Sachenrecht in programmierter Form [Reprint 2020 ed.] 9783112313541, 9783112302439


197 14 28MB

German Pages 412 [420] Year 1970

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
INHALTSÜBERSICHT
Vorwort
Hinweise für den Bearbeiter
Kap. I. Der unmittelbare Besitz
Kap. II. Der Besitzschutz
Kap. III. Der mittelbare Besitz
Kap. IV. Das Eigentum
Kap. V. Das Eigentümer-Besitzerverhältnis
Kap. VI. Ansprüche auf Störungsfreiheit
Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb
Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb
Kap. IX. Andere Arten des Eigentumserwerbs
Kap. X. Das materielle Grundstücksrecht
Kap. XI. Das formelle Grundstücksrecht
Kap. XII. Die Verkehrshypothek (Entstehung und Inhalt)
Kap. XIII. Die Verkehrshypothek (Geltendmachung und Wandlungen)
Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte
Kap. XV. Andere beschränkt dingliche Rechte an Grundstücken
Kap. XVI. Beschränkt dingliche Rechte an beweglichen Sachen und an Rechten
Anhang
Recommend Papers

Sachenrecht in programmierter Form [Reprint 2020 ed.]
 9783112313541, 9783112302439

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Sachenrecht in programmierter Form von

Dr. Hermann Dilcher o. Professor an der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam mit Norbert Berger, Wilm Brepohl, Ludwig Jörder, Heinz Klinkhammer, Heinz Koch, Jürgen Körnig, Norbert Natzel und Jochen Spilker

Walter de Gruyter & Co. Berlin 1970

© Copyright 1970 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer Karl J. Trübner - Veit & Comp., Berlin 30 - Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten - Archiv-Nr. 27 67 70 1 - Satz: Studio Feldafing - Druck: Mercedes-Druck, Berlin - Printed in Germany

INHALTSÜBERSICHT

Vorwort Hinweise für den Bearbeiter

V IX

Kap. I Kap. II Kap. III

Der unmittelbare Besitz Der Besitzschutz Der mittelbare Besitz

1 25 53

Kap. IV Kap. V Kap. VI

Das Eigentum Das Eigentümer-Besitzerverhältnis Ansprüche auf Störungsfreiheit

74 93 124

Kap. VII Kap. VIII Kap. IX

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb Gutgläubiger Eigentumserwerb Andere Arten des Eigentumserwerbs

146 172 196

Kap. X Kap. XI Kap. XII Kap. XIII

Das materielle Grundstücksrecht Das formelle Grundstücksrecht Die Verkehrshypothek (Entstehung und Inhalt) Die Verkehrshypothek (Geltendmachung und Wandlungen) Die übrigen Grundpfandrechte Andere beschränkt dingliche Rechte an Grundstücken

224 253 278

Kap. XIV Kap. XV Kap. XVI

Anhang

Beschränkt dingliche Rechte an beweglichen Sachen und an Rechten Muster eines Grundbuchblattes Verzeichnis aller Wiederholungsfragen und Zusammenfassungen

304 324 . . 349

378 Anhang I

Anhang VI

VORWORT

Dieses Buch wendet sich in erster Linie an Studenten, die bereits Grundkenntnisse des Allgemeinen Teils und des Schuldrechts besitzen und sich erstmals mit den Problemen des Sachenrechts befassen wollen. Ihnen soll der Zugang zum System des Sachenrechts durch die Programmierung des Stoffes erleichtert werden. — Das programmierte Sachenrecht ist jedoch nicht ausschließlich für Studenten bestimmt. Außerhalb des Rechtsunterrichts an der Universität soll es flir Akademieabsolventen und solche Personengruppen von Nutzen sein, die sich mit Vorkenntnissen im Vertragsrecht den Fragestellungen des Sachenrechts zuwenden wollen. Ausgangspunkt für den Plan zur Herstellung des Lehrprogramms war die Feststellung, daß die akustische Informationsvermittlung in der Vorlesung, besonders bei großer Teilnehmerzahl, für die meisten Hörer nicht der beste Weg ist, sich mit einem neuen Wissensgebiet vertraut zu machen. Eine Untersuchung der Ursachen hierfür ergab, daß die Vorlesung von allen Hörern die gleiche, vom Vortragstempo bestimmte Lerngeschwindigkeit verlangt, obwohl nur eine relativ kleine Zahl von Hörern in der Lage ist, gerade in dieser Geschwindigkeit einen neuen Gedanken richtig aufzunehmen und zu verarbeiten. Diejenigen Studenten, die die vorgetragene Problematik auch rascher verstanden hätten, sehen ihre Zeit verschwendet, während viele andere, die (gleich aus welchen Gründen) nicht in der Lage sind, ihre Lerngeschwindigkeit dem Vortragstempo anzupassen, ohne Lernerfolg und unzufrieden den Raum verlassen. In Bochum vorgenommene Tests ergaben, daß schon bei 60 Versuchspersonen die langsamste und die rascheste Aufnahme- und Lerngeschwindigkeit weit voneinander abweichen; für das zur Anwendung befähigende Verstehen einer in 45 Minuten vorlesungsmäßig vorgetragenen Stoffmenge aus dem Bereich des Familienrechts wurden bei individuell gesteuertem Lernen am Tonbandgerät des Sprachlabors zwischen 30 und 90 Minuten benötigt 1 . Die Nachteile der raschen Vergänglichkeit und der Unwiederholbarkeit des in der Vorlesung gesprochenen Wortes könnten zwar bei einer Speicherung. des Stoffes auf Tonbändern vermieden werden; es sind jedoch bei weitem nicht alle Studenten im Besitz einer Wiedergabemöglichkeit für tonbandgespeicherte Informationen. Vor allem fällt es den meisten Menschen leichter, optisch Dargebotenes aufzunehmen; deshalb mußte der Ausweg im Bereich der optischen Informationsvermittlung gesucht werden. — Hier gibt es ein breites Angebot an Lehrbüchern. Sie bieten dem Leser ihren Stoff beliebig wiederholbar an. Untersuchungen ergaben jedoch, daß zahlreiche Studenten es für zu schwierig 'Einzelheiten hierzu sind in JuS 1968, 3 9 1 - 3 9 2 berichtet.

V

Vorwort halten, sich vom herkömmlichen Lehrbuch ausgehend ein neues Wissensgebiet zu erschließen. Die Anfängerschwierigkeiten rühren häufig daher, daß viele der vorhandenen Lehrbücher zu umfangreiche Vorkenntnisse voraussetzen und zum anderen dem Leser keine Selbstkontrolle darüber ermöglichen, ob er die gelesene Information richtig verstanden hat. Vermieden werden diese Nachteile durch die Methode der Programmierung des Lernstoffes. Nach ihr wird der Stoff in möglichst kleine, überschaubare Abschnitte aufgeteilt, bei denen der Bearbeiter sein Verständnis der jeweiligen Information durch die Beantwortung einer angefügten Kontrollfrage sogleich selbst überprüfen kann. Außerdem wird durch die Beantwortung dieser Frage das neu erworbene Wissen gefestigt. Der Vorteil eines schriftlich fixierten und dem Bearbeiter ausgehändigten Stoffprogramms besteht ferner darin, daß die reinen Lernvorgänge nicht mit dem Zwang zur Anwesenheit im Hörsaal verknüpft sind, sondern zu beliebiger Zeit (besonders bei Konkurrenz mit gleichzeitigen Übungsarbeiten), an beliebigem Ort und in beliebiger Dauer vorgenommen werden können. So wird eine optimale Individualisierung des Lernprozesses erreicht 2 . Um eine diesen Erfordernissen entsprechende Aufbereitung des Sachenrechtsstoffes zu erreichen, wurde an der Ruhr-Universität Bochum, nach vorbereitenden Diskussionen mit Fachvertretern der Pädagogik, der Psychologie und der Kybernetik, eine Arbeitsgruppe gebildet, der ein Professor, zwei Assistenten und sechs Bochumer Studenten angehörten. Diese Arbeitsgruppe verfaßte in der Zeit vom Sommer 1968 bis zum Winter 1969 auf der Grundlage von Literatur und Rechtsprechung einen Programmtext, der im Wintersemester 1969/70 von mehr als 500 Bochumer Studenten mit dem Ziel durchgearbeitet wurde, Verständnisschwierigkeiten aufzudecken. Die Ergebnisse der in Fragebogen, Tests und persönlichen Gesprächen geäußerten Kritik faßte eine andere Arbeitsgruppe zusammen, der auch ein Assistent des Instituts für Pädagogik an der TH Aachen angehörte. Aufgrund der gewonnenen Verbesserungsvorschläge wurde von den Mitgliedern beider Arbeitsgruppen der vorliegende Text formuliert. — Auch er dürfte nach den Erfahrungsberichten über Lehrprogramme aus anderen Fachgebieten in Einzelpunkten noch verbesserungsbedürftig sein. Deshalb werden alle Bearbeiter des Programms eingeladen, ihre Erfahrungen mit dem programmierten Rechtsstoff und ihre eventuellen Verbesserungsvorschläge (unter der Anschrift: Professor Dr. H. Dilcher, 463 Bochum, Ruhr-Universität) mitzuteilen. Die Verfasser sind sich allerdings bereits jetzt der Tatsache bewußt, daß eine weitere Verbesserung der Lernsituation folgende Probleme aufwirft: Die im BGB verwendete, vom Sprachgebrauch des ausgehenden 19. Jahrhunderts geprägte 2

E i n z e l h e i t e n und Literaturhinweise zur T h e o r i e d e s programmierten Lehrens und L e r n e n s sind in JZ 1 9 7 0 , 2 1 4 f f v e r ö f f e n t l i c h t .

VI

Vorwort Ausdrucksweise erzeugt für den heutigen Studenten zunehmende Verständnisschwierigkeiten rein sprachlicher Natur. Deshalb wurde von Bochumer Studenten vielfach der Wunsch nach einer Modernisierung der Rechtssprache geäußert. Die Verfasser bemühten sich, dem dadurch zu entsprechen, daß sie die erläuternden Beispiele im Programm nach dem Sprachverständnis unserer Zeit formulierten. Sie konnten jedoch nicht außer acht lassen, daß es wegen der Rechtsverbindiichkeit des BGB-Textes für den Juristen unerläßlich ist, auch die Sprache des Gesetzgebers verstehen und handhaben zu lernen. Der damit — wie mit dem Gebrauch einer Fremdsprache — verbundene Verfremdungseffekt konnte nach Lage der Dinge durch das vorliegende Programm nur gemildert, nicht aber beseitigt werden. Zum zweiten entspricht der Aufbau des vorliegenden Sachenrechtsprogramms noch der herkömmlichen Stoffolge sachenrechtlicher Darstellungen. Die Verfasser wissen, daß diese Stoffolge pädagogischen Ansprüchen an einen lerngerechten Aufbau wenig Rechnung trägt, weil sie vorwiegend gesetzessystematisch orientiert ist. Im Zuge einer Fortentwicklung des Programms wird es später sicher möglich sein, eine primär pädagogisch determinierte Stoffolge zu erreichen. Die bereits hierzu angestellten Überlegungen zeigen jedoch, daß noch eingehende Voruntersuchungen, insbesondere zum Vorkenntnisstand der Programmbenutzer und zu ihrer Lernmotivation erforderlich sind. Diese Untersuchungen sind bereits eingeleitet; vor ihrem Abschluß könnte eine Veränderung der Stoffolge nicht als Ergebnis wissenschaftlicher Überlegungen begründet werden. Schließlich war es auch noch nicht möglich, die im Sachenrecht besonders wichtige Verbindung zwischen den Rechtsnormen und den von ihnen erfaßten wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen mit der für einen erfolgreichen Lernprozeß nötigen Überschaubarkeit herauszustellen. Um ein über die Normzusammenhänge hinausreichendes Verständnis des sozialen Geschehens zu vermitteln, bedarf es noch einer langwierigen Einarbeitung wirtschafts- und gesellschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse in den juristischen Bereich. Im vorliegenden Programmtext werden die drei klassischen Sachenrechtsbereiche des Besitzes, des Eigentums und der beschränkt dinglichen Rechte in 16 Kapiteln abgehandelt: Zunächst der Besitz als tatsächliches Verhältnis zu einer Sache, dann das Eigentum als Rechtsmacht über eine Sache und schließlich die beschränkt dinglichen Rechte als Abspaltungen von Einzelbefugnissen aus dem Gesamtrecht des Eigentümers. Diese 16 Programmkapitel können nur als Einführung in das Grundwissen des Sachenrechts verstanden werden. Sie vermitteln das unerläßliche Minimum an juristischem Handwerkszeug für eine anschließende selbständige Weiterarbeit des Programmbenutzers: Diese Weiterarbeit kann einmal in der Form des SelbststuVII

Vorwort diums erfolgen. Zu dessen Erleichterung werden am Ende jedes Kapitels sog. Vertiefungshinweise auf besonders wichtige Fragen des behandelten Stoffes und auf die einschlägigen Fundstellen in der Rechtsprechung und den von den Verfassern als grundlegend angesehenen Lehrbüchern von Baur und Westermann gegeben. Die Verfasser halten jedoch nach allen bisherigen Erfahrungen das ausschließlich in Alleinarbeit vollzogene Lernen nicht für den günstigsten Weg, in ein neues Wissensgebiet einzudringen. Vielmehr empfehlen sie den Programmbenutzern, sich nach individueller Durcharbeit eines Programmkapitels mit anderen Bearbeitern in Arbeitsgruppen zusammenzufinden und dort die aufgetretenen Rechtsprobleme weiter zu behandeln. Auf diese Weise wird die für Juristen wesentliche Fähigkeit des Denkens und Redens in Thesen und Antithesen geübt; ferner steht zu erwarten, daß im größeren Kreise möglichst viele Aspekte der neuen Problematik sichtbar gemacht und erörtert werden. Besonderer Dank der Verfasser gilt Herrn Professor Dr. Johannes Zielinski, dem Direktor des Instituts für Pädagogik an der Technischen Hochschule Aachen, der gern bereit war, sein Fachwissen und seine großen Erfahrungen für den Schritt in das pädagogische Neuland eines programmierten Rechtsunterrichts zur Verfügung zu stellen. Ebenso gilt der Dank der Verfasser seinem Assistenten, Herrn Friedhelm Beiner, der mit besonderem Interesse an der Verbesserung des ersten Programmentwurfes mitgearbeitet hat und den Juristen vielfache Anregungen aus der Pädagogik nahebringen konnte. Auch Herrn stud. iur. Harald Kunst sei hier für seine Mitarbeit bei der Programmüberarbeitung gedankt. Nicht zuletzt gilt der Dank der Verfasser Fräulein Maria Hackert, die unermüdlich und unverdrossen bereit war, die aufgrund neuer Versuche und neuer Überlegungen immer wieder abgeänderten Textfassungen zu Papier zu bringen.

VIII

HINWEISE ZUR TECHNIK DES P R O G R A M M I E R T E N L E R N E N S

Die meisten Programmbenutzer werden zum ersten Mal mit einem programmierten Lernstoff arbeiten. Deshalb sollen einige Hinweise über die zweckmäßige Art der Programmbearbeitung vorangestellt werden: Das Lehrprogramm ist eingeteilt in Kapitel und Lernelemente. Jedes der Lernelementen. 16 Kapitel des Programms besteht aus durchschnittlich 20-25 Jedes dieser Lernelemente ist so aufgebaut, daß dem Bearbeiter zunächst eine Information gegeben wird. Sie enthält einen abstrakten juristischen Lehrsatz, der — soweit es den Verfassern erforderlich schien — durch Beispiele verdeutlicht wird. Der Informationstext nimmt in den meisten Fällen Bezug auf einen oder mehrere §§, die stets nachgelesen werden sollten, weil andernfalls die Information unvollständig bleibt. Der für die Information wichtigste § ist vor dem Informationstext herausgehoben, ein Leitwort zum Inhalt der Information steht auf jeder Seite oben in Fettdruck. Der Information schließt sich eine Frage an (im Druck mit dem Buchstaben F gekennzeichnet); gelegentlich werden auch zwei Fragen zu einer Information gestellt. Die Fragen veranlassen die Bearbeiter, den abstrakten Inhalt der Information in einer Antwort zu konkretisieren. — Die Fragen haben also nicht die Funktion einer „Prüfung", sondern sind Teil des Lernstoffes selbst; sie sind deshalb so gewählt, daß sie anhand der vorangehenden Informationen beantwortet werden können. Unten auf jeder Seite ist Raum für die Niederschrift der Antwort vorgesehen. Nach allen Erfahrungen mit programmiertem Lernen wird nur in (schriftlich) fixierten Antworten die Umsetzung der abstrakten Information in ihre konkrete Anwendung exakt und nicht nur unbestimmt vollzogen; es gilt der Satz: „Nur was niedergeschrieben wurde, wird behalten". Deshalb sollte auch, worauf zu Beginn jedes Kapitels erneut hingewiesen wird, die schriftliche Antwort eine kurze Begründung erhalten, in die, soweit möglich, die für die Begründung maßgeblichen §§ eingefügt werden. — Das Lernziel besteht bei jedem Lernelement darin, die abstrakte Information, ihre gesetzlichen Grundlagen und einen Fall ihrer Anwendung zu behalten. Um dem Programmbearbeiter die Selbstkontrolle zu ermöglichen, ob seine Antwort richtig und damit seine Lernleistung erfolgreich war, ist auf dem folgenden Blatt oben (im Druck mit dem Buchstaben A gekennzeichnet) von den Verfassern eine Musterantwort vorgegeben. Ihr sollte die vom Bearbeiter niedergeschriebene Antwort sinngemäß entsprechen. — Ist dies nicht der Fall, sollten Information und Frage anhand der jetzt bekannten Musterantwort erneut durchdacht werden, um so den Fehlschluß sogleich zu berichtigen. Kommt der

IX

Hinweise zum programmierten Lernen Bearbeiter auch dabei zu keinem anderen Ergebnis, empfiehlt es sich, das Problem mit anderen Programmbearbeitern zu besprechen oder die am Ende des Kapitels angeführte Vertiefungsliteratur zu Rate zu ziehen. Aus dem Grundsatz, dem Bearbeiter die Selbstkontrolle seines Lernprozesses durch zunächst verdeckt gehaltene Antworten zu ermöglichen, folgt die zunächst ungewöhnlich erscheinende Satzanordnung des „scrambled book": Wenn die Musterantworten bei Bearbeitung der Frage verdeckt bleiben sollen, können sie erst auf dem nächsten Blatt stehen. Dies hat zur Folge, daß nur die rechte Seite des aufgeschlagenen Buches bedruckt werden kann. Links würden freie Rückseiten bleiben; um solche Platzverschwendung und die damit verbundenen Mehrkosten zu vermeiden, wird der Programmtext von der Hälfte an umgedreht, d.h. von hinten nach vorn gedruckt. Der Bearbeiter befaßt sich demnach nur mit der rechten Seite des aufgeschlagenen Buches, während links ein auf dem Kopf stehender Text gedruckt ist. Hat der Bearbeiter die Hälfte des Programms bearbeitet, so dreht er das Buch um, womit ihm der zuvor auf dem Kopf stehende Text nunmehr als rechte Seite vorliegt.

X

Die Verfasser empfehlen, bei der Bearbeitung des Lernprogramms folgende Regeln zu beachten: 1. Lesen Sie den Informationstext durch und schlagen Sie die darin genannten §§ auf jeden Fall im Gesetz nach. — Sodann durchdenken Sie beides und versuchen Sie, sich die neuen Begriffe und Definitionen einzuprägen. 2. Die anschließende Frage müßten Sie nun beantworten können. — Scheuen Sie nicht die Mühe, Ihre Antwort im dafür vorgesehenen Raum auf der unteren Seitenhälfte niederzuschreiben, weil sich dadurch die Problematik besser einprägt und das Behalten des neuen Stoffes gefördert wird. Auch wird nur auf diese Weise die erstrebte Selbstkontrolle des Lernerfolges gewährleistet. (Sollten Sie eine mehrfache Benutzung des Programmtextes bzw. einen Weiterverkauf beabsichtigen oder ein in der Bibliothek entliehenes Exemplar benutzen, so können Sie Ihre Antworten auch auf Einlegebogen niederschreiben.) 3. Blättern Sie erst jetzt zur folgenden Seite weiter, auf der Sie oben eine Musterantwort finden. Wenn Sie diese vor Ihrer Beantwortung der Frage lesen, bringen Sie sich selbst um den Lernerfolg! - War Ihre Antwort sinngemäß richtig, so wissen Sie nun, daß Sie die Information verstanden haben. Sie können sich Information, Frage und Antwort nochmals genau einprägen, damit sie Ihnen in Zukunft geläufig bleiben. — Andernfalls sollten Sie den Fehler durch Rückschlüsse aus der vorgegebenen Antwort beseitigen und sich dann das richtige Ergebnis sorgfältig einprägen. 4. Nach jeweils einigen Lernelementen finden Sie Wiederholungsfragen eingeschoben. Dies sind keine Zusätze für besonders eifrige Bearbeiter, sondern notwendige Bestandteile des Grundlernstoffes. Sie ermöglichen dem Bearbeiter nach zwischenzeitlicher Beschäftigung mit anderen Fragen die Kontrolle, ob er den Stoff früherer Informationen richtig behalten hat und bewirken mit ihrem Rückgriff auf früheren Lernstoff eine Art Intervalltraining für das Gedächtnis. — Dasselbe gilt für die Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels. Auch ihre Fragen dienen der notwendigen Abrundung des Lernvorgangs und sollten daher keinesfalls überschlagen werden. — Wenn Sie später beabsichtigen, sachenrechtliche Grundprobleme zu repetieren, so finden Sie auf der letzten Seite des Buches verzeichnet, welche Seiten des Programms die Wiederholungsfragen und Zusammenfassungen enthalten. 5. Nach den bisherigen Erfahrungen der Bochumer Studenten sollten Sie keinesfalls mehr als ein Kapitel in einem Zuge durcharbeiten. Die reine XI

Bearbeitungszeit für den Stoff eines Kapitels beträgt durchschnittlich etwa 2—3 Stunden. — In jedem Falle sollten Sie nach höchstens einer Stunde Arbeitszeit sowie bei Beginn von Ermüdung oder Lernunlust eine Pause einlegen. Lernarbeit ohne entsprechende Aufnahmefähigkeit ist Zeitverschwendung. 6. Nach Maßgabe Ihrer Zeitdispositionen sollten Sie von der zu jedem Kapitel angegebenen Vertiefungsliteratur Gebrauch machen. Erst sie kann Ihnen die erforderliche Vollständigkeit des Wissens verschaffen! 7. Nach Bearbeitung eines Kapitels — und vielleicht einem ersten Blick in die Vertiefungsliteratur — sollten Sie sich mit anderen Programmbearbeitern in einer Arbeitsgruppe von etwa 3—7 Teilnehmern zusammenfinden, um die Ihnen diskussionsbedürftig erscheinenden Punkte dort zu besprechen. Sie werden feststellen, wie nutzbringend die Diskussion der einzelnen Fragen sein kann. Die Verfasser wünschen Ihnen einen guten Lernerfolg.

IIX

Kapitel I DER

BESITZ

Das nachfolgende Kapitel will Sie über die juristische Bedeutung des Begriffes „Besitz" und über die einzelnen Aspekte seiner Verwendung in der Rechtsdogmatik des BGB informieren.

Übersicht: Grundbegriffe Besitzdiener Teilbesitz Mitbesitz Eigen- und Fremdbesitz Besitzerwerb Besitzverlust Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1-4 5—7 8 9-10 11 12—15 16—18 19

1 1 Dilcher, Sachenrecht

Kap. I. Besitz

1.

Grundbegriffe

§854

In der Sprache des täglichen Lebens werden die Ausdrücke Eigentum und Besitz meist gleichbedeutend verwendet. Das Sachenrecht des BGB dagegen unterscheidet streng zwischen Eigentum und Besitz. Eigentum ist nach § 903 BGB das Recht, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren und jeden anderen von der Einwirkung auf die Sache auszuschließen; der Ausdruck Eigentum bezeichnet also die Rechtsherrschaft einer Person über eine Sache. — Besitz dagegen ist nach § 854 BGB die Bezeichnung für die tatsächliche Sachherrschaft. Eigentümer und Besitzer einer Sache können identisch sein; oft sind es verschiedene Personen. F:

Ist ein Dieb Besitzer der gestohlenen Sache? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

2

l*

Kap. I. Besitz A:

Grundbegriffe

Ja, da er die tatsächliche Sachherrschaft ausübt.

2.

Zunächst soll in Kap. I—III der Besitz behandelt werden, ab Kap. IV folgt dann das Eigentum. Rechtserheblich wird der Besitz vor allem in zwei Fällen: Einmal wird der Besitzer einer Sache geschützt, wenn jemand seinen Besitz beeinträchtigt (hierzu Kap. II). Zum anderen erfordert die Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen, daß der Erwerber Besitz an der Sache erhält (hierzu Kap. VII und Kap. VIII).

3

Kap. I. Besitz

Grundbegriffe

3. Besitz bedeutet nach § 8 5 4 BGB tatsächliche Sachherrschaft. Wann diese vorliegt, ist im Gesetz nicht geregelt, sondern bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung, d.h. nach der Durchschnittsmeinung des Personenkreises, für den die Frage zu entscheiden ist. Grundsätzlich kann gesagt werden, daß Sachherrschaft sich in erster Linie aus enger räumlicher Beziehung ergibt, z.B. an Sachen in den Kleidertaschen. Ohne enge räumliche Beziehung besteht Sachherrschaft am Inhalt von Behältnissen für denjenigen, der den Schlüssel besitzt; so besteht z.B. Sachherrschaft für den Wohnungsschlüsselbesitzer an allen Wohnungsgegenständen. — Ohne enge räumliche Beziehung und ohne Verschluß bejaht die Verkehrsanschauung schließlich eine Sachherrschaft, wenn an der Sache erkennbar ist, daß jemand sie beansprucht, z.B. ein unversperrt geparktes gebrauchsfähiges Fahrrad oder im Wald geschichtetes Holz. Sachherrschaft ist erkennbar 1. an der Nähe des Besitzers, (in entsprechender Rangfolge) 2. am Verschluß, 3. an der Sachpflege. Fl:

B hat im Lokal den Mantel des A versehentlich mit seinem eigenen verwechselt und mitgenommen. Bleibt der A Besitzer seines Mantels, weil sein Name im Mantelfutter eingenäht ist?

F 2: Der Bauer B hat ein gebrauchsfähiges Ackergerät 10 km vom Hof entfernt am Feldrand abgestellt und sich entfernt. Ist er Besitzer dieses Gerätes?

4

Kap. I. Besitz

Grundbegriffe

A 1: Nein, da B durch das Anziehen des Mantels eine vorrangige Sachherrschaft begründet hat. A 2 : Ja, da für ein gebrauchsfähiges, ordentlich abgestelltes Gerät von der Verkehrsanschauung eine Sachherrschaft bejaht wird.

4.

§ 8 5 6 Abs. 2

Der Besitz besteht gemäß § 8 5 6 Abs. 2 BGB auch dann fort, w e n n der Besitzer nur vorübergehend verhindert ist, die Sachherrschaft auszuüben. F:

Der Fuhrunternehmer A, der mit seinem LKW eine zweiwöchige Auslandsfahrt ausführen muß, parkt während dieser Zeit den zugehörigen Anhänger auf einem öffentlichen Platz. Infolge eines Unfalls muß A für ein Vierteljahr in einem ausländischen Krankenhaus verweilen. Bleibt er auch nach zwei Monaten noch Besitzer des Anhängers?

5

Kap. I. Besitz

Besitzdiener

A:

Ja, da seine Verhinderung an der Ausübung der Sachherrschaft nur vorübergehend ist, § 856 Abs. 2 BGB.

5.

§ 855

Die Definition des Besitzers als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft muß nunmehr eingeschränkt werden, denn trotz tatsächlicher Sachherrschaft wird ein sog. Besitzdiener nicht als Besitzer gewertet: Besitzdiener ist nach § 855 BGB, wer die tatsächliche Sachherrschaft nach den Weisungen eines anderen (des Besitzherrn) ausübt. Beim Besitzherrn entsteht auf diese Weise ein Besitz ohne tatsächliche Sachherrschaft des Besitzers. F:

Was ist das wesentliche Merkmal der Besitzdienerschaft?

6

Kap. I. Besitz A:

Besitzdiener

Die Sachherrschaft wird nach den Weisungen eines anderen ausgeübt.

6. Zumeist wird die Weisungsgebundenheit des Besitzdieners für sein Verfahren mit der Sache durch ein Arbeitsverhältnis begründet. Aber auch das Familienrecht unterwirft z.B. Kleinkinder hinsichtlich der in ihrer Sachherrschaft stehenden Gegenstände den Weisungen ihrer Eltern. F:

Ist der Ladenangestellte Besitzer oder Besitzdiener der Gegenstände, die er dem Kunden vorlegt?

7

Kap. I. Besitz A:

Besitzdiener

Er ist als angestellter Verkäufer der Besitzdiener des Geschäftsinhabers, weil er dessen Weisungen bezüglich der Sachen folgen muß.

7.

Daß jemand die Sachherrschaft als Besitzdiener ausübt, muß Dritten nicht erkennbar sein. Will allerdings ein Besitzdiener unter Bruch seines Weisungsverhältnisses die Sache künftig für sich selbst beherrschen (was strafrechtlich meist einen Diebstahl oder eine Unterschlagung darstellt), so endet der Besitz des Besitzherrn erst, wenn das Abweichen von den Weisungen für die Ausübung der Sachherrschaft äußerlich erkennbar wird. F:

Der Verkaufsfahrer D, der im Betrieb des B arbeitet, unternimmt für diesen eine einwöchige Geschäftsfahrt. Am Dienstag entschließt er sich, künftig als selbständiger Reisender aufzutreten und trägt sich bei der Übernachtung im Hotel als „selbständiger Kaufmann" ein. Am Donnerstag entfernt D vom Auto und von den Waren die Firmeninschriften des B. Wann verliert B den Besitz?

8

Kap. I. Besitz A:

Erst am Donnerstag, weil erst jetzt die Lösung aus dem Weisungsverhältnis bezüglich der Sachen des B äußerlich erkennbar wird.

Wiederholungsfragen: a)

Grundlage des Besitzes ist die tatsächliche sie bestimmt sich nach der

b)

Wer die tatsächliche Sachherrschaft an einer Sache ausübt, ist entweder oder

c)

Besitzdiener ist nach § aufgrund von

...

BGB derjenige, der die Sachherrschaft des Besitzers ausübt.

9 2 Dilcher, Sachenrecht

Teilbesitz

Kap. I. Besitz A:

a) Sachherrschaft, Verkehrsanschauung b) Besitzer, Besitzdiener c) 855, Weisungen

8.

§ 865

Beim Besitz unterscheidet man verschiedene

Besitzformen:

So ist Besitz nicht nur an einer ganzen Sache möglich, sondern als sog. Teilbesitz auch an abgrenzbaren Sachteilen, insbesondere an Wohnräumen. Gemäß § 865 BGB genießt der Teilbesitzer denselben Besitzschutz wie der Besitzer einer ganzen Sache. F:

Der Untermieter U hat in der Etagenwohnung des M ein möbliertes Zimmer gemietet. Als U mit dem Hauseigentümer E in Streit gerät, dringt E in das Zimmer des U ein. U beruft sich auf seinen Besitz am Zimmer, aber E macht dagegen geltend, Besitz bestehe nur für den M als Mieter der gesamten Etage. Ist diese Auffassung zutreffend?

10 2*

Kap. I. Besitz

Mitbesitz

A:

Nein; auch an einem untervermieteten Einzelzimmer besteht Teilbesitz, da es sich um einen abgrenzbaren Sachteil handelt.

9.

§ 866

In den bisherigen Beispielen wurde immer von einem einzelnen Besitzer ausgegangen. Es kann jedoch ebenso der Fall sein, daß mehrere Personen gleichzeitig Besitzer derselben Sache sind; dann handelt es sich um Mitbesitzer. Mitbesitz bedeutet also, daß mehrere Personen eine Sache oder einen abgrenzbaren Sachteil gemeinschaftlich besitzen, § 866 BGB: Jeder Mitbesitzer ist in seiner Sachherrschaft über die ganze Sache eingeschränkt durch die gleichzeitige Sachherrschaft der übrigen Mitbesitzer. — Im Mitbesitz stehen z.B. gemeinsame Einrichtungen in Mietshäusern, wie Treppenhäuser und Waschküchen. F:

A, B und C sind Untermieter in der Wohnung des X. Dort gibt es nur ein Badezimmer, über dessen Benutzung sich X, A, B und C verständigt haben. Welche Besitzform besteht für den A am Badezimmer?

11

Mitbesitz

Kap. I. Besitz A:

Teilmitbesitz, weil X, A, B und C a) das Zimmer gemeinschaftlich beherrschen und b) das Zimmer einen abgrenzbaren Sachteil darstellt.

10.

Beim Mitbesitz unterscheidet man nach Art der Ausübung zwei Formen, den schlichten Mitbesitz und den Mitbesitz zur gesamten Hand: Während bei schlichtem Mitbesitz die Sachherrschaft von jedem Mitbesitzer allein ausgeübt werden kann (und er nur auf die Sachherrschaft der anderen Mitbesitzer Rücksicht nehmen muß), ist beim Gesamthandsmitbesitz für die Ausübung der Sachherrschaft das Zusammenwirken aller Mitbesitzer erforderlich.

(schlichter Mitbesitz) F:

(Gesamthandsmitbesitz)

a) Ein Behälter läßt sich nur bei gleichzeitiger Betätigung von zwei Schlüsseln öffnen; einen Schlüssel hat der A, den anderen der B.

b) Zum Safe des A haben er und seine Ehefrau gleiche Schlüssel. Welche Besitzform liegt jeweils vor?

12

Kap. I. Besitz A:

Eigen- und Fremdbesitz

a) Am Inhalt des Behälters haben A und B Gesamthandsmitbesitz; b) am Inhalt des Safes haben A und seine Ehefrau schlichten Mitbesitz.

11.

§872

Eine weitere Unterscheidung, die das Sachenrecht vielfach erforderlich macht, geht von der Willensrichtung des Besitzers aus: Beim Eigenbesitz ist der Wille des Besitzers darauf gerichtet, die Sache als ihm gehörend zu besitzen, § 872 BGB. Beim Fremdbesitz hingegen will der Besitzer seine Sachherrschaft mit Rücksicht auf einen anderen, dem er sich rechtlich verantwortlich sieht, ausüben; Fremdbesitzer ist z.B. der Mieter. — Vom Besitzdiener unterscheidet sich der Fremdbesitzer dadurch, daß er als Besitzer bei der Ausübung seiner Sachherrschaft nicht weisungsgebunden ist. F:

Welche der folgenden Personen ist Eigenbesitzer: Der Eigentümer eines Fahrrades, der Entleiher eines Fahrrades, der Dieb eines Fahrrades, der mit dem Firmenfahrrad Brötchen ausfahrende Bäckerlehrling?

13

Kap. I. Besitz A:

Eigenbesitzer sind der Eigentümer und der Dieb, weil sie die Sache als ihnen gehörend besitzen. Fremdbesitzer ist der Entleiher, da er für seinen Besitz dem Verleiher verantwortlich ist. Der Lehrling ist kein Besitzer, sondern Besitzdiener.

Wiederholungsfragen: Als einzelne Besitzformen können Sie jetzt unterscheiden a) den Besitz an einer ganzen Sache vom Sachteil, b) den Alleinbesitz eines Besitzers vom Besitzer, c) den

am

mehrerer

vom Fremdbesitz.

14

Kap. I. Besitz A:

12.

Besitzerwerb

a) Teilbesitz b) Mitbesitz c) Eigenbesitz

§ 8 5 4 Abs. 1.

N a c h d e m die einzelnen B e s i t z f o r m e n geklärt sind, geht es n u n m e h r u m die Frage, in w e l c h e r Weise d e r Besitz v o n einem Besitzer auf d e n a n d e r e n übergeht: G e m ä ß § 8 5 4 Abs. 1 BGB ist z u m E r w e r b des u n m i t t e l b a r e n Besitzes an einer Sache die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erforderlich. Streitig ist, ob daneben als subjektives Element noch ein Besitzerwerbswille vorhanden sein muß: Die herrschende Meinung bejaht dies. Sie verlangt allerdings nicht, daß dieser Wille beim Besitzerwerb an der einzelnen Sache konkretisiert sein muß, sondern begnügt sich mit dem sog. generellen Besitzerwerbswillen , mit welchem Besitzerwerb auch an solchen Sachen, die nur ihrer Art nach bestimmt sind, als gewollt anzusehen ist; das bedeutet z.B., daß an allen in den Wohnungsbriefkasten eingeworfenen Postsendungen Besitz begründet wird, auch wenn der Empfänger vom Einwurf keine Kenntnis hat. — Der Gegenmeinung genügt zur Besitzbegründung die objektive Einfügung in den Herrschaftsbereich; das bedeutet z.B., daß auch an bestimmungswidrig in den Briefkasten eingeworfenem Diebesgut Besitz begründet wird. F:

Der D hat bei einem Besuch in der Wohnung des X ohne dessen Wissen dort eine bei A gestohlene Sache versteckt. Ist X Besitzer dieser Sache geworden a) nach der herrschenden Meinung, b) nach der Gegenmeinung?

15

Kap. I. Besitz A:

Besitzerwerb

a) Nach der herrschenden Meinung fehlt dem A an gestohlenen Sachen ein genereller Besitzerwerbswille; deshalb hat er keinen Besitz daran erlangt; b) nach der Gegenmeinung ist die objektive Einfügung in den Herrschaftsbereich des X vollzogen und damit sein Besitz entstanden.

13. Der Besitzerwerb ist nicht von der Geschäftsfähigkeit des Besitzers abhängig, weil Besitz ein tatsächliches Verhältnis bezeichnet; allerdings muß beim Besitzerwerber die zum Verständnis des tatsächlichen Vorgangs erforderliche geistige Reife vorhanden sein. F:

Kann der 15jährige A Besitz an einem Fahrrad erwerben, das ihm seine Eltern zur freien Verfügung überlassen wollen?

16

Kap. I. Besitz A:

Besitzerwerb

Ja, da er die Bedeutung der tatsächlichen Sachherrschaft an diesem Gegenstand einzusehen vermag.

14.

§ 854 Abs. 2

Abweichend vom bisher Gesagten kann der Besitz gemäß § 854 Abs. 2 BGB auch durch bloße Einigung zwischen dem bisherigen Besitzer und dem Besitzerwerber übertragen werden, wenn für den Erwerber die Möglichkeit der Sachherrschaftsausübung besteht. Diese Vorschrift greift ferner ein, wenn ein Besitzdiener zum Besitzer werden soll. Die Einigung ist ein Rechtsgeschäft, auf das die Regeln über Geschäftsfähigkeit, Willensmängel, Stellvertretung usw. Anwendung finden. F:

Der Bauer V will dem Metzger K eine Kuh verkaufen, die sich als einziges Tier auf einer Wiese abseits vom Dorf befindet. Der K kennt diese Wiese, so daß ihn der erkrankte V bittet, die Kuh von der Weide mitzunehmen und sie nach Schlachtgewicht zu bezahlen. So geschieht es auch. Wann erlangt K den Besitz an der Kuh?

17 3 Dilcher, Sachenrecht

Kap. I. Besitz A:

15.

Besitzerwerb

Gemäß § 8 5 4 Abs. 2 BGB wird K bereits im Zeitpunkt der Einigung mit V über den Besitzübergang Besitzer, nicht erst mit der Ergreifung des Tieres.

§ 857

Einen Sonderfall des Besitzerwerbs regelt § 857 BGB. Danach geht der Besitz beim Tode eines Menschen unmittelbar kraft Gesetzes auf den Erben des Verstorbenen über. Hierbei kommt es nicht auf die Erlangung tatsächlicher Sachherrschaft oder darauf an, daß der Erbe von seiner Erbschaft etwas weiß. — Diese Regelung soll den Erben davor schützen, daß Unbefugte den Nachlaß vermindern. F:

Auf der Reise verunglückt der M tödlich. Ein Passant nimmt einen Koffer des M an sich. Wessen Besitz wird dadurch beeinträchtigt, wenn erst nach sechs Monaten der E als Erbe des M ermittelt werden kann?

18

Kap. I. Besitz A:

Der Besitz des E, auf den mit dem Tode des M der Besitz am Koffer gemäß § 857 BGB übergegangen war.

Wiederholungsfrage: Kennen Sie einen Fall, in welchem zum Erwerb des Besitzes Geschäftsfähigkeit des Erwerbers erforderlich ist?

19

Kap. I. Besitz A:

Besitzverlust

Ja, wenn gemäß § 854 Abs. 2 BGB der Besitz durch bloße Einigung übertragen wird, da es sich in diesem Falle um ein echtes Rechtsgeschäft handelt.

16. Nach den Fragen des Besitzerwerbs sollen jetzt die des behandelt werden:

Besitzverlustes

Der Besitz besteht grundsätzlich so lange fort, wie der Besitzer in der Lage ist, die Sachherrschaft auszuüben. Eine nur vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der Sachherrschaft beendet den Besitz nicht (vgl. oben Ziff. 4). F:

Während einer Seereise fällt dem A ein Wertgegenstand über Bord, ein anderer Gegenstand in das Schwimmbecken des Schiffes. Welche Folgen hat dies für die Besitzlage an beiden Gegenständen?

20

Kap. I. Besitz A:

17.

Besitzverlust

Der über Bord gefallene Gegenstand ist für die Sachherrschaft des A verloren; damit endet der Besitz des A. — Der im Schwimmbecken befindliche Gegenstand bleibt im Besitz des A; hier besteht eine nur vorübergehende Verhinderung seiner Sachherrschaft.

§ 856 Abs. 1

Die Sachherrschaft des Besitzers endet entweder freiwillig oder unfreiwillig: Wenn die Sachherrschaft mit dem Willen des Besitzers (= freiwillig) endet, liegt Besitzverlust durch Besitzaufgabe vor. Endet die Sachherrschaft dagegen ohne oder gegen den Willen des Besitzers (= unfreiwillig), so handelt es sich um einen Besitzverlust in anderer Weise (§ 856 Abs. 1 BGB). — Ein unfreiwilliger Besitzverlust vollzieht sich für den Besitzer auch an solchen Sachen, die ein Besitzdiener ohne entsprechende Weisung weggibt oder entgegen seinen Weisungen erkennbar für sich beherrschen will. § 935 BGB bezeichnet den unfreiwilligen Besitzverlust als „Abhandenkommen" und bestimmt, daß kein Dritter an abhanden gekommenen Sachen gutgläubig Eigentum erwerben kann.

F:

Der Verkaufsfahrer H veräußert an den K einen Musterkoffer, der ihm von seinem Geschäftsherrn G als unverkäufliches Muster ausgehändigt worden war. Um welche Form des Besitzverlustes handelt es sich bei G?

21

Kap. I. Besitz A:

Besitzverlust

Da der Besitz des G gegen seinen Willen beendet wurde, liegt Besitzverlust in anderer Weise, d.h. Abhandenkommen vor.

18.

Erfolgt die freiwillige Besitzaufgabe durch tatsächliches Verhalten des Besitzers (und nicht durch Einigung nach § 854 Abs. 2 BGB, vgl. oben Ziff. 14), so setzt der hierbei notwendige Wille des Besitzers (ebenso wie der Besitzerwerbswille, vgl. oben Ziff. 13) keine Geschäftsfähigkeit voraus, sondern nur die natürliche Einsicht in die Bedeutung des Vorgangs. F:

Der 17jährige A hat von seinen Eltern zur Erleichterung des Schulweges ein Fahrrad erhalten. Ohne Wissen der Eltern tauscht er dieses mit B gegen eine Stereo-Anlage. Ist das Fahrrad dem A abhanden gekommen?

22

Kap. I. Besitz A:

Da der 17jährige die tatsächliche Bedeutung der Besitzaufgabe am Fahrrad einsehen konnte, war seine Besitzbeendigung freiwillig; ein Abhandenkommen läge nur bei unfreiwilligem Besitzverlust vor.

19. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 9 , 1 4 und 19): 1.

Der Erwerb des Besitzes erfolgt a) durch Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft, zu der nach herrschender Meinung subjektiv noch ein

-

hinzutreten muß, b ) oder durch

mit dem Vorbesitzer, wenn die Sachherr-

schaft dem Erwerber möglich ist, c) oder gemäß § 2.

. . .

BGB durch Erbfall.

Der Verlust des Besitzes erfolgt a) freiwillig durch

,

b ) oder in anderer Weise, also ohne bzw. gegen den Willen des Besitzers; dies bezeichnet man als 3.

Ein Besitzer, der eine Sache als ihm gehörend besitzt, heißt

-

; den Gegensatz bildet der 4.

Unter Mitbesitzern besteht, wenn jeder von ihnen die Sachherrschaft allein ausüben kann,

; können dagegen nur

alle gemeinsam die Sachherrschaft ausüben, so handelt es sich um

. . -

23

Kap. I. Besitz A:

1. a) genereller Besitzerwerbswille b) Einigung c) 857 2. a) Besitzaufgabe b) Abhandenkommen 3. Eigenbesitzer, Fremdbesitzer 4. schlichter Mitbesitz, Gesamthandsmitbesitz.

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des ersten Kapitels wird empfohlen: Baur, Fritz Lehrbuch des Sachenrechts, 6. Aufl., München, 1970 §§6-8 Westermann, Harry Sachenrecht, 5. Aufl., Karlsruhe, 1966, §§8-16. Besonders wichtig sind die Probleme der (hierzu Baur, § 7 C und Westermann, § 10).

Besitzdienerschaft

24

Kapitel II DER

BESITZSCHUTZ

Der Student B bewohnt bei der Witwe V ein möbliertes Zimmer. Zum Wochenende fährt er regelmäßig nach Hause. Eines Tages kommt er früher als üblich zurück und stellt fest, daß die V ohne sein Wissen über das Wochenende dem Reisenden D gestattet hat, seine umfangreiche Lederwarenkollektion im Zimmer des B zu stapeln. Wie Sie aus dem ersten Kapitel wissen, ist B Besitzer des Zimmers. Für ihn stellt sich die Frage, in welcher Weise sein Besitz geschützt werden kann. Vorschriften, die sich zum Schutz des Besitzes auswirken, enthält einmal das Schuldrecht: So muß z.B. nach § 812 BGB jemand, der durch Leistung eines anderen oder eigenen Eingriff ungerechtfertigten Besitz erlangt hat, diesen herausgeben. Ferner hat nach § 823 Abs. 1 BGB derjenige, der rechtswidrig und schuldhaft den Besitz eines anderen verletzt, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen; dasselbe gilt nach § 823 Abs. 2 BGB, wenn die Besitzbeeinträchtigung gegen ein Schutzgesetz verstoßen hat. Unabhängig von diesen Regeln besteht ein spezifischer Besitzschutz nach sachenrechtlichen Vorschriften, der in diesem Kapitel behandelt werden soll.

Übersicht: Grundbegriffe Selbsthilfe Possessorische Ansprüche Ansprüche aus § 1007 BGB Abholungsanspruch Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

!

Information 1—5 6-11 12-17 18-21 22 23

25 4 Dilcher, Sachenrecht

Kap. II. Besitzschutz

1.

Grundbegriffe

§ 858 Abs. 1

Voraussetzung des sachenrechtlichen Besitzschutzes ist, daß gegen den Besitzer verbotene Eigenmacht verübt wird. Als verbotene Eigenmacht bezeichnet § 858 Abs. 1 BGB Handlungen, die den Besitz widerrechtlich, d.h. ohne die Einwilligung des Besitzers oder ohne gesetzliche Erlaubnis beeinträchtigen; ein Fall gesetzlicher Erlaubnis der Besitzbeeinträchtigung ist z.B. die Notwehr nach § 227 BGB. F:

Aus welchen Gründen kann eine Besitzbeeinträchtigung gerechtfertigt sein? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

4*

26

Kap. II. Besitzschutz A:

Grundbegriffe

Weil die Einwilligung des Besitzers oder eine gesetzliche Eingriffsbefugnis, z.B. Notwehr, vorliegt.

2. Die Einwilligung des Besitzers in die Besitzbeeinträchtigung erfordert nach herrschender Meinung keine Geschäftsfähigkeit, wohl aber die (auch für Besitzerwerb und Besitzaufgabe nötige, vgl. Kap. I, 13 und 18) Einsichtsfähigkeit in die tatsächliche Bedeutung des Vorgangs. Eine Gegenmeinung (z.B. von Westermann vertreten) betrachtet die Einwilligung als Rechtsgeschäft und verlangt dementsprechend das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit. F:

Im Einvernehmen mit dem 17jährigen B nimmt der volljährige A aus dessen Sammlung wertvolle Briefmarken an sich. Hat A damit verbotene Eigenmacht begangen a) nach der herrschenden Meinung, b) nach der Ansicht von Westermann?

27

Kap. II. Besitzschutz A:

Grundbegriffe

a) Nach herrschender Meinung liegt keine verbotene Eigenmacht des A vor, weil B die Einsichtsfähigkeit in die tatsächliche Bedeutung des Vorgangs hat. b) Nach der Ansicht von Westermann kann der 17jährige B gemäß § 111 BGB ohne Mitwirkung seiner Eltern nicht wirksam einwilligen; demnach hat A verbotene Eigenmacht begangen.

3. Verbotene Eigenmacht gibt es nach § 8 5 8 A b s . 1 BGB in d e n F o r m e n der B e s i t z e n t z i e h u n g u n d der Besitzstörung. Besitzentziehung ist die vollständige Beseitigung der Sachherrschaft, z.B. W e g n a h m e der Sache o d e r Versperren des Zutritts. Besitzstörung ist j e d e andere B e e i n t r ä c h t i g u n g des Besitzes, z.B. d u r c h Lärmbelästigung.

F:

Der Hauseigentümer A sperrt seinem Mieter B die Stromzuführung in die Wohnung und läßt an der dem B vermieteten Garage ein neues Schloß einbauen, dessen Schlüssel er behält. Welche Form der Besitzbeeinträchtigung liegt jeweils vor?

28

Grundbegriffe

Kap. II. Besitzschutz A:

Hinsichtlich der Wohnung liegt eine Besitzstörung vor, weil der B dort weder elektrische Beleuchtung noch andere Elektrogeräte benutzen kann. Bei der Garage handelt es sich um Besitzentziehung, weil durch das neue Schloß dem B jede Garagenbenutzung unmöglich gemacht wird.

4. Die

B e s i t z e n t z i e h u n g s - o d e r Besitzstörungshandlung

objektiv

widerrechtlich

muß

lediglich

sein. S u b j e k t i v e E l e m e n t e , wie V e r s c h u l d e n

des T ä t e r s o d e r sein B e w u ß t s e i n d e r R e c h t s w i d r i g k e i t ,

sind n i c h t

erforderlich. F:

Der Regenmantel des B hängt am Kleiderhaken des Gastraumes neben dem Mantel des A, der von gleicher Beschaffenheit ist. Versehentlich nimmt A beim Weggehen den Mantel des B mit. Begeht er damit verbotene Eigenmacht?

29

Kap. II. Besitzschutz

Grundbegriffe

A:

Ja, da es nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Vorgangs ankommt; das evtl. fehlende Verschulden des A ist unerheblich.

5.

§ 858 Abs. 2

Besitzschutz ist nicht nur gegenüber dem Täter der verbotenen Eigenmacht möglich, sondern auch gegenüber dessen Besitznachfolger, wenn dieser der Erbe des Täters ist oder wenn er beim Besitzerwerb von der verbotenen Eigenmacht seines Vorgängers weiß, § 858 Abs. 2 BGB. Im letzteren Falle stellt das BGB ausdrücklich nur auf das Wissen des Besitznachfolgers ab; eine Erkundigungspflicht für denjenigen, der nichts von der verbotenen Eigenmacht weiß, ist nicht vorgeschrieben. Den Besitz des Eigenmachttäters, seines Erben oder seines von der Eigenmacht wissenden Besitznachfolgers bezeichnet das BGB als fehlerhaften Besitz. F 1: Der A erwirbt auf offener Straße von B eine goldene Armbanduhr. Der B hatte, was der A nicht wußte, diese Uhr gestohlen. Ist der Besitz des A fehlerhaft?

F 2: Würde es einen Unterschied machen, wenn A den Besitz als Erbe des B erlangt hätte?

30

Kap. II. Besitzschutz

Selbsthilfe

A 1: Nein, da A die Fehlerhaftigkeit des Vorgängerbesitzes nicht kannte, § 858 Abs. 2 BGB. A 2 : Ja, da A als Erbe des B auch ohne Kenntnis von dessen Tat fehlerhaft besitzt.

6.

§ 859

Gegen verbotene Eigenmacht darf sich der Besitzer wehren. Die Verteidigung noch bestehenden Besitzes heißt Besitzwehr, § 859 Abs. 1 BGB; die Wiederergreifung bereits entzogenen Besitzes nennt man Besitzkehr, § 859 Abs. 2 und 3 BGB. F:

Der A hat bei seinem Geschäftslokal eine Werbefläche gemietet und mit eigener Werbung versehen. Er sieht, daß dort der B unbefugt Werbeplakate der Konkurrenz anbringt. A hindert den B an der weiteren Ausführung und entfernt die schon angebrachten Plakatteile. Welche Formen der Besitzverteidigung liegen jeweils vor?

31

Kap. II. Besitzschutz A:

Selbsthilfe

Die Verhinderung weiteren Anbringens ist Besitzwehr, die Entfernung der angebrachten Plakatteile ist Besitzkehr.

7.

Die Besitzwehr stellt einen Fall der Notwehr dar; das bedeutet, daß eine evtl. Gewaltanwendung nicht über das zur Abwehr gegenwärtiger verbotener Eigenmacht gebotene Maß hinausgehen darf. Die Besitzkehr dagegen ist nicht Notwehr, sondern echte Selbsthilfe, d.h. Verwirklichung eines Anspruchs mittels privater Gewalt. Im Gegensatz zur allgemeinen Selbsthilfe nach § 229 BGB setzt die Besitzkehr nach § 859 Abs. 2 und 3 BGB nicht voraus, daß obrigkeitliche Hilfe nicht zu erreichen ist. F 1: Ein Dieb ist im Begriff, das Fahrrad des A zu entwenden. A hindert ihn gewaltsam daran, indem er mit der Hand auf ihn einschlägt. Ist er hierzu berechtigt?

F 2: A verfolgt den Dieb, um ihm das gestohlene Fahrrad wieder abzunehmen, als er einen motorisierten Polizisten sieht. Muß der A jetzt von der Verfolgung ablassen und sich an den Polizisten wenden?

32

Selbsthilfe

Kap. II. Besitzschutz

A I : Ja, im Rahmen der Besitzwehr nach § 859 Abs. 1 BGB, da die angewendete Gewalt nicht übermäßig ist. A 2: Nein, die von A beabsichtigte Besitzkehr ist nach § 859 Abs. 2 BGB ohne Rücksicht auf obrigkeitliche Einwirkungsmöglichkeiten zulässig.

8. Für die Besitzkehr bestehen unterschiedliche Voraussetzungen bei beweglichen Sachen und bei Grundstücken: Bei Grundstücken darf die Besitzkehr nur sofort erfolgen, § 859 Abs. 3 BGB. Im juristischen Sprachgebrauch muß der Ausdruck „sofort" von den Ausdrücken „augenblicklich" und „unverzüglich" abgegrenzt werden: „Augenblicklich" ist im Wortsinne zu verstehen. — „Sofort" bedeutet, daß nach dem Auslösungstatbestand noch eine objektiv erforderliche Vorbereitungszeit verstreichen darf; die subjektive Kenntnislage hingegen wird nicht berücksichtigt. — „Unverzüglich" bedeutet nach § 121 Abs. 1 BGB, daß zusätzlich auch noch ein entschuldbarer Zeitverlust, z.B. wegen Unkenntnis, eintreten darf. obj ektiv notw. auslösender Tatbestand + Vorbereitungen | 1 = augenblicklich = sofort

subj ektiv notw. + Vorbereitungen 1

= unverzüglich

Zeit

F 1: Der A läßt seinen Garten einzäunen. Dabei wird versehentlich ein Stück des dem B gehörenden Nachbargrundstücks abgetrennt. Der B eilt hinzu und stellt fest, daß er das ihn beeinträchtigende Zaunstück nicht mit der Hand entfernen kann. Darf er den Zaun noch eine Stunde später beseitigen, wenn er erst bis dahin das nötige Werkzeug beschaffen kann?

F 2: Der Zaun wurde während der Urlaubsabwesenheit des B gesetzt. Bei seiner Rückkehr entdeckt und entfernt er ihn. War dies rechtmäßig?

33 5 Dilcher, Sachenrecht

Kap. II. Besitzschutz

Selbsthilfe

A I : Ja; B hat sofort gehandelt, da die Beschaffungszeit objektiv erforderlich war. A 2 : Nein; der B hat zwar unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern gehandelt, aber nicht mehr sofort. Sein Handeln ist rechtswidrig.

9. Im Unterschied zu Grundstücken ist bei Entziehung beweglicher Sachen nach § 859 Abs. 2 BGB die Besitzkehr zulässig, solange der Täter von der frischen Tat her verfolgt werden kann (sog. Nacheile). F:

Der A entdeckt zwei Tage nach einem nächtlichen Einbruch in seine Geschäftsräume am Tatort Hinweise auf die Wohnung des Täters. Darf er dort dem Täter, der ihm auf Klingeln geöffnet hat, die gestohlenen Sachen im Wege der Besitzkehr eigenmächtig wieder abnehmen?

34 5*

Selbsthilfe

Kap. II. Besitzschutz A:

Nein, da der Zusammenhang mit der frischen Tat durch Zeitablauf unterbrochen war.

§ 860

10.

Die Selbsthilferechte des § 859 BGB stehen dem Besitzer nicht nur gegen den Eigenmachttäter selbst, sondern gegen jeden fehlerhaften Besitzer zu, § 859 Abs. 4 BGB. Aktiv Selbsthilfe üben darf nicht nur der Besitzer, sondern nach § 860 BGB auch der Besitzdiener für den Besitzherrn. F 1: Der A hat im Juweliergeschäft des X einen Ring gestohlen. Der bei X angestellte Y verfolgt ihn. Darf Y dem A den Ring abnehmen?

F 2: Wenn A bei seiner Flucht den Ring an B weitergibt, unter welcher Voraussetzung darf dann der Y dem B den Ring abnehmen? Juwelier X

(Diebstahl)

Jl

(Weitergabe)

Angest. Y

35

Selbsthilfe

Kap. II. Besitzschutz

A I : Ja; gemäß § 860 BGB ist er als Besitzdiener des X hierzu berechtigt. A 2 : Unter der Voraussetzung, daß B vom Diebstahl des A Kenntnis hat und deshalb fehlerhaft besitzt, darf Y gegen ihn Besitzkehr üben, §§ 859, 860 BGB.

11.

Der Besitzdiener darf den Besitzschutz durch Selbsthilfe nur zugunsten des Besitzherrn ausüben. Deshalb darf er keine Selbsthilfe üben, wenn ein anderer Besitzdiener seines Besitzherrn ihm die Sachherrschaft streitig macht, ohne damit die Besitzposition des gemeinsamen Besitzherrn in Frage zu stellen. Besitzer

(Streit um Sachherrschaft) F:

Kann der Schlosser S rechtmäßige Selbsthilfe üben, wenn ihm sein Arbeitskollege T einen betriebseigenen Schraubenschlüssel wegnimmt, um damit eine ihm übertragene Arbeit schneller beenden zu können?

36

Kap. II. Besitzschutz A:

Nein, da durch das Verhalten des T der Besitz des für S und T gemeinsamen Besitzherrn (des Unternehmers) nicht in Frage gestellt wird.

Wiederholungsfragen: a)

Verbotene Eigenmacht ist eine Besitzbeeinträchtigung, die in den Formen der oder der geschehen kann; erforderlich ist hierbei nur die objektive der Beeinträchtigung.

b)

Fehlerhaft besitzt, wer den Besitz durch erlangt hat. Fehlerhaft besitzt ferner, wer bei der Besitzerlangung . . . . , daß sein Besitzvorgänger fehlerhaft besaß, oder wer . . . . eines fehlerhaften Besitzers ist.

c)

Gegen verbotene Eigenmacht ist Selbsthilfe zulässig, die sich in den Formen der und der vollziehen kann.

37

Kap. II. Besitzschutz A:

12.

a) Besitzentziehung, Besitzstörung, Widerrechtlichkeit

Possessorische Ansprüche b) verbotene Eigenmacht, weiß, Erbe

c) Besitzwehr, Besitzkehr

§ 8 6 1 Abs. 1

Neben dem Recht zur Selbsthilfe hat der durch verbotene Eigenmacht beeinträchtigte Besitzer Ansprüche auf Besitzschutz, sog. possessorische Ansprüche; der Name ist abgeleitet von possessor = Besitzer. § 861 BGB schützt den Besitzer bei Besitzentziehungen durch einen Herausgabeanspruch, § 862 BGB bei Besitzstörungen durch einen Störungsabwehranspruch. — Diese Ansprüche sind unabhängig von der Frage, ob der beeinträchtigte Besitzer ein Recht zum Besitz hat. Einen Herausgabeanspruch nach § 8 6 1 Abs. 1 BGB hat der Besitzer, wenn ihm der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen wird. Der Anspruch richtet sich lediglich auf die Rückgabe der entzogenen Sache selbst; Ersatzstücke (sog. Surrogate), die der Anspruchsgegner anstelle der Sache (z.B. durch Verkauf) erlangt hat, k ö n n e n mit diesem Anspruch nicht herausverlangt werden, weil sie vorher nicht im Besitz des Anspruchsberechtigten standen. F:

Der A nimmt dem B ein Sparbuch weg und hebt das Geld ab. Kann der B nach § 861 BGB von A die Herausgabe des Geldes und des Sparbuches verlangen?

38

Kap. II. Besitzschutz A:

13.

Possessorische Ansprüche

B kann nur die Herausgabe des Sparbuches verlangen; das Geld als Surrogat stand vorher nicht in seinem Besitz. (Deshalb kann B das Geld nicht nach § 861 BGB, sondern nur auf schuldrechtlicher Grundlage erlangen, z.B. nach den §§ 812 oder 823 BGB.)

§ 862 Abs. 1

Der Störungsbeseitigungsanspruch des § 862 Abs. 1 BGB greift ein, wenn der Besitz durch verbotene Eigenmacht gestört wird; ferner kann Unterlassung weiterer Störungen verlangt werden. Anspruchsberechtigt ist der unmittelbare Besitzer, Anspruchsgegner ist der Störer. Dies ist jeder, der die Störung selbst vornimmt oder sie geschehen läßt, obwohl er zur Unterbindung in der Lage und verpflichtet ist. F:

Der A, der in einem Villenviertel wohnt, wird jede Nacht durch den Lärm lauter Feste im Nachbarhaus des B gestört. Kann A von B Unterlassung dieser Störungen verlangen?

39

Kap. II. Besitzschutz A:

Possessorische Ansprüche

Ja; A kann nach § 862 BGB von B die Unterlassung der Störungen verlangen, da der Lärm entweder von B selbst ausgeht oder mit seiner Billigung von Dritten im Hause des B erzeugt wird.

14. Anspruchsberechtigter des Herausgabeanspruchs nach § 861 BGB und des Störungsbeseitigungsanspruchs nach § 862 BGB ist auch ein fehlerhafter Besitzer, dessen Besitz durch einen Dritten beeinträchtigt wurde, z.B. ein Dieb bei erneuter Wegnahme der Sache oder Störung durch einen Dritten. Ein fehlerhafter Besitzer wird jedoch nicht geschützt, wenn der umstrittene Besitz gerade gegenüber dem Anspruchsgegner selbst fehlerhaft war und erst im letzten Jahr vor der Beeinträchtigung erlangt wurde, §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 BGB. Geschützt werden also: früherer Besitzer •Dieb und Dieb •Dritte aber nicht früherer Besitzer-*—Dieb (oder Nachfolger), wenn Besitz im letzten Jahr erlangt wurde. F:

Als der B stirbt, hinterläßt er seinem Erben A einen vor kurzem bei C gestohlenen wertvollen Fotoapparat. Ein Jahr später entdeckt der C den Apparat bei A. Kann er von A Herausgabe des Apparates nach § 861 BGB verlangen?

40

Kap. II. Besitzschutz A:

Possessorische Ansprüche

Nein; A besitzt zwar im Verhältnis zu C fehlerhaft, aber die Jahresfrist des § 861 Abs. 2 BGB ist überschritten.

15.

§ 863

Um den Besitzschutz wirksamer zu gestalten, ist der Gegner der Besitzschutzansprüche in seiner Verteidigung durch § 8 6 3 BGB stark beschränkt. Er kann sich nur darauf berufen, daß bei seinem Handeln wegen des Bestehens von Rechtfertigungsgründen keine Eigenmacht vorgelegen habe (vgl. oben Ziff. 1). F:

Der M hat von E ein Wochenendhaus gemietet und den Schlüssel erhalten. Als er nach drei Monaten zum zweiten Mal ein Wochenende dort verbringen will, stellt er fest, daß der E inzwischen das Haus selbst bewohnt. M verlangt von E nach § 861 BGB die Wiedereinräumung des Besitzes. Kann E sich darauf berufen, der M habe entgegen der Vereinbarung noch keine Miete gezahlt und er, der E, habe deshalb das Haus wieder in Besitz genommen?

41 6 Dilcher, Sachenrecht

Kap. II. Besitzschutz A:

16.

Possessorische Ansprüche

Nein; diese Begründung reicht nicht aus, um die Wegnahme des Besitzes zu rechtfertigen. E muß das Haus an M herausgeben (und seine Mietzinsansprüche gerichtlich verfolgen).

§ 866

Eingeschränkt ist der Besitzschutz eines Mitbesitzers: Er erhält gegenüber anderen Mitbesitzern Besitzschutz nur im Falle völliger Entziehung seiner Sachherrschaft, nicht schon gegen eine Störung seines Mitbesitzes, § 8 6 6 BGB. — Gegenüber Dritten hingegen besteht voller Besitzschutz auch zugunsten eines Mitbesitzers. F:

Ein Mietshaus hat eine gemeinsame Waschküche. Die Mieterinnen A und B streiten sich am Montag, wer die Waschküche an diesem Tag benutzen darf. Die A verschafft sich gewaltsam die Raumbenutzung; außerdem bringt sie abends ein Vorhängeschloß, zu dem nur sie den Schlüssel hat, an der Waschküchentür an. Kann die B wegen des Verdrängens aus der Waschküche und wegen des Versperrens der Tür Besitzschutz beanspruchen?

42 6

Kap. II. Besitzschutz A:

17.

Possessorische Ansprüche

Besitzschutz kann die B nur wegen des Versperrens der Tür beanspruchen, weil ihr dadurch der Mitbesitz völlig entzogen wird. Das Verdrängen aus der Waschküche für einen Tag ist nur eine Störung im Mitbesitz; hiergegen gibt es keinen Besitzschutz, § 866 BGB (sondern nur die Anrufung des Vermieters aus dem Mietvertrag).

§ 864

Besitzschutzansprüche erlöschen ein Jahr n a c h B e g e h u n g der verbot e n e n E i g e n m a c h t o d e r dann, w e n n n a c h der v e r b o t e n e n E i g e n m a c h t durch rechtskräftiges Urteil in e i n e m anderen P r o z e ß festgestellt wird, d a ß der E i g e n m a c h t t ä t e r e i n e n A n s p r u c h auf d e n durch seine Eigenmacht bewirkten Erfolg hatte, § 8 6 4 BGB. F:

Der Antiquar A hat dem B ein Gemälde verkauft. Er zögert unberechtigt mit der Auslieferung, so daß der B die Leistungsklage aus dem Kaufvertrag erhebt. Nachdem dieser Prozeß schon längere Zeit schwebt, verliert der B die Geduld und verschafft sich das Gemälde eigenmächtig. — Wenige Tage darauf ergeht im Prozeß über den Kauf ein rechtskräftiges Urteil, das den A zur Lieferung des Bildes an den B verurteilt. Kann der A jetzt noch einen Herausgabeanspruch nach § 861 BGB gegen B erheben?

43

Kap. II. Besitzschutz A:

Nein, da das rechtskräftige Urteil feststellt, daß B einen Anspruch auf den Besitz am Bild hat; durch diese Feststellung erlischt der Besitzschutzanspruch des A nach § 8 6 4 Abs. 2 B G B .

Wiederholu ngsf ragen: a)

Wird dem Besitzer der Besitz entzogen, so kann er die Herausgabe nach § . . . . . . B G B verlangen. Im Falle der Besitzstörung kann er nach § B G B vorgehen.

b)

Gegenüber den Besitzschutzansprüchen ist die Verteidigung des Anspruchsgegners darauf beschränkt, daß er nur Gründe zur seiner Handlung vorbringen kann.

c)

Ein Mitbesitzer wird gegenüber anderen Mitbesitzern nur im Falle der geschützt.

44

§ 1007

Kap. II. Besitzschutz A:

b) Rechtfertigung

a) 861, 862

18.

c) Besitzentziehung

§ 1007 Abs. 2

Besitzschutz nach sachenrechtlichen Vorschriften wird nicht nur in den engen Grenzen der possessorischen Ansprüche gewährt, sondern auch nach § 1007 BGB: durch § 1007 wird dem früheren Besitzer wegen seines früheren Besitzes ein Recht auf die Sache zugesprochen. Deshalb kann der frühere Besitzer einer beweglichen Sache von deren gegenwärtigem Besitzer die Herausgabe verlangen, wenn die Sache dem früheren Besitzer abhanden gekommen ist (und dem gegenwärtigen Besitzer nicht schon vor der Besitzzeit des früheren Besitzers abhanden gekommen war) § 1007 Abs. 2 S. 1 BGB; (zum Abhandenkommen vgl. oben I, 17). F:

Der E hat während einer Reise seinen PKW der Werkstatt A zur Aufbewahrung gegeben. Der Angestellte B des A übergibt das Fahrzeug hennlich seinem Freund C. Der A bemerkt dies und will, um dem E das Fahrzeug bei dessen Rückkehr ordnungsgemäß zurückgeben zu können, von C Herausgabe verlangen. Kann er das, wenn der C glaubte, das Fahrzeug gehöre dem B? E

(Übergabe)

45

Kap. II. Besitzschutz A:

19.

§ 1007

Ja, gemäß § 1007 Abs. 2 BGB, weil der PKW dem A durch das unerlaubte Verhalten seines Besitzdieners B abhanden gekommen ist.

§ 1007 Abs. 1

Ist die umstrittene Sache dem früheren Besitzer nicht abhanden gekommen, z.B. weil er die Sache einem Mieter überlassen hatte (der sie dann unerlaubt veräußerte), so kann der frühere Besitzer nach § 1007 Abs. 1 BGB Herausgabe vom jetzigen Besitzer verlangen, wenn dieser beim Besitzerwerb bösgläubig war. Bösgläubig ist ein Besitzer, der weiß oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht weiß, daß er kein Recht zum Besitz erworben hat. Die Tatbestandsmerkmale des Wissens oder der grob fahrlässigen Unwissenheit ergeben sich aus § 932 Abs. 2 BGB. Gutgläubig ist also ein Besitzer, der infolge leichter Fahrlässigkeit nicht weiß, daß er kein Recht zum Besitz der Sache erworben hat, z.B. weil der Verkäufer unerkannt geisteskrank war. F:

Der A hat dem B eine Schreibmaschine geliehen, die deutlich die Inschrift „Eigentum des A" trägt. Der B verkauft und übergibt die Maschine an den C. Kann A von C Herausgabe der Maschine verlangen?

46

§ 1007

Kap. II. Besitzschutz A:

Ja, da A der frühere Besitzer der Maschine ist und C beim Besitzerwerb entweder wußte bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte, daß er von B kein Recht zum Besitz der Maschine erwerben konnte, die deutlich als Eigentum des A gekennzeichnet ist.

20.

§ 1007 Abs. 3

Der Herausgabeanspruch des früheren Besitzers entfällt, w e n n er selbst beim Besitzerwerb bösgläubig war, § 1007 Abs. 3 S. 1 BGB. A u ß e r d e m entfällt nach dieser Vorschrift der Herausgabeanspruch, w e n n der frühere Besitzer seinen Besitz freiwillig aufgegeben h a t ; dies ist nur bei völliger Lösung jeder Beziehung zu der Sache der Fall, nicht etwa schon bei Vermietung. F:

Der A hat auf dem Trödelmarkt von einem Unbekannten ein Buch erworben, das deutlich die Aufschrift „Eigentum der Stadtbibliothek" trägt. A verleiht dieses Buch an den B. Kann jetzt der A, wenn B das Buch an C weitergibt, von C Herausgabe nach § 1007 BGB verlangen? Stadtbibliothek

Unbekannter B

C

47

§ 1007

Kap. II. Besitzschutz A:

Nein, da A beim Besitzerwerb infolge der Buchaufschrift bösgläubig war.

21. Der Herausgabeanspruch des früheren Besitzers entfällt ferner gegenüber dem Eigentümer der Sache, § 1007 Abs. 2 S. 1 BGB, und gegenüber jedem gegenwärtigen Besitzer, der ein (nicht aus § 1007 hergeleitetes) Recht zum Besitz dartut; dies ergibt sich aus § 1007 Abs. 3 S. 2, der hierfür auf § 986 BGB verweist. § 1007 BGB gewährt also dem früheren Besitzer zwar ein Recht zum Besitz, aber dieses ist schwächer als jede anders begründbare Besitzberechtigung. F:

Der E hat sein Fernsehgerät dem Mechaniker M zur Reparatur übergeben. Dessen Angestellter L verkauft und übergibt den Apparat unerlaubt an den gutgläubigen K. Als der K dann erfährt, daß der Apparat dem E gehört, teilt er diesem den Sachverhalt mit und einigt sich mit E, daß das Gerät nunmehr als Pfand wegen einer Forderung des K gegen E bei K verbleiben dürfe. Kann M von K Herausgabe verlangen?

(Abhandenkommen)

48

Kap. II. Besitzschutz A:

Nein; der Herausgabeanspruch des M aus § 1007 Abs. 2 B G B ist ausgeschlossen, da der K das Gerät mit Willen des Eigentümers als Pfand besitzen darf und das Pfandrecht ein Recht zum Besitz begründet, das dem Besitzrecht aus § 1007 BGB vorgeht.

Wiederhol u ngsf ragen: 1.

Der Herausgabeanspruch des früheren Besitzers gegen den jetzigen Besitzer nach § 1007 BGB entsteht, a) wenn die Sache dem früheren Besitzer ist, § 1007 Abs. 2 S. 1, b) wenn der jetzige Besitzer beim § 1007 Abs. 1.

2.

bösgläubig war,

Der Herausgabeanspruch aus § 1007 B G B entfällt, a) wenn der frühere Besitzer beim Besitzerwerb selbst war, § 1007 Abs. 3 S. 1, b ) wenn der frühere Besitzer seinen Besitz Abs. 3 S. 1, c) wenn der gegenwärtige Besitzer der § 1007 Abs. 2 , S. 1, d) wenn der gegenwärtige Besitzer ein eigenes § 1007 Abs. 3 S. 2 in Verbindung mit § 9 8 6 .

hatte, § 1007

der Sache ist,

hat,

49 7 Dilcher, Sachenrecht

Kap. II. Besitzschutz A:

22.

1. a) abhanden gekommen, b) Besitzerwerb

Abholungsanspruch 2. a) bösgläubig, b) aufgegeben,

c) Eigentümer, d) Recht zum Besitz

867

Ein Abholungsanspruch entsteht für den Besitzer gemäß § 867 BGB, wenn die Sache auf das Grundstück eines anderen Besitzers gelangt. Der Anspruch richtet sich auf Gestattung des Aufsuchens und Wegbringens der Sache, er ist ausgeschlossen, sobald der Grundstücksbesitzer selbst Besitz an der Sache begründet hat. F:

Welche Ansprüche stehen dem A zu, wenn ihm beim Spiel ein Ball auf das Grundstück des B fällt a) und dort liegen bleibt b) und der B den Ball an sich nimmt?

50

Kap. II. Besitzschutz A:

a) A hat einen Abholungsanspruch gemäß § 867 BGB. b) Da B Besitz am Ball ergriffen hat, entsteht kein Abholungsanspruch; vielmehr kommen andere Ansprüche, z.B. aus § 812 BGB, in Frage.

23. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 37,44 und 49): 1.

Verbotene Eigenmacht ist Besitzbeeinträchtigung ohne

. . .

2.

Gegen Besitzstörungen darf geübt werden. Außerdem. gibt es gegen sie den Störungsbeseitigungsanspruch gemäß § . . . BGB.

3.

Gegenüber Besitzentziehung ist während des Entziehungsvorgangs ebenfalls zulässig.

4.

Ist

5.

Gegenüber fehlerhaften Besitzern ist entsteht gegen sie ein

6.

Sehen Sie sich jetzt bitte den Eingangsfall (S. 25) an: a) Kann der Student B Selbsthilfe üben?

der

Entziehungsvorgang beendet, so entsteht für den Täter Besitz. Die Fehlerhaftigkeit besteht als Eigenschaft des Besitzes auch beim fort und bei einem anderen Besitznachfolger des Täters, der von der Eigenmacht zulässig. Außerdem gemäß § 861 BGB.

b) Könnte B den possessorischen Störungsbeseitigungsanspruch des § 862 BGB auch gegen die V erheben? c) Könnte B Ansprüche aus § 1007 BGB geltend machen?

51

Kap. II. Besitzschutz A:

1. Rechtfertigung, 2. Besitzwehr, 862 3. Besitzwehr

4. fehlerhafter, Erben des Täters , wußte 5. Besitzkehr, Herausgabeanspruch 6. a) Ja, da ihn der D ohne Rechtfertigung im Besitz stört. b) Ja, da die V das Handeln des D ermöglicht hat, obwohl sie es hätte verhindern müssen, ist sie Störerin. c) Nein; B ist nicht früherer Besitzer im Sinne des § 1007 BGB, da sein Besitz am Zimmermobiliar nur gestört wurde, also fortbesteht. — Will man den Besitz des B am Zimmer selbst als Anknüpfungsgrundlage in Betracht ziehen, so muß § 1007 BGB analog angewendet werden, da er nur von beweglichen Sachen spricht; das Ergebnis wäre dasselbe, da B kein früherer Besitzer ist, sondern nur gestört wurde.

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des zweiten Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO.*, § 9 Westermann, Sachenrecht, a a O . , § § 2 1 - 2 5 + 35. Besonders wichtig sind die Probleme des § 1007 BGB (hierzu Westermann, § 35 II—V).

*„aaO." heißt „am angegebenen Ort" und bezieht sich auf die Einzelangaben zu Auflage, Erscheinungsort und Erscheinungszeit eines Buches. Hier sind diese Angaben auf S. 24 zu finden.

52

Kapitel III DER

MITTELBARE

BESITZ

Aus den bisherigen Informationen wissen Sie, daß grundsätzlich Besitzer einer Sache derjenige ist, der die tatsächliche Sachherrschaft ausübt. Allerdings zeigte schon die Besitzdienerschaft (vgl. oben Kap. I, 5), daß es möglich ist, die Rechtswirkungen der Besitzerstellung jemandem zuzuordnen, der nicht die tatsächliche Sachherrschaft innehat. Als weitere F o r m eines Besitzes ohne Sachherrschaft kennt das BGB den mittelbaren Besitz. Er besteht, w e n n jemand seine Sachherrschaft nicht weisungsgebunden ausübt (also nicht Besitzdiener, sondern echter Besitzer ist), aber Rücksicht darauf n e h m e n muß, daß er den Besitz später an einen anderen herauszugeben hat. Dieser andere wird als mittelbarer Besitzer bezeichnet. Ein Beispiel für einen mittelbaren Besitzer ist der Vermieter. Während der Mietzeit übt der Mieter die unmittelbare Sachherrschaft aus (ohne Besitzdiener zu sein); bei seiner Sachherrschaft muß der Mieter berücksichtigen, daß er gemäß § 556 BGB nach Ablauf der Mietzeit zur Rückgabe des Besitzes an den Vermieter verpflichtet ist. Die f o l g e n d e n Informationen mittelbaren Besitzes im BGB.

behandeln

Übersicht: Grundbegriffe Begründung und Übertragung Beendigung des mittelbaren Besitzes Schutz des mittelbaren Besitzes Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

die Ausgestaltung

des

Information 1—5 6—7 8—10 11—16 17

53

Kap. III. Mittelbarer Besitz

1.

Grundbegriffe

§868

Mittelbarer Besitz ist eine Besitzform, die nicht mit Sachherrschaft verbunden ist, sondern daran anknüpft, daß ein unmittelbarer Besitzer {Besitzmittler) den Besitz nach § 868 BGB befristet innehat und gegenüber dem mittelbaren Besitzer (Oberbesitzer) zur späteren Besitzherausgabe verpflichtet ist. F:

Der B übergibt dem A eine Sache für die Dauer einer Ferienreise zur Verwahrung. Wer ist jetzt mittelbarer Besitzer und wer Besitzmittler der Sache? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

54

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Grundbegriffe

Der A ist Besitzmittler (unmittelbarer Besitzer), weil er den Besitz nach der Ferienreise zurückgeben muß; der B ist mittelbarer Besitzer (Oberbesitzer).

2. Wegen seiner Herausgabeverpflichtung muß der unmittelbare Besitzer bestimmte Grenzen seiner Sachherrschaft einhalten. Diese ergeben sich aus dem zwischen ihm und dem Oberbesitzer bestehenden Rechtsverhältnis, dem sog. Besitzmittlungsverhältnis (Besitzkonstitut). Wesentlich für das Besitzmittlungsverhältnis ist, wie die Worte „auf Zeit" in § 8 6 8 BGB zeigen, daß es zeitlich begrenzt ist. Ein Besitzmittlungsverhältnis kann durch Gesetz oder durch Vertrag begründet werden; ein vertragliches Besitzmittlungsverhältnis ist z.B. der Mietvertrag, bei dem sich die Rückgabepflicht des Besitzers nach Vertragsende aus § 556 BGB ergibt; weitere Beispiele dieser Art enthält § 868 BGB. Gesetzliche Besitzmittlungsverhältnisse werden Ihnen noch nicht bekannt sein; sie bestehen z.B. für den Testamentsvollstrecker oder den Konkursverwalter. F:

Der V hat dem K eine Waschmaschine unter Eigentumsvorbehalt (gemäß § 455 BGB) verkauft. Das bedeutet, daß K den unmittelbaren Besitz an der Maschine erhalten hat, während der V bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises (Eigentümer und) mittelbarer Besitzer der Maschine bleiben will. Ist ein solches Besitzmittlungsverhältnis möglich, obwohl doch K die Maschine nach vollständiger Bezahlung nicht mehr zurückgeben will?

55

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Grundbegriffe

Ja; es genügt, daß das Besitzmittlungsverhältnis nur für die begrenzte Zeit bis zur vollen Bezahlung des Kaufpreises bestehen soll. Eine spätere Rückgabe der Sache an den mittelbaren Besitzer ist nicht Voraussetzung eines Besitzmittlungsverhältnisses.

3. Wesentlich für das Besitzmittlungsverhältnis ist ein (evtl. erst künftiger) Herausgabeanspruch des Oberbesitzers gegen den unmittelbaren Besitzer, so z.B. aus § § 5 8 1 Abs. 2, 5 5 6 Abs. 1 BGB, w e n n das Besitzmittlungsverhältnis ein Pachtvertrag ist. F 1: Der A hat dem B eine Sache zur Verwahrung (nach §§ 688 ff. BGB) übergeben. Aus welcher Vorschrift ergibt sich der für das Besitzmittlungsverhältnis maßgebliche Herausgabeanspruch des A gegen den B?

F 2: Warum war bei der Frage zu Ziffer 2 die Tatsache, daß der unmittelbare Besitzer die Sache später nicht mehr an den mittelbaren Besitzer herausgeben will, ohne Bedeutung für das Besitzmittlungsverhältnis?

56

Kap. III. Mittelbarer Besitz

Grundbegriffe

A I : Aus § 695 BGB. A 2: Weil nach voller Bezahlung des Kaufpreises das Besitzmittlungsverhältnis erlischt.

4.

§871

Mehrere Personen können mittelbare Besitzer einer Sache in der Weise sein, daß der unmittelbare Besitzer in einem Besitzmittlungsverhältnis zu einem mittelbaren Besitzer steht, der seinerseits in einem Besitzmittlungsverhältnis zu einem weiteren mittelbaren Besitzer steht, § 871 BGB; dies ist z.B. der Fall, wenn E ein Buch an den A verleiht, der es dem B weiterverleiht. B ist jetzt der unmittelbare Besitzer, der das Buch an den A zurückgeben muß, und dieser muß es an E zurückgeben. Hier handelt es sich um gestuften mittelbaren Besitz, bei dem (gerechnet vom unmittelbaren Besitzer her) der A mittelbarer Besitzer erster Stufe, der E mittelbarer Besitzer zweiter Stufe ist. Die Zahl der einzelnen Stufen des mittelbaren Besitzes ist nicht begrenzt. Mittelbarer Besitzer 2. Stufe (E) I Mittelbarer Besitzer 1. Stufe (A) I Unmittelbarer Besitzer (B) F:

Der M hat im Hause des E eine Wohnung gemietet. Ein Zimmer dieser Wohnung überläßt der M dem U als Untermieter. In welchem besitzrechtlichen Verhältnis steht E zu dem von U besessenen Zimmer?

57 8 Dilcher, Sachenrecht

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Grundbegriffe

E ist mittelbarer Besitzer zweiter Stufe. (M ist mittelbarer Besitzer erster Stufe.)

5. Ein Besitzmittler ist immer Fremdbesitzer der Sache (vgl. oben Kap. 1 , 1 1 ) . Hatte der unmittelbare Besitzer vor Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses Eigenbesitz, so wandelt sich der Eigenbesitz mit Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses in Fremdbesitz um. F:

Dem A gehört ein Haus, das er an den B veräußert; dabei wird vereinbart, daß A in dem Haus gegen Mietzahlung weiterhin wohnen darf. In welcher Weise ändert sich die Besitzerstellung des A mit der Veräußerung des Hauses?

58 8»

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

A wird vom Eigenbesitzer zum Fremdbesitzer, weil er jetzt Besitzmittler des B im Rahmen eines Mietvertrages geworden ist.

Wiederholungsfragen:

a)

Am mittelbaren Besitz sind notwendig zwei Personen beteiligt, der mittelbare Besitzer, der auch als bezeichnet wird und ein Besitzer, der auch als . . . bezeichnet wird.

b)

Voraussetzung für den mittelbaren Besitz ist ein zwischen dem Oberbesitzer und dem Besitzmittler bestehendes Rechtsverhältnis, das . oder Besitzkonstitut genannt wird.

c)

Wesentlich für das Besitzmittlungsverhältnis ist ein des Oberbesitzers gegen den Besitzmittler.

d)

Gestufter mittelbarer Besitz ist nach §

...

BGB zulässig.

59

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

a) Oberbesitzer, unmittelbarer, Besitzmittler b) Besitzmittlungsverhältnis

Begründung c) Herausgabeanspruch d) 871

6. Für die Entstehung mittelbaren Besitzes müssen zwei Tatbestandselemente erfüllt sein, der unmittelbare Besitz des Besitzmittlers und ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen ihm und dem Oberbesitzer. Das Besitzmittlungsverhältnis kann schon vereinbart werden, bevor der Besitzmittler den unmittelbaren Besitz erlangt, dann spricht man von einem antezipierten (= vorweggenommenen) Besitzkonstitut. F 1: Der M hat zum 1.3.1969 eine Wohnung gemietet, die vorher nicht bezugsfertig ist. Kann er schon am 1.2.1969 mit seinem späteren Untermieter U ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbaren?

F 2: Warum entsteht durch den Abschluß des Untermietvertrages vordem 1.3. noch kein mittelbarer Besitz des M an dem untervermieteten Zimmer?

60

Kap. III. Mittelbarer Besitz

Übertragung

A I : Ja; ein vorweggenommenes Besitzmittlungsverhältnis kann schon vor Begründung des unmittelbaren Besitzes (des U) vereinbart werden. A 2: Weil mittelbarer Besitz das Vorliegen beider Tatbestandsmerkmale (unmittelbaren Besitz des U und Besitzmittlungsverhältnis zwischen U und M) voraussetzt; hier fehlt es noch am unmittelbaren Besitz des U.

7.

870

Übertragen wird mittelbarer Besitz von einem Oberbesitzer auf einen anderen durch rechtsgeschäftliche Abtretung seines Herausgabeanspruchs, § 8 7 0 BGB. Die Abtretung erfolgt nach den allgemeinen Regeln der §§ 3 9 8 ff. BGB. Auch ein gesetzlicher Übergang des mittelbaren Besitzes ist möglich, z.B. nach den §§ 8 5 7 oder 571 Abs. 1 BGB. F 1: Der E hat einen Kraftwagen an den A vermietet. Nach dem Tode des E überträgt dessen Erbe F den mittelbaren Besitz am Wagen durch Abtretung des Herausgabeanspruchs auf den K. Ist der K mittelbarer Besitzer im Verhältnis zu A geworden? K

F 2: Wie wäre es, wenn der Erbe F erst 20 Jahre alt ist und ohne Mitwirkung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat?

61

Kap. III. Mittelbarer Besitz

Beendigung

A I : Ja; da F durch den Erbfall nach § 857 BGB mittelbarer Besitzer geworden ist, konnte er den mittelbaren Besitz gemäß § 870 BGB auf K übertragen. A 2: Da die Abtretung des Herausgabeanspruchs ein Rechtsgeschäft ist, konnte F (der als Erbe nach § 857 BGB mittelbarer Besitzer geworden ist) wegen fehlender Geschäftsfähigkeit seinen mittelbaren Besitz nicht wirksam auf K übertragen.

8. Die B e e n d i g u n g des m i t t e l b a r e n Besitzes t r i t t ein, w e n n d e r d e m m i t t e l b a r e n Besitzer z u s t e h e n d e Herausgabeanspruch erlischt; dies g e s c h i e h t n a c h d e n R e g e l n des A l l g e m e i n e n S c h u l d r e c h t s , z.B. d u r c h E r f ü l l u n g (§ 3 6 2 B G B , d . h . d u r c h R ü c k g a b e d e r S a c h e ) o d e r d u r c h E r l a ß (§ 3 9 7 B G B , d . h . d u r c h V e r z i c h t auf S a c h r ü c k g a b e ) . F:

Der B hat für den Monat August ein Ferienhaus von A gemietet. Obwohl der B Ende August fristgerecht abreisen möchte, kann er aus besonderen Umständen das Haus erst Anfang September räumen. Zu welchem Zeitpunkt endet der mittelbare Besitz des A?

62

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Beendigung

Erst im Zeitpunkt der Abreise des B, da erst dann der Rückgabeansprach des A aus dem Mietvertrag erfüllt wird. (Daß der B die Rückgabe schon früher schuldete, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.)

9. Der mittelbare Besitz endet ferner mit dem Besitzverlust unmittelbaren Besitzers (vgl. die Einzelheiten oben Kap. I, 16-18). F:

des in

Der A leiht dem B einen Regenschirm. B vergißt diesen Schirm an einer Bank im Park, holt ihn aber dort nach einer halben Stunde wieder ab. War in der Zwischenzeit der mittelbare Besitz des A beendet?

63

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Beendigung

Nein, da der unmittelbare Besitzer B nur vorübergehend an der Ausübung der Sachherrschaft verhindert war (§ 856 Abs. 2 BGB), war sein Besitz nicht beendet.

10.

Auch wenn der Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers und die Sachherrschaft des unmittelbaren Besitzers fortbestehen, endet der mittelbare Besitz dann, wenn sich der unmittelbare Besitzer von der Besitzmittlung ,,lossagt", d.h. künftig nicht mehr als Fremdbesitzer, sondern als Eigenbesitzer handeln will. — Wie bei einseitiger Beendigung der Besitzdienerschaft (vgl. oben Kap. I, 7) muß die Lösung von den Pflichten des Besitzmittlungsverhältnisses für Dritte erkennbar werden. Nur der Entschluß, die Sache in Eigenbesitz zu nehmen, beendet den mittelbaren Besitz nicht. F:

Der C gibt im September für die Zeit einer Reise bis Ende Januar dem A ein Schmuckstück zur Verwahrung. Am 15. Dezember beschließt A, dieses Stück seiner Frau zu Weihnachten zu schenken. Am 24.12. präsentiert er sein Geschenk. Bei der Rückkehr des C teilt ihm A mit, daß er das Schmuckstück nicht mehr zurückgeben könne, weil er es inzwischen verloren habe. Wann endet der mittelbare Besitz des C?

64

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Am 24.12., weil zu diesem Zeitpunkt durch die Übergabe an die Ehefrau eine äußerlich erkennbare Lossagung von den Vorschriften des Besitzmittlungsverhältnisses erfolgte.

Wiederholungsfragen: a)

Die Entstehung mittelbaren Besitzes setzt den des Besitzmittlers voraus und ein . . . zwischen ihm und dem Oberbesitzer.

b)

Der Besitzmittler ist immer — manchmal — nie Eigenbesitzer (Zutreffendes bitte unterstreichen). Der mittelbare Besitz geht auf einen anderen Oberbesitzer über durch rechtsgeschäftliche Abtretung des , § 870 BGB, oder durch Übergang, z.B. nach § 857 BGB.

d)

Der mittelbare Besitz endet, wenn der lischt,

des mittelbaren Besitzers er-

wenn der

den Besitz verliert,

oder sich vom außen erkennbar lossagt.

nach

65 9 Dilcher, Sachenrecht

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

a) b) c) d)

Besitzschutz

unmittelbaren Besitz, Besitzmittlungsverhältnis nie Herausgabeanspruchs, gesetzlichen Herausgabeanspruch, unmittelbare Besitzer, Besitzmittlungsverhältnis (bzw. Besitzkonstitut)

11. Für den Besitzschutz des mittelbaren Besitzers ist zu unterscheiden, ob der mittelbare Besitzer sich gegen einen Dritten oder gegen den unmittelbaren Besitzer wendet. Wird d e r m i t t e l b a r e Besitz durch den unmittelbaren Besitzer beeinträchtigt, z.B. weil d e r M i e t e r bei d e r S a c h h e r r s c h a f t gegen d e n Mietvertrag v e r s t ö ß t , so ist d e r m i t t e l b a r e Besitzer ausschließlich auf die i h m n a c h d e m B e s i t z m i t t l u n g s v e r h ä l t n i s z u s t e h e n d e n R e c h t e a n g e w i e s e n , ein possessorischer B e s i t z s c h u t z f i n d e t i n s o w e i t n i c h t statt. Umgekehrt genießt jedoch der unmittelbare Besitzer gegen den mittelbaren Besitzer wie gegen jeden Dritten vollen Rechtsschutz nach Maßgabe der §§ 858 ff. BGB (vgl. oben Kap. II, 6 ff.). F 1: Der E hat seinen Obstgarten an den P verpachtet. Als E erfährt, daß derP im Begriff ist, die Obstbäume abzuholzen, will er hiergegen unter Berufung auf § 859 BGB mit Gewalt einschreiten. Darf er das?

F 2: Wenn umgekehrt der P in Erfahrung bringt, daß der E gerade im Begriff steht, die Bäume des Pachtgartens abzuholzen, dürfte er dann hiergegen Selbsthilfe üben?

66 9*

Kap. III. Mittelbarer Besitz

Besitzschutz

A 1: Nein; dieses Recht steht ihm als mittelbarem Besitzer gegenüber dem unmittelbaren Besitzer nicht zu. Er ist auf Ansprüche aus dem Pachtvertrag und seinem Eigentum angewiesen. A 2: Ja, da ihm auch gegenüber dem mittelbaren Besitzer die Rechte aus § 859 BGB zustehen.

§ 869

12.

Wird der unmittelbare Besitz durch einen Dritten beeinträchtigt, so kann auch der mittelbare Besitzer gegen den Eigenmachttäter die possessorischen Ansprüche der §§861 und 862 BGB geltend machen, § 869 BGB: mittelbarer Besitzer unmittelbarer Besitzer-« Dritter (Störung) Hat der Dritte für seine Handlung einen Rechtfertigungsgrund gegenüber dem unmittelbaren Besitzer, so entfallen auch für den mittelbaren Besitzer die Ansprüche nach § 869 BGB. F:

Der V hat dem M eine Wohnung vermietet. Nach einiger Zeit stellt er fest, daß der M zwei Zimmer der Wohnung unerlaubt an die beiden Studenten X und Y untervermietet hat. Kann der V gegen diese den Herausgabeanspruch des § 861 BGB durchsetzen?

67

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Besitzschutz

Nein, weil X und Y infolge der Einwilligung des M keine verbotene Eigenmacht begehen. Der V bleibt auf seine Rechte aus dem Mietvertrag gegen den M angewiesen.

13. Der Anspruch des mittelbaren Besitzers aus § 869 BGB ist im Falle der Besitzentziehung regelmäßig auf die Wiedereinräumung des Besitzes beim unmittelbaren Besitzer gerichtet. Nur wenn dieser den Besitz nicht wieder übernehmen will oder kann, darf der mittelbare Besitzer Herausgabe an sich selbst verlangen, § 869 S. 2 BGB. F:

Der Mietwagenunternehmer V hat dem M einen Kraftwagen vermietet. Dieser Wagen wird dem M von D gestohlen. Als nach einigen Tagen der Wagen bei D entdeckt wird, befindet sich M auf einer längeren Auslandsreise. Kann der V jetzt von D die Herausgabe des Wagens an sich selbst verlangen?

68

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Besitzschutz

Ja; da der M den unmittelbaren Besitz nicht übernehmen kann, steht gemäß § 869 S. 2 BGB dem V dieser Anspruch zu.

14. Selbsthilferechte versagt der Gesetzeswortlaut dem mittelbaren Besitzer, da in § 869 BGB nicht auch auf den § 859 BGB verwiesen ist. Jedoch wird in Analogie zu § 869 S. 2 BGB dem mittelbaren Besitzer ein Selbsthilferecht dann zugebilligt, wenn der unmittelbare Besitzer verhindert ist, Selbsthilfe zu üben oder sie nicht üben will. F:

Der E hat seinen Obstgarten an P verpachtet. Als er eines Tages am Garten vorbeikommt, sieht er, wie ein Unbekannter die Obstbäume plündert. Kann der E, da P verreist ist, gegen den Unbekannten Besitzwehr üben?

69

Besitzschutz

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Ja; in analoger Anwendung des § 869 S. 2 BGB darf E für den verhinderten P Besitzwehr üben.

15. A u c h d e r Herausgabeanspruch des § 1007 BGB s t e h t d e m m i t t e l b a ren Besitzer zu. A l l e r d i n g s wird dieser A n s p r u c h analog § 8 6 9 S. 2 BGB d a h i n m o d i f i z i e r t , d a ß d e r m i t t e l b a r e Besitzer regelmäßig n u r die H e r a u s g a b e an d e n u n m i t t e l b a r e n Besitzer verlangen k a n n , a u ß e r w e n n dieser d e n Besitz n i c h t m e h r ü b e r n e h m e n will o d e r k a n n . F:

E hat dem M ein Buch geliehen und ihm gestattet, dieses kurzfristig auch an andere Interessenten weiterzugeben. Daraufhin hat der M das Buch dem U weiterverliehen. Das Buch wird dem U durch seinen Freund D entwendet. Wegen der Freundschaft möchte U nicht gegen D vorgehen; er hat auch kein Interesse mehr daran, das Buch zurückzuerhalten, da er es bereits gelesen hat. Kann der M von D Herausgabe des Buches verlangen? E

(Leihe)

M

(Leihe)

U (Abhandenkommen) D

70

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Besitzschutz

Ja; nach § 1007 Abs. 2 BGB und analog § 869 S. 2 BGB kann M Herausgabe des Buches an sich selbst verlangen, da U die Herausgabe von D nicht fordern will.

16. Die dargestellten Besitzschutzansprüche werden von der herrschenden Meinung nicht nur dem wirklichen mittelbaren Besitzer zugebilligt, sondern darüber hinaus auch demjenigen, der zu einem unmittelbaren Besitzer in einem vermeintlich gültigen Besitzmittlungsverhältnis (Putativbesitzmittlungsverhältnis) steht, an dessen Regeln er sich hält. Maßgebend ist der Gedanke, daß jemand, der sich wie ein mittelbarer Besitzer verhält, zum Schutz seiner berechtigten Interessen auch wie ein mittelbarer Besitzer behandelt werden muß. F:

Der E hat dem zunächst unerkannt geisteskranken P ein Grundstück verpachtet. Während der Abwesenheit des P wird der Grundbesitz von D beeinträchtigt. E verlangt von D die Unterlassung der Besitzbeeinträchtigung. Da aber inzwischen offenbar geworden ist, daß P seit langem geisteskrank und damit geschäftsunfähig war, macht D geltend, der E könne infolge fehlenden Besitzmittlungsverhältnisses keinen Rechtsschutz aus mittelbarem Besitz geltend machen. Trifft dies zu?

71

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

Nein; ein Besitzschutz im Sinne des § 869 BGB wird nach herrschender Meinung auch demjenigen zugebilligt, der sich auf ein nur vermeintliches Besitzmittlungsverhältnis berufen kann.

17. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 59 und 65): a)

Als mittelbaren Besitz bezeichnet man die Rechtsstellung des dem ein unmittelbarer Besitzer (Besitzmittler) durch ein zur späteren Herausgabe des unmittelbaren Besitzes verpflichtet ist.

b)

Wird das Besitzmittlungsverhältnis vereinbart, bevor der Besitzmittler die unmittelbare Sachherrschaft erlangt hat, so handelt es sich um ein . .-

c)

Wenn mehrere Besitzmittlungsverhältnisse mit Bezug auf dieselbe Sache übereinander bestehen, so handelt es sich um nach § . . . BGB.

d)

Der mittelbare Besitzer kann Besitzschutz geltend machen, wenn er

D (bitte ankreuzen)

der unmittelbare Besitzer

e) f)

Q

im Besitz beeinträchtigt wird. Der Besitzschutz des mittelbaren Besitzers hat seine Rechtsgrundlage in § . . . BGB. Der mittelbare Besitzer kann im Falle der Besitzentziehung durch einen Dritten die Herausgabe grundsätzlich nur an den verlangen.

72

Kap. III. Mittelbarer Besitz A:

a) b) c) d) e) f)

Oberbesitzers, Besitzmittlungsverhältnis antezipiertes Besitzkonstitut gestuften mittelbaren Besitz, 871 der unmittelbare Besitzer 869 unmittelbaren Besitzer.

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des dritten Kapitels wird empfohlen Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., § 7 B III Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 17-20 + 26. Besonders wichtig sind die Fragen des (hierzu Westermann, § 18 und BGHZ 21, 52).

10 Dilcher, Sachenrecht

Besitzmittlungsverhältnisses

Kapitel IV DAS

EIGENTUM

Der A hat in seinem Garten 10 Pfund Erdbeeren geerntet. Um seinen Nachbarn B zu ärgern, der für frische Erdbeeren kein Geld hat, stellt A die Obstkörbe im Garten auf und läßt die Erdbeeren dort — für B sichtbar — verfaulen. Darf er das?

Diese Frage führt zu dem Problem, welche Rechte und Pflichten der Eigentümer einer Sache hat, ein Problem, das häufig im Mittelpunkt gesellschaftspolitischer Diskussionen steht: Bis zum Erlaß des Grundgesetzes war für den rechtlichen Inhalt des Eigentums allein § 903 BGB mit seiner — entsprechend dem Denken des 19. Jahrhunderts — weitgehenden Eigentümerfreiheit maßgebend. Heute ist, aufgrund der veränderten sozialpolitischen Situation, diese Eigentümerfreiheit durch Art. 14 GG insoweit eingeschränkt, als es dem Verfassungsrahmen des sozialen Rechtsstaates entspricht. Somit steht die Frage nach den Rechten und Pflichten des Eigentümers heute im Spannungsfeld von Art. 14 GG und § 9 0 3 BGB. Die Einzelheiten dieser Problematik behandelt der nachfolgende Abschnitt.

Übersicht: Grundbegriffe Pflichten des Eigentümers Die Enteignung Der enteignungsgleiche Eingriff Der Notstand Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1—5 6—7 8-11 12 13-14 15

74 10*

Kap. IV. Eigentum

Grundbegriffe

1.

§903

In § 903 BGB wird (wie schon in Kap. I, 1 erwähnt) dem Eigentümer einer Sache das Recht zuerkannt, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und jeden anderen von jeder Einwirkung auf die Sache auszuschließen. Das BGB versteht demnach Eigentum als das umfassendste Herrschaftsrecht an einer Sache. F:

Bei Beschreibungen des Eigentumsinhalts spricht man von „Totalität des Eigentums" und von „Exklusivität des Eigentums". Welche Tatbestandselemente in § 903 BGB lassen sich damit schlagwortartig kennzeichnen? a) Die „Totalität" des Eigentums ergibt sich aus den Worten

b) Die „Exklusivität" des Eigentums ergibt sich aus den Worten

75

Kap. IV. Eigentum A:

Grundbegriffe

a) „mit der Sache nach Belieben verfahren", b) „andere von jeder Einwirkung ausschließen".

2. Aus den Worten ,,. . . Eigentümer einer Sache . . ." in § 903 BGB ergibt sich, daß Eigentum im Sinne des BGB nur an einzelnen Sachen bestehen kann (Grundsatz der Spezialität). Eigentum kann demnach nicht an Sachgesamtheiten, z.B. einem Warenlager, bestehen, sondern nur an den einzelnen gelagerten Sachen. — Ferner gibt es, da Eigentum auf Sachen im Sinne des § 90 BGB beschränkt ist, kein Eigentum an Rechten; hier wird der Berechtigte als Gläubiger oder Inhaber bezeichnet, z.B. der Gläubiger einer Forderung oder der Inhaber eines Urheberrechts. F:

Der V will die Hälfte seines Warenlagers an K veräußern. Genügt es, wenn im Vertrag hierüber gesagt ist: „V überträgt die Hälfte seines Warenlagers an K"? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

76

Kap. IV. Eigentum

Grundbegriffe

A:

Nein; nach dem Grundsatz der Spezialität in § 903 BGB können nur einzelne Sachen übereignet werden, keine Sachgesamtheiten.

3.

Art. 14 Abs. 2 GG

Abweichend von der Eigentümer fr eiheit nach § 903 BGB ist in Art. 14 Abs. 2 GG vorgeschrieben, daß Eigentum verpflichtet und daß sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Diese Beschränkung nennt man die Sozialpflichtigkeit des Eigentums; auch der Ausdruck Eigentumsbindung wird hierfür verwendet. F:

Warum muß bei einer Bestimmung der Rechte des Eigentümers vom Vorrang der Eigentumsbindung des Art. 14 Abs. 2 GG vor der Eigentümerfreiheit des § 903 BGB ausgegangen werden?

77

Kap. IV. Eigentum A:

Grundbegriffe

Verfassungsrecht geht bürgerlichem Recht vor; deshalb hat Art. 14 Abs. 2 GG den Vorrang.

4. Art. 14 GG weicht nicht nur durch seine Beschränkung der Eigentümerfreiheit von § 903 BGB ab, sondern auch mit seinem Eigentumsbegriff: „Eigentum" im Sinne des Art. 14 GG umfaßt — über § 903 BGB hinausgehend — alle Vermögensrechte, d.h. jedes geldwerte Recht, insbesondere auch Forderungen. Diese Erweiterung des Begriffes erfolgt, um nicht nur das sachenrechtliche Eigentum, sondern die gesamte Vermögenssphäre unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG zu stellen. F:

Fällt der Anspruch des Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB unter den Eigentumsbegriff a) des § 903 BGB, b) des Art. 14 GG?

78

Kap. IV. Eigentum A:

Grundbegriffe

a) Nein; der Kaufpreisanspruch fällt nicht unter § 903 BGB, weil es sich nicht um eine Sache handelt; b) ja; der Kaufpreisanspruch fällt unter Art. 14 GG, weil dieser alle geldwerten Rechte erfaßt.

5. Während die Eigentumsbindung des Art. 14 Abs. 2 GG die Eigentümerfreiheit des § 903 BGB einschränkt, berührt nach allgemeiner Ansicht der erweiterte Eigentumsbegriff des Art. 14 GG nicht die Regel des § 903 BGB, daß nur Sachen im Sinne des § 90 BGB Gegenstand des sachenrechtlichen Eigentums sein können. Im Rahmen der Dogmatik des BGB ist unter Eigentum immer nur das Eigentum an einzelnen Sachen zu verstehen. F:

Das Spezialitätsprinzip gilt für Eigentum im Sinne a) des Verfassungsrechts

d

b) des bürgerlichen Rechts

Q

c) des Verfassungsrechts und des bürgerlichen Rechts

CD

(Bitte die richtige Antwort ankreuzen)

79

Kap. IV. Eigentum A:

b) Das Spezialitätsprinzip gilt für das Eigentum im Sinne des bürgerlichen Rechts.

Wiederholungsfragen: a)

Das Eigentum unterscheidet sich vom unmittelbaren Besitz dadurch, daß an einer Sache, unmittelbarer Besitz Eigentum die die über eine Sache bezeichnet.

b)

Der Inhalt des Eigentums wird durch § . . . BGB und durch Art bestimmt.

c)

Im Unterschied zu § 903 BGB schützt Art. 14 GG nicht nur das Eigentum an Sachen im Sinne des § BGB, sondern alle -

d)

Die in Art. 14 Abs. 2 GG vorgesehene Beschränkung der Eigentümerfreiheit nennt man die (oder ) des Eigentums.

80

Kap. IV. Eigentum A:

a) b) c) d)

Eigentümerpflichten

Rechtsmacht, tatsächliche Herrschaft 9 0 3 , 1 4 GG 90, Vermögensrechte Sozialpflichtigkeit (oder Eigentumsbindung)

6. In § 903 BGB sind nur Rechte des Eigentümers vorgesehen. Als Pflicht des Eigentümers entwickelte jedoch die Rechtsprechung schon lange vor 1949 den Grundsatz, daß den Eigentümer für seine Sache eine Verkehrssicherungspflicht trifft: Der Eigentümer hat dafür zu sorgen, daß von seiner Sache keine Gefahr für andere Personen oder Sachen ausgeht. Verstößt der Eigentümer schuldhaft gegen diese Pflicht zur vorsorglichen Gefahrenabwehr, so wird er (wegen Schadensverursachung durch pflichtwidrige Unterlassung) einem geschädigten Dritten nach § 823 Abs. 1 BGB ersatzpflichtig. F:

Auf dem Grundstück des A ist eine Grube ausgehoben worden. Da sie aus Unachtsamkeit nicht gesichert wird, stürzt ein Besucher des A hinein und verletzt sich. Wie kann der Besucher einen Schadensersatzanspruch gegen den A begründen?

81 11 Dilcher, Sachenrecht

Kap. IV. Eigentum A:

Eigentümerpf lichten

Der A ist der Verpflichtung, sein Grundstück so zu unterhalten, daß keine Gefährdung anderer Personen entstehen kann, fahrlässig nicht nachgekommen. Deshalb ist er dem Besucher nach § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig (unabhängig von einer evtl. Haftung desjenigen, der die Grube ausgehoben hat).

7. Weitere Pflichten des Eigentümers ergeben sich aus der Eigentumsbindung des Art. 14 Abs. 2 GG: Wenn es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, dürfen bestimmte Eigentümerrechte nicht ausgeübt werden; der Eigentümer ist also zur Duldung von Beschränkungen verpflichtet. — Der genaue Inhalt der Duldungspflichten ergibt sich im Einzelfall erst nach einer Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit. Diese erfolgt a) durch staatliches Recht, z.B. wenn im Grundstücksverkehrsgesetz (im Schönfelder Nr. 40) die Veräußerung landwirtschaftlicher Grundstücke unter Genehmigungszwang gestellt wird, b) durch Recht der Selbstverwaltungskörperschaften (Gemeinden, Kreise, usw.), z.B. wenn Bebauungspläne einer Gemeinde die industrielle Nutzung eines Bezirks untersagen, c) im Einzelfall durch Verwaltungsakt oder Richterspruch, z.B. wenn ein Bauwerk unter Denkmalschutz gestellt wird und deshalb äußerlich nicht verändert werden darf. F:

Welchem Ziel müssen alle Konkretisierungen der Sozialpflichtigkeit durch Normen oder Einzelakte dienen?

82 u*

Kap. IV. Eigentum A:

8.

Enteignung

Nach Art. 14 Abs. 2 GG müssen sie dem Wohl der Allgemeinheit dienen.

Art. 14 Abs. 3 GG

Wenn die Beschränkung des Eigentümers aufgrund der Sozialpflichtigkeit seines Eigentums erfolgt, muß er sie ohne Entschädigung hinnehmen. Erst wenn die Einschränkungen des Eigentümers das nach Art. 14 Abs. 2 GG zulässige Maß übersteigen, handelt es sich nicht mehr um Eigentumsbindung, sondern um Enteignung. Diese kann nach Art. 14 Abs. 3 GG nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen, in dem zugleich die Frage der Entschädigung geregelt sein muß. F:

Welche wirtschaftliche Bedeutung hat im Einzelfall die Frage, ob eine Enteignung oder die Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums vorliegt?

83

Kap. IV. Eigentum A:

Enteignung

Die Enteignung ist nach Art. 14 Abs. 3 GG nur gegen Entschädigung zulässig, die Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit hingegen erfolgt ohne Entschädigung.

9.

Damit entsteht die Frage, welche Tatbestandsmerkmale die Enteignung kennzeichnen: Eine Enteignung liegt nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte vor, wenn ein Eingriff den Einzelnen oder Gruppen von Einzelnen im Vergleich zu anderen ungleich trifft und sie zu einem besonderen Opfer („Sonderopfer") für die Allgemeinheit zwingt (sog. formelle Einzelaktstheorie). Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hingegen stellt auf Schwere und Tragweite des staatlichen Eingriffs unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten ab (sog. Schweretheorie). — In ihren Ergebnissen weichen allerdings die einzelnen Gerichte kaum voneinander ab. F:

Welche der beiden genannten Theorien rückt den Gleichheitssatz und welche den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit in den Vordergrund?

84

Kap. IV. Eigentum A:

Enteignung

Die Einzelaktstheorie der Zivilgerichte betont den Gleichheitssatz, die Schweretheorie der Verwaltungsgerichte das Prinzip der Zumutbarkeit.

10. Trotz der genannten Definitionen bleiben die Grenzen zwischen einer Konkretisierung der Eigentumsbindung und einer Enteignung o f t fließend, wie der vom BGH (BGHZ 30, 338) entschiedene Fall einer Bausperre zeigt: Danach bedeutet eine zwecks Erstellung sachgerechter Bauleitpläne verhängte Bausperre grundsätzlich keine Enteignung. Wird jedoch die Planfestsetzung über drei Jahre hinaus verzögert, so wandelt sich die entschädigungsfreie Eigentumsbeschränkung in eine entschädigungspflichtige Enteignung. F:

Die Tankstelle des P liegt an einer verkehrsreichen Straße. Als dort Straßenbauarbeiten durchgeführt werden müssen, um die Straße der modernen Verkehrssituation anzupassen, sinkt der Umsatz des P merklich. — Warum kann die Dauer der Bauarbeiten für die Frage bedeutsam werden, ob der P wegen der Umsatzminderung eine Entschädigung beanspruchen kann?

85

Kap. IV. Eigentum A:

Enteignung

Weil sich nach heutiger Rechtsprechung bei längerer Dauer eine entschädigungsfreie Eigentumsbeschränkung in eine entschädigungspflichtige Enteignung umwandeln kann.

11. Die n a c h A r t . 14 A b s . 3 G G z u z a h l e n d e Enteignungsentschädigung ist k e i n S c h a d e n s e r s a t z n a c h d e n §§ 2 4 9 f f . B G B ; sie b e s t e h t n u r aus d e m Geldbetrag, d e r z u r B e s c h a f f u n g eines (für die Nutzungsweise d e s B e t r o f f e n e n ) gleichartigen Ersatzstücks e r f o r d e r l i c h ist. F:

In der Innenstadt beträgt der Preis für den Quadratmeter Boden 1 0 0 . DM. Im Zuge einer Innenstadtsanierung wird das Grundstück des E enteignet. Nach Abschluß der Sanierung steigt infolge der mit der Neuordnung des Stadtkerns verbundenen Geschäftsbelebung der Quadratmeterpreis dort auf 5 0 0 . - DM. Welcher Quadratmeterpreis ist für die Enteignungsentschädigung des E zugrunde zu legen?

86

Kap. IV. Eigentum A:

Der Preis von 100.— DM pro qm, weil dem E zu diesem Preis die Ersatzbeschaffung eines Grundstücks in vergleichbarer Geschäftslage möglich ist, d.h. in einer anderen, nicht sanierten Innenstadt mit ebensolchen Bedingungen wie sie für das enteignete Grundstück vorher bestanden.

Wiederhol u ngsf ragen: a)

Welche Pflicht wurde dem Eigentümer von der Rechtsprechung schon vor Bestehen des Art. 14 GG auferlegt?

b)

Kann die Konkretisierung der Eigentumsbindung nur durch Gesetz erfolgen oder auch im Einzelfall durch eine Verwaltungsbehörde?

c)

Nunmehr können Sie auch den Eingangsfall (S. 74) entscheiden. Darf der A seine Erdbeeren verfaulen lassen?

d)

Der für den betroffenen Eigentümer wesentliche Unterschied zwischen der Eigentumsbindung und einer Enteignung besteht darin, daß die Eigentumsbindung ist, während die Enteignung nur gegen erfolgen kann.

87

Kap. IV. Eigentum A:

Enteignung

a) Die Verkehrssicherungspflicht. b) Auch durch eine Verwaltungsbehörde. c) Ja, da für diese Situation keine Regeln über eine Eigentumsbindung bestehen. d) entschädigungsfrei, Entschädigung.

12. Da gemäß Art. 14 Abs. 3 GG die Enteignung nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgen kann, fragt sich, was geschehen soll, wenn eine Behörde zu Unrecht annimmt, sie handele in Konkretisierung der Eigentumsbindung, während sie in Wirklichkeit eine Enteignung ohne gesetzliche Grundlage vornimmt, z.B. wenn eine Behörde eine Straße quer durch eine Gärtnerei anlegen läßt in der Meinung, hierbei handele sie in Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit. Die G e r i c h t e h a b e n d i e s als enteignungsgleichen Eingriff bezeichnet: D e r e n t e i g n u n g s g l e i c h e E i n g r i f f ist ein s t a a t l i c h e r A k t , d e r ( i m U n t e r s c h i e d z u r E n t e i g n u n g ) rechtswidrig in d a s E i g e n t u m e i n g r e i f t ; a u f ein V e r s c h u l d e n d e s h a n d e l n d e n S t a a t s o r g a n s k o m m t es d a b e i n i c h t a n . D e r e n t e i g n u n g s g l e i c h e E i n g r i f f w i r d in s e i n e n F o l g e n d e r E n t e i g n u n g g l e i c h g e s t e l l t , w e n n er sich b e i r e c h t m ä ß i g e r A b w i c k l u n g als E n t e i g n u n g d a r g e s t e l l t h ä t t e . D e m e n t s p r e c h e n d ist analog Art. 14 Abs. 3 GG d i e s e l b e Entschädigung zu leisten wie bei r e c h t m ä ß i g e r Enteignung. F:

In einer westdeutschen Großstadt soll im Enteignungswege Land für eine Straßenbegradigung beschafft werden. Das hiervon mitbetroffene Hausgrundstück des E wird versehentlich nicht in das Enteignungsverfahren einbezogen. Die mit den Abbrucharbeiten beauftragte Firma reißt, in Unkenntnis dieser Tatsache, auch das Wohnhaus des E nieder. Als der E daraufhin Entschädigung von der Stadt fordert, verweigert diese die Zahlung, weil keine Enteignung stattgefunden habe; auch ein deliktbegründendes Verschulden ihrer Bediensteten sei nicht nachweisbar. Hat der E dennoch Anspruch auf Entschädigung?

88

Kap. IV. Eigentum A:

Notstand

Ja, in Analogie zu Art. 14 Abs. 3 GG, weil es sich bei dem Verhalten der Stadt um einen enteignungsgleichen Eingriff handelt, der wie eine Enteignung zu entschädigen ist.

13.

§ 904

Den Gegensatz zur Eigentumsentziehung im Interesse der Allgemeinheit bildet die Eigentumsentziehung im Interesse eines einzelnen anderen Menschen gemäß § 904 BGB: Der Eigentümer m u ß gemäß § 904 S. 1 BGB diQ Einwirkung Dritter auf seine Sache dulden, wenn die Einwirkung zur Abwendung einer Gefahr notwendig ist. Er kann dafür gemäß § 9 0 4 S. 2 BGB vollen Schadensersatz verlangen. § 904 S. 1 BGB regelt den sog. agressiven Notstand. Bei diesem wird mit der Sache des geschädigten Eigentümers eine Gefahr abgewehrt, die nicht von der Sache selbst ausgeht; der durch die Gefahr drohende Schaden muß gegenüber der Beeinträchtigung des Eigentümers unverhältnismäßig groß sein, z.B. wenn der A vor dem Hause des (unbeteiligten) B verunglückt und der D zur Hilfeleistung eine bei B im Vorgarten liegende Decke verwenden muß. Im Unterschied dazu regelt § 228 den sog. defensiven Notstand, bei dem die Gefahr von der beschädigten Sache selbst ausgeht, z.B. wenn ein tollwütiger Hund getötet wird. In diesem Falle gibt es keinen Schadensersatz und keine Entschädigung. F l : Im Reihenhaus des A ist ein Brand ausgebrochen. a) Dürfen die Nachbarn, um die Ausbreitung des Brandes zu verhindern, das Haus des A beschädigen?

b) Dürfen sie auch das angrenzende Haus des B beschädigen, wenn nur dadurch alle übrigen Häuser der Reihensiedlung gerettet werden können?

F 2: Können A und B von den Nachbarn Schadensersatz verlangen? 89 12 Dilcher, Sachenrecht

Kap. IV. Eigentum

Notstand

A I : a) Ja, gemäß § 228 BGB, da die Gefahr von diesem Haus ausgeht. b) Ja, gemäß § 904 S . l BGB. A 2: Nur der B gemäß § 904 S. 2 BGB; nach § 228 BGB erhält der A keinen Schadensersatz.

14. Wer Schuldner des Schadensersatzanspruchs sein soll, ist in § 904 S. 2 BGB nicht ausgesprochen. Nach herrschender Meinung trifft die Ersatzpflicht den Handelnden; handelt er weisungsgebunden, trifft die Ersatzpflicht seinen Auftraggeber. Der durch die Inanspruchnahme des fremden Eigentums Begünstigte, dem die Gefahr drohte, haftet nach herrschender Meinung dem Eigentümer nicht. F:

Bei dem vorgenannten Reihenhausbrand konnte der in einem der gefährdeten Nachbarhäuser wohnende X sich infolge einer Erkrankung nicht an der Beschädigung des Hauses von B beteiligen. Kann der B auch den X auf Schadensersatz in Anspruch nehmen?

90 12

Kap. IV. Eigentum A:

Nach herrschender Meinung kann B den X nicht in Anspruch nehmen, da dieser nicht gehandelt hat.

15. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 80 und 87): a)

Nach § 903 BGB ist Eigentum das umfassende an einer Sache.

b)

Eigentum im sachenrechtlichen Sinne kann nur an einzelnen Sachen bestehen, nicht dagegen an oder an

c)

Gemäß A r t . . . Abs. . GG hat der Eigentümer Pflichten zur Duldung von Eigentumsbeschränkungen. Diese beruhen auf der des Eigentums.

d)

Entschädigung erhält der Eigentümer, wenn es sich bei der Beeinträchtigung seines Eigentums um eine gemäß Art. . . Abs. . GG handelt; gleichgestellt ist der Eingriff.

e)

Der wichtigste Unterschied zwischen Enteignungsentschädigung und Schadensersatz gemäß §§ 249 ff. BGB besteht darin, daß die Entschädigung nur den Geldbetrag umfaßt, der zur Beschaffung eines erforderlich ist.

f)

Wenn das Eigentum eines Unbeteiligten verletzt werden muß, um eine von dritter Seite drohende Gefahr zu bekämpfen, kann der Eigentümer gemäß § . . . S. . BGB vom Handelnden verlangen.

91

Kap. IV. Eigentum A:

a) b) c) d) e) 0

Herrschaftsrecht Sachgesamtheiten, Rechten Art. 14 Abs. 2, Sozialpflichtigkeit Enteignung, Art. 14 Abs. 3, enteignungsgleiche gleichartigen Ersatzstücks 904 S. 2, Schadensersatz

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des vierten Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 24 + 26 + 50 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§28 + 61 Besonders wichtig sind die Fragen der Eigentumsgarantie und der Enteignung (hierzu Baur, § 26 II, Westermann, § 28 II, BVerfGE 24,367 ff. und BGHZ 29,217(221).

92

Kapitel V DAS

EIGENTÜMER-BESITZERVERHÄLTNIS

Dogmatischer Kernpunkt der Rechtsstellung des Eigentümers ist im BGB (entsprechend seiner Entstehungszeit) der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen einen nichtberechtigten Besitzer gemäß § 9 8 5 BGB; ergänzende Vorschriften für die im Zusammenhang mit diesem Anspruch entstehenden Fragen enthalten die §§ 986—1003 BGB. Die Gesamtheit der so geregelten Rechtsbeziehungen zwischen dem nichtbesitzenden Eigentümer und dem besitzenden Nichteigentümer bezeichnet man als „Eigentümer-Besitzerverhältnis". Um einen Eindruck zu vermitteln, in welchem Zusammenhang diese Fragen praktisch werden können, sei folgender Sachverhalt angeführt: Der 22jährige A hat während zweitägiger Abwesenheit seines Vaters dessen Auto (entgegen strengem Verbot) benutzt und dabei die Vorderachse stark beschädigt. Um dies nicht eingestehen zu müssen, gibt er den Wagen dem B zur Reparatur. B hält den A wegen der Namensgleichheit mit seinem Vater für den Eigentümer des Wagens und beseitigt den Schaden; A hat aber nicht genügend Geld zur Bezahlung. Daraufhin gibt B den Wagen nicht heraus. - Als der Vater zurückkommt, berichtet A den Sachhergang. Daraufhin verlangt der Vater als Eigentümer die Herausgabe des Wagens von B; die Reparaturbezahlung verweigert er, weil nicht er den Auftrag dafür erteilt habe. Muß B den Wagen ohne Bezahlung herausgeben?

Übersicht: Herausgabeanspruch Nutzungen Schadensersatz Verwendungen des Besitzers Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1—5 6—12 13—18 19—25 26

93

Herausgabeanspruch

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis

§ 985

1.

§ 985 BGB gewährt dem Eigentümer gegen den Besitzer einen Anspruch auf Herausgabe der Sache. Dieser Anspruch ist unabhängig davon, ob der Eigentümer bereits vorher Besitzer der Sache war oder nicht. Der Anspruch aus § 985 BGB wird als dinglicher Anspruch bezeichnet, weil ihm kein schuldrechtlicher Entstehungstatbestand (etwa aus Vertrag), sondern die sachenrechtliche Zuordnung des streitigen Gegenstandes zugrunde liegt. F:

Der D hat dem A eine Uhr gestohlen. Nach dem Tode des A entdeckt dessen Erbe E die Uhr bei D. Kann E, der als Erbe des A mit dessen Tod Eigentümer geworden ist, von D Herausgabe gemäß § 985 BGB verlangen? A

(Diebstahl)

Dieb D

Erbe É (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

94

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Herausgabeanspruch

Ja, da E als Erbe Eigentümer der Uhr ist und es für seinen Anspruch aus § 985 BGB nicht darauf ankommt, daß er zur Zeit des Diebstahls nicht der Besitzer der Sache war.

2. Verpflichtet zur Herausgabe ist s o w o h l der unmittelbare als auch der mittelbare Besitzer, weil in § 9 8 5 BGB v o m Besitzer schlechthin gesprochen wird. — Da v o m mittelbaren Besitzer nur mittelbarer Besitz herausgegeben werden kann, m u ß der Eigentümer zur Erlangung des unmittelbaren Besitzes an der Sache dann n o c h gegen d e n unmittelbaren Besitzer vorgehen. F 1: Die Studenten E und B bewohnen gemeinsam ein Zimmer. Der B verleiht ohne Wissen des E dessen Schreibmaschine an den X. Als der E die Schreibmaschine von B zurückfordert, verweist ihn dieser an den X, weil er, der B, zur Herausgabe nicht imstande sei. Von wem kann E Herausgabe der Schreibmaschine nach § 985 BGB verlangen? Eigentümer E

- Verleiher B 'Besitzer

F 2: Wie und nach welcher Vorschrift kann der mittelbare Besitzer B den gegen ihn gerichteten Herausgabeanspruch des E erfüllen?

95

Herausgabeanspruch

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis

A 1: Gemäß § 985 BGB kann der E von X Herausgabe verlangen, weil X unmittelbarer Besitzer ist. Von B kann E ebenfalls Herausgabe verlangen, da auch der mittelbare Besitzer nach § 985 BGB verpflichtet ist. A 2: Indem er nach § 870 BGB seinen Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer X an E abtritt (vgl. oben Kap. III, 7).

3.

§ 986

Der Herausgabeanspruch aus § 9 8 5 BGB ist ausgeschlossen, w e n n der unmittelbare Besitzer oder sein Oberbesitzer, der ihm den Besitz überlassen hat, gegenüber dem Eigentümer ein Recht zum Besitz hat, § 9 8 6 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Recht zum Besitz kann schuldrechtliche, sachenrechtliche, familienrechtliche oder erb rechtliche Grundlagen haben; ebenso kann es sich aus öffentlichem Recht herleiten. So hat z.B. schuldrechtlich der Mieter ein Recht zum Besitz während der Mietzeit, ebenso der Entleiher während der Leihzeit; öffentlichrechtlich entsteht ein Recht zum Besitz z.B. durch staatliche Einweisung in Wohnräume. F 1: Der Hauseigentümer E hat ein Haus an den M vermietet. M wiederum hat mit Erlaubnis des E dieses Haus an den U untervermietet. Kann der E, als er für seinen Sohn eine Wohnung benötigt, von U die Herausgabe des Hauses verlangen? Eigentümer E

Hausmieter

M

Untermieter

Ü

F 2: Aus welchen Rechtsverhältnissen ergibt sich im vorgenannten Fall das Recht zum Besitz des U gegenüber dem E?

96

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis

Herausgabeanspruch

A 1: Nein; zwar steht dem U gegenüber dem E kein eigenes Besitzrecht zu, da er einen Mietvertrag nur mit M abgeschlossen hat; der U hat jedoch ein von M abgeleitetes Besitzrecht gegenüber dem E gemäß § 986 Abs. 1 S. 1 BGB. A 2 : Das Recht des U zum Besitz folgt aus den zwischen E und M sowie zwischen M und U abgeschlossenen Mietverträgen.

4. Der Eigentümer kann von dem unmittelbaren Besitzer Herausgabe an den mittelbaren Besitzer verlangen, wenn dieser die Sache dem unmittelbaren Besitzer unerlaubt überlassen hat. Herausgabe an sich selbst kann der Eigentümer in einem solchen Falle nur dann fordern, wenn der mittelbare Besitzer nicht bereit oder nicht in der Lage ist, den unmittelbaren Besitz wieder zu übernehmen, § 986 Abs. 1 S. 2 BGB. F:

Was kann der E im vorgenannten Falle von U verlangen, wenn E dem M keine Erlaubnis zur Untervermietung erteilt hatte?

97 13 Dilcher, Sachenrecht

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Herausgabeanspruch

E kann von U Rückgabe des Hauses an den M verlangen, § 986 Abs. 1 S. 2 BGB.

5. Der Herausgabeanspruch des § 985 BGB und ein auf dieselbe Sache gerichteter vertraglicher Herausgabeanspruch können nach herrschender Meinung beliebig nebeneinander geltend gemacht werden, d.h. es besteht echte Anspruchskonkurrenz zwischen ihnen. — Von einem Teil der Literatur (z.B. von Wolff-Raiser) wird dagegen ein Vorrang des vertraglichen Herausgabeanspruchs angenommen, weil die vertragliche Regelung gegenüber der gesetzlichen als die speziellere anzusehen sei. F:

Der E ist Eigentümer eines Motorrollers, den er für drei Wochen an den B vermietet hat. Nach Ende der Mietzeit ist der B nicht bereit, den Motorroller an E zurückzugeben. Kann der E sein Herausgabeverlangen auch auf § 985 BGB stützen a) nach herrschender Meinung, b) nach der Ansicht von Raiser?

98 13»

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

a) Ja; nach herrschender Meinung kann der E Herausgabe sowohl aus dem Mietvertrag gemäß § 556 BGB als auch aus § 985 BGB verlangen, b) Nein, nach der Ansicht von Raiser schließt der vertragliche Rückgabeanspruch des § 556 BGB den Herausgabeanspruch des § 985 BGB aus.

Wiederholungsfragen: a)

Der Anspruch aus § 985 BGB ist auf

der Sache gerichtet.

b)

Der Anspruch aus § 985 BGB richtet sich nur gegen den unmittelbaren Besitzer • auch gegen den mittelbaren Besitzer • (Kreuzen Sie bitte die richtige Antwort an.)

c)

Der Herausgabeanspruch des Eigentümers greift gemäß § 986 BGB nur durch, wenn weder der unmittelbare noch der mittelbare Besitzer ein der Sache hat.

d)

Der D stiehlt das Fahrrad des E. Folgende Ansprüche kann der E gegen den D geltend machen, um das Fahrrad zurückzuerhalten: Sachenrechtliche Ansprüche nach § . . . BGB wegen Besitzentziehung, nach § . . . . BGB als früherer Besitzer und nach § . . . BGB als Eigentümer. Schuldrechtliche Ansprüche nach § . . . BGB, weil D das Fahrrad rechtsgrundlos besitzt und nach § . . . BGB, weil der D wegen seines Deliktes gemäß § 249 BGB Naturalrestitution durch Rückgabe des Fahrrades leisten muß.

99

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

a) b) c) d)

Nutzungen

Herausgabe auch gegen den mittelbaren Besitzer Recht zum Besitz 861,1007,985,812,823

6. Der Eigentümer kann vom Besitzer nicht nur die Sache selbst, sondern nach den §§ 987 ff. BGB auch die aus der Sache gezogenen Nutzungen herausverlangen. — Voraussetzung für einen Anspruch nach den §§ 987 ff. BGB ist, daß der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB nicht durch ein Recht zum Besitz ausgeschlossen ist (vgl. oben Ziff. 3). Diese Situation bezeichnet man als Vindikationslage-, eine Vindikationslage besteht also immer dann, wenn dem Anspruch aus § 985 BGB kein Gegenrecht aus § 986 BGB entgegensteht. F 1: Die (nach den §§ 987 ff. BGB herauszugebenden) Nutzungen sind im Allgemeinen Teil des BGB gesetzlich definiert. In welcher Vorschrift steht diese Definition?

F 2: B hat von E am 1.3. einen Kraftwagen für eine Woche gemietet. Besteht eine Vindikationslage am 5.3., am 9.3.?

100

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis

Nutzungen

A 1: Nutzungen sind in § 100 BGB (in Verbindung mit § 99 BGB) gesetzlich definiert. A 2: Am 9.3. besteht eine Vindikationslage, weil jetzt das Besitzrecht des B aus dem Mietvertrag erloschen ist.

7.

§ 9 9 0 Abs. 1

Der Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen ist davon abhängig, ob und seit wann der Besitzer in bezug auf sein Besitzrecht bösgläubig ist, weil ein bösgläubiger Besitzer mehr Nutzungen herausgeben muß als ein gutgläubiger. Bösgläubig im Sinne der §§ 987 ff. BGB ist (wie auch bei § 1007 BGB, vgl. oben Kap. II, 19), wer seine fehlende Besitzberechtigung beim Besitzerwerb kennt oder grob fahrlässig nicht kennt, § 990 Abs. 1 S. 1 BGB. — Bösgläubig wird (und dies im Unterschied zu den §§ 1007 u n d 932 Abs. 2 BGB) auch derjenige, der seine fehlende Besitzberechtigung später erfährt, § 990 Abs. 1 S. 2 BGB. — Dem bösgläubigen Besitzer wird nach § 987 BGB deijenige Besitzer gleichgestellt, der auf Herausgabe der Sache verklagt ist; die dort genannte „Rechtshängigkeit" wird regelmäßig durch Klagerhebung begründet. F 1: Bösgläubigkeit des Besitzers entsteht, wenn er a) beim Besitzerwerb . . . . oder infolge nicht weiß, daß er kein zum Besitz erlangt hat, b) positive Kenntnis davon erlangt, daß er kein Besitzrecht hat, c) auf Herausgabe der Sache verklagt wird und damit die . . . . des Herausgabeanspruchs eintritt.

F 2: Ist der X, der von D einen gestohlenen Kraftwagen ohne Kraftfahrzeugpapiere erwirbt, aber vom Diebstahl nichts weiß, bösgläübig hinsichtlich seines Besitzrechtes?

101

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis

Nutzungen

A I : a) weiß b) später grober Fahrlässigkeit c) Rechtshängigkeit Recht A 2: Ja; das Fehlen der Kraftfahrzeugpapiere begründet Bösgläubigkeit, weil ein Erwerber, der dies nicht beachtet, grob fahrlässig handelt.

8. Gutgläubig ist demnach ein Besitzer, der a) beim Besitzerwerb an sein Recht zum Besitz glaubt, auch wenn er dabei leicht fahrlässig handelt, b) auch später nicht erfährt, daß er kein Recht zum Besitz hat, selbst wenn er dabei grob fahrlässig ist, und der c) nicht auf Herausgabe der Sache verklagt ist. Als gutgläubig gilt nach § 991 Abs. 1 BGB ferner ein (in Wirklichkeit bösgläubiger) unmittelbarer Besitzer, wenn er seinen Besitz von einem gutgläubigen mittelbaren Besitzer herleitet, z.B. der Untermieter in nachstehender Zeichnung Eigentümer

Mieter (gutgläubig) Untermieter (bösgläubig, gilt aber als gutgläubig).

Diese Regelung dient dem Schutz des gutgläubigen mittelbaren Besitzers, der andernfalls dem unmittelbaren Besitzer regreßpflichtig würde. F 1: Wann macht grobe Fahrlässigkeit in bezug auf das fehlende Recht zum Besitz den Besitzer bösgläubig?

F 2: E hat dem M einen Kraftwagen vermietet, den der M an den Rechtsstudenten U weitervermietet. Der Mietvertrag zwischen E und M ist nichtig, was zwar nicht der M, wohl aber der U erkennt. Wird der U als gutgläubiger oder bösgläubiger Besitzer des Kraftwagens behandelt? 102

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis

Nutzungen

A 1: Grobe Fahrlässigkeit beim Besitzerwerb macht bösgläubig, später nur noch die positive Kenntnis des fehlenden Besitzrechts. A 2: Trotz seiner Kenntnis der fehlenden Besitzberechtigung des M gilt der U gemäß § 9 9 1 Abs. 1 BGB als gutgläubig.

9.

§ 993 Abs. 1

Der gutgläubige Besitzer darf die nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft gewonnenen Nutzungen behalten, § 993 Abs. 1, 2. Halbsatz BGB. Das bedeutet (nach § 100 BGB), daß ihm die gezogenen Früchte verbleiben und daß er Vorteile, die ihm der Sachgebrauch ermöglichte, nicht zu vergüten braucht. Lediglich solche Früchte, die über den normalen Ertrag einer ordnungsmäßigen Wirtschaft hinausgehen (sog. Übermaßfrüchte), hat er gemäß § 993 Abs. 1, 1. Halbsatz BGB nach Bereicherungsrecht herauszugeben. Übermaßfrüchte sind z.B. bei einem Wald die über die normale Einschlagquote hinaus abgeholzten Bäume. F:

Der B hatte gutgläubig einen gestohlenen Kraftwagen mit gefälschten Papieren erworben. Kann der Eigentümer E nach Entdeckung des Sachverhalts neben der Herausgabe des Wagens auch eine Geldzahlung für die Benutzung des Wagens in der Zwischenzeit verlangen?

103

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

10.

Nutzungen

Nein; als gutgläubiger Besitzer braucht der B die normal gezogenen Nutzungen (hier: Gebrauchsvorteile) nicht herauszugeben, § 993 Abs. 1, 2. Halbsatz BGB.

§ 988

Ausnahmsweise muß gemäß § 988 BGB auch der gutgläubige Besitzer die gezogenen Nutzungen herausgeben, wenn er seinen Besitz unentgeltlich erlangt hat, z.B. als Entleiher. — Die Rechtsprechung hat analog § 988 BGB einem unentgeltlichen Besitzerwerb den rechtsgrundlosen Besitzerwerb, z.B. aufgrund unwirksamen Kaufvertrages, gleichgestellt, weil in diesem Falle das Entgelt an den Besitzer zurückgezahlt werden muß. Der wichtigste Fall des rechtsgrundlosen Besitzerwerbs entsteht durch die Anfechtung des .Kausalgeschäftes, die dieses gemäß § 142 BGB rückwirkend beseitigt. F 1: Der B entleiht bei D, den er für den Eigentümer hält, einen gestohlenen PKW. Kann dessen Eigentümer E von B eine Vergütung für die gezogenen Nutzungen verlangen?

F 2: Der Autohändler A veräußert an den B einen Gebrauchtwagen. Da B hierbei arglistig getäuscht wurde, ficht er Kauf und Übereignung wirksam an und gibt den Wagen an A zurück. Kann der A von B ein Nutzungsentgelt für die Zeit verlangen, in welcher B den Wagen in Gebrauch hatte?

104

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis

Nutzungen

A I : Ja, da B seinen Besitz unentgeltlich erlangt hat. A2: Ja, analog §988 BGB, da B infolge der Anfechtung von Anfang an rechtsgrundloser Besitzer war.

11.

§§ 9 9 0 , 9 8 7

Der bösgläubige Besitzer hat — gleichgültig, ob er den Besitz entgeltlich oder unentgeltlich erworben hat — alle während seiner Bösgläubigkeit gezogenen Nutzungen herauszugeben. Außerdem muß er dem Eigentümer Ersatz für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen leisten, die er bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hätte erzielen können, §§ 990 Abs. 1, 987 BGB. F:

Der P hat von E einen Obstgarten gepachtet. Als der E die Nichtigkeit dieses Vertrages behauptet und den P auf Herausgabe des Gartens verklagt, läßt der P die Obsternte des Jahres am Stamm verderben. Könnte der E, wenn er den Prozeß gewinnt, von P (außer der Sachherausgabe) Ersatz für das Obst verlangen?

105 14 Dilcher, Sachenrecht

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Nutzungen

Ja; denn nach Eintritt der Rechtshängigkeit muß gemäß § 987 Abs. 2 BGB Ersatz für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen geleistet werden.

12.

Die §§ 987 f f BGB enthalten nach herrschender Meinung hinsichtlich der Ansprüche auf Herausgabe gezogener sowie auf Ersatz schuldhaft nicht gezogener Nutzungen eine abschließende Regelung in dem Sinne, daß daneben die § § 8 1 2 ff. oder 823 ff. BGB nicht anwendbar sind; dies ergibt sich aus dem 2. Halbsatz von § 993 Abs. 1 BGB. Im Ergebnis bedeutet es, daß ein gutgläubiger Eigenbesitzer nach den §§ 987 ff. BGB besser gestellt ist als er bei Anwendung der §§812 ff. oder 823 ff. BGB gestellt wäre (sog. „Privilegierung des gutgläubigen Eigenbesitzers"). Fl:

Der B hat zum Preise von 3 0 0 0 . - DM gutgläubig einen gestohlenen Kraftwagen erworben. Kann der Eigentümer E von B aufgrund der §§ 987 ff. BGB ein Entgelt für die Wagenbenutzung verlangen?

F 2: Könnte E mit der Behauptung, der B habe während der Benutzung des Wagens die Kosten für andere Verkehrsmittel eingespart, den ersparten Betrag als ungerechtfertigte Bereicherung von B fordern?

106 14*

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A 1: Nein, da der gutgläubige Besitzer, der den Besitz entgeltlich erlangt hat, nicht zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet ist. A 2: Nein, da § 993 Abs. 1 , 2 . Halbsatz BGB einen Anspruch des E aus § 812 BGB gegen den gutgläubigen Besitzer auf Herausgabe der Nutzungen ausschließt.

Wiederholungsfragen: a)

Unter welcher Voraussetzung muß ein gutgläubiger Besitzer Nutzungen herausgeben, die er nach den Regeln ordnungsgemäßer Wirtschaft gezogen hat?

b)

Der bösgläubige Besitzer muß alle aus der Sache gezogenen Nutzungen herausgeben; außerdem muß er Ersatz für Nutzungen leisten, §§ 990 Abs. 1,987 BGB.

c)

Dem bösgläubigen Besitzer gleichgestellt ist der Besitzer nach Eintritt der des Herausgabeanspruchs, § 987 BGB.

107

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

13.

Schadensersatz

a) Wenn er den Besitz unentgeltlich oder rechtsgrundlos erlangt hat, § 988 BGB. b) schuldhaft nicht gezogene c) Rechtshängigkeit

§ 993 Abs. 1

Der Eigentümer hat, neben den Ansprüchen auf Herausgabe der Sache und der Nutzungen, gemäß den §§ 989—993 BGB Anspruch auf Schadensersatz, wenn der unrechtmäßige Besitzer die Sache schuldhaft verschlechtert hat; ferner entsteht der Schadensersatzanspruch, wenn der Besitzer die Sache nicht mehr herausgeben kann. Voraussetzung ist, wie bei den Nutzungen, auch hier das Bestehen einer Vindikationslage; ebenso wird zwischen Gutgläubigkeit und Bösgläubigkeit des Besitzers unterschieden. Der gutgläubige Besitzer haftet grundsätzlich nicht auf Schadensersatz; dies ergibt sich aus dem 2. Halbsatz von § 993 Abs. 1 BGB. Dementsprechend sind gegen ihn auch Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB ausgeschlossen. F:

Der gutgläubige B erwirbt von X einen gestohlenen Fotoapparat. Infolge grober Unachtsamkeit fällt ihm der Apparat zu Boden und wird stark beschädigt. Kurz darauf wird X des Diebstahls überführt, und der Eigentümer E erfährt vom Verbleib des Apparates. E verlangt nunmehr (außer der Sachrückgabe) von B Ersatz wegen der Beschädigungen. Mit Recht?

108

Kap V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Schadensersatz

Nein, da B zur Zeit des Schadenseintritts gutgläubiger Besitzer war und deshalb nach § 993 Abs. 1 BGB nicht zum Schadensersatz verpflichtet ist.

14.

Ist der gutgläubige Besitzer jedoch Fremdbesitzer (vgl. dazu oben Kap. I, 11) und überschreitet er den Rahmen seines durch das vermeintliche Besitzmittlungsverhältnis bestimmten Besitzrechtes, so begeht er einen sog. Fremdbesitzerexzeß, z.B. wenn ein Mieter (dessen Mietvertrag unentdeckt nichtig war) seine Zigarettenreste auf dem Parkettfußboden auslöscht. Abweichend vom Wortlaut des § 993 Abs. 1, 2. Halbsatz BGB haftet ein solcher Besitzer dem Eigentümer auf Schadensersatz nach § 823 BGB, weil er auch als rechtmäßiger Fremdbesitzer hierfür einstehen müßte. F:

Der Eigentümer E übergibt dem B für eine Party ein Tonbandgerät; da E von einem Mietvertrag und B von einem Leihvertrag ausgeht, ist der beabsichtigte Vertrag (für E und B unbemerkt) nach § 155 BGB nicht zustande gekommen. Während der Party wird das Gerät durch Unachtsamkeit des B stark beschädigt. B weigert sich, dem E den Schaden zu ersetzen, weil er als gutgläubiger Besitzer nach § 993 BGB nicht ersatzpflichtig sei. Mit Recht?

109

Schadensersatz

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Nein; die Haftungsbeschränkung des § 993 Abs. 1 BGB gilt nicht für den Fremdbesitzerexzeß: B hat einen Fremdbesitzerexzeß begangen, da er auch als rechtmäßiger Entleiher wegen positiver Vertragsverletzung für eine starke Beschädigung einstehen müßte. Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, der beabsichtigte Vertrag nicht zustande gekommen ist, haftet B dem E auf Schadensersatz nach § 823 BGB.

15.

§ 9 9 1 Abs. 2

Ist der gutgläubige Besitzer ein Besitzmittler im Verhältnis zu einem mittelbaren Besitzer, der nicht der Eigentümer ist, so haftet der Besitzmittler dem Eigentümer für verschuldete Verschlechterung der Sache und dafür, daß er sie nicht herausgeben kann, in demselben Umfang, wie er seinem Oberbesitzer haften würde, § 991 Abs. 2 BGB: Eigentümer E mittelb. Besitzer= Oberbesitzer O F:

Besitzmittler B.

Der Dieb O hat dem gutgläubigen B ein gestohlenes Kofferradio zur Verwahrung übergeben. Infolge grober Fahrlässigkeit des B wird das Kofferradio stark beschädigt. Ist B dem Eigentümer E zum Schadensersatz verpflichtet, als dieser das Gerät bei B entdeckt und herausverlangt?

110

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

16.

Schadensersatz

Ja; B ist zwar gutgläubiger Besitzer, aber nach § 991 Abs. 2 BGB haftet er dem E in gleichem Maße wie er gemäß § 690 BGB dem 0 haften müßte.

§§ 989,990

Ein bösgläubiger Besitzer und ein Besitzer nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs haften dem Eigentümer nach den §§ 989, 990 Abs. 1 BGB für verschuldete Verschlechterung der Sache auf Schadensersatz. Ebenso haften sie auf Schadensersatz, wenn sie die Sache dem Eigentümer nicht mehr herausgeben können, z.B. weil die Sache inzwischen weiterveräußert wurde. F:

Der D stiehlt im Dienstgebäude der Stadt E eine Schreibmaschine, die deutlich die Aufschrift „Eigentum der Stadt E " trägt. D veräußert die Maschine an den X, der vom Diebstahl nichts weiß und der Aufschrift kein Gewicht beimißt. Als die Stadt E den Verbleib der Schreibmaschine feststellen kann, hat der X sie bereits an einen Unbekannten veräußert. Kann die E von X Schadensersatz nach § § 9 8 9 , 9 9 0 BGB verlangen?

111

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

17.

Schadensersatz

Ja, weil X infolge grober Fahrlässigkeit beim Besitzerwerb bösgläubig war und die Sache nicht mehr herausgeben kann.

§§ 9 9 0 Abs. 2 , 9 9 2

Der bösgläubige Besitzer h a f t e t über die vorgenannten des Schadensersatzes wegen Verschuldens hinaus auch Verschlechterung oder zufälligen Untergang der Sache, der Sachherausgabe in Verzuggerät, §§ 9 9 0 Abs. 2, 287

Tatbestände für zufällige w e n n er mit S. 2 BGB.

Dasselbe gilt, w e n n er sich durch schuldhaft verbotene Eigenmacht oder durch eine strafbare Handlung d e n Besitz verschafft hat, §§ 992, 8 4 8 BGB. § 992 BGB spricht wörtlich von „verbotener Eigenmacht", die — wie Sie wissen (vgl. oben Kap. II, 4) — ohne Verschulden möglich ist. Aus der Gleichstellung mit strafbaren Handlungen, die immer Verschulden erfordern, ist dem § 992 BGB jedoch zu entnehmen, daß nur eine „schuldhafte" verbotene Eigenmacht die erschwerten Folgen auslösen soll. Es genügt, daß die verbotene Eigenmacht leicht fahrlässig begangen wurde. F:

Der B erfährt aus einer Suchanzeige, daß der von ihm zunächst gutgläubig erworbene Goldring gestohlen ist. Er meldet sich bei dem Eigentümer E. Die Rückgabe verzögert sich jedoch wegen Meinungsverschiedenheiten über eine evtl. an B zu zahlende Ablösungssumme. Daraufhin mahnt E den B zur Herausgabe. Kurze Zeit später verliert B den Ring. Warum kann E von B für den Ring Schadensersatz verlangen?

112

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Schadensersatz

Weil B nach der Mahnung des E im Verzug war und seitdem gemäß §§ 990 Abs. 2, 287 S. 2 BGB für einen zufälligen Sachverlust haftet.

§ 992

18.

Schadensersatzansprüche aus den §§ 823 f f . BGB können gegen den nichtberechtigten Besitzer nur ausnahmsweise erhoben werden: Einmal im Falle des Fremdbesitzerexzesses (vgl. oben Ziff. 14) und zum anderen unter den Voraussetzungen des § 992 BGB, d.h., wenn der Besitz durch schuldhafte verbotene Eigenmacht oder durch strafbare Handlung erlangt ist. In allen anderen Fällen gilt die Sperrwirkung des § 993 Abs. 1, 2. Halbsatz BGB. F:

Der B hat einen gestohlenen Fotoapparat gutgläubig erworben. Nach dem Besitzerwerb kommt ihm gerüchtweise zu Ohren, daß der Apparat gestohlen sein könnte; er schenkt diesen Gerüchten jedoch keinen Glauben. - Später beschädigt er den Apparat mutwillig. Als der Eigentümer E den Verbleib des Apparates aufklären kann, verlangt er von B gemäß § 823 BGB Schadensersatz wegen Sachbeschädigung. Mit Recht?

113 15 Dilcher, S a c h e n r e c h t

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Nein; da die Voraussetzungen des § 992 BGB bei B nicht erfüllt sind, ist gemäß § 993 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB gegen ihn ausgeschlossen.

Wiederholungsfragen: a)

Ein gutgläubiger Besitzer haftet dem Eigentümer auf Schadensersatz nur im Falle des ; Grundlage seiner Schadensersatzpflicht ist dann § . . . BGB.

b)

Der bösgläubige Besitzer haftet gemäß §§ 9 8 9 , 9 9 0 BGB dem Eigentümer auf Schadensersatz wegen verschuldeter der Sache und wenn er die Sache dem Eigentümer kann.

c)

Für Zufallsschäden haftet der bösgläubige Besitzer, wenn er mit der Herausgabe der Sache in gerät, bzw. wenn er sich die Sache durch verbotene Eigenmacht oder durch eine verschafft hat.

114 15*

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

19.

Verwendungen des Besitzers

a) Fremdbesitzerexzesses, 823 b) Verschlechterung, nicht herausgeben c) Verzug, schuldhafte, strafbare Handlung

§§ 9 9 4 , 9 9 6

Wenn der zur Herausgabe verpflichtete Besitzer wegen der herauszugebenden Sache Ausgaben hatte, so fragt sich, inwieweit diese vom Eigentümer ersetzt werden müssen. Geregelt ist diese Frage in den §§ 9 9 4 - 1 0 0 3 BGB. Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung ist nach den §§ 994 und 996 BGB, daß der Besitzer Verwendungen auf die Sache gemacht hat. Als Verwendungen bezeichnet man gewollte Vermögensaufwendungen, die der Sache zugute kommen, d.h. ihren Bestand erhalten, sie wiederherstellen oder sie verbessern. Keine Verwendungen sind (nach Ansicht des BGH, im Gegensatz zur herrschenden Meinung) solche Aufwendungen, die eine Sache grundlegend umgestalten. F 1: Der B hat in Unkenntnis der genauen Grundstücksgrenzen gutgläubig auf dem Grundstück des E dessen im Krieg zerstörtes Haus wiederaufgebaut. Sind die Ausgaben für den Wiederaufbau des Hauses als Verwendungen anzusehen?

F 2: Wie wäre es, wenn der B auf dem vorher unbebauten Grundstück des E ein Haus errichtet hätte a) nach herrschender Meinung, b) nach der Ansicht des BGH?

115

K a p . V . Eigentümer-Besitzerverhältnis

Verwendungen des Besitzers

A I : Ja, da durch die Vermögensaufwendungen des B der frühere Zustand wiederhergestellt wurde. A 2: a) Nach herrschender Meinung liegt auch hier eine Verwendung vor. b) Nach der Auffassung des BGH handelt es sich nicht um eine Verwendung, da das Grundstück grundlegend umgestaltet wurde.

20. Das BGB unterscheidet mehrere Arten von Verwendungen: Notwendige Verwendungen sind die zur Erhaltung oder ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache objektiv erforderlichen A u f w e n dungen, z.B. ein Rostschutzanstrich, eine unerläßliche Reparatur. Nützliche Verwendungen sind solche, die den objektiven Wert einer Sache steigern, z.B. das Einzäunen eines Grundstücks, Einbau eines Radios im PKW. Eine dritte Gruppe sind die sog. Luxusverwendungen, die nicht den objektiven Wert der Sache erhöhen, sondern nur das subjektive Interesse des gegenwärtigen Besitzers befriedigen, z.B. wenn im Badezimmer der Mietwohnung die neuen Kacheln durch solche in der Lieblingsfarbe des Besitzers ersetzt werden. F:

Der B besitzt ein Haus: a) Er läßt im Haus einen Wasserrohrbruch reparieren; b) zwei Tage nach dem letzten Außenanstrich läßt er, weil ihm die Farbe nicht gefällt, das Haus neu überstreichen; der letzte Farbanstrich haftet auf der frischen Farbunterlage nicht, c) außerdem läßt B für die Zentralheizung einen Thermostaten einbauen. Um welche Arten von Verwendungen handelt es sich jeweils?

116

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Verwendungen des Besitzers

a) Die Rohrbruchreparatur ist eine notwendige Verwendung, b) der objektiv unnütze zweite Außenanstrich ist eine Luxusverwendung; c) der Einbau des Thermostaten in das Heizungssystem ist eine nützliche Verwendung.

21.

§§ 9 9 4 Abs. 1, 9 9 6

Der gutgläubige Besitzer kann v o m Eigentümer Ersatz der notwendigen Verwendungen verlangen, § 9 9 4 Abs. 1 S. 1 BGB. — Er m u ß jedoch für die Zeit, in der ihm (nach den §§ 987 ff. BGB) die Nutzungen verbleiben, die gewöhnlichen Erhaltungskosten selbst tragen, § 9 9 4 Abs. 1 S. 2 BGB. Gewöhnliche Erhaltungskosten sind der regelmäßig wiederkehrende Teil der notwendigen Verwendungen, z.B. Fütterungskosten bei Tieren. Ersatz für nützliche Verwendungen kann der gutgläubige Besitzer nur verlangen, soweit der Wert der Sache bei Wiedererlangung durch den Eigentümer noch objektiv erhöht ist, § 9 9 6 BGB. Für Luxusverwendungen Ersatz verlangen. F:

kann auch der gutgläubige Besitzer keinen

Der B ist gutgläubiger Besitzer eines gestohlenen Kraftwagens: a) Er läßt beim Erwerb den Wagen neu bereifen, b) wenig später muß er das durch normalen Verschleiß defekte Getriebe erneuern lassen; c) außerdem wird jetzt ein Autoradio installiert. Kann B vom Eigentümer E, dem er ein halbes Jahr später den Wagen herauszugeben hat, Ersatz für die inzwischen abgefahrenen Reifen, die Getriebereparatur und die Radioinstallation verlangen?

117

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Verwendungen des Besitzers

a) Ersatz für die Reifen kann B gemäß § 994 Abs. 1 S. 2 BGB nicht verlangen, weil deren Kosten zu den gewöhnlichen Erhaltungskosten zälilen und ihm als gutgläubigem Besitzer die Nutzungen verblieben sind; b) die Kosten für die Reparatur kann B von E gemäß § 994 Abs. 1 S. 1 BGB als notwendige Verwendung ersetzt verlangen; c) die Installation des Radios stellt eine nützliche Verwendung dar, für die B von E Ersatz gemäß § 996 BGB verlangen kann, da die Wertsteigerung noch im Zeitpunkt der Rückgabe des Wagens vorhanden ist.

22. Dem bösgläubigen Besitzer und dem Besitzer nach Eintritt der Rechtshängigkeit werden die notwendigen Verwendungen nur nach Maßgabe der Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt, § 9 9 4 Abs. 2 BGB. Mit der Verweisung auf die Geschäftsführung ohne Auftrag sind die §§ 6 7 7 ff. BGB angesprochen, für Verwendungsersatz ist dort § 6 8 3 (mit Weiterverweisung auf § 6 7 0 BGB) einschlägig. —

Nützliche Verwendungen und Luxusverwendungen bösgläubigen Besitzer nicht erstattet, § 9 9 6 BGB. F:

werden

dem

Der B ist bösgläubiger Besitzer eines dem E gestohlenen Personenkraftwagens. Er läßt den Wagen, dessen Lack etwas stumpf, aber noch ordentlich ist, neu spritzen und das nicht mehr gebrauchsfähige Getriebe erneuern. Kann B, der unmittelbar danach den Wagen an E herausgeben muß, Ersatz für die Lackierungs- und Reparaturkosten verlangen, wenn der E geltend macht, daß er den Wagen weder lackieren noch reparieren lassen wollte?

118

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Verwendungen des Besitzers

Die Lackierung ist eine nützliche Verwendung, für die der B als bösgläubiger Besitzer keinen Ersatz verlangen kann. — Die Getriebereparatur ist eine notwendige Verwendung, die ihm nur nach Auftragsrecht ersetzt wird; da B die Reparatur nicht ausführen lassen wollte, entfällt gemäß § 683 BGB der Aufwendungsersatz.

23.

§ 1000

D e r B e s i t z e r h a t w e g e n der i h m z u e r s e t z e n d e n V e r w e n d u n g e n auf die S a c h e z u n ä c h s t nur e i n Zurückbehaltungsrecht

nach § 1 0 0 0 BGB.

E i n e n aktiv v e r f o l g b a r e n A n s p r u c h auf Ersatz der

Verwendungen

erhält der B e s i t z e r erst, w e n n der E i g e n t ü m e r die S a c h e w i e d e r e r l a n g t o d e r die V e r w e n d u n g e n g e n e h m i g t hat, § 1 0 0 1 B G B . D a s Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t d e s § 1 0 0 0 B G B b e s t e h t also s c h o n z u einer Z e i t , in w e l c h e r der B e s i t z e r n o c h k e i n e n fälligen E r s a t z a n s p r u c h g e g e n ü b e r d e m E i g e n t ü m e r hat. F:

Vergleichen tungsrechts tungsrechts Unterschied Speziairegel

Sie bitte die Voraussetzungen des speziellen Zurückbehalnach § 1000 BGB mit denen des allgemeinen Zurückbehalnach § 273 Abs. 2 BGB. Können Sie erkennen, worin der zwischen beiden Vorschriften besteht, der die Einfügung der des § 1000 BGB erforderlich machte?

119

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

24.

Verwendungen des Besitzers

Das allgemeine Zurückbehaltungsrecht setzt nach § 273 Abs. 2 BGB einen fälligen (!) Anspruch auf Verwendungsersatz voraus, der beim Zurückbehaltungsrecht des § 1000 BGB noch nicht besteht, weü ein fälliger Anspruch des Besitzers erst nach § 1001 BGB entstehen kann.

§ 1003 Abs. 1

Wenn der Eigentümer die ersatzfähigen Verwendungen innerhalb einer v o m Besitzer gesetzten angemessenen Frist nicht genehmigt, darf der Besitzer die Sache verwerten, d.h. versteigern lassen und sich wegen seiner Verwendungen aus dem Erlös befriedigen, § 1003 Abs. 1 BGB. F:

Der gutgläubige Besitzer B hat wegen hoher notwendiger Verwendungen auf einen PKW gegenüber dem Herausgabeanspruch des Eigentümers E sein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Daraufhin läßt der E nichts mehr von sich hören. Was kann B in dieser Situation tun?

120

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Verwendungen des Besitzers

Er kann dem E eine Frist zur Genehmigung der Verwendungen setzen und nach deren erfolglosem Ablauf den PKW gemäß § 1003 Abs. 1 S. 2 BGB versteigern lassen, um seine Verwendungen aus dem Erlös abzudecken.

25.

§ 997

Unabhängig v o m V e r w e n d u n g s e r s a t z hat j e d e r Besitzer, der m i t der h e r a u s z u g e b e n d e n S a c h e e i n e andere S a c h e als w e s e n t l i c h e n Bestandteil (im S i n n e v o n §§ 9 3 , 9 4 B G B ) v e r b u n d e n hat, das R e c h t , die v e r b u n d e n e S a c h e wegzunehmen, § 9 9 7 Abs. 1 BGB. — Dieses W e g n a h m e r e c h t ist b e i allen n i c h t ersatzfähigen V e r w e n d u n g e n , i n s b e s o n d e r e bei L u x u s v e r w e n d u n g e n , die einzige M ö g l i c h k e i t des Besitzers, seine V e r l u s t e gering z u halten. Das Wegnahmerecht ist ausgeschlossen, wenn die Sachverbindung im Rahmen gewöhnlicher Erhaltungsmaßnahmen erfolgte, wenn die Abtrennung für den Besitzer keinen Nutzen hat oder wenn ihm der Eigentümer den Wert der abzutrennenden Sache ersetzt, § 997 Abs. 2 BGB. F:

Der bösgläubige B hat das dem E gehörende Haus bewohnt. Er hat während der Wohnzeit eine betonierte Garage anbauen und zusätzliche Heizkörper installieren lassen. Als er das Haus herausgeben muß, will er die Heizkörper mitnehmen und die Garage abreißen lassen. Darf er das?

121 16 Dilcher, Sachenrecht

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

Die Garage muß er gemäß § 997 Abs. 2 BGB stehen lassen, da ihm der Abbruch keinen Nutzen bringt. Die Heizkörper darf er wegnehmen, sofern ihm nicht der Eigentümer des Hauses deren Wert ersetzt.

26. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 9 9 , 1 0 7 und 114): a)

Wenn der Besitzer gegenüber dem Eigentümer kein Recht zum Besitz geltend machen kann, bezeichnet man diese Situation als

b)

Vermögensaufwendungen, die eine Sache verbessern, die ihren Bestand erhalten oder sie wiederherstellen, werden genannt. Ersatzfähig sind nach dem BGB die und die . . . . Verwendung. Dem Schutz des Besitzers wegen seiner Verwendungen dient das nach § 1000 BGB.

c)

Der gutgläubige Besitzer kann vom Eigentümer nach § . . . BGB Ersatz der notwendigen Verwendungen erlangen, soweit sie sich nicht als gewöhnliche darstellen.

d)

Der Besitzer beruft sich gegenüber dem Herausgabeanspruch des Eigentümers darauf, daß er für die Sache einen hohen Kaufpreis an einen (nicht mehr auffindbaren) Dritten gezahlt habe. Handelt es sich hier um eine Verwendung im Sinne der §§ 994 ff. BGB?

e)

Sehen Sie sich jetzt bitte nochmals den Beispielsfall zu Anfang des Kapitels (S. 93) an und versuchen Sie, ihn nach den Vorschriften über das Eigentümer-Besitzerverhältnis zu lösen.

122 16*

Kap. V. Eigentümer-Besitzerverhältnis A:

a) b) c) d)

Vindikationslage Verwendungen, notwendigen, nützlichen, Zurückbehaltungsrecht 994, Erhaltungskosten Der vom Besitzer gezahlte Kaufpreis ist keine Verwendung im Sinne der §§ 994 ff. BGB, weil er nicht der Sache selbst zugute kommt. e) Zwischen dem Vater und B besteht eine Vindikationslage, da die Handlungen des A kein gegenüber dem Vater wirkendes Recht des B zum Besitz begründen konnten. Für die Verteidigung des B kommt demnach nur ein Zurückbehaltungsrecht wegen seiner Verwendungen in Frage. Die Reparatur der Vorderachse stellt eine notwendige Verwendung dar. Für diese kann der B als gutgläubiger Besitzer gemäß § 994 Abs. 1 BGB vom Eigentümer Ersatz verlangen. Bis dahin muß B den Wagen nicht herausgeben. (Die zusätzliche Frage, ob B ein Recht zum Besitz aus dem gutgläubigen Erwerb eines Werkunternehmerpfandrechtes herleiten könnte, ist in diesem Zusammenhang außer Betracht geblieben.)

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des fünften Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., § 11 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 3 0 - 3 3 . Besonders wichtig sind die Fragen nach den Konkurrenzen der §§ 987 ff. BGB mit anderen Vorschriften, die Verpflichtungen hinsichtlich der Nutzungen, zum Schadensersatz oder zum Verwendungsersatz ergeben könnten (hierzu Baur, § 11 B II, Westermann, §§ 31 III und 33 I sowie BGHZ41, 157).

123

Kapitel VI ANSPRÜCHE

AUF

ST Ö R UNG SF R E IHE I T

Häufiger als die Besitzentziehung ist in der Praxis, daß der Eigentümer bei der Benutzung seines Eigentums gestört wird, z.B. durch laute Geräusche. Für diese Fälle gewährt § 1004 BGB (in Parallele zum Besitzschutz nach § 862 BGB, vgl. oben Kap. II, 13) dem Eigentümer Ansprüche zur Abwehr solcher Beeinträchtigungen des Eigentums, die keine Besitzentziehung oder Besitzvorenthaltung darstellen. Diese Ansprüche bestehen zum Schutz des Eigentums an beweglichen und an unbeweglichen Sachen; praktische Bedeutung hat § 1004 BGB jedoch vor allem für Grundstücke. So stellt sich z.B. die Frage, ob ein Grundstückseigentümer A, von dessen Grundstück ein starker Regenguß große Mengen Mutterboden auf das tiefer gelegene Nachbargrundstück des B geschwemmt hat, diesen Boden bei B wegschaffen lassen muß.

Übersicht: Die Störungstatbestände Die Rechtswidrigkeit Die einzelnen Ansprüche Die analoge Anwendung Grenzen des zivilrechtlichen Schutzes Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1—4 5—9 10—14 15—16 17 18

124

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch

1.

Störungstatbestände

§ 1004 Abs. 1

Wird der Eigentümer in seinen Rechten beeinträchtigt, so ist zu unterscheiden, ob die Störung durch Handlungen eines Menschen oder durch den Zustand einer Sache hervorgerufen wird: Erfolgt die Beeinträchtigung des Eigentümers durch die Handlung eines anderen, so muß es sich um eine aktive Einwirkung auf die Sache des Eigentümers handeln. — Einwirkungen Dritter auf ihre eigenen Sachen, die nachteilige Folgen für Sachen anderer Eigentümer haben (sog. negative Einwirkungen), wie etwa das Entziehen von Grundwasser durch Handlungen auf dem Nachbargrundstück, werden von § 1004 BGB nicht erfaßt. Die aktiven Störungshandlungen stellen sich entweder als unmittelbarer Eingriff dar, z.B. durch Betreten eines Grundstücks, oder aber sie bestehen im aktiven Entsenden störender Einwirkungen (sog. Immissionen), z.B. durch Entsendung von Dampf, Rauch, Geruch, Wärme, Geräusch oder Erschütterung. F:

A und B sind Nachbarn in einer Reihenhaussiedlung. Als der A eine große Sichtblende anbringen läßt, nimmt er dem B einen beträchtlichen Teil der Mittagssonne weg. B verlangt daraufhin von A unter Berufung auf § 1004 BGB die Beseitigung der Sichtblende. Mit Recht? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

125

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Störungstatbestände

Nein, da das Entziehen von Sonnenlicht eine negative Einwirkung darstellt, gegen die § 1004 BGB keinen Schutz gewährt.

2. Die Störung des Eigentümers kann — außer durch direkte Handlung — auch durch den störenden Zustand einer anderen Sache erfolgen, sofern dieser Zustand zumindest mittelbar auf menschlichem Handeln beruht und aktiv auf das gestörte Eigentum einwirkt. F:

Der E hat seinen Garten nicht gepflegt, so daß er völlig mit Unkraut bedeckt ist, dessen Samen auf das Nachbargrundstück des B fliegt. Kann B aus § 1004 BGB gegen den E vorgehen?

126

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Störungstatbestände

Ja, da der Garten durch den von E verursachten Zustand aktiv störend auf das Eigentum des B einwirkt.

3. Die Ansprüche des § 1004 BGB richten sich gegen den Störer: Wurde die Störung durch eine menschliche Handlung herbeigeführt, so ist Störer jeder, der durch seine Handlungen willentlich eine adäquate Ursache für den beeinträchtigenden Erfolg gesetzt hat; Mitverursachung und mittelbare Verursachung genügen. Im Falle weisungsgebundenen Handelns ist nicht der Handelnde, sondern der Weisungsgeber als Störer anzusehen. F:

Der Musiklehrer M erteilt auch in den späten Abendstunden Klavierunterricht. Als der Hauseigentümer E von ihm verlangt, diese Störungen zu unterlassen, wendet der M ein, daß nicht er der Störer sei, da er ja nicht selbst Klavier spiele. Trifft diese Auffassung zu?

127

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Störungstatbestände

Nein; der M ist auch dann Störer, wenn die Störungen durch einen anderen aufgrund seiner Anweisungen hervorgerufen werden.

4. Störer ist auch im Falle des störenden Zustandes einer Sache derjenige, der diesen störenden Zustand verursacht oder mitverursacht hat. Für die Haftung nach § 1004 BGB genügt eine vom Störer gesetzte Bedingung des Erfolges auch dann, wenn sie erst durch das Hinzutreten von Naturkräften zum störenden Zustand geführt hat, z.B. wenn jemand Bäume anpflanzt, die zunächst nicht stören, die aber dann vom Sturm entwurzelt und auf das Nachbargrundstück geworfen werden. Gegen ausschließlich auf Naturkräften beruhende (und vom Menschen nicht verursachte) Beeinträchtigungen gibt es keinen Schutz nach § 1004 BGB. F 1: Von dem im Naturzustand befindlichen Grundstück des A lösen sich bei einem ungewöhnlich starken Unwetter Felsbrocken und stürzen auf das Grundstück des B. Kann B von A nach § 1004 BGB die Beseitigung verlangen?

F 2: Der A hat in seinem Garten einen Komposthaufen angelegt, in welchem sich im Laufe der Zeit zahlreiche Ratten einnisten und auf das Nachbargrundstück vordringen. Dadurch wird die Nachbarin N erheblich gestört. Kann sie von A Beseitigung der Störung verlangen?

128

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A 1: Nein, da es sich bei dem Steinschlag um die Folge reiner Naturkräfte und der natürlichen Lage beider Grundstücke handelt. A 2 : Ja, da A durch das Anlegen des Komposthaufens eine Bedingung geschaffen hat, die für den späteren störenden Zustand seines Grundstücks ursächlich ist.

Wiederhol u ngsf ragen: a)

Gegen Beeinträchtigungen seines Eigentums, die keine darstellen, gewährt § 1004 BGB dem Eigentümer Schutz.

b)

Die Ansprüche richten sich gegen den die Störung verursacht hat, sei es durch eine das Hervorrufen eines

c)

Nunmehr können Sie auch den in der Vorbemerkung (S. 124) angeführten Sachverhalt beurteilen. Worauf kommt es für die Frage an, ob A den Mutterboden zurückschaffen muß?

Dies ist derjenige, der oder durch

129 17 Dilcher, Sachenrecht

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Rechtswidrigkeit

a) Besitzentziehung b) Störer, Handlung, Zustandes c) Es kommt darauf an, ob der A den Mutterboden bereits bearbeitet hatte, oder ob dieser sich noch im Naturzustand befand. Im letzteren Falle ist A nicht zur Rückschaffung verpflichtet; im ersten Falle haftet der A, wenn seine Bearbeitung des Bodens eine Ursache dafür schuf, daß der Regen den Boden wegschwemmen konnte.

5. Die Haftung aus § 1004 BGB setzt nicht nur voraus, daß jemand als Störer die Eigentumsbeeinträchtigung verursacht hat; vielmehr muß die Störung auch rechtswidrig sein. Dagegen verlangt § 1004 BGB nicht, daß den Störer auch ein Verschulden trifft, d.h., auf seine subjektive Einstellung zum störenden Verhalten kommt es nicht an. F:

Der M stört seinen Grundstücksnachbarn G durch lautes abendliches Klavierspielen. Nützt es dem M gegenüber einem Anspruch des G aus § 1004 BGB, daß er unverschuldet der Meinung ist, bis 24 Uhr dürfe er beliebig laut musizieren?

130 17

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch

Rechtswidrigkeit

A:

Nein; für § 1004 BGB kommt es nur auf die objektive Rechtswidrigkeit der Störung, nicht auf das Verschulden des Störers an. Das Verhalten des M ist objektiv rechtswidrig.

6.

§ 1 0 0 4 Abs. 2

G e m ä ß § 1 0 0 4 Abs. 2 BGB ist der Anspruch des Eigentümers ausgeschlossen, w e n n er zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist, da in diesem Falle die Störung nicht rechtswidrig ist. — Die Duldungspflicht des Eigentümers ergibt sich d e m n a c h aus den allgemeinen Rechtfertigungsgründen des bürgerlichen und des ö f f e n t lichen Rechts; so ist z.B. ein Eigentümer aufgrund seiner Einwilligung zur Duldung verpflichtet. F:

Der E hat seinem Nachbarn N aus Gefälligkeit gestattet, das zu dessen Hausbau benötigte Baumaterial auf seinem Grundstück zu lagern. Könnte der E, wenn er sich wegen einer anderen Sache über den N geärgert hat, die Wegschaffung des Baumaterials gemäß § 1004 BGB verlangen (wenn Sie die Möglichkeit eines konkludenten Widerrufs der Einwilligung berücksichtigen)?

131

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch

Rechtswidrigkeit

A:

Ja; da das Verlangen des E als konkludenter Widerruf der Einwilligung aufzufassen wäre, lagert N sein Baumaterial danach rechtswidrig auf dem Grundstück des E.

7.

§ 906 Abs. 1

Besondere Rechtfertigungsgründe Nachbarrecht:

für Störungen ergeben sich aus dem

Nach § 906 Abs. 1 BGB muß ein Eigentümer solche Immissionen dulden, die die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. — Dies gilt nicht, wenn die Immission durch eine besondere Leitung zugeführt wird, § 906 Abs. 3 BGB. F:

Die Fabrik F leitet unschädliche und kaum verschmutzte Abwässer durch eine Rohrleitung in einen dem E gehörenden Teich. Muß der E dies dulden?

132

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch

Rechtswidrigkeit

A:

Nein; gemäß § 906 Abs. 3 BGB ist E nicht zur Duldung der unwesentlichen Störung verpflichtet, weil die Zuführung durch besondere Leitung erfolgt.

8.

§ 906 Abs. 2

Auch wesentliche Beeinträchtigungen hat der Eigentümer gemäß § 906 Abs. 2 S. 1 BGB hinzunehmen, wenn sie auf ortsüblicher Benutzung eines anderen Grundstücks beruhen und wirtschaftlich zumutbare Verhinderungsmöglichkeiten für den Störer nicht gegeben sind. Die Vorschrift enthält mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe-. Die Abgrenzung zwischen wesentlicher und unwesentlicher Beeinträchtigung bestimmt sich nicht nach dem Empfinden des Gestörten, sondern nach dem Maßstab eines Durchschnittsmenschen; demnach ist eine Rauchmenge, die für die Mehrzahl der Menschen kaum spürbar ist, eine unwesentliche Beeinträchtigung, auch wenn ein betroffener Eigentümer besonders rauchempfindlich ist. — Die Ortsüblichkeit einer Störung bestimmt sich nach der Nutzungsweise im größeren Umkreis; es genügt ein Großbetrieb, um eine ganze Gegend zu prägen. Die Ortsüblichkeit, z.B. in einer Wohngegend, kann sich durch zunehmende Industrialisierung ändern. — Wirtschaftlich zumutbar ist eine Abhilfsmaßnahme, wenn sie für den Typ des störenden Betriebes branchenüblich ist, d.h., die wirtschaftlich schlechte Lage eines Störers wird nicht berücksichtigt. Technische Neuerungen wirken sich aus, wenn sie branchenüblich werden. F:

Der E hat ein Grundstück erworben, in dessen unmittelbarer Nähe eine Zementfabrik betrieben wird. Von dort setzt sich ständig feiner weißer Staub auf dem Grundstück des E ab. Hat E einen Anspruch gegen die Zementfabrik, wenn sich herausstellt, daß die Staubentwicklung in diesem Umfang aufgrund einer technischen Neuerung, die von vielen anderen Zementfabriken benutzt wird, vermeidbar wäre?

133

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Rechtswidrigkeit

Ja; E mußte die wesentliche und ortsübliche Störung nur solange dulden, als keine branchenüblichen Abhilfsmaßnahmen gegeben waren, § 906 Abs. 2 S. 1 BGB.

9.

Unabhängig von den privatrechtlichen Regeln des § 906 BGB muß jemand Störungen seines Eigentums auch dann dulden, wenn sie von einem nach § 26 Gewerbeordnung (im Schönfelder abgedruckt zu Art. 125 EGBGB) gewerberechtlich zugelassenen oder für die Allgemeinheit lebenswichtigen Betrieb ausgehen. Allerdings kann er auch in diesen Fällen die Errichtung zumutbarer Schutzmaßnahmen verlangen. F:

Der Lärm des behördlich zugelassenen Großflugplatzes der Stadt S beeinträchtigt das benachbarte Grundstück des E in ungewöhnlich starkem Maße. Kann E von der Flughafengesellschaft die Beendigung der Störungen oder deren Verringerung verlangen?

134

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

E kann im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren Schutzeinrichtungen verlangen, z.B. Festlegung von Mindestflughöhen, nicht aber Einstellung des Flugbetriebes.

Wiederholungsfragen: a)

§ 1004 BGB setzt voraus: Rechtswidrigkeit der Störung D Verschulden des Täters • D Rechtswidrigkeit und Verschulden (Kreuzen Sie bitte die richtige Antwort an.)

b)

Als der A sein Grundstück einzäunen läßt, wird der Zaun wegen der Bodenbeschaffenheit um einige Zentimeter auf das Nachbargrundstück des B gerückt. Daraufhin verlangt B, daß A den Zaun zurückversetzt. Welches Vorbringen könnte das Verhalten des A rechtfertigen: Er habe von der Grenzüberschreitung nichts gewußt, D B habe dem jetzigen Zaunverlauf vertraglich zugestimmt, D auf einige Zentimeter komme es nicht an? D

c)

Unter welchen Voraussetzungen kann ein durch wesentliche Immissionen vom Nachbargrundstück gestörter Eigentümer keine Unterlassung der Störungen verlangen?

135

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Einzelansprüche

a) Rechtswidrigkeit der Störung b) B habe vertraglich zugestimmt c) Wenn es sich um ortsübliche und nach wirtschaftlicher Zumutbarkeit unvermeidbare Störungen handelt, § 906 Abs. 2 S. 1 BGB; ferner, wenn es sich um einen gewerberechtlich (§ 26 GewO) zugelassenen oder für die Allgemeinheit lebenswichtigen Betrieb handelt, von dem die Störungen ausgehen.

10. § 1004 Abs. 1 BGB gewährt dem beeinträchtigten Eigentümer gegen den Störer wegen bereits eingetretener Störungen einen Beseitigungsanspruch; wegen künftig drohender Störungen hat der Eigentümer einen Unterlassungsanspruch. Der Beseitigungsanspruch des gestörten Eigentümers richtet sich auf die Beendigung des störenden Zustandes, nicht aber auf Schadensersatz. F 1: Der A wirft einen Ball in das Beet des Gärtners E und beschädigt wertvolle Blumen. Kann E nach § 1004 BGB von A Ersatz für die beschädigten Blumen verlangen?

F 2: Welches über § 1004 BGB hinausreichende Erfordernis müßte erfüllt sein, um nach § 823 BGB einen Schadensersatzanspruch des E gegen A wegen Eigentumsverletzung zu begründen?

136

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch

Einzelansprüche

A 1: Nein; gemäß § 1004 BGB kann E nur die Beseitigung des Balles verlangen. A 2: Es müßte auch Verschulden des A vorliegen.

11. D e r Unterlassungsanspruch Abs. 1 S. 2 objektive,

BGB

des g e s t ö r t e n E i g e n t ü m e r s nach § 1 0 0 4

setzt eine Wiederholungsgefahr voraus, d.h.

auf Tatsachen

gegründete ernstliche Besorgnis

die

weiterer

Störungen. F:

Lediglich aus Unkenntnis der Rechtslage bringt der A ein Werbeplakat an der Hauswand des E an. Kann E nach der Beseitigung des Plakats und entsprechender Unterrichtung des A gegen ihn auf Unterlassung künftiger Störungen klagen?

137 18

Dilcher, Sachenrecht

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Einzelansprüche

Nein; trotz vorangegangener Störung des Eigentums besteht hier nicht die für eine Unterlassungsklage erforderliche Wiederholungsgefahr, da A seinerzeit nur aus Unkenntnis gehandelt hat.

12. In erweiternder Anwendung des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB wird dem Eigentümer eine sog. vorbeugende Unterlassungsklage bereits ohne das Vorhergehen einer ersten Eigentumsstörung gewährt, wenn der Störer Anstalten trifft, von denen eine Beeinträchtigung zu erwarten ist. Dadurch wird erreicht, daß der Eigentümer mit seiner Unterlassungsklage nicht bis zur Vollendung der Störung zu warten braucht. F:

E beobachtet, wie sein Nachbar N Vorbereitungen trifft, um an der Grundstücksgrenze eine Müllverbrennung einzurichten. Kann E wegen der zu erwartenden Geruchsbelästigung schon jetzt Unterlassungsklage gegen den N erheben?

138 18

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Einzelansprüche

Ja; die vorbereitenden Maßnahmen des N reichen aus, um eine vorbeugende Unterlassungsklage zu begründen.

13. Anstelle der vorgenannten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche hat der gestörte Eigentümer ausnahmsweise einen Entschädigungsanspruch, wenn er nach § 906 BGB oder § 26 Gewerbeordnung zur Duldung von Störungen verpflichtet ist (vgl. oben Ziff. 8 und 9). Gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB kann vom Störer die Entschädigung nur verlangt werden, wenn der Eigentümer mehr als zumutbare Nachteile erleidet; unzumutbare Nachteile entstehen für den gestörten Eigentümer erst, wenn er seinerseits versucht hat, die Auswirkungen der Störung gering zu halten. F:

Unter welchen vier Voraussetzungen kann ein Grundeigentümer vom Störer Entschädigung verlangen?

139

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Einzelansprüche

Es muß sich handeln um a) wesentliche, b) ortsübliche, c) wirtschaftlich unvermeidbare Störungen, d) unzumutbare Nachteile.

14. Weitere spezielle Ansprüche z u m S c h u t z des Eigentümers g e w ä h r e n die V o r s c h r i f t e n des Nachbarrechts: In § 907 BGB ist eine Unterlassungsklage vorgesehen gegen gefährliche Anlagen auf dem Nachbargrundstück, z.B. Errichtung einer Sprengstoffabrik. In § 908 BGB wird bei Gefahr eines Gebäudeeinsturzes dem Eigentümer des dadurch bedrohten Nachbargrundstücks der Anspruch darauf gewährt, daß die zur Gefahrabwendung erforderlichen Maßnahmen getroffen werden. Gemäß § 909 BGB hat der Eigentümer eines Grundstücks einen Beseitigungsund Unterlassungsanspruch, wenn beim Ausschachten eines Nachbargrundstücks die dem Boden seines Grundstücks erforderliche Stütze entzogen wird, z.B. weil keine Stützträger eingerammt werden. — Diese Vorschrift wird im Falle einer Grundwassersenkung analog angewendet. Gemäß § 910 BGB schließlich hat der Eigentümer ein Selbsthilferecht zur Beseitigung vom Nachbargrundstück eindringender Zweige und Wurzeln. F:

Besteht für einen durch unsachgemäßes Ausschachten auf dem Nachbargrundstück beeinträchtigten Grundeigentümer neben dem Anspruch aus § 909 BGB auch der Störungsfreiheitsanspruch nach § 1004 BGB?

140

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

15.

Analoge Anwendung

Nein, da es sich bei § 909 BGB um eine Spezialvorschrift handelt, die der allgemeinen Regel in § 1004 BGB vorgeht.

§ 1004 analog

Der durch § 1004 BGB dem, Eigentümer gewährte Schutz gegen Störungen wird im Wege der Analogie auf solche Rechtsgüter übertragen, die in ihrer Ausschließlichkeitswirkung dem Eigentum vergleichbar sind (sog. absolute Rechte); dies sind insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre und der Kredit (im Sinne von Kreditwürdigkeit). Auch der „eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb" wird auf diese Weise geschützt. Analog den §§ 1004, 12 und 862 BGB (sowie Spezialbestimmungen, wie § 47 Patentgesetz, im Schönfelder Nr. 70) wird absoluten Rechtsgütern Störungsschutz gewährt; er besteht also in der Form eines Beseitigungsanspruchs nach eingetretener Störung, eines Unterlassungsanspruchs bei weiterer drohender Störung und eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs wegen erster drohender Störung. Diese Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche bezeichnet man als quasinegatorische Ansprüche. Sie bestehen selbständig neben eventuellen Schadensersatzansprüchen aus den §§ 823 ff. BGB. F:

Der A verbreitet wahrheitswidrig, sein Konkurrent K habe so hohe Schulden, daß er nicht mehr kreditwürdig sei. K verlangt von A den Widerruf dieser Behauptung. Der A hält dem entgegen, daß dem K noch kein Schaden im Sinne des § 824 BGB entstanden sei. Ist dies gegenüber dem Widerrufsverlangen des K erheblich?

141

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Analoge Anwendung

Nein; unabhängig von einem Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 824 BGB hat der K analog den §§ 1004, 12 und 862 BGB Anspruch auf Beseitigung der Störung seines Geschäftskredites durch Widerruf.

16. Besonders wichtig ist der quasinegatorische Schutz für den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Ursprünglich gewährte die Rechtsprechung diesen Schutz nur bei solchen Eingriffen, die den Bestand des Unternehmens bedrohten; heute wird der Gewerbebetrieb auch gegen weniger gravierende Störungen geschützt. F:

Bei Erdarbeiten vor dem Gelände der Fabrik F wird versehentlich das Stromzuführungskabel zur Fabrik durchschnitten. Die Produktion der F muß stillgelegt werden, wenn nicht innerhalb von fünf Stunden (in welcher Zeit eine Versorgung durch Akkumulatoren möglich ist) die Stromzufuhr wiederhergestellt wird. Die F verlangt von dem Bauunternehmer B die sofortige Beseitigung der Versorgungsstörung. Dieser beruft sich darauf, daß a) das durchschnittene Kabel nicht der F gehöre, b) die F sich an das Elektrizitätswerk halten müsse. Mit Recht?

142

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Rechtsschutzgrenzen

a) Nein, da die F nicht Störung ihres Eigentums am Kabel geltend macht, sondern die Störung ihres ausgeübten Gewerbebetriebes, b) Nach den allgemeinen Regeln (oben Ziff. 1) ist der B als Handlungsstörer für die dem Gewerbebetrieb zugefügte Störung verantwortlich. Daß die F gegen das Elektrizitätswerk einen Stromlieferungsanspruch hat, bedeutet keine Rechtfertigung für das Verhalten des B; er muß demnach die Störung beseitigen lassen.

17. Gegenüber hoheitlichen Eingriffen d e r Staatsgewalt ist n u r ö f f e n t l i c h rechtlicher u n d kein zivilrechtlicher S c h u t z möglich. Deshalb ist d e r zivilrechtliche S t ö r u n g s f r e i h e i t s a n s p r u c h n a c h § 1 0 0 4 BGB ausgeschlossen, w e n n das E i g e n t u m im R a h m e n von H o h e i t s a k t e n beeinträchtigt wird. Dasselbe gilt f ü r S t ö r u n g s f r e i h e i t s a n s p r ü c h e analog d e n §§ 1 0 0 4 , 12 u n d 8 6 2 BGB, w e n n ein a n d e r e s absolutes R e c h t d u r c h H o h e i t s a k t e b e t r o f f e n wird. F:

Die Stadt S hat den gewalttätigen Obdachlosen A in eine bei E freistehende Mietwohnung eingewiesen. Kann E auf zivilrechtlicher Grundlage wegen Störung seines Eigentums von der Stadt die Aufhebung der Einweisung verlangen, wenn er der Ansicht ist, daß sie unberechtigt erfolgte?

143

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

Nein; da es sich bei der Einweisung um eine hoheitliche Maßnahme handelt, versagt der zivilrechtliche Schutz.

18. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 129 und 135): a)

Nach eingetretener Eigentumsstörung gewährt § 1004 BGB dem Eigentümer einen gegen weitere drohende Störungen einen

b)

Bereits im Falle der drohenden ersten Beeinträchtigung kann der Eigentümer eine Unterlassungsklage erheben.

c)

Muß der Eigentümer kraft Gesetzes Störungen dulden, die ihm unzumutbare Nachteile bereiten, so kann er gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB oder gemäß § . . Gewerbeordnung vom Störer eine verlangen.

d)

Zum Schutze anderer, dem Eigentum vergleichbarer Rechtsgüter gegen störende Beeinträchtigungen wird § 1004 BGB angewendet.

e)

Auch der eingerichtete und ausgeübte dieser Grundlage geschützt gegen Störungen, die seinen Bestand bedrohen, • alle wesentlichen Beeinträchtigungen. • (Bitte kreuzen Sie die richtige Antwort an.)

wird auf

144

Kap. VI. Störungsfreiheitsanspruch A:

a) b) c) d) e)

Beseitigungsanspruch, Unterlassungsanspruch vorbeugende 26, Entschädigung absoluter, analog Gewerbebetrieb, alle wesentlichen Beeinträchtigungen.

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des sechsten Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 12 und 25 IV Westermann, Sachenrecht, aaO., § § 3 6 und 63. Besonders wichtig sind die Fragen der Duldungspflicht 26 Gewerbeordnung

gemäß §§ 906 BGB und

(hierzu Baur, § 25 IV, Westermann, § 63 II sowie BGHZ49, 148).

145 19 Dilcher, S a c h e n r e c h t

Kapitel VII DER

RECHTSGESCHÄFTLICHE EIGENTUMSERWERB

Bisher wurde die Rechtsstellung des Eigentümers behandelt. Als nächste Frage ist zu erörtern, wie Eigentum von einer Person auf eine andere übertragen werden kann. — Hierbei unterscheidet das BGB zwischen der Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen und der an Grundstücken. Die folgenden drei Kapitel behandeln die Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen. Für diese unterscheidet das BGB drei Fallgruppen mit jeweils eigenen Vorschriften: Grundfall des BGB ist, daß der Eigentümer die Sache veräußert. Daneben gibt es den Fall, daß ein Nichteigentümer die Sache an einen gutgläubigen Erwerber veräußert. Ferner kann der Erwerber auch ohne rechtsgeschäftliches Zusammenwirken mit einem Veräußerer durch eigene Tätigkeit Eigentum begründen, z.B. durch Verarbeitung von Material zu einer neuen Sache. Im Kapitel VII wird die Übertragung des Eigentums durch den Eigentümer behandelt, ein Vorgang, der sich aus der Sicht des Erwerbers als rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb darstellt. Übersicht: Die Tatbestandselemente Die dingliche Einigung Eigentumsvorbehalt und Eigentumsanwartschaft Die Übergabe Besitzmittlungsverhältnis als Übergabeersatz Abtretung des Herausgabeanspruchs als Übergabeersatz Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1-2 3—5 6—12 13-15 16-21 22 23

146 19*

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb

1.

Tatbestandselemente

§ 929 S. 1

Die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums (Übereignung) an beweglichen Sachen durch den Eigentümer erfordert gemäß § 929 S. 1 BGB die rechtsgescnäftliche Einigung des bisherigen Eigentümers mit dem Erwerber darüber, daß das Eigentum übergehen soll (das Willensmoment der Übereignung) und die Übergabe der zu übereignenden Sache an den Erwerber (das Vollziehungsmoment der Übereignung). F:

Kann der Erwerber E, Eigentumsübergang an Herausgabe nach § 985 anders überlegt hat und

nachdem er sich mit dem Veräußerer V über den dessen Rasenmäher geeinigt hat, gegen V auf BGB klagen, wenn der V es sich nach der Einigung den Rasenmäher nicht an E übergeben will?

(Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

147

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Tatbestandselemente

Nein, da für den Eigentumserwerb des E nach § 929 S. 1 BGB noch die Übergabe des Rasenmähers fehlt, ist E nicht Eigentümer geworden und kann den Schutz des § 985 BGB nicht beanspruchen.

2. Die Übereignung erfolgt normalerweise zur Erfüllung einer Verpflichtung; so ist z.B. nach § 4 3 3 Abs. 1 BGB der Verkäufer durch den Kaufvertrag verpflichtet, dem Käufer das Eigentum an der Kaufsache zu verschaffen. Diese Verpflichtung zur Übereignung bildet den Rechtsgrund (die Causa) der Übereignung. Rechtsgrund und Übereignung sind nach dem BGB nicht unmittelbar miteinander verknüpft. Deshalb ist die Wirksamkeit der Übereignung nicht davon abhängig, daß der Rechtsgrund gültig ist, d.h. Mängel des Kausalgeschäftes führen grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit der Übereignung. Dies bezeichnet man als Abstraktionsprinzip. Wenn also z.B. der Kaufvertrag, zu dessen Erfüllung die Sache übereignet wurde, nichtig war oder durch Anfechtung rückwirkend entfallen ist, bleibt das Eigentum des Erwerbers dennoch bestehen. Allerdings fehlt es jetzt am Rechtsgrund für das Eigentum; der Erwerber ist im Sinne der §§ 812 ff. BGB ungerechtfertigt bereichert und muß deshalb das Eigentum auf den Veräußerer zurückübertragen. F:

Der 18jährige E kauft bei seinem volljährigen Bekannten V ohne Wissen seiner Eltern ein Moped. Er kann den Kaufpreis zwar nicht von seinem Taschengeld bezahlen, verspricht aber das baldige Einverständnis seiner Eltern. Deshalb übereignet ihm V das Moped. — Ist der E Eigentümer des Mopeds geworden, wenn seine Eltern später die Rechtsgeschäfte mit V nicht genehmigen wollen? (Beachten Sie die §§ 107 ff. BGB.)

148

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Einigung

Ja; der Eigentumserwerb des E ist als rechtlich lediglich vorteilhaftes Geschäft nach § 107 BGB einwilligungsfrei. Daß der Kaufvertrag infolge der verweigerten Genehmigung durch die Eltern nach § 108 BGB unwirksam ist, berührt infolge des Abstraktionsprinzips nicht unmittelbar den Eigentumserwerb des E.

3. Nunmehr sollen Einigung und Übergabe als die Tatbestandselemente der Übereignung im einzelnen behandelt werden; zunächst wird die Einigung dargestellt: Die Einigung k a n n sich n u r auf bestimmte Sachen b e z i e h e n ; § 9 2 9 S. 1 BGB spricht von ,,. . . einer (!) beweglichen Sache . . .". Dies bezeichnet m a n als das s a c h e n r e c h t l i c h e Spezialitätsprinzip (vgl. o b e n Kap. IV, 2). — Eine S a c h g e s a m t h e i t , wie e t w a ein Warenlager, k a n n also G e g e n s t a n d einer Übereignung n u r in d e r Weise sein, d a ß die einzelnen b e t r o f f e n e n S a c h e n individuell b e z e i c h n e t w e r d e n . F:

Was muß geschehen, damit sich V und E über den Eigentumsübergang an 10 Sack Mehl aus dem weitaus größeren Vorrat des V einigen können?

149

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Einigung

Die für E bestimmten 10 Sack Mehl müssen individuell bezeichnet werden; dies erfordert z.B. eine abgesonderte Aufstellung oder andere Kennzeichnung.

4. Die Einigung erfolgt nach den Vorschriften über Rechtsgeschäfte, d.h. nach den §§ 104—185 BGB; es gelten die allgemeinen Regeln über Geschäftsfähigkeit, Willensmängel, Stellvertretung, usw. — Die Einigung ist nicht formgebunden; häufig erfolgt sie konkludent, d.h. durch ein Verhalten, aus dem der Einigungswille auch ohne verbale Erklärung entnommen werden kann. F 1: Der Student E will am Kiosk Zigaretten erwerben. Er legt ein Zweimarkstück auf die Theke und verlangt eine Packung „X"-Zigaretten. Der Verkäufer V legt wortlos die entsprechende Packung hin, und E nimmt sie an sich. In welchen Vorgängen sind hier Angebot und Annahme für die Einigung zwischen V und E zu sehen?

F 2: Worin würden Angebot und Annahme der Einigung zu sehen sein, wenn der Zigarettenkauf am Automaten vorgenommen wird?

150

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb

Einigung

A 1: Die Einigung erfolgt konkludent, nach herrschender Meinung liegt das Angebot zur Einigung im geäußerten Wunsch des E, die Annahme durch V in der Aushändigung der Packung. A2: Die Aufstellung des Automaten bedeutet ein konkludentes Einigungsangebot des V, das durch das Einwerfen der Münze vom Kunden konkludent angenommen wird.

5. Wenn Erklärungen durch Stellvertreter des Veräußerers oder des Erwerbers erfolgen, so gilt nach § 164 Abs. 2 BGB hierfür das Offenkundigkeitsprinzip, d.h., wer nicht erkennbar als Stellvertreter auftritt, wird von den Erklärungswirkungen selbst betroffen. Für die Einigungserklärungen bei Geschäften des täglichen Lebens wird das Offenkundigkeitsprinzip für Stellvertretung auf der Erwerberseite von der Rechtsprechung durchbrochen, wenn es dem Veräußerer gleichgültig ist, wer die Sache erwirbt (sein Gesprächspartner oder ein von diesem Vertretener). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bei Barzahlung das Geschäft rasch abgewickelt wird. Hier kann der auf der Erwerberseite Handelnde in sich und ohne Offenlegung bestimmen, ob das Eigentum vom Veräußerer auf ihn oder auf den von ihm Vertretenen übertragen werden soll; man bezeichnet diesen Vorgang als Übereignung an den, den es angeht. F:

Der E bittet seinen Freund F, ihm einen bestimmten Fotoapparat aus der Stadt mitzubringen; den vollen Kaufpreis händigt er ihm aus. Der F kauft und bezahlt den Apparat; er übernimmt ihn, ohne dem Veräußerer zu sagen, daß er ihn für den E erwerben möchte. Ist der E oder der F Eigentümer des Apparates geworden?

151

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb

E igentumsvorbehalt

A:

Da der Veräußerer aufgrund der Barzahlung das Eigentum an denjenigen übertragen will, den es angeht, einigt er sich mit demjenigen, den der F bei der Einigung als Erwerber im Sinne hatte; demnach ist E der Eigentümer geworden.

6.

§455

Die Einigung kann gemäß den §§ 158 ff. BGB unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung erfolgen. Wichtigster praktischer Fall einer solchen Bedingung ist der Eigentumsvorbehalt des Veräußerers (und Verkäufers) nach § 455 BGB. Hier steht die Einigung unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Bezahlung des Kaufpreises. Bis dahin behält der Veräußerer das Eigentum; der Erwerber erhält Besitz und Nutzung der gekauften Sache. F 1: Der Autohändler V verkauft und übereignet dem E einen PKW unter Eigentumsvorbehalt. Stehen damit der Kaufvertrag, die dingliche Einigung und die Übergabe unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung?

F 2: Welche Besitzpositionen haben V und E an der dem E unter Eigentumsvorbehalt übergebenen Sache?

152

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb

Eigentumsvorbehalt

A 1: Nein, nur die Einigung ist bedingt. Die Übergabe als tatsächlicher Vorgang A2:

ist bedingungsfeindlich, der Kaufvertrag ist unbedingt abgeschlossen. Der V ist mittelbarer Besitzer, der E unmittelbarer Fremdbesitzer und Besitzmittler.

7.

§ 161

Wird eine Sache unter Eigentumsvorbehalt veräußert, so hängt der Eigentumserwerb des Vorbehaltserwerbers gemäß § 158 Abs. 1 BGB nur noch vom Eintritt der Bedingung (vollständige Bezahlung des Kaufpreises) ab. Der Veräußerer bleibt bis zu diesem Zeitpunkt Eigentümer; er kann sogar die Sache noch an einen Dritten übereignen. Da er sie aber bereits vorher unter der Bedingung der Kaufpreiszahlung dem Vorbehaltserwerber übereignet hatte, wird diese zwischenzeitliche Verfügung zugunsten eines Dritten mit Bedingungseintritt, d.h. mit vollständiger Bezahlung, nach § 161 BGB unwirksam. Mit Bedingungseintritt wird der Vorbehaltserwerber zum Eigentümer. Veräußerer | Dritter = Eigentümer bis Bedingungseintritt F:

Besitzer = Eigentümer ab Bedingungseintritt

Der V hat an E eine Sache unter Eigentumsvorbehalt veräußert. a) Kann der V diese Sache vor voller Bezahlung des Kaufpreises durch E, noch wirksam an den B veräußern?

b) Welche Folge hat die Bezahlung der letzten Kaufpreisrate für das Eigentum an der Sache?

153 2 0 Dilcher, S a c h e n r e c h t

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Eigentumsvorbehalt

a) Ja, da V der Eigentümer der Sache ist. b) Jetzt wird aufgrund der bedingten Eigentumsübertragung der E Eigentümer, und die Übereignung an den Dritten wird nach § 161 BGB unwirksam.

8. Der Vorbehaltserwerber erlangt eine vom Willen des Verkäufers weitgehend unabhängige Rechtsposition. Diese bezeichnet man als Eigentumsanwartschaft. Mit Bedingungseintritt, d.h. mit vollständiger Bezahlung, erstarkt die Eigentumsanwartschaft ohne weiteres zum Volleigentum. Bis zum Bedingungseintritt bleibt die Eigentumsanwartschaft vom ihr zugrunde liegenden Kaufvertrag allerdings insoweit abhängig, als sie mit dessen Wegfall (etwa durch Anfechtung) ersatzlos erlischt. F:

Kennzeichnend für die Eigentumsanwartschaft ist es, a) daß sie sich mit tum des Erwerbers umwandelt, und

ohne weiteres in Eigen-

b) daß Sie wegen § . . . BGB vom Veräußerer nicht mehr einseitig beeinträchtigt werden kann.

154

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Eigentumsvorbehalt

a) Bedingungseintritt, b) 161

9. Die Eigentumsanwartschaft ist ein Recht des Vorbehaltserwerbers, über das er verfügen kann. Insbesondere kann er die Anwartschaft auf einen Dritten übertragen, der damit die durch § 161 BGB gesicherte Aussicht erwirbt, das Eigentum im Zeitpunkt der vollen Kaufpreiszahlung zu erlangen. — Die Übertragung der Eigentumsanwartschaft, die gesetzlich nicht geregelt ist, erfolgt (in Parallele zum Volleigentum) analog den §§ 929 f f . BGB. F:

Was muß geschehen, wenn A seine Eigentumsanwartschaft auf B übertragen will?

155

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Eigentumsvorbehalt

In Analogie zu § 929 BGB müssen sich A und B darüber einigen, daß die Anwartschaft auf B übergehen soll; ferner muß die Sache dem B übergeben werden.

10. Die Übertragung der Anwartschaft bewirkt, daß der Anwartschaftserwerber bei Bedingungseintritt, d.h. bei Kaufpreiszahlung, das Eigentum unmittelbar v o m Veräußerer erwirbt. Ein Durchgang des Eigentums durch das Vermögen des ursprünglichen Anwärters erfolgt nicht. V-

(Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt

(= 1. Anwärter)

(Übertragung der Anwartschaft) Eigentumsübergang bei Bedingungseintritt F:

B (= 2. Anwärter)

Der A hat am 1. Februar von V einen Schrank unter Eigentumsvorbehalt des V erworben. Bevor der Restkaufpreis bezahlt ist, überträgt der A am 1. März seine Rechte am Schrank auf B und übergibt diesem den Schrank. Am 4. März bezahlt B den Restkaufpreis an V. a) Wer ist am 2. März und am 5. März Eigentümer des Schrankes?

b) Wann ist der A Eigentümer des Schrankes?

156

Eigentumsvorbehalt

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

a) A m 2. März ist der V u n d am 5. März der B Eigentümer des Schrankes. b ) A wird niemals Eigentümer des Schrankes.

11. Der normale Eigentumsvorbehalt stellt eine ausreichende Sicherung des Veräußerers dar, wenn der Vorbehaltserwerber die b e t r e f f e n d e Sache in seinem Besitz behalten will, z.B. einen Eisschrank, eine Waschmaschine für den eigenen Haushalt. Will j e d o c h d e r E r w e r b e r d i e Sache

weiterveräußern,

z . B . als H ä n d l e r ,

so w e r d e n meist z w e i weitere A b r e d e n g e t r o f f e n : Einmal willigt der V e r ä u ß e r e r n a c h § 1 8 5 B G B in d i e k ü n f t i g e W e i t e r v e r ä u ß e r u n g d e r Sache

durch

den

Erwerber

ein,

so

daß

A n w a r t s c h a f t , s o n d e r n d a s Volleigentum

dieser

Dafür läßt sich j e d o c h der Veräußerer die d e m g e g e n d e n D r i t t e n e n t s t e h e n d e Forderung d i e s b e z e i c h n e t m a n als verlängerten

V^

(Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt)

nicht

nur

seine

a u f den D r i t t e n überträgt. Vorbehaltserwerber

schon im voraus abtreten; Eigentumsvorbehalt.

> Händler A

(Vorausabtretung der F o r d e r u n g gegen B)

(Übertragung des Volleigentums nach § 185) B

F 1: Die Waschmaschinenfabrik V hat an den Händler A Waschmaschinen unter verlängertem Eigentumsvorbehalt geliefert. Wenn der A jetzt eine Waschmaschine an den K u n d e n B veräußert und dieser sie bar bezahlt, erwirbt der B dann volles Eigentum an der Maschine oder nur das Anwartschaftsrecht des A?

F 2:

In welcher Weise ist der V nach d e m Eigentumserwerb des B gesichert? 157

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb

Eigentumsvorbehalt

AI:

Da A aufgrund des verlängerten Eigentumsvorbehalts von V die Einwilligung zur Weiterveräußerung nach § 185 BGB hat, erwirbt der B (unmittelbar von V) volles Eigentum an der Maschine. A 2: Durch die ihm von A im voraus abgetretene Kaufpreisforderung gegen B.

12. Eine dritte Situation (neben dem Behalten der Sache oder ihrer Weiterveräußerung) entsteht, wenn der Vorbehaltserwerber die Sache verarbeitet, d.h. wenn es sich um R o h s t o f f e oder Halbfertigwaren handelt. Durch deren Verarbeitung verliert der Veräußerer gemäß § 950 BGB (Einzelheiten werden unten in Kap. IX behandelt) sein Eigentum. Um ihm eine Sicherung für den noch offenen Kaufpreis zu erhalten, kann vereinbart werden, daß der Veräußerer anstelle des Eigentums an der ursprünglichen Sache nach der Verarbeitung Eigentum an der neuen Sache erhält. Dies bezeichnet man als erstreckten Eigentumsvorbehalt. F:

Der V liefert dem E Eisenblech unter Vereinbarung eines erstreckten Eigentumvorbehalts. Der E läßt aus dem Blech Kohlenschaufeln herstellen. Wer ist Eigentümer der Kohlenschaufeln?

158

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Der V aufgrund des erstreckten Eigentumsvorbehalts.

Wiederholungsfragen: a)

Die Übereignung beweglicher Sachen erfolgt gemäß § 9 2 9 S. 1 BGB durch und

b)

Da die Einigung sich nach den Vorschriften über vollzieht, findet auf sie das Offenkundigkeitsprinzip der Stellvertretung Anwendung, soweit nicht ausnahmsweise eine Übereignung an denjenigen, erfolgt.

c)

Die Einigung k a n n u n t e r der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung erfolgen; dies bezeichnet man als •

d)

Läßt sich der Veräußerer die d e m Vorbehaltserwerber aus einer Weiterveräußerung entstehende Forderung im voraus abtreten, so liegt ein vor.

e)

Der Vorbehaltserwerber hat bis z u m Bedingungseintritt eine Über diese kann er §§ 929 ff. BGB verfügen. Mit dem wandelt sich die Anwartschaft in Volleigentum.

159

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

13.

a) b) c) d) e)

Übergabe

Einigung, Übergabe Rechtsgeschäfte, den es angeht Eigentumsvorbehalt verlängerter Eigentumsvorbehalt Eigentumsanwartschaft, analog, Bedingungseintritt

§ 929 S. 1

Neben der Einigung ist weiteres Tatbestandserfordernis der Übereignung die Übergabe. - Übergabe im Sinne des § 929 S. 1 BGB bedeutet, daß der Veräußerer den unmittelbaren Besitz dem Erwerber selbst oder dessen Besitzdiener überträgt (vgl. oben Kap. I, 5 ff.) Durch diesen Vorgang soll der Eigentumsübergang für Dritte erkennbar gemacht werden. F:

V hat sich mit E am Fernsprecher darüber geeinigt, daß er dem E einen 'Kraftwagen übereignet. Der E läßt den Wagen durch seinen Angestellten A bei V abholen. Bei der Rückfahrt erleidet der A mit dem Wagen aus eigenem Verschulden einen schweren Unfall. Der E macht daraufhin geltend, noch sei V der Eigentümer des Wagens gewesen, weil der Wagen nicht in den Besitz des E gelangt sei. Ist dies zutreffend?

160

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Übergabe

Nein; mit der Übergabe an den A als Besitzdiener des E hat der E unmittelbaren Besitz und damit Eigentum am Wagen erlangt.

14. Übergabe im Sinne unmittelbarer Besitzübertragung liegt auch vor, wenn gemäß § 854 Abs. 2 BGB eine Einigung über den Besitzerwerb erfolgt; Besitzerwerb durch Einigung kann bei solchen Sachen stattfinden, bei denen der Erwerber die Möglichkeit hat, tatsächliche Gewalt über die Sache auszuüben (vgl. oben Kap. I, 14). Der Besitzerwerb durch Einigung nach § 854 Abs. 2 BGB steht als Form der Übergabe selbständig neben der Einigung über den Eigentumswechsel gemäß § 929 S. 1 BGB.

Einigung

Übergabe (durch Einigung nach § 854 Abs. 2) F:

Der Bauer V verkauft dem E ein Pferd, das auf einer entfernten Weide grast. Beide sind sich einig, daß das Eigentum auf den E übergehen und daß der E das Pferd sogleich von der Weide mitnehmen soll. Wird der E Eigentümer des Pferdes bei dem Gespräch mit V oder erst mit Abholen des Pferdes von der Weide?

161 21 Dilcher, Sachenrecht

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:



Übergabe

E wird bereits durch das Gespräch mit dem V Eigentümer des Pferdes, weil dabei sowohl die erforderliche Einigung als auch die Übergabe (durch Einigung nach § 854 Abs. 2 BGB) erfolgt ist.

-

§ 929 S. 2

Nach § 929 S. 2 BGB kann die Sachübergabe entfallen, wenn der künftige Eigentumserwerber bereits im Besitz der Sache ist, z.B. wenn in der Wohnung befindliches Mobiliar an den Mieter veräußert werden soll. In diesem Falle genügt zur Eigentumsübertragung die bloße Einigung über den Eigentumsübergang. F:

Sowohl in § 854 Abs. 2 BGB als auch in § 929 S. 2 BGB wird eine Einigung als ausreichend bezeichnet. Ist nicht eine der beiden Bestimmungen überflüssig?

162 21»

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

16.

Ü bergabee rsatz

Nein; § 854 Abs. 2 BGB regelt den Besitzerwerb durch Einigung, der neben der Einigung über den Eigentumsübergang im Sinne des § 929 S. 1 BGB vorliegen muß. - § 929 S. 2 BGB dagegen regelt einen Eigentumserwerb durch Einigung ohne Besitzübergang.

§ 930

Die Übertragung unmittelbaren Besitzes als Tatbestandsmerkmal der Übereignung kann nach den §§ 930 und 931 BGB durch andere Vorgänge ersetzt werden: § 9 3 0 BGB regelt die Situation, d a ß j e m a n d eine Sache übereignen will, deren Besitz er n o c h behalten m ö c h t e , z.B. w e n n j e m a n d einen LKW veräußert, den er als Mieter weiter b e n u t z e n m ö c h t e . — In diesem Falle k a n n die Übergabe der Sache d a d u r c h ersetzt werden, d a ß zwischen d e m Veräußerer u n d dem Erwerber ein Besitzmittlungsverhältnis gemäß § 8 6 8 BGB (vgl. oben Kap. III, 2 u n d 6) vereinbart wird: Hierdurch wird der Erwerber zum mittelbaren Besitzer der Sache, während der Veräußerer den u n m i t t e l b a r e n Besitz ( n u n m e h r als Fremdbesitzer) behält. Nach § 9 3 0 BGB genügen also z u m Eigentumserwerb Einigung u n d Erlangung mittelbaren Besitzes. F:

Der E erwirbt am 1.6. beim Möbelhändler V einen Schrank, der als Ausstellungsstück im Schaufenster steht. Um die Dekoration nicht verändern zu müssen, vereinbaren sie, daß V den Schrank noch einen Monat lang im Schaufenster stehen lassen darf. Als der V nach Ablauf dieser Frist den Schrank nicht liefert, verlangt E Herausgabe nach § 985 BGB. Zu Recht?

163

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Übergabeersatz

Ja; der E ist gemäß § 930 BGB bereits am 1.6. Eigentümer des Schrankes geworden.

17. Das Besitzmittlungsverhältnis mit dem Erwerber kann schon begründet werden, bevor der Veräußerer Eigentum und Besitz an der Sache erlangt hat, z.B. wenn ein Betriebsinhaber zur ausreichenden Sicherung eines dringend benötigten Bankkredits bereits auf solche Gegenstände zurückgreifen möchte, die er erst demnächst erwerben will. Es handelt sich dann um ein sog. antezipiertes Besitzkonstitut (vgl. oben Kap. III, 6). In diesem Falle muß nach ständiger Rechtsprechung die zu übereignende Sache bei der Begründung des Besitzmittlungsverhältnisses noch nicht bestimmt, sondern aufgrund vorhandener Anhaltspunkte nur bestimmbar sein. F:

In welcher Weise können die Tatbestandserfordernisse von Einigung und Übergabe erfüllt werden, wenn V eine Sache, die er erst in vier Wochen zu Eigentum erhalten wird, schon jetzt dem K übereignen möchte?

164

Übergabeersatz

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

V einigt sich mit K (unter der Bedingung eigenen Erwerbs) über den künftigen Eigentumsübergang an der Sache. - Als Übergabeersatz vereinbaren sie ein antezipiertes Besitzkonstitut, das den K mit Besitzerlangung des V an der Sache zum mittelbaren Besitzer werden läßt.

18. Wird eine Sache unter Verwendung eines antezipierten Besitzkonstituts übereignet, so geht (im Unterschied zur Anwartschaftsübertragung, vgl. oben Ziff. 10) das Eigentum nicht direkt vom ursprünglichen Eigentümer auf den mittelbaren Besitzer über, sondern es gehört zunächst für einen gedachten kurzen Augenblick (eine sog. juristische Sekunde) zum Vermögen des unmittelbaren Besitzers. Dies hat im Vollstreckungsrecht zur Folge, daß während der juristischen Sekunde Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger des unmittelbaren Besitzers die Sache ergreifen können.

/

/

y""

Gläubiger des Veräußerers

y ursprünglicher E i g e n t ü m e r = $ Veräußerer und unmittelbarer Besitzer Erwerber Der E will vom Kunsthändler V ein Gemälde erwerben, das dieser zwar schon bei D gekauft hat, das ihm aber von D noch nicht übereignet worden ist. E und V vereinbaren, daß das Gemälde sofort bei Lieferung durch D an V in das Eigentum des E übergehen, aber noch für zwei Monate in der Galerie des V ausgestellt werden soll. Wann wird der E Eigentümer des Bildes?

165

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Übergabeersatz

Eine juristische Sekunde, nachdem D das Bild dem V zu Eigentum übertragen hat.

19. Die Eigentumsübertragung unter Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses wird vor allem bei der sog. Sicherungsübereignung praktisch: Als Sicherheit für einen ihm eingeräumten Kredit überträgt der Veräußerer (= Sicherungsgeber) sein Eigentum an einer Sache durch Einigung und Besitzkonstitut auf den Kreditgeber (= Sicherungsnehmer); der Veräußerer behält den unmittelbaren Besitz und die Nutzung der Sache. Kreditnehmer ^ __ Veräußerer I unmittelb. Besitzer | Sicherungsgeber I F:

j(ICreilit) (Eigentum)

Kreditgeber Eigentümer __ | mittelb. Besitzer I Sicherungsnehmer

Der Transportunternehmer V benötigt einen Bankkredit, den er von der Bank B nur gegen Sicherheit erhalten kann. Außer dem einzigen LKW seines Unternehmens verfügt V über kein Vermögen. Der LKW wird zur Sicherung des Kredites der Bank sicherungsübereignet. Warum ist die Sicherungsübereignung ein für den V vorteilhaftes Sicherungsmittel?

166

Kap. VII Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Übergabeersatz

Weil die Sicherungsübereignung ihm erlaubt, Besitz und Nutzung des LKW zu behalten und damit zu arbeiten.

20. Im Außenverhältnis gegenüber Dritten hat der Sicherungsnehmer unbeschränktes Eigentum an der Sache. Insbesondere kann er die Sache wirksam an Dritte weiterveräußern.

Im Innenverhältnis zwischen dem Veräußerer und dem Sicherungsnehmer wird mit der Übereignung eine Sicherungsabrede verbunden, die ein sog. eigennütziges Treuhandverhältnis begründet. Aus diesem ergibt sich für den Sicherungsnehmer die Pflicht, auch als Eigentümer mit der Sache nur in den vom Sicherungszweck gesteckten Grenzen zu verfahren, insbesondere darf er die Sache nur bei Nichtrückzahlung des Kredites veräußern. F 1: Der V hat dem E wegen eines Darlehens seinen LKW sicherungsübereignet. Noch bevor die Darlehensrückzahlung fällig wird, benötigt der E dringend Bargeld; deshalb übereignet er den LKW an den K. a) Handelt es sich liier um das Innenverhältnis oder das Außenverhältnis der Sicherungsübereignung?

b) Ist der K Eigentümer des LKW geworden?

F2:

Entstehen die Schadensersatzansprüche des V gegen den E im Innenverhältnis oder im Außenverhältnis?

167

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb

Übergabeersatz

AI:

a) Es handelt sich um das Außenverhältnis. b) Ja; da E der Eigentümer des LKW war, ist die Übereignung voll wirksam. A 2: Schadensersatzansprüche des V können sich nur aus dem Innenverhältnis (wegen Verletzung der Treuhandabrede) ergeben.

21. Bei der Siciierungsübereignung von Lagerbeständen müssen — entsprechend dem Spezialitätsprinzip (vgl. oben Ziff. 3) — die einzelnen betroffenen Gegenstände im Sicherungsvertrag genau bezeichnet werden. Dieses Erfordernis ist z.B. dann gewahrt, wenn die sicherungsübereigneten Waren in einen besonderen Raum verbracht werden (sog. Raumsicherungsvertrag). Die bloße Bestimmbarkeit der betroffenen Sachen unter Zuhilfenahme von außerhalb des Vertrages liegenden Mitteln, z.B. von Lagerbüchern oder Rechnungen, genügt dem Spezialitätsprinzip nicht. F:

Der V vereinbart mit E eine Sicherungsübereignung folgenden Inhalts: „Aus dem Warenlager des V sollen dem E Waren im Gesamtwert von 10 000.— DM sicherungsübereignet sein". Ist diese Vereinbarung wirksam?

168

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

Übergabeersatz

Nein, da nicht die zu übereignenden Sachen selbst bestimmt sind, sondern nur ihr Wert festgelegt ist.

22.

§931

Die Übergabe als Tatbestandsmerkmal der Übereignung kann — außer durch Besitzkonstitut — auch auf andere Weise ersetzt werden: Ist der Veräußerer nicht der unmittelbare Besitzer der Sache, kann er dem Erwerber nach § 931 BGB als Übergabeersatz seinen Herausgabeanspruch gegen den Besitzer der Sache abtreten. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache ist oder nicht: Ist der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache, so tritt er den Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer aus dem Besitzmittlungsverhältnis gemäß § 870 BGB (vgl. oben Kap. Iii, 7) ab; praktisch wird dies vor allem bei der Übereignung von bei Dritten eingelagerten Waren. - Besteht kein mittelbarer Besitz des Veräußerers, z.B. weil er eine ihm gestohlene Sache übereignen will, so muß der Veräußerer andere ihm zustehende Herausgabeansprüche gegen den Besitzer, etwa aus § 812 BGB, abtreten. F:

a) Erfordert diese Form der Übereignung eine Benachrichtigung des Sachbesitzers?

b) Kennen Sie eine schuldrechtliche Vorschrift, nach welcher die Benachrichtigung des Sachbesitzers empfehlenswert erscheint?

169 22 Dilcher, Sachenrecht

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

a) Nein, der Sachbesitzer muß von dieser Übereignung nichts erfahren. b) Die Benachrichtigung des Besitzers empfiehlt sich wegen § 407 Abs. 1 BGB.

23. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 159): a)

Die Übergabe im Sinne des § 929 S. 1 BGB erfolgt durch Übertragung des auf den Erwerber.

b)

Die Besitzübertragung kann gemäß § 854 Abs. 2 BGB auch durch erfolgen.

c)

Ausnahmsweise genügt zur Übereignung gemäß § . . . die bloße Einigung über den Eigentumsübergang.

d)

Die Übergabe kann gemäß § 930 BGB ersetzt werden durch ein In dessen Rahmen behält der Veräußerer den Besitz an der Sache, während der Besitz des Erwerbers begründet wird.

e)

Wenn das Besitzmittlungsverhältnis begründet wird, bevor der spätere Veräußerer Eigentum und Besitz an der Sache erlangt, liegt ein . . . . Besitzkonstitut vor.

S.

. BGB

170 22*

Kap. VII. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb A:

a) unmittelbaren Besitzes b) Einigung c) 929 S. 2 d) Besitzmittlungsverhältnis, unmittelbaren, mittelbare e) antezipiertes

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des siebten Kapitels wird empföhle: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 51, 57 und 59 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 37—44. Besonders wichtig sind die Fragen des Eigentumsvorbehalts (hierzu Baur, § 59, Westermann, § 44), der Sicherungsübereignung (hierzu Baur, § 57, Westermann, § 43) und des antezipierten Besitzkonstituts (hierzu Westermann, § 40 III, BGHZ 21, 52 und BGHZ 28,16).

Kapitel VIII DER G U T G L Ä U B I G E ERWERB VOM N I C H T B E R E C H T I G T E N

Um in die P r o b l e m a t i k des folgenden Kapitels e i n z u f ü h r e n , sei f o l g e n d e r Sachverhalt vorangestellt: A u n d B einigen sich darüber, d a ß der A E i g e n t u m an einem F o t o a p p a r a t e r w e r b e n soll, den ihm B übergibt. B ist j e d o c h nicht der Eigentümer des A p p a r a t e s u n d a u c h nicht anderweitig z u r V e r ä u ß e r u n g berechtigt. Wird der A E i g e n t ü m e r des A p p a r a t e s , w e n n B den A p p a r a t bei X gestohlen h a t t e , o d e r nur, w e n n B den A p p a r a t von X z u r V e r w a h r u n g erhalten h a t t e , o d e r b e s t e h t zwischen diesen beiden S i t u a t i o n e n kein r e c h t s e r h e b l i c h e r U n t e r s c h i e d ? Das a c h t e Kapitel b e h a n d e l t also die Frage, was geschieht, w e n n j e m a n d , der n i c h t Eigentümer ist u n d a u c h n i c h t anderweitig z u r V e r ä u ß e r u n g berechtigt ist — im juristischen S p r a c h g e b r a u c h ein Nichtberechtigter —, über eine bewegliche Sache verfügt: Der Gesetzgeber h ä t t e an die f e h l e n d e Berechtigung die Folge k n ü p f e n k ö n n e n , d a ß vom N i c h t b e r e c h t i g t e n n i e m a n d E i g e n t u m e r w e r b e n k a n n . Das BGB h a t sich j e d o c h für einen a n d e r e n Weg e n t s c h i e d e n u n d in d e n §§ 9 3 2 - 9 3 6 BGB die Möglichkeit eines gutgläubigen Eigentumserwerbs vorgesehen.

Übersicht: Der Grundtatbestand Guter Glaube Abhanden gekommene Sachen Die Übergabe Der Übergabeersatz Ausgleichsansprüche Erwerb der Eigentumsanwartschaft Erwerb der Lastenfreiheit Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1 2—6 7—9 10 11 — 13 14—16 17—18 19 20 172

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb

Grundtatbestand

1.

§ 932 Abs. I S . 1

Wenn eine bewegliche Sache, die übereignet werden soll, nicht dem Veräußerer gehört, kann der Erwerber durch Einigung und Übergabe dennoch Eigentümer werden, sofern zwei zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sind: Der Erwerber muß zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs im guten Glauben an das Eigentum des Veräußerers sein, § 932 Abs. 1 S. 1 BGB, und die Sache darf nicht abhanden gekommen sein, § 935 BGB. — Beide Voraussetzungen werden im folgenden näher erläutert. F:

Der A hat seine Schreibmaschine dem V geliehen. Dieser veräußert die Maschine an den gutgläubigen E, der V für den Eigentümer hält. Als A die Maschine von E zurückfordert, fragt E, ob er Eigentümer der Maschine sei. (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

173

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb

Guter Glaube

A:

Ja; E hat gemäß den §§ 929, 932 BGB Eigentum an der Maschine erworben.

2.

§ 9 3 2 Abs. 2

Guter Glaube des Erwerbers ist V o r a u s s e t z u n g für den E i g e n t u m s e r w e r b vom N i c h t b e r e c h t i g t e n . Im BGB wird allerdings n i c h t d e r gute Glaube d e f i n i e r t , s o n d e r n sein Gegensatz, die Bösgläubigkeit. Bösgläubig ist der E r w e r b e r g e m ä ß § 9 3 2 Abs. 2 BGB — wie auch n a c h den §§ 1007 BGB (vgl. o b e n K a p . II, 19) u n d 9 9 0 BGB (vgl. o b e n Kap. V, 7) — in zwei Fällen: Wenn er weiß, d a ß d e r V e r ä u ß e r e r ein N i c h t b e r e c h t i g t e r ist, o d e r wenn ihm dies infolge grober Fahrlässigkeit u n b e k a n n t geblieben ist. In diesen Fällen e r w i r b t er kein E i g e n t u m . Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Erwerber infolge schwerwiegender Indizien Zweifel an dem Eigentum des Veräußerers hätten kommen müssen, z.B. beim Kraftwagenerwerb wegen offensichtlicher Veränderungen im Kraftfahrzeugbrief. Dann entsteht für den Erwerber eine Nachprüfungs- und Informationspflicht; er darf nicht einfach darauf vertrauen, daß der Veräußerer Eigentümer der Sache ist. F:

Dem E wird von V ein neues Radiogerät (im Werte von 500.— DM) zum Preise von 20.— DM angeboten. Der V motiviert den günstigen Preis mit plötzlichen Geldschwierigkeiten. E glaubt ilim dies, zahlt und nimmt das Gerät an sich. — Einige Tage später erscheint aufgrund kriminalpolizeilicher Nachforschungen der Rundfunkhändler A bei E und verlangt das Gerät heraus, weil der V es nur unter Eigentumsvorbehalt des A erworben hatte. E beruft sich auf gutgläubigen Eigentumserwerb. Mit Recht?

174

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Guter Glaube

Nein; E hätte aufgrund des Schleuderpreises das Eigentum des V überprüfen müssen, z.B. durch Einsichtnahme in Quittungen; er hat insoweit grob fahrlässig gehandelt.

3. Der gute Glaube des Erwerbers wird nur geschützt, wenn er sich speziell auf das Eigentum des Veräußerers bezieht. Nicht geschützt wird durch die §§ 932 ff. BGB das Vertrauen des Erwerbers auf die Geschäftsfähigkeit des Veräußerers, z.B. wenn jemand einen minderjährigen Eigentümer für volljährig hält. — Ebensowenig wird der Erwerber geschützt, wenn er weiß, daß er sich nicht mit dem Eigentümer einigt, aber annimmt, sein Kontrahent sei zur Vertretung des Eigentümers (nach den § § 1 6 4 ff. BGB) berechtigt. — Ungeschützt bleibt weiter der Erwerber, wenn er das fehlende Eigentum des Veräußerers kennt, aber an dessen Verfügungsbefugnis über die Sache glaubt, z.B. wegen einer vom Veräußerer vorgetäuschten Ermächtigung nach § 185 BGB. F:

Der V veräußert an E einen gebrauchten PKW, in dessen Kraftfahrzeugbrief der D als Eigentümer des Wagens ausgewiesen ist. Zweifel des E zerstreut der V mit dem unwahren Hinweis, er sei berechtigt, für den D zu handeln. Warum wird der E, der den Ausführungen des V Glauben schenkt, durch die Einigung mit V und die Übergabe von Kraftfahrzeug und Kraftfahrzeugbrief nicht Eigentümer?

175

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb

Guter Glaube

A:

Weil der gute Glaube des E sich nicht auf das Eigentum des Veräußerers bezieht; E glaubt lediglich an eine Vertretungsmacht oder Verfügungsbefugnis des V.

4.

§ 166

Handelt für den Erwerber ein Stellvertreter, so k o m m t es nach § 166 Abs. 2 BGB nur auf den guten oder bösen Glauben des Erwerbers und Vollmachtgebers an, wenn der Vertreter nach bestimmten Anweisungen seines Vollmachtgebers handelt. Nur wenn ausnahmsweise ein Bevollmächtigter weisungsfrei handeln darf, oder wenn seine Vertretungsmacht nicht auf Vollmacht beruht, z.B. beim gesetzlichen Vertreter eines Kindes, wird nach § 166 Abs. 1 BGB für die Gut- oder Bösgläubigkeit auf das Wissen des Vertreters abgestellt; ist dieser bösgläubig, so nützt dem durch ihn vertretenen Erwerber eigener guter Glaube nichts. F:

Der E weiß, daß die von V zur Veräußerung angebotene Baumaschine nicht dem V gehört. Um dennoch die Maschine erwerben zu können, schickt er seinen Angestellten Z mit der Anweisung zu V, diese Maschine zu einem bestimmten Preis für ihn zu erwerben. Z ist völlig ahnungslos, hält V für den Eigentümer und erwirbt die Maschine auftragsgemäß. Als die Maschine sich bei E befindet, verlangt der wahre Eigentümer A sie von E heraus. Mit Recht?

176

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Guter Glaube

Ja; da E bösgläubig war, nützt ihm wegen der genauen Handlungsanweisungen der gute Glaube seines Stellvertreters Z nichts, § 166 Abs. 2 BGB.

5. Gutgläubig m u ß der Erwerber in dem Zeitpunkt sein, in dem Einigung und Übergabe vorliegen, § 9 3 2 Abs. 1 S. 1 BGB. Erlangt der Erwerber erst danach Kenntnis vom fehlenden Eigentum des Veräußerers, oder wird seine Unkenntnis erst danach grob fahrlässig, so ist dies für den Eigentumserwerb unschädlich. F:

Der E hat von V ein Tonbandgerät erworben, ohne zu wissen, daß das Gerät dem X gehört, der es dem V geliehen hatte. Verliert E das Eigentum an dem Gerät wieder, wenn er zwei Tage nach dessen Erwerb den wahren Sachverhalt erfährt?

177 23 Dilcher, Sachenrecht

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Guter Glaube

Nein; es kommt nur auf seinen guten Glauben im Zeitpunkt der Tatbestandsvollendung, d.h. bei Einigung und Übergabe, an, § 932 Abs. 1 S. 1 BGB.

6. Erfolgt die Eigentumsübertragung unter einer aufschiebenden Bedingung, z.B. unter Eigentumsvorbehalt, so liegt die Tatbestandsvollendung, bei der guter Glaube des Erwerbers bestehen muß, bereits mit der bedingten Einigung und Übergabe vor. Dies beruht darauf, daß der Bedingungseintritt nicht mehr vom Zusammenwirken der Kontrahenten abhängt, sondern z.B. beim Eigentumsvorbehalt einseitig durch die Kaufpreiszahlung bewirkt wird. Es genügt demnach, wenn der Erwerber zur Zeit der bedingten Einigung und Übergabe gutgläubig ist. F:

Der gutgläubige E erwirbt von V unter Eigentumsvorbehalt gemäß § 455 BGB am 1.2. ein Tonbandgerät, das ihm übergeben wird. Am 10.2. erfährt er, daß nicht V, sondern der A Eigentümer des Gerätes ist. Am 12.2. bezahlt er den Restkaufpreis an V. Wird E dadurch trotz seiner Bösgläubigkeit Eigentümer des Gerätes?

178 23*

Abhandenkommen

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Ja, da E im Zeitpunkt der bedingten Einigung und Übergabe am 1.2. gutgläubig war.

7.

§ 935 Abs. 1

Wie schon eingangs gesagt, ist ein Eigentumserwerb trotz guten Glaubens des Erwerbers ausgeschlossen, wenn die Sache dem Eigentümer oder seinem Besitzmittler abhanden gekommen ist, § 935 Abs. 1 BGB. An einer Sache, die irgendwann abhanden g e k o m m e n ist, kann also niemand gutgläubig Eigentum erwerben. Der Grund für diese Regelung liegt darin, daß in solchen Fällen der letzte berechtigte Besitzer nicht durch eigene Handlungen dazu beigetragen hat, dem Veräußerer den Sachbesitz zu verschaffen, der die Grundlage für den Schutz des gutgläubigen Erwerbers bildet. F:

Muß der bestohlene Eigentümer, der die Sache vom gutgläubigen Erwerber nach § 985 BGB zurückverlangt, dem Erwerber den Kaufpreis ersetzen, den dieser an den Dieb gezahlt hat? (Vergleichen Sie vor der Antwort bitte oben Kap. V, 19). Eigentümer

Dieb gutgläubiger Erwerber

179

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Abhandenkommen

Nein, da die Kaufpreiszahlung an den Dieb keine Verwendung auf die Sache darstellt (vgl. oben Kap. V, 26 a).

8. Abhanden gekommen ist eine Sache, wenn der unmittelbare Besitzer den Besitz ohne seinen Willen verloren hat (vgl. oben Kap. I, 17). Hierbei ist es nicht erheblich, ob der Eigentümer der Sache deren unmittelbarer oder deren mittelbarer Besitzer war, § 935 Abs. 1 BGB. Ohne Willen geht der Besitz dem unmittelbaren Besitzer verloren z.B. durch Diebstahl, höhere Gewalt oder Unachtsamkeit, aber auch bei unerlaubtem Verhalten seines Besitzdieners. — Mit Willen des Besitzers erfolgt der Besitzverlust, wenn er die Sache wissentlich aus der Hand gibt, auch wenn er hierzu z.B. durch Täuschung bestimmt worden ist. F:

Der Ladenangestellte V im Fotogeschäft des A nimmt unbefugt eine dem A gehörende Kleinbildkamera mit nach Hause und veräußert sie an den gutgläubigen E. Aus welchem Grunde kann der E kein Eigentum an der Kamera erwerben?

180

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb

Abhandenkommen

A:

Weil die Kamera dem Eigentümer A dadurch abhanden gekommen ist, daß der Besitzdiener V sich unbefugt zum Besitzer gemacht hat.

9.

§ 935 Abs. 2

Ausnahmsweise ist ein gutgläubiger Eigentumserwerb auch an abhanden gekommenen Sachen möglich, wenn es sich um Geld oder Inhaberpapiere handelt, oder wenn die Sachen auf einer öffentlichen Versteigerung erworben werden, § 935 Abs. 2 BGB. — (Inhaberpapiere sind in den §§ 793 ff. BGB behandelt; die öffentliche Versteigerung ist in § 383 Abs. 3 BGB definiert.) Der Grund für die Ausnahme, bei Geld und Inhaberpapieren den Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs vor den Schutz des Eigentümers zu stellen, liegt darin, daß diese Sachen speziell zum Umlauf bestimmt sind. Die Privilegierung des Versteigerungserwerbs beruht auf historischen Gründen. F:

Der V hat im Gasthaus aus der Jacke des A dessen einzigen Zehnmarkschein entwendet und damit seine Schuld bei dem gutgläubigen Gastwirt E beglichen. Der A hatte den Schein vorher mit den Anfangsbuchstaben seines Namens markiert, so daß er ihn nach Entdeckung des Diebstahls eindeutig als den ihm entwendeten Schein identifizieren kann. Muß E den Geldschein herausgeben, weil er noch dem A gehört?

181

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Nein; gemäß § 935 Abs. 2 BGB konnte der E an dem gestohlenen Geld gutgläubig Eigentum erwerben.

Wiederholungsfragen: a)

Eigentum an beweglichen Sachen kann man vom Nichtberechtigten erwerben, wenn die Sachen dem Eigentümer nicht . . . sind und der Erwerber zur Zeit von Einigung und Übergabe . . . ist.

b)

Bösgläubig ist ein Erwerber, der . . . . oder infolge lässigkeit nicht weiß, daß der Veräußerer nicht der Eigentümer ist.

c)

Eine Sache ist abhanden gekommen, wenn der sitzer den Besitz ohne seinen verloren hat.

d)

Ausnahmsweise kann auch an abhanden gekommenen Sachen gutgläubig Eigentum erworben werden, wenn es sich um . . . . oder handelt.

e)

Nunmehr können Sie den zu Eingang des Kapitels angeführten Sachverhalt beurteilen. Welcher Unterschied besteht zwischen den beiden Sachverhaltsvarianten?

Fahr-

Be-

182

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

a) b) c) d) e)

Übergabe

abhanden gekommen, gutgläubig weiß, grober unmittelbare, Willen Geld, Inhaberpapiere Die zur Verwahrung gegebene Kamera ist nicht abhanden gekommen, da X sie dem B mit Willen überlassen hat; an ihr kann also A gutgläubig Eigentum erwerben. Anders ist es dagegen, wenn die Kamera gestohlen war.

§ 9 3 2 A b s . 1 S. 2

10.

Die Vorschriften über den gutgläubigen Eigentumserwerb an beweglichen Sachen gehen davon aus, daß der Veräußerer sich im Besitz der Sache befindet und den Besitz auf den Erwerber überträgt. Ist aber die Übergabe kein Tatbestandselement der Übereignung, so wird auch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eingeschränkt: Soll d e m E r w e r b e r , weil er s c h o n im Besitz d e r S a c h e ist, d a s E i g e n t u m v o m N i c h t e i g e n t ü m e r durch bloße dingliche Einigung nach § 9 2 9 S. 2 B G B (vgl. o b e n K a p . V I I , 15) ü b e r t r a g e n w e r d e n , so e r w i r b t er k r a f t g u t e n G l a u b e n s das E i g e n t u m n u r d a n n , w e n n e r d e n Besitz vom Veräußerer erlangt h a t , § 9 3 2 A b s . 1 S. 2 B G B . F:

Die Studenten A und V besuchen ihren Kommilitonen E. A geht zuerst weg und läßt beim Weggehen sein Feuerzeug auf dem Tisch liegen. Als E das Feuerzeug sieht und an sich nimmt, glaubt er, es gehöre dem V, und auf seine Frage, ob der V es ihm nicht schenken könne, willigt dieser ein. Ist der gutgläubige E durch diese Einigung mit V Eigentümer des Feuerzeugs geworden?

Eigentümer A Erwerber E Veräußerer V

183

Übergabeersatz

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Nein, da E den Besitz nicht vom Veräußerer erlangt hat, § 9 3 2 Abs. 1 S. 2 BGB.

11.

§933

Ebenso wird der gutgläubige Eigentumserwerb beschränkt, wenn statt der Sachübergabe von einem Übergabeersatz (Besitzmittlungsverhältnis oder Abtretung des Herausgabeanspruchs) Gebrauch gemacht wird, weil auch in diesen Fällen der Erwerber nicht den unmittelbaren Besitz vom Veräußerer erhält.

Die Eigentumsübertragung durch Einigung und Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses gemäß § 9 3 0 BGB (vgl. oben Kap. VII, 16) genügt nicht zum gutgläubigen Erwerb. Der Erwerber wird nach § 933 BGB erst dann Eigentümer, wenn ihm die Sache vom Veräußerer übergeben wird und er in diesem Zeitpunkt noch gutgläubig ist. Es kommt also für den Eigentumserwerb auf die Übertragung des unmittelbaren Besitzes an. F 1: Der V kauft bei dem A einen Fernsehapparat. Da V den Apparat nur anbezahlt, behält sich der A bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises das Eigentum vor. — Weil der V alsbald eine Schuld bei E nicht bezahlen kann, will er dem gutgläubigen E den Apparat gemäß §§ 929, 9 3 0 BGB sicherungsübereignet d.h. den unmittelbaren Besitz daran behalten. Warum wird der E hierdurch nicht Eigentümer? Eigentümer A

Besjtzer V Sicherungsnehmer E

F 2:

Was müßte der V tun, um als Nichtberechtigter dem gutgläubigen E das Eigentum zu verschaffen?

184

Übergabeersatz

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb

A 1 : Weil die Verschaffung mittelbaren Besitzes gemäß § 933 BGB zum Eigentumserwerb nicht ausreicht. A 2: Er müßte den Fernsehapparat an E übergeben.

12.

§ 934

Will ein Nichteigentümer dem gutgläubigen Erwerber die Sache durch Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs gemäß § 931 BGB übereignen, so ist wiederum (vgl. oben Kap. VII, 22) zu unterscheiden, ob der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache ist oder nicht: Ist der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache, so erlangt der Erwerber das Eigentum mit der Abtretung, § 934, 1. Halbsatz BGB. Insoweit wird der mittelbare Besitz des Veräußerers dem unmittelbaren gleichgestellt. F:

A hat dem V eine Baumaschine unter Eigentumsvorbehalt verkauft und übergeben. Diese Maschine vermietet der V an B. Wie könnte V dem gutgläubigen E Eigentum an der Maschine verschaffen, wenn diese zunächst bei B verbleiben soll? Eigentümer A

Besitzer V

Mieter B

Erwerber E

185 24 Dilcher, Sachenrecht

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Übergabeersatz

V und E müßten sich darüber einig sein, daß das Eigentum auf den E übergehen soll, und V müßte seinen Herausgabeanspruch aus dem Mietvertrag mit B dem E abtreten, § 934, 1. Halbsatz BGB.

13. Ist der Veräußerer, der als Nichtberechtigter die Sache durch Einigung und Abtretung des Herausgabeanspruchs übertragen will, nicht mittelbarer Besitzer der Sache, so wird der Erwerber erst dann Eigentümer, wenn er den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz der Sache vom besitzenden Dritten erlangt und er in diesem Zeitpunkt noch gutgläubig ist, § 9 3 4 , 2. Halbsatz BGB. — Der häufigste Fall dieser Art ist der, daß ein Lagerhalter die Sache aufgrund Anweisung eines Nichtberechtigten zu Unrecht an den gutgläubigen Erwerber herausgibt. F:

Der A hat dem B am 1.3. ein Fahrrad für eine Woche geliehen. C weiß davon; er veräußert das Fahrrad am 2.3. an den gutgläubigen E, dem er erklärt, er habe das Fahrrad an B verliehen; C einigt sich mit E über den Eigentumswechsel und tritt ihm seinen angeblichen Rückgabeanspruch gegen den B ab. Am 6.3. geht C zu B und weist ihn im Namen des A an, das Fahrrad am 8.3. nicht an A zurückzugeben, sondern direkt dem E auszuhändigen, der es nunmehr für die Folgezeit von A geliehen habe. B läßt sich durch das sichere Auftreten des C täuschen und handelt entsprechend. Wann wird E Eigentümer des Fahrrades? Eigentümer A

d

(Einigung + Abtretung)

186 24*

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Erst mit der Übergabe durch B, sofern der E dann noch im guten Glauben ist, § 934, 2. Halbsatz BGB.

Wiederholungsfragen:

Der gutgläubige Eigentumserwerb ist gegenüber dem rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb in folgenden Fällen eingeschränkt: a)

Bei einer Übereignung gemäß § 929 S. 2 BGB ist gutgläubiger Erwerb nach § 932 Abs. 1 S. 2 nur dann möglich, wenn der Erwerber den Besitz vom erlangt hat.

b)

Bei einer Übereignung nach Maßgabe des § BGB ein gutgläubiger Eigentumserwerb

c)

Bei einer Übereignung nach Maßgabe des § 931 BGB ist ein gutgläubiger Eigentumserwerb gemäß § 934 BGB nur dann möglich, wenn der Veräußerer ist.

...

BGB ist gemäß § 933 möglich.

187

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Ausgleichsansprüche

a) Veräußerer b ) 9 3 0 , nicht c) mittelbarer Besitzer

14.

§ 8 1 6 Abs. 1

Verliert der Eigentümer sein Eigentum dadurch, daß ein Nichtberechtigter die Sache an einen gutgläubigen Dritten veräußert, so erhält der bisherige Eigentümer als Ausgleich für den Verlust seines Eigentums einen Anspruch gegen den Veräußerer auf Herausgabe des Veräußerungserlöses gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB. Statt dessen kann der bisherige Eigentümer vom Veräußerer aber auch Schadensersatz verlangen, z.B. nach den §§ 989, 990 BGB oder nach Deliktsrecht. F 1: Der V hat von A eine Uhr im Werte von 50.— DM entliehen. Als sich die Nichtigkeit des Leihvertrages herausstellt, verkauft und veräußert der V die Uhr z u m Preise von 75.— DM an den gutgläubigen E. Kann der A von V den gesamten Erlös herausverlangen, oder darf V den durch Geschäftstüchtigkeit erzielten Gewinn von 25.— DM behalten? früherer Eigentümer A

Besitzer V Erwerber E

F 2: Muß sich der A mit dem von V erzielten Erlös zufriedengeben, w e n n der V die Uhr für nur 25.— DM an E verkauft u n d veräußert hat, oder was k ö n n t e er jetzt verlangen?

188

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb

Ausgleichsansprüche

A I : A kann den gesamten Erlös herausverlangen, denn § 816 Abs. 1 S. 1 BGB spricht ihm diesen ohne Rücksicht auf den Sachwert zu. A 2: Der A könnte in diesem Falle von V (neben dem Erlös) Schadensersatz in Höhe von 2 5 . - DM, z.B. nach §§ 9 8 9 , 9 9 0 BGB verlangen.

15. Der Anspruch auf den Veräußerungserlös ist dem Eigentümer versagt, wenn ihm die Sache abhanden kam und deshalb ein gutgläubiger Erwerb durch Dritte nicht möglich ist; die Verfügung eines nichtberechtigten Veräußerers wird in diesem Falle gegenüber dem Eigentümer nicht wirksam im Sinne des § 8 1 6 Abs. 1 S. 1 BGB. Dem Eigentümer verbleibt sein Anspruch aus § 985 BGB gegen den Erwerber. Ist der Eigentümer jedoch an der Herausgabe des Erlöses interessiert, kann er die Verfügung des Nichtberechtigten nach den §§ 184, 185 BGB genehmigen. Dadurch wird diese Verfügung ihm gegenüber wirksam und die Voraussetzungen des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB sind erfüllt. F:

Unter welcher Voraussetzung hat der Eigentümer ein Interesse daran, die Veräußerung einer ihm abhanden gekommenen Sache zu genehmigen?

189

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Ausgleichsansprüche

Wenn die Sache für ihn nicht wichtig ist und der Veräußerungserlös über dem Sachwert liegt.

16. Ein Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums steht dem bisherigen Eigentümer gegenüber einem gutgläubigen Erwerber nur dann zu, wenn der Erwerber das Eigentum unentgeltlich erlangt hat, § 8 1 6 Abs. 1 S. 2 BGB. F:

Der A leiht dem V ein Tonbandgerät. Als die Verlobte des V, die E, den Wunsch nach einem Tonbandgerät äußert, schenkt ihr V das entliehene Gerät, an dem sie gutgläubig Eigentum erwirbt. Welche Rechte hat der A a) gegen den V, b) gegen die E?

190

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Anwartschaftserwerb

a) Von V kann A Schadensersatz, z.B. wegen Verletzung des Leihvertrages verlangen. b) Von der E kann A Rückiibertragung des Eigentums nach § 816 Abs. 1 S. 2 BGB verlangen.

17. Bisher wurden die Verfügungen eines Nichtberechtigten übqr das Eigentum behandelt. Nicht geregelt im BGB ist die Verfügung eines Nichtberechtigten über eine Eigentumsanwartschaft: Da die Eigentumsanwartschaft dem Eigentum wesensgleich ist (vgl. oben Kap. VII, 8 und 9) und deshalb rechtsgeschäftlich analog den §§ 9 2 9 ff. BGB übertragen wird, kann sie auch analog den §§ 932 f f BGB gutgläubig erworben werden. Das bedeutet, daß ein Erwerber, der den Sachbesitzer gutgläubig für den Eigentumsanwärter hält, mit der Besitzerlangung die Anwartschaft erwirbt. Eigentümer

— wirklicher Eigentumsanwärter scheinbarer Eigentumsanwärter und Besitzer

F:

gutgläubiger Erwerber

Der A hat sein Ferienhaus an V vermietet. Das in diesem Haus befindliche Fernsehgerät, das noch unter Eigentumsvorbehalt des Lieferanten steht, veräußert der V an den E, der das Gerät mitnimmt und sich bereit erklärt, die noch ausstehenden Raten an den Lieferanten zu bezahlen. Welche Rechtsposition hat der E erlangt, wenn er davon ausgehen konnte, daß V der Anwartschaftsberechtigte war?

191

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Anwartschaftserwerb

Der E hat analog § 932 BGB gutgläubig ein Anwartschaftsrecht erworben.

18. V o r a u s s e t z u n g für e i n e n g u t g l ä u b i g e n E r w e r b der E i g e n t u m s a n w a r t s c h a f t ist allerdings, d a ß z u m Z e i t p u n k t der b e a b s i c h t i g t e n Übertrag u n g wirklich eine Anwartschaft besteht, über die e i n N i c h t b e r e c h t i g ter verfügt. — B e s t e h t überhaupt k e i n e E i g e n t u m s a n w a r t s c h a f t ( e i n e s b e r e c h t i g t e n A n w ä r t e r s ) , so k a n n e i n e s o l c h e a u c h n i c h t g u t g l ä u b i g erworben werden. F:

Der V erwirbt am 1.3. vom Eigentümer A eine Maschine unter Eigentumsvorbehalt und erhält den Besitz daran. Am 10.3. werden Kaufvertrag und Einigung von A wirksam angefochten, was beide Verträge gemäß § 142 BGB von Anfang an nichtig werden läßt. Am 15.3. einigt sich der V mit seinem Gläubiger E darüber, daß er die Anwartschaft an der Maschine dem E als Sicherheit überträgt und übergibt ihm die Maschine. Erwirbt der E, der von der Anfechtung durch den A nichts weiß, das Anwartschaftsrecht? Eigentümer A

Besitzer V (Anwärter bis zur Anfechtung) gutgläubiger Erwerber E

192

Lastenfreiheit

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Nein, da ein Anwartschaftsrecht wegen der wirksamen Anfechtung vom 10.3. zur Zeit der Übergabe am 15.3. nicht existierte und deshalb auch nicht gutgläubig erworben werden konnte.

19.

§ 936

Eine letzte Frage des Gutglaubenserwerbs behandelt die Rechte eines Dritten an der übereigneten Sache: So kann z.B. der Vermieter nach § 559 BGB ein Pfandrecht an den in die Mietwohnung eingebrachten Sachen des Mieters haben; Einzelheiten dazu und zu ähnlichen dinglichen Rechten Dritter an beweglichen Sachen werden unten in Kap. XVI behandelt. Beim Erwerb beweglicher Sachen läßt der gute Glaube an das Nichtbestehen dinglicher Rechte Dritter derartige Rechte erlöschen. Erwirbt also jemand v o m Berechtigten oder vom Nichtberechtigten das Eigentum an einer beweglichen Sache im guten Glauben, daß sie dinglich nicht belastet sei, z.B. durch Vermieterpfandrechte, so erwirbt er nach den vorstehenden Regeln des Gutglaubensschutzes das Eigentum lastenfrei, § 9 3 6 Abs. 1 und 2 BGB. F:

M schuldet seinem Vermieter V Mietzins in Höhe von 500.— DM. Als ihm der V mit Zwangsvollstreckung droht, veräußert M seinen in der Mietwohnung liegenden wertvollen Orientteppich an den E, dem er auf die Frage nach Mietrückständen gefälschte Mietquittungen vorweist; E nimmt den Teppich mit. Jetzt befindet sich in der Wohnung des M nur noch geringwertiges Mobiliar. — Als V bald danach von der Veräußerung des Teppichs erfährt, verlangt er von E gemäß § 561 Abs. 2 BGB Rückschaffung des Teppichs in die Wohnung des M, da an dem Teppich wegen der Mietrückstände sein Vermieterpfandrecht bestehe. E verweigert die Rückgabe. Zu Recht? Vermieter V-

Mieter M •Erwerber E

193 25 Dilcher, S a c h e n r e c h t

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

Ja; gemäß § 561 Abs. 2 BGB könnte der Vermieter die Rückschaffung nur dann verlangen, wenn ihm das Vermieterpfandrecht noch zustünde. Dieses ist jedoch gemäß § 936 BGB mit der Übergabe an den hinsichtlich des Vermieterpfandrechtes gutgläubigen E erloschen.

20. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 182 und 187): a)

Da durch den gutgläubigen Eigentumserwerb eines Dritten der bisherige Eigentümer sein Eigentum verliert, hat er gegen den nichtberechtigten Veräußerer gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB einen Anspruch auf -

b)

Außerdem kann der frühere Eigentümer vom Veräußerer gegebenenfalls verlangen, z.B. nach den §§ 9 8 9 , 9 9 0 BGB.

c)

Gegen den gutgläubigen Erwerber der Sache hat der frühere Eigentümer gemäß § 816 Abs. 1 S. 2 BGB einen Anspruch auf Rückübereignung, wenn der Erwerber das Eigentum erlangt hat.

d)

Analog den §§ 932 ff. BGB kann auch die gutgläubig erworben werden.

e)

Durch § 936 Abs. 1 und 2 BGB wird auch der gute Glaube an die . . einer erworbenen Sache geschützt; das bedeutet, daß hier der gute Glaube des Erwerbers vorhandene Belastungen . . läßt.

-

194

Kap. VIII. Gutgläubiger Eigentumserwerb A:

a) b) c) d) e)

Herausgabe des Erlangten Schadensersatz unentgeltlich Eigentumsanwartschaft Lastenfreiheit, erlöschen

Zur Wissensvertiefung

für den Stoff des achten Kapitels wird empfohlen:

Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., § 52 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 4 5 - 5 0 . Besonders wichtig sind die Probleme der §§ 933 und 934 BGB (hierzu Westermann, § 48 und BGHZ 5 0 , 4 5 ) .

195

Kapitel IX ANDERE FORMEN DES EIGENTUMSERWERBS

Eigentum an beweglichen Sachen kann auch ohne Rechtsgeschäft mit dem Veräußerer erworben werden. In solchen Fällen entsteht Eigentum allein durch Erfüllung bestimmter gesetzlicher Tatbestände; so erwirbt z.B. der Eigentümer eines Grundstücks durch feste Verbindung einer beweglichen Sache mit seinem Grundstück das Eigentum an der beweglichen Sache. Diesen Eigentumserwerb allein durch Erfüllung gesetzlicher Tatbestände bezeichnet man als originären Eigentumserwerb. Die nachstehende Skizze zeigt die verschiedenen Eigentumserwerbs nach dem BGB. Es gibt den

Formen

des

Eigentumserwerb an Grundstücken (wird in Kap. X behandelt)

Die wichtigsten Tatbestände des originären Eigentumserwerbs sind Ersitzung, Verbindung, Vermischung, Verarbeitung, Fruchtziehung, Aneignung und Fund; sie sind in den §§ 9 3 7 - 9 8 4 BGB geregelt. Übersicht: Ersitzung Verbindung und Vermischung Verarbeitung Rechte Dritter Ausgleichsansprüche Eigentumserwerb an Früchten Aneignung und Fund Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1-2 3-9 10-13 14 15 16-18 19-23 24 196

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb

1.

Ersitzung

§937

Als ersten T a t b e s t a n d des originären E i g e n t u m s e r w e r b s n e n n t das BGB die Ersitzung. D u r c h E r s i t z u n g wird g e m ä ß § 9 3 7 A b s . 1 BGB E i g e n t ü m e r , w e r eine bewegliche Sache, die er gutgläubig f ü r seine eigene h ä l t , z e h n J a h r e im Eigenbesitz (vgl. o b e n K a p . 1 , 1 1 ) h a t . Bösgläubig ist gemäß § 937 Abs. 2 BGB, wer beim Erwerb des Besitzes gewußt oder grob fahrlässig nicht gewußt hat, daß er kein Eigentum erwirbt. Daruber hinaus ist - abweichend von § 932 Abs. 2 BGB, aber in Parallele zu § 990 BGB (vgl. oben Kap. V, 7) — auch derjenige bösgläubig, der während der Ersitzungszeit genaue Kenntnis von seiner mangelnden Berechtigung erhält; grobe Fahrlässigkeit während der Ersitzungszeit dagegen zerstört den guten Glauben nicht. F:

Der E erwirbt von einem ihm unbekannten Händler im Jahre 1950 einen wertvollen Teppich zu handelsüblichem Preis. Einige Zeit später liest er in der Zeitung, daß eine Bande von Teppichdieben gefaßt wurde. Anhand der Beschreibungen der Diebe und des Diebesgutes kommt ihm flüchtig der Gedanke, daß auch der von ihm erworbene Teppich aus einem Diebstahl stammen könnte; er geht der Sache aber nicht weiter nach. Im Jahre 1963 kommt der B in die Wohnung des E und erkennt den dort liegenden Teppich als einen der ihm entwendeten. Er verlangt ihn von E heraus. Zu Recht? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

197

Ersitzung

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Nein; E ist durch Ersitzung Eigentümer des Teppichs geworden, da er bei der Begründung seines Besitzes nicht grob fahrlässig gehandelt h a t . Später hätte er nur durch die genaue Kenntnis seiner Nichtberechtigung bösgläubig werden k ö n n e n , § 937 Abs. 1 BGB.

2.

945

Mit Ablauf der Ersitzungsfrist erwirbt der Eigenbesitzer nach § 945 BGB das Eigentum lastenfrei (wie nach § 936 BGB beim gutgläubigen Erwerb, vgl. oben Kap. VIII, 19), d.h. frei von Rechten Dritter, sofern er auch hinsichtlich dieser Rechte gutgläubig ist. Wer also eine gestonlene Sache zehn Jahre lang gutgläubig im Eigenbesitz hat, erwirbt nicht nur das Eigentum daran, vielmehr sind dann auch die belastenden Rechte Dritter an der Sache untergegangen. Einen Ausgleichsanspruch für die erlittenen Rechtsverluste sehen die Ersitzungsvorschriften weder zugunsten des früheren Eigentümers noch zugunsten der b e t r o f f e n e n Dritten vor. F:

Der D stiehlt ein dem E gehörendes Radiogerät aus der Werkstatt des U und veräußert es sogleich an den gutgläubigen G. Der U h a t t e wegen einer Reparatur (nach § 6 4 7 BGB) ein U n t e r n e h m e r p f a n d r e c h t an dem Gerät erworben. Wann geht dieses P f a n d r e c h t unter, w e n n der G keine Kenntnis von ihm h a t t e ? Eigentümer E

Werkunternehmer U

Dieb D

Erwerber

G

198

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Verbindung

Nach zehn Jahren, beim lastenfreien Eigentumserwerb des G, § 945 BGB.

3.

§ 946

Ein anderer Tatbestand des originären Eigentumserwerbs, der für Lieferanten von Baumaterial von besonderer Bedeutung wird, ist die Verbindung: Wird eine bewegliche Sache durch Verbindung mit einem Grundstück zu dessen wesentlichem Bestandteil im Sinne der §§ 93—95 BGB, so geht sie dadurch in das Eigentum des Grundstückseigentümers über, § 946 BGB. Dieser Eigentumsübergang auf den Grundstückseigentümer nicht durch vertragliche Abreden ausgeschlossen werden. F:

kann

Die Firma F liefert dem Bauunternehmer U Eisenträger unter Eigentumsvorbehalt. Bevor U den Kaufpreis vollständig bezahlt hat, baut er die Träger auf dem Grundstück des E in die Hausfundamente ein; sie werden so zu wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks. Wer ist jetzt Eigentümer dieser Träger?

199

Verbindung

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Der E wird Eigentümer, weil § 946 BGB vertraglichen Abreden und damit dem Eigentumsvorbehalt des F vorgeht.

4.

§ 94

Der Eigentumsübergang nach § 946 BGB knüpft an das Tatbestandselement des wesentlichen Bestandteils an: Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind nach § 94 Abs. 1 BGB mit dem Boden fest verbundene Sachen; unerheblich ist es, wer die Verbindung vornimmt und mit welchen Mitteln sie bewirkt wird. — Wesentliche Bestandteile sind nach § 94 Abs. 2 BGB ferner die zur Herstellung eines Gebäudes eingefügten Sachen, auch wenn sie mit dem Grundstück nicht fest verbunden sind, z.B. Dachziegel. F:

Die Firma F entsendet ihre Arbeiter A und B mit dem Auftrag, im Reihenhausneubau des X Fensterrahmen fest einzusetzen. Versehentlich verrichten A und B ihre Arbeit im Nachbarhaus (des E). Als die Firma nach zwei Tagen den Fehler entdeckt, will sie die Fensterrahmen wieder herausnehmen lassen, weil sie ihr gehören. Ist diese Ansicht richtig? Firma F

(A und B)

X E

(Drehen Sie jetzt bitte das Buch; die Programmfortsetzung finden Sie dann auf Seite 201.)

200

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb

Verbindung

A:

Nein; auch durch die irrtümlich vorgenommene feste Verbindung der Fensterrahmen mit dem Gebäude ist Eigentum des E an den Rahmen entstanden, § § 9 4 6 , 9 4 BGB.

5.

§95

Wenn bewegliche Sachen aber n u r zu einem vorübergehenden Zweck m i t d e m B o d e n v e r b u n d e n o d e r d e m G e b ä u d e eingefügt sind, w e r d e n sie n i c h t zu wesentlichen B e s t a n d t e i l e n des G r u n d s t ü c k s , § 9 5 BGB; es h a n d e l t sich d a n n u m sog. Scheinbestandteile. F:

Der Mieter M hat ein Hausgrundstück für ein Jahr gemietet; bald nach dem Einzug befestigt er im Garten Kinderspielgeräte fest am Boden. Beim späteren Auszug meint der Grundeigentümer E, der M dürfe diese Geräte nicht mitnehmen, da er, der E, durch die feste Verbindung der Geräte mit dem Boden deren Eigentümer geworden sei. Zu Recht?

201

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb

Verbindung

A:

Nein; Kinderspielgeräte eines Mieters werden (mangels anderer Anhaltspunkte) nur für die Mietzeit, d.h. nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Boden des Mietgrundstücks verbunden. Dementsprechend erlangt nach §§ 9 4 6 , 9 5 BGB der Grundstückseigentümer kein Eigentum daran.

6.

§ 93

Unabnängig von der festen Verbindung mit dem Boden oder der Einfügung zur Gebäudeherstellung wird eine bewegliche Sache auch dann zum wesentlichen Bestandteil eines Grundstücks, wenn sie im Falle ihrer Wegnahme wirtschaftlich unbrauchbar würde, § 93 BGB. Demnach wird eine Sache (ohne feste Verbindung) dann zum wesentlichen Bestandteil eines Grundstücks, wenn sie zwar nicht der Gebäudeherstellung dient, aber speziell für die Bedürfnisse eines Gebäudes angefertigt wurde und anderweitig nicht mehr verwendbar ist. F 1:

Der A hat für ein ungewöhnlich geformtes Fenster seines Hauses eine Gardinenschiene speziell nach den Maßen des Fensters anfertigen lassen; bei einer Veränderung der jetzigen Form würde die Schiene zerbrechen. Bis zur endgültigen Bezahlung hat sich der Hersteller B das Eigentum an der Schiene vorbehalten. In wessen Eigentum steht die Schiene, wenn sie im Hause des A (lediglich) angeschraubt wurde und noch nicht bezahlt ist?

F 2:

Der A hat seine Mietwohnung mit (nicht angeklebter) Teppichauslegware belegt; die Auslegware wurde genau den Maßen der Wohnung angepaßt. Ist der Teppichboden damit in das Eigentum des Hauseigentümers übergegangen?

202

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb

Verbindung

A 1: Nach den §§ 946, 93 BGB steht die Schiene im Eigentum des A, da sie im Falle der Wegnahme unbrauchbar werden würde. A2: Nein; die Auslegware ist mit wirtschaftlich geringen Einbußen auch in einer anderen Wohnung noch brauchbar.

7.

§ 947

Eine andere Problematik des Eigentumserwerbs durch Sachverbindung entsteht, wenn mehrere bewegliche Sachen miteinander verbunden werden, z.B. beim Zusammenbau von Maschinen: Hier gibt es nach § 947 BGB die Alternative, daß die zusammengebauten Sachen entweder alle gleichermaßen wesentliche Bestandteile der einheitlichen Sache werden, oder aber daß eine Sache als Hauptsache der einheitlichen Sache anzusehen ist, der die anderen Sachen als wesentliche Bestandteile untergeordnet werden. Werden bewegliche Sachen zu einer einheitlichen Sache miteinander verbunden und ist eine Sache als Hauptsache der einheitlichen Sache anzusehen, so wird der Eigentümer der Hauptsache auch Eigentümer der anderen Sachen, § 947 Abs. 2 BGB. Entscheidend für die Frage, ob ein Zulieferer seinen Eigentumsvorbehalt aufrechterhalten kann, ist damit die Begriffsdefinition der „Hauptsache": Sie fehlt im Gesetz. Nach herrschender Meinung ist Hauptsache einer einheitlichen Sache derjenige Teil, dem im Hinblick auf die Zweckbestimmung der Sache ein deutliches technisches Schwergewicht zukommt, so ist z.B. die technische Anlage eines Radiogeräts als Hauptsache im Verhältnis zum Gehäuse anzusehen. F:

Der V hat dem Waschmaschinenhersteller E Motoren und elektronische Steuerungen unter Eigentumsvorbehalt geliefert. Kann der E durch den Einbau dieser Sachen in die von ihm gefertigten Gehäuse Alleineigentümer der Waschmaschinen werden?

203

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Verbindung

Kaum, da die Waschmaschinengehäuse im Verhältnis zu den Motoren und Steuerungsteilen wohl nicht als Hauptsache anzusehen sind.

8. Werden aber bewegliche Sachen so miteinander verbunden, daß keine von ihnen als Hauptsache der einheitlichen Sache anzusehen ist, vielmehr alle gemäß § 93 BGB gleichermaßen als wesentliche Bestandteile der einheitlichen Sache erscheinen, so werden nach § 947 Abs. 1 BGB die bisherigen Eigentümer Miteigentümer der einheitlichen Sache im Verhältnis des Wertes der verbundenen Sachen. F:

Der G hat unter Eigentumsvorbehalt größere Mengen Marmelade an die Konservenfabrik K geliefert. Der K füllt damit von ihm hergestellte Konservenbüchsen. In wessen Eigentum stehen die fertigen Konserven?

204

Kap. IX. OriginärerEigentumserwerb

Vermischung

A:

Durch die Füllung der Konserven ist eine einheitliche Sache entstanden, für die Dose und Inhalt gleichermaßen wesentlich sind. G und K sind daher Miteigentümer der Konserven, das Alleineigentum des G an der Marmelade (und damit sein Eigentumsvorbehalt) ist ebenso erloschen, wie das Alleineigentum des K an den Dosen.

9.

§ 948

Die Regel, daß beim Zusammentreffen beweglicher Sachen entweder eine Sache als Hauptsache den Vorrang hat oder daß alle Sachen gemeinsam wesentliche Bestandteile werden, wird durch § 948 BGB auf die Vermischung beweglicher Sachen übertragen. W e r d e n b e w e g l i c h e S a c h e n so miteinander vermischt, d a ß sie n i c h t o d e r n u r m i t u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g e n K o s t e n w i e d e r v o n e i n a n d e r get r e n n t w e r d e n k ö n n e n , so w e r d e n d i e b i s h e r i g e n E i g e n t ü m e r Miteigentümer der Mischung im Verhältnis des Wertes ihrer Anteile, §§ 9 4 8 , 9 4 7 A b s . 1 B G B . S o f e r n j e d o c h ein M i s c h u n g s b e s t a n d t e i l als Hauptsache a n z u s e h e n ist, e r w i r b t d e s s e n E i g e n t ü m e r d a s Alleineigentum, §§ 9 4 8 A b s . 1, 9 4 7 A b s . 2 B G B ; z.B. w e n n a u f e i n e m L a g e r p l a t z 1 0 0 0 T o n n e n S a n d eines Eigentümers aufgeschüttet sind u n d zu diesem Sand versehentlich e i n e T o n n e S a n d e i n e s a n d e r e n E i g e n t ü m e r s g e s c h ü t t e t w i r d . F:

Bei dem Baumaterialienhändler A wird versehentlich eine für den B bestimmte und diesem gehörende Ladung von 20 Tonnen Zement in den Silo des A eingefüllt, der noch mit 20 Tonnen eigenem Zement des A gleicher Sorte gefüllt ist. Wer ist Eigentümer des Zements im Silo (z.B. wenn Eigentümerrechte gegen den Dieb D geltend gemacht werden sollen): A allein, B allein, A und B je zur Hälfte?

1—1 D •

(Bitte kreuzen Sie die richtige Antwort an.) 205

Kap. I X . Originärer Eigentumserwerb A:

A und B sind Miteigentümer je zur Hälfte, weil gleiche Mengen untrennbar miteinander vermischt wurden, §§ 9 4 8 , 9 4 7 Abs. 1 BGB.

Wiederholungsfragen: a)

Außer durch Zusammenwirken mit einem Veräußerer kann das Eigentum auch durch Erfüllung bestimmter gesetzlicher Tatbestände erworben werden; dann handelt es sich um . . . Eigentumserwerb.

b)

Bei der Ersitzung beweglicher Sachen muß der Eigenbesitz des Erwerbers . . . . Jahre ununterbrochen bestanden haben. Nach Ablauf der Ersitzungszeit erwirbt der gutgläubige Eigentümer das Eigentum auch frei von . . . . -

c)

Werden bewegliche Sachen durch Verbindung mit einem Grundstück zu dessen , so gehen sie gemäß § 9 4 6 BGB in das des Grundstückseigentümers über, sofern es sich nicht um im Sinne des § 95 B G B handelt.

206

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

10.

Verarbeitung

a) rechtsgeschäftliches, originären b) zehn, Rechten Dritter c) wesentlichen Bestandteilen, Eigentum, Scheinbestandteile

§ 950 Abs. 1

Ein für die Praxis bedeutsamer Tatbestand des originären Eigentumserwerbs besteht gemäß § 950 BGB in der Herstellung einer neuen Sache durch Verarbeitung von Materialien: Stellt jemand durch Verarbeitung oder Umbildung eine neue Sache her, so verlieren die Eigentümer der Rohstoffe oder Halbfertigprodukte ihr Eigentum an den Hersteller der neuen Sache, unabhängig davon, ob der Hersteller in bezug auf das Eigentum an den verarbeiteten Stoffen gut- oder bösgläubig ist. Ausnahmsweise erwirbt jedoch der Hersteller einer neuen Sache kein Eigentum daran, wenn der Materialwert den Wert der Verarbeitungsleistung erheblich übersteigt, z.B. beim Einschmelzen von Goldabfällen. F:

Der Metzger A stiehlt in der Nacht ein Kalb des Bauern B (im Werte von 100.— DM) von der Weide, schlachtet es und verarbeitet das Fleisch in zehn Stunden (Stundenlohn 1 0 . - DM) zu Wurst. Sodann erscheint der B bei A und verlangt als Eigentii'r",r die Herausgabe der Fleischprodukte. Mit Recht?

207

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Verarbeitung

Nein; sein Eigentum am Tier ist infolge der Verarbeitung durch A untergegangen.

11. Ob durch Arbeitsleistungen eine „neue Sache" im Sinne des § 950 BGB entstanden ist, bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung. Diese stellt in erster Linie auf die neuen Verwendungsmöglichkeiten für das Produkt ab. Nach herrschender Meinung wird immer dann keine neue Sache geschaffen, wenn eine Sache auftragsgemäß lediglich repariert, gepflegt oder zerstört werden soll. In diesen Fällen tritt kein Eigentumserwerb des Bearbeiters ein. F:

Die Autoreparaturwerkstatt A hat den schwer beschädigten PKW des B wiederhergestellt. Dabei wurden in den Wagen, der jetzt einen Verkaufswert von 5 000.— DM hat, für 3 000.- DM neue Teile zu einem Arbeitslohn von 2 000.— DM eingebaut. Hat dadurch A Eigentum an dem PKW erworben?

208

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Verarbeitung

Nein, da bei einer Reparatur keine neue Sache hergestellt wird und demnach die Voraussetzungen des § 950 BGB nicht erfüllt sind.

12. Hersteller der neuen Sache im Sinne des § 950 BGB und damit Eigentümer des neuen Produktes ist der Inhaber des Verarbeitungsbetriebes. Dabei ist es unerheblich, ob er das Produkt (wie im Kleinbetrieb oder bei künstlerischen Werken) eigenhändig anfertigt oder ob er die Bearbeitung durch Arbeitnehmer ausführen läßt. — In Parallele zur Besitzdienerschaft (vgl. oben Kap. I, 7) genügt es für den Eigentumserwerb des Unternehmers, daß der Arbeitnehmer äußerlich den Rahmen seiner Weisungen einhält; ein Wille des Arbeitnehmers, für den Betriebsinhaber Eigentum zu begründen, ist nicht erforderlich. Fl:

In der Lederwarenfabrik des F werden aus Leder, das unter dem Eigentumsvorbehalt des V steht, durch den Arbeiter A Geldbörsen hergestellt. Wer wird Eigentümer dieser Geldbörsen?

F 2: Ändert sich etwas, wenn der A beschließt, als nächstes Arbeitsstück eine Geldbörse für sich anzufertigen und sie zu behalten?

209

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb

Verarbeitung

A 1: Der F, weil er als Hersteller im Sinne des § 950 BGB anzusehen ist. A 2: Nein; auch in diesem Falle wird der F Eigentümer.

13. Die Frage, ob von der Regel des § 950 BGB durch Vereinbarung abgewichen werden kann, ist wichtig für Materiallieferanten, die einen Eigentumsvorbehalt wahren möchten; sie wird von der herrschenden Meinung verneint. Nach herrschender Meinung kann lediglich vereinbart werden, daß der Eigentumsvorbehalt des Materiallieferanten am neuen Produkt als sog. erstreckter Eigentumsvorbehalt (vgl. oben Kap. VII, 12) fortbesteht; dann wird der Materiallieferant kraft vertraglicher Abrede als Hersteller des neuen Produktes angesehen, so daß die Folgen des § 9 5 0 BGB für ihn eintreten. — Werden unter erstrecktem Eigentumsvorbehalt stehende Sachen mehrerer Lieferanten verarbeitet, so entsteht für sie Miteigentum an der neuen Sache. Nach anderer Ansicht (die z.B. von Westermann vertreten wird) kann zugunsten eines noch nicht bezahlten Materiallieferanten nur eine vorweggenommene Sicherungsübereignung (vgl. oben Kap. VII, 17 und 19) des neuen Produktes vereinbart werden. F:

Der K erwirbt für seinen optischen Betrieb Fernrohrlinsen von V und passende Gehäuse von W. V und W liefern unter erstrecktem Eigentumsvorbehalt; der K stellt aus den gelieferten Teilen unter Verwendung eigenen Materials Fernrohre her. Mit welcher Begründung kann nach herrschender Ansicht die von V und W mit dem erstreckten Eigentumsvorbehalt beabsichtigte Sicherung auch nach der Fernrohrherstellung wirksam bleiben?

210

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

14.

Rechte Dritter

V, W und K sind Miteigentümer im Wertanteil ihrer Lieferungen geworden, weil V und W aufgrund erstreckten Eigentumsvorbehalts als Mithersteller der Fernrohre anzusehen sind.

§ 949

Bestehen dingliche Rechte Dritter, z.B. Pfandrechte, an einer Sache, deren Eigentumsverhältnisse sich nach den vorgenannten Regeln ändern, so gibt es gemäß § 949 BGB drei Möglichkeiten: Bestehen die Rechte Dritter an einer Sache, deren Eigentum durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung auf einen anderen übergeht, so erlöschen diese Rechte mit dem Eigentumsübergang, §§ 949 S. 1, 950 Abs. 2 BGB. Bestehen Rechte Dritter an einer Hauptsache, deren Eigentum durch Verbindung oder Vermischung auf die neuen Bestandteile erstreckt wird, so bestehen die Belastungen der Hauptsache an der gesamten Sache fort, § 949 S. 3 BGB. Tritt an die Stelle des Eigentums an einer mit Rechten belasteten Sache das Miteigentum an einer einheitlichen Sache, so besteht die ursprüngliche Belastung am Miteigentumsanteil fort, § 949 S. 2 BGB. F:

100 Tonnen Getreide des A sind mit einem Pfandrecht des P belastet; sie werden irrtümlich in den Getreidesilo des E gefüllt und dort mit 100 Tonnen Getreide des E untrennbar gemischt. Erlischt dadurch das Pfandrecht des P?

211

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Nein; es besteht jetzt gemäß § 949 S. 2 BGB am Miteigentumsanteil des A an der Getreidemischung (der nach §§ 948, 947 Abs. 1 BGB entstanden ist).

Wiederholungsfragen: a)

Wird durch Verarbeitung oder Umbildung eine hergestellt, so wird der der neuen Sache alleiniger Eigentümer, sofern nicht der den Wert der Verarbeitung erheblich übersteigt.

b)

Besteht am verarbeiteten Material ein Eigentumsvorbehalt des Lieferanten, so kann die Sicherung in der Form eines Eigentumsvorbehaltes am neuen Produkt fortbestehen, wenn man den Materiallieferanten als Hersteller ansieht. Andernfalls ist zu seiner Sicherung eine vorweggenommene '. des neuen Produktes erforderlich.

c)

Mit der Eigentumsbegründung an einer Sache durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung erlöschen die vorher an der Sache bestehenden

212

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Ausgleichsansprüche

a) neue Sache, Hersteller, Materialwert b) erstreckten, Sicherungsübereignung c) Rechte Dritter

15.

§951

Offen ist jetzt noch die Stellung der nach den vorgenannten Regeln Benachteiligten: Erleidet jemand durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von Sachen einen Rechtsverlust, d.h. verliert er dadurch sein Eigentum oder ein Recht an einer Sache, so gewährt ihm § 951 BGB einen Ausgleichsanspruch gegen den neuen Eigentümer auf Wertersatz nach den Vorschriften über die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung; Voraussetzung ist allerdings, daß die Tatbestandsmerkmale der Eingriffskondiktion nach § 812 BGB erfüllt sind. Daneben können gemäß § 951 Abs. 2 BGB Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Ansprüche auf Verwendungsersatz bestehen. — Auch Wegnahmerechte, z.B. des Mieters nach § 547a Abs. 1 BGB, bleiben unberührt, § 951 Abs. 2 BGB. F 1: Ohne Verschulden verwendet der A dem E gehörende Steine zum Bau seines Hauses. Was kann der E, wenn sich dadurch die Fertigstellung des eigenen Hauses verzögert, gemäß § 951 BGB von A verlangen?

F 2: Der Handwerker H baut aufgrund eines Vertrages mit dem Bauunternehmer U, der auf dem Grundstück des E für diesen ein Haus erstellt, eigenes Material in dieses Haus ein. Als H von U keine Bezahlung erlangen kann, will er den Ausgleichsanspruch des § 951 BGB gegen E geltend machen, da dieser an dem Material gemäß § 946 BGB Eigentum erworben habe. Mit Recht? Unternehmer U Handwerker H »"Eigentümer E (Vertrag) (§951)

213

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb

Fruchterwerb

A 1: Gemäß § 951 BGB hat E gegen A lediglich einen Bereicherungsanspruch in Höhe des Wertes der Steine. A 2 : Nein, da für den H gegen E kein Anspruch aus § 812 BGB besteht (er vielmehr wegen gewollter Vertragserfüllung bei seiner Leistung auf Ansprüche gegen den U angewiesen ist), kann er auch nicht über § 951 BGB Ausgleich von E verlangen.

16.

§§ 9 5 3 , 9 5 4 , 9 5 6

Eine weitere Form originären Eigentumserwerbs vollzieht sich an den Früchten einer Sache ( § 9 9 BGB): Erzeugnisse und Bestandteile einer Sache gehören mit der Abtrennung dem Eigentümer der Sache, § 953 BGB. Hat jedoch der Eigentümer der Sache einem Dritten ein dingliches Nutzungsrecht an der Sache übertragen, z.B. den Nießbrauch, so erwirbt nach § 954 BGB der Nutzungsberechtigte mit der Trennung Eigentum an den Erzeugnissen und Bestandteilen. — Ebenso erwirbt, wenn der Eigentümer jemandem schuldrechtlich die Aneignung gestattet hat, z.B. dem Pächter, dieser nach § 956 BGB das Eigentum an den Erzeugnissen und Bestandteilen. F:

Der V hat dem P einen Obstgarten verpachtet und ihm den Besitz daran überlassen. Ein Dieb D erntet auf diesem Grundstück das Obst. Wer ist Eigentümer des geernteten Obstes?

214

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

17.

Fruchterwerb

Der P gemäß § 956 BGB, weil ihm als Pächter die Aneignung der Früchte gestattet wurde; daß die Trennung der Früchte vom Baum durch D erfolgte, ist unerheblich.

§ 955

Neben dem Eigentumserwerb an Früchten aufgrund einer wirklich vorhandenen Rechtsgrundlage gibt es zwei Tatbestände des Gutglaubensschutzes (die in den Informationen 17 und 18 behandelt werden): Hält sich jemand gutgläubig für den Eigenbesitzer oder für den dinglichen Nutzungsberechtigten einer Sache, so erwirbt er das Eigentum an den Erzeugnissen der Sache mit ihrer Trennung, § 9 5 5 BGB. Dasselbe gilt für solche Bestandteile, die Früchte sind, z.B. Kies aus einer Kiesgrube. Der Unterschied in der Formulierung des § 9 5 5 BGB gegenüber § 9 5 3 BGB zeigt, daß Eigentum an nicht zu den Früchten gehörenden Bestandteilen, z.B. an den alten Dachziegeln beim Umdecken eines Hauses, v o m Gutgläubigen nicht erworben wird. F:

Der A veräußert an den B einen Obstgarten. Hat der B das Eigentum am geernteten Obst erworben, wenn sich nach der Ernte herausstellt, daß die Grundstücksveräußerung nichtig war?

215

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

18.

Fruchterwerb

Ja, da B sich zur Erntezeit gutgläubig für den Eigenbesitzer hielt, § 955 BGB.

§ 957 BGB

Gestattet ein Nichtberechtigter einem Dritten die Aneignung der Früchte und hält ihn dieser gutgläubig für den Berechtigten, so erwirbt der Dritte, wenn ihm der Besitz überlassen wird, das Eigentum an den Früchten mit der Trennung, § 957 BGB. Kann allerdings der Nichtberechtigte, der die Aneignung der Früchte gestattet, dem Dritten nicht den Besitz der Sache verschaffen, so erwirbt auch ein gutgläubiger Dritter Eigentum an den Früchten erst mit ihrer tatsächlichen Ergreifung. F:

Der A ist irrtümlich der Ansicht, ein Gartengrundstück geerbt zu haben. Er verpachtet dieses an den B, der dort das Obst erntet. Wer ist Eigentümer des Obstes, wenn sich alsbald nach der Ernte herausstellt, daß nicht der A, sondern C Erbe und damit Eigentümer des Grundstücks ist?

216

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Aneignung

Der B ist Eigentümer des Obstes mit der Trennung geworden, weil er den nichtberechtigten, aber im Besitz befindlichen A gutgläubig als Berechtigten angesehen hat.

19.

§§ 9 5 8 , 9 5 9

Ein w e i t e r e r , p r a k t i s c h n i c h t s e h r E i g e n t u m s e r w e r b s ist die Aneignung: w i r d , w e r eine herrenlose bewegliche § 9 5 8 A b s . 1 BGB.

h ä u f i g e r Fall des originären Eigentümer durch Aneignung Sache• in Eigenbesitz n i m m t ,

Der Eigentumserwerb ist ausgeschlossen, wenn mit der Besitzergreifung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen wird, z.B. bei Blumen unter Naturschutz, oder wenn ein fremdes Aneignungsrecht verletzt wird, z.B. das Jagdrecht, § 958 Abs. 2 BGB. A n e i g n u n g ist n u r m ö g l i c h a n h e r r e n l o s e n S a c h e n : H e r r e n l o s sind b e w e g l i c h e S a c h e n e n t w e d e r von Natur aus, z.B. die freie L u f t , das Meerwasser, in F r e i h e i t l e b e n d e wilde T i e r e (§ 9 6 0 B G B ) , o d e r a u f g r u n d Eigentumsaufgabe ihres l e t z t e n E i g e n t ü m e r s n a c h § 9 5 9 BGB. Diese Eigentumsaufgabe bezeichnet man auch als Dereliktion. Sie erfolgt durch Besitzaufgabe in der Absicht des Eigentumsverzichts, z.B. durch Wegwerfen. Im Gegensatz zur Aneignung ist für die wirksame Dereliktion nach herrschender Meinung ein rechtsgeschäftlicher Wille erforderlich. Fl:

Hat der 10jährige M, wenn er am Straßenrand einen weggeworfenen Regenschirm aufhebt und als Spielzeug behalten will, daran Eigentum erworben?

F 2: Könnte M das Eigentum am Schirm dadurch wieder aufgeben, daß er ihn wegwirft? 217

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb

Fund

A I : Ja, da es sich bei dem weggeworfenen Schirm um eine herrenlose Sache handelt und für die Aneignung kein rechtsgeschäftlicher Wille erforderlich ist. A 2 : Nein; da die Dereliktion ein Rechtsgeschäft ist, bedürfte der M dazu der elterlichen Einwilligung ( § 1 1 1 BGB).

20.

§ 965

Als letzten Tatbestand des originären Eigentumserwerbs behandelt das BGB den Fund einer Sache: Finder ist, wer eine verlorene Sache in Besitz nimmt, § 965 BGB. Verloren sind bewegliche Sachen, an denen kein Besitz mehr, wohl aber noch Eigentum besteht. Normalerweise sind Sachen verloren, wenn sie dem Besitzer ohne seinen Willen und nicht nur vorübergehend abhanden gekommen sind. Weiß der Besitzer, wo sich die Sache befindet und ist ihm die Wiedererlangung möglich, so hat er die Sache nicht verloren. F:

Die A hat einen Ring verlegt und kann ihn nicht mehr finden; sie weiß aber, daß der Ring noch in ihrer Wohnung sein muß. Als die B einige Tage später zu Besuch kommt, entdeckt sie den Ring hinter einem Heizkörper und hebt ihn auf. Ist die B Finderin im Sinne des § 965 BGB?

218

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Fund

Nein; der Ring war noch im Besitz der A und nicht verloren.

21. Allerdings tritt ein Eigentumserwerb des Finders nicht sogleich ein. Vielmehr entsteht zunächst ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Finder und dem Empfangsberechtigten (dies ist normalerweise der Eigentümer): Wichtigste Pflichten des Finders sind die Anzeigepflicht gemäß § 965 BGB, die Verwahrungspflicht gemäß § 966 BGB und die Ablieferungspflicht gemäß § 967 BGB. - Als Rechte des Finders entstehen Ansprüche auf Verwendungsersatz nach § 970 BGB und auf Finderlohn nach § 971 BGB. Sie werden geschützt durch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 972 BGB. F:

Dem F läuft ein Hund im Werte von 500.— DM zu, den er füttert. Bis sich auf eine Zeitungsanzeige zum Preise von 10.— DM der Eigentümer meldet, sind Futterkosten in Höhe von 30.— DM entstanden. Welchen Betrag kann F von E beanspruchen a) als Verwendungsersatz, b) als Finderlohn?

219

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

22.

Fund

Der F kann a) 10.— DM und 3 0 . - DM als Verwendungsersatz verlangen, § 970 BGB, b) 5 . - DM (= 1% gemäß § 971 Abs. 1 S. 2 BGB) als Finderlohn.

§ 973

Mit dem Fund entsteht für den Finder die Anwartschaft auf Eigentumserwerb an der Fundsache. Sie wird zum Volleigentum, wenn der Finder die Sache nicht verheimlicht, den Empfangsberechtigten nicht kennt und dieser sich nicht innerhalb eines Jahres meldet, § 973 BGB.

F:

Der A findet eine Brieftasche mit Geld und gibt sie am l.März beim Fundbüro ab. Im Juli hört er zufällig, daß sein Nachbar B diese Brieftasche verloren hat, verschweigt ihm aber den Fund. Erwirbt der A nach einem Jahr das Eigentum an Geld und Brieftasche?

220

Fund

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

23.

Nein, da er den Empfangsberechtigten kannte, § 973 Abs. 1 BGB.

§ 978 BGB

Die vorstehenden Regeln gelten nicht beim Fund von Gegenständen in Behördenräumen und öffentlichen Verkehrsmittpin, dem sog. Verkehrsfund, § 978 BGB. Hier gefundene Sachen sind ohne Ansprüche des Finders bei der Behörde oder der Verkehrsanstalt abzuliefern, die sie nach einer Wartezeit öffentlich versteigern läßt, § 979 BGB. Der Versteigerungserlös fällt nach drei Jahren dem Fiskus oder der Verkehrsanstalt zu, § 981 BGB. F:

Der A findet im städtischen Autobus eine Aktentasche mit wertvollem Inhalt, aus dem sich der Verlierer namentlich ergibt. Kann er von diesem Finderlohn beanspruchen?

221

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

Nein; er muß gemäß § 9 7 8 BGB die Tasche als Verkehrsfund Anspruch auf Finderlohn bei der Verkehrsanstalt abliefern.

ohne

24. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 2 0 6 und 2 1 2 ) : a)

Wer durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung einer Sache Rechtsverlust erleidet, hat gemäß § . . . BGB einen Ausgleichsanspruch gegen den neuen Eigentümer.

b)

Früchte einer Sache gehören dem nicht einem Dritten gemäß § eingeräumt oder ihm gemäß § lich gestattet hat.

der Sache, sofern er BGB ein dingliches Nutzungsrecht BGB die Fruchtziehung schuldrecht-

c)

Wer eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt, wird Eigentümer durch , sofern nicht dadurch ein fremdes . . verletzt wird.

d)

Der Finder einer verlorenen Sache muß den Fund und die Sache verwahren oder Er hat Anspruch auf . . . und Finderlohn. Außerdem entsteht für ihn eine an der Sache, die sich nach einem Jahr in Eigentum verwandelt.

222

Kap. IX. Originärer Eigentumserwerb A:

a) b) c) d)

951 Eigentümer, 9 5 4 , 9 5 6 Aneignung, Aneignungsrecht anzeigen, abliefern Verwendungsersatz, Eigentumsanwartschaft e) Verbindung, Aneignung

Zur Wissensvertiefung

für den Stoff des neunten Kapitels wird empfohlen:

Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 53—53 h Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 51—60. Besonders wichtig sind die Fragen der wesentlichen Bestandteile (hierzu BGHZ 18, 226 und 26, 225), der Verarbeitung (hierzu Westermann, § 53 III und BGHZ 20, 159) und des Ausgleichsanspruchs nach § 951 BGB (hierzu Baur, § 53 c, Westermann, § 54 und BGHZ 40, 272).

223

Kapitel X DAS

MATERIELLE

G R U N D S T Ü C K S R E C H T

Das Grundstücksrecht des BGB ist in den §§ 8 7 3 - 9 2 8 BGB geregelt. Der Hauptunterschied z u m R e c h t der bisher behandelten beweglichen Sachen besteht darin, daß für Grundstücke ein amtliches Verzeichnis, das sog. Grundbuch, geführt wird, in welches praktisch alle Veränderungen der Grundstücksrechte einzutragen sind. S o kann jeder interessierte sich über die an einem Grundstück bestehenden Rechte unterrichten. Damit Grundbucheintragungen vorgenommen werden, müssen besondere Erfordernisse erfüllt sein. Diese sind nicht im BGB, sondern in einem Spezialgesetz, der Grundbuchordnung (GBO, im Schönfelder abgedruckt unter Nr. 114) niedergelegt. Dementsprechend werden bei jeder Rechtsänderung an Grundstücken neben den §§ 873 ff. BGB auch die §§ der GBO bedeutsam. - Wegen dieser „Doppelgleisigkeit" wird das Grundstücksrecht des BGB, das sog. materielle Grundstücksrecht, in Kapitel X, das Grundstücksverfahrensrecht der GBO, das sog. formelle Grundstücksrecht, in Kapitel XI dargestellt. Rechtsänderungen an Grundstücken erfolgen einmal bei Eigentumsübertragungen. Zum anderen sind die bereits gelegentlich erwähnten Belastungen des Eigentums von besonderer Bedeutung. Sie entstehen, wenn der Eigentümer Einzelbefugnisse einem Dritten überträgt; wegen ihres — gegenüber dem umfassenden Eigentum — beschränkten Befugnisgehaltes bezeichnet man sie als beschränkt dingliche Rechte. — Als solche kennt das BGB vor allem Nutzungsrechte (z.B. Erbbaurecht, Dienstbarkeiten) und Verwertungsrechte zur Gewinnung eines Geldbetrages (z.B. Hypotheken, Grundschulden). Die Einzelheiten dieser beschränkt dinglichen Rechte werden in den Kapiteln XII—XV behandelt.

Übersicht: Das Grundstück Begründung und Übertragung von Grundstücksrechten Die Rangfolge der Grundstücksrechte Die Vormerkung Der Gutglaubensschutz Die Grundbuchberichtigung Zusammenfassung und Vertiefungsliinweise

Information 1 2—6 7—10 11 — 14 15-21 22-24 25 224

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht

Grundstück

1.

Als Grundstück im Rechtssinne bezeichnet man einen durch Vermessung abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, der im G r u n d b u c h als „Grundstück" verzeichnet ist. (Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks vgl. oben Kap. IX, 3). Die amtlichen Vermessungsunterlagen (Kataster) befinden sich beim Vermessungsamt, § 2 Abs. 2 GBO. — Erst wenn die Voraussetzungen der Vermessung und der G r u n d b u c h a u f n a h m e für ein Grundstück erfüllt sind, kann es Gegenstand des Rechtsverkehrs sein, d.h. übereignet oder belastet werden. Die Größe der einzelnen Grundstücke kann durch Teilung (sog. Parzellierung) oder durch Zusammenlegung verändert werden. F:

Die Firma F möchte ihr Werksgelände ausdehnen und zu diesem Zweck von dem Bauern B einen Teil der angrenzenden Wiese erwerben. Durch welche Maßnahmen wird dieser Wiesenteil zu einem für die Übereignung an F geeigneten Grundstück im Rechtssinne? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

225

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht

Grundstücksrechte

A:

Der zur Veräußerung vorgesehene Wiesenteil muß katastermäßig vermessen und als selbständiges Grundstück im Grundbuch eingetragen werden; erst dann liegt ein Grundstück im Rechtssinne vor, das übertragen werden kann.

2.

§ 8 7 3 Abs. 1

Rechte an Grundstücken werden begründet oder übertragen durch den Doppeltatbestand der Einigung des Rechtsinhabers mit dem Erwerber und der Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch, § 8 7 3 Abs. 1 BGB. F:

Der V hat sich mit E formgerecht geeinigt, daß der E das Eigentum an einem dem V gehörenden Grundstück erwerben soll. Außerdem räumt V dem E den Besitz am Grundstück ein. Ist damit der E Eigentümer des Grundstücks geworden?

226

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Einigung

Nein, da die Besitzübergabe kein Tatbestandselement der Grundeigentumsübertragung ist; E wird erst nach Eintragung im Grundbuch Eigentümer.

3. Die Einigung zur Begründung oder Übertragung von Grundstücksrechten gemäß § 873 Abs. 1 BGB ist — ebenso wie die Einigung zur Übereignung beweglicher Sachen (vgl. oben Kap. VII, 2) — ein abstrakter, d.h. vom Kausalgeschäft unabhängiger Vertrag. Die Regeln des Allgemeinen Teils des BGB finden Anwendung, insbesondere kann die Einigung bedingt oder befristet erfolgen. Sie ist nicht an eine Form gebunden. F:

Der A einigt sich mit B darüber, daß dem B am Grundstück des A eine Grunddienstbarkeit (Wegerecht) bestellt wird, sofern der Nachbar N das Nachbargrundstück an den B veräußert. Ist diese Einigung wirksam?

227

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

4.

Einigung

Ja; eine Bedingung ist bei der Einigung zulässig.

§ 925

Ausnahmen von diesen Grundsätzen gelten jedoch für die Einigung zur Übertragung des Eigentums an Grundstücken, die sog. Auflassung: Gemäß § 925 Abs. 1 BGB ist sie formbedürftig. Sie muß bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Geschäftspartner vor dem Notar erklärt werden. Gleichzeitige Anwesenheit bedeutet jedoch nicht persönliche Anwesenheit, vielmehr genügt auch die Anwesenheit eines Stellvertreters. Ferner darf die Auflassung nicht bedingt oder befristet sein, § 925 Abs. 2 BGB. Möglich ist jedoch eine Abrede, die Grundbucheintragung hinauszuschieben, z.B. bis zur Bezahlung des Kaufpreises. F 1: Hätten A und B im vorgenannten Falle statt der Einigung über ein Wegerecht auch die Auflassung des Grundstücks unter der Bedingung einer Veräußerung des Nachbargrundstücks erklären können?

F2:

Zur Auflassungserklärung vor dem Notar N ist der Veräußerer V erschienen und für den Erwerber E dessen Bevollmächtigter B. Genügt die von V und B erklärte Einigung dem Formerfordernis des § 925 Abs. 1 BGB?

228

Einigung

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht

A 1: Nein, da die Auflassung bedingungsfeindlich ist, § 925 Abs. 2 BGB. A 2 : Ja; § 925 Abs. 1 BGB verlangt nur die gleichzeitige, nicht jedoch die persönliche Anwesenheit der Parteien.

5.

§ 873 Abs. 2

Die Einigung ist grundsätzlich frei

widerruflich.

Allerdings nennt § 873 Abs. 2 BGB eine Reihe von Ausnahmen, in denen die Einigung nicht einseitig widerrufen werden kann; ein solcher Fall liegt insbesondere vor, wenn die Einigung notariell beurkundet wurde oder bereits beim Grundbuchamt eingereicht ist. Wenn die Einigung nicht mehr einseitig widerrufen werden kann, entsteht für den Erwerber bis zur Eintragung der Rechtsänderung eine Anwartschaft auf das einzutragende Recht. F:

Hat nach einer gemäß § 925 Abs. 1 BGB ordnungsgemäß erklärten Auflassung der Erwerber E eine Eigentumsanwartschaft erlangt?

229

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Ja, da die ordnungsmäßige Auflassung notariell beurkundet wird.

Wiederholungsfragen: a)

Rechte an Grundstücken können erst begründet oder verändert werden, wenn das Grundstück wurde und im Grundbuch ausgewiesen ist.

b)

Die Einigung ist im Falle der Auflassung gemäß § 925 BGB und

c)

Kann V dem E ein Grundstück unter Eigentumsvorbehalt auflassen, weil E den Kaufpreis nicht sofort bezahlen kann?

d)

In den Fällen des § 873 Abs. 2 BGB entsteht für den Erwerber eine auf das künftige Recht.

-

230

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht

Eintragung

A:

a) vermessen b) formbedürftig, bedingungsfeindlich c) Nein, da die Auflassung bedingungsfeindlich ist, § 925 Abs. 2 BGB; (wohl aber kann die Grundbucheintragung hinausgeschoben werden, vgl. oben Ziff. 4). d) Anwartschaft

6.

§ 8 7 3 Abs. 1

Z w e i t e s T a t b e s t a n d s e l e m e n t d e r B e g r ü n d u n g o d e r Ü b e r t r a g u n g von G r u n d s t ü c k s r e c h t e n ist g e m ä ß § 8 7 3 A b s . 1 B G B die Eintragung im Grundbuch. — Sie e r f o l g t g e m ä ß § 1 A b s . 1 G B O d u r c h das G r u n d b u c h a m t u n d m u ß d e n I n h a b e r , die A r t u n d d e n I n h a l t des b e g r ü n d e t e n o d e r v e r ä n d e r t e n R e c h t s e r k e n n b a r w e r d e n lassen. Für die Wirksamkeit der Eintragung ist es ohne Bedeutung, ob sie vor oder nach der Einigung vorgenommen wird. Die beabsichtigte Rechtsänderung ist jedoch stets von der Erfüllung beider Tatbestandselemente (Einigung und Eintragung) abhängig: Erfolgt die Eintragung nach der Einigung, so tritt die Rechtsänderung mit der Eintragung ein; erfolgt sie vorher, so tritt die Rechtsänderung erst im Zeitpunkt der Einigung ein. F:

Der V will sein Grundstück an den E veräußern. Vom Grundbuchamt wird der E am 8.1. als Eigentümer eingetragen, ohne daß ein zur Unwirksamkeit führender Formfehler in der Auflassung bemerkt wurde. Als man diesen Fehler nachträglich erkennt, einigen sich V und E am 20.1. nochmals formgerecht. Inzwischen ist am 15.1. der Passant P in eine ungesicherte Baugrube auf dem Grundstück gestürzt und verletzt worden. Wer war zu dieser Zeit der Eigentümer des Grundstücks (wenn P sich an den Eigentümer halten möchte)?

231

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht

Rangfolge

A:

Der V ist bis zum 20.1. Eigentümer des Grundstücks, da erst dann Einigung und Eintragung vorliegen.

7.

§ 879

Alle beschränkt dinglichen Rechte an einem Grundstück stehen zueinander in einem bestimmten Rangverhältnis. Der Rang eines Grundstücksrechts wird vor allem bei der Zwangsvollstreckung in das Grundstück wichtig, weil ein nachrangiges Recht erst dann zum Zuge kommt, wenn die ihm vorgehenden Rechte befriedigt sind. - § 879 Abs. 1 BGB unterscheidet bei der Rangbestimmung, ob es sich um Rechte in derselben Abteilung (= Seite) des Grundbuchs, also um gleichartige Rechte handelt, z.B. um zwei Hypotheken, oder um Rechte in verschiedenen Abteilungen des Grundbuchs, d.h. um verschiedenartige Rechte, z.B. eine Hypothek und eine Dienstbarkeit. Der Rang v o n G r u n d s t ü c k s r e c h t e n in verschiedenen Abteilungen wird g e m ä ß § 8 7 9 Abs. 1 S. 2 BGB d u r c h das Datum der Eintragung b e s t i m m t ; w e n n also z.B. eine D i e n s t b a r k e i t des A am 1 . 4 . 1 9 7 0 eingetragen w u r d e , h a t sie die erste Rangstelle gegenüber einer H y p o t h e k des B, die am 1 . 7 . 1 9 7 0 eingetragen wird. — G r u n d s t ü c k s r e c h t e in verschiedenen A b t e i l u n g e n m i t gleichem E i n t r a g u n g s d a t u m h a b e n gleichen Rang. Bei Belastungen in derselben Abteilung e n t s c h e i d e t über die Rangfolge — selbst bei gleichem D a t u m - die Reihenfolge der Eintragungen, § 8 7 9 Abs. 1 S. 1 BGB. F:

Das Grundstück des E ist mit Hypotheken zugunsten des A und des B jeweils in Höhe von 20 0 0 0 . - DM belastet; die Hypothek des A ist vor der des B eingetragen. Als es auf Betreiben von A und B zur Zwangsversteigerung des Grundstücks kommt, erbringt diese (nach Abzug der Kosten) 30 000.— DM Erlös. Wird diese Summe zwischen A und B anteilsmäßig zur Hälfte verteilt werden?

232

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Rangfolge

Nein; nach § 879 BGB hat die Hypothek des A durch ihre Eintragung vor der Hypothek des B den besseren Rang. Deshalb wird zuerst der A voll befriedigt; den Restbetrag erhält der B.

8. V o n der gesetzlich vorgesehenen Rangfolge k ö n n e n die Beteiligten d u r c h Vereinbarung abweichen. — Diese Vereinbarung wirkt aber gemäß § 8 7 9 Abs. 3 BGB nur, wenn sie ebenfalls im G r u n d b u c h eingetragen wird; es m u ß dann bei beiden R e c h t e n ein Vermerk eingetragen werden, der die von der Daten- oder Eintragungsfolge abweichende Rangfolge ersichtlich m a c h t . F:

Der Grundstückseigentümer E einigt sich schriftlich mit dem A über die Bestellung einer erstrangigen Hypothek und mit dem B über die Bestellung einer zweitrangigen Dienstbarkeit. Im Grundbuch werden beide Rechte mit gleichem Datum eingetragen; ein Zusatz über die Rangfolge erfolgt nicht. — Als es später zwischen A und B zum Streit kommt, macht A unter Berufung auf die ursprüngliche Vereinbarung geltend, er gehe in der Rangfolge dem B vor. Zu Recht?

233

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht

Rangfolge

A:

Nein, da die abweichende Rangvereinbarung ohne entsprechende Eintragung im Grundbuch nicht wirksam ist; beide Rechte sind demnach gleichrangig.

9.

§ 880

Die Rangpositionen bereits eingetragener Rechte können gemäß § 880 BGB nachträglich verändert werden, wenn sich der vortretende und der zurücktretende Berechtigte hierüber einigen und über die Änderung ein Vermerk im Grundbuch eingetragen wird. Bei der Rangänderung von Grundpfandrechten (Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden) muß der Eigentümer zustimmen. Rechte, die evtl. zwischen dem vortretenden und dem zurücktretenden Recht eingetragen sind, werden durch die Rangänderung nicht berührt, § 880 Abs. 5 BGB. Wenn z.B. eingetragen ist für A eine Hypothek über 10 0 0 0 . - DM, für B eine Hypothek über 30 000 - DM und für C eine Hypothek über 10 000 - DM, und sich jetzt A und C (mit Zustimmung des Eigentümers) einigen, daß die Hypothek des C im Austausch mit der des A die erste Rangstelle erhalten soll, so tritt mit Eintragung entsprechender Vermerke im Grundbuch die Hypothek des C an die erste, die Hypothek des A an die dritte Rangstelle. Der B wird an diesem Verfahren nicht beteiligt. F:

Das Grundstück des E ist erstrangig mit einer Hypothek zugunsten des A belastet. Als der E weiteren Kredit bei der Stadtsparkasse S aufnehmen will, ist diese nur gegen eine erstrangige Sicherung hierzu bereit. Wie müßte verfahren werden, wenn E über § 880 BGB diese Bedingung erfüllen möchte?

234

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Rangfolge

E müßte den A (evtl. durch Zinserhöhung) dazu bewegen, die erste Rangstelle zugunsten der Sparkasse freizugeben. Dann muß zu diesem Zweck mit Zustimmung des Eigentümers eine Einigung zwischen A und S über die Rangänderung stattfinden, und entsprechende Vermerke müssen eingetragen werden.

10. Die Regel des § 8 8 0 Abs. 5 BGB, daß Zwischenrechte von Rangänderungen nicht berührt werden, gilt auch, wenn das vortretende Recht größer ist als das zurücktretende. § 8 8 0 Abs. 5 BGB besagt dann, daß das vortretende Recht nach der Rangänderung dem Zwischenrecht nur in der Höhe vorgehen kann, die vor der Rangänderung das zurücktretende Recht einnahm. Wenn z.B. eingetragen ist für A eine Hypothek über 10 0 0 0 . - DM, für B eine Hypothek über 30 0 0 0 . - DM und für C eine Hypothek über 20 0 0 0 . - DM, und sich jetzt A und C (mit Zustimmung des Eigentümers) einigen, daß die Hypothek des C im Austausch mit der des A die erste Rangstelle erhalten soll, so kann C nur mit 10 000.— DM seiner Hypothek an die erste Rangstelle treten. Die weiteren 10 000.— DM seiner Hypothek müssen der Hypothek des B nachstehen; sie gehen aber der Hypothek des A vor, weil A dem C den Vorrang vor seinem Recht eingeräumt hat.

F:

Wenn ein Grundstück in der Weise belastet ist, daß für A eine Hypothek über 45 0 0 0 . - DM, für B eine Hypothek über 10 0 0 0 . - DM und für C eine Hypothek über 30 0 0 0 . - DM eingetragen ist und jetzt A und C eine Rangänderung vornehmen, wie lautet dann die Rangfolge?

235

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Die Rangfolge nach der Rangänderung lautet: Für C eine Hypothek über 30 0 0 0 . - DM, für A eine Hypothek über 15 000 - DM, für B eine Hypothek über 10 0 0 0 . - DM und für A eine Hypothek über 30 0 0 0 . - DM.

Wiederholungsfragen: a)

Eine Rechtsänderung an einem Grundstück tritt ein, nur wenn die Einigung vor der Eintragung vorgenommen wurde, nur bei gleichzeitiger Einigung und Eintragung, wenn Einigung und Eintragung — gleich in welcher Reihenfolge — erfolgt sind. (Kreuzen Sie bitte die richtige Antwort an.)

I—1 D d

b)

Der Rang der Grundstücksrechte wird bei Rechten in verschiedenen Abteilungen durch das der Eintragung bestimmt, bei Rechten in derselben Abteilung durch die der Eintragungen.

c)

Die Rangfolge wird bedeutsam für die Belastungen des Grundstücks; diese Belastungen bezeichnet man auch als Rechte.

d)

Vereinbarungen, welche die Rangfolge von Grundstücksrechten abweichend von der Datierung oder Reihenfolge festlegen sollen, werden gemäß § . . . Abs. . BGB erst mit entsprechender Eintragung im Grundbuch wirksam.

236

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

11.

Vormerkung

a) Wenn Einigung und Eintragung, gleich in welcher Reihenfolge, erfolgt sind. b) Datum, Reihenfolge c) beschränkt dingliche d) 879,3

§§ 8 8 3 , 8 8 5

Da zwischen dem Abschluß des Verpflichtungsgeschäftes (nebst der Einigung) und der Eintragung im Grundbuch meist mehrere Wochen vergehen, hat der Erwerber ein Interesse daran, daß der Grundeigentümer das betroffene Recht nicht zwischenzeitlich einem anderen überträgt. Ferner geht sein Interesse dahin, daß die Rangstelle, die er nach der Lage bei Geschäftsabschluß erwarten darf, nicht durch zwischenzeitliche Eintragungen Dritter verschlechtert wird. Zur Sicherung dieser Interessen ist im BGB ein eigenes Rechtsinstitut vorgesehen, die Vormerkung. Als V o r m e r k u n g bezeichnet § 883 Abs. 1 BGB die im G r u n d b u c h eingetragene Ankündigung, d a ß demnächst eine Rechtsänderung erfolgen wird. Die Eintragung der Vormerkung im G r u n d b u c h erfolgt kurzfristig, in j e d e m Falle schneller als eine endgültige Eintragung. Die Vormerkungseintragung setzt g e m ä ß § 8 8 5 Abs. 1 BGB voraus, d a ß entweder der Rechtsinhaber sie ausdrücklich bewilligt, oder daß der Erwerber (nach § 9 3 5 ZPO) eine entsprechende einstweilige Verfügung erwirkt hat. F:

Der V hat dem E ein Grundstück formgerecht verkauft. E beantragt nun unter Vorlage des Kaufvertrages beim Grundbuchamt, zur Sicherung seines Auflassungsanspruchs eine Vormerkung ins Grundbuch einzutragen. Darf das Grundbuchamt auf dieser Grundlage die Vormerkung eintragen?

237

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Vormerkung

Nein; der E muß gemäß § 885 Abs. 1 BGB entweder eine ausdrückliche Eintragungsbewilligung des V beibringen oder, wenn V diese verweigert, eine entsprechende einstweilige Verfügung erwirken und dem Grundbuchamt vorlegen.

12. Voraussetzung für die Eintragung einer Vormerkung ist die Bestimmbarkeit des zu sichernden Anspruchs. Dieser Anspruch kann bedingt sein oder erst in Zukunft entstehen, § 883 Abs. 1 S. 2 BGB. Bei künftigen Ansprüchen genügt es, daß das Rechtsverhältnis, aus dem sie erwachsen, schon besteht und der Inhalt des künftigen Anspruchs erkennbar ist. Fällt der durch Vormerkung gesicherte Anspruch später weg, z.B. durch Anfechtung oder Erfüllung, so verliert die Vormerkung ihre Rechtswirkung, wenngleich ihre Eintragung bis zur Löschung fortbesteht. Wird der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch übertragen, so geht die Vormerkung analog § 401 BGB mit auf den neuen Gläubiger über. F:

Der E kauft das Hausgrundstück des V unter der Bedingung, daß ein von ihm geplanter Umbau genehmigt wird. Zur Sicherung des Eigentumserwerbs verlangt er von V die Bewilligung einer Vormerkung. V wendet hiergegen ein, daß eine derartige Vormerkung wegen der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung nach § 925 Abs. 2 BGB nicht möglich sei. Trifft diese Ansicht zu?

238

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Vormerkung

Nein; die Vormerkung sichert den schuldrechtlichen Erwerbsanspruch, der nach § 883 Abs. 1 S. 2 BGB auch bedingt sein kann, wie in dem Kaufvertrag zwischen V und E. Mit der Auflassung als dinglicher Einigung hat dies nichts zu tun, so daß § 925 Abs. 2 BGB hier nicht eingreift.

13. Die Vormerkung schützt den Rechtserwerber

in dreifacher Hinsicht:

Sie bestimmt den Rang des später einzutragenden, durch sie gesicherten Rechtes, § 883 Abs. 3 BGB. — Ferner kann der durch Vormerkung Gesicherte auch im Falle des Konkurses oder des Todes des Rechtsinhabers vom Konkursverwalter oder dem Erben die Erfüllung seines Anspruchs verlangen, §§ 884 BGB und 24 Konkursordnung (KO, im Schönfelder Nr. 110). F:

Das Grundstück des E ist mit einer Hypothek zugunsten des A in Höhe von 20 000.— DM belastet, als der E sich in einem Vertrag mit B zu einer weiteren Hypothekenbestellung in Höhe von 30 000.— DM verpflichtet; der Anspruch des B auf Hypothekenbestellung wird durch eine Vormerkung gesichert. — Kurz darauf verstirbt der E, und sein Erbe F möchte nun an zweiter Rangstelle dem C eine Hypothek in Höhe von 10 000.— DM bestellen. Wird durch die neuen Pläne des F der Anspruch des B, an zweiter Rangstelle eine Hypothek zu erwerben, gefährdet?

239

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

14.

Vormerkung

Nein; gemäß §§ 883 Abs. 3, 884 BGB ist auch der Erbe F verpflichtet, dem durch Vormerkung gesicherten B eine Hypothek an zweiter Rangstelle zu bestellen.

§§ 883 Abs. 2, 888

Die dritte und wichtigste Schutzwirkung der V o r m e r k u n g besteht darin, d a ß sie den Rechtserwerber gegen zwischenzeitliche Verfügungen des jetzigen Rechtsinhabers sichert, etwa wenn der Eigentümer E sein Grundstück formgerecht am 1.3. dem X verkauft hat, aber am 10.3. es nochmals dem Y verkauft, der m e h r bietet. In diesem Falle bewirkt die V o r m e r k u n g g e m ä ß § 8 8 3 Abs. 2 BGB, d a ß weitere Verfügungen über denselben Gegenstand relativ unwirksam sind. Das bedeutet, daß der Dritterwerber (in unserem Beispiel der Y) zunächst zwar das Recht erwerben kann und auch im Grundbuch eingetragen wird, daß er aber gemäß § 888 BGB vom Vormerkungsberechtigten (dem X) gezwungen werden kann, seine Rechtsposition an diesen herauszugeben. — Weil die Unwirksamkeit der zwischenzeitlichen Verfügung nur vom Vormerkungsberechtigten geltend gemacht werden kann, bezeichnet man den Rechtserwerb des Dritten als relativ unwirksam. F:

Aufgrund eines zwischen dem V und dem E geschlossenen Kaufvertrages ist zugunsten des E eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen worden. Nunmehr überwirft sich der V mit dem E und veräußert das Grundstück formgerecht an den D, der auch als Eigentümer eingetragen wird. Wie kann E jetzt noch Eigentümer des Grundstücks werden?

240

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

15.

Gutglaubensschutz

Die Übereignung des Grundstücks von V an D ist aufgrund der Vormerkung nach § 883 Abs. 2 BGB gegenüber dem E relativ unwirksam. Der E kann deshalb von V entsprechend dem Kaufvertrag die Auflassung und von D gemäß § 888 BGB die Zustimmung zur Eintragung als Eigentümer ins Grundbuch verlangen.

§ 892

So wie es bei beweglichen Sachen einen G u t g l a u b e n s s c h u t z a u f g r u n d d e r Besitzlage gibt (vgl. o b e n Kap. VIII), so gibt es bei G r u n d s t ü c k e n einen Schutz gutgläubiger Erwerber e n t s p r e c h e n d d e n Grundbucheintragungen, w e n n diese E i n t r a g u n g e n nicht m i t der w a h r e n Rechtslage ü b e r e i n s t i m m e n , d.h. w e n n das Grundbuch unrichtig ist. § 8 9 2 Abs. 1 BGB f o r m u l i e r t dieses Prinzip dahin, d a ß d e r I n h a l t des G r u n d b u c h s als richtig gilt; m a n sagt deshalb, der I n h a l t des G r u n d b u c h e s genieße öffentlichen Glauben. — Das b e d e u t e t , d a ß der E r w e r b e r auf die Richtigkeit des G r u n d b u c h e s u n a b h ä n g i g von der w a h r e n Rechtslage vertrauen k a n n u n d d a ß j e m a n d , der ein G r u n d stücksrecht von d e m j e n i g e n e r w i r b t , d e r im G r u n d b u c h als Berechtigter eingetragen ist, das R e c h t auch d a n n erlangt, w e n n der Eingetragene in Wahrheit nicht der Berechtigte ist. F:

Der E ist durch ein Versehen des Grundbuchamtes zu Unrecht als Eigentümer eines Grundstücks, das dem X gehört, eingetragen worden. Als E dies bemerkt, veräußert er das Grundstück formgerecht an den gutgläubigen D. Bleibt D auch dann Eigentümer des Grundstücks, wenn X später von diesen Vorgängen erfährt und sie mißbilligt?

241

Kap. X . Materielles Grundstücksrecht A:

Gutglaubensschutz

J a , da D gemäß § 8 9 2 Abs. 1 B G B auf den öffentlichen Glauben der Eintragung des E vertrauen konnte und demnach Eigentümer geworden ist.

16. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs erstreckt sich auf alle eintragungsfähigen Angaben zur Rechtslage des Grundstücks, nicht aber auf die rein tatsächlichen Angaben, z.B. über die Bewirtschaftungsart des Grundstücks; ferner nicht auf die persönlichen Eigenschaften des Berechtigten, z.B. seine Geschäftsfähigkeit oder seinen Familienstand. F:

Als Eigentümerin eines Grundstücks ist im Grundbuch „Fräulein E " eingetragen. Sie will das Grundstück an den X veräußern. Kann dieser der Grundbucheintragung dahin vertrauen, daß die E noch unverheiratet ist (da andernfalls ihr Ehemann evtl. nach § 1365 B G B der Veräußerung zustimmen müßte)?

242

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Gutglaubensschutz

Nein; der X kann dem Grundbucheintrag insoweit nicht vertrauen, weil sich der öffentliche Glaube des Grundbuchs nicht auf Angaben zu persönlichen Eigenschaften des Eingetragenen erstreckt.

17. Wie in § 892 Abs. 1 S. 1 BGB ausdrücklich gesagt ist, besteht ein Schutz des öffentlichen Glaubens nur für den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Grundstücksrechten. Nicht geschützt wird demnach das Vertrauen auf den Grundbuchinhalt beim Erwerb kraft Gesetzes, z.B. durch Erbfolge. — Nicht geschützt wird ferner das Vertrauen auf den Grundbuchinhalt, wenn kein Rechtsgeschäft mit Dritten vorgenommen wird, z.B. wenn Veräußerer und Erwerber wirtschaftlich identisch sind, etwa bei der Eigentumsübertragung von einer Aktiengesellschaft auf den einzigen Aktionär. — Schließlich entfällt auch beim Rechtserwerb im Wege der Zwangsvollstreckung der Schutz des öffentlichen Glaubens nach § 892 BGB. F:

Der A ist im Grundbuch zu Unrecht als Eigentümer eines Grundstücks eingetragen. Erwirbt sein Alleinerbe E, der dem Grundbuch entnimmt, das Grundstück sei Eigentum des A gewesen, gemäß § 892 BGB das Eigentum an dem Grundstück?

243

Gutglaubensschutz

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Nein, da Erbfolge als Erwerb kraft Gesetzes nicht unter den Schutz des § 892 BGB fällt.

18.

Ausgeschlossen ist ein Erwerb kraft öffentlichen Glaubens, wenn der Erwerber bösgläubig ist. Dies ist gemäß § 8 9 2 Abs. 1 S. 1 BGB der Fall, wenn er die Unrichtigkeit des Grundbuchs kennt; grob fahrlässige Unkenntnis schließt (im Unterschied zum Erwerb beweglicher Sachen nach § 932 Abs. 2 BGB, vgl. oben Kap. VIII, 2) seinen guten Glauben nicht aus. Der gute Glaube des Erwerbers muß im Zeitpunkt des Eintragungsantrags an das Grundbuchamt oder im Zeitpunkt der späteren Einigung vorhanden sein, § 8 9 2 Abs. 2 BGB. F:

Der E wohnt in einer kleinen Dorfgemeinde. Er veräußert 1968 sein Grundstück an den F, der es 1969 an den X weiterveräußert. X hat zu dieser Zeit, wie alle Dorfbewohner, schon davon gehört, daß der E seit Jahren geisteskrank sein könnte. 1970 wird in der Tat ärztlich festgestellt, daß E seit mindestens fünf Jahren geisteskrank ist; demnach konnte er 1968 das Grundeigentum nicht auf F übertragen. Hat X das Grundstück im Vertrauen auf die Eintragung des F gutgläubig erworben? E

1968

1969

"X

244

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

19.

G utglaubensschutz

Ja; reine Mutmaßungen über die Geisteskrankheit des E bedeuten keine genaue Kenntnis der Rechtslage; X hat demnach gutgläubig Eigentum erworben.

§ 893

§ 892 BGB schützt den guten Glauben beim Erwerb von Grundstücksrechten. § 893 BGB dehnt diesen Schutz auf zwei weitere Bereiche aus: Wer gutgläubig an einen im Grundbuch Eingetragenen leistet, tut dies auch dann wirksam, wenn der Eingetragene in Wirklichkeit nicht empfangsberechtigt war, z.B. bei Ablösung einer Hypothek durch Zahlung an denjenigen, der zu Unrecht im Grundbuch als Hypothekengläubiger eingetragen ist. Ferner gilt Gutglaubensschutz nach § 893 BGB, wenn über Grundstücksrechte eine Verfügung getroffen wird, die nicht den Erwerb von Grundstücksrechten zum Gegenstand hat, z.B. wenn mit dem zu Unrecht Eingetragenen die Aufhebung eines Grundstücksrechts oder eine Rangänderung vereinbart wird. F:

Der Hypothekengläubiger G einigt sich mit X, der als Inhaber eines Wegerechts auf dem Grundstück des E eingetragen ist, über die Rangänderung des Wegerechts. Nach deren Eintragung im Grundbuch stellt sich heraus, daß X zu Unrecht eingetragen und in Wirklichkeit Y der Wegeberechtigte war. Muß Y die Rangänderung gegen sich gelten lassen?

245

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Gutglaubensschutz

Ja, gemäß § 893 BGB, da die Rangänderung des Wegerechts eine Verfügung darstellt, die vom Gutgläubigen mit dem eingetragenen Nichtberechtigten vorgenommen wurde.

20. Schwierigkeiten bereitet die Frage, wie die Vormerkung in den Gutglaubensschutz nach den §§ 892, 893 BGB eingeordnet werden kann. Hierbei sind drei Probleme zu unterscheiden: Wenn der durch eine eingetragene Vormerkung zu sichernde Anspruch nicht besteht, gibt es grundsätzlich keinen Gutglaubensschutz für den Erwerber des angeblichen Anspruchs. Dies folgt aus den allgemeinen Regeln über die Abtretung nach §§ 398 ff. BGB. Wenn der zu sichernde Anspruch besteht, die Vormerkung aber vom eingetragenen Nichtberechtigten bewilligt wurde, wird sie gemäß § 893 BGB gutgläubig erworben. Das bedeutet, daß der wahre Berechtigte das durch die Vormerkung angekündigte Grundstücksrecht entstehen lassen muß. F:

Der Grundstückseigentümer E verkauft sein Grundstück an den A und bewilligt ihm eine Auflassungsvormerkung, die im Grundbuch eingetragen wird. Nachdem E den Kaufvertrag wirksam angefochten hat, tritt A seinen angeblichen Auflassungsanspruch unter Hinweis auf die noch im Grundbuch stehende Vormerkung an den D ab. Hat D einen Auflassungsanspruch erworben?

246

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Gutglaubensschutz

Nein, da ein gutgläubiger Forderungserwerb grundsätzlich nicht möglich ist und die Ausnahme des § 405 BGB nicht vorliegt.

21. Ferner wird ein Gutglaubensschutz beim Vormerkungserwerb auch dann bejaht, wenn der zu sichernde Anspruch besteht, die Vormerkung aber zu Unrecht eingetragen wurde, z.B. ohne Bewilligung, und jetzt Anspruch und Vormerkung einem Dritten weiterübertragen werden. In diesem Falle wird in der analog § 401 BGB mit der Forderungsabtretung verbundenen Übertragung der Vormerkung auf den neuen Gläubiger (vgl. oben Ziff. 12) ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 893 BGB gesehen. F:

Der X ist Eigentümer eines Grundstücks. Er verkauft das Grundstück dem A, bewilligt diesem aber keine Auflassungsvormerkung. A fälscht die Bewilligung des X; daraufhin wird für ihn eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen. Sodann überträgt A seinen Auflassungsanspruch und die Vormerkung auf B. Ist der B a) Gläubiger des Auflassungsanspruchs geworden, b) Inhaber einer Vormerkung geworden?

247

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht

A:

22.

Grundbuchberichtigung

a) Ja, da der Kaufvertrag gültig ist, b) ja; da die Vormerkung vom Eingetragenen übertragen wurde, hat B sie gemäß § 893 BGB erworben.

§ 894

Die G e f a h r e n d e s Rechtsverlustes, die für d e n w a h r e n B e r e c h t i g t e n b e s t e h e n , w e n n ein N i c h t b e r e c h t i g t e r eingetragen ist, begründen das Interesse des wahren B e r e c h t i g t e n daran, das Grundbuch berichtigen zu lassen, sobald der F e h l e r e n t d e c k t wird. § 8 9 4 B G B gewährt daher d e m w a h r e n B e r e c h t i g t e n g e g e n d e n eingetragenen N i c h t b e r e c h t i g t e n e i n e n dinglichen Anspruch auf Berichtigung des G r u n d b u c h s . Das b e d e u t e t , d a ß der Eingetragene einer U m s c h r e i b u n g des Grundstücksrechts auf d e n wahren Berechtigten zustimmen muß. Neben dem dinglichen Anspruch aus § 894 BGB besteht meist ein obligatorischer Berichtigungsanspruch gemäß § 812 BGB, weil der Eingetragene das herausgeben muß, was er ohne Rechtsgrund innehat. Als ein solches „Etwas" im Sinne des § 812 BGB wird auch die Eintragung, die sog. Buchposition, angesehen, weil sie die Möglichkeit zu Rechtsgeschäften mit Gutgläubigen eröffnet. F:

Der E hat sein Grundstück an den A veräußert. Nachdem A als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, ficht E Kauf und Übereignung wegen arglistiger Täuschung wirksam an. Mit welchen der vorgenannten Ansprüche kann er seine Wiedereintragung als Eigentümer erreichen?

248

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

Grundbuchberichtigung

E hat gegen den A Ansprüche auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs nach den §§ 894 BGB und 812 BGB.

23. Eine Ausnahme gilt allerdings, w e n n das Grundbuchamt ein beschränkt dingliches R e c h t (versehentlich) mit einem falschen Rang einträgt. Hier hat der Benachteiligte keinen Berichtigungs- oder Bereicherungsanspruch gegen den Bevorzugten, denn nach herrschender Meinung ergibt § 8 7 9 BGB einen gesetzlichen Rechtsgrund für die eingetragene Rangposition und die damit verbundenen Vermögensvorteile. Demnach ist in solchen Fällen der Staat nach den Grundsätzen der Amtshaftung gemäß Art. 34 des Grundgesetzes, § 839 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Nach Ansicht von Westermann hat der Bevorzugte den Rangvorteil dann rechtsgrundlos erlangt, wenn der Benachteiligte gemäß § 873 Abs. 2 BGB bereits eine Anwartschaft (vgl. oben Ziff. 5) auf das künftige Recht erlangt hatte. F:

Die Hypothek des worden, obwohl Deshalb verlangt Rangvorteils durch

A ist im Grundbuch nach derjenigen des B eingetragen die umgekehrte Reihenfolge richtig gewesen wäre. A gemäß § 812 BGB von B die Herausgabe des Tausch des Ranges. Mit Recht

a) nach herrschender Meinung, b) nach Ansicht von Westermann?

249

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

24.

Widerspruch

a) Nein; zwar stellt die Rangposition ein vermögenswertes „Etwas" im Sinne von § 812 BGB dar, doch ist der Rangvorteil von B nicht ohne Rechtsgrund erlangt. b) Ja. sofern für das Recht des A bereits die Voraussetzungen einer Anwartschaft nach § 873 Abs. 2 BGB erfüllt waren.

§ 899

Da die Durchsetzung des Berichtigungsanspruchs o f t längere Zeit in Anspruch n i m m t , m ö c h t e der Berechtigte bereits kurzfristig einen gutgläubigen Erwerb Dritter verhindern. Z u diesem Zweck wird durch § 8 9 9 BGB die Möglichkeit e r ö f f n e t , einen Widerspruch ins G r u n d b u c h einzutragen. Die Eintragung des Widerspruchs erfolgt entweder aufgrund einer Bewilligung des Betroffenen oder aufgrund einer einstweiligen Verfügung, § 899 Abs. 2 BGB; sie wird außerdem durch das Grundbuchamt nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO von Amts wegen vorgenommen, wenn das Grundbuchamt selbst den Eintragungsfehler entdeckt. Durch die Eintragung des Widerspruchs wird g e m ä ß § 892 Abs. 1 S. 1 BGB jeder gutgläubige Erwerb des b e t r o f f e n e n Rechts ausgeschlossen. Somit ist der wahre Berechtigte bis zur Klärung der Rechtslage gesichert. F:

E ist als Grundstückseigentümer im Grundbuch eingetragen. Als A behauptet, in Wahrheit der Grundeigentümer zu sein, bestreitet E diese Behauptung des A energisch. Was kann der A tun, um gegen den Willen des E zu verhindern, daß sein eventuelles Grundeigentum durch Verfügungen des E beeinträchtigt wird?

250

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

A kann aufgrund einer einstweiligen Verfügung die Eintragung eines Widerspruchs erwirken, § 899 BGB.

25. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 230 und 236): a)

Die Sicherung des künftigen Rechtserwerbs gegen zwischenzeitliche Verfügungen des Veräußerers erfolgt durch Eintragung einer ; sie bewirkt, daß zwischenzeitliche Verfügungen des V e r ä u ß e r e r s . . . . sind.

b)

Außerdem bestimmt die Vormerkung den Rechtes, § . . . Abs. . BGB.

c)

Eine Grundbucheintragung genießt wenn sie unrichtig ist. Dieser Schutz des gutgläubigen Erwerbers gilt aber nur für den Erwerb von Grundstücksrechten.

d)

Zur Beseitigung einer unrichtigen Eintragung gewährt § 894 BGB dem wahren Berechtigten einen gegen den Eingetragenen.

e)

Um zu verhindern, daß gutgläubige Dritte aufgrund von Verfügungen des zu Unrecht Eingetragenen Rechte erwerben, kann der wahre Berechtigte den öffentlichen Glauben des Grundbuchs durch Eintragung eines zerstören.

. . . .

des einzutragenden

251

,

Kap. X. Materielles Grundstücksrecht A:

a) Vormerkung, relativ unwirksam b) Rang, 883,3 c) öffentlichen Glauben, rechtsgeschäftlichen d) dinglichen Berichtigungsanspruch e) Widerspruchs

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des zehnten Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 17—23, ergänzend § 27 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 71—85, ergänzend §§ 86—89. Besonders wichtig sind die Probleme der Anwartschaft (hierzu Baur § 19 B I 2 c und BGHZ 49,197) und der Vormerkung (hierzu Baur, § 20, Westermann, § 85 IV und BGHZ 25,16).

252

Kapitel XI DAS

FORMELLE

GRUNDSTÜCKSRECHT

Als formelles Grundstücksrecht bezeichnet man die Vorschriften über das Eintragungsverfahren, nach welchem Grundstücksrechte im Grundbuch eingetragen oder gelöscht werden. Durch die Verfahrensvorschriften wird z.B. vorgeschrieben, daß für die Eintragung im Grundbuch ein Antrag gestellt werden muß und daß dem Antrag bestimmte Urkunden beigefügt sein müssen. Die bei Rechtsänderungen an Grundstücken geltenden Verfahrensvorschriften sind in der Grundbuchordnung (GBO) zusammengefaßt. — Die Regeln des formellen Grundstücksrechts stehen selbständig neben den Vorschriften des materiellen Grundstücksrechts des BGB, die in Kapitel X behandelt wurden. Im folgenden werden die wesentlichen Vorschriften des Grundstücksverfahrensrechts dargestellt.

Übersicht: Das Grundbuch Der Antrag Bewilligung, Genehmigungen und andere Erklärungen Die Voreintragung Die Formerfordernisse Zwischenverfügungen und weiteres Verfahren Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1—6 7—9 10-12 13 14-17 18-20 21

253

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht

1.

Grundbuch

§ 3 GBO

Das Grundbuch ist dasjenige öffentliche Rechtslage der Grundstücke verzeichnet ist.

Register, in dem die

Grundsätzlich besteht für alle Grundstücke Buchungszwang, d.h. sie müssen in das Grundbuch aufgenommen werden, § 3 Abs. 1 S. 1 GBO. Vom Buchungszwang bestehen gemäß § 3 Abs. 2 GBO nur wenige Ausnahmen, z.B. für Grundstücke bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Das Grundbuch wird gemäß § 1 Abs. 1 GBO von den Amtsgerichten als Grundbuchämtern geführt. Das einzelne Amtsgericht ist für alle in seinem Gerichtsbezirk liegenden Grundstücke zuständig. F:

Der in Essen wohnende E möchte sein in Dortmund gelegenes Grundstück an den in Wuppertal wohnenden K veräußern. Welches Grundbuchamt ist für die Eintragung zuständig? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

254

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Grundbuch

Das Grundbuchamt in Dortmund, weil die Zuständigkeit des Grundbuchamtes nicht durch den Wohnsitz der Beteiligten, sondern durch die Lage des Grundstücks bestimmt wird, § 1 Abs. 1 S. 2 GBO.

2. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 GBO besteht für jedes Grundstück im Grundbuch ein sog. Grundbuchblatt (vgl. das Muster im Anhang S. I—IV), das immer mehrere Seiten umfaßt. Soweit durch das Grundstücksrecht Grundbucheintragungen vorgesehen sind, erfolgen sie im Grundbuchblatt. Der Inhalt des Grundbuches besteht aus Eintragungen tatsächlicher und rechtlicher Art. Das Grundbuch gibt Auskunft über Größe, Lage und Wirtschaftsart der Grundstücke (vgl. das Muster im Anhang S. I); diese Angaben werden aus dem Kataster übernommen. Weiter gibt das Grundbuch Auskunft über die Eigentümer der Grundstücke (vgl. das Muster im Anhang S. II) und über die an den Grundstücken bestehenden Rechte (vgl. das Muster im Anhang S. III und S. IV). F:

Wenn in § 873 BGB vorgeschrieben ist, daß zur Rechtsänderung eine Eintragung im Grundbuch erforderlich ist, so bedeutet das, daß die Eintragung im für das betreffende Grundstück vorgenommen werden muß.

255

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Grundbuch

Grundbuchblatt

3. Im einzelnen besteht das Grundbuch aus folgenden Teilen: Es enthält zunächst die Aufschrift (vgl. das Muster im Anhang S. I, oberste Zeile), in der das Amtsgericht, der Grundbuchbezirk und die Nummer des Grundbuchblattes eingetragen sind, und das Bestandsverzeichnis (vgl. das Muster im Anhang S. I, weiterer Text), in dem tatsächliche Angaben über das betreffende Grundstück verzeichnet sind. Dem Bestandsverzeichnis folgen drei Abteilungen (vgl. das Muster im Anhang S. II—IV), in denen der Eigentümer und die Belastungen des Grundstücks eingetragen sind. F 1: Der A möchte von B ein Grundstück erwerben, das der B als „Wiese" bezeichnet. In welchem Teil des Grundbuches könnte A hierüber eine Eintragung finden?

F 2: Mit welcher Bezifferung ist die einschlägige Spalte des Grundbuchblattes an dieser Stelle versehen (vgl. das Muster im Anhang)?

256

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht

Grundbuch

A 1: Im Bestandsverzeichnis, da es sich um eine tatsächliche Angabe über die Nutzungsart des Grundstücks handelt. A 2: Die Wirtschaftsart ist in Spalte 3 e des Bestandsverzeichnisses eingetragen.

4. In der ersten Abteilung (vgl. das Muster im Anhang S. II) werden der Name des Eigentümers und die Eintragungsgrundlagen, z.B. Auflassung oder Erbschein, verzeichnet. In der zweiten Abteilung (vgl. das Muster im Anhang S. III) werden u.a. die Grundstücksbelastungen — mit Ausnahme der Grundpfandrechte — sowie die für das (in der ersten Abteilung eingetragene) Eigentum geltenden Vormerkungen und Widersprüche (vgl. oben Kap. X, 11 und 24) eingetragen. Die dritte Abteilung (vgl. das Muster im Anhang S. IV) ist den Grundpfandrechten und den für sie bestehenden Vormerkungen und Widersprüchen vorbehalten. F:

In welcher Abteilung findet man eine Vormerkung für und einen Widerspruch gegen a) die Eigentumseintragung,

b) eine Hypothekeneintragung?

257

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Grundbuch

a) In der Abteilung II, b) in der Abteilung III.

5. Von der Eintragung im Grundbuch ausgeschlossen sind einmal alle obligatorischen Rechte, z.B. Pacht, und zum anderen alle öffentlichrechtlichen Beschränkungen, wie sie sich z.B. aus dem Bauplanungsrecht ergeben. Eintragungen, die nicht mehr gelten sollen, werden nicht unkenntlich gemacht, sondern rot unterstrichen, „gerötet". F:

Der E hat von V ein Grundstück erworben, das im Grundbuch als unbelastet ausgewiesen ist. Als E dieses Grundstück mit einem Mietshaus bebauen will, stellt sich heraus, daß es nach dem schon vor dem Erwerb geltenden Bebauungsplan nicht bebaut werden darf. Hätte der E dies aus dem Grundbuch ersehen können?

258

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht

Grundbuch

A:

Nein, da öffentlichrechtliche Beschränkungen nicht eintragungsfähig sind.

6.

§ 1 2 GBO

Zu jedem Grundbuchblatt werden sog. Grundakten geführt, in denen sämtliche Urkunden, die sich auf die im Grundbuchblatt enthaltenen Eintragungen beziehen (z.B. Auflassungsurkunden, Kaufverträge), gesammelt werden. Nimmt das Grundbuch in einer Eintragung ausdrücklich auf die Grundakten Bezug, z.B. gemäß § 874 BGB, so werden diese insoweit zum Grundbuchinhalt, was für den Gutglaubensschutz bedeutsam ist. Gemäß § 12 GBO können Grundbuchblatt und in Bezug genommene Grundakten von jedem eingesehen werden, der ein berechtigtes Interesse dartut, z.B. als Kaufinteressent für das Grundstück. F:

Ist zur Prüfung der dinglichen Rechtslage eines Grundstücks die Einsichtnahme in das Grundbuchblatt immer ausreichend?

259

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Nein, wenn bei einer Eintragung auf die Grundakten Bezug genommen ist, können sich Einzelheiten der dinglichen Rechtslage auch aus diesen ergeben.

Wiederholungsfragen: a)

Das Grundbuch ist ein Rechtslage eines digen Amtsgericht als

Register, aus dem sich die ersehen läßt. Es wird vom zustängeführt.

b)

Die Eintragungen für das jeweilige Grundstück erfolgen im , das aus der Aufschrift, dem und a u s . . . . Abteilungen besteht.

c)

Die erste Abteilung weist den des Grundstücks aus; in der zweiten Abteilung stehen die Belastungen, mit Ausnahme der • , die in der dritten Abteilung gesondert aufgeführt werden.

-

260

Antrag

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

a) öffentliches, Grundstücks, Grundbuchamt b) Grundbuchblatt, Bestandsverzeichnis, drei c) Eigentümer, Grundpfandrechte

7.

§ 13 GBO

Eintragungen im Grundbuch grundsätzlich nur auf Antrag.

erfolgen gemäß § 13 Abs. 1 GBO

Antragsberechtigte sind nur „Beteiligte". Dies ist gemäß § 13 Abs. 2 GBO jeder, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird, z.B. der Eigentümer, und jeder, zu dessen unmittelbaren Gunsten die Eintragung erfolgen soll, z.B. ein Hypothekengläubiger oder der künftige Eigentümer. — Außerdem ist gemäß § 15 GBO auch der beurkundende Notar antragsberechtigt. Die Eintragungsanträge müssen unbedingt und unbefristet gestellt werden, § 16 Abs. 1 GBO; jedoch können mehrere Anträge in ihrer Bearbeitungsfolge voneinander abhängig gemacht werden, § 16 Abs. 2 GBO. — Bis zur Eintragung kann der Antrag vom Antragsteller jederzeit zurückgenommen werden. F:

Der X erfährt, daß F im Begriff steht, ein Grundstück von E zu erwerben: die Auflassung hat bereits stattgefunden. Da F dem X eine große Summe schuldet, möchte X gern alsbald in das neue Grundstück des F vollstrecken. F sieht dies voraus und verzögert den Antrag für seine Eintragung im Grundbuch. Kann der X mit der Begründung, die Eintragung des F erfolge auch zu seinen Gunsten, nunmehr selbst den Antrag auf Eintragung des F als Eigentümer stellen?

261

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Antrag

Nein; X ist nicht Beteiligter im Sinne des § 13 Abs. 2 GBO; der Wortlaut „zu dessen Gunsten" meint nur einen unmittelbar Begünstigten.

8. Das G r u n d b u c h a m t versieht j e d e n Antrag bei seinem Eingang m i t e i n e m g e n a u e n Vermerk über den Eingangszeitpunkt, § 13 A b s . 1 S. 2 G B O , da die E i n t r a g u n g e n in d e r R e i h e n f o l g e des zeitlichen Eingangs v o r z u n e h m e n sind, § § 1 7 u n d 4 5 G B O . F:

Ist die genaue zeitliche Fixierung der Reihenfolge von Antragseingängen nur für die Arbeit des Grundbuchamtes wichtig oder ist sie auch materiellrechtlich bedeutsam (Beachten Sie Kap. X, 7)?

262

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht

Antrag

A:

Die Reihenfolge der Eintragungen bestimmt materiellrechtlich den Rang der Grundstücksrechte, § 879 BGB.

9.

§ 53 GBO

Ohne Antrag eines Beteiligten, d.h. von A m t s wegen, wird das G r u n d b u c h a m t bei fehlerhaften Eintragungen tätig. Dabei sind zwei Arten von Fehlern zu unterscheiden: Wurde (was praktisch kaum vorkommt) eine inhaltlich unzulässige Eintragung vorgenommen, z.B. ein dem BGB nicht bekanntes Grundstücksrecht (etwa ein Mietverhältnis) eingetragen, so wird diese Eintragung von Amts wegen gelöscht, § 53 Abs. 1 S. 2 GBO. Wurde u n t e r Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine unrichtige Eintragung v o r g e n o m m e n , z.B. eine für X und Y bestellte H y p o t h e k infolge Schreibfehlers n u r zugunsten des X eingetragen, so wird von A m t s wegen ein Widerspruch eingetragen, § 53 Abs. 1 S. 1 GBO. Er hat dieselbe Wirkung wie ein vom B e t r o f f e n e n beantragter Widerspruch (vgl. oben Kap. X, 24). F:

Der Grundstückseigentümer E beantragt die Eintragung einer Hypothek zugunsten der Bank A. Versehentlich wird nicht die Bank A, sondern die Bank AB als Gläubigerin im Grundbuch eingetragen. Darf das Grundbuchamt, wenn es das Versehen entdeckt, das Grundbuch berichtigen und die A als Gläubigerin eintragen?

263

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

10.

Bewilligung

Nein; das Grundbuchamt darf gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 GBO von Amts wegen nur einen Widerspruch eintragen, nicht aber die Eintragung berichtigen.

§ 19 GBO

Außer dem Antrag muß dem Grundbuchamt für eine Grundbucheintragung gemäß § 19 GBO die Eintragungsbewilligung des Betroffenen vorgelegt werden. Die Bewilligung ist die Willenserklärung des Betroffenen gegenüber dem Grundbuchamt, daß er die beantragte Eintragung gestattet. Auf die Eintragungsbewilligung finden die Vorschriften des BGB über Willenserklärungen entsprechende Anwendung. - Betroffener ist derjenige, in dessen Rechtsstellung durch die Eintragung unmittelbar eingegriffen wird, z.B. der Eigentümer bei einer Eigentumsübertragung oder bei einer Belastung. F:

Ist der zur Eintragungsbewilligung befugte Personenkreis kleiner als der Kreis der zur Stellung des Eintragungsantrags berechtigten Personen?

264

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Bewilligung

Ja; den Eintragungsantrag kann gemäß § 13 Abs. 2 GBO jeder Beteiligte stellen, d.h. außer dem Betroffenen auch der Begünstigte der vorgesehenen Eintragung (vgl. oben Ziff. 7); die Bewilligung kann nur der Betroffene erklären, § 19 GBO.

11.

Die Eintragungsbewilligung des Betroffenen ist im Falle einer Berichtigung des Grundbuches ausnahmsweise entbehrlich, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuches durch öffentliche Urkunden, z.B. durch einen Erbschein, nachgewiesen werden kann, § 22 GBO. F:

Als der E stirbt, hält man zunächst seinen Neffen A für den gesetzlichen Alleinerben. Dementsprechend wird A im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Später wird ein Testament des E aufgefunden, aus dem sich ergibt, daß der B Alleinerbe des E geworden ist. B läßt sich einen Erbschein erteilen und den Erbschein des A einziehen. Muß der B zur Herbeiführung seiner Eintragung als Eigentümer die in § 19 GBO vorgesehene Eintragungsbewilligung des A beibringen?

265

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Genehmigungen

Nein; er kann gemäß § 22 GBO durch Vorlage des Erbscheins die Unrichtigkeit des Grundbuches nachweisen und die Eintragung als Eigentümer erreichen.

12.

Bevor das Grundbuchamt einen Eigentumswechsel eintragen darf, müssen außer dem Antrag und der Bewilligung meist noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein: So muß der Erwerber eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes hinsichtlich der von ihm zu zahlenden Grunderwerbssteuer vorlegen. Außerdem sind häufig weitere behördliche oder gerichtliche Genehmigungen für den Grundstückserwerb erforderlich, so nach dem Bundesbaugesetz (im Sartorius Nr. 300) bei Teilung städtischer Grundstücke und nach dem Grundstücksverkehrsgesetz (im Schönfelder Nr. 40) beim Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke. — Gegebenenfalls sind noch Genehmigungen weiterer Behörden, z.B. der Naturschutzbehörde, beizubringen. F:

A will dem B ein landwirtschaftliches Grundstück übereignen. Das Grundbuchamt verlangt in diesem Falle außer der Erfüllung der materiellen Tatbestandsvoraussetzungen und der bereits genannten Anforderungen der GBO noch eine des Finanzamtes und eine nach dem Grundstücksverkehrsgesetz.

266

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

13.

Voreintragung

Unbedenklichkeitsbescheinigung, Genehmigung

§ 39 GBO

Als weitere Voraussetzung für die Eintragung bestimmt § 39 Abs. 1 GBO, daß das Grundbuchamt die Eintragung einer Rechtsänderung nur vornehmen soll, wenn der Betroffene als Inhaber des Rechtes voreingetragen ist. Die in § 19 GBO vorgeschriebene Eintragungsbewilligung (vgl. oben Ziff. 10) kann demnach nur vom Eingetragenen erklärt werden. — Ist z.B. E der wahre Eigentümer eines Grundstücks, für das B zu Unrecht im Grundbuch eingetragen ist, und will E sein Grundstück an C übereignen, so muß E zunächst im Wege der Grundbuchberichtigung (vgl. oben Kap. X, 22) die richtige Eintragung herbeiführen, bevor er die Bewilligung für die Eintragung des C erklären kann. F:

Der A hat ein wertvolles Grundstück aus persönlicher Freundschaft dem B aufgelassen. Noch bevor die Eintragung des B erfolgt ist, verkauft B das Grundstück gewinnbringend an C. A ist mit diesem Verhalten des B nicht einverstanden, möchte aber nichts gegen B unternehmen. — Der B möchte aus Gründen der Grunderwerbssteuerersparnis nicht als Eigentümer im Grundbuch erscheinen. Könnte C unmittelbar nach A als Eigentümer eingetragen werden, wenn B und C einen entsprechenden Antrag stellen und die Auflassungen von A an B und von B an C durch notarielle Urkunden belegen?

267

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Nein; Betroffener, der gemäß § 39 GBO voreingetragen sein soll, ist für die Übertragung von B an C der B. Demnach muß er zunächst im Grundbuch eingetragen werden.

Wiederholungsfragen: Voraussetzungen einer Eintragung im Grundbuch sind regelmäßig a)

nach § 13 GBO der

eines Beteiligten,

b)

nach § 19 GBO die Eintragungsbeweilligung des

c)

und nach § 39 GBO die

d)

Gegen Eintragungen, die das Grundbuch unter Verletzung der vom Grundbuchamt zu beachtenden Vorschriften werden ließen, kann gemäß § 53 Abs. 1 GBO von Amts wegen ein eingetragen werden.

des Betroffenen.

268

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

14.

a) b) c) d)

Formerfordernisse

Antrag Betroffenen Voreintragung unrichtig, Widerspruch

§ 29 GBO

Für die nach dem Grundstücksverfahrensrecht vorgeschriebenen Eintragungsvoraussetzungen besteht in § 29 GBO eine eigene Formvorschrift, deren Anforderungen unabhängig von den Formerfordernissen des materiellen Rechts (z.B. nach § 925 BGB) erfüllt sein müssen. — § 29 GBO unterscheidet Erklärungen und andere Eintragungsgrundlagen: Alle zur Eintragung erforderlichen Erklärungen, insbesondere die Eintragungsbewilligung, müssen mindestens durch öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden, § 29 Abs. 1 S. 1 GBO. (Die Einzelheiten der öffentlichen Beglaubigung sind in § 129 BGB geregelt.) — Der Eintragungsantrag allerdings unterliegt diesem Formerfordernis nur im Falle des § 30 GBO; im Normalfall kann er schriftlich gestellt werden. F:

Nachdem der E sich mit dem H über die Bestellung einer Hypothek geeinigt hat, teilt er dem Grundbuchamt brieflich mit, er stelle hiermit den entsprechenden Eintragungsantrag und bewillige die Eintragung der Hypothek zugunsten des H. Genügt dies den Formvorschriften der GBO?

269

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Formerfordernisse

Nein, die für die Eintragungsbewilligung in § 29 GBO vorgeschriebene Form der öffentlichen Beglaubigung ist durch den Brief nicht gewahrt, § 30 GBO.

15. Alle anderen Eintragungsgrundlagen, die nicht Erklärungen sind, z.B. der Eintritt des Erbfalles, müssen entweder aus öffentlichen Urkunden zu ersehen oder beim Grundbuchamt offenkundig sein, § 29 Abs. 1 S. 2 GBO. Die Einzelheiten der öffentlichen Beurkundung sind in § 415 Zivilprozeßordnung (ZPO) geregelt; offenkundig ist dem Grundbuchamt eine Tatsache, die schon im Zusammenhang mit anderen Aktenvorgängen formgerecht belegt wurde. F:

Der A möchte als Erbe nach seinem Vater V im Grundbuch eingetragen werden. Er beruft sich darauf, daß dem Grundbuchamt der Tod seines Vaters offenkundig sei, weil der Vater Angestellter beim Grundbuchamt gewesen sei. Genügt dies den Anforderungen des § 29 GBO?

270

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

16.

Formerfordernisse

Nein, da aus dieser Tatsache die Erbenstellung des A nicht zu entnehmen ist.

§ 2 0 GBO

Besondere Formvorschriften gelten für die Eintragung des Eigentumsübergangs an Grundstücken. Hier muß gemäß § 20 GBO die Auflassung dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO vorgelegt werden, allerdings ist dann eine gesonderte Eintragungsbewilligung des eingetragenen Eigentümers nach herrschender Meinung entbehrlich. Außerhalb der GBO besteht für die nach § 20 GBO dem Grundbuchamt einzureichende Auflassungsurkunde noch ein weiteres Formerfordernis: Nach § 925 a BGB darf die Auflassungserklärung vom Notar nur entgegengenommen werden, wenn das Kausalgeschäft, z.B. der Kaufvertrag, ihm durch eine notarielle Urkunde nachgewiesen oder gleichzeitig mit der Auflassung geschlossen wird. F:

Wodurch unterscheiden sich die Eintragungsvoraussetzungen für eine Eigentumsübertragung von denen für andere Grundbucheintragungen?

271

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Formerfordernisse

Bei Eintragung der Eigentumsübertragung am Grundstück tritt gemäß § 20 GBO an die Stelle der Eintragungsbewilligung des Betroffenen (nach § 19 GBO) die Vorlage der Urkunde über die Auflassung.

17.

Im Falle einer Nichtbeachtung der vorgenannten Formvorschriften der GBO tritt keine Nichtigkeit gemäß § 125 BGB ein: Vielmehr wird gemäß § 53 Abs. 1 GBO (vgl. oben Ziff. 9) ein Widerspruch gegen vorschriftswidrig erfolgte Eintragungen von Amts wegen eingetragen, wenn durch den Formfehler das Grundbuch unrichtig geworden ist. Nimmt das Grundbuchamt unter Nichtbeachtung der Formvorschriften der GBO eine Eintragung vor, ohne daß dadurch das Grundbuch materiell unrichtig wird, z.B. weil zwar bei einzelnen Urkunden die Form des § 29 GBO nicht gewahrt war, die materielle Rechtslage aber richtig wiedergegeben wird, so ist der Formfehler nach vollzogener Eintragung ohne Bedeutung. F:

Der V hat dem E eine Hypothek formgerecht bestellt. Der E beantragt daraufhin brieflich seine Eintragung und fügt eine handschriftliche Eintragungsbewilligung des V bei. Ist die vom Grundbuchamt antragsgemäß vorgenommene Eintragung wirksam?

272

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Zwischenverfügung

Ja, da die Verletzung des § 29 Abs. 1 GBO durch den Formfehler der Eintragungsbewilligung das Grundbuch nicht unrichtig werden ließ.

18.

§ 18 GBO

Weist ein Eintragungsantrag behebbare Mängel auf, z.B. weil behördliche Genehmigungen fehlen, so kann das Grundbuchamt gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 GBO eine Zwischenverfügung erlassen, mit der dem Antragsteller aufgegeben wird, die Mängel innerhalb einer bestimmten Frist zu beheben. Die künftige Rangposition des beantragten Rechts wird jedoch bereits entsprechend dem Eingangszeitpunkt des unvollständigen Antrags festgelegt: Wird vor Ablauf der durch die Zwischenverfugung gesetzten Frist eine weitere Eintragung bezüglich desselben Rechts beantragt, so trägt das Grundbuchamt zugunsten des ersten Antrags eine Vormerkung bzw. einen Widerspruch ein, § 18 Abs. 2 S. 1 GBO. Eine Vormerkung nützt dem ersten Antragsteller, wenn er die Begründung oder Übertragung eines Rechts beantragt hat; ein Widerspruch nützt ihm, wenn er die Berichtigung des Grundbuchs begehrt. F:

Der Grundstückseigentümer E beantragt am 1.10. beim Grundbuchamt die Eintragung eines Wegerechts zugunsten des V, über das er sich mit V am 20.9. geeinigt hat. Am 3.10. beantragt der X für dasselbe Grundstück die Eintragung einer Hypothek, die ihm von E am 15.9. bestellt worden ist. a) Erhält das Wegerecht oder die Hypothek den besseren Rang?

b) Wie wird das Grundbuchamt hinsichtlich der Wegerechtseintragung verfahren, wenn auf dem Eintragungsantrag die Unterschrift des E fehlt?

273

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

Zwischenverfügung

a) Das Wegerecht, weil hierfür der Eintragungsantrag früher gestellt wurde, auf den Zeitpunkt der materiellen Einigung kommt es nicht an, §§ 17,45 GBO, 879 BGB. b) Es wird hinsichtlich des zuerst beantragten Wegerechts eine Zwischenverfügung erlassen mit der Auflage, den Mangel des Antrags zu beheben, außerdem wird es zur Rangwahrung gegenüber der Hypothek eine entsprechende Vormerkung zugunsten des V eintragen, § 18 Abs. 2 S. 1 BGB.

19. Wird der Mangel des Antrags nicht in der festgesetzten Zeit b e h o b e n , so wird der Antrag zurückgewiesen, § 18 Abs. 1 S. 2 GBO. — Sofern für das beantragte R e c h t eine V o r m e r k u n g oder ein Widerspruch eingetragen worden war, werden diese gelöscht, § 18 Abs. 2 S. 2 GBO. F:

Welche Folge wird im vorgenannten Fall des mangelhaften Wegerechtsantrags das ungenutzte Verstreichen der gesetzten Frist für die Hypothek haben (wenn andere Grundstücksbelastungen nicht bestehen)?

274

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

20.

Beschwerdeverfahren

Die Hypothek wird nach Löschung der Vormerkung für das Wegerecht gemäß § 18 Abs. 2 S. 2 GBO weiterhin an erster Rangstelle stehen.

§ 7 1 GBO

Entscheidungen des Grundbuchamtes, z.B. die Ablehnung eines Eintragungsantrages, können mit der Beschwerde angefochten werden, § 71 Abs. 1 GBO. Zur Abänderung bereits vorgenommener Eintragungen ist die Beschwerde jedoch unzulässig. Hier kann wegen fehlerhafter Eintragungen mit der Beschwerde nur die Anweisung an das Grundbuchamt erstrebt werden, einen Widerspruch einzutragen oder eine Löschung vorzunehmen. F 1: Trotz nichtiger Auflassung zwischen V und E hat das Grundbuchamt den E als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Kann der wahre Eigentümer V, der sich jetzt auf die Nichtigkeit beruft, gegen diese Eintragung Beschwerde einlegen mit dem Ziel, als Eigentümer wieder eingetragen zu werden?

F 2 : Welche Möglichkeiten verbleiben dem V, um gegen die unrichtige Eintragung des E als Eigentümer vorzugehen?

275

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A 1: Nein, da die Beschwerde gegen vorgenommene Grundbucheintragungen mit dem Ziel einer Berichtigung des Grundbuches nach § 71 Abs. 2 S. 1 GBO unzulässig ist. A 2: V kann von E gemäß § 894 BGB die Zustimmung zur Grundbuchberichtigung verlangen und diesen Anspruch durch einen Widerspruch nach § 899 BGB sichern (vgl. oben Kap. X, 22 und 24).

21. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 260 und 268): a)

Für das Eintragungsverfahren des Grundbuchamtes gelten die speziellen Formerfordernisse des § . . GBO.

b)

Wird die Auflassungsurkunde gemäß § 20 GBO vorgelegt, so wird die sonst für Eintragungen erforderliche entbehrlich.

c)

Ist ein Eintragungsantrag fehlerhaft, so kann das Grundbuchamt eine erlassen. Auch durch den fehlerhaften Antrag wird bereits der . . . . des künftigen Grundstücksrechts gewahrt.

d)

Gemäß § . . Abs. . GBO ist Rechtsmittel gegenüber Entscheidungen des Grundbuchamtes die Sie ist jedoch . . . . , wenn sie sich auf die Berichtigung einer bereits vorgenommenen Eintragung richten soll.

276

Kap. XI. Formelles Grundstücksrecht A:

a) 29 b) Eintragungsbewilligung c) Zwischenverfügung, Rang d) 71 Abs. 1, Beschwerde, unzulässig

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des elften Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 14—16 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 69—71. Besonders wichtig ist die Frage des Amtswiderspruchs

nach § 53 GBO

(hierzu BGHZ 30,255).

277

Kapitel XII DIE

VERKEHRSHYPOTHEK (Begründung und Inhalt)

In Kapitel IV wurde erläutert, daß Eigentum das umfassende Recht an einer Sache darstellt. Aus der Summe der im Eigentum vereinigten Befugnisse können, wie schon zu Kapitel X erwähnt, einzelne herausgelöst und einem Dritten übertragen werden. Sie verkörpern sich dann in Rechten, die nur einen bestimmten Teil der Rechtsmacht des Eigentümers enthalten und deshalb als beschränkt dingliche Rechte bezeichnet werden. Ein solches Recht ist die Hypothek. Aufgabe der Hypothek ist es, als Sicherheit für die Erfüllung einer Forderung zu dienen. Die besondere Eigenart der hypothekarischen Haftung besteht darin, daß der Hypothekengläubiger anderen Gläubigern vorgezogen wird, weil das mit seiner Hypothek belastete Grundstück nach Maßgabe des Ranges der Hypothek für ihn „reserviert" ist, sofern seine Forderung nicht erfüllt wird. Die umfangreiche Problematik der Hypothek ist im folgenden so gegliedert, daß in Kapitel XII - nach den Grundbegriffen - Entstehung, Inhalt und Übertragung der Hypothek behandelt werden, in Kapitel XIII folgen dann die Geltendmachung und gesetzlichen Umwandlungen der Hypothek. Dargestellt werden alle diese Fragen zunächst am gesetzlichen Grundfall der sog. Verkehrshypothek, während die Sonderformen der Hypothek, insbesondere die Sicherungshypothek, in Kapitel XIV behandelt werden. Übersicht: Grundbegriffe Die Entstehung der Hypothek Die Gegenstände der hypothekarischen Haftung Die Übertragung der Hypothek Gutgläubiger Erwerb der Hypothek Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1-4 5—8 9-15 16-18 19—21 22

278

Kap. XII. Verkehrshypothek

Grundbegriffe

1.

§ 1113

Die Hypothek ist eine Grundstücksbelastung, aufgrund deren ein Grundstück für die Befriedigung einer Forderung des Hypothekengläubigers (des sog. Hypothekars) haftet, § 1113 Abs. 1 BGB. Dem Hypothekengläubiger stehen also sowohl die Hypothek als auch eine Forderung zu. Der Unterschied zwischen der Hypothek und der Forderung besteht darin, daß die Haftung für die Hypothek zwar auf das betreffende Grundstück beschränkt ist, aber nach dem Rangprinzip des Grundbuchs erfolgt, die Hypothek also bei guter Rangposition eine große Sicherheit gewährt. Die Forderung hingegen muß ohne Rangschutz und in Konkurrenz mit anderen Gläubigern aus dem Gesamtvermögen des Schuldners befriedigt werden. Gläubiger Forderung Gesamtvermögen —

Eigentümer = Schuldner F:

1

I

Der Grundstückseigentümer E hat seinem Gläubiger G zur Sicherung einer Forderung des G eine Hypothek bestellt. Als G keine Zahlung erhält, möchte er sich aufgrund der Hypothek an eiji Kraftfahrzeug des E halten. Kann er das oder ist er allein auf das Grundstück angewiesen? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

279

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Grundbegriffe

Hypothekarisch haftet dem G nur das Grundstück des E. Wenn G in den Kraftwagen vollstrecken will, muß er seine Forderung geltend machen, für die E mit seinem Gesamtvermögen haftet.

2. Das Bestehen der Hypothek setzt das Bestehen einer Forderung voraus; in § 1 1 1 3 Abs. 1 BGB ist dies mit den Worten „. . . wegen einer ihm zustehenden Forderung . . . " vorgeschrieben. Die Abhängigkeit der Hypothek von der Forderung bezeichnet man als Akzessorietät. Ist die Forderung aus irgendeinem Grunde nichtig oder n o c h nicht entstanden, so ist auch keine Hypothek entstanden; dasselbe gilt bei rückwirkendem Nichtentstehen der Forderung wegen Anfechtung und beim Erlöschen der Forderung, z.B. infolge Erfüllung. F:

Zur Sicherung einer Kaufpreisforderung in Höhe von 10 000.— DM hat der E dem G in dieser Höhe eine Hypothek an seinem Grundstück eingeräumt. Bleibt das Grundstück des E auch dann in voller Höhe mit der Hypothek zugunsten des G belastet, wenn E den Kaufpreis wirksam auf 8 000.— DM mindert?

280

Grundbegriffe

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Nein; da die gesicherte Forderung infolge der Minderung nur noch 8 000.— DM beträgt, besteht auch die Hypothek für G nur in dieser Höhe.

3.

§ 1153

Der Hypothekar muß stets der Gläubiger der gesicherten Forderung sein, §§ 1113, 1153 BGB. Schuldner der durch die Hypothek gesicherten Forderung ist im Regelfall der Eigentümer des belasteten Grundstücks. — Die Hypothek kann aber auch eine Forderung des Hypothekengläubigers gegen einen Dritten sichern, wenn für den Eigentümer Veranlassung bestand, die Sicherung für die Schuld eines Dritten zu übernehmen, z.B. aus Gründen verwandtschaftlicher Hilfe. Gläubiger

Eigentümer des Grundstücks F:

Schuldner der Forderung

Der Schwiegersohn S des Grundeigentümers E benötigt zur Einrichtung seiner Arztpraxis ein größeres Darlehen, das ihm die Bank G nur gegen Sicherheit gewähren will. Da S selbst keine Sicherheiten beibringen kann, bittet er den E, zur Sicherung des Darlehens eine Hypothek zugunsten des G auf seinem (des E) Grundstück zu bestellen. Wird dies möglich sein?

281

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Grundbegriffe

Ja, da Forderungsschuldner und Grundstückseigentümer nicht identisch sein müssen.

4. D i e durch die H y p o t h e k gesicherte F o r d e r u n g m u ß g e m ä ß § § 1 1 1 3 A b s . 1, 1 1 1 5 BGB auf e i n e bestimmte Geldsumme g e r i c h t e t sein. D i e S u m m e m u ß in Deutscher Mark ausgedrückt w e r d e n , § 2 8 S. 2 G B O . D i e gesicherte F o r d e r u n g k a n n bedingt sein. Sie kann a u c h — w e n n sie h i n r e i c h e n d b e s t i m m t ist — erst in Z u k u n f t e n t s t e h e n , § 1 1 1 3 A b s . 2 BGB; die H y p o t h e k e n t s t e h t dann aber ( w e g e n der A k z e s sorietät) erst m i t E n t s t e h u n g der Forderung. Von der Möglichkeit der Hypothek für künftige Forderungen wird vielfach Gebrauch gemacht, da die Banken durch vorherige Eintragung der Hypothek für einen demnächst auszuzahlenden Kredit unmittelbar vom Auszahlungszeitpunkt an hypothekarisch gesichert sein wollen. F:

Der Bauer B verpflichtet sich gegenüber G, ihm während der nächsten zehn Jahre jährlich fünf Tonnen Weizen zu liefern. a) Kann B dem bestellen?

G zur Sicherung dieser Forderung eine

Hypothek

b) Könnte, wenn sich B dem G für den Fall der Nichtlieferung zu einer Vertragsstrafe in Höhe von 1 000.— DM verpflichtet, diese Verpflichtung durch eine Hypothek gesichert werden?

282

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Entstehung

a) Nein, da die Hypothek nur zur Sicherung von Geldforderungen möglich ist, §§ 1113 Abs. 1 , 1 1 1 5 BGB. b) Ja, da es sich jetzt um eine bedingte Geldforderung handelt, die hypothekarisch gesichert werden kann, § 1113 Abs. 2 BGB.

5. Die Verkehrshypothek kann wahlweise als Buchhypothek Briefhypothek bestellt werden:

oder als

Als Buchhypothek entsteht die Hypothek (wie andere Grundstücksrechte) durch Einigung des Grundeigentümers mit dem Forderungsgläubiger und Eintragung der Hypothek ins Grundbuch, § 873 BGB. - Gemäß § 1116 Abs. 2 BGB müssen Einigung und Eintragung auch dahin gehen, daß kein Hypothekenbrief erteilt werden soll; praktisch wird dies meist durch das Wort ,,brieflos" ausgedrückt. Wird eine entsprechende Vereinbarung nicht getroffen und eingetragen, so entsteht eine Briefhypothek. F:

Ist nach § 1116 Abs. 2 BGB die Briefhypothek oder die Buchhypothek als der gesetzliche Regelfall anzusehen?

283

Kap. XII. Verkehrshypothek

Entstehung

A:

Die Briefhypothek, weil die Entstehung einer Buchhypothek ausdrücklich vereinbart und eingetragen werden muß, § 1116 Abs. 2 BGB.

6.

§ 1115

Die Eintragung muß gemäß § 1115 BGB den N a m e n des Gläubigers, den Geldbetrag der Forderung, den Zinssatz und den Geldwert eventueller Nebenleistungen enthalten, für alle anderen Einzelheiten, z.B. zur Kündigung der Hypothek, kann auf die Eintragungsbewilligung (vgl. oben Kap. XI, 10) Bezug g e n o m m e n werden. F:

In welchem Verhältnis steht hinsichtlich der zulässigen Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung § 1115 BGB zu § 874 BGB?

284

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

7.

E ntsteh u ng

§ 1115 BGB ist eine Sonderregel (lex specialis) gegenüber § 874 BGB.

,

§ 1116

Haben die Beteiligten sich nicht ausdrücklich über die Bestellung einer Buchhypothek geeinigt, so entsteht eine Briefhypothek, § 1116 Abs. 1 BGB. Das Grundbuchamt stellt für sie nach Eintragung der Hypothek ins Grundbuch einen Hypothekenbrief aus, § 1116 Abs. 1 BGB mit §§ 56 ff. GBO. Der Hypothekenbrief ist eine öffentliche Urkunde, er enthält — wie das Grundbuch — alle wichtigen Angaben über die Hypothek. F:

In dem im Anhang des Buches abgedruckten Grundbuchmuster ist in der Abteilung III eine Hypothek in Höhe von 10 000.— DM eingetragen. Handelt es sich dabei um eine Buchhypothek oder um eine Briefhypothek?

285

Kap. XII. Verkehrshypothek

Entstehung

A:

Da die Erteilung des Hypothekenbriefes nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, handelt es sich um eine Briefhypothek.

8.

§1117

Die Briefhypothek erwirbt der Gläubiger nach erfolgter Einigung und Eintragung erst mit der Übergabe des Hypothekenbriefes durch den Eigentümer, § 1117 Abs. 1 S. 1 BGB. Auf die Übergabe finden nach § 1117 Abs. 1 S. 2 BGB die Vorschriften der §§ 929 ff. BGB Anwendung, d.h. ein Übergabeersatz ist im gleichen Maße möglich wie bei der Übereignung beweglicher Sachen (vgl. oben Kap. VII, 15—22). — Zusätzlich kennt §1117 Abs. 2 BGB für den Hypothekenbrief eine spezifische Form des Übergabeersatzes, die sog. Aushändigungsvereinbarung, mit welcher der Gläubiger ermächtigt wird, sich den Hypothekenbrief vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen. F:

Bei Bestellung der Briefhypothek kann die Übergabe des Hypothekenbriefes an den Gläubiger in vier Formen ersetzt werden. Welche Vorschriften regeln diese vier Formen des Übergabeersatzes?

286

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Gemäß § 1117 Abs. 1 S. 2 BGB kommt Übergabeersatz nach den §§ 929 S. 2, 930 und 931 BGB in Betracht; die vierte Form des Übergabeersatzes regelt § 1117 Abs. 2 BGB.

Wiederholungsfragen: a)

Für die Hypothek haftet der Grundeigentümer mit seinem ; für die durch die Hypothek gesicherte Forderung haftet der Schuldner mit seinem

b)

Die Abhängigkeit der Hypothek vom Bestehen der Forderung bezeichnet man als

c)

Die Briefhypothek entsteht durch Einigung des Hypothekenbriefes.

d)

E und G einigen sich am 3.1. über die Bestellung einer Briefhypothek zugunsten des G. Die Eintragung wird am 5.2. durch das zuständige Grundbuchamt vorgenommen. Wann ist die Briefhypothek wirksam entstanden, wenn die Übergabe des Hypothekenbriefes an G am 15.2. erfolgt und das durch die Hypothek zu sichernde Darlehen am 17.2. an den E ausgezahlt wird?

und

287

Haftung

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

a) Grundstück, Gesamtvermögen b) Akzessorietät c) Eintragung, Übergabe d) Die Briefhypothek entsteht am 17.2., da erst jetzt alle Tatbestandselemente (Forderungsentstehung, Einigung, Eintragung und Briefübergabe) erfüllt sind.

9.

§ 1147

Das mit der Hypothek belastete Grundstück haftet für die Forderung, die Hypothekenzinsen und eventuelle Kosten nur in der Weise, daß der Eigentümer die Befriedigung des Gläubigers aus dem Grundstück im Wege der Zwangsvollstreckung zu dulden hat, § § 1 1 4 7 , 1118 BGB. Die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück erfolgt entweder im Wege der Zwangsversteigerung, bei der dem Gläubiger der ihm zustehende Erlös zugeführt wird, oder im Wege der Zwangsverwaltung, bei der dem Gläubiger Erträge des Grundstücks zufließen. F:

Der Grundstückseigentümer E hat dem G zur Sicherung einer Forderung des G gegen den S eine Hypothek bestellt. Als S bei Fälligkeit nicht zahlen kann, verlangt G von E die Bezahlung der Forderung. Zu Recht? Gläubiger Hypothek

Forderung

Eigentümer des Grundstücks

Schuldner der Forderung

288

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

10.

Haftung

Nein, die Hypothek auf dem Grundstück des E gibt dem G gegen E gemäß § 1147 BGB nur einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück, jedoch keinen Zahlungsanspruch.

§1120

Neben dem Grundstück haftet dem Hypothekengläubiger nach § 1 1 2 0 BGB das Zubehör, das im Eigentum des Grundeigentümers steht. — Zubehör sind gemäß § § 9 7 und 98 BGB bewegliche Sachen, die dem wirtschaftlichen Zweck des Grundstücks dienen sollen, z.B. Geräte in einer Fabrikhalle, Stühle in einer Gastwirtschaft. Über den Wortlaut des § 1120 BGB hinaus, der vom Zubehör im Eigentum des Grundeigentümers spricht, besteht die hypothekarische Haftung von Zubehörstücken auch dann, wenn der Grundeigentümer am Zubehör erst eine Eigentumsanwartschaft (vgl. oben Kap. VII, 8) erworben hat. Diese Ausdehnung der Haftung folgt aus der Wesensgleichheit von Eigentum und Eigentumsanwartschaft. F:

Der Kiesgrubeneigentümer E hat zur Sicherung einer Darlehensforderung sein Grubengrundstück mit einer Hypothek belastet. Als E bei Fälligkeit das Darlehen nicht zurückzahlt, will der Hypothekengläubiger aufgrund der Hypothek in den zum Grubenbetrieb nötigen, dem E gehörenden Bagger vollstrecken. Zu Recht?

289

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Haftung

Ja; gemäß § 1120 BGB erstreckt sich die hypothekarische Haftung auch auf das dem Eigentümer gehörende Zubehör.

11. Erzeugnisse und Bestandteile eines Grundstücks haften gemäß § 1120 BGB auch nach ihrer Trennung vom Grundstück noch dem Hypothekar, sofern sie nicht nach den Regeln über den Eigentumserwerb an Früchten (vgl. oben Kap. IX, 16—18) in das Eigentum eines Dritten gelangt sind. F:

E hat an seinem dem P verpachteten Obstgarten für H eine Hypothek bestellt. Unterliegt das von P geerntete Obst der hypothekarischen Haftung? (Bitte antworten Sie erst, nachdem Sie in Kap. IX die einschlägigen Regeln nochmals eingesehen haben.)

290

Haftung

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Nein, da gemäß § 956 Abs. 1 BGB das Obst mit der Trennung in das Eigentum des Pächters übergegangen ist.

§ 1123

12.

Dem Hypothekar haften gemäß § 1123 Abs. 1 BGB auch die Forderungen, die der Eigentümer aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks gegen Mieter und Pächter hat. Sind die Forderungen ein Jahr nach Fälligkeit vom Eigentümer noch nicht eingezogen, so erlöschen die Rechte des Hypothekengläubigers daran, wenn er nicht vorher die Zwangsvollstreckung in das Grundstück eingeleitet hat, § 1123 Abs. 2 S. 1 BGB. F:

Der G ist Gläubiger einer am Grundstück des E bestehenden Hypothek. Als auf seinen Antrag am 6.10.1969 die Zwangsverwaltung des Grundstücks angeordnet wird, ist der Mieter M seinen Mietzins, der in Höhe von 300.— DM monatlich im voraus zu entrichten ist, seit August 1968 schuldig geblieben. In welcher Höhe haftet die Mietschuld des M gegenüber E dem G für dessen Hypothek am Grundstück des E? Gläubiger (Schuldner)

+

Eigentümer (1. Grundstück) 2. Mietforderung

M

291

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

13.

Haftung

In Höhe von 3 600.— DM für die Zeit von November 1968 bis Oktober 1969; für die Zeit bis zum 31.10.1968 ist die Jahresfrist des § 1123 Abs. 2 BGB verstrichen.

§1124

Vorauszahlungen des Miet- und Pachtzinses an den Eigentümer braucht der Hypothekengläubiger, wenn er in das Grundstück vollstreckt, höchstens für die Zeit von eineinhalb Monaten gegen sich gelten lassen, § 1124 BGB. Bei darüber hinausreichenden Vorauszahlungen muß der Mieter oder Pächter an den Hypothekengläubiger nochmals leisten. Ausnahmsweise braucht bei einer Vorauszahlung in der Form eines abwohnbaren Baukostenzuschusses, der für den Ausbau des Grundstücks verwendet wurde, nach ständiger Rechtsprechung nicht nochmals gezahlt zu werden, weil bereits das Grundstück selbst um den verwendeten Betrag in seinem Wert gesteigert wurde. F:

G ist Gläubiger einer am Hausgrundstück des E bestehenden Hypothek. M ist Mieter im neuerbauten Hause des E; er hat bei seinem Einzug am 1.4.1969 den Mietzins von monatlich 300.— DM für zwei Jahre im voraus gezahlt. Dabei wurde vereinbart, daß die Vorauszahlung von E zur Bezahlung von Handwerkerrechnungen aus dem Hausbau verwendet werden solle; dies ist auch geschehen. - Am 28.2.1970 beginnt auf Betreiben des G die Zwangsvollstreckung in das Grundstück. Muß M nochmals Mietzins entrichten, wenn er bis zum 31.3.1971 wohnen bleiben möchte?

292

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

14.

Haftung

Nein, da die Vorauszahlung des M für den Aufbau des Grundstücks verwendet wurde, muß M bis zum 31.3.1971 keine Miete an G nachzahlen.

§1127

Hat der Eigentümer Gegenstände, die der hypothekarischen Haftung unterliegen, versichert und ist der Versicherungsfall eingetreten, z.B. das versicherte Haus niedergebrannt, so haftet dem Hypothekar — neben dem Grundstück und den anderen Haftungsgegenständen — auch die Versicherungsforderung des Eigentümers gegen die Versicherung, §§ 1127 Abs. 1, 1128 BGB. Aus der Sicht des Hypothekengläubigers tritt also die Versicherungsforderung an die Stelle eines der ursprünglichen Haftungsobjekte. F:

Das Hausgrundstück des E ist gegen Feuer versichert, als E dem G daran eine Hypothek bestellt. Haftet dem G, wenn das Haus niederbrennt, nur die Versicherungsforderung des E oder auch das Grundstück?

293

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

15.

Haftu ngssi cheru ng

Dem G haften die Versicherungsforderung und das (in seinem Wert geminderte) Grundstück.

§§1133,1134

Ist die Sicherheit der Hypothek durch eine Verschlechterung des Grundstücks oder der mithaftenden Zubehörstücke gefährdet, so kann der Hypothekar vom Eigentümer die Beseitigung der Gefahrdung verlangen, §§ 1133, 1135 BGB. — Kommt der Eigentümer dieser Aufforderung nicht nach, so kann der Gläubiger die sofortige Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben. Bei drohender Verschlechterung gewährt § 1134 BGB dem Hypothekar Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche. F:

Das mit Gewächshäusern bebaute Grundstück des E ist gegen Glasbruch versichert, als es zugunsten des G mit einer Hypothek belastet wird. Kann der G, wenn E wegen seiner schlechten Finanzlage die Glasbruchversicherung für die Gewächshäuser kündigt, gegen den E vorgehen?

294

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Ja; da (im Hinblick auf § 1127 BGB) eine Verschlechterung der Sicherheit für die Hypothek eingetreten ist, hat der G gemäß § 1133 BGB einen Anspruch auf Beseitigung dieser Gefährdung. Kommt der E diesem Anspruch nicht durch Neuabschluß der Versicherung nach, so kann G sofort die Zwangsvollstreckung betreiben.

Wiederhol ungsf ragen: a)

Der Hypothekengläubiger kann die Haftung des belasteten Grundstücks nur im Wege der verwirklichen.

b)

Neben dem Grundstück haftet für die Hypothek auch das , soweit es im Eigentum des Grundeigentümers steht oder dieser daran eine hat.

c)

Ferner haften für die Hypothek gemäß § . . . . BGB die Erzeugnisse und soweit sie nicht in das Eigentum eines Dritten übergegangen sind.

d)

Gemäß § 1123 BGB haften für die Hypothek auch die Forderungen des Grundeigentümers aus und , sowie gemäß § 1127 BGB die -

295

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

16.

Übertragung

a) Zwangsvollstreckung b) Zubehör, Eigentumsanwartschaft c) 1120, Bestandteile d) Vermietung, Verpachtung, Versicherungsforderungen

§ 1153

Bisher wurde das Rechtsverhältnis des Hypothekengläubigers zum Grundeigentümer behandelt. Nunmehr entsteht die Frage, wie ein Hypothekengläubiger seine Rechtsstellung auf einen anderen übertragen kann: Der Hypothekengläubiger kann Forderung und Hypothek nur zusammen auf einen neuen Gläubiger übertragen, § 1153 Abs. 2 BGB. Rechtstechnisch wird dies in der Weise erreicht, daß mit Abtretung der Forderung auch die Hypothek auf den neuen Gläubiger übergeht, § § 4 0 1 Abs. 1, 1153 Abs. 1 BGB. F:

G möchte seine Gläubiger A und B in der Weise befriedigen, daß er dem A eine Forderung gegen S in Höhe von 10 000.- DM abtritt, dem B die für diese Forderung am Grundstück des E bestehende Hypothek überträgt. Ist der Plan des G durchführbar?

296

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Übertragung

Nein, da gemäß §§401 Abs. 1, 1153 Abs. 1 BGB zusammen mit der Forderung auch die sichernde Hypothek übertragen wird.

17.

§ 1 1 5 4 Abs. 3

Allerdings kann die Abtretung einer durch Hypothek gesicherten Forderung nicht formlos vorgenommen werden: Bei der Buchhypothek ist die Übertragung von Forderung und Hypothek durch Einigung und Eintragung des neuen Hypothekengläubigers ins Grundbuch vorzunehmen, § 1154 Abs. 3 BGB. F:

Muß bei der Übertragung einer durch Buchhypothek gesicherten Forderung die Einigung in einer bestimmten Form erklärt werden a) nach § 1154 Abs. 3 BGB, b) nach der GBO?

297

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

18.

Übertragung

a) Nein; nach §§ 1154 Abs. 3, 873 Abs. 1 BGB ist die Einigung formfrei, b) Nein; nur für die Eintragungsbewilligung muß nach § § 1 9 und 29 GBO die Form der öffentlichen Beglaubigung gewahrt sein (vgl. oben Kap. XI, 14).

§1154

Bei der Briefhypothek werden Forderungen und Hypothek übertragen durch Abtretung der Forderung (wobei nur die Abtretungserklärung des ursprünglichen Gläubigers in schriftlicher Form vorliegen muß) und Übergabe des Hypothekenbriefes, § 1154 Abs. 1, S. 1, erster Halbsatz BGB. Die Schriftform der Abtretungserklärung kann durch Eintragung des neuen Gläubigers im Grundbuch ersetzt werden, § 1154 Abs. 2 BGB. Die Briefübergabe kann gemäß § 1154 Abs. 1 S. 1, 2. Halbsatz BGB durch die allgemeinen Formen des Übergabeersatzes nach § 1117 BGB (vgl. oben Ziff. 8) ersetzt werden. F:

G überträgt dem X eine durch Briefhypothek gesicherte Forderung gegen den E, wobei er bei der Briefübergabe seine Abtretungserklärung schriftlich fixiert. Später erklärt G, die Übertragung der Hypothek auf X sei unwirksam, weil nicht auch die Annahmeerklärung des X schriftlich niedergelegt worden sei. Hat X die Hypothek erworben?

298

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

19.

Gutglaubensschutz

Ja; § 1154 Abs. 1 BGB verlangt beim Abtretungsvertrag die Schriftform nur für die Erklärung des Abtretenden; die Annahmeerklärung des neuen Gläubigers ist nicht formgebunden.

§1138

Wie bei anderen Grundstücksrechten entsteht auch für die Hypothek die Frage eines gutgläubigen Erwerbs, wenn die Grundbucheintragung nicht mit der wahren Rechtslage übereinstimmt: Verfügt jemand als Hypothekar über eine zwar im Grundbuch für ihn eingetragene, aber nicht entstandene oder nicht mehr bestehende Hypothek (z.B. weil die Forderung getilgt wurde), so wird gemäß § 1 1 3 8 BGB der gute Glaube des Erwerbers nach Maßgabe der §§ 892, 893 BGB (vgl. oben Kap. X, 15 ff.) geschützt. F:

E bestellt dem G zur Sicherung eines noch auszuzahlenden Darlehens eine Hypothek an seinem Grundstück. G überträgt die eingetragene Hypothek noch vor Auszahlung des Darlehens an den gutgläubigen X. Hat X die Hypothek erworben?

299

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

G utglaubensschutz

Ja; nach den §§ 1138, 892 BGB hat X die Hypothek vom eingetragenen G gutgläubig erworben.

20. § 1 1 3 8 BGB bewirkt also, daß der gutgläubige Erwerber eine eingetragene, aber nicht bestehende Hypothek erwerben kann. Da jedoch der Hypothekenerwerb gemäß § 1153 BGB (vgl. oben Ziff. 16) immer mit einem Forderungserwerb verbunden sein muß, entstehen Schwierigkeiten, weil es nach dem BGB grundsätzlich keinen Gutglaubenserwerb von Forderungen gibt. Dieses Prinzip will § 1138 nicht durchbrechen. Demnach erwirbt der Gutgläubige nur die eingetragene Hypothek, nicht auch eine entsprechende Forderung. — Da aber gemäß § 1113 BGB die Hypothek nicht ohne eine Forderung bestehen kann (vgl. oben Ziff. 2), wird in den Fällen des § 1138 BGB für die Hypothek eine Forderung fingiert -, sie ist also nicht wirklich vorhanden, sondern wird, um den Hypothekenerwerb des Gutgläubigen zu ermöglichen, nur gedacht. Geltend machen kann der gutgläubige Erwerber nur die Hypothek, nicht auch eine Forderung. F:

Worin besteht der Nachteil eines gutgläubigen Hypothekenerwerbs vom Nichtberechtigten gegenüber dem rechtsgeschäftlichen Erwerb einer Hypothek vom Berechtigten?

300

Gutglaubensschutz

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Beim Erwerb vom Berechtigten erlangt der neue Gläubiger Hypothek und Forderung; er kann sich also an Grundstück und Gesamtvermögen des Schuldners halten. Beim gutgläubigen Hypothekenerwerb erlangt der neue Gläubiger nur die Hypothek; er kann sich also nur an das Grundstück, nicht auch an das übrige Vermögen halten.

21.

§ 1155

Ein weiteres Problem des Gutglaubensschutzes entsteht bei der Briefhypothek, die (vgl. oben Ziff. 18) ohne Eintragung im Grundbuch übertragen werden kann: Überträgt ein nicht im Grundbuch eingetragener Besitzer des Hypothekenbriefes eine in Wirklichkeit nicht bestehende Briefhypothek, so kann sich der Erwerber gemäß § 1155 BGB für seinen guten Glauben auf den Inhalt des Hypothekenbriefes berufen, sofern sich die Berechtigung des Briefbesitzers aus einer zusammenhängenden Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen herleiten läßt, die bis auf den letzten im Grundbuch eingetragenen Gläubiger zurückfuhrt. Während demnach für rechtsgeschäftlichen Erwerb der Hypothek vom Berechtigten gemäß § 1154 Abs. 1 BGB (vgl. oben Ziff. 18) eine schriftliche Abtretungserklärung genügt, ist gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß § 1155 BGB nur aufgrund öffentlich beglaubigter Abtretungserklärung möglich. F:

Das Grundstück des E ist zur Sicherung eines Darlehens des G mit einer Briefhypothek für G belastet. G überträgt Darlehensforderung und Hypothek auf den X, der sie auf den Y weiterüberträgt. Alle Abtretungserklärungen sind öffentlich beglaubigt. Hat Y die Hypothek erworben, wenn sich erst jetzt herausstellt, daß X zur Zeit der Übertragung unerkannt geisteskrank und damit geschäftsunfähig war? G

X

Y

301

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

Ja; da Y seine Berechtigung durch eine auf den eingetragenen G zurückführende Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen nachweisen kann, hat er gemäß § 1155 BGB die Hypothek gutgläubig erworben.

22. Zusammenfassung

(in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 287 und 295): a)

Zur Übertragung einer Briefhypothek bedarf es nach § 1154 BGB neben der Forderungsabtretung noch der bzw. einer des neuen Gläubigers im Grundbuch.

b)

Bei der Einigung über die Forderungsabtretung ist nur die formgebunden.

c)

Trotz fehlender Forderung kann ein gutgläubiger Dritter die eingetragene Hypothek erwerben, weil gemäß § . . . . BGB zu seinen Gunsten eine Forderung wird.

d)

Der gute Glaube des Erwerbers kann sich gemäß § . . . . BGB auch auf den Inhalt des Hypothekenbriefes gründen, wenn der Besitzer des Hypothekenbriefes seine Berechtigung durch eine auf das Grundbuch zurückfuhrende Kette Abtretungserklärungen nachweisen kann.

-

302

Kap. XII. Verkehrshypothek A:

a) Briefübergabe, Eintragung b) Abtretungserklärung c) 1138, fingiert d) 1155, öffentlich beglaubigter

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des zwölften Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 3 6 - 3 9 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 91-100, 104 + 106. Besonders wichtig sind die Fragen der Wertsicherungsklauseln (hierzu Baur § 37 II 2 C, Westermann, § 95 II 5), der Zubehörhaftung (hierzu BGHZ 35,95) und der Baukostenzuschüsse (hierzu Baur § 39 V).

303

Kapitel XIII DIE VERKEHRSHYPOTHEK (Geltendmachung und Umwandlungen)

Nachdem in Kapitel XII Entstehung, Inhalt und Übertragung der Verkehrshypothek behandelt wurden, ist jetzt auf die Probleme bei Geltendmachung der Verkehrshypothek im Wege der Zwangsvollstreckung einzugehen. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Verteidigungsmöglichkeiten des Eigentümers gegenüber dem Hypothekengläubiger von Bedeutung. — Ferner ist im folgenden auf diejenigen Umwandlungen der Verkehrshypothek einzugehen, die kraft Gesetzes bei Veränderungen des hypothekarisch gesicherten Recnts, insbesondere bei Tilgung der gesicherten Forderung, eintreten.

Übersicht: Die Fälligkeit der Hypothek Einwendungen und Einreden des Eigentümers gegenüber dem ursprünglichen Hypothekengläubiger Einwendungen und Einreden des Eigentümers gegenüber einem späteren Hypothekengläubiger Die Umwandlung der Hypothek in eine Eigentümergrundschuld Eigentümerhypothek und Regreßhypotliek Das Erlöschen der Hypothek Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1 2—4 5—6 7—11 12-13 14-15 16

304

Kap. XIII. Verkehrshypothek

1.

Fälligkeit

§§1141,1160

Eine wichtige Frage für den Hypothekengläubiger ist, wann er aus der Hypothek vorgehen kann: Der Gläubiger kann den Anspruch aus der Hypothek geltend machen, sobald die Hypothek fällig ist. Fällig wird die Hypothek entsprechend den bei ihrer Bestellung vereinbarten Bedingungen; normalerweise knüpft die Fälligkeit der Hypothek an die Fälligkeit der gesicherten Forderung oder an eine Kündigung an, §§ 1141, 1160 Abs. 2 BGB. Ist eine Briefhypothek auf einen neuen Gläubiger übertragen worden, so muß sich der neue Hypothekengläubiger bei Geltendmachung der Hypothek auf Verlangen des Eigentümers durch die Vorlage des Hypothekenbriefes ausweisen. Nach Übertragung einer Briefhypothek ohne Grundbuchänderung (vgl. oben Kap. XII, 18) muß der neue Gläubiger auf Verlangen des Eigentümers außerdem eine zusammenhängende Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen vorlegen, § 1160 Abs. 1 BGB. F:

Für G ist eine Briefhypothek am Grundstück des E bestellt. G hat Forderung und Hypothek durch Einigung und Briefübergabe formgerecht an den X abgetreten; dieser hat sie in derselben Weise an Y weiterübertragen. Bedarf Y bei Geltendmachung seiner Rechte als Hypothekengläubiger bestimmter Urkunden? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

305

Kap. XIII. Verkehrshypothek

Einwendungen

A:

Ja; da Y nicht als Hypothekengläubiger im Grundbuch eingetragen ist, kann E verlangen, daß er sich durch Vorlage des Hypothekenbriefes und einer Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen als Berechtigter ausweist, § 1160 Abs. 1 BGB.

2.

§ 1157 S. 1

Wird die Hypothek geltend gemacht, so muß man für die Verteidigung des Grundstückseigentümers vier Situationen unterscheiden: Einmal kommt es darauf an, ob der ursprüngliche Hypothekengläubiger oder ein späterer Erwerber die Hypothek geltend macht. Ferner ist zu unterscheiden, ob der Eigentümer sich gegen die Hypothek oder gegen die ihr zugrunde liegende Forderung wendet. Diese vier Situationen werden im folgenden dargestellt. Macht der ursprüngliche Hypothekengläubiger die Hypothek geltend, so stehen dem Eigentümer alle Einwendungen gegen die Hypothek zu, z.B., daß die Einigung unwirksam gewesen sei. — Ebenso kann der Eigentümer Einreden gegen die Hypothek geltend machen, z.B. daß der Gläubiger mit ihm eine Stundung der Hypothek vereinbart habe. Dies ergibt sich aus § 1157 S. 1 BGB. F:

E hat für G wegen eines Darlehens eine Briefhypothek eintragen lassen, ihm jedoch den Hypothekenbrief nicht ausgehändigt. Als E mit der Rückzahlung des Darlehens säumig wird, will G aus der Hypothek gegen ihn vorgehen und entwendet E den Hypothekenbrief. Kann E dies einer Geltendmachung der Hypothek entgegenhalten?

306

Einwendungen

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

Ja; G hat mangels Briefübergabe keine Hypothek erworben, § 1117 BGB.

§ 1137 Außer den Einwendungen und Einreden gegen die Hypothek kann der Grundstückseigentümer dem ursprünglichen Hypothekengläubiger gemäß § 1137 Abs. 1 S. 1 BGB auch alle Einreden entgegensetzen, die ihm gegen die Forderung zustehen, z.B. die Einrede des nicht erfüllten Vertrages. | Gläubig~ Hypothek (Einwendungen und Einreden)

\

Forderung ^

/

Eigentümer = Schuldner

/

(Einreden) |

Ausgenommen hiervon sind nur ganz wenige Einreden, z.B. die Einrede der Verjährung nach § 223 Abs. 1 BGB; (das bedeutet, daß eine Hypothek auch nach Verjährung der ihr zugrunde liegenden Forderung noch geltend gemacht werden kann). F:

Der E kauft bei G eine teure Maschine, die er in Raten bezahlen will; zur Sicherung der Kaufpreisforderung bestellt E dem G eine Hypothek an seinem Grundstück. Nach kurzer Zeit stellt E fest, daß die Maschine nicht den vereinbarten Bedingungen entspricht und stellt die Kaufpreiszahlung bis zur Nachbesserung der Maschine ein. Kann E sein Zurückbehaltungsrecht wegen noch nicht erfüllter Nachbesserungspflicht des G auch dann geltend machen, wenn G aus der Hypothek gegen ihn vorgehen will?

307

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

Einwendungen

Ja, da E gegenüber der Hypothek die ihm gegenüber der Forderung zustehenden Einreden erheben kann, § 1137 Abs. 1 S. 1 BGB.

4. Außerdem kann der Eigentümer, wenn er nicht selbst der Schuldner der Forderung ist, zur Verteidigung gegenüber dem ursprünglichen Hypothekengläubiger weitere Gegenrechte aus der Forderung herleiten: Er kann sich nach § 1137 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber dem Hypothekengläubiger darauf berufen, daß der Forderungsschuldner die Forderung noch durch Aufrechnung oder Anfechtung beseitigen könnte; dies ergibt sich aus der Verweisung auf § 7 7 0 BGB. Wenn z.B. E dem G eine Hypothek an seinem Grundstück bestellt, um damit eine Forderung des G gegen den S zu sichern, so würde eine Aufrechnung durch S die Forderung tilgen und damit die Hypothek entfallen. Solange S eine mögliche Aufrechnung noch nicht erklärt hat, kann sich der Eigentümer E gemäß §§ 1137,770 BGB gegen die Geltendmachung der Hypothek verteidigen. F:

Der E hat zugunsten des G sein Grundstück mit einer Hypothek belastet, um eine Kaufpreisforderung des G gegen den S zu sichern. Kann der E, wenn sich herausstellt, daß G den S bei Abschluß des Kaufvertrages arglistig getäuscht hat, die drohende Zwangsvollstreckung des G in sein Grundstück auch dann verhindern, wenn S infolge einer längeren Urlaubsreise abwesend ist und deshalb den Kaufvertrag noch nicht angefochten hat?

308

Kap. XIII. Verkehrshypothek

Einwendungen

A:

Ja; E kann gemäß §§ 1137, 770 BGB dem G die Anfechtbarkeit des Vertrages durch S einredeweise entgegenhalten.

5.

§ 1157 S. 2

Gegenüber einem späteren Hypothekengläubiger, der die Hypothek durch Übertragung erworben hat, sind die vorgenannten Verteidigungsmöglichkeiten des Eigentümers durch die Regeln über den Gutglaubensschutz eingeschränkt: Schon vor der Übertragung begründete Einwendungen und Einreden gegen die Hypothek kann der Eigentümer nur geltend machen, wenn sie dem neuen Gläubiger beim Erwerb der Hypothek bekannt waren, bzw. aus dem Grundbuch oder aus dem Hypothekenbrief ersehen werden konnten, §§ 1157 S. 2, 1140 S. 1 BGB. F:

Bei Begründung einer Hypothek zugunsten des G hat sich dieser mit dem Eigentümer E mündlich darüber verständigt, daß auch nach Fälligkeit der Forderung mindestens noch ein Jahr verstreichen solle, bevor die Hypothek geltend gemacht werde. Dann überträgt G die Hypothek an den X, der von der Abrede über die Jahresfrist nichts weiß. Kann sich der E, als X unmittelbar nach Fälligkeit der Forderung die Hypothek geltend macht, auf die Stundungsabrede mit dem G berufen?

309

Kap. XIII. Verkehrshypothek

Einwendungen

A:

Nein, gemäß § 1157 S. 2 BGB hat der X die Hypothek kraft guten Glaubens frei von der Einrede der Stundung erworben.

6.

§ 1138

Auch vor der Hypothekenübertragung begründete Einreden gegen die der Hypothek zugrunde liegende Forderung kann der Eigentümer gegenüber einem späteren Hypothekengläubiger nur noch geltend machen, wenn sie diesem beim Hypothekenerwerb bekannt waren bzw. aus dem Grundbuch oder aus dem Hypothekenbrief ersehen werden konnten, §§ 1 1 3 8 , 1 1 4 0 S. 1 BGB. F:

Die Bank B hat von G eine Briefhypothek an dem Grundstück des E erworben. Kann sich der E, als die B aus der Hypothek die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück betreiben will, darauf berufen, der G habe den Liefervertrag, aus dem seine hypothekarisch gesicherte Forderung gegen E entsprungen ist, nicht richtig erfüllt, weshalb er, der E, gegenüber G schon vor dem Zeitpunkt des Hypothekenerwerbes durch die Bank die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB erhoben habe?

310

Kap. XIII. Verkehishypothek A:

E kann die Einrede des nicht erfüllten Vertrages der Bank B nur entgegenhalten, wenn diese den von E vorgetragenen Zusammenhang beim Hypothekenerwerb kannte oder aus dem Hypothekenbrief bzw. dem Grundbuch ersehen konnte; andernfalls hat die B gemäß § 1138 BGB kraft guten Glaubens die Hypothek einredefrei erworben.

Wiederholungsfragen:

a)

Der Hypothekengläubiger kann die Hypothek erst dann geltend machen, wenn sie ist.

b)

Wenn der ursprüngliche Hypothekengläubiger die Hypothek geltend macht, kann der Eigentümer ihm alle und entgegenhalten, die ihm gegen die Hypothek zustehen.

c)

Außerdem kann der Eigentümer, wenn der ursprüngliche Hypothekengläubiger aus der Hypothek vorgeht, ihm alle Einreden aus der gesicherten entgegenhalten.

d)

Welche Bedeutung hat, wenn ein späterer Erwerber der Hypothek gegen den Eigentümer vorgeht, § 1138 BGB für die dem Eigentümer (gemäß § 1137 BGB) zustehenden Einreden aus der gesicherten Forderung?

311

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

Umwandlung

a) fällig b) Einwendungen, Einreden c) Forderung d) Nach §1138 BGB tilgt guter Glaube des Erwerbers auch solche Einreden des Eigentümers, die dieser gemäß § 1137 BGB aus der gesicherten Forderung herleiten könnte.

7. Da die Hypothek ohne eine von ihr gesicherte Forderung nicht bestehen kann (vgl. oben Kap. XII, 2), erhebt sich die Frage, was geschieht, wenn im Grundbuch eine Hypothek eingetragen ist, der die zugehörige Forderung fehlt. — Diese Situation kann entstehen, wenn die zu sichernde Forderung noch nicht begründet ist, z.B. das zu sichernde Darlehen noch nicht ausgezahlt wurde, oder aber die gesicherte Forderung bereits getilgt ist. Wenn für eine bereits eingetragene „ H y p o t h e k " die zugehörige Forderung fehlt, so soll nach dem BGB die d u r c h die Eintragung im G r u n d b u c h besetzte Rangstelle nicht frei werden, sondern zur Verfügung des Grundeigentümers stehen. Deshalb entsteht m i t der Eintragung ein beschränkt dingliches Recht am Grundstück, das allerdings mangels gesicherter F o r d e r u n g keine H y p o t h e k sein kann. Vielmehr ist das R e c h t , das die Rangposition für den Eigentümer wahrt, — t r o t z seiner Bezeichnung als H y p o t h e k — eine Grundschuld, weil diese nicht vom Bestehen einer F o r d e r u n g abhängig ist (Einzelheiten dazu u n t e n in Kap. XIV). F:

E hat auf seinem Grundstück an erster Rangstelle eine Hypothek zugunsten des G eintragen lassen; die zugrunde liegende Forderung ist mangels Auszahlung des Darlehens noch nicht entstanden. An zweiter Rangstelle wurde einen Tag später ein Wegerecht zugunsten des X eingetragen. X vertritt nun die Ansicht, sein Recht könne mangels einer vorhandenen Hypothek die erste Rangstelle beanspruchen. Trifft diese Ansicht zu?

312

Kap. XIII. Verkehrshypothek

Umwandlung

A:

Nein, da die an erster Rangstelle eingetragene, aber noch nicht entstandene Hypothek dem Eigentümer als Grundschuld zusteht und somit die erste Rangposition besetzt.

8.

§§1163,1177

Zur Wahrung der durch die Hypothekeneintragung ausgefüllten Rangposition bestimmt § 1163 Abs. 1 BGB, daß — entgegen dem Wortlaut der Eintragung — das eingetragene Recht dem Grundeigentümer zusteht; § 1177 Abs. 1 S. 1 BGB erklärt dieses Recht zur Grundschuld. — Da die Grundschuld dem Grundeigentümer zusteht, handelt es sich bei ihr um eine sog. Eigentümergrundschuld. Aus den §§ 1163 Abs. 1 und 1177 Abs. 1 BGB ergibt sich demnach: Fehlt der eingetragenen Hypothek die Forderung, so besteht statt der eingetragenen Hypothek für den Gläubiger in Wirklichkeit eine Eigentümergrundschuld, mit der dem Grundeigentümer die durch die Eintragung besetzte Rangposition gewahrt bleibt. F:

Wenn bei eingetragener Hypothek und noch nicht entstandener Forderung in Wirklichkeit eine Eigentümergrundschuld besteht, kann dann der als Hypothekengläubiger Eingetragene die Hypothek bereits übertragen?

313

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

Umwandlung

Ja; einem gutgläubigen Erwerber kann der Eingetragene gemäß § 1138 BGB die Hypothek wirksam übertragen (vgl. oben Kap. XII, 19 und 20).

9. § 1 1 6 3 Abs. 1 S. 1 BGB greift auch dann ein, wenn eine durch Hypothek gesicherte Forderung infolge Anfechtung rückwirkend entfällt. Auch jetzt besteht statt der eingetragenen Hypothek in Wirklichkeit eine Eigentümergrundschuld. Ferner besteht gemäß §§ 1163 Abs. 2, 1177 Abs. 1 S. 1 BGB eine Eigentümergrundschuld, solange bei einer Briefhypothek — nach entstandener Forderung (!) - dem Gläubiger der Hypothekenbrief noch nicht übergeben worden ist (vgl. oben Kap. XII, 8). F:

Das Grundbuchamt trägt wegen einer am 1.3. entstandenen Forderung des G am 2.4.1969 eine Hypothek zugunsten des G am Grundstück des E ein. Am 18.4.1969 übergibt der beurkundende Notar dem G den Hypothekenbrief. Welche Rechtsposition besteht am 5.4.1969 für den E?

314

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

10.

Umwandlung

Zugunsten des E besteht bis zum 18.4.1969 gemäß §§ 1163 Abs. 2, 1177 Abs. 1 S. 1 BGB eine Eigentümergrundschuld.

§1176

Ebenso geht, wenn die Forderung des Hypothekengläubigers befriedigt wird, die Hypothek gemäß § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Eigentümer über und wandelt sich zu einer Eigentümergrundschuld, § 1 1 7 7 Abs. 1 S. 1 BGB. Dies gilt auch im Falle teilweiser Tilgung der Forderung, insbesondere bei ratenweiser Rückzahlung eines Darlehens. Soweit jeweils die Forderung getilgt ist, wandelt sich die Hypothek in eine Eigentümergrundschuld um. — Diese teilt sich mit dem noch nicht getilgten Rest der Hypothek in die durch die Eintragung besetzteRangstelle in der Weise, daß die noch bestehende Resthypothek gemäß § 1176 der Eigentümergrundschuld vorgeht. F:

E hat von G ein Darlehen in Höhe von 50 0 0 0 . - DM erhalten, das erstrangig durch eine Hypothek am Grundstück des E gesichert wird. Danach folgt eine Hypothek über 30 000.— DM zugunsten des B. E zahlt die Hälfte des Darlehens an den G zurück. a) In welcher Höhe und aus welcher Rangposition könnte G jetzt aus der Hypothek in das Grundstück des E vollstrecken?

b) Geht der durch die Darlehensrückzahlung entstandenen Eigentümergrundschuld des E die Hypothek des B vor?

315

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

Umwandlung

a) G könnte aufgrund seiner Hypothek in Höhe von 25 000.— DM aus erster Rangstelle in das Grundstück vollstrecken. b) Nein; die Eigentümergrundschuld des E in Höhe von 25 000.— DM steht im Rang nach der Hypothek des G, aber vor der Hypothek des B, § 1176 BGB.

11. Da in den Fällen der §§ 1163, 1177 Abs. 1 BGB eine Eigentümergrundschuld vorliegt, obwohl im Grundbuch eine Hypothek eingetragen ist, bezeichnet man das in Wirklichkeit bestehende Recht als eine verdeckte Eigentümergrundschuld (im Unterschied zu dem ausdrücklich als Eigentümergrundschuld im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrecht; Einzelheiten dazu unten in Kap. XIV). Die verdeckte Eigentümergrundschuld wandelt sich mit Entstehung der Forderung oder mit Briefübergabe ohne weiteres in die der Eintragung entsprechende Hypothek um. F:

Entstehen für den gutgläubigen Erwerber einer im Grundbuch eingetragenen Hypothek, die in Wirklichkeit eine verdeckte Eigentümergrundschuld ist, Nachteile im Vergleich zum Erwerber einer bestehenden Hypothek? (Beachten Sie § 1138 BGB!)

316

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

Ja; der gutgläubige Erwerber einer eingetragenen, aber nicht bestehenden Hypothek kann gemäß § 1138 BGB zwar die Hypothek erwerben, nicht aber die zugehörige Forderung (vgl. oben Kap. XII, 20).

Wiederholungsfragen: a)

Wenn die durch eine eingetragene Hypothek zu sichernde Forderung noch nicht entstanden ist oder getilgt wurde, besteht für den Grundeigentümer in Höhe des eingetragenen Rechts eine

b)

Bei Bestellung einer Briefhypothek besteht, auch wenn die gesicherte Forderung bereits entstanden ist, bis zur eine verdeckte Eigentümergrundschuld.

c)

Die verdeckte Eigentümergrundschuld bewirkt, daß trotz des Nichtbestehens der Hypothek die durch das eingetragene Recht besetzte . . . . dem Eigentümer erhalten bleibt.

317

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

E igentümerhy pothek

a) verdeckte Eigentümergrundschuld b) Briefübergabe c) Rangposition

12.

§§ 1143 Abs. 1, 1177 Abs. 2

Sind der Grundstückseigentümer und der Forderungsschuldner nicht identisch u n d leistet der Grundstückseigentümer an den Gläubiger (um gemäß § 1142 BGB die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück abzuwenden), so geht die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner gemäß § 1143 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Grundstückseigentümer über. — Dadurch wird er zum Inhaber der Forderung, für die an seinem Grundstück die Hypothek bestellt ist. Diese bezeichnet man deshalb als Eigentümerhypothek. § 1 1 7 7 Abs. 2 BGB bestimmt für die Eigentümerhypothek, daß sie wie eine verdeckte Eigentümergrundschuld zu behandeln ist. F:

E bestellt dem G zur Sicherung einer Forderung des G gegen S eine Hypothek an seinem Grundstück. Als S bei Fälligkeit der Forderung nicht zahlt, leistet E, um dadurch die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück abzuwenden. Wie verändert sich durch diese Leistung a) die Schuld des S,

b) die Hypothek des G?

318

Regreßhypothek

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

a) Die Schuld des S verändert sich in der Weise, daß S nunmehr dem E schuldet, § 1143 Abs. 1 S. 1 BGB. b) Die Hypothek des G wandelt sich zur Eigentümerhypothek des E, § 1177 Abs. 2 BGB.

13.

§ 1164

Sind der Forderungsschuldner und der Grundstückseigentümer nicht identisch und haben sie miteinander vereinbart, daß nicht der Schuldner, sondern der Eigentümer die Forderung des Gläubigers erfüllen solle, so geschieht, wenn (z.B. wegen Säumigkeit des Eigentümers) dennoch der Schuldner vom Gläubiger in Anspruch genommen wird und zahlt, folgendes:

Die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner erlischt. — Wegen vertragswidrigen Verhaltens des Eigentümers entsteht für den Schuldner eine Ersatzforderung gegen den Eigentümer. — § 1164 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, daß die ursprüngliche Hypothek des Gläubigers am Grundstück des Eigentümers nunmehr auf den Schuldner übergeht und zur Sicherung seiner Ersatzforderung gegen den Eigentümer fortbesteht. a) ursprüngliche Rechtslage

G

G (Hypothek^

^(Forderung)

E S (Erfüllungspflicht des E) F:

b) Rechtslage nach Zahlung durch S

(Ersatzforderung)

(Hypothek)

S veräußert sein Grundstück an E und vereinbart mit ihm, daß E unter Anrechnung auf den Kaufpreis die durch Hypothek am Grundstück gesicherte Forderung der Bank G gegen S übernehmen solle. Die Bank G genehmigt diese Schuldübernahme durch E nicht und nimmt den S bei Fälligkeit des Darlehens in Anspruch. Welche Rechte bestehen für S gegenüber dem E? (Beachten Sie § 415 Abs. 3 S. 2 BGB!). 319

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

Erlöschen

S hat gegen E wegen Pflichtverletzung gemäß § 415 Abs. 3 S. 2 BGB einen Ersatzanspruch, der nunmehr gemäß § 1164 Abs. 1 S. 1 BGB durch die für S am Grundstück des E bestehende Hypothek gesichert wird.

14.

§1181

Anders als die Umwandlung der Hypothek in eine verdeckte Eigentümergrundschuld hat das Erlöschen der Hypothek zur Folge, daß die im Rang nachfolgenden Grundstücksrechte aufrücken. Die Hypothek erlischt u.a. gemäß § 1181 Abs. 1 BGB, wenn der Gläubiger nach durchgeführter Zwangsvollstreckung in das Grundstück befriedigt ist. F:

Das Grundstück des E ist erstrangig mit einer Hypothek zugunsten des G und zweitrangig mit einer Hypothek zugunsten des F belastet. Wenn die Forderung des G im Wege der Zwangsvollstreckung befriedigt wird, was geschieht dann mit den Hypotheken a) des G

b) und des F?

320

Erlöschen

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

15.

a) Die Hypothek des G erlischt gemäß § 1181 Abs. 1 BGB; b) die Hypothek des F rückt nunmehr an die erste Rangstelle.

§§ 8 7 5 , 1 1 7 9

Ferner erlischt die Hypothek durch freiwillige Aufhebung. Diese erfolgt gemäß § 875 BGB durch die einseitige Aufgabeerklärung des Hypothekengläubigers (zu der gemäß § 1183 BGB die Zustimmung des Grundeigentümers hinzutreten muß) und die Löschung der Hypothek im Grundbuch. Der Eigentümer kann sich zur Löschung der Hypothek für den Fall verpflichten, daß ihm selbst das Grundpfandrecht zufällt (d.h. wenn für ihn eine verdeckte Eigentümergrundschuld oder eine Eigentümerhypothek entsteht). — Zur Sicherung des Anspruchs eines dem zu löschenden Recht im Rang nachstehenden Berechtigten auf Ranggewinn kann gemäß § 1179 BGB eine sog. Löschungsvormerkung im Grundbuch eingetragen werden. Sie wirkt wie jede andere Vormerkung (vgl. oben Kap. X, 13 und 14). F:

Am Grundstück des E besteht eine erste Hypothek zugunsten des G in Höhe von 10 000.- DM und eine zweite Hypothek zugunsten des F in Höhe von 20 000.- DM. Der E hat dem F (zur Verminderung der Zinshöhe) versprochen, nach Tilgung der Forderung für die erste Hypothek diese löschen zu lassen. Eine entsprechende Löschungsvormerkung wird im Grundbuch eingetragen. — Alsbald veräußert der E sein Grundstück an den D, der nun die Forderung der ersten Hypothek tilgt, das Grundbuch aber nicht verändert. Hat F eine Möglichkeit, dennoch mit seiner Hypothek die erste Rangstelle zu erreichen?

321

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

Ja, da die Löschungsverpflichtung des E durch Vormerkung gesichert ist, muß E auch nach der Veräußerung an D noch die nach §§ 875 und 1183 BGB erforderlichen Erklärungen abgeben, und D muß gemäß § 888 BGB der Löschung zustimmen.

16. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 311 und 317): a)

Leistet der Grundstückseigentümer anstelle des Schuldners an den Gläubiger, so geht die des Gläubigers gegen den Schuldner auf den über.

b)

Da der Eigentümer nunmehr Inhaber der Forderung für die an seinem Grundstück bestehende Hypothek ist, besteht für ihn eine sog

c)

Die Hypothek erlischt gemäß § biger nach durchgeführter Grundstück befriedigt ist.

d)

Wenn sich der Eigentümer verpflichtet, eine Hypothek löschen zu lassen, sobald sie ihm in der Form einer verdeckten Eigentümergrundschuld oder einer Eigentümerhypothek zusteht, kann dieser Anspruch im Wege einer . . gesichert werden.

. . . .

Abs.

.

BGB, wenn der Gläuin das

322

Kap. XIII. Verkehrshypothek A:

a) Forderung, Eigentümer b) Eigentümerhypothek c) 1181, ^Zwangsvollstreckung d) Löschungsvormerkung

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des dreizehnten Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 40 und 41 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 101-103, 105,107 und 108. Besonders wichtig sind die Fragen einer Ablösung der Hypothek (hierzu Westermann § 103).

durch den Eigentümer

323

Kapitel XIV DIE

ÜBRIGEN

GRUNDPFANDRECHTE

Die bisher behandelte Verkehrshypothek dient im BGB als Modell aller anderen Grundpfandrechte, bei denen — soweit möglich — auf die Vorschriften über die Verkehrshypothek Bezug genommen wird. Dabei geht das BGB von folgendem System der Grundpfandrechte aus: Grundpfandrechte Hypothek Verkehrshypothek Briefhypothek

Urunüschuld

Kentenschuld

Sicherungshypothek

Buchhypothek

(jeweils als Einzelhypothek an einem Grundstück oder als Gesamthypothek an mehreren Grundstücken)

Als weitere Formen der Hypothek werden im folgenden die Sicherungshypothek und die Gesamthypothek dargestellt: Die Sicherungshypothek zielt — im Unterschied zur Verkehrshypothek — nicht auf Zirkulation durch Übertragung der Gläubigerrechte ab. Bei der Gesamthypothek sind mehrere Grundstücke einer Verkehrs- oder Sicherungshypothek verhaftet. Besondere Typen von Grundpfandrechten neben der Hypothek sind die Grundschuld und die Rentenschuld. Beide sind, im Unterschied zur Hypothek, nicht vom Bestehen einer Forderung abhängig, was ihnen größere Rechtsbeständigkeit verleiht. Bei der Rentenschuld haftet — im Unterschied zur Grundschuld - das Grundstück dem Gläubiger nicht für einen einmalig zu leistenden Betrag, sondern für Zahlungen zu wiederkehrenden Terminen (Rente). Übersicht: Information Die Sicherungshypothek Die Höchstbetragshypothek Die Wertpapierhypothek Die Gesamthypothek Die Grundschuld Die Rentenschuld Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

1—3 4-6 7—9 10-12 13-19 20-21 22 324

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte

1.

Sicherungshypothek

§§ 1184, 1185 Abs. 2

Eine Sicherungshypothek entsteht, wenn sich der Grundstückseigentümer und der Hypothekengläubiger ausdrücklich über die Begründung einer Sicherungshypothek einigen und die Hypothek mit einem entsprechenden Zusatz eingetragen wird, § 1184 BGB. Bei der Sicherungshypothek steht, wie schon der Name erkennen läßt, der Sicherungszweck stärker im Vordergrund als bei der Verkehrshypothek. Deshalb bestimmt sich bei der Sicherungshypothek das Recht des Hypothekengläubigers allein nach der gesicherten Forderung; ein gutgläubiger Erwerb der eingetragenen Hypothek bei fehlender Forderung ist ausgeschlossen. Dies bezeichnet man als die strenge Akzessorietät der Sicherungshypothek. — Sie wird dadurch bewirkt, daß in § 1185 Abs. 2 BGB die Geltung des § 1138 BGB für die Sicherungshypothek ausdrücklich verneint ist. F:

Der E bestellt dem G an seinem Grundstück eine Sicherungshypothek, die G später auf den D überträgt. Danach stellt sich heraus, daß der E sowohl bei der Forderungsbegründung als auch bei der Hypothekenbestellung geschäftsunfähig war. Woran scheitert der Hypothekenerwerb des D? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

325

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte

Sicfierungshypothek

A:

Der Sicherungshypothek fehlt es, da E bei der Forderungsbegründung geschäftsunfähig war, an der notwendigen Forderung, und dieser Mangel kann gemäß § 1185 Abs. 2 BGB nicht durch guten Glauben des D beseitigt werden. Die Geschäftsunfähigkeit des E bei der Hypothekenbestellung hätte, da G im Grundbuch eingetragen war, einem gutgläubigen Erwerb durch D nicht entgegengestanden.

2.

§§ 1185 Abs. 1, 1186

Da die Übertragbarkeit der Sicherungshypothek nicht gefördert werden soll, sind Sicherungshypotheken nur als Buchhypotheken möglich, § 1185 Abs. 1 BGB. Im übrigen gelten für die Sicherungshypothek die Regeln über die Verkehrshypothek, soweit sie nicht durch § 1185 Abs. 2 BGB ausdrücklich ausgenommen sind. Eine Sicherungshypothek kann gemäß § 1186 BGB durch Einigung und Eintragung in eine Verkehrshypothek umgewandelt werden; ebenso kann eine Verkehrshypothek in eine Sicherungshypothek umgewandelt werden. F:

Wie und nach welcher Vorschrift wird die Sicherungshypothek von einem Gläubiger auf einen anderen übertragen? (Vgl. oben Kap. XII, 17)

326

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Sicherungshypothek

Die Sicherungshypothek als Buchhypothek wird gemäß § 1154 Abs. 3 BGB durch Einigung und Eintragung des neuen Gläubigers im Grundbuch übertragen.

3. Als Sicherungshypotheken müssen z.B. die Bauhandwerkerhypothek gemäß § 648 Abs. 1 BGB und die Wertpapierhypothek gemäß § 1187 S. 2 BGB bestellt werden; demnach haben Eigentümer und Gläubiger in diesen Fällen nicht die Wahlfreiheit, eine Verkehrshypothek zu vereinbaren. Ferner entsteht gemäß §§ 866, 867 ZPO eine Sicherungshypothek ohne Vereinbarung zwischen Eigentümer und Gläubiger, wenn der Gläubiger die Eintragung einer Zwangshypothek als Form der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldschuld des Eigentümers bewirkt. F:

Dem Bauunternehmer G ist wegen seiner Forderung aus einem Hausbau vom Grundeigentümer E am 1.2. eine Sicherungshypothek in Höhe von 30 0 0 0 . - DM bestellt worden. G überträgt diese Hypothek am 1.3. auf X. - Am 1.4. stellt sich aufgrund der endgültigen Abrechnung heraus, daß die Bauforderung des G schon am 1.2. nur 25 0 0 0 . - DM betrug. X beruft sich nun darauf, daß zur Zeit seines Erwerbs die Hypothek in Höhe von 30 0 0 0 . - DM im Grundbuch eingetragen war, so daß er eine Hypothek in dieser Höhe erworben habe. Ist diese Ansicht zutreffend?

327

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte

Höchstbetragshypothek

A:

Nein; da die Bauhandwerkerhypothek als Sicherungshypothek streng akzessorisch ist, konnte X nur eine Hypothek in Höhe von 25 000.— DM erwerben (vgl. oben Ziff. 1).

4.

§ 1190

Sollen Forderungen, deren Höhe ständig wechselt (z.B. aufgrund laufender wechselseitiger Lieferungen und Zahlungen), hypothekarisch gesichert werden, bedarf es einer besonderen Art der Hypothek: Diese ist, als Sonderform der Sicherungshypothek gemäß § 1190 Abs. 3 BGB, die Höchstbetragshypothek: Bei ihr wird im Grundbuch kein fester Forderungsbetrag eingetragen, sondern nur ein Höchstbetrag, bis zu dem das Grundstück im äußersten Falle haftet, § 1 1 9 0 Abs. 1 BGB; die Eintragung geschieht meist mit den Worten „Sicherungshypothek zum Höchstbetrag von ". F:

Kann man bei Einsichtnahme in das Grandbuch erkennen, ob eine eingetragene Hypothek eine Höchstbetragshypothek ist?

328

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Höchstbetragshypothek

Ja, da die größtmögliche Forderungshöhe mit der Bezeichnung „Höchstbetrag" eingetragen werden muß, § 1190 Abs. 1 S. 2 BGB.

5.

Da eine Sicherungshypothek nur in Höhe der Forderung bestehen kann, bestimmt sich der wechselnde Umfang der Höchstbetragshypothek nach der jeweiligen Höhe der zu sichernden Forderung. Die zwischen dem jeweiligen Umfang der Hypothek und dem im Grundbuch eingetragenen Höchstbetrag verbleibende Differenz steht als verdeckte Eigentümergrundschuld dem Eigentümer zu (vgl. oben Kap. XIII, 11). F:

Das Grundstück des Großhändlers E ist mit einer Höchstbetragshypothek über 50 0 0 0 . - DM zugunsten des Lieferanten G belastet. Die Forderung des G aus laufender Geschäftsverbindung mit E beträgt zur Zeit 45 000.— DM. Welche Rechte bestehen für G und für E am Grundstück des E?

329

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Höchstbetragshypothek

Dem G steht in Höhe von 45 000.— DM eine Sicherungshypothek zu; in Höhe von 5 0 0 0 . - DM besteht für E eine verdeckte Eigentümergrundschuld.

6. Will der Gläubiger der Höchstbetragshypothek seine Rechte am Grundstück geltend machen, bedarf es gemäß § 1190 Abs. 1 S. 1 BGB zunächst einer Feststellung der Forderung. — Sie erfolgt entweder durch Einigung zwischen Gläubiger und Eigentümer oder — im Streitfall — durch Gerichtsentscheidung. Eine Gerichtsentscheidung kann auch dann erforderlich werden, wenn der Eigentümer die Forderungshöhe bestreitet, die zwischen dem Gläubiger und dem nicht mit dem Eigentümer identischen Schuldner festgestellt wurde. Die Haftung des Grundstücks erstreckt sich auch auf die Zinsen der Forderung, § 1190 Abs. 2 BGB. F:

Das Grundstück des Großhändlers E ist mit einer Höchstbetragshypothek über 50 000.— DM zugunsten des Lieferanten G belastet. Inwieweit ist der G hypothekarisch gesichert, wenn sich bei Feststellung der Forderung ergibt, daß ihm der E 45 000.— DM aus laufender Geschäftsverbindung und weitere 7 000.— DM an aufgelaufenen Zinsen aus der vorgenannten Forderung schuldet?

330

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte

Wertpapierhypothek

A:

Gemäß § 1190 Abs. 2 BGB sichert die Höchstbetragshypothek auch die Zinsen der Forderung; über den eingetragenen Höchstbetrag von 50 000.— DM hinaus reicht jedoch die hypothekarische Sicherung des G nicht; die Zinsen werden „ . . . in den Höchstbetrag eingerechnet".

7.

§ 1187

E i n e w e i t e r e S o n d e r f o r m d e r S i c h e r u n g s h y p o t h e k ist g e m ä ß § 1 1 8 7 S. 2 B G B die Wertpapierhypothek. Sie liegt g e m ä ß § 1 1 8 7 S. 1 B G B vor, w e n n e i n e in e i n e m Wertpapier verbriefte Forderung durch eine Hypothek gesichert wird. Die Wertpapierhypothek dient insbesondere der Sicherung von Forderungen aus Darlehen, die ein Unternehmen zur Kapitalbeschaffung aufnimmt. Die Rückzahlungsforderungen der Kapitalgeber gegen das Unternehmen werden dann in Wertpapieren (meist Inhaberschuldverschreibungen gemäß §§ 793 ff. BGB) verbrieft und durch eine Hypothek am Betriebsgrundstück des Unternehmens gesichert. F:

Welche Besonderheit kennzeichnet die durch eine Wertpapierhypothek gesicherte Forderung?

331

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte

Wertpapierhypothek

A:

Bei der Wertpapierhypothek ist die gesicherte Forderung in einem Wertpapier verbrieft.

8.

§1189

Gemäß § 1187 S. 3 BGB bedarf es zur Übertragung der Wertpapierhypothek — abweichend von den allgemeinen Regeln der Sicherungshypothek (vgl. oben Ziff. 2) — keiner Eintragung des neuen Gläubigers im Grundbuch, sondern nur der Übertragung des Wertpapiers, in dem die Forderung verbrieft ist. Da Wertpapiere leicht übertragen werden können, ist der jeweilige Forderungsinhaber und Hypothekengläubiger dem Grundeigentümer oft unbekannt. Dementsprechend bestimmt § 1189 BGB, daß für alle Hypothekengläubiger (einer Wertpapierhypothek) ein Vertreter bestellt werden kann. Die Vertreterbestellung bedarf der Eintragung im Grundbuch. — Wenn die Wertpapierhypothek Forderungen aus Inhaberschuldverschreibungen sichert, wird der Vertreter der Gläubiger durch Erklärung des Grundstückseigentümers (!) bestellt, §1188 Abs. 1 BGB. In der Praxis ist meist diejenige Bank, die die Inhaberschuldverschreibungen auf dem Kapitalmarkt unterbringt, Vertreter aller Gläubiger; sie gewinnt so eine sehr starke Stellung. F:

Besteht für die X-AG, an deren Grundstück eine Wertpapierhypothek bestellt ist, die Möglichkeit, anhand des Grundbuchs festzustellen, wer Gläubiger der Hypothek ist?

332

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte

Wertpapierhypothek

A:

Nein, da die Übertragung der Gläubigerrechte sich gemäß § 1187 S. 3 BGB ohne Einschaltung des Grundbuchs vollzieht.

9.

§ 1188

Eine w e i t e r e Besonderheit der Wertpapierhypothek ist, d a ß sie — sofern die z u s i c h e r n d e n F o r d e r u n g e n in Inhaberschuldverschreibungen verbrieft sind — g e m ä ß § 1 1 8 8 Abs. 1 BGB durch einseitige Erklärung des G r u n d e i g e n t ü m e r s u n d Eintragung i m G r u n d b u c h bestellt wird. Dadurch wird erreicht, daß die Hypothek bereits zur Sicherung eines Darlehens eingetragen werden kann, das erst demnächst von jetzt noch unbekannten Kapitalgebern aufgenommen werden soll. Aufgrund der vorhandenen Eintragung entsteht dann sogleich mit Erwerb der Inhaberschuldverschreibung, d.h. mit Begründung der RückZahlungsforderung, eine hypothekarische Sicherung dieser Forderung des Kapitalgebers. F:

Welche Rechtsposition besteht für den Grundeigentümer, der eine Wertpapierhypothek für Forderungen aus demnächst auszugebenden Inhaberschuldverschreibungen bestellt hat, hinsichtlich des noch nicht von Kapitalgebern erworbenen Teils der Schuldverschreibungen?

333

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Für den Grundeigentümer besteht insoweit eine verdeckte Eigentümergrundschuld.

Wiederholungsfragen:

a)

Im Gegensatz zur Verkehrshypothek ergibt sich bei einer Sicherungshypothek das Recht des Hypothekengläubigers allein aus der Dies bezeichnet man als die der Sicherungshypothek.

b)

Die strenge Akzessorietät der Sicherungshypothek ist in den §§ . . . . Abs. . und . . . . Abs. BGB vorgeschrieben. Sie hat zur Folge, daß ein Erwerb der Sicherungshypothek bei fehlender Forderung ausgeschlossen ist.

c)

Sonderformen der betragshypothek gemäß § mäß § . . . . BGB.

. . . .

sind die HöchstBGB und die Wertpapierhypothek ge-

334

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

10.

Gesamthypothek

a) Forderung, strenge Akzessorietät b) 1184, 1,1185,2, gutgläubiger c) Sicherungshypothek, 1190,1187

§ 1132

Die bisherige Darstellung der Verkehrshypothek und der Sicherungshypothek ging davon aus, daß die Hypothek nur an einem einzigen Grundstück bestellt wird. Wenn aber die zu sichernde Forderung so hoch ist, daß der Wert eines Grundstücks zu ihrer Sicherung nicht ausreicht, z.B. bei großen Industriekrediten, entsteht das Bedürfnis, eine Forderung durch eine Hypothek an mehreren Grundstücken zu sichern. Dem dient die Gesamthypothek. G e m ä ß § 1132 Abs. 1 S. 1 BGB wird bei der G e s a m t h y p o t h e k für eine F o r d e r u n g eine Hypothek an mehreren Grundstücken (eines oder mehrerer Eigentümer) bestellt. Jedes der belasteten Grundstücke h a f t e t für die ganze F o r d e r u n g ; der Gläubiger hat die Wahl, welches Grundstück er in welcher Höhe in Anspruch n e h m e n will, § 1132 Abs. 1 S. 2 BGB. F:

Zugunsten des G ist eine Gesamthypothek an einem Grundstück des E und an einem Grundstück des F bestellt worden. Kann G die am Grundstück des E bestehende Hypothek auf den D übertragen?

335

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

11.

Gesamthypothek

Nein, die auf beiden Grundstücken ruhende Belastung ist eine einzige Hypothek (§ 1132 Abs. 1 S. 1 BGB), die nur insgesamt übertragen werden kann.

§1181 Abs. 2

Wird die gesicherte Forderung getilgt oder ist die Gesamthypothek nicht entstanden (vgl. dazu Kap. XIII, 7—11), so ist zu unterscheiden, ob die belasteten Grundstücke einem Eigentümer gehören oder mehreren Eigentümern:

Gehören alle Grundstücke einem Eigentümer und tilgt dieser die Forderung oder ist die Forderung nicht entstanden, so erwirbt der Eigentümer gemäß §§ 1163, 1177 BGB eine verdeckte Gesamteigentümergrundschuld an seinen Grundstücken. Erfolgt die Tilgung der Forderung aufgrund Zwangsvollstreckung des Gläubigers in eines der Grundstücke, so erlischt gemäß § 1181 Abs. 2 BGB die Hypothek an den übrigen Grundstücken. F:

Für G besteht eine Gesamthypothek an den Grundstücken 1 und 2 des E. Am Grundstück 2 ist nach der Gesamthypothek eine Hypothek zugunsten des X eingetragen. Was geschieht mit dieser Hypothek, wenn G seine Forderung durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück 1 des E befriedigt?

336

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

12.

Gesamthypothek

Die Belastung des Grundstücks 2 zugunsten des G erlischt gemäß § 1181 Abs. 2 BGB und damit rückt die Hypothek des X im Rang auf.

§§1172,1173

Gehören die mit einer Gesamthypothek belasteten Grundstücke mehreren Eigentümern, so entsteht in den Fällen des § 1163 Abs. 1 BGB (wenn die Forderung nicht entstanden ist oder von allen Eigentümern gemeinsam getilgt wurde) gemäß § 1172 Abs. 1 BGB eine Gesamteigentümergrundschuld für alle Eigentümer an allen Grundstücken. Hat jedoch nur einer der Eigentümer den Gläubiger befriedigt, so erwirbt er gemäß § 1173 Abs. 1 S. 1 BGB eine Eigentümergrundschuld in Höhe der eingetragenen Belastung nur an seinem Grundstück; an allen anderen Grundstücken erlischt die Hypothek. — Anders ist es gemäß § 1173 Abs. 2 BGB nur, wenn schon vorher unter den Grundeigentümern eine Ausgleichsvereinbarung bestand. Gemäß § 1181 Abs. 2 BGB erlischt die Hypothek an allen anderen Grundstücken auch dann, wenn der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung in eines der Grundstücke befriedigt wird. Anders ist es gemäß § 1182 BGB wiederum nur, wenn unter den Grundeigentümern schon vorher eine Ausgleichsvereinbarung bestand. F:

Für G besteht eine Gesamthypothek in Höhe von 50 000.— DM an je einem Grundstück des A und des B. Diese beiden haben für den Fall einer Befriedigung des G durch einen von ihnen vereinbart, daß im Innenverhältnis jeder zur Hälfte belastet werden soll. Was geschieht mit der Gesamthypothek, wenn A die Forderung des G tilgt?

337

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

13.

Grundschuld

In Höhe des Regreßanspruchs von 25 0 0 0 . - DM gegen B entsteht für den A gemäß § 1173 Abs. 2 BGB eine Gesamthypothek am Grundstück des B und an seinem eigenen Grundstück. In Höhe der anderen 25 000.— DM erwirbt A gemäß § 1173 Abs. 1 BGB eine verdeckte Eigentümergrundschuld an seinem eigenen Grundstück; die Belastung am Grundstück des B erlischt insoweit.

§§ 1191, 1192

Neben der bisher behandelten Hypothek ist die Grundschuld eigener Typus des Grundpfandrechtes:

ein

Sie ist, wie die Hypothek, eine Grundstücksbelastung, bei der das Grundstück für die Zahlung einer bestimmten Summe haftet, § 1191 Abs. 1 BGB. Der wichtigste Unterschied zwischen Grundschuld und Hypothek besteht darin, daß die Grundschuld gemäß § 1192 Abs. 1 BGB nicht vom Bestehen einer Forderung abhängt, also nicht akzessorisch ist. F:

E wünscht von der Bank B ein Darlehen, als Sicherheit dafür soll er der B eine Grundschuld an seinem Grundstück bestellen. Wann erwirbt die B diese Grundschuld, wenn die Einigung am 15.12. und die Eintragung ins Grundbuch am 5.1. erfolgen, das Darlehen am 10.1. ausgezahlt wird?

338

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Grundschuld

Die B erwirbt die Grundschuld am 5.1., da die Grundschuld, auch wenn sie wirtschaftlich der Sicherung einer Forderung dienen soll, der Forderung nicht akzessorisch ist.

14.

Somit hängt zwar nicht der Bestand der Grundschuld vom Bestehen einer Forderung ab, doch kann zwischen dem Grundschuldgläubiger und dem Eigentümer vereinbart werden, daß die Grundschuld ihren Rechtsgrund im Bestehen einer Forderung haben soll. Eine solche Grundschuld wird als Sicherungsgrundschuld bezeichnet. Fehlt dann die in der Vereinbarung vorausgesetzte Forderung, so besteht die Grundschuld zwar fort, der Eigentümer kann jedoch vom Gläubiger gemäß § 812 BGB ihre Herausgabe in der Form der Übertragung verlangen; sie wird danach zur Eigentümergrundschuld. F l : E hat dem G als Sicherheit für ein von G erhaltenes Darlehen eine Grundschuld an seinem Grundstück bestellt. In welcher Weise wird die Grundschuld des E berührt, wenn der Darlehensvertrag von E wegen arglistiger Täuschung durch G wirksam angefochten wird?

F 2: Welche Rechtslage bestünde, wenn E dem G statt der Grundschuld eine Hypothek bestellt hätte?

339

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte

Grundschuld

A 1: Die Grundschuld besteht fort; E kann jedoch von G gemäß § 812 BGB ihre Übertragung verlangen. A 2: Mit Wegfall der Forderung hätte sich die Hypothek kraft Gesetzes in eine verdeckte Eigentümergrundschuld verwandelt (vgl. oben Kap. XIII, 11).

15. Auf die Grundschuld sind die Vorschriften über die Hypothek entsprechend anwendbar, § 1192 Abs. 1 BGB. So kann z.B. die Grundschuld als eine Briefgrundschuld oder Buchgrundschuld bestellt werden. Von der Geltung des Hypothekenrechts für die Grundschuld ausgenommen sind gemäß § 1192 Abs. 1 BGB nur diejenigen Vorschriften, die auf der Akzessorietät der Hypothek beruhen. Außerdem kann gemäß § 1198 BGB die Grundschuld durch Einigung und Eintragung in eine Hypothek umgewandelt werden; ebenso kann eine Hypothek in eine Grundschuld umgewandelt werden. F:

In welcher Weise kann nach § 1154 BGB die Übertragung einer Grundschuld erfolgen, da § 1153 BGB, der Akzessorietät voraussetzt, gemäß § 1192 Abs. 1 BGB für sie nicht gilt?

340

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Einwendungen

Die Übertragung der Grundschuld erfolgt gemäß § 1192 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung des § 1154 BGB: Das bedeutet, daß eine Buchgrundschuld durch Einigung und Eintragung im Grundbuch, eine Briefgrundschuld durch Einigung und Briefübergabe übertragen wird.

16. Bei Geltendmachung der Grundschuld ist für die Verteidigungsmöglichkeiten des Eigentümers (wie bei der Hypothek, vgl. oben Kap. XIII, 2 - 6 ) zu unterscheiden, ob die Grundschuld vom ursprünglichen Gläubiger oder von einem späteren Erwerber geltend gemacht wird. Dem ursprünglichen Gläubiger kann der Eigentümer Einwendungen und Einreden gegen die Grundschuld entgegenhalten, z.B. die fehlende Übergabe des Grundschuldbriefes oder die Abrede einer Stundung. Ferner kann der Eigentümer dem ursprünglichen Gläubiger Einreden aus dem persönlichen Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Gläubiger entgegensetzen, z.B. die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung des Gläubigers, wenn die als Rechtsgrund für die Grundschuld vereinbarte Forderung nicht entstanden ist (vgl. oben Ziff. 14), §§ 1192 Abs. 1, 1157 S. 1 BGB. F:

Zur Sicherung eines demnächst auszuzahlenden Darlehens hat E dem G eine Grundschuld bestellt. G wird mit der Auszahlung des Darlehens säumig, will aber seinerseits aus der Grundschuld gegen den E vorgehen. Kann sich E hiergegen wehren?

341

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Einwendungen

Ja, da E aus dem persönlichen Rechtsverhältnis mit G die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung des G erheben kann.

17.

Dem späteren Erwerber der Grundschuld kann der Eigentümer von den Verteidigungsmöglichkeiten gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger nur solche Einwendungen und Einreden entgegensetzen, bezüglich deren der neue Gläubiger beim Erwerb der Grundschuld bösgläubig war, §§ 1192 Abs. 1, 1157 BGB. Ferner können im persönlichen Rechtsverhältnis zwischen dem späteren Erwerber und dem Eigentümer neue Verteidigungsmöglichkeiten begründet werden, z.B. wenn der spätere Erwerber dem Eigentümer Stundung der Grundschuld bewilligt. F:

Der G hat dem E ein Darlehen gewährt und sich ihm gegenüber verpflichtet, aus einer von E dem G bestellten Grundschuld erst zwei Monate nach deren Fälligkeit vorzugehen. Kann E diese Vereinbarung auch dem D entgegenhalten, der die Grundschuld von G erworben hat und von der Stundungsabrede zwischen E und G wußte?

342

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Tilgung

Ja, da D im Hinblick auf die Stundungseinrede gegenüber der Grundschuld bösgläubig war, §§ 1192 Abs. 1 , 1 1 5 7 BGB.

18. Eine nach § 1192 Abs. 1 BGB offene Frage ist, ob bei Tilgung der Grundschuld durch den Eigentümer für diesen eine verdeckte Eigentümergrundschuld entsteht oder ob die Grundschuld erlischt (und damit die nachfolgenden Berechtigten im Rang aufrücken): § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB, der bei der Hypothek im Tilgungsfalle die Umwandlung in eine verdeckte Eigentümergrundschuld bewirkt (vgl. oben Kap. XIII, 10) setzt Akzessorietät voraus und ist deshalb auf die Grundschuld nicht anwendbar. — Nach herrschender Meinung entsteht aber in analoger Anwendung des § 1143 Abs. 1 BGB für den die Grundschuld tilgenden Eigentümer eine verdeckte Eigentümergrundschuld, so daß ihm die Rangstelle der Grundschuld erhalten bleibt. F:

Das Grundstück des E ist an erster Stelle mit einer Grundschuld in Höhe von 10 000.— DM zugunsten der B belastet; an zweiter Stelle steht eine Hypothek in Höhe von 30 000.— DM zugunsten des G. E fragt an, ob er, wenn er die 10 000.— DM an die B gezahlt hat, an erster Rangstelle für ein von X erhaltenes Darlehen eine Hypothek zugunsten des X in Höhe von 10 0 0 0 . - DM bestellen kann oder ob dann G an die erste Rangstelle gerückt ist?

343

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Eigentümergrundschuld

Mit Zahlung der 10 0 0 0 . - DM an die B ist für E analog § 1143 Abs. 1 BGB eine verdeckte Eigentümergrundschuld an erster Rangstelle entstanden, die er gemäß § 1198 BGB in eine Hypothek zugunsten des X umwandeln kann. Die Hypothek des G bleibt an zweiter Rangstelle.

§1196

19.

Als Sonderform der Grundschuld kennt § 1196 BGB die Eigentümergrundschuld. Sie wird rechtsgeschäftlich durch einseitige Erklärung des Eigentümers und Eintragung im Grundbuch bestellt. (Zur gesetzlichen Entstehung der verdeckten Eigentümergrundschuld vgl. oben Ziff. 18 und Kap. XIII, 11). - Bei Übertragung der Eigentümergrundschuld auf einen Dritten wandelt sie sich in entsprechender Anwendung des § 1198 BGB in eine Fremdgrundschuld um. Der wirtschaftliche Vorzug der Eigentümergrundschuld besteht darin, daß sie die von ihr eingenommene Rangposition dem Eigentümer erhält. Jedoch ist dem Eigentümer gemäß § 1197 Abs. 1 BGB die Zwangsvollstreckung in das eigene Grundstück verwehrt, damit nicht auf diesem Wege nachrangige Gläubiger benachteiligt werden. F:

E hat sich an seinem Grundstück an erster Rangstelle eine Eigentümergrundschuld in Höhe von 20 000.— DM bestellt; an zweiter Rangstelle steht eine Hypothek zugunsten des A in Höhe von 30 0 0 0 . - DM. a) Kann E seine Eigentümergrundschuld auf den D übertragen?

b) Verändert sich im Falle einer Übertragung der Eigentümergrundschuld auf D die Rangposition des Hypothekengläubigers A?

344

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

20.

Rentenschuld

a) Ja, E kann die Eigentümergrundschuld auf D übertragen; sie wandelt sich in entsprechender Anwendung des § 1198 BGB dann in eine Fremdgrundschuld um. b) Nein; die Rangposition des A wird durch die Umwandlung der Eigentümergrundschuld des E in eine Fremdgrundschuld des D nicht verändert.

§1199

Eine weitere Sonderform der Grundschuld ist die Rentenschuld. Bei ihr haftet gemäß § 1199 Abs. 1 BGB das Grundstück dem Gläubiger für Geldbeträge, die zu regelmäßig wiederkehrenden Terminen zu zahlen sind. Auf die einzelnen Rentenzahlungen finden die Vorschriften über Hypothekenzinsen entsprechende Anwendung, § 1200 Abs. 1 BGB. F:

Die Witwe G veräußert ihr Grundstück an den S. Anstelle einer einmaligen Kaufpreiszahlung wünscht die G von S eine Leibrente (gemäß §§ 759 ff. BGB) zu erhalten. Wie können die Leibrentenansprüche der G dinglich gesichert werden?

345

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Rentenschuld

Die Ansprüche der G können durch Bestellung einer Rentenschuld zugunsten der G am veräußerten Grundstück gesichert werden.

21. Die Rentenschuld unterscheidet sich von einer Tilgungshypothek (bei der Ratenzahlungen an den Gläubiger zu leisten sind) dadurch, daß die Rückzahlungsraten der Tilgungshypothek Teile eines von vornherein fixierten Kapitalbetrages darstellen, während bei der Rentenschuld die einzelnen Raten selbständig sind und sich nicht als Teile einer festgelegten Summe errechnen, sondern sich z.B. nach den jeweiligen Lebensjahren des Rentenberechtigten bestimmen. Allerdings muß gemäß §§ 1199 Abs. 2, 1201 Abs. 1 BGB schon bei Begründung einer Rentenschuld der Geldbetrag festgesetzt werden, durch dessen Zahlung der Eigentümer die Rentenschuld ablösen kann. Diese Ablösungssumme ist aber nicht Gegenstand der Grundstückshaftung, sondern nur eine dem Eigentümer eingeräumte Beendigungsmöglichkeit für die Rentenschuld. Macht er von ihr Gebrauch, so wirkt die Ablösung der Rentenschuld gemäß § 1200 Abs. 2 BGB wie die Tilgung einer Grundschuld (vgl. oben Ziff. 18). F:

Der S hat ein Grundstück erworben, an dem der Verkäuferin G eine Rentenschuld bestellt wurde. S veräußert das Grundstück an D weiter. Kann der neue Eigentümer D die dauernde Belastung seines Grundstücks mit der Rentenschuld auch gegen den Willen der G beseitigen?

346

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

Gemäß § 1201 Abs. 1 BGB kann D durch Zahlung der bei Begründung der Rentenschuld zwischen G und S festgelegten Ablösungssumme die Rentenschuld beseitigen.

22. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 334): a)

Bei der Gesamthypothek haften gemäß § 1132 BGB stücke derart, daß der belasteten Grundstücke für die Forderung haftet.

b)

Wird der Gläubiger einer Gesamthypothek im Wege der Zwangsvollstreckung in eines der Grundstücke befriedigt und gehören alle betroffenen Grundstücke einem Eigentümer, so gemäß § 1181 Abs. 2 BGB die Gesamthypothek an den

c)

Haben die mit der Gesamthypothek belasteten Grundstücke verschiedene Eigentümer und befriedigt einer von diesen den Gläubiger, so entsteht für diesen Eigentümer an seinem Grundstück eine ; an den anderen mit der Gesamthypothek belasteten Grundstükken die Belastung.

d)

Im Gegensatz zur Hypothek ist die Grundschuld gemäß § . . . . BGB vom Bestehen einer unabhängig.

e)

Auf die Grundschuld finden diejenigen Vorschriften über die Anwendung, die nicht auf der dieses Grundpfandrechtes beruhen.

f)

Eine Sonderform der stimmt sich nach den §§

bis

Grund-

Abs.

ist die Rentenschuld; sie beBGB.

347

Kap. XIV. Die übrigen Grundpfandrechte A:

a) mehrere, jedes, ganze b) erlischt, anderen Grundstücken c) Eigentümergrundschuld, erlischt d) 1192, 1, Forderung e) Hypothek, Akzessorietät 0 Grundschuld, 1199, 1203.

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des vierzehnten Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 42—48 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 1 0 9 - 1 2 0 Besonders wichtig sind die Probleme der

Sicherungsgrundschuld

(hierzu Baur § 45 und Westermann § 116).

348

Kapitel XV ANDERE BESCHRÄNKT DINGLICHE R E C H T E AN GRUNDSTÜCKEN

Neben den bisher behandelten Grundpfandrechten als Verwertungsrechten gibt es an Grundstücken die Nutzungsrechte: So ermöglicht das Erbbaurecht, abweichend von § 946 BGB ein Bauwerk auf fremdem Grundstück zu errichten. Ferner gibt es als Nutzungsrechte an fremden Grundstücken die Dienstbarkeiten, von denen das BGB drei Arten kennt, die Grunddienstbarkeit, die beschränkt persönliche Dienstbarkeit und den Nießbrauch. — Die Reallast als beschränkt dingliches Recht ist den Nutzungsrechten vergleichbar. Eine Sonderform der Grundstücksbelastung bildet das dingliche Vorkaufsrecht, das dem Vorkaufsberechtigten beim Verkauf eines Grundstücks gestattet, in die Rechte und Pflichten des Käufers einzutreten.

Übersicht: Das Erbbaurecht Die Grunddienstbarkeit Die beschränkt persönliche Dienstbarkeit Der Nießbrauch Die Reallast Das dingliche Vorkaufsrecht Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1—7 8—14 15—16 17-19 20 21 —24 25

349

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte

1.

Erbbaurecht

§§ 1, 12 ErbbauVO

Als Erbbaurecht bezeichnet man das Recht, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu haben. Anlaß für die Bestellung eines Erbbaurechtes besteht in erster Linie dann, wenn ein Bauwilliger den Kaufpreis für ein Grundstück nicht bezahlen kann, oder wenn der Grundeigentümer sein Grundstück nicht veräußern will, aber gegen eine Bebauung nichts einzuwenden hat. Gesetzliche Grundlage des Erbbaurechtes ist - anstelle der §§ 1012 ff. BGB — die Erbbaurechtsverordnung (im Schönfelder unter Nr. 41); in § 1 Abs. 1 ErbbauVO steht die oben gegebene Definition des Erbbaurechts. Das aufgrund des Erbbaurechtes errichtete Bauwerk, z.B. ein Haus oder auch eine Gleisanlage, wird - abweichend von § 946 BGB (vgl. oben Kap. IX, 3) - für die Dauer des Erbbaurechtes nicht Eigentum des Grundstückseigentümers. Dies ergibt sich daraus, daß das Bauwerk gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 ErbbauVO nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, sondern wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechtes ist. — Erst nach Beendigung des Erbbaurechtes gilt für das Bauwerk wieder die Regel des § 946 BGB, § 12 Abs. 3 ErbbauVO. F:

Der A hat aufgrund seines Erbbaurechtes ein Haus auf dem Grundstück des E errichtet. Kann A, der das Erbbaurecht behalten möchte, dieses Haus an den D veräußern? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

350

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte

Erbbaurecht

A:

Nein; da das Haus gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 ErbbauVO wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechtes ist, kann A nicht das Haus allein (sondern das Erbbaurecht) auf den D übertragen.

2.

§§ 11, 14 ErbbauVO

Das Erbbaurecht ist ein grundeigentumsgleiches Recht. Deshalb wird gemäß § 14 ErbbauVO für das Erbbaurecht ein besonderes Grundbuchblatt, das sog. Erbbaugrundbuch angelegt. Das Erbbaurecht ist gemäß § 1 Abs. 1 ErbbauVO übertragbar und vererblich\ ferner ist es mit beschränkt dinglichen Rechten, z.B. Hypotheken, belastbar, §§ 18 ff. ErbbauVO. Geschützt wird das Erbbaurecht nach § 11 Abs. 1 S. 1 ErbbauVO ebenso wie das Eigentum. F:

Welchen Anspruch kann der Erbbauberechtigte geltend machen, wenn er in der Benutzung seines aufgrund Erbbaurechtes errichteten Hauses durch Lärm vom Nachbargrundstück gestört wird?

351

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Erbbaurecht

Da das Erbbaurecht wie das Eigentum geschützt wird, kann er gemäß §§ 11 Abs. 1 ErbbauVO, 1004 BGB den Störungsfreiheitsanspruch des Eigentümers (vgl. oben Kap. VI) geltend machen.

3.

Das Erbbaurecht wird gemäß §§ 11 Abs. 1 ErbbauVO, 873 BGB durch die Einigung des Grundstückseigentümers mit dem Erbbauberechtigten und dessen Eintragung im Grundbuchblatt des zu belastenden Grundstücks bestellt. Das Erbbaurecht kann gemäß § 10 Abs. 1 ErbbauVO auf dem belasteten Grundstück nur erstrangig bestellt werden. — Die Anlegung des Erbbaugrundbuchs (vgl. oben Ziff. 2) ist kein Tatbestandselement der Erbbaurechtsbestellung, sondern folgt ihr nach. Das der Erbbaurechtsbestellung zugrunde liegende Kausalgeschäft bedarf gemäß §§11 Abs. 2 ErbbauVO, 313 BGB der notariellen Beurkundung. F 1: Bedarf die zur Erbbaurechtsbestellung erforderliche Einigung einer bestimmten Form a) nach ErbbauVO und BGB,

b) nach §§ 20 und 29 GBO?

F 2: Das Grundstück des E ist erstrangig mit einer Hypothek zugunsten des G belastet. Was müßte geschehen, wenn E dem A ein Erbbaurecht an diesem Grundstück bestellen will?

352

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte

Erbbaurecht

A I : a) Nein; die Formvorschrift über Auflassungen in § 925 BGB ist durch § 11 Abs. 1 ErbbauVO ausdrücklich ausgenommen, b) Ja; gemäß § 20 GBO muß die Einigung (anstelle der Eintragungsbewflligung, vgl. oben Kap. XI, 16) dem Grundbuchamt nachgewiesen werden und deshalb die Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO gewahrt sein. A 2: E müßte bewirken, daß die erste Rangstelle für das Erbbaurecht frei wird. Dies könnte dadurch geschehen, daß er die Hypothek des G ablöst oder daß sich G bereit erklärt, im Rang gegenüber A zurückzutreten (vgl. oben Kap. X, 9). — Sodann müssen sich E und A über die Erbbaurechtsbestellung einigen, und das Erbbaurecht muß auf dem Grundbuchblatt für das Grundstück des E eingetragen werden.

4.

§ 9 ErbbauVO

Als E n t g e l t f ü r die Bestellung des E r b b a u r e c h t e s k a n n d e r G r u n d stückseigentümer m i t d e m E r b b a u b e r e c h t i g t e n w i e d e r k e h r e n d e Leis t u n g e n , d e n sog. Erbbauzins, vereinbaren, § 9 Abs. 1 E r b b a u V O . — Dieser E r b b a u z i n s ist wegen seiner r a t e n w e i s e n Z a h l u n g e n leichter als ein K a u f p r e i s a u f z u b r i n g e n , so d a ß k a p i t a l s c h w a c h e Bauwillige auf diese Weise begünstigt w e r d e n . F:

Ist gesetzlich vorgeschrieben, daß für die Bestellung des Erbbaurechtes ein Erbbauzins gezahlt werden muß?

353

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte

Erbbaurecht

A:

Nein; es können auch andere oder gar keine Gegenleistungen vorgesehen werden.

5.

§§ 2 6 , 2 7 Abs. 1 ErbbauVO

Das Erbbaurecht endet mit Ablauf der vereinbarten Dauer, § 27 Abs. 1 S. 1 ErbbauVO. Gesetzlich ist eine Befristung des Erbbaurechts nicht vorgesehen. Ferner endet das Erbbaurecht durch rechtsgeschäftliche Aufhebung; sie erfolgt gemäß §§ 875 BGB, 26 S. 1 ErbbauVO durch Aufhebungserklärung des Erbbauberechtigten, die der Zustimmung des Grundeigentümers bedarf, und Löschung des Erbbaurechts im Grundbuch. Wird bei Bestellung des Erbbaurechts ein sog. Heimfall vereinbart, so bedeutet das, daß bei Eintritt seiner Voraussetzungen der Erbbauberechtigte gemäß § 2 Ziff. 4 ErbbauVO verpflichtet ist, an der Aufhebung des Erbbaurechts mitzuwirken. Als Heimfallgrund kann z.B. Zahlungsverzug des Erbbauberechtigten vorgesehen werden. F:

Der Grundeigentümer E hat an seinem Grundstück dem B ein Erbbaurecht bestellt. Nach 99 Jahren verlangen die Erben des E von den Erben des B die Aufhebung des Erbbaurechts, weil Erbbaurechte nicht länger als 99 Jahre bestehen könnten. Mit Recht?

354

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte

Erbbaurecht

A:

Nein; eine gesetzliche Begrenzung des Erbbaurechts auf 99 Jahre besteht im geltenden Recht nicht.

6.

§ 3 4 ErbbauVO

Bei Beendigung des Erbbaurechts m u ß das Bauwerk in seinem Zustand belassen werden, § 3 4 ErbbauVO. Es geht so in das Eigentum des Grundstückseigentümers über, § 12 Abs. 3 ErbbauVO. F:

Darf der Erbbauberechtigte, wenn er wegen Beendigung des Erbbaurechts aus dem von ihm erbauten Haus auszieht, die Gardinen mitnehmen?

355

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Erbbaurecht

Ja, da sie nicht Bestandteile des Bauwerks sind.

7. Wegen seiner Investitionen hat der Erbbauberechtigte gegen den Grundeigentümer bei Beendigung des Erbbaurechtes durch Zeitablauf einen Entschädigungsanspruch, für den das Grundstück erstrangig haftet, §§ 27, 28 ErbbauVO. Bei Beendigung des Erbbaurechtes aufgrund Heimfalls hat der Grundeigentümer dem Erbbauberechtigten eine (dinglich nicht gesicherte) Vergütung zu leisten, § 32 Erbbau VO. F:

Der G hat in Ausübung seines für die Dauer von 50 Jahren bestellten Erbbaurechtes auf dem Grundstück des E, das mit einer Hypothek zugunsten des D belastet ist, ein Haus erbaut. In welchem Rangverhältnis stehen nach 50 Jahren die Hypothek des D und die Entschädigungsforderung des G zueinander?

356

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Das Grundstück des E haftet für die Entschädigungsforderung des G erstrangig, §§ 27 Abs. 1, 28 ErbbauVO.

Wiederholungsfragen: a)

Das in Ausübung des Erbbaurechtes errichtete Gebäude wird nicht wesentlicher Bestandteil des sondern des -

b)

Das Erbbaurecht wird gemäß §§ . . Abs. durch Einigung und Eintragung bestellt.

c)

Da das Erbbaurecht ein grundeigentumsgleiches Recht ist, wird bei seiner Bestellung ein angelegt.

d)

Als Entgelt für die Bestellung des Erbbaurechtes kann die Zahlung eines vereinbart werden.

e)

Wenn aus vereinbarten Gründen (ohne Rücksicht auf Zeitablauf) eine Übertragung des Erbbaurechtes auf den Grundeigentümer erfolgen soll, bezeichnet man dies als

.

ErbbauVO,

. . .

BGB

357

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

8.

Grunddienstbarkeit

a) Grundstücks, Erbbaurechtes b) 1 1 , 1 , 8 7 3 c) Erbbaugrundbuch d) Erbbauzinses e) Heimfall

§ 1018

Als Dienstbarkeiten an fremden Grundstücken kennt das BGB die Grunddienstbarkeit, die beschränkt persönliche Dienstbarkeit und den Nießbrauch.

Durch die Grunddienstbarkeit wird ein Grundstück, das sog. dienende Grundstück, belastet zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks, des sog. herrschenden Grundstücks.— Inhalt einer Grunddienstbarkeit können gemäß § 1018 BGB drei Befugnisse sein: a) Die Grunddienstbarkeit berechtigt den jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks, das dienende Grundstück in bestimmter Weise zu benutzen, z.B. als Zufahrt. b) Ferner kann die Grunddienstbarkeit beinhalten, daß auf dem dienenden Grundstück bestimmte Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen, z.B. das Verbauen der Aussicht für das herrschende Grundstück. c) Schließlich kann im Wege der Grunddienstbarkeit für den Eigentümer des dienenden Grundstücks die Ausübung von Eigentümerbefugnissen beschränkt werden, z.B. das Recht auf Abwehr von Immissionen, die vom herrschenden Grundstück ausgehen. F:

Müssen das herrschende und das dienende Grundstück benachbart sein?

358

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Grunddienstbarkeit

Nein, sofern die vorgenannten Tatbestandsmerkmale auch bei nicht benachbarten Grundstücken erfüllt sein können.

9.

Die Grunddienstbarkeit kann nur unmittelbar aus dem Eigentum am belasteten Grundstück hergeleitete Nutzungsweisen oder deren Ausschließung zum Gegenstand haben, z.B. auf einem Grundstück keine Gaststätte zu betreiben. Darüber hinausgehende Spezifikationen der Nutzungsweise sind nicht mehr unmittelbar aus dem Grundstückseigentum hergeleitet und können deshalb nicht in Form einer Grunddienstbarkeit festgelegt werden, z.B. das Gebot, in einer Gaststätte nur bestimmte Biersorten zu vertreiben. F:

Kann die Mineralölgesellschaft G, die auf ihrem Grundstück eine Tankstelle betreibt, zugunsten ihres Grundstücks auf einem dem E gehörenden Nachbargrundstück die Grunddienstbarkeit bestellen lassen, daß dort keine Tankstelle errichtet werden darf?

359

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

10.

Grunddienstbarkeit

Ja, da sich die Nutzung eines Grundstücks durch Betreiben einer Tankstelle als Teil der Grundeigentümerberechtigung darstellt.

§ 1019

Die Grunddienstbarkeit als Belastung des dienenden Grundstücks muß ferner gemäß § 1019 BGB für die Benutzung des herrschenden Grundstücks vorteilhaft sein. Der Vorteil darf also nicht nur für den gegenwärtigen Eigentümer des herrschenden Grundstücks bestehen. Der Vorteil kann beliebiger, z.B. wirtschaftlicher oder ästhetischer Natur sein. F:

E, der gegenwärtige Eigentümer eines Grundstücks, ist blind. Kann er auf dem Nachbargrundstück des X eine Grunddienstbarkeit des Inhalts bestellen, daß durch die dortige Bebauung die Aussicht vom Grundstück des E auf den nahegelegenen See nicht beeinträchtigt werden darf?

360

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

G runddienstbarkeit

Ja, weil das Vorhandensein einer unverbauten Aussicht generell als Vorteil eines Grundstücks anzusehen ist. Daß der gegenwärtige Eigentümer davon keinen Gebrauch machen kann, ist für die Zulässigkeit der Grunddienstbarkeit unerheblich.

11. Bestellung und Übertragung der Grunddienstbarkeit vollziehen sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 873 ff. BGB durch Einigung und Eintragung. Eingetragen wird die Grunddienstbarkeit beim belasteten Grundstück. — Die Aufhebung der Grunddienstbarkeit erfolgt gemäß § 875 BGB durch Aufgabeerklärung des Berechtigten und Löschung im Grundbuch. F:

Bedarf die Einigung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit der notariellen Beurkundung a) nach BGB,

b) nach der GBO?

361

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Grunddienstbarkeit

a) Nein, da diese Form in § 873 Abs. 1 BGB nicht vorgeschrieben ist. b) Nein; die GBO verlangt nur die Vorlage einer Eintragungsbewilligung des Eigentümers des belasteten Grundstücks, für die nach § 29 Abs. 1 S. 1 GBO öffentliche Beglaubigung genügt (vgl. oben Kap. XI, 10 und 14).

12. Möglich ist auch die Bestellung einer Eigentümergrunddienstbarkeit, wenn das herrschende und das dienende Grundstück derselben Person gehören. — Mit der Veräußerung eines der beiden Grundstücke wandelt sich die Eigentümergrunddienstbarkeit ohne weiteres in eine normale Grunddienstbarkeit um. So bietet die Eigentümergrunddienstbarkeit den Vorteil, für den Fall einer Veräußerung des dienenden Grundstücks dessen späterem Erwerber bestimmte Nutzungsweisen schon vorher zu untersagen oder aufzuerlegen, z.B. keinen Gewerbebetrieb einzurichten. F:

Die Siedlungsgesellschaft S will einen großen Teil der ihr gehörenden Grundfläche zu Siedlungszwecken aufteilen und dann veräußern. Wie kann die S mit dem Mittel der Eigentümergrunddienstbarkeit erreichen, daß auf den veräußerten Grundstücken später nur Häuser in einer bestimmten Höhe gebaut werden?

362

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

13.

Grunddienstbarkeit

Die S muß an jedem zur Veräußerung bestimmten Grundstück zugunsten eines ihr verbleibenden Grundstücks Eigentümergrunddienstbarkeiten des Inhalts eintragen lassen, daß auf dem belasteten Grundstück nur in bestimmter Höhe gebaut werden darf. Diese Grunddienstbarkeiten binden nach der Veräußerung die Erwerber der Grundstücke.

§ 1027

Wird der Inhaber einer Grunddienstbarkeit in deren Ausübung behindert, so stehen ihm gemäß § 1027 BGB gegen den Störer die Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche des § 1004 BGB zu (vgl. oben Kap. VI, 10-12). Durch § 1027 BGB wird die Grunddienstbarkeit als ein absolutes Recht anerkannt, so daß ihre Verletzung Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB auslösen kann. Außerdem ist § 1027 BGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, so daß auch auf dieser Grundlage Schadensersatzansprüche entstehen können. F:

Auf dem Grundstück des S ist zugunsten des Grundstücks des G eine Grunddienstbarkeit eingetragen, nach welcher auf dem Grundstück des S keine Tankstelle errichtet werden darf. Als der S das Grundstück an den X veräußert, baut dieser eine Tankstelle und nimmt sie in Betrieb. Welche Ansprüche kann G, der auf seinem Grundstück selbst eine Tankstelle betreibt, als Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegen den X erheben?

363

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

14.

Grunddienstbarkeit

G kann gemäß §§ 1027, 1004 BGB gegen X Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche geltend machen. Außerdem kann Schadensersatz nach § 823 BGB in Frage stehen.

§ 1029

Neben den Ansprüchen aus § 1027 BGB kann der Inhaber einer Grunddienstbarkeit gemäß § 1029 BGB auch Besitzschutz (vgl. oben Kap. II) geltend machen, wenn er die Dienstbarkeit innerhalb des letzten Jahres vor der Störung wenigstens einmal ausgeübt hat, z.B. den vereinbarten Weg benutzt hat. Dieser Besitzschutz bedeutet, daß an der Grunddienstbarkeit ein sog. Rechtsbesitz anerkannt wird (während sonst Besitz nur an Sachen möglich ist, vgl. oben Kap. I, 3). Auf diese Weise kann z.B. ein Wegerecht Besitzschutz erhalten, dessen einmalige Benutzung pro Jahr für einen Sachbesitz am Weg und entsprechenden Besitzschutz nicht genügen würde. F:

Welche Besitzschutzansprüche kann der Inhaber einer Grunddienstbarkeit gemäß § 1029 BGB geltend machen?

364

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Beschränkt pers. Dienstbarkeit

Das Selbsthilferecht gemäß § 859 BGB sowie die Ansprüche wegen Besitzentziehung nach § 861 BGB und wegen Besitzstörung nach § 862 BGB (vgl. oben Kap. II, 6, 12 und 13).

15.

§ 1090

Neben der Grunddienstbarkeit gibt es die beschränkt Dienstbarkeit nach den §§ 1090 ff. BGB.

persönliche

Sie entspricht weitgehend der Grunddienstbarkeit; deshalb sind die meisten Vorschriften über die Grunddienstbarkeit entsprechend anzuwenden, § 1090 Abs. 2 BGB. — Im Unterschied zur Grunddienstbarkeit ist jedoch der Berechtigte hier eine bestimmte Person und nicht der jeweilige Eigentümer eines anderen Grundstücks, § 1090 Abs. 1 BGB. Demgemäß bestimmt sich der Inhalt der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nach den persönlichen Interessen des Berechtigten, § 1091 BGB. F:

Für den Grundstückseigentümer A ist am Nachbargrundstück des B ein Wegerecht als beschränkt persönliche Dienstbarkeit bestellt worden. Der A veräußert sein Grundstück an den C. Ist damit der C Wegeberechtigter geworden?

365

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

16.

Beschränkt pers. Dienstbarkeit

Nein; Wegeberechtigter bleibt der A, da bei der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit die Berechtigung nicht an das Grundeigentum, sondern an die Person gebunden ist.

§ 1092

Die beschränkt persönliche Dienstbarkeit ist, im Unterschied zur Grunddienstbarkeit, grundsätzlich unübertragbar und unvererblich, § 1092 Abs. 1 S. 1 BGB und §§ 1090 Abs. 2, 1061 BGB. Ist jedoch eine juristische Person Berechtigter der Dienstbarkeit und geht das Vermögen oder das durch die Dienstbarkeit begünstigte Unternehmen der juristischen Person auf einen anderen über, z.B. durch Fusion mit einer anderen juristischen Person, so kann auch die beschränkt persönliche Dienstbarkeit auf den neuen Betriebsinhaber Übergehen, §§ 1092 Abs. 2, 1059 a BGB. F 1: Der Grundstückseigentümer E hat an seinem Grundstück für den A ein Kiesausbeutungsrecht als beschränkt persönliche Dienstbarkeit bestellt. Steht nach dem Tode des A das Ausbeutungsrecht dessen Alleinerben zu?

F 2 : Wenn das Kiesausbeutungsrecht am Grundstück des E nicht dem A, sondern einer AG zusteht, die sich aus Gründen des Wettbewerbs mit einer anderen AG zusammenschließt, kann dann das Nachfolgeunternehmen von dem Ausbeutungsrecht Gebrauch machen?

366

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A I : Nein, da gemäß §§ 1090 Abs. 2, 1061 BGB die beschränkt persönliche Dienstbarkeit nicht vererblich ist A 2: Ja, da gemäß §§ 1092 Abs. 2, 1059 a Ziff. 1 BGB die beschränkt persönliche Dienstbarkeit auf das neue Unternehmen übergehen kann.

Wiederholungsfragen: a)

Der Unterschied zwischen einer Grunddienstbarkeit und einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit besteht darin, daß die Belastung eines Grundstücks im ersten Falle zugunsten eines jeweiligen , im zweiten Falle zugunsten einer bestimmten besteht.

b)

Die Übertragbarkeit beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten ist grundsätzlich Eine Ausnahme gilt gemäß § § . . . . Abs.. , BGB für die einer zustehenden beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten.

c)

Der Tankwart S erhält von der Mineralölgesellschaft G ein Darlehen zur Errichtung einer Tankstelle auf seinem Grundstück. Dafür verlangt die G von ihm die Bestellung einer Dienstbarkeit des Inhalts, daß S auf seinem Grundstück nur die Erzeugnisse der G verkaufen werde. Ist dies in Form einer Grunddienstbarkeit oder einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit möglich?

367

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Nießbrauch

a) Grundstückseigentümers, Person b) ausgeschlossen, 1092, 2, 1059 a juristischen Person c) Im Wege der Grunddienstbarkeit kann die Vertriebsbindung nicht begründet werden, weil es sich bei der Auswahl der zu vertreibenden Erzeugnisse nicht um eine unmittelbar aus dem Grundeigentum hergeleitete Befugnis handelt (vgl. oben Ziff. 9). Die beschränkt persönliche Dienstbarkeit unterscheidet sich in diesem Punkt nicht von der Grunddienstbarkeit (vgl. oben Ziff. 15), so daß für sie dasselbe gilt.

17.

§ 1030

Als dritte F o r m der Dienstbarkeit kennt das BGB den

Nießbrauch.

Wirtschaftliche Bedeutung hat der Nießbrauch z.B., wenn jemand erreichen möchte, daß nach seinem Tode sein Grundvermögen den Kindern gehört, der überlebende Ehegatte jedoch auf Lebenszeit aus diesem Grundvermögen versorgt werden soll. Hier kann ein Nießbrauch bestellt werden, der gestattet, ohne Verbrauch der Vermögenssubstanz die Vermögensnutzungen zu ziehen. Mit Bestellung des Nießbrauchs durch Einigung und Eintragung wird eine bestimmte Person, der Nießbraucher, berechtigt, die Nutzungen des belasteten Grundstücks zu ziehen, §§ 1030 Abs. 1, 873 BGB. Grundsätzlich umfaßt der Nießbrauch alle Nutzungen im Sinne des § 100 BGB; (er kann insoweit als eine „unbeschränkte persönliche Dienstbarkeit" aufgefaßt werden). Einzelne Nutzungsweisen können jedoch dem Nießbraucher bei der Nießbrauchbestellung verschlossen werden, § 1030 Abs. 2 BGB. F:

Dem G ist am Grundstück des E ein unbeschränkter Nießbrauch bestellt worden. Kann der G a) das Haus selbst bewohnen, b) das Haus vermieten oder verpachten, c) das Haus veräußern?

368

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

18.

Nießbrauch

Der G kann a) das Haus durch Bewohnen selbst nutzen, b) das Haus in der Weise nutzen, daß er die Erträge aus Vermietung oder Verpachtung zieht. c) Zur Veräußerung des Hauses ist der Nießbraucher nicht berechtigt; der Veräußerungserlös ist keine Nutzung der Sache.

§ 1059

Der Nießbrauch ist unübertragbar und unvererblich, §§ 1059 S. 1, 1061 BGB. Jedoch kann die Ausübung des Nießbrauchs einem anderen überlassen werden, z.B. durch Verpachtung des Nießbrauchs, § 1059 S. 2 BGB. Ausnahmsweise ist (wie bei den beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten, vgl. oben Ziff. 16) nach den §§ 1059 a ff. BGB der einer juristischen Person zustehende Nießbrauch übertragbar, wenn deren Vermögen oder ein von der juristischen Person betriebenes Unternehmen, dem der Nießbrauch nützt, auf einen neuen Inhaber übergeht. F 1: Der Grundeigentümer E hat dem G an seinem Hausgrundstück einen Nießbrauch bestellt. Kann der G, wenn er in Geldschwierigkeiten gerät, den Nießbrauch an D veräußern?

F2:

Durch welches Rechtsgeschäft könnte G den D in die Lage versetzen, gegen Entgelt Nutzungen aus dem Hausgrundstück des E zu ziehen?

369

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte

Nießbrauch

A 1: Nein; nach § 1059 S. 1 BGB ist der Nießbrauch unübertragbar. A 2: Der G könnte dem D durch Pachtvertrag die Ausübung des Nießbrauchs überlassen, § 1059 S. 2 BGB.

19.

§§ 1036, 1037

Die Nutzungen des Grundstücks hat der Nießbraucher nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung zu ziehen. Eingriffe in die Substanz des Grundstücks muß er unterlassen, §§ 1036 Abs. 2, 1037 Abs. 1 BGB. Zieht der Nießbraucher Früchte, die den Rahmen einer ordnungsmäßigen Wirtschaftsführung übersteigen, sog. Übermaßfrüchte, so erwirbt er das Eigentum auch an diesen Früchten (nach § 954 BGB, vgl. oben Kap. IX, 16); er wird jedoch dem Grundstückseigentümer ersatzpflichtig, § 1039 Abs. 1 BGB. F:

Der E hat an seinem Grundstück, auf welchem ein Lichtspieltheater betrieben wird, dem A einen Nießbrauch bestellt. Darf der A wegen veränderter Wirtschaftslage von sich aus das Lichtspieltheater in einen Supermarkt umwandeln?

370

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

20.

Real last

Nein; ein derartiger Eingriff in die Substanz des Grundstücks ist ihm gemäß §§ 1036 Abs. 2, 1037 Abs. 1 BGB (auch bei wirtschaftlicher Nützlichkeit) verboten.

§1105

Als weitere F o r m eines auf Ertrag gerichteten Rechts am fremden Grundstück kennt das BGB die Reallast. Sie gewährt gemäß § 1105 Abs. 1 BGB ihrem Inhaber ein Recht auf wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück. Wirtschaftlich wird die Reallast heute meist nur noch bedeutsam, wenn sich ein Bauer auf das Altenteil zurückzieht und seine Versorgung aus den Hoferträgen sicherstellen will. Die Reallast wird durch Einigung und Eintragung bestellt. Sie kann sowohl zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks als auch zugunsten einer bestimmten Person bestellt werden, §§ 873 Abs. 1, 1105 Abs. 2 BGB. Der Ertragswert der Reallast wird durch eine Teilung des belasteten Grundstücks nicht verschlechtert, da die Eigentümer der neuen Grundstücke dem Berechtigten als Gesamtschuldner haften, § 1108 Abs. 2 BGB. F:

Dem Bauern B wurde, als er sich zugunsten seines Sohnes S von der Hofbewirtschaftung zurückzog, zur Altersversorgung von S am Hofgrundstück eine Reallast bestellt. Nach zwei Jahren teilt S wegen der schlechten Wirtschaftslage den Hof und veräußert ÄckeJ- an das Unternehmen F, die Wiesen an das Unternehmen G. Der S behält nur das Wohnhaus. Gegen wen kann B jetzt seine Ansprüche aus der Reallast geltend machen?

371

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

21.

Dingliches Vorkaufsrecht

B kann seine Ansprüche gemäß § 1108 Abs. 2 BGB gegen S, F und G als Gesamtschuldner erheben.

§ 1094

Ein weiterer T y p des b e s c h r ä n k t dinglichen R e c h t s ist das dingliche Vorkaufsrecht: Seine Bedeutung ergibt sich aus folgendem Sachverhalt: A möchte ein Grundstück erwerben, das E zur Zeit noch nicht veräußern will. Gegen ein Entgelt sichert jedoch der E dem A zu, daß er im Falle späteren Verkaufs bereit sei, mit ihm zu kontrahieren. Vor einer etwaigen Sinnesänderung des E schützt den A das Rechtsinstitut des Vorkaufsrechts. — Nach den §§ 24—26 Bundesbaugesetz (im Sartorius Nr. 300) haben die Gemeinden ein gesetzliches Vorkaufsrecht an Grundstücken, die für öffentliche Zwecke benötigt werden. Ein rechtsgeschäftliches V o r k a u f s r e c h t k a n n m i t obligatorischer Wirkung nach den §§ 5 0 4 f f . BGB an j e d e m G e g e n s t a n d , m i t dinglicher Wirkung n a c h den §§ 1 0 9 4 ff. BGB an G r u n d s t ü c k e n begründet w e r d e n . Das dingliche V o r k a u f s r e c h t an einem G r u n d s t ü c k wird d u r c h Einigung und Eintragung bestellt, §§ 1094 Abs. 1, 8 7 3 BGB. - Es k a n n sowohl z u g u n s t e n einer bestimmten Person als a u c h z u g u n s t e n des jeweiligen Eigentümers eines a n d e r e n G r u n d s t ü c k s begründet w e r d e n , § 1 0 9 4 Abs. 2 BGB. F:

Wie unterscheidet sich die Begründung eines obligatorischen Vorkaufsrechts von der Begründung eines dinglichen Vorkaufsrechts?

372

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Dingliches Vorkaufsrecht

Das obligatorische Vorkaufsrecht kommt allein durch vertragliche Einigung, das dingliche Vorkaufsrecht erst durch Einigung und Eintragung zustande, §§ 1094 Abs. 1, 873 BGB.

22.

§ 1097

Das dingliche Vorkaufsrecht gilt grundsätzlich nur für den ersten Verkaufsfall nach seiner Bestellung, § 1097 erster Halbsatz BGB. Wenn also der Vorkaufsberechtigte sein Recht beim ersten Verkauf nicht ausübt, kann er es beim Weiterverkauf durch den Erwerber nicht mehr geltend machen. Allerdings kann das dingliche Vorkaufsrecht durch entsprechende Einigung und Eintragung auch auf die Verkäufe durch spätere Eigentümer erstreckt werden, § 1097 zweiter Halbsatz BGB. F:

Der E bestellt ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Nachbargrundstücks, das zu dieser Zeit dem A gehört. A veräußert sein Grundstück an den B; E veräußert sein Grundstück zunächst an den F, dieser veräußert es an G weiter. Als G das Grundstück zu besonders günstigen Bedingungen an den H verkauft, möchte B das Vorkaufsrecht ausüben. G macht demgegenüber geltend, daß das Vorkaufsrecht wegen zweimaliger Nichtausübung inzwischen erloschen sei. Zu Recht? Grundstückseigentümer E

Vorkaufsberechtigter

A

H

373

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Dingliches Vorkaufsrecht

Nein; ein für alle Verkaufsfälle bestelltes dingliches Vorkaufsrecht kann auch nach zweimaligem Zwischenverkauf noch ausgeübt werden, § 1097 BGB. Da das Vorkaufsrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers bestellt ist, kann B es ausüben, § 1094 Abs. 2 BGB.

23.

§§ 1 0 9 8 , 5 0 5

V e r k a u f t der G r u n d e i g e n t ü m e r das m i t d i n g l i c h e m V o r k a u f s r e c h t belastete Grundstück an e i n e n anderen als d e n V o r k a u f s b e r e c h t i g t e n , d.h. an e i n e n D r i t t e n , s o k o m m t durch. Ausübung des Vorkaufsrechts der Kaufvertrag z w i s c h e n d e m V o r k a u f s b e r e c h t i g t e n u n d d e m Eigentümer m i t d e m g l e i c h e n Inhalt z u s t a n d e , w i e er v o m Eigentümer m i t d e m D r i t t e n vereinbart w u r d e , §§ 1 0 9 8 A b s . 1 S. 1, 5 0 5 A b s . 2 BGB. Vorkaufsberechtigter

iritter F:

Der Grundstückseigentümer E will dem A an seinem Grundstück ein Vorkaufsrecht des Inhalts bestellen, daß der A bei späterem Verkauf des Grundstücks durch E und Ausübung des Vorkaufsrechts durch A einen schon jetzt festgesetzten Kaufpreis bezahlen soll. Ist die Eintragung eines dinglichen Vorkaufsrechts mit diesem Inhalt möglich?

374

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Dingliches Vorkaufsrecht

Nein; gemäß §§ 1098 Abs. 1, 505 Abs. 2 BGB kommt bei Ausübung des Vorkaufsrechts der Kaufvertrag nur zu denjenigen Bedingungen zustande, die im Kaufvertrag zwischen dem Eigentümer und dem Dritten festgelegt sind. Demnach ergibt sich auch der Kaufpreis erst aus dem Vertrag des Eigentümers mit dem Dritten.

24.

Gegenüber dem Dritten wirkt das dingliche Vorkaufsrecht wie die Vormerkung eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung zugunsten des Vorkaufsberechtigten, § 1098 Abs. 2 BGB. (Zur Wirkung der Vormerkung vgl. oben Kap. X, 14). F:

Der E hat sein Grundstück, an welchem ein dingliches Vorkaufsrecht zugunsten des A besteht, an den D verkauft. A, der von dem Verkauf und seiner Abwicklung erst erfährt, als D bereits im Grundbuch eingetragen ist, möchte jetzt noch sein Vorkaufsrecht ausüben. Kann er das?

375

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

Ja; da das Vorkaufsrecht des A wie eine Vormerkung wirkt, ist die Eigentumsübertragung auf den D nach den §§ 1098 Abs. 2, 883 Abs. 2 BGB gegenüber dem A relativ unwirksam.

25. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 357 und 367): a)

Mit Beendigung des Erbbaurechtes wird der zum Eigentümer des vom Erbbauberechtigten errichteten Bauwerks, § 12 Abs. 3 ErbbauVO.

b)

Darf der Nießbraucher eines Hausgrundstücks entscheiden, wer nach dem Wegzug eines Mieters der neue Mieter werden soll oder steht diese Entscheidung dem Hauseigentümer zu?

c)

Die Reallast begründet ein Recht auf gen aus einem Grundstück.

d)

Das dingliche Vorkaufsrecht wirkt gegenüber einem Käufer wie eine . . . zugunsten des Vorkaufsberechtigten, § 1098 Abs. 2 BGB.

e)

Gemäß § 1094 Abs. 2 BGB kann das dingliche Vorkaufsrecht nicht nur zugunsten einer Person bestellt werden, sondern auch zugunsten des eines anderen Grundstücks.

Leistun-

376

Kap. XV. Andere Grundstücksrechte A:

a) Grundstückseigentümer b) Da die Entscheidung die Substanz des Grundstücks nicht berührt, steht sie dem Nießbraucher zu. c) wiederkehrende d) Vormerkung e) bestimmten, jeweiligen Eigentümers

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des fünfzehnten Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 21 B, 2 9 - 3 5 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 6 7 - 6 8 , 121—125. Besonders wichtig sind die Fragen des Erbbaurechts (hierzu Westermann, § 67 und BGHZ 4 7 , 1 9 0 ) und des Vorkaufsrechts (hierzu Westermann, § 125).

377

Kapitel XVI BESCHRÄNKT DINGLICHE RECHTE AN B E W E G L I C H E N SACHEN U N D AN R E C H T E N

Bisher wurden die beschränkt dinglichen Rechte an Grundstücken behandelt. Zwei dieser Rechte können auch an beweglichen Sachen und an Rechten begründet werden, das Pfandrecht und der Nießbrauch. Im folgenden Kapitel wird zunächst das Pfandrecht an beweglichen Sachen und an Rechten dargestellt, sodann der Nießbrauch an beweglichen Sachen und an Rechten.

Übersicht: Grundbegriffe und Bestellung des Mobiliarpfandrechts Rechte und Pflichten vor der Pfandreife Die Pfandverwertung Das gesetzliche Pfandrecht Das Pfandrecht an Rechten Nießbrauch an beweglichen Sachen und Rechten Zusammenfassung und Vertiefungshinweise

Information 1—5 6—7 8—11 12—13 14—16 17—18 19

378

Kap. XVI. Sonstige Belastungen

1.

Grundbegriffe

§ 1204

Das Pfandrecht an beweglichen Sachen, das sog. Mobiliarpfandrecht, gewährt — wie das Pfandrecht an Grundstücken — dem Pfandgläubiger das Recht, die verpfändete Sache unter bestimmten Voraussetzungen zu verwerten. Wie die Hypothek (vgl. oben Kap. XII, 2), so ist auch das Mobiliarpfandrecht gemäß § 1204 BGB akzessorisch, d.h. vom Bestehen der Forderung abhängig, die durch das Pfandrecht gesichert wird. — Im Unterschied zur Hypothek muß es sich aber bei der durch Mobiliarpfandrecht gesicherten Forderung nicht um eine Geldforderung handeln. F:

V hat dem K zur Sicherung seiner Lieferungsverpflichtung als Verkäufer ein Schmuckstück verpfändet. Besteht das Pfandrecht des K fort, nachdem V den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung durch K angefochten hat? (Bitte begründen Sie Ihre Antworten, soweit möglich mit Angabe von §§.)

379

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

Grundbegriffe

Nein; da das Mobiliarpfandrecht akzessorisch ist, kann es ohne die gesicherte Forderung nicht bestehen.

2. Das Mobiliarpfandrecht besteht zugunsten des Pfandgläubigers, zugleich Gläubiger der gesicherten Forderung sein muß.

der

Schuldner der gesicherten Forderung kann — wie bei der Hypothek (vgl. oben Kap. XII, 3) — eine andere Person sein als der Verpfänder. — Normalerweise ist beim rechtsgeschäftlichen Mobiliarpfandrecht der Verpfänder zugleich Eigentümer des Pfandes; jedoch kann auch die Verpfändung einer fremden Sache gültig sein. Beim Mobiliarpfandrecht stehen also auf der einen Seite in einer Person der Pfandgläubiger und Forderungsgläubiger, während auf der anderen Seite Sacheigentümer, Verpfänder und Forderungsschuldner drei Personen sein können. Pfandgläubiger + Forderungsgläubiger Eigentümer ~~ F:

Verpfänder

Forderungsschuldner

Wenn A dem B eine Sache des C zur Sicherung einer Werklohnforderung des X gegen den Y verpfändet, ist dann die Verpfändung gescheitert, D weil eine Werklohnforderung gesichert werden soll, weil das Pfand nicht dem A gehört, • Q weil B nicht Gläubiger der gesicherten Forderung ist? (Bitte kreuzen Sie die richtige Antwort an.)

380

Kap. XVI. Sonstige Belastungen

Pfandrechtsbestellung

A:

Die Verpfändung ist gescheitert, weil B nicht der Gläubiger der gesicherten Forderung ist.

3.

§ 1205

Das Mobiliarpfandrecht entsteht entweder als rechtsgeschäftliches oder als gesetzliches Pfandrecht. Das rechtsgeschäftliche Mobiliarpfandrecht entsteht gemäß § 1205 Abs. 1 S. 1 BGB durch Einigung zwischen dem Eigentümer und dem Pfandgläubiger und durch Übergabe des Pfandes. Das Übergabeerfordernis entfällt (wie auch bei der Übereignung, vgl. oben Kap. VII, 15), wenn der Pfandgläubiger bereits im Besitz des Pfandes ist, § 1205 Abs. 1 S. 2 BGB. F:

In welcher Weise kann der Eigentümer E dem P das Pfandrecht an einer Uhr bestellen, die er dem P einige Tage zuvor geliehen hat?

381

Kap. XVI. Sonstige Belastungen

Pf and r e c h t s b e s t e l I u ng

A:

Da P bereits im Besitz der Pfandsache ist, genügt zur Pfandrechtsbestellung die Einigung zwischen E und P, § 1205 Abs. 1 S. 2 BGB.

4.

§ 1206

Anstelle der Übertragung des unmittelbaren Alleinbesitzes genügt zur Pfandrechtsbestellung a) gemäß § 1206 erste Alternative BGB die Einräumung des unmittelbaren gesamthänderischen Mitbesitzes (vgl. oben Kap. I, 10) für den Pfandgläubiger, b) gemäß § 1206 zweite Alternative BGB die Begründung gemeinschaftlichen mittelbaren Besitzes für Pfandgläubiger und Eigentümer sowie c) nach § 1205 Abs. 2 BGB die Übertragung des mittelbaren Besitzes (gemäß § 870 BGB, vgl. oben Kap. III, 7) vom Eigentümer auf den Pfandgläubiger, wenn die Verpfändung dem unmittelbaren Besitzer angezeigt wird. F:

Kann eine Sache in der Weise verpfändet werden, daß die Einigung erfolgt und der Eigentümer als mittelbarer Besitzer dem Pfandgläubiger seinen Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer abtritt, wie dies bei einer Übereignung nach § 931 BGB möglich wäre?

382

Kap. XVI. Sonstige Belastungen

Pfandrechtsbestellung

A:

Nein; § 1205 Abs. 2 BGB verlangt in diesem Falle zusätzlich eine Anzeige an den unmittelbaren Besitzer.

5.

§ 1207

Ist der Verpfänder zur Verpfändung der Sache nicht berechtigt, insbesondere weil er nicht der Eigentümer ist, so kann der Pfandgläubiger gemäß § 1207 BGB das Pfandrecht gutgläubig erwerben, wenn die Sache nicht abhanden gekommen ist. Die „entsprechende" Anwendung des § 932 BGB, die in § 1207 BGB vorgesehen ist, bedeutet, daß für den gutgläubigen Pfandrechtserwerb eine gleichzeitige oder vorhergehende Übergabe des Pfandes durch den Verpfänder erforderlich ist; nach der Pfandrechtsregel des § 1206 BGB genügt auch die Einräumung gesamthänderischen Mitbesitzes. - Die „entsprechende" Anwendung des § 934 BGB bedeutet: Ein gutgläubiger Pfandrechtserwerb kann auch in der Weise erfolgen, daß dem Pfandgläubiger entweder wirklich bestehender mittelbarer Besitz des Verpfänders übertragen wird (verbunden mit einer Anzeige an den unmittelbaren Besitzer) oder daß der Pfandgläubiger an wirklich bestehendem mittelbarem Besitz des Verpfänders beteiligt wird. F:

Die A besitzt ein Schmuckstück, das ihr der E für eine Feier bis zum 16.3. geliehen hat. Kann die A am 1.4. den Schmuck dem P, der die A für die Eigentümerin hält, in der Weise verpfänden, daß sie sich mit P über die Pfandrechtsbestellung einigt und den Schmuck für P als mittelbaren Besitzer besitzen will?

383

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

Rechte und Pflichten

Nein; die Begründung mittelbaren Alleinbesitzes für den Pfandgläubiger reicht für einen gutgläubigen Pfandrechtserwerb nach § 1207 BGB nicht aus.

6. Die Pfandrechtsbestellung begründet ein gesetzliches zwischen dem Pfandgläubiger und dem Verpfänder.

Schuldverhältnis

Hierdurch wird der Pfandgläubiger verpflichtet, die Pfandsache zu verwahren und sorgfältig vor Schaden zu bewahren, §§ 1215, 1218 Abs. 2 BGB. — Außerdem muß er das Pfand, wenn es nicht zur Verwertung kommt, nach Erlöschen der gesicherten Forderung zurückgeben, § 1223 BGB. Berechtigt ist der Pfandgläubiger, Ersatz der Verwendungen zu fordern, die er auf die Pfandsache gemacht hat, § 1216 S. 1 BGB. — Zur Nutzung des Pfandes, z.B. durch Gebrauch der Sache, ist der Pfandgläubiger nur berechtigt, wenn dies vereinbart wurde, §§ 1213, 1214 BGB. F:

E hat dem P zur Sicherung einer Forderung des P in Höhe von 1 500.— DM drei Strandkörbe ab 1.4. für sechs Monate verpfändet. Der P vermietet, aufgrund entsprechender Abrede mit E, die Körbe und erzielt 900.— DM Reingewinn während der Saison. Wird dadurch die Belastung des E vermindert?

384

Kap. XVI. Sonstige Belastungen

Rechtsschutz

A:

Ja; gemäß § 1214 Abs. 2 BGB mindern sich Kosten, Zinsen und gesicherte Forderung um den Reingewinn.

7.

§ 1227

Dem Schutz des Pfandgläubigers dienen die Vorschriften über den Besitzschutz. Ist der Pfandgläubiger unmittelbarer Besitzer der Pfandsache, so greifen die §§ 859 ff. und 1007 BGB ein (vgl. Kap. II, 6 ff.); ist er mittelbarer Besitzer der Pfandsache, wird ihm Besitzschutz nach den §§ 869 und 1007 BGB gewährt (vgl. Kap. III, 12 ff.). Daneben ist dem Pfandgläubiger in § 1227 BGB auch Eigentümerschutz zugebilligt, also der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB und der Störungsfreiheitsanspruch nach § 1004 BGB. F:

Der Dieb D hat dem Pfandgläubiger P die Pfandsache entwendet. Welche sachenrechtlichen Ansprüche stehen dem P zur Verfugung, wenn er von D die Herausgabe der Sache verlangen will?

385

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

P kann Herausgabeansprüche gemäß § § 8 6 1 und 1007 BGB sowie gemäß §§ 1227,985 BGB geltend machen.

Wiederholungsfragen: a)

Wieviele Personen können am Pfandrechtsverhältnis im Höchstfalle beteiligt sein und wie werden sie bezeichnet auf der Gläubigerseite,

auf der Gegenseite?

b)

Unter welchen Voraussetzungen genügt die Begründung mittelbaren Besitzes für den Pfandgläubigeir zur Bestellung eines Pfandrechtes?

c)

Da, wenn der unmittelbare Besitz dem Verpfänder verbleiben soll, die Begründung mittelbaren Besitzes für den Pfandgläubiger zur Pfandrechtsbestellung nicht ausreicht, wurde aus den Bedürfnissen der Praxis ein Rechtsinstitut entwickelt, das durch Begründung mittelbaren Besitzes eine Sicherung bewirkt, während die Sache selbst dem unmittelbaren Besitzer verbleibt (vgl. oben Kap. VII, 19). Um welches Rechtsinstitut handelt es sich?

386

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

Verwertung

a) Auf der Gläubigerseite eine Person, der Pfand- und Forderungsgläubiger, auf der Gegenseite drei Personen, der Eigentümer, der Verpfänder, der Forderungsschuldner. b) Wenn der Verpfänder seinen mittelbaren Besitz auf den Pfandgläubiger überträgt und die Verpfändung dem unmittelbaren Besitzer angezeigt wird, § 1205 Abs. 2 BGB. c) Es handelt sich um die Sicherungsübereignung.

8. Die Verwertung des Pfandes erfolgt gemäß § 1228 Abs. 1 BGB durch Verkauf. Hierzu m u ß der verkaufsberechtigte Pfandgläubiger gemäß § 1 2 3 1 S. 1 BGB sich den unmittelbaren Alleinbesitz des Pfandes verschaffen. Die Verwertung des Pfandes ist erst zulässig, wenn die gesicherte Forderung fällig ist, § 1228 Abs. 2 S. 1 BGB; diesen Zeitpunkt bezeichnet man als Pfandreife. Der Pfandverkauf erfolgt gemäß § 1235 Abs. 1 BGB grundsätzlich im Wege der öffentlichen Versteigerung', dabei kommt der Kaufvertrag mit dem Erwerber gemäß § 156 S. 1 BGB durch den Zuschlag zustande. — Bei Pfändern mit einem Marktpreis ist auch ein freier Verkauf zum Marktpreis zulässig, § 1235 Abs. 2 BGB. — Besondere Verkaufsweisen können gemäß § 1245 BGB vereinbart oder gemäß § 1246 Abs. 2 BGB gerichtlich angeordnet werden. Ferner kann die Pfandverwertung auch nach Vollstreckungsrecht erfolgen, sofern dessen Voraussetzungen erfüllt sind, § 1233 Abs. 2 BGB. F:

E hat dem P bei L eingelagerte Sachen durch Einräumung des gemeinschaftlichen mittelbaren Besitzes ordnungsgemäß verpfändet. Was muß P nach der Pfandreife tun, um die Pfänder verwerten zu können?

387

Kap. XVI. Sonstige Belastungen

Verwertung

A:

P muß sich gemäß § 1231 S. 1 BGB von L (mit Zustimmung des E) den Alleinbesitz an den Sachen übertragen lassen.

9.

§§ 1243,1244

Rechtmäßig ist der Pfandverkauf nur unter den Voraussetzungen des § 1243 Abs. 1 BGB; danach ist er z.B. nicht rechtmäßig, wenn noch keine Pfandreife bestand. Mängel der Rechtmäßigkeit des Pfandverkaufs können jedoch gemäß § 1244 BGB durch guten Glauben des Erwerbers geheilt werden, wenn der Verkauf im Wege öffentlicher Versteigerung (im Sinne des § 383 Abs. 3 BGB) oder rechtmäßigen Freihandverkaufs erfolgt ist. F:

V hat dem P eine dem E gehörende Sache verpfändet; P hat daran gutgläubig ein Pfandrecht erworben. Nach der Pfandreife läßt P das Pfand ordnungsgemäß öffentlich versteigern. Bedarf der Erwerber D beim Erwerb des Schutzes nach § 1244 BGB?

388

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

Verwertung

Nein; § 1244 BGB greift nicht ein. Das Fehlen der Berechtigung des V ist bereits bei der Pfandrechtsbestellung durch den guten Glauben des P gemäß § 1207 BGB ausgeglichen worden.

10.

§§ 1238,1247 S. 1

Der Pfandverkauf darf nur gegen Barzahlung erfolgen, § 1238 Abs. 1 BGB. - Deshalb gilt gemäß § 1238 Abs. 2 S. 1 BGB nach erfolgtem Pfandverkauf der Kaufpreis selbst dann als entrichtet, wenn ihn der Erwerber nicht bezahlt hat; damit ist die Forderung des Pfandgläubigers gegen den Schuldner in Höhe des Kaufpreises erloschen. Sind der Schuldner und der Eigentümer der verpfändeten Sache nicht identisch, so gilt durch die Kaufpreiszahlung des Erwerbers der Pfandgläubiger als vom Eigentümer befriedigt, § 1247 S. 1 BGB. F:

Dem P ist wegen einer Forderung in Höhe von 300.— DM gegen den Y von X ein diesem gehörendes Goldstück im Werte von 200.— DM verpfändet worden. Nach der Pfandreife läßt P das Goldstück gemäß § 1235 Abs. 2 BGB frei verkaufen; der Marktpreis von 1 9 0 . - DM wird erzielt. Hiervon zahlt der Erwerber E 120.— DM in bar, den Rest verspricht er alsbald zu bezahlen. Welche Rechte hat P jetzt gegenüber a) dem Schuldner Y,

b) dem Verpfänder und Eigentümer X,

c) dem Erwerber E?

389

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

11.

Verwertung

a) P hat gegen den Schuldner Y eine Forderung über 110.—DM (300.- DM abzgl. 190.- DM); b) gegen X hat P nach dem Pfandverkauf keine Rechte mehr; c) gegen den E hat P eine Forderung in Höhe von 70.— DM, § 1238 Abs. 2 S. 1, zweiter Halbsatz BGB.

§ 1247 S. 2

Wird beim Pfandverkauf ein die gesicherte F o r d e r u n g übersteigender Erlös erzielt, so tritt der Überschuß an die Stelle des Pfandes, § 1247 S. 2 BGB. Das b e d e u t e t , daß dieser Betrag k r a f t Gesetzes dem Pfandeigentümer gehört. F:

V hat dem P wegen einer Forderung in Höhe von 500.— DM ein dem E gehörendes Schmuckstück verpfändet. Beim ordnungsmäßigen Pfandverkauf wird ein Erlös von 6 0 0 . - DM erzielt und bar gezahlt. Unmittelbar danach erscheint E im Versteigerungslokal und will Eigentümerrechte geltend machen. V erklärt ihm, daß solche Rechte nach dem Erwerb der Sache durch den Ersteigerer nicht mehr bestünden. Ist diese Ansicht des V zutreffend?

390

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

12.

Gesetzliches Pfandrecht

Nein; gemäß § 1247 S. 2 BGB ist E Eigentümer der die Forderung Übersteigeoden 100.- DM des Erlöses.

§ 1257

Neben dem rechtsgeschäftlichen Pfandrecht an Mobilien kommt den gesetzlichen Pfandrechten besondere Bedeutung zu. Sie dienen der Sicherung bestimmter Gläubiger, ohne daß entsprechende Vereinbarungen erforderlich sind. - Das BGB kennt z.B. ein gesetzliches Pfandrecht des Vermieters nach § 559 BGB und des Werkunternehmers nach § 647 BGB. Auch im Handelsgesetzbuch (HGB) sind gesetzliche Pfandrechte vorgesehen, z.B. zugunsten des Lagerhalters und des Spediteurs. Das gesetzliche Pfandrecht e n t s t e h t allein durch Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes. So e n t s t e h t z.B. nach § 559 S. 1 BGB das Vermieterpfandrecht, sobald ein Mieter, gegen den der Vermieter Forderungen aus dem Mietverhältnis hat, ihm gehörende Sachen in die Mieträume bringt. Die Verwertung der mit einem gesetzlichen Pfandrecht belasteten Sachen erfolgt gemäß § 1257 BGB nach den Regeln für das rechtsgeschäftliche P f a n d r e c h t (vgl. o b e n Ziff. 8 - 1 0 ) . F:

Der B hat dem Reparaturunternehmer U seinen Kraftwagen zur Reparatur übergeben. Als B die Rechnung nicht bezahlen kann, will U den Wagen als Pfand verkaufen. B macht hiergegen geltend, daß hierüber keine Vereinbarung getroffen worden sei; er habe nicht einmal gewußt, daß für U eine solche Möglichkeit bestehe. Ist dieser Einwand erheblich?

391

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

Gesetzliches Pfandrecht

Nein; für das gesetzliche Werkunternehmerpfandrecht nach § 647 BGB kommt es nur auf die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale an (die hier erfüllt sind), nicht aber auf den Parteiwillen.

13. Wenn die in die M i e t w o h n u n g e i n g e b r a c h t e n S a c h e n n i c h t d e m Mieter g e h ö r e n o d e r w e n n j e m a n d eine f r e m d e Sache z u r R e p a r a t u r gibt, e n t s t e h t die Frage, o b gesetzliche P f a n d r e c h t e auch gutgläubig erworben w e r d e n k ö n n e n : Der Bundesgerichtshof l e h n t d e n gutgläubigen E r w e r b eines gesetzlichen P f a n d r e c h t s ab, weil § 1257 BGB n u r für ein bereits „ e n t s t a n d e n e s " gesetzliches P f a n d r e c h t auf die Regeln über das r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e P f a n d r e c h t verweist; § 1 2 0 7 BGB ist eine Regel über die „ E n t s t e h u n g " des P f a n d r e c h t s u n d d a h e r in die Verweisung n i c h t eingeschlossen. In der Lehre hingegen wird unterschieden zwischen gesetzlichen Pfandrechten, die keinen Besitz des Pfandgläubigers am Pfand voraussetzen, z.B. dem Vermieterpfandrecht, und gesetzlichen Pfandrechten, die Besitz des Pfandgläubigers an der Sache erfordern, z.B. dem Werkunternehmerpfandrecht. Für die letzteren bejaht die überwiegende Meinung (in Anlehnung an § 1207 BGB) die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs. F:

V hat einen PKW, der dem E gehört, bei dem Reparaturunternehmer U reparieren lassen. Da V die Reparaturkosten nicht bezahlen kann, gibt U den PKW nicht heraus. Daraufhin verlangt der Eigentümer E von U die Herausgabe. Auf welcher Rechtsgrundlage kann U den PKW bis zur Bezahlung seiner Reparaturforderung im Besitz behalten, a) nach Ansicht des BGH (vgl. oben Kap. V, 26 e),

b) nach überwiegender Ansicht der Lehre?

392

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

a) U hat ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 1000 BGB; b) U hat gutgläubig ein Werkunternehmerpfandrecht am PKW erworben, das ihm gemäß § 986 BGB ein Recht zum Besitz gewährt.

Wiederholungsfragen: a)

Die Verwertung einer verpfändeten Sache setzt voraus, daß die gesicherte fällig ist, § 1228 Abs. 2 BGB; diesen Zeitpunkt bezeichnet man als

b)

Der Verkauf eines Pfandes erfolgt gemäß § 1235 Abs. 1 BGB grundsätzlich im Wege der

c)

Der Kaufpreis muß vom Pfanderwerber . . . bezahlt werden. Soweit der Erlös die gesicherte Forderung übersteigt, gehört der Überschuß dem

d)

Ein gesetzliches Pfandrecht, das Sachbesitz voraussetzt, kann nach der Ansicht des BGH gutgläubig erworben werden • nicht gutgläubig erworben werden • (Bitte kreuzen Sie die richtige Antwort an.)

393

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

Rechtsverpfändung

a) Forderung, Pfandreife b) öffentlichen Versteigerung c) bar, Pfandeigentümer d) Ein gesetzliches Pfandrecht kann nach Ansicht des BGH in keinem Fall gutgläubig erworben werden.

14.

§ 1274

N e b e n dem rechtsgeschäftlichen und d e m gesetzlichen Pfandrecht an beweglichen Sachen gibt es gemäß §§ 1 2 7 3 ff. BGB ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht an Rechten: Voraussetzung ist g e m ä ß § 1 2 7 4 Abs. 2 BGB, daß es sich u m ein übertragbares Recht handelt; unübertragbar sind z.B. Mitgliedschaftsrechte g e m ä ß § 3 8 BGB, der Nießbrauch g e m ä ß § 1 0 5 9 S. 1 BGB (vgl. Kap. X V , 18). Die Verpfändung des Rechtes erfolgt nach Ubertragungsregeln, § 1 2 7 4 Abs. 1 S. 1 BGB, grundsätzlich also durch die Einigung über eine Pfandrechtsbestellung. Zusätzlich ist bei Verpfändung einer Forderung gemäß § 1280 BGB eine Anzeige an deren Schuldner, den sog. Drittschuldner, erforderlich. (Dies hat in der Praxis dazu geführt, daß die Sicherungsabtretung, bei der keine solche Anzeige erforderlich ist, der Verpfändung einer Forderung vorgezogen wird.) F:

Um eine Forderung des P gegen S zu sichern, will V dem P eine ihm gegen den D zustehende Kaufpreisforderung verpfänden. Was muß hierzu geschehen? (Pfand)Gläubiger P

Drittschuldner D

394

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

15.

Verwertung

V muß sich gemäß §§ 398, 1274 Abs. 1 S. 1 BGB piit P über die Verpfändung einigen und dies dem D gemäß § 1280 BGB anzeigen.

§§ 1282, 1277

Die Verwertung einer verpfändeten Forderung erfolgt gemäß § 1282 BGB durch Einziehung der Forderung beim Drittschuldner. Zur Einziehung ist der Pfandgläubiger gemäß § 1285 Abs. 2 S. 1 BGB nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet. Die Verwertung anderer verpfändeter Rechte erfolgt nach Maßgabe des Vollstreckungsrechts, § 1277 BGB. F:

V hat dem P eine Forderung gegen D ordnungsgemäß verpfändet. Nach der Pfandreife will P die verpfändete Forderung verwerten. An wen muß D leisten?

395

Verwertung

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

16.

Gemäß § 1282 Abs. 1 S. 1 BGB kann D nur an den P leisten.

§§ 1287, 1288 Abs. 2

Wird eine Geldforderung beim Drittschuldner vom Pfandgläubiger eingezogen, so ist damit dessen Forderung gegen seinen Schuldner (wegen der die Verpfändung erfolgte) getilgt, § 1288 Abs. 2 BGB; das Pfandrecht erlischt demnach gemäß §§ 1273 Abs. 2, 1252 BGB. Soweit die Forderung nicht auf Geldleistung, sondern auf Leistung eines anderen Gegenstandes gerichtet ist, z.B. auf Übereignung einer Kaufsache, entsteht für den Pfandgläubiger mit der Drittschuldnerleistung an ihn gemäß § 1287 S. 1 BGB ein Pfandrecht am geleisteten Gegenstand-, der Gegenstand selbst geht zu diesem Zeitpunkt kraft Gesetzes in das Eigentum des Forderungsgläubigers über. Ist ein Auflassungsanspruch verpfändet, so hat der Drittschuldner an den Grundstückserwerber zu leisten; mit der Leistung entsteht für den Pfandgläubiger kraft Gesetzes eine Sicherungshypothek am Grundstück, § 1287 S. 2 BGB. F:

V hat dem P seine Forderung aus § 433 Abs. 1 BGB gegen den Verkäufer D ordnungsgemäß verpfändet. D will seine Verkäuferpflicht bei Fälligkeit erfüllen. a) Auf wen muß D den Besitz an der Kaufsache übertragen?

b) Welche Rechte haben P und V nach der Besitzübertragung an der Sache?

396

Sachnießbrauch

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

a) D muß dem P gemäß § 1282 BGB den unmittelbaren Besitz an der Sache übertragen. b) P erwirbt an der Sache gemäß § 1287 S. 1 BGB ein Pfandrecht; das Eigentum an der Kaufsache erwirbt V.

17.

§ 1032

Eine bewegliche Sache kann, außer mit einem Pfandrecht, auch mit einem Nießbrauch belastet werden. Der Nießbraucher ist gemäß § 1030 BGB berechtigt, die Nutzungen der Sache zu ziehen, z.B. durch Vermietung (vgl. oben Kap. XV, 17—19 für den Nießbrauch an Grundstücken). Zur Nießbrauchbestellung an einer beweglichen Sache ist gemäß § 1 0 3 2 S. 1 BGB Einigung und Übergabe erforderlich. Auch ein gutgläubiger Erwerb des Nießbrauchs vom Nichtberechtigten ist gemäß § 1032 S. 2 BGB möglich, sofern die Erfordernisse der §§ 9 3 2 ff. BGB erfüllt sind (vgl. oben Kap. VIII). F:

M hat vom Eigentümer E eine Planierraupe gemietet und ist berechtigt, sie unterzuvermieten. Dementsprechend vermietet M die Raupe an den U weiter, der sie benutzt. Kann M seinem Gläubiger N, der ihn für den Eigentümer der Raupe hält, an der Sache einen Nießbrauch bestellen, so daß N fortan die Mietzahlungen des U erhält? Eigentümer

E

Mieter

M

Nießbraucher

N

Untermieter U

397

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

18.

Rechtsnießbrauch

Ja; der M ist zwar Nichtberechtigter, aber gemäß §§ 934, 1032 S. 2 BGB kann er durch Einigung und Übertragung seines mittelbaren Besitzes auf N diesem einen Nießbrauch bestellen.

§ 1069

Auch Rechte können, außer mit einem Pfandrecht, mit einem Nießbrauch belastet werden, §§ 1068 ff. BGB. Praktische Bedeutung hat dies vor allem bei zinsbringenden Rechten. Die Nießbrauchbestellung erfolgt nach den Vorschriften der Übertragung des Rechts, § 1069 Abs. 1 BGB; dementsprechend ist eine Anzeige an den Schuldner nicht erforderlich. Unübertragbare Rechte können nicht mit einem Nießbrauch belastet werden, § 1069 Abs. 2 BGB (wie sie auch nicht verpfändet werden können, vgl. oben Ziff. 14). F:

Was ist erforderlich, wenn A dem B den Nießbrauch an einer Forderung bestellen will, die dem A gegen C zusteht?

398

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

Zur Nießbrauchbestellung ist gemäß §§ 1069 Abs. 1, 398 BGB nur die entsprechende Einigung zwischen A und B erforderlich.

19. Zusammenfassung (in Verbindung mit den Wiederholungsfragen auf S. 386 und 393): a)

Ein Recht kann nur verpfändet oder mit einem Nießbrauch belastet werden, wenn es sich um ein Recht handelt.

b)

Der Pfandgläubiger einer Forderung ist zur rung verpflichtet.

c)

Wird die Forderung des Käufers gegen den Verkäufer einer beweglichen Sache verpfändet, so erwirbt mit der Leistung des Verkäufers der Besitz an der Sache, der das Eigentum.

d)

e)

der Forde-

Wird der Auflassungsanspruch des Käufers gegen den Verkäufer eines Grundstücks verpfändet, so erwirbt bei Erfüllung der Käufer am Grundstück, der Pfandgläubiger eine Grundstück.

-

am

Der gutgläubige Erwerb des Nießbrauchs an einer beweglichen Sache ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen der §§ . . . ff. BGB erfüllt sind.

399

Kap. XVI. Sonstige Belastungen A:

a) b) c) d) e)

übertragbares Einziehung Pfandgläubiger, Käufer Eigentum, Sicherungshypothek 932

Zur Wissensvertiefung für den Stoff des sechzehnten Kapitels wird empfohlen: Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, aaO., §§ 54, 55,60—62 Westermann, Sachenrecht, aaO., §§ 126—141 Besonders wichtig sind die Probleme des gutgläubigen Erwerbs gesetzlicher Pfandrechte (hierzu Westermann § 133 I und BGHZ 34,122 und 153).

400

ANHANG

Anhang I

2

*E

o

-6 N

k o> M •o e o

dä > I ¡2 £ D

Ä >ä

o> -6 o 3 •O "O c 3k o

E£ oE O« :Dl-O c t«j = I SJ! EOÖ ä °z i «Ol M JÜ

o

2 £ O. e S

^ 5 ••—> —

3

l - S ^ 3

J M

a ä S

eS.eC C C 4) U 0 :d oi - t ts

5 E

£

t-

«

§

s

U.

D