von einem solchen Vermögen, wenn er Kultur und Geschicklichkeit hat, auch in höhern Gewerbeständen selten einen Korb bekommen. Hier kann aber der Regent außerordentlich fruchtbar mitwirken, wenn er auch wiederum Staats-Ehre auf die Handwerker legt; das ist: wenn man ihre Zünfte zu Staatskörpern macht, die auch in öffentlichen Angelegenheiten etwas mitzusagen haben. Freilich dürfen solche Zünfte nicht ihre alten Mißbräuche beibehalten, sondern sie müssen jedem fähigen Arbeiter den Beitritt unentgeltlich erlauben. Aber ihr EsPRIT DE CoRPS 33 muß mächtig und ehrenvoll sein. Sie müssen in Reichs- und andern ansehnlichen Städten nicht bloß Ratsherren-, sondern auch die Bürgermeister-Stellen besetzen dürfen und mit der Kaufmannschaft gleichen Rang und gleiche Ehre genießen. Dann wird es keine Schwierigkeit mehr haben, daß auch reicher Leute Söhne nach Mösers Wunsche Handwerker lernen und ihr Geld in diesen Stand- zum höchsten Vorteile- mit hinüber nehmen. Komisch ist das Beispiel von dem englischen Schreinermeister Taylor, dessen Möser gedenkt. 34 Dieser Handwerksmann geht von seiner Werkstätte ins Unterhaus, hilft die Angelegenheiten der Monarchie besorgen,

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Amerika bekriegen und räsoniert mit über die ostindischen Angelegenheiten. Hastings, 35 Hyder Ali, 36 und dergleichen Männer machen den Gegenstand seiner Überlegungen aus, und er hilft ihr Schicksal entscheiden.

Welcher Kaufmann, welcher Rat- vom geheimen bis zum niedrigsten herunter - wird es seinem Sohne verweigern, Meister Taylors Tochter zu heiraten oder ein Meister Taylor zu werden? d) Begünstigung des Qualitätswettbewerbs Noch ein mächtiges Hilfsmittel, zu diesem glücklichen Zustande zu gelangen, sind die wohlangelegten Schaugerichte. Solang eine Fabrik, ein Handwerk nicht ganz ausgezeichnet gute und von gewöhnlichen Arbeitern unerreichbar schöne Waren macht, solang wird der Absatz noch nicht der ausgebreiteste, noch nicht derjenige sein, der Reichtum und Ehre in vollem Maße mitzuteilen vermag. Die englischen Waren haben durchgehends diese Vorzüge. Daher entsteht auch der Flor ihrer Fabriken. Das alles aber haben sie vorzüglich ihren Schauanstalten zu danken. Freilich hat die ganze Staatsverfassung in England den besondern Charakter, daß die Schaugerichte eine solche Wirkung leicht hervorbringen können. Denn dort ist ein dreifacher Geist, welcher sich wechselseitig in den Schranken hält. Die Zunft hat ihre Beschau; läßt diese etwas durchgehen, so klopft sie die Parlaments-Beschau auf die Finger; und was diese übersieht, das rügt die königliche. Als man daher in Frankreich auch eine Warenbeschau einführen wollte, so bekamen die Handwerker an ihr fast eben so drückende Tyrannen als ihre Brüder, die Bauern, an den Generalpächtern;37 die Schaurichter mußten mit Geld und nicht durch die Güte der Ware zum Stempeln gebracht werden. Folglich wurde der Endzweck nicht erreicht, und die Sache wurde schlimmer als je. Dies ist auch die Ursache, warum die neuern Ökonomen so sehr gegen allen Zwang der Schauanstalten eifern und warum sie auch in Deutschland noch immer nicht recht im Gange sind.

3 Jung·Siilling

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Noch bis dahin habe ich keinen Vorschlag gefunden, der dem Schaugerichte seine wahre Gestalt geben und den Staat gegen seine Mißbräuche zu sichern im Stande wäre. Ich habe daher selbst darüber nachgedacht und gearbeitet, und meinen Entwurf stückweise hin und wieder dem Publikum mitgeteilt. Er besteht in folgenden Hauptstücken. Erstens muß jedes Handwerk, vorzüglich wenn es Fabrikwaren verarbeitet, eine vernünftige Zunftverfassung haben. Jeder muß das Handwerk erlernen können, ohne daß es ihn mehr als das Lehrgeld kostet. Dann muß der Zwang der Lehrjahre aufhören. Sobald der Lehrjunge sich zum Examen bei der Zunft meldet, so wird ihm ein Stück Arbeit aufgegeben. Macht er das gut, so wird er losgesprochen und zum Gesellen promoviert. Dann aber muß er sich mit seinem Lehrherrn über den Ersatz des Schadens vergleichen. 38 Zweitens, der Geselle wird zum Wandern aufgemuntert, aber nicht gezwungen. Wer wandert, und etwas Nützliches, eine neue Erfindung oder Maschine aus der Fremde mitbringt, der bekommt eine Prämie und wird befördert. Drittens, wenn einer Meister werden will, so wird nichts erfordert als Meister-Geschicklichkeit. Diese prüft die Zunft wieder durch ein Meisterstück, welches aber aus den neuesten Modestücken des Handwerks gewählt werden muß. Viertens, da aber Gewinnsucht und der Trieb, Mühe und Unkosten zu sparen, Fabrikanten, Meister und Gesellen verleitet, bloß aufs Auge zu arbeiten und jeden Fehler an einem Stück Ware zu verstecken, so wird dadurch der Handel mit solchen Waren unsicher. Er erhält nie den uneingeschränkten Kredit, wie eine englische Ware, von welcher man versichert ist, daß der Stempel oder die Plombe die Güte der Ware eben so gewiß garantiert als das Gepräge eine Münze. Fünftens, wenn der Staat das Beschauen und Plombieren entweder der Zunft oder einem besonders dazu angestellten Schaugerichte überträgt, so hat er erstlieh einmal solche Leute zu wählen und zu besolden. Dann ist er aber noch nicht versichert, ob sie nicht den Handwerksmann drücken, sich bestechen lassen und unechte Waren mit der Plombe versehen, wodurch dann natürlicher Weise der ganze Kredit verloren geht, und mit ihm alle Kosten, Mühe und Arbeit umsonst sind. Sechstens, muß man demzufolge jedes Handwerk für jede Ware, die in den Handel kommt, mit ganz vollständigen Schau- oder Polizeigesetzen versehen. Diese müssen die Wahl und Güte der Roh- und Hilfsmate-

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rialien, ihre Bearbeitung von Anfang bis zu Ende sowie ihre völlige Ausbildung und Appretur39 aufs bestimmteste wie auch ausführlichste verordnen und befehlen. Damit hier der Gesetzgeber nicht irren möge, so muß er selbst ein guter Technologe sein, die Philosophie40 jeder Fabrik genau inne haben und dann praktische und unparteiische Handwerksmeister zu Rate ziehen, damit ja kein einziges Gesetz hinderlich, vergebens oder gar zweckwidrig sei. Siebtens, damit aber nun auch diese Gesetze fest und unverbrüchlich gehalten werden mögen, so überträgt man jedem Zunftvorstand die Beschau seiner Waren. Dieser muß erst die Roh- und Hilfsmaterialien beurteilen, ob sie gesetzmäßig sind, dann die jedesmaligen Arbeiten besehen, ob sie nach den Gesetzen verrichtet werden. Endlich, wenn sie fertig sind, so beobachtet er jedes Stück noch einmal genau. Wenn kein Fehler daran ist, so versieht er es mit einer Plombe, deren Stempel nicht nachgemacht werden kann. Achtens ist es jetzt noch möglich, daß der Zunftvorstand bestochen und durch dies oder jenes Mittel verleitet werden könnte, unechte Waren zu stempeln. Dieses aber wird durch folgende Einrichtung moralisch unmöglich gemacht. Die Regierung läßt ein Manifest durch den Druck, in den Zeitungen und allenthalben bekannt machen, daß sie die Güte aller Fabrikwaren ihres Landes, welche gestempelt worden, feierlich garantieren wolle. Zu dem Ende verspreche sie jedem Kaufmanne, der eine unechte gestempelte Ware bekommen würde, völlige Schadloshaltung über Transport, Zölle und Spesen; doch mit dem Bedinge, daß er das Stück auf Kosten der Regierung wieder zurücksenden müsse, wobei man ihm dann eine bestimmte Prämie zusichert und auf jeden Fall richtig ausbezahlt. Diese Prämie muß aber groß und der Mühe wert sein; sie muß aus etlichen hundert Gulden bestehen. Diese Prämie legt man hernach zum Teil den Schaurichtern, und zum Teil der Fabrik als Strafe auf. Hierdurch wird allen Unterschleifen vorgebeugt. Der Handwerksmann wird aus Furcht vor der Strafe gut arbeiten. Aus eben dem Grunde wird auch der Schaurichter auf seinen besten Freund genau Acht geben und keiner wird dem anderen die Strenge vorwerfen können. Die Staatskasse verliert nichts dabei, indem der Vorschuß der Prämie alsofort wieder einkassiert wird. Endlich und neuntens ist es billig, daß man, wenn man schlechte Arbeiten bestraft, auch die vorzüglich guten belohne. Durch die bisherigen Anstalten verhindert man zwar, daß keine anderen als gute Waren in den Handel kommen. Aber die Vervollkommnung, der Erfindungsgeist und die Industrie, um geschwinder und wohlfeiler zu arbeiten sowie Waren von höherer Güte,

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Schönheit und Mannigfaltigkeit hervor zu bringen, haben noch keinen Reiz, keine Triebfeder. Folglich muß die Gewerbepolizeijede nützliche Erfindung undjedes Meisterstück von Arbeit mit einer ansehnlichen Prämie belohnen, welche immer dem Nutzen, den die Erfindung haben kann oder ihrer Fruchtbarkeit angemessen sein muß. Diese Erfindungen geben alsdann Anlaß zur Vermehrung und Verbesserung der Schaugesetze. Die Arbeiter und Schaurichter werden dadurch verbunden, jeder Ware diese Vollkommenheit eigen zu machen.

Auf diese Weise wird der allerfruchtbarste Absatz gesichert, und es kann nicht fehlen. Jeder muß die Waren eines solchen Landes, wenn sie nur nicht gar zu hoch im Preise sind, allen andern vorziehen. Denn im Großhandel braucht der Kaufmann nur die Plombe zu besehen, so bedarf es nicht, daß man weiter untersuche. Und findet der Krämer endlich einen Fabrikfehler, so sendet er das Stück an die Regierung ab und wird nicht allein schadlos gehalten, sondern er bekommt auch noch eine ansehnliche Prämie. Welch einen uneingeschränkten Kredit41 das verursachen müsse, kann ohne vieles Nachdenken leicht erkannt werden. 4. Förderung des Handels

Endlich geht nun auch der Zweck der Gewerbepolizei auf die Handlung. Sind aber Landwirtschaft und Fabriken durch die angeführten Mittel einmal blühend gemacht worden, so folgt hernach alles übrige von selbst. Man hat alsdann nur alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen und der Handlung ihren Lauf zu lassen. Man hüte sich vor allen Monopolien! Denn diese stören die Gewerbefreiheit und hindern die Vervollkommnung der Ware. Wollte man auch diese durch Schauanstalten befördern, so ist kein Grund da, warum man einen Untertanen vor dem andern begünstigen sollte. Die großen Auslagen, welche man bei Errichtung einer Fabrik vorschützt und wofür das Monopolium Ersatz sein soll, sind bloße Dünste, wodurch man sich und der Obrigkeit die Augen blendet. Warum große Anlagen? Warum fangt man nicht klein an? Und wo sie nötig sind, da hat man ja auch an Mitwettbewerbern nicht leicht not.

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Alle Erfahrungen stimmen darin überein, daß nur da Fabriken und Handlung blühen, wo sie frei sind. Da, wo Monopalien üblich sind, da stockt und schläft alles. Alleinhandel widerspricht dem Vielhande/, und dieser ist ja das Kleinod der beschäftigten Bevölkerung, welches wir suchen. Warum soll einer Tonnen Goldes besitzen? Ist es nicht besser, daß sich viele brave U ntertanen darin teilen? Doch die Sache ist ja von allen Staatslehrern einhellig entschieden. Auch die schweren Auflagen, 42 Akzise, Zölle und Mauten von den aus- und eingehenden Waren sind ein großes Hindernis für die Handlung und eine sehr unsichere Revenue 43 für die Kasse des Fürsten. Denn je größer sie sind, desto mehr hindern sie die Handlung und mit ihr den Wohlstand des Staates, folglich auch die Staatseinkünfte. Was also hier gewonnen wird, das verliert man im Ganzen an den eigentlichen Staatseinkünften unendlich vielfach. Sind aber die Mauten und Auflagen klein, so tragen sie wenig ein, hindern aber doch noch die Handlung nach dem Verhältnisse ihres Drucks. Folglich wird ein Land, das keine Mauten hat, immer am glücklichsten sein.

D. Abschließende Bemerkungen Dieses sind nun die Grundsätze meiner Gewerbepolizei, aus denen sich leicht jede Anwendung aufs Einzelne und Lokale herleiten läßt. Ich empfinde ganz, daß Vorschlagen und Raten leichter als Ausführen ist. Dein allem ungeachtet muß aber doch der Künstler seinen Riß vollkommen machen und ihn dann so gut ausführen, als es Materialien und Kunstfleiß erlauben. Ein jeder tue, was er kann, so wird die Menschheit mehr können, als wir glauben.

Diese Vorlesung ist nun die letzte, welche ich in dieser Versammlung44 und an diesem Orte45 vorzulesen die Ehre habe. Die hohe Vorsehung hat bisher für die Staatswirtschafts Hohe

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Schule so wie für die physikalisch-ökonomische Gesellschaft Muttersorge getragen. Sie wird es auch ferner tun. Sie läßt nichts stecken, was sie einmal angefangen hat. Dies ist auch Beruhigung für mich, indem mich meine Pflichten auffordern, sie zu verlassen. Ich bin ein Mensch und habe also menschliche Fehler. Aber ich kann mich in meiner Schwachheit rühmen, daß ich in meinem Teile alle Kräfte angewendet habe, so viel als an mir war, dem Institute nützlich zu sein. Jehovah führe einen Mann an meine Stelle, der mich nicht nur vollkommen ersetzt, sondern noch mehr nützt, als ich getan habe. Gott segne die Stelle, die ich verlasse, aber auch die, welche ich wieder bekleiden werde! 46 Er segne die, welche mir zur Rechten und Linken sitzen. Er segne das hohe Kurfürstliche Haus47 und alle Pfälzer Staaten,48 vorzüglich die hiesige werte Universität und das liebeteure Heidelberg! Ich empfehle mich indessen zu allerseitigern geneigten Andenken.

Anmerkungen • Der Originaltitel heißt: "Bemerkungen I über die wichtigsten Theile I der I Gewerbepolizei. I Von I D. Johann Heinrich Jung. I Vorgelesen den 14. Hornung 1787." und ist erschienen in:" Vorlesungen I der I Churpfalz. physikalisch-ökonomischen I Gesellschaft I in Heidelberg. I Von dem Winter 1786 bis 1788. I Mit zwei Kupfertafeln. I III. Band. I Mannheim, I in der neuen Hof- und akademischen Buchhandlung, I 1788." 1 Polizei = hier: Politik; siehe Lexikon Wirtschaft 112. 2 Flor = Wohlstand, Blühen, gutes Gedeihen. 3 NoN PLUs ULTRA = Gipfel, Höhepunkt, Unübertreffliches. 4 Der Satz Quoo FIERI PoTEST PER PAUCA NoN FIATPERMULTA(was mit nur wenigem erreicht werden kann, das tue man nicht durch vieles) beschreibt das Rationalprinzip (Vernunftprinzip, ökonomische Grundregel). Mit "Buche der Schöpfung" meint Jung-Stilling, daß auch in der Natur dieser Richtsatz herrschend sei. Nicht gemeint ist die Bibel; denn der so formulierte Satz ist spätlateinischen Ursprungs. Siehe Hans Walther: Lateinische Sprichwörter und Sentenzen des Mittelalters, Bd. 4. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1966, S. 452. 5 Joseph von Sonnenfe/s: Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanzwissenschaft, 3 Teile. Das Werk wurde zuerst 1763 bis 1765 in· Wien (bei

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Trattner) veröffentlicht. Es erlebte zahlreiche Nachdrucke und Auszüge und erschien als Ganzes zuletzt in 8. Aufl. 1819 bis 1822; vergl. GV 136, 153 f. Siehe auch Lebensgeschichte 682. 6 Johann Heinrich Jung-Stilling: Versuch einer Grundlehre sämmtlicher Kameralwissenschaften, 1779 erschienen. Siehe den genauen Titel in Lexikon Wirtschaft 184. 7 Schatz = hier: Staatskasse. 8 Siehe zu den Menschenrechten Lexikon Wirtschaft 99 f. 9 Akzise= Verbrauchssteuer aufWaren (wie Bier, Mehl, Fleisch oder im Beispiel auf Torf). 1° Kindermord =Abtreibungen; siehe Lexikon Wirtschaft 1 f. 11 Illegitim = ungesetzlich; hier: außerhalb einer gesetzlich anerkannten Ehe. Verbotene Frucht = Beiwohnung; siehe Lexikon Religion, Stichwort "Sexualität". Siehe 2. Korintherbrief 11, 14. Siehe Offenbarung 9, 8 ff. 14 Siehe 1. Mose 1, 22. 15 Abschaffungsgesetze = Verbotsvorschriften, die ein Verderben der (jedem Viehhalter grundsätzlich offenstehenden) Weideplätze verhindern. 16 Solche Verordnungen wurden erlassen, um Landwirte davon abzuhalten, wegen eines kurzfristigen Einkommensvorteils ihr Vermögen (nämlich den Viehbestand) aufs Spiel zu setzen. 12 13

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Idiosynkrasie = besondere Eigentümlichkeit. Matador =hier: wichtigster Mann, Arbeitgeber.

19 Bassa = Pascha = türkischer Statthalter, Heerführer, Staatsrat (als Titel); von da: Herrschsüchtiger, Despot. 20 Noblesse = Adel, Oberschicht, herrschender Stand. 21 Jung-Stilling war von 1763 bis 1770 Hauslehrer und Sekretär bei einem Fabrikanten in Kräwinklerbrücke (heute Remscheid 11) und von 1772 bis 1778 Arzt in Wuppertai-Eiberfeld. Siehe Lebensgeschichte 221 ff. 22 Siehe hierzu Lexikon Wirtschaft 178 f. 23 Pfuscherei = schlechte, unzünftige Arbeit. 24 Schaugericht = sachkundiges Gremium zur Beurteilug der Qualität handwerklicher Leistungen. 25 Auflage= Steuer; siehe Lexikon Wirtschaft 152. 26 Maut= Wegezoll, Warenzoll; siehe Lexikon Wirtschaft 178. 27 Verleger= hier: in einer Person Geldgeber, Dienstherr der (auch in ihren eigenen Wohnungen arbeitenden) Beschäftigten sowie Verkäufer der Waren. 28 Deutschlands Möser = der zu seiner Zeit hochangesehene Politiker, Historiker und Staatswissenschaftler Justus Möser (1720-1794) in Osnabrück. Siehe dessen Abhandlung aus dem Jahre 1767: "Reicher Leute Kinder sollen ein Handwerk lernen" aus den "Patriotischen Phantasien", abge-

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druckt in Bernhard R. Abeken (Hrsg.): Justus Möser's sämmtliche Werke. Erster Theil, Berlin (Nicolaische Buchhandlung) 1842, S. 113-126. 29 Industrie = hier: Fleiß, zielgerichtete Anstrengung, Bemühen um Erfolg. 30 Herkulisch = übermäßig schwer; dem überaus starken griechischen Helden Herkules (= Herakles) gemäß. 31 Gemeint ist: der von Hause aus etwas vermögend ist und (mehrere) Brüder hat. 32 Aufklärung = hier: Einsicht in das, was jemand vollkommen und glücklich macht; siehe Lexikon Wirtschaft 4. 33 EsPRIT DE CoRPS = Zunftgeist, Gruppengeist: das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit und daraus fließend ein Handeln nach bestimmten Regeln. 34 Schreinermeister Taylor =von Justus Möser geschilderter Abgeordneter des Unterhauses. In den deutschen Staaten waren Handwerker zu dieser Zeit noch von der Mitwirkung in gesetzgebenden Organen ausgeschlossen. 35 Warren Hastings (1732-1818) war von 1773 bis 1784 erster Generalgouverneur von Indien. Er sicherte dort durch Kriege sowie durch Ausbau der Zivilverwaltung die Macht Englands. 36 Hyder Ali (1728-1782) war zunächst indischer Heerführer und ab 1761 Herrscher von Maissur (Mysore: heute Bundesstaat Karnathak mit der Hauptstadt Bangalur). Er kämpfte mehrmals gegen die Engländer und galt selbst in Europa als volkstümlicher Held. Sein Leben wurde bereits zu Stillings Zeit beschrieben. 31 Generalpächter = Hauptpächter der indirekten Steuern in Frankreich. Die Regierung in Paris verpachtete einzelne Steuerbezirke für eine bestimmte, fixe Schätzsumme an Privatpersonen. Diese waren nun bestrebt, einen möglichst hohen Betrag aus ihrem Pachtbezirk herauszuholen. Dabei bedienten sie sich in der Regel erpresserischer Mittel. 38 Der Lehrmeister hat insofern Schaden, als er den von ihm ausgebildeten Lehrling gerade dann verliert, wenn dessen Arbeitsleistung gewinnbringend wird und die Ausbildungskosten gedeckt werden könnten. Zu diesen Kosten zählten damals auch die Beherbergung, Bekleidung und Verköstigung des Lehrlings, der in der Regel im Familienverband des Meisters lebte. 39 Appretur = hier: äußere Zurichtung, Schliff. 40 Philosophie = hier: der Gesamtzusammenhang. 41 Kredit= hier: Vertrauen, Zutrauen in die Verläßlichkeit. 42 Auflage = Steuer im allgemeinen; siehe Lexikon Wirtschaft 145. 43 Revenüe = Einnahme. 44 In der" Kurpfälzischen Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft", die 1770 in Kaiserslautern offiziell ihre Tätigkeit aufnahm. Seit 1776 war JungStilling Mitglied dieser Vereinigung. Aus ihr ging die Kamera! Hohe Schule hervor, an die Jung-Stilling 1778 als Professor für praktische Kameralwissenschaften berufen wurde. Im Jahre 1784 verlegte man den Sitz der Gesellschaft nach Heidelberg. Die Hochschule wurde unter der Bezeichnung "Staatswirtschafts Hohe Schule" der Universität Heidelberg angegliedert.

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45 An diesem Orte= in Heidelberg.- Nachdem im Zuge der Koalitionskriege (im Gefolge der Französischen Revolution) Heidelberg dem von Frankreich neugegründeten Großherzogtum Baden eingegliedert wurde, lebte Jung-Stilling von 1803 bis 1806 nochmals in Heidelberg. Er folgte einem Angebot des Großherzogs von Baden, als dessen Berater in seine Dienste zu treten. AufWunsch des Großherzogs siedelte Jung-Stilling dann in die badische Hauptstadt Karlsruhe über. Dort starb er und liegt auch in Karlsruhe begraben. 46 Jung-Stilling ging zu Ostern 1787 als Professorfür Ökonomie-, Finanzund Kameralwissenschaften nach Marburg; siehe Lebensgeschichte 430 f. 47 Das Andenken an Jung-Stilling hat das hohe kurfürstliche Haus (Wittelsbach) bewahrt und gab für die Edition der 1988 im Verlag Duncker & Humblot erschienenen Jung-Stilling-Festreden eine größere Summe. Auch die Stadt Kaiserslautern erinnert durch eine Straße an Jung-Stilling. In Heidelberg freilich ist er vergessen.

48 Neben der Kurpfalz (Hauptstadt: Mannheim) waren dies die Herzogtümer Jülich und Berg (Hauptstadt: Düsseldorf) sowie Bayern (Hauptstadt: München; dort auch seit 1778 der Hof, der bis dahin in Mannheim war), daneben die Markgrafschaft Bergen-op-Zoom (in Brabant), die Grafschaft Ravenstein (in Brabant an der Maas), Neuburg (in Schwaben an der Donau unterhalb der Lechmündung) und Sulzbach (in der bayrischen Oberpfalz, östlich von Nürnberg) sowie einige kleinere Besitzungen des Kurfürsten Kar/ Theodor von Pfalzbayern.

Leitlinien erfolgreicher Wohlstandsmehrung* Bei dem Entwurf des Titels zu dieser Abhandlung machte ich mir selbst die Einwendung: Ob nicht eine so oft aufgewärmte Materie endlich Ekel erwecken und ganz ungelesen bleiben könnte? Die warmen menschenfreundlichen Männer, die nun einmal das neue ökonomische System 1 für den einzigen schmalen Weg zum Leben halten und von keinem andern hören noch sehen mögen, werden mir verzeihen, wenn ich hier einen Versuch wage, einen nicht so schmalen, wenigstens ersteiglichen auszuzeichnen. Ich brauche mich nicht zu verbürgen, daß er ebenfalls zur Glückseligkeit führt, sowie auch ebensogradund ebenso sicher ist. Die Wahrheit trägt ihren Charakter an der Stirne; und wer nur aus der Wahrheit ist, der muß sie im Augenblicke erkennen! Meine Abhandlung wird also nicht ungelesen bleiben, nicht Ekel erwecken, wenn ich Wort halte. Geschieht das nicht, so wird man doch den Knaben loben, der es täglich versucht, seines Vaters Schwert zu heben, zu führen und Distelköpfe damit abzuhauen. Denn die tägliche Übung wird ihn bei erreiften Kräften zum großen Helden machen. Ich wage also einen Versuch und bitte meine Leser, alle meine Sätze aufs genaueste zu prüfen und von keinem wegzueilen, bis sie ihn ganz durchschaut haben. Denn alle sollen sich auf ungezweifelte Erfahrungen gründen.

A. Gefahren reiner Handelsstaaten Die Kabinette der Fürsten haben nun schon lange aufgehört, das Glück des Staates in Erweiterung seiner Grenzen allein zu suchen. Diese Politik ist inzwischen in die Schlafkammer des Bauern herabgesunken. Denn der schätzt noch durchgehends

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sein Glück nach der Größe seines Gutes. Ist aber im Rate der Großen ein besserer Beglückungsplan entworfen und ausgeführt worden? Vielleicht ein besserer! Denn seine Ausführung kostet weniger Menschenblut. Aber darum ist er noch nicht der beste: man befördert den großen Handel auf alle Weise. Das ist jetzt Mode. Wer dazu wenig oder keine Gelegenheit hat, wie die mehresten unserer deutschen Fürsten, der folgt doch dem Modeton darin, daß er Fabriken errichtet oder doch zu errichten versucht. Wer aber von dem allem noch gar nichts tut, der liest auch meine Abhandlung nicht. Mithin schreibe ich auch nicht für ihn. Dem ersten Anblicke nach hebt der Großhandel- besonders der Seehandel - das Glück der Völker schleunig zu einem außerordentlich hohen Grade. Beschäftigte Bevölkerung, Aufklärung und Wissenschaften, schöne Künste, allgemeiner Reichtum und Wohlstand, mit einem Worte: alles, was man Glückseligkeit nennt, nimmt zwar allgemein und zusehends zu. Aber das ganze prächtige Gebäude steht so, wie Amsterdam, auf Pfahlen. Wenn da der Wurm die Grundfeste zernagt, so sinkt die ganze Herrlichkeit in den Schlamm. Niemand soll mir das auf mein Wort glauben. Vernunft und Erfahrung sollen für mich reden. Ein handelnder Staat hat die Quellen seines Glückes und Reichtums nicht in seiner Gewalt. Er bezieht seine Waren von andern Völkern und gibt sie wieder an andere ab. Solang nun diese entweder der Macht nachgeben müssen oder Vorteile von dem Handel haben, so lang besteht das Glück. Ändert sich aber diese Lage, so entstehen allemal gefährliche Revolutionen im Staatskörper, die ihn früher oder später gar zu Grunde richten. Carthago und die griechischen kleinen Staaten schwächten die Handlung von Tyrus. Alexandrien richtete endlich alle zu Grunde. Wie blühte Venedig, fast das zweite Rom? Allein, wo ist es hingesunken, seitdem die Ottomanen seine levantischen 2 Besitzungen und unsere Seemächte3 seinen levantischen und ostindischen Handel an sich gezogen haben? So ist ein handelnder Staat immer wandelbar, immer schwankend; ein Schiff auf dem Ozean, das jedem Sturme ausgesetzt ist. Diese unsichere Grundfeste ist es aber noch nicht allein, die den Staat schwankend macht. Sein Vergährreifen (ein Ausdruck, 43

den der Bauer von seiner Frucht braucht, wenn ein schwüler trockener Sommer die Körner austrocknet, ehe sie vollkommen sind) ich sage: sein Vergährreifen stürzt ihn vor der Zeit. Hier meine ich den Luxus. 4 Diese Pest der Nationen folgt der Handlung, wie das Podagra5 der Wollust. Der Reichtum gibt die Mittel dazu und die allgemeine Weltkenntnis, die durch Reisen und Bekanntschaft mit sämtlichen Quellen aller Befriedigungsmittel der Üppigkeit entsteht, die Gelegenheit. Auch hier redet wieder die Erfahrung. Was kann man überzeugenderes und zugleich schöneres lesen, als des Propheten Ezechiel Elegie über Tyrus?6 Zederne Mastbäume, elfenbeinerne Bänke, gestickte seidene Segel: welcher Luxus! Der König saß in einem Lustgarten Gottes, mitten unter dem blendenden Glanze der Edelgesteine wie ein Cherub.7 Aber welch ein trauriges Ende! Nebukadnezar belagerte die Stadt dreizehn Jahre lang. Eben ihr Reichtum, ihre Üppigkeit lockte ihn. Er eroberte sie, aber ohne Nutzen. Denn mitten im Meere entstand ein neues Tyrus, dessen Macht Alexanders Eifersucht erweckte. Er zerstörte es- und nie erhob es sein Haupt wieder empor. 9 Corinth, die herrlichste Handelsstadt Griechenlands war - wie andere ihrer Schwestern- in die tiefste Üppigkeit versunken, in welche sie ihr Handel versetzt hatte. Mummius, der römische Konsul, zerstörte und plünderte sie in eben dem Jahre, als das reiche Carthago an die Römer überging. 10

Kurz: die Handlung beschleunigt den Luxus, und dieser ist der unfehlbare Ruin aller Völker. Denn er schwächt allen Heldenmut, alle Spannkraft. Er schwächt die einzelnen und allgemeinen Kassen und öffnet jedem Feinde die Tore. Nie geschah dies frappanter, als damals, da Cyrus Babyion eroberte.U Noch ein großes Übel könnte ich beifügen, das aber mehr eine Geburt des Luxus als der Handlung selbst ist: nämlich die Irreligion oder die Freigeisterei. Die durch den Luxus entschlafften Nerven haben keine Spannung mehr, die bösen Lüste des Fleisches zu töten. Sie haben den höchsten Grad der Empfindsamkeit erreicht. Alles, was sie kitzelt, müssen sie haben und genießen. Die Religion, die ihnen heilsame Schranken setzt, wird durch den Verstand, dessen Maitresse nun das Gewissen geworden ist, reformiert, beschnitten, gefegt und so dem Zeitalter gemäß zugestutzt, wie Herrn Peters Rock in Swifts Märchen von der Tonne. 12 44

Nun ist aber die religiöse Moral der Grund, worauf das glückliche Bestehen der Menschheit beruht. Wie kann also ein Volk im Wohlstand fortdauern, das diesen Grund untergräbt?

B. Gefahren reiner Industriestaaten Das alles, was ich hier von der großen Handlung gesagt habe, gilt auch von den fabrizierenden Staaten. Denn man mag die Waren von andern bekommen oder selbst erzielen und verfertigen: wenn die Quelle der Staatsglückseligkeit darin besteht, daß man mit andern handelt, so ist sie immer schwankend. Unsere ehemals blühenden Hansestädte, besonders Nürnberg und Augsburg, sind noch immer redende Beispiele. 13 Eine Handlung, eine Fabrik - die Grundfeste eines Staates - kann sehr leicht, auf einem anderen Boden verpflanzt, besser gedeihen: und dann sitzen wir auf dem Trockenen! Als ich meinen Lehrberuf an der kurpfälzischen Hohen Schule antrat, 14 da war meine ganze Seele zur Handlung und Fabriken gestimmt. Aber ich forschte und dachte. Ich studierte die Geschichte und Lehren großerMännerund fand, daß Handlung und Fabriken nicht Zweck, sondern Mittel zur Glückseligkeit seien, und daß man also ganz anders verfahren müsse, als bisher geschehen. C. Binnenwirtschaftliche Ergänzungsbeziehungen als Maßstab Es gibt einen ganz sichern und unumstößlichen Grund aller StaatsglückseligkeiL Und welcher ist der? Ei: der vaterländische Boden, der den Staat ausmacht, den man ihm nie rauben kann. Der verheerende Eroberer kann die Menschen aus einem Lande jagen, aber das Land selbst nie vernichten. Dies ist also die eigentliche wahre Quelle alles positiven Reichtums. Eben dieser Reichtum verhält sich wie die Kultur dieses Bodens, oder wie die Landwirtschaft.

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I. Landwirtschaft als sichere, jedoch nicht einzige Ertragsquelle

Das ist ja wahre Physiokratie? 15 Bis daher freilich, aber im Verfolge nicht immer! Wahrheit bleibt Wahrheit, und man muß sie annehmen, wo man sie findet. Die Physiokratie hat ungemein viel Schönes und wäre vielleicht das einzige ökonomische System, wenn Adams Apfelbiß unterblieben wäre. 16 Daß blühende Landwirtschaft die einzige wahre Stütze eines Staates ist, bedarf keines weiteren Beweises. Um aber doch die Erkenntnis dieser Wahrheit noch lebendiger zu machen, bemerke man nur folgendes. Anerkannt ist es, daß sich der Wohlstand eines Landes verhalte wie die Menge seiner wohlhabenden glücklichen Bewohner. Wer sind denn die? Fabrikanten und Kaufleute, die höchstens Haus und Garten besitzen und ausziehen, wenn ihre Gewerbe nicht mehr fort wollen? Oder vielmehr die Bauern, die auf ihrem väterlichen Erbe wohnen, und es nicht eher verlassen, bis sie die Not dazu treibt? Und wenn dies geschieht, so bleibt doch das Gut zurück, welches immer wieder seine Familie ernähren kann. Der Fabrikant und Handelsmann hingegen nimmt sein Geld mit, wenn er nicht mehr bestehen kann und läßt eine beträchtliche Lücke zurück, die so leicht niemand mehr ausfüllt. Er ist also im Grunde nur insofern Staatsbürger, als er angesessen ist. Wie schwankend sind ferner alle Staats-Einkünfte, außer jenen Abgaben, die von den liegenden Gütern- das ist: von den Landwirten - entrichtet werden? Diese allein sind es, worauf der Fürst sichern Staat machen kann. Alle Gewinn- und Gewerbesteuern, alle Zölle, Akzisen 17 und Mauten 18 steigen und fallen mit den Fabriken und Handlung. Sie schwinden endlich ganz, wenn jene aufhören. Wird aber Landwirtschaft im höchsten Grad bevölkert und in Flor 19 gesetzt, so wächst der positive und - wohl gemerkt - bei einer weisen väterlichen Regierung unerschütterliche Wohlstand. Mit ihm wächst die Quelle der Einkünfte, welche dann ebenso unversiegbar ist. Auch dies ist ein Satz, den die neuen Ökonomen annehmen. Wenn sie aber das IMPÖT UNIQUE20 darauf gründen, so kann ich

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ihnen keinen Beifall geben. Sie sagen, der reine Ertrag des Landmannes - das ist: dasjenige, was er nach Befriedigung aller seiner häuslichen und landwirtschaftlichen Bedürfnisse übrig behält - sei die Quelle, woraus die Staatseinkünfte gezogen werden müßten. Sehr gut! Aber worin besteht dieser Ertrag? Nicht wahr: in rohen Produkten? Demnach wäre also der reine Ertrag der sämtlichen rohen Produktmassen eines Landes der eigentliche wahre Überschuß: der positive Reichtum eines Landes. Findet dies aber in unserer hochverfeinerten Verfassung21 statt? Gewiß nicht! Wir schätzen den Reichtum nach dem Gelde. Der Bauer muß seinen reinen Ertrag verkaufen und Geld dafür lösen, um sich das anschaffen zu können, was er selbst weder produzieren noch fabrizieren kann; und dann auch, um seine Abgaben zu bezahlen. Allein, auch diese Geldsumme, welche alle Landwirte überllaupt aus ihrem reinen Ertrage lösen, macht noch den Nationalreichtum nicht aus; bei weitem (wenigstens in vielen Fällen) noch nicht die Hälfte. Die Verbesserung, welche der Handwerksstand an jene rohe Produkten verwendet, ist in der Tat und Wahrheit eine fortgesetzte Produktion. Wer in aller Welt kann das leugnen? Und eben diese Verbesserung erhöht den Wert ungemein. Nicht die rohe Produktenmasse, die der Landwirt übrig behält, ist sein reiner Ertrag, sondern der Taler Geldes, den er nach Befriedigung aller häuslichen und landwirtschaftlichen Bedürfnisse in seine Kiste zurücklegen kann. 22 Mit eben dem Recht und auf eben die Weise ist auch der Taler Geldes reiner Ertrag, den der fleißige Handwerksmann nach befriedigten häuslichen und Handwerksbedürfnissen übrig hat und in seine Kiste zurücklegt. Und was ist endlich der jährliche Gewinn des Handelsmannes, wenn er nicht reiner Ertrag ist? Diese drei Taler Geldes sind eigentlich der reine Ertrag der Nation. Alle drei müssen daher verhältnismäßige Abgaben geben, wenn die Ordnung natürlich sein soll. Das bleibt aber dem ungeachtet immer wahr: daß die Landwirtschaft die sicherste Quelle der Einkünfte ist, und daß die andern immer steigen und fallen und also ungewiß sind.

Nach allem dem, was ich hier gesagt habe, ist es also die erste Pflicht des Fürsten, die Landwirtschaft blühend zu machen und

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diesen Gewerbestand so glücklich zu bevölkern, als nur möglich ist. Aber wie macht man das? Das ist eben die große Kunst, wovon so vieles geschrieben und gelehrt, jedoch noch so wenig geleistet worden ist! Bis daher glaubte ich immer, das Meisterstück bestehe darin, wenn man dem Bauer nur Abnehmer verschaffe. Bei diesem Satze bleibe ich auch noch. Denn ich glaube, daß er ein Grundsatz ist. Ein Bauer produziert gewiß nicht, was er weder selbst brauchen noch verkaufen kann. Sobald er aber Geld verdienen kann, so erzielt er so viel, als möglich ist. Je mehr Abnehmer also, je mehr Produktion, desto größerer Wohlstand der Landwirtschaft. II. Gewerbeförderung durch verstärkte Landwirtschaft Daß Fabrikanten und Handelsleute, die ihr Gewerbe auf inländische landwirtschaftliche Produkte gründen, jene Abnehmer sein müssen, ist wieder ein unumstößlicher Grundsatz. Ich irrte also in meinen Behauptungen nicht! Aber ich ließ eine Lücke, die ich hier ausfüllen muß. Wie bereitet man jenen Abnehmern den Weg, und wie verschafft man der Landwirtschaft dies mächtige und einzige Mittel zu ihrer Vervollkommnung? Noch nie habe ich auf diese Frage mir selbst genugtuend geantwortet. Aber jetzt will ich es versuchen. Denn ich bin der Natur auf ihrem stillen geheimen Fußtritte nachgewandelt, habe sie belauscht und glaube, daß ich das Geheimnis weiß. Daß so mancher Projektenmacher23 bei Anlegung einer Fabrik scheitert, ist gar kein Wunder. Er versteht es selbst nicht; und die Leute, die er braucht, scheren ihr Schäfchen an ihm. Gewöhnlich fangen es die Herren auch zu groß an und bringen noch dazu die Pflanze nicht in ihren rechten Boden. Daß aber an

vielen blühenden volkreichen Orten auch selbst die Fabriken, die eigentlich dahin gehören, nicht gedeihen wollen, das ist schwerer zu begreifen.

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Dies ist der gefährliche Felsen, der so manchen rechtschaffenen Mann von Anlegung einer Fabrik zurückschreckt und der den Staatsbedienten manchmal lebenslang untätig macht. "Es geht nicht", heißt es immer, "es ist so oft versucht worden, aber es kommt nichts dabei heraus." Sollte man denn die wahre Ursache dieser traurigen Erscheinung nicht entdecken, jene schädlichen Felsen aus dem Wege heben können? Warum geht es denn nicht? Auf diese Frage laßt uns sehr vorsichtig antworten. Denn da sitzt eben der Knoten, der aber nicht mit dem Schwerte, sondern logisch aufgelöst werden muß. 1. Qualitäts- und Preisfragen

Die Waren der neuen Fabrik sind entweder nicht so gut, wie die Waren der andern Mitwettbewerber, oder man kann sie nicht so wohlfeil geben. Kein dritter Fall findet statt. Sind die Waren nicht so gut, so fehlt es bloß an der Einrichtung der Fabrik. Man muß sich alsdann nur alle Mühe geben, um sie zur Vollkommenheit zu bringen. Man kommt da leichter zurecht, als wenn man sie nicht so wohlfeil geben kann; dies ist es eigentlich, woran alles hängt. Diemehresten anfangenden Fabrikanten können ihre Waren nicht zu den Preisen ihrer Mitwettbewerber verkaufen. Gleichwohl sollten sie, um ihren noch nicht vollkommenen Waren Kunden zu verschaffen, diese um ein beträchtliches wohlfeiler geben können. Allein wie ist das möglich? Die neue Anlage, die Anwerbung neuer Handwerksleute, neuer Werkzeuge, mit einem Worte: die ganze Friktion24 der neuen Maschine ist so stark und treibt den Aufwand so hoch hinauf, daß noch in vielen Jahren an keinen Profit zu denken ist. Darum riet ich von jeher, die Fabriken klein anzufangen. Und ich rate es noch! Allein ich finde, daß auch dies Mittel noch nicht hinlänglich ist. Wenn nicht die ganze Gegend dazu vorbereitet, wenn einer solchen zarten Pflanze nicht ihr Standplatz gehörig gedüngt und nährend gemacht worden, so gedeiht sie doch sehr langsam; freilich besser, als ein großer Baum, der ins wilde magere Land verpflanzt wird! Aber es übertrifft doch nichts 4 Jung-Stilling

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einen fruchtbaren, recht urbaren Boden. Diesen müssen wir auch den Fabriken geben, selbst dann, wenn sie auch ganz klein angefangen werden, sonst hat es dem allem ungeachtet noch immer keinen guten Fortgang. Die Physiokraten scheinen also auch hier wiederum recht zu haben. Sie halten nichts von Fabriken und Handlung. Wenigstens glauben sie nicht, daß sich die Gewerbeleitung mit deren Errichtung und Beförderung abgeben müsse, weil sie wohl von selbst in hinlänglicher Menge entstehen würden, wenn anders das Regiment landesväterlich und gut ist. Daß doch der menschliche Geist so schwer das Gleichgewicht halten kann! Entdeckt er das Licht der Wahrheit rechter Hand, so schießt er so schnell vorbei, daß er es nun wieder linker Hand hat. MEDIO TunssJMus IB1s25 möchte ich auf alle Wände meines Zimmers mit großen Buchstaben malen lasen, um es ja niemals zu vergessen. 2. Billige Rohstoffe und Arbeitskräfte als Vorbedingung

Wahr ist es, ewig wahr: wenn eine Fabrik an einem Orte angefangen, wenn sie geschwind und bald blühend werden soll, so kommt es ganz darauf an, daß alles, was die Fabrik gebraucht, rohe Materialien, Lebensmittel, Hilfsmaterialien und Arbeitsleute, in einem sehr hohen Grade wohlfeil seien. Dies ist der große wichtige Hauptpunkt. Laßt dann auch die Waren noch nicht gleich die höchste Vollkommenheit haben. Ihr wohlfeiler Preis, wobei der Fabrikant noch immer gewinnt, wird Käufer und Kunden genug herbeilocken. Sind aber diese einmal da, so ist der Absatz gegründet. Die Forderungen der Käufer und der Trieb, ihnen zu willfahren, vervollkommnet die Fabrik und ihre Waren unvermerkt. Man kann auch dann allmählich mit den Preisen steigen und gewinnt daher an einem so wohlfeilen Orte außerordentlich. Dies ist vonjeher die Lage gewesen, in welcher Fabriken glücklich entstanden und schleunig zu einer großen Höhe gestiegen sind.

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Fürsten, gebt euren Ländern diese Lage, so ist alles gewonnen! Der physiokratische Grundsatz, daß der wohltätige Einfluß der gesetzgebenden Gewalt auf die Landwirtschaft wirken müsse, ist also vollkommen richtig. Denn eine allgemeine Wohlfeile läßt sich auf keine andere Art zu Stande bringen.

3. Billige Rohstoffe durch verbesserte Viehzucht

So wahr also ist, was ich sonst behauptete: daß man der Landwirtschaft durch Fabriken und Handlung, die sich auf inländische Produkte gründet, aufhelfen müsse, so wahr ist es auch, daß man dennoch nicht sogleich, Ex ABRUPTo. mit Anlegung derselben anfangen müsse. Da helfen weder von Justi's Fabrikhäuser,26 noch von Sonnenfelsens Vorschuß von Seiten des StaatesY Das sind alles löcheriche Brunnen, die kein Wasser geben, oder Zisternen, die bald erschöpft sind, wenn es nicht immer regnet. Nur eine allgemeine dauerhafte Wohlfeile aller Dinge hilft. Diese zu bewirken ist eine Kunst, die ich nun deutlich und umständlich vortragen will. Wohlfeil wird alles, wenn die Erzielung die Verzehrung weit übersteigt. Nun habe ich aber schon oft geschrieben und gesagt, daß der Bauer nicht mehr erziele, als er verkaufen könne - und das ist wahr. Wie läßt sich nun das zusammenreimen? Sehr wohl, wenn man nur den ganzen Zusammenhang im rechten Licht betrachtet. An Gewächsen erzieht der Bauer freilich nicht mehr, als er selbst braucht und verkaufen kann. Wofür soll er ganze Strecken Landes mit sauerm Schweiße pflügen, eggen und ernten? Törichter als töricht wäre er, wenn er es täte, sobald er voraus wüßte, daß er das Geerntete weder essen noch trinken, noch verkleiden, noch Geld dafür lösen könnte. Aber ganz anders verhält es sich mit seiner Viehzucht. Hier liegt der ganze Aufschluß! Denkt nicht, meine Leser, daß ich nun die Linke auf die Hüfte stützen mit der Rechten das Sprachhorn28 vor den Mund setzen, die Backen voll Luft ziehen und "Kleebau!", "Stallfütterung!" durch Land und Sand schreien 4•

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werde! Das hat man so oft getan- und doch hat es noch nicht viel geholfen. Gott bewahre, daß ich diese zwei edle Stützen der Landwirtschaft verwerfen sollte! Sie haben ihren großen Wert. Allein, ich möchte doch nicht mehr tun, als das, was ich ehemals tat. Ich möchte keine Äcker mehr für Wiesen eintauschen, um Klee hineinsäen zu können. Das hieße doch den Enthusiasmus für den Kleebau zu weit treiben. Das Gras - und zwar süßes - mit edlen Wiesenkräutern und Klee vermischt, ist immer die natürlichste, gesundeste und beste Nahrung für das Vieh und ebenso das getrocknete Wiesenheu. Der Klee und sein Heu ist auch gut; ich tadle beides nicht, ziehe aber jenes Futter noch immer vor. Dazu kommt noch, daß der Klee immer mehr Mühe erfordert und nicht immer so gut gerät. Von dem Aufblähen des Viehes durch Klee will ich gar nichts sagen. Der Bauer mache also so viel natürliche Wiesen, als er wässern kann und verbessere sie zum höchstmöglichsten Ertrage. Ja, ich wollte ihm in Gegenden, die aus Berg und Tal bestehen, wohl anraten, so viel Wiesen zu machen, als er wässern kann; mehr aber freilich nicht, denn alles muß seine Grenzen haben. Diese Wiesen nun soll er zu seinem vornehmsten Augenmerke machen, sie düngen, wässern, reinigen, mit Eselsrücken29 versehen - kurz: alle Kunst der Landwirtschaft darauf verwenden. Den Klee aber soll er dann nur auf die Äcker säen, die Sommerfrucht getragen haben und die er doch das künftige Jahr brach liegen lassen würde. In Frucht- oder Getreideländern, die eine ebene Lage haben und wo man nicht natürliche Wiesen in hinlänglicher Menge anlegen kann, da muß man freilich zum Kleebau seine Zuflucht nehmen. Hier ist er auch herrlich und an seinem rechten Orte. Auch hier würde ich, zu meinem j etzigen Zwecke, dem Landmanne anraten, die Hälfte seiner Äcker zu künstlichen Wiesen zu verwenden. Ich weiß wohl, daß auch Berggegenden bei dem Kleebau ihr Glück gefunden haben. Aber das würde eben so gut geschehen sein, wenn sie alle ihre Kräfte und weniger Kosten auf ihre natürlichen Wiesen verwendet oder dieser genug hätten machen können. Wo auch dies letztere nicht möglich ist, da muß man sich ebenfalls mit dem Kleebaue helfen.

Ich will also einmal den Lehrsatz festsetzen: Man treibe den natürlichen Wiesenbau aufs höchste; und wo die Größe seiner Grundstücke die Hälfte der Äcker nicht erreichen kann, da ersetze man den Mangel durch den Kleebau. Wenn nun der Bauer diesen Lehrsatz ausübt, was werden dann die Folgen sein? 52

Die erste und natürlichste ist eine große Menge, ein Überschuß an vortrefflichem, süßem, grünem und trockenem Futter; und wenn jeder Bauer so verfahrt, eine allgemeine Wohlfeile des Futters, die es auch den Bürgern in den Landstädten leicht macht, eine Kuh zu halten und das Futter für sie zu kaufen. Die zweite (die aber zu meinem jetzigen Zweck nicht gehört, wie wichtig sie sonst auch sei) ist die allgemeine und leichte Abschaffung der Gemein weiden. 30 Dieser Punkt ist ja der Mühe allein wert. Die dritte Folge, die allen Bauern so viele Freude macht, ist der vergrößerte und verschönerte Viehstand. Jeder Bauer kann dann Vieh und Schafe genug halten; letztere muß er dann auch durch die Stallfütterung versorgen. Die vierte ist eine allgemeine Wobifeile des fetten Viehes, des Fleisches, der Wolle, der Häute, der Milch, der Butter, der Käse usw., und dies ist ein großer Teil der Erfüllung meines Zweckes. Die fünfte ist eine ungemeine Vermehrung des Düngers durchs ganze Land- und das ganz ohne Kunst und Mühe! Der Bauer hat ihn; er kann ihn doch nicht wegwerfen. Er führt ihn also auf Äcker, Gärten und Wiesen. Die sechste ist nun ein allgemeiner Flor der Landwirtschaft, eine allgemeine segensvolle Fruchtbarkeit. Nicht nur die Erde wird gedüngt, sondern auch Wasser und Luft. Das Wasser, welches vom Regen auf den fruchtbaren Gefilden zusammenrinnt, wird nun viel besser zum Wässern. Die Luft wird mit lauter nitrösen 31 Teilchen geschwängert, die nicht nur durch Regen und Tau wieder auf die Erde kommen, sondern auch von Laub, Kraut und Gräsern wieder eingesogen werden. Endlich siebtens zieht nun der Landwirt ohne Mühe auf einem kleinen Platze viel mehr Getreide, als vorhin auf einem großen. Sein Garten gibt doppelt Gemüse, ebenso auch seine übrigen Güter. Dadurch entsteht eine allgemeine Wohlfeile in allen Stücken, welche der Zweck war, den ich zu erreichen trachtete. Das ist der Erfolg meines in der Tat physiokratischen Lehrsatzes. Aber nun die Wirkung dieses Zustandes auf den ganzen Staat? Wenn wir nichts weiter tun, edle menschenfreundliche 53

Physiokraten, so haben wir noch wenig ausgerichtet! Bald, sehr bald wird die ganze Maschine wieder zurücksinken und so untätig sein als vorher! Denn die überschwengliche Produktenmasse, die nun erzielt wird, ist bei dem allem nicht mehr wert, als die Verzehrer dafür bezahlen. Höher darf man sie nicht anschlagen. Der Bauer bekommt jetzt für drei Pfund Butter nicht mehr als sonst für eins; für drei Malter Korn nicht mehr als sonst für eins. Eigentlich hat er also noch sein Glück nicht gemacht. Er lebt besser, schwelgt im Überflusse und das mag ihm gefallen. Aber er löst deswegen nicht mehr Geld als vorher. Er kann sich nicht besser kleiden, nicht besser den Herrn bezahlen, nicht besser seinen Taler Geld zurücklegen als vorher, usw. Dies kann ihm aber nicht gefallen. Da nun kein Trieb zur Industrie 32 ihn immer anfeuert, so sinkt er nach und nach in seine alte Untätigkeit zurück - und dieser Erfolg ist unwidersprechlich!

4. Verhältnis von Fabriken zur Landwirtschaft Sollen wir denn nun diese Volksklasse dem Ungefahren überlassen? Es kann freilich sein, daß diese allgemeine Wohlfeile mit Religionsduldung, sanfter Regierung, und dergleichen seligen Maßregeln vereinigt, Unternehmer herbeilockt, um Fabriken und Handlung zu gründen. Aber warum soll denn der Vater des Vaterlandes nicht auch hier seine segnende Hand anschlagen? Verhält sich nicht sein und des ganzen Staates Glück wie die Zahl glücklicher Bewohner? Ist es also nicht sicherer, auch diesen Teile seines Ackers mit zweckgemäßen Pflanzen zu besetzen, als ihn der sich selbst überlassenen Natur anheim zu stellen? Nein! Laßt uns den Haß gegen die Fabriken-Errichter nicht zu weit treiben! Ich habe es ja vorhin schon gesagt und sage es noch einmal: Die Fabriken und die Handlung sollen bloß als Mittel zur blühenden Landwirtschaft, aber auch als die einzigen zuverlässigen betrachtet und ihretwillen errichtet werden. Denn sie, die Landwirtschaft, ist und bleibt immer die Grundsäule des Staates. Aber wer in aller Welt wird dann auch die Mittel dem bloßen Ungefahren überlassen?

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5. Hochziel der Landesökonomie

Ich hoffe doch nicht, daß noch jemand an dem guten Erfolge der Fabrikengründung in einem solchen Lande (welches in dem Zustande der Wohlfeile ist, wie ich ihn soeben beschrieben habe), zweifeln werde. Es versteht sich aber von selbst, daß man dem ungeachtet noch immer vorsichtig sein und die Regeln beobachten müsse, die ich anderswo vorgeschrieben habe: nämlich noch immer für jede Fabrik den rechten Standpunkt suchen und immer klein und behutsam anfangen müsse. Geschieht aber das alles, so kann es nicht mehr fehlen. Freilich wird der gutmütige Leser noch immer ein gar großes Aber in seiner Seele umgewälzt haben. Es ist noch immer nicht ausgemacht, wie man dem gesamten Bauernstande zu jener Wiesen- und Futterverbesserung bringen müsse! Dies Aber mit allen andern will ich nun versuchen, aus dem Wege zu schaffen. Alles, was ich bisher gesagt habe, war im Grunde nur Vorrede. Hier öffnet sich nun der Eingang zum Wege, den ich mir zu zeigen vorgenommen hatte. Möchte ich nur mit Donnerstimmen tief in die Herzen unserer Fürsten und Gewalthaber sprechen können, um sie alle zu bereden, diesen Weg zu gehen, der so ganz unfehlbar zu dem Ziele führt, das sie doch alle suchen, wenigstens suchen wollen! Man pflegt zu behaupten, ein Mensch handle nach seinen Einsichten: was er für gut erkenne, das tue er. Wenn dem so ist, so hoffe ich, meine Abhandlung nicht umsonst geschrieben zu haben. Blühende Gewerbe, blühende Landwirtschaft, Handwerker, Künste, Fabriken und Handlung sind das glänzende Ziel, wohin jede gesetzgebende Gewalt ihre Richtung nehmen soll. Ein Land gedrängt voller wohlhabender Bauern, die mit Heiterkeit hinter dem Pfluge ihren Gesang singen, deren Töchter vollwangig und lächelnd zu ihrer Arbeit daher hüpfen können; wo Küche und Keller von Butter und Milch triefen, und wo sich das Gebälke unter den Getreidelasten biegt; wo eine Reihe riesenmäßiger Kühköpfe über den Trögen herschnaubt und ruhig wiederkäut; wo der Bauer dem Gelderheber entgegenlächelt, und sagt: "Warum seid ihr nicht schon gestern gekommen?"

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Ein Land, wo hin und wieder zwischen wohlhabenden Dörfern und Bauernhöfen eine florisante Stadt hervorragt, in welcher muntere Handwerksburschen reihenlang vor den Fenstern sitzen und in wetteifernder Arbeit ihren Morgengesang singen, während dem der Meister vergnügt den Baß dazu brummt und die Arbeit des vorigen Tages auf den Laden ordnet, am Abend aber nichts mehr einzuräumen hat; wo der Handelsmann mit Warenlasten nach der Messe reist und mit Geld beladen, wie die Biene mit Honig und Wachs, wiederum zu seiner Heimat zurückkehrt, und ihn aus jeder Haustüre eine frohe Stimme bewillkommt: ein solches Land muß ja wohl den höchsten Wunsch eines jeden patriotischen Regenten sein.

Er wäre so leicht zu erfüllen, wenn man nur einmal den Maßregeln folgte, die ich in dieser und verschiedenen vorigen Abhandlungen vorgeschlagen habe.

D. Hemmnisse bei der Zielerreichung Wenn wir uns heutigen Tages an unsern besten deutschen Höfen umsehen, so finden wir auch wirklich ein allgemeines Gedräng nach diesem Ziele. Man befördert Handlung und Fabriken, richtet auch wohl sein Augenmerk auf die Landwirtschaft; aber leider sehr selten mit dem Erfolg, den man erwartete. I. Sachunkunde und Ränke

Denn eines Teils greift man es nicht am rechten Ende an, geht nicht gründlich genug zu Werk. Andern Teils sind es auch manchmal nur Spiegelfechtereien und Schauspiele gewisser Hofschranzen,33 die dem Fürsten, dem Staate und der Welt einen gewissen Patriotismus vorspiegeln wollen, um sich damit groß zu machen. Und endlich scheitert auch manchmal der rechtschaffenste und sachkundigste Mann bloß durch die Hand der allmächtigen Kabale. 34

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II. Schädliches Juristen-Monopol Sehen wir der Ursache dieses tantalischen 35 Bestrebens auf den Grund, so finden wir sie hell und klar. Aber darfich offenherzig sagen, was ich sehe? Verzeihet mir, große würdige Männer, Lehrer und Diener der Rechtskunde! Meine Pflicht fordert von mir, hier offenherzig zu sein. Die ganze Verwaltung der gesetzgebenden Gewalt ist in den Händen der Herren Rechtsgelehrten. Nun wird mir aber jedermann zugestehen müssen, daß sich ihre ganze Wirkungssphäre nur bloß beschäftigt, in jedem Falle zu bestimmen, was recht oder unrecht ist, und um dies bestimmen zu können, Gesetze der persönlichen und Eigentumssicherheit zu entwerfen, oder kurz: nach alten und neuen Regeln und Verordnungen einem jeden sagen zu können, was Mein und Dein ist. Groß, gut und wohltätig ist diese erhabene Wissenschaft, die eine Hand des Regenten. Denn was hilft mir alles Glück, aller Wohlstand ohne Sicherheit meines Eigentums? Aber mit eben der Würde, mit eben dem festen Fuße darf ich mich auch nun umkehren und fragen: was hilft mir bloße Sicherheit ohne Glück und Wohlstand? Wenn der Regent mit einer Hand schützt und das Zepter führt, dann soll er mit der andern das Füllhorn des Segens über seine Völker ausschütten, sie auch glücklich und wohlhabend machen. Seht, edle deutsche Männer: das ist bis dahin die große Lücke, die uns die Rechtsgelehrsamkeit offen gelassen hat, und die wir auszufüllen bemüht sind. Freilich ist die Rechtsgelehrsamkeit nicht zu beschuldigen. Sie hat nie das Feld der Staatswirtschaft umfaßt, nie auf ihren Kathedern die Grundsätze derselben gelehrt, sondern sich von jeher auf die Sicherheit des Eigentums eingeschränkt. Folglich, um wahr und gerecht zu sein, muß man eingestehen, daß nur jene gefehlt, die den Rechtsgelehrten mit Aufträgen belastet haben, die gänzlich außer den Grenzen seiner Kenntnisse lagen.

Soll also dem Übel an der Wurzel geholfen und Landwirtschaft, Handwerker, Fabriken, Handel sowie alle die daher fließenden Vorteile dem Lande verschafft werden? Dann bleibt kein

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anderes Mittel übrig, als die wirklichen staatswirtschaftlichen Stellen nicht mit Rechtsgelehrten, sondern mit Staatswirten zu besetzen, und in dieser Hinsicht solche junge Staatsdiener anziehen zu lassen, die diese weitschichtige Wissenschaft zu ihrer einzigen Berufswissenschaft machen und solche ebenso gründlich erlernt haben, als man seither die Theologie, die Rechtsgelehrsamkeit und Arzneiwissenschaft zu erlernen bemüht war.

E. Zielleitende Verwaltungsgliederung So einleuchtend diese Sätze sind, indem es ja eine ausgemachte Wahrheit ist, daß der unmöglich in der Ausübung glücklich sein kann, dem es an gründlicher Theorie fehlt: so sucht man dennoch dadurch Schwierigkeiten aufzustellen, indem man behauptet, es widerstreite der Landesverfassung; und auf vielen Orten sei der Schutz des Eigentums oder das Amt eines Rechtsgelehrten mit jenem des Staatswirtes vereinigt. Nichts ist leichter, als diese Abänderung, ohne das Personal zu vermehren, und hier ist eine Skizze dieser möglichen Abänderung. In jedem Staate ist eine Generalverwaltung, die nach den verschiedenen Regierungsformen auch verschiedene Benennungen hat, im Grunde aber die Aufsicht über das Ganze führt. Diese Generalverwaltung hat drei Hauptdepartements unter sich, die alle Staatsgeschäfte unter sich teilen. Die Landesregierung besorgt das Beglückungsgeschäft oder die Staatswirtschaft, das Justizkollegium die Handhabung der Gerechtigkeit und die Hofkammer die Verwaltung der zur Erhaltung der Staaten nötigen Gelder. Bei den Justizkollegiis wäre nichts zu erinnern, da ihre Einrichtungen so getroffen sind, wie es die Lage in Deutschland mit sich bringt. Hingegen möchte bei den Regierungen und Finanzkollegiis manches zu erörtern sein. Das Finanzkollegium hat die beste Gelegenheit, das Land in allen seinen einzelnen Teilen genau kennen zu lernen. Da aber diese Kenntnis dem Staatswirte unentbehrlich ist, so wäre der Übergang aus den Finanzkollegiis in die Regierung ungleich zweckmäßiger, als jener aus den Justizkollegiis in dieselbe.

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Warum dies bisher nicht geschehen, wäre wirklich ein unerklärbares Rätsel, wenn man nicht wüßte, daß man bisher der unseligen Meinung gewesen, ein Finanzbedienter müsse sich durch Praxis und nicht durch gründliche Erlernung seiner Wissenschaften auf Universitäten zu seinem zukünftigen Amte vorbereiten und bilden. Hier liegt also der ganze Knoten verborgen. So lange es also nicht eine Staatsmaxime wird, keine auch der geringsten Finanzbedienungen außer an solche Männer zu vergeben, die sich durch Erlernung aller Teile der Staatswirtschaft dazu gehörig vorbereitet haben, so lang ist es unmöglich, diesem Staatsgebrechen vorzubeugen. Wenn also die Generalverwaltung eines Landes einmal ernstlich dahin sehen wird, daß sich nicht überall Leute in Finanzbedienungen einschleichen oder eindrängen, die gleichwohl von den Kenntnissen zu diesen Ämtern entweder gar keine oder sehr fragmentarische und höchstens ganz unvollkommene praktische Kenntnisse haben; sondern diese sämtliche Stellen mit Kandidaten besetzt werden, welche die Staatswirtschaft gründlich erlernt haben, so werden sich die Gebrechen sämtlich hc;:ben. Der Flor eines Landes wird die unfehlbare Folge dieser weisen Verordnungen und dieser standhaften Ausführung sein. Junge und zukünftige Staatsdiener, die sich auf diese Art zu ihren Ämtern vorbereitet haben, werden unfehlbar ihr Glück in der Welt machen. Dies wird andere dahin bewegen, den nämlichen Weg einzuschlagen, da doch jeder nichts anders wünscht, als in seinem Amte dadurch glücklich zu sein, daß er sich zu höhern Ehrenstellen empor schwingen kann.

Also alle die, welche das Wohl ihres Landes lieben, es reich und glücklich machen wollen, diese müssen dahin sehen, daß sämtliche dahinabzweckende Staatsbedienungen mit gründlich unterrichteten Männern besetzt werden. Es wird alsdann in Emporbringung eines Staates in zehn Jahren mehr ausgerichtet werden können als bisher in einem Jahrhundert möglich war. Denn die erste und größte aller Hindernisse ist dann hinweggeräumt Dies waren die patriotischen Vorschläge, die unser Direktor36 bereits in dem Jahrgange 1770 unserer Bemerkungen 2ten Teile S. 248 und S. 251 vorschlagen hat. 37 Wir dürfen uns glücklich preisen, daß diese Vorschläge nicht leere Projekte geblieben sind, sondern nach und nach in Erfüllung gehen.

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Wir können den frommen Wunsch nicht unterdrücken, daß, da nun einmal in unserm geliebten Vaterlande das Eis gebrochen und der erste und schwerste Schritt getan ist, man die Erfüllung des höchsten Befehles vom 6. Nov. 177838 bei jedem einzelnen Falle standhaft ausführen möge, was auch hie und da ein Einzelner dagegen einwenden mag; besonders wenn er sich untersteht, zum größten Schaden seines Vaterlandes zu behaupten, seine nachgesuchte Bedienung sei zu unwichtig, um auf sie das Generalmandat auszudehnen.

Anmerkungen • Der Originaltext lautet: "Sicherer Weg I für I einen deutschen Fürsten, I Landwirthschaft, Fabriken und Hand- I Jung in seinen Landen blühend zu I machen I von I Johann Heinrich Jung." und ist erschienen in: "Bemerkungen I der I Kurpfälzischen I physikalisch-ökonomischen Gesellschaft, I vom Jahre 1783. I Mit einer KupfertafeL I Nebstzweien Registern, einem systematischen, und I einem Namensregister der Verfasser der Ab- I handJungen sämtlicher sechszehen Bände. I Mannheim I in der neuen Hof- und akademischen Buchhandlung /1785." auf den Seiten 220 bis 268. 1 Gemeint ist die um 1780 herrschende Lehrmeinung, daß Handel, Schiffart und Gewerbe (unter Vernachlässigung der Landwirtschaft) begünstigt werden müssen, um den Volkswohlstand zu heben. Es handelt sich dabei um eine Mischung spätmerkantilistischer Kerngedanken mit physiokratischen und frühklassischen Einsichten. Jung-Stilling liegt zwar im ganzen auf der gleichen Linie. Er betont aber sehr stark den Grundsatz der binnenwirtschaftlichen Komplementarität; siehe Lexikon Wirtschaft 14. Danach muß im Regelfall die Landwirtschaft oder der Bergbau Ausgangspunkt der Industrialisierung sein. 2 Levante= Morgenland, Ostgegenden, vor allem die damalige asiatische Türkei. 3

Seemächte = Spanien, Portugal, England und die Niederlande.

Podagra = Fußgicht, Zipperlein. Als Ursache dieses Leidens sah man ausschweifendes Leben an. 4

l Luxus = bei Jung-Stilling allgemein: Aufwand, der den Ertrag übersteigt; siehe Lexikon Wirtschaft 96 wegen genauerer Definitionen.

6 Siehe dessen Weissagungen in Kapitel 27 f. Tyrus (Zor) war die wichtigste der phönizischen Handelsstädte. Sie stand schon 1100 v. Chr. in höchster Blüte.

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7

Cherub = hoher Engel.

Nebukadnezar (= "Nebo beschütze die Grenzen") = einer der bedeutendsten Herrscher von Babylon; er regierte über 40 Jahre (604 - 562 v. Chr.). Unter ihm erreichten Wirtschaft und Kultur in Babyion einen Höhepunkt. 8

9

Alexander der Große eroberte und zerstörte Tyrus im Jahre 332 v. Chr.

Im Jahre 146 v. Chr.- Mummius führte ganze Schiffsladungen von Kunstschätzen nach Rom; Karinth wurde völlig ausgeplündert. Er erhielt den Beinamen Archaicus, weil er Archaia zur römischen Provinz gemacht hatte. 10

11

ein. 12

Der Perserkönig Cyrus I. (558-529 v. Chr.) nahm 539 v. Chr. Babyion Jonathan Swift: A Tale of a Tub. Er erschien zunächst anonym 1704.

Augsburg und Nürnberg hatten ein leistungsflihiges Gewerbe und blühenden FernhandeL Beide gehörten aber nicht zum Hanse-Bund. 13

14 Jung-Stilling wurde zum Winterhalbjahr 1778 als Professor für praktische Kameralwissenschaften nach Kaiserslautern berufen; siehe Lebensgeschichte 370 ff. 15 Physiokratie = Lehrmeinung, die im Grund und Boden die einzige Reichtumsquelle erkennt; siehe Lexikon Wirtschaft 111 f.

16 Wenn die Menschen in einer Paradies-Wirtschaft leben und sich nur von Früchten ernähren könnten. 17

Akzise= Verbrauchssteuer auf Waren.

18

Maut = Wege- oder Warenzoll; siehe Lexikon Wirtschaft 178.

19

Flor = Blühen, Gedeihen (wirtschaftlicher) Wohlstand.

Einzige, vom Boden zu erhebende Steuer der Physiokraten; siehe Lexikon Wirtschaft 73 f. -Der sächliche Artikel ist regelwidrig; richtig ist der männliche. 20

21

Verfassung= hier: Verhältnisse, Gegebenheiten.

22

Siehe Lexikon Wirtschaft 73.

23 Projektenmacher = Projektant = Theoretiker, der unausgegorene Pläne umsetzt, ohne die landesökonomischen Gegebenheiten zu kennen; siehe Lexikon Wirtschaft 121.

24

Friktion = Reibung, Bewegungs-Hindernisse.

"Auf dem Mittelweg gehst du am sichersten"; Leitsatz von Ovid (Metamorphosen 2, 137). 25

26 Der Nationalökonom Johann Heinrich Gottlieb von Justi (1705-1771) schlug in seiner Schrift: ,.Von dem Manufaktur- und Fabrikreglement" (Berlin 1762) vor, auf Kosten des Staates Fabriken anzulegen. Diese sollten dann an Unternehmer verpachtet werden. Siehe auch Lexikon Wirtschaft 29, 161.

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21 Der Nationalökonom Joseph von Sonnenfels ( 1732-1817) befürwortete (zinslose) Kredite an Unternehmer, die in volkswirtschaftlich sinnvollen Gewerbezweigen tätig werden wollten.

28

Sprachhorn = Ruftrichter, Megaphon.

29

Eselsrücken = Ablaufhang.

Gemeinweiden = Grundstücke, auf denen jeder Dorfbewohner nach bestimmten Regeln sein Vieh treiben darf; auch Koppel weide, Kuppelweide und gemeine Weide genannt. 30

31

Nitrös = salpeterhaltig; düngend.

32

Industrie= hier: Fleiß, zielleitende Anstrengung; Bemühen um Erfolg.

33

Schranze = hier: charakterloser Mensch; Lumperich.

34

Kabale = Hinterlist, Ränke.

Tantalisch = verlangend nach Unerreichbarem; sich vergeblich nach etwas sehnend. 31

36 Direktor der Kurpfälzischen physikalisch-ökonomischen Gesellschaft und der Kameral-Hohen-Schule in Kaiserslautern war der vielseitige Gelehrte Friedrich Casimir Medicus (1736-1808); siehe DBA 818, 257 ff. Dieser schlug Jung-Stilling auch dem Kurfürsten von der Pfalz als Professor vor; siehe Lebensgeschichte 353. 37 Der hier erwähnte Beitrag von Friedrich Casimir Medicus handelt .. Von der Notwendigkeit ökonomischer Kenntnisse".

31 Kurfürst Kar/ Theodor von Pfalz-Bayern schrieb mit Erlaß von diesem Tag allein seinen künftigen Verwaltungsbeamten den Besuch der KameraiHohen-Schule (und zwar ,.eines ganzen Lehrkurses") vor.

Vom richtigen Fabrikstandort* A. Förderlichkeit von Fabriken Alle Erzeugungen in den drei Reichen der Natur 1 erfordern einen natürlichen Standpunkt, wo sie nämlich alles finden können oder wo ihnen die Natur gleichsam alles an den Weg gelegt hat/ was zu ihrem Entstehen, Wachstum und zu ihrer Fortdauer notwendig ist.

I. Na türlieber Standort Wenn die sich selbst überlassene Natur etwas erzeugt, so geschieht das allemal an einem Orte, wo Erd- und Himmelsstrich, Boden- und Nahrungsbedürfnis nahe bei der Hand sind. Wenn daher der Mensch etwas erzeugen will, so muß er alle die Bedürfnisse kennen, welche ein Produkt zu seiner Vollkommenheit nötig hat, und dann erstlieh den Ort suchen, wo alle die Bedürfnisse naturgemäß befriedigt werden können. Hernach muß er dann auch alle Mittel der Ordnung nach anwenden, um den besten Zweck zu erreichen. Wo man nun dieses Ziel am ersten, am besten und am leichtesten erreicht, da ist der natürliche Standpunkt eines solchen Produktes. Ich habe für nötig gefunden das Wort, natürlicher Standpunkt zu erklären. Nur ein einziges Beispiel mag genug sein, meinen Gegenstand vollends in das helleste Licht zu setzen. Wenn ich einen Weinberg anlegen will, so kann ich das nicht an jedem Orte. Ich muß mir dazu einen natürlichen Standpunkt suchen: wo nämlich der Boden warm, fruchtbar, gegen kalte Winde geschützt, den Frühlingsfrösten und Nebeln nicht ausgesetzt ist, und im Herbste nicht zu früh Kälte, Regen und Nebelschauern bloßgestellt sei.

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II. Mißlungene Fabrikgründungen Diese allgemein anerkannten Erfordernisse der Produktion wende ich nun auf die Fabrikation an. Denn diese Abhandlung hat den Zweck, die zuverlässigsten Regeln an die Hand zu geben, welche man bei Errichtung einer Fabrik zu beachten hat, wenn man zum erwünschten Zwecke, zu einem blühenden und segenvollen Geschäfte kommen will. Man sieht heutigen Tages wohl ein, daß die Errichtung der Fabriken und der daraus entspringenden Handlung ein sicheres und fruchtbares Mittel zur beschäftigten Bevölkerung und folglich zur allgemeinen Staatsglückseligkeit 3 sei. Allein, die allgemeine Erfahrung lehrt, daß die vortrefflichsten und wohlmeinendsten Männer in der Auswahl der Fabriken - welche nämlich die vorteilhaftesten für das Land, für die Gegend usw. sei- unglücklich gewesen sind. Solche mißlungenen Versuche machen hernach der Fabrik-Errichtung ein böses Geschrei. Die Regenten haben ihre Unterstützung dabei vergeblich angewendet und Schaden gelitten. Kommt dann hernach ein Mann, der die Sache gründlich versteht und dessen Vorschläge in der Ausführung gelingen würden, so findet er kein Gehör. Jene mißlungenen Versuche haben den Fabriken einmal ein böses Gerücht gemacht, und man mag sich mit solchen Sachen nicht mehr abgeben. Daher halte ich es für höchst nötig, Regeln an die Hand zu geben, nach welchem man jedes Projekt, jeden Vorschlag prüfen kann, ob er gelingen werde. Diese Regeln fließen natürlich aus der Untersuchung, wo der eigentliche natürliche Standpunkt einer Fabrik sei? Hat man diesen unfehlbar getroffen, so kann man auch des erwünschten Erfolges versichert sein.

III. Fabriken und Landwirtschaft Ich sagte vorhin, man sehe heutigen Tages den Nutzen der Fabriken ein. Dies muß mit einer gewissen Einschränkung angenommen werden. Denn es gibt einsichtsvolle Leute genug, welche den Fabriken nicht hold sind, sondern welche die ganze

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Kraft der Gewerbeleitung bloß und allein auf die Landwirtschaft verwendet wissen wollen. Hierzu verleitet sie der höchstwahre und unzweifelbare Grundsatz: daß die Landwirtschaft das einzige wahre Grundgewerbe des Staates sei, dessen Flor" allein die wahre Glückseligkeit eines Volkes bestimmen könne. So sehr wir dies zugeben, so sehr überzeugt sind wir aber auch, daß jener Flor der Landwirtschaft nicht unmittelbar erreicht werden könne, sondern daß das einzige, wirksamste und beste Mittel dazu wohl angelegte Fabriken seien. Das will ich zuerst mit einigen kurzen Sätzen beweisen. I. Landwirtschaftlicher Bestzustand

Der höchste Flor der Landwirtschaft besteht darin, daß in einem Lande auf der Erdoberfläche so viel Gewächse und Tiere produziert werden, als möglich ist. Dieser höchste Grad der Produktion ist dann erreicht, wenn sich die landwirtschaftliche Bevölkerung so hoch vermehrt hat, daß das ganze Land, soweit es urbar zu machen ist, derart in lauter kleine Bauerngüter verteilt ist, daß sich auf jedem mit gehörigem Fleiße zwar eine Bauernfamilie ernähren und wohlhabend werden kann, doch aber keine fernere Teilung mehr zuträglich ist. Zu diesem Zustande gelangt die Landwirtschaft, wenn der Preis ihrer Produkte bei aller ihrer Vermehrung und bei allem Fleiße dennoch immer so aufmunternd bleibt, daß noch immer Fleiß und Vermehrung statt fande, wenn sie noch ferner möglich wäre. Der immer fortdauernde aufmunternde Preis der Produkte ist also das eigentlich wahre und allein wirksame Mittel, die Landwirtschaft emporzubringen.

2. Abnehmergruppen der Agrarprodukte

Der immerfortdauernde aufmunternde Preis der Produkte entsteht, wenn allzeit so viele Leute da sind, die selbst nicht produzieren, aber die Produkte der Landwirtschaft teils fabrizie5 Jung-Stilling

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ren und verbessern, teils auch verzehren; und zwar in so großem Verhältnisse, daß die höchste Industrie5 der gesamten Landwirtschaft kaum zulangt, jenen Verzehrern oder Abnehmern Produkte genug zu schaffen. Eine hinlängliche Menge Verzehrer oder Abnehmer der Produkte ist also das einzige Mittel, die Landwirtschaft aufden höchsten Flor zu bringen.

Die Abnehmer können aber sehr verschieden sein. Es gibt reiche Leute, welche bloß verzehren. Es gibt große Städte, welche viele Viktualien6 brauchen. Große Kriegsheere können auch die Marktpreise erhöhen. Die Abnehmer mögen innerhalb des Landes wohnen oder Ausländer sein. Endlich können sie aus lauter Handwerksleuten bestehen, welche teils die rohen Produkte verarbeiten und teils verzehren. Die Frage ist nun hier, welche unter allen Gattungen dieser Verzehrer die nützlichste sei? a) Kaufkräftige Privathaushalte Sind viele reiche Leute oder Kapitalisten durch ihre Verzehrung fähig, einen Ort blühend zu machen? Wenn diese Frage mit "ja" beantwortet werden sollte, so müßten die Gegenden, in welchen Domstifte und viele Präbendarien 7 sind, die reichsten und blühendsten sein. Man findet aber gerade das Gegenteil! Man sollte glauben, die Stadt Wetzlar8 müßte wegen der großen MengeVerzehrerund des großen Aufwandes, welcher dort gemacht wird, höchst blühend sein. Allein, nichts weniger als das! Solche reichen Verzehcer leben wohl. Aber niemand genießt das Glück ihres Aufwandes als Wirte, Krämer, Schneider, Schuster und dergleichen. Diese Leute haben aber gleichsam den Alleinhandel in diesem Falle, und sie halten die Preise niedrig.9 Zudem machen 200 bis 300 solcher Verzehrer schon eine große Menge aus, die man selten findet; 2000 bis 3000 rechtschaffene Handwerksleute aber sind eine mäßige Anzahl in einer blühenden Gegend. Es ist also ausgemacht, daß eine Menge reicher Verzehrer zwar einigermaßen einem einzelnen Orte Nahrung geben könne. Aber allgemeinen Flor bringen sie nicht hervor;

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geschweige, daß eine solche Quelle durch allerhand Schicksale versiegen kann, dahingegen Fabriken an ihrem gehörigen Standort von immerwährender Dauer sind. b) Große Städte; Heeresbedarf Große Städte machen rund um sich her die Landwirtschaft blühend, soweit der Transport die Preise nicht zu sehr erhöht. Aber eben dadurch entsteht auf der andern Seite wieder der Mangel, daß die großen Städte selbst ein großer Schaden für den Staat sind. Der Beweis dieser Wahrheit gehört nicht hierher, und der vortreffliche Sonnenfels überhebt mich auch desselben. Denn er hat nicht allein ein eigenes Traktätchen über diese Materie geschrieben, sondern hin und wieder redet er davon in seinen übrigen Schriften sehr überzeugend. 10 Zahlreiche Kriegsheere können unmöglich nützliche Abnehmer für die Landwirtschaft sein. Denn sie selbst gehören unter die allerschwersten Staatskosten. Es würde eine sehr traurige Verfassung sein, wenn man sie als die vornehmsten Verzehrer und als das Mittel, die Landwirtschaft empor zu bringen, betrachten müßte! c) Verarbeitendes Gewerbe Es bleibt also anders nichts übrig, als daß eine hinreichende Menge ehrlicher, fleißiger Hausväter, welche den einen Teil der Landesprodukte kaufen und zu Befriedigungsmitteln menschlicher Bedürfnisse verarbeiten, den andern aber mit ihrer Frau und Kindern ordentlich und wirtschaftlich verzehren, das sicherste, dauerhafteste, ja das einzige Mittel ist, die Landwirtschaft und mit ihr Gewerbe und Handlung auf einen höchst blühenden und festen Fuß zu setzen. Dazu kommt noch, daß diese Menschenklasse die beschäftigte Bevölkerung und mit ihr die Geschwindigkeit der umlaufenden Geldmasse vermehrt. Welcher Segen dies aber für einen Staat sei, das läßt sich nicht genug sagen. Je mehr beschäftigte und wohl sich ernährende Hausväter in einem Lande sind, desto stärker

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und wohlhabender ist ein solcher Staat. Denn es ist ja bekannt, daß die Stärke nach der Zahl erwerbender Einwohner, und nicht nach der Weitläufigkeit des Landes geschätzt werden muß.ll 3. Multiplikatorwirkungen

Der Nutzen, welcher aus dem beschleunigten Umlaufe der existierenden Geldmasse entspringt, ist nicht weniger sehr wichtig. Gesetzt, eine Karolin 12 geht in einem Tage zehn Erwerbern durch die Hand. So sie immer einer vom andern zur Zahlung bekommt, immer einer dem andern für Waren oder zum Lohne gibt, so stellt diese Karotin in einem Tage zehnmal ihren Wert vor. Sie ist eben so gut als 110 Gulden oder es ist eben so viel, als wenn die zehn Hausväter jeder eine Karotin als Eigentum besessen hätten. Bleibt sie aber einen Tag still liegen, so behält sie ihren natürlichen Wert von 11 Gulden und nichts mehr. So verhält es sich mit der ganzen Geldmasse im Staate. Je öfter sie umgeschlagen wird, desto öfter multipliziert sie sich mit sich selbst. Indem 100 000 Gulden in einem Tage umgeschlagen werden und dies in einer Woche alle Tage geschieht, so sind die 100 000 Gulden in dieser Woche zu 700 000 geworden. Es ist dies eben so viel, als wenn 700 000 Gulden zugegen wären, die aber in einer Woche nur einmal umgeschlagen wurden. Welch ein großer Nutzen dies sei, das läßt sich leicht begreifen. Dieser wird eben dadurch erhalten, wenn man dem Bauern Abnehmer, welche Handwerksleute sind, in hinlänglicher Menge anschafft. Er verkauft ihnen täglich seine Produkte; sie bezahlen ihn; er kauft wieder seinen Bedarf dafür, und der an ihn verkauft, schafft sich wieder für das erlöste Geld Waren an. Indessen arbeitet jener Handwerksmann wieder an neuen Kunstprodukten und verkauft sie wieder- und so geht das immer fort. Wer das recht überlegt, der wird einsehen, wie groß der Nutzen der Fabriken sei.

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4. Gewerbliche Wertschöpfung

Allein, hierzu kommt noch eine Betrachtung. Man redet und schreibt immer von einer umlaufenden Warenmasse, desgleichen von einer umlaufenden Geldmasse. Man vergleicht beide gegen einander und hält sie für den einzigen Reichtum des Staates.13 Aber die Sache verhält sich weit anders in einem fabrizierenden Lande. Die ganze Klasse der Fabrikanten vermehrt den Wert der Warenmasse durch ihre Kunst, oder- welches gleich viel ist - die Arbeit, die Beschäftigung, der Fleiß werden hier ebenfalls zur Ware und zu Geld gemacht. Das geschieht aber nicht, wo der Bauer entweder seine rohe Produkte außer Land oder an reiche Leute verkauft. Durch die Beschäftigung wächst also die umlaufende Geldmasse auch im Verhältnisse dieser Beschäftigung. 5. Schlußfolgerungen

Doch ich entferne mich zu weit von meinem eigentlichen Zwecke. Ich glaube, ich habe den Wert der Fabriken und daß sie das einzige Mittel zur wahren Aufnahme der Landwirtschaft seien, hinlänglich erwiesen. Ich mußte so viel davon sagen, wenn meine folgenden Bemerkungen ihren gehörigen Wert haben sollten. Man lese ferner über diese Materie: Taube von der Englischen Handlung; Vorteile der Völker durch die Handlung, ein sehr wichtiges Werk; 14 Sonnenfels durchgehends in seinen Schriften und endlich: man lese die Natur! Man durchreise Völker und Staaten und beobachte den Wert der Fabriken, so wird man finden, daß sich überall der allgemeine Wohlstand in gleichem Verhältnisse mit ihrem Flore befinde.

B. Auswahl geeigneter Fabriken Nachdem ich nun einmal festgesetzt und angenom_men habe, daß die Errichtung der Fabriken und Manufakturen (ich begreife hier alles zusammen unter dem Wort Fabrik) 15 das einzige Mittel

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sei, die Landwirtschaft als das Grundgewerbe des Volkes und mit ihr die ganze Staatswohlfahrt auf den höchsten Gipfel der Vollkommenheit zu führen, so wende ich mich nun meinem eigentlichen Vorhaben zu. Es besteht darin, daß ich zeige, welche Fabriken denn eigentlich ein Land, je nach der Beschaffenheit seiner Produktion, seiner Lage und Verhältnis mit andern Ländern, nach der Beschaffenheit seiner Transporteinrichtungen u.d.g. vorzüglich zu wählen und einzuführen habe, um jenen großen Zweck zu erreichen? I. Natürliche und unnatürliche S ta n do rtfak t o re n

Den rechten natürlichen Standpunkt hat eine Fabrik, wenn sie allen diesen Umständen angemessen ist: wenn sie selbst im höchsten Flore und zugleich die Landwirtschaft rund um sich her höchst blühend macht. Beide Stücke gehören zusammen, wenn man anders mit Grunde sagen will, eine Fabrik sei an ihrem rechten Orte. Diese Behauptung will ich zuerst durch richtige Beobachtungen beweisen. 1. Beispiel Niederlande

Holland hat außer seinem mächtigen und blühenden Speditionshandel auch viele Fabriken. Diese gründen sich aber mehrenteils auf ausländische rohe Produkte. Denn es ist bekannt, daß Holland eine höchstarme Landwirtschaft hat, wenn man die Viehzucht ausnimmt: diese macht die Bauern wohlhabend. Die Produktion aus dem Pflanzenreiche aber ist nichts wert. Mithin gründet sich die bemerkenswerte beschäftigte Bevölkerung dieses Landes bloß auf Leute, die der Speditionshandel einsetzt, vorzüglich aber auf solche, welche die Fabriken und Handwerker beschäftigen. Da aber nun die Landwirtschaft allen diesen Menschen außer Milch, Butter und Käse nichts abzugeben vermag, mithin alle andere Lebensmittel und rohe Produkte aus fremden Ländern dahin geführt werden müssen, so ist klar, daß erstlieh die Land-

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Wirtschaft weiter nichts dabei gewinne; und zweitens, daß auch die Fabriken auf einem sehr schwankenden Fuße stehen. Denn die Schlesier und andere Deutsche dürfen nur einmal so gescheit werden, daß sie ihren Flachs und Hanf selber zu feinem Leinwand verarbeiten, so hat es schon mit der vortrefflichen holländischen Leinwandfabrik ein Ende. Tausende von Menschen würden kein Brot mehr haben und auswandern müssen. Wenn aber der niederländische Bauer selber Hanf und Flachs in genügender Menge baute, um die inländischen Fabriken damit zu versehen, so würde der Bauer diese Produktion gewinnen. Mehr Land würde angebaut werden. Mehr Bauern würden entstehen. Die Landwirtschaft würde um so viel blühender werden. Niemals würde die Leinwandfabrik zu Grunde gehen können, weil sie ihre Quelle in eigener Gewalt hätte. Da aber nun Flachsbau in Holland unmöglich ist, so steht schon dort die Leinwandfabrik nicht an ihrem rechten Standpunkte. Sie gehört nicht dorthin, aber wohl nach Schlesien und andere flachstragende Länder. Hier entsteht aber nun die Frage: was soll ein solcher Staat, wie Holland ist, machen? Die Landwirtschaft kann dort nicht blühend werden. Wenn nun anders keine Fabriken dort angelegt werden sollen, als die sich auf die Landwirtschaft gründen, so kann Holland außer seiner Fischerei, seiner Tabakspfeifen- und Ziegelfabrik nichts Beständiges haben. Dies hat seine vollkommene Richtigkeit! Holland ist auch ein eben so schwankender Staat wie die Häuser in Amsterdam, deren Grundfeste aufPrahlen im Schlamm beruht. Zerfrißt der Wurm diese Pfahle, so sinkt der Bau, wie man dort schon erfahren hat. Verlieren die Holländer ihre Besitzungen in andern Weltteilen, und fahren die Deutschen fort, in den Gewerben zu reformieren, so erreicht Holland bald sein endliches Ziel. Es sinkt wieder zur Verfassung zwei er oder dreier Grafschaften zurück, welche weiter kein dauerhaftes Bestehen haben, als insofern es ihnen ihre einheimische Landwirtschaft und Fabriken geben.

Der auswärtige Handel und die auswärtige Fabriken können ein Land weit über die Grenzen seiner natürlichen Empfanglichkeit bevölkern. Aber diese Glückseligkeit ist gar nicht gegründet. Daher findet man auch in der Geschichte so manchen traurigen Wechsel bloß handelnder Staaten.

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2. Beispiel Spanien Noch ein Beispiel. GanzEuropa braucht spanische Wolle zu seinen seinen Tüchern und wollenen Zeugen. Hin und wieder hat man also Wollfabriken angelegt, welche spanische Wolle kommen lassen und sie zu Tuch verarbeiten. Unsere einheimische Schafzucht hat davon aber gar keinen Vorteil. Der Landwirt im gesamten eben so wenig, außer daß er den Handwerksleuten die Nahrungsmittel verkauft. Der Staat gewinnt freilich dabei, indem er mit größerem Nutzen fremde Wolle als fremdes Tuch kauft und durch die Fabriken so viel Hausvätern mehr Brot gibt. Allein, dennoch ist diese Fabrik keiner dauerhaften Glückseligkeit fähig. Sie unterstützt die Landwirtschaft als das Hauptgewerbe nicht. Die Spanier dürfen nur einmal so klug werden, daß sie ihre Wolle selbst verarbeiten, so hat dies alles ein Ende. Dazu kann es aber leicht kommen. Denn wenn sie einmal ihre Besitzungen in Amerika verloren haben und sie kein Geld mehr umsonst bekommen können, so müssen sie es durch eigenen Fleiß verdienen. Dazu werden ihnen ihre rohe Landesprodukte vortreffliche Dienste tun können. Alsdann müssen wir entweder die feinen Tücher teuer den Spaniern abkaufen (und das wäre nicht erlaubt), oder wir müssen unsere eigene schlechte Wolle verarbeiten und tragen (und dazu wird sich die große Menge unserer Prachtgünstlinge nicht verstehen), oder wir müssen den einzigen wahren Weg zu unserm Glücke und Wohlstande einschlagen: nämlich die Schafzucht nach dem Beispiele der Engländer verbessern. 16 Denn diese kluge Nation verliert nichts dabei, wenn Spanien keine Wolle mehr ausführt; denn ihre eigene ist im Falle der Not zur Pracht gut genug.

3. Beispiel Venedig und Genua Noch ein trauriges Beispiel sehen wir an Venedig und Genua und noch an andern ehemals im höchsten Grade des Wohlstandes blühenden Städten und Staaten mehr. Venedig und Genua besaßen in der Levante 17 viele Inseln und Königreiche, deren rohe Produkte sie nach Hause führten, verarbeiteten und dann

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verkauften. Zu der Zeit waren sie die Monopolisten von ganz Europa. Ihre Landwirtschaft war in der Levante und ihr Absatz in allen Ländern Europas; gerade so, wie jetzt Holland seine Landwirtschaft in Ostindien und seinen Absatz in Deutschland und den nordischen Königreichen hat. Die Türken nahmen ihnen nach und nach die levantischen Besitzungen ab. Die Entdeckung des Weges um Afrika nach Ostindien und von Amerika entzogen ihnen auch den Absatz. So sanken jene Staaten von ihrer übernatürlichen Höhe zur natürlichen herab. II. ErsterGrundsatz der Standortwahl Aus diesem allem erhellet, daß der Flor und das Glück des Staates anders nicht bestehen kann, als wenn die Fabriken auf die einheimischen Produkte der Landwirtschaft gegründet sind. Alle anderen Fabriken sind schwankend und gefährlich. Geht nun eine solche Fabrik zu Grunde, so ist der Schaden viel größer, als wenn sie nie dagewesen wäre. Denn müßige, notleidende Menschen und Familien sind ein größeres Unglück als gar keine. Wer Fabriken auf ausländische rohe Produkte gründet, der gründet sie auf einen Staatsfehler dieser Nation. Sie braucht ihn nur zu verbessern, so ist seine Fabrik zu Grund gerichtet. So lang die Barbarei in den Staaten des Großsultans herrscht, so lang diese herrlichen Länder wegen den ungeheuren Gelderpressungen der Bassen 18 und Unterbeamten größtenteils wüst liegen, so lange sind die armen Bauern froh, wenn sie ihre rohe Seide und Baumwolle an die Franken verkaufen können. Und so lang können wir unsere Ziz-, 19 Kattun-20 und Seidenfabriken fortsetzen. Sobald aber einmal in den Morgenländern staatswirtschaftlich hausgehalten wird, wenn ihre wüste Städte einmal voller Handwerksleute werden, welche die Seide und Baumwolle selber verarbeiten, so haben die obigen Fabriken mit unsern Siamoismanufakturen2 1 ein Ende.

Aus diesen Bemerkungen, die ich noch aus der Geschichte und Erfahrung sehr vermehren könnte, folgt nun der erste Grundsatz:

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Die erste wesentliche Eigenschaft des natürlichen Standpunktes der Fabriken besteht darin, daß man sie aufeinheimische Produkte der Landwirtschaft gründe. Wenn Produzenten und Fabrikanten unter einer Regierung stehen, beisammen in einem Lande wohnen, so kann der Fabrikant nie Mangel an Nahrung und Materialien und der Bauer nie Mangel an Absatz haben. Die englische Wollenmanufakturen sind so dauerhaft wie der Staat selbst. Denn die Bauern beeifern sich um die Wette, die beste Wolle zu produzieren und die Fabrikanten ebenso, die besten Tücher zu machen. Diese kaufen wieder Bürger und Bauern. So geht dies PERPETUUM MOBILE22 immer fort. Freilich brauchen auch die Engländer spanische und afrikanische Wolle. Jedoch wenn sie die auch nicht mehr haben können, so werden ihre Tücher wohl etwas weniger sein. Aber die Manufakturen werden darum nicht schwächer. Hingegen ihre schöne Stahl- und Eisenfabriken haben ein Ende, sobald Schweden und Deutschland einmal selbst so klug werden wird, seine rohe Metalle bis ins Feine auszuarbeiten.

III. Zweiter Grundsatz der Standwortwahl So wichtig also die einheimische Produktion für die einheimischen Fabriken ist, so wichtig ist auch der einheimische Absatz. Das Kirchspiel Remscheid im Herzogtum Berg verfertigt eine große Menge kleiner eiserner Waren, die mehrenteils nach Holland gehen. Diese Fabrik ist so ansehnlich, daß das ganze Revier mit Schmieden dicht besetzt ist, wie ich anderswo weitläufig erzählt habe.B Als nun vor ein paar Jahren Holland Krieg mit England bekam,2 4 wodurch verschiedene Zweige des niederländischen Handels abgeschnitten wurden, so traf dies Schicksal gerade solche Betriebe. Der Abzug der Waren härte fast ganz auf, und 1500 Menschen wurden brotlos. Diese handelten nun ein jeder nach seiner Neigung. Eine Menge strichen haufenweis herum und machten die Straßen unsicher. Die Highwaymen 25 waren daher dort etwas gewöhnliches. Andere zogen fort. Wieder andere bettelten. Der Rest blieb sitzen und hungerte. Dies alles waren Folgen einer Fabrik, wel-

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eher nicht bloß der inländische Absatz fehlte, sondern deren Verkehr so gar noch größtenteils an eine einzige Nation gebunden war - und noch ist! Hier fallt mir nebenher der Gedanke ein: wie kann man ein solches trauriges Schicksal verhüten? Wenn sich nämlich eine solche Fabrik von selbst bildet, so darf man sie durchaus nicht hindern. Denn das ist doch gewiß, daß dieser Werkhandel dem Herzogtume Berg über lange Zeit eine einträgliche Geldquelle gewesen ist. Hier ist guter Rat teuer. Ich glaube aber, das beste Mittel wäre, wenn die Gewerbleitung Möglichkeiten schaffte, daß sich der Absatz durch viele Länder verteilte. Rußland, die Levante, Italien und viele deutsche Staaten lassen noch ihre Eisenwaren aus England kommen, wo sie bekanntlich ungemein schön verfertigt werden. Holland nahm die Remscheider Fabrikprodukte bloß wegen der vorzüglichen Wohlfeile, welche die Nähe des Transportes und der Rhein verursachte. Würden also die Remscheider ihre Waren so vollkommen verfertigen als die Engländer und dann odurch Reisen 26 und andere gehörige Mittel ihren Handel durch alle Weltteile ausbreiten, so könnten sie sich mit noch größerem Erfolge eines beträchtlichem Absatzes versichern, weil sie wegen der Nähe des rohen Materials und der wohlfeilen Arbeitslöhne viele beträchtliche Vorzüge vor den Engländern haben.

Die Landwirtschaft ist in solchen Fällen wirklich sicherer. Wenn man in einem Lande ein Produkt erzielt, das außer Land geführt wird, und dieser Handel wird gehemmt, so hilft sich der Bauer durch Erzeugung anderer Gewächse. Wenn er das auch nicht sogleich kann, so zieht er sich doch immer die Notdurft selbst. Er wird nicht ganz außer Nahrung gesetzt und er behilft sich, bis er ein anderes Mittel findet. Aber mit einer Fabrik ist es ganz anders. Die Handwerksleute können sehr selten ein anderes Handwerk ergreifen. Sie sind an das ihrige gebunden, und wenn das nicht mehr geht, so sind sie ganz außer Nahrung. Aus dem allem folgt also, daß es wieder eine wesentliche Erfordernis des natürlichen Standpunktes einer Fabrik sei: wenn man des immerwährenden Absatzes gewiß sein kann; und dies ist man, wenn ihre Fabrikate im Lande selber häufig genug verbraucht werden.

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IV. Dritter Grundsatz der Standortwahl Allein, es gibt doch noch einen Umstand, der uns den Absatz auf immer sicherstellt: wenn man solche Waren verfertigt, die gleichsam der ganzen Menschheit notwendig sind. Allerlei Gattungen von Gewand und was überhaupt Nahrung sowie Kleidung erfordern, hat jeder Mensch nötig: es ist ihm unentbehrlich. Unsere Fabriken können also in diesem Falle mehr machen, als das Land selbst verbraucht. Nur müssen sie dann wenigstens im Stande sein, eben so gut, so mannigfaltig, so schön und so wohlfeil zu arbeiten als andere, um mit ihnen zugleich verkaufen und sich mit ihnen in einen Wettstreit einlassen zu können. Unter diesen Waren rechne ich Leinwand, Siamoise, wollene Tücher und Zeuge usw. Nur muß man, um eine solche Fabrik dauerhaft zu gründen, die mehresten oder wichtigsten rohe Materialien dazu im Lande haben. Zum Leinwand muß man nicht wie die Holländer aus anderen Ländern Flachs kommen lassen, sondern unsere Bauern müssen selbst Flachs und Hanf ziehen. Ebenso muß die Siamoisfabrik den Hanf und Flachs nahe um sich her haben. Zu Wollenmanufakturen nimmt man die inländische Wolle usw. Allein, hier ist eine Ausnahme zu machen. Nur die gemeinste Menschenklasse trägt Tücher und Zeuge aus Landwolle. Wer nur etwas ist, der muß fremdes Tuch haben. Dieser Luxus zieht eine entsetzliche Menge Geldes außer Land. Solang also die deutsche Wolle noch so unverantwortlich versäumt wird, so lang ist es doch noch immer zuträglicher, unsere eigene Wolle-Manufakturen auf spanische Wolle zu gründen, als fremde Tücher zu kaufen. Denn wir gewinnen doch dabei den Arbeitslohn und unsere Landwirtschaft den Verkauf der Viktualien. In der ganzen deutschen Landwirtschaft ist kein Gegenstand wichtiger als die Schafzucht, besonders da es uns- wie nunmehr ausgemacht - leicht möglich ist, englische Wolle durch Kleefütterung auf dem Stalle und also ohne Weidgang (alle übrige englische Wartung dazu gerechnet) zu erhalten. Es ist unbegreiflich, wie unsere deutsche Regierungen solche wichtige Gegenstände übersehen können, da sie doch die herrlichsten Beispiele an andern Nationen sehen.

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Ich kann also auch noch dieses zu den nötigen Eigenschaften des Standpunktes der Fabriken rechnen, wenn sie so angelegt werden: daß ihre Waren überall gang und gebe und unentbehrlich sind; doch so, daß weder Transport noch sonst ein Umstand ihre Waren teurerer noch geringerer mache als die Waren anderer Fabriken. Zu diesem Zwecke des bessern Fortkoromens des Werkhandels sind die Messen vortrefflich. Dort versammeln sich alle Käufer und alle Verkäufer. Dort bestimmt der Zusammenfluß der Waren sowie des Geldes die richtigsten Preise und was dergleichen glückliche Folgen mehr sind, die im kleinen eben so durch Errichtung ordentlicher Jahrmärkte erreicht werden können. V. Vierter Grundsatz der Standortwahl Die Erwerbungsmittel zu den Fabriken oder ihr Aufwand muß an ihrem natürlichen Standpunkte ebenfalls leicht, wohl und beständig zu haben sein. Hierher gehören vorzüglich die arbeitenden Hände. Es ist verwunderlich, wie oft hier der rechtschaffene Mann in Errichtung einer Fabrik sich betrügt! Er findet die Taglöhne wohlfeil; er sieht Bettler und arme Leute überall; er glaubt daher, es würde ihm an Arbeitern nicht fehlen. Und doch kann er sie nur sparsam und schwer bekommen! Dies ist das Schicksal der mehresten anfangenden Fabriken. Hinwiederum habe ich erfahren, daß an einem blühenden Orte, nämlich in Elberfeld, wo alle Arbeitslöhne aus der Maßen hoch sind, wo alle Hände genug zu tun finden (und wo der Wohlstand des allgemeinen Bürgers ihm einen Stolz, eine Selbstgenügsamkeit gibt, die ihn oft fast unerträglich macht), alle Fabriken, die nur angelegt werden, wohl gedeihen. Zwei würdige Kaufleute dort fingen eine Seidenfabrik an, wozu doch bis dahin die entfernteste Anstalt nicht zugegen war. Sie ließen fremde Arbeiter kommen, und binnen ein paar Jahren war die Fabrik im Flore. Von allen Seiten fanden sich Leute, die Arbeit haben wollten.

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Diese doppelte Bemerkung ist höchst wichtig, weil sie auf die Errichtung der Fabriken den allerstärksten Einfluß hat. Es dient hauptsächlich zu meinem Zwecke, diese wundersame Erscheinunggründlich zu untersuchen. Die wichtigsten Beobachtungen lehren also: daß an einem Orte, wo jedes Gewerbe schläft, wo viele arme Leute sind und wo also die Fabriken am nötigsten wären, dieselbe am übelsten und am langsamsten vonstatten gehen! Dies ist der Fall in vielen Fruchtländern, wo alles wächst, was man nur säet und pflanzet. Hier sollte ja Segen, Gedeihen und Wohlstand überall sein. Aber nichts findet sich weniger als das! Der Bauer ißt und trinkt sich satt. Aber er hat einen allzuwohlfeilen Absatz seiner Produkte, mithin kein Geld. 21 Kaum und nur mit großer Not kann er seinen Ackeraufwand bestreiten und die Herrschaft bezahlen. Er geht mit Weib und Kindern in leinenen Kitteln arm und elend einher. Wer nicht gerad ein sehr großes Gut hat, der muß es verschulden, davonlaufen und betteln. Das alles aber ist gar nicht zu verwundern. Was hilft einen solchen Bauern, wenn er sich plagt und sehr viel erzielt? Seine Produkte sind ihm zu feil, sie bezahlen ihm seine Mühe nicht. Mithin läßt er es gut sein und sät gerad nur so viel, daß es zur Not auslangt.

Da nun solche Verfassung28 von des Urgroßvaters Zeiten auf diese Weise gewesen, so hat das ganze Volk gar keinen Begriff von Emsigkeit, gar keine Tätigkeit. 29 Es verlangt es nicht besser zu haben, als man es hat. Ja, man sieht sogar scheel zu, wenn wackere Leute Gelegenheit zum Verdienste geben. Man mag nicht arbeiten. Man mag lieber betteln oder gar die Straßen unsicher machen. Wie ist es nun möglich, daß bei einer solchen Denkungsart der gemeine Mann zur Fabrik eilen sollte, um etwas zu verdienen? Daraus folgt also der Grundsatz: wo ein allgemeiner Mangel an Industrie ist, da hält es sehr schwer, Fabriken zu errichten. Diese Wahrheit macht aber auch zugleich begreiflich, warumjene zwei wackeren Männer in Elberfeld mit ihrer Seidenfabrik so glücklich waren. Es kam daher, weil dort die allgemeine Emsigkeit auf den höchsten Grad gestiegen ist. Jeder will immer mehr verdienen. Und wenn er auch

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wirklich in guter Nahrung sitzt und es entsteht etwas Neues, so hofft er, noch mehr zu verdienen. Er nimmt dazu auch an diesem teil und vermehrt seine Emsigkeit noch mehr. Folglich gedeihen die Fabriken am allerbesten, wo die Emsigkeit, die Industrie allgemein auf einen hohen Grad gestiegen ist. Daraus will ich aber gar nicht folgern, daß man also die Fabriken nur in die emsigen Gegenden, nicht aber in jene träge anpflanzen müsse! Das wäre eben so viel, als wenn man dem Bauern sagen wollte: du mußt nur deine fetten Äcker und Wiesen besäen, denn auf den mageren wächst nichts, die bezahlen dir deine Mühe nicht. Nein, der Bauer soll auch die mageren fett machen! Die trägen, toten, gewerblosen Gegenden sind eben - wenn sie zugleich aller übrigen notwendigen Eigenschaften fähig sind - die natürlichen Standpunkte der Fabriken. Da sind sie am rechten Orte, weil sie die einzigen Mittel sind, das Volk emsig und wohlhabend zu machen. Allein, dies zu Stande zu bringen, ist eben die Kunst!

Indem ich hier die Mittel anzeigen will, deren man sich an einem solchen Orte zur glücklichen Errichtung einer Fabrik bedienen muß, so gerate ich wieder auf die gerade Bahn, die ich mir vorgezeichnet hatte und wovon ich oben abging. Ich wollte nämlich zeigen, daß eine gehörige Anzahl arbeitender Hände leicht, bequem und wohlfeil dort zu haben sein müsse, wo ein natürlicher Standpunkt einer Fabrik sein soll. Nun sind die aber ja genug zu haben, wo keine Beschäftigung ist, wo so viele Bettler sind, kurz: gerad an dem Orte, wo die Fabriken am nützlichsten wären. Und doch lehrt die Erfahrung, daß man sie nicht haben kann, weil sie an keine Arbeit gewöhnt sind und von besserem Glücke keine Begriffe haben. VI. Fünfter Grundsatz der Standortwahl Der ganze Fehler liegt an der Methode, die Fabriken zu errichten. Kein Fürst in der Welt ist reich und mächtig genug dazu, um eine solche Sache mit Gewalt zu zwingen. Diejenigen rechtschaffenen Männer, welche ihm vorstellen, man könne dem und dem nahrlosen Orte am leichtesten durch Fabriken aufhelfen, schlagen das Kapital zum Einkaufe der Materialien, aller Gebäude, aller Werkzeuge, kurz aller nur möglichen Unkosten hoch genug 79

an. Sie fordern dieses Kapital vom Fürsten und glauben gewiß, sie würden nicht einmal alles brauchen. Daher versprechen sie in ihrer gewissen und sichern Hoffnung güldne Berge. Und siehe da! Sie scheitern, werden unglücklich und zu Schanden. Das ist das gewöhnliche Schicksal der mehresten herrschaftlichen Fabriken. Die Hauptursache dieses Ganges werde ich nun finden . Ein solcher Unternehmer verschafft sich einen geschickten braven Meister, der die Sache recht versteht. Dieser kauft nun rohe Materialien ein, besorgt sich Werkzeuge, die Gebäude werden angelegt, mit einem Worte: alles wird vernünftig, behutsam und untadelhaft ausgeführt. Nun geht es ans Arbeiten. Man versorgt sich mit etlichen tüchtigen Leuten, die man aus der Fremde verschreibt.30 Diese sollen nun die Einheimischen anführen . Jetzt fängt es an zu mißlingen. Diemehresten mögen nichts arbeiten. Einige kommen; allein, so bald lernen solche unkultivierte Leute nicht schön, gut und viel arbeiten. Zudem sind die einheimischen Arbeitsleute Schmiede, Schlosser, Schreiner u.dgl. noch nicht geschickt, gute Werkzeuge zu machen. Diese sind also auch noch allenthalben fehlerhaft. Folglich arbeiten Menschen und Werkzeuge fehlerhaft. Dies geschieht durch den ganzen Gang der Zubereitung vom Anfang bis ans Ende. Folglich werden die Waren schlecht. Dies ist das Schicksal aller anfangenden Fabriken. Wunderselten findet sich einmal ein einzelner Fall, wo die ersten Waren vollkommen sind. Bei dieser Unvollkommenheit sind sie aber darum nicht wohlfeiler, wie die nämlichen Waren anderer Fabriken! Im Gegenteil: sie sind aus vielen Ursachen teurer. Und doch muß derUnternehmerviel wohlfeiler verkaufen als andere, wenn er verkaufen will. Er muß also von Jahr zu Jahr große Summe zusetzen,je nach dem Verhältnisse, nach dem er das Werk im Großen angelegt hat. Und dennoch hat alles keinen Fortgang! Ich glaube, daß diese allgemeine Erfahrung von niemanden bestritten werden kann. Nur weiß man noch nicht recht, wo die Ursache liegt, oder wie man es angreifen soll, damit es gelinge.

Hier will ich einen Grundsatz von größter Wichtigkeit sagen, und ich will ihn mündlich und schriftlich predigen, erklären und anempfehlen, so lang ich lebe. Möchte er nur jedem Fürsten, jedem Minister, ja jedem rechtschaffenen Manne einleuchten! 80

Denn auf ihm beruht das ganze Glück der Fabriken-Errichtung, mit ihr der Landwirtschaft, folglich des ganzen Staates. Ein solcher Grundsatz sollte also überall mit goldenen Buchstaben angeschrieben stehen, damit ihn jedermann auswendig lernen könne. Hier ist er, auf ewige und unwidersprechliche Erfahrung gegründet.

Eine Fabrik muß aufihrem natürlichen Standpunkt ganz klein, einfach, und gleichsam in einem Punkte angefangen werden. Nie soll man sie durch fremden Zuschuß verstärken, sondern sie soll nicht mehr wachsen, als sie sich selber Kräfte verschafft. Aufdiese Weise wird sie sich langsam aber dauerhaft gründen. Menschen, Werkzeuge, Himmel, Luft, Wasser und Erde: alles wird sich nach und nach an sie gewöhnen, und Glück und Segen dabei sein.

C. Beispiele richtig angelegter Fabriken I. Modell-Hutfabrik Ich kann dies alles durch ein Beispiel erläutern. Gesetzt, wir wollten hier in Lautern eine feine Hutfabrik errichten und man übertrüge mir die Ausführung, so würde ich folgender Gestalt verfahren. Ich kaufte mir Hasenhaare, Kaninchenhaare, Lämmerwolle und dergleichen Materialien zu feinen Hüten in bester Güte ein. Vielleicht würde ich noch nicht recht die Quelle wissen, wo ich dergleichen am besten und wohlfeilsten bekommen könnte. Daher kaufte ich auch noch nicht viel; etwa nur so viel, als ein einziger Hutmacher in einem halben Jahre verbraucht. Auf diese Weise hätte ich wenig Schaden. Nun redete ich mit den hiesigen Hutmachern und untersuchte, ob sie im Stande wären, feine Hüte zu verfertigen. Zu dem Ende ließ ich jeden eine Probe mit meinen Materialien machen. Fände ich einen geschickt, so ließ ich ihn arbeiten. Fände ich das nicht, so ließ ich mir einen ledigen braven, aber geschickten Burschen kommen. Dieser müßte entweder für mich bei einem jener Meister arbeiten, oder ich ließ ihn Meister werden. 6 Jung-Stilling

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Dieser ledige Mensch würde mir nicht zur Last sein im Falle des Mißlingens. Hätte er mir nun meine Materialien in Arbeit genommen, so schrieb ich mittlerweile hin und wieder an inlän· disehe Krämer, schickte ihnen meine Hüte und verkaufte sie ihnen. In diesem Falle zweifelte ich nicht an der Güte meiner Ware, weil nur einer arbeitet, der seine Profession versteht. Dahingegen wenn man eine Fabrik im Großen treibt, laufen immer viele zusammengeraffte 31 Leute mit unter, die noch uner· fahren und sehr oft liederlich sind. Während der Zeit, da mein Hutmacher arbeitete, würde ich nun finden, ob meine Materialien gut seien und mich im ferneren Ankaufe darnach richten können. Die Krämer, welche mir meine Hüte abkauften, würden gleichfalls erst sehen wollen, ob meine Ware auch in der Farbe und im Tragen Stand hielte. Deswegen würde ich ihnen auch die Proben wohlfeiler geben müssen als andere. Indessen würde ich das noch mit Nutzen können, weil der Transport die ausländi· sehe Hüte teurer macht, dieser Transport aber bei mir wegfiel. Ich würde also noch immer gewinnen und bei meiner guten Ware würden stärkere Bestellungen kommen.

So wie die Bestellungen zunähmen, so ließ ich auch meine Fabrik zunehmen: dies ist eine Grundregel. Nun ließ ich meinen Meister einen Lehrjungen ansetzen und wenn es die Not erforderte, noch einen Gesellen annehmen. Jenen Lehrjungen würde ich aus mei· ner Nachbarschaft aussuchen, damit ich ihn ganz kennen könnte. Es ist ungemein wichtig, daß man bei Errichtung einer Fabrik auf rechtschaffene Leute sehe. Da man deren sehr schwerlich viele auf einmal finden kann, so ist dies mit eine Hauptursache, warum man eine Fabrik klein anfangen lassen soll. Der Lehrjunge würde also sein Handwerk lernen. Ich würde mich auf ihn als einen Eingeborenen verlassen können. Solcher· gestaltführe ich immer fort, meine Fabrik zu vergrößern. Ich ließ sie nach dem Verhältnisse der Bestellungen wachsen. Weil ich nun lauter gute Waren verfertigte, so würde es mir nie an Absatz fehlen und also meine Hutfabrik allmählich zur höchsten Höhe steigen. 82

Ich würde nun aber bei meiner Fabrik zwei Hauptstücke einführen. Erstlieh würde ich nach den besten Regeln der Technologie und Hutmacherkunst Schaugesetze 32 entwerfen und auf denselben mit höchster Strenge halten. Daher würde ich die Hüte nach dem Fachen, nach dem Filzen, nach dem Walken, nach dem Färben und nach dem Ausputzen genau beschauen und jedesmal die Fehler aufs strengste rügen. Zweitens: da die Hasenfelle in der Pfalz keine Ware sind, an deren Betrieb und Handel das Glück, der Nutzen oder Schaden vieler Menschen hängt, so würde ich nun, wenn ich merke, daß ich sie alle wohl verbrauchen könnte, um ein Monopolium auf deren Einkauf nachsuchen. Denn dieses Monopolium gehört zu den erlaubten. Ebenso wie es niemand schadet, wenn die Papiermühle den Alleinhandel mit Lumpen hat oder der Seifensieder und Pottasch-Brenner mit der Asche. 33 Diese Skizze von Errichtung einer Fabrik kann zum Muster dienen, wie-'alle anderen behandelt werden müssen, wenn sie recht wohl gedeihen sollen. Es ist etwas sonderbares: an einem Orte wo keine Fabriken sind, da ist noch nichts darnach eingerichtet. Überall stößt man an. Die Arbeitsleute können keine bequemen Wohnungen finden. Da sie selber keine Güter haben und auch die Viktualienmärkte schlecht oder gar nicht eingeführt sind, so können sie anders nicht als mit großer Mühe ihre Nahrung bekommen. Will man ein Spinnrad oder ein anderes Werkzeug haben, so ist niemand, der es machen kann. Und wenn endlich ein solches Stück herausgehudelt 34 wird, so kann man nichts Rechtes damit anfangen. Endlich findet sich noch wohl gar in der bürgerlichen Verfassung mancherlei Widerstand: bald von Seiten des Magistrates, dann von Seiten der Zünfte, dann wegen Kirchen- und Religionsfreiheiten usw. Je größer nun im Anfange die Fabrik angelegt wird, desto größer sind dann auch alle jene Beschwerlichkeiten, die man teils gar nicht und teils nur mit schwerem Gelde heben kann. Wo ist aber der Beutel, der das alles aushält?

Ich hoffe, ich werde nun bewiesen haben, daß es wesentlich notwendig sei, auch da, wo der allerhoffnungsvollste Standpunkt der Fabriken ist, im Kleinen anzufangen, damit sich dem Unternehmer ohne Schaden alles nach und nach dazu einrichten 83

möge. Denn die allergrößte Hoffnung betrügt einen gewiß, wenn man gleich im Großen anfangt.

II. Modell-Landgut Die Sache verhält sich gerad so, wie mit der Verbesserung eines großen und unfruchtbaren Landgutes. Gesetzt ich kaufte ein solch großes Gut. Nun wünschte ich es bald im größten Flore zu sehen. Ich nähme mir vor, kein Geld zu schonen. Nun wüßte ich, daß hier alles auf vielen Dünger und guten Bau des Landes ankäme. Daher kaufte ich mir einen großen Stall voll Vieh. Dazu hätte ich aber nun kein Futter. Ich kaufte also auch das für ein ganzes Jahr. Zur Arbeit müßte ich zudem vieles Gesinde haben. Ich mietete es auch. Jetzt der Erfolg! Ich würde erst finden, daß ein großes Kapital schon zum Viehkauf daraufgegangen wäre, zweitens ein anderes zum Ankaufe des Futters und ein drittes zur Streue. 35 Nun hätte ich bloß einmal erst gedüngt. Überdüngen darf ich nicht und eine mäßige Düngung tut im ersten Jahre kein Wunder. Ich würde also nichts verkaufen können. Denn mein Gesinde würde noch alles selbst brauchen; also ich nähme noch nichts ein, müßte aber noch ein Kapital an täglichen kleinen Ausgaben dazu bezahlen. Nun naht der Winter wieder. Ein Stall voll Vieh, aber kein Futter, keine Streue: also wieder ein Kapital dazu hergeschossen. Nun wird aber erfordert, daß ein schlechter Acker in fünf bis sechs Jahren durch wiederholtes Düngen und fleißiges Bearbeiten gut wird. Solange müßte ich also jährlich ein ansehnliches Kapital auf den Viehstand und ein anderes in die Haushaltung verwenden. Auf diese Weise würde aber mein Gut um das ALTERUM TANTuM36 zu teuer werden. Wenn ich nun vollendes nicht Geld genug hätte, so würde ich mit größtem Spotte meiner Nachbarn aufhören müssen! Gesetzt aber auch, ich führe dennoch fort. Ich hätte Geld genug und noch dazu treues gutes Gesinde, so würde es doch nicht recht gelingen, weil eine so große Haushaltung, die auf einmal entsteht und vorher nicht da war, zu mächtig in alle 84

benachbarte Gewerbegetriebe eingreift, allenthalben Widerstand findet und also sehr gehindert wird. Daher würde ich es machen, wie mit meiner Hutfabrik. Ich würde mir einen treuen braven Knecht suchen und eine solche Magd, nun meinen Futterbau überschlagen und darnach meinen Viehstand so einrichten, daß ich recht wohl und reichlich ausfüttern könnte. Die Besserung würde ich nach der besten Lehre von Düngen einrichten und nun meine nächsten Äcker damit düngen. Aber ich würde gar nicht darauf sehen, weite Strecken anzusäen. Sondern ich würde gut und ordentlich düngen und gar an die entlegenen Äcker nicht denken; die möchten mir Jahre lang brach liegen. So wie nun bei einem guten Baue und Dunge jährlich mein Futterbau zunähme, so zöge ich auch mehreres junges Vieh an. Ich erhielt dadurch also mehr Mist. Mithin könnte ich mehr düngen. So wie mein Viehstand wüchse, so wüchse auch meine Gutsverbesserung - und zwar ohne Anlegung großer Kapitalien- auf eine leichte und angenehme Weise. Daß den so genannten Manschettenbauern 37 und Projektmachern ihre Gutesverbesserungen und Fabriken-Errichtungen durchgehends mißlingen, das rührt fast immer von diesen Bemerkungen her, die ich bis daher beschrieben habe. Man fange ein jedes Gewerbe klein an, so wie auch ein jedes Gewächs mit dem Keime des Samenkornes aufwächst. Man gebe ihm nur einen Platz, wo es Nahrung genug findet und erziehe es nach den besten Regeln, die seiner Natur am angemessensten sind.

D. Schlußbemerkungen Der natürliche Standpunkt einer Fabrik ist also da, wo I. ihre rohe Materialien in der Nähe rund um sie her von den Landwirten in hinlänglicher Menge und Güte und in billigem Preise erzogen werden können; 2. die Nahrungsmittel nicht teuer sind; 3. es arbeitende Hände genug gibt, die beschäftigt werden müssen und daher die Arbeitslöhne nicht hoch sind; 85

4. der Absatz der Fabrikprodukte erst einmal durch einheimischen, häufigen und dauerhaften Gebrauch gewiß und ins Ausland ebenfalls voller Hoffnung ist; sowie 5. der Transport am leichtesten und am wenigsten kostbar ist. So wie nun die Erde fast keinen Platz hat, wo man nicht durch Fleiß und Mühe etwas nützliches sollte erzielen können, so gibt es auch keine so nahrlose Gegend, wo man nicht eine oder mehrere nützliche Fabriken errichten, dadurch die Landwirtschaft blühend und mit ihr das Volk glücklich machen könnte. Die allemahrlosesten und am wenigsten bevölkerten Gegenden bleiben immer noch (wenn sie anders nur nicht morastig sind) vortrefflich zur Schaf- oder Wollzucht. Die Woll-Manufaktur ist aber wiederum gerad dasjenige Gewerbe, welches am stärksten und nützlichsten bevölkert - und wollene Waren braucht jedermann! Der Absatz ist daher sicher; nur fange man klein an. In reichen Fruchtländern, wo der Bauer wohl satt, aber arm ist, da sind gute Bierbrauereien, die das Bier versenden, Branntweinbrennereien, Stärkefabriken, Nudelfabriken, Tabaksfabriken, Krappfabriken, 38 Waidfabriken, 39 Essigbrauereien und deren noch viel mehrere -je nach dem Standpunkte und der Natur desselben - an ihrem rechten Orte. Man bedarf nur durchsichtiger, tätiger, rechtschaffener, praktischer, der Sache erfahrene Männer, welche für jeden Ort die eigentlichen Fabriken auszuwählen wissen und dann im Kleinen angefangen: so wird es zwar nur langsam und allmählich, aber desto gewisser, sicherer und gründlicher mit der Gewerbeverbesserung hergehen. Der ewige Vorwurf, welchen die alten juridischen Herren von Schlendrian40 und Routinenbrüder4 1 wackern, wohlmeinenden und um die Glückseligkeit des Staates sich häufig bemühenden Männern in Ansehung leerer Projektmacherei machen, wird dann aufhören. Der reine ökonomische Geist wird sich auf den Thron schwingen. Das steife, ewige Geklirre alter verrosteter Ketten am Fuße des Erwerbers wird verschwinden. Freiheit: aber wahre Freiheit; nicht solche, welche gar keine Gesetze, keine Ordnung, keine Unterwerfung nach dem heutigen Modeton will; ich sage wahre Freiheit, wo weise Gesetze nur das Schädliche verzäumen; im Reiche des Nützlichen, Schönen und Guten aber jeder so viel wirken kann, als er will, muß da die Oberhand gewinnen, und also das Volk glücklich werden. 42

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Alles, was ich in dieser Abhandlung gesagt habe, sind gelesene und vielfältig erfahrene Bemerkungen. Die blühendsten Fabriken sind solche, welche von Privatpersonen angelegt werden. Oft stehen sie gar nicht an ihrem natürlichen Standpunkte und blühen doch, weil sie ein außerordentlicher Fleiß und andere Umstände erhalten. So kann man unmöglich sagen, daß die Siamaisfabriken zu Elberfeld ihren natürlichen Standpunkt hätten. Denn das ganze Bergische Land zieht weder Flachs noch Hanf, viel weniger Baumwolle. Sogar die mehresten Baumwollspinner sind außer Lande. Sie kaufen das Flächsen-Garn43 in Hessen, Braunschweig und Westfalen, so daß auch nicht einmal diese Spinnerei Bergisch ist. Folglich ist diese Fabrik in Elberfeld gar nicht zu Hause. Und doch blüht sie dort mehr als an einem Orte in der Welt! Warum? Weil man vor anderthalbhundert Jahren klein anfing und nach und nach sich alles dazu schickte. Hessen, Braunschweig und Westfalen richteten allmählich ihre Produktion nach Elberfeld ein. Kurz: alle Verhältnisse bildeten sich allmählich und fügten sich in einander. So ist dieser Handel blühend geworden. Würde man aber im Bergischen Prämien auf den Flachs- und Hanfbau und auf das Garnspinnen setzen und solebergestalt der Fabrik dort geben, was zu ihrem Standpunkte gehört, so würde sie auf immer unerschütterlich sein. Bei diesen Umständen aber ist sie sehr schwankend. Denn das ausländische Garn darf nur einen andern Zug nehmen oder zu Hause selbst verarbeitet werden, so hat es mit dem Elberfelder Flore ein Ende. Eben der Umstand, daß unsere Lauterer Fabrik44 so ganz an ihrem Orte steht, und daß man ebenfalls klein angefangen hat, gibt ihr Blüte und Hoffnung. Sehr würde man sie aber noch verbessern können durch Prämien auf den Flachs- und Hanfbau im Oberamte Lautem, durch Prämien auf den besten Spinner und durch die größte Aufmerksamkeit auf die Dauerhaftigkeit der Farben.

Solchergestalt kann man also jedem Orte, jeder Gegend und jedem Lande seine ihm angemessene Fabrik geben, ohne zu befürchten, daß sie mißlingen werde. Und sollte auch das geschehen, so hat man bei einem so kleinen Anfange nichts zu befürchten, weil der Schaden und mit ihm der Spott immer klein bleibt und nicht einmal recht bemerkt wird.

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Nach diesen Regeln soll also die Gewerbe-Leitung wirken: durch das ganze Landjeder Gegend auf solche Weise Fabriken geben, wodurch die Landwirtschaft als das Hauptgewerbe und mit ihr der ganze Staat dauerhaft und blühend gemacht werden kann. So werden also überall Funken zerstreut, deren jeder ein glänzendes Licht, Leben und Wärme um sich verbreitet.

Anmerkungen

* Der Originaltitel heißt: ,.Bemerkungen I über den I natürlichen Standpunkt I der Fabriken. I Von I Johann Heinrich Jung." und ist erschienen in: .. Bemerkungen I der I Kurpfälzischen I physikalisch-ökonomischen Gesellschaft, I vom Jahre 1782. I Mannheim, I in der neuen Hof- und akademischen Buchhandlung. I 1784." auf den Seiten 105 bis 168. Drei Naturreiche = Mineralien, Pflanzen und Tiere. Auf den Weg legen = darreichen. 3 Allgemeine Staatsglückseligkeit = Gemeinwohl; siehe Lexikon Wirtschaft 48 f. 4 Flor= Wohlstand, Blühen, gutes Gedeihen. 5 Industrie = hier: Fleiß, zielgerichtetes Bemühen, Streben nach Erfolg. 6 Viktualien = Lebensmittel. 7 Präbendarie = Pfründe= Stiftsstelle, der eine gewisse Summe jährlicher Einkünfte zugeteilt ist. 8 Die Stadt Wetzlar an der Lahn beherbergte von 1693 bis 1806 das Reichskammergericht mit vielen hochbezahlten Amtsträgern. 9 Die Geschäftsleute als einzige Nachfrager üben auf die sie beliefernden Landwirte einen (monopsonistischen) Preisdruck aus. 10 Siehe Joseph von Sonnenfe/s: Von der Theuerung in grossen Städten und dem Mittel, derselben abzuhelfen. Wien (Kurzböck) 1770; vergl auch GV 136, !52 ff.- Jung-Stilling folgte in vielem Sonnenfe/s, ohne aberdiesen kritiklos zu übernehmen. Siehe hierzu seine Ausführungen in Lebensgeschichte 682. 11 Siehe Lexikon Wirtschaft 12 f. 12 Karolin = Charles d'or = Goldmünze von 6 schweren Talern oder II rheinischen Gulden. 13 Siehe Lexikon Wirtschaft 43 und 51. 14 Friedrich Wilhelm Taube: Historische und Politische Abschilderung der Engländischen Manufacturen, Handlung, Schiffarth und Colonien. Wien (Kraus) 1774 und öfters; siehe auch GV 144, 178. 1

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Siehe Lexikon Wirtschaft 26 ff. Siehe Lexikon Wirtschaft 129. 17 Levante= die Länder um das östliche Mittelmeer bis zum Euphrat und Nil. Im engeren Sinne die Küstenregionen Kleinasiens, Syriens und Ägyptens. 18 Bassa= Pascha= türkischer Statthalter, Heerführer; von da: herschsüchtiger Mensch, Despot. 19 Ziz = Zits =feiner Baumwollstoff, auf den Blumen und Figuren gemalt sind. 2 Kattun = gewöhnlich mit Muster bedruckter, dünner und leichter Baumwollstoff. 21 Siamois = Siamstoff= Chamois= ursprünglich Gewebe aus Seide und Baumwolle gemischt; dann (vor allem in Deutschland und so auch an dieser Stelle verstanden): Leinen mit einem "Einschlag" von Baumwolle. Siehe Lebensgeschichte 346. 22 PERPETUUM MOBILE = ein sich unaufhörlich bewegendes Ding oder Triebwerk. 23 In seinem Aufsatz: "Von dem Nasau-Siegischen Eisen- und Stahlgewerbe in dem Herzogthume Berg", in: Bemerkungen der Kurpfalzischen physikalisch-ökonomischen Gesellschaft, vom Jahre 1780, Mannheim und Lautern 1781, S. 74- 130. 24 Während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges kam es zwischen 1780 und 1783 zum Konflikt zwischen Holland und England, weil die Niederlande den größten Handel mit Nordamerika betrieben. 25 Highwayman =Straßenräuber (zu Pferde). 26 Reisen = hier: Besuche bei den möglichen Käufern; Handlungsreisen. 27 Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind sehr billig und bringen dem Bauer keinen Gewinn. 28 Verfassung = hier: Zustand, Befinden. 29 Tätigkeit = hier: Leistungswille. 30 Verschreiben = hier: verpflichten, herholen. 31 Raffen = geschwind an sich nehmen; ohne genügende Überlegung erhaschen. 32 Schaugesetze = hier: Qualitätsnormen; Gütesiegel; siehe Lexikon Wirtschaft 62. n Bei Jung-Stilling .,negative Produkte"; siehe Lexikon Wirtschaft 108 f. 34 Hudeln = oberflächlich etwas tun; handwerklich schlecht etwas herstellen. 35 Streue = Streu= Bodenlager des Stallviehs; meist Stroh, seltener Laub. 36 ALTERUM TANTUM = das Doppelte, das Zweifache; die bis zur Höhe des Kapitals angewachsenen Zinsen. 37 Manschettenbauern = Schreibtischlandwirte: Landwirte mit Manschetten (Handärmel) bekleidet, die nicht selbst zulangen und vom Betrieb allenfalls theoretische Kenntnisse haben. 15

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Krapp = rote Farbe gebende Pflanze (Rubia) mit 35 Arten. Waid= blaue Farbe gebende Pflanze (Isatis). 40 Juridische Herren von Schlendrian= oberflächlich arbeitende Verwaltungsbeamte; am Überkommenen klebende (höhere) Beamte; Bürokraten ohne Sinn und Wille auf Verbesserungen. 41 Routinebrüder = nach überkommenen Erfahrungen und Geschäftsregeln handelnde Angestellte ohne tiefere Einsicht in die Zusammenhänge sowie ohne Verständnis für das große Ganze. 42 Siehe Lexikon Wirtschaft 55 f. 43 Flächsen-Garn= versponnener, gezwirnter Flachs. 44 Lauterer Fabrik = die kurpfalzische physikalisch-ökonomische Gesellschaft errichtete 1771 eine Siamoise-Musterfabrik. Diese erhielt von Kurfürst Kar/ Theodor ein zehnjähriges Privileg, das 1779 um weitere fünfzehn Jahre erneuert wurde. Siehe Lebensgeschichte 346. 38

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Allgemeines und Besonderes in der Landwirtschaft*

Feierlich und wonnevoll ist dem Lehrer jede Stunde, in welcher er entdeckt, daß die Lehren, die er vorträgt, in der Ausübung das Glück verbreiten, welches er so warm und mit so großer Gewißheit seinen Zuhörern versprochen hatte. Dreifache Seligkeit durchschauert dann seinen Geist. Denn er beweist jetzt, daß er Wahrheit gelehrt habe: daß schon wirklich Menschen dadurch glücklich geworden sind, und daß ein so zuverlässiger Samen - in die blühenden Herzen seiner Zuhörer gesät - dereinst die edelsten Früchte tragen könne. A. Wissen, Erfahrung, Leitsätze und Handeln Mit der größten Zufriedenheit, Lehr- und Lernbegierde habe ich den verwichenen Sommer1 mit meinen studierenden Freunden unsere paradiesische Pfalz2 in die Länge und Quere durchwandert. Beinahe jeder Mittwoch war diesen Exkursionen gewidmet. 3 Praktische land- und fabrikwirtschaftliche Kenntnisse haben wir in Menge gesammelt und damit unsere Theorie befestigt, berichtigt und zu größerer Gewißheit geführt. Aber auch das haben wir noch tiefer erkennen lernen: wie wenig wir noch wissen und verstehen! Und dann: wie viel bei allem Flor4 unseres Vaterlandes im Ganzen zu verbessern noch rückständig ist! I. Positives und negatives Wirken

Glücklich ist aber der Gelehrte, wenn er entdeckt, daß er noch einen großen Teil seiner Sphäre nicht kennt und zugleich Kraftdrang fühlt, das auszufüllen, was noch auszufüllen ist. Und glücklich ist der Beamte, dem ein Fleck seines Vaterlandes anver-

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traut ist, wenn er entdeckt, wie viel noch zum Glück seiner Untergebenen fehlt und er dann Kraftdrang fühlt, sie auf die höchstmögliche Stufe des Wohlstandes zu führen! Ein Beamter, der nur bloß das Mein und Dein und die öffentliche Sicherheit handhabt, ist weiter nichts als ein Beobachter der Gesetze seines Staates und des Rechts der Natur. Er wirkt nur negativ zur Glückseligkeit. Wer aber auch zugleich positiv wirkt, indem er dem Landmann, dem Handwerksmann und dem Handelsmann den Weg öffnet, um wohlhabend zu werden, der ist wahrlich ein frommer und getreuer Knecht. Er kann dereinst Anspruch machen - oder vielmehr Hoffnung haben - zur Verwaltung eines Kreises von einem unendlich größern Umfang.5 Der Beweis dieses Satzes liegt nicht tief verborgen. Die mehresten philosophischen Köpfe unserer Zeit treiben auf Tätigkeit. Alles, was nur edel denkt und denken will, sucht sein Verdienst im Guteswirken. Diese Erfahrung beweist schon, daß das Licht der Wahrheit durchgehends unverkennbar ist- nur, daß es ein jeder nach seinem Gesichtsorgan empfindet. Soviel ist ausgemacht - und darin kommt man überein - daß unser Zustand nach diesem Leben mit der intensiven Güte der Handlungen des gegenwärtigen Lebens im genauesten Verhältnis stehe. Wir sollen nach unseren Werken gerichtet werden. 6 II. Intensive Güte des Tuns Nur das ist der große Knoten: Was ist Güte? Was intensive Güte? Wie viele Erfahrungen haben wir vom allgewaltigen Wirkungskreise höchst tätiger Geister in gesellschaftlichen Verhältnissen und außer denselben im einzelnen Lebensfortschritt? Und wie oft bemerken wir zugleich, daß sie mehr Böses als Gutes stiften! Woher kommt das? Zuverlässig aus keiner anderen Ursache, als daß sie etwas ausführen wollen, ehe sie die Heischesätze der Ausführung berichtigt haben. Sie machen es wie die Kinder, welche die Geschäfte der großen Erwachsenen nachmachen wollen und Wunder meinen, was sie ausrichten, im Grunde aber mehr verderben

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als verbessern. Güte der Handlungen ist also, wenn man mit Scharfblick erst durchschaut, was in gegenwärtigem Fall eigentlich Glückseligkeit ist und welches der kürzeste und leichteste Weg sei, dazu zu gelangen; dann aber erst die gelingbarsten Mittel ergreift und mit dem wenigsten Aufwand von Geräusche durch sie zum Zweck wirkt. Intensiv ist diese Güte, wenn eine solche Handlung an sich klein und im Aufwand der Mittel von wenigem Belang ist, in ihrer Wirkung aber mannigfaltig und höchst fruchtbar in Ausbreitung der Glückseligkeit ist. III. Pflicht und Beruf Unendlich wichtig ist es daher- und gerade das Eine, das Not ist - daß man beständig und unaufhörlich nach den fruchtbarsten Heischesätzen um Handlungen von intensiver Güte ringe und so sein Gewissen berichtige. Dies ist nun freilich ein Geschäft, wozu des Menschen Leben viel zu kurz ist. Nie kommt man damit völlig zu Stande. Folglich weiß man auch in sehr vielen Begegnungen nicht, was das Beste ist. Daher sagt der größte Weise unseres Jahrhunderts, Christion Garve7 in seinen Anmerkungen zum ersten Buch des Cicero von den Pflichten S. 111: "Aber wenn es zur Tat und zum Handeln kommt, dann müssen wir unserem Gewissen, so wie es jetzt ist, treu folgen. Ihm zu gehorchen, ist die Pflicht des gegenwärtigen Augenblicks; es zu berichtigen ist, die Pflicht des ganzen Lebens." Wahr, ewig wahr ist dieser Satz! Wenn er das ist: wie behutsam muß uns das machen, damit wir uns ja nicht in einen Wirkungskreis eindrängen, wozu wir keinen Beruf haben! Die Vorsehung setzt jeden Menschen in seine Lage. Wenn er nur aufrichtig ist, so kann er nie verkennen, was eigentlich sein Beruf ist. Dieser ist aber beijedem Menschen so groß und so reichhaltig, daß er ihn in seinem Leben nie ganz ausfüllen kann. Der Weise bleibt daher in seinem Kreise und berichtigt seine Berufserkenntnis so sehr er kann. Er tut dann jedesmal frisch, was ihm vor die Hand kommt, nach seinem besten Wissen und Gewissen und läßt dann für den Erfolg den Allwissenden sorgen. Geht er aber über seine vorgeschriebene Grenze und richtet da 93

Unheil an, so wird er nicht nach seinem Willen gerichtet werden, welches der Fall in der Beobachtung seines eigenen Berufs ist, sondern nach der Tat. In diesem Fall 8 sind in unsern Tagen außerordentlich viele brave Männer: Minister, Räte und Beamten der Regenten. Sie brennen vor Verlangen- oft aus Menschenliebe, oft aber auch bloß, weil es Groß-Mode ist- Gewerbeverbesserungen zu unternehmen. Wenn sie nicht gehindert werden, so tun sie es wirklich. Wie es da nun geht, und was gewöhnlich der Erfolg ist: das predigt Frau Fama9 von allen Dächern. Sie spart mir also die Mühe, ihr Widerhall zu sein. IV. Regeln und Erfahrung im Handeln Hier muß aber jedem die Frage einfallen: Ist denn die Gewerbeverbesserung nicht der Beruf der Minister, Räte und Beamten? Ich antworte: 0 ja! Aber nicht eher, bis sie ihren Erkenntnisgrund berichtigt haben. Ich sage berichtigt; lesen macht es nicht aus! Es gehört Erfahrung, oft wiederholte Erfahrung dazu, eine unwankbare Überzeugung von der lokalen Richtigkeit eines Heischesatzes. Ist die aber alsdann da, so setze man die Sache auch durch und lasse sich durch nichts hindern. Der Hauptpunkt, worauf hier alles ankommt, ist: daß man sich so sehr, als man kann, um allgemeine Grundsätze, die sehr fruchtbar $ind, bewerbe. Die einzelnen Lokalen 10 sind nur auf ihren Ort anwendbar, die allgemeinen aber allenthalben. Enthält nun ein solcher Grundsatz noch dazu die Glückseligkeitsquelle eines Gewerbes selbst in sich, so ist der Stein der Weisen eine Kleinigkeit gegen ihn. Diese Sätze sind alsdann auch die Grundlagen, worauf man das System, das Lehrbuch und die Lehrart gründen muß, wenn man in der Tat nützlich wirken will. B. Angewandte Agrarlehren Für diesmal will ich ein Beispiel anführen, was ein tätiger Mann vermöge eines solchen allgemeinen Grundsatzes ausrieb-

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ten kann. Dadurch wird dann alles, was ich hier gesagt habe, vollkommen erläutert und berichtigt. I. Viehbestand als Wachstumszelle der Landwirtschaft

Was im Recht der Natur der Grundsatz: "Was du nicht willst, das dir andere tun sollen, das tue ihnen auch nicht"; und in der Moral: "Was du willst, das dir andere tun sollen, das tue ihnen zuerst"; ich sage: was diese Grundsätze in jenen Wissenschaften sind, das ist folgender in der Landwirtschaft: "Bringe deinen Viehstand so viel möglich durch sich selbst zu seiner höchsten Vollkommenheit und ins gehörige Verhältnis gegen das Landgut, und benutze dann jeden Teil desselben zur Vervollkommnung der ganzen Wirtschaft."

Dies ist der Grund, worauf die ganze Landwirtschaft beruht; der Satz, aus dem alle anderen Heischesätze fließen oder sich doch auf ihn beziehen müssen. Was man von der Doppelfuhre, 11 vom Rippenbau, 12 von dieser Goldgrube, von jenem Vorteil, vom Krapp, 13 vom Tabak, kurz von allen Verbesserungen der Landwirtschaft bis daher gesungen und gesagt hat, das ist alles ohne jenen Grundsatz leeres Stroh, mit demselben aber lokal und daher nicht allgemein, daher auch nicht einmal immer allgemein für eine einzelne Provinz. Aber jener Grundsatz ist Grund- und Fundamentalgesetz jedes Bauern von Japan an bis ans Abendufer von Irland und von Lappland bis in Sizilien. Amerika mag ich nicht dem Gesetze unterwerfen, weil der Naturdung von der Schöpfung her noch nicht aufgezehrt ist und in Afrika will es (das Kap ausgenommen) mit der Landwirtschaft noch nichts sagen. So nahe dieser Grundsatz am Weg liegt, so daß jeder darauf stoßen muß, so sehr eilt man doch darüber hinaus; vielleicht aus eben dem Grund, weil er gar zu bekannt ist. Dies ist der Fall in sehr vielen Wissenschaften. Mehrenteils liegt die Hauptsache ganz nahe, man braucht nur vor die Füße zu sehen. Das ist aber dem hochfliegenden Menschengeist zu gering! Er will bei den

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Sternen suchen, was ihm vor der Tür wächst. Ist aber ein tätiger Mann so glücklich, diesen Grundsatz zur Richtschnur seines Verfahrens zu nehmen, so richtet er alles aus, was nur ausgerichtet werden kann. Daß Kleinjogg durch Hirzefl 4 konnte verewigt werden, kam allein durch Beobachtung dieses Grundsatzes her. Seine lokale oder seiner Verfassung so ganz anpassende Methode, Dung zu machen, brachte allein den Flor in seine Landwirtschaft, den Hirzel und nach ihm viele bewundert haben. Daß unser pHilzischer würdiger Greis Möllinger zu Monsheim 15 eine so außerordentlich blühende Landwirtschaft hat, das kommt ganz und allein durch seinen Viehstand. Ich habe ihn im verflossenen halben Jahr zweimal besucht und bewundert. Dies einzige ist bei ihm lokal, daß er Bierbrauerei und Likörmachen mit seiner Landwirtschaft vereinigt hat. Solches ist aber nichtjedermanns Ding. Seine Wirtschaft ist also eigentlich FabrikhandeL Einen Teil seiner Früchte verbraut und verdestilliert er. Den größten Teil seines Viehs mästet er und verkauft es fett. Daher hat er nur in die zwanzig Stück Kühe oder eigentliches landwirtschaftliches Stallvieh, weil der ganze übrige Teil des Viehstandes aus Mastochsen besteht. Es war mir sehr lächerlich, als er mir auf mein Befragen, wie viel Ochsen er jetzt mästete?, zur Antwort gab: "Nur vierzig!" Ich fragte, wie viel er denn gewöhnlich mäste? Er antwortete: .. Gemeiniglich siebzig bis achtzig."

II. Mustergut Mönchzell Doch ich behalte mir die Geschichte dieses großen und würdigen Mannes auf ein andermal vor und wende mich nun zu meinem eigentlichen Gegenstand, der mir erst diesem Herbst bekannt geworden, nämlich zu dem freiherrlich Uxküllischen Gut Münchszell. Die Geschichte dieses Orts- in Ansehung der Landwirtschaft seit acht Jahren her- ist so wichtig und belehrend, daß ich mir es zur Pflicht gemacht habe, sie durch diese Abhandlung zu publizieren. Und dies darum, weil sie jeder Bauer nachmachen, in aller Welt befolgen und sich dadurch glücklich machen kann; oder weil an diesem Ort mein oben festgesetzter Grund- und Heischesatz nach seinem ganzen Umfang befolgt worden. Der Mann, welcher dort in der wirklich öden und wilden Gegend so wohltätig wirkt, ist Herr Johann Ludwig Spring, der Sohn eines würt-

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tembergischen Predigers und jetziger Amtmann derer Freiherren von Uxkü/1, von welchen der eine am württembergischen Hof als Minister und der andere als Obriststallmeister in badenseben Diensten steht. 16 Herr Spring besuchte mich seit einem Jahr her zuweilen, und ich bewunderte und verehrte seine richtigen Grundsätze. Als mir aber der junge Herr Baron von Uxkü/1 diesen Herbst selbst die vortrefflichste Schilderung von dem Amtmann machte, so wurde ich vollends aufmerksam. Ich brach an einem Mittwoch mit acht meiner studierenden Freunde auf, und wir wanderten zu Fuß hin, um mit eigenen Augen zu sehen.

1. Beschreibung des Gutes

Der Weg von Heidelberg geht durch das romantischeN eckartal bis nach Neckargemünd. Hier wendet man sich rechts 17 und folgt der Chaussee, die nach Stuttgart führt, eine gute halbe Stunde bis auf das nächste Dorf. 18 Weil hier nun der Weg einen weiten Umfang nimmt und sich rechter Hand wendet, 19 so schlägt man sich beim Eingang ins Dorf links gerade fort 20 über Berg und Tal durch wilde Gegenden. Man kommt nach anderthalb Stunden über einen hohen Berg an der Ostseite hinab, welche ganz Feldflur ist und zu Münchszell gehört. 21 Dies Dorf liegt also in einem engen Tal, das von Mitternacht gegen Mittag seine Richtung hat. Morgenwärts streicht ein niedriger Bergrücken vorbei, der ganz Wald ist. Abendwärts liegt -wie gemeldet- die Feldflur hüglicht und bucklicht den Berg hinauf. Der Boden ist durchgehends eher weislicht als rötlicht und eben nicht der fruchtbarste. Dazu kommt noch, daß die Gegend allen Nord- und Ostwinden offen, jedoch den fruchtbaren Südwest- und Westwinden abgekehrt steht. Vorzüglich mag aber auch die Nähe des östlichen Waldes der Fruchtbarkeit nicht zuträglich sein. Denn die Waldungen dünsten kalt aus und hindern daher das Erreifen der Früchte. Endlich ist auch Münchzell von allen Orten des Absatzes entlegen. Weit und breit ist keine große Stadt in der Runde umher. Heilbronn ist noch acht Stunden entfernt,Z2 und diese Reichsstadt ist von Norden, Osten und Süden am nächsten. 7 Jung-Stilling

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Westwärts zwo Stunden weit liegt Neckargemünd. 23 Dies schöne Städtchen ist aber selbst landwirtschaftlich und kauft den Bauern wenig oder nichts ab. Beideiberg ist also der einzige Ort, der nur vier Stunden und also nicht zu weit entlegen wäre. 24 Allein, hier schwelgt ja die ganze Natur. Von Leimen bis Schriesheim und von Beideiberg bis Edingen ist ja alles der blühendste Garten Gottes. 25 Wir können also eher andern etwas abgeben, als daß wir nötig hätten, von ihnen zu kaufen. Doch weder die angebliche und auch wirkliche Unfruchtbarkeit des Bodens noch der etwaige beschwerliche Absatz (denn ganz darf er nicht mangeln, sonst hilft alles nichts) hindern die wahre Industrie 26 an ihrem Streben nach Glückseligkeit. Denn sie überwindet vieles, wenn sie· einmal in Wirksamkeit und ins Treiben gerät, wie sich dieses zu Münchszell gezeigt hat. Aber es gab noch mehr zu überwinden, wie dies alles aus dem ehemaligen Zustand des Orts hinlänglich erhellen wird. Die ganze Münchszeller Gemarkung enthält- das freiherrliche Gut mit eingeschlossen An Äckern diesen zu An Wiesen An Gärten

............................ 676 Morgen 160 Ruthen Nürnberger Maß 27 gerechnet. ....... ............... ...... 36 l/2 ....... ............... ...... 9 l/2 Zusammen also 722 Morgen. 28

Hiervon besitzen die Freiherren von Uxküll An Äckern An Wiesen An Gärten

187 Morgen

19

4

ut-

Zusammen 210 1/2 Morgen, welche von obiger Dorfgemarkung abgezogen werden müssen. Diese behält also noch An Äckern An Wiesen An Gärten

489 Morgen 17 1/2 5 l/2 Zusammen 511 1/2 Morgen. 29

Das herrschaftliche Gut besitzt noch überdas 10 Morgen Wiesen in der Meckesheimer Gemarkung und hat also insgesamt 29 Morgen.

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Wenn man nun diese übermäßig kleine Gemarkung, aufwelcher doch 45 Haushaltungen oder 240 Seelen mit etwa 56 Stück Viehes sich so kümmerlich durchbringen mußten, daß man dies Dorf für das ärmste in der ganzen Gegend hielt, gegen die Anzahl der Bewohner und des Viehes in Verhältis setzt und dabei bedenkt, daß außer den nötigsten Handwerksleuten kein Gewerbe im Dorfe war, so muß man sich wundern, wie es möglich war, daß die Leute noch leben konnten. Zudem waren die Äcker von Natur und aus Vernachlässigung so schlecht, daß man bei der Schatzungsrenovation, 30 welche in den 50er Jahren vorgenommen wurde, unter den 489 Morgen nur einen für gut, 41 für mittelmäßig und alle übrigen für schlecht und doppelt schlecht taxieren mußte!

2. Bisheriger Zustand des Gutes So sehr diese Bemerkung einen beim ersten Anblick in Erstaunen setzt, so leicht läßt sie sich begreifen, wenn man bedenkt, daß der Boden erstlieh für sich unfruchtbar ist und dann, daß alles auf den Dung ankommt, dieser aber beinahe gänzlich fehlt, weil der Dünger von 56 Stück Vieh (der noch wegen dem Weidegang wenigstens zum Drittel verloren ging) auf beinahe 500 Morgen Landes gar nichts sagen will. Mehr Vieh zu halten war in der damaligen Verfassung durchaus unmöglich. Denn 17,5 Morgen Wiesen, die noch dazu durchgehends so schlecht waren, daß man von einem Morgen an Heu und Grummet 31 zusammen kaum eine Fuhre 32 erntete, waren ja mit Hilfe des Strohes kaum im Stande, jener Herde den Winter durch das Leben zu fristen. An Gemeinweiden im Sommer fehlte es auch. Daher wurde im Wald von Zeit zu Zeit ein Distrikt von 60 Morgen abgehängt, wo das Zug- und Melckvieh gehütet wurde. Aber auch dies fruchtete im ganzen wenig. Im Frühjahr und Vorsommer mußte das Zugvieh durchaus im Walde erhalten werden. Der Bauer blieb also gewöhnlich mit demselben die ganze Nacht durch dort liegen. Er trieb es in die angrenzende kurpfälzische Hofkammer- und Administrations-Waldungen oder auch wohl auf die eigene junge Schläge der Gemeinde selbst, woher denn auch das jährliche Straf- und Pfandgeld im Durchschnitt auf 1SO Gulden angeschlagen werden konnte. 33 7•

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Vom künstlichen Futterbau wußte man nichts. Zwar fing man vor ungefähr achtzehn Jahren an, denselben im kleinen zu versuchen, indem man erst Esparsette 34 und hernach roten Klee sehr sparsam ansäte. Allein, dies hatte nicht viel zu bedeuten.

Mit dem freiherrlichen Gut sah es um kein Haar besser aus. Die Herren von Tastenburg besaßen dieses nebst dem Dorf bis 1756, als sie es Schulden halber (und dies ist bei solch einer Verfassung kein Wunder) verkaufen mußten. Nun bekam es ein Freiherr vonReizenstein, von welchem es im Jahr 1777 die Herren von Uxkül/ an sich brachten. 3. Besitzer und Verwalter des Gutes

Diese neuen Besitzer nahmen sich nun gleich mit wahrem Edelmut und Seelengröße vor, dem armen Dorfe durch Vorgang, 35 Rat und Beispiel aufzuhelfen. In dem Ende sahen sie sich nach einem Verwalter um, der ganz ihren Absichten entsprechen könnte. Sachkundige Leute empfahlen ihnen den Herrn Spring als einen Mann, den schon ehemals der berühmte badische Ökonomierat Bernhar~ 6 dem Prinzen Joseph von Sachen-Hildburghausen zum Verwalter und Aufseher seiner Güter geschickt und der in eben diesem Dienste seine landwirtschaftliche Geschicklichkeit bestens bewiesen hatte. Spring wurde also zum Amtmann in Münchszell angestellt; und - welches wohl zu merken - man übertrug ihm die Verwaltung mit vollkommener Vollmacht, nach bestem Wissen und Gewissen zu schalten und zu walten. Dieses ist die wahre Maxime 37 der Landesherren, vom Monarchen an bis zum geringsten Landedelmann herunter. Wahre Pedanterie ist es (die nicht selten in Despotismus ausartet), wenn der Regent selber alles wie ein Gott durchschauen und durcharbeiten will. Er soll nur dreierlei tun; drei Stücke machen die ganze Fürsten-Wissenschaft aus: l) 2)

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gute, nach Verstand und Herzen gute Minister, Präsidenten usw. zu wählen; diesen genau und mit Weisheit auf alle ihre Handlungen zu merken, und

3)

jeden aufs genaueste so zu behandeln, wie er es verdient.

Dies ist wahr bei dem König und bei dem gemeinen Gutsbesitzer, der nicht selber Bauer sein kann. Es ist wahre Tätelei und Wirkelei (man verzeihe mir die neuen ungewohnten Ausdrücke): es ist Pragmatomanie,38 wenn ein vornehmer Gutsbesitzer selbst aus der Ferne gebieten will, wo Klee, wo Gerste, wo Reps, wo Rüben und Kartoffeln hingepflanzt werden sollen; oder ob man die Morgenmilch zu Käse oder zu Butter, und die Abendmilch zum Kaffee für den Herrn aufheben soll. Das gemahnt mich eben - S1 PAR VA LrcET CoMPONERE MAGNrs 39 - als wenn in vorigen Zeiten das Haus Österreich mit den Türken Krieg führte, und der General bei jeder Verrückung des Lagers oder irgend einer nur etwas wichtigen Unternehmung von Wien aus Ordre fordern und erwarten mußte. Bei der Landwirtschaft bestimmt das Aggregat aller kleinen und großen Umstände zum schleunigen Entschluß. Wenn man da erst x y z fragen muß, so gnade Gott! Daraus folgt also unwidersprechlich: wer nicht selber Bauer ist, und ein Gut besitzt, der muß - entweder einen braven rechtschaffenen und sachkundigen Verwalter oder Hofmann suchen und diesem nebst allgemeiner Instruktion CHARTA BIANCA 40 geben; - oder er muß das Gut verpachten oder verkaufen; - oder, wenn er so Freude an der Landwirtschaft hat, daß sie sein Steckenpferd ausmacht, so mag er darauf reiten, dann aber auch sich auf eine tüchtige Goldbörse gefaßt machen! Denn dafür stehe ich, daß diese Reuterei unzählbares Geld kostet. 4 1 Klug und vernünftig handelten also die Herren von Uxkü/1. Sie erfüllten gerade und genau ihre Pflicht, indem sie erst einen geprüften Mann suchten und, da sie ihn hatten, frei handeln ließen; und nun auch seine wahren Verdienste recht -wie es sich gehört- und auf die edelste Weise anerkennen. Das freiherrliche Gut war in den 60er Jahren verpachtet. Der Pächter, der vorhin der reichste Mann im Dorf gewesen, geriet beinahe an den Bettelstab, so daß er die Pachtzeit nicht ganz aushalten konnte. Der Herr von Reizenstein baute es selbsten, aber auf die gewöhnliche Weise.

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4. Neuanfang in Mönchzell

Im Oktober des Jahres 1777 trat Spring in die Uxküllische Dienste und zog auf das Gut. Er übernahm die Selbstverwaltung desselben und die Amtmannsstelle des Dorfes. Wie ihm aber zu Mute war, als er sah und hörte, daß die Ernte der Winterfrüchte vom Gut sowie der Zehnten des Dorfes zusammen nur 5000 bis 6000 Garben und die der Sommerfrucht kaum die Hälfte betrüge; ferner: daß auf einem solchen Gut von 220 Morgen vier Pferde und nur 16 bis 20 Stück Rindvieh gehalten würden, für welchen Viehstand noch dazu überall Futtermangel war, das läßt sich leicht denken. Indessen, da er vernahm, daß hier der rote Klee anschlüge und der Gips gute Wirkung täte, so gewann er Mut und Zuversicht, entwarf einen Plan und führte ihn folgendergestalt mutig aus. a) Rindviehbestand und Stallungen Überzeugt von der Gewißheit meines oben angeführten Grund- und Fundamental-Gesetzes der Landwirtschaft, beschloß er einen Viehstand zu errichten, der der Größe des Guts angemessen wäre. Die Anzahl der Rindvieh-Stücke bestimmte er auf sechzig. Hierzu war aber weder Stallung noch Futter da; beides mußte also zuerst vorgenommen werden. Zu dem Ende säte er alsofort im Frühjahr 1778 gut 60 Morgen Landes zur Hälfte in die Winter- und zur Hälfte in die Sommerfrüchte mit Klee an. Freilich mußte er von den benachbarten Bauern und Landwirten manches schiefe Urteil über dies Unternehmen hören! Allein, er kehrte sich an nichts und fuhr fort. Zugleich unternahm er den Stallbau, weil es durchaus an Gelegenheit fehlte, 60 Stück Rindvieh unterzubringen. Er führte also ein Mauerwerk von einem Stockwerk, 17 Fuß hoch und von angemessener Länge und Breite auf. Die Einrichtung dieses Stalls ist vortrefflich und verdient, daß ich sie näher beschreibe. Oben unter der Decke her sind lauter Glasfenster von ordentlicher Größe angebracht. Diese machen den Stall so hell wie ein Zimmer und dienen auch dazu, daß man sie zuweilen öffnen und die bösen Dünste

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hinauslassen kann. Der Dachraum ist- wie billig- dem Futtervorrat gewidmet. Damit aber die Ausdünstung des Stalls nicht ins Futter ziehen und es dem Vieh unangenehm machen könne, so ist die Decke des Stalls, die ihn vom Dachraum trennt, ordentlich durch WeisbinderArbeit42 eingebunden und mit Mörtel überstrichen. An beiden langen Seiten befinden sich drei Türen in gehöriger Entfernung einander gegenüber. An der Hofseite geht das Vieh hinein und an der andern ist der Ausgang auf die Miststätte. Die Einrichtung der Krippen und Tröge ist vortrefflich. Die ganze Länge des Stalls ist in drei gleiche Teile geteilt. Dadurch entstehen also zwei Querlinien. Diese machen die Futtergänge aus und sind vier Schuh 43 breit. Auf jeder Seite eines Gangs ist eine mannshohe Wand, über welche das Futter in die Räufen44 geworfen wird, als welche sich auf der anderen Seite der Wand und unter ihnen die Tröge befinden. Jeder Futtergang versieht also zwei Reihen Viehs. Dann steht auch noch an jeder Kopfwand eine Reihe, folglich in allem sechs. Die Breite des· Stalls ist geräumig genug, daß zehn und auch wohl mehrere Stücke neben einander stehen können. Mithin können also noch mehr als 60 Stück eingestallt werden. Nach der Hoffseite hin geht längs die lange Seite ein Gang an der Mauer fort, so daß man bequem und reinlich auf- und abgehen und alles besehen kann. Aus dieser Einrichtung folgt, daß die ersten zwei Reihen Vieh mit den Hinterteilen gegeneinander stehen. Hier ist also ein Mistgang, der an beiden Seiten auf die ersten Stalltüren trifft. Hinter jeder Reihe Vieh geht ein Graben im Pflaster auf die Miststätte. Zwischen beiden Gräben ist also ein Gang zum Auf- und Abgehen. Zwischen der zweiten und dritten Reihe ist ein Futtergang, zwischen der dritten und vierten ein Mistgang wie der erste, aufwelche die zwei Türen treffen. Zwischen der vierten und fünften ist wieder ein Futtergang, zwischen der fünften und sechsten ist endlich der letzte Mistgang mit seinen dritten Türen. Der ganze Stall ist mit aufrecht stehenden Steinen gepflastert wie ein Gassenpflaster und gegen jeden Mistgang zu abhängig.

Nun war Stall und Futter da. Es mußte also Vieh angeschafft werden. Dies geschah im Jahr 1779. Spring wußte wohl, daß das nationale Schweizervieh durch die Veränderung der Luft und des Futters zu viel litte. Er besorgte sich also im Württembergischen Vieh von Schweizer Abkunft und stallte es ein. Doch ließ er sich etliche trächtige Kühe aus dem Kanton Bern kommen und zog sich von diesen zwei Zuchtochsen heran, die vortrefflich sind. 103

Jeder sieht leicht ein, daß dieses Verfahren nicht jedermanns Ding ist. Selten findet man einen Bauern, der gleich anfangs solche Ställe bauen und solches Vieh kaufen kann. Das will ich aber auch gar nicht durch diese Abhandlung empfehlen. Im Gegenteil will ich jeden Landmann warnen, nicht gleich auf einmal dies Beispiel nachzuahmen! In dem Fall, worin sich Spring befand, war es möglich und auch nützlich. Aber der gemeine Bauer soll allmählich zu Werk gehen. Erst vergrößert er seinen Futterbau. Dann verbessert er das Vieh, das er hat, durch gute Wartung und Pflege und sieht besonders darauf, daß seine Kühe allemal von einem vortrefflichen Zuchtochsen besprungen werden: denn dies ist ein Hauptstück. Hernach vergrößert er seinen Stall durch Anbauen oder er baut einen neuen, wenn einmal seine verbesserte Landwirtschaft so viel eingetragen hat. Spring wußte, daß seine Herren den Verlag45 eines solchen Baues ertragen konnten, und daß die schleunige Verbesserung Kapital und Interesse46 bald wieder einbringen würde. Damit es ihm nun bei allBilligem Mißlingen des Klees an Futter durchaus nicht gebrechen möchte, so baute er im Jahr 1779 und den folgenden noch immer einige Morgen mit weißenund Burgunder Rüben 47 an, die er ins Brachfeld pflanzte. b) Wiesenbauliche Maßnahmen Die Wiesen waren- wie ich oben gemeldet habe- äußerst schlecht. Das Heu und Grummet war nicht einmal fürs Rindvieh brauchbar. Alles dieses schrieb man dort dem schlechten Boden zu. Indessen wußte Spring sehr wohl, daß die natürliche Wiese ein großer Schatz für den Landwirt ist. Es gibt berühmte und gelehrte Ökonomen, die nicht viel daraus machen und so gar empfehlen, man solle sie mit in den Ackerumschlag nehmen und wechselweise Getreide und Klee darein säen. Allein, das heißt den Kleebau übertreiben. Gutes Gras ist immer ein weit besseres und natürlicheres Viehfutter als Klee. Zudem tragen die Wiesen ihr Gras ohne zu pflügen, eggen und säen und kosten also bei gehöriger Wartung und Pflege viel 104

weniger Mühe. Der künstliche Futterbau ist nicht die Hauptquelle des Viehstandes, sondern nur Ersatz des fehlenden Graswuchses und ein Mittel, die unnütze Brache abzuschaffen. Daher legte sich Spring auch mit Macht auf die Verbesserung der natürlichen Wiesen. Anstatt sich mit dem Schälpflug, mit Erhöhen und Vertiefen, mit Eselsrücken48 Anlegen und dergleichen Sachen (die wir Bücherschreiber und Lehrer schriftlich und mündlich so sehr empfehlen) abzugeben, bediente er sich ganz anderer Mittel. Seit verschiedenen Jahren hatten die Münchszeller angefangen, ihre Wiesen zu gipsen. Spring machte diese Methode anHinglich mit. Allein er fand endlich zufälligerweise, daß die Wiesen, welche nicht gegipst worden, ebenso schlechtes oder gutes Gras trugen als die gegipsten. Dies glaube ich wohl. Denn ich halte die Meinung des Herrn Sukows49 von der Wirkungsart des Gipses - daß er nämlich den Boden feucht erhalte- für ganz richtig. Folglich, wo der Boden von Natur feucht ist und gewässert wird, da ist freilich der Gips überflüssig. Aber folgende Bemerkung ist mir wenigstens neu: Spring so wohl als seine Nachbarn haben durch eine vielfaltige Erfahrung gefunden, daß das alljährliche Gipsen den Boden locker mache, dergestalt, daß sich der Wasen 50 der Wiesen losschäle und ihnen also schade. Dies ist merkwürdig. Daraus scheint mir aber zu folgen, daß das Gipsen des Klees auf Äckern, die einen zähen Boden haben, äußerst nützlich sein muß, indem es auch hier die Zähigkeit mürbe macht. Mir kommt es auch sehr wahrscheinlich vor, daß der Gips als ein mittelsalziges Wesen seiner Natur nach ein Auflösungsmittel zäher Erdarten sein kann.

Der Amtmann unterließ also das Gipsen und folgte dem Beispiel seiner schwäbischen Landsleute, das ist: er fing an, seine Wiesen zu düngen. Dies tat eine Wirkung, die alle Erwartung übertraf. Ich muß gestehen, daß ich das Düngen der Wiesen immer für Schaden angesehen habe, indem ich glaubte, daß sich der Stalldung weit höher auf den Äckern verinteressierteY Allein, ich fange an, die Sache besser einzusehen. Meine Beobachtungen überzeugen mich, daß es wirklich sehr gut sei, wenn man nach

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gedüngten Äckern auch noch einen guten Teil auf die Wiesen verspart. Ich bin nun nach gemachten Versuchen imstande, die Sache auch mit der Vernunft zu begreifen. Z. B. wenn ein Bauer etliche Morgen Getreideland weniger düngt und ansät, um seine Wiesen düngen zu können, so ist freilich wahr, daß das mehrere Gras, das er durchs Düngen gewinnt, nicht so viel wert ist, als die Frucht würde wert gewesen sein, die er durch den Dung hätte erziehen können. Dies ist der Grund, auf den ich ehemals meine Behauptung, die Wiesen nicht zu düngen, gründete. Allein, das mehrere und bessere Gras, das er auf den gedüngten Wiesen erhält, verfüttert er auch. Jetzt gewinnt er also den Verlust am Viehstand doppelt und dreifach. Einmal am Vieh, dann an den Milchprodukten und endlich vorzüglich am Dünger selbst, dergestalt, daß er nicht nur das Wiesendüngen an der Dungmasse nicht vermißt, sondern auch überdas eine beträchtliche Vermehrung derselben verspürt. Dies ist eine wichtige und richtige Beobachtung, die forthin bei allen schlechten Wiesen zum Grund- und Heischesatz dienen kann. Man wird ihre Wahrheit durch ganz Schwaben und auch nun zu Münchszell bestätigt finden. Der Amtmann Spring glaubt fest, daß die württembergischen Bauern, die sonst in Ansehung der Landwirtschaft weit hinter uns Pfalzern zurück sind, doch eben durch das Wiesendüngen ihren Ackerbau und Viehzucht in gutem Zustand erhalten. c) Schafzucht Die Geschichte der freiherrlichen Schäferei zu Münchszell während der veränderten Landwirtschaft ist ebenfalls lehrreich. Spring fand ein Stück wilden Landesam Walde von 6,5 Morgen. Auf seine Frage, warum dieses nicht gebaut würde, gab man ihm zur Antwort: es müsse zur Schafweide liegen bleiben. Zu eben dem Zweck ließ man einen überständigen Birkenwald stehen. Denn man wußte, wenn man ihn hiebe, daß man dann die Schafe nicht mehr dahin treiben dürfe. Er faßte also seinen Entschluß, ließ den Wald ordentlich schlagen und das Stück Landes umroden. Da nun diese Weide nebst der Brache (denn er hatte 60 Morgen in Klee liegen) dahin war, so weissagte jedermann der Schäferei- wie mehreren Dingen- den Untergang.

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Die Gründe, welche den Amtmann zu diesem Wagstück verleiteten, waren folgende . Erstlieh verließ er sich in Absicht der Schafe auf seinen Kleebau, welcher die Stoppel- und Winterweide verbessern würde. Darnach hatte er sich auch vorgenommen, etliche Morgen Klee den Schafen Preis zu geben. Endlich, wenn das alles nicht helfen würde, so wollte er lieber die ganze Schäferei aufgeben, weil er wohl wußte, daß ihm jene Grundstücke im Ackerumschlag weit mehr eintragen würden. Auch hier kam ich von einem Vorurteil zurück. Denn als ich befürchtete, das Weiden der Schafe auf den Kleestoppeln müßte dem Klee schädlich sein, weil sie ja im Herbst und den Winter überall Knospen abätzten; so bewies mir Spring aus seiner vielfältigen Erfahrung gerade das Gegenteil. Denn er bezeugte, daß der Klee da, wo die Schafe geweidet hätten, weit besser stünde als irgend anderswo. Und das nicht so sehr darum, weil sie düngten, sondern weil durch das Abbeißen der Knospen der Klee viel strauchiger und dichter würde; ebenso wie jedes Gesträuche, das beschoren wird. Wie einleuchtend und wie richtig ist das! Nur ist zu bemerken, daß dies Weiden der Schafe auf dem Klee nur bis gegen Maria Verkündigung52 und nicht zu weit ins Frühjahr geschehen dürfe. Desgleichen müssen sie auch bei nassem Wetter von dem Klee bleiben, damit sie nicht die Wurzeln zertreten. Die Schäferei besteht aus 200 Stück Schafe. Sie wurde damals jährlich für 75 Gulden an einen Schäfer verpachtet. Dieser wurde bei dem Verlust obiger Weidplätze natürlicherweise besorgt. Er kündigte daher im Jahr 1779 seine Pacht auf. Aber es fand sich ein anderer, der die Schäferei für 100 Gulden des Jahres auf drei Jahre übernahm und sich so wohl dabei befand, daß er wider alle Warnung, er würde zu Grunde gehen, Anno 1782 abermal auf drei Jahre pachtete. Jetzt diesen Herbst ist der alte Schäfer, der sie vormals um 100 Kreuzer nicht behalten wollte, wieder aufs neue für 100 Gulden in die Pacht getreten, ungeachtet der Amtmann im Jahr 83 nochmals 5,5 Morgen Weidgang zu Äckern gemacht hat. Dies Rätsellöst sich dadurch auf, daß Spring jedesmal im Juni und Juli, wenn andere Schäfer bei den größten Brachfeldern oft Mangel leiden, einige Morgen Kleefeld zum Abweiden hingibt,

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wodurch also der Seinige niemals in drückenden Mangel geraten kann. Diese Erfahrung ist sehr wichtig. Denn man hat schon längst befürchtet, daß die Schafzucht bei der eingeführten Stallfütterung und abgeschafften Gemeinweide notwendig zu Grunde gehen müßte, weil man glaubte, daß die Schafe ohne solche Weiden nicht bestehen könnten. Allein, aus diesem Beispiele sieht man, daß auch hier der künstliche Futterbau seinen großen Nutzen äußere, und man also zur Stallfütterung der Schafe oder dem Kleepferchen nicht eher seine Zuflucht zu nehmen nötig habe, bis man sich die Verbesserung der Wolle zur Hauptabsicht macht, wenn anders die Einrichtung weislich getroffen wird. Denn zu Münchszell ist das Brachfeld wirklich über drei Viertel angebaut und doch die Schäferei in einem weit bessern Zustand als ehemals. d) Milchwirtschaft Diese Einführung der verbesserten Landwirtschaft brachte nun bald die gesegneteste Wirkung hervor. Das freiherrliche Gut ernährt jetzt dreimal so viel Vieh als vorher nebst den gehörigen Pferden. Ich wundere mich nicht, freue mich auch nicht, wenn ich schönes Schweizervieh sehe und zugleich weiß, daß es mit Kosten und Schaden unterhalten wird. Aber wohl tut es mir, einen solchen Stall voll Viehes zu finden, der vom Gut unterhalten, Segen in Küche und Keller, reichlichen Dung ins Feld und einen schönen Ertrag an Geld in die Börse des Herrn bringt. Dies ist der Fall auf dem Münchszeller Gut. Ich erstaunte, als ich die große Herde im Hof beisammen sah. Sie schien mir aus lauter Ochsen zu bestehen. Mir fiel die schöne Beschreibung des Virgil ein, welche er von den besten Zuchtkühen im dritten Buch seines Georgikons im 51. und den folgenden Versen gibt, wenn er sagt: 53 . .. der Zuchtkühe beste Art ist ein furchtbares Ausehn: ein Krollkopf mit mächtigem Halse, Wo die Wamme vom Kinn an bis zu den Knien herabhängt, Weit ohne Maße sollen die Seiten, alles muß groß sein, Auch der Fuß, und bei einwärts gebogenen Hörnern das Ohr rauh.

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Dann gefallts mir, wenn sie vortrefflich gezeichnet und weiß sind, Oder dem Joch nicht gehorchen, und oft mit den Hörnern sich necken, Wenn auch das Ansehen dem Stiere sich nähert, erhaben der Wuchs ist Und sie im Wandeln die Spitze des Schweifs durch die Fußstapfen schleppen.

Die Milchnutzung besteht hier in Schweizerkäse. Ungeachtet der Viehstand größtenteils aus junger Zuzucht besteht und nicht einmal die Hälfte milchgebend ist, so werden doch im mittleren Durchschnitt jährlich in die dreißig Zentner des herrlichsten Schweizerkäses verfertigt, welcher für 10 Kreuzer das Pfund reißend abgeht, so daß also jährlich gegen 500 Gulden bloß aus diesem Produkt erlöst werden. Butter wird nicht mehr gemacht, als die Haushaltung erfordert, weil bei der Käsmanufaktur mehr herauskommt. Ich fand hier zu eben diesem Zweck eine vortreffliche Einrichtung. Damit die Milch innerhalb 24 Stunden nicht rahmen könne und süß bleibe (denn so lang spart man sie zusammen, um Käse zu machen), so befindet sich neben dem Stall ein kleines Kämmerchen mit einem Brunnen. Vor der Röhre liegt ein weiter und breiter flacher steinerner Trog auf das genaueste wasserpaß, 54 welcher beständig voll reinen frischen Brunnenwassers ist, indem aus der Röhre immer zu- und an einer Seite in einer Kerbe auf den Rand der Überfluß immer abläuft. In diesem Kasten steht die Milch in weiten, flachen und runden aus verzinntem Eisenblech verfertigten Gefäßen. Sie sind gegen zwei Schuh weit und der Rand mag einen halben Schuh hoch sein. Hier wird die Milch durch die Kälte des Wassers frisch erhalten. Hernach wird sie auf Schweizer Art mit Lab aus Kälbermägen zum Gerinnen gebracht und dann wie gewöhnlich damit verfahren. Das Geschirr aus stark verzinntem dicken Eisenblech wird häufig und sehr gut in Neuwied verfertigt. Man kann sich dort fast einen ganzen Küchenhausrat von dieser Art anschaffen. Es wird Sanitätsgeschirr genannt.

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e) Feldfrüchte Nebst diesem vortrefflichen Haushaltungszweige, nämlich dem Käsemachen, brachte auch diese schöne Viehzucht die herrlichsten Wirkungen im Ackerbau hervor. Bei einem Überfluß von Futter hat der Amtmann verwichenen Sommer statt der ehemaligen 5000 bis 6000 Garben Winterfruchtnunmehr 10 000 eingeerntet. An Sommerfrüchten bekam er zwar nicht mehr als vormals. Statt dessen aber hatte er auch 15 Morgen mit Reps eingesät, und 80,5 Malter55 geerntet. Da er diesen Herbst das Malter Reps für 11 Gulden 12 Kreuzer verkaufte, so hat er 901 Gulden 36 Kreuzer daraus erlöst, welches mit 500 Gulden für Käse schon allein einen vortrefflichen Ertrag ausmacht. Nimmt man nun den Frucht- und Viehverkauf noch dazu, so läßt sich leicht der große Nutzen berechnen, den die verbesserte Landwirtschaft auf einem so elenden Gut bewirkt hat.

5. Auswirkungen auf das Dorf Aber nicht bloß das freiherrliche Gut selbst, sondern auch das Dorf hat ungemein dabei gewonnen. Hier muß der Menschenfreund den Herrn segnen, der durch seinen Beamten solche Glückseligkeit verbreitet! Die Münchszeller Bauern ernten jetzt durch die Bank noch einmal so viel Winterfrucht wie vorher. Die Brache ist schon zu drei Vierteln abgeschafft und es werden nun durchgehends Reps, Magsamen, 56 Wintergerste und dergleichen einträgliche Produkte angebaut. Aller Weidgang in den Wald hört gänzlich auf. Denn die Stallfütterung ist eingeführt, wodurch auch die obige 150 Gulden an Pfand- und Fanggeld57 erspart werden. Zugleich hat sich der Viehstand natürlicherweise beträchtlich vermehrt. Denn statt der ehemaligen 56 Stück befinden sich jetzt 170 Stück daselbst, die auch weit schöner und besser sind als vormals. Denn die Herrschaft unterhält beständig zu diesem Behuf nationale Schweizer Zuchtochsen, wodurch das Vieh 110

außerordentlich verbessert wird. Aus dieser Quelle zieht das Dorf jährlich schon eine beträchtliche Summe Geldes. Ich kann hier eine wichtige Bemerkung nicht vorbeigehen lassen. Es entsteht oft der Zweifel, ob nicht die Zehnten58 verlieren, wenn so viele Fruchtäcker mit Klee besät werden? Es bewährt sich zu Münchszell - wie überall - daß durch den Kleebau und die dadurch bewirkte Verbesserung der Äcker auf einem kleinen Raum noch einmal so viel Getreide erzielt werde, als vor der Einführung desselben auf größern Grundstücken. Die Verbesserung der Landwirtschaft hat auch zu Münchszell die Güterpreise beträchtlich erhöht. Eben diese Preise sind gewöhnlich der Maßstab des Flors des Ackerbaues. Ehemals kostete der Morgen von den besten, zunächst am Dorfe liegenden Äckern 80 bis 100 Gulden, und so nach Verhältnis der Güte und der Entfernung immer weniger. Jetzt aber gilt der Morgen nahe am Dorfe 400 bis 500 Gulden und in der Entfernung ungefähr halb so viel. Welch eine Vergrößerung des Grundkapitals, mithin auch des wahren Reichtums des Dorfes! Daher kommt es auch, daß jetzt kein Konkurs mehr entsteht wie ehemals, da den Gläubigern die Güter zur Zahlung angewiesen werden mußten. Bei dieser glücklichen Verfassung wächst auch die Bevölkerung. Vor 8 Jahren waren 45 Haushaltungen hier, jetzt 56. Damals zählte man 240 Seelen, nun 300; und was noch mehr ist: Menschen, die nun wahlleben und glücklich sind. Dieses sieht man, so bald man ins Dorf tritt. Rechts und links, hie und da stehen ganz neue, solide Bauernhöfe und Scheuern, so schön, als man sie irgend in einem Dorf antreffen mag. Statt der ehemaligen Trägheit webt und lebt es jetzt allenthalben. Der Geist der Industrie und der Nacheiferung beseelt sie dergestalt, daß keiner der Letzte sein will. Daher auch die Münchszeller Bauern seit einigen Jahren in Saat und Ernte die ersten in der ganzen Nachbarschaft sind. Endlich anstatt daß sonst die Bauern auf ihrem wohlhergebrachten Schlendrian steif und fest beharren und daher Rat und Vorschläge verachten, statt dessen findet man hier die Leute folgsam und willig und gegen ihre eigene Kenntnisse mißtrauisch. Dies wird aber immer der Fall sein, so bald der Landmann durch treffende Beispiele überführt wird, daß er durch Folgsamkeit und Nacheiferung glücklicher werden kann.

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111. Lehren aus Mönch ze 11 Aus dem Muster dieses einzigen Dorfes läßt sich nun leicht einsehen, was ein guter Ökonom, der richtige Grundsätze hat, ausrichten kann - vorzüglich wenn ihm freie Hand gelassen wird, nach bestem Wissen und Gewissen hauszuhalten. Ehe aber dies geschieht, muß man freilich praktische und hinlängliche Proben von ihm haben, daß er schon Güter glücklich administriert hat. Jetzt denke man sich einmal eine Landesverfassung, wo alle Landbeamten mit einer Hand Recht, Gerechtigkeit und Sicherheit handhaben, mit der andern aber Glückseligkeit in die Gewerbe zu bringen suchen. Läßt sich wohl eine vollkommenere und den Menschenbedürfnissen angemessenere Regierung denken? Dergleichen Beispiele können die Lehrer der staatswirtschaftlichen Wissenschaften mit Recht aufmuntern, getrost fortzuarbeiten. Denn es wird immer hie und da etliche unter ihren Zuhörern geben, die allen den Wünschen entsprechen, die jeder rechtschaffene Mann und Menschenfreund um das Wohl seiner Mitbrüder gen Himmel schickt. Aber auch der studierende Jüngling muß hier ganz von Eifer durchdrungen werden, dereinst zu einem Mann zu erreifen, den der Menschenvater würdigt, Beseligerund Beglücker seiner Kinder zu werden. Nur dieses muß man immer beherzigen, daß man ja keinen Satz für wahr annehme, der nicht allgemein durch viele Erfahrungen erwiesen ist. Keiner glaube unumschränkt weder Büchern noch mündlichem Vortrag, wenn nicht Tatsachen genug zum Beweise angeführt werden, die mehr als lokal sind! Und wenn sich der Lehrer nicht scheut (wenigstens nicht scheuen darf) zu gestehen, daß er im vorigen Lehrgang dies oder jenes nicht so gut gewußt habe, wie jetzt: so darf der Lernende noch vielweniger sich schämen, immer in seinen Kenntnissen aufzuräumen und immer nach mehrerem Lichte zu streben. Die Fehler des Gottesgelehrten deckt erst die künftige Welt auf. Die Fehler des Rechtsgelehrten verhüllen das Landrecht oder die Codices voriger Jahrhunderte. Die Böcke, die der Arzt 112

macht, versteckt der Totengräber mit seiner Schaufel. Die Trugschlüsse der Philosophen verstecken sich hinter der Schwäche des menschlichen Verstandes. Aber die Fehler des Staatswirts zeigt die nächste Ernte, die nächste Messe oder Markt, die Kasse des Fürsten und die Stimme des ganzen Volks und stellt sie auf offener Gasse an den Pranger! So auffallend wahr das ist, so nützlich ist dieser Umstand für Lehrer und Studierende. Lange können sie nicht irren. Denn der glänzende Engel Gottes, die Wahrheit, geht mit ihren Flammenschritten, Versuche und Erfahrung, vor ihnen hin, und zeichnet ihnen den Weg aus. Selig ist der, welcher folgt, und weder zur Rechten noch zur Linken abweicht! D. Nachtrag zu dieser Abhandlung

Die Erfahrung, daß das fortgesetzte Gipsen den Wiesenboden locker mache, erinnert mich an eine andere, ebenso neue und merkwürdige. Ich fragte Möllinger einstmals, warum er alle seine Äcker mit Mistpfütze begieße, und sie nicht lieber mit guter Dungmasse bessere? Er belehrte mich aber aus vieljährigen Beobachtungen, daß das von Zeit zu Zeit wiederholte Düngen endlich den Boden so zart mache, daß die Gewächse zu mastig würden, umfielen und faulten. Deswegen sei es nötig, wenn der Acker einmal seinen höchsten Grad der Güte erhalten und nun Faulerde genug habe, daß man ihn nur mit Pfütze begieße. Denn das Wasser schwemme den Boden fest, und die salzig-öligen Teilchen vermehrten nur die eigentliche Nahrung, aber nicht die Masse. Wie viele Bauern mögen wohl in Deutschland sein, die dieses Unterrichts bedürfen?

Anmerkungen

* Der Originaltitel lautet: "Vorn hohen Werth I eines I rechtschaffenen staatswirthschaftlichen I Landbearntens, I hergeleitet I aus der landwirth8 Jung·Stilling

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schaftliehen Geschichte des freiherrlich I Uxküllischen Guts zu Münchszell. I von D. Johann Heinrich Jung. I Vorgelesen den 16. November 1785." und ist erschienen in: "Vorlesungen I der I Churpfälzischen physikalischökonomischen I Gesellschaft. I Von dem Winter 1785 bis 1786. I Zweiter Band. I Mannheim, I in der neuen Hof- und akademischen Buchhandlung. I 1787." auf den Seiten 3 bis 40. 1 Verwichener Sommer= im Sommersemester 1785. 2 Paradiesische Pfalz = die Kurpfalz, nämlich das Gebiet beiderseits des unteren Neckars sowie auf der linken Seite des Rheins ungefähr die Fläche von der Lauter bis zur unteren Mosel mit Mannheim als Hauptstadt. 3 Jung-Stilling hatte schon als Professor für praktische Kameralwissenschaften in Kaiserslautern in jeder Woche des Sommerhalbjahres Ausflüge und Betriebsbesichtigungen unternommen. Nach Eingliederung der Kamera! Hohen Schule in die Universität Heidelberg im Jahre 1784 behielt er auch dort diese Gewohnheit bei. 4 Flor = gutes Gedeihen, wirtschaftliche Blüte, Prosperität. 5 Siehe Matthäus 25, 21. 6 Siehe Matthäus 16, 27; Römerbrief 2, 6; I. Korintherbrief 3, 13. 7 Christian Garve ( 1742-1798): Marcus Tullius Cicero. Abhandlungen über die menschlichen Pflichten, aus dem Lateinischen übersetzt nebst philosophischen Anmerkungen und Abhandlungen, 6. Aufl. Breslau, Leipzig (Korn) 1819. Siehe wegen anderer Auflagen GV 24, 280. - Garve vermutet in dem Trieb zur Wirksamkeit den Grund aller übrigen Triebe. Jung-Stilling war (zumindest zeitweise ) diesen Vorstellungen sehr zugeneigt. Er unterscheidet im Anschluß daran näher zwischen sachgerechtem Tun (Handlungen intensiver Güte, wie oben im Text definiert) und bloßer "Tätelei" bzw. "Wirkelei." -Die Wertschätzung von Garve durch JungStilling zeigt sich auch darin, daß er hier an die erste Stelle der" Weisen des Jahrhunderts" setzt. 8 Fall= Lage, Stellung, Verfassung. 9 Frau Fama = das Gerücht; das überall im Land Bekannte. 10 Lokale Grundsätze= für einen bestimmten Stand der Gegebenheiten und daher stets bloß bedingt geltende Regeln; relativ allgemeine Theorien, die nur Gültigkeit innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen beanspruchen. 11 Doppelfuhre = dem ersten Pflug in der Furche einen zweiten folgen lassen, so daß die Furche doppelt so tief wird.

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kam.

Rippen= R!spengräser. Krapp= Färberröte; eine winterharte Pflanze, die 1766 nach Europa

14 Der Stadtzürcher gelehrte Schriftsteller und Arzt Hans Kaspar Hirzel ( 1725-1803) beschrieb in seiner Schrift "Die Wirtschaft eines philosophischen Bauers" 1771 den Landwirt Jakob Guyer (1716-1785), genannt Chlijogg (=der kleine Jakob) in Wertmatswil (Kanton Zürich). Goethe, Lavater und viele andere besuchten dieses Mustergut.

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15 David Möllinger ( 1709-1792) war zu seiner Zeit als landwirtschaftlicher Pionier-Unternehmer weithin bekannt. Jung-Stillings (damals noch leichtsinniger, fahriger) Sohn Friedrich ( 1795-1853) begann 1816 im Gute Möllinger zu Worms-Pfeddersheim eine Lehre, die er freilich bald wieder abbrach. 16 Friedrich Car/ Gustav Freiherr von Uxkü/1-Gy//enband( 1720?-180 I) war Gouverneur der herzoglich-württembergischen gefürsteten Grafschaft Mömpelgard und herzoglich-württembergischer OberhofmarschalL Er wurde 1790 in den Reichsgrafenstand erhoben. - Friedrich Johann Ernich Freiherr von Uxkü/1-Gy//enband ( 1724-1810) stand in Diensten des Markgrafen von Baden; sein Vater gleichen Namens (1684-1768) war dort Oberhofrats-Präsident. 17 Rechts = nach Süden. 18 Dorf= Wiesenbach (Baden). 19 Nach Osten (über Aglasterhausen auf den Neckar bei Mosbach-Diedesheim zu). 20 Richtiger: nach Südsüdost. 21 Münchszell = Mönchzell, heute Ortsteil der Gemeinde Meckesheim, Kreis Heidelberg, Bundesland Baden-Württemberg. 2 2- Auf der damaligen Landstraße etwa 55 Kilometer. 23 Richtiger: nordwestwärts in 14 Kilometer Entfernung auf der damaligen Straße gerechnet. 24 Der Weg Neckargemünd-Heidelberg auf der alten Neckar-Chausseee maß 12 Kilometer. Von Mönchzell nach Heidelberg waren es demnach etwa 26 Kilometer. 25 Der dem Rheingraben zugewandte westliche Rand des Odenwaldes (Bergstraße) gehört auch heute noch zu den fruchtbarsten Gebieten Deutschlands. 26 Industrie = hier: Fleiß, zielstrebiges Handeln, Leistungswille. 27 I Quadratrute Nürnberger Maß = 12,657 Quadratmeter. 28 Ungefähr 146 Hektar. 29 Ungefähr 103 Hektar. 30 Schatzungsrenovation =Vermessung und Begutachtung (des Bodens) zum Zwecke der (Grund-)Besteuerung. 31 Grummet = Grumt= Gras zum Heu vom zweiten Schnitt des Jahres. 32 I Fuhre = eine Wagenladung voll. 13 Die Beamten der kurpfälzischen Landesforst-Verwaltung beschlagnahmten das Vieh und gaben dieses erst gegen Zahlung einer Strafgebühr wieder zurück. 34 Esparsette = Süßklee, Wichenklee. 35 Vorgang= hier: Vorbild, tätige Veranschaulichung. 36 Johann Christion Bernhard ( 1711 ?-1784) war Ökonomierat in BadenDurlach. Er veröffentlichte mehrere betriebswirtschaftliche Abhandlungen; siehe das Verzeichnis in DBA 90, 119. 37 Maxime = hier: Richtlinie vernünftigen Handelns.

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38 Pragmatomanie = krankhafter Hang, etwas tun zu müssen, ohne Rücksicht auf die Sinnhaftigkeit und das Ergebnis. 39 Wenn es erlaubt ist, Kleines mit Großem zu vergleichen.- Das Zitat stammt aus Vergil (Georgica 4, 176}, wo die Arbeit der Bienen mit der von Zyklopen (die Blitze schmieden) verglichen wird.- Jung-Stilling übersetzte die Georgica von Vergil in deutsche Hexameter. Das Buch erschien 1787 in der neuen Hof- und akademischen Buchhandlung zu Mannheim. 4 ° CHARTA BIANCA =Generalvollmacht. 41 Gemeint ist: daß Landwirtschaft, bloß als Steckenpferd betrieben, allemal teuer wird. 42 Weißbinder-Arbeit = hier: Holzverschalung. Weißbinder = Küfer, Böttger. 43 I Schuh = ungefähr 28 Zentimeter. 44 Raufe = Futterleiter über der Krippe. 45 Verlag= hier: die Auslagen. 46 Interesse = hier: Zinsen. 47 Burgunderrübe = Runkelrübe. 48 Eselsrücken = Ablaufhang. 49 Hofrat Professor Georg Ado/ph Succow (1751-1813), Jung-Stillings Kollege in Kaiserslautern und Heidelberg. Siehe Lebensgeschichte 371 sowie ADB 37, 105. 50 Wasen = feuchter Untergrund der Wiese. 51 Verinteressieren =verzinsen; Früchte bringen; sich lohnen. 52 Mariä Verkündigung = 25. März. In der katholischen Kirche auch in dem (seit 1969) erneuerten Festkalender beibehalten. 53 Die Übersetzung ist von Jung-Stilling selbst; siehe Anmerkung 39. 54 Wasserpaß = waagrecht. ss I Malter= 150 Liter. 56 Magsamen = Mohn (als ölhaltige Frucht). 57 Fanggeld = Prämie für das Einfangen schädlicher Nage- und Raubtiere; siehe Anm. 33. 58 Zehnten = hier: Ackerland.

Vom Speiseölmarkt* Gemeinnützige 1 Fabriken sind solche Gewerbe, die an dem Ort, wo sie wirken, den Landleuten rund um sich her Trieb und Emsigkeit einflößen, ihre Landwirtschaft zu verbessern, ihre Erzeugungen zu vervielfaltigen und dadurch ihr Glück sowie ihren Wohlstand immer mehr zu befördern. Sie sind die Funken, welche der weise Staatswirt streut, um allenthalben Licht und Leben unter den Menschen zu verbreiten. Aus den Werkstätten dieser Fabrikanten geht die Kraft aus, welche alle Gebrechen heilt. Durch sie wird der Landmann emsig, denn er findet reichen Absatz seiner Produkte. Die Emsigkeit macht seine Leibes- und Seelenkräfte in allen Stücken tätiger und veredelt sie; sie macht ihn wohlhabend. Der Wohlstandbefördert seine Aufklärung, und diese seine wahre Glückseligkeit, wenn sie anders auf den sichersten Pfad geleitet wird. Es ist entschieden: die gemeinnützigen Fabriken sind die Nerven des Staatskörpers, welche sämtlichen Teilen Lebenskräfte zuführen. Alles lebt durch sie, und ohne sie ist alles krank und tot. Brauche ich wohl Beweise für diese Behauptung zu führen? Für den Verstand sind keine mehr notwendig. Es bedarf nur eines gesunden Menschenblicks, um das Luftgefilde2 im Geist zu überschauen, welches ein gesegnetes Handlungsgenie,l ein wohltätiger patriotischer Genius, durch Errichtung solcher Fabriken in wenigen Jahren aus einer öden heulenden 4 Wüste hervorzurufen vermag. Aber das Herz, das warme Empfindungs-Organ, beruhigt sich nicht mit bloßer Theorie. Es fordert strengere Beweise. Es will sehen, fühlen, empfinden, Tatsachen haben- und es hat Recht!

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A. Unfruchtbare und fruchtbare Vorschläge

Wie viele schöne, jedem - auch dem kultivierten - Menschenverstand angepaßte Vorschläge werden nicht heut zu Tage entworfen, geschrieben und gelesen? Und doch haben sie keinen glücklicheren Erfolg, als die schönsten moralischen Predigten und Schriften der aufgeklärtesten Gottesgelehrten. Man hört, man liest mit Vergnügen, mit Beifall. Man findet alles herrlich, vortrefflich. Indessen nimmt das Herz keinen Teil daran. Der Wille rührt sich nicht bei allem Licht des Verstandes. Denn es ist eiteP Mondes- und Sternenschimmer, ohne Wärme: ein Winterglanz, der kein einziges Grashälmchen- geschweige eine Blume - hervorlocken kann: Wo haben wir aber den elektrischen Funken, der Mark und Bein, Seele und Geist wie ein zweischneidiges Schwert, wie ein Wort Gottes durchdringt, und alle Leibes- und Seelenkräfte mit allgewaltiger Wirksamkeit anzieht? Da wo ihn Prometheus holte. 6 Die Geschichte ist Gottes Sprache, die Erfahrung der Altar, wo unser Genius feurige Kohlen holen und Zunge und Feder damit zum Reden und Schreiben begeistern muß. Wer also durch Reden und Schreiben der Menschheit überhaupt und besonders in den Gewerben nützlich sein will, der kommt auch mit den allerkünstlichsten und auf das weiseste ausgedachten Verbesserungs-Vorschlägen nicht zurecht, wenn er nicht Geschichte und Erfahrung zum Grund legt und also auch hier Worte Gottes gebraucht. Diese Überzeugung hat meine treuen Mitarbeiter7 und mich stets geleitet. Wir bestreben uns immer mehr und mehr, in allem Betracht ausführbare Wahrheiten zu sammeln und diesen Schatz an unsere junge studierende Freunde sowie an die Leser unserer Schriften auf reichen und ewigen Wucher auszuleihen. B. Das Ölgewerbe

In dieser Absicht habe ica mir vorgenommen, die gememnützigsten Fabriken als solche in den mich treffenden Vorlesungen bei unseren gesellschaftlichen öffentlichen Sitzungen8 nach und

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nach abzuhandeln. Das Ölgewerbe fiel mir bei diesem Vorhaben am wärmsten aufs Herz. Dies wird jedem rechtschaffenen Manne geschehen, wenn er sich einmal die Mühe nimmt, ruhig über den Zustand jenes Gewerbes in unseren und den mehresten deutschen Ländern nachzudenken. I. Jetzige Marktversorgung

Die Vornehmen und Reichen bedienen sich zu ihren Speisen durchgehends des Baumöls, 9 dieses teuren Produkts des südlichen Europens. Deutschland erzeugt keinen einzigen Tropfen dieses Öls. Mithin schickt es ungeheure Summen dafür außer Land. Man fangt zwar hin und wieder an, Buchel-, Magsamen- und Nußö/ 10 zu verspeisen. Allein, diese Öle werden einesteils noch nicht in hinlänglicher Menge erzielt und andernteils gibt man sich auch noch nicht Mühe genug, sie in gehöriger Güte und Vollkommenheit zu bereiten. Daher schmecken sie dem zärtlichen Gaumen des Vornehmen nicht gut genug. Er bleibt also bei seinem Provenzer-Öl, 11 oder er kann es nicht haben und muß also bei dem Krämer das nehmen, was dieser feil hat. Der gemeinere Mann und der Bauer bedient sich seltener der Speise-Öle. Wo er sie nicht selber erzielen kann, da macht er sich seinen Salat warm mit Butter oder Speck und Essig. Wenn er ihn kalt genießen will, so nimmt er anstatt des Öls süßen Rahm. Ich meines Orts muß aufrichtig gestehen, daß mir ein guter Kopfund Lattichsalat, auf diese Weise bereitet, wenigstens ehemals trefflich schmeckte; nur muß man mit dem Rahm nicht zu sparsam umgehen. Das Baumöl ist zu gutem Glück dem gemeinen Mann zu teuer. Deswegen ist er aber doch nicht unschuldig. Denn in den Gegenden, welche nicht Getreide-Länder sind, wo also der Bauer seine wenigen Äcker ganz der Brotfrucht widmen muß (und dieser Fall ist in Deutschland sehr gewöhnlich), da braucht er zu seiner Lampe, zum Schuhschmieren usw. lauter ausländische Öle. Im ganzen nördlichen Deutschland sind der Fischtran und das Repsöfl2 die allgem~rine Nahrung der vertraulichen Winter-Lampe. Man wählt unter beiden immer das wohlfeilere. 119

Näher gegen Holland zu, wo also der Transport nicht zu hoch steigt, da braucht man vielfältig holländisches Repsöl, weil es besser ist als das inländische und dieses nicht in hinlänglicher Menge zu haben ist. Das holländische Repsöl ist von solcher Güte, daß es die gemeinen Leute, nachdem sie es mit Wasser in einer Pfanne abgekreischt 13 haben, mit Butter zu Kochfett zusammenschmelzen und ihre eingemachten Gemüse damit bereiten. Ich kann versichern, daß die Kartoffeln, Sauerkraut und eingemachten Bohnen, mit diesem Fett geschmelzt, auch verwöhnten Gaumen wohlschmeckend sein würden. Nur müßten sie es freilich nicht wissen, damit die Einbildung aus dem Spiel bliebe! 1. Schäden durch Einfuhren

Welche unermeßliche Summen nun abermal für diese ausländische Öle, Fischtran und holländisches Repsöl aus Deutschland wandern, das läßt sich leicht denken. Noch mehr aber muß es einen vernünftigen Staatswirt schmerzen, wenn ich ihm eine Tatsache erzähle, die man wenigstens noch vor zehn bis fünfzehn Jahren im Herzogtum Kleve, im Hochstift Münster und in allen an Holland stoßenden Getreideländern von tausend Augenzeugen alle Tage erfahren konnte. Dort wird sehr viel Rübsamen 14 oder Reps erzogen. Er ist das vornehmste Handelsgewächs des Landmanns, wofür er sich - nebst seinem Überfluß an Getreide- sein notdürftiges Geld erwirbt. Anstatt daß nun dort wohlhabende Kaufleute, Bauern, Müller und dergleichen Ölmühlen anlegen, den Reps von den Bauern einkaufen, auf die beste Weise Öl schlagen und damit einen für sich und das Vaterland nützlichen Handel treiben, statt dessen muß der Bauer aus Mangel an inländischem Absatz an die Holländer verkaufen. Diese sehr klugen Handelsleute wissen sich sehr wohl, diesen einträglichen Handel zu sichern! Denn sie schicken schon im Frühjahr und Sommer ihre Kommissionäre und Makler 15 in alle diese Länder. Sie streichen darinnen herum, bestellen bei den Bauern den Reps schon zum voraus, geben ihnen alsdann Geld auf die Hand und binden sie auf solche Weise, daß sie hernach

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ihre Ware durchaus liefern müssen. Viele Bauern sind auch schon aufs folgende Jahr im Vorschuß. Durch diese Leichtigkeit des Repshandels, welche die Holländer jenen Bauern verschaffen, wird es andern schwer, mit ihnen zu handeln. Es ist beklagenswürdig, wie passiv unser deutsches Vaterland in seinen Gewerben ist! Durchgehends schicken wir im ganzen römischen Reich den Ausländern rohe Waren und empfangen wiederum eben so allgemein Manufaktur-Waren dagegen zurück. Alle Fabriken, die wir haben, und womit man sich an vielen Orten so groß macht, sind wie nichts gegen die unermeßliche Einfuhr roher und verfertigter italienischer, spanischer, französischer und holländischer Waren. Wir haben zuverlässig die Handels-Bilanz jahraus jahrein in sehr hohem Grad gegen uns! Daß man diese schleichende Auszehrung nicht so sehr merkt, rührt meines Erachtens aus verschiedenen Ursachen her. Die vielen kleinen Höfe sind gleichsam so viele Herzen, die den Kreislauf der Waren und des Geldes befördern. Denn die mehresten leben im größten Luxus. Dieser veranlaßt sie zwar, den Untertan zu drücken, aber auch das Geld fortwährend auszugeben; es kommt also doch wieder unter die Leute. Je geschwinder aber derUmlaufdes Geldes wird, desto mehr ersetzt er die fehlende Menge. Dies ist ein unumstößlicher Grundsatz. 16 Man sieht zugleich leicht ein, daß diese Ursache eines bloß scheinbaren Wohlstandes sich zum Staat verhalte wie ein schleichendes Fieber zur Gesundheit. Wärme und rote blühende Wangen sind hier für den vernünftigen Arzt ebenso böse Zeichen, als dort der durch den Luxus bewirkte geschwindere Kreislauf. Die Fürsten zehren sich der Reihe nach auf, und in der Folge ist es auch um den beschleunigten Kreislauf geschehen. Dann liegen die Paläste der Großen in ihren Ruinen, und.um sie her stehen arme Bauernhütten, in welchen das größte Elend wohnt. Hierauf eilt die Barbarei mit Riesenschritten herzu und überfällt das Volk wie ein geharnischter Mann. So gibt es dann neue Völkerwälzungen. 17 Noch eine andere Quelle, wodurch sich Deutschland erhält, ist die Emsigkeit des gemeinen Mannes. Ich kenne kein Land - Holland und England ausgenommen - wo der Landmann so fleißig ist als der Deutsche. Er ernährt sich sparsam. Die vielfältige Gelegenheit, seinen Überfluß zu verkaufen, welche ihm die vielen großen und kleinen Städte und die vielen Höfe darbieten, verursacht abermal einen geschwinderen

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Umlauf des Geldes, der seinen Mangel ersetzt. Diese Tugend der deutschen Nation setzt sie eben in den Stand, reich und mächtig zu werden - wenn nur ihre Regenten einmal anfingen, am Flor der Gewerbe zu arbeiten! Ich will in dieser und den folgenden Abhandlungen Winke dazu geben. Wollte Gott, man folgte ihnen! Ich kehre zu dem Ende wieder zum Ölgewerbe zurück.

Ich habe oben eine unleugbare Tatsache bemerkt, nämlich: daß Deutschland zum Verspeisen eine ungeheure Menge Baumöls und außerdem sehr vielen Fischtran und holländisches Repsöl aus dem Ausland beziehe. Ich kann zuverlässig versichern, daß diese ganze Einfuhr ausländischer Waren erspart werden könnte, wenn jeder Fürst in seinem Lande die Quellen benutzte, die ihm die Natur so reichlich darbietet. 2. Ursachen der Einfuhren

Vielleicht ist es nicht möglich, daß gerade jede deutsche Gegend in diesem Fall ihr Bedürfnis befriedigen kann. Das ist aber auch nicht nötig. Das römische Reich ist gleichsam ein Staat. Kann man nun auch nicht in jedem Teil desselben einen isolierten Zustand, eine sich selbst genugtuende Staatswirtschaft gründen, so muß man doch dahin trachten, daß sie ganz Deutschland erhalte. Geschieht dies, so bin ich versichert, daß wir für uns Öl genug haben werden, wenn ich die einzelnen Fälle ausnehme, wo Fischtran und Baumöl unentbehrlich sind. Denn noch bis dahin muß der Sämischgerber 18 Fisch- oder Lebertran zum Garmachen seiner Leder haben. Ich finde bei genauerer Überlegung der Sache verschiedene Ursachen dieses Staatsfehlers. Die allenthalben überband genommene Krämerei ist die erste. Der Krämer verschreibt 19 die ausländische Ware oder er kauft sie in der Messe ein. Die Bequemlichkeit, nur in den Kramladen zu gehen und zu holen, was man braucht, ist für den Hausvater zu groß, als daß er sich ihrer nicht bedienen sollte. Dies ist ein Hauptgrund, aber auch ein Hauptfehler unserer staatswirtschaftlichen Verfassung. Der Krämer wird hier freilich stutzen und mich fragen: "Aber wo soll ich denn anders einkaufen, da mir das Vaterland keinen 122

Vorrat darbietet?" Er hat recht! Denn daran fehlt es allenthalben. Wir haben nicht Produktion und Fabrikation genug. Und diejenige, die wir noch haben, ist an Güte und Brauchbarkeit weit hinter der ausländischen. Dies letztere scheint mir der Mittelpunkt der ganzen Sache zu sein. Wären unsere Waren so gut und so brauchbar als die ausländischen, so würden sie unsere Krämer eben so wohl führen als diese. Man würde sie ihnen auch eben so gern abkaufen, besonders da eine inländische Ware wegen Ersparung des Transportes auch gemeiniglich wohlfeiler ist. Ich weiß zwar wohl, daß wir Deutsche den Hauptfehler an uns haben, gewöhnlich das Ausländische dem Inländischen vorzuziehen. Wenn wir aber auf den Grund der Sache zurückgehen, so finden wir doch, daß auch dieser so eingewurzelte Hang wiederum daher kommt, daß uns die Ausländer - besonders die Franzosen und Engländer- noch bis dahin so weit in der Güte dtrr Waren übertreffen. Wenn wir dann auch zuweilen wirklich efWas Besseres haben, so fehlt doch diesem Bessern der allgemeine Kredit, 20 der nun einmal auf ausländische Produkte gegründet ist. Dieser Kredit kann aber leicht erworben werden. Es gibt wirklich schon deutsche Waren, bei denen man sich um das Prädikat englisch oder französisch nicht mehr bekümmert. Der sächsische Manchester21 ist eben so sehr im Umlauf als der englische. Bei dem Dresdner Porzellan denkt man wenig mehr an das chinesische. Ebenso verdrängte der Bolongaro-Tabak 22 einen großen Teil des holländischen und französischen. Ich bin gewiß, daß eine recht gute und wohl angelegte Ölfabrik das beste Baumöl und das holländische Repsöl bald vergessen machen würde. Es kommt nur aufBeharren und Aushalten an. Ein Mann, der durchaus gute Waren in einem billigen Preis verfertigt, der sorge sich um Absatz nicht. Dieser kommt allmählich- ich sage mit Fleiß allmählich - von selbst.

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II. Aufbau heimischer Fabriken Ich glaube daher nichts Nützlicheres tun zu können, als wenn ich den sichersten Weg zeige, wie eine gute Ölfabrik anzulegen sei. Soll dieses geschehen, so muß ich erst die Natur und Beschaffenheit der Samen, seiner Teile und des Öls selbst erklären und dann auf diese Grundsätze jene Anlage bauen.

1. Ölsamen und ihre Trennung Alle Samen, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, führen ein Öl in sich. Denn dieses ist im Grund die eigentliche Nahrung der Pflanzen und also auch des Keims, der im Samenkorn verborgen liegt. Dies Öl ist in allen Pflanzen-Arten, wenn es von allen Zusätzen gereinigt worden (oder doch gereinigt werden könnte), sich selbst gleich. Es ist allenthalben eine brennbare Fettigkeit, eigentlich ohne Geschmack. Wenn es einen spezifischen Geschmack hat, so rührt dieser bloß von fremden Teilen her, die ihm während dem Pressen von dem Samen zugemischt wurden. Indessen sind doch bei weitem nicht alle Samen zum Ölpressen geschickt. Denn in vielen ist das Verhältnis des Öls gegen die übrigen Bestandteile zu klein, daß es der Mühe nicht lohnt. Manchmalliegt es auch zu tief in den Bläschen verwickelt, so daß es sich nicht wohl herausbringen läßt. a) Trennungs-Verfahren Ich will mich hier mit den mannigfaltigen Gattungen der Samen, welche mit Nutzen Öl geben können, nicht aufhalten. Ich möchte nur zeigen, wie man mit dem Gewöhnlichen verfahren muß, um sie teils genießbar und teils in genugsamer Menge zum Gebrauch zu verfertigen. Die Erfindung mehrerer nützlicher Ölsamen überlasse ich dem Naturforscher und ihre Untersuchung dem Scheidekünstler. 23 Ich habe soeben gesagt, daß die Verschiedenheit der Öle ihnen nicht wesentlich sei, sondern zufälliger Weise von Teilen her-

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rühre, die sich während dem Pressen leicht mit ihnen vermischen. Ich will diesen Satz etwas weiter zergliedern. Jedes Samenkörnchen besteht aus der Schale, dem Mark und dem Keim. Die Schale hat immer eine herbe Schärfe in sich, die sich über dem Pressen dem Öl mitteilt und ihm seinen spezifischen Geschmack gibt. Das Öl selbst hat seinen Sitz in dem Mark, wo es in besonderen kleinen Bläschen oder Zellen aufbehalten wird. Auch das Mark und vielleicht auch der Keim selbst enthalten spezifische Geschmacksteilchen, die sich dem Öle leicht zumischen können. Aus diesen richtigen chemischen Grundsätzen läßt sich nun folgern, wie man das Öl rein und lauter heraus bringen müsse. Wenn man vor dem Pressen die Samen schält, so ist es nicht möglich, daß die Schale dem Öl eine Schärfe mitteilen könne. Dies ist ein anschauendes Urteil und bedarf keines Beweises. Eben so richtig ist die Erfahrung, daß das heiße kochende Wasser die herbe Schärfe großenteils aus den Pflanzenkörnern anzieht. Wenn man daher die geschälten Samenkörner zu wiederholten Malen mit kochendem Wasser begießt, die Schärfe ausziehen läßt, dann wegschüttet, wieder frisches aufgießt, und dies binnen 24 Stunden drei- bis viermal wiederholt, so wird auch das Mark und der Keim großenteils von der spezifischen Schärfe befreit und also das Öl zur höchstmöglichen Reinigkeit gebracht. Es ist nicht nötig, daß man diese Mühe auch auf Öle verwende, die man nicht genießen will. Der Leinsamen so wenig als der Hanfsamen braucht auf diese Art behandelt zu werden. Denn man wird niemals Leinöl oder Hanföl essen wollen, besonders da diese Öle ohnehin ihren sehr wichtigen Gebrauch haben. Denn das erste dient bekanntlich zum gewöhnlichen Firnis, und das letztere zur grünen Schmierseife. Ob aber nicht mit dem Repsöl durch eine solche Behandlung etwas Rechtes anzufangen sei, das ist eine andere und sehr wichtige Frage.

Ich kann auf Ehre versichern, daß das holländische Repsöl (dessen Güte doch bloß allein darauf beruht, daß einesteils die Samen nicht hart ausgepreßt werden und andernteils, daß es lange genug liegt und gehörig behandelt wird, um nach und nach seine Schärfe zu verlieren) in den eingemachten Gemüsen vortrefflich schmeckt, wenn es vorher abgekreischt wurde. Wenn man nun den Repssamen schälte, hernach mit kochendem Was-

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ser abbrühte, dann den Vorlauf gelind herauspreßte und zum Verspeisen besonders aufbewahrte, so glaube ich, man könnte ein Öl herausbringen, das in allem Betracht vollkommen genießbar sein würde. Nur kommt es darauf an, daß man eine Einrichtung erfande, den Repssamen zu schälen. Wenn wir aber nun diese Methode auf die wirklich genießbaren Öle, also auf das Buchel-, Magsamen- und Nußöl anwendeten, was würde da nicht herauskommen? b) Bucheckern Die Versuche sind mit den Bucheln wirklich gemacht. In Leipzig bei Hilscher ist im Jahr 1777 eine Schrift herausgekommen. Sie heißt: "Sammlung einiger Abhandlungen aus der Ökonomie, Kamera!-Wissenschaft, Arzneikunde und Scheidekunst. "24 Diese enthält sehr wichtige Sachen, unter anderem auch eine Abhandlung vom Ölmachen, aus welcher ich vieles entlehnt habe. Die Versuche, welche man mit den Bucheln machte, sind folgende. Eine gewöhnliche Schälmühle wurde etwas weiter gerichtet, als sonst bei den dicksten Fruchtkörnern geschieht. Man brachte die Bucheln darauf, und unter tausend ganz rein geschälten Kernen waren kaum fünfungeschälte. Diese Beobachtung ist ungemein wichtig. Denn die Bucheln sind dick und dreieckig. Folglich konnte man vor dem Versuch noch zweifeln, ob das Schälen auf einer gewöhnlichen Fruchtmühle angehen würde. Nun ist man aber von der Möglichkeit vollkommen überzeugt. Der Einwurf, der einem am ersten auffallt: daß man durch dieses Schälen immer vieles vom Mark verlieren werde, weil die Mühlsteine allemal die Ecken der Kerne abstoßen, wird dadurch widerlegt, daß man die Schalen hernach eben wegen der darinnen hangenden Kernstücke noch besonders zum Brennöl auspressen kann.

Mit den geschälten Kernen verfuhr man laut der Abhandlung so, wie ich vorhin angezeigt habe. Man brühte sie dreimal mit heißem Wasser ab, trocknete sie (aber ohne Hitze) an einem luftigen temperierten Ort, brachte sie nun in die Ölmühle und preßte (aber auch ohne besondere Hitze) aus zwei Pfund 25 Ker126

neo zehn Lot26 des besten weißgelblichen, gelindesten und wohlschmeckendsten Öls heraus, welches dem Mandelöl den Vorzug strittig machte und also das beste Baumöl an Geschmack übertraf. Weil bei diesem Auspressen die Kuchen nicht scharf ausgekeilt wurden, so nahm man jenen Vorlauf weg und schlug die Kuchen nun vollends rein, nachdem man sie vorher etwas gewärmt hatte. So erhielt man aus obigen zwei Pfund Kernen noch acht Lot eines genießbaren guten Öls, folglich zusammen achtzehn Lot, welches sehr viel und mehr ist, als man nach der gewöhnlichen Art aus den ungeschälten und unausgezogenen Kernen erhält. Das ist aber auch kein Wunder. Denn erstlieh schlucken die Schalen viel Öl ein. Dann werden auch durch das Ausziehen mit Wasser die Ölbläschen mehr aufgeschlossen und also der Ausgang erleichtert.

Wie vorteilhaft ist also diese Methode? Man erhält dadurch ein vortreffliches Öl und noch dazu in größerer Menge, so daß also alle Mühe reichlich und doppelt belohnt wird! Wenn also ein Simmer27 Bucheln sechzehn Pfund geschälte Kerne gibt, so kann man nach dieser Methode vier Pfund und acht Lot feines Öl daraus erhalten. c) Walnüsse Die welschen Nüße 28 geben auch ein gutes genießbares Öl, das aber noch um ein Beträchtliches besser sein würde, wenn man die Nußkerne schälte. Denn wir wissen alle, daß die Schale bitter ist, und daß die Kerne viel edler schmecken, wenn sie geschält sind. Dies erfordert aber viel Mühe, indem es nicht anders als mit der Hand- durch Abziehen der Haut- geschehen kann. Wenn sie nicht mehr frisch sind, so muß man sie erst einweichen und nach dem Schälen wieder trocknen. Wenn man die frischen Nüße durch Kinder öffnen und die Kerne schälen ließe, so würde die Güte des Öls die Mühe reichlich belohnen. Man ließe dann die Kerne mäßig trocknen und hernach schlagen. Eine mäßige Berechnung kann das alles ins hellesteLicht setzen. Die Maß 29 Provenzer-Baumöl (oder vier Pfund) kostet 2 Gulden. 30 Aus sechzehn Pfund geschälten Bucheln erhielt man etwas mehr als eine Maß Öl. Ich nehme bei den Nüssen das nämliche Verhältnis an und setze

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den Verkaufspreis des besten Nußöls oder Vorlaufs, so wie es jetzt -ohne zu schälen- geschlagen wird, auf I Gulden. Denn dies wird so der gewöhnlichste mittlere Preis sein. Wenn man nun die Nüsse schälte, so würde das Öl ganz zuverlässig dem besten ungeschälten Buchelöl wenigstens gleich kommen. Dies kostet aber im mittleren Durchschnitt I Gulden 36 Kreuzer. Wenn man also einem Knaben 10 Kreuzer vom Simmer zu schälen gäbe, so würden noch immer 26 Kreuzer an der Maß durch das Schälen gewonnen- und das ist viel!

Nun ist ganz gewiß, daß das geschälte und kalt geschlagene Nußöl und Buchelöl dem Provenzeröl völlig gleich kommt, und daß man also jenen Preis von 2 Gulden - wenigstens beinahe - dafür bekommen kann. Ich will also nur 1 Gulden 50 Kreuzer rechnen, um die Käufer anzulocken. Welch einen Gewinn brächte also das Schälen der Kerne zuwege? Und wie ungemein groß würde der Nutzen für Käufer und Verkäufer sein? d) Mohn und Raps Das Magsamen-ÖI ist ebenfalls bei uns genießbar, aber noch immer nicht so gut, wie das beste Baumöl. Daher kommt es auch, daß man dieses noch nicht häufiger gebraucht. Hier wird das Schälen freilich mehr Mühe kosten als bei den Bucheln und Nüssen. Indessen schält man sogar den Hirsen/ 1 der doch auch kleine Kerne hat. Es stünde zu versuchen, ob man nicht durch wohl eingerichtete, sehr leichte Stampfmühlen den Magsamen und den Reps ebenfalls schälen und so die Ölfabrik aufs höchste bringen könnte. Denn wenn der Magsamen geschält, hernach mit heißem Wasser abgebrüht und dann kalt geschlagen würde, so müßte sein Öl dem besten Baumöl gleich sein. Und da das Repsöl schon ungeschält und nicht abgebrüht (wenn es nur nicht zu warm geschlagen und ordentlich behandelt wird) genießbar ist, wie das vom holländischen Repsöl gewiß ist: was könnte dann erst daraus werden, wenn man den Samen schälte und abbrühte?

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2. Ratschläge zur Errichtung und zum Betrieb von Ölmühlen

Alle diese Betrachtungen zusammen genommen machen einen sehr starken Beweggrund für einen Mann aus, der ein Kapital von etlichen tausend Gulden zu seinem und des Vaterlandes Nutzen verwenden kann und will. Einem solchen Patrioten, wo er sich etwa finden möchte, will ich nun noch die besten praktischen Regeln vorzeichnen, welche ihn, wenn er ihnen unwandelbar folgt, gewiß nicht irre führen werden. a) Wirtschaftlichkeits-Versuche Das allererste, was er zu tun hat, ist, daß er zuvörderst meine oben angezogenen Versuche im Kleinen prüfe. Er lasse sich zu verschiedenen Malen ein Simmer oder sonst ein gewißes Maß Bucheln und jede Art Ölsamen schälen. Er suche so im kleinen auf die beste Spur und Methode des Schälens zu kommen. Dann mache er auch Versuche mit dem Abbrühen mit kochendem Wasser und Trocknen im Schatten. Er presse hernach entweder in einer Apotheke oder Ölmühle den Vorlauf kalt heraus und hernach auch durch mäßiges Wärmen den Nachschlag. Er prüfe und untersuche alles in seinen Verhältnissen und Erfolgen aufs genaueste. Findet er dann alles bewährt, so entschließe er sich ohne weitere Umstände zur Anlage der Fabrik ins Große. b) Antriebe Die wohlfeilste Anlage einer Ölmühle gründet sich auf den Trieb durchs Wasser. Indessen, wenn man auch ein Hänge- oder Pansterwerk 32 gebrauchen müßte (wie dies wohl der Fall hier am Neckar sein würde), so weiß ich wirklich nicht, ob nicht eine wohleingerichtete Windmühle - auf holländische Art gebaut - auf die Dauer dem Zweck besser und ist in der Tat wohlfeiler entsprechen würde.

9 Jung-Stilling

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Wenn unsere Windmühlen nicht das sind, was wir wünschen, so liegt das zuverlässig am Baumeister. Die Niederländer haben häufig Bockmühlen 33 bei ihren Wassermühlen. In Düsseldorf ist eine prächtige holländische Windmühle, die nicht zum Prunk von der Obrigkeit gebaut wurde, sondern zum Besten der Bürgerschaft, ungeachtet die Düsselbach und der Rhein an ihren Mauern vorbei fließen und auch beide Mühlen treiben. Wenn wir Pfälzer uns vor der Anlage einer Windmühle scheuen, so rührt dies wahrscheinlich daher, daß man sich die prächtige Mannheimer Windmühle 34 dabei denkt. Diese ist aber ein kurfürstlicher Bau. Mit geringen Kosten kann sich der Handelsmann eine Windmühle bauen, die das Gleiche leistet, ohne ein Meisterstück der Baukunst (so wie jene) sein zu müssen. Wo man aber einen hinlänglich starken Bach mit genugsamem Aufschlagwasserhaben kann, da ist eine Wassermühle freilich wohlfeiler und bequemer. c) Mahltechniken Ich brauche hier den Bau und die Einrichtung einer Ölmühle wohl nicht zu beschreiben. Denn diese ist nicht nur sehr bekannt, sondern man kann sie auch an vielen Orten und fast in jedem Lande zu sehen bekommen. Ich will also nur noch von einigen Vorteilen reden, die man sich sowohl in der Einrichtung der Mühle selbst als auch hernach im Ölhandel verschaffen kann. Bekanntlich wird erst der Same gemahlen. Dies geschieht an vielen Orten- auch hier zu Lande- aufholländische Art durch zwei aufrecht herum gehende Steine, die den Samen auf einem dritten horizontal liegenden zerreiben und zerdrücken. Anderwärts bedient man sich der Stampfen, so wie sie in den Loh- oder Pulvermühlen/ 5 doch mit einiger Abänderung, gebräuchlich sind. Diese Stampfmühlen halte ich aus verschiedenen Ursachen bei den Wassermühlen für besser. Denn sie erfordern einen einfacheren Mechanismus, weil die Daumwelle, die von der Wasserwelle getrieben wird und die Keilstampfen hebt, nur länger und mit Daumen für die Mehlstampfen versehen sein darf, statt daß sie

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bei den Steinen noch einmal ein Kronrad haben und eine dritte vertikalstehende Welle mit den Steinen treiben muß. An eben diese obere Daumwelle ließen sich dann auch gar leicht leichte Schälstampfen anbringen, um die kleinen Samen zu schälen. Eine Windmühle aber, welche rund gebaut werden muß, leidet keine langen horizontal liegende Wellen. Daher finden auch nicht wohl Stampfen statt; und man kann auch mit leichterer Mühe und Kosten die Steine unmittelbar an die Vertikal-Welle der Windmühle anbringen. d) Aufbereitung Nach dem Mahlen wird das Samen-Mehl gewärmt. Hier fehlen die mehresten Ölmüller, indem sie ihm gemeiniglich einen höhern Grad der Wärme geben, als das Öl vertragen kann, bloß um einen größeren Anteil desselben aus dem Mehl zu gewinnen. Denn da das Öl durch die Wärme flüssiger wird, so preßt es sich reiner heraus. Es wird aber auch dagegen schärfer, übelschmeckender und verdirbt leichter. Durch einen sehr einfachen Handgriff und leichte Vorrichtung lassen sich beide Zwecke miteinander verbinden. Der Wärmegrad des kochenden Wassers ist bestimmt. Er kann nicht höher steigen und er tut auch dem Öl keinen Schaden. Daher läßt man einen ziemlich großen eisernen Kessel einmauern, füllt ihn zur Hälfte mit Wasser und wärmt es durch untergelegtes Feuer. In diesen Kessel und in das warme Wasser stellt man einen andern flachen weiten, mit drei Füßen versehenen eisernen Kessel, in welchem das Samen-Mehl gewärmt wird. In diesem kann man nun auch eine Rührstange anbringen, die von der Daumwelle herumgedreht wird, so daß also niemand zum Umrühren notwendig ist. Denn man hat nicht zu befürchten, daß das Mehl zu warm wird. Man erspart auch Zeit, indem das Mehl immer warm genug wird, während inzwischen zwei Kuchen ausgeschlagen werden. Um nun auch alles Öl rein aus dem Mehl zu gewinnen, verfährt man folgender Gestalt. Zum Vorlauf, den man aus den geschäl-

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ten Kernen zum Verspeisen vorab schlagen will, läßt man das Wasser nur so warm werden, daß man keine Hand mehr darinnen leiden kann; nur daß es nicht koche. In diesem Grad der Wärme schlage man mit dünnem Keilen das Öl heraus und bewahre es besonders. Wenn auf solche Weise das beste Öl heraus ist, so zerstampfe man die Ölkuchen aufs neue, wärme sie dann wieder- aber im Wärmegrade des kochenden Wassersund schlage dann das Öl so rein heraus, als nur möglich ist. Will man sehr genau verfahren, so kann man etwas dickere Keile nehmen als das erste Mal und im kochenden Wassergrad noch eine Mittelsorte gewinnen. Zum Beschluß preßt man dann vollends die schlechtere Gattung heraus.

e) Lagerung, Transport und Absatz Das Aufbewahren des Öls erfordert auch seine besondern Handgriffe und Kenntnisse. Ein vollkommen reines Öl würde ein einfacher Körper sein, der vielleicht keinem Verderben unterworfen wäre - wenigstens in langer Zeit nicht. Aber auch die allerreinsten ausgepreßten Öle enthalten noch immer viele Schleimteilchen in ihrer Zusammensetzung, die der Gärung unterworfen sind. Durch diese aber, besonders wenn sie merklich würde, müßte das Öl verderben. Daher muß man sie vermeiden, dies geschieht: 1) wenn man höchst reine Fässer zum Aufbewahren nimmt; und 2) wenn man das Öl so oft abzapft, als es einen merklichen Bodensatz niederschlägt. Das Öl zieht sich bekanntlich ins Holz. Daher kann ein Faß unmöglich so rein ausgebäht 36 und gereinigt werden, daß nicht faule, stinkende und schadhafte Teile zurückbleiben sollten. Diese verderben aber hernach das frische Öl unstreitig oder beschleunigen doch die Gärung. Sollte man nicht die Fässer durch einen Wachsüberzug von innen gegen diese Folgen sichern können? Am allerzuverlässigsten wird es immer sein, wenn man das genießbare Öl in Flaschen oder Krügen aufbewahrt und

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versendet. Diese Geschirre kann man immer rein haben und erhalten. Das frische Öl ist niemals so gut und so edel als altes, welches verschiedenemal von seinem Bodensatz abgezogen und gereinigt worden. Dies wird viel teurer bezahlt und findet auch allgemeinen Absatz. Es ist daher auch eine Wirtschafts-Regel für den Ölhändler, daß er ja kein frisches Öl verkaufe, sondern es erst ein paar Jahre alt werden lasse, ehe er es in den Handel kommen läßt. Dieser Verlag von ein paar Jahren wird ihm durch den vorteilhafteren und häufigeren Absatz vielfaltig ersetzt. Er muß sich daher mit einem kühlen und trockenen Vorrats-Gewölbe versehen, welches groß genug ist, die Ware von ein paar Jahren aufzubehalten. Dies ist auch das Verfahren der Holländer. Ihr Repsöl hat bloß dem Alter seine Güte zu verdanken. Im übrigen ist ihre Methode von unserer gewöhnlichen sehr wenig oder gar nicht verschieden. Für Ölsamen von allerhand Gattung braucht ein solcher Ölhändler nicht zu sorgen. Sobald er anfängt, Reps und Magsamen in ordentlichen Preisen aufzukaufen, so fangen auch die Bauern an, diese Samen zu produzieren, um dadurch wohlhabender zu werden. Die Bucheln bezieht er von den Förstern, die sie ihm häufig zuführen werden, so bald sie wissen, Geld daraus zu lösen. Welch ein Nutzen! Denn nun bleiben unermeßliche Summen im Lande, und der genießt sie, der sie von Gott und Rechts wegen verdient. C. Abschließende Bemerkungen Mit diesem auf Vernunft und Erfahrung gegründeten Unterricht über das Ölgewerbe will ich für diesmal meine Abhandlung schließen. Ich habe wohl wenig Neues gesagt. Allein, es ist die Frage, ob man aufhören könne, das Alte zu wiederholen, wenn es noch nicht ausgeführt ist? Was helfen uns alle neuen Erfindungen, wenn man die Alten noch nicht benutzt hat? Auch hier herrscht Eitelkeit unter den Gelehrten. Sie wollen immer mit Neuigkeiten prunken. Warum das? 133

Ein Lehrer des Volks soll überreden, ermahnen und nicht aufhören, bis man auch tut, was er sagt. Wenn diese meine Vorlesung irgend einen tätigen Mann erweckte, so daß er Lust bekäme, eine Ölmühle nach meinem Plane zu bauen und nach demselben zu verfahren, und er würde dadurch zum Wohltäter für sein Vaterland und für seine Familie: hätte ich dann nicht nützlicher gewirkt, als durch die schönste Rede über irgend ein noch so glänzendes Projekt? Das Schöne gefällt, aber nur allein das Gute nützt. D. Nachtrag Ein fachkundiger Freund machte mir über vorhergehende Abhandlung einige Anmerkungen, welche so wichtig sind, daß ich sie zur Erläuterung des Ganzen noch mitteilen muß. Ich habe an zwei Stellen dieses Aufsatzes des Abkreischens des Öls mit Wasser gedacht, ohne das Wort zu erklären. Die Bauernweiber machen das Öl in einer Pfanne heiß und spritzen in einiger Entfernung Wasser darauf, welches alsdann in Dünsten mit Geräusche in die Höhe fährt und die Rauhigkeit oder wilde Schärfe des Öls mit sich führt. Man darf aber mit dem Gesicht nicht zu nahe herbei kommen, weil man sich leicht häßlich verbrennen könnte. Es versteht sich von selbst, daß dieses Ab kreischen nicht an einem Öl geschehen darf, das man noch lange verwahren will, sondern es geschieht in den Küchen, unmittelbar vor dem Gebrauch. Der Ölhändler kann sich also dieses Handgriffs nicht bedienen, um seine Öle zu verbessern. Denn wenn sie einmal heiß gewesen sind, so verderben sie gar leicht und werden ranzig. Eben aus diesem Grunde ist es auch am besten, wenn man die feinsten Öle, die zum Verspeisen gebraucht werden sollen, kalt auspreßt Indessen schadet doch die Hitze des kochenden Wassers dem Öl wenig oder gar nichts, und man kann sich ihrer kühn zum Wärmen in den Ölmühlen bei der Mittelsorte bedienen. Die Befürchtung meines Freundes, daß die Wärme des kochenden Wassers auch noch dem Öl schaden könnte, würde also dadurch gehoben, wenn man (wie ich schon in der Abhandlung bemerkt habe) verschiedene Sorten machte und den Vorlauf oder das feinste Öl kalt auspreßte. Das Schälen des Reps- und Magsamens scheint ihm auch zweifelhaft. Denn man darf sich hier nicht auf das Beispiel der Getreidekörner

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berufen: die sind viel härter als die Ölsamen. Er schlägt daher die Methode vor, welche Rozier in seinem Traktat vom Reps- und Kohlsamen lehrt. 37 Man sollte nämlich die ungeschälten Körner mit einer schwachen Lauge abbrühen - so wie ich oben von den geschälten Bucheln sagte- daß man sie mit kochendem Wasser abziehen müßte. Er hat selbst den Versuch mit der Lauge gemacht und gefunden, daß sie sehr viel färbendes Wesen ausgezogen, mithin das Öl davon befreit hat. In den Fabriken aber, wo die Sache ins Große getrieben wird, da muß man auch ins Große Versuche machen. Könnte man ein Mittel finden, die Samen zu schälen, so würde das freilich das beste sein. In Ermangelung dessen aber ist das Abbrühen allerdings vortrefflich. In Ansehung der Ölmühlen gab er mir zu bedenken. Da die Reinigkeit bei dem Ölgewerbe von einer so außerordentlichen Wichtigkeit ist, ob nicht auch wesentliche Verbesserungen in dem Mechanismus selber gemacht werden könnten? Z. B. man könnte wohl anstatt der Steine Scheiben von Gußeisen nehmen und sie auch auf einer Platte von diesem Metall herumgehen lassen, wie dies schon Herr Professor Reckmann in Göttingen in seiner Technologie S. 174, n. 3, vorgeschlagen hat. 38 Dieses Mittel halte ich für sehr gut, wenn die Eisenschmelzen nicht allzuweit entlegen sind. Wo das aber ist, da kann man sie auch um des schweren Transports willen nicht wohl brauchen und man muß da Steine oder Stampfen wählen. Der Vorschlag, anstau der Keilstampfen und Öllade eine Presse anzulegen, wird schwerlich im Großen angehen. Denn die eiserne kostet ungefähr, wenn sie recht gut sein soll, halb so viel als die ganze Ölmühle, und dann arbeitet die Presse zu langsam. In Fabriken, wo man auch auf Geschwindigkeit nebst der Wohlfeilheit zu sehen hat, wird die Keilstampfe immer am brauchbarsten sein. Denn der Same wird ja zwischen zwei eisernen Platten gekeilt und also in der Öllade - bei gehöriger Vorsichtigkeit- eben so reinlich gearbeitet, als in der Presse.

Anmerkungen • Der Originaltitel lautet: .. Von I den gemeinnüzigsten I Fabriken. I Erste Abhandlung. I Vom Oelgewerbe. I Von I D. Johann Heinrich Jung. I Vorgelesen am 16. März 1785. " und ist erschienen in: "Vorlesungen I der I kurpfalzischen physikalisch-ökonomischen I Gesellschaft. Von dem Winter 1784 bis 1785. I Erster Band. I mit einer KupfertafeL I Mannheim, I in der

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neuen Hof- und akademischen Buchhandlung. I 1785. "auf den Seiten 307 bis 336. 1 Gemeinnützig= das Wohl aller.fördernd; siehe Lexikon Wirtschaft 48. 2

Luftgefilde =im Vorstellungsvermögen abgebildete Zusammenhänge.

Handlungsgenie = Pionierunternehmer, schöpferischer Betriebsleiter; siehe Lexikon Wirtschaft 50 f. 3

4

Heulend = kläglich.

5

Eitel = hier: nichts als, lauter.

6 Prometheus, Sohn eines Titanen und Erfinder vieler Künste, holte zur Belebung eines von ihm geschaffenen Menschen das Feuer vom Himmel. 7 Die engeren Fachkollegen in Kaiserslautern und Heidelberg Georg Adolph Succow (1751-1813) und Ludwig Benjamin Martin Schmid (17371792). Siehe Lebensgeschichte 371.

8 Sitzungen der 1770 gegründeten "Kurpfälzischen physikalisch-ökonomischen Gesellschaft", aus der die Kamera! Hohe Schule in Kaiserlautern hervorging. Jung-Stilling war seit 1776 Mitglied dieser Gesellschaft; siehe Lebensgeschichte 346. 9

Baumöl = Olivenöl. Buchel= Buchecker (Frucht der Buche); Magsame =Mohnpflanze.

10

Provenzeröl = feinstes Olivenöl aus der Provence (dem südlichen Frankreich). 11

12

wird.

Reps = Raps= gelb blühende Kohlart, aus deren Samen Öl gewonnen

13 Kreischen = kochendes Öl durch eingespritztes Wasser (oder ein hineingelegtes Brotstück) reinigen; brutzeln. Siehe auch die Erläuterungen in Abschnitt D. 14

Rübsamen = Rübsaat = rapsartige Kohlpflanze; Rübsen.

Kommissionär = wer in eigenem Namen für fremde Rechnung Geschäfte tätigt. Malder = Geschäftsvermittler. 15

16

Siehe Lexikon Wirtschaft 46 f.

17

Wälzung =Wanderung; Bewegung.

18

Sämisch = weich; fettgar.

Verschreiben =hier: schriftlich bestellten; ordern. ° Kredit = hier: Ansehen, Prestige.

19

2

21 22 23

Manchester = Ripsamt aus Baumwolle.

Bolongaro = Sorte Schnupftabak, vor allem in der Pfalz angebaut.

Scheidekunst = Chemie.

Der richtige Titel ist: Sammlung einiger Abhandlungen aus der Oekonomie, Cameralwissenschaft, Arzneykunde und Scheidekunst; Herausgeber der Sammlung ist Christion Friedrich Reuss. Siehe auch GV 122, 108. 24

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21

I Pfund= 500 Gramm.

26

I Lot= 16,6 Gramm.

27

I Simmer = 32 Liter.

28

Welschnuß = Walnuß, Frucht des Walnußbaumes.

29 I Maß= I ,837 Liter. Das Olivenöl wurde entweder im Hohlmaß oder nach Gewicht gehandelt. 10 I Gulden= 60 Kreuzer rheinisch= 17 Silbergroschen preußisch(= 1,71 Mark bei der Umstellung 1873).

11 Hirsen = Hirse (Getreideart); heute vorwiegend weiblichen Geschlechts.

32

Panster = Mühlrad für zwei Mahlgänge.

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Bockmühle = Bockwindenmühle.

Die Mühle stand im Gebiet der Augärten vor der Stadt; heute noch "Windmühlstraße" in der Schwetzinger Vorstadt. 34

31 Lohmühle = Zerkleinerungsgerät für Rinden zu Gerbstoff. Pulvermühle = Mahlgerät zum Feinkörnern der Bestandteile für Schießpulver. 16

Bähen = hier: heiß ausspülen.

Gemeint ist Fran~ois Rozier: Ueber die chemischen Eigenschaften des Oels. Augsburg (Lotter) 1776. 17

38 Johann Beckmann: Anleitung zur Technologie. Nebst Beyträgen zur Kunstgeschichte. Göttingen (Vandenhoeck) 1777 und öfters. Siehe auch Lebensgeschichte 679.

Beispielhafter Weg eines Pionier-Unternehmers* Das zeitliche Wohl eines Staates und eines jeden Mitgliedes desselben beruht auf Besitz und Genuß jener Mittel, wodurch sich Lebensnotdurft und Wohlstand aus jeder Familie- nach dem Verhältnisse der Gewinn- und Gewerbskräfte- rund um sich herum ergießt. 1 Staatsbürger, die Güter besitzen, selbige dem Notdürftigen ausleihen und sich von ihrem Rentenschweiße fett mästen: die nicht fähig sind, so viel zu überlegen, wie sie ihr Geld anwenden sollen, um dem Unvermögenden, der nach Brot weint, mit Ehren zu Nahrung zu helfen, und eine Benutzung davon zu ziehen, die in der Welt wurzelt, aber in der Ewigkeit Früchte trägt, ja, die sie und ihre Kinder reich und glücklich macht, indem sie jedermann segnet, und welche die wahre Glückseligkeit schmecken, vielen Menschen wohl getan zu haben; ich sage: solche Staatsbürger sind ausrottungswertes Unkraut, insofern sie nicht durch andere Verdienste dasjenige gut machen, was sie auf dieser Seite so tief herunter setzt.

A. Bedeutung schöpferischer Unternehmer Da nun aus dem Gegensatze erhellt, wie verehrungswürdig solche Männer sind, die mit ihrem anvertrauten Gütern wahren Wucher treiben (die nämlich in der Aufhelfung und in der Glückseligkeit ihrer Nebenmenschen zu steigen suchen und ihre Nahrung im allgemeinen Überfluß, den sie in ihrem eigenen Wirkungskreise rund um sich herum ausströmen, in Hülle und Fülle finden), so müssen diejenigen einzelnen seltenen Männer, welche gar keine Mittel haben, und doch diese höchste Stufe der ökonomischen Würde ersteigen, noch mehr verehrungswürdig sein und Ruhm in der Nachwelt verdienen, indem sie mehr geleistet, mehr genutzt haben als ihnen anvertraut worden. Und eben solche Männer sind Handlungs-Genies.

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Ich will derowegen auch denjenigen diesen Titel nicht absprechen, die ihre Handlung durch kluge Einrichtungen zum allgemeinen Besten ungemein emporbringen; eben so wenig, als ich diesen Ehrennamen denen beilegen will, die in der Finsternis ungestraft herum wühlen, dem armen Landmanne und Arbeiter das Blut aus den Adern saugen und dadurch reich, satt und fett werden. Solche abscheuliche Greise gehen am Ende ihrer Tage aus einer Kammer in die andere, suchen Ruhe und finden sie nicht. Sie singen, sie beten: aber es geht ihnen wie Shakespeare vom Könige Claudius im Trauerspiel "Hamlet" sagt (die eigenen Worte habe ich nicht bei der Hand, den Sinn aber weiß ich wohl). Der König kniete, bat zum Vater der Menschen um Vergebung, aber seine Greuel waren nicht zu vergeben, weil er sie nicht lassen wollte. 2 Shakespeare stellt diesen betenden König so schauerhart vor, sein Gebet und seine schreckliche Verzweiflung sind so lehrreich, daß ich einenjeden alten Blutsauger auf das Parterre wünschte, wenn "Hamlet" gespielt wird; denn in der Kirche sind sie gewohnt zu schlafen.

_Ich habe solche alte Wucherer oft gesehen, wie sie sich dem Tode nahen. Ihnen ist der Himmel geschlossen. Sanfte Himmelsblicke der süßen Ewigkeit strahlen nicht auf sie herab. Nein: das Andenken jedes Drucks, jedes Unrechts geht vor ihrer Seele überwie ein Ungeheuer, das aus tausend Rachen Schwefelfeuer brüllt. Sie wollen sich zu Gott nahen, eben als wenn eine Schlange im Grase heraufzischend sich zu mir nahete. Soll ich sie liebkosen und in meinen Schoß nehmen?

Die Erklärung des Wortes "Genie" ist so unnötig, so klar die Idee ist, die man sich dabei denkt. So bald wir es hören, stellen wir uns einen Menschengeist vor, der mit vorzüglicher Fertigkeit Dinge darstellt, die andern gewöhnlichen Menschen unerreichbar sind. Man sieht also leicht ein, daß es allgemeine und besondere Genies gebe. Allgemeine findet man heutigen Tages einige unter den Erdbeherrschern und besondere - wir glauben es wenigstens- einen ganzen Haufen. Unter die besonderen gehört dann auch das Handlungs-Genie.

B. Entwicklungsgang von Peter Adolf Clarenbach Lange philosophische Abhandlungen sind ekelhaft. Sie zeigen, daß der Verfasser seinen Lesern wenig Selbstdenkungskraft zuschreibe. Lehrreiche Beispiele sind immer schätzbarer und

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nützlicher. Ich will daher eine Geschichte vor mich nehmen und bei jedem Schritte einen Wink geben, wohin der große Mann, dessen Leben ich beschreiben will, abgezielt habe. Ich war anfänglich Willens, diesen Mann nicht zu nennen. Ich fragte mich: warum nicht?- und wußte mir nicht zu antworten. Seine zahlreichen Söhne und Enkel und Urenkel blühen allhier im Bergischen Lande. Warum sollten sie mir es verargen, wenn ich ihrem Ahnherrn ein Denkmal setze, so gut ich kann. Ist einer unter ihnen, den es verdrießt, daß ich der Welt entdecke, er sei in seiner Jugend ein Schuster gewesen: ei! so mache ich hiermit öffentlich der Welt bekannt, daß ich ehemals ein Schneidergesell war. Mir und dem alten ehrwürdigen Clarenbach ist es keine Schande, von ehrlichen Eltern geboren zu sein, die - ob sie wohl sehr gering waren - doch ganz zuverlässig vor dem Throne Gottes stehen, wenn jemals Religion, Tugend und Rechtschaffenheit Belohnung in jener Welt finden. Und eben so wenig ist es uns eine Schande, ehemals mit Händearbeit uns ernährt zu haben.

Der erste Urheber meiner Standesänderung war ein Enkel bzw. ein Tochtersohn vom alten Clarenbach. Dieser rechtschaffene Kaufmann namens Peter Johannes Flender 3 nahm mich von meinem Handwerk weg, um seine Kinder zu informieren und ihm außerdem in seiner Handlung beizustehen. Ich bin sieben Jahre bei ihm gewesen. 4 Diese Zeit sehe ich als ein eben so langes ökonomisches Studium an, indem ich Gelegenheit gehabt hatte, alles zu bemerken, was auf großen Landgütern und großen Manufakturen nützlich und beförderlich sein kann. Von diesem meinem ehemaligen Patron5 habe ich nun die aufrichtige und wahre Erzählung, die ich hier - mit Anmerkungen begleitet - vortragen will.

I. Remscheid und seine Verflechtungen

Remscheid ist ein Kirchdorfund Kirchsprengel im Bergischen Lande in einer sehr bergichten unfruchtbaren Gegend, aber in Eisen- und Stahlmanufakturen durch ganz Europa berühmt. 6 Eine Menge von wichtigen Kaufherren wohnen da herum, wel140

ehe alle - wie Landedelmänner - ihre Arbeitsleute rund um sich her wohnen haben. Die vielen Bäche, welche in den Tälern herab laufen, sind geeignet, eine Menge Eisenhämmer und allerhand Maschinen zu beleben. Und überhaupt grünen Hügel und schroffe Felsen von Obst- und Küchengewächsen, die der Menschen unermüdeter Fleiß urbar gemacht hat. Es ist durchgehends wohl zu bemerken, daß es schwer hält, fruchtbare Länder zur Handlung zu bringen. Denn der Landmann ist zufrieden, wenn er Nahrung und Kleidung hat - und diese muß er haben, und sollte er sich auf Sand und Steinen nähren. Wo jedoch die Natur alles gleichsam versagt hat, da kommen Fabriken am besten fort. Die Leute denken Tag und Nacht aufBrotgewinn. Steht nun vollends ein Handlungs-Genie unter ihnen auf, so ist der Sache bald geholfen. In fruchtbaren Ländern aber, da ein jeder sein Brot erziehen kann und wenn er nichts hat, es doch gar leicht erbetteln mag, da hält es auch einem Handlungs-Genie gar schwer zurechtzukommen. Niemand arbeitet ihm gern; und wer da arbeitet, der will starken Lohn haben. Doch ist auch das wohl überwindlich, wenn nur ein Handlungszweig erwählt wird, der tragbar werden kann. Fruchtbare Länder tragen Produkte, und diese müssen der Gegenstand eines Handlungs-Genies sein. Remscheid hat keine Produkte, aber es bekommt sie aus dem Nassau-Siegenschen, allwo das Eisen und Stahl aus dem Groben gearbeitet wird. 7 II. Clarenbach als Schuhmacher und Eisenspekulant Vor ungefähr achtzig bis neunzig Jahren wohnte ein Schuster namens Clarenbach 8 eine halbe Stunde diesseits von Remscheid auf einem Bauernhofe. Sein Haus stand an der Landstraße, welche von Siegen nach Remscheid geht, so, daß alle Eisen- und Stahlfuhrleute bei seinem Hause vorbei mußten, die nach Remscheid ihre Waren brachten. Nun ist vonjeher gebräuchlich, daß solche Fuhrleute eine Last Eisen oder Stahl im Siegensehen von ihrem eigenen Geld kaufen und sie dann in Remscheid nach persönlichem Gefallen wieder 141

verkaufen. Uaher bemerkte Clarenbach bald, wann das Eisen in Remscheid teurer, und wann es wohlfeil war. Clarenbach spürte einen Trieb bei sich, mehr zu erwerben als ihm sein Handwerk einbrachte. Aber eben so vorsichtig war er auch, daß er nichts mit anderer Leute Geld tun wollte. Er ersparte sich von seinem Einkommen so viel, daß er eine Karre Stahl kaufen konnte. Nun erwartete er die Zeit, wann es sehr wohlfeil war, kaufte eine erstklassige Last Stahl, stellte sie hin und verkaufte sie in Remscheid wieder, wenn diese Ware am teuersten war.

III. Clarenbachs vorbildliche Geschäftsgrundsätze So einleuchtend und so einfältig diese Handlungs-Maxime ist, so wichtig und nötig ist sie dem Kaufmanne - und eben so schwer ist sie auch in Übung zu bringen! Tiefe Einsicht in das Gewebe der Gewinn- und Gewerbe-Triebfedern und eine Vorherbestimmung dessen, was wahrscheinlich geschehen wird, ist hierzu unumgänglich erforderlich. Niemals ist eine Ware so wohlfeil, oder sie kann noch mehr herab kommen, oder sie kann in Ansehung des Preises so lange so stehen bleiben, daß das, was ich eingekauft habe, zehnmal die Interessen9 verzehrt, ehe ich es wieder verkaufen kann. Clarenbach erkannte diese Wahrheit bald. Daher, wenn er nach Remscheid kam, so waren seine Ohren überall aufmerksam, wie der Abgang der Waren beschaffen war. Alles, was er sah und hörte, diente in seinen Kram. Er wußte nutzbare Schlüsse daraus zu ziehen, die er aber immer ganz geheim hielt. Und eben dieses ist wiederum dem Kaufmanne höchst nötig. Verschwiegenheit ist eine seiner Haupttugenden, damit nicht andere aus seinen Worten ihm nachteilige Schlüsse ziehen können. Noch eins habe ich oben erwähnt, das auch sehr wesentlich ist, nämlich: daß ein Kaufmann so viel als möglich mit seinem eigenen Gelde handle. Er breite sich lieber nicht weiter aus, als es seine eigene Kraft zuläßt. Dieses ist eine von den größten Arzneien gegen den verderblichen Bankrott, wird aber gar zu wenig beobachtet!

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C/arenbach verzehrte nichts mehr, als die Notdurft erforderte: festes und feines Tuch für sich, seine Frau und Kinder; Brot, Milch und Gemüse war seine Speise. Er sammelte immer, was von seinen Bedürfnissen übrig blieb, um sein Kapital damit zu vermehren. Er brachte es auch in wenigen Jahren so weit, daß er schon eine Anzahl Lasten von Stahl und Eisen im Vorrate stehen hatte.

Die Kaufmannschaft begann aufmerksam auf ihn zu werden. Weil Glarenbach aber nur einkaufte, wenn die Ware im Überflusse und wohlfeil war, hingegen mit ganz billigem Gewinn wiederum verkaufte, wenn sie rar war, so konnte man ihn dem Handlungskörper 10 nicht für schädlich ansehen. Es vermochte ihn kein Fluch zu treffen, als der, der ihn beneidete- und der Fluch des Neiders trifft niemalen! Nichts erniedriget den Menschen mehr, als wenn er groß scheinen will. Ein Kaufmann, der aus Ehrgeiz und Ruhmbegierde empor zu steigen sucht, wird immer scheinen und nicht sein. Pracht und Ausschweifungen sind ein wahres Gift der Handlung, so, wie wahrer Fleiß, Gottesfurcht und Eingezogenheit ihre Seele sind. Einjunger Kaufmann, der vornehme Laster und vornehme Ergötzlichkeiten liebt, verliert gar leicht seinen Kredit und mit ihm seine Glückseligkeit. Kaufleute sind gewohnt, auf die Zukunft zu schließen. Sie sind in diesem Falle gute Herzen- und Nierenprüfer. Ein junger Mensch, der sich modest und dauerhaft kleidet, ist schon stärker empfohlen als ein bemaschtes und bebändertes CHAPEAU-BAs-Herrchen, 11 das die Kaufmannschaft in Folio studiert hat. 12 Wesentlich ist auch die Mäßigkeit im Gewinne. So wie der Geiz eine Quelle allen Übels und ein schädliches Gift im Staate ist, eben so ist er ein Gift der Handlung. Einem geizigen Kaufmann ist das, was er einkauft, nie wohlfeil genug. Deswegen wartet er zu lang mit dem Einkauf. Was er verkauft, ist ihm nie teuer genug. Daher verkauft er nie zu rechter Zeit: er will immer zu viel gewinnen. Die mit ihm handeln, müssen ihre Ware verderben, um sie wohlfeil geben zu können. Und die sie ihm abkaufen, entdecken den Betrug endlich und entziehen sich ihm. Die rechte Methode besteht darin: daß er geschwind umschlage und in öfterem Umschlag die Vermehrung seines Nutzens suche. Wenn ich hundert Reichstaler im Jahre einmal mit zwanzig Prozent umschlage, ist das viel. Aber wenn ich nun viermal mit nur halb so viel umschlage: wie beträchtlich wohlfeil ist das in Absicht auf die Handlung! Und doch

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verdiene ich im Jahre noch einmal so viel! Denn ich mache nun vierzig Prozent, anstatt daß ich mit meinem Geize nur zwanzig verdiente.

IV. CI a re n b ach als Finanzier Unser wackerer Mann ging seinen Gang so etliche Jahre fort, als sich etwas zutrug, das seinem Schicksale vollends den Ausschlag gab. Wer mit den Schicksalen der Vorsehung auszuhalten und sie in seinen Sachen mit Klugheit anzuwenden weiß, der hat täglich Quellen, sein Glück zu befördern. Der Kaufmann muß aufmerksam darauf sein. C/arenbach ging einstmal nach Remscheid seiner Gewohnheit nach zur Kirche. Er pflegte in einem Hause einzukehren, wo Kaufleute und Arbeitsleute sich aufuielten, damit er hören möchte, was umging. Er fand allda einen Nassau-Siegenschen Finanzrat, der mit den Kaufleuten in Unterhandlung war, um für den damaligen Fürsten zu Siegen einige tausend Reichstaler Geld zu negotiieren. 13 Der Fürst hatte eine eigene Schmelzhütte. und Hämmer, auf welchen die herrschaftlichen Zehnten benutzt wurden. 14 Diese Manufaktur wollte der Fürst dergestalt zum Unterpfande geben, daß alles, was darauf verfertigt würde, den Kreditoren so lange sollte unentgeltlich zugeschickt werden, bis sie ihr Geld nebst Zinsen wieder bekommen hätten.

Die Remscheider Kaufleute beratschlagten darüber hin und her. Man urteilte, das Siegerland kann uns nicht missen. Sie können dort ihre Waren nirgend anders hinbringen als hierher. Folglich haben wir gar nicht nötig, uns dem Fürsten verbindlich zu machen; er muß ohnehin seine Waren an uns abschicken. Daher schlug man dem Finanzrat sein Ansuchen ab. Einjeder Vernünftiger sieht wohl ein, daß dieser Schritt nicht kaufmännisch klug war. Es bilde sich niemals jemand ein, daß er in der Welt nicht zu missen wäre! Es gibt tausend Auswege in diesem Labyrinth, wodurch man sich verschlupfen und in eine andere Sphäre eintreten kann. C/arenbach, der in seinem altfränkischen braunen Rocke in der gemeinen Wohnstube in einer Ecke saß und der sich angehen ließ, als wenn er sich gar um nichts 144

in der Welt bekümmerte, war eben am alleraufmerksamsten. Er dachte in der Stille über das Ganze nach. Ihm leuchtete sofort ein, daß, obgleich der Fürst von Siegen und seine Untertanen alle Quellen ihres Bestehens in Remscheid haben müßten: so wäre aber doch auch den Remscheidern dieses Land eben so unentbehrlich. Eine abschlägige Antwort könnte den Fürsten leicht dahin vermögen, eine schwere Impost 15 auf Stahl und Eisen zu legen: wodurch dann doch Remscheid gezwungen würde, eine gewisse beträchtliche Summe jährlich - vielleicht auf immer - in die fürstliche Kasse zu zahlen. Es war ja natürlich, daß in diesem Falle Stahl und Eisen so viel im Preise steigen mußte, als die lmposten betrugen, ohne daß die Remscheider von ihren Handelsleuten ein mehreres fordern durften, weil Eisenwaren so rar nicht sind, daß man sie nicht auch von andern Orten her sollte bekommen können. Nachdem dieses unser Mann nun einmal zum Grundsatze fest demonstriert hatte: so waren nun auch die Offerten des Fürsten sein Gegenstand. Wenn auch die Verpfändung der fürstlichen Fabrik seine Richtigkeit hat, so steigen und fallen doch die Preise. Es wird also Schwierigkeit haben, ohne Uneinigkeit aus der Sache zu kommen. Doch hierüber müßte geredet werden. So viel war gewiß: wenn der Fürst kein Geld bekam, so würde die Handlung beschwert und vielleicht verdorben. Und bekam er dasselbe, so konnten die Kreditoren nicht leiden, denn der Fürst mußte als Landesvater den Kredit seines Landes handhaben. Nachdem nun Clarenbach dieses alles wohl überlegt hatte, verloren sich die Kaufleute einer nach dem andern. Der Gesandte blieb trostlos allein. Clarenbach fügte sich zu ihm und begann mit ihm zu reden. Nun schien diesem Herrn ein solcher Braunrock gar nicht sein Mann zu sein. Allein, er kehrte sich gar nicht daran. Er ersuchte den Rat, mit ihm allein zu gehen. Nun erbot sich Clarenbach, daß er gegen das Anerbieten des Fürsten morgen die erforderte Summe Geldes auszahlen wollte. Weil aber alles in größter Geheimhaltung hergehen müßte, damit niemand im Remscheid etwas davon gewahr würde: so möchte sich der Herr Rat in seinem Hause einfinden, damit alles !0 Jung·Slilling

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überlegt und beschrieben werden könnte. Der Abgesandte war sehr froh und willigte in alles ein. Daraufhin ging Clarenbach zu den Kaufleuten, mit denen er bis daher gehandelt hatte. Ein jeder sah ihn gern kommen, denn er war die Ehrlichkeit selber und hielt Wort und Zahlung aufs genaueste. Bei einem jeden gab er vor (wie auch die Wahrheit war), daß er einen nützlichen Handel treffen könnte, wenn er nur mit Geld unterstützt würde; dabei aber bat er sich die größte Verschwiegenheit aus. Er lehnte auf diese Weise bei ungefähr zehn seiner Kunden bei jedem vierhundert bis fünfhundert Reichstaler, ohne daß einer vom andern etwas wußte. Also schickte er unter seinem eigenen Namen die Summe Geldes an den Fürsten zu Siegen und empfing dafür die Verschreibung der fürstlichen Fabrik. Man muß gestehen, daß dieser Schritt ein riesenmäßiger Hazard 16 war, der sehr selten darf nachgeahmt werden. Allein, wenn man alle Umstände genau überlegt, so konnte Clarenbach nicht darunter leiden. Denn der Fürst konnte ihn nicht betrügen. Er mußte seine Waren verschicken, wenn nicht der zehnte Teil Kohlbrenner und Arbeitsleute des ganzen Siegerlandes in die dürftigsten Umstände versetzt werden sollte. 17 Und da unser braver Mann von allen seinen Kreditoren die Kapitalien auf ein Jahr lang gegen billige Zinsen genommen hatte, so konnte er versichert sein, daß er wenigstens ein Jahr von ihnen nicht gemahnt werden könnte. V. Clarenbachs mustergültiger Lebensstil Bei dem allen blieb er noch immer Schuster. Er begehrte ganz und gar keinen Kaufmannsrang und Vorzug; alle dergleichen Narrheiten waren weit unter ihm. Dieses Betragen setzte ihn ganz gegen allen Neid und Absturz in Sicherheit. So lang er Schuster war, konnte ihn kein Mensch so tief stürzen, daß er nicht sollte Brot gefunden haben. Und da er auch amTischeseine Lebensart nicht änderte, so befreite er sich von allem zukünftigen Grame auch darin, daß ihm die Seinigen nicht vorwerfen konnten: "Wir müssen ärmlich leben, da wir zuvor Überfluß hatten."

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Es ist so wesentlich wahr, was die höchste Weisheit sagt: wer sich selbst erniedrigt, der soll erhöht werden, 18 daß man keine Lebensart finden kann, in welcher es nicht statthaben sollte. Eine mäßige Lebensart macht den Körper zu allem geschickt. Welch ein Vergnügen ist es, alles ertragen zu können, wenn der Wohllüstling bei jedem rauben Windehen seufzt! Ein junger Kaufmann muß sich abhärten und zu Fuß reisen, damit er, wenn er alt wird, reiten und fahren könne. Wie schmählich ist es, wenn ein Herr von zwanzig Jahren keine zwei Stunden zu Fuß gehen darf, und wenn er sechzig alt ist, Land und Sand durchgehen muß, um für einen armen verunglückten Kaufmann Brot zu betteln! Diese Beispiele sind nicht rar. Vor kurzem war so einer bei mir - mit tiefen Beugungen und Reverenzen - dem ich gewiß vor zwanzig Jahren lang nicht gut genug gewesen wäre, seine Schuhe aufzuschnallen. Ungeachtet er damals seines Reichtums fast kein Ende wußte, so war es alles doch wie ein Dampf verschwunden. Wir Deutsche schreiben große Bände voll von allerhand schönen Wis.senschaften. Wir bemühen uns, in Erkenntnissen zuzunehmen: eine Fakultät tut es immer der andern zuvor. Da sitzt ein großer Theologe, sieht alles durch, von Gott an bis zum Wurme hinab: klare Ideen, deutliche Begriffe von allem und durch alles. Allein, wie viele Menschen hat er wirklich gebessert? Und was wird sein Lohn sein? Dort steht ein armer Dorfschulmeister im Staube. Er pflanzt den Kindern Liebe und Vertrauen zum Vater der Natur und seinen Menschen ein, bildet arme einfältige Menschen, die zwar nicht glauben, daß der Mond größer sei als ein Suppenteller, dennoch aber wohl wissen, daß ein kalter Trunk Wasser- in Liebe gegeben- ein Samenkorn zu ewiger Glückseligkeit sei. Ich sage ihnen, meine Herren: dieser wird angenommen und jener wird verlassen werden! Wie ist es, daß der gelehrteste Arzt, der aller Nerven Anfänge weiß und der alle natürlichen Körper kennt, eben so wenig und noch weniger Kranke kuriert als mancher großer Empiriker? Wie ist es endlich, daß Kaufleute wie z. B. unser C/arenbach, Geld mit Ehren erwerben, da hingegen mancher, der den Stil Merkantil im ganzen Umfange kennt, nicht bezahlen kann? Dieses sind wirklich wichtige Fragen. Die ganze Beantwortung beruht auf diesem Grundsatze: Die Bestimmung eines Menschen liegt in seinen feinsten Teilen verwebt. Wenn derjenige, welcher Kinder erzieht,

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diesen tiefverborgenen Keim zu pflegen und zu ziehen weiß, wenn ihm die Eltern nur freie Entfaltung lassen, so sorge man nicht mehr.

Wenn ein Knabe den Kaufmann noch unentwickelt in seinen Lenden trägt, die Eltern aber glauben, er habe Fähigkeit zu Höherem, er müsse studieren: was wird daraus werden? Ein mißvergnügter Mensch, der immer fühlt, daß er gar nicht auf dem rechten Flecke steht! Das überdies wäre eine herrliche Metaphysik, die uns Kennzeichen an die Hand gäbe, jeden Menschen auf seinen Platz zu stellen, und jedem Staate sein Kommerzium anzuweisen! Ich glaube zuverlässig: wir würden so viel Menschen, so viel wahre Genies haben! Ich weiß, wie mir zu Mute war, als ich noch informierte 19 und ein Handwerksmann war. Wie kostbar war mir jedes Stündchen, Wolffs Schriften und allerhand mathematische Werke zu lesen?20 Ich zählte Minuten und Stunden, und jeder kleinste Teil der Zeit wurde mir Jahre lang. Warum? Alle meine Geschäfte, außer dem Studieren, waren mir ewige Langeweile. Nun aber bin ich in meinem Elemente. Ich wälze Jahre auf Jahre wie Strohballen um und ermüde nie. Kein Studieren erschöpft meine Kräfte; und Kenntnisse zu sammeln ist meine größte Wollust.

Ich könnte ewig an dieser großen Wahrheit forterzählen: daß die genaue Bestimmung jeden Genies zu seinem adäquaten Berufe die einzige Beförderung zur wahren irdischen Glückseligkeit sei. Aber ich schweife zu sehr aus. VI. Clarenbach als Eisenhändler Nach kurzer Zeit bemerkte man, wie Schuster C/arenbach einen großen Schuppen baute und Karren Eisen und Stahl aufeinander türmte. Das war ein unauflösliches Rätsel. Der zehnte Teil alles Eisens und Stahls ging in sein Warenlager. Das begriff niemand. "Wie kommt der Mann dazu?", so war die allgemeine Frage. Es schickte sich nun von selbst, daß man ihm gute Worte gab. Wollte man arbeiten lassen, hatte man Bestellungen zu rechter Zeit zu liefern: es blieb immer der zehnte Teil eingehender roher Ware aus. Denn diesen bekam ja Clarenbach! So mußte man zu ihm gehen. Er war nicht gezwungen zu verkaufen, denn er brauchte nicht zu bezahlen. Er konnte daher gar wohl warten, bis

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man ihm viele gute Worte gab und ihm seine Ware rechtschaffen bezahlte. Nur hütete er sich immer, daß er niemanden zu kurz tat oder sich erzwungene Demut zu Nutze machte. Um diese Zeit war es, daß man schon anfing, den Meister Clarenbach in einen Herrn Clarenbach umzuschaffen. Denn auch

die schwersten Kaufleute, physisch und moralisch genommen, mußten zu seiner Bauerhütte hin und ihm an seiner Werkstatt die Cour machenY Es stund nicht gar lang an, so hatte der Fürst an Clarenbach mit lauter Waren abbezahlt. Dieser bezahlte seine Kreditoren, und ihm blieb ein ansehnliches gewonnenes Kapital übrig. Und was noch dazu kam: der Fürst war erkenntlich und gab ihm den Vorzug vor allen andern. Mit einem Worte: er blieb des Fürsten Handelsmann und bekam alles Eisen und Stahl, was aus den Zehnten gewonnen wurde. Clarenbach hatte also nunmehr Geld und Kredit, die beiden Grundsäulen der Handlung; es konnte ihm folglich nicht fehlen. Es ist in allen Bestimmungen und Handlungen der Menschen wesentlich, daß man immer solche vorzieht, die andere Menschen neben uns glücklich machen können. Gesetzt auch, daß wir ein wenig dabei verlieren sollten. Ein solcher Mensch steht hernach niemals allein, sondern hat allenthalben Stützen. Wenn C/arenbach dem Fürsten nicht gefällig gewesen wäre, so hätte er zuverlässig mehr geben müssen als andere, wenn er sich in die Handlung hätte eindringen wollen. Denn die Leute, mit denen man vonjeher gehandelt hat, setzt man niemals ohne Ursache ab.

Bei allem dem war C/arenbach doch noch zur Zeit weiter nichts als bloß allein Vorkäufer. Er nährte sich noch immer aufKosten anderer. Er war dem Handlungskörper unnötig und eigentlich noch niemanden nützlich. Denn wenn er gar nicht in der Welt gewesen .wäre, so wäre deswegen kein einziger Arbeitsmann brotlos geworden. Er war gleichsam ein Tier, das an dem Brote anderer nagte und davon fett wurde. Bis dahin aber war dieses alles unsträflich. Er hatte einem Fürsten gedient und niemand geschadet: Verdienst genug für einen Mann, wie er damals war.

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VII. Clare n b ach als Marktforsch er

C/arenbach sah selbst nunmehr gar wohl ein, daß dieser Handlungsast vor und nach verdorren, und daß seine Kinder davon keine Nahrung haben würden. Er sann deswegen auf eine standhafte Manufaktur. Einige tausend Reichstaler Geld hatte er verdient. Diese nun nützlich auf eine Manufaktur anzulegen, war sein großes Vorhaben. Er dachte derowegen hin und her, welche unter allen Eisenfabriken noch zur Zeit am wenigsten kultiviert wäre: denn er mußte eine neue anlegen. Würde er sich in eine andere eingepflanzt haben, so hätte er müssen wohlfeiler verkaufen wie andere, um sich einzudringen. Dadurch wäre die Handlung verdorben und ihm wenig geraten worden. Bei seinen Adlersblicken auf alle Teile der Handlung und ihre entferntesten Zweige fielen ihm ein paar Eisenhämmer auf, welche für den Schiffbau nach den Niederlanden arbeiteten. Sie wurden von einem Remscheider Kaufmann betrieben. C/arenbach vermutete nicht ohne Grund, daß diese paar Hämmer unmöglich Eisen genug zum ganzen niederländischen Schiffbau verfertigen könnten. Derowegen geschwind entschlossen (fragen durfte er keinen, sich niemanden anvertrauen), ging er des Morgens ganz früh mit einem Reisesacke auf dem Rücken, in welchem er etwelche nötige Kleidungsstücke trug, fort. Er wanderte nach Holland und besichtigte alle die vornehmsten Seehäfen und Anstalten des Schiffbaus. Hier trug nun sein schlechter Aufzug nicht zu größerer Geringschätzung bei. Denn es ist weltkundig, daß ein Bauer zu Edam oder Seerdam, der seine Fässereher voller Dukaten in Reihen auftürmt, im allergröbsten Matrosenhabit einhergehe. Hier fand er nun zu seiner größten Verwunderung, welch eine ungeheure Menge von eisernen Stäben und Bändern täglich daselbst verbraucht wurden. Er schloß daher, wie viel desselben in andern Ländern und Königreichen verbraucht werden müßte. Clarenbach freute sich über alle Maßen, als er gewahr wurde, daß man dieses Eisen aus Schweden bekäme, daß dieses Eisen zu edel und zu weich sei, daß man es über Meer bekommen müßte, und daß man es daher noch nicht einmal haben könnte, wenn man wollte. Er machte geschwind den Überschlag und fand, daß das 150

Naussauische Eisen härter und stahlartiger sei, daß er es dem ungeachtet bei einem ziemlich großen Verdienste doch noch wohlfeiler als Schweden würde liefern können, und daß er endlich Gelegenheit habe, wegen Nähe des Rheinstromes seine Waren täglich in alle Häfen Hollands zu verschicken. Wenn Columbus das Ei auf die Spitze gestellt hat, so tut es ihm jeder leicht nach. Man glaubt, wenn der Plan einmal gemacht ist (besonders wenn seine Richtigkeit in das Auge leuchtet), daß er nicht gar schwer zu erfinden gewesen sei. Unterdessen, man mache den Versuch in einer anderen Sache. Man wird dann finden, daß ein sehr durchsichtiges Genie erfordert werde: einmal, um das Ganze durchzuschauen und alle möglichen Hindernisse, welche die Zukunft in die Weg legen kann, mit ihren Gegenmitteln zu übersehen; hernach auch, um alles in Ausführung zu bringen. Die ganze Möglichkeit anschaulich zu machen, ist schon schwer. Noch schwerer ist es, dieselbe in Wirklichkeit und Bestand zu verwandeln. Es ist noch lange nicht genug, ein Landesprodukt gefunden zu haben, woraus sich etwas machen läßt, das die Ausländer brauchen können. Man frage sich immer dabei: kannst du deine Manufaktur deinem Lande gleichsam unentbehrlich machen? Kannst du dich dem Ausland unentbehrlich machen? Können dich andere leicht abstechen? Sind deine Nerven stark genug, die Sache auf deine Schultern zu nehmen? Ja, man frage sich endlich bei jedem kleinen Ästchen: was ist hier an Widerstand möglich? Es ist sonnenklar, daß man auf solche Weise die zukünftige ganze Manufaktur und Handlung gleichsam vollkommen in der Idee fertig und anschaulich haben muß. Und ist nun dieses geschehen, alsdann heißt es: TENAX PRoPosm 22 , das Ding sei angegriffen!

VIII. C I a r e n b a c h a I s S t a n d o r t s u c h e r

Clarenbach kam aus Holland wieder zurück, ohne daß jemand gewahr wurde, wo er gewesen sei. Man wußte im Remscheid eben so wenig davon, als man in den Niederlanden erfuhr, was er da mache oder was er wollte. Verschwiegenheit war seine Tugend; auch da, wo es wohl unnötig gewesen wäre. Niemand konnte ihm also Hindernisse in den Weg legen, weil niemand von etwas das Geringste wußte. Nun fing er in der Stille an nachzusinnen, wo seine Fabrik am fügliebsten angelegt werden könnte, damit er Eisen und Stein-

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kohlen so wohlfeil als möglich bekommen und doch so nah beim Rheine sein möchte, als es nur tunlieh wäre. Um alles dieses zu erlangen, mußte er weiter gegen das Siegerland zu eine Gegend suchen, die aber auch zugleich Wasser genug für seine Werke haben könnte. Er fand zwei Stunden ostwärts von Remscheid und eine Stunde westwärts von Radevormwald an dem Wupperfluß eine Gegend, die für ihn geschaffen zu sein schien. 23 Allhier lief der Berg in eine felsige Zunge aus. Diese Zunge breitete sich so in eine Ebene aus, daß sie, wo sie mit dem Berge zusammen hing, ganz schmal war. Die Wupper umfloß diese ganze Zunge und kam am Halse der Zunge so nah wieder herbei, daß man nur den Hals durchzuhauen brauchte, so floß das Wasser in diesem Kanal zusammen. Da nun der Strom um die ganze Zunge herum wenigstens eine gute viertel Stunde zu laufen hatte, ehe er auf der unteren Seite der Zunge wieder so nah herbei kam und noch dabei in diesem Bezirke einen großen Fall hatte: so Billt einleuchtend in die Augen, daß, wenn man einen Damm oder Wehr an der Oberseite des Zungenhalses quer durch das Wasser legte und alsdann überquer in einer horizontalen Linie den Hals der Zungen durcharbeitete, daß man auf diese Weise ein sehr großes Gefälle erlangen müsse, vermöge welches man mit der Hälfte des Wassers eben so viel ausrichten könnte, als gewöhnlicher Weise zu geschehen pflegt. Dieses war der erste vortreffliche Vorzug, den diese Gegend hatte. Der andere war dieser: die allgemeine Fuhrstraße, welche das Nassauische Eisen passieren mußte, ging bei dieser Zunge über eine große, gewölbte, steinerne Brücke über die Wupper, und sofort den Berg hinauf nach Remscheid. Alles passierte also diesen Ort vorbei, was nur von rohen Waren feil war. Da es obendrein hier um zwei Stunden näher war, so mußte allemal der siebente Teil der Fracht abfallen. Mithin hatte Clarenbach das Eisen um soviel wohlfeiler. Der dritte Vorzug, den diese Gegend wegen ihrer Lage hatte, bestand darin, daß sie auch um zwei Stunden den SteinkohlenBergwerken näher war, so daß er auch die Kohlen um zwei Fünftel Fracht wohlfeiler haben konnte. Und doch war dieser

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Ort nur eine Stunde weiter von Köln am Rheine entfernt als Remscheid. Endlich war dieser Landesdistrikt ganz wüst. Hier und da wohnte ein armer Bauer, der sich kümmerlich nähren mußte. Mithin konnten hier Arbeitsleute hingezogen und wohlfeil angepflanzt werden. Alles dieses fiel C/arenbach bald in die Augen. Er erkundigte sich, wem dieser Grund zugehöre, ging zu den Bauern hin und bekam mit leichter Mühe für ein geringes Geld so viel als er verlangte. Hätte aber der Eigentümer gewußt, was er vorhatte, so würde er ganz anders Salz übergestreut haben! Allein, C/arenbachs Verschwiegenheit und bäuerischer Aufzug ließen so etwas nicht vermuten. IX. Clarenbach als Bauherr Nun wurden Taglöhner, Maurer und Zimmerleute angeworben. Clarenbach blieb den ganzen Tag bei der Arbeit, um alles anzuordnen. Er bezahlte sehr genau und richtig, bestimmte Arbeits- und Ruhestunden und regierte ganz unumschränkt. Er war durchdrungen von seinem Vorhaben, entdeckte aber niemanden das Geringste. "Hier haue mir in dieser Richtung einen Graben durch, so breit und so tief!" - "Da mache du mir eine Mauer so und so!"- "Du Dritter gehe da oder dort hin, falle den oder den Baum und behaue ihn so und so." War aber einer oder der andere, der den Mann im braunen Rocke und einer wollenen Kappe auf dem Haupte fragte: "Was wollt ihr da machen, Herr Clarenbach?" so sprach er, wenn es ein Arbeiter war: "Ich bezahle dich wegen deiner Arbeit, und nicht daß du mir Rat geben sollst." Dabei lächelte er nie. Er war überhaupt eines so ernsthaften Wesens, daß auch fremde Leute, denen er nichts zu befehlen hatte, Furcht und Ehrerbietung vor ihm hatten. Fragte ihn ein Nachbar: "Was soll das werden?", so sprach er: "Das da gibt einen Graben, das einen Türpfosten, dieses eine Schwelle usw.". Der Fragende schämte sich dann und ging. Überdem war er nicht unbillig. Er gab den Leuten die nötige Ruhestunden, aß Brot und trank Wasser mit ihnen.

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Endlich stand ein Haus an der Krähwinkler-Brück (so heißt der Ort) mit der Anstalt zu einem Garten und mit drei bis vier Eisenhämmern. Nun sah ein jeder, was es werden sollte undjetzt war es auch noch vollkommen früh genug. Clarenbach fing nun an, die Waren arbeiten zu lassen, welche er in Holland in Augenschein genommen hatte. Er reiste in aller Stille zu Fuß wiederum hin und machte sich die vortrefflichsten Kunden und Kommissionen aus. X. Clarenbach als Wegbereiter So ist diese vortreffliche Manufaktur an jenem Orte entstanden. Fünf bis sechs Häuser, neun Hämmer und Ländereien florieren jetzt daselbst. Die ganze Gegend ist mit Hammerschmieden, Bauern, Arbeitsleuten und Fuhrleuten besetzt und blüht wie ein Paradies. Verschiedene andere wackere Männer ahmten diesem Beispiele nach, sodaß in einer Gegend von drei Stunden um diesen Ort herum an dem Wupperbach nunmehr bei vierzig Eisenhämmer stehen, welche alle ebensolche Waren zum Schiffbau verfertigen und ihre Inhaber und Arbeitsleute mit dem ganzen Distrikt in Überfluß setzen. Man sieht nunmehr leicht ein, daß der einzige Mann, der große C/arenbach (das ist er wirklich mit Recht) der Urheber alles dieses Wohlstandes gewesen. Und dennoch - er schläft unter einem grasigen Hügel, mitten unter einer Menge würdiger und unwürdiger Nachbarn. Vielleicht weiß niemand sein Grab mehr. Die beiden Greise, die von seinen Kindern noch leben, wissen noch vieles, aber auch die werden bald hinfahren, und gar bald wird der große würdige Mann vergessen sein. Es geht wie jener Barde24 sang: Laßet Wolken auf den Hügeln ruhen, Geister fliegen, Wandrer zagen, Laßet Winde durch die Wälder toben, Stürme brausend niedersteigen, Ströme brüllen, Fenster schmettern, grünbeschwingte Feuerdämpfe schweben. Es mag der bleiche Mond hervor von seinen Hügeln strahlen, Oder in Gewölke sein Gesicht verbergen; Mir ist jede Nacht einerlei, blaulicht, stürmisch oder finster.

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Denn sie weichet doch, wenn der Morgenstrahl über Hügel strömt. Aus den Wolken kehrt der junge Tag; aber wir kehren nimmer. Wo sind die Männer unserer alten Zeit? Die Säulen unseres Wohlstandes sind? Die Felder ihrer Taten schweigen. Kaum daß noch ihr bemooset Grabmal bleibt. Auch unserer wird man vergessen. Dies irdische Gebäu wird fallen. Kaum werden unsere Kinder seinen Schutt im Gras entdecken. Sie werden Greise fragen: "Wo standen unserer Väter Häuser?"

Dort, guter Barde! Dortjenseits der großen Kulisse, wo unsere Schauspieler abtreten: da stehen unserer Väter Häuser. Sie wohnen friedlich daselbst, genießen den Wucher ihrer anvertrauten Talente in ewiger Wonne. Sie kümmert es wenig, was wir arme Würmer hier um ihretwillen beginnen mögen. XI. C laren bach als Erzieher seiner Kinder Dieses ist die Geschichte des alten C/arenbachs, die ich zum Grunde meiner Abhandlung gelegt habe. Ich will nun auch noch eine Anekdote von seinem Charakter beifügen, die nicht anders als nützlich sein kann. Seine Manufaktur und Handlung war nunmehr im Flore. Aber dieses war ihm noch nicht genug! Er mußte sie auch befestigen und blühend auf seine Kinder und Kindeskinder forterben. Ich muß daher von seiner Kinderzucht auch das Nötige sagen. Er hatte sechs Söhne und eine Tochter. Diese ließ er alle zusammen in Gründen seiner Religion, im Lesen, Schreiben und Rechnen wohl unterrichten. Dieses war auch zu der Zeit überflüssig25 genug. Dabei aber wurden sie gar keines Vorzuges vor Knechten und Mägden gewahr. Jeder Sohn mußte im Eisenhammer vom Lehrjungen an bis zum Meister, oder- wenn ich so reden darf- von der Pike an dienen. Ganze sieben Jahre lang mußte ein jeder eben so gut arbeiten wie ein Taglöhner. Ihre Kleidung war in der Mode von den Handwerkern nicht verschieden, nur daß sie feiner, reiner und wertvoller war.

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Sogar im höchsten Alter C/arenbachs, da er nicht mehr aus dem Bette kommen konnte, mußten seine erwachsenen Söhne, die schon selber Frau und Kinder hatten, wenn sie zur Kirche gehen wollten, vor seinem Bette erscheinen und sich besehen lassen, ob sie vielleicht die Haare gepudert oder sonst etwas an sich hätten, das ihnen nicht anstünde. Fand er etwas, so mußten sie sich strafen lassen. Man könnte sagen, das sei zu hart gewesen. Ich stelle es auch nicht in Abrede. Genug, man sieht daraus, wie unüberwindlich der Mann dem Luxus widerstanden habe -und das mit dem größten Rechte! In dieser Bemerkung kommt verschiedenes vor, worüber ich mich mehr ausbreiten muß. In Clarenbachs Kinderzucht liegt sehr viel Anmerkungswürdiges. Ein Kaufmann, welcher eine schöne und einträgliche Fabrik hat, macht heut zu Tage kavaliermäßigen Staat. Seine Söhne und Töchter sind nach der Mode französiert, und das heißt Lebensart. Ich will von dem großen Aufwand nicht einmal reden, der hierzu erfordert wird. Der falsche Stolz, welcher solchen Kindern von der Geburt an eingeflößt wird, so daß sie schon gar früh wissen, daß sie Geschöpfe von höherer Gattung als ihr Gesinde sind: der ist das schädlichste. Die Arbeitsleute fühlen diese Obermacht bald und werden heimlich kalt und widerspenstig. Jeder Mensch sehnt sich nach Freiheit. Er glaubt wirklich, er hätte sie schon, wenn seine Vorgesetzten nur nicht verächtlich auf ihn herabblicken, dann und wann in seiner Gesellschaft sind und mit ihm Rat pflegen. Die Ehrfurcht ist keine Tochter des Stolzes, wohl aber eines ernsthaften und ehrbaren Betragens. Es ist daher sehr gut, wenn Eltern ihren Kindern keinen weiteren Unterschied der Stände beibringen, als nur derjenigen, die über ihnen sind. Sie lernen dadurch erkennen, daß sie nur gar geringe Geschöpfe sind, die allererst ihre Würde durch ein ordentliches weises Betragen erringen müssen. Ich will derwegen gar nicht, daß man sie dem Gesinde hingeben möge. Man soll sie nur nicht gewahr werden lassen, daß sie mehr sind. Ferner hat dieser Stolz in Absicht auf die Fabriken selbst böse Folgen. Der Herr versteht sie selbst gar wenig. Die Handwerksleute sitzen, plagen und schwitzen sich matt, um ihr Brot zu verdienen. Der Herr tut sich indessen etwas zu Gute und macht sich lustig und schaut verächtlich von seiner Höhe auf die armen Leute herab. Diese bemerken das: sie werden lau, träge und untreu. Denn sie denken: es wird ja doch verpraßt, es ist keine Sünde, wenn du auch deinen Vorteil suchst; ob du es vertust oder dein Herr, wenn es doch verschwendet sein soll.

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Wenn aber ein Fabrikant selber seine Manufaktur handwerksmäßig versieht, so kennt er alle Vorteile des Handwerks. Er ist wie ein Handwerksmann erzogen; er kennt die Lasten, die seine Leute zu tragen haben. Er weiß, was ihnen möglich und nicht möglich ist. Daher behandelt er sie vernünftig. Er weiß seine Vorteile im kleinen und im großen in Acht zu nehmen und wird nicht betrogen. Er kennt seine rohen und fertigen Waren vollkommen und kann sich daher immer helfen.

XII. R e g e I n k a u f m ä n n i s c h e r B i I d u n g Weil Clarenbachs Beispiel nunmehr nicht mehr so in seinem Umfange tunlieh oder nachahmlieh ist, so will ich einen Plan geben, nach welchem Kaufleute, welche Fabriken haben, ihre Söhne erziehen müßten. In den frühen Kinderjahren, weil doch die Einrichtung durchgehends noch so auf dem alten Fuße steht, müssen sie zu den Wahrheiten der Religion, zur Gottesfurcht und Liebe gegen Gott und Menschen nach den Schulordnungen - so gut als wir sie noch zur Zeit haben- angeführt werden; dabei Lesen, Schreiben und Rechnen nach der Schulmethode lernen. Sind sie sechszehn bis siebzehn Jahre alt geworden, so müssen sie ihre Fabrik einige Jahre handwerksmäßig lernen und treiben, sich allen Regeln der Handwerksleute unterziehen, ohne den mindesten Vorzug vor ihnen zu begehren. Es ist ebenfalls dienlich, daß man ihnen ihren Lohn wie andern Arbeitern zulegt und sie strenge anhält, sich davon zu unterhalten. Sie müssen ihren Eltern Kostgeld geben und eben so gering essen und trinken wie andere Arbeitsleute. Dadurch werden junge Leute gegen alle Witterung und Zufälle abgehärtet. Sie bekommen einen schönen gesunden Körper, geraten nicht in Ausschweifungen und lernen mäßig und zufrieden leben. Und endlich gewinnen die Arbeitsleute den jungen Herrn lieb. Sie helfen ihm, unterstützen ihn in seiner Arbeit, und da auf diese Weise immer jemand bei ihnen ist: so müssen sich auch diejenigen in Acht nehmen, welche untreu gesinnt sind. Die einzige Unbequemlichkeit dabei ist diese, daß die Arbeitsleute gemein mit dem jungen Herrn werden, ihn duzen, mit dem Namen

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nennen usw. Das ist aber auch alles! Hören sie! Dafür kommt nun auch Rat und Hilfe.

Hat nun der junge Herr auch dieses vollendet, so rüstet man ihn ehrbar, modest, kaufmännisch aus und schickt ihn in die Fremde. Entweder geht er auf ein Komtoir,26 oder nach dem vortrefflichen und nicht genug zu rühmenden Institut des großen Kurfürsten Kar/ Theodor nach Lautern in der Unterpfalz, 27 allwo er auf alle nur mögliche Weise den Unterricht genießen kann, der ihm im großen und kleinen auf alle Fälle dienen wird. Hier kann er vom zwanzigsten oder einundzwanzigsten Jahr studieren bis ins vierundzwanzigste. 28 Seine vorigen mühsamen Jahre, während derer er durch schwere Arbeit abgehärtet worden, werden den unschätzbaren Nutzen haben, daß er aufhohen Schulen mit Wenigem vergnügt leben kann. Sein Studieren wird ihm Erholung und Erquickung sein. Daher wird er es nie müde werden. Und wenn er je einmal ausschweifen sollte, so wird er bald wieder zur Tugend zurückzubringen sein. Denn er ist beugsam und gewohnt zu gehorsamen. Nunmehr lernt ein solcher junger Mensch auch Lebensart und die Welt kennen. Mit Wissenschaften ausgerüstet, reist er nun noch ein paar Jahre; besonders in die Gegenden, wo seine künftigen Güter hintransportiert werden sollen. Er kommt in nettem, modestem, zierlichem Aufzuge. Er kennt seine Waren durchaus, hat Wissenschaften und gründliches Geschick. Durch das alles macht er sich beliebt und erwirbt sich Kredit und Liebe bei seinen Kunden auf sein ganzes Leben. Nun kommt er wieder nach Haus, ist ernst-freundlich ohne Stolz, männlich und gezogen. Die Arbeitsleute lieben ihn mit Enthusiasmus. Sie erinnern sich mit Vergnügen an die ehemaligen Zeiten und suchen Ehre darin, daß er ihr Kamerad war. Nun aber verbinden sie Ehrfurcht mit der Liebe und gehorsamen ohne Zwang - und das ist alles, was man wünschen kann! So lange ich auch über obige Anekdote gepredigt habe, so kann ich doch nicht vorbei: ich muß noch eins zufügen - und dann will ich schließen.

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C. Grundsätze der Berufsfindung

Meine Leser werden bemerken, daß die Entwicklung eines Handlungs-Genies, so wie es Clarenbach war, nach und nach, aber gleichsam unaufhaltbar vor sich ging; und daß man es nicht bei einem und andern darauf ankommen lassen müsse, bis er sich selber entwickele: solche Heldengeister sind rar. Die mehrsten haben ihren Hang zu ihrer wahren Bestimmung so tief versteckt, daß sie ihn selber in ihrem ganzen Leben nicht werden herausarbeiten können. Es ist daher nötig, daß man seine Söhne von Jugend auf wohl bemerke. Findet man, daß sie einen feurigen Trieb zu etwas haben, das nur nützlicher menschlicher Beruf ist, so lasse man sie treiben. Indessen aber lenke man auf eine edle und geziemende Weise ein solches zartes Gemüt auf das Wesentliche und Beste seines Rufes: auf das, was ihm und andern darin wesentlich nützlich sein kann. Findet man, daß der Knabe dabei jauchzt und flammt, so ist er leicht zu erziehen. Er wird seinen Weg wie ein Held laufen und den Eltern Freude machen. Sind es aber Nebenumstände, Ergötzlichkeiten oder eitle Ehre, die den Knaben so eifrig machen, so suche man durch Beispiele und Vorstellungen diese Dinge auf ihrer schnöden oder lächerlichen Seite vorzustellen. Dadurch wird ein solches Strohfeuer bald verlöschen. Findet sich aber nichts Bestimmtes bei einem Knaben, woraus man schließen könne, wozu er den mehresten Hang habe, so erzähle man ihm große vortreffliche Beispiele aus allen Ständen der Menschen, und gebe Acht, welches unter allen am ersten seine Seiten rührt. Es fehlt gewiß nicht: ein solcher Jüngling wird sich selber finden und sich an seinen Platz stellen. Nichts ist alsdann seinem fortstrebenden Geiste zu groß und zu schwer; er wird alles überwinden. Und auf diesem Wege ist alsdann des Vaters Pflicht, ihn zu leiten, alle geile Zweige behutsam abzuschneiden und dem rechten Wachstum fortzuhelfen. Eltern, Lehrmeister und Menschenbildner! Denkt über diese Wahrheit nach, erweitert sie, schränkt sie ein und bestimmt sie nach Umständen. Nur daß das Wesentliche bleibe! Glückselig

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aber sind alle diejenigen, die da erkennen, daß sie am wenigsten um ihrer selbst Willen in der We/t sind.

Anmerkungen

* Der Originaltitel lautet: "Anmerkungen I über das I Handlungs-Genie. I Von I Johann Heinrich Jung." und ist erschienen in: "Bemerkungen I der I Kuhrpfälzischen I physikalisch-ökonomischen Gesellschaft, I vom Jahre 1776. I Mit einer KupfertafeL I Lautem, I im Verlage der Gesellschaft I 1779." auf den Seiten 3 bis 64. 1

Siehe Lexikon Wirtschaft 139.

Wi/liam Shakespeare: Hamlet, 2. Akt, 3. Szene (längerer Text von gesamthaft 42 Zeilen). 3 Peter Johannes F/ender (1727-1807) stammte aus dem Siegerland. Sein Vater Johannes Flender (1707-1771) war in Siegen (Ortsteil WeidenauHaardt; damals noch selbständige Gemeinde) geboren; der Sohn kam wahrscheinlich im Bergischen zur Welt. 4 J ung-Stilling war von 1763 bis 1770 in Diensten von Peter Johannes F/ender in Kräwinklerbrücke, heute Ortsteil der Stadt Remscheid, Bundesland Nordrhein-Westfalen. 4 Patron= hier: Dienstherr, Arbeitgeber. 6 Remscheid kam 1815 zur preußischen Provinz Rheinland und ist heute kreisfreie Stadt. 7 Aus dem Groben arbeiten = aus dem Rohstoff gewinnen. 8 Peter Ado/fC/arenbach (1661-1736); siehe Wi/he/m Weyer: Geschichte der Familie Flender, Bd. 2. Hocholt (Flender) 1961, S. 154 ff. 9 Interessen = hier: Zinsen. 10 Handlungskörper = Kaufmannschaft. 11 Chapeau bas = Klapphut: platt zusammengelegter Hut, den man unter dem Arme trug. Chapeau-bas-Herrchen = Snob, Möchtegern, Windbeutel. 12 In Folio studiert = aus Lehrbüchern gelernt. 13 Negotiieren = hier: eine Summe Geldes verschaffen. Damaliger Fürst= Friedrich Wilhelm Adolf, Fürst von Nassau-Siegen (1680-1722) aus der reformierten Linie. 14 Im Siegerland herrschte grundsätzlich BergbaufreiheiL Jedoch beanspruchten die Landesherren den zehnten Teil des gewonnenen Erzes. -Benutzen = hier: verarbeiten. ll Impost =(indirekte) Steuer, Warensteuer. 16 Hazard =Wagnis; Glücksspiel. 17 Weil der Fürst als Unternehmer ein Zehntel der Nachfrage bestritt. 2

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Siehe Matthäus 23, 12; Lukas 14, II. Informieren = hier: als Hauslehrer (Informator) tätig sein. 20 Wolffs Schriften= die Werke des deutschen Aufklärungsphilosophen Christion Wolf/(1679-1754); siehe Lebensgeschichte 122.- Allerhand mathematische Werke = Jung-Stilling beschäftigte sich vor allem mit angewandter Mathematik, und hier besonders mit Geometrie und Geodäsie. Siehe auch Lebensgeschichte 88, 670. 21 Die Cour machen = den Hof machen; sich um Gunst bewerben. 22 TENAX PROPOSITI =zähe am Vorhaben festhalten. 23 Der spätere Ort Kräwinklerbrücke; siehe Anm. 4. 24 Barde= Dichter bzw. Sänger bei den Ketten. - Leider gelangestrotz vieler Bemühungen nicht, die Herkunft des Zitates zu klären. Ich danke den Herren Kollegen Gotthardt Frühsorge und Paul Raabe sowie den zuständigen Referenten der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel für ihre entgegenkommende Mithilfe. 2 s Überflüssig = hier: vollauf, reichlich. 26 Komtoir = Kontor = Geschäftszimmer der Kaufleute; Handelshaus. 27 Die Kamera! Hohe Schule in (Kaisers )Lautem, 1774 gegründet. Sie wurde 1784 der Universität Heidelberg eingegliedert. Jung-Stilling lehrte von 1778 bis 1787 an dieser Anstalt (jedoch noch nicht, als er 1775 diese Abhandlung schrieb). 28 Nämlich die Handelswissenschaften; siehe hierzu Lexikon Wirtschaft 66 f. . 18

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I I Jung·Stilling

Im Anmerkungsteil mit Kurztitel zitierte Werke ADB Allgemeine Deutsche Biographie. Auf Veranlassung (und mit Unterstützung) Seiner Majestät des Königs von Bayern (Maximilian II.) herausgegeben durch die historische Commission bei der König!. Akademie der Wissenschaften, 56 Bände. Leipzig (München und Leipzig) (Duncker & Humblot) 1875 bis 1912. Neudruck Berlin (Duncker & Humblot) 1969.

DBA Deutsches Biographisches Archiv. Eine Kumulation aus 254 der wichtigsten biographischen Nachschlagewerke für den deutschen Bereich bis zum Ausgang des neunzehnten Jahrhunderts. Herausgegeben von Bernhard Fabian. Bearbeitet unter der Leitung von Willi Gorzny. München, New York, London, Paris (K. G. Sauer Verlag KG) 1982. GV Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums (GV). Bearbeitet unter der Leitung von Hilmar Schmuck und Willi Gorzny. Bibliographische und redaktionelle Beratung: Hans Papst und Rainer Schöller. München, New York, London, Paris (K. G. Sauer Verlag KG). 160 Bände, umfassend den Zeitraum 1700 bis 1910 (erschienen 1979 bis 1987). 150 Bände, umfassend den Zeitraum 1911 bis 1965 (erschienen 1976 bis 1981 ).

Lebensgeschichte Johann Heinrich Jung-Stilling. Lebensgeschichte. Vollständige Ausgabe, mit Anmerkungen herausgegeben von Gustav Adolf Benrath. Darmstadt (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) 1976, unveränderte Zweitauflage 1984.

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Lexikon Wirtschaft Jung-Stilling-Lexikon Wirtschaft. Herausgegeben und eingeleitet von Gerhard Merk. Berlin (Duncker & Humblot) 1987. Lexikon Religion Jung-Stilling-Lexikon Religion. Herausgegeben und eingeleitet von Gerhard Merk. Kreuztal (verlag die wielandschmiede) 1988.

Sachregister Abkreischen 120, 134 Abtreibung 23 Alexandrien 43 Amsterdam 43, 71, 121 Anlagen, menschliche 147, 159 Ansehen, soziales 31, 47, 149 Antriebstechniken 129 Arbeitswilligkeit 77, 78, 121 Armenhilfe 23 Armut 23, 31, 121 Ärztepfusch 112 Aufgabendelegation 100 Aufklärung 32, 40, 117 Augenchirurgie 11 Ausbeuter 139 Ausbildungskosten 34, 40 Außenhandel 71, 121 Bardengesang 154 Bauernglück 43 Beamtenbestechung 27 Beispiele 139 Bergstraße 98, 115 Beruf 18, 93, 147, 159 Berufstindung 30, 148, 159 Beschäftigungshöhe 26, 69, 71, 72, 76 Brauereien 86 Bucheckern 126 Bücherwissen 89, 94, 112 Bürokraten 83, 86, 90 Carthago 43, 44 Cash flow 143 Corinth 44 Dankbarkeit 149 Deutschland 121, 122 Dresdner Porzellan 123 Düsseldorf 130 Ehre, Maßstab 27, 31, 32,47

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Eigenart, ökonom. 26, 37, 94, 114 Eigentumsschutz 57 Einfachheilsprinzip 17 Einwanderer 23, 28 Eklektiker 13 Elberfeld 11, 39, 77, 78,87 England - Eisenwaren 74, 75 - Monopole 31 - Qualitätstandards 33, 34, 123 - Wolltücher 72, 74 Entwicklungspolitik 14 Erfahrung 69, 87, 91, 94, 112, 118, 133 Erfinderprämie 34, 36 Ertragsbegriffe 47 Erwerbsmittel 18 Exkursionen 91, 114 Fabrik - Absatz 74, 75, 77 - Anspornfunktion 117 - Definition 69 - Förderung 26, 45, 51, 62 - gemeinnützige 117, 136 - Hande131 - herrschaftliche 80, 144 - Kleinanfang 30, 49, 55, 81, 83 Kostenminimum 77 - Landwirtschaftsabhängigkeit 25, 54, 68, 117 - monopolistische 26, 28, 151 - Preisprobleme 49, 123 - Qualitätsfragen 49, 123 - Rohstoffquellen 14, 48, 50, 74, 133 - Standort 45, 48, 49, 50, 55, 63, 70, 85, 141, 151 - standortfalsche 64, 71 , 78, 83 - Standortgrundsätze 73 - Verlegung 45 - Widerstände 83, 85

-Zweck 45 Finanzbasis, betriebliche 142 Finanzlehre 59 Finanzwissenschaft 19 Firnis 125 Fleischeslust 44 Fleiß 121 Freigeisterei 44 Freiheit 21, 86, 156 Freiheitsrecht, angeborenes 22 Gebietserweiterungen 42 Geiz 143 Geldbarone 27 Geldmangel 25 Geldmasse 68 Geldumlaufgeschwindigkeit 27, 68, 121 Gemeinweiden 25, 39, 53, 62 Gemüsezubereitung 120, 125 Genie 139, 148, 151 Genua 72 Geschichte 118 Gesellenprüfung 34 Gesetzesflut 17 Gewerbe - Arten 18 - Gleichgewicht 29 - Grundsatz 29 - Leitung 21, 30 -Polizei 17, 18,19,20 Gewinnmarge 143 Gewissensbildung 93 Grundsteuer 46 Grundsätze, allgemeine 94 Güte, intensive 92, 93 Handarbeit 140 Handel - Förderung 36, 43, 56 - Gefahren 42, 43, 70, 121 - Groß- 43, 70 - Öl- 132 - Schäden 122 - See- 43,70 Handelsbilanzdefizit 121 Handlungen, Gütegrade 92, 93 Handlungsänderung 55 Handlungsgenie 117, 138

Handwerksfabrik 29 Handwerksstand 28, 30, 67 Haushaltung 20 Heeresbedarf 67 Heidelberg 12, 37, 41, 97, 98 Heilbronn 97 Heiratsschranken 23, 28, 32 Herzogtum Berg 27, 140 höfischer Verbrauch 121 Hofschranzen 14, 23, 56 Hutfabrik 81 Idealregierung 112 impöt unique 46, 61 Industriestaaten 45 Juristenfehler 112 Juristenmonopol 14, 57 Kabale 56, 62 Kaiserslautern II, 61 Kamera! HoheSchule 11,40,45,61, 136, 158 Kameralwissenschaften 19 Karlsruhe 12, 41 Kattunfabriken 73, 89 Kaufmannsehre 146, 149 Kaufmannswissen 142, 158 Kleefütterung 51, 52, 104, 107 Kleiderpracht 143, 156 Kleingewerbe 29 Kräwinklerbrücke 10, 154 Kreditgrundsätze 142 Kühe 108 Kurpfalz 41, 91, 114 Landwirtschaft - Abnehmerschaffung 48, 65, 66 - Bestzustand 65 - Dauerhaftigkeit 46 - Existenzminimum 75 Fabrikabhängigkeit 54, 68, 117 - Fleiß 121 - Förderung 25, 48, 65 - Geldertrag 47 - Grundsatz der 22, 25, 95, 102 - Nachfragemangel 51 - Nachfrageschaffung 48, 65, 78 - Produktionsanpassung 51

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- Produktionsgrenze 51, 54, 65 - Rohertrag 47 - Überangebot 54 - Unterbau 14, 25, 45, 65, 73 - Verarbeitung 86, 117 Landeswohlstand 46, 47, 117 Lehrjahrzwang 34 Lokalgrundsätze 26, 37, 94, 114 Luftverbesserung 53 Luxus 44, 60, 72, 76, 121, 143, 156 Mahltechniken 130 Mannheim 10, 130 Manschettenbauern 85, 89 Marburg 12,41 Marktforschung 150 Marktkenntnis 142 Massenbedarfsgüter 76, 77 Mäßigkeit 147 Meisterprüfung 34 Menschenführung 156 Menschenrechte 21, 22, 23, 24 Menschenwürde 21 Milchwirtschaft 108 Mittelweg 50, 61 Modell-Landgut 84 Mohn 128 Mönchzell 97 Monopol26, 31,36 Monopson 83, 88 Moralgrundsatz 95 Nachfrageelastizität 145 Nachfragegruppen 66 Nachfrageschaffung 133 Naturerzeugung 63, 85 Naturrechtsgrundsatz 95 Neider 143, 146 Neuerungen 30, 34, 36, 139, 151 Neuerungsprämie 34, 36 Neuheiten-Sucht 95, 133 Neuwied 109 Niederlande 70, 73, 74, 76, 120 Nutzen, wahrer 134 Organisationsfragen 100, 101 Pfuscharbeit 28, 34, 39, 83, 89, 112 Philosophenschlüsse 113

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Physikalisch-Ökonomische Gesellschaft 38, 40, 136 Physiokratie 13, 46, 47, 50, 54, 61 Pionier-Unternehmer 117, 138 Planung 151 Polizei, Begriff 18, 19 Pragmatomanie 101 Praktiker 147 Preisanreize 25, 48, 51, 66 Privathaushalte 66 Projektanten 14, 48, 61, 64, 85, 86 Qualitätsanpassung 50 Qualitätsgarantie 35 Qualitätswettbewerb 33 Raps 128 Rationalprinzip 17, 38 Reichtumsmaßstab 47 Reichtumsquelle 45 Reinertrag 47 Religionsverflilschung 44 Remscheid 74, 140, 145, 150 republikanisches Bewußtsein 22 Rohstoffe 50, 51, 74, 133 Routine 78, 86, 90 Rückständigkeit 121 Ruhmsucht 143 Sächsischer Manchester 123 Salatzubereitung 119 Samenstruktur 124 Schafzucht 72, 76, 86, 106 Schatzung 99, 115 Schaugericht 28, 33, 39, 89 Schiffbau 150 Schlendrian 14, 21, 86, 111 Schmierseife 125 Schwedenstahl 150 Selbstbestimmung 15, 22 Siamaisfabriken 73, 87, 89 Siegen 144 Spanien 72 Speiseölmarkt 117 Spekulation 141 Staatsdiener 21 Staatseinkünfte 46 Staatshaushaltung 20 Staatswirtschaft 18, 19, 20

Staatswirtschafts Hohe Schule 12, 37,40 städtisches Bewußtsein 22 Stammkundschaft 149 Standesschranken 23, 28, 156 Steuerpacht 33, 40 Steuerüberlast 22, 37 Stolz 143, 156 Studierlust 148 Studiersucht 148 Tabak, Pfalzer 123, 136 Tätelei 101, 116 Tätigkeitsdrang 92, 114 Theologen 112, 118, 147 Theorie 94, 117, 118, 139, 143, 147 Theoriedefizit 58, 91, 93 Traditionshindernisse 78 Tugenden, kaufmännische 143 Tyrus 44,60 Umsatzhäufigkeit 143 Unersetzliche 144, 160 Unkraut, menschliches 138 Unterdrückung 23, 24 Venedig, 43, 72 Verführung 23 Vergährreifen 44 Vergeltung 92, 140, 147, !55 Verlagssystem 27, 39 Verschwiegenheit 142, 151 Verwaltungsgliederung 58

Viehzucht 25, 51, 95, 102 - Anreize für Industrie 51 - Fütterungsfragen 52, 102 - Stallungen 103 Volkswohlstand 47, 68 Voraussicht 151 Vorgesetzte 158 Vorsehung 144 Walnüsse 127 Wanderschaft 30, 32, 34, 150, 158 Warenmasse 69 Wertschöpfung 47, 69 Wetzlar 66, 88 Wirkelei 101 Wirken, negatives 92 Wirksamkeitstrieb 92, 114 Wirtschaft 18 Wirtschaftspolitik 14, 17, 42 Wirtschaftsraum 122 Wiesenbau 52, 104 Willenseinfluß 118 Wohlstand 14, 46, 54, 64, 117, 138 Wohlstandsgleichgewicht 31 Wollmanufaktur 86 Xenomanie, deutsche 123 Zizfabriken 73, 89 Zufriedenheit, schädliche 141 Zunftförderung 32, 34 Zunftzwang 28 Zwangsmittel 21