170 105 202MB
German Pages 450 [464] Year 1927
Grundriß der
slavischen Philologie und
Kulturgeschichte Herausgegeben
von
Reinhold Trautmann und Max Yasmer
Berlin
Walter
und
de
Leipzig
1 9 2 7
Gruyter
& Co.
vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung G e o r g R e i m e r — Karl J. Trübner — V e i t & Comp.
Russische (Ostslavische) Volkskunde Von
Dmitrij Zelenin
Berlin und L e i p z i g
Walter
de
1927
Gruyter
& Co.
vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.
Druck von C. G. Söder G. m. b. H„ Leipzig.
829226.
Vorwort.
V
Vorwort. Hauptaufgabe meiner „Russischen Volkskunde" ist die vergleichende Analyse der Volkskultur der ostslavischen Volksstämme. N u r in sehr wenigen Teilen meines Buches hatte ich die Möglichkeit, schon vorhandene volkskundliche Forschungen zu benutzen. Die verschiedenen Zweige der ostslavischen Volkskultur sind mit geringen Ausnahmen weder nach vergleichend-historischer Methode erforscht, noch überhaupt wissenschaftlich beschrieben. Die im Druck erschienenen Darstellungen stammen meist von Dilettanten, sind unvollständig, ungenügend und ohne Abbildungen. Es ist, ζ. B., von den drei Haupttypen der bis jetzt gebräuchlichen ostslavischen Dreschflegel bisher nur ein einziger wissenschaftlich beschrieben worden; von der f ü r die Ostslaven so typischen sog. geflochtenen Egge war bisher keine einzige genaue Abbildung vorhanden, und sogar die Zeichnung einer solchen Egge, die 1910 von der ethnographischen Abteilung des Russischen Museums in den MaTepiajitr ΠΟ Θ Τ Η Ο Γ Ρ Β Φ Ί Ι Ι POCCÌH gegeben wurde, war in den Hauptteilen ungenau. Ich sah mich fast bei jeder Frage gezwungen, das im Druck vorhandene Tatsachenmaterial zu ergänzen und zu berichtigen. Dabei halfen mir meine unmittelbaren Beobachtungen des ostslavischen Volkslebens, die zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Gegenden gemacht sind, die Sammlungen der hauptstädtischen und provinziellen Museen f ü r Volkskunde und endlich die handschriftlichen Sammlungen der Geographischen Gesellschaft. Ich teile hier auch in Kürze die Ergebnisse meiner noch nicht veröffentlichten ethnographischen Forschungen mit ; diese beziehen sich insonderheit auf das geflochtene Schuhwerk, den Kopfschmuck der Frauen, den Sarafan u. a. m. Meine eigenen Beobachtungen und die mir zur Verfügung stehenden Materialien beziehen sich größtenteils nicht auf die gegenwärtige Epoche nach der Revolution, sondern auf die zweite H ä l f t e des 19."und den Beginn des 20. Jahrh. In diesem Sinne scheint das Bild der Volkskultur, das in diesem Buche geboten wird, veraltet, doch trifft das nur in geringem Maße zu. Denn die heutige Volkskultur des ostslavischen Dorfes, hauptsächlich ihre materielle Seite, ist vom Wesen der alten Kultur noch ganz abhängig. Die materielle Kultur der Ostslaven greift infolge des durch den schweren Krieg und die Revolution herbeigeführten wirtschaftlichen Verfalles immer wieder deutlich auf die alten Formen zurück. Und so läßt sich das Volkswesen des heutigen russischen Dorfes ohne Kenntnis der alten Volkskultur, die im vorliegenden Buche dargestellt wird, nicht verstehen. Andererseits
VI
Vorwort.
durchlebt der heutige russische Bauernstand eine so radikale Umwälzung der Weltanschauung und Lebensgestaltung, daß das bunte, wechselnde Bild des russischen Dorfes von heute nicht als Ausgangspunkt f ü r eine derartige ethnographische Analyse dienen kann. Infolge der Eigenart der oben erwähnten Hilfsquellen wird in diesem Buche die ehemalige administrative Teilung des Landes in Gouvernements und Kreise beibehalten, um so mehr, als die territorialen Grenzen der erforschten Völkerschaften bei weitem nicht mit den Grenzen der heutigen russischen Republik zusammenfallen. Bei der schwierigen Aufgabe, eine Auswahl von Abbildungen f ü r das vorliegende Werk zu treffen, haben mir die Museen f ü r Volkskunde viel geholfen, speziell das Moskauer Museum des Zentralen Industriegebiets, das Charkover Museum der Slobodskaja Ukraina, das staatliche Museum in Kostroma, das Moskauer Zentral-Museum f ü r Völkerkunde, das Russische Museum in Leningrad, das Nikitin-Museum in Voronez. Der Administration und den Mitarbeitern dieser Museen, ebenso den jungen Charkover Gelehrten V e r a B i l e c k a und M a r . K o r n e e v a sage ich hiermit meinen Dank f ü r ihre Hilfe. B a d - K i s l o v o d s k im K a u k a s u s , 20. Mai 1926.
Dm. Zelenin.
Inhalt.
VII
I n h a l t . Vorwort Inhalt Geschichte der ostslavischen Volkskunde (§ I—X) Einleitung: Die vier ostslavischen Völkerschaften (§ 1—6) I. Der Ackerbau (§ 7—22) 1. Ackerbausysteme (§7) 2. Das Ralo (§ 8) . . . . · 3. Der Pflug (§9) 4. Die Socha mit umstellbarem Streichbrett (§10) 5. Die Socha mit unbeweglichem Streichbrett (§11) 6. Die Entstehung der Socha (§12) 7. Die Kosul'a (§13) 8. Die Egge (§14) 9. Ackerbauarbeiten und mit ihnen verbundene Gebräuche (§ 15) . . 10. Ernteanfang. Heu- und Kornernte (§16) 11. Das Auflegen und Trocknen der Garben (§ 17) . . . 12. Ende der Ernte (§18) 13. Umbrüche (§19) 14. Die Getreidedarre (§20) 15. Das Dreschen (§21) 16. Literatur (§22) II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht (§ 23—35) A. Die Viehzucht (§ 23—30) 1. Die Stellung des Hirten (Ansichten über die Hirten; § 23) . . . 2. Das erste Austreiben des Viehes auf die Weide im Frühling (§ 24) 3. Der Hirt und seine Ausrüstung (Pfeife und Horn) (§25) . . . . 4. Rituelle Reinigung der Kuh nach dem Kalben. Rituelle Festlichkeiten zu Ehren des Hausviehes und seiner Beschützer (§ 26) . . 5. Der Hühnergott (§27) 6. Zeremonien beim Kauf und Verkauf des Viehes (§28) 7. Viehschutz vor Epidemien: das Umpflügen (§29) 8. Bestattung von lebendigem Vieh ; irdene Tunnels ; das eintägige Handtuch (§30) B . Der Fischfang (§ 31—33) 1. Fischfang mit den Händen; schöpfende, schlagende und stechende Fischereigeräte; der Haken (§ 31) 2. Zum Fischfang bestimmte Fallen ; Pfahlwerke ; die Netze und das Netzflechten (§32) 3. Riten der Fischer (§33) C. Die Bienenzucht (§34) Literatur (§35) III. Die Nahrung und ihre Zubereitung (§ 36—55) 1. Mörser (§36) 2. Handmühle (§37) 3. Wasser- und Windmühlen (§38) 4. Ölpressen (§39)
Seite
V VII XI 1 7 7 9 11 13 17 18 20 22 25 30 35 37 42 45 48 55 56 56 56 58 61 62 64 65 66 68 71 71 73 77 78 84 84 85 87 91 94
VIII
Inhalt. 5. 6. 7. 8. 9. 30. 11. 12. 13.
Seite
Erlangung von Feuer : Der Feuerstahl (§40 96 Erlangung von Feuer durch Reibung (§ 41) 97 Erhaltung des Feuers. Besondere Arten der Feuerbenutzung (§ 42) 99 Fortleben des alten Feuerkultes (§43) 100 Anfertigung von Tongeschirr: Töpferscheiben (§ 44) 101 Anderes Gerät und die Töpferarbeiten (§45) 104 Arten von Geschirr : aus Ton, Holz und Metall (§46) 107 Das Brotbacken (§ 47) . III Arten von Nahrungszubereitung und Aufbewahrung von Lebensmitteln (§48) 114 14. Würzen von Speisen. Verbotene Speisen (§ 49) 115 15. Nationale Speisen. Wilde Pflanzen, die roh gegessen werden (§ 50) 117 16. Aufnahme der Nahrung (§51) 120 17. Getränke : der Kvas aus Birkensaft und Getreide ; Malz ; die Braga und das Bier (§52) 122 18. Honig- und Beerengetränke. Tee. Branntwein (§53) 125 19. Butter (§ 54) ' 127 20. Literatur (§ 55) . 129 IV. Zugvieh, Geschirr und Fahrzeug (§ 56—64) . 130 1. Arbeitsvieh; Gespann und Pferdegeschirr (§56) 130 2. Das Joch (§57) 132 3. Streichrippen, Schlitten und Schneeschuhe (§ 58) 134 4. Räderfuhrwesen und Salzführer (§59) 137 5. Birkenteer zum Bestreichen der Achsen (§ 60) 141 6. Wasserfahrzeuge. (§61) 141 7. Arbeiter auf den Flußfahrzeugen (§62) 144 8. Das Tragen von Lasten (§63) 146 9. Literatur (§64) : . . 148 V. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks (§ 65—87) 149 1. Der Hanf (§65) 149 2. Der Flachs (§66) .151 3. Das Spinnen : Spinnrad und Spinnrocken (§ 67) 153 4. Die Spindel und das Spinnen (§68) 156 5. Die Haspel. Einheiten beim Zählen der Fäden (§ 69) 158 6. Bereitung des Aufzuges und des Einschlages (§70) 159 7. Vereinfachte Webstühle (§71) 160 8. Arten des gewöhnlichen Webstuhles (§72) 165 9. Terminologie des Weberhandwerks (§73) 166 10. Das Bleichen der Leinwand (§74) 168 11. Das Wolleschlagen (§75) 171 12. Das Filzen der Wolle und das Walken des Tuches (§ 76) . . . . 173 13. Die Teppiche und ihr Ornament (§77) 174 14. Das Flechten des Schuhwerks aus Baumrinde (§78) 177 15. Das Flechten der Hüte ans Stroh (§79) 180 16. Das Häkeln aus gesponnener Wolle und anderem Material. Die Spitzen (§80) 181 17. Die Stickerei (§81) 182 18. Das Färben des Gewebes und der Fäden (§82) 185 19. Das Handdruckgewebe (§83) 188 20. Die Bearbeitung des Leders : das Weißgar (§84) 189 21. Die Bearbeitung des Felles durch Versäuerung (§85) 192 22. Das Lohen. Terminologie des Gerbens'(§ 86) 194 23. Literatur (§87) 196 VI. Kleidung und Schuhwerk (§ 88—100) 198 1. Das Männerhemd (§88) 198 2. Das Frauenhemd. Der altertümliche Létnik (§ 89) 202
Inhalt. 3. 4. 5. 6.
VII.
VIII.
IX.
X.
IX Seite
Die Hose (§ 90) 206 Die poúowa, zapaska, piaohta (§91) 207 Der Rock und der Sarafan (§92) 212 Die Oberkleidung verschiedenen Schnittes : Mantel, Svita, Kaftan, Pelz u. dgl. (§93) 216 7. Der Gürtel (§ 94) 221 8. Der Kopfputz der Männer (§ 95) 224 9. Der Kopfputz der Frauen (§ 96—97) 227 10. Fußbekleidung (§98—99) 239 11. Literatur (§ 100) 243 Körperpflege (§ 101—110) · 244 1. Männerhaartracht (§ 101) 245 2. Mädchenhaartracht (§ 102) 247 3. Haartracht der verheirateten Frauen (§ 103) 248 4. Kämme und Ohrlöffel (§ 104) 249 5. Frauenkosmetik (§ 105) 250 6. Ansichten über Reinlichkeit (§ 106) 250 7. Die Waschung. Der Brunnen (§ 107) .251 8. Die Badstube (§ 108) 253 9. Volksmedizin (§ 109) 256 10. Literatur (§110) 258 Die Wohnung (§ 111—119) 259 1. Werkzeuge der Zimmerleute. Die allen Ostslaven gemeinsame Eigentümlichkeiten der Holzarchitektur (§ 111) 259 2. Typen der ostelav. Wohnung (§112) 261 3. Das Dach (§113) 264 4. Der Ofen (§114) 270 5. Grundriß der Wohnung. Verzierungen am Hause und Möbel (§ 115) 274 6. Beleuchtung (§ 116) 280 7. Entwicklung der ostslav. Wohnung (§ 117) 284 8. Die mit der Behausung verbundenen Bräuche und Aberglauben (§118) 287 9. Literatur (§119) 289 Das Familienleben (§ 120—137) 290 1. Die Niederkunft (§ 120) 290 2. Die Taufe (§ 121) 294 3. Das Reinigungsritual der Wöchnerin und der Hebamme (§ 122) . 297 4. Die Kinderwiege (§ 123) 300 5. Erziehung des Kindes (§ 124) 302 6. Das Haarschneiden (§ 125) 304 7. Das Hochzeitsritual: Schichtungen aus verschiedenen Zeitaltern und ihr Schicksal bei den Volksstämmen (§ 126) 305 8. Die ukr. Hochzeit (§ 127) 306 9. Rituelles Hochzeitsbrot und das geschmückte Bäumchen (§ 128) . 311 10. Die rituelle Waschung der Neuvermählten (§ 129) 313 11. Die grr. Hochzeit (§ 130) 314 12. Die geheimen Hochzeiten (§ 131) 318 13. Das Begräbnis (§ 132—133) 319 14. DieBestattung ohne Grab (durch Hinauswerfen des Leichnams ; § 134) 327 15. Trauer und Klage (§ 135) 330 16. Die Totenfeier (§ 136) 331 17. Literatur (§ 137) *. 333 Gesellschaftsleben (§ 138-145) 335 1. Gemeinschaftliche Arbeiten (§ 138) 335 2. Versammlungen der Jugend zur gemeinsamen Arbeit und Belustigung. Verhältnis der Geschlechter zueinander (§ 139) . . .
X
Inhalt. Seite
3. Vergnügungen (§ 140—143) 342 a. Reigen und Tanz (§ 140) 342 b. Musikinstrumente (§ 141) 344 c. Faustkämpfe. Schaukeln, Schlittenfahrten, Spiele mit Eiern, Verkleidung, Männerspiele (§ 142) 351 d. Öffentliche Bewirtungen (§143) 356 4. Gemeindekerzen (§ 144) 359 5. Literatur (§ 145) 361 X I . Ritual der verschiedenen Jahreszeiten (§ 146—155) 362 1. Herbeirufung des Frühlings im März (§ 146) 362 2. Gründonnerstag (§ 147) 364 3. Ostern (§ 148) 366 4. Der Semik und Pfingsten (§ 149) 368 5. Ritual der Johannisnacht (§ 150) 370 6. Herbstliches Ritual (§ 151) 374 7. Weihnachtszeit (§ 152) 375 8. Wahrsagen zur Weihnachtszeit (§ 153) · 377 9. Butterwoche (§ 154) 380 10. Literatur (§ 155) 382 XII. Der Volksglaube (§ 156—170) 383 1. Allgemeine Charakteristik (§ 156) 383 2. Der Hausgeist (§ 157) 385 3. Der Waldgeist (§158) · 387 4. Der Wassergeist (§ 159) 389 5. Der Wirbelwind (§ 160) 390 6. Der Meteor als Feuerschlange (§ 161) 390 7. Der Mittagsgeist (§ 162) 391 8. Die Nixen (§ 163) 391 9. Die Vampire (§ 164) 393 10. Hexe» (§ 165) 394 11. Zauberer (§ 166) 395 12. Wehrwölfe (§ 167) 396 13. Der Teufel (§ 168) 396 14. Volkskosmologie (§ 169) . 397 15. Literatur (§ 170) 398 Wortregister 400 Verzeichnis der Abbildungen 419 Abkürzungen 424 Druckfehlerverzeichnis 424
Geschichte der ostslavischen Volkskunde.
XI
Geschichte der ostslavischen Volkskunde. § I. Allgemeine Angaben über die Geschichte der ostslavischen Volkskunde. § II. Sammlungen volkskundlichen Materials über die Ostslaven im ganzen. § III. Die Forschungen der mythologisierenden Schule. § IV. Die späteren Forschungen über die geistige Kultur der Ostslaven. § V. Forschungen auf dem Gebiete der materiellen Kultur der Ostslaven. § VI. Die ukrainische Volkskunde. § VII. Die weißrussische Volkskunde. § VIII. Die heutige großrussische Volkskunde. § IX. Zur Geschichte der großrussischen Volkskunde. § X. Literatur. § I. Zwei Perioden k a n n man bei der E r f o r s c h u n g der russischen (ostslavischen) Volkskunde unterscheiden: 1. die A n f ä n g e dieser Wissenschaft und 2. die Periode der wissenschaftlichen Materialsammlungen. Als natürliche Grenze zwischen diesen beiden Perioden ergibt sich das J a h r 1847, das Gründungsjahr der „Geographischen Gesellschaft", welche ihre Arbeit damit begann, daß sie volkskundliches Material systematisch sammelte u n d zu diesem Zwecke ein eigenes P r o g r a m m aufstellte. F ü r die Geschichte der E r f o r s c h u n g der russischen Volkskunde ist ihre enge Symbiose mit den angrenzenden Wissenschaften, ihr überwiegendes Interesse f ü r die mündliche Volksliteratur u n d das Vorherrschen der Nichtwissenschaf tier vor den Spezialisten besonders charakteristisch. W ä h r e n d im 18. J a h r h . die neuentstandene Wissenschaft der russischen Volkskunde in den Arbeiten reisender N a t u r f o r s c h e r im engsten Zusammenhang mit den Naturwissenschaften steht, lehnt sie sich im 19. J a h r h . an die Volksliteratur, die Dialektologie, die Slavistik, die Länderkunde, die Statistik, die Geschichte und Archäologie, heute an die sozialökonomischen Wissenschaften u n d die H e i m a t k u n d e an. Dieser Mangel an Differenzierung ist die natürliche Folge ungenügender Entwicklung der einzelnen Wissensgebiete. I m vorliegenden Falle gab es aber noch besondere Gründe d a f ü r . Als H a u p t z e n t r e n spezieller wissenschaftlicher Arbeiten dienten i n Rußland die entsprechenden Lehrstühle an den Universitäten und a n der Akademie der Wissenschaften. Doch gab es weder hier noch dort ein K a t h e d e r f ü r Volkskunde. D i e Gelehrten, welche auf dem Gebiet der russischen Volkskunde arbeiteten, vertraten a n den Universitäten andere Disziplinen, z. B. russische und westeuropäische L i t e r a t u r , wie A. V e s e l o v s k i j , V s . M i l l e r , A. P y p i n , N . S u m c o v , A. L o b o d a , M. S p e r a n s k i y " , E. A n i c k o v , die B r ü d e r S o k o l o v , A. P u t i n c e v u. a.; oder russische Sprache, wie A. â a c h m a t o v , A. S o b o l e v s k i j , E . K a r s k i j , M . C h a l a n s k i j , D. Z e l e n i n , auch die Slavistik, wie V. L a m a n s k i j ,
Χ Π
Geschichte der ostslavischen Volkskunde.
Α . Ρ o g o d i η oder Geschichte, wie J. S m i r n o v in Kazaó. Es ist daher nicht zu verwundern, daß sie öfters versuchten, ihre volkskundlichen Arbeiten mit ihrem Hauptfach zu vereinigen. I n Anbetracht des Fehlens von Lehrstühlen für russische Volkskunde, welche erst in den allerletzten Jahren geschaffen wurden, konzentrierten sich die wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiete der Volkskunde Rußlands in den gelehrten Gesellschaften. V o n solchen sind zu nennen: die Ethnographische Abteilung der Geographischen Gesellschaft in Petersburg, die Ethnographische Abteilung der Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschaft, Anthropologie und Volkskunde an der Moskauer Universität, die Historisch-Philologische Gesellschaft an der Universität Charkov, die Gesellschaft für Geschichte, Archäologie und Ethnographie an der Universität Kaza6 und, außerhalb Eußlands, die Wissenschaftliehe SevSenko-Gesellschaft in Lemberg. Diese Vereinigungen gründeten auch die ersten russischen Z e i t s c h r i f t e n für Volkskunde: 9THorpa$HHecKoe 06o3ptHie in Moskau, seit 1889, JKHnae OapnHa in Petersburg, seit 1890, MaTepijura so yupaiHCbKOpyCBKoï GTHOJiborïï in Lemberg, seit 1899 ; vorher wurden von denselben Gesellschaften herausgegeben: 3anHCKH TeorpatjaiHecKaro O Ö M E C T B A no O T R - Í jiemio θτΗΟΓραφϊπ, seit 1867, Tpyubi 3THorpa$ii POCCÍH, Petersburg 1898, mit Abbildungen, einer K a r t e und einer Bibliographie. Im J a h r e 1872 ernannte der Konseil für Handel und Manufaktur am Russischen Finanzministerium eine Kommission zur Erforschung der V o l k s t e c h n i k auf dem Gebiet der Hausindustrie, die sog. KyCTápHue npoMHCHH (deren Name angeblich aus dem deutschen Wort K u n s t entstanden sein soll). An dieser Kommission nahmen auch Vertreter der gelehrten Gesellschaften teil. Die Kommission veröffentlichte (von 1879—88) 18 Bände unter dem gemeinsamen Titel TpysH KOMHCCÍH no M3CJRFCß0BAHII0 KycTapnoö n p o M H i u j i e n H o c T H BT> POCCÍH, Petersburg. Sozusagen als Fortsetzung dieses Werkes gab, die Abteilung f ü r landwirtschaftliche Ökonomie und Statistik am Ackerbauministerium 1913 4 Bände mit Abbildungen, KycTapiian NPOMWINJICHHOCTB POCCÍH, Petersburg, heraus. — Viel weniger bieten dem Ethnographen die ΟΤΗΘΤΗ Η H3CJRÈ;NOBAHÌH no K y C T a p H o ä n p o M m m i e i i H o c T H , Lief. I—XI, Petersburg 1892—1911. — Was die Beschreibungen der Heimarbeit (Hausindustrie) f ü r die einzelnen Gebiete anbetrifft, so gibt es deren sehr viele; es sind darin die statistisch-ökonomischen Berichte vorherrschend; ein Verzeichnis dieser Schriften findet man in dem Buche D. Z e l e n i n s : BH6jriorpa$HiecKiit y i t a s a T e j i i . p y c C K o ñ ΘΤΗΟrpaijwiecKoä JiHTopaTypH Ο ΒΗΪΙΙΙΗΘΜΤ, 6 H T - 6 HAPOFLOBT POCCÍH, Petersburg 1913, Kapitel V I : ΧοβΗϋοτΒβΗΗΗϋ 6hm. Über die russische K u n s t , die so eng m i t der materiellen Kultur verknüpft ist, ist eine sehr reiche Literatur vorhanden, doch bieten n u r sehr wenige Arbeiten volkskundliches Interesse. D a s sind V. V o r o n o v : KpecTBHHCKoe HCKyccTBO, Moskau 1924, mit Abbildungen; V. S t a s o v : Pyccuiß HapouHHit opHäMeHTt, Petersburg 1872, worin der Versuch gemacht wird, das großrussische Ornament vollständig auf das finnische und persische zurückzuführen; A. B o b r i n s k i j : HapofliiUH pyccKÍH nepeBHHHHH H 3 H Í J I Í H , Lief. I bis XII, Moskau 1910—14; N. S i m a k o v : PyccKiä opHäMeHTt BT> CTapHHHHXT. oCpaaijaxi. T K a H e í i , aMajiH, pfebÔH no nepeey H KOCTH, Henamiaro, jiHTeöHaro H roHHapHaro atjia, Lief. I — I I , Petersburg 1882; S. P i s a r e v : .UpeBHepyccKiit opHaMeHTT», e t X no X V I I I Β. ΒΚΛΜΗΗΤΘΛΒΗΟ, Ha nap^axt, HaôoftKaxt H npyΓ Η Χ Ι T K A H H X I , Petersburg 1903. § VI. Bisher ist nur von volkskundlichen Arbeiten die Rede gewesen, die gleichzeitig alle oder verschiedene ostslavische Völkerschaften betrafen. Was die volkskundliche E r f o r s c h u n g d e r e i n z e l n e n o s t s l a v i s c h e n S t ä m m e anbetrifft, so haben die U k r a i n e r wohl den größten Erfolg in dieser Hinsicht zu verzeichnen. Jedenfalls gibt es eijie vielseitige wissenschaftliche Untersuchung über ukrainische Volkskunde von Th. V o l k ο ν : 9τHorpa(})HiecKiH ocoßeHHOCTH y K p a H H C K a r o Hapoaa i n dem Sammelwerk YupaHHCKÌii iiapoffi. BT. ero nponwioMt H HaCTonmeMi, Band I I , Petrograd 1916, S. 455 bis 647, m i t Abbildungen. Ungeachtet der gedrängten Kürze und stellenweise schematischen Art der Behandlung, ist diese Sammlung volkskundlicher Angaben über das Leben der Ukrainer doch von großem Nutzen. Der nationale Aufschwung der Ukrainer nach Gründung einer selbständigen Ukrainischen Sowjetrepublik hat bisher nicht zur Bereicherung der Z e l e n i n , B u s s . (Ostslav.) Volksknnde.
II
XVIII
Geschichte der ostslavischen Volkskunde.
volkskundlichen Literatur beigetragen. Allerdings wurden im Jahre 1925 zwei ethnographische Zeitschriften in Kiev gegründet, doch jede von ihnen liegt bisher bloß in einer nicht gerade umfangreichen N u m m e r vor. Namentlich h a t die volkskundliche Kommission der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften mit der Herausgabe des ETHORPAWHNFT BÌCHHK unter der Redaktion von A. L o b o d a u n d V. P e t r o v begonnen. Die Gesellschaft f ü r Volkskunde in Kiev veröffentlichte das erste Bändchen ihrer 3anHCKH E T H O rpaifiiHHoro ToBapHCTBa. Mit der Erforschung der materiellen K u l t u r beschäftigen sich von den zeitgenössischen Κ i e ν e r Ethnographen hauptsächlich die dortigen Museumsbeamten: A. O n i S c u k und L . S u l ' g i n a , Verfasserin von Aufsätzen über die physische Erziehung der Kinder, über Bienenzucht und über Osterbräuche ; die Spezialisten f ü r K u n s t V. S c c r b a k i v á k i j , Verfasser des Werkes yupaÏHCbKe MHCTeifTBO, I. JJepeBjiHHe 6yaiBHiii];TBO i pistßa Ha ftepeei, LembergKiev 1913 und einer Reihe anderer Forschungen; D. S S e r b a k i v á k i j , Ν. M a k a r e n k o . Mit der Volksmusik beschäftigt sich Kl. K v i t k a , Verfasser des Buches Hapoam Menoaiï, Kiev 1917 und Redakteur der Zeitschrift My3HKa. Den Mittelpunkt der volkskundlichen Forschungen in Kiev bildete f r ü h e r die Zeitschrift KieBCKan CTapHHa, die 1882—1906 herausgegeben wurde, siehe den Index CacTeMaTiwecKiit yKasaTejit zu dieser Zeitschrift von P a v l o v s k i y und S c e p o t j e v , Poltava 1911. Nachher gab die Ukrainische Wissenschaftliche Gesellschaft ihre eigene Zeitschrift 3anHCKH heraus. I n Kiev konzentrierte sich noch f r ü h e r das wissenschaftlich - volkskundliche Interesse um die Zeitschrift OcHOBa, 1861—62, und u m die südwestliche Abteilung der Geographischen Gesellschaft 1872—76, die zwei Bände ihrer 3anHCKH herausgegeben hat. I n der jetzigen H a u p t s t a d t der Ukraine, in C h a r k o v , sind es n u r die jungen Gelehrten V. B i l e é k a (§ 87) und R. D a n k o v s k a j a , die sich mit ukr. Volkskunde beschäftigen. Die ukrainische Kunst erforscht S. T a r a n u s e n k o , Verfasser der B ü c h e r : Grapi x a r a Xapi>KOBa, 1922, XaTa no E.IHcaBeTHHCfcKOMy np. 1921, Π Ε Μ ' Η Τ Κ Η MNCTEI(TBA CTapoï C.IOÖOHTAMNNHK und seine Schüler. F r ü h e r jedoch bildete in Charkov die historisch-philologische Gesellschaft an der Universität 1877—1922 den Mittelpunkt volkskundlicher Studien; hier arbeiteten N . S u m c o v (§ I I I ) , welcher außer zahlreichen Aufsätzen über einzelne F r a g e n der ukrainischen Volkskunde a u c h noch das umfassende Werk schrieb: Cno6o>KaHe, IcTopHHHo-eTiiorpatfuMHa po3Biana 1918; V. I v a n o v , Herausgeber des Sammelwerkes JKH3HB Η TBOPHBCTBO K P E C T B I M T XapbK0BCK0ñ rySepHÍH 1898; P . I v a n o v 1837—1926, Verfasser des Buches 3KH3HL· Η ποΒΪρι>Η κρβοτι,ΗΗΊ. KyiiHHCKaro yfesfla XapbKOBCKOií ry6. 1907 und anderer Arbeiten (s. § 137, 145 u. 170). I n J e k a t e r i n o s l a v l ' arbeiteten die Ethnographen Dm. E v a r n i d k i j und V. B a b e n k o (§ 87). I n P o l t a v a haben die Landschaftsbeamten V . V a s i l e n k o , M. R u s o v , S. L i s e n k o und I. Z a r e c k i j nicht wenig z u r Erforschung der örtlichen Volkstechnik beigetragen (§ 55 , 87, 110, 119). — I n Ö e r n i g o v erschien der 3eMCKiit CßopHMKt HepmironcKoft ry6. 1869—1905,
Geschichte der ostslavischen Volkskunde.
XIX
der viele Aufsätze über Volkskunde von G. P u z a n o v , B. H r i n ö e n k o , Α. E u s o ν u. a. enthält. In Z i t o m i r in Wolhynien veröffentlichte der Verein der Erforscher Wolhyniens seine Tpyaw und nach 1917 Ilpaiu, wo das volkskundliche Material von V. K r a v 6 e n k o , Bd. V, X I I , X I V (s. § 22) stammt. L e m b e r g mit seiner Wissenschaftlichen Sevienko-Gesellscheft bildete das Hauptzentrum der ukr. volkskundlichen Forschungen (§ I). Hier arbeiteten C h r . V o v k (Volkov 1847—1918), s. § 87 u. 137, Herausgeber der Zeitschrift M a T e p i H j i H ro y K p a ï H C b K O - p y C b K o ï e T H O J i b o r i ï 1899f., V. H n a t ' u k , s. unten § 55, 87, 137; Ja. H o l o v a c k y j , § 100; V. S u c h e v i S , § 87; A. O n i § 5 u k , F. Z o l e s a , M. Z u b r y c k y j 1856-1919, M. M o h y l ' c e n k o , V. P e S c a n á k y j , A. R i e g l u. a. L e n i n g r a d (Petersburg) bleibt, wie bisher, eines der Zentren ukrainischer Volkskunde. Hier arbeiten V. P e r e t z , Vorsitzender der Ukr. Wissenschaftlichen Gesellschaft; V. D a n i l o v , s. § 137 u. 145; B. K r y Z a n o v s k i j , § 87; I. A b r a m o v , § 64; K. K o p e r í i n s k i j , A. Z a r e m b s k i j , N. F r i e d e und früher N . K o r o b k a 1872—1921, Κ S e r o c k i j 1886—1919, Verfasser des Buches GrapoBiiHHe MHcreifTBo Ha y κ paini, Kiev 1918, u. a. Hier erschien 1776 eines der ersten Werke über ukr. Volkskunde: OnHcame CBafleÔHbixt oôpHflOBi. BT, Maaoft Poccíh η β τ, Cjio6orckoìì YupanHCHOft ry6epHÌH von Gr. K a l i n o v s k i j , das später im Archiv von Kalacov 1861, Nr. 3 und in der Zeitschrift Xapi>KOBCKiit CßopHHK't, III, 1889 abgedruckt wurde. Die 1869—70 von der Geographischen Gesellschaft in Petersburg ausgerüstete Expedition war von hervorragender Bedeutung für die Geschichte der ukr. Volkskunde; an ihrer Spitze stand P. C u b i n s k i j 1839—84. Als Ergebnis dieser Expedition erschienen (in den Jahren 1872—77) 7 Bände der Tpyaiii aTHorpaijimiecKO-CTaTHCTimecKofi aitcneanijiH bt> 3anaflHopyccKiit Kpaß, Petersburg. Nicht wenig haben zur Erforschung des ukr. Volksstammes die p o l n i s c h e n G e l e h r t e n beigetragen, besonders in den 1860er Jahren, als in der polnischen Gesellschaft die sog. chíopomania überhandnahm, d. h. das demokratische Bestreben der Jugend, sich dem ukr. einfachen Volke zu nähern. Der Schilderung des ukr. Volkstums sind folgende Bücher gewidmet: Osk. K o l b e r g : Pokucie, Bd. I—IV, Krakau 1882—89; A. N o w o s i e l s k i : Lud ukrainski, Wilna 1857; E. R u l i k o w s k i : Opis powiatu Wasilkowskiego, Warschau 1853; eine ganze Reihe volkskundlicher Aufsätze über die Ukraine erschien in der Zeitschrift der Krakauer Akademie der Wissenschaften Zbiór wiadomosci do antropologii krajowéj 1879—89. Sie enthält Arbeiten von K o l b e r g , I. K o p e r n i c k i , P o d b e r e z s k i , S. R o k o s o w s k a , F. K o l e s a , Jul. M o s z y ñ s k a , Β. P o p o w s k i , Z ç b a , Z u l i n s k i u. a. Einige volkskundliche Aufsätze über die Ukraine enthält auch die polnische Zeitschrift Wisfa, Bd. IV u. a. § VII. Die Zentren des heutigen w e i ß r u s s i s c h e n Geisteslebens sind die Städte Minsk, die Hauptstadt der wr. Räterepublik, Vitebsk und Smolensk. Doch leben die größten Autoritäten auf dem Gebiete der wr. Volkskunde in L e n i n g r a d ; dieses sind: der Akademiker E. K a r s k i j und der MitII*
XX
Geschichte der ostslavischen Volkskunde.
arbeiter der volkskundlich en Abteilung am Russischen Museum in Leningrad A. S e r z p u t o v s k i j . Das vielbändige Werk von K a r s k i j : Eiwiopycctr, s. § 6, ist zwar hauptsächlich der wr. Sprache gewidmet, stellt aber auch eine umfassende Arbeit über wr. Volkskunde, ausgenommen die materielle Kultur,, dar ; so Bd. I : B B E A E M E BT> H E Y Î E M E H 3 H N A H HAPOßHOFT C.'IOBECHOCTII, Warschau 1903 und Bd. I I I : Οιβρκκ cjiOBecHoerii ôtjiopyccKaro ππβΜβΗΗ, I. Hapo^HaH noa3ÌH, Moskau 1916. In Bd. I findet sich auch eine ethnographische Karte des wr. Yolksstammes, die, etwas abgeändert, im Jahre 1917 auch als Sonderdruck erschienen ist, § 6; vgl. auch die neueste Arbeit E. K a r s k i j s „Geschichte der wr. Volksdichtung und Literatur" im Grundriß der slavischen Philologie und Kulturgeschichte (1926). A. S e r z p u t o v s k i j , Verfasser zahlreicher wertvoller Aufsätze über die materielle Kultur und die Gebräuche der Weißrussen (s. unten § 22, 35, 55), arbeitet gegenwärtig an einem umfassenden Werke über wr. Volkskunde. Über die Versuche von N. J a n c u k und M. D o v n a r - Z a p o l ' s k i j auf dem Gebiete der wr. Volkskunde siehe unten § 6. In M i n s k besteht außer der wr. staatlichen Universität noch ein wissenschaftliches Forschungsinstitut iHCTHTyT Benapycuae KyntTypu, doch hat es bisher keine Arbeiten auf dem Gebiete der Volkskunde geliefert. Die heimatkundlichen Organisationen in Minsk geben seit 1925 eine Zeitschrift Ham Kpañ heraus. In V i t e b s k begann das Institut für Heimatkunde des Vitebsker Kreises die Veröffentlichung einer in zwangloser Folge erscheinenden Zeitschrift BiijeßmHHHa, redigiert von M. K a S p a r o v i ô ; Bd. I erschien 1925. Die Hauptforscher auf dem Gebiete der Volkskunde sind hier : J. F u r m a η, Autor der Schrift KpauiamHa, MaTap'ajiH «a ricTopui ne y ΒίΐίββπΐΗΗΗβ, Vitebsk 1925, und M. Kaáparovi GfeBep0-3anaHH0MT> κ pat von Al. C h a r u z i n , ferner N. l i i k i f o r o v s k i j: H E I H C T H K H , CBOJVI> NPOCTOHAPOHHBIXT) BT> BnTe6cKOft Btjiopyccin CKa3amtí O
XXI
Geschichte der ostslavischen Volkskunde. HeraCTOÖ
sowie
CHJRFE,
O
nOCTpOÄKaXT)
KpeCTbHHCKHXT.
ΒΊ»
rpOflHeHCKOÖ
H
BH-
ry6.
neHCKOit
N . N i k i f o r o v s k i j 1845—1910 widmete seine Arbeit dem Y i t e b s k e r Weißrußland;
er war einer der besten Forscher auf dem Gebiete der mate-
riellen Kultur.
D a in Vitebsk keine anderen Zeitschriften vorhanden waren,
so veröffentlichte er seine volkskundlichen Arbeiten in den Spalten der Yitebsker Zeitung
BHTeöcKiH TyßepHCKiH BÌ^OMOCTH.
Als Sonder abdrücke
daraus er-
schienen dann die Bücher: OiepKii npocTOnapo^Haro ΐΚΗΤΒΗ-βΗΤΒΗ βί> BirreCcKOii Btnopycciii H onHcaHie ΠΡΘΗΜΘΤΟΒΤ, O6HXOSHOCTH, Vitebsk 1895, 664 Seiten und IIpOCTOHapOHHHH npHMÎTH Η ΠΟΒΐρΒΗ, CyeBÎpHHe oßpHflH H OÔHHaH, JICrCH^apHHH CKasaHiH o Jinnaxi, h MÎCTaxi,
Vitebsk 1897, 348 Seiten.
I n den Spalten der
ΠοπομκίΗ EnapxiacihHHH BÎHOMOCTH N r . 10—22 erschien 1903
seine
Arbeit
OcBHmeHHHe npe^MeTbi H OTHomeHie κτ> hhmt. npocTOHapoßbH Βκτββοκοϋ EfoiopyccÍH.
In
der
Fachzeitschrift
3THorpa$HiecKoe
Oôosp-Èiiie
1892—99
sind
8 Artikel veröffentlicht unter dem allgemeinen Titel Οιβρκκ Birre6cKolf
Et-
jiopycciH ; vgl. unten § 145. In licher
ähnlicher Weise hat noch ein Sammler,
RHJIEBCKÍH RYSEPHCKÍH BÎ^OMOCTH
den
anderer bedeutender
E. R o m a n o v, seine Schriften erscheinen
BHTeöcKiH TyßepHCKiH BÎ^OMOCTH.
bis 1912 neun Bände widmet
Romanov
Mogilev
und
hauptsächlich
nur
eine Beschreibung Materialien
aus
seines Werkes
der
dem
veröffentlichte er von 1886
folkloristischen
seines
Gouv. Mogilev
Seine
Material
wr. Sammelwerkes vgl. unten
sind
Mo-
schon 1889—1896 in
Bfcjiopyccmñ CSopuHKt.
des wr. Volkslebens,
dem
A. D e m b o v e c k i j
8. Band
lassen u n d
Separat
wr. volkskund-
von 1898 an in den
auch
ΟΠΗΤΒ oniicamH MoriooBCKott
(1912)
§ 22. — enthalten
Arbeit
des
Gouv. enthält
Volkskundliche im
ry6. passim,
Buch Band
von I—II,
Mogilev 1882—1884. Den Weißrussen in S m o l e n s k gewidmet; wähnt;
die wichtigsten
sie wurden
sind weiter unten in § 55, 87, 137, 170 er-
hauptsächlich
in den Publikationen der Geographischen
Gesellschaft veröffentlicht. M. K o s i e verfaßte
und
sind die Arbeiten V . D o b r o v o l ' s k i j s
davon
M i t den W r . im Gouv. C e r n i g o v
G. J e s i m o n t o v s k i j ,
außerdem
befassen sich
s. unten §64 und 119;
M. K o s i e
die Schrift JIHTBHHM Etjiopyccu HepmiroBCKoit ry6., HXT>
ßbiTi h ntcHH (JKHBan CTapHHa, 1901, N r . 2—4). Den Wr. des Gouv. M i n s k ist die Arbeit von N . J a n e u k : ry6epHiii,
3AMÍTKH
H3T>
ΠΟΪΘΗΚΗ
ΒΊ,
1886
R.
in
Τρν^ι.ι
ΠΟ MHHCKOÖ
3THorpaij>imecKaro
Chwkna, I X , 1889 gewidmet ; ebenso eine Reihe von Aufsätzen von A . V a s i 1 j e ν a in der Zeitung MHHCKÌH TyòepHCKiH Bî^OMOCTH 1877—79 über Hochzeits- und Bestattungsbräuche,
Jahresfeste und
das äußere Leben;
JieHCKiö BtcTHHK-b 1880—81 h 1885; E. L ' a c k i j :
desgleichen im BH-
IIpencTaBjieHiH 6tnopycca o
HeiHCTOit CHji-fe im BTHorpa$Hi. Oóo3p-Èuie 1890, N r . 4. Die volkskundlichen Arbeiten M. D o v n a r - Z a p o l ' s k i j s sind zusammen gefaßt
in
darunter
seinem Buche Hacjii^oBamíi h CTaTi>H, Kiev 1909 ; die wertvollste ist BijiopyccKan cna^böa ΒΊ. KyjibTypH0-pejiHri03Hhix'B nepejKHTKaxx,
8THorpa$HTOCKoe Oßoaptme 1893, N r . 1—4.
M. F e d e r o w s k i
liefert reiches
Material über den Glauben der Weißrussen: Lud biaíoruski na Rusi Litewskiej,
XXII
Geschichte der ostslavischen "Volkskunde.
Bd. I. Wiara, wierzenia i przeds^dy ludu ζ okolic Woïkowyska, Slonima, Lidy i Sokofki, Krakau 1897. Weiter unten werden in den entsprechenden Abschnitten die Arbeiten von P. S e i n , § 35, 119, 155, N. A n i m e l l e , Ju. K r a ô k o v s k i j und J. J e r e m i ö , § 22, A. K i r k o r , § 55, A. B o g d a n o v i c , § 155, und P. D e m i d o v i ë , § 178 erwähnt. § V I I I . Die volkskundliche Literatur über die G r o ß r u s s e n ist natürlich umfangreicher als diejenige über die Ukrainer. Doch nimmt ja Grol?rußland im Vergleich zur Ukraine ein bedeutend größeres Gebiet ein und verfügt über mehr Mannigfaltigkeit im Volksleben, um so mehr als wir es eigentlich nicht mit einem, sondern mit zwei gesonderten grr. Volksstämmen zu tun haben, vgl. unten § 2. Der Mangel einer umfassenden Arbeit über die grr. Volkskunde berechtigte uns oben (§ V I ) der Ukraine in bezug auf die ethnographische Erforschung ihres Volkes den Vorrang zu lassen. Was die beiden grr. Volksstämme anbetrifft, so ist die Volkskultur der Südgroßrussen weniger erforscht, als die der Nordgroßrussen. Die beiden Mittelpunkte des grr. volkskundlichen Studiums sind nach wie vor L e n i n g r a d (Petersburg) und M o s k a u . Die Zentren in L e n i n g r a d sind: Die Ethnographische Abteilung der Geographischen Gesellschaft, an deren Spitze S e r g e j O l d e n b u r g steht ; er ist auch der Leiter der neuen ethnographischen Zeitschrift OTiiorpaifiHH, deren erstes Buch im Sommer 1926 in Moskau erscheinen soll. Das Organ der Ethnographischen Abteilung an der Geographischehen Gesellschaft /KiiBan Grapima ging 1917 ein, und dieser Umstand ist selbstverständlich nicht ohne Einfluß auf das Tempo der volkskundlichen Arbeiten der Gesellschaft geblieben. Es entstanden daneben neue Zentren, und zwar: die Akademie der Geschichte der materiellen Kultur, an deren Spitze N . M a r r steht und an der D. Z o l o t a r e v , D. Z e l e n i n u. a. als wissenschaftliche Ethnographen arbeiten, dio Sektion für Folklore am wissenschaftlichen Forschungsinstitut für vergleichende Geschichte der Sprachen und Literaturen des Westens und Ostens (der Vorsitzende der Sektion ist D. Z e l e n i n , der Vorsitzende des Forschungsinstituts Ji. D e r z a v i n ) ; den Lehrstuhl f ü r ostslavische Volkskunde an der Geographischen Fakultät der Leningrader Universität hat D. Z e l e n i n inne. Eine große Arbeit auf dem Gebiete der volkskundlichen Erforschung der Ostslaven leisten auch die Museen in Leningrad, besonders die ethnographische Abteilung des Russischen Museums; dort arbeiten D. Z o l o t a r e v , B. K r y z a n o v s k i j , A. S e r z p u t o v s k i j , A. M a k a r e n k o u. a. Die Abteilung veröffentlicht eben den I I I . Bd. ihrer Zeitschrift MaTepHajiti no 3THorpaHii P O C C H H ; die zwei ersten Bände erschienen 1910 und 1914. In den letzten Jahren hat das Russische Museum, ebenso wie die Akademie der Geschichte der materiellen Kultur einige Expeditionen in verschiedene Gegenden Rußlands zu ethnographischen Forschungen ausgerüstet; vorläufige Mitteilungen über die Ergebnisse der Expeditionen finden sich in den Berichten des Museums und in der Broschüre 8THorpa$HHecKHe BKCnenHUHH 1924 η 1925 r. r., Leningrad 1926. Das Buch BepxHe-BojiHîCKan sTHOJiornHecKaa 3KCne3,HL(HH. KpecTBHHCKHe ποοτροϋκΗ flpocaaBCKO-TBepcKoro KpaH ist jetzt
Geschichte der ostslavischen Volkskunde.
XXIII
im Druck, als Edition der staatlichen Akademie für Geschichte der materiellen Kultur. In M o s k a u hat die Zeitschrift 3THorpa$aiecKoe Oßosp-feHio im Jahre 1917 ihr Erscheinen eingestellt; zugleich verlangsamte sich auch das Tempo der Arbeit in der Ethnographischen Abteilung der Gesellschaft von Freunden der Naturforschung, Anthropologie und Volkskunde an der Moskauer Universität, deren Organ diese Zeitschrift gewesen ist. Es entstanden neue Zentren der wissenschaftlichen Volkskunde, und zwar: die Moskauer Abteilung der Akademie der Geschichte der materiellen Kultur; an ihrer Spitze steht V. B o g d a n o v . Es wurde auch ein neues Museum des Zentralen Industriegebietes gegründet mit einer volkskundlichen Abteilung, die von V. B o g d a n o v und Β. Κ u f t i η geleitet wird. Dieses Museum erforscht die volkstümliche Kultur gerade des am wenigsten bekannten großrussischen Gebietes. Das ehemalige Rumancev-Museum ist in ein Zentralmuseum für Volkskunde umgewandelt und um eine neue Abteilung bereichert worden. An der Spitze dieses Museums steht B. S o k o 1 ο v. In den P r o v i n z s t ä d t e n nehmen h e i m a t k u n d l i c h e O r g a n i s a t i o n e n und Museen regsten Anteil an der Arbeit auf dem Gebiete der Volkskunde. Sehr oft jedoch entbehrt die Arbeit dieser Heimatforscher jeglicher Spezialisierung; insbesondere fließt bei ihnen die Volkskunde oft mit der soziologisch-wirtschaftlichen Erforschung des Volkslebens zusammen oder wird durch die letztere vollständig verdrängt. Trotzdem sind auch hier schon mehrere wertvolle volkskundliche Arbeiten erschienen. In seinem zweibändigen Werke COBPEMCHHAH REPEBHH, Ο Π Η Τ KPAEBEJIIECKORO OÖCNENOBAHHH OHHOÖ HepeBHH, 1925, schildert M. F e n o m e n o v das nordgroßrussische Dorf GadySi, Kreis Valdaj, Gouv. Novgorod, und schenkt darin der materiellen Kultur, die Kleidung ausgenommen, die größte Beachtung; durch seine zahlreichen Abbildungen unterscheidet sich dieses Werk vorteilhaft von allen russischen Arbeiten dieser Art, deren es übrigens sehr wenige gibt. Überhaupt hat in der russischen Gesellschaft das Interesse an der Erforschung der materiellen Kultur in den letzten Jahren sehr zugenommen; so ist beispielsweise im Städtchen Tot'ma, Gouv. Vologda, 1924 ein Buch von D. O s i p o v erschienen: K P E C T L B H C K A « H 3 0 A HA ceeepe POCCHH, ToxeMCKHft Kpaü, Ausgabe des örtlichen Museums für Heimatkunde, mit 7 Abbildungen. — In Kaluga veröffentlichte die dortige Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde eine wertvolle Arbeit von M. S e r e m e t e v a : KpecTLHHCKaH oneîKsa KajiyjKCKOit raMaroHmiiHti, DTHorpaifiiiHecKHft οιβρκ, 1925, mit 9 Abbildungen. Besonders lebhaft betätigen sich durch Veröffentlichung volkskundlicher Schriften die Vereine und Museen für Heimatkunde in Kostroma, Voronei, E'azan, Archangelsk, Periii, Vologda, Irkutsk und anderen Orten. In K o s t r o m a wird die Zeitschrift Tpyubi KocTpoMCKoro Hayrooro OßmecTBa no HayienHio upan herausgegeben, die viele wertvolle volkskundliche Aufsätze von V. S m i r n o v , K. Z a v o j k o (vgl. unten § 55, 137, 155), N. V i n o g r a d o v (§ 87 und 137), M. Z i m i n u. a. enthält. In V o r o n e ä gibt der Verein für Heimatkunde zwei Zeitschriften heraus: BopoHeHtCKHft KpaeBestecKHfi CöopHHK (Lieferung 3 erschien 1925) und
XXIV
Geschichte der ostslavischen Volkskunde.
MsBecTHH BopoHejKCKoro Rpaeee^iecKoro OömecTBa (1925 erschienen 6 Hefte); die Hauptmitarbeiter sind: S. V v e d e n s k i j , A. P u t i n c e v , N. V a l u k i n s k i j , F. P o l i k a r p o v , G. F o m i n u. a. In Heft 3—6 der H3BecTHH ist unter anderem eine ausführliche Arbeit G. F o m i n s enthalten, die ein gänzlich unerforschtes Moment des Volkslebens, den Faustkampf, behandelt: KyJiatiHHe 6OH Β BopoHentCKoft ryßepHHH. — 1921 wurde gleichfalls in VoroneS unter der Leitung yon A. P u t i n c e v der BopoHejKCKHtt HcTopiiKO-ApxeojiortreecKHü BecTHHK herausgegeben. In R ' a z a n erschienen 1924—25 8 Hefte der Zeitschrift BecTHHK P H aaHCKHX K p a e e e n o B , deren bedeutendste Mitarbeiter M. M a l i n i n a , N. L e b e d e v a , B. K u f t i n u. a. waren; die Οπβρκκ PHsaHCKOü Memepti von M. M a l i n i n a (1925, H. 3) behandeln die Volkskultur eines ganz unerforschten Gebietes, wo die alteingesessene finnische Bevölkerung durch die slavische verdrängt worden ist. In I r k u t s k (Sibirien) erschienen in den letzten Jahren 4 umfangreiche Hefte der ethnographisch - heimatkundlichen Zeitschrift CtiöiipcKaH JKHBan GrapHHa; die hervorragendsten Mitarbeiter derselben sind: M. A z a d o v s k i j , G. V i n o g r a d o v , F. C h o r o s i c h u. a. Es wäre zeitraubend und zwecklos, alle lokalen heimatkundlichen Zeitschriften hier anzugeben, in denen oft volkskundliche Aufsätze enthalten sind; für die Jahre 1914—24 liegt eine Übersicht von D. Ζ e l e n i n in deutscher Sprache vor, in der Zeitschrift für slav. Philol. Bd. I — I I (1924—25). § I X . In der historischen Literatur finden wir umfassende Schilderungen der alten großrussischen Volkskultur. Der Historiker N. K o s t o m a r o ? hat bereits im Jahre 1860 in der Zeitschrift ΟοΒρβΜβΗΗΗΚΊ. und auch in einer Sonderausgabe einen kurzen Abriß des Volkslebens der Großrussen des 16. und 17. Jahrhunderts veröffentlicht: OiepniftOManmeö¡KHSHH H HpaBOBt BejiHKopyccKaro Hapo^a BT> 16 Η 17 CTOIRI>TÍHXI>, Petersburg, 1860. Eine urkundlich mehr beglaubigte und eingehendere Schilderung der alten Moskauer Volkskultur finden wir in den Büchern ¿es Historikers I. Z a b e l i n : floManiHift 6HTT> p y c c K H X t ijapeit Β 16. Η 17. CTOJI1ÍTÍHXT>, Teil I, Moskau 1862, Teil I I , Moskau 1915, und in floManmiit 6ΗΤΈ pyccKHXt ijapHijÎ. BT> 16. H 17. CTOJi. Moskau 1872; das Leben am Moskauer Zarenhof stand in alter Zeit seinen Formen nach dem Volksleben sehr nahe und unterschied sich von dem letzteren nur durch Reichtum und Prunk. Die e t h n o g r a p h i s c h e Literatur hat dagegen bis heute kein umf a s s e n d e s W e r k über die großrussische Volkskultur aufzuweisen. Einen sehr ernsten Versuch diese Lücke auszufüllen, unternahm der F ü r s t V. T e n i sev. Dieser Mäzen, der selbst Jurist von Fach war, versandte 1898 einen von ihm verfaßten, sehr eingehenden Fragebogen zur Beschreibung der Volkskultur Zentralrußlands: üporpaMMa 3ΤΗθΓρ3φΗΊβοκΗχτ> CB^fl-femit o KpecTbHHaxt -n,eHTpaji£,Hoñ POCCÍH, Smolensk 1898, und gründete eine Zentralstelle: Braorpa(¡»HiecKoe 6κ>ρο khh3h Β. H. TeHHmeBa, wohin die Antworten auf diesen Fragebogen zu richten waren. Die Zahl der so gewonnenen Mitarbeiter belief sich auf 350; es waren Dorfgeistliche, Lehrer, Grundbesitzer, Bezirksvorsteher, Feldscher, zum Teil sogar Bauern; sie wurden für ihre Arbeit
Geschichte der ostslavischen Volkskunde.
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bezahlt. Auf Grund des auf diese Art gesammelten Materials wurden 1903 zwei wertvolle Werke über grr. Volkskunde herausgegeben: 1. Dr. med. G. P o p o v : PyccKas HapoaHO-SMTOBan Me^nijHHa, Petersburg, und 2. S. M a k s i m o ν : He^HCTan, neBÎnoMaH h KpecTHan CHJia, Petersburg. Damals wurde auch 'mit dem Druck eines großen, zweibändigen Sammelwerkes, zusammengestellt von Fürst T e n i s e v , begonnen: Ei.iTt nenHKopyccKHx-h KpecTtHHt-aeMJienaumeBt. Doch der Tod Tenisevs bewirkte die Unterbrechung des Druckes schon nach den ersten Bogen, und das Werk ist nicht erschienen. Wir besitzen n u r Schilderungen der Volkskultur in den einzelnen grr. Gouvernements, die jedoch größtenteils nicht gründlich und genau genug sind und meist keine Abbildungen aufweisen. Das Material über die n ö r d l i c h e n Gouvernements ist reichhaltiger. Schon 1877 erschien eine Arbeit von P . J e f i m e n k o über das Gouv. Archangelsk : MaTepia;ii>t no 3THorpa(|nn pyccKaro Hacejiemn ApxaHreahCKOft ryßepiuM, herausgegeben von der Moskauer Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschaft, Anthropologie und Ethnographie. Diese Arbeit h a t ihre Bedeutung auch heute noch nicht verloren, obgleich sie eigentlich n u r eine mechanische Zusammenstellung einzelner nicht gleichwertiger Schilderungen ist, die von verschiedenen Verfassern, den Korrespondenten Jefimenkos, stammen. Als vorzügliche Ergänzung zu diesem Werk dient die § 35 erwähnte Arbeit von P . B o g a t y r e v . Über das Volksleben der Großrussen im Gouv. V o l o g d a kann man sich eine ziemlich genaue Vorstellung machen auf Grund einer Reihe von Arbeiten der Ethnographen : Ν. I ν a η i c k i j , siehe unten § 22 und 35, M. I e d e m s k i j , § 110 und 137, und Gr. P o t a n i n : 3THorpa$HiccKÌH aaiw-ÈTI ; H Ha nyTH ΟΤΤ> ropo^a H H K O J I T C K A H O ropojja T O T L M L I (ÎKiiBaH GrapHHa 1899, Nr. 1). — Die Volkskultur im Gouv. O l o n e c beschrieben: Ν . C h a r u z i n (s. § 35), G. K u l i k o v s k i j (s. § 137), P . R y b n i k o v : 9THorpaiJ>i«ecKifi C B Ì J C È H Ì H o 3aoHejKaHaxt (IlaMHTHaH KHHHíKa OjioHeqKoií ry6epmn Ha 1866 roflt). Zur volkskundlichen Erforschung der Gouv. K o s t r o m a und V l a d i m i r haben beigetragen: K. Z a v o i k o , § 55 u. § 155, V. S m i r n o v , § 119 u. 137, N. V i n o g r a d o v , § 8 7 u . 137 ; die Gouv. S i b i r i e n s erforschten A. M a k a r e n k o , § 55, 64, 87, 155, Κ . L o g i n o v s k i j und F. Ζ o b n i η , § 55, M. K r i v o s a p k i n : EHHceiícKiit 0Kpyn> H ero Î K H 3 H B , Petersburg 1865; I. M o l o d y c h und P. K u l a k o v : H . n j i i o c T p i i p o B a H H o e onacame 6tiTa ceJu>cnaro H a cejieHÌH MpnyTCKoa ry6epHÌH, Petersburg 1896; M. A z a d o v s k i j , § 137, G. V i n o g r a d o v , §110, A. S e l i ä c e v : 3a6aftKajitCKie CTapooôpHffiibi. CeMeftc K i e , Irkutsk 1920. Die Volkskultur des Gouv. S a r a t o v beschrieb Α. M i η c h : HapoflHue oQuiaa, ο6ρ««Η, cyeBtpiH η npeflpaecyAKH CapaTOBCKoit ry6., Petersburg 1890; die Volkskultur im Gouv. R ' a ζ a ή — V. S e l i v a n o v § 87 und O. S e m e n o v a T J a ή s a n s k a j a § 137. Die Volkskultur des Gouv. K u r s k beschrieben Α. M a s k i η im ΘτΗΟΓρβφΗΗβοκϊϋ CôopmiKi V, 1862, und I. A b r a m o v : O nypcKHxt caHHaxt (in >KnBaH CTapHHa, 1906, N r . 3). Das Volksleben im Gouv. V o r o n e ü schildjrten N. V t o r o v : O aacejiemu BopoHe¡KCKoft ryßepHiH (BopoHeHtCKift K)6HjieftHUü CöopHHKi I I , 1886), A. P u t i n c e v und F . P o l y k a r p o v. Das Gouv. K a l u g a und sein Volksleben beschrieben G. Ρ o t a η i η :
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Geschichte der ostslavischen Volkskunde.
raiviaioHmHHa (Π3ΜΗΤΗ&Η ΚΗΗ?ΚΚ& KajiyjKCKoü ryôepmn Ha 1862 H 1863 r. r.), D . M a l i n i n , E . E l e o n s k a j a § 100. — E s wäre unmöglich, h i e r die A r b e i t e n über alle G o u v e r n e m e n t s a n z u f ü h r e n . § X. Literatur. Das große vierbändige "Werk Α. Ρ y p i n s aber die Geschichte der russischen Volkskunde ist weiter unten in § 6 angegeben. Andere bedeutende Arbeiten über die Geschichte der ostslavischen Volkskunde verfaßten folgende Gel e h r t e : M. H r u s e v á k y j : PaeBHTie yKpaHHCKHxt Heynemii BT. 19. B Î K Î H pacΐφΗτίβ Βτ> Η Η Χ Έ OCHOBHHXI BonpocoBt yKpaHHOB-feflf>HiH (Sammelwerk: ynpaiiHCKÍÍÍ Hapoflt BT> ero npomjioMl> H HacTonmenn. Bd. I, Petersburg 1914, S. 1—37); Ν. S u m co ν : CoBpeMeHHan ManopyccnaH 3THorpa$in I—II, Kiev 1893 u. 1897 (in der Zeitschrift KieBCKan CTapHHa 1893,1895 u. 1896, auch separat) ;· V. D o r o s e η k o : HayKOBe ToBapncTBO ΪΜΘΗΗ IIIeB^eSKa y · JIBBOBÍ 1873—1892—1912, Kiev-Lemberg 1914, wo die Geschichte dieser bedeutendsten wissenschaftlichen Gesellschaft der Ukraine gegeben i s t ; N. S u m c o v : flinii yKpaiHCtKoro $ o n t K a o p y (C6oph h k t j Ηοτορ.-Φιυιοπ. OGmecTBa πριι XaptKOBCKOMt ΥΗΗΒβροκτοτΐ XIX, 1910). E r w ä h n u n g verdienen die hauptsächlichsten b i b l i o g r a p h i s c h e n A r b e i t e n über die ostslavische volkskundliche Literatur. Das bibliographische Register der Literatur über die materielle K u l t u r der Ostslaven und ihrer Nachbarn von D. Ζ e l e n i n ist unten in § 6 g e n a n n t ; als Ergänzung dazu dient desselben Verfassers Übersicht : Die russische (ostslavische) volkskundliche Forschung in den J a h r e n 1914-1924 (Zeitschr. f ü r slav. Philologie Bd. I—II, 1924-1925); S. J e f r e m o v : yKpai'H03HaBCTB0. IIoKawTOK ποτρίβΗίιηοϊ HO caMoocBÌTH jiÌTepaTypH, Kiev 1920. Ein Register der in der Zeitschrift 9TH0rpaií)HMecKûMy 06o3pÍHÍio. — Mit der Bibliographie der anderen russischen volkskundlichen Zeitschrift JKiiBaH CTapHHa s t e h t es viel schlimmer; ein Register ist nur bis 1907 vorhanden und enthält keinen Sachindex ; dieses Verzeichnis erschien als Beilage zu der Zeitschrift 1908, H e f t 2, 3 u. 4 und 1909, H e f t 4 unter dem Titel N. V i n o g r a d o v : An$aBHTHHit yKaAATCJIB κ JKHBOS Grapinrii sa 15 j r i m , e;i Η Β ^ Η Ϊ Η , 1891—1906, Petersburg 1910. — Das Register zur Zeitschrift KieBCKaa CTapHHa, von Ρ a ν 1 o ν s k i j und S c e ρ o t j e ν zusammengestellt, ist oben in § IV genannt. Für die Bibliographie der volkskundlichen Literatur über S i b i r i e n gibt es besondere, sehr wertvolle A r b e i t e n ; es sind dies: V. M e z o v : CnGupcKan 6h6JIÌOrpaiJÜH, YKaeaTejiL· Κ Η Η Γ Ι Η CTaTefi Ο CH6HPH na pyccKOMi Η Β Β Ι Κ Ϊ Η o^N-fexi, TOJiBKO ΚΗΗΓΤ> Ha HHOCTpaHHBixt H3HKaxT> sa Beet nepiofli, KHHroneqaTaHÍH Bd. I bis III, 1891—1894 (die Ethnographie im II. Band), mit Sachregister; und die neuesten Arbeiten: M. A z a d o v s k i j : JlmepaTypa no 3THorpaHH CH6HPH aa nocjieflHee necHTHjierae X I X Bena, ΠβρβιβΗΒ CTaTefl β nepwoHHiecKHX H3«aHHHX 1891—1900 (in der CHÔnpcKaH /KuBan CTapHHa, Lief. II, Irkutsk 1924) und M. S l o b o d s k o j : JlHTepaTypa no 3THorpaHH CH6HPH Β 8THOJioro-reorpa(j)HHecKHx noBpeMeHHtix H3flaHHHX 1901—1917 r. (ib. Lief. III—IV, 1925, S. 219—240).
Einleitung.
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Einleitung. Die vier ostslavischen Völkerschaften. § 1. Ungenauigkeit der gewöhnlichen Einteilung der Ostslaven in drei Gruppen. § 2. Die zwei großrussischen Völkerschaften: Südgroßrussen (α-Dialekt) und Nordgroßrussen (o-Dialekt). § 3. Die Bedingungen des Zusammenschlusses der zwei großrussischen Völkerschaften. § 4. Die Entstehung der vier ostslavischen Völkerschaften. § 5. Großrussen und Finnen. § 6. Literatur. § 1. Unter den O s t s l a v e n , die oft auch als „ R u s s e n " bezeichnet werden, unterscheidet man gewöhnlich drei Hauptgruppen: G r o ß r u s s e n , W e i ß r u s s e n und U k r a i n e r (nach der früheren Terminologie „Südrussen", „Kleinrussen"). Eine solche Teilung ist nicht so sehr ethnographisch, wie historisch-politisch. „Großrussen" sind die slavische Bevölkerung des alten Moskowitischen Staates, „Ukrainer" die Slaven des alten Fürstentums Kiew, welches sich im Jahre 1654 zur Zeit des Hetmanns Bogdan Chmelnickij mit Moskau vereinigte, „Weißrussen" (oder „Westrussen") diejenigen Ostslaven, welche am Ende des 14. Jahrhunderts dem „LitauischRussischen Staate" einverleibt wurden. Eine solche Teilung der Ostslaven in drei Zweige ist vom ethnographischen und dialektologischen Standpunkt betrachtet ungenügend, weil sie den scharfen Unterschied zwischen den beiden Teilen der Großrussen unberücksichtigt läßt. Die S ü d g r o ß r u s s e n (d. h. die großrussische Bevölkerung der Gouvernements R'azañ, Tambov, Voronez, Kursk, Tula, Orel und Kaluga) unterscheiden sich von den N o r d g r o ß r u s s e n (in den Gouvernements Novgorod, Vladimir, V'atka, Vologda usw.) in ethnographischer und dialektologischer Beziehung viel mehr als von den Weißrussen. Man hat vollkommen recht, wenn man von z w e i g r o ß r u s s i s c h e n V ö l k e r s c h a f t e n spricht : 1. Nordgroßrussen (o-Dialekt) und 2. Südgroßrussen (α-Dialekt). § 2. Trotz einer starken Mischung infolge der späteren Kolonisationsströmungen unterscheiden sich die beiden obengenannten grr. Völkerschaften voneinander sehr scharf durch den Typus der Wohnimg, der Tracht und andere Zeichen der Lebensart. Diese ethnographischen Eigentümlichkeiten, welche die ngrr. Nationalität von der sgrr. unterscheiden, werden in verschiedenen Kapiteln dieses Buches erörtert werden. Hier soll nur ganz kurz der dialektische, s p r a c h l i c h e U n t e r s c h i e d besprochen werden. Die Nordgroßrussen gehören zum o-Dialekt, d. h. sie haben in der Aussprache den alten unbetonten o-Laut in allen solchen Worten, wie: ronoBa, KÓJIOKOJI, Bona usw. bewahrt. Dagegen gehören die Südgroßrussen ebenso wie die Weißrussen zum α-Dialekt, d. h. sie bewahren nicht die alten unbetonten Z e l e n i n , Russ. (Ostslav.) Volkskunde.
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Einleitung.
Laute o und e in der Avissprache, sondern haben dafür entweder den α-Laut oder reduzierte (qualitativ und quantitativ abgeschwächte) Laute: rinaea (wo a einen reduzierten Laut bezeichnet), kójii>kí>ji, βαβά, seltener : hajiaea, KojiaKaná ; 6up«rá (Plur. von 6éper), Hap»BéHCKaâ, cunó oder ciuió (ceno, Dorf). — Dem ursprünglichen g entspricht bei den Ngrr. ein Explosivlaut, dagegen bei den Sgrr. ebenso wie bei den Wr. ein Spirant (γ, h). — I n der 3. Sing. Präs. hat das Ngrr. einen harten t - Laut (HfleT, xorut) , dagegen das Sgrr. ebenso wie das Wr. einen palatalen ¿'-Laut : HnëTt, xóhhtb, nacén. — Im Genitiv der Adjektiva und der Pronomina überwiegt bei den Ngrr. die Endung -vo (kobo, tobó, Η0δρ0Β0, 3JIÓB0), bei den Sgrr. die Endung -ho: kahó, qahó oder i»hó, nóóptha. Der W o r t s c h a t z des Ngrr. zeigt auch starke Unterschiede vom Sgrr. in der Bezeichnung der gewöhnlichsten im Dorfleben gebräuchlichen Sachen und Handlungen, ζ. B. ngrr. 6opos¿TL ,eggen' entspricht dem sgrr. CKoponnn», ngrr. y x B á T ,Ofengabel· : sgrr. porái, ngrr. MyrÓBKa : sgrr. KOjiOTÓBKa ,Quirl' usw. Kein Wunder, daJß dies bisweilen zu einem gegenseitigen Mißverständnis führt. Die ngrr. Altgläubigen, welche aus dem Gouv. Niznij-Novgorod ins Gouv. U f a (Distrikt Belebej) ausgewandert sind, wollten lange Zeit ihre neuen sgrr. Nachbarn aus dem Gouv. Tula als Bussen nicht anerkennen: sie hielten dieselben f ü r eine besondere Nation und gaben ihnen sogar einen neuen Namen HaflHaá (vom sgrr. Wort n a ^ ó c t ,vor kurzem'). § 3. Es ist ein Wunder, daß solche Fälle so selten sind und daß kein besonderer Name f ü r die Bezeichnung der zwei grr. Nationen erfunden worden ist. Vom Standpunkt der historischen Ethnographie ist indes dieser fast vollständige Z u s a m m e n s c h l u ß z w e i e r g r r . N a t i o n e n verständlich. Vor allem hat dazu die alte Zugehörigkeit zu einem politischen und gleichzeitig kulturellen Zentrum — Moskau — beigetragen. Die geographische Lage der Stadt Moskau — unweit der Grenzscheide zweier grr. Volksstämme — hatte schon allein zur raschen Ausbreitung der moskowitischen Kultur und der neuen Strömungen aus Moskau nach dem Norden und Süden Großrußlands beigetragen. Zwar lag die Stadt Moskau anfangs im Gebiet der ngrr. Nation, deren Südgrenze sich am mittleren Lauf des Flusses Oka hinzog. Aber schon im 14.—15. Jahrhundert befand sich im ganzen Gebiet zwischen den Flüssen Oka und Wolga, rund um Moskau, eine gemischte grr. Bevölkerung. Im 14.—15. Jahrhundert wurden die sgrr. Steppen (das Gebiet der späteren Gouv. Tula, Orel, Voronez, Kursk und teilweise der daran angrenzenden) allmählich immer menschenleerer. Die ganze Bevölkerung dieser Steppen floh vor den ständigen Einbrüchen und Kriegszügen der Krim- und NogaiTataren. Die wilden Horden dieser Steppennomaden durchzogen jedes Frühjahr diese Gegenden, plünderten und vernichteten alles auf ihrem Wege. Zuweilen drangen sie nördlich bis an die Oka vor; nur sehr selten gelang es ihnen, über diesen Fluß noch weiter hinauszugehen und Moskau zu besetzen. Ein friedlicher Ackerbau in den sgrr. Steppen wurde unmöglich, die Bevölkerung zog sich von dort zurück. Sie entfloh teilweise in die westlich und östlich liegenden Wälder und Sümpfe, teilweise in die Gebiete des an-
§ 2—4. Die vier ostslavischen Völkerschaften.
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grenzenden Polen und Litauen. Die Hauptmasse der sgrr. Steppenbevölkerung entwich aber in jener Zeit nach Norden, über die Oka hinaus, die ihr sicher vor den Krimnomaden genügenden Schutz bot. Auf diese Weise konzentrierte sich zwischen den Flüssen Oka und Wolga, d. h. auf dem Gebiete des späteren Gouv. Moskau und um dasselbe herum, eine große Masse der sgrr. Flüchtlinge. Da blieben sie nicht weniger als ein Jahrhundert und lebten im nahen Verkehr mit der ursprünglichen ngrr. Bevölkerung des moskowitischen Zwischenstromgebietes. Erst im 16. Jahrh. begann ein allmähliches Zurückfluten dieser Flüchtlinge in die alten Wohnsitze — die sgrr. Steppen. Als Ergebnis dieses langen und nahen Zusammenlebens der beiden grr. Nationen zwischen Oka und Wolga entstand hier eine neue Nation, die gewöhnlich als „Mittelgroßrussisch" bezeichnet wird. Es sind die Träger der Übergangsdialekte vom Nordgroßrussischen zum Südgroßrussischen. I n die Zone der Übergangsdialekte dieser neuen „mittelgroßrussischen" Nation gehörte auch das kulturelle und politische Zentrum — Moskau. Da die neue Kultur dieses Zentrums als Ergebnis eines innigen Zusammenwirkens beider grr. Nationen, aus ngrr. und sgrr. Elementen entstand, so wurde diese neue moskowitische Kultur gleich verwandt mit beiden grr. Nationalitäten. Desto leichter konnten a l l e Großrussen sich dieselbe aneignen. Als z . B . der Moskauer Dialekt (seit der Zeit Peters des Großen) zur Grundlage der neuen russischen Schriftsprache wurde, erwies er sich sowohl dem sgrr. als dem ngrr. Dialekt nahe: dem Sgrr. — wegen des allerdings geschwächten „Akanje", dem Ngrr. — wegen der Erhaltung des explosiven g, der harten Konjugationsendung -t (HecëT), des Genitive der Adjektiva und Pronomina auf -BO usw. Wenn der reine sgrr. Dialekt allein mit seinem starken „Akanje" die Grundlage der russischen Literatursprache gebildet hätte, so wäre er f ü r die Ngrr. fremdartig und wenig verständlich. E i n geschwächtes „Akanje" in Moskau und gleichzeitig die Erhaltung der alten Orthographie nach der OKaHte-Aussprache beseitigte die Hindernisse auf dem Wege der Vereinigung beider grr. Nationen. E s ist hier passend zu bemerken, daß die Zone der mittelgroßrussischen Übergangsdialekte sich später etwas östlich von Moskau verschob. Es geschah hauptsächlich im 17. Jahrh., zur Zeit der Wirren ( „ C M y r H o e B p e M H " ) , als die Kolonisationsströmungen der Großrussen von N W in der Eichtling nach SO stärker wurden. § 4. Obwohl die mittelgroßrussische (d. h. moskowitische) Kultur sich im Süden und im Norden Großrußlands weit ausbreitete und diese Ausbreitimg auch jetzt noch ihren Fortgang nimmt, so kann von einem vollständigen Zusammenfall zweier alter grr. Völkerschaften, der nördlichen mit dem o-Dialekt und der südlichen mit dem a-Dialekt, nicht die Eede sein. W i r haben das vollste Recht, von zwei grr. Völkerschaften zu sprechen, ohne eine dritte „mittelgroßrussische" herauszuscheiden, da diese letztere erst spät durch Mischung von Elementen beider alter Völkerschaften entstand. E s ist f ü r die Volkskunde besonders wichtig, zwei verschiedene obwohl einander sehr nahestehende Völkerschaften zu unterscheiden und sie nicht 1*
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Einleitung.
als eine und dieselbe zu betrachten. Deshalb sollen weiter unten immer zwei grr. Völkerschaften unterschieden werden; auf diese Weise lassen sich dann im ganzen östlichen Slaventum vier Völkerschaften: Ukrainer, Weißrussen, Nordgroßrussen (o-Dialekt) und Südgroßrussen (a-Dialekt) unterscheiden. Wir kommen nun zu der Trage der E n t s t e h u n g dieser vier ostslavischen Völkerschaften. Schon zu Anfang der altrussischen Chroniken finden wir eine ethnographische Beschreibung der Ostslaven des 9. Jahrh., die der Chronist hauptsächlich auf Grund der damaligen Überlieferung und teilweise nach ihren Lebensverhältnissen gibt. Da ist noch keine Rede von den obenerwähnten vier Völkerschaften. Wir finden dafür zwölf andere Stämme: nojiHHe, ßpeBJiHHe, ciìBepHHe, THBepijH, yjrain, 6yHtane oder nyjiiSn, kphbhhh, cnoBÍHe (am limen), nojioiaHe, HperoBHHH, pa^HMHin und bhthhh. Der Chronist konstatiert Unterschiede in den Hochzeits- und Bestattungsgebräuchen der Pol'ane und der V'atici. Daraus muß auf eine Ungleichartigkeit in der Lebensweise dieser zwölf Völkerschaften geschlossen werden. Wie verhält sich diese alte Teilung der Ostslaven in zwölf einzelne Stämme zur heutigen Teilung in vier Zweige ? Diese Frage versuchte A. S a c h m a t o v zu beantworten. Nach seiner Meinung waren die Ostslaven schon im 6. Jahrh. den byzantinischen Chronisten unter dem Namen der Anten (Άνται, Άντες) bekannt (L. N i e d e r l e und H . H r u s e v s k y j stellen diese Anten den Südrussen gleich). In der zweiten Hälfte des 4. Jahrh. kamen diese Anten in das Stromgebiet des Pripet und breiteten sich später in den Stromgebieten des Dniepr und Dniestr aus. Auf diesem Gebiet sucht S a c h m a t o v die Urheimat des russischen Volkes. Im 7. und 8. Jahrh. zerfielen die Ostslaven in drei Stämme. Die „Ostrussen", in den ältesten Annalen als V'atici bezeichnet, drangen nach Osten vor und besetzten das nördliche Stromgebiet des Don; ihnen gehörte später ThMyropoKaHb — dieses dritte, nach Kiew und Novgorod bedeutendste Kulturzentrum des ältesten Rußland. Die „Nordrussen" breiteten sich nach Norden aus; der Chronist bezeichnet sie als Slovène (am Ilmensee, bei Novgorod), Krivici (an der oberen Wolga, der oberen Düna (flBHHa) und an den Dnieprquellen, d. i. in Smolensk, Vitebsk und Pleskau (IIckob) und als Poloöane (an der Düna, um die Stadt Polock). Die „Südrussen" blieben in den ältesten Wohnsitzen zurück; es sind (nach der Terminologie der Chronik) : Pol'ane — am Dniepr, bei Kiew, die Drevl'ane — im Polësje, die Dulëbi — am Bug, Ulici und Tiverci — am Dniestr, die Sëverane an der Desna, am Seih (Sejm) und der Sula, sowie die Dregovici — zwischen dem Pripet und der Düna. Auf diese Weise erscheinen die jetzigen Ukrainer als Nachkommen der alten Südrussen, und die jetzigen Nordgroßrussen (o-Dialekt) als Nachkommen der alten Nordrussen. Was die Ostrussen oder V'atici betrifft, so sind aus ihnen die heutigen Südgroßrussen (a-Dialekt) ebenso wie die Weißrussen hervorgegangen. Aus den Donecsteppen, die von den Petschenegen und Poloveen (Komanen) ver-
§ 4—S. Die vier ostslavischen Völkerschaften.
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wüstet wurden, entwichen die V'atici nach Norden und Nordwesten. Im Norden, in B'azañ, bildeten sie die Grundlage des Stammes der jetzigen Südgroßrussen (a-Dialekt). Im Nordwesten, im jetzigen Weißrußland, verschmolzen die V'atici mit einer Bevölkerung, die eine Mischung südrussischer und polnischer Elemente darstellt; es ergab sich daraus das weißrussische Volkstum. Das ist kurzgefaßt S a c h m a t o v s Theorie von der Entstehung der vier ostslavischen Völkerschaften. Sie darf nicht als in der heutigen Wissenschaft allgemein anerkannt angesehen werden. Ε. Κ a r s k i j betrachtet als Vorfahren der Weißrussen die Dregovici, die Radimici und teilweise die EriviSi — von Polock und Smolensk. Seiner Meinung nach hatten sich die Weißrussen zur Zeit der litauischen Herrschaft (im 13.—14. Jahrh. und später) die Sëvefane, die V'atici, sogar einige baltische S t ä m m e , z. B. Jatvinger und östliche Galinder, assimiliert. T. L e h r S p l a w i n s k i entwickelt wiederum eine neue Hypothese ; er meint, es habe ursprünglich zwei Gruppen gegeben: eine nördliche — die Vorfahren der jetzigen Ngrr., und eine südliche — die Vorfahren der Ukrainer, Weißrussen und Sgrr. — Es muß zugegeben werden, daß S a c h m a t o v s Theorie trotz mancher noch zu lösenden Bätsei bis jetzt am besten die Gesamtheit der uns bekannten ethnographischen und dialektologischen Tatsachen erklärt. § 5. Auch jetzt ziemlich verbreitet ist die Meinung, als hätte sich die grr. Völkerschaft aus einer Mischung von Slaven und Finnen gebildet. Diese Ansicht ist keineswegs anzunehmen. Obwohl es zweifellos ist, daß die grr. Völkerschaft, ebenso wie alle Völker der Erde, gemischter H e r k u n f t ist, haben wir bis jetzt keinen Grund zu glauben, daß in der Entstehung der grr. Völkerschaft die F i n n e n eine große Bolle gespielt hätten. Die massenhafte Bussifizierung der Finnen begann sehr spät, jedenfalls viel später als die Zeit, wo die grr. Völkerschaft schon herausgebildet war. Die russifizierten Finnen unterscheiden sich selbst von den Bussen und werden von ihren Nachbarn auch unterschieden. Das Volk hat ihre fremde Abstammung nicht vergessen, die Eigentümlichkeiten ihrer Sprech- und Lebensart sind nicht verschwunden. Dagegen finden wir bei den echten Großrussen gar keine merklichen Spuren einer Mischung mit Finnen, weder in der Sprache, noch in den ethnographischen Tatsachen. Alle finnischen Stämme, die in den älteren russischen Chroniken erwähnt werden, haben sich bis auf unsere Zeit erhalten, sogar unter ihren früheren Namen. N u r ein Name ist verschwunden — Muroma (MypoMa), doch ist es sehr glaubwürdig, daß diese alte Völkerschaft Muroma einen' von den drei Zweigen der jetzigen Mordwinen (Mordva, die Karatai oder Mokäa) bildete. Es haben sich erhalten: die V e s t unter dem Namen der Vepsen und der Öuchari ; M e r a — als Mari oder Ceremist ; M e r c e r a — als M i § a r i ; weniger wahrscheinlich die Z a v o l o c e s k a j a ö u d b — in Savolaks und in einem Teil der Karelier usw. Wenn wir bedenken, daß viele Finnen sich unter dem Einfluß des Islams türkisierten und jetzt als Tatafen, Tepteri und Baskiren bezeichnet werden, und daß andererseits sehr viele Finnen infolge von Epidemien umgekommen und im Kampfe mit der rauhen Natur des Nordens und den Nachbarn zugrunde gegangen sind, werden wir uns
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Einleitung.
wundern müssen, daß die F i n n e n ihre Nationalität unter so schweren Bedingungen doch noch so gut bewahrt haben. N u n ist es aber sicher, daß die F i n n e n jetzt meistenteils nicht i n denjenigen Gegenden wohnen, wo sie die Geschichte gefunden hat. D a s ist begreiflich, da die F i n n e n vor ihren neuen Nachbarn, den Großrussen, zurückwichen. Zuweilen gingen dieser F l u c h t harte und blutige K ä m p f e voraus ; viele davon werden in den Chroniken aus dem 12.—13. J a h r h . erwähnt, und viele sind auch unerwähnt geblieben. I n anderen Fällen flohen die F i n n e n auch ohne offenen K a m p f . Der Umstand, daß die Finnen (die russifizierten ebenso wie die nichtrussifizierten) jetzt im nordöstlichen Europa überall f e r n von großen Flüssen, an Sümpfen, auf unfruchtbarem Boden wohnen, läßt keinen Zweifel darüber aufkommen, daß sie der Gewalt wichen. Eine idyllisch-friedliche Kolonisation des einst von F i n n e n besiedelten nordöstlichen Europa durch die Bussen ist daher eine von den Historikern kreierte Legende. W i r brauchen n u r an die Kolonisation des V'atkalandes durch die Eussen zu denken, die einer späteren Zeit angehört u n d besser bekannt ist, u m uns über die Art der Kolonisation klar zu werden. H i e r wohnten die Yot'aken u n d öeremissen ursprünglich an den U f e r n des Y'atkaflusses, wo sie ihre Städte hatten. J e t z t aber wohnen sie in den waldigen und sumpfigen Gegenden f e r n von den U f e r n der Y ' a t k a und von anderen großen Flüssen. N a t ü r l i c h haben die Finnen, als Fischervolk, nicht gern die U f e r der ihnen N a h r u n g spendenden Flüsse verlassen. Noch im 18. J a h r h . flüchteten sich die F i n n e n von Y'atka in die Urwälder aus denjenigen Gegenden, wo rührige christliehe Missionäre wirkten. § 6. Literatur. S a c h m a t o v s Theorie (§4) von der E n t s t e h u n g der ostslavischen Völkerschaften ist dargelegt in seinen Büchern : Οπβρκτ. HpeBHi>ftmaro nepiona HCTopiH pyccuaro nauKa (Petrograd 1915, θΗμπκιιοπβηΪΗ cjicLBhhckoö $HiiojiorÌH, Lief. 11) und ^peBH-feöniiH cyRtÖH pyccKaro njieMeHH (Petrograd 1919, hsgb. vom PyccKHä HcTopircecKHtt JKypHain,). — Die Theorie von L e h r - S p i a w i ú s k i — im RS. IX, 1921. — Die Ansichten von E. K a r s k i j enthält sein Buch E i n o p y c c u , Bd. I. Warschau 1903, Bd. III 1, Moskau 1916, S. 3—4; vgl. auch s e i n e PyccKa« HHajieKTOHorHfl, Leningrad 1924, S. 81 und weiter. — M. H r u s e v á k y j , IcTopiH yKpaïHH-PycH Bd. I, 3. Auflage, Kap. 2 und 4. — L. N i e d e r l e , Antové (in den Sitzungsberichten d. Kgl. Böhm. Gesellsch. der Wissensch. 1909). Über die z w e i g r r . V ö l k e r s c h a f t e n (§2) s. D. Z e l e n i n : BeJiHKopyccKie roBopu ci> HeopraHHiecKHMt π HenepexoflHHMt CMHriemeMT. samHeHeSHtixt coraacHUxi, βί> CBH3H c i τβΗβΗΪΗΜΗ nosflirfiimeit BejiHKopyccKoñ K0ji0HH3ar(ÍH. Petersburg 1913, Kap. 3 und 19. 'Hier soll auch auf die wichtigsten a l l g e m e i n e n W e r k e über die ostslavische Ethnographie verwiesen werden. Ein allgemein umfassendes Werk darüber gibt es nicht. Ganz veraltet und ungenügend ist der Versuch von A. T e r e s c e n k o : Bhtt> pyccKaro Hapoffa. (Petersburg 1848 in 7 Teilen). Eine gründliche Zusammenstellung von Materialien zur Geschichte dieser Wissenschaft findet sich dagegen im vierbändigen Werk von A. P y p i n : HcTopia pyccKOft 8THorpa, hgb.vonVolkov, Hrusevákyj, Kovalevskij u. a. Band II, Petrograd 1916. S. 455—647). Der 3TH0rpa$HieCKHÄ ο^βρκ EejiopyccHH von N. J a n c u k (in der Sammlung : Kypc ßenopyccoBeneHHH. JlemjHH, μητ^ηηηθ β BejiopyccK. Hapo^HOM ΥΗΗΒβροΗτβτβ β MocKBe, πβτοΜ 1918 rofla. M. 1918—20, S. 152—184) ist als völlig mißlungen zu betrachten. Gründlicher ist M. D o v n a r - Z a p o l ' s k i j : BÍJlopycCH. 9THorpa$HiecKÍfi ΟΗβρκι (Poccíh, hgb. von V. Semenov, Bd. IX. Petersburg 1905) ; neu abgedruckt bei D o v n a r - Z a p o l ' s k i j : IlacJiÍAOBaHÍH h CTaTtH, Bd. I, Kiew 1909, S. 257—316. Das grundlegende Werk von E. K a r s k i j : BÎJiopyccti (Bd. I—III, 1903—1922, im ganzen 7 Bücher) ist hauptsächlich der wr. Sprache gewidmet, enthält aber in Bd. I und III auch eine ethnographische Ubersicht, mit Ausnahme der materiellen Kultur. Eine e t h n o g r a p h i s c h e K a r t e ist herausgegeben und zusammengestellt von E. K a r s k i j : 9TH0rpa$iwecKaH KapTa 6-fcnopyccKaro ιυιβΜβΗΠ. Petersburg 1917 (im Maßstab 1 Zoll = 40 Werst); die erste Ausgabe derselben findet sich in Karskij's BÎJiopyccH, Bd. 1, 1903. Als Ersatz für eine ethnographische Karte der andern Ostslaven kann gelten die ^ianeKTOnormecKaH KapTa pyccKaro nanna bt> EBpont, zusammengestellt von N. D u r n o v o , N. S o k o l o v und D. U s a k o v , hg. von der Geographischen Gesellschaft in Petersburg 1914 (im Maßstab 1 Zoll = 100 Werst). Alle übrigen ethnographischen Karten von Rußland geben keine Grenzen zwischen den nördlichen und südlichen Großrussen. Ausführlichere b i b l i o g r a p h i s c h e A n g a b e n über ethnographische Werke über die Ostslaven finden sich bei D. Z e l e n i n , Bii6;iiorpaH*iecKÌii yuasaTeni. pyccKOä aTHorpaiJiHHecKoö nHTepaTypu ο βηΊιιιιηθμτ» ötrrfe HapoROBi Poccíh. 1710 bis 1910 (Petersburg 1913, 3annCKH reorpa$HHecK. OömecTBa, Bd. 40). Als Ergänzung zu diesem Index kann dienen: D. Z e l e n i n , „Die russische (ostslavische) volkskundliche Forschung in den Jahren 1914—1924" (Zeitschr. für slav. Phil. I (1924) und folg.). — Über Folklore vgl. B. H r i n c e n k o : JlmepaTypa yKpaHHCKaro (lonkKJiopa. Gernigov 1901. M a t e r i a l i e n zur Volkskunde der Ostslaven finden sich besonders viele in folgenden Z e i t s c h r i f t e n : 1.3THorpaniecKÍñ ΟδορΗΗκτ, Teorp. 06mecTBa,Bd. I—VI, Petersburg 1853—1864; 2. JKHBan GrapHHa; 3. BTH0rpaHHecK0e 06o3pfcme 1890—1916; 4. D. Z e l e n i n , OnHcame pyKonnceö yneHaro apxHBa reorpa$HMecKaro OömecTBa Bd. I—III. Petersburg 1914—1916.
I. Der Ackerbau. § 7. Ackerbausysteme. § 8. Das Ralo. § 9. Der Pflug. § 10. Die Socha mit umstellbarem Streichbrett. § 11. Die Socha mit unbeweglichem Streichbrett. § 12. Die Entstehung der Socha. § 13. Die Kosul'a. § 14. Die Egge. § 15. Ackerbauarbeiten und mit ihnen verbundene Gebräuche. § 16. Ernteanfang. Heu- und Kornernte. § 17. Das Auflegen und Trocknen der Garben. § 18. Das Ernteende. § 19. Umbrüche. § 20. Die Getreidedarre. § 21. Das Dreschen. § 22. Literatur. § 7 . Die Hauptbeschäftigung der Ostslaven ist heute der A c k e r b a u . Daß dies auch in alter Zeit so war, bestätigen die ältesten Chroniken zu Beginn der russischen Geschichte: „im Jahre 946", heißt es dort, „sagte schon die Fürstin Olga zu den Drevl'anen : Bch rpa^H Bamn . . . ffÉJiaioTfc hhbh cboh h aeMjrïi cboh, „alle eure Städte bearbeiten ihre Felder und Ländereien". (Laur. Chron. s. a. 6454). Wir haben vollen Grund, dem r á l o (pájio) benannten Ackerbauwerkzeug ein urslavisches Alter zuzuschreiben, sowohl dem S a m e n wie der Sache (§ 8).
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I. Der Ackerbau.
Heute herrscht das D r e i f e l d e r s y s t e m : Wintersaat, Sommersaat und Brachfeld. In einigen Gegenden ist man schon zur Mehrfeld- und Fruchtwechselwirtschaft übergegangen. Es gibt aber noch Gegenden, wo sich altertümliche Systeme erhalten haben : in den Waldgebieten die Rodungswirtschaft, in den Steppengebieten die Buschlandwirtschaft. Das Dreifeldersystem erschien bei den Ostslaven wahrscheinlich nicht früher als im 15. Jahrh.; früher herrschte das Rodungssystem: es war leichter, einen waldigen Boden mit Hilfe einfacher Werkzeuge zu bearbeiten als eine Steppengegend, und es war einfacher, die Saat im Walde vor den Steppennomaden zu schützen. nóffCOKa (Rodeland, Rodung ; mundartliche Namen dafür sind: cela, jij4ho, JLHflHHa, nan, Kyjiára, miejina, HÓBa, nep6á, HHmó6a, HOBHHá; Ha cynáx c é H T b ) heißt bei diesem Rodungssystem eine W a l d w i e s e , wo der Wald gelichtet und niedergebrannt ist, um den Boden mit Asche und Ruß zu düngen. Gewöhnlich zu Anfang des Sommers, im Mai oder Juni, wenn die Pflanzenwelt in voller Blüte steht, werden die Bäume auf der Wiese möglichst nahe der Erde gefällt und an Ort und Stelle zum Trocknen gelassen. Sehr selten, wenn der Wald noch klein ist, brennt man ihn sofort ab, und das heißt cupocén. Das gefällte Holz soll die ganze Wiese möglichst gleichmäßig bedecken : dadurch werden die Graswurzeln gleichmäßig dicht mit Laub, Nadeln und Zweigen bedeckt und halbverfault (noaonpeBáioT). Seltener im Herbste desselben Jahres, öfter im Frühling des darauffolgenden verbrennt man die ausgetrockneten Zweige und Äste. Man bemüht sich dabei auch den Rasen, die Graswurzeln abzubrennen. Deshalb wälzt man die brennenden Holzhaufen (Bañó, BajiKÍr) mit H i l f e von langen Holzgabeln die ganze Wiese entlang. Das heißt: KaTaTt BaJiKÓ, und es ist eine der schwersten und schmutzigsten Arbeiten. Durch Flamme, Rauch, Ruß und Harz werden alle Beteiligten stark verrußt, verbrennen sich Kleider und Hände; von Kohlendunst benommene Arbeiter verbrennen zuweilen bei lebendigem Leibe. Zuweilen werden Äste und Zweige in große Garben (k^6hiuh, seltener TioTeaui) zusammengebunden, mit Rasen [bedeckt und so verbrannt. Die abgebrannten Stämme werden als Brennholz verwendet ; wenn man solches nicht braucht, so werden diese Stämme in Holzstöße zusammengelegt, zuweilen in Stücke zerhauen und nochmals verbrannt. Es bleiben auf der noflcena nur Stubben, wovon die kleinen ausgerodet, die größeren aber dagelassen werden: sie verfaulen allmählich und dienen zur Bodendüngung. Frische Rodimg (nó^ceKa) hat keine Bedüngung und keinen Bodenbau nötig. Man sät einfach in die Asche — im Frühling Gerste, Lein, Erbsen, Weizen, Hirse, im Sommer Rüben, im Herbst Roggen und Weizen. Nach der Saatzeit werden die Samen eingeeggt mit Hilfe einer Egge aus Ästen (§ 14) oder einfach mit H i l f e einer Tannenkrone oder einer Handharke. Zuweilen wird die Rodung noch vor der Saat mit einem Karst gehauen, geeggt und sogar mit einem leichten Hakenpflug ohne Streichbrett gepflügt (§ 10). Sie kann mehrere Jahre hindurch ohne Bedüngung bestellt werden, verlangt einen sehr geringen Bodenbau und gibt eine verhältnismäßig reiche Ernte. „Ausgepflügt" wird sie nach einigen Jahren verlassen und verwandelt sich in eine n^CTonn. (unbebautes Land), ein Mähland oder ein Wald-
§ 7—8. Ackerbausysteme.
Das Ralo.
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gesträuch. Unter den in den Denkmälern des 16.—17. Jahrh. so oft erwähnten „Wildnissen" (nycTomH) sind gerade diese verlassenen Rodungen mit erschöpftem Boden zu verstehen. Etwa 10—20 J a h r e später kehrt der Ackerbauer zur früheren Rodung zurück, lichtet und brennt sie wieder ab. Diese Rodungen sind zuweilen von seinem ständigen Aufenthaltsort sehr entlegen ; dann werden f ü r Sommerarbeiten besondere Wohnungen f ü r Menschen und Vieh eingerichtet. Diese Rodungen werden auch eaáMKH, Π Ο Ί Η Η Κ Η genannt und bilden oft einen Kern f ü r neue Besiedelungen. Das Rodimgssystem hat eine wichtige Rolle in der Siedelungsgeschichte von NO-Europa und Sibirien gespielt: indem der Großrusse neue fruchtbare und der Lichtung zugängliche Rodungen suchte, machte er oft große Übergänge von mehreren hundert Werst und besiedelte auf diese Weise entfernte Gegenden. Das Rodungssystem des Ackerbaues ist bei allen Ostslaven gleich. Es kommt sehr selten vor in der Ukraine, wo die Steppen überwiegen; bei den N g r r . und Wr. ist es noch jetzt gewöhnlich. I n NW, besonders im früheren Petersburger Gouvernement, überwiegt das Kütterbrennsystem, gewöhnlich f ü r Finnland und im allgemeinen f ü r die Finnen charakteristisch. I m Steppenlande, wo es viel freien Boden gibt, hat sich bis auf unsere Tage das B u s c h l a n d s y s t e m (nepejióatHan, eaneHiHan) des Ackerbaus erhalten. Nach 2—3 Jahren soll der Boden sich 2—7 Jahre (früher sogar mehrere Jahrzehnte) erholen und wird als Weideland (TOJióna) oder als Mähland benutzt. So kommt ζ. B. bei Orenburg, Cherson, im südlichen Sibirien das Buschlandsystem noch heute vor. § 8. Als das älteste von den zur Zeit noch vorhandenen ostslav. A c k e r b a u w e r k z e u g e n erscheint zweifellos das ukr. R a l o (pano) mit e i n e r Pflugschar. I n seinen Hauptzügen ist es mit der grr. qepK^ina mit e i n e r Pflugschar identisch, auch mit dem westslav. radio, ruchadlo; der grr. Hakenpflug m i t zwei Pflugscharen erscheint als eine weitere Entwicklungsstufe desselben Ralo. Alle diese f ü r den Slaven charakteristischen Werkzeuge haben keine Pflugschleife, wodurch sie sich scharf vom eigentlichen Pfluge unterscheiden,
Abb. 1. Ukr. Ralo. indem sie hauptsächlich nicht zum Abwälzen oder Abstoßen der Erdschicht, sondern zum Auflockern des Bodens dienen. Der Rumpf des Ralo und des Hakenpfluges ist nicht viereckig wie beim Pfluge, sondern dreieckig. Eine Seite dieses Dreiecks bildet das sog. cteßjio oder HíépjjKa, rpáflKa (s. Abb. 1, a—V),
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Der Ackerbau.
eine Deichsel, die die Femerstangen (oraoßjiH) ersetzt, die zweite — der p á j i b H H K oder KÓnHCTt, das Pfluggestell, worauf der schneidende Teil, die Pflugschar, befestigt wird; und die dritte — die wá6Ka d, das Sperrholz zwischen der .Deichsel und dem Pfluggestell. I . A. G ü l d e n s t ä d t ( B e i s e l i 480) hat 1768 ein solches Ealo aus Poltava und Öernigov beschrieben: es war an diesem Werkzeug kein einziger Teil aus Eisen, es war vollständig aus Holz angefertigt. Ende des 19. Jahrh. verfertigten die Ukrainer ein solches Balo noch einfacher: sie suchten sich ein nicht allzu dickes Bäumchen (11—15 cm im oberen Schnitt) , mit einer Wurzel, die rechtwinklig vom Stamme abgeht, aus. Diese ausgegrabene Wurzel, 80 cm lang, dient als Pflugschar, und der Stamm, 2*/2 m lang, als Deichsel. Oben wird noch ein Griff aus einem Stock angebracht, und das Ealo ist fertig. I m besten Falle wird das Pfluggestell noch mit Eisen beschlagen. Jetzt wird gewöhnlich ein Ealo nicht mit einer Pflugschar, sondern mit 3—5 Pflugscharen ohne Handgriff gebraucht und ist eher einer Egge als einem Pflugwerkzeug ähnlich. Das Ealo wird meistenteils f ü r das Querpflügen des mit dem Pfluge gepflügten Bodens gebraucht, auch zum ersten Pflügen eines alten, weichen Bodens (auf einem Stoppelfelde). Auf Waldrodungen und auf weichem Boden überhaupt ist es nicht schwer, nur mit H i l f e eines Ealo den Boden f ü r die Saat fertigzustellen. Darin eben bestehen die Vorzüge des Ealo, daß es so einfach verfertigt und leicht bedient (ein P a a r Ochsen oder ein Pferd) werden kann, und das spricht f ü r das hohe Alter des Werkzeuges. Im J a h r e 964 meldeten die V'atiSi dem Fürsten Sv'atoslav, daß sie den Chazaren einen Tribut von einem sl'agi. (Schilling) „vom Ealo'" (οττ. pana) zu zahlen hätten. Wir haben vollen Grund zu glauben, daß es gerade der oben beschriebene Typus dieses Werkzeuges ist. Die ngrr. S e r k u l a (lepityina) mit einer Pflugschar scheint jetzt nicht mehr vorhanden zu sein, existierte aber noch vor kurzem in NO-Europa. Sie hat sich jetzt unter dem Einfluß des Hakenpfluges (§ 10) in ein Werkzeug mit zwei Pflugscharen verwandelt. Wie das ukr. Ealo, dient sie zum zweiten Pflügen, nach der Kosúl'a (§ 13) auch zum Unterpflügen der Aussaat und zur Aufhäufung der Kartoffeln. Gleich dem Ealo schneidet die HepKyuia nicht den Boden und stößt die Erdschicht nicht ab, sondern „zerreißt" die Erde und lockert sie auf diese Weise a u f ; sie besitzt kein Streichbrett. Der Name nepn^ina hängt mit dem Verbum lepuaTt zusammen, weil die nepK^ma nicht pflügt, sondern nur den Boden streicht (nepKaeT) oder kratzt (qapanaeT, i;ánacT), indem sie feine und enge Furchen zieht. Der weißrussische H a k e n p f l u g (cómna s. Abb. l a ) unterscheidet sich vom ukr. ralo mit einer Pflugschar und der grr. C e r k u s a nur durch ein wichtiges Merkmal: Zu beiden Seiten der Pflugschar (sog. Hapor, auf einem hölzernen Horn, por oder cnHHáK, befestigt), hat er zwei kleine Streichbretter sog. najiáijH. Es sind zwei etwas nach außen gebogene Brettchen, die zum Abwerfen der Erde seitwärts dienen. Ein solcher kleiner Hakenpflug wird jetzt zur A u f h ä u f u n g der Kartoffeln gebraucht, auch zum Ziehen von Abflußfurchen
§ 8—9. Das Ralo.
Der Pflug.
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auf Kornfeldern usw. Auf Abb. l a ist er in zwei Arten dargestellt: in dem linken [bildet das Pfluggestell (por) ein Ganzes mit der Pflugsterze (porái), indem es gleichzeitig auch als Grindel dient; in dem rechten ist das Pfluggestell in die Pflugsterze (porán) unter 45° Winkel eingehakt und mit einem
Abb. 1 a. Wr. Hakenpflug. starken Strick (YABA) befestigt. Am Yorderende der Pflugsterze (porái) ist ein Strangholz befestigt, das mit Femerstangen zum Anspannen versehen ist. § 9. Neben dem Kalo wird in den ältesten russischen Chroniken (s. a. 981) auch der Pflug (njiyrt) erwähnt. Zwar könnte man gerade hier glauben, daß der Chronist so dasselbe Kalo genannt hätte, weil hier von den V'atiöi die Eede ist, die in ihren Wäldern kaum einen Pflug benutzen konnten. Doch im ältesten russischen Gesetzbuch, Pyccuan ITpaBaa steht: „der H e r r (Gutsbesitzer, noM^maKi.) gab ihm einen Pflug (miyrt) und eine Egge (ßopoHa) und fordert von ihm ein Schock (Kona), d. h. eine Natursteuer". H i e r ist natürlich ein wirklicher Pflug mit einer eisernen Egge gemeint; es würde kaum jemand darauf eingehen, eine Steuer vom Ealo zu zahlen: es war zu leicht, dieses primitive Werkzeug zu verfertigen; man hatte auch keine Egge dazu nötig. Es wäre freilich sehr schwer, den Steppenboden mit dem Ealo allein zu bauen, und das Aufkommen eines wirklichen Pfluges neben dem Ealo in den südruss. Steppen war ganz natürlich. So waren die im 19. J a h r h . nach Sibirien übergesiedelten Grr. gezwungen, dem Hakenpflug zu entsagen und denselben durch Werkzeuge vom Pflugtypus mit einem Vorderteil auf E ä d e m zu ersetzen. Die Etymologie des Wortes P f l u g (nnyr) bleibt unklar. Die alten Forscher — Grimm, Lottner, Krek, Schleicher — waren geneigt, es f ü r slavisch zu halten. Ehaetisch pioTJum, woraus man es jetzt gewöhnlich ableitet, erklärt das Suffix nicht. Eussisch nnyra (vom gemeinen Volke wird gewöhnlich diese weibliche Form gebraucht) h a t noch bei den Fischern von Novgorod die Bedeutung eines S c h w i m m h o l z e s a m F i s c h n e t z (nonnaeoK CÈTH). Der Zusammenhang mit der Verbalwurzel murrt, NNABATB (schwimmen) liegt auf der H a n d ; ebenso klar ist die gewöhnliche Bedeutung des Suffixes -yra. D e r Pflug unterscheidet sich vom Ealo durch das Vorhandensein der Pflugschleife (nonos oder noßoniBa) und erscheint als etwas Schwimmendes (njiHBymee) oder auf der Erde Kriechendes; vgl. russ. lokale Namen f ü r Werkzeuge vom Pflugtypus: nona^xa, noji3$H, ebenso wie der russische Name der Pflugschleife nójios; der türkische Pflugname sabán bedeutet eigentlich,
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I. Der Ackerbau.
einen Schlitten mit Schlittenkufen. Doch bleibt es f ü r uns unklar, ob wir es bei p l u g t : ρ 1 e u „schwimmen" nur mit einer Volksetymologie oder mit der echten Wurzel des rätselhaften Wortes zu tun haben. I n den ukr. Steppen hat sich bis auf unsere Tage der schwerfällige H o l z p f l u g , der bis 16 Ochsen verlangt, erhalten. Es ist ein Werkzeug vom gewöhnlichen europäischen Pflugtypus und erinnert stark an die altertümlichen thüringischen Pflüge des 16.—17. Jahrh. Als Unterlage f ü r diesen Pflug dient nicht ein Dreieck (wie beim Ralo und beim Hakenpflug), sondern ein Viereck, und zwar ein unregelmäßiges. Die Seiten dieses Vierecks bilden : die Oberseite — der Grindel, die Unterseite — die Pflugschleife, die Hinterseite — das Pfluggestell, die Vorderseite — der Ständer maßna oder CTOBÖa, CTÓfiKa. Diese letztere verbindet den Grindel mit dem Pfluggestell und dient gleichzeitig zum Regulieren der Tiefe des Pflügens. Das Pfluggestell (qenira) dient gleichzeitig als Handgriff f ü r den Pflüger und wird gewöhnlich samt der Pflugschleife aus einem ganzen Holzstück gemacht. Die hölzerne Pflugschleife (nonos) gleitet steif längs der Erde und macht durch dieses Reiben den ukr. Pflug f ü r diese Arbeit sehr schwerfällig. Auf die dünne Vorderkante der Pflugschleife (sog. KOJiójjKa) wird eine Pflugschar (jieMÍm), welche die Form eines rechtwinkligen Dreiecks hat, gesteckt. Obligatorisches Zubehör des ukr. Pfluges sind noch: das Pflugeisen (lepecnó, pisan), das Streichbrett (iio:iäi;h) und das Vorderradgestell (KOJiimnii). Noch kleinere Teile des Pfluges sind: xboctobhk — ein Keil, der die Tiefe des Pflügens reguliert; aa6opo3eHHHK, 3a6opÓ3HHK und nacKJiHH — Keile, welche von verschiedenen Seiten neben das Pflugeisen gesteckt werden, um die Breite der allzu schneidenden Schicht zu regulieren ; κόιβτ, κόιβτβΗΐ,, KÓryT — ein kleiner Keil an der Spitze des Grindels f ü r den Holzring, welcher den Pflug mit dem Vorderteil verbindet. Wir sehen, daß die ganze Terminologie der Pflugteile slavisch ist; und nur rpaHÍJib (Grindel, anders CTpiná, Bau) als germanisches Lehnwort zu betrachten ist, das noch in der urslavischen Zeit entlehnt ist ( B e r n e k e r EW. I, 349). — Zur Terminologie ist noch zu bemerken, daß der Name der Hauptteile des Pfluges — der Pflugschar (jieMÍin) und des Streichbrettes (nojiáryi), auch nepó (die Schneide der Pflugschar) identisch mit denselben Namen der entsprechenden Teile des grr. Hakenpfluges (§ 10) sind. ÎKàÔKa, CToeßa und Menira sind identisch mit den Namen der entsprechenden Teile des Ralo. I m Gegensatz zu den Ukrainern haben die Groß- und Weißrussen den Pflug nicht bewahrt und das ist selbstverständlich: f ü r Waldrodungen war der Pflug ganz unbrauchbar: er konnte sehr schnell an Wurzeln und Ästen zerbrochen werden. E r war sehr schwer in den Urwald einzuführen und noch schwerer war es, mit ihm auf einer kleinen Wiese zwischen Baumstümpfen mitten im Walde zu pflügen, endlich — und das war die Hauptsache — die obere Erdschicht auf der Rodung umzuwälzen und den Untergrund zu entblößen (das macht eben der Pflug), — es hätte die ganze Arbeit der Rodung vernichtet. Hie und da erinnern sich noch die Grr. des Pfluges, ζ. B. im Halbsteppenlande „Opols&na" im Gouv. Vladimir (bei Jurjev Polskij), wo auch in den Denkmälern des 16. Jahrh. iLnyjKHtie Htejieaa (Pflugeisen)
§ 9—10. Der Pflug. Die Socha.
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erwähnt werden. I m N O Europas, im Gouv. V'atka und in seiner Nachbarschaft ist ein leichtes einsohliges Gerät vom Pflugtypus, das als Jiéinex (eigentl. Pflugschar) bezeichnet wird, weitverbreitet; im Gegensatz zum Hakenpflug und zum Ralo zeichnet es sich durch das Vorhandensein einer Pflugsohle aus. Man k a n n darin das Erbe des alten Pfluges sehen. Fast identisch mit dem ukr. Pflug ist der sog. caßäH, ein schwerfälliger Holzpflug, sehr verbreitet bei den türkischen u n d teilweise finnischen Völkern Osteuropas. Die Grr. der Gouv. Ufa, Orenburg, Samara und der angrenzenden Gouvernements haben ihn schon von den Tataren entlehnt, was der tatarische N a m e caóáH (ebenso wie der N a m e des Pflugeisens — πιιιρτ) beweist. W i r haben vollen Grund zu denken, daß vormals die türkischen nomadisierenden Viehzüchter diesen Pflug, S aban, von den Ostslaven entlehnt haben. § 10. Die Waldrodungen werden a r b e i t kultiviert. Gründe dazu sind unmöglich, mit einem Hakenpflug dort stümpfe und Baumwurzeln erschwert Hakenpflug. Der H a n d k a r s t , der
bis auf unsere Zeit o f t mittels H a n d folgende: o f t ist es sehr schwer, sogar durchzukommen ; die Menge der Baumauch sehr die Bearbeitung mit dem bei der Urbarmachung der Rodungen
Abb. 2. Handkarste: die sieben ersten von links sind wr., der letzte rechts dagegen ist ngrr. aus dem Gouv. Vologda. gebraucht wird, heißt bei den N g r r . : TánKa, iiánua, KonaHÓi;a, κοπώηο, Kapairfaa, Konái u s w .
V o n dieser
Arbeit
sagt
m a n : pánaTb, KonájinijB, T e n a i t ,
Kapan^JiHTb. Dieses Werkzeug ist ähnlich einer Axt mit langem Handgriff, wobei die eiserne Schneide nicht entlang, wie bei der gewöhnlichen Axt zum Holzhauen, sondern quer eingesteckt wird (s. Abb. 2). Außer diesem Handkarst wird f ü r die Bearbeitung von Rodungen noch ein besonderer Typus eines einpferdigen Hakenpfluges ohne Streichbrett gebraucht; er heißt najiÓBaa coxá, d. h. Hakenpflug, der auf nájiM (Rodungen) gebraucht wird; auch nan^ra und ijan^JitKa, d. h. der den Boden kratzt (uánaeT) gleich dem Handkarst (ijanKa) ; auch npnM^xa oder npHM^ma, weil die stumpfen Pflugscharen dieses Hakenpfluges auf der Erde fast senk-
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I. Der Ackerbau.
recht stehen, nicht geneigt (wie beim gewöhnlichen Hakenpflug) ; Apúima (d. h. der Springende), weil er oft über Baumwurzeln springt ; ßnarfina (von Gjiaróft ,launisch'). Die Aufgabe dieses Hakenpfluges ist: den Boden der Rodung locker zu machen, ihn mit der Asche von gebrannten Ästen zu durchdringen und die Aussaat zuzuschütten. Dieser Hakenpflug hat keine Vorrichtung zum Abwälzen der Erdschicht; er kann nicht mit seinen stumpfen, kurzen und geraden pájiLHHKH die Baum wurzeln zerschneiden; er erfaßt die Wurzeln nicht von unten, sondern setzt darüber hinweg. Die Landwirte des Gouv. Tvef, die auf ihrem Boden einen Wald wieder wachsen lassen wollten, verpachteten gelichtete Grundstücke nur unter der Bedingung, daß der Pächter die Baumstümpfe nicht ausroden und nicht mit dem Hakenpflug, sondern nur mit der i^anfnhKa pflügen dürfe. Durch Hinzufügung eines Streichbretts (otbeji, nojiáija, npncóx, H a n Ó J i O K , ma6aná, kjihhhó) zu dieser zweischarigen iían^JiBKa entstand der gewöhnliche russische Hakenpflug, der schon wirklich „pflügt" (narneT), d. h. nicht nur den Boden „streicht" ( l e p K a e T , i j a n a e T ) , sondern auch noch zusammenscharrt, die gelockerte Erde weiter mit sich zieht und seitwärts fegt. Das russische Verbum naxáTb in der Bedeutung „ackern" ist identisch mit dem mundartlichen ngrr. (Novgorod) Verbum π a x á T b ,fegen, mit dem Besen den Kehricht ausfegen'. Die Funktion eines Besens erfüllt beim Hakenpflug das Streichbrett (nojirfi;a), deshalb lautet auch das Sprichwort: „nicht der Hakenpflug pflügt, sondern das Streichbrett" (He coxa naineT, a nojióqa). Viele grr. Mundarten machen einen Unterschied zwischen zwei synonymen Verben : naxáTb und opaTb. Das erste wird nur vom Hakenpflug mit Streichbrett gebraucht, das Abb. 3. Das zweite nur von Werkzeugen des Pflugtypus. Streichbrett eines Das S t r e i c h b r e t t (noJiáija) sieht meistenteils aus wie sgrr. Hakenpflugs ein Spaten von verschiedenen Formen, unten oder in der aus dem Kreise Mitte schmäler werdend und immer etwas gebogen; es gibt Zmijev. aber auch Streichbretter, die nicht wie eine Tafel, sondern wie ein Stock aussehen (s. Abb. 3) ; ein solches Streichbrett dient nicht zum Abwälzen der Schicht, sondern dazu, die anstoßenden Erdklumpen auseinanderfallen zu lassen. Die Basis des Hakenpfluges bildet ein regelrechtes Dreieck. Die Oberseite dieses Dreiecks bilden die Femerstangen (s. Abb. 4, die sog. 06>kh, B o ß y j K H ) , immer durch eine Querstange miteinander verbunden (sog. népenem», c n ó p H H K , nepeBHCJioK, B e p e r a ó , n á c H H O K ) . Die hinteren Enden der Femerstangen dienen mitunter dem Ackerbauer als Handgriffe (so Abb. 4). Die Hinterseite des Hakenpflugdreiecks ist die sog. paacóxa oder njioT Ä H a , das Pfluggestell (nnáxa, ji^kotl, jiána, i u i o T t , n J i y T H J i o , C B á p a ) , aus einem Stück oder aus zwei Teilen bestehend, aber immer mit nach unten gespal-
§ 10. Die Socha.
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t e n e n Enden (HÓHCKH oder pójKKH), worauf die Pflugscharen gesetzt werden. D i e Holzstange der paecoxa (des Pfluggestells) ist gerade n u r bei der ijanfnMta, h a t aber bei gewöhnlichen Hakenpflügen eine gebogene F o r m , so daß das nach u n t e n gespaltene E n d e nicht gerade nach unten, sondern schräg b
a a
Abb. 4. G-rr. Hakenpflug. (Gouv. Perm): a a Femerstangen; b b Handgriffe; c Pfluggestell; d Streichbrett; e Querstange; f Pflugsterze; g g Pflugscharen; h népeieHt; « i NOFLBÓH.
n a c h vorn gerichtet ist. Dasselbe wird auch durch verschiedene Verbindungsa r t e n zwischen dem Pfluggestell (paecóxa) u n d den F e m e r s t a n g e n erreicht. D a z u dient die Pflugsterze (porám., p o r á i , crojiÓBHm, crojioBte, orojiÓBLe, ocTpátt), ein kurzer (80 cm) Klotz, in der Mitte dick u n d zu beiden Seiten so weit abgehauen, daß ihre E n d e n dem Ackerbauer als H a n d g r i f f e dienen können. Die F e m e r s t a n g e n des Hakenpfluges sind mit ihren H i n t e r e n d e n a n dieser Pflugsterze befestigt. Der obere Teil des Pfluggestells wird entweder in die M i t t e der Pflugsterze eingekeilt oder zwischen der Pflugsterze u n d einer ähnlichen Querstange (sog. BAJIËK, Kopéu;, HCHÓ^HHK), die an beiden E n d e n m i t Stricken gebunden werden, zusammengepreßt. I n beiden F ä l l e n ist es möglich, die Größe des Winkels, den das Pfluggestell m i t den Femerstangen u n d auch mit dem Erdboden bildet, zu ändern. Auf diese Weise wird die T i e f e der A u f a c k e r u n g r e g u l i e r t ; je spitzer der Winkel, desto wagerechter steht die Pflugschar und desto flacher pflügt der Hakenpflug. W e n n das Pfluggestell in die Pflugsterze eingekeilt ist, k a n n der Winkel verkleinert werden, indem m a n die K e i l e h i n t e r dem Pfluggestell in die Pflugsterze einkeilt, u n d der Hakenpflug pflügt flacher; wenn die K e i l e in die Pflugsterze von vorne eingekeilt werden, erzielt m a n das entgegengesetzte Resultat. Die dritte, vordere Seite des Hakenpflugdreiecks bilden die sog. ΠΟ^ΒΟΗ (seMJiHHHKÄ, πβρβΜβτ, HepëMyxa, MJTHKIS, nepeitpëcT ; BÓÜJIO, ΟΤ^ΚΘΗΙ., npirryjKHHa, CTpyHá). Sie werden aus einer biegsamen Holzstange, ö f t e r aus Faulbaumholz, aus Stricken, seltener aus einem hölzernen unbiegsamen Bolzen oder aus einer Eisenstange a n g e f e r t i g t . Diese IIORBÓH verbinden den Unterteil des Pfluggestells m i t der M i t t e der Femerstangen. I n d e m m a n die Länge der noRBÓn vermindert oder vergrößert, vermindert oder vergrößert m a n auch den Winkel des Pfluggestells zum Erdboden, was auch das Regulieren der A u f ackerungstiefe ermöglicht.
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I. Der Ackerbau.
An den noflBÓH werden auch die Handgriffe des Streichbretts befestigt. Der Hakenpflug hat keine Pflugsohle oder Pflugschleife; er ist mit der Spitze des Dreiecks zur Erde gewandt und kann nicht auf der Erde stehenbleiben, so daß der Ackerbauer ihn immer mit den Händen halten muß. Wegen dieser Unbeständigkeit in der Arbeit geht der Hakenpflug meistenteils ungleich, stoßweise, indem er leicht nach oben, unten oder seitwärts läuft. Ein daran nicht gewöhntes P f e r d leidet unter diesen beständigen Stößen; doch sogar ein schwaches, durch Eutterlosigkeit im Winter erschöpftes P f e r d ist imstande, mit dem Hakenpflug zu arbeiten. Der Hakenpflug hat immer zwei Pflugscharen (páabHHK, jieiaém, OMéiii, coniHÓK); sie sind von verschiedener Eorm, verschieden in Breite und Länge und nach der Art, wie sie am Pfluggestell angebracht sind. Auf steinigem oder sandigem Boden verwendet man sog. KcuioBtie Pflugscharen, d. h. schmale und lange; sie sind einem Meißel oder einem P f a h l (Keil) ähnlich, sind stumpf und zerschneiden nicht die Erde, sondern reißen sie n u r auf, wie ein stumpfer Keil; sie werden durch den Andrang der Steine oder das Vorhandensein von starken Wurzeln im Boden weder gekrümmt noch gebrochen. Öfter begegnet man sog. nepÓBiie pajihHHKH mit einer Feder (nepó), d. i. einem kleineren oder größeren Winkel, der seitwärts vom Pfluggestell, worauf die Pflugschar gesteckt ist, gerichtet ist. Diese Art von Pflugscharen ist im Oberteil breiter als die erstere (κόπΟΒΗβ) und etwas spitzer. Auf Abb. 4 ist ein derartiger „Feder-Hakenpflug", d. h. ein Hakenpflug mit Feder-Pflugscharen, dargestellt. Weiter unten wird gezeigt werden (§ 11), daß bei einigen Hakenpflugarten diese Feder der Pflugschar nach oben gebogen sein kann und dann gleichsam den Keim eines Pflugeisens bildet. Gewöhnlich wird vor den Hakenpflug ein P f e r d vorgespannt, und daher hat er zwei Femerstangen. Das Anspannen geschieht meistens ohne Krummholz, die Enden der Femerstangen des Hakenpfluges werden einfach an die Kummetriemen gebunden. Das Anspannen ohne Krummholz gestattet die Tiefe der Auf ackerung in folgender Weise zu regulieren : je tiefer die Vorderenden der Femerstangen auf den Sattelriemen gesenkt werden, desto gerader stehen die Pflugscharen und desto breiter wird der Winkel zwischen dem Pfluggestell und der Erde, daher pflügt der Hakenpflug in diesem Falle tiefer. Wenn dagegen die Vorderenden der Femerstangen auf dem Sattelriemen höher gehoben werden, pflügt er flacher. Das Anspannen ist f ü r den Ackerbauer leichter mit Krummholz; zwar ist es schwieriger, den Hakenpflug aus der Erde herauszuheben (die Femerstangen stemmen sich auf und bilden ein Hindernis), aber der Hakenpflug hält sich viel fester: er fällt nicht auf die Seite und versinkt nicht zu tief in die Erde; das P f e r d geht auch gleichmäßiger. Das Anspannen ohne Krummholz ist f ü r sehr schwache Pferde berechnet; die Last eines solchen Hakenpfluges wird ungefähr so verteilt: ein Drittel fällt auf die Schulter des Pferdes (Kummet), das zweite Drittel auf seinen Bücken (Sattelriemen), das dritte übernimmt der Ackerbauer, indem er den Hakenpflug immer mit seinen Armen hält. E s ist charakteristisch, daß die Finnen (ζ. B. die Wotjaken) öfter mit Krummholzanspannung pflügen.
§ 10—11. Die Socha.
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Es kommen auch H a k e n p f l ü g e m i t D e i c h s e l vor : es werden da zwei Ochsen vorgespannt (besonders in Weißrußland). I n Sibirien sind die schweren und schwerfälligen Hakenpflüge mit einem Rädergestell (sog. κοjiec^xH oder KOJiecóiiKH) versehen. Die eisernen Pflugscharen eines gewöhnlichen russischen Hakenpfluges, sogar die „Federpflugscharen", sind verhältnismäßig sehr schmal : 18 cm ist die gewöhnliche Breite. Es ist ausgerechnet worden, daß bei dieser gewöhnlichen Breite der Pflugscharen der Ackerbauer, um ein Hektar zu pflügen, mit dem P f e r d e und dem Hakenpflug 58 km zurücklegen muß. — Die schmalen Pflugscharen des Hakenpfluges arbeiten gewöhnlich nicht mit ihrer ganzen Piache. Erstens werden sie am Pfluggestell nicht streng horizontal, sondern etwas schräg befestigt, gehen in die Erde mit der Kinne ein, wodurch ihre Fläche und gleichzeitig die Furchenbreite vermindert wird. Zweitens pflügt der russische (auch der litauische) Ackerbauer oft nicht mit der ganzen Fläche der Pflugscharen, sondern nur mit einer H ä l f t e oder 3 / 4 dieser Fläche. Wenn „mit beiden Pflugscharen" (Ha o6a OMenia) gepflügt wird, d. h. der Hakenpflug geradegehalten wird, so daß die Pflugscharen immer mit der ganzen Fläche arbeiten und die Furchenbreite der ganzen Flächenbreite derselben gleich ist, dann wird von „breitem oder weitem Pflügen" gesprochen. Gute Ackerbauer vermeiden diese Art des Ackerbaues. Sie „arbeiten mit einer Pflugschar" (6epyT Ha oflHH oMern), d. h. neigen den Hakenpflug seitwärts so weit, bis eine von den beiden Pflugscharen senkrecht steht und die andere in horizontale Lage kommt. '(Ebendeshalb werden die Pflugscharen winkelartig gegeneinander gestellt). Bei dieser Art der Aufackerung ist die Furchenbreite nur der Breite einer Pflugschar gleich, da die andere Pflugschar, indem sie senkrecht steht, nicht die Erde von unten, sondern sie nur von der Seite schneidet. I n diesem Falle wird von „dichtem Pflügen" gesprochen. Es gibt Zwischenstufen zwischen diesen zwei Extremen. Es ist ζ. B. üblich, „mit anderthalb Pflugschar" (Ha nojiTopa OMenia) zu pflügen. Natürlich erschwert das die Arbeit des Ackerbauers. § 11. Die oben beschriebenen (§ 10) Hakenpflüge unterscheiden sich von den Werkzeugen des Pflugtypus nicht nur dadurch, daß sie keine Pflugsohle oder Pflugschleife haben, sondern auch dadurch, daß sie die Erdschicht nicht umwälzen. Sie haben keinen schneidenden Teil, um die Schicht seitwärts abzustoßen, und ihr Streichbrett ist so wenig entwickelt, daß es die Erdschicht weder umkehrt noch umwälzt. Der Zweck der oben beschriebenen Hakenpflugtypen besteht nur in dem Auflockern des Bodens. Sie taugen nicht zum Aufheben des Neulands. Weitere Hakenpflugtypen bilden schon einen Übergang zu den Werkzeugen des Pflugtypus. Sie haben zwar keine Pflugsohle oder Pflugschleife, doch sie werden allmählich angepaßt zum Abstoßen der Erde von der Seite und zur Schichtenumwälzung. I n den oben beschriebenen Hakenpflugtypen wird das Streichbrett nicht unbeweglich befestigt, sondern kann von einer Seite auf die andere umgeworfen werden. Mit diesem beweglichen Streichbrett ist es möglich, vorwärts und rückwärts zu pflügen, d. h. man beschreibt nicht einen Kreis, wie es bei der Zelenin, Ruse. (Ostsl&v.) Volkskunde. 2
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I. Der Ackerbau.
Arbeit m i t dem Pfluge geschieht, sondern folgt auf dem Bückwege der neu d u r c h g e f ü h r t e n Furche. Dieser Vorzug des Hakenpfluges mit beweglichem Streichbrett ist besonders f ü r schmale E r d s t r e i f e n wichtig, auch f ü r abschüssige Stellen, wo es schwer oder unbequem ist, Kreise zu beschreiben. Alle anderen Hakenpflugtypen haben diesen Vorzug n i c h t : sie haben ein unbewegliches Streichbrett, stoßen die Erde immer nach derselben Seite ab und werden deshalb auch „einseitige Hakenpflüge" genannt (ORHOCTOPÓHKH). Die einfachste Art dieser „einseitigen Hakenpflüge" unterscheidet sich von den vorigen n u r dadurch, daß die linke Pflugschar senkrecht befestigt („auf die Kippe gestellt") ist u n d daß das Streichbrett neben dieser linken Pflugschar unbeweglich befestigt wird. D i e linke senkrecht stehende Pflugschar dient als Pflugeisen, indem sie die Erdschicht von der Seite schneidet lind infolgedessen die Furchenbreite hier der Breite der rechten Pflugschar gleich ist. Z u m Abstoßen der Erdschicht wird bei diesem Hakenpflugtypus, ebenso wie bei allen anderen „einseitigen" Typen, mitunter an der rechten Seite des Pfluggestells ein hölzernes Streichbrett (sog. κρικιό, οκρώιοκ, nepó, KHHÓra, seltener οτΜβτήι, ορπκ) angebracht. E i n e solche Hakenpflugart herrscht i n Weißrußland (sog. „Litauischer Hakenpflug") und in der Umgegend von Moskau. E r ist auch nach Ostpreußen gedrungen, wo er unter dem N a m e n Zoche, Stagutte bekannt war. Bei den anderen einseitigen Hakenpflügen liegen die beiden Pflugscharen wagerecht, doch die linke K a n t e (Feder = nepó) der linken Pflugschar ist nach oben zu gebogen unter einem leicht stumpfen Winkel. Diese gebogene K a n t e dient als Pflugeisen, d. i. sie schneidet die Erdschicht von der S e i t e : sie wird Schneide (peaéij, 6pujiá, Aussehen einer herabhängenden Lippe) gen a n n t ; die Pflugschar selbst mit der umgebogenen K a n t e heißt MyjKHHÓK (d. h, der Bauer, das Bäuerlein) und die rechte wagerechte heißt HceHKa, 6á6a (das Weib), auch JienteHb (die Liegende). Diese Art des Hakenpfluges ist in ganz Sibirien verbreitet. Meist ist er im Vorderteil mit Bädern versehen; sehr verbreitet ist diese Art auch in Europa bei den Nordgroßrussen, nördlich von Tver angefangen. Bei diesem Typus erscheint, wenn auch nicht immer und obligatorisch, gleichsam im K e i m e die Pflugsohle. Andere Hakenpflugarten haben ein P f l u g e i s e n (oTpéa, pes, pesÓK, pesen;, HepTë», lepTéq), das zuweilen auch als ein besonderes, dem Hakenpflug vorangehendes Gerät erscheint. Als ein besonderes Werkzeug war es bei den Grr. schon in alten Zeiten üblich, vielleicht als ein Überbleibsel des alten Pfluges. La den Schuppen des Zaren Alexej Michailowitsch (17. J a h r h . ) bef a n d e n sich im Dorf Izmailovka bei Moskau 1130 Pflugeisen u n d 400 H a k e n pflüge. E i n Hakenpflug mit vorangehendem Pflugeisen hebt sehr g u t das Neuland, einen mit Basen bedeckten Boden, auf und kann auf diese Weise den Pflug ersetzen. E i n Schriftsteller h a t ein derartiges Pflugeisen „den russischen P f l u g " genannt. Die weitere Entwicklung des russischen Hakenpfluges hat zu einem neuen Typus des Pflugwerkzeuges, der Kosûl'a (§ 13) mit einer Pflugschar g e f ü h r t . § 12. I m Gegensatz zum Kalo erscheint der Hakenpflug nicht als ein allen Ostslaven gemeinschaftliches Werkzeug. Bei den Ukrainern kommt er
§ 11—12. Die Socha.
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sehr selten vor, wahrscheinlich — als spätere Kulturentwicklung. Ebenso ist der Hakenpflug zu den Finnen, Litauern, Polen uûd sogar nach Ostpreußen gedrungen. In alten Denkmälern wird er erst vom 14. Jahrh. an erwähnt. Fast in allen slavischen Sprachen bedeutet das Wort s o c h á (Hakenpflug) eine „gabelartige Stange", eine „Gabel mit zwei Spitzen". Der Hakenpflug muH immer eine solche Gabel haben; es ist das Pfluggestell (pascóxa), welches am unteren Ende eine Spaltung in zwei Teile, zwei Zähne für die Pflugscharen hat. Coxá (Hakenpflug) heißt in der Eegel nur ein Pflugwerkzeug mit zwei solchen Pflugscharen. Nur in den seltensten Fällen wird ein Werkzeug mit einer einzigen Pflugschar (s. Abb. 1 a) coxa genannt ; es erklärt sich dadurch, daß jene gabelförmige Teilung hier am anderen Ende, oben, als Handgriff vorhanden ist. Der deutsche Gelehrte L. B a u , Verfasser einer „Geschichte des Pfluges", hat die Vermutung ausgesprochen, daß der Hakenpflug aus der zweihörnigen Haue entstanden ist, die im Karpathengebirge und am Adriatischen Meer gebräuchlich ist. Wir wissen, daß die zweihörnige Haue auch bei den Weißrussen (Abb. 2) im Gebrauch ist, haben aber keinen Grund, den russischen Hakenpflug davon herzuleiten. Der Hakenpflug war bei den Slaven keineswegs das älteste Ackerwerkzeug; vor der Erfindung des Hakenpfluges pflügten die Slaven mit dem Ealo. Der Hakenpflug hat sich natürlich aus dem Ilalo und nicht aus der Haue entwickelt. Die Identität der Terminologie (jieMéin, pájiBHHK, Hiaßna) spricht auch dafür. Besonders charakteristisch ist das Wort pájibHHK (Pflugschar) ; es bedeutet eigentlich „zum Ealo gehörig", und es ist ganz natürlich zu denken, daß der Ealnik gerade vom Ealo genommen wurde (vom Ealo s. § 8). Es wären zwei Fälle möglich: 1. die einzige Pflugschar des Ealo war in zwei Teile geteilt; 2. zur ersten Pflugschar des Ealo wurde eine zweite Pflugschar hinzugefügt und daraus entstand der Hakenpflug. Von diesen zwei Möglichkeiten spricht alles für die zweite. Die einfachste Pflugschar (kojiobhü pajibHHK, Pfahlralnik) des Hakenpfluges unterscheidet sich ihrer Funktion und Form nach durch nichts von der Pflugschar des Ealo. Der Wunsch, die Arbeit zu beschleunigen, forderte natürlich, daß der slavische Ackerbauer entweder die Zahl der Pflugscharen beim einzahnigen Ealo vermehrte oder die Fläche der Pflugschar breiter machte. Er hat das erstere vorgezogen. Auf waldigem Boden, wo es viele Wurzeln gab, und auch auf steinigem Boden war eine breite Pflugschar unbrauchbar: Wurzeln und Steine erschweren sehr die Vorwärtsbewegung einer breiten Pflugschar und zerbrechen sie leicht ; eine breite Pflugschar lockert die Erde schlechter auf, indem sie sie in großen Klumpen aufwirft. Der russische Ackerbauer aber hat hauptsächlich das Auflockern des Bodens im Auge (dafür spricht seine Vorliebe für den Hakenpflug). Die Zwischenräume zwischen zwei Pflugscharen passieren aber die Wurzeln und Steine leicht; die schmale Pflugschar zerbricht unter ihrem Andränge nicht; bei zwei, sogar drei schmalen Pflugscharen hat das Pferd leichtere Arbeit als bei einer einzigen breiten. So hat der grr. Ackerbauer, um die Arbeit zu beschleunigen, zum alten einzahnigen Ealo noch eine zweite Pflugschar hinzugefügt und auf diese Weise den zweizahnigen Hakenpflug geschaffen. Stellenweise hat man später 2*
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I. Der Ackerbau.
noch eine dritte Pflugschar hinzugefügt: so entstand der „dreifache Hakenpflug" (TpoitHaa coxa) im Gouv. Kostroma (Abb. 5). Es ist charakteristisch, daß dieser Hakenpflug mit drei Pflugscharen in einem Land gebraucht wird, wo es als Sünde gilt, mit der einscharigen Kosul'a zu pflügen, da sie als ein n e u e s Ackerbauwerkzeug erscheint. — I n der südlichen Ukraine geschah eigentlich dasselbe, nur hat man da zum primitiven einzahnigen Ralo viele neue Zähne (mitunter sieben und mehr) hinzugefügt, so daß das Ralo sich in eine Egge verwandelte. Vom alten Pfluge hat der russische Ackerbauer nur das Pflugeisen behalten und es in ein besonderes Werkzeug (οτρββ) verwandelt. Er benutzte es beim Aufheben von Neuland, bis er auch seinen Abb. 5. Ngrr. Hakenpflug mit drei Hakenpflug dieser Arbeit anpaßte. Pflugscharen. § 13. Die Kosul'a (koc^jih) ist ein speziell ngrr. Ackerwerkzeug mit einer Pflugschar (jiéMex). Ihre Entstehung gehört wahrscheinlich dem Ende des 16. Jahrh. oder sogar dem Anfang des 17. Jahrh. an. Der Name KocynH ist nicht, wie man es oft glaubt, mit dem Worte Kocá (Sense) verwandt. Kocyjin nennt das russische Volk schiefe (Kocue), d. i. unsymmetrische Dinge und Wesen, bei denen die eine Körperhälfte nicht vollständig der anderen entspricht. Deshalb bezeichnen die russischen Bauern mit koc^jih alle Arten der einseitigen Hakenpflüge mit unbeweglichem Streichbrett (§ 11). Wenn Hakenpflüge mit umstellbarem Streichbrett eine vollkommen symmetrische Struktur haben (§ 10), so haben die einseitigen Hakenpflüge eine solche Symmetrie nicht : die linke Pflugschar ist der rechten nicht gleich und das Streichbrett ist auf einer Seite befestigt. I n der wissenschaftlichen landwirtschaftlichen Literatur hat sich eine genauere Terminologie eingebürgert; koc^jih heißt nur das ngrr. Ackerwerkzeug mit einer Pflugschar und einem Pflugeisen, aber ohne Pflugschleife und ohne Pflugsohle. Die Ähnlichkeit zwischen der Kosul'a und dem Hakenpflug ist sehr groß. Gleich ist ihr Körper, dessen Grundlage ein Dreieck bildet. Die Kosul'a hat aber unbedingt ein Pflugeisen (οτρέβ), das die Erdschicht von der Seite abstößt. Das Vorhandensein dieses Pflugeisens macht die senkrecht stehende oder mit einer Biegung (p1;3eij, § 11) zum Abstoßen der Erdschicht von der Seite versehene linke Pflugschar des einseitigen Hakenpfluges überflüssig. Die Funktion dieser linken Pflugschar ist auf das Pflugeisen übertragen. Bei weiterer Entwicklung ist diese linke Pflugschar gänzlich weggefallen. Beim Vorhandensein eines Pflugeisens wurde die Funktion der rechten Pflugschar nur auf das Abstoßen der Erdschicht von unten beschränkt. Dadurch wurde auch die Form der Pflugschar der Kosul'a bestimmt: sie liegt horizontal und ist mehr oder weniger breit. Kleine Unterschiede in der Form verschiedener Kosul'a-Arten erklären sich nur dadurch, daß die Pflugschar der Kosul'a in
§ 18. Die Kosul'a.
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engster Beziehung zum Streichbrett steht, indem sie gleichzeitig zum Schichtenabstoßen am meisten beiträgt. Es kommen auch solche Kosul'a vor, bei denen die Pflugschar und das Streichbrett aus einem ganzen entsprechend gekrümmten Eisenbogen besteht. Diese organische Verwandtschaft der Kosul'a mit dem Hakenpflug macht es zweifellos, daß die Kosul'a gerade aus dem Hakenpfluge, als eine Vervollständigung desselben, entstanden ist.
Abb. 6. Kosul'a von Kostroma: a Pflugschar; b Pflugeisen; c Holzstange für das Pflugeisen; d Streichbrett. Die Kamen f ü r die Bestandteile der Kosul'a und des Hakenpfluges stehen einander sehr nahe. K u r hat hier das Pfluggestell keine Spaltung am Ende und man nennt es gewöhnlich nicht mehr pascóxa, sondern nur nnoTÄHa; den noflBÓH des Hakenpfluges entspricht bei der Kosul'a eine gebogene Holzstange, durch deren Mitte auch das Pflugeisen geht; diese Stange heißt: bóüjio, ciyΐκβΗΒ, rpflRHJiL·, ynópKa, ckobopóbhhk, no«MÓra, OTpéaHoe aépeBO (d. i. das Holz des Pflugeisens), apMÓ, ojii>mó ; die Pflugschar der Kosul'a heißt gewöhnlich jiéiuex.
Abb. 7. Kosul'a von Jaroslavl': α Pflugschar; b Pflugeisen, c Holzstange für das Pflugeisen; d Streichbrett. Der Körper der Kosul'a ist demjenigen des Hakenpfluges sehr ähnlich ; je nach seiner Struktur unterscheidet man zwei Arten der Kosul'a : 1. die sog. Kosul'a von Kostromá, deren Körper demjenigen des Hakenpfluges nähersteht, und 2. die sog. Kosul'a von Jaroslavl', bei der die hinteren Enden der Eemerstangen nicht in der Pflugsterze, sondern in der Mitte des Pfluggestells befestigt sind und die beiden Femerstangen gebogen sind (s. Abb. 6 und 7). Die erstere ist älter als die zweite, bei der ein starker Einfluß der Kultur unzweifelhaft ist.
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I. Der Ackerbau.
D i e geographische Verbreitung der Kosul'a gibt uns Anlaß zu schließen, daß das ursprüngliche Zentrum, von wo sich dieses Ackerbauwerkzeug i m N O Europas ausgebreitet hat, der westliche Teil des Gouv. Kostroma oder der östliche des Jaroslavschen Gouv. war. Östlich davon h a t sich die Kosul'a weniger (am Ural, in Sibirien existiert sie nicht) als westlich ausgeb r e i t e t ; das erklärt sich durch die Gegenwelle, die vom Ural her die sog. KypamÄMKa mitbrachte. U m 1870 h a t der Schmied Ρ a j u s ο ν aus Kuraäim i m K u n g u r d i s t r i k t den dortigen Hakenpflug vervollkommnet u n d diese Vervollkommnung h a t sich rasch unter dem N a m e n KypainÄMKa ausgebreitet. E s ist ein Ackerwerkzeug mit einer kleinen Pflugsohle und einer Pflugschar von der Gestalt eines gleichschenkeligen Dreiecks. § 14. Von den zwei Funktionen der E g g e : 1. den Boden f ü r die Saat zu zerbröckeln u n d 2. die ausgesäten Samen zuzuschütten, wird die erstere von den altslavischen Werkzeugen — dem Kalo u n d dem Hakenpfluge — erf ü l l t . F ü r die E g g e bleibt hauptsächlich die zweite Funktion — die Aussaat einzueggen (3a6opáHHBaTi>). Gäbe es nicht eine andere Etymologie f ü r das Wort 6opoHá (Wurzel b h e r - ,spitz sein', B e r n e k e r E W . I, 74), so könnte die Bedeutung nicht verhindern, dieses Wort mit den slavischen W o r t e n oßopoHa, ßpaHb, ßopÖTBCH in Verwandtschaft zu bringen. Diese Verwandtschaft verstehen wir nicht in der Interpretation von M i k l o s i c h (EW. 18), als hätte dieses friedliche Werkzeug zum K a m p f e gedient, sondern in der Weise, daß die E g g e vor allem die Aussaat vor der allerseits drohenden G e f a h r schützt (οόοροΗΗβτ). Die Volksetymologie bringt jedenfalls die beiden Worte miteinander in Verbindung.
Der engste organische Zusammenhang der slavischen Pflugwerkzeuge mit der E g g e ist uns schon bekannt. Das E a l o verwandelt sich leicht in eine wirkliche Egge (§ 8). Nóch ein charakteristisches Beispiel ist die von A. S e r z p u t o v s k ' i j beschriebene wr. BepmajiiÍHa oder ocTporá (Abb.8). I h r e r E i n r i c h t u n g nach ist es eine Egge, sie unterscheidet sich in ihrer F u n k t i o n gar nicht vom einfachsten Hakenpflug (sog. x;an^jibKa § 10), d. h. sie k a n n den Pflugwerkzeugen zugezählt werden. Die BepmaaïiHa (eigentlich BepniÓHa) ist der Oberteil eines Tannenstammes m i t starken zugespitzten Ästen. I h r Hauptzweck ist, solche Rodungen aufzulockern, wo es sogar mit dem H a k e n -
§ 14. Die Egge.
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pfluge wegen der Menge von Baumstümpfen und starken Wurzeln unmöglich ist zu ackern. Nicht ohne Zusammenhang mit den obenerwähnten Verhältnissen sind die Eggen der Ostslaven sehr einförmig. Ihre drei Arten, von denen die dritte ein Produkt der neueren Kultur ist, unterscheiden sich voneinander nicht nach der Funktion, sondern nach dem Material. Diese verschiedenen Arten sind: d i e E g g e m i t B a u m ä s t e n s t a t t d e r Z ä h n e (cyKOBawa), d i e g e f l o c h t e n e E g g e und d i e e i s e r n e (oder halbeiserne) E g g e . Die einfachste E g g e a u s B a u m ä s t e n , cyKOBaTua, ist eine Fichtenoder Tannenkrone, die auf dem Boden geschleift wird, um die Aussaat unter die Erde zu fegen und zuzuschütten. Die gewöhnliche cyKOBÉTKa (anders: cmhk, éntipj, éntHiraa, cm¿fh>h, bojioKfma, aepáSna) besteht aus 3—8 oder mehr gespaltenen Tannen- oder Fichtenbrettern (δοροΗΗΐίπΗ), die an ihrer Unterseite Äste von 35—80 cm Länge haben. Diese Äste sind am Ende zugespitzt und dienen der Egge als Zähne. Solche natürliche Zähne biegen sich leicht, wenn sie auf dem Wege Steinen, Baumstümpfen u n d Wurzeln begegnen, u n d sind elastisch genug, τ, j , , u m Erdklumpen zu zerschlagen. Diese Bretter ein Viereck. Die beiden dienen als Femerstangen
Abb. 9. Egge aus Baumästen v(Gouv. Y'atka, ngrr.). ' & ' werden an zwei Querstangen befestigt und bilden Seitenbretter sind etwas länger als die anderen und zum Anspannen eines Pferdes (s. Abb. 9).
Abb. 10. Sgrr. geflochtene Egge (Gouv. Tula). Die oben beschriebene cyKOBaraa wird hauptsächlich in Waldgegenden, besonders auf Rodungen gebraucht. Dagegen wird die g e f l o c h t e n e E g g e
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I. Der Ackerbau.
(njieTeHKa, KOJiBqeBáTKa) sowohl in waldigen als auch in waldlosen Gegenden gebraucht. Von den heutigen vier ostslavischen Völkerschaften ist sie nur den Ukrainern unbekannt. Bei den anderen hat sie überall die gleiche Einrichtung; nur bei den N g r r . ist sie nicht selten etwas größer. Wenn die normale sgrr. Egge gewöhnlich 25 Zähne (selten bei Obstgärtnern 30) hat, d. h. 5—6 Reihen mit je 5 Zähnen, kommen im Norden sporadisch auch Eggen mit 72 Zähnen (9 Reihen von je 8 Zähnen) vor; die gewöhnlichste Zahl ist aber 35 (7 Reihen von je 5 Zähnen). Die Größe einer Egge mit 25 Zähnen beträgt 160—180 cm Länge, die Breite ist um 13—37 cm kürzer als die Länge. Der Rahmen dieser geflochteten Egge wird aus dünnen Stangen (sog. xjiyauti, 6aTOJKKÄ, rpá^KH, οοτρΗκά) von Nuß-, Tannen- oder Birkenholz verf e r t i g t ; in jeder Längenreihe des Rahmens sind je zwei solcher Stangen, in den Querreihen -— je drei. An den Kreuzungsstellen werden die Längs- und Querstangen durch zwei Ringe miteinander verbunden (sog. KaTénKH, ΒήμΗ, bh3K¿; wr. KajiáiHKH), die aus Eichen-, Faulbaum-, Wacholder-, Weidenoder Tannenzweigen verfertigt werden. I n die durch diese Kreuzung der Stangen und Ringe gebildeten „Nester" (γηθβηο) werden von oben Zähne (3$6bH, κιιβΒμώ, Μβμώ) von 36 cm Länge und 3 cm Dicke gesteckt. Diese Zähne haben die Form von unregelmäßigen sechskantigen Keilen mit einem Einschnitt auf einem Drittel ihrer Länge. Die Zähne werden nicht gerade, sondern nach vorwärts geneigt (Winkel 67°) eingesteckt. Die Neigung wird dadurch erreicht, daß die dritte (mittlere) Querstange immer hinter den eigentlichen Zähnen bleibt. Die Zähne der Vorderreihen der Egge sind etwas kürzer als die h i n t e r e n : bei einer solchen Einrichtung bewegt sich die Egge am besten auf dem Boden; außerdem arbeitet die Hinterseite mehr, ihre Zähne reiben sich schneller ab als die vorderen. Die Zähne werden aus hartem Holz, wie Eiche, Esche, Ahorn, Birke oder Eberesche (Vogelbeerbaum), verfertigt. Am Vorderteil dieser Egge wird ein Bogen aus einer Gerte (sog. 6apáH, orá6oK) befestigt. Auf ihm bewegen sich f r e i ein oder zwei Ringe aus Gerten (noSeráno, npacHÓBKa, Kanal), woran die Femerstangen gebunden werden. Dadurch erreicht man, daß die Egge sich nach vorn nicht mit der geraden Seite, sondern mit der Ecke bewegt, weshalb ein jeder Zahn seine besondere Furche f ü h r t . Als Femerstangen dient zuweilen ein langer Bogen aus Weide (ojiyn). Bei den Weißrussen befindet sich der 6apaH in der Mitte des langen Bogens (caMOJi^K, caMoüji^K, Kaôn^K), dessen lange Enden die Grundlage der äußeren Seitenreihen der Egge bilden. — E s wird angespannt ohne Krummholz. Wie wir sehen, hat diese Egge keinen einzigen eisernen S t i f t und keine eiserne Schraube. Sie ist so leicht, daß ihre Zähne nicht tief in die Erde eindringen. Wenn tiefer geeggt werden soll, wird auf die Egge ein Gewicht gelegt. — E i n großer Vorzug dieser Egge besteht darin, daß ein zerbrochener Zahn sofort ersetzt werden kann. Die d r i t t e A r t d e r r u s s i s c h e n E g g e ist allgemein bekannt; als Muster dienten ihr auf Fabriken verfertigte Eggen. Gewöhnlich werden f ü n f
§ 14—15. Die Egge.
Ackerbauarten.
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Längsholzstangen und ebenso viele Querstangen (je 129 cm lang) kreuzweise wie ein Gitter miteinander verbunden; die Entfernung zwischen den einzelnen Stangen beträgt 22 cm. An den Kreuzungsstellen der Stangen werden 25 eiserne oder hölzerne gerade Zähne, 22 cm lang, angebracht. Seltener dient als Rahmen ein kompaktes Holzbrett, woran ebenso viele Zähne angebracht werden. Bei den Ngrr. sitzt der eggende Ackerbauer (fíopoHOBOJiÓK, gewöhnlich ist es ein Knabe oder ein Mädchen), auf dem Pferde seitwärts und lenkt; bei den Sgrr. und Wr. geht er hinter der Egge her. Auf hartem Boden eggt man öfter im Zickzack oder kreisförmig (BaBHJiÓHaMH), nicht in gerader Richtung. § 15. A c k e r b a u a r b e i t e n u n d d a m i t v e r b u n d e n e G e b r ä u c h e . Der Beginn des Ackerns im Frühling (sog. aanáiima, ukr. 3aópiOBaHHH), ebenso wie der Beginn der Aussaat im Frühling und im Herbst, wird mit allerlei magischen Zeremonien ausgestattet. In diesen Gebräuchen überwiegen jetzt christliche Elemente und Symbole; das Vieh wird mit Weihwasser besprengt, zwischen die Samen wird die önaroBemeHCKan npoc$opa (eine Maria \ 7 erkündigung geweihte Oblate) gelegt, man betet vor Heiligenbildern usw. Bei den Sgrr., und nur bei ihnen, gibt es stellenweise einen bestimmten Termin f ü r den Beginn des Ackerns: es ist Gründonnerstag in der Karwoche (R'azaú) oder die 15. und 17. Woche von Weihnachten an, d. i. der 3. oder 17. April (Kaluga). Wenn Anfang April der Winter noch fortdauert, und es unmöglich ist, mit dem Hakenpfluge ins Feld hinauszufahren, ackert man die Erde, mit der die Zimmerdecke immer bedeckt ist. Man schleppt den Hakenpflug auf den Hausboden, ein Mann hält ihn, wie ein Pflüger, ein anderer zieht ihn, wie ein Pferd. Allgemeine Bedingungen f ü r den Beginn des Pflügens, der Aussaat und vieler anderer wichtiger Momente im Leben des Ackerbauers sind folgende: an diesem Tage darf man niemandem etwas gegen Geld oder geschenkweise weggeben, damit nicht mit der gegebenen Sache auch das f ü r die begonnene Arbeit notwendige Glück verschwinde. Man bemüht sich, den Beginn des Pflügens, der Saat, der Ernte womöglich auf Vollmond und auf einen sog. „glücklichen" Tag anzusetzen. Als „leichte, glückliche" Tage gelten: der Donnerstag, Dienstag und Sonnabend (der „dicke" Tag, tojicthä ηθηβ) : aber die Verhältnisse sind nach Gegenden verschieden und ζ. B. im Kreise Pinsk gilt der Freitag als ein glücklicher Tag f ü r den Beginn der Aussaat. Der Wochentag, auf den im laufenden J a h r Mariä Verkündigung (25. März) oder stellenweise auch Mariä Reinigung (2. Febr.) fällt, wird überall in diesem Falle gemieden. Was die Tageszeit betrifft, so wird gewöhnlich der Morgen vorgezogen, damit niemand es sehen oder einem zuvorkommen könne, und damit auch keine ungünstige Begegnimg stattfinden könne; bei den Wr. des Kreises Wilejka wird dagegen f ü r den Saatbeginn der Abend vorgezogen, damit nach diesem magischen und heiligen Akt keine andere Arbeit an diesem Tage geschehen könne : weitere Arbeit an diesem Tage würde Mißernte verursachen. Der Anfang und das Ende des Ackerns und der
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I. Der Ackerbau.
Aussaat (das Ende heißt : aonámna t ^oc6bkh) wird von einer reichen Bew i r t u n g der ganzen Familie begleitet, wodurch eine reiche E r n t e magisch hervorgerufen werden soll. Beim zeremoniellen Beginn der Ackerung werden gewöhnlich n u r wenige (3—4) Furchen gezogen; die Hauptsache ist dabei nicht die wirkliche Arbeit, sondern die glückliche Vorbedeutung, das Omen. Als magisch gelten zu A n f a n g des Pflügens dieselben Gegenstände, wie zu Beginn der Aussaat. Der weißrussische B a u e r rollt ζ. B . vor dem A n f a n g des Pflügens ein gekochtes H ü h n e r e i auf der E r d e und spricht dabei: „ E s sei mein Roß ebenso glatt u n d voll, wie dieses E i ! " E r gibt später das E i dem ersten ihm begegnenden Bettler, der d a f ü r f ü r das P f e r d beten muß (Gouv. Mogilev, Kreis Mstislav). D e r ukr. B a u e r aus dem Kreise Pinsk schlägt nach der ersten F u r c h e séinen Ochsen oder sein P f e r d auf die Stirn m i t den W o r t e n : „Gott gebe dir Gesundheit u n d K r a f t ! " Die W r . des Gouv. Grodno vermeiden es, das Pflügen m i t einem schwarzen Ochsen zu beginnen, damit der Regen die Saat nicht verderbe, ebenso soll ein gelblicher dazu beitragen, daß jemand von der Familie stirbt. Die frische E r d e des ersten Hakenpfluges gilt als Mittel gegen Flöhe u n d Wanzen (Gouv. Saratov): diese Erde wird auf den Erdboden des Hauses geschüttet; bei den W r . des Wilejka-Kreises stellen die K i n d e r diese Erde heimlich vom Pflüger auf, wodurch eine noch größere desinfektorische W i r k u n g erreicht wird. Z u B e g i n n der Aussaat ( s a c é B K H , u k r . aáciB) werden viele von den bei B e g i n n des Pflügens üblichen Zeremonien wiederholt. Doch tragen diese s a c é B K H o f t einen öffentlichen, keinen familiären Charakter. Das ganze Dorf wählt dazu o f t einen Mann, der eine „leichte H a n d " hat. Diese Wahl geschieht o f t durch Losziehen: m a n sammelt in einen H u t je ein gekochtes E i von jedem Hause, die Hauswirte nehmen die E i e r heraus u n d zerbrechen sie; wer das vollste E i bekommt, der beginnt die Aussaat (Wr. im Kreise Mstislav). I m grr. Teil des Gouv. Smolensk beginnt der Priester die Saat, gewöhnlich am Tage von Christi Yerkläruag (6. August) nach einem Gebet (MOJieSeH) auf dem F e l d e ; er sät Roggen "aus, der von allen Hauswirten eingesammelt und in der Kirche geweiht i s t ; nach der Aussaat besprengt er das Feld mit Weihwasser. Die Wr. im Gouv. Mogilev vertrauen stellenweise die Aussaat einem Knaben von 10—14 J a h r e n an, der festlich gekleidet wird und ohne etwas gegessen zu haben mit der Arbeit zu beginnen hat. Diese letzte Bedingung, vorher keine N a h r u n g zu sich zu nehmen, wird von einem jeden Sämann gefordert. Wahrscheinlich soll ein H u n g r i g e r das Korn aus dem gleichen Grunde wie ein Nackter den Lein säen, u m die Geister der Fruchtbarkeit sich günstig zu stimmen. Den ausgesäten Samen werden gewöhnlich zu magischem Zweck noch Körner besonderer H e r k u n f t beigemischt. E s sind erstens Körner von der ersten gemähten Garbe, auch von einem Kranze, der gewöhnlich aus Ähren bei Schloß der E r n t e gewunden wird. Beide Kornarten werden zu Mariä H i m m e l f a h r t (15. Aug.) oder zu Christi Verklärung (6. Aug.) in der Kirche geweiht. Den Kranz vergraben die Ukrainer des Pinsker Kreises später am
§35. Ackerbauarbeiten und damit verbundene Gebräuche.
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Ende der Strecke zusammen mit einem gekochten E i ; am andern Tage nach der Arbeit gräbt man das Ei wieder aus und die Familie iflt es. Es werden ferner Körner vom sog. αιορώιιι (anders: c n o p u H t j î , jkhth&h MáTKa) gebraucht, d. h. von Stielen mit zwei und mehr Roggen- oder Weizenähren (bei den Wr. des Yitebsker und Mogilevschen Gouv., bei den Ngrr. des Novgoroder Gouv., und an anderen Orten). Endlich werden auch Körner, die zu Ostern mit den Osterkuchen (vymm/i) und roten Eiern (Jenissej-Gouv.) geweiht wurden, beigelegt. Die bei den Aussaatgebräuchen verwendeten magischen Gegenstände sind sehr verschiedenartig und zahlreich; die Hauptrolle spielt ein besonderes h e i l i g e s B r ö t c h e n , das man anfangs in die Samenkörner oder auf den Erdstrich legt und darauf verspeist. Im Gouv. Archangelsk gibt es besondere Aussaat-Brötchen ( a a c e B á H H t i e xjießü) ; sie werden gebacken aus dem ersten Ausdrusch und auf den Heiligenschrank und in die Speicherkasten zusammen mit dem Samenkorn gelegt. Bei der Aussaat legt man sie in den Samenkorb ( c e ß a j i K a ) und auch auf jede der vier Erdstrichecken. Bei den andern Grr. ist die „Verkündigungshostie" (EnaroBemeHCKan προοφορβ) besonders viel im Gebrauch, die man zur Messe am Verkündigungstage (25. März) erhält. Stellenweise (Gouv. Orel) werden solche Hostien von den Bauern selbst gebacken. Die Anwendung solcher Hostien bei Aussaatgebräuchen wird schon in der Tambov-Urkunde von 1652 erwähnt. Zuweilen legt man diese Hostie zusammen mit den Samenkörnern, auch auf den Erdstrich; ihre Brocken werden gesät; man verspeist sie nach der Saat; ein Teilchen davon wird dem Pferde gegeben (Medyi-Kreis), ein anderes aber in die Erde vergraben, zusammen mit einer Flasche mit Weihwasser, das am Tage der heiligen drei Könige (Kpemeraie) geweiht wird, um die Felder vom Hagelschlag zu bewahren. Es wird außerdem bei allen Ostslaven viel gebraucht: KpecTÓBHK, KpecTeq, wr. xpäiqnK, ein Brötchen, das am Mittwoch der vierten Fastenwoche gebacken wird; es ist kreuzförmig oder trägt oben ein Kreuz. Es wird trocken aufbewahrt im Mehlkasten zusammen mit dem Mehl, aus dem Brot gebacken wird. Beim Aussäen wird es unter die Samenkörner und auf den Erdstrich gelegt und darauf verspeist: hierbei wird zuweilen ein reines Tischtuch auf der Erde ausgebreitet und es wird dabei Branntwein (borke) getrunken. Bei den Grr. herrscht der Brauch, beim Backen dieser KpecTOBHKH in diese Brötchen allerlei Gegenstände zum Zwecke der Wahrsagung zu legen. Derjenige, dem das Brötchen mit Koggenkörnern zufällt, muß aussäen, auch wenn er nur 2—3 Jahre alt ist. Bei den Ukrainern des Kreises Kup'ansk ist eine andere Art des Wahrsagens mit den KpeCTiyj üblich: es werden beim Backen verschiedene Körner hineingelegt — Weizen-, Roggen-, Gersten-, Haferkörner; wenn ein Korn nach oben kommt, dann gilt es als Zeichen, daß diese Getreideart reichlich wachsen wird. Die Wr. des Gouv. Grodno backen an diesem Tage auch Brötchen von der Form des Hakenpfluges, der Egge, der Sichel und Sense. Es wäre möglich, in diesem KpeCTOBHK-Brötehen ein magisches Bild eines κροοτβι;, d. i. des kreuzförmigen Garbenschocks (§ 16) zu sehen. — I m Kreise Starobel'sk
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(Charkover Gouv.) trägt mitunter ein Knabe bei der Aussaat ein kreuzförmiges Brötchen und ihm folgt ein Erwachsener, der sät. Als magischer Gegenstand wird auch, besonders bei den Wr., die rpÓMHiíija gebraucht. Es ist eine W a c h s k e r z e , die am Tage von Mariä Reinigung (Lichtmeß) am 2. Febr. geweiht wird; sie wird oft auch ein zweites Mal geweiht — am Gründonnerstag — und ein drittes zu Ostern. Man setzt diese Kerze unter die Körner, zündet sie an und betet; auch aufs Feld wird sie mitgenommen. Sie soll vor Donner schützen: daher ihr Name, d. h. eine Kerze, die zur Zeit des Donners angezündet wird. Der Säer nimmt auch oft einen am Palmsonntag geweihten Weidenzweig mit; unter die Körner wird aber ein Osterei hineingelegt, das ebenso wie gewöhnliche gekochte Eier in magischer Weise auf Größe und Stärke («apeHOCTb) der Körner der neuen Ernte hinweisen soll. Zuweilen nimmt man dazu auch das am ersten Ostertage geweihte Brot (artos) neben der Hostie (npoc$opa), z. B. im Kreise Rogacev. Die erste Handvoll Korn oder die drei ersten wirft der Säer mit kreuzweise übereinander gehaltenen Händen aus. Dabei sagt er: „O Gott, gib die Ernte auch f ü r fremdes Teil!" (ΥροβΗ, Boate, η Ha HyjKyio hojiioI) (Starobelsker Kreis) ; darauf verspeist er das von dem Erdstrich aufgehobene Kreuzbrot (Kup'ansker Kreis). Es geschieht auch beim Anwerfen der ersten Handvoll, daß er sich bekreuzt, nach allen vier Himmelsrichtungen verneigt und sagt: „O Gott, beschere die Ernte allen orthodoxen Christen" (BceM npaBocjiaBHtiM xpucTHâHaM ; Rybinsker Kreis). Der Ukrainer des Pinsker Kreises wirft die erste Handvoll mit der l i n k e n Hand. Im Niznedevicker Kreis verspeist der Säer zuerst das Kreuzbrötchen und darauf beginnt er zu säen. Die •Gegenordnung ist üblicher; beides soll in magischer Weise andeuten, daß die neue Ernte bald eine reiche Nahrung mitbringen soll. — Ein einziges Körnchen davon zu verspeisen, heißt die ganze Ernte zugrunde richten (Wr. im Kreise Kobrin). Am Tage der Aussaat ist man verpflichtet, immer und überall auf Reinlichkeit zu halten; es wird ein weißes Festhemd angezogen (dasselbe, in dem man das heilige Abendmahl empfängt, d. h. das beste, das man hat); der Tisch wird mit einem reinen Tischtuch bedeckt; am Tage vorher wäscht man sich in der Dampf badstube ; das alles geschieht, damit im Korn kein Unkraut aufkomme, damit das Korn „rein" (hhcthü) bleibe. — Am Tage der Aussaat darf man niemandem etwas geben, namentlich kein Feuer: sonst heißt es, wird die Sonne die Ernte verbrennen. Deshalb darf auch der Säer an diesem Abend kein Feuer anzünden. Man bemüht sich an diesen Tagen noch bei Tageslicht das Abendbrot zu essen und zu Bett zu gehen, ohne das Licht anzuzünden; dazu wird man noch besonders dadurch veranlaßt, daß nach einem wr. Vorzeichen die Verweigerung von Feuer einem darum bittenden Nachbar böse Folgen nach sich ziehen könne: das Korn auf dem Felde wird im Sommer vom Vieh abgeweidet, besonders von Schweinen (Sebezer Kreis). Die Wr. im Kreise Grodno schlachten zum Mittagessen am Tage der Aussaat oder am Tage der hoc6bkh (Ende der Saat) imbedingt einen Hahn oder eine Gans.
§ 15. Ackerbauarbeiten und damit verbundene Gebräuche.
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Nach einem wr. Aberglauben (Öerikover Kreis, Gouv. Mogilev) soll, wenn auf zwei Nachbarstrichen dieselbe Kornart gleichzeitig gesät wird, der eine Nachbar eine vollkommene Mißernte, der andere dagegen eine über den Durchschnitt ausfallende Ernte erleben. Ein schlechtes Vorzeichen ist dabei, wenn einer zuerst aufs Feld kommt und vor der Ankunft seines Nachbars mit der Aussaat noch nicht begonnen hat. Die Weißrussen des Kreises Sebez wenden in diesem Fall folgendes harmlose Gegenmittel an: sie verändern ihre Fußbekleidung in der Weise, daß sie die Fußlappen anders anlegen, so daß der Teil der ursprünglich die Ferse bedeckte, nunmehr die Zehen bedeckt, und erst darauf beginnt man mit der Aussaat. Ein anderes sündhafteres Mittel ist folgendes: man schüttet in den Samenkorb auf den Koggen noch drei Handvoll Erde und sät, indem man ihn leise bespricht, die Roggensaat des Nachbarn solle mit den Wurzeln nach oben wachsen: auf diese Weise soll die Mißernte dem Nachbar zufallen. — Wenn bei der Saat das kleinste Fleckchen des zu bebauenden Landstriches nicht besät wird, so prophezeit man daraus den Tod irgendeines Familienmitglieds. Vor dem Beginn des Pflügens und der Aussaat dürfen keine Pfähle in die Erde eingeschlagen werden: es würde heißen die Erde „zuschlagen" (3a6ÓTi>), und die gesäten Körner würden nie aufgehen (Wr. der Kreise Kobrin und öerikov). Besonders gefährlich ist dies bei der Hanfsaat. Ebenso wie bei der Leinsaat können hier noch mehrere andere magische Handlungen beobachtet werden. Man trägt die Hanfsamen auf der Schulter ins Feld hinaus (d. h. hoch, damit der Hanf hoch wachse) und bekleidet sich mit Hosen aus Hanf (damit die Fasern des Hanfes stärker werden); nach der Saat hängt man diese Hosen im Kornspeicher auf einem hohen Haken auf (damit der Speicher ebenso hoch mit Hanf angefüllt sei), und dort müssen sie bis zur Bergung des Hanfes in den Speicher hängenbleiben. Wenn man Hanf säen geht, darf man niemanden grüßen und auch den H u t nicht lüften (He noMaioT rnanKH) : sonst soll der Hanf sich im Felde biegen und brechen (Sgrr. des Zizdraer Kreises). Man legt auch zu den Samen gekochte Eier und wirft sie auf das Feld. Der Säer verbindet sich die Augen und spricht dabei: „Wie ich die weiße Welt nicht sehe, so sollen die Vögel meinen Samen nicht sehen" (Ngrr. des Transbaikalischen Gebietes). B e i der Leinsaat werden unter die Samen auch gekochte Eier gelegt; sie werden zusammen mit dem Lein auf den Acker geworfen ; Kinder sammeln sie von der Erde und müssen sie in die Höhe werfen und sagen dazu, bevor sie dieselben verspeisen : „Wachse, o Lein, höher als der stehende W a l d l " Auch der Säer selbst kann diese Eier verspeisen (Ngrr. des Kreises Vologda und T'umen'). Ein besonders bei den Grr. verbreiteter Aberglaube verlangt, daß man den Lein unbekleidet säe; das Volk versteht darunter einen Wunsch, die Natur mitleidig zu stimmen, damit sie den Lein f ü r das Kleid wachsen lasse. B e i den Wr. des Vitebsker Gouv. wälzt man sich bei der Leinsaat nackt auf der Erde an derselben Stelle, wo später der Lein ausgebreitet werden soll — damit der Lein lang und faserig wachse. B e i den Ukrainern
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des Chersonscheii Gouv. beobachtet man folgende Art des Wahrsagens der Mädchen am Vorabend des Andreastages (29. November): alle Mädchen gehen auf die Straße hinaus, legen alle ihre Kleider ab, säen Lein auf den Weg und fegen ihn mit ihren Hemden ; der ihnen vom Schicksal bestimmte Bräutigam soll dann kommen und den Lein nehmen, d. h. so soll er im Traume erscheinen. — Weil man sich heutzutage schämt, den Lein nackt zu säen — so was geschieht nur auf Rodungen in Waldgebieten —, so wird wenigstens verlangt, daß der Leinsäer ein schneeweißes Hemd trage (Wr. des Kreises Öerikov) ; ebenso weiß soll der Lein werden. Auch das P f e i f e n soll der Säer sorgfältig vermeiden; er ist verpflichtet zu schweigen und sogar einen Gruß darf er nur durch lautloses Kopfnicken beantworten (CerikovKreis). Das P f e i f e n könnte die Waldgeister anlocken: sie brauchen ja auch ein Kleid und könnten deshalb den Lein rauben. Damit im Weizen kein Rankkorn aufkomme, darf man nicht bei der Weizensaat den Kopf kämmen oder den H u t zurechtrücken (Ngrr. in Transbaikalien). Wenn man von der ersten Aussaat spricht, dann ist nicht zu vergessen, daß sie eigentlich am Neujahrstage (§ 152) stattfindet. Bei den Sgrr. im Gouv. R'azaA geschieht sie am 25. Dezember, am Weihnachtstage, da besucht zwischen der Frühmesse und dem Hochamt ein H i r t die Häuser und „besät" sie mit den Worten: „ F ü r die Lebenden, f ü r die Fruchtbringenden, zum Wohle des Wirts und der Wirtin", oder: „Ich säe, besäe mit Sommerweizen, H a f e r und Buchweizen, f ü r die Kälber, f ü r die Lämmer und f ü r alle Bauern." Der H i r t bekommt ebenso wie die Kornschütter zu N e u j a h r (nocunájitiqiiKH) einen Kuchen. Bei den Ukrainern werden oft die Körner dieser Neujahrsäer (nocÍBaJH>injiKn) mit den Samen, die zur Aussaat gebraucht werden, gemischt. § 16. Den B e g i n n d e r E r n t e (sarnáH, aawHHKH) leitet gewöhnlich eine Frau, meist die Wirtin des Hauses; zuweilen wird dazu eine alte gottesfürchtige F r a u oder eine, die eine „leichte (glückliche) H a n d " hat (jiërKan Ha pyny), bestimmt. Sie beginnt die Ernte gewöhnlich am Abend, natürlich an einem „glücklichen" Tage. Die Ernte mit Sicheln ist die schwerste von allen landwirtschaftlichen Arbeiten (wirklich eine Marter, CTpaflá), weil der Arbeitende ganze Tage in gebückter Stellung unter den brennenden Sonnenstrahlen verbringen muß. Es ist nicht zu verwundern, daß der Schnitter zuerst an seine eigene Gesundheit denkt; besonders möchte er die sich so leicht dabei einstellenden Schmerzen im Rücken vermeiden. Eine ganze Reihe von magischen Handlungen der die Ernte beginnenden Schnitterin bezweckt die Beseitigung dieser Schmerzen. Man geht zur ersten Ernte aus dem Haushof nicht durch das Tor hinaus, sondern kriecht unterm Zaun durch, indem man mit dem Rücken nur die obere Zaunstange berührt (Ngrr. im Yologdaer Gouv.); diese Berührimg hat den Zweck, entweder die Schmerzen auf diese Stange zu übertragen oder von ihr Stärke und Unempfänglichkeit f ü r Schmerzen auf sieh selbst zu übertragen (vgl. die Heilung von Krankheiten, indem man den Kranken durch einen gespaltenen Baum und andere Spalten zieht, § 109). Zu demselben Zwecke umgürten sich die Grr. und Wr. mit
§16. Ernteanfang.
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dem ersten Bündel der geschnittenen Halme, indem sie daraus einen Plumpsack winden, und arbeiten den ersten Tag mit diesem Gürtel; kokette Frauen stecken ein solches Bündel nur hinter ihren Gürtel. Es ist möglich, daß wir hier eine magische Übertragung der Schmerzen auf den Roggen oder eher der Biegsamkeit der Halme auf das Rückenkreuz haben. Die Wr. des Kreises Sebez beginnen die Ernte mit der magischen Beschwörung: „O Gott, gib, daß wir leicht ernten, daß das Bückenkreuz keinen Schmerz empfinde, daß die Hände nicht erschlaffen, daß die Füße nicht erstarren, und der Kopf nicht brenne." Die Schnitterin bringt auch Mundvorrat mit aufs F e l d : ein Stück Brot, manchmal auch ein Stück Artos oder eine Hostie, geweihtes Salz, ein Stück Quark oder Speck, zuweilen auch Branntwein und auch die „Donnerkerze" ( r p o M H H q a ) — eine zu Mariä Lichtmeß (2. Febr.) geweihte Wachskerze. Sie verspeist diesen Mundvorrat auf dem Felde, wobei sie auf der ersten geernteten Garbe oder auf einer gemähten Stelle sitzt; zuweilen singt sie dabei ein Schnitterlied. Bei den Wr. des Kreises Bychov wird die erste Garbe auf ein Bündel mit diesem Mundvorrat gestellt. — Die erste Garbe (sawÜHH i r t t C H o n ) ist gewöhnlich klein und umfaßt drei Handvoll Ähren; wegen ihres geringen Umfanges heißt sie vielfach ßopojHta (Bärtchen), z.B. bei den Wr. des Kreises Sebei; öfters wird ihr bei den Wr. auch die Ehrenbezeichnung rocnosáp, d. i. „ W i r t " beigelegt, wahrscheinlich deshalb, weil man diese Garbe, nachdem man sie auf der Schulter ins Haus getragen, in den Vorderwinkel des Zimmers oder sogar unter die Heiligenbilder in die Ecke des Zimmers legt. Die Wr. schmückten früher diese Garbe mit einem Blumenund Ährenkranz. Einen Teil der ersten Garbe ( a a H o i H H H i t C H o n ) läßt man auf dem Felde offenbar als Opfer. Die Wr. des Kreises Rogacev lassen sogar die ganze Garbe auf dem Felde in stehender Lage. Die Ukrainer des Kreises Kobrin pflegen am Bande des Ackerstrichs zwei Handvoll kreuzförmig geordnet liegen zu lassen. Die Sgrr. des Kreises Mosal'sk lassen die ersten drei Garben auf dem Felde und bringen die vierte mit nach Hause. Zu Christi Verklärung (6. Aug.) oder Mariä Himmelfahrt (15. Aug.) werden diese ersten Garben oder Körner davon in die Kirche gebracht und dort geweiht. Daraus entnommene Körner dienen gewöhnlich als Samen zu A n f a n g der Aussaat. Die Sgrr. des Kreises Pronsk geben diese Garbe den Schafen, damit sie sich besser vermehren, und im Kreise Mosal'sk werden solche Körner in den Kornkasten geschüttet, um das Brot gedeihen zu lassen; beides geschieht wahrscheinlich wegen der Verwechselung mit der „letzten" Garbe (rohœhhhû chou). Die Ukrainer des Kreises Starobël'sk halten diese Körner f ü r ein Heilmittel gegen Brust- und Halskrankheiten und die jungen Wr. des Kreises Mstislavl' essen sie zusammen mit der Suppe, um von den Mädchen geliebt zu werden. Als zeremonielle Speise zur Zeit des Ernteanfangs gilt das sog. npÓHWO, ganze Ähren von frischem Boggen in Butter gebraten (bei den Wr. des Smolensker und Cernigover Gouv.). Die Grr. des Kreises Velikije Luki kochen einen dicken Brei aus frischen Boggenkörnern; dabei schlägt die Hauswirtin
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einen jeden mit dem Löffel auf die Stirn und sagt dazu: „Sei satt von einer Grütze !" Mit dem Ernteanfang wird zuweilen noch eine Familienzeremonie verbunden: die Einführung der jungen Schwiegertochter. Die junge Frau begibt sich, nachdem sie die erste Garbe geerntet und sie mit einem Tuch oder einem Stück Leinwand bedeckt, zur Schwiegermutter, verneigt sich tief vor ihr und bittet sie, sie möge sie segnen und das Geschenk (d. i. das Tuch oder die Leinwand von der Garbe) in Empfang nehmen. Die Schwiegermutter segnet sie, nimmt, das Geschenk entgegen und die ganze Familie nimmt darauf einen Imbiß auf dem Felde ein (Wr. des Kreises Slonim und Sgrr. im Kreise Medyn'). Im Gouv. Minsk umwindet die junge Schwiegertochter die erste Garbe mit einem Stück Leinwand, nicht für ihre Schwiegermutter, sondern für ihren Gatten. Vor dem Aufkommen von Mähe- und Erntemaschinen verwendeten die Ostslaven für die Kornernte nur zwei Werkzeuge : die S i c h e l und die Sense. Fast überall schnitten sie Koggen, Weizen und Gerste mit der Sichel; vor einem Halbjahrhundert galt es bei den Sgrr. des Kreises Bir'uá als große Sünde, den Weizen mit der Sense zu mähen; wenn es nicht möglich war, schlechten Weizen mit der Sichel zu schneiden, riß man ihn mit den Wurzeln aus. Dagegen mähte man fast überall Buchweizen, Hafer und Erbsen. Die Ngrr. schneiden auch jetzt noch oft den Hafer mit der Sichel; dagegen ist es im Süden schon seit langem gebräuchlich geworden, alle Kornarten zu mähen, besonders wenn sie klein gewachsen und nicht dicht sind.· Es schneiden mit der Sichel meistenteils, wenn nicht ausschließlich Frauen; mit der Sense aber mähen ausschließlich Männer ; nach ihnen binden die Frauen Garben oder harken das Heu. Wenn der Schnitter die Halme mit der Sichel schneidet, bindet er sie meistenteils sofort in Garben und immer mit Halmen von derselben Kornart, welche in einen Plumpsack gewunden werden (sog. nepeBjicjio, β^3βμο). B e i den Wr. gibt es noch eine besondere Einrichtung zum Umwinden der Garben, die sog. uypita; es ist ein kleines hölzernes Stöckchen, ungefähr 35 cm lang, mit Einschnitten an einem Ende; meist trägt es die Schnitterin am Gürtel. Sie ergreift damit die Garbenbinde (nepeBiicjio). Viel seltener ist eine andere Methode — „eine Handvoll" (Ha ropera) oder „in die Hände" (Ha pywH) zu ernten. Sie wird angewandt, wenn es im Eoggen viel Unkraut gibt. Der Schnitter schneidet mit der Sichel die Halme ab und legt immer eine Handvoll auf die Erde (ropcTJÍMH), d. i. in kleinen Bündeln, so viel er mit der Hand greifen kann; wenn das Gras in diesem Bündel von der Sonne getrocknet ist, bindet er 3—5 solche Portionen zu einer Garbe zusammen. Die Garbengröße ist sehr verschieden — von 20 bis 80 cm im Durchmesser; dünne Garben werden leichter gedroschen, es ist aber mehr Zeit nötig, um sie zu binden. Im Norden (Vologdaer Gouv. und den angrenzenden Gegenden, auch in Sibirien) wird zum Mähen des Heues nur eine Art Sense gebraucht — mit einem kurzen, nicht mehr als 1 m langen Stiel (sog. ropö^nia — die Buckelige). Diese Sense hat viel Ähnlichkeit mit einer großen, breiten und schweren Sichel nur ohne Scharten an der Schneide. Beim Arbeiten mit
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§16. Ackerbauarbeiten.
dieser Sense bleibt m a n immer in gebückter Stellung und schwingt sie mit den H ä n d e n abwechselnd nach beiden Seiten. S. Abb. 11, wo außer einer ropßyma des Gouv. Vologda (nach der Zeichnung von ΪΓ. Ivanickij) noch eine Vorrichtung zum Richten ( n p a B H j i o ) ' d a f ü r dargestellt ist; von einheimischen Schmieden angefertigt, biegt sich diese , Sense sehr leicht, wenn man sie zurechtmacht, indem man dieses sog. npaBiino in den Einschnitt legt. Gewöhnliche Sensen m i t langem (gegen 2 m) und geradem Stil heißen hier jihtóbkh (eig. litauische, aus den westlichen Provinzen eingedrungene) und CTÓÜKH (d. h. Sensen, mit denen m a n stehend mäht) ; ein Hindernis f ü r ihre Anwendung in diesen Gegenden bilden kleine Erdhaufen, Büsche und niedrig wachsende Kräuter.
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Abb. 11. Ngrr. Sense (ropöyma) aus dem Gouv. Vologda und Schleifvorrichtung.
Abb. 12. Wr. Sensen und SchleifVorrichtungen aus dem Gouv. Minsk,
I n allen anderen Gegenden Rußlands sind diese ropßymii unbekannt; man mäht dort mit gewöhnlichen Sensen. Das Heu, ebenso wie das Korn einer sehr schlechten Ernte, wird H a rÓJiyio K Ó c y (mit dër bloßen Sense) oder H a r p e ö o K gemäht; in diesem Falle werden die H a l m e nicht in Garben gebunden, sondern ebenso wie das H e u zusammengeharkt. Das normale Getreide wird aber „mit dem H a k e n " ( H a κριοκ, ποβ κριοκ, H a r p a Ö K Ä , H a jiyhók, KpioHHTb) gemäht. Der „ H a k e n " ist ebenfalls eine Sense, nur mit einem Holzhaken versehen, öfter mit einer kleinen H a r k e (rpaßenMjti) mit drei (bei den W r . und Ukrainern) oder mit f ü n f (bei den Grr.) langen hölzernen Zähnen versehen. Die mit einer solchen Sense gemähten H a l m e bleiben an der H a r k e u n d werden leicht in regelmäßige Reihen aufgeworfen, so daß die Ähren in gleicher Richtung liegen: es ist bequem, solche Reihen in Garben zu binden. Auf Abb. 12 (nach A. Seriputovskij) sind wr. Geräte dargestellt: die Sense ohne H a r k e (α), die Sense mit H a r k e (b), ein kleiner Amboß (6á6Ka, Z e l e n i n , Rasa. (Ostslav.) Volkskunde.
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I. Der Ackerbau.
Kjienájio, KOBájpio, ngrr. KOBájieHKa) (c), auf dem die Sensenschneide geschmiedet oder mit dem Hammer (d) beschlagen wird, die Sandbüchse (necóraima, e), d. i. ein kegelförmiges Gefäß mit Wasser und Sand, das der Schnitter am Gürtel trägt; dahinein legt er den Wetzstein (/), um die Sense zu schärfen, schließlich ein Spatel aus Holz ( j i o n a w a , \vr. T p e m ' m i K a , MCiiTyniKa, c r ç e n â j i K a ) mit Einschnitten (g), den man ins Wasser taucht, mit Sand bestreut und zum Schärfen der Sense benutzt (jioimtht, wr. T p e n i i u i a T ) . I m Gegensatz zur Kornernte gilt die H e u e r n t e (ceiroKÓc, ukr. nocoDnqjj) als eine der angenehmsten Feldarbeiten. Frauen, die nicht mühen, sondern
Abb. 13.
Großrusse (Gouv. Smolensk) beim Schürfen eiiier Scuse mit einem Hammer auf dem Amboß.
nur das Heu zusammenharken, ziehen sich „festlich" an. Die ^Iiiher (κοcapH) gehen zur Arbeit mit Gesängen. In der Genossenschaft der ukr. Mäher wird immer ein OTáiwaH gewählt, der den regelmäßigen Gang der Arbeit überwacht, damit keiner auf seiner pyqKa verbleibt (d. h. auf dem Mähstrich, einen Sensenschlag breit). Frauen und Mädchen verteilen das gemähte Gras mit den Harkenstielen, damit es besser austrockne; trockenes II eu wird in lange Eeihen (Bann) aufgeworfen, woraus man sjjäter κόπιπ.ι, d. i. hohe Heuhaufen 50—120 kg, macht. Die zu Hause zurückgebliebenen Frauen begeben sich gewöhnlich, „um Löffel zu waschen", d. i. in der Wirtschaft zu helfen, zu derjenigen Nachbarin, die in ihrer Familie viele Mäher hat; hier trinkt man die Kocápmima und in fröhlichen Scharen (sog. Bes-
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§ 17. Auflegen und Trocknen der Garben.
MeflHi^H, eigentlich Mejpt^Hiia) geht man im Dorfe spazieren und singt dabei (Kreis Sosnica). § 17. A u f l e g e n u n d T r o c k n e n d e r G a r b e n . Als die älteste Vorrichtung zum Trocknen der Garben auf dem Felde gilt bei den Ostslaven der sog. 030póa (wr. oaepóa, ngrr. oGsypóa, eapós, aánoabn, npácno), dessen Name mit dem litauischen ζ a r d a s ,Gerüst auf dem Felde zum Getreidetroeknen' urverwandt ist. Die einfachste Form des 030pófl heißt bei den Ngrr. : o c T p Ó B Ó H H , οοτρόπ, u i o p Ó M t i , bei den Wr. ctpäbbh ; es sind Tannenstämme mit vielen Ästchen, die kreisförmig so aufgestellt werden, daJ3 sie einen Kegel bilden. Darauf trocknet man meistenteils Erbsen (mit Stielen), seltener Hafer, Lein in Garben und Heu.
Abb. 14. Wr. Vorrichtung zum Trocknen der Garben (aus dem Gouv. Minsk). Dieser oeopcg; ist einem hohen Zaun oder einer großen, breiten Leiter ähnlich (s. Abb. 14 der wr. 030póa des Kreises Igumen). Es werden zwei oder drei Pfosten in die Erde eingegraben, die in Zwischenräumen von j e 35 cm Öffnungen aufweisen. Durch diese Öffnungen werden Stangen von 4,5 m und mehr Länge gezogen. Solche Stangen gibt es etwa 3 bis 15. Anstatt der Pfosten werden zuweilen paarweise gebundene Pfähle in die Erde nebeneinander eingeschlagen. Die Garben werden wagerecht zwischen zwei Stangen so aufgelegt, daß ein Ende der Garbe auf der einen, das andere auf der anderen Seite herabhängt. Solche Gerüste werden auf den Feldern nicht weit von den Dörfern errichtet — in der Weise, daß der in dieser Gegend vorherrschende Wind sie senkrecht trifft. Aus solchen oeopoHti entwickelten sich später Getreidehaufen (ckhprh) und Heuschober ( C T o r n ceHa) von länglicher Form ; eierf örmige Getreide3*
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I. Der Ackerbau.
häufen und Heuschober entstanden auch aus den oben beschriebenen einfachsten o c T p o B Ó H H oder n i o p Ó M t i . Die Grr. machen einen strengen Unterschied zwischen diesen zwei Arten von Heuhaufen: 1. runde, oder vielmehr
Abb. 15 a. Runder wr. Heuschober aus dem Kreis Mogilev. eierförmige, heißen: K o n H á , o n o H t e , CTor, stellenweise: K p y r a H i u Ka6áH; hier werden die Garben strahlenweise aufgelegt; 2. längliche: o63ypóji, eapóft,
Abb. 15 b. Länglicher ngrr. Heuschober aus dem Kreis Sol'vycegodsk. KJiaflB, KJian^xa; Teile derselben, die zwischen zwei Pfählen ( c T o j K á p b i ) liegen, heißen: n p o M é í K e n , n p ó ñ M a , s a K O J i i m a . Die runden sind immer viel höher als die länglichen. Die Breite dieser letzteren ist oft der Länge von zwei Garben gleich. — F ü r die Sgrr. und die Wr. sind runde Haufen, für die
§ 17—18. Auflegen und Trocknen der Garben.
Ende der Ernte.
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Ngrr. längliche H a u f e n charakteristisch. Abb. 15 zeigt die Abbildung eines runden wr. Heuschobers aus dem Gouv. Mogilev und eines länglichen Heuschobers (3apÓA) der ISTgrr. aus dem Gouv. Vologda. Bevor man die Garben in Schober zusammenlegt oder sie in die Dreschtenne bringt, werden sie zeitweilig auf dem Erdstrich in kleinen H a u f e n niedergelegt. Es sind bei den Ostslaven drei Arten solchen Zusammenlegens üblich: cycJiÓH oder 6á6na, κρβοτβπ; und nona. Die altertümlichste ist wahrscheinlich die Koná. Sie hat sich bei den Ukrainern und teilweise bei den Wr. erhalten; doch ist es sehr unwahrscheinlich, daß sie von jeher aus 60 Garben, wie jetzt, bestand. Diese Zahl hat die Kona wohl erst spät, als eine runde Zahl erhalten. Daneben entstanden auch neue Zahleneinheiten: nojifranoK aus 30 und nHTKa aus 5 Garben. Die Grr. haben eine Erinnerung an die Koná nur im Worte KOimá (Schober) bewahrt. Bei ihnen ist eine neue Einheit entstanden: 6á6na oder cycjiÓH (mundartliche N a m e n : οδάδοκ, CTÓñKa, rp^ja, kjmhók). Die normale Garbenzahl ist hier 10, es gibt aber auch cycjiÓHH von 5 (Hafer und Gerste), 12, 14, sogar 22 Garben. Eine Garbe wird in die Mitte gestellt, 8 werden an dieselbe gleichfalls aufrecht angelehnt und 1 (seltener 3) bedeckt die übrigen von oben, wie ein ausgebreiteter Schirm oder ein ofiener Fächer. Diese Decke gab die Veranlassung zu Namen wie 6á6na, οδάδοκ, weil sie einem Kopfschmuck der verheirateten F r a u ähnlich sah. Bei den Ngrr. ist dieser Typus des Zusammenlegens der Garben allgemein verbreitet; er ist auch bei den Wr. bekannt und heißt dort 6á6Ka. Neuer ist die dritte Art, sog. KpecTen, (d. h. Kreuzchen), die aber nur f ü r die Sgrr. charakteristisch ist. Wenn sie auch bei den Ngrr. vorkommt, so ist das hier eine spätere kulturelle Entlehnung. Die Garben werden in diesem Falle nicht vertikal, sondern horizontal und kreuzweise gelegt : die Ähren zusammen, aber die Unterenden nach vier verschiedenen Seiten; die letzte Garbe kommt oben darauf, wie ein Dach. Die normale Garbenzahl im „Kreuzchen" ist 13, bisweilen auch weniger (von 10 an) oder mehr (bis 20 und mehr). — Diese KpecTip.i leiden weniger unter Regen und Wind, in den δάδκιι aber trocknet das Getreide schneller und die Mäusegefahr ist hier geringer. Zum Schutz vor Mäusen werden die Schober meistenteils auf ziemlich hohen Ständen errichtet. Vor den Mäusen schützt man die Schober auch durch magische Mittel: wenn man die Garben zuzuführen beginnt, legt man als Schobergrundlage einen Stein nieder (so die Ukrainer des Kreises Starobëlsk) oder die Birkenzweige, mit denen die Häuser am Pfingsttage geschmückt wurden (so die Wr.). §18. Das E n d e d e r E r n t e (hojkähkh, o6ikhhkh) wird durch eine reiche Bewirtung der Schnitter und der Wirte bezeichnet; als rituelle Hauptspeise gilt dabei ein dicker Brei (Wr.) oder der sog. cajiaMáT, d. i. ein dicker Brei aus Hafermehl mit Speck und Butter (Ngrr.), der in magischer Weise die Dichtheit des Getreides f ü r das folgende J a h r prophezeit. Andere rituelle Speisen sind: Kuchen mit Brei (Kreis Mglin), Omelette (nojKHHánbmma, bei den Ν grr.), bisweilen Pfannkuchen, Bier, Wein und Honig. Die Bewirtung geschieht im Hause des Wirtes; vor Beginn derselben wird dem
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I. Der Ackerbau.
Wirte ein Kranz aus Ähren dargebracht. Das Flechten dieses Kranzes ist mit einer besonderen Zeremonie des „Bartflechtens" (aaBHBaHte βοροπώ) verbunden. A. R o s e n f e l d beschreibt im Jahre 1880 diese Zeremonie bei den Wr, in folgender Weise (Minsker Gouv.): „Vor dem Ernteabschluß wird auf dem mittleren Strich des Feldes ein kleiner Kreis von ungemähtem Roggen gelassen; alle Schnitter gehen dreimal um diesen magischen Kreis herum und schneiden ihn allmählich ab, so daß nur 3—4 Halme übrig bleiben, die sie sofort mit einem roten Zwirn oder Band zusammenbinden; man gräbt neben diesen eine kleine Grube und legt Brot und Salz hinein, wobei die Worte gesprochen werden: „Das gebe Gott, daß wir im künftigen Sommer eine gute Ernte haben!" Darauf jätet man das Gras ringsherum aus, indem man die H a n d mit dem Hemdärmel oder mit der Schürze bedeckt. [Die bedeckte, nicht entblößte Hand ist ein Symbol von Reichtum und Fülle.] Die Wirtin selbst zerbricht die übriggebliebenen Halme, ohne sie aus der Erde herauszureißen und vergräbt sie, indem sie Brot und Salz beilegt. Die Schnitter umwinden ihre Sicheln mit Roggenähren und sprechen dabei zu der Sichel: „Nimm, iß! Beiß meine Hände nicht! Gott gebe, daß wir genug Getreide haben, daß wir genug von allem haben!" Zum Schluß winden die Schnitter noch einen Kranz aus Ähren, die auf dem Felde gesammelt oder von den Garben abgeschnitten wurden, legen ihn auf den Kopf eines Mädchens und begeben sieh singend nach Hause (Oirnc. pyKon. I I , 696). Diese Zeremonie ist nicht n u r bei den Wr. bekannt, sondern auch bei allen Ostslaven sehr verbreitet. Die Hauptelemente derselben sind folgende: Eine kleine Anzahl der letzten Getreidehalme auf dem Felde wird nicht geschnitten; dieses Büschelchen nennt man: 6oponá, Koaá, K03yjitKa (Kreis Zarajsk und andere), KyCT (Wr. des Vitebsker Gouv.), nepenejióqa, d. h. Wachtel (Ukrainer des Grodnoer Gouv.) N u r an zwei Orten Weißrußlands (Kreise Grodno und Minsk) kommt es vor, daß man dieses Ährenbüschelchen zuletzt mit der Sichel ganz an der Wurzel abschneidet oder aus der Erde ausreißt. I n diesem Falle wird es in die Mitte der letzten, rituellen Garbe gelegt. I m allgemeinen aber „windet m a n " (eaBHBáioT) dieses Büschelchen oder „bricht" es (aajiáMtiBaioT) so ab, daß die Ähren bis zur Erde herabhängen (Ukrainer in Wolhynien; Ngrr. der Kreise ÜSTLkol'sk und Cerepovec). Nachdem man darauf die Erde ringsherum von Unkraut gereinigt, drückt man dieses Büschelchen zur Erde nieder, indem man Steine darüber legt (Wr. des Kreises Brest) oder bisweilen sich darauf herumwälzt und dabei Beschwörungen spricht (Wr. des Vitebsker Gouv.); mitunter wird dieses Büschelchen mit einem Stück Brot in der Erde vergraben (Minsk. Gouv.). Öfter werden auch einige Körner aus den Ähren des „Bartes" (6opo«á) eingegraben oder gesät (Ukrainer von Wolhynien) oder es geschieht dieses nur mit einem Stück Brot (Wr. des Gouv. Cernigov) mit der Beschwörung: „O Gott, gib die Ernte einem jeden, ob arm oder reich!" Darauf frühstückt man, indem man sich im Kreise niedersetzt (Ukrainer in Wolhynien, Gouv. Kostroma, Kr. Belyj, Gouv. Smolensk). Diese Form der Zeremonie erscheint uns als die altertümlichste; in ihr hat sich die magische Aussaat f ü r das folgende Jahr klar ausgeprägt.
§ 18. Ende der Ernte.
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Die weitere Entwicklung hat dann zu folgenden Variationen geführt. Das ungeschnittene Ährenbüschelchen wird oben an den Ähren mit einem Roggenhalm oder einem roten Zwirn oder Band fest gebunden. Im Kreise Zarajsk des Gouv. R'azan' bilden diese ungeschnittenen Halme einen Kreis mit einem Durchmesser von beinahe 70 cm oder weniger; aus der Mitte dieses Kreises werden Halme f ü r die rituelle Garbe geschnitten; von oben gebunden, sehen diese ungeschnittenen Halme des kreisförmigen „Bartes" wie eine spielzeugartige Laube aus. Die Ngrr. machen zuweilen um diesen „Bart" herum noch eine Art Zaun aus Roggenähren (Gouv. Vologda und Kostroma) ; die Wr. aber umgeben ihn im Kreise mit Steinchen (Gouv. Grodno). Nicht selten schmückt man den „Bart" mit Blumen (Gouv. Archangelsk, Hömel'). Innerhalb des „Bartes" wird auf die Erde als eine Art Tisch ein Stein gelegt, bisweilen sogar vier Steine, worauf noch zwei neue Roggenbüschelchen kreuzweise gelegt werden (Minsk); seltener legt man auf die Erde anstatt der Steine einen reinen Lappen, der natürlich ein Tischtuch darstellen muß (Wr. des Kreises Byehov und Hömel'). Zuweilen begießt man diesen Stein mit Wasser (Gouv. Grodno). Überall aber wird auf den Stein oder auf den Lappen ein Stück Brot mit Salz gelegt. Zuweilen legt man das Brot nicht auf die Erde, sondern bindet es am Halmbüschelchen fest (Grr. der Kreise Svijaisk, Mosal'sk usw.). Hier [tritt das Motiv der Vorbereitung einer Bewirtung, einer Darbringung ganz klar hervor. Die jetzige volkstümliche Interpretation dieser Zeremonie ist sehr mannigfaltig. Von dem ungeschnittenen Halmbüschelchen sagt man gewöhnlich, der Bart sei f ü r den Propheten Elias (dessen Tag der 20. J u l i ist), f ü r Gott, f ü r Christus, f ü r den Erlöser, f ü r den heiligen Nikolaus. I n den Liedern aber wird dieser Bart, mit Honig begossen und mit Seide umwickelt, fast immer dem Besitzer des Feldes zugeschrieben. Die Wr. erklären zuweilen diesen „Bart" f ü r einen Anteil der Tiere (Grodno), obwohl neben ihm zuweilen noch eine Handvoll Ähren und ein Stückchen Brot f ü r Mäuse aufgestellt wird" (Wr. des Kreises Brest, Ukrainer des Kreises Starokonstantinov). Zoomorphische Züge sind in dieser Zeremonie vorhanden, treten aber nicht klar genug hervor. Die Ukrainer des Kreises Bel'sk (Gouv. Grodno) sagen von diesem umwickelten Barte: ,,H3JIOBHJIH nepenenmy", d. h. „wir haben eine Lerche gefangen". Damit ist das Lied zu vergleichen, das die Wr. des Kreises Brest singen, indem sie den „Bart" zur Erde niedertreten: Ofi BHJieHt, nepenejiKO,
Bo yate y Hac JKHTS TOJIBKO ! d. h. Fliege heraus, o Wachtel, Denn wir haben so wenig Roggen !
Η κ He öyjjem BUJieTa™,
ByneM Β nojrÈ 3HMOBSLTH ! Wenn du nicht herausfliegst, Werden wir im Eelde überwintern.
Vielleicht ist es möglich, hierin eine Beschwörung des Herbstes zu sehen, der wieder in seine Rechte tritt und die Zugvögel zum Fortfliegen veranlagt. — Sehr verbreitet, aber nicht charakteristisch, ist bei den Grr. der Name Koaá (Ziege) f ü r den „Bart": derselbe gilt auch f ü r den Teil des Feldstrichs, der einem Schnitter bei der Arbeit zufällt, ohne irgendwelchen Zusammenhang mit der erwähnten Zeremonie. Das russische Wort K03á hat verschiedene Be-
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I. Der Ackerbau.
deutungen und die oben angeführte Bedeutung kann auch, nicht vom Tiernamen stammen. Das Lied von den Bärten zweier Wirte, einem eleganten und einem schmutzigen, wird in einigen Gegenden dem Bock (Wr. des Kreises Vitebsk, Ukrainer des Kreises Gluchov) in den Mund eingelegt; die Ukrainer aber (Kr. Sosnica und Novgorod-Sëversk) schreiben es dem Raben zu, die Bewohner der waldigen Gegenden sogar (Ukrainer und Wr. der Kreise Sosnica und Hömel') dem Bären. Das Hauptmotiv dieses Liedes — die Lobpreisung des Feldbesitzers — ist mit der Entstehung dieser Zeremonie gar nicht verbunden. — Die Wr. von Minsk laden Tiere (Bären, Füchse usw.) zur Hilfe beim Jäten des Unkrautes um diesen Bart herum (M. D m i t r i e v 1869). I n den Beschwörungen, die zu verschiedenen Momenten der Zeremonie rezitiert werden, kommt meist der Wunsch einer guten Ernte f ü r das folgende Jahr zum Ausdruck* z. B. : „Wir geben dir, Elias, diesen Bart, du aber gib uns H a u f e n von Getreide !" (Vologda) oder „Laß uns H a f e r wachsen im nächsten Jahre, füttere unser gutes Roß !" (Ngrr. des Kreises Nikol'sk). „Daß man zu diesem Hauswirt komme, um zu kaufen und zu borgen ! Wer das Getreide verspeist, wird heiraten, wenn es eine J u n g f r a u oder ein Junggeselle ist. Wenn es aber eine F r a u ist, wird sie ein Kind gebären; wenn es eine Kuh ist, wird sie ein Kalb gebären; wenn es ein Schaf ist, wird es Zwillinge zur Welt bringen !" (Kreis Ust'ug). In diesen Beschwörungen wird überhaupt viel vom Vieh gesprochen. Ebenso oft wird den Schnittern Glück gewünscht. Die Schnitter von Senkursk rufen am Ernteschluß im Chor aus: „Dir, o Feld, die Schönheit, die Schönheit, mir aber die Leichtigkeit, die Leichtigkeit (jieroTá) !" Indem sie sich vor dem Barte auf dem Felde herumwälzen, sprechen sie dazu die Worte : „Feldchen, Feldchen ! gib uns K r a f t f ü r ein anderes Feld! Dem Hoß den Speck, dem Felde den Dünger, mir aber die Gesundheit! Es gebe uns Gott im nächsten Sommer noch üppigeres Getreide zu ernten!" (Wr. des Kreises Bychov u. a.) Die älteste Schnitterin wirft mitunter, vor dem Barte sitzend, über den Kopf hinweg Sicheln, um die künftige Gesundheit der Schnitterinnen zu prophezeien (Kreis Zaràjsk). Auch werden mitunter die Stiele der Sicheln mit Halmen umwunden, damit man sich die Hände bei der künftigen Ernte nicht schneide (Kreis Minsk und Hömel'). Wie bekannt, hat W. M a n n h a r d t aus antiken und germanischen Bräuchen die Existenz besonderer Korndämonen erschlossen, mit denen ähnliche Ernteschlußzeremonien in Deutschland verbunden sind. Es sind Dämonen mit charakteristischen zoomorphischen Zügen, die vor den Schnittern fliehen und in der letzten Garbe oder im letzten Büschelchen des ungemähten Getreides Zuflucht suchen. Bei den östlichen Nachbarn der Hussen, den Finnen, sind analoge Gebräuche mit dem Ahnenkultus verbunden. Z. B. wird bei den Mordwinen des Gouv. Samara alljährlich das Andenken des verstorbenen Großvaters (resp. der Großmutter, des Vaters) in folgender Weise gefeiert: Man läßt im Herbst auf dem Felde einen Teil des Getreides ungemäht, und hier geht dann die Gedächtnisfeier vor sich; jeder von den Angehörigen schneidet ein bißchen Getreide zum Andenken an den Verstorbenen ab, legt es zum ungeschnittenen, daß die Ähren ihm zugekehrt sind und läßt es dort
§ 18. E n d e der Ernte.
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f ü r den Verstorbenen liegen, ohne es in Garben zu binden. Dabei wird gesagt: „Großväterchen, wir wünschen, daß Gott dir in jener Welt ewigen Frieden, uns aber gute Gesundheit gebe !" Dann beginnt man das mitgebrachte Essen zu verspeisen und Wein und Bier zu trinken (OIIHC. pyKon. III, 1205).
I n den Gebräuchen der Ostslaven finden wir keine klaren Spuren weder dieses noch jenes Kultus. Unstreitig gibt es hier nur magische Handlungen, die den Zweck haben, eine gute Ernte im nächsten Jahre hervorzurufen. Es findet eine magische Aussaat der Körner aus dem „Barte" statt, der sofort reiche Früchte als „reines Brot" bringt. In anderen Fällen wird gleichsam ein Getreideopfer veranstaltet, es bleibt aber ganz unklar, an wen es gerichtet ist. Den Ostslaven sind zwar Felddämonen bekannt (noji^HHHija, nojieBÄK), ihre Hauptfunktion besteht aber im Hüten der Saat; ihre Gestalt ist nicht klar und bestimmt genug, von ihrem Zusammenhang mit dem „Barte" gibt kein Material Zeugnis, auch gibt es keine Nachrichten über ihre zoomorphischen Züge. Alle Einzelheiten dieses Brauches haben einen ausgesprochen magischen Charakter. E. R o m a n o v erzählt von der Interpretation desselben durch die Wr. (Kr. Hömel') : das umständliche Jäten des Unkrauts um den „Bart" herum soll die „Reinheit" der Saat im nächsten Jahre hervorrufen; das Begießen des Bartes mit Wasser bedeutet die Beseitigimg der Dürre. Die Schnitterinnen legen sich auf die Erde neben dem Barte nieder, damit die schweren Ähren sich im folgenden Jahre bis zur Erde neigen. Nachdem sie aufgestanden, waschen sich die Schnitterinnen die Hände mit Wasser, damit das Getreide im nächsten J a h r e „rein" sei. Nach P . ö u b i n s k i j lassen die Ukrainer Knaben unter den Halmen des „Bartes" durchkriechen. Das ist etwa so zu verstehen : das Getreide soll so hoch wachsen, daß ein Mensch unter ihm gehen könne. Die Ngrr. des Gouv. Vologda und Kostroma schneiden die letzte Garbe in tiefstem Schweigen ab; sonst, heißt es, würde das Vieh im Winter brüllen (wohl vor Hunger?). Den Zusammenhang, den E. K a r s k i j (Bijiopyccn III, 133) zwischen dieser Zeremonie und den Weihnachts- und Karnevalsbräuchen, worin eine aufgeputzte Ziege auftritt, angenommen hat, muß man f ü r unerwiesen halten. Das „Bartflechten" (SciBHBaHHe δορο^ώ) trägt Züge von hohem Alter, die aufgeputzte Ziege ist dagegen eine ziemlich späte Entlehnung aus dem Westen. Eine dem Bartflechten analoge magische Handlung wäre man geneigt, im „Umbrechen" (eanoMH, § 19) zu sehen; dort wie hier wird die Vegetationsk r a f t der Getreidehalme in die Erde gerichtet: beim Ernteabschluß ist das natürlich; die während des Winters im Schöße der Erde aufbewahrte Vegetationskraft soll im Frühling dem Besitzer des Feldes Nutzen bringen ; dagegen wird die Vegetationskraft beim Umbrechen zum Besten des konkurrierenden Zaubers gelenkt (s. unten § 19). Gleichzeitig mit dem „Bartflechten" flechten die Ukrainer noch einen Kranz aus Ähren, die Ngrr. aber binden eine besondere Garbe, den sog. nojKHHájiBHHK, O6>K0HOK, MHpcKoä CHon, K^Mynma, ΗΜΘΗΑΗΗΗΚ. Der Kranz wird mit Blumen geschmückt. Man legt ihn auf den Kopf der besten Schnitterin,
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I. Der Ackerbau.
bringt ihn ins H a u s des Wirtes und legt ihm denselben auf den Kopf. Bisweilen wird gleichzeitig mit diesem Kranz auch noch ein Kreuz aus Ähren geflochten. Beides legt der W i r t unter die Heiligenbilder; darauf werden die Körner des Kranzes in der Kirche geweiht und dienen f ü r die erste Aussaat. Bei den Wr. finden wir beides: den Kranz und die rituelle Garbe. V Die letztere wird bei ihnen auch „Bart", ßopona (Cernigover G.) u n d 6a6a ,Weib' g e n a n n t ; der letztere N a m e deutet auf die Größe der Garbe u n d auch darauf hin, daß diese Garbe zuweilen (Kreis Belyj, Gouv. Smolensk) m i t einem Tuch umwickelt und mit einem H e m d bekleidet, d. h. mit anthropomorphischen Zügen versehen wird. Diese Garbe wird auch unter die Heiligenbilder gestellt. Die N g r r . aber f ü t t e r n mit dieser Garbe das Yieh zum ersten Male (aaKapMJiHBaioT) am Feste der Fürbitte der Heiligen J u n g f r a u (ΠοκροΒ EoropoßHiya), am 1. Oktober, d. h. sie beginnen damit die winterliche F ü t t e r u n g des Viehes im Stall. Bei den N g r r . werden mit dieser Garbe noch die Bräuche des Vertreibens von Fliegen und anderen Insekten aus der Wohnung verbunden. I m Gouv. Vologda und Kostroma wird beim Vertreiben der Insekten gesagt: „Fliegen heraus, der Wirt (d. i. die rituelle Garbe) ins H a u s !" I m Gouv. Vladimir heißt es: „Fliegen! W i r aus dem Felde, ihr aber ins F e l d ! " I m Kreis Cerepovec vertreibt man die Fliegen mit einer Birkenrute, die man in die letzte Garbe (nojKHHajitHHK) bei der Rückkehr vom Felde steckt. § 19. N a c h dem Glauben der Ostslaven veranstalten böse Menschen, besonders Zauberer und Hexen, auf dem Getreidefelde oder seltener auf dem Heuschlage sog. aajiÓMH, d. h. sie knicken das Getreide ein. Diese 3ajiÓMbi sind auch Vinter anderen N a m e n bekannt: aánpyTKa (ukr. und grr.), 3ánpyTa (wr.), 3aKpyreHL· (wr.), 3aBHTÓK (wr. und sgrr.), 3aBHBKa, aaBoft, 3ΆΒΒΤΤΑ, 3áeepTKa (ukr.), K^KJia, K^KOJina (sggr., eig. Puppe). Diese U m b r ü c h e werden auf verschiedene Weise veranstaltet. E i n Büschelchen von Getreidehalmen wird so gebrochen, daß die Ähren bis zur Erde gedrückt werden (das ist der eigentliche sajiÓM). Oder es wird ein Büschelchen von H a l m e n zu einem Plumpsack gewunden und wie ein Knoten gebunden; dabei werden die Ähren oft in die Erde gesteckt (ukr.); das ist die sog. eáKpyTKa. Manchmal werden zwei nebeneinander stehende Büschelchen zu einem Plumpsack gedreht und nach oben bogenförmig gewunden (Kreis Hömel'). Es können auch vier Büschelchen kreuzweise gelegt, unten gebrochen, oben aber zur M i t t e geneigt und verwickelt werden (Minsk). Zuweilen werden die H a l m e wie zu einem Reifen oder einem Kranz geflochten (Mozyr' und Sluck), mitunter auch mit Haaren, Zwirn oder einem roten Bande zusammengebunden (Sluck). H e u t e wird die Hauptbedeutung nicht dem Umbrechen selbst, sondern der dabei gesprochenen Beschwörung zugeschrieben. Der Zweck des Umbrechens ist ein doppelter: erstens, die Verschlagsamkeit dem Getreide zu nehmen; das Getreide von diesem Ackerstrich wird wenig K o r n tragen, weil die böse K r a f t dieses Korn in die Kornspeicher des Zauberers, der den Umbruch ausführt, übertragen wird; zweitens, es soll dem Besitzer oder Mäher dieses Ackerstriches oder dem, der das Brot davon essen wird, Schaden bringen.
§ 18—19. Ende der Ernte. Die Umbrüche.
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Außer dem Wirt leidet hier oft auch der Schnitter, besonders wenn er das umgebrochene Getreide berührt oder mäht, und auch das Vieh, welches das von einer solchen Stelle stammende Stroh frißt. Gewöhnlich werden sie von schweren, sogar tödlichen Krankheiten befallen. Es hängt alles von der Beschwörung ab. K r a v ë e n k o führt folgendes Beispiel aus dem Kreise Gluchov a n : Ein Soldat hatte, als er noch ein Kind war, von seiner Mutter allerlei Zauberkünste, darunter auch das „Umbrechen" gelernt. Es kommt dann eine Zeit, wo es f ü r ihn unbedingt nötig wird, einen Umbruch vorzunehmen : das Herz brennt ihm (cepjffle ropirr). Wenn er in diesem Augenblick fährt, so erschrickt er den Kutscher: „Schneller! Sonst mache ich dir einen Umbruch an deinem Kopfhaar!" Dieser Soldat und Zauberer veranstaltete gewöhnlich einen Umbruch, um geringe Schäden zu verursachen, ζ. B. die Achse beim Garbentransport zu zerbrechen. — Noch ein Beschwörungsbeispiel aus demselben Kreise Gluchov notierte K r a v ö e n k o 1911 : XTO 6yneT HtaTt, Toro 6yne TacitaTb ; Xto 6yne ManaTHTb, Toro 6yne KajiaTHTt; Xto 6yae ecTH, Toa 6yae Ha cTGHKy jieara 1
Wer mähen wird, Den wird man schleppen. Wer dreschen wird, Den wird man prügeln; Wer essen wird, Der wird die Wand hinaufklettern!
Dieser Umbruch wird gewöhnlich zur Zeit der Blüte des Roggens und der anderen Getreidearten ausgeführt. Die Ukrainer verbinden ihn oft mit der Johannisnacht (HßaHa Kynajia) am 24. Juni, die Sgrr. mit der Pfingstwoche (οθμηκ), wenn Nixen (pycajiKu) im Roggen umherlaufen (Mosal'sk). Der Umbruch geschieht nachts vor Sonnenaufgang (Sluck) oder zur Zeit der Morgen- oder Abendröte (Gluchov). Die Hexen gehen dabei gewöhnlich nackt und mit aufgelöstem H a a r (Hömel'). Die Umbruchstelle wird so gewählt, daß der Eigentümer des Feldes sie sehen könne, ζ. B. am Wege oder am Ackerrande (Sluck). Da es sehr gefährlich ist, das umgebrochene Korn zu berühren, und noch gefährlicher es zu mähen oder Brot aus seinen Körnern zu essen, so verwendet man allerlei Gegenmittel, um es zu vernichten. Gewöhnlich wendet man sich an einen Heilkünstler (3Haxapt) oder an einen Priester. Die heutigen Heilkünstler wenden verschiedene harmlose Mittel an, um leichtgläubigen Leuten Geld zu entlocken. Die Ukrainer umhüllen mitunter den Umbruch mit Schweinemist und bedecken ihn mit Pferdemist. Die Wr. verbrennen den Umbruch" auf der Stelle unter einem mit Löchern versehenen Topf oder mit Spänchen einer vom Blitz getroffenen Espe (Minsk). Man umgibt den Umbruch mit neun Espenpfählen, wirft eine Garbe Stroh hinein und zündet sie an (Rovno). Die Sgrr. rupfen den Umbruch aus der Erde mit Hilfe eines zerspaltenen Espenpfahles oder eines Schüreisens (Tula, Orel). Wenn ein Priester eingeladen wird, so spricht er besondere Gebete (nach 'alten Gebetbüchern der Uniierten gibt es einen besonderen kirchlichen Ritus f ü r die Verbrennung des Umbruches) ; er rupft den Umbruch mit der vom Epitrachelion umhüllten H a n d heraus und verbrennt ihn darauf (Hömel' u. anderswo). Der
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I. Der Ackerbau.
Heilkünstler verbrennt den Umbruch nicht immer, sondern wirft ihn zuweilen mit einem Stein ins Wasser, damit der Yerursacher des Unheils im Wasser ertrinke ; man legt ihn sogar einem Verstorbenen ins Grab, damit der Schuldige sterbe (Mozyr'). D i e Forscher betrachten gewöhnlieh diese Umbrüche als eine Art von Zauberknoten (Hay3H). Dabei bleibt aber sehr vieles unerklärt; auch fehlt dem Umbruch sehr oft ein Knoten. E s liegt nahe, als die älteste diejenige Art des Umbruchs zu betrachten, wo die Getreideähren in die Erde gesteckt werden (davon berichten C u b i n s k i j , R o m a n o v u . a . ) . Die Beschwörung eines wr. Heilkünstlers (Minsk) beim Umbruch lautet: „ich breche den Umbruch, Ähren — nach unten, auf seine Stiere, Ähren i n d i e E r d e , auf seine F a m i l i e ! " ( D e m i d o v i ë , 1896). Sehr verbreitet in den mit dem Ackerbau verknüpften Beschwörungen ist das Motiv eines bösen Wunsches, die Vegetationskraft solle nicht nach oben, sondern nach unten gehen, damit die Pflanze in die Erde hineinwachse und dem Feldeigentümer keine Früchte bringe. Vgl. oben (§ 15) eine solche Beschwörung eines wr. Säers aus dem Kreise Sebez, der einem Säer mit gleichem Samen auf einem Nachbarfelde nicht zuvorkommen konnte: „daß die Boggentriebe beim Nachbar nach unten, die Wurzeln aber nach oben wachsen mögen!" (N. A n i m e l l e 1850). Vgl. den ieremissischen Heilkünstler, der im Frühling auf einem fremden Ackerstrich ein Stück Wintersaat ausgräbt und es auf seinen eigenen mit nach oben gekehrten Wurzeln pflanzt: dadurch raubt er dem Nachbar die Verschlagsamkeit und vermehrt sie bei sich selbst (Orme. pyKon. I 433). Wenn die Vegetationskraft der Saat in die Erde hineingeht, so ist es dem Heilkünstler möglich, dieselbe auf sein eigenes Feld zu lenken, was er auch tut. Darin sehen wir den ursprünglichen Zweck des Umbruches. Andere Arten mit Herbeiwünschen verschiedener Unglücksfälle haben sich erst später entwickelt: der Verlust der Vegetationskraft der Saat verursacht natürlich Krankheit und Tod denjenigen, die durch diese Saat Nahrung bekommen sollen, d. i. der Familie des Besitzers des verwünschten Ackerstriches und seinem Vieh. E i n Parallelismus läßt sich zwischen dem Umbruch und dem Bartflechten beim Ernteabschluß feststellen (§ 18). Hier und dort werden die Ähren in die E r d e gesteckt, wodurch die Vegetationskraft in die Erde hineingetrieben wird. B e i m Umbruch ist die Vegetationsktraft in voller Blüte (bei der Boggenblüte), beim Ernteabschluß aber, im Herbst, ist sie schon geschwächt. I m ersten Falle wird sie zum Besten des konkurrierenden Zauberers, im zweiten aber zum Besten des Feldbesitzers gelenkt: im Schoß der „Mutter-Erde" während des Winters aufbewahrt, bringt sie einen gewaltigen Wuchs der Saat im Frühling. Die Wr. des Kreises Kobrin kennen außer dem Umbruch auch noch „umgemähte" (oÖHtaTbie) Feldstriche, d. h. wenn an den Enden eines Ackerstriches einzelne Halme heimlich gemäht werden. E s wird vorausgesetzt, daß Zauberer und Hexen während der Boggenblüte in der Nacht nackt mit Sicheln aufs Feld kommen, um dasselbe herumgehend und auf jedem Ackerstrich einige Halme mähend, die sie in ihre Speicher verstecken. Deshalb bringen unsichtbare Mächte in die Speicher des Zauberers einen beträchtlichen Teil von fremdem Getreide während der Zeit der Garbenabfuhr vom Felde. Wenn ein
§ 19—20. Die Umbrüche.
Die Getreidedarre.
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noch, unerfahrener Zauberer anstatt des blühenden Roggens Büsche abmäht (o6}Kaji), so werden seine Speicher im Herbst mit Blättern und Zweigen gefüllt ( K r a , öbhh) wird als eine rohe B a l k e n z i m m e r u n g e r r i c h t e t u n d h a t B a u m f ü r 200—500 G a r b e n (gewöhnlich 325). E r besteht „ aus einer G r u b e (noaoBÚHbe, earápa, nofljiáe) J/γβ u n d e i n e m oberen Stockwerk. I n der G r u b e wird ein O f e n ohne Schornstein e i n g e r i c h t e t ; f r ü h e r hatte man darin keinen O f e n , sondern v e r b r a n n t e l a n g e Holzscheite d i r e k t auf der E r d e . D i e T i e f e der G r u b e ist 150·—210 cm ; a n i h r e n W ä n d e n befindet sich eine B a l k e n z i m m e KOJináK
i n Zaun, oder S t e i n g e r ü s t . B e i gleicher B r e i t e ist die L ä n g e der OBHH-Zimmerung kürzer als die G r u b e . D i e von der Z i m m e r u n g n i c h t bedeckte Seite d e r G r u b e d i e n t als E i n g a n g i n die G r u b e (nepenoBÓHbe, Abb.17. Grundriß eines Darrhauses aus dem Gouv. Moskau (ohne Stroh auf dem Dach und ohne Wände).
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§ 20. Die Getreidedarre.
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noßnaa). Diese Seite ist von dem übrigen Raum der Grube durch eine besondere Wand (KpácHan C T e H á ) getrennt; diese reicht nicht bis zum Boden der Grube bis auf 80 cm. Auf diese Weise entsteht eine Öffnung, die als Luftzug für die Grube dient, in der das Holz brennt; und sie dient auch dem Ofenheizer zum Hineinkriechen. Das obere, über der Erde liegende Stockwerk des OBÄH ist von der Grube durch einen Balkenboden, der immer von oben mit Ton bestrichen wird (sog. nofl), abgeson3ert. Von der einen, zuweilen auch von beiden Seiten dieses Bodens, wird eine Öffnung frei gelassen (sog. násyxa, na3, npofl^x, náayinHHa) zum Durchzug von Bauch und Wärme aus der Grube in den OBÄH. 60 cm über dem nö« werden sog. KOHOCHHKÄ (ijanKii) gelegt, das sind Stangen zum Trocknen der Garben. Dieses Stangengerüst heißt : caj^jio, cymójio, Haca« ; die Stangen desselben sind umstellbar und voneinander 9—15 cm èntfernt. Yon oben hat der OBHH keinen Boden; vor Regen und Schnee schützt ihn nur ein Dach. Bauch und Dampf beim Garbentrocknen im OBÄH werden darin nicht zurückgehalten. Seine Yorderwand, der Dreschtenne zugewendet, hat zwei Fenster ; das obere davon ist etwas größer,
Abb. 18 a. Ukr. Riege aus dem Cernigover Kreise.
Abb. 18b. Inneres einer ukr. Riege.
hier werden die Garben zum Trocknen hineingeworfen und die ausgetrockneten herausgeworfen; das untere, kleinere Fenster, auf gleicher Höhe mit dem noß, dient zum Herausfegen der zwischen die KOJIOCHHKM gefallenen Ähren und Getreidekörner. Abb. 18 a zeigt einen ukr. OBIÍH (oceTi.) aus dem Öernigover Kreise; Abb. 1 8 b zeigt das Innere des OBHH mit drei KOJIOCHHKM (Sloboda Ôerneëja; die Fhotographie stammt aus dem Ukrainischen Museum in Charkov). Yiel seltener als im Boden (nos), wird die násyxa des Darrhauses in der „roten Wand", etwas über dem Boden angebracht (Borovièi, beschrieben von S i n o z e r s k i j ) ; da geht der Bauch unter den KOJIOCHHKIÍ seitwärts und die Feuergefahr ist geringer. — Die Biege (piira) unterscheidet' sich vom OBÓH dadurch, daJ3 sie keine Grube, d. i. kein unteres Stockwerk, hat. In der Riege werden die Garben unter der Decke getrocknet und es ist darin unbedingt das Vorhandensein eines Ofens nötig, der nicht unter den Garben, sondern seitwärts von ihnen steht. Nach dem volkstümlichen Glauben wohnt in der Darrhausgrube der oder NOFLOBÄHHHK, OBHHHKÜ 6áTK>niKa, wr. ËBHHK, o c é T H H K , auch r y M é H HHK genannt. Seine Gestalt ist unklar; die Ngrr. des Kreises Vel'sk (Gouv. OBHHHHK
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I. Der Ackerbau.
Vologda) sehreiben ihm gewöhnliche Menschengröße und langes, zerzaustes, rauchfarbenes H a a r zu; man hält ihn f ü r einen Feigling, weil er vor den Menschen flieht. Im Poäechonje erscheint er in Gestalt eines schwarzen Katers. Seine Funktionen sind auch sehr unbestimmt ; gewöhnlich werden ihm häufige Feuersbrünste zugeschrieben. Man behauptet in Tver', daß ein fremder OBÄHHHK zuweilen den Wirt aus der Darrhausgrube vertreibt und sogar das Darrhaus in Brand steckt, obwohl dabei eine Schlägerei zwischen dem einheimischen und dem fremden OBHAHHK unvermeidlich ist; sie schlagen sich mit Feuerbränden. I n Pudo2 (Gouv. Olonec) gelten die OBÄHHHKH als gute Geister. Es ist möglich, daß im OBIÌHHHK Züge eines Kobolds mit denjenigen eines Feuergeistes vereint sind. In einer altrussischen Predigt wird ein Gebet an das „Feuer unter dem Darrhaus" (ormo non OBHHOM) erwähnt. Heute werden im Herbst, am 1. November und 4. September, Hühner im Darrhaus oder in seiner Nähe geschlachtet; dem H a h n schneidet man Kopf und Füße auf der Darrhausschwelle ab (PoSechonje; Orel). Hierin ist natürlich ein dem Geiste des Darrhauses dargebrachtes Opfer zu sehen. I n Tarusa (Gouv. Kaluga) gibt es einen Brauch noMHHOBé&He párci; er besteht darin, daß man am Schluß der Dreschzeit Pfannkuchen bäckt, sie in die Biege bringt und dort auf den Ofen legt (V. C h a r u z i n a ) . Feiertage, an denen es verboten ist, die Biege zu heizen, werden HMemÍHM OBÓHa (der Biege Namenstag), seltener Η Μ Θ Η 0 Η Η OBÄMNIKA genannt; solche Feiertage sind: das Fest der Kreuzerhöhung (14. Sept.), der Tag der Thekla Zarevnica (24. Sept.) und das Fest der Fürbitte der heiligen J u n g f r a u (1. Okt.). § 2 1 . D a s D r e s c h e n . Den Ostslaven waren alle drei Grundarten des Dreschens bekannt: das T r e t e n , das S c h l e i f e n (Schleppen) und das S c h l a g e n . Es herrscht die dritte Art vor, das Schlagen mit dem Dreschflegel. Die Wr. treten die Hirse mit nackten Füßen, um die Körner herauszupressen, und reiben mit nackten Füßen die Ähren ab ( J e r e m i c 1868; S e r á p u t o v s k i j 1910). Mit Pferden wird auf zwei verschiedene Arten getreten : ohne Wagen und mit Badwagen. I n Tver' wird der gemähte H a f e r auf der Tenne ausgebreitet und man reitet darauf zu Pferde umher. Auf das erste P f e r d setzt sich ein Knabe und lenkt es so, daß es immer neben derjenigen Stelle, auf der es soeben gegangen ist, gehen m u ß ; das zweite P f e r d wird an den Schwanz des ersten gebunden, das dritte an das zweite, das vierte an das dritte. Wenn die Pferde oder Stiere dabei vor einen gewöhnlichen mit einem Gewicht beschwerten Badwagen gespannt werden, so werden die Getreidekörner nicht nur durch die H u f e des Viehes, sondern auch durch die Wagenräder ausgetreten. Bei den Ukrainern gibt es denselben Ausdruck f ü r das Dreschen mit Vieh und Badwagen und das Dreschen mit Bolle. Das heißt: r a p M á H H T H , rapMaHyBaTH. Die Tenne f ü r beides nennen die Ukrainer: rapMan; die Dreschrolle heißt aber κοτόκ, rapniárnta. Die Bolle wird aus Kalkstein verfertigt. E s ist eine runde Walze, 100—120 cm lang. Ihrer Länge nach ist sie mit geraden Vorsprüngen von 7—9 cm Höhe versehen; es sind ihrer etwa 4—6.
§ 21. Das Dreschen.
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I m Querschnitt hat diese Eolle die F o r m eines f ü n fstrahligen Sternes ; der Eadius eines jeden Strahles beträgt 30—40 cm. Bei der Arbeit dreht sich die Eolle m i t ihren Vorsprüngen und preßt die Getreidekörner heraus (Gouv. Cherson). Dieser Eolle nahe kommt die sibirische MOJioTHra (Abb. 19). N u r wird dieselbe nicht aus Stein, sondern aus einem Lärchenstamm v e r f e r t i g t ; an Stelle von Vorsprüngen finden sich hier Zähne von 18—23 cm Länge. Zwei solche Walzen werden bisweilen vereinigt, indem sie in einen viereckigen E a h m e n g e f ü g t werden (Gouv. Irkutsk). Eine ähnliche hölzerne Walze aus einem oder zwei kurzen Birkenstämmen mit 7 Eeihen von „Zähnen" oder „ F i n g e r n " war schon gegen 1850 im Gouv. Niánij-Novgorod üblich und trug d e n N a m e n „Bär" (MenBéni.) ; die Zähne dieser Eolle waren einem Pferdehuf ähnlich.
Abb. 19. Dreschrolle aus dem Gouv. Irkutsk. Bei den Ukrainern des Kuban-Gebietes und Beiarabiens existiert die sog. MÄJiKa oder R H K á H H 1 ) . E s ist ein breites Brett, dessen Vorderende nach oben gebogen ist, in dessen Unterseite aber Feuersteinsplitter oder kleine Eisenplättchen eingeschlagen sind. Das Dreschen mit der Eolle gehört zu der Art des schleifenden Dreschens. B e i den Ostslaven ist sie wahrscheinlich eine späte kulturelle Entlehnung. Als die älteste der Drescharten durch S c h l a g e n ist diejenige zu bet r a c h t e n , welche die Sgrr. mit dem Verbum CTapHOBáTb oder TapHOBáTb bezeichnen. E s wird dabei noch kein Werkzeug gebraucht. Der Arbeiter faßt d i e Garben oder einzelne Teile davon mit beiden H ä n d e n am untern Ende u n d schlägt sie mit den Ähren gegen die E ä n d e r oder die Seiten einer Kufe, gegen ein Brett oder gegen den oberen Teil eines geflochtenen Wagenkastens (Gouv. B'azaA u n d anderswo). Die N g r r . nennen das einfach XBOCTaTB (d. i. schlagen, hauen). Diese Dreschart wird jetzt selten und nur ausnahmsweise gebraucht, wenn es nötig ist, ein bißchen Getreide eiligst f ü r die Samen oder f ü r das Brot zu beschaffen. Sie ist unpraktisch in der Beziehung, daß viele Getreidekörner dabei ungedroschen bleiben; sehr o f t werden Garben nach solchem Dreschen wieder im Darrhaus getrocknet und nochmals gedroschen. I h r Vorzug besteht aber darin, daß das Stroh der Garbe dabei unversehrt bleibt. Jetzt hat das Verbum CTapHOBáTt eine er1 ) Neugriech. δουκοίνι aus altgriech. τυκάνη; dasselbe heute in Griechenland und Mazedonien weit verbreitet (so M. Y asm er brieflich).
Z e l e n i n , Bass. (Ostslav.) Volkskunde.
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I. Der Ackerbau.
weiterte Bedeutung u n d bezeichnet jede Dreschart, bei der das Stroh unversehrt bleibt und die G a r b e n f o r m bewahrt wird (okojiót, oSmojiótok, o6i4bkh). Das CTapHOBaHte unterscheidet sich jetzt vom gewöhnlichen Dreschen mit Flegeln n u r dadurch, daß auf die unteren Garbenenden anstatt eines aufgelösten Gürtels (oder Bandes) eine Stange, als Gewicht, gelegt wird und daß die Garben nach dem Dreschen wieder gebunden werden; es kommt übrigens auch vor, daß die Garben dabei gar nicht aufgelöst werden. Es begegnet weiter die Dreschart mit einem Handwerkzeug, welches nájnma, npájitHHK, Bañen, KHiÄra heißt. Es ist einem Waschbläuel, m i t dem man die Wäsche beim Waschen im Flusse schlägt, ähnlich, nur etwas größer. Das ist eben der wr. npamiK ("Abb. 20, N r . 6 von A. S e r z p u t o v s k i j ) .
U υ ι Nr. 1 2 3 4 ó 6 7 Abb. 20. Wr. Geräte zum Dreschen und Schwingen: 1 Flegel, 2—3 Gabeln,'4 Harke, 5 und 7 Schaufeln zum Schwingen, 6 Dreschbläuel. (Gouv. Minsk.) Flachs und H a n f werden überall mit diesem Werkzeug geschlagen; es wird je eine Garbe gedroschen, wobei man die K r o n e auf ein Brett legt. N u r im Norden (Gouv. Archangelsk, Vologda, Olonec, Novgorod) drischt man m i t diesem Werkzeug auch Getreidepflanzen. Die dortige KHiÄra wird aus einem Birkenbalken mit einem k r u m m e n Ast verfertigt. Dieser letztere 140—190 cm lang, dient als Handgriff. Der Hammer selbst, mit dem man die Garben auf der Tenne schlägt, besteht aus einem Brett von 35—45 cm Länge, 6 bis 10 cm Breite und 5—7 cm Dickc. Die Samenköpfchen des Flachses werden mitunter mit einem Messer oder einer Sense abgeschnitten; die übriggebliebenen reißt m a n mit einer sog. HpáiKa oder auf einer pá6ajii>HHi;a aus. Die npáHKa (vom Verbum jjpaTL· ,reißen') ist eine Vereinigung von mehreren einander parallel liegenden Sicheln (Pskov). Die pHßajitHima besteht aus eisernen Zähnen, die am Ende einer schiefen Bank befestigt sind. Man f a ß t mit den H ä n d e n die Flachsgarbe und streicht mit derselben über die aufgerichteten Zähne (Olonec). Es bleibt die am meisten übliche und charakteristische Dresehart mit D r e s c h f l e g e l n . Trotz der Konkurrenz von Dreschmaschinen kommt dieses
§ 21. Das Dreschen.
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Werkzeug noch jetzt bei allen Ostslaven unter verschiedenen Namen vor: nfen> (ukr. uin, grr. mundartlich ςοπ), mojiotäjio, npÄy3 oder πρΗ^ββΗΒ (grr.). E s besteht aus drei Haupteilen: 1. dem S t i e l , 2. dem S c h w e n g e l , 3. den diese beiden Teile verbindenden R i e m e n . Der Flegelstiel ist ein Holzstock von 150 cm und mehr Länge. E r trägt allerlei lokale Namen, wovon viele vom Wort ixkm, stammen: ukr. qinójio, n;iinini>Ho(a), uiroma; wr. q a m i n H o ; grr. qenájitHH (ο), μβπΗήκ, qenoBÄme; andere stammen vom Verbum HepHtáTi.: sgrr. RepjKájieHb, nepjKajiKa, jxepjKájio; auch: ngrr. páTOBHme (so wird auch der Stiel einer Lanze oder eines Spießes genannt), Hyôéij, Káflija, Ká^oiKa, n a c u m a (eigentlich: K u f e , Zuber). Der S c h w e n g e l ist ein Stock aus Eiche oder anderem starken Holz, 75—95 cm lang, mit einer kleinen Verdichtung am Ende, zuweilen gebogen. Seine N a m e n stammen meistens von Verba : 6hti> (schlagen) und THnaTt (hauen), wie ukr. 6hi, wr. 6hi, grr. TH(a)neq, τη(η)ποκ, τη(η)πηηκ&, TH(H)nÓTOa, Kenéij, τηπ0ηοκ; βήιιο, ÖHJieHi.; auch: grr. 6aTÓr, B a n ë K , ffyßeii, HaBH36HB, KHít, κριβκ. Der Stiel ist mit dem Schwengel meistenteils durch einen weißgaren Riemen, zuweilen aus Wallroßleder, seltener aus Bast verbunden. Dieses Band heißt: ukr. Kánni^H, wr. γ^ηοικ; grr. nfro, πγτι npriya,
ry>K, r ^ H o r a a ,
npéniBima.
Der verbindende Riemen wird mit dem Stiel auf verschiedene Weise vereinigt; dem entspreche ndunterscheidet man d r e i A r t e n von ostslavischen Dreschflegeln. F ü r die ä l t e s t e ist charakteristisch, daß der Riemen einfach an die Enden des Stieles und des Schwengels gebunden wird; der Unterschied in der Art des Bindens besteht nur darin, daß der Riemen an den Schwengel unbeweglich gebunden wird, sich aber f r e i um den Stiel dreht; infolgedessen beschreibt der Schwengel bei jedem Schlage einen Kreis (Abb. 20, Nr. 1). Diese Flegelart ist f ü r die Wr. charakteristisch, obwohl wir nichtgenugMaterialzurBestimm u n g der Verbreitung verschiedener Dreschflegeltypen haben. Der ζ we i t e T y p u s hat am E n d e des Stieles eine trichter- Abb. 21. JNgrr. •»·, τλ , „ , die Art, . , zwei seiner Dreschflegel: förmige Vertiefung; sie geht Teile zusammenzubinden. (Gouv. Vologda): α Stielnach innen etwas schief und ende, b Schwengelende, h a t schließlich eine enge Seitenöffnung. Durch diese Öffnung wird ein Riemen gezogen und von außen verknotet, so daß er nicht mehr in den Trichter einlaufen kann. Dieses Riemenende dreht sich frei im Trichter, das andere aber wird am Schwengelende unbeweglich befestigt (s.Abb. 21, nach der Zeichnung von N . I v a n i c k i j ; 4*
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I. Der Ackerbau.
Kreis Sol'vycegodsk, Gouv. Vologda). Nicht typisch ist bei dieser Abbildung, daß die Vertiefung am Stielende hier in ihrer ganzen Länge gleich eng bleibt; gewöhnlich wird sie am untern Ende breiter und bekommt die Form eines Trichters. Noch ist zu bemerken, daß das aus der Seitenöffnung hervortretende Riemenende hier öfters nicht durch einen Stift, sondern durch einen Knoten festgehalten wird. Diese Flegelart ist f ü r die Ngrr. charakteristisch, ist aber auch in Galizien bekannt. Es ist zu vermuten, daß das ngr. Wort f ü r Stiel KájnoHKa, Kan^nuta (Kufe, Zuberchen), gerade diese trichterförmige Vertiefung im Auge hat. W. M e y e r - L ü b k e hat in seinem Aufsatz „Zur Geschichte der Dreschgeräte" (Wörter und Sachen I, 1909, S. 235) wahrscheinlich nur diese ostslavische Flegelart gekannt, die er j,russischer Dreschflegel" nennt. Wir glauben, daß diesem ngrr. Typus ein noch älterer, bis jetzt hauptsächlich bei den Wr. bewahrter Typus vorangegangen ist (s. oben S. 51 und Abb. 20). Für die Ukrainer ist der d r i t t e T y p u s charakteristisch: er steht dem mecklenburgischen Flegel sehr nahe, der gleichfalls in dem obenangeführten Aufsatz von M e y e r - L ü b k e (Abb. 33, S. 234) dargestellt ist. Hier ist zu beiden Seiten des Stielendes ein breiter Kiemen (bis 4 cm breit), der eine Schlinge bildet, befestigt. Am Schwengelende befindet sich auch noch ein anderer derartiger Kiemen. Die Mitte der beiden Kiemen, deren Enden angebunden sind, bildet eine Schlinge. Durch diese Schlinge wird ein dritter schmaler Riemen (sog. r^Huraa, yniHBajiBHHK) gezogen, der einen kleinen Ring (Durchmesser ungefähr 5 cm) bildet und den Stiel mit dem Schwengel verbindet. Es entsteht auf diese Weise eine Kette aus drei Gliedern: zwei K a n m j H an beiden Enden und die ringförmige r y j K H H a in der Mitte. Die Ukrainer halten das lange Flegelband charakteristisch f ü r die Wr., die sie jihtbhhh (Litauer) nennen. An langem Bande baumelt der Schwengel um den Stiel herum; deshalb wird von den Ukrainern ein Schwätzer jiHTOBCKHft μίιι genannt. Im Winter wird oft auf dem Eis eines Teiches oder Flusses gedroschen, nachdem der Schnee weggefegt worden ist. Häufiger aber drischt man auf der Tenne (τοκ, ukr. τικ, grr. jiaj;ÓH£>,
Hojióhl; wr. τ&κ&βηη, chpo6óühh), die einen Teil des r y M H Ó (Dreschtenne) bildet. Es geschieht gewöhnlich unter freiem Himmel. Dazu wird der Rasen von der Erde entfernt und der Boden mit einer Stampfe (s. Abb. 22, Gouv. Vologda) geebnet. In den Wäldern und Sümpfen des Nordens wird die Abb. 22. Ngrr. Gerät zum Feststampfen Tenne nicht selten mit einem Dach des Dreschbodens (Gouv. Vologda). (κρώτΗκ), sogar mit einem hölzernen Boden versehen. Die Garben werden beim Dreschen längs der ganzen Tenne in zwei Reihen gelegt, die Ähren einander zugekehrt. Das heißt nocáfl. Die Arbeiter stellen sich einander gegenüber (es sind 2—6 Männer) und schlagen im Takt,
§ 21. Das Dreschen.
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zuerst auf die Ä h r e n der einen R e i h e des nocáfl ein. I n d e m sie allmählich f o r t s c h r e i t e n , k o m m e n sie vom D a r r h a u s bis z u m e n t g e g e n g e s e t z t e n E n d e der D r e s c h t e n n e . D a n a c h k e h r e n sie z u m D a r r h a u s zurück u n d beginnen n u n die Ä h r e n der a n d e r e n R e i h e zu dreschen, wobei einer von i h n e n auf die M i t t e der G a r b e n sehlägt. I h n e n f o l g t e i n K i n d von 9—12 J a h r e n u n d wendet d i e G a r b e n u m , die d a n n von der a n d e r e n S e i t e n o c h m a l s gedroschen werden. D a s K i n d zerschneidet d a r a u f die G a r b e n m i t e i n e r Sichel oder e i n e r Axt, u n d d a n n schlägt m a n wieder auf die l o s g e b u n d e n e n G a r b e n ein. Zfun ist es nötig, das I n n e r e der Garbe n a c h a u ß e n h e r a u s z u k e h r e n ; das m a c h t dasselbe K i n d m i t dem H a r k e n s t i e l oder der k r ä f t i g s t e Arbeiter,
Abb. 23.
Tenne aus dem Gouv. Smolensk.
indem er ein bißehen v o r a n g e h t , m i t e i n e m S e i t e n h i e b des F l e g e l s von rechts n a c h l i n k s j e e i n e G a r b e herausstößt u n d die M i t t e der G a r b e f ü r die anderen D r e s c h e r z u r e c h t r ü c k t . D a r a u f d u r c h s c h ü t t e l t e i n Teil der Arbeiter das gedroschene Stroh m i t den H a r k e n , n i m m t es hoch u n d legt es zur S e i t e ; e i n a n d e r e r Teil aber t r ä g t dieses S t r o h auf einer Gabel oder einem F l e g e l s t i e l aus deT T e n n e in die Scheune. D i e zurückgebliebenen Ä h r e n w e r d e n in der M i t t e der T e n n e z u s a m m e n g e f e g t u n d n o c h m a l s zwei M a l m i t F l e g e l n gedroschen. So wird das D r e s c h e n eines nocáp, zu E n d e g e f ü h r t , u n d es werden n e u e G a r b e n auf der T e n n e ausgebreitet. D i e U k r a i n e r m a c h e n k e i n e n nocáji. Sie l e g e n auf die T e n n e 2 bis 3 G a r b e n , dreschen sie m i t F l e g e l n , u n d b e g i n n e n d a n n weitere 2—-3 zu dreschen. A n e i n e m solchen V e r f a h r e n beim D r e s c h e n k ö n n e n die halbrussifizierten U k r a i n e r des Gouv. Voronez e r k a n n t werden.
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I. Der Ackerbau.
Das gedroschene Korn wird mit Harken von feinem Stroh und von Ähren gereinigt und in einen H a u f e n (sog. BÓpox) an einem Orte, wo der "Wind gleichmäßiger und stärker weht, zusammengetragen. Hier worfelt man (BéioT oder κροΗτ) das Getreide, d. h. reinigt es von Spreu und Staub und sondert die besseren Körner von den schlechteren ab. Die Wr. worfeln, indem sie auf einer niedrigen Bank sitzen, die Grr. und Ukrainer aber machen das stehend. Die Grr. stellen sich mit der linken Seite zum Winde und werfen die Körner gegen den Wind (unter einem Winkel von 50°—70°) nach oben mit einem breiten Spaten, der eine unmerkliche Vertiefung in der Mitte hat. Der Wr. aber setzt sich auf einen niedrigen Holzklotz oder auf einen trockenen Baumstumpf schräg gegenüber dem Winde und wirft die Körner im Halbkreise mit einem kleinen Spaten mit kurzem Stiel von sich (Abb. 20 Nr. 7). Die schlechteren Körner (oxBÓCTbe) fallen näher zum Worfelnden nieder, die besseren aber (roJiÓBKa) werden dank ihrer größeren Schwere weitergetragen. Dieses oxBÓCTbe dient als Futter f ü r das Yieh ; die rojiÓBKa benutzt man als Samenkörner; die „Mitte" (cepeflÄHa) aber und den „Schwanz" (xboct), d. h. Körner von mittlerer Qualität, f ü r die Nahrung und zum Verkauf. O f t wird das Getreide noch weiter gereinigt und gesondert: auf dem τρόχοτ (Siebkasten), d. i. einem großen Sieb, und auf einer fabrikmäßig verfertigten Worfel (BenoiKa). Auf Abb. 20 sind (nach A. S e r z p u t o v s k i j ' s Zeichnung) wr. Geräte zum Dreschen und Worfeln dargestellt (Kreis Sluck und Mozyf des Gouv. Minsk): 1. ein Dreschflegel, 2. eine Gabel, 8. die sog. TpaaHii, d. i. eine Gabel mit drei Spitzen (Hörnern); 4. eine Harke, 5. der sog. m^nenb, d. i. ein Spaten zum Worfeln, 6. npámiK (Bläuel) zum Dreschen von Flachs und H a n f ; 7. BéHJiKa (Worfel), d. i. eine kleine Schaufel zum Worfeln. Als r i t u a l e S p e i s e zu Anfang des Dreschens (3áMOJiOTKn) gilt ein dicker Brei aus verschiedenen Graupen; er deutet in magischer Weise auf dichtes Getreide f ü r die nächste Ernte hin ( R o m a n o v , Kreis Hömel'). Nach dem Volksglauben wohnt auf der Dreschtenne der ryMemniK, ein Hofgeist, den man oft mit dem obiíhhhk identifiziert (§ 20). Wenn die Ngrr. im Kreise Luga am 1. Oktober (Fest der Fürbitte der hl. J u n g f r a u ) einen Eimer Bier auf der Dreschtenne f ü r einige Tage aufstellen, so können wir es als ein Opfer f ü r den ryMéHHHK betrachten (Bericht von L i l ' - A d a m ) . Hier müssen noch die G e t r e i d e g r u b e n , d. h. Gruben zum Aufbewahren von Getreide, besprochen werden. Diese primitiven Einrichtungen haben sich aus sehr alter Zeit bei den Weißrussen und Ukrainern bis heute erhalten. Ihre Vorzüge sind: Sicherheit vor Feuersbrünsten, die so oft in Dörfern vorkommen, Billigkeit der Einrichtung, weil man dabei weder Holz noch Eisen braucht; verhältnismäßige Sicherheit vor Raub und Diebstahl: i n den letzten Jahren des Bürgerkrieges in Rußland wurden Getreidegruben sogar in solchen Gegenden eingerichtet, wo sie längst vergessen waren. Getreidegruben werden im Lehmboden ausgegraben. Sie haben eine krug- oder birnenartige Form, d. i. einen engen Eingang (35—45 cm Durchmesser), der allmählich breiter wird, je mehr er in die Erde hineingeht. Die Tiefe der Grube ist etwa 2 1 / 2 sogar 5 m , die Geräumigkeit bis 10—15 öet-
§ 21—22. Das Dreschen.
Literatur.
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vert' Getreide. Noch vor kurzem dienten solche Gruben als Getreidelager der Gemeinde (Kreis Mglin, berichtet von Κ o s i 3). Das Innere der Grube wird mit Stroh ausgebrannt und mit Birkenrinde beschlagen; wenn die Grube nicht im Lehmboden liegt, wird sie mit Lehm beschmiert. Die Öffnung wird mit einem Brett zugedeckt und mit Erde zugeschüttet. Mitunter versieht man sie mit einem kleinen Holzdach in der Form einer viereckigen Pyramide. Oft werden Gruben auch auf Dreschtennen unter dem Dach eingerichtet; dort werden sie mit Stroh oder Garben bedeckt. Es wird darin auch Geld verborgen. Da die Luft keinen Zutritt dazu hat, bleibt das trockne Korn in solchen Gruben sogar Jahrzehnte unversehrt; oft kommt es vor, daß Enkel zufällig das von ihren Großeltern in Gruben vergessene Getreide finden und essen. Die Ngrr. haben keine Getreidegruben und haben auch keine Erinnerung daran. Sehr üblich sind aber bei ihnen Gruben zum Aufbewahren von Gemüse, besonders von Rüben (oòómraie ÀMBI). In solchen Gruben wird oft eine Balkenzimmerung eingerichtet. Im Winter wird ihre Decke aus Lindenrinde oder Brettern noch mit Stroh bedeckt. Wenn das Stroh mit Schnee bedeckt wird, bleibt das Gemüse in der Grube vor stärksten Prosten sicher. §22. Literatur. Yon den A c k e r b a u g e r ä t en der Ostslaven handelt die Untersuchung von D. Z e l e n i n : PycCKaa coxa, en HCTopi« Η ΒΗ«Η. Οπβρκι H3T. HCTopiH pyccKOtt aeMJiefcfcjiMecKOÄ KyjiBTypti, V'atka 1907. Dort finden sich zahlreiche Literaturangaben auch für die einzelnen Provinzen. Es sind meistenteils landwirtschaftliche und statistische Beschreibungen einzelner Ortschaften. Aus demselben Buche ist auch eine Reihe von Zeichnungen von Ackerbaugeräten in der vorliegenden Darstellung entlehnt. — Die Abbildungen von wr. Geräten Nr. la, 2, 8, 12 und 20 sind aus dem Aufsatz von A. S e r z p u t o v s k i j : 3βΜπβ«ΐιΐΒΗβοκΪΗ opyfliH SiuropyccKaro IlojitcbH. Κι, 3THorpaÍH StJiopyccoBtnoji-ÈmyKOB'L· IOIKHOÖ nacTH Cjiyi;Karo H cÎBepHoô ΠΟΉΟΒΗΗΗ MosupcKaro YIAFTOBT, M H H C K O Ü ry6. (hgb. von der Ethnographischen Abteilung des Russischen Museums in Petersburg 1910, MaTepiajiu no araorpaijiiii Poccin Bd. I) übernommen. — Die Abb. 13 und 14 reproduzieren gleichfalls Photographien von A. S e r z p u t o v s k i j , die sich im Besitz der Ethnographischen Abteilung des Russischen Museums in Leningrad befinden. — Die Abb. 11, 15, 21 und 22 sind dem Artikel von N. I v a n i c k i j : CoJibBLraero^CKIIT KpecTtHHHHt, ero OÔCTAHOBKA, ?ΚΗ3ΗΙ> Η ΛΪΗΤΘΛΒΗΟΟΤΒ (JKHBAA GrapHHa Vili, 1898, Nr. 1) entnommen. Die Abb. 16 und 17 sind nach den Zeichnungen von B. K u f t i n , die dem Myeeñ U,eHTpajitHoil ΠροΜΒίιππβΗΗοή Oßjiacra (Moskau) gehören, verfertigt, die Abb. 18 a und b nach Photographien des Myeeft Cnoßo^cKoft YKpaHHH (Charkov). — Ein neues Buch von M. F e n o m e n o v : CoBpeMeHHaa aepeBHH, Leningrad 1925, beschreibt den ngrr. Ackerbau des Kreises Valdaj im Novgoroder Gouv. Viel Material über den Ackerbau und die damit verbundenen Zeremonien der W e i ß r u s s e n findet sich in der Ausgabe von E. Romanov: BtJiopycCKift c6opHHKT), Lief. 8—9, Wilna 1912, ferner in dem alten Aufsatz von J. K r a c k o v s k i j : Bun. sanaflHO-pyccKaro cejiHHHHa (Zeitschrift: ΗΤΘΗΙΗ BÏ> OÖmecTBt HcTopin Η ¿IpeBHOCTeít P0CCÍitCKHxi> 1873, Nr. 4), in dem Buch von Ν. N i k i f o r o v s k i j : Οπβρκπ npocTOHapoflHaro HOTH>H-6HTI>H BT> ΒπτββοκοΚ Bijiopyccin Η onacaHie ΠΡΒΑΜΒΤΟΒΐ> oÔHxoflHOCTH, Vitebsk 1895, in den alten Aufsätzen von J. J e r e m i c : OiepKH 6ÎJiopyccKaro Û O J I Î C B H (BÎCTHHK-B 3ana^H0IT POCCÌH 1867, Nr. 8 und 11) und von N. A n i m e l l e : BHTT> ß^jiopyccKHxx KpecTBHHT» (9THorpa$H"iecKiit CßopHHKt H. P. reorpa$HH. OßmecTBa II, 1854).
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II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht.
Über die U k r a i n e r vgl. P. C u b i n s k i j : TpyjjH 3TH0rpaiMecK0-CTaTHCTHqecKoö ΘκοπβΗπηΪΗ bt> K)ro-3anaHHHß Kpaö (Bd. I—VII, Petersburg 1872—1877); S. C e r ñ a v s k a j a: OSpn^u η hìchh cejia Βΐπο3βρκΗ XepcoHCKoft ryöepmH (C6opηπκί> XapLKOBCKaro HcTopHKO-OiiJiOJiorHiecKaro OômecTBa V, 1893) u. a. Viel Tatsachenmaterial ist in der vorliegenden Darstellung den Handschriften des Archivs der Russischen Geographischen Gesellschaft in Leningrad entnommen; darüber vgl. D. Z e l e n i n : Onncame pyKonnceä yieHaro apxHBa H. P. Teorpa$. OômecTBa, Bd. I—III, 1914—1916. Weiteres s. bei D. Z e l e n i n : EHÒJiiorpaijiHH. yKaaaTeJiL· passim (s. § 6). Über die mit dem Ackerbau verbundenen Zeremonien der Ostslaven siehe E. A n i c k o v : BeceHHHH oSpn^oBaa nicHH Ha a a n a s t h y cjiaBHHτ>, Bd. I. Ο τ ι ο6pflfla κ ι n^CHÍ, Petersburg 1903, und E. K a r s k i j : E-ÈJiopyccu I I I : HapojjHaH Π038ΪΗ, Moskau 1916. In den beiden letzten Werken findet man viele bibliographische Angaben. In § 19 wird das Material von V. K r a v c e n k o (Tpynu OßmecTBa HacjiiiflioBaTejieft Bojihhh V, 1911) und der Aufsatz von A. S e r z p u t o v s k i j : O BaBHTKaxx bt> BÎJiopycciH (JKaBaa CTapHHa, 1907, Nr. 1) zitiert.
II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht. A. Die Viehzucht. § 23. Die Stellung des Hirten (Ansichten über den Hirten). § 24. Das erste Austreiben des Viehes auf die Weide im Frühling. § 25. Der Hirt und seine Ausrüstung (Pfeife und Horn). § 26. Rituelle Reinigung der Kuh nach dem Kalben. Rituelle Festlichkeiten zu Ehren des Hausviehes und seiner Beschützer. § 27. Der Hühnergott. § 28. Zeremonien beim Kauf und Verkauf des Viehes. § 29. Viehschutz vor Epidemien: das Umpflügen. § 30. Bestattung von lebendigem Vieh; irdene Tunnels; das eintägige Handtuch. § 31. Fischerei. Fischfang mit den Händen; schöpfende, schlagende und stechende Fischereigeräte ; der Haken. § 32. Zum Fischfang bestimmte Fallen. Pfahlwerke. Die Netze und das Netzflechten. § 33. Riten der Fischer. § 34. Bienenzucht. § 35. Literatur. § 2 3 . D i e V i e h z u c h t ist wohl n u r bei den Karpathen-Ukrainern, den Huzulen u n d Boiken, auf ihren Gebirgstriften, die Hauptquelle ihrer Existenz. I n allen anderen Gegenden bei den Ostslaven ist die Viehzucht n u r eine Nebenbeschäftigung, die außer der N a h r u n g auch Arbeitskraft, Stoff zum Kleide und D ü n g e r liefert. Die Geschichte der Ackerbaugeräte läßt keinen Zweifel darüber a u f kommen, daß die Ostslaven im allgemeinen arm an Arbeitsvieh w a r e n : alle ihre Geräte sind auf wenig zahlreiches und schwaches Arbeitsvieh berechnet (§ 11). Schlechte Viehrassen, namentlich von Kühen, die den jetzigen Ostslaven als Erbe aus sehr alter Zeit zugekommen sind, beweisen auch, daß sie niemals reich an Vieh gewesen sind. Die Steppengegenden waren meistenteils von. fremdstämmigen Nomaden besetzt, in den Wäldern und S ü m p f e n aber war das V i e h f u t t e r schlecht. Die Pflege des Viehes ist auch jetzt noch schlecht; im W i n t e r f ü t t e r t man gewöhnlich die K ü h e mit Stroh und t r ä n k t sie m i t kaltem Wasser. Am Ende des Winters, bei Futtermangel, f ü t t e r n die armen Leute ihre K ü h e mit halbverfaultem, von den Strohdächern der Tennen und Darrhäuser abgenommenem Stroh. K e i n Wunder, daß die K ü h e Ende April gar nicht auf den Füßen stehen können; man hebt sie m i t P f ä h l e n auf u n d hängt sie an Stricke, indem man ihnen ein B r e t t unter den Bauch schiebt (s. V. P r e o b r a z e n s k i j , Onncame TßepCKOü ry6. bt> ceni.-
§ 23. Viehzucht.
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CK0X03HüCTB6HH0Mt οτΗοπιβΗΪΗ 341; und E. R o m a n o v , EijiopyccKiii ΟδορΗπκτ. Υ Ι Ι Ι — I X [1912] S. 53). Der Ethnograph A. S u s t i k o v von Vologda nennt die dortige Kuhrasse eine „Düngerrasse" (HaBÓ3HaH), weil ihr Hauptprodukt der Dünger ist. Die ursprüngliche Armut an Vieh bei den Grr. wird auch durch die verschiedenartige und oft originelle Lösung der Hirtenfrage bewiesen. (Es gibt hier keine alte Tradition!) I n vielen ngrr. Gegenden gibt es keine H i r t e n ; das Vieh wandert nach Belieben, nur durch dürftige Umzäunungen der Felder festgehalten. Noch öfter fehlen Schweine- und Gänsehirten usw. I v . J e r e m i δ hat 1868 ausführlich beschrieben, wie die Schweine im wr. Polesje im Laufe von 6—7 Monaten im Walde leben und verwildern, indem sie sich vor Wölfen und Bären dadurch schützen, daß sie ein dichtes Karree bilden. N u r mit großer Mühe werden sie nach Hause zurückgebracht. Der Bauer von Novgorod hält die Betätigimg als H i r t f ü r verächtlich u n d erniedrigend; er zieht es vor, ein 6ypjiáK (Barkenleiter), Fischer, Pferdetreiber (kohobór) oder Knecht zu werden. Die Hirten des Novgoroder Gouv. sind Auswanderer aus den Gouv. Vitebsk und Pskov; auch die Hirten des Moskauer Gouv. stammen ausschließlich von auswärts, aus den Kreisen Zubcov u n d Starica des Gouv. Tver. Der alte Name des Ochsenhirten, (B)ÓJiyx, ist ein Schimpfwort geworden und bedeutet: „Narr, Idiot". Bei den Ukrainern gibt es keine solchen Ansichten über den H i r t e n ; aber auch dort, wenigstens in Neurußland, dienen als Hirten gewöhnlich moldauische Jungen aus dem Kreise Odessa und aus Beßarabien, f ü r die die Viehzucht eine traditionelle Betätigung ist ; es ist auch charakteristisch, daß die Ukrainer den Hirten mit einem türkischen Worte ia6áH benennen. Zwar gibt es auch bei den Ngrr. solche Gegenden, wo Hirten geehrt, sogar gefürchtet werden. So ist es besonders im weiten Norden (Gouv. Archangel'sk und Olonec), wo das Vieh von wilden Tieren bedroht und der Ackerbau schwach entwickelt ist. Die Furcht vor den Hirten wird dort hauptsächlich durch Aberglauben verursacht. Die Hirten gelten als mit Waldgeistern befreundete Zauberer. Man glaubt, daß der H i r t einen Vert r a g mit dem Waldgeist abschließt, der diesen verpflichtet, die Herde zu schützen. D a f ü r bekommt der Waldgeist zwei bis drei Kühe im Sommer oder Milch aus einer, aus zwei oder sogar aus drei Zitzen einer Kuh. U m diesen Vertrag zu schließen, wirft der H i r t mit einer Besprechung ein m i t einem Schlüssel verschlossenes Schloß in den Wald; der Waldgeist hebt es auf und öffnet oder schließt es je nach dem Wunsche des H i r t e n ; das Vieh wird nur umhergetrieben, wenn das Schloß geöffnet ist; wenn es geschlossen ist, bleibt das Vieh stehen oder liegen. So ist das Vieh ganz vom H i r t e n abhängig. Einige Hirten betrügen bei diesem Vertrag den Waldgeist, indem sie ihn nur mit einem halben Hühnerei bezahlen: die eine H ä l f t e verspeist der H i r t selbst, die andere gibt er dem Waldgeist. Um diesem Aberglauben seine K r a f t nicht zu rauben, geht der Hirt sehr verschwiegen vor. Zu A n f a n g der Weidezeit vollzieht er einen magischen Umgang um die Herde herum mit einem Besprechen (sog. ÓTnyCK, oöeper) und behauptet dabei, es sei ihm jetzt unmöglich, wenn auch nur ein einziges Stück Vieh
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II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht.
bis zum Ende der Weidezeit herauszugeben und zu verkaufen: sonst verliert der Zauberspruch seine K r a f t ; wenn ein Stück Vieh krepiert, darf man nicht sein Fell abziehen, man muß es mit demselben begraben. Dieses und auch Enthaltsamkeit von geschlechtlicher Liebe (sogar von seiner Ehefrau) sind gewöhnliche Bedingungen f ü r den Hirten im Gouv. Archangelsk (Α. K ä m e n e v , P . J e f i m e n k o ) . Damit im Zusammenhang stehen Aberglauben, die den Frauen verbieten, sich dem Hirten barfuß oder ohne Kopftuch, mit zurückgebogenem Rock oder auch im Hemde ohne Jacke zu zeigen, den Mädchen aber verbieten, den Reigen mit Hirten zu führen (P. B o g a t y r ev). Übrigens wird einiges davon vom Volke auch magisch gedeutet; wenn z. B. die F r a u beim ersten Austreiben des Viehes einen zurückgebogenen Rock hat, dann sollen die Kühe im Sommer mit hochgezogenen Schwänzen laufen ( Z a v o i k o ) . Außerdem hat der ngrr. H i r t oft verschiedene Verbote (Tabu) zu berücksichtigen; z. B. keine Beeren oder Pilze von der Erde zu pflücken und zu essen, keine Mücken und Fliegen im Walde von sich zu scheuchen (P. B o g a t y r e v ) , nicht durch Zäune zu klettern, nur über sie zu springen, nichts direkt aus der Hand eines anderen Menschen zu empfangen (bezeugt von C h r u s ö o v f ü r das Gouv. Olonec), keine Scheltreden zu gebrauchen usw. § 24. Das e r s t e A u s t r e i b e n des Viehes im Frühling geschieht gewöhnlich am 23. April (alten Stils), am Tage des heiligen Georg, der im Volke als Schutzheiliger des Viehes und als Wolfshirt gilt. Wenn infolge klimatischer Verhältnisse das Austreiben früher oder später als am Georgstag (lOpteB HeHfa, 23. April) geschehen kann, werden entsprechende Zeremonien doch auch noch an diesem Tage vollzogen. Dieser Ritus (aanácBaHe rajfaífla, d. h. Beginn der Weidezeit) wird bei den Wr. des Minsker Polesje in folgender Weise am Vormittag vollzogen (A. S e r z p u t o v s k i j : Hirnan GrapHHa, 1908 N r . 1) : Der Hauswirt zieht ein reines Festkleid an. Man legt ihm in einen Beutel ein Stück Brot, Salz, ein Teigkreuz, das am Mittwoch der vierten Fastenwoche gebacken wird (den sog. xpamtiK), drei kleine Steinchen, ein Messer, ein Schloß, eine Schnellwage (Besmer), eine Axt, ein Hühnerei, eine rpoMHÔija (d. i. eine am 2. Febr. in der Kirche geweihte Kerze) und hängt ihm diesen Beutel über die Schulter. Darauf begibt er sich barhäuptig in den Stall und treibt daraus sein ganzes Vieh auf den Hof. Dann zieht er aus dem Strohdach der Scheune drei Handvoll Stroh heraus, schöpft aus dem Brunnen einen übervollen Eimer Wasser und trägt ihn nach der Richtung der Sonne um das Vieh herum ; er wirft darauf einen Stein über die ganze Herde hinüber und besprengt das Vieh mit Wasser. Darauf schöpft er nochmals Wasser, geht \im das Vieh herum und wiederholt denselben Ritus dreimal. Er vergräbt dann in der Nähe des Tores das Schloß in der Erde, ebenso die Schnellwage, die Axt und das Ei, schürt ein kleines Feuer an dieser Stelle an und wirft die vom Dache gezogenen Strohbüschel ins Feuer. Wenn er das alles vollzogen hat, übergibt er dem Hirten den Beutel, und dieser treibt über das Feuer hinweg das ganze Vieh aus dem Hofe auf die Straße und weiter ins Feld oder in den Wald hinaus. Der Hauswirt mit seiner Familie folgt ihm nach. Den ersten Tag bleibt das Vieh nur ganz kurze Zeit auf dem Felde. Der Hauswirt mit seiner Familie begegnet ihm sofort bei der Rückkehr.
§ 23—24. Viehzucht.
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Wenn das in der Erde vergrabene Ei heil bleibt, so gilt das f ü r ein gutes Omen: den ganzen Sommer über soll dann das Vieh unversehrt bleiben. So haben wir hier einen magischen Rundgang um das Vieh herum, den Zug des Viehes über das reinigende Feuer und gleichzeitig das Schreiten über magische Gegenstände. Ein ähnlicher Ritus ist allen Ostslaven, sogar Litauern und Letten bekannt. Es gibt einige lokale Abweichungen, die hauptsächlich die magischen Gegenstände betreffen. Besonders verbreitet ist in diesem Ritus die Anwendung einer am Palmensonntag geweihten Weide; bisweilen wird sie durch einen Stock ersetzt. Der magische Rundgang wird auch vom Hirten auf dem Felde wiederholt, indem er um das Vieh des ganzen Dorfes herumgeht. Bei den Wr. ist es üblich, das Hausvieh beim Hinaustreiben mit geweihtem Gras oder mit Weihrauch zu beräuchern ( S e i n ) . Man breitet vor der Schwelle des Stalles einen Pelz mit dem Fell nach oben aus und legt ein Stück Brot und ein Ei darauf: man treibt das Vieh über den Pelz aus, der H i r t aber zieht darauf diesen Pelz an (Gouv. Grodno, S e i n ) . Im Gouv. Smolensk ziehen alte Weiber den Pelz mit dem Fell nach außen an, stellen sich in die Mitte des Viehes, reißen einer Kuh oder einem Schafe ein Büschel Wolle aus und verschließen es in ein Hängeschloß, damit der Wolf das Vieh nicht berühre ( D o b r o v o l ' s k i j ) . Ebenso springen die Frauen, nachdem sie das Vieh aufs Feld hinausgetrieben haben, über Ruten, mit denen sie das Vieh ausgetrieben haben, damit das Vieh immer so springe, d. h. immer gesund und heiter sei (a. a. O.). Die ngrr. Mädchen des Kreises Luga springen auch über Weidenruten, mit denen sie das Vieh angetrieben und die sie darauf in die Erde stecken, damit das Vieh gesund bleibe ( L i l l ' - A d a m ) . Hier wird auch beim rituellen Umgang einerseits ein Ei, andererseits eine Axt über die Herde geworfen und darauf auf dem Felde vergraben (a. a. O.). Die Ngrr. besprengen nicht das Vieh, sondern den Hirten mit Wasser (Poäechonje), was auch bei den' Letten und Esten vorkommt. Die Ukrainer des Kreises Kup'ansk treiben das Vieh über eine mit einem Schloß versehene Kettenschnur (HaiÄHHH), oder auch über einen roten Gürtel: wenn das Vieh diese Gegenstände mit den Füßen nicht berührt, wird es von keinem Tiere berührt werden (P. I v a n o v ) . Die Wr. des Kreises Pruzany verwenden dabei auch den Weberbaum, d. h. eine Walze, worauf ein Gewebe aufgerollt wird ( S e i n ) . Die Anwendung eines Gürtels bei diesem Ritus ist sehr verbreitet, besonders bei den Nordgroßrussen, die sogar neu angekaufte Kühe über einen Gürtel führen ( Z a v o i k o ) ; die Hauswirtin nimmt sofort selbst diesen Gürtel um. Im Kreise Poreöje (Gouv. Smolensk) wird gleichzeitig mit dem Gürtel noch eine Bratpfanne und eine Sense verwendet ( D o b r o v o l ' s k i j ) . Der Weißrusse des Kreises Sebeá schleppt beim Umgang des Viehes die Sensenspitze längs der Erde ( A n i m e l l e ) ; der Hirt von Novgorod schleppt in der gleichen Weise die Spitze einer „besprochenen" Axt, die er darauf ins Tor einsteckt. Dann stellt er sich darauf und betet; durch dieses Tor wird dann das Vieh auf die Weide getrieben. Die Ngrr. von Vladimir schlagen in der Nähe des Tores einen P f a h l in die Erde ein oder einen Espenpfahl in die Mitte des Hofes ( Z a v o i k o ) .
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II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht.
Besonders viele magische Gegenstände finden wir im Gouv. Vologda und Olonec, wo der H i r t einen langen Zauberspruch (ÓTnycK, d. h. einen Urlaub des Viehes ins Feld) vorspricht und darauf das Vieh zwischen den Feuern durchtreibt; dann nimmt er Ohrenschmalz von einem jeden Stück Vieh in Wachs gehüllt, ein Schloß und einen Schlüssel, ein Stück Erde von einer Gruft, ein Stück Erde von einem Ameisenhaufen, der an der Kreuzung von vier Wegen liegen muß, eine Axt und ein Messer und treibt das Vieh auch zwischen diesen Gegenständen durch. Diese Gegenstände werden später in der Erde am Weideplatz vergraben und bleiben dort bis zum Ende der Weidezeit liegen (Omic. p y K o n . 255). I n denselben Gegenden wird auch das Vieh mit Wasser, das von drei Quellen genommen wird, besprengt (N. C h a r u z in). Im dichten Walde verbirgt der Hirt einen Fetzen Wolle vom Kopfe eines jeden Stückes Vieh von seiner Herde (idem); andere Hirten bewahren diese Wolle in Wachs gehüllt unter der Birkenrinde, die um das Hirtenhorn gelegt wird. Das geschieht, damit das Vieh immer zusammen bleibt. Im Gouv. Vladimir reiben die Wirtinnen, das Vieh am selben Tage mit dem Hemd ab, in dem die Wirtin mit ihrem Gatten geschlafen hat; auch schlagen sie die Kühe mit ihren Hauben (iioboühhkji) : dann, heißt es, kehren die Kühe heim und bringen Nachkommenschaft ( Z a v o i k o ) . E. A n i c k o v , der die Riten beim Beginn der Weidezeit untersucht hat, schreibt allen diesen Riten eine reinigende Bedeutung zu (BeceHHHH 0 6 pfifí. irfccHH I 322—326). Diese Deutung ist unzweifelhaft richtig f ü r die Scheiterhaufen, f ü r das Begießen mit Wasser, f ü r den magischen Rundgang, besonders mit eisernen Gegenständen (Sense, Axt) und f ü r das Schlagen mit einem Weidenzweige. Aber nicht alle magischen Gegenstände, über die das Vieh getrieben wird, sind imstande, die Unreinigkeit zu beseitigen oder sie aufzuhalten. Es werden z . B . nicht Ostereier, von denen A n i c k o v spricht, sondern gewöhnliche Eier_gebraucht, und das kann einfacher gedeutet werden : es kann als ein magischer Ausdruck des Wunsches angesehen werden, daJj das Vieh ebenso glatt, rund und wohlgenährt wie das Ei und fruchtbar wie das Huhn werde. Ebenso deutet der Pelz in magischer Weise auf Reichtum, d. i. Überfluß an Vieh, die Schnellwage auf das Gewicht von wohlgenährtem Vieh, das Frauenhemd auf die Fruchtbarkeit. Eine ganze Reihe anderer Gegenstände deuten sehr durchsichtig auf einen magischen Wunsch, daß das Vieh sein Haus nicht vergesse: Haube und Gürtel sind Attribute der Frauenkleidung, das Dachstroh ist mit dem Hause, die Webergeräte sind mit dem Weben eng verbunden, Ameisen kehren immer zu ihrem Heim zurück, ungeachtet dessen, daß es viel Wege ringsherum gibt; die Erde an einer Gruft bleibt immer unbeweglich. Das Schloß deutet wohl auch auf den Zusammenhang zwischen Vieh und Haus; es kann wohl auch auf die Unversehrtheit des Viehes hinweisen, was auch durch den magischen Rundgang angedeutet wird. I n den Riten, die eine unverkennbar reinigende Bedeutung haben, finden wir andere Gegenstände: einen Tunnel und allerlei Tore, die die Seuche verschlingen (§ 30) und alltägliche Gegenstände, die sie nicht durchlassen (§ 30). Der Dialog des Hirten mit seinem Ge-
§ 24—25. Viehzucht.
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hi]fen über die Bitterkeit der Espe, über die Unbeweglichkeit des Holzklotzes und das auf ewig festgemachte Schloß usw. ( S e i n , D o b r o v o l ' s k i j ) hat die alte Bedeutung bewahrt : das Vieh soll von Wölfen verschont bleiben und darf nicht vom Hirten und vom Hause fortlaufen. Der huzulische H i r t schlägt im Frühling eine Axt in die linke Wand der Hirtenhütte ein, gewinnt das Feuer durch Reibung zweier trockener Holzscheite, legt einen Feuerbrand ans Tor, an dem das Yieh vorübergehen soll und besprengt die Herde mit Wasser, in das er, Gebete sprechend, brennende Kohlen geworfen hat ( Y o l k o v ) . § 25. Die Hirten werden bei den Grr. meistenteils mit Naturalien bezahlt: der H i r t speist und übernachtet bei den Bauern der Reihe nach, sammelt im Sommer mehrmals Nahrungsmittel, hauptsächlich Eier ein, und bekommt auch oft die Kleidung von seinen Herren. So kann er von jedem Bauer, dessen Vieh er zu hüten hat, der Reihe nach die Bekleidung f ü r einen Tag bekommen, die er am anderen Tage zurückerstattet. Er besitzt nur seine eigene leichte Fußbekleidung, sog. Kajuimrai (Z a ν o i k o u. a.). Bei den Wr. heißt diese tägliche Lieferung von Nahrungsmitteln an den Hirten jiyCTa. I n den ukr. Steppen werden die Hirten (laSaHÓ) meistenteils in Genossenschaften von fünf Mann gedungen. Ihr Obmann heißt aTaMaH, sie haben einen besonderen Koch (KauieBap, d. h. Breikocher). Eine große Schafherde wird gewöhnlich in mehrere kleinere Teile (oTápa) geteilt. Jede O T á p a hat 15—20 Schäferhunde (οΒΜάρκκ), einige Böcke und eine Kanira oder GáHCbKa rapóá, d. i. einen zweiräderigen Hirtenkarren, der mit der H a n d oder auch von ein paar Ochsen gezogen werden kann. Die ia6aHÓ werden gewöhnlich mit schafswollenen (ήρχοΒΗβ) Beinkleidern, einer Jacke und einem Halbpelz (noJiymySon) bekleidet. Wenn sie rasten, steht gewöhnlich in der Mitte ein Wagen mit Lebensmitteln, und Hirten und Hunde stehen um ihn herum. Wenn man weiterzieht, geht der Obmann mit seinem Stab voran, ihm folgen die Böcke (zuweilen auch die Ziegen) und erst dann kommen die Schafe; zu beiden Seiten gehen die laßami und hinter ihnen folgt der Wagen mit dem Koch. I n der Nacht wird die Herde geweidet, indem sie sich immer mehr der Tränke nähert; am Morgen wird sie getränkt und darauf wieder geweidet, indem sie sich aber von der Tränke entfernt; während der Mittagshitze wird gerastet. Die ia6aH0 von Schafsherden sind mit einer g i r l i g a bewaffnet; es ist ein langer Stock mit einem Haken, mit dem das Schaf am Bein gefaßt wird ( g i r l i g a ist ein türkisches Lehnwort); die Hirten des Hornviehes aber haben einen langen Stock mit einer KyBHHbKa, d. h. einem großen kugelförmigen Ende. Der ukr. ia6áH kuriert auch oft seine Schafe, zieht Dornensplitter aus usw. Zu diesem Zweck trägt er immer eine Lanzette mit sich, ferner ein Messer, guten Teer zum Beschmieren der Wunden, einen Pinsel zu demselben Zweck und kleine Zangen zum Herausnehmen der Würmer aus den Wunden. Die P f e i f e (Tpy6á, ukr. TpeMÖiTa) ist das gemeinschaftliche Musikinstrument der Hirten bei allen Ostslaven: es wird damit signalisiert. Die hölzerne P f e i f e der Huzulen ist bis 3 m lang; bei den Grr. ist sie
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II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht.
kürzer, aber nicht weniger als 80 cm lang. Die P f e i f e der grr. und wr. Hirten besteht aus geraden Holzplatten, die fest und dicht mit Birkenbast umwunden werden; ihr Ton ist angenehm und stark und bis auf zwei Kilometer hörbar, im Walde sogar noch weiter. I n waldlosen Gegenden gibt es auch Blechpfeifen und noch öfter Hörner (Schalmeien). Die S c h a l m e i (pojKÓK) ist ein ausgebohrtes Stäbchen, einen Finger dick, 25 und mehr Zentimeter lang, mit f ü n f Löchern oben und einem unten, unmittelbar am Mundstück; an sein Ende wird ein poliertes Kuhhorn, ähnlich dem, womit man Kindern Milch gibt, eingesetzt, oder es wird mit Birkenbast umwunden, wie ein Hörrohr. Die Schalmei (pir) der Huzulen ist bei V. S u c h e v i c Tyqyjii.miiHa I I I 73 N r . 13 dargestellt. Die ngrr. Hirten beginnen erst am 23. April die P f e i f e zu blasen oder auf der Schalmei zu spielen; bis zu diesem Tage signalisieren sie nur mit Knallen der Peitsche (wr. n$ra, ngrr. 6hh), die ein unbedingtes Attribut eines jeden Hirten ist. § 26. Wie die Frauen, so werden auch alle Weibchen der Haustiere vom Volke nach der Niederkunft f ü r unrein gehalten; f ü r sie ist daher die r i t u e l l e R e i n i g u n g innerhalb einer bestimmten Frist nötig. Als unrein gelten auch alle neugeborenen Tiere: Kälber, Ferkel usw. Es ist verboten, sie während der ersten 12 Tage nach der Geburt zu essen: 12 Tage gelten hier als „Frist" (cpoK). Dieselbe Frist gilt auch f ü r die Kühe, aber wegen des großen Bedürfnisses nach Milch wird diese Frist auf 8, ja sogar 6 Tage herabgesetzt; weil man die Kuh zweimal täglich melkt, werden 6 Tage 12 Milcherträgen (ynon) gleichgestellt. Am ersten Tage wird die Milch oft sogar nicht in ein Gefäß, sondern „in den Mist" (in die Erde) gemolken, an den folgenden Tagen in ein „unreines" ( n o r a H H ü ) Gefäß und m a n tränkt damit das Kalb. Diese unreine Milch wird auch mojiÓ3hbo genannt. Nach dem Ablauf der Frist vollziehen die Grr. eine r i t u e l l e R e i n i g u n g der K u h : das heißt ΜοπήτΒ KopÓBy. Der Ritus besteht im Abwaschen und Beräuchern der Kuh. Man wäscht die Kuh, zuweilen mitsamt dem Kalbe, mit lauem Wasser, [in das in einigen Gegenden ein Silberring oder ein Silberkreuzehen gelegt wird. Man beräuchert sie mit Weihrauch, der in einem Rauchfaß auf brennende Kohlen gelegt wird. Selten wird anstatt des Weihrauches Moos von vier Hauswinkeln, trockenes „Gras der hl. J u n g f r a u " (Thymus serpillum, wilder Thymian) oder Hymnija (Origanum vulgare) genommen. Aus der ersten „reinen" Kuhmilch kocht man einen Milchbrei, den man auch der Kuh gibt (Vladimir, Olonec, Vologda, Kursk und sonst). Die begleitenden Besprechungen erflehen Gesundheit f ü r die Kuh, Milchfülle und Überfluß an jungen Kühen, nicht an Männchen. Die H u zulen melken die K u h nach dem Kalben durch einen Trauring hindurch; in die Milch legt man Salz und mischt es in die f ü r die Kuh bestimmte Tränke. R i t u e l l e F e s t e zu Ehren einzelner Haustiere und -vögel sind an gewisse Tage, die dem Andenken der als Schutzpatrone dieser Tiere geltenden Heiligen gewidmet sind, gebunden. I m Norden haben diese Festlichkeiten mitunter einen öffentlichen, sonst im allgemeinen aber einen rein familiären
§ 25—26. Viehzucht.
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Charakter. Das Tier wird an seinem Festtage geschlachtet und kommt möglichst unverletzt auf den Tisch; seine Knochen werden nicht zerbrochen; man verspeist es mit Gebeten und Besprechungen; die Knochen werden später gewöhnlich im Stall vergraben, um die Fruchtbarkeit der Tiere zu bewirken. So wird ζ. B. das bei den Sgrr. sehr verbreitete „Schweinsfest" am 1. Januar, am Tage des hl. Basilius von Caesarea gefeiert. Nach dem Namen des Schutzpatrons erhielt dieser E i t u s die Benennung KecapéTCKoro MOJIHTB (Orel, Kursk). Eine ähnliche Feier gibt es bei den Ngrr. des Kreises Vel'sk einen Tag vorher, am Abend des 31.Dezember; rituelle Speisen sind: κιιπική, d.h. Schweinswurst mit Hafermehl, und CMopqité, d. h. Grieben von Schweineschmalz. Ein eigentümlicher magischer Eitus wird vor dem Essen ausgeführt : alle zur Familie Gehörigen nehmen eine Wurst zwischen die Zähne und kriechen auf allen Vieren dreimal um den Tisch herum in der Sonnenrichtung und sagen dabei : qyxH-pioxH, iyx-piox ! d. h. imitieren das Grunzen und die Bewegungen von Schweinen. Darauf setzen sie sich zu Tisch und speisen. Der Zweck des Eitus ist, die Gesundheit und Fruchtbarkeit der Schweine zu fördern (meine Notizen von 1921). Am nächsten Tage werden diese rituellen Speisen in die Kirche vor das Bild der hl. J u n g f r a u gebracht; man stellt sie ihr vor den Mund und sagt dabei: Tu ecH π HaM «acá, d. i. ,,iß und gib uns". Am Tage des heiligen Florus und Laurus (18. August) wird das P f e r d e f e s t gefeiert. Man besprengt die Pferde mit Weihwasser in der Nähe der Kirche und darauf wird in einigen Gegenden ein Pferderennen veranstaltet. Andere Feste zu Ehren der Haustiere sind meistenteils mit „Gelübdefesten" zusammengefallen, der sog. MOJITSÁ, H I I K O J I T M I I H A usw. (§ 143). Etwas besser haben sich Eiten zu Ehren der Hausvögel erhalten, besonders die KypHitH HMeHHHH (Namenstag der Hühner) am Tage des Heiligen Kosmas und Damian (1. November). Beim rituellen Mittagessen wird es sorgfältig vermieden, die Hühnerknochen zu brechen: sonst sollen die Küchlein mißgestaltet werden. Es herrscht dabei auch noch ein Aberglaube: wenn man in ein an diesem Tage verspeistes Brustbein einer Henne oder eines Hahns Löcher bohrt und es in den Hühnerstall wirft, so sollen im folgenden Jahre alle Hühner ein löcheriges Brustbein haben (Tambov). Es liegt kein Grund vor, diese zoolatrischen Feste der Ostslaven mit dem Totemismus in Zusammenhang zu bringen. Es sind Überreste alter heidnischer Opfer, welche mit der Zeit des Schlachtens dieser Tiere und im allgemeinen mit der Zeit der Nahrungsbereitung verbunden sind. Unter den zahlreichen Eiten am G r ü n d o n n e r s t a g der Karwoche finden wir viele, die mit dem Vieh verbunden sind. Die ngrr. Hauswirtin r u f t an diesem Tage durch den offenen Schornstein des Ofens all ihr Vieh beim Namen und der Hauswirt steht draußen und antwortet, indem er mit seiner Stimme die Laute eines jeden Tieres nachahmt (Gouv. Vologda, Novgorod). Der Zweck des Eitus ist, daß das Vieh vom Hause und von der Herde sich nicht verlaufen soll. Zu demselben Zweck schneidet man im Kreise Öerepovec an diesem Tage etwas Haare vom Schwanz der Kühe und steckt sie auf den Tragbalken des Hofes, oder bäckt sie in ein Brot
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II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht.
ein und f ü t t e r t damit alle Kühe ( G e r a s i m o ν). Einige versehen alles Vieh an diesem Tage, um seine Gesundheit und sein Wohlsein zu sichern, mit einem Zeichen: den Schafen schneidet man die Haare an der Stirn ab, P f e r d e n , Kühen und Hühnern an den Schwänzen ( M a k s i m o v ) . Wir sind geneigt zu denken, daß die Riten des neuen Jahres, das früher Anfang März gefeiert wurde, auf den Gründonnerstag übergegangen sind. Stellenweise backen die Grr. am Gründonnerstag rituelles Backwerk f ü r das Vieh ζ. B. Klümpchen aus Teig, und geben je ein Stück den Kühen, je zwei den Schafen, damit sie ein paar Lämmer gebären ( M a k s i m o v ) . Viel mehr bekannt ist derartiges rituelles Backwerk zu Weihnachten (25. Dez.) f ü r die Kühe, und zu Mariä Verkündigung (25. März) f ü r die Schafe. Das erstere heißt kos^jih oder K o p Ó B y n i K H (Gouv. Archangelsk, Novgorod) und hat die Form von Tieren, gehörnten und hornlosen. Es soll wahrscheinlich ältere Opfertiere ersetzen. Die κ ο π ώ τ ς υ oder K a T y n i K i i (vom Verbum κ ο τήτΒΟΗ, Lämmer gebären) zu Mariä Verkündigung gibt man den Schafen zu essen, um sie vor Krankheiten zu schützen (Voronez); sie sind wahrscheinlich ein magisches Bildnis der Lämmer. § 27. Es ist nötig, hier noch ein paar Worte über den sog. H ü h n e r g o t t der Grr. zu sagen. Keinem Tier, mit Ausnahme des Huhns, ist die Ehre zuteil geworden, seinen eigenen Gott zu haben. Mit dem Namen des Hühnergottes bezeichnet man ein in der Erde oder im Flusse gefundenes Steinehen mit einem Loch in der Mitte. Die Form, die Größe, die Farbe davon können verschieden sein, nur das Vorhandensein eines oder mehrerer Löcher in der Mitte ist unbedingt nötig (Tula, Tambov, Jaroslavl' u. a.). Man hängt dieses Steinchen im Hühnerstall neben die Hühnerstange, um Wohlsein und Fruchtbarkeit der Hühner zu fördern. Es ist besonders nötig, wenn die Hühner von der KHKÓMopa (§ 157) geschädigt werden. Bisweilen wird ein solches Steinchen ypommiü K a M e r n . genannt, d. i. ein vom Behexen schützender Stein, oder K^pOTHÍt non (HühnerpfafEe). Im Poiechonje kuriert man auch kranke Zähne durch Berühren mit diesem Stein, der im Hühnerstall hängt. Wir halten es f ü r eine spätere Erscheinung, wenn solche Steine mit einem natürlichen Loch in der Mitte durch einen künstlich angefertigten Hals eines zerbrochenen Kruges oder durch den Schnabel eines Melkeimers ersetzt werden. Solche Steine werden in England, Frankreich, in der Schweiz in PferdeStällen und anderen Ställen aufgehängt, um die Haustiere vor Zauberern und böser K r a f t zu schützen (S é b i 11 o t : Le paganisme contemporain 223). Wir sind geneigt, in diesem Hühnergott eine alte, den verstorbenen Ahnen dargebrachte steinerne Axt oder einen Hammer zu sehen, ebenso wie in anderen Riten alte, ausgetretene Fußbekleidung den Ahnen dargebracht wird. E s ist bekannt, daß die Ahnen gerade Sachen und Geräte von altertümlichem Typus, die sie noch zu Lebzeiten benutzten, gern haben. I n diesem Falle ist der Hammer oder die Axt f ü r die Ahnen nötig, um die hühnerschädigende K H K H M o p a zu überwinden. Den Namen „Gott" hat wohl der Aberglaube verursacht, daß die Hühner nachts beim Hahnenschrei beten; der Stein wird auch, wie ein Heiligenbild, an die Wand gehängt. Das Wort „Gott" (6or)
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§ 27—28. Viehzucht,
hat hier die bei ungebildeten Menschen übliche Bedeutung „Heiligenbild" (HKOHa).
§ 28. Beim K a u f und V e r k a u f von Vieh wird eine ganze Reihe traditioneller Vorschriften und Zeremonien beobachtet. Es wird ein Unterschied gemacht, ob das Vieh zum Schlachten oder zur Zucht gekauft wird; im letzten Falle ist der Preis höher, weil man fürchtet, daß mit dem verkauften Vieh auch das Glück zum K ä u f e r übergeht. Die Wr. ziehen es vor, das Vieh zur Zucht nicht zu kaufen, sondern es f ü r ein anderes Stück Vieh oder einen Gegenstand zu tauschen. Wenn aber der Tauschende oder Kaufende ein noflrópHHñ ist, d. h. etwas niedriger als der Verkäufer wohnt, so gibt man es ihm um keinen Preis, aus Furcht, daß „das Glück vom Berge den Berg hinabrollen könnte", dagegen gibt man es lieber demjenigen, der höher auf dem Berge wohnt ( A n i m e l l e ) . Der Verkäufer, der sein Vieh oder Geflügel verkauft, tauscht oder sogar kostenfrei abgibt, soll heimlich beim Vieh etw as Wolle, beim Geflügel eine Feder ausreißen und dieselbe sofort sich unter die Füße werfen, indem er heimlich flüstert oder bei sich denkt: „Das Meinige ist bei mir geblieben." Sonst verliert er leicht sein Glück mit dem Vieh. Böse Menschen und Zauberer schneiden oft das H a a r aus ·— der K u h am Schwanz, dem Pferde am Schöpf, um sie nicht ganz und gar, sondern nur halb zu verkaufen: dann ist der Kauf f ü r den Käufer ungünstig und das Vieh soll zum Wirt zurückkehren. Um solches zu vermeiden, f ü h r t der Käufer das Pferd in seinen Hof nicht durch das Tor, sondern durch einen eigens zu diesem Zweck beschädigten Zaun und f ü h r t es mit den Hinterfüßen nach vorn hindurch ( L o g i n o v s k i j ) . Als allgemeine Regel gilt es, daß das P f e r d samt dem H a l f t e r (ό6ροτι>), einem einfachen Zaum, die Kuh samt dem Melkeimer oder dem Topfe, das Ferkel samt dem Stroh verkauft wird. Der Käufer bittet und bekommt außerdem etwas Geld Ha ποβοκοκ. Über den K a u f t r u n k (Moraptrari oder jiHTKH, d. i. Kauftrunk) wird gleichfalls verhandelt, wer ihn zu zahlen hat. Die Zügel (oder der Strick) werden nicht mit bloßer Hand, sondern H3 ποπη β nojiy (von Schoß zu Schoß) überreicht; der Verkäufer legt auf die Fläche seiner rechten Hand den Schoß seines Kleides, faßt damit die Zügel und übergibt sie dem Käufer in seine rechte, ebenso umhüllte Hand, die dabei über der seinigen liegen soll. Diese Übergabe „von Schoß zu Schoß" ist gleichsam eine Gütereinsetzung; ihr voran geht der „Handschlag" (y«ap no pyKaM), d. i. Händedruck als A n f a n g des Verkaufsvertrags. Der Käufer eines Pferdes nimmt seine Mütze oder etwas Erde unter den Füßen des Pferdes in seine Hand und streichelt damit das neugekaufte P f e r d am Rücken; dann f ü h r t er es um sich dreimal herum. Er vollzieht das bisweilen in seinem H o f e und grüßt dabei den Kobold (Hausgeist): „tränke, füttere und streichle mit dem Handschuh!" ( J e f i m e n k o ) . Man f ü h r t gewöhnlich jedes neuerworbene Vieh auf den Hof durch das Tor „über einen Gürtel"; die F r a u des Wirtes oder er selbst nimmt ihren Gürtel ab, legt ihn auf die Erde und nimmt ihn, nachdem das Vieh darüber hinweggegangen, wieder um ; es geschieht dies, damit das Vieh nicht vom H o f e weglaufe. Zu demselben Zwecke füttert man eine neuZ e l e n i n , Raas. (Ostslav.) Volkskunde.
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II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht.
angekaufte Kuh mit Brot auf einem Ofendeckel ( M a s k i n aus Kursk) ; oder es wird ein Büschel Wolle in die Bitze eines Pfostens auf dem Hofe eingepfropft oder am Tore in die Erde vergraben (L o g i η ο ν s k i j). Die Symbolik dieser Riten ist verständlich und bekannt. Die umhüllte, nicht bloße Hand ist ein Symbol von Reichtum. Der vom Menschen untrennbare Gürtel, ebenso wie der vom Ofen untrennbare Deckel, prophezeit in magischer Weise die Untrennbarkeit des Viehes vom Hofe des neuen Wirtes; die in eine Pfostenritze eingepfropfte oder auf dem Hofe vergrabene Wolle deutet auch auf dieselbe Untrennbarkeit hin. § 29. Das bei allen Ostslaven am meisten verbreitete rituelle Mittel f ü r den S c h u t z von Vieh (und auch Menschen) v o r E p i d e m i e n ist das U m p f l ü g e n (onàxnBam>e). Außer kleinen lokalen Unterschieden besteht dieser Ritus im allgemeinen in folgendem: Die Frauen und Mädchen eines Dorfes kommen heimlich in der Nacht zusammen, barfuß, nur mit einem weißen Hemd bekleidet und mit aufgelösten Haaren; sie spannen sich selbst vor den Hakenpflug und führen damit um das ganze Dorf eine Furche. Männer dürfen dabei nicht zugegen sein, selbst zufällig begegnende laufen Gefahr verprügelt zu werden. Die Umpflügenden machen immer viel Lärm dabei: sie haben in den Händen Sensen, Ofendeckel, Bratpfannen, Ofengabeln, Schüreisen, mit denen sie lärmen und klirren, bisweilen knallen sie auch mit Peitschen. Im Kreise Dankov wird sogar mit Flinten geschossen. Neben diesen klirrenden Gegenständen kommt auch der Ofenwisch vor: er wird entweder in Händen getragen oder ersetzt ein Pferd, auf dem ein Weib reitet; seltener sind Büschel von Leuchtspänen oder Stroh, die man später anzündet, Stäbchen von trockenem Lindenholz (jiyróiiiKii), blätterlose Badebesen, ein Viehschädel (bei den Mordwinen: ein Bärenkopf), ein lebendiger Hahn u. dergl., endlich heilige, christliche Gegenstände: Heiligenbilder, Kerzen und besonders Weihrauch in einem Rauchfaß oder einem einfachen Topf mit glühenden Kohlen. Beim Führen der Furche wälzt der Hakenpflug die Erde nach der dem Dorfe entgegengesetzten Richtung. In die Furche wird zuweilen etwas Sand geschüttet (Kursk, Voronez), seltener Samenkörner gesät, die heimlich aus allen Dorfhäusern gesammelt wurden (Niznij-Novgorod). In Vologda wird neben dem Hakenpfluge noch eine umgekehrte Egge geschleppt ( S u s t i k o v ) . An Kreuzwegen wird mit dem Hakenpflug ein Kreuz gefurcht und dabei Weihrauch oder Tauweihrauch in die Erde vergraben. Zum Schluß wird oft noch ein Hund oder eine Katze oder ein schwarzer Hahn (der letztere im Kreise Borisov sogar in einem Mannskleide) lebendig begraben ( S e i n ) . Die den Hakenpflug ziehende Frau legt oft ein Pferdekummet an. In einigen Gegenden ist es obligatorisch, daß es eine schwangere F r a u sei, in anderen eine keusche J u n g f r a u , eine Witwe oder eine Ehefrau, die noch keine Kinder geboren hat. Öfter wird Keuschheit gefordert , so daß man junge Mädchen oder Witwen vorzieht. Für den Kreis R'azañ gilt eine besondere Bedingung: die Frau soll schwarzes Haar haben (Oiihc. pynon. 1181). In R'azaii ackern zwei Witwen: die Mutter führt den Hakenpflug,
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§ 28—29. Viehzucht.
die Tochter zieht ihn. An Kreuzwegen findet ein Dialog s t a t t : „Wer pflügt v o r a u f ? " — „Die Mutter auf der Tochter." — Die Zahl der Teilnehmenden ist zuweilen begrenzt: 9 Mädchen und 3 Witwen (Kaluga), 12 Mädchen (Jaransk), häufiger aber eine große Menge Frauen. I m Kreise Vereja tragen die Pflügenden nicht weibliche, sondern männliche H e m d e n , in Saratov S a r a f a n e ; in K a l u g a , Minsk und Tver gehen die F r a u e n ganz nackt beim Umpflügen. Zulassung von Männern findet sich nur in einigen Gegenden der Gouv. R'azan und Tambov; in Dankov gehen junge Männer voran und schießen m i t Flinten. Bei den Wr. des Gouv. Grodno pflügt ein M a n n ; er soll aber ein Zwilling sein, oder es werden als Pflüger zwei Zwillinge beschäftigt ( S e i n ) . H i e r wird nicht mehr mit Frauen, sondern mit einem P a a r von Ochsenzwillingen von weißer Farbe gepflügt; der Hakenpflug und alles übrige Gerät soll auch von Zwillingen verfertigt sein. I m Minsker Polesje geschieht das Umpflügen auch auf schwarzen Katzen, H ä h n e n und Hunden (OnHC. pyKon. 300), im Gouv. Novgorod auf einer jungen Färse (M a k s i m o ν 261). Die Prozession wird möglichst geheimnisvoll vorbereitet und vollzogen; sonst wird das Ziel nicht erreicht. Wenn die Pflügenden auf dem Wege einem lebenden Wesen begegnen, so töten sie die Tiere (besonders schwarze), zerreißen sie in Stücke, weil man in ihnen den personifizierten „Kuhtod" (d. i. eine Epidemie) sieht; Menschen aber prügelt man halbtot. Stellenweise wird das Umpflügen auch als „den Tod vertreiben" (cMepTh γοηηιοτ) bezeichnet. Die Umpflügenden r u f e n o f t : 3apy6nió! 3aceny! ,ich zerhaue, zerpeitsche dich' (Moskauer Gouv.) oder : cerni ero ! py6n ero ! ,haue ihn, peitsche ihn' ; man schlägt die Erde mit Äxten an Kreuzwegen (R'azan) oder es wird gesagt: γοηη, γοηη! 6eü! hojioü c Hauieit 3θμλη! ,jage, jage, schlage! weg von unserm Boden!' (Tambov). Stellenweise singt man lustige Lieder, u m dem zu vertreibenden Tode zu zeigen, daß man ihn nicht f ü r c h t e t (Ranenburg); öfter aber singt man traurige Grabgesänge ζ. B. : „Gehe heraus (2) Aus dem Felde, aus dem D o r f e ! W i r kommen (2) 9 Mägde, 3 Witwen, Mit Weihrauch, mit Kerzen, Mit heißer Asche! W i r verbrennen dich mit Feuer, Vergraben dich mit Schüreisen, Fegen dich weg mit dem Ofenwisch, Schlagen mit Asche auf dich ein ! Gehe heraus (2)!"
Buörh boh (2) Ma noHMeTa, H3 cena! Mu njjeM (2) 9 λθβοκ, 3 β^οβη, Co jiajjaHOM, co ceeibMH, Co ropaieft co sojiott! Mm ογηθμ τβδπ com/ΚβΜ, Koieproö aarpeöeM, ΠοΜβποΜ 3aMeTeM, Ποπθπομ 3a6bëM ! Button boh! (2)
Dieses Lied aus Kaluga ist ein Ausdruck der volkstümlichen Ansicht von der Ausrüstung der Umpflügenden mit Ofenwischen, Schüreisen, Ofendeckeln und Rauchfässern. 5*
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II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht. Ein Lied aus dem Kreise Niznedevick (Voronezer Gouv.) lautet: „Wunderbares Wunder! Mägde pflügen, Weiber streuen Sand aus! Wenn der Sand aufschießt, Dann kommt zu uns der Tod!"
BotfliiBO,BOT iyao: JleBKH narnyT, Baßti necoK pacceeawT! Korfla necoK B3ottfleT, Torjia κ HaM ΟΜβρτι» ηρκ^βτ!
Die Grundelemente dieses Ritus sind leicht zu erkennen. Erstens, Verscheuchen des „Kuhtodes", der gewöhnlich in Gestalt einer Frau, die sich in allerlei Tiere verwandeln kann, verkörpert wird. Das Verscheuchen wird erzielt durch Feuer, Geschrei, Drohen, Nacktheit der Frauen, sowie eisernes und anderes Gerät, das auch mit dem Herdfeuer verbunden ist. Zweitens findet sich die Beschreibung eines magischen Kreises, der die Seuche ins Dorf nicht zuläfit, mit einem Eisen. Die Ungewöhnlichkeit und Heimlichkeit der dabei vorkommenden Verhältnisse und Bedingungen macht diesen Kreis f ü r böse Mächte besonders unzugänglich. Etwas Ähnliches sind auch „eintägige" Gegenstände, die auch als Schutzmittel gegen Epidemien (§ 30) dienen. Schließlich findet sich Tötung des Todes, der in Gestalt eines schwarzen Hundes, Vogels und anderer schwarzen Tiere personifiziert ist. Zuweilen wird dieser personifizierte Tod nicht getötet, sondern lebendig in die Erde vergraben. Dabei hat man nicht denjenigen Tod im Auge, der jenseits des magischen Kreises geblieben ist, sondern den Tod, der im Dorfe weilt : der schwarze Hahn oder ein anderes schwarzes Tier, das diesen Tod ganz und gar verschlingt, wird mit ihm in die Erde vergraben. Da tritt ganz klar das reinigende Element dieses Ritus hervor. Das Vorhandensein nackter schwangerer Frauen und Zwillinge, die Aussaat von Sand oder Getreide — das alles könnte wohl auch von magischer Stärkung der Lebenskraft, der Fruchtbarkeit, eines Prinzips, welches dem zu vertreibenden Tode entgegengesetzt ist, sprechen. Wir haben aber bessere Gründe, darin ein einfaches Streben zu sehen, eine höchst ungewöhnliche Umgebung f ü r ein so gewöhnliches Verfahren, wie das Pflügen, zu schaffen. Dieselbe Tendenz sehen wir auch in den Fällen, wo man mit einem Hahn, einem Hunde und einer Katze umpflügt, oder wenn verlangt wird, daß unbedingt ein Zwilling den Hakenpflug und das ganze Gerät verfertige. Bei den Ukrainern kommt dieser Ritus selten vor, nur im Polesje; er verschwindet unter dem Einfluß der abendländischen Kultur. Bei den Wr. haben sich neue Elemente des Ungewöhnlichen entwickelt: eine ganze Reihe verschiedener Zwillinge nimmt Teil daran. Weit verbreitet ist auch bei den Wr. der konkurrierende Ritus mit dem eintägigen Handtuch (§ 30). Bei den Grr. ist der Ritus des Umpflügens ebenso weit im Norden, wie im Süden verbreitet und besitzt auch jetzt noch Lebenskraft. § 30. I n anderen Riten, die den Schutz des Viehes vor Epidemien bezwecken, finden wir dieselben Elemente, wie beim Umpflügen, nur voneinander getrennt vor. I n Sibirien ζ. B. wird das Vergraben lebendiger Katzen und Hunde ohne Zusammenhang mit dem Umpflügen ausgeübt, als ein selb-
§ 29—30. Viehzucht.
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ständiges M i t t e l , u m die E p i z o o t i e einzustellen ( L o g i n o v s k i j 21). Im K r e i s e K o r s u n v e r g r ä b t m a n i n der N ä h e des H a u s t o r e s l e b e n d i g e i n e K a t z e u n d e i n e n H a s e n , „ d a m i t die S c h a f e g e b ä r e n " (OnHC. pyKon. 1303); den H a s e n v e r g r ä b t m a n m i t dem H o f e z u g e w a n d t e m K o p f , die K a t z e aber m i t dem K o p f n a c h d e r Straße zu ; d. h. es wird e i n e r noch n i c h t b e g o n n e n e n , k ü n f t i g e n E p i d e m i e vorgebeugt. I m Gouv. S a r a t o v v e r g r ä b t m a n e i n h o f f n u n g s l o s e r k r a n k t e s V i e h u n b e d i n g t n o c h l e b e n d i g u n d in stehender H a l t u n g in e i n e r t i e f e n G r u b e u n w e i t des H a u p t t o r e s (ibid. 1274). O f t vergräbt m a n z u s a m m e n m i t d e m ersten e i n e r S e u c h e z u m O p f e r g e f a l l e n e n V i e h a u c h e i n e lebend i g e K a t z e u n d einen H u n d (Niznij-Novgorod-Gouv. ; ibid. 796) oder einen l e b e n d i g e n H a s e n (Vladimir-Gouv. ; Ζ a ν o i k o). D i e s t e h e n d e S t e l l u n g des v e r g r a b e n e n Viehes in der G r u f t ist wohl a u c h m a g i s c h zu d e u t e n ; es wird i n s t e h e n d e r S t e l l u n g begraben, „ d a m i t es s t e h e " , d. h. sich e r h a l t e u n d n i c h t a u s g e r o t t e t werde. D a s V e r g r a b e n eines l e b e n d i g e n T i e r e s b e d e u t e t symbolisch, wie wir schon gesehen h a b e n (§ 29), die R e i n i g u n g von e i n e r schon ins D o r f g e d r u n g e n e n S e u c h e : sie f ä h r t ins l e b e n d i g e T i e r h i n e i n , wird d u r c h dasselbe personifiziert u n d m i t i h m v e r g r a b e n . D a s B e g r ä b n i s n a h e d e m T o r e des H a u s e s h a t d e n Zwecky d e n „ K u h t o d " i r r e z u f ü h r e n , bei seinem E i n t r i t t soll er s o f o r t ersehen, d a ß h i e r das sämtliche Vieh schon gestorben ist u n d f ü r i h n h i e r n i c h t s zu t u n ist. B e s o n d e r s c h a r a k t e r i s t i s c h h a t sich dieses Motiv in e i n e m R i t u s von Tobol'sk, welches das U m p f l ü g e n ersetzt, a u s g e p r ä g t . D a s g e f a l l e n e V i e h wird i n der N a c h t auf den ä u ß e r s t e n H o f des D o r f e s gebracht u n d a m T o r e v e r g r a b e n ; d a r a u f l ä u f t eine n a c k t e F r a u m i t a u f g e l ö s t e m H a a r v o m T o r e dieses H a u s e s z u m Tore der nocKÓTHHa (Weideplatz) h i n u n d wieder zurück, o h n e sich u m z u w e n d e n u n d spricht dabei, es sei alles V i e h schon g e f a l l e n u n d der K u h t o d habe jetzt im D o r f e n i c h t s zu t u n (Toßoji. Ty6. Bîâom. 1864, N r . 21, S. 161). Andere reinigende Riten während der Epizootien verwenden F e u e r und W a s s e r als r e i n i g e n d e E l e m e n t e . I m K r e i s e J e n o t a j e v s k läJJt m a n das Vieh bei A u s b r u c h e i n e r Viehseuche d u r c h s W a s s e r schwimmen (OnHC. pyKon. 7 7 ) . F a s t ü b e r a l l t r e i b t m a n das V i e h ü b e r S c h e i t e r h a u f e n hinweg, wobei diese l e t z t e r e n n i c h t m i t gewöhnlichem, sondern m i t „ l e b e n d i g e m " F e u e r , d. h. e b e n erst d u r c h das R e i b e n zweier H o l z s t ä b c h e n g e w o n n e n e m (§ 41, 43) ang e z ü n d e t werden. Dieses „ l e b e n d i g e " F e u e r gilt als viel r e i n e r u n d besser r e i n i g e n d , als ein anderes, n a t ü r l i c h deshalb, weil das die a l t e r t ü m l i c h s t e A r t der G e w i n n u n g von F e u e r ist. W a c h o l d e r gilt auch als das beste M a t e r i a l f ü r diese r e i n i g e n d e n S c h e i t e r h a u f e n . W e n n die Seuche d u r c h F e u e r u n d Wasser vernichtet wird, so ist die E r d e i m s t a n d e dieselbe zu v e r s c h l i n g e n ; m a n b r a u c h t n u r das k r a n k e V i e h „ d u r c h die E r d e " zu treiben. Dieses w i r d d a d u r c h erreicht, daß a n e i n e m B e r g a b h a n g oder in e i n e m H ü g e l ein T u n n e l a n g e l e g t wird oder daß auf d e m F e l d e speziell ein „ i r d e n e s " T o r e r r i c h t e t wird. D a s T u n n e l e i n r i c h t e n k o m m t besonders o f t i m W o l g a g e b i e t vor. W ä h r e n d das V i e h d u r c h den T u n n e l g e t r i e b e n wird, wird d a r i n h ä u f i g ein S c h e i t e r h a u f e n a n g e z ü n d e t ; i n dieser W e i s e wirken gleichzeitig zwei R e i n i g u n g s m i t t e l z u s a m m e n . W e n n
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II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht.
d a s k r a n k e V i e h den irdenen Tunnel passiert, übergibt es die Seuche dem Erdboden, ebenso wie die K r a n k h e i t eines Kindes einer wachsenden Eiche übergeben wird, wenn m a n im Stamme derselben eine Öffnung verf e r t i g t , durch die das kranke K i n d hindurchgezogen wird (§ 109). D i e W r . weben während einer Vieh- u n d Menschenseuche d a s sog. „ e i n t ä g i g e " H a n d t u c h . Die F r a u e n und Mädchen eines Dorfes kommen abends m i t Spinnrädern u n d allerlei Webegeräten z u s a m m e n ; während einer N a c h t müssen sie die f ü r das H a n d t u c h nötige Leinwand spinnen u n d weben. Dieses eintägige Stück Leinwand wird außerhalb des D o r f e s am sog. Todeswege angeschlagen, u m als Schutz vor dem Tode zu dienen. A n anderen Orten wird das H a n d t u c h u m das Dorf h e r u m g e t r a g e n ; auch treibt m a n das Vieh über dieses H a n d t u c h hinweg oder Menschen gehen unter ihm hindurch. I m letzteren F a l l e wird gleichzeitig ein Scheiterhaufen errichtet, über den die Menschen u n t e r diesem H a n d t u c h zu gehen haben. Schließlich wird das H a n d t u c h verbrannt oder in die E r d e vergraben. Bisweilen hängt m a n es a n ein speziell d a f ü r angefertigtes hölzernes K r e u z ; es wird außerhalb des D o r f e s auf dem Felde aufgestellt an einer Stelle, wo das Vieh o f t hinkommt oder durchgetrieben wird. Schließlich h ä n g t m a n dieses H a n d t u c h auch a n e i n Heiligenbild in der Kirche. Dieser R i t u s wird während einer Nacht, vor S o n n e n a u f g a n g vollzogen. Zuweilen werden dabei auch sämtliche Spinn- u n d Webegeräte, mit denen es angefertigt wurde, verbrannt. So bildet das eintägige H a n d t u c h in einigen F ä l l e n den magischen K r e i s oder die magische Linie, die eine Seuche nicht überschreiten darf. Iii anderen F ä l l e n n i m m t das H a n d t u c h die Seuche in sich auf und verschlingt sie gleichsam. Selten kommt ein solches H a n d t u c h bei den X g r r . vor; noch seltener bei den Mordwinen. I n der Volksmedizin der X g r r . kommen t auch andere „eintägige" Gegenstände vor, ζ. B . : Bier, Q u a r k u. dgl. I n alter Zeit war bei den X g r r . der B r a u c h weit verbreitet, während der Seuchen „eintägige" K i r c h e n zu bauen. Die ältesten Fälle solcher Kirchenbauten gehören ins E n d e des 14., die spätesten ins 17. J a h r h . E s ist unmöglich in diesen „eintägigen" H a n d t ü c h e r n und K i r c h e n ein Überleben alter gemeinschaftlicher Arbeiten zu verkennen. Schon der soziale Charakter macht sie gewissermaßen heilig; sie sind außerdem während ihrer V e r f e r t i g u n g ganz f r e i von unreinen M ä c h t e n ; deshalb sind sie einerseits unbedingt rein, andrerseits dem Wirken einer bösen Macht ganz unzugänglich, weil diese Macht n u r auf solche Gegenstände einwirken u n d durch solche Gegenstände wirken kann, die sie k e n n t . Solche Schutzmittel, wie Mohn, Fischernetz usw. sind n u r darum wirksam, weil die böse Macht es nicht weiß, wieviel Mohnhäuser in jedem gegebenen Falle, wieviel K n o t e n im Fischernetze sind usw. Später betrachtete man das Bauen „eintägiger" Kirchen ebenso wie die A n f e r t i g u n g „eintägiger" H a n d t ü c h e r als eine Äußerung f r o m m e n christlichen E i f e r s . D e r organische Zusammenhang eintägiger Gegenstände m i t den Epidemien läßt keinen Zweifel darüber, daß ihre ursprüngliche B e d e u t u n g eine andere war.
§ 30—31. Viehzucht.
Fischfang.
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Β . D e r Fischfang. §31. Die F i s c h e r e i erseheint bei den Ostslaven nur in sehr wenigen Gegenden als Hauptbetätigung zur Erwerbung der Nahrung. D i e jetzige Ansicht darüber findet ihren Ausdruck in dem grr. Spruch: „Fisch und Eebhuhn — verlorene T a g e " (pwôita NA ρηόκπ — ποτβρπτΒ ΗΘΗΙ>ΚΗ), d.h. Fischerei und Jagd bedeuten Zeitverlust. D i e ältesten Arten des Fischfangs werden jetzt ziemlich selten angewandt, weil sie auf eine große Menge von Fischen im Fluß berechnet waren. Dazu brauchte man nicht einmal ein Gerät; man fing die Fische mit den HändenBei günstigen Verhältnissen kommt solches auch jetzt noch vor. V o l k ο ν (Ükraina), R o m a n o ν und J e r e m i c (Weißrußland) beschreiben diesen Fischf a n g mit den Händen, der sich wenig von der A r t unterscheidet, wie das T i e r den Fisch mit der P f o t e greift. N a c h J e r e m i é (1868) fangen Kinder in trockenen Jahren Fische in ausgetrockneten Teichen; mit ihnen konkurrieren dabei Schweine. I m Winter Ha npoayxe, d. h. wenn Fische unter dem Eis vor Mangel an frischer L u f t ersticken und sich massenweise an einer nicht gefrorenen Stelle so dicht sammeln, daß ein dazwischen gesteckter P f a h l feststeht, wie wenn er in die Erde eingekeilt wäre, da braucht man nur die Fische mit den Händen aufs Eis zu werfen. I m Sommer fängt man mit den Händen direkt vom Kahn aus Schleie und Aalraupen; in Höhlen und im Gras am U f e r färigt man auch andere Fische und Krebse. Diese letzteren lockt man in der Nacht mit Licht an, indem man einen Packen Holzspäne am U f e r anzündet, auch mit einem Stück Fleisch, das an einen Stock gebunden ist (wr. :ni6e;ia, JIIÎÔHJIO). Schöpfendes Gerät f ü r den Fischfang erfüllt denselben Zweck wie die Hand des Menschen, nur mit größerem E r f o l g . So ζ. B. der H a m e n (caK, céraa, HaMëT ; wr. c a w K , Torrr^xa, T o i r r á n a ; ukr. XQÄTKa, niacána) ; meistenteils aus Zwirn geflochten, hat er die F o r m eines kegelartigen Sackes, der an einem hölzernen Halbkreis befestigt und mit einem langen Stiel (bis 650 cm) versehen ist. Damit „schöpft" man ( c a n á i o T , c á n a T ) die Fische zur Zeit des Eisgangs im trüben Wasser; oder man legt ihn auf den Flußboden und führt ihn längs dem Boden ans U f e r ; bisweilen werden die Fische in den Hamen dadurch hineingetrieben, daß man mit den Füßen strampelt usw. E i n anderes sehr ähnliches Gerät, nur ohne Stiel, wird auf den Flußboden gelegt, öfter mit einer Lockspeise, und nachher mit H i l f e eines angebundenen Strickes h o c h g e z o g e n (d. i. nónwa, no^'ein). Als Hilfsmittel dazu wird zuweilen auch das V e r g i f t e n der Fische mit dem Fischkörnerstrauch verwendet. Andere Arten des Fischfangs bestehen darin, daß man Fische mit stumpfen oder spitzen Geräten schlägt. W e i t verbreitet ist bei allen Grr. und W r . die Art, „den Fisch zu betäuben" ( r a y i i i H T b ρώδν) ; bei den Ukrainern ist sie nicht bekannt. Sie wird angewendet im A n f a n g des Winters, wenn die Eisdecke über dem Wasser noch dünn und durchsichtig ist. Man nimmt einen hölzernen Schlägel (sog. KHÄ, KÓJIOT; wr. «OBÔABÉUIKA, HOBÔÉUIKA) und schlägt damit stark aufs Eis an der Stelle, wo unbeweglich stehende Fische bemerkt werden.
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II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht.
Sie verlieren f ü r eine Zeitlang ihre Bewegungsfähigkeit und tauchen in die Höhe, wo sie mit den H ä n d e n gefangen werden. Von den spitzen Fischereigeräten hat sich bei allen Ostslaven n u r die F i s c h g a b e l (ocTporá; wr. ócth; ukr. óctí, caHflójiH, caHAÓBa) bewahrt. Eine solche wr. Fischgabel ist auf Abb. 24 dargestellt, ohne Holzstiel, m i t acht Z ä h n e n ; oft aber kommen auch Fischgabeln mit einer kleineren A n zahl von Zähnen, drei bis f ü n f , vor. E i n jeder Zahn ist mit einem kleinen spitzen Zacken, der von der Zahnspitze nach Abb. 24. oben geht, versehen. Die Grr. nennen den F i s c h f a n g m i t der Wr. Fischga- ocTporá gewöhnlich : Jiyi, aynéitte (eig. Beleuchtung). Diese Bebel aus dem n e n n u n g ist darauf begründet, daß diese A r t des F i s c h f a n g s J^ 0 ® 1 sich nur in dunkeln Herbstnächten bei künstlicher Beleuchtung durchführen läßt. E s werden Fichtenkienspäne gebrannt; d a f ü r h a t m a n auf dem Schnabel des Kahns eine besondere eiserne Vorrichtung. Sie heißt im Wr. KaráH (s. Abb. 25) und im Ngrr. Koaá. (s. Abb. 26, aus dem Gouv. Vologda). Die Kohlen der gebrannten Kienspäne f a l l e n ins Wasser, das helle Licht beleuchtet das Wasser bis zum Boden an den seichten Stellen, wo die Fische gewöhnlich schlafen. Der jlyMeöHHK (ein mit der Fischgabel arbeitender Fischer) schlägt den Fisch mit der Fischgabel u n d zieht ihn dann heraus. Auf dem Weißen Meer wird zum F a n g e n von Seetieren und Fischen auch eine H a r p u n e gebraucht; sie heißt dort KyTHJio. Sie unterscheidet sich von der Fischgabel dadurch, daß sie mit einem Strick an das Boot gebunden wird und nur einen Zahn mit Zacken hat, der sich bei einigen Arten leicht vom Stiele trennt, wenn er einen Fisch durchbohrt. Die H a r p u n e schleudert man, mit der Fischgabel aber sticht m a n Fische, ohne den Stiel aus der H a n d zu lassen. des
Abb. 25. Wr. Vorrichtung zur Beleuchtung des Wassers beim Fischfang mit der Fischgabel (Gouv. Mogilev).
Viel seltener kommt jetzt ein anderes stechenGerät f ü r den Fischfang, der sog. 6aróp
Abb. 26. Ngrr. Vorrichtung zur Beleuchtung des Wassers beim Fischfang (Gouv. Vologda.)
(Fischhaken), vor. E s ist ein einfacher eiserner, an einem langen dünnen Stiel befestigter Haken. Am Uralfluß, wo der F a n g mit dem Fischhaken (SárpeHbe) sich bis jetzt erhalten hat, schwankt die Länge des Stiels von
§ 3 1 - 3 2 . Fischfang.
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5 m (sog. copMOBÓft 6aróp, d. h. beim Fang an seichten Stellen, die hier copMá genannt werden, gebraucht) bis zu 18 m. Der Stiel besteht aus drei hölzernen Teilen: HáBH3b, κομθπθκ und ßarpoBiime. Man fängt Fische mit dem Fischhaken im Winter: nachdem man eine Stelle entdeckt hat, wo ein Zug Fische stehengeblieben ist (htóbi>), haut man in das Eis ein Loch, senkt den Fischhaken hinein und bewegt ihn darin auf und nieder. Auf diese Weise faßt man darin die Fische. Sehr selten wird ein kurzer Fischhaken mit Kiemen (sog. aöpauiKa) gebraucht. Außer im Uralgebiet wird der Fischhaken auch am Baikal-See gebraucht, auch auf den Seen in Beßarabien, wo die Ukrainer damit Karpfen im Winter fangen. Dort nennen sie ihn »HBOflip. Auf dem Weißen See und dem Onega-See werden sog. κοκοτκιί gebraucht. Es ist eine Art kleiner Anker, dessen vier Pfoten mit spitzen und zackigen Haken versehen sind. Der Anker wird an einem Strick auf den Flußboden durch ein Eisloch gesenkt und dann sofort in die Höhe gezogen; so wird er immer gesenkt und gehoben, bis man eine Quappe fängt. Die allbekannten Angeln unterscheiden sich von diesen Haken dadurch, daß an eine Angel ein Köder gesteckt wird. Aber auch Hakengeräte ohne Köder sind heute sehr verbreitet. Von dieser Art seien die schon längst verbotenen, aber überall gebrauchten Angelgeräte (nepeMÖTH), auch lepras CHacTB, üiauiKÓBaH CHacTt, 6aji6époκηβοτη4η CHacTb, inácejitra. § 32. Als ein weiterer Typus von Fischereigeräten sind allerlei F a l l e n anzusehen. Sie werden aus feinen Baumgerten oder aus Zwirn geflochten; sie haben die Form eines Kegels, in den ein anderer kürzerer Kegel gelegt wird (s. Abb. 27, wo eine Reuse, Beprna, aus dem Gouv. Vologda, KiiHtrá genannt, dargestellt ist). Geräte dieser Art unterscheiden sich voneinander durch manche Einzelheiten und durch das Material, aus dem sie angefertigt sind : einige werden aus Gerten, meistenteils von Wasserweiden, verfertigt ; das sind die Beprna, Abb. 27. Ngrr. Reuse aus Gerten HepeT, Mop«a und Mepaa, KHHrá, cypna, Kyma, (aus dem Kreise Sol'vycegodsk). KypjjwM, K$6api>; wr. nom; ngrr. OTUK^niKa, BepecqáHKa; die beiden letzteren Namen (Gouv. Vologda) werden dadurch erklärt, daß sie ringsherum mit Wacholderzweigen umgeben werden. Mepënta, K^pMa, KOMJiái, KpiuiëHa, , βητθπβ, Béirrepb, wr. »an, werden aus Zwirn geflochten; die fünf letzten haben Flügel an den Seiten. Sgrr. 6effá, xan(6)onia,
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II. Viehzucht. Fischfang und Bienenzucht.
u k r . HTcpb, ήτίρ; n g r r . BaH^a, h>k zeichnen sich d u r c h i h r e Größe a u s u n d werden aus G e r t e n u n d a u c h a u s Zwirn a n g e f e r t i g t ; sie werden ζ. B. auch a n der Durchbruchsstelle eines M ü h l d a m m s a u f g e s t e l l t . D i e N g r r . beschmieren zuweilen das I n n e r e der R e u s e n m i t K ö d e r (Lockspeise) f ü r Fische u n d solche Reusen werden HaMa3^iuKH g e n a n n t . Gewöhnlicher ist ein anderes V e r f a h r e n , um F i s c h e in R e u s e n u n d F a l l e n zu locken. D e r F l u ß wird q u e r g e g e n die S t r ö m u n g m i t e i n e m f ü r F i s c h e u n d u r c h d r i n g l i c h e n Z a u n e abgesperrt, in der M i t t e dieses Z a u n e s wird eine schmale Stelle f r e i gelassen, a n der die Reuse auf den F l u ß b o d e n gestellt wird. So s i n d die Fische gezwungen, in die R e u s e zu gehen, da sie k e i n e n a n d e r e n D u r c h g a n g h a b e n ; aus d e r R e u s e ist aber ein E n t r i n n e n u n m ö g l i c h . D i e Z ä u n e im F l u ß sind von zweierlei A r t e n : 1. leichte, a u s f e i n e n H o l z · p l ä t t c h e n , a u s S c h i l f r o h r , a u s S t r o h m a t t e n a n g e f e r t i g t e , sie heißen κοτι;ώ, u k r . KiTitf, κότΗ, rapa, wr. KOTijw, 3aKÓTM. 2. starke u n d schwere, die sogar den E i s g a n g im F r ü h l i n g v e r t r a g e n können ; diese w e r d e n a u s P f ä h l e n verf e r t i g t u n d heißen eaó 3ae3KH, 3aKÓJiM, aanópti, >Ka.i ; wr. auch e3; u k r . Ϊ3. A u f Abb. 28 ist ein solcher 3aKÓn, der auf d e r A n g a r a in Sibirien V e r w e n d u n g findet, dargestellt. V o r dem A u f k o m m e n von D a m p f e r n Abb. 28. Fisclizaun zum Fischfang auf dem w u r d e a u c h die K a m a in Culvm-Flusse in Sibirien. ihrem unteren L a u f e unw e i t der M ü n d u n g des V ' a t k a - F l u s s e s d u r c h solche P f a h l w e r k e abgezäunt. J e t z t werden auf g r o ß e n F l ü s s e n n u r npiiöpeamiiKH k o n s t r u i e r t , d. h. P f a h l werke, die nicht über die g a n z e F l u ß b r e i t e gehen, sondern n u r 10—20 m vom U f e r e n t f e r n t sind. A u ß e r R e u s e n u n d ä h n l i c h e n Fallen, von d e n e n schon die R e d e war, werden i n P f a h l w e r k e n noch andere F a l l e n gestellt. Z u i h n e n gehört ζ. B. d e r KyTeij — eine A r t l a n g e r u n d breiter Sack ( H a m e n ) von 6 m L ä n g e . I n n e r h a l b dieses Sackes w e r d e n F ä d e n durchgezogen, d e r e n E n d e n zum Fischer, der oben auf e i n e m solchen P f a h l w e r k sitzt, f ü h r e n ; die E n d e n dieser F ä d e n (sog. nócnyxw) wickelt der Fischer u m seine F i n g e r oder Ohren. M i t i h r e r H i l f e m e r k t er j e d e B e w e g u n g des Sackes, die d u r c h d a r i n g e f a n g e n e F i s c h e v e r u r s a c h t wird u n d deckt den Sack sofort zu. Z u w e i l e n werden die E n d e n dieser F ä d e n (nóc.iyxii) a n eine gebogene G e r t e g e b u n d e n , a n der e i n e Glocke h ä n g t : das L ä u t e n dieser Glocke ist f ü r d e n F i s c h e r ein Zeichen, d a ß e i n F i s c h g e f a n g e n worden ist. E i n P f a h l w e r k m i t e i n e r solchen F a l l e wird céHta (zum V e r b u m cn^ÓTb, urspr. cbatTii) g e n a n n t .
§ 32. Fischfang.
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E s sind noch zwei e i g e n t ü m l i c h e F a l l e n n ä h e r zu b e t r a c h t e n , die m i t den P f a h l w e r k e n nichts g e m e i n h a b e n . D i e Sgrr. aus dem Gouv. O r e l stellen im H e r b s t a n t i e f e n P l ä t z e n n a h e des U f e r s F i s c h b e h ä l t e r (carità) a u f ; es ist ein g r o ß e r a u s R e i s i g a n g e f e r t i g t e r K ä f i g ohne B o d e n u n d ohne e i n e Seite. E i n d e r a r t i g e r K o r b wird am F l u ß b o d e n b e f e s t i g t u n d von oben m i t H o l z s t a n g e n und S c h u t t bedeckt. I m S p ä t h e r b s t sammeln sich d a r i n Scharen von F i s c h e n , um a n einem solchen e i n s a m e n O r t zu ü b e r w i n t e r n . I m W i n t e r w ä h r e n d der Frostzeit werden sie von F i s c h e r n d u r c h L ä r m h e r a u s g e t r i e b e n ; die a u f g e s c h e u c h t e n F i s c h e g e r a t e n so in e i n e n a n die S e i t e n ö f f n u n g des Käfigs g e h a l t e n e n Sack. D i e U k r a i n e r a n den L a g u n e n des Azowschen Meeres b r a u c h e n zum F i s c h f a n g des M e e r al ants den sog. D i e l e n l ä u f e r (uopÓKita) oder die HaKaiwa •(eigtl. a u s S c h i l f r o h r g e m a c h t ) . E s ist e i n e A r t von T e p p i c h aus S c h i l f r o h r , g e g e n 3 m breit u n d 15—20 m l a n g , dessen S ä u m e n a c h oben u n d n a c h u n t e n zu gebogen sind u n d R ä n d e r bilden. Solche D i e l e n l ä u f e r werden in stillen u n d klaren, aber mondlosen N ä c h t e n ü b e r die Wasserfläche gebreitet. E s ist bek a n n t , daß M e e r a l a n t e sich vor d u n k e l n G e g e n s t ä n d e n u n d s o g a r vor Schatten i m W a s s e r f ü r c h t e n u n d i m m e r d a r ü b e r hinwegzuspringen versuchen. Sie s p r i n g e n d a r ü b e r u n d f a l l e n auf d e n Teppich, von wo sie n i c h t m e h r zurück k ö n n e n : die n a c h i n n e n g e b o g e n e n T e p p i c h r ä n d e r v e r h i n d e r n dast Netze sind eigentlich auch F a l l e n . I n e i n e m N e t z e vefwickelt sich der F i s c h in •den Maschen: solche N e t z e werden meistenteils im W a s s e r unbeweglich, senkr e c h t a u f g e s t e l l t u n d bestehen aus zwei R e i h e n (sog.. W ä n d e n ) , d e r e n erste loser, d e r e n zweite d a g e g e n dichter ist; so etwas heißt a u c h S t e l l g a r n (Stellnetz) — CTâBHHe ceTH. L o k a l e N a m e n d a f ü r s i n d : τβΗβτό (Pskow, eigtl. S p i n n e n g e w e b e ) ; ρβκκέκ u n d nacTymna (d. i. ein loses m i t g r o ß e n Maschen u n d ein dichtes N e t z m i t k l e i n e n Maschen) ; f e r n e r axáH, ßoTaribHHija, n.iáeeHKa, nóiraaBb, MepcÓBKa, Ká.iera, MepevKa; wr. Kpiíra, yKJiéüHH, ceTb; u k r . ciTt, cÍTua, áea. E i n e a n d e r e A r t von n e t z a r t i g e n F a l l e n ist d a s Z u g n e t z (ΗΘΒΟΗ), das •aus e i n e m großen B e u t e l (sog. Mamá, Máxima, KHeá, Kopiná) u n d „ F l ü g e l n " an
Abb. 29. Ngrr. Zngnetz (Gouv. Vologda). « e i n e n S e i t e n besteht (s. Abb. 29). F i s c h e werden i m B e u t e l m i t g e z o g e n . Die L ä n g e des Zugnetzes schwankt, j e n a c h d e r Größe des F l u s s e s oder des Sees, von 85—650 m. D a s große Z u g n e t z , ζ. B . der sog. Tarác auf d e m Weißen See (Beloozero), besteht a u s m e h r e r e n T e i l e n m i t M a s c h e n von verschiedener 'Größe, die verschiedene N a m e n t r a g e n : npHTÓH oder KOCHK, najieBKa, TaracÓK oder lacTán, MepëjKKa, peßK^iHKa. E i n solches Z u g n e t z v e r l a n g t 25—40 Arb e i t e r , die eine besondere G e n o s s e n s c h a f t m i t e i n e m g e w ä h l t e n O b m a n n (ßa•laMáH) bilden. E i n gewöhnliches Z u g n e t z (eanác, HéBeg; u k r . Heßi«) verlangt
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II. Viehzucht, Fischfang und Bienenzucht.
im Sommer 4—12 Arbeiter, im Winter aber, wenn es unter dem Eise von einem Eisloch zum andern geschleppt wird, 10—14 Mann; ein K e p e r ( e ) Ó H — 3 Mann auf einem Boot; der ian — 4 Mann; der mjth¿k — 2 Mann ; der MyTHiht hat besonders feine Maschen und besondere Stricke, die das Wasser trüben. Zum Zugnetztypus, gehört auch der 6pé«eiH» (anders: 6po«i(ú, BOJioKyina, bojiotók, Π0Π030Κ, HeflÓTKa), der von zwei Menschen über den Seeoder Teichboden geschleppt wird. Abb. 30. Schwimmholz Das Zugnetz hält sich auf dem Wasser wie alle Netze,, am Fischnetz mit H i l f e von Schwimmklötzchen (HanjiaBÓK, s. Abb. 30), die (Gouv. Vologda). am oberen Saum des Zugnetzes angebunden werden: ein großes Holzklötzchen, das am Ende des Zugnetzbeutels angebunden wird,, trägt einen besonderen Namen: JiÓBjja, raiera, n;iy>KKa. A m unteren Zugnetzsaum werden Tongewichte (rpyaííjia, KÄ6ac, onÓKa) angebunden ; es sind oft mit Birkenbast umwickelte Steine. Bei vielen Fischereigeräten ist es nötig, den Fisch zu erschrecken, um ihn in das Netz zu treiben. Dafür braucht man gewöhnlich eine F i s c h t r a m p e (ngrr. 6 ο τ , δότο, 6ÓTano, MTajio, HMTájio, ó ó x a j i K a , 6ÓTKa; sgrr. Cojit, xiiys; wr. óóbtojio ; ukr. 6obt) : diese Stange hat am Ende eine kegelförmige Verdichtung mit einem hohlen Kegel, womit man aufs Wasser schlägt (6ÓTaioT, s. Abb. 31). Anstatt eines solchen ausgebohrten Kegels werden am Ende der Stange Streifen aus Birkenbast befestigt (ngrr. poxajib). Zuweilen wird auch eine Stange mit dickem Stockknopf (ngrr. T o p ö a n o , T o p ß a j i K a ) gebraucht. Dann werden auch noch andere Mittel zum Schrecken der Fische gebraucht ; ζ. B. man schlägt mit Holzklötzen gegen beide Seiten des Bootes von der Außenseite; das geschieht, wenn der FischAbb. 31. Abb. 32. Ngrr. Fisch- fang von einer Genossenschaft ausge- Nadel (rechts) und Schaufeltrampe(Gouv. führt wird (ngrr. kójtot). chen (links) zumNetzflechten? Vologda).
Mit dem Ν e t ζ fl e c h t e η beschäf-
(aus
dem Kreise
Zmijev,
tigen sich gewöhnlich die Fischer selbst. Gouv. Charkov). Sie flechten sie aus Hanf- oder seltener Leinfäden verschiedener Dicke. Beim Flechten werden zwei Hauptgeräte verwendet: ukr. γληιιη, grr. urójina (Nadel) oder HejiHOHÓK (Weberschiffchen), die bei allen Ostslaven und ihren Nachbarn (Litauern, Finnen und Türken) die gleichen sind. Eine Nadel aus Holz, 20—30 cm lang, 2—5 cm breit, hat am unteren Ende einen Ausschnitt, am oberen einen Durchschnitt mit einem Zünglein (s. Abb. 32). Beim Netz-
§ 32—33. Fischfang.
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flechten wird diese Nadel mit einem Faden umwickelt, welchen man am Durchschnittszünglein und am Unterausschnitt befestigt. Das Schaufelchen {jionáTKa) ist von verschiedener Breite, je nach der Größe der Maschen eines Netzes. Die Länge des Schaufelchens beträgt bis 20 cm (auf Abb. 32 ist es links von der Nadel dargestellt). An dem einen Ende des Schaufelchens befindet sich zuweilen eine Öffnung, in die der Daumen der linken H a n d gesteckt wird. Auf dem Schaufelchen werden Maschen geflochten und mit je einem Knoten befestigt. Beim Zubinden einer jeden folgenden Masche wird der F a d e n durch die vorhergehende gezogen. Diese Maschen sind die Zellen eines Netzes (fl XepCOHCKarO 3eMCTBa 1887, Nr. 3); Chv. V o v k : YitpaiHCbKe puSaabCTBO y flo6pyn>KÌ (MaTep. «o ynp.-p. eTHonboriï I, JlbBÏB 1889); N. I v a n i c k i j : MaTepiajibi no 3THorpaiH BojioroncKoit ry6epHÌH (M3B1>CTÌH OßmecTsa JIioÖHTejieit EcTecTB03HaHÌH, ΑΗτροnojioria Η 9THorpa$ÍH L X I X , Lief. I, M. 1890). Über die B i e n e n z u c h t : A. S e r z p u t o v s k i j : EopTHimeCTBO BT> EÎJiopycciH (MaTepianbi no 3THorpa$ÍH POCCÍH Bd. II, Petrograd 1914, S. 13—34); derselbe: OnepKH E-fcjiopyccm I : CnGpHHà (JKHBan GrapHHa 1907, Nr. 3, S. 149 ff.); T. Ρ a v i e v s k i j HapoflHMH noBÎpbH H earoBopH, OTHOCHmiecn κτ> niejioBORCTBy (Ky6aHCKiit C6opHHK-b V, 1899, S. 1—7). Abb. 28 ist entnommen aus A. M a k a r e n k o : CH6HPCKÍÜ HapoRHbiü KajieHflapb BT. ΒΤΗΟΓΡΒΦΗΐΒΟΚΟΜΊ. ΟΤΗΟΙΙΙΘΗΪΗ. Petersburg 1913 (3anHCKH Teorpa$. OÖmeCTBa Bd. X X X V I , S. 10, Nr. 7) ; Abb. 26 —31 aus N. I v a n i c k i j : CojibBHHeroncKifi upecTbHHHHT>, ero OÔCTÂHOBKA,. JKHÎHB HFL-FEHTEJIBHOCTB(ÎKHB. Grap. VIII, 1898, Nr. 1); Abb. 34, 36 und 37 aus Α. S e r z p u t o v s k i j : EopTHHieCTBO bt. Elsjiopyccin ; Abb. 33, 35 und 38 sind nach Photographien des Russischen Museums in Leningrad ; Abb. 24, 25 und 39 nach den Originalen desselben Museums gezeichnet.
III. Zubereitung der Nahrung. § 36. Mörser. § 37. Handmühle. § 38. Wasser- und Windmühlen. § 39. Ölpressen. § 40. Erlangung von Feuer: der Feuerstahl. § 41. Erlangung von Feuer durch Reibung. § 42. Erhaltung des Feuers. Besondere Arten der Feuerbenutzung. § 43. Fortleben des alten Feuerkultus. § 44. Anfertigung von Tongeschirr: Töpferscheiben. § 45. Anderes Gerät und Töpferarbeiten. § 46. Arten von Geschirr;
§ 35. Literatur zu Kap. II. — § 36. Mörser.
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aus Ton, Holz und Metall. § 47. Das Brotbacken. § 48. Arten von Nahrungszubereitung und A u f b e w a h r u n g von Lebensmitteln. § 49. Würzen der Speisen. Verbotene Speisen. S 50. Nationale Speisen. Wilde Pflanzen, die roh gegessen werden. § 51. A u f n a h m e der Nahrung. § 52. Getränke: der Kvas aus Birkensaft und Getreide; Malz; die Braga und das Bier. § 53. Honig- und Beerengetränke, Tee. Branntwein. § 54. Butter. § 55. Literatur. § 30. Um Gerste, H a f e r , Spelzweizen, Buchweizen, H a n f usw. als Nahrung' zu benutzen, ist es nötig, die K ö r n e r dieser P f l a n z e n zuerst von ihren
Abi). 10. Xgri·. Mörser aus dem Kreise Perm. H ü l s e n zu b e f r e i e n . Z u diesem Zweck werden sie in einem Mörser zers t a m p f t , Avas bei den X g r r . mit einem speziellen Worte iuacTaTb, oimxáTb bezeichnet wird. Z e r s t a m p f t e s K o r n wird durch ein grobes, dichtes Sieb ge-
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III. Zubereitung der Nahrung.
lassen oder, ö f t e r , in e i n e m n i c h t zu großen, flachen, m i t H e n k e l n versehenen T r o g geworfelt. Dieses W o r f e l n heißt bei den In grr. : noJiÓTb n p y n £ ( G r a u p e n jäten), der T r o g d a f ü r h e i ß t : noJWTyxa, u n d die dabei z u s t a n d e k o m m e n d e n Abfälle, die als V i e h f u t t e r verwendet werden, heißen : óniua, BÓmiiHHa, nojióTHua, cnóJiKH. U m g u t e G r a u p e n (sog. 3ácna) zu haben, z e r s t a m p f e n die N g r r . Gerste gewöhnlich d r e i m a l : nachdem sie sie n a c h dem ersten M a l e geworfelt, s t a m p f e n sie sie ein zweites M a l m i t Wasser, trockn e n sie, w o r f e l n sie nochmals und stampfen zum dritten M a l e m i t M e h l oder m i t K l e i e .
Abb. 41. W r . Mörser.
D e r dabei g e b r a u c h t e I l a n d m ö r s e r wird gewöhnlich aus einem in seinem oberen T e i l e hohlen Holzklotz v e r f e r t i g t . Die Höhe des Mörsers ist 80 cm u n d mehr, die T i e f e 50 cm u n d mehr, der D u r c h m e s s e r 40 cm u n d m e h r . D i e Mörserkeule (ngrr. necT, sgrr. u n d wr. Ta(D)naq, u k r . τοΒκίπ) wird auch a u s H o l z v e r f e r t i g t , immer mit einer Verengung f ü r die H a n d des A r b e i t e r s in der M i t t e : sie h a t eine L ä n g e bis zu 1 m, der D u r c h messer ist 7 cm u n d m e h r . A u f Abb. 40 ist e i n n g r r . M örser a u s dem K r e i s e P e r m ' nach e i n e r P h o t o g r a p h i e von Α . Τ e ρ 1 o u c h o ν dargestellt ; der grr. M örser u n t e r s c h e i d e t sich von dem wr. (s. Abb. 41 : Mörser aus d e m K r e i s e I g u men, Gouv. Minsk) n u r dageiten (lurchi d a ß er a n d e n
Henkel hat. F u ß m ö r s e r k o m m e n ö f t e r in der U k r a i n e vor (s. Abb. 42: ein stein e r n e r Mörser a u s d e m K r e i s e K u p ' a n s k des Gouv. Charkov). Sie werden auch aus einem dicken, horizontal liegenden Holzklotz v e r f e r t i g t oder aus einem großen r o h e n S t e i n e von nicht weniger als 80 cm L ä n g e , B r e i t e u n d Höhe. D e r K l o t z u n d der Stein werden von i n n e n g l a t t ausgehöhlt. Am Klotz oder am S t e i n werden zwei lange u n d f e s t e hölzerne G r i f f e (niflBájiHHH) von e i n e r besonderen g e b o g e n e n F o r m angebracht. Zwischen diesen Griffen wird eine g e r a d e Q u e r s t a n g e c (Ban) gelegt, auf die, wie auf ein Scharnier,
§ 36—37. Mörser.
Handmühle.
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ein Hebel b (KJiwnái) gleichfalls von besonderer gebogener F o r m aufgesetzt ist. Am Ende des Hebels wird ein hölzerner H a m m e r a (KJiróna) angebracht: er geht in die Höhlung des Steines ein und dient als Mörserkeule. Der Arbeiter stellt sich auf den Hebel b so, daß die Querstange c sich zwischen seinen Füßen befindet. Wenn er sieh auf eine Seite neigt und mit dem Fuße auf das freie Ende des Hebels b drückt, dann geht der H a m m e r a in die Höhe ; wenn er aber mit dem Fuße auf das andere Ende des Hebels drückt, dann senkt sich der Hammer in den Mörser hinein und zerstampft die darin befindlichen Körner. Bisweilen wird an den Griffen noch eine Stütze in Form des Buchstabens η befestigt, woran sich der Arbeiter hält. Außer dem Beinigen der Körner von den Hülsen werden " die Mörser auch zu Abb. 42.|Ukr. steinerner Fußmörser aus dem Gouv. Charkov. andern Zwecken gebraucht. Es werden in ihnen auch H a n f k ö r n e r zerstampft, bevor sie zum Ölpressen in die Ölmühle gehen. Auch H a n f - und Flachsfasern werden darin zerstampft (sgrr. OTájiKHBaTt), um geweicht und vollständig von den Acheln gereinigt zu werden. Die Gerber stampfen darin auch Eichen- und Weidenbast zum Lohen. Auch wird darin Haustuch in geringer Quantität gewalkt. Y. S u c h e v i ö beschreibt die huzulische CT^na noxonicma (TyiiyjibmiiHa, Lemberg 1899, S. 104), die sich von der oben beschriebenen ukr. Fußstampfe durch das Vorhandensein eines Treibwerks unterscheidet. Die Bràutwerberin (cBáxa) bei den Grr. des Gouv. KazaA s u c h t , wenn sie zur Brautwerbung kommt, im Vorzimmer den Mörser, in dem die Braut Flachs stampft, und dreht ihn dreimal u m sich herum. Das wird so gedeutet : ebenso wird die B r a u t dreimal um den Altar in der Kirche herumgeführt werden, d. i. die E h e wird vollzogen werden ( M o á a r o v s k i j ) . § 37. Das Stampfen mit dem Mörser reinigt die Körner von ihren Hülsen, zerkleinert sie aber ziemlich wenig. Schließlich entstehen n u r Graupen, kein Mehl, und diese Graupen sind dazu recht grob (sog. κ}τι>ή, aácna). Die slavischen N a m e n f ü r zerstampfte Hirse sind : ntuieHO, f ü r Mais grr. nmÓHKa und f ü r Weizen nbrneimqa ; sie stammen vom Verbum ntxara, das bedeutete „(im Mörser) zerstampfen". W i r sehen, daß es noch kein Mehl ist. Letz-
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III. Zubereitung der Nahrung.
teres entstand erst, als der Slave sich anschickte, Körner nicht durch Schlagen mit dem Stampfer im Mörser zu zerstoßen, sondern durch Reiben mit einem flachen Stein auf einem anderen, gleichfalls flachen oder ein bißchen ausgehöhlten Stein zu zerkleinern. Eine Kombination zweier Steine, um Körner zu zerkleinern, ergab die Handmühle, die sich bis jetzt erhalten hat. Die H a n d m ü h l e trägt häufiger den Namen HtepHOBá (grr. und wr. JKÓpHH, wepeHKH; ngrr. κπβτβι;, epMáit ; ukr. >KÓpHa). Sie wird auch jetzt gebraucht, gewöhnlich zum Vorbereiten von Graupen, zum Zermalmen von Salz und sehr selten zur Zubereitung von Mehl. I n der Ukraine existiert noch jetzt in einigen Gegenden ein rituelles Zermalmen von Körnern zu Mehl auf Handmühlen (atepHOBá): die Freundinnen der Braut verfertigen so ein Hochzeitsbrot (κοροΒάβ). MacJio) ist eben a u s diesem E i n s c h l a g e n v o n K e i l e n i n die P r e s s e e n t s t a n d e n . B e i den U k r a i n e r n wird dieses G e r ä t zum Ölpressen jetzt n i c h t m e h r geb r a u c h t u n d dient n u r als Wachspresse. Als Ölpresse dienen jetzt i n der U k r a i n e viel kompliziertere Geräte, die auch d e n N g r r . b e k a n n t sind. Ein wesentlicher U n t e r s c h i e d i n der T e r m i n o l o g i e spricht, wie es scheint, g e g e n die E n t l e h n u n g dieser G e r ä t e durch die Grr. a u s der U k r a i n e . Abb. 49 u n d 50 zeigen D a r s t e l l u n g e n einer u k r . Ö l p r e s s e (ojiíííhhhh) a u s d e m Gouv. Charkov. D i e Presse w i r k t hier ebenso m i t H i l f e der K e i l e gh, die l e t z t e r e n aber l i e g e n horizontal u n d werden von d e r Seite, n i c h t von oben eingeschlagen. Z u m K e i l e i n s c h l a g e n dient eine besondere V o r r i c h t u n g , die Tapan (Stößer, W i d d e r ) heißt und dieser Ölpresse d e n N a m e n „ W i d d e r ölpresse" ( T a p á H H a n ) g e g e b e n h a t . D i e N g r r . n e n n e n sie a n d e r s : 6ápc, d. i. P a n t h e r , cókoji F a l k e , CTap^xa Alte, 6á6a Weib. Diese E i n r i c h t u n g besteht
§ 39. Ölpressen.
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aus einer Eichensäule m, die sich f r e i auf ihrer Achse zwischen Boden und Decke oder einem besonderen Querbalken dreht. A n dieser Säule ist ein Holzbolzen o ( B Í ñ é , p á M e H o ) befestigt; am Ende desselben ist ein schwerer Holzklotz («ob6hjí, T a p á H ; ngrr. 6apc u. a.) angebracht. Dieser letztere ist noch m i t einem Strick an die Säule angebunden; er dient als H a m m e r zum Einschlagen der Keile gli. Solcher Widder gibt es gewöhnlich zwei, an beiden Seiten des Gerätes. Bei den N g r r . hängt bisweilen der Widder an einer K e t t e u n d ist aus Stein gemacht. Die eingeschlagenen Keile drücken auf eine Holzstange f (ukr. cxpiná, eigtl. Pfeil), die sich f r e i nach oben und nach unten zwischen zwei vertikal stehenden Säulen a a bewegt. Unter dieser Stange auf dem Erdboden liegt noch ein massiver Holzklotz i (ukr. ckphhh, C T y n K a , r m a a o B á K O J i ó a a ) , in dem eine V e r t i e f u n g (rms^o, oöiiiäftna) zum Hineinlegen der zum Pressen bestimmten Masse ausgehöhlt ist. Auf diese eingelegte Samenmasse wird ein glatt gedrechselter Zylinder k (xjióneiíb, M a n o r Í H , 3á»m, τ ο ε κ έ ι ι ; ngrr. >κομ) gestellt; er geht dicht in die Klotzaushöhlung ein und drückt auf die Samenmasse. Das ausgepreßte Öl fließt aus der Aushöhlung durch die Bohre i (iíÍBKa, H^RKa) in ein zu diesem Zweck aufgestelltes Gefäß. W e n n bereits alles Öl ausgepreßt ist, dann schlägt m a n die Keile gh mit einem Handhammer heraus und hebt die Stange f mit H i l f e des darangebundenen Hebels t ( n i « ó ü M a ) in die Höhe. D a n n nimmt man den Zylinder k heraus u n d nimmt aus der Klotzaushöhlung die Überbleibsel von Samen heraus. Auf Abb. 49 ist eine Ölpresse während des Ölpressens dargestellt, auf Abb. 50 in der Buhelage. Das ganze Gerät hat keinen einzigen metallenen Teil, nicht einmal Nägel. E s gibt in verschiedenen Gegenden große UnterAbb. 50. Ukr. Ölpresse in der Buhelage. schiede in der oben beschriebenen Ölpresse. Jetzt werden sie schnell durch Schraubenölpressen verdrängt, wo das Drücken nicht durch Keileinschlagen, sondern durch Schraubendrehen geschieht. I n der Keil- sowie in der Schraubenpresse wird das Öl aus Körnern gepreßt, die zuerst geröstet und im Mörser zerstampft werden. Nach dem ersten Stampfen im Mörser wird die Samenmasse mit heißem Wasser befeuchtet, gründlich mit den H ä n d e n durchgeknetet (was durch das sog. $ajieBaHbe m i t dem Mühlstein in den Öl pressenden Maschinen ersetzt wird) u n d nochmals auf einer B r a t p f a n n e geröstet. Erst darauf legt man die Samenmasse unter die Presse. Dabei wird sie umwickelt •— bei den Grr.
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III. Zubereitung der Nahrung.
mit Leinwand, in der östlichen Ukraine mit einem Stück zu Hause gewebten, ungewalkten Tuches. In der westlichen Ukraine wird dafür aus den H a a r e n eines Kuhschwanzes eine sog. Mütze (manna ; auch: BonocÍHKa, Kan) geflochten mit vier Klappen an den Seiten. Eine Portion der Samenmasse, die auf einmal gepreßt wird, heißt: Man^xa; ihr gewöhnliches Maß ist ein halber Garnetz. § 40. Das am meisten verbreitete Mittel zur E r z e u g u n g v o n F e u e r sind bei den jetzigen Ostslaven natürlich die Zündhölzchen und viel seltener Benzinanzünder. Doch kommen daneben auch ältere Arten der Feuererzeugung vor, vor allen Dingen der F e u e r s t a h l (ΟΓΗΑΒΟ) mit Feuerstein. Das wird durch manche Ursachen erklärt. Der wr. Ethnograph A. S e r z p u t o v s k i j schrieb 1909 von den entlegensten Gegenden des wr. Polesje: obwohl dort Streichhölzer vorkämen, seien sie doch f ü r den dortigen Bewohner zu teuer und seien daher wenig verbreitet. Außerdem hat das gemeine Volk kein Vertrauen zu den Zündhölzern, besonders den„schwedischen", die schnell vom Winde erlöschen, und zieht es vor, Feuer in altertümlicher Weise mit H i l f e des Feuerstahls zu erzeugen (a. a. O.). Jedenfalls konnte ich Abb. 51. Ukr. Feuerstahl (links) und im Sommer 1918 ohne jegliche Feuerstein (Oernigov 1918). Mühe in Cernigov einen Feuerstahl mit Feuerstein (Abb. 51) kaufen ; es hat mir dabei eine große Auswahl vorgelegen, die keinen Zweifel darüber ließ, daß der Feuerstahl dort ein gewöhnliches Werkzeug ist. Der F e u e r st a h i (ΟΓΗΑΒΟ ; sgrr. njiámna, ππήτιο ; wr. und ukr. Kpecáno, Kpécáeo) ist eine Stahlplatte von verschiedener Form. Jetzt braucht man einen Feuerstahl in Gestalt eines ovalen Ringes. An einer Seite ist er nicht genietet, und die Enden dieser nicht geschlossenen Seite sind nach innen oder nach außen umgebogen, so daß sie kleine Ringe („Schnurrbärtchen") bilden. Der Benutzer faßt den Feuerstahl an dieser Stelle und schlägt mit der anderen Seite gegen einen gewöhnlichen Kiesel. Diese Handlung heißt : BHceKáTb, BHpyßaTt, KpecaTb orórn». Beim Schlagen entstehen Funken. Sie werden auf den Feuerschwamm aufgenommen, wozu öfter ein abgebrannter Lappen dient. Gewöhnlich stellt man einen leinenen Lappen in einem geschlossenen Gefäß auf ein Feuer und brennt ihn so ab, ohne daß er zu Asche wird. E s werden noch als Feuerschwamm trockene Baumpilze, häufiger Birken·, seltener Fichtenpilze (Polyporus igniarius Fr. und Polyporus fomentarius F r . ; grr. Tpyr; ngrr. ryßa, Hará, maná, 6a«á; wr. imp) gebraucht. Der Feuerschwamm wird gewöhnlich in einer Dose mit einem Deckel ge-
§ 40—41. Erlangung von Feuer.
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halten; man schlägt Feuer über derselben, damit Funken auf den Feuerschwamm fallen; nachdem man am Feuerschwamm das Feuer entzündet, löscht man es durch Zudecken des Deckels. Das Feuer wird vom glimmenden Feuerschwamm, seltener auf trockenen Birkenbast ( 6 e p e c T O , S e p é c T e i K o ) , auf Stroh, Werg, Fichtenkohlen, häufiger auf eigenartige Zündhölzer, die zu Hause, angefertigt werden (cépHHKa, cepmiHÖK ; ukr. cíphhkh), übertragen : feine Holzspäne werden in Schwefel getaucht und getrocknet; durch Berührung mit dem glimmenden Feuerschwamm werden sie entzündet. Alles zur Feuererzeugung Notwendige trägt der Benutzer gewöhnlich in einem besonderen Säckel mit sich (grr. ογηηβθηκη, orHÖBHHqa; wr. arHenriija, Maranéiiita, KaíiMTá; ukr. raManÓLjb). In alter Zeit wurde oft ein Feuerstahl von anderer Form gebraucht: etwa wie ein Dolch ohne Stiel mit stumpfen Bändern und spitzem Ende, 9—30 cm lang. Man trug ihn am Gürtel, an einen langen Biemen gehängt , wie ein Messer. Auf Abb. 52 ist ein wr. Feuerstahl nach einer Abbildung von A. B i e g e l m a n n 1778 wiedergegeben; er hängt am Gürtel. Abb. 52. Weißrusse 1778. § 41. Bei feierlichen Gelegenheiten wird ein noch älteres Mittel, Feuer zu erzeugen; verwendet: durch B e i b u n g zweier trockener Holzstücke aneinander. Das auf diese Weise erzeugte Feuer heißt : „lebendiges (híhbóíí), neues (hóbwü), auch hölzernes (flepeBÄHHHft) Feuer". Das Verfahren selbst heißt: „Feuer reiben, BMTHpáTi» o r Ó H b " . Die Abb. 53—57 stellen alle bei den Ostslaven typischen Verfahren der Feuererzeugung dar. Sie sind recht einförmig. Am häufigsten nimmt man zum Beiben trockene Holzstücke : von Birke, Esche, seltener Fichte, Abb. 53. Wr. Art der FeuerEiche, Wacholder u. a. ; dabei wird auch erzeugung durch Reibung. allerlei trockenes Hausgerät gebraucht: man nimmt ζ. B. die kojiochhkh, das sind Stangen, auf denen Garben in der Biege getrocknet werden, Wäscherollen, Schlittenkufen usw. Das einfachste Verfahren ist auf Abb. 53 dargestellt: man nimmt zwei glatt behauene, vierkantige, trockene Eschenklötze, 1 m lang, 10—12 cm dick. In den einen werden an den Enden zwei kleine, dünne Stangen als Stiele eingeschlagen; in der Mitte des anderen befindet sich eine kleine Bitze, in Z e 1 e η i η , Russ. (Ostslav.) Volkskunde.
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III. Zubereitung der Nahrung.
der ein kleines Stück Birkenfeuerschwamm angebracht wird. Man legt das Stück mit dem Feuerschwamm auf den Erdboden oder bindet es an einen unbeweglichen Holzklotz, mit dem Feuerschwamm nach oben. Darauf legt man das' andere Holzstück und reibt damit das erste, bis das eingesteckte Stückchen Feuerschwamm zu brennen anfängt.
Abb. 54. Ngrr. Art der Feuererzeugung durch Reibung.
Abb. 55. Wr. Art der Feuererzeugung durch Reibung.
Bei der zweiten Art (Abb. 54) braucht man Stangen, die in jeder Stube 1 m oder mehr unter der Decke wagerecht befestigt sind und als Kleiderhaken dienen (sog. rpflflKH, mecTÚ). An zwei solchen nebeneinanderliegenden Stangen werden Kerben angebracht; man legt in diese Kerben quer über die Stangen einen runden Birkenstock (bisweilen eine Wäscherolle). Über diesen Stock wird ein Strick gelegt und zwei unten stehende Männer ziehen die Enden des Strickes hin und her, bis die Stange zu brennen anfängt. Bei der dritten Art (Abb. 55) wickelt man einen starken Strick oder Biemen um einen Bolzen, der aus trockener Esche verfertigt wird. Die Enden des Strickes werden an eine krumme Eichengerte gebunden, so daJ3 aus derselben ein Bogen (wr. CMMK) angefertigt wird. Den Bolzén stellt man auf einen Eschen- oder Hornbaumklotz, so daJ3 das untere Ende in die Aushöhlung des Klotzes, das obere Ende aber in den Ast desselben Klotzes ausläuft. Indem man den Bogen bewegt, wird der Bolzen mit dem Stricke gedreht. — Anstatt des Klotzes und Astes werden übrigens auch zwei nebeneinanderliegende Stangen - -¿¡¿r eines Zaunes gebraucht, ρς———-=~Tu.-. — D i e auf Abb. 56 dargestellte Ein. ' ' ^ ^ r w s e a s M r « · ί - '",.'·• - richtung erinnert stark an einen Drill^ ¡ m m a B f ^ W S ^ B t ^ ^ ^ ' ...... bohrer. Auf das untere Ende des trok— ¿l··- -.·;.»• oder in polnischer Form 6apm. Der Gebrauch verschiedener Kräuter, z.B. von Nesseln, Melden, ist auch f ü r den ukr. 6opm charakteristisch; als Hauptbestandteil aber dienten d a f ü r rote Rüben (öypaKH) und gesäuerter S a f t (KMC) aus denselben. Als Hauptbestandteil der uyi dient dagegen Kohl ; Rote Rüben gedeihen im Norden schlecht und sind dort sehr wenig verbreitet. I n einzelnen Gegen-
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III. Zubereitung der Nahrung.
den Weißrußlands wird auch Kohlsuppe mit dem Namen „Kohl", Kan^CTa, bezeichnet. Sehr selten ist bei den Ukr. gedörrtes Hafermehl, tojiokhó, das bei den Wr. in allgemeinem Gebrauch ist und die grr. Küche mit einer Reihe von Speisen bereichert hat. Diese letzteren unterscheiden sich nach den Zutaten, mit denen das tojiokhó gemischt wird, auch nach der Art des Einrührens und besonders nach der Dichtheit. Es sind dies grr. fíeméHb, cyxo-
Méc, τθπηΑ, TenéHbKa u. a. Das tojiokhó (wr. auch
MÓjiTa) wird auf folgende Art zubereitet: H a f e r wird mit heißem Wasser Übergossen und vermittels heißer Steine oder anders gebrüht, im Ofen getrocknet, im Mörser zerstoßen, gesiebt und zu Mehl zermahlen. Zum Essen wird er in kaltem Wasser mit Salz, Kvas, Milch u. dgl. vermengt bis zu verschiedener Dichte. J . M i k k o l a hält diese Speise f ü r urslavisch ; sie hat sich auch bei den Slovenen erhalten. Wenn finnisch t a l k k u n a zweifellos aus dem Russischen entlehnt ist, so bleibt die Frage von dem Verhältnis des Wortes zu mongolisch t a 1 χ a η nicht ganz klar. In Asien ist beides, Wort und Speise, sehr verbreitet. Die Kyjiára ist charakteristisch f ü r die Grr. ; sie ist aber auch den Wr. bekannt, die sie gleichfalls Kyjiára oder noch co-noflyxa nennen. Die Grr. nennen sie auch „Teig", tócto. Es ist ein gesäuerter Teig aus Roggenmehl und Malz, der gebrüht, nicht gebacken wird. F ü r alle Grr. ist charakteristisch die Tippa, Tioptna : Stückchen von hartem Schwarzbrot in Kvas oder in Wasser eingeweicht, bisweilen mit Hinzufügung von Knoblauch oder Hanföl. Die Wr. nennen dasselbe Gericht: τμιόπκΗ, KyjTfi.ua; das letzte stammt aus dem westeuropäischen C h o k o l a d e . Diese Speise wird auch auf Milch und Birkensaft (im Frühling) zubereitet. Zweifellos entlehnt sind folgende grr. Gerichte: Jiamiiá, d. i, Nudeln, Fadennudeln — von den Türken; nejibMéHH — von den Finnen. Nudeln sind auch allen Ostslaven bekannt. Bei den Ngrr. tragen Nudeln aus größeren Stücken auch andere türkische Namen: cajmá, TyKManA. Ukr. jiokinnHa stammt wahrscheinlich aus Ungarn. Die neJitMeHH — eine Art von Kuchen mit gehacktem Rohfleisch, die in heißem Wassel gekocht, öfter mit Essig und Pfeffer gegessen werden. Finnisch (Komi) p e l ' n ä n ' bedeutet eigentlich Brot in der Form eines Ohrs. Die Grr. bereiten auch nejiBMÓHH, die mit gehacktem Kohl, Pilzen oder Fisch gefüllt sind. Dieses Gericht ist nicht allen Ngrr., sondern nur denjenigen in der Uralgegend und an der unteren Wolga bekannt. Den ngrr. πθπβμθηη ähnlich sind die ukr. B a p é H H K H . Es sind Kuchen von etwas größerer Form als jene; sie sind gefüllt mit Quark, zerstoßenen Mohnsamen, Beeren, Bohnen, Fleisch (sog. rmiyHii), Kohl. Sie werden gekocht, und man ißt sie mit saurem Rahm, Butter oder Honig. Die Vareniki sind auch den Wr. bekannt, die sie mit zerstoßenen Hanfsamen oder Pilzen füllen, in Wasser kochen und darauf im heißen Ofen trocknen.
Ein anderes ukr. Nationalgericht sind die raji^iiiKH Mehlklümpchen : Stückchen von dichtem ungesäuertem Teig aus Buchweizen- oder Weizenmehl werden in Wasser gekocht; man ißt sie mit Butter oder Schweinefett mit Knoblauch, bisweilen auch mit gesäuertem Roterübensaft. •— Ya-
§ 50. Nationalgerichte.
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Báp ist ein spezielles Weihnachtsgericht der Ukrainer : trockene Früchte werden mit Wasser Übergossen und für eine Nacht in den Ofen gestellt; mit etwas Honig werden sie darauf kalt gegessen. Wr. Nationalgerichte sind noch folgende: eine dünne Mehlsuppe aus allerlei Mehl, Roggen-, Gerste-, Hafer-, Buchweizen-, Erbsen-, Bohnenmehl, oder einem Gemisch von diesen, mit Salz. Sie heißt: Kojioxyxa und ßa^T^xa (eig. flüssiges Gemisch). Man ißt sie heiß mit Butter oder Fett. — Die sog. ΚΌΜΗ sind Kugeln, groß wie Hühnereier, die aus gekochten und zerstoßenen Bohnen oder Erbsen, bisweilen auch aus Hafer- oder Erbsenmehl zubereitet werden. Im letzteren Falle werden diese Kugeln gekocht oder gebraten. Man ißt sie mit Milch oder Fett. Solche Kugeln, mit einem Stück Schweinefett gefüllt, werden genannt : KaMtr 3 BapaÖBHMH, d. i. Klumpen mit Sperlingen. Brei (náiiia) und säuerlicher Mehlbrei (KHcéjit) sind bei allen Ostslaven gleich weit verbreitet. Seine Arten sind sehr mannigfaltig — je nach den Bestandteilen und der Art der Zubereitung. Noch eine ganze Reihe von wilden Kräutern muß erwähnt werden, die roh gegessen werden, und zwar nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen. Das Sammeln einiger dieser Naturkräuter bildet zuweilen ein Gemeindefest, so ζ. B. das Sammeln von wildem Schnittlauch (Allium schoenoprasum L.) und anderen Laucharten (Allium angulosum L.) auf Flußwiesen im Norden (Gouv. V'atka und Vologda). Man ißt sie roh, seltener gekocht, als Zutat zu allerlei Fastenspeisen. Das Sammeln des Lauches zu Beginn der Petersfasten wird von lustigen Spaziergängen der Jugend begleitet. Die Wr. essen beide Laucharten roh. Die jungen saueren Blätter des Sauerampfers (Rumex acetosa L.) werden von allen Ostslaven roh gegessen. Vom sog. Hasensalat (Oxalis acetosella L.) ißt man roh die saueren Blätter, Stengel und Blumen. Das Kannenkraut oder wilder Spargel (Equisetum arvense L. ; nécTHKH) ernährt bisweilen während des ganzen Frühlings ganze Familien der brotlosen armen Bevölkerung ( I v a n i c k i j ) . Man ißt dieses Kraut roh und gekocht. Die unterirdischen Knäuel dieser Pflanze („Erdnüsse") gelten im Norden als Leckerbissen. Man ißt auch Knäuel des Lerchenspornes (Corydalis solida Smith.) und des Rübenkerbels (Chaerophyllum bulbosum L.); Kinder essen auch die JionyiitKH, d. i. junge Sprößlinge dieser Pflanze, sowie junge Lindensprößlinge. Die jungen Blätter des Geißfußes (Aegopodium podagraria L. ; CHHTKa) und auch das Bärenkraut (Heracleum sibiricum L.) liefern das Gemüse für Kräutersuppen. Kinder essen roh die Stengel dieser Pflanze und einiger andern Doldenpflanzen (Umbelliferae), z. B. den wilden Engelwurz (Angelica sylvestris L.). Eßbar sind auch: die junge Zackenschote (Bunias orientalis L.), ferner die Stengel des Bocksbartes (Tragopogon majus Jacq.), der Mondraute (Botrychium Sw.), junge Sprößlinge des Rohrkolbens (Typha angustifolia L . ; porósa), Früchte der Feldmalve (Malva rotundifolia L . ; KajiáiHKH, npocBHpKH) u. a. Von den Bäumen geben die Birke und die Fichte im Frühling Saft (COK) — Bildungssaft, welchen man schichtenweise unter der Rinde abnimmt.
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III. Zubereitung der Nahrung.
E r ist süß wie süße Marmelade; Fichtensaft ist auch ein Heilmittel f ü r Lungenkranke. Um Fichten- oder Birkensaft zu erhalten, wählt man junge Bäume von 15—30 Jahren. Bisweilen fällt man sie, öfter aber reinigt man den Stamm von der Rinde, ohne sie zu fällen, und schneidet mit einem Messer oder reißt mit einer Saite die saftige, weiche Schicht. Ein Bauer kann auf einmal den Saft von zwei Fichten oder von fünf oder mehr Birken verzehren. Die Tanne liefert als Nahrung junge Blüten (ngrr. CEBepHxa, My ina, njiëTKH, MapëniKH). Dazu kommen natürlich noch allerlei Waldbeeren, Nüsse, Pilze, wilde Äpfel und Birnen. § 51. Die Ostslaven essen gewöhnlich viermal, seltener dreimal am Tage.
Das Frühstück (ukr. CHifláHOK, CHÍnaHHn ; wr. chh^hhh ; grr. 3áBTpan) ißt man frühmorgens, meistens vor Sonnenaufgang. Das Mittagessen (grr. o6éa; wr. a6én, aáBTpjHt; ukr. οδίβ) findet gewöhnlich vor der Mittagsstunde statt; es schwankt zwischen 8 und 11 Uhr. Bei den Fischern des Gouv. Archangel'sk heißt der SO-Wind ,o6é«eHHHK' d. i. Wind der Mittagszeit, weil die dortige Bevölkerung zu Mittag ißt, wenn die Sonne im SO steht, d. i. zwischen 8—10 Uhr. Die dritte Mahlzeit (ukr. nó¿iyaeHb, noji^RHaHHH; wr. najiyflSHHt, nHflBHHÓpaK ; grr. nÓJiflHHK, náywHHa) findet gewöhnlich nachmittags zwischen 12 und 4 Uhr statt. In Archangelsk steht die Sonne zu dieser Zeit im SW, und so heißt dort der SW-Wind náywHHK. Das Abendbrot (grr. ^jkhh, ukr. BHHepfl, wr. BHHépa) findet gewöhnlich vor dem Schlafengehen, zwischen 6—8 Uhr statt. Im Sommer, während der Feldarbeiten, ißt man das Abendbrot spät, zwischen 9—11 Uhr. Im Winter wird es gewöhnlich schon nach Eintreten der Dunkelheit gegessen. Da, wo nur dreimal täglich gespeist wird, fällt die dritte Mahlzeit (Vesperbrot, ποπ«ηηκ) aus, zu der man überall nichts Neues vorbereitet und sich mit Kesten vom Mittagessen begnügt. Die Zeiträume zwischen zwei Mahlzeiten heißen butl oder ynpÄHtKa; nach ihnen wird die Tagesarbeit eingeteilt. Man wäscht gewöhnlich vor dem Essen die Hände und trocknet sie mit einem Handtuch ab; dann spricht man das Gebet vor den Heiligenbildern und erst darauf setzt man sich zu Tisch. Die das Essen servierende Köchin setzt sich oft gar nicht mit zu Tisch, sondern ißt stehend. Teller werden sogar bei Gastmahlen nicht serviert, denn alte Sitte fordert, daß alle aus derselben Schüssel essen. Der Tisch ist immer mit einem Tischtuch bedeckt, Handservietten gibt es nicht. Statt dessen wird f ü r alle Gäste n u r ein Handtuch hingelegt und um den Tisch herumgereicht. Gabeln werden sehr selten serviert. Ein Messer, namentlich ein Brotmesser — xjié6hhö ho>k, speziell um Brot in Schnitten zu schneiden — wird während der Mahlzeit im Familienkreise nur dem Hausherrn gereicht. Der Hauswirt hat den Ehrenplatz unter den Heiligenbildern. Wenn alle schon bei Tische sitzen, nimmt er einen Laib Brot, macht mit dem Messer ein Kreuzzeichen darüber, zerschneidet ihn und gibt den Familienmitgliedern die Schnitte. Die Suppe mit geschnittenem Fleisch oder Fisch wird bei den Ngrr. zweimal serviert: Das erstemal schlürft man die Brühe
§ 51. Aufnahme der Nahrung.
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ohne Fleisch; beim zweitenmal erlaubt der Wirt Fleisch mit herauszunehmen mit den Worten : c KycóntaMu ! Bei den Wr. aber zerschneidet der Wirt selbst ein großes, besonders serviertes Stück Fleisch in Stücke und wirft es in die Suppe, oder stellt den Teller mit Fleisch in die Mitte des Tisches, und darauf nimmt ein jeder (oft mit den Fingern) ein oder zwei Stücke Fleisch und ißt. Wenn man die Speise mit Löffeln schlürft, leckt man den Löffel jedesmal, nachdem man damit aus der Schüssel geschöpft und geschlürft hat, von beiden Seiten ab und legt ihn auf den Tisch. Erst nachdem man die Speise durchgekaut und zusammen mit der Suppenbrühe verschluckt hat, nimmt man den Löffel wieder und schöpft aus der Schüssel. Wer den Löffel nicht aus der Hand läßt, gilt als gefräßig. Auch gilt es f ü r unanständig, wenn man bei Tisch sitzend das Brot nicht aus den Händen läßt. Infolge solcher Anstandsregeln dauert das Mittagessen oft ziemlich lange. Jetzt werden diese Regeln bei weitem nicht immer und nicht überall beobachtet. Aber vor nicht so langer Zeit waren sie allgemein gültig. Eine alte Sitte verlangt es auch, daß der Gast zu essen aufhört, wenn man ihn nicht mehr bewirtet (nÓTiyiOT), d. i. nicht mehr einlädt, weiter zu essen. Der Spruch: „Es ist keine Schande, vom fremden Tisch hungrig aufzustehen" wird oft buchstäblich erfüllt. Die Hauswirte hören nicht auf zu „grüßen" (κμηπτμη), d. i. die Gäste einzuladen mit solchen Anreden wie : „Essen Sie zur Gesundheit! Warum eßt ihr nichts, teuere Gäste? Eßt doch mehr!" usw. Die bei Tisch bedienende Wirtin muß sich beim Servieren stets tief verbeugen (kjmhhtlch β nòne). Während man beim Mittagessen sitzt, darf man nicht aufstehen, auch wenn ein älterer oder vornehmer Gast hereinkommt. Man verneigt sich nur bei Tische sitzend und auf seine Begrüßung „Brot und Salz!" erwidert man: „Brot zu essen!" und ißt weiter ohne sich zu beeilen. Von Tisch aufgestanden, beten alle Anwesenden vor den Heiligenbildern. Die Gäste danken den Wirten: „Gott sei Dank (cnacHßo) f ü r Brot und Salz!" Der Ethnograph Ii. I v a n i c k i j erzählt in seiner Beschreibung des Gouv. Vologda aus dem Jahre 1890: „Es gilt f ü r obligatorisch, nach dem Mittagessen zu rülpsen (ptiráTt), besonders wenn man zu Gast ist. Sonst halten die Wirte sich f ü r beleidigt. Das Rülpsen bedeutet, daß der Mensch satt ist; wenn er nicht rülpst, so versucht er auf künstliche Weise Auf stoßen zu erregen." Diese Sitte ist bei vielen Nachbarn der Slaven im Osten verbreitet, z. B. den Baskiren, Kirgisen, Tungusen. Bei den Ostslaven wurde sie sonst nie verzeichnet. Es ist möglich, daß die Notizén von I v a n i c k i j sich auf die russifizierten Syrjänen des Gouv. Vologda beziehen. Ein gewöhnliches Familienmahl besteht meist aus zwei Gängen: Suppe und Brei oder etwas anderem; selten sind es drei Gänge; bei einem Festmahl mit Gästen können es sogar 10—15 sein. Zum Abendbrot hat man gewöhnlich nur einen Gang, z. B. bei den Ukr. rajiyniKH oder dünnen Brei. Der Ethnograph K i r k o r hat im Jahre 1858 ausgerechnet, was der Wr. des Gouv. Wilna durchschnittlich an einem Tage verzehrt: ein erwachsener Mann ißt bis 1200 g Brot, ungesäuerte Suppe zwei „Quarten", d. i. ungefähr
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III. Zubereitung der Nahrung.
1,2 1, sauere Suppe ebenso viel; eine F r a u 850 g Brot, Suppe etwas weniger als der Mann. E i n f ü n f j ä h r i g e s Kind ißt etwa 600 g Brot. Gemeint ist hier Kaffbrot. Bei den Gastmählern serviert m a n zuerst flüssige Speisen und erst darauf dichte; Fisch f r ü h e r als Fleisch, nach Fleisch Milchspeisen u n d süßes Gebäck. Noch vor kurzem gab es bei den N g r r . folgende Sitte : Wenn eine gebratene Gans auf den Tisch kam, konnte ein jeder Gast den Bürzel dieser Gans auf die Gabel nehmen und sie in der H a n d haltend alle F r a u e n bei Tische küssen. Darauf konnte er diese Gabel einem andern überreichen, und dieser d u r f t e dasselbe machen ( F e ñ u t i n ) . I n andern Gegenden h a t sich diese Sitte bei Hochzeitsfeiern bis heute erhalten (Onnc. pynon. 6). § 52. Von den G e t r ä n k e n sollen zuerst diejenigen zur Sprache kommen, die die N a t u r selbst gibt. W i r verstehen darunter nicht das einfache Wasser, wohl aber den F r ü h l i n g s b i r k e n s a f t , die sog. 6epe30Bima, 6epÖ30BKa. Das Erlangen dieses S a f t e s ist allen Ostslaven bekannt, wobei man ihn nicht n u r roh und frisch trinkt, sondern auch sauer, als Kvas. Solchen Birkenkvas säuern die N g r r . m i t Malz, das sog. cycjio, Bierwürze; die Ukr. mit Wachs (Waben ohne Honig), gerösteten Erbsen oder mit heißem Roggenbrot; die Wr. auch mit Wachs, mit Malz, mit durchwachsenen Bohnen und m i t Eichenspänen. Die Art der Birkensaftgewinnung ist nicht überall die gleiche. Die einfachste ist, daß m a n in der Seite des anzuzapfenden Baumes, nicht höher als 80 cm von der E r d e , einen Einschnitt macht, etwa 20 cm t i e f ; der sich in dieser V e r t i e f u n g sammelnde Saft wird mit einem Löffel geschöpft. Auch eine andere Art gibt es: man bohrt in die Birke eine Öffnung bis zum Mark oder nicht ganz so weit oder beschädigt den B a u m mit einem Beil an zwei Stellen längs der Holzfaser und macht einen dritten Schnitt in die Quere; in die durchschnittene Öffnung wird ein Bohr aus Holunder- oder aus anderem Holz oder eine Rinne gelegt; dann stellt oder hängt m a n darunter ein Gefäß. Damit es nicht gestohlen wird, bringt man es recht hoch über dem Erdboden an und verdeckt es mit Zweigen; zuweilen h a u t man einen Ast ab u n d hängt das Gefäß an die Stelle, wo er abgehauen. — Auf ähnliche Weise wird auch A h o r n s a f t (nJieHOBHi;a) gewonnen. Am meisten verbreitet ist bei den Ostslaven als tägliches Getränk der K v a s (grr. K B a c , c y p Ó B e q , C b i p o B é i í ; ukr. K B a c , C H p Í B é m > ; wr. KBac). B e k a n n t sind drei Gattungen von Brotkvas: aus Mehl, aus trockenem Brot u n d aus Malz. Bei den N g r r . im Gouv. Vologda ist ein besonderes Getränk verbreitet, der sog. cynóít, aus Hafermehl, welches mit Wasser vermischt wird, bereitet ( I v a n i c k i j ) . H i e r k a n n das flüssige Mehl ungesäuert sein, und dann ist es kein Kvas. W e n n aber diese Mischung von Gerstenmehl oder von Gerstenkleie gesäuert ist durch Teig vom Backtrog, dann ist es schon echter Kvas. E r hat eine weißliche Färbung, und die Grr. nennen ihn manchmal „weißer Kvàs", auch jkmthhö KBac, cypoeen, cupoBéi;. Die beiden letzten Benennungen werden jetzt in dem Sinne verstanden, daß dieser Meh'lkvas, im Gegensatz zum Malzkvas, nicht gekocht wird.
§ 52. Getränke.
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Diese älteste Gattung von Kvas, nicht nur aus Gerstenmehl, sondern auch aus Hafer- und Roggenmehl, -war bei allen Ostslaven bekannt, wird aber jetzt selten gebraucht, weil sie durch bessere, schmackhaftere und nahrhaftere Arten von Kvas verdrängt wird. Bei den Grr. sind sie neben dem Malzkvas noch im Gebrauch, weil Malz nicht immer in der Wirtschaft zu haben ist, und man es nicht schnell machen kann, selbst wenn man alle seine Bestandteile hat. Die Bereitung von K v a s a u s Z w i e b a c k ist nicht immer die gleiche. I n einem Falle wird Zwieback aus ungesäuertem Teig gebacken. Diese Art ist bei den Ukr. verbreitet, die einen ungesäuerten Teig aus Roggenkleie backen und ihn als Zwieback trocknen. Dieser Zwieback wird in einer Kufe mit heißem Wasser begossen und zuerst 6 Stunden gemalzt; dann rührt man diese Flüssigkeit um, tut oft Roggenmehl dazu, säuert sie mit Teig aus dem Backtrog und läßt sie 24 Stunden gären. Wenn ein solcher CHpiBéi;i> gärt, mischt man ihn mit kaltem Wasser und läßt ihn danach einige Zeit stehen, bevor er getrunken wird. Öfter gebrauchen die Ukr. dieses Getränk zur Bereitung verschiedener Speisen, besonders der Roterübensuppe (6opm) im Sommer, wenn kein gesäuerter Roterübensaft da ist. Bei einer anderen Art der Bereitung des Zwiebackkvas wird der Zwieback aus gesäuertem und gemalztem Teig bereitet. Die Brötchen, aus denen dieser Zwieback bereitet wird, haben einen besonderen Namen: Kvasniki. Ein solcher K B a c Ha K B a c H H K á x ist weit verbreitet bei den Wr.. und Sgrr. Die Wr. bereiten einen dicken Teig aus Roggenmehl und lassen ihn zwei oder drei Tage malzen, und daraus wird Brot gebacken. Dieses Brot wird in Stücke gebrochen und als Zwieback getrocknet. Dieser wird in ein Fäßchen mit kaltem Wasser, manchmal in einen losen Sack, gelegt. Nach einer Woche ist der Kvas, den man aus diesem Aufguß von „Kvasniki" bekommt, fertig. Manchmal wird auch noch Honig oder Wachs (Waben ohne Honig) hinzugetan. Beim Backen der Kvasbrötchen mischen die Wr. manchmal Roggenmehl mit gekochten, gestoßenen Kartoffeln. Die Ngrr. von Sibirien brauen zuweilen auf Kvasbrötchen auch Bier. Die Zubereitung der beschriebenen Gattungen von Kvas kennt noch nicht das Malz als besonderen Bestandteil. Der Malzkvas, der bei den Ngrr. weiter verbreitet ist, ist eigentlich dünnes Bier. Das Malz, mitunter mit Mehl oder Gerstenspreu vermischt, wird mit einem Topf heißen Wasser Übergossen, gekocht und dann zur Nacht in einen geheizten Ofen gestellt. Die auf diese Weise gewonnene Flüssigkeit wird bei den Ngrr. npérojiOBOK genannt. Sie wird oft mitsamt dem Topfe in eine Kufe mit kaltem Wassers gesenkt, wo ihre Gärung schnell anfängt. Der Kvas wird nach der Gärung durch ein grobes Sieb geseiht; dann stellt man ihn in den Keller und trinkt ihn darauf. Das Malz (CÓJIOS; ngrr. póma) wird meistens aus Gerste oder Roggen gemacht. Säcke mit Korn werden in einen Fluß oder in einen See versenkt, wo sie zwei Wochen naß bleiben; manchmal feuchtet man sie auch in Kufen an. Das durchnäßte Korn wird auf Stroh in den Dreschtennen oder Riegen ausgescheitelt, oder in den Scheunen, wo es an dunklem Orte.
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III. Zubereitung der Nahrung.
mit Stroh bedeckt, zu wachsen beginnt. Wenn die Sprossen so groß „wie ein Bienenfuß" sind, wird das Korn in einen großen H a u f e n zusammengescharrt und es werden verschiedene Lasten daraufgelegt. Dann trocknet man es auf dem Hausofen oder gar in einem Ofen oder in der Riege. Das getrocknete Korn wird gemäht — nicht sehr dünn —, manchmal wird getrockneter H a f e r dazugefiigt. Mit M a l z bereiten die Ostslaven d r e i v e r s c h i e d e n e G e t r ä n k e : den eben beschriebenen Malzkvas, Bier und die 6pára. Die letztere unterscheidet sich manchmal auch durch ihre Bestandteile von den andern Getränken. Die Ngrr. brauen die B r a g a aus Hafermehl mit einer verhältnismäßig kleinen Quantität von Malz, und das Getränk hat bei ihnen meistens weiße Farbe; daher heißt es: „weiße Braga", 6pájKKa. Man trinkt sie oft heiß, da sie in kaltem Zustande nicht so schnell berauscht. Die Ukr. brauen die Braga aus Hirsenmalz: das Hirsenmalz wird dabei mit heißem Wasser bebrüht, dann läßt man es 8 Stunden hindurch sich malzen, verdünnt es mit kaltem Wasser und seiht es durch ein Sieb. — Hier und da wird auch gewöhnliches Bier ohne Hopfen Braga genannt. I m allgemeinen aber unterscheiden sich diese drei Malzgetränke nur durch mehr oder weniger komplizierte Art der Zubereitung voneinander. Am kompliziertesten ist das Brauen des Bieres, welches bei den Ngrr. hier und da der Dicke und der Stärke wegen f ü n f - oder sechsmal gebraut wird; deswegen hat es auch verschiedene Namen: nHTHBáp, d. i. f ü n f m a l gebraut, mecTHBáp, sechsmal usw. Man braut das B i e r entweder in hölzernen K u f e n oder in einem großen Tontopf, der sog. Kopnára (KopqámHoe ΠΗΒΟ), auch in Kesseln. Im ersteren Falle macht man die Steine glühen und senkt sie glühend in die K u f e mit Meisch ein. Die Tontöpfe (nopMárn) werden auf 24 Stunden in einen heißen Ofen gestellt, wobei das Ofenloch fest mit Lehm verschmiert wird. Das Filtrieren von Bier oder genauer von Meisch ist auch ein ziemlich komplizierter Prozeß. Eine Art des Bierfiltrierens trägt bei den Ngrr. den N a m e n : capiÍTL· Ha erapi>. In dem Boden der Bierkufe ist eine viereckige Öffnung, die mit einem hölzernen Bolzen (CTupb, ein Wort, das aus dem deutschen S t e u e r übernommen ist) zugestopft wird. Das untere Ende des Bolzens ist als Stöpsel f ü r die Öffnung im Kufenboden angepaßt, indem es f ü r jede der vier Seiten des Bolzens und der Bodenöffnung vier Furchen auf weist: wenn man den Bolzen ein klein wenig hebt oder ihn einfach bewegt, rinnt die Flüssigkeit diese Furchen entlang und wird so filtriert. Gleichzeitig dient zum Filtrieren auch ein aus Stroh geflochtener Kreis, welcher am Kufenboden liegt und durch dessen Mitte der Bolzen dringt. Dazu kommt noch eine andere Vorrichtung : auf den Strohkreis wird eine kleine Garbe Eoggenstroh (sog. KHTÄ, κιίτκβ) gestellt, dessen Ähren nach innen gebogen und mit einem Strick zusammengebunden sind. Der Bolzen dringt auch durch die Mitte dieser Garbe hindurch. Die Garbe ist in der K u f e in der Art eines runden Fächers aufgeschlagen, von oben wird sie auf verschiedene Weise beschwert und dient auch als Filtrierapparat. Ebensolche Filter werden oft auch in den Biertöpfen eingerichtet, in deren Boden
§ 52—53.
Getränke.
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zu diesem Zwecke kleine Ö f f n u n g e n a n g e b r a c h t werden, die m i t hölzernen N ä g e l n v e r s t o p f t werden. B e i d e n N g r r . wird a n s t a t t des a u s Stroh geflochtenen Kreises auf d e m K u f e n b o d e n ein F i l t r i e r a p p a r a t a u s d ü n n e n , hölzernen, l a n g e n S t r e i f c h e n (sog. cypna) eingerichtet. D i e S u r p a h a t die F o r m eines a u s g e d e h n t e n K e g e l s , dessen G r u n d l a g e sich auf den K u f e n b o d e n stützt. Durch ihre M i t t e d r i n g t derselbe Bolzen, c r a p b , der f r ü h e r e r w ä h n t worden ist. B e i d e n S g r r . h a t die K u f e z u m F i l t r i e r e n des Meisches (sog. cnycK) e i n e k l e i n e Ö f f n u n g a n der S e i t e n e b e n dem Boden. A u f d e m B o d e n e i n e r solchen K u f e werden zwei Holzscheite m i t E i n s c h n i t t e n auf der u n t e r e n Seite — z u m A b r i n n e n der F l ü s s i g k e i t — gelegt. A u f diese H o l z s c h e i t e l e g t m a n e i n i g e d ü n n e Stöckchen, die m i t e i n e r f e i n e n Schicht S t r o h bedeckt werden. D a s I n n e r e der K u f e wird auch so m i t Stroh belegt, d a ß die oberen E n d e n des Strohes etwas ü b e r die K u f e n r ä n d e r h e r ü b e r r a g e n . M a n c h m a l d i e n t als F i l t r i e r a p p a r a t e i n breiter Sack a u s s t a r k e r L e i n wand, der sog. pycjieHHHK, den m a n i n die K u f e e i n s e n k t u n d dessen oberen Teil m a n a n den ä u ß e r e n K u f e n r ä n d e r n anbindet. I n diesem F a l l e wird u n t e r den Sack auf den K u f e n b o d e n auch Stroh gelegt ( Z o b n i n ) . D i e a u s der M e i s c h k u f e d u r c h den F i l t e r r i n n e n d e F l ü s s i g k e i t ist d i e B i e r w ü r z e , das sog. cycjio. M a n t r i n k t sie auch m i t P f e f f e r u n d m i t ged ä m p f t e m Gemüse (napëHKH) u n d verwendet sie auch z u m B a c k e n von H o n i g k u c h e n (πρήΗΗκπ). U m die B i e r w ü r z e beim B i e r zu verwenden, m u ß m a n sie m i t H o p f e n b r a u e n u n d d a n n e i n s ä u e r n , d a m i t sie g ä r t . D e r erste A n g u ß der Bierwürze, der dichteste, w i r d nepeán, kjiök g e n a n n t . D e r zweite A b g u ß , w e n n in die M e i s c h k u f e z u m zweitenmal heißes Wasser eingegossen wird, ist viel d ü n n e r u n d h e i ß t : HpyráH, jjpyrofláH, noJiocuáHeij, ßpioxo^yö. G u t e s B i e r m u ß dick, süß u n d b e r a u s c h e n d sein. B e i d e n N g r r . ist das g e m e i n s c h a f t l i c h e B i e r b r a u e n gewöhnlich, es ist der sog. KaH^H, a n den großen F e s t t a g e n ; es werden dazu auch g e m e i n s c h a f t l i c h e Kessel verwendet. A . M a k a r e n k o beschreibt noch e i n e A r t des B i e r b r a u e n s auf Kvasbrötchen (Ha KBacHHKáx), die ö f t e r z u m K v a s k o c h e n g e b r a u c h t werden. D i e N g r r . Sibiriens b r a u e n so das B i e r , w e n n k e i n Malz zu h a b e n ist. Die K v a s b r ö t c h e n werden aus R o g g e n m e h l g e m a c h t ; m a n bäckt sie dreimal. Z u m B i e r b r a u e n werden sie in heißem W a s s e r a n g e f e u c h t e t u n d m i t e i n e m R ü h r holz g e r ü h r t . D a s so e n t s t a n d e n e Gemisch gießt m a n i n die K u f e , wo R o g g e n m e h l bebrüht u n d g e m a l z t wird d u r c h D a m p f e n m i t kleinen, g l ü h e n d e n Steinchen. Auf 8 k g K v a s b r ö t c h e n mischt m a n 16 k g oder w e n i g e r Roggenmehl. § 53. I n alter Z e i t w a r e n H o n i g g e t r ä n k e , sog. Me«H, sehr beliebt. H o n i g s c h e i b e n w u r d e n m i t w a r m e m W a s s e r begossen u n d d u r c h e i n Sieb geseiht. D a n n w u r d e H o p f e n d a z u g e f ü g t u n d alles i n Kesseln gekocht, ind e m m a n den S c h a u m m i t e i n e m Sieb a b n a h m . D i e gekochte F l ü s s i g k e i t w u r d e d a n n kaltgestellt u n d m i t e i n e m S t ü c k R o g g e n b r o t g e s ä u e r t , welches m i t Z u c k e r s i r u p u n d H e f e b e s t r i c h e n war. W ä h r e n d des E i n s ä u e r u n g s prozesses goß m a n es d a n n in die Fässer. N a c h den B e s t a n d t e i l e n an.
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III. Zubereitung der Nahrung.
Wasser u n d Honig, nach der verschiedenen Art der Einsäuerung, nach den Würzen (Beeren, Gewürz usw.) unterschied man verschiedene Gattungen des gekochten Honigs: oôàpHHô, d. h. bebrüht, einfach, süß (npeCHHft), weiß, rot, Bojarenhonig (SoápcKHñ), Beerenhonig usw. Ähnlich diesem alten „gekochten H o n i g " ist die jetzige ukr. BapeH^xa, n u r wird hier außer Honig auch noch Branntwein (ropinna) gebraucht, anstatt des fehlenden Hopfens. Trockene Früchte — Birnen, Äpfel, Kirschen, Pflaumen, Rosinen, Feigen und Johannisbrot — werden mit Branntwein übergössen, dann wird H o n i g und etwas spanischer P f e f f e r hinzugefügt. D e r Topf mit diesem Gemisch wird hermetisch mit Brotrinde verschlossen, von oben mit ungesäuertem Teig bestrichen und in einen heißen O f e n f ü r 12 Stunden gestellt. Die heiße Yarenucha schmeckt besser als die kalte. E i n ähnliches Getränk, n u r ohne H o p f e n und Alkohol, t r ä g t den N a m e n Honigkvas. Die wr. Bienenväter gebrauchen ihn auch jetzt : die Waben werden nach Herausnahme des Honigs 2 Stunden in Wasser gekocht. Die so gewonnene Flüssigkeit steht dann eine Woche in einem halb geöffneten Gefäß und wird so gesäuert, nachdem man das Gefäß fest verschlossen hat. — I n alter Zeit säuerte m a n den Honigkvas mit den sog. K o l a c i . Der beste Kvas t r u g den N a m e n Klosterkvas, weil die Klöster große Bienenstände und viel Honig hatten. Die Ukr. bereiten den Kvas aus H o l z b i r n e n und Ä p f e l n . Die Birnen werden gebacken und auf zwei Monate in ein Faß mit Wasser gel e g t ; die Äpfel werden roh drei Monate lang im Faß gehalten; in beiden Fällen müssen die Fässer im Keller stehen. Die Wr. machen das Getränk aus Preißelbeeren u n d Moosheidelbeeren mit Zusatz von Birnen und Äpfeln. I n alten Zeiten wurde der Kvas mit H o n i g bereitet und war unter dem N a m e n CTaBJieHbiö Mëfl bekannt. Frische, reife Beeren ließ man zwei oder drei Tage mit Wasser Übergossen stehen, wonach man das Wasser weggoß u n d zu je 2—3 Glas Wasser 1 Glas reinen Honig hinzutat; m a n gebrauchte zur Einsäuerung gebackenes Brot oder H e f e , ohne sie stark sauer werden zu lassen; es wurde Gewürz und zuweilen auch H o p f e n dazugetan. Auf den russischen Märkten wurde, besonders im 18. Jahrhundert, in großer Menge ein warmes Getränk aus angebranntem H o n i g mit Gewürz, der sog. ο6ητθηι>, verkauft. Zuweilen wurde an Stelle von Gewürz Salbei hineingetan. Der cßiiTeHb wurde stets heiß getrunken. I n unserer Zeit ist der S b i t e ñ durch den T e e ersetzt worden, und die verhältnismäßig sehr schnelle Verbreitung des Tees in den Volksmassen erklärt sich aus dem f r ü h e r e n Gebrauch des Sbiteñ. C h i n e s i s c h e r T e e kam erst am A n f a n g des 17. Jahrhunderts nach Rußland und wurde dem Zaren Michail Fedorovic als Geschenk des mongolischen Herrschers gesandt. Die Altgläubigen halten noch jetzt den Gebrauch des Tees f ü r eine Sünde. Es gibt Dörfer, wo m a n auch in unseren Zeiten keinen Tee trinkt, doch sind sie selten. Überhaupt aber ersetzt der Tee, o f t mit Milch, stets mit Brot genossen, dem Bauer o f t sein Frühstück. Der Zucker wird nicht in den Tee hineingetan, sondern m a n t r i n k t „durch den Zucker", qepea cáxap, oder zubeißend, β npHK^CKy (kleine Stücke vom Zucker abbeißend) ; zuweilen wird der Zucker durch
§ 53—54. Getränke.
Butterbereitang.
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Eosinen ersetzt. Als E r s a t z f ü r d e n T e e dienen dort, wo er nicht zu kaufen ist, Kräuter: das Antoniuskraut (Epilobium angustifolium L.) oder Sumpfweidenröschen, Felddosten (Origanum vulgare L.), Saturei (Satureja hortensis L.), Lindenblüten, Blätter des Apfelbaums, hier und da sogar ein Birkenschwamm. I n Sibirien wird öfter der Z i e g e l s t e i n - oder „ K a r y m s c h e r T e e " getrunken, der in Form von gepreßten Tabletten von schwarzer oder roter Farbe käuflich ist. I n Transbaikalien bereiten die Ngrr. diesen Tee auf folgende Weise : man stößt eine solche Tablette in einem Mörser klein, schüttet das Zerstampfte in ein Gefäß aus Roheisen und läßt es im Ofen kochen, dann gießt man es in ein hohes Gefäß aus Lehm (die sog. Saftßäpa) und gießt es eine Viertelstunde lang mit einem Schöpflöffel in ein anderes Gefäß. Zuweilen schüttet man den Tee in heißes Wasser, ohne ihn vorher im Ofen zu kochen, dann werden zur Erwärmung des Wassers heiße Steine hineingetan (L o g i η ο ν s k i j). B r a n n t w e i n oder B r o t w e i n wurde aus Gerste, Roggen und Weizen gebrannt und zuweilen, damit er stärker wird, drei- bis viermal destilliert. Zu Hause bereiteter Branntwein war in Sibirien weit verbreitet, wo er caMocHHKa genannt wurde (vom Ausdruck CHfléTb bhho, d. h. Wein brennen). I n den letzten Jahren wurde infolge Branntweinverbotes die Bereitung Selbstgebrannten Brotweines unter dem Namen caMoroH stark verbreitet. Aus dem Branntwein werden verschiedene Aufgüsse, H a c T Ó ü K a , und Liköre, H a j i H B K a , ohne Kochen bereitet, sowie gewürzter Branntwein, s a n e n á H K a , auch K p y n H H K , durch Abkochen des Branntweines mit verschiedenen Gewürzen. Die alte „Zeremonie des Kusses", noijejjyÄHi>ift o ö p H H , die 1698 in Moskau von K o r b beschrieben wurde, ist noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts außer Gebrauch gekommen. Sie bestand darin, daß die F r a u oder die Tochter des Hauswirtes, nachdem sie dem Ehrengast einen Becher Wein dargebracht hatte, einen Kuß von ihm erwartete und dann schweigend davon ging. § 54. B u t t e r wird bei den Ostslaven nicht immer auf gleiche Weise bereitet. Die Grr. schmelzen die Butter und gewöhnlich auch sauren Rahm vor dem Buttern. Solche geschmolzene Butter ist unter dem Namen „russische Butter" bekannt, obgleich bei den Russen jetzt auch die Bereitung von „Sahnenbutter" aus frischer Sahne stark verbreitet ist sowie die Bereitung von „finnischer" ( n y x Ó H C K o e ) Butter, d. h. aus saurem Rahm gebutterter, aber nicht geschmolzener Butter. Die Ukr. schmelzen die Butter nicht. Die Kühe werden überall zweimal in 24 Stunden gemolken. Die M i l c h wird aus dem Melkfaß mit einem Trichter durch ein Sieb in besondere Milchtöpfe gegossen und in den Keller gestellt. Nach einigen Tagen nimmt man den Rahm ab, tut ihn in einen großen Topf und stellt ihn in einen leicht geheizten Ofen. Den auf diese Weise geschmolzenen Rahm trägt man in den Eiskeller. Beim Abkühlen setzt sich die Buttermilch (grr. naxTaHte, CKOJIÓTHHH, H3MHTHHa, OfleHKH, »para, C Ó B O p O T K a ; wr. CKOJIÓTBHHH, nOCMeUHHHe ; u k r . CKOJiÓTHHa) von selbst am Boden des Topfes ab. Die B u t t e r s c h l ä g t m a n ( M e m á T b , c6HBáTí>, n á x T a T b ) gewöhnlich mit einem ebensolchen hölzernen Werkzeug ( M y r Ó B K a , KOJiOTÓBKa, B e c e J i K a ) , mit dem man den Teig im Back-
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III. Zubereitung der Nahrung.
trog r ü h r t (§ 47). Gewöhnlich setzt sich die F r a u auf den Boden, stellt sich den Topf mit abgekühltem R a h m zwischen die Füße, macht mit dem Butterstempel ein Loch in den R a h m und gießt durch dieses die Buttermilch in ein besonderes Gefäß, d a n n reibt sie mit dem Buttersternpel tüchtig die im Topf nachgebliebene Masse, bis die B u t t e r sich von der Buttermilch trennt. Die auf diese Weise gewonnene B u t t e r schüttet man in einen Trog (hómbh) u n d wäscht sie mehrere Male mit kaltem Wasser. Danach schmelzt der Grr. noch die Butter, indem er sie in einem Topf in den Backofen nach dem Backen des Brotes stellt, bei den andern russischen Stämmen wird
Abb. 74. Ein wr. Käfig zum Trocknen des Quarkes an der Sonne. die gewaschene B u t t e r in Fässer getan und gesalzen. E s ist bezeichnend, daß diese grr. Art, die B u t t e r zu schmelzen, allen N a c h b a r n des russischen Volkes — wie den Finnen, so auch den T ü r k e n — fremd ist. Die während des Schmelzens der B u t t e r auf dem Boden des Gefäßes verbleibende il asse ( o f l f e H K H , H 3 M H T H H a ) wird zur Bereitung von Pasteten, Fladen usw. gebraucht. Die nach dem Abnehmen des Rahmes zurückbleibende sauere Milch wird ebenfalls in Töpfen in einen leicht geheizten Ofen gestellt, dann in ein Sieb oder einen leinenen Sack getan. Den letzteren hängt m a n a u f , damit die Molke abfließen kann. So wird Q u a r k ( T B o p ó r , cup) gewonnen, den man in ein F a ß t u t u n d mit einem hölzernen Kreis, von einem schweren Stein beschwert, zudeckt: die noch zurückgebliebene Molke tritt dann hervor u n d verhindert den Z u g a n g der L u f t zum Quark. Um einen V o r r a t von Quark zu gewinnen, salzen ihn die Wr. und trocknen ihn an der Sonne oder im
§ 54—55. Butterbereitung.
Literatur.
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Ofen, auch wird er im Faß mit geschmolzener Butter Übergossen (die sog. MácjieHHija). Auf Abb. 74 ist ein wr. Käfig zum Trocknen des Quarkes an der Sonne dargestellt nach der Photographie des Russischen Museums in Leningrad. Die N g r r . bereiten ζμνβϊΐβη zum Osterfest eine geringe Menge von Butter aus frischem, ungeschmolzenem Rahm, wozu der Rahm in einen K r u g mit fest verschließbarem Halse getan und durch starkes und o f t wiederholtes Schütteln des Kruges geschlagen wird. Die auf diese Weise gewonnene B u t t e r wird „finnische" Butter (lyxÓHCKoe) genannt. Es kommen auch besondere Butterfässer vor, hohe und schmale, mit einem Deckel versehene Fässer, in denen sich wie ein Kolben ein Stock mit einem hölzernen Kreis am Ende bewegt. §55. Literatur. Über die M ö r s e r u n d M ü h 1 e η bei den indogerman. Völkern siehe den Artikel von R a d . M e r i n g e r : Die Werkzeuge der pinsere-Reibe und ihre Namen (Wörter und Sachen I, 1909, S. 3ff. u. 164ff.). Die Arbeit von S u c h e Vic über die Huzulen ist oben im Text genannt. — A. T e p l o u c h o v : Κτ> HCTopin MyKOMOJitHaro npoHaeoflCTBa BT> 3anaji;H0lt lac™ IlepMCKoft rySepHÌH (Tpyflw üepMCKOfi Ty6. ApxHBHOìt KOMHCCÌH X I I . 1 9 1 5 ) ; aus diesem Artikel sind von uns die Abb. 40, 44 und 46 entnommen. Über die Ö l p r e s s e n der Ukr. gibt es eine Reihe von Artikeln in den MaTepÌHjiK pp yKpaïHCi>K0-pycbK0i eTHOJiboriï Bd. VI, 1905, S. 83—99 : die Artikel von P. L i t v i n o v a - B a r t o s , A. V e r e t e 1 ' n i k und M. S i s k e v i c. Von den grr. in den MaTepiajiti no onncaHiio npoMBicjiOBt B H T C K O Í Í ryßepHi« II, V'atka 1890, S. 242—320. Über die Gewinnung des F e u e r s durch Reibung s. die Artikel von A. S e r ζ p u t o v s k i j : Ο ^ Β Ρ Κ Η BtjiopycciH VII. 3 ° 6 H B A H I E Ο Γ Η Η (JKHBan Crapiraa XVIII, 1909, Nr. 1, S. 40—45); aus diesem Artikel sind die Abb. 53, 55—57. entnommen; A. M a k a r e n k o : ΠΟΗΗΤΒΗΊΒ Ο Γ Η Η y npecTbHHT>-CH6HpHKOBT> EmiceäCKOit ry6. (JKHBan OrapHHa VII, 1897, S. 247—253); Κ. Ζ avo i ko: Βτ> KocTpoMCKHxi ,TÏ>caxT> no Berayrii ρ ΐ κ ΐ (Tpyati KocTpoMCKoro Hayraaro 06mecTBa no H3y M Ì C T Haro «pan, Lief. Vili, KocTpoMa 1917, S. 18—22). Über den F e u e r k u l t u s : V. C h a r u z i n a : Ki> Bonpocy o noMHTaHiH ΟΓΗΗ (ΒτΗΟΓραφΗΜβοκοβ OßosptHie 1906, Nr. 3—4, S. 68—205); M. V a s i 1 j e ν : ΑΗτροποΜορφΗΗβοκίπ npejiCTaBjieHiH Bt B'fepoBâHÎHX'L· yKpaHHCKaro Hapo^a (ibid. XV, 1892, Nr. 4, S. 157 ff.) Siehe auch den Artikel von N. I v a n i c k i j , der in §22 genannt ist, woraus die Abb. 54 und 59 entnommen sind. Über das T ö p f e r h a n d w e r k : das Buch von I. Z a r è c k i j : ToHHapHtitt npoMMcejiT. BT, IIojiTaBCKOit ryöepHiH, Poltava 1894, Verlag des IIojiTaBCKoe TyöepHCKoe 3 e M C T B o ; der Artikel von M. M o g i l ' a n s k i j : ToHiapcTBO Β C. OaeuiHi Topo,HHHi(Koro noBÌTy (MaTep. yKp.-pycbKO'i eTHOJiboriï I, 1899, S. 53—65). Eine Reihe von Artikeln in den TpyflH KOMMHCCÌH no Hac.TfeaoBaHiio «ycTapHoit προMbtinjieHHOCTH BT» P O C C Í H , Lief. II—XVIII, Petersburg 1879 u. folg. Abb. 61—70 sind dem Album des üojrraBCKoe TyöepHCK. 3eMCTBO „ M O T H B H MaiiopocciUcKaro opHaMeHTa roHHapHaro npoHseoflCTBa" 1882; Abb. 72 und 73 dem Artikel von N. I v a n i c k i j entnommen. Über die N a h r u n g vgl. man das Buch von N. M a r k e v i c : OÖHHan, noBtpbH, KyxHH η HaUHTKH MajiopocciHHT>, Kijew 1860; V. H n a t j u k : HapoflHHrio/KHBai cnociß ϊϊ npHnpaBH y cxiRHÌit TajiMiHHi (MaTep. HO yKp.-pycbKO'i eraojibori'i I, 1899, S. 96—110); A. K i r k o r : 9THorpa$OTecKÌit BsrjiHß HA BmieHCKyio ryôepmio (3THOΓpaφHqecκiií C6OPHHKT> III. Petersburg 1858, S. 115if.); W. Sc.: ÜHiua H nHTbe KpecxTïHH MajiopoccoBt (3τΗ0Γρ8φ. 06θ3ρ. XL—XLI, 1899, Nr. 1—2, S. 266—322): R o s t a f i ú s k i : Burak i barszcz. Nazwa i rzecz, Krakau 1880. I. M i k k o l a : Über einen alten Speisenamen (Wörter und Sachen III, 1911, S. 84—87). A. Fe ή u Z e 1 e η i η , Russ. (Oetelav.) Volkskunde.
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IV. Zugvieh, Geschirr und Fahrzeug.
t i n : YBecejiemH ropojja Monom (TpyflH HpocnaBCKaro Tyß. CTaiHCTimecKaro ΚοΜκτβτη I, 1866, S. 1—153) dann die oben, in § 22, genannten Arbeiten von N i f o r o v s k i j , A n i m e l l e , I v a n i c k i j , R o m a n o v , C u b i n s k i j , die in § 3 5 genannten Arbeiten von Z a v o i k o , B o g a t y r e v , S e i n , J e f i m e n k o , I v a n i c k i j ; das Buch S u m c o v s ist oben im Text (§ 47) genannt. Yon den G e t r ä n k e n handeln dieselben Arbeiten wie von der Nahrung ; dazu kommen noch : A. M a k a r e n k o : K A H Y H I no CHÖHPCKHMT. ceJiernHMt (}KHBan GrapHHa XVI, 1907, Nr. 4, S. 181—199); F. Z o b n i n : Ηβτ. ro«a B I γοατ>. OnHcaHie KpyroBopoTa KpecTbHHCKoit wh3hh BT> cejrfc YcTt - Ηπι;ΗΗΟΚΟΜΈ. TioMeHCKaro OKpyra (JKHBa« CTapHHa IV, 1894, Nr. 1, S. 37—64); N. K o s t o m a r o v ; Ο^βρκτ» HOManiHeS >κΗ3Ηπ η HpaBOBt BejiiiKopyccnaro Hapo.ua BT> XVI η XVII CTO.TÈTÌHX, Petersburg 1860; V. D o b r o v o l ' s k i j : 3HaieHie HapoflHaro npa3flHHKa „CB-ÈHIT (3THorpa trägt. Auf Abb. 96 sind zwei solche „ K ä m m e " zu sehen, von denen die u k r . F r a u e n des Gouv. Poltava den H a n f mit H i l f e eines Spinnrades h e r u n t e r s p i n n e n ; auf die Zähne des K a m m e s
werden von oben Fasern (grr. κ^?κβ3ΐι>, Ky^énn, Moina, MÓHKa; ukr. k^jkìjii>) aufgesetzt, aus denen sich beim Spinnen der F a d e n bildet. D i e K ä m m e werden hauptsächlich aus Ahornholz g e m a c h t ; die H ö h e der Z ä h n e des K a m m e s ist u n g e f ä h r 12 c m ; im Querschnitt hat der Zahn die F o r m eines P a r a l l e l o g r a m m s ; die beiden äußeren Zähne sind f ü n f m a l breiter als die anderen. I m ganzen ist der K a m m einer Schaufel sehr ähnlich, deren Griff in ein Brett, das sich am E n d e verdickt (grr. «ÓHi;e, κοπώπ, ry3HÓ; u k r . arnhue) hineingesteckt wird. A n dem einen Ende dieses Brettes
§ 67. Spinnrad und Spinnrocken.
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sitzt die Spinnerin. Zuweilen wird das Ende des K a m m e s in eine gewöhnliche Bank eingesteckt. Die a n d e r e A r t des Spinnrockens (Abb. 98 u. 99) hat im oberen Teil keinen Kamm, sondern ein gewöhnliches Brett, zuweilen aber eine einfache Verdickung. Die N g r r . machen nicht selten einen solchen Bocken aus einem ganzen Stück Tannenholz mitsamt der Wurzel ; auf Abb. 100 ist ein Baumstamm mitsamt der Wurzel dargestellt, der zur A n f e r t i g u n g eines Bockens
Abb. 98. Wr. Mädchen beim Spinnen mit einer Spindel. verwendet werden soll. Das Stück F a s e r wird hier an den Rocken gewöhnlich mit einem G u r t oder besonderen Strick angebunden ( M y T Ó B H 3 b ) und o f t m i t einer Nadel durchsteckt. Der obere Teil des Bockens heißt hier JIÓn a c T i . . auHHHKa, und das Ganze heißt npnciiHija, npAceana, wr. KyaéjiH, npácmma. I n den Fällen, wo der obere Teil des Bockens eine einfache Verdickung aufweist, an die die Faser gebunden wird, n e n n t m a n die Vorrichtung npnflHHa ; es wird auch der Ausdruck gebraucht : npncTb Ha Kymejie, Komuie. So spinnt m a n ö f t e r die Wolle. Die Ukr., die den Spinnrocken f a s t nie
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V. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
gebrauchen, brauchen f ü r das Spinnen der Wolle gewöhnlich einen Stock, der mit einer kleinen Gabel am oberen Ende versehen ist, und binden in diese Gabel ein riesiges Bündel Wolle von nahezu 20 cm im Durchmesser, das in einen Lappen gewickelt ist. Die d r i t t e A r t des Spinnrockens wird nur im Westen der Ukraine gebraucht und tragt den Namen K y m i n K a , K y j K Í B K a , K p y H t í J i K a . Die Eigenart dieses Typus besteht darin, daß hier der hölzerne Teil, an den die Faser gebunden wird, drehbar ist. I n das Brett, das zum Sitzen der Spinnerin dient (ci«éqt, HHÓme), wird vertikal ein rundes Holz (cTeßjio, aepauBHo) von 80 cm Länge und 5 cm Dicke gesteckt. Am oberen Ende dieses Holzes ist ein hölzerner Nagel (mneHbÓK, KyjKÍBHÓK) angebracht; auf diesen Nagel wird ein sich f r e i darauf drehendes rundes Holzstück (npyjKijiKa, KymÍBKa, KÓiajio) aufgesetzt. Die Faser wird wie Watte zusammengerollt, auf diesen Kreis aufgesetzt und oft mit einem Lappen umwickelt.
Diese letztere Art des Rockens ist außer in der westlichen Ukr. noch bei den Wr. des Gouv. Cernigov beobachtet worden. Was die erste Art, den Kammrocken, anbetrifft, so ist er bei den Ostslaven fast überall verbreitet. Bei den Grr. und Wr. macht ihm die zweite Art (Abb. 98 u. 99) den B a n g streitig. Die geographische Verbreitung dieser beiden miteinander wetteifernden Arten ist sehr unregelmäßig; sie läßt vermuten, daß der Kammrocken sich später verbreitet hat. Auf dem Kammrocken werden gewöhnlich schlechter zubereitete, ungenügend ausgekämmte Fasern gesponnen; sie werden vorläufig auf dem Kammrocken gekämmt (MÓKaTt), dabei bleiben am K a m m stets Flocken hängen, weil beim Kämmen mit dem Kamm ein Teil der Fasern zerrissen wird. § 68. Beim Spinnen am Spinnrade wird der Faden auf die S p u l e (grr. KaT^uiKa, ukr. Kpy/Keijb) und beim Spinnen am Spinnrocken mit der H a n d auf die S p i n d e l (ΒβρβτβΗό, ukr. BepeTéHo) gewunden. Die letztere wird auf der einfachsten Drehbank (s. Abb. 57) aus trockenem Birkenholz gedrechselt. Ihre Höhe schwankt zwischen 20—80 cm. Früher wurden die Spindeln „mit einer Scheibe" (c K p y j K K Ó M ) gedrechselt : im unteren Teil, oberhalb des kurzen Kegels, auf dessen Spitze sich die Spindel dreht, wurde
§ 67—68. Der Spinnrocken. Die Spindel. Das Spinnen.
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eine radf örmige Verdickung (s. Abb. 98) gemacht. Jetzt werden die Spindeln gewöhnlich mit einem „Kopf" angefertigt: dieselbe Verdickung hat das Aussehen einer Kugel oder eines runden Zylinders (Abb. 99, wo die Spindel mit dem unteren Teil nach oben dargestellt ist). Es gibt auch Spindeln, bei denen der untere kurze Kegel sogleich in den langen oberen übergeht. Die Verdickung im unteren Teil der Spindel spielt die Rolle eines Schwungrades, das die Drehung der Spindel verstärkt. Um die Spindel schwerer zu machen, wird an ihrem unteren Ende zuweilen eine hölzerne Scheibe (ukr. KÓiajitije) oder ein Ring aus Metall oder Lehm (ngrr. npácjieHb, npecjieinÓK, ßyen) angebracht. Wie archäologische Ausgrabungen gezeigt haben, waren solche Scheiben aus Lehm oder Stein (npncjiHUbi) schon in alten Zeiten sehr gebräuchlich. Der Prozeß des Spinnens besteht darin, daß die Spinnerin sich an den Rocken setzt, und zwar so, daß sie der am Rocken befindlichen Faser nicht ihr Gesicht, sondern ihre linke Seite zuwendet. Mit der linken Hand zieht sie an dem Faserbund (ngrr. 6opóp;Ka) und zieht ihn an den einzelnen Fäden heraus, indem sie ihn zwischen dem Daumen und dem Zeige- oder Mittelfinger der linken Hand dreht ; diese Finger werden die ganze Zeit mit Speichel befeuchtet, d. h. die Spinnerin befeuchtet sie fortwährend, weil es leichter ist, mit feuchten Fingern einen Faden von gleicher Dicke herauszuziehen. Das Ende des Fadens bindet sie mit einem Knoten an die Spitze der Spindel, und indem sie diese Spitze zwischen den Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand nimmt, versetzt sie dieselbe in eine rasche, drehende Bewegung. Mit der linken Hand fährt sie fort, die Faser auszuziehen, bis der rechte Arm, der die Spindel auf dem Boden dreht, sich so weit ausstreckt, daß er die sich drehende Spindel nicht mehr weiterbewegen kann. Dann wird der gesponnene Faden, die sogen. cájKeHt, auf den mittleren Teil der Spindel gewunden und wieder am oberen Ende der Spindel festgebunden. Darauf folgt wieder die Drehung der Spindel mit der rechten H a n d und das Herausziehen des Fadens aus der Faser mit der linken. Der Daumen und Zeigefinger der rechten H a n d wird von Zeit zu Zeit ebenfalls durch Spucken mit Speichel befeuchtet, wodurch eine größere Regelmäßigkeit des Drehens der Spindel zwischen ihnen erzielt wird ; die Befeuchtung mit Speichel spielt hier die Rolle des Bestreichens der Zapfenmutter. Auf diese Weise besteht das Spinnen aus drei sich wiederholenden Prozessen: 1. dem H e r a u s z i e h e n d e s F a d e n s aus der Faser durch die linke H a n d der Spinnerin; 2. dem Z u s a m m e n r o l l e n dieses Fadens durch die sich drehende Spindel und 3. dem A u f w i n d e n des Fadens auf die sich drehende Spindel. F ü r jedes Meter des Fadens wiederholen sich diese drei Prozesse, wozu die Spinnerin 1—2 Minuten Zeit braucht, je nach ihrer Fertigkeit. Auf diese Weise kann in einer Stunde ein Maximum von 60—120 m Faden gesponnen werden. Eine Spindel mit einer normalen Menge von beim Spinnen aufgewundenen Fäden, die es f ü r die Spinnerin schon schwer macht, das Spinnen weiterzuführen, heißt grr. pyleHbKa, wr. pyiaftwa. Doch windet man den Faden von zwei solchen pyïéHbKK zuweilen, wenn die Spindeln spärlich sind,
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V. A n f e r t i g u n g der Kleidung uiid des Schuhwerks.
auf eine einzige große Spindel; die letztere heißt dann πρόοτβΗΒ; dies ist dann eine Spindel von einer maximalen Menge von Fäden. Eine Spindel mit einer weniger als normalen Menge von Fäden, auf die noch Fäden gewunden werden können, heißt dagegen grr. πο^έτοκ, ποηΛηοκ, aa^aTbiiir, aaiipó^Mui. Bei den Ukr. sind bisher keinerlei Bezeichnungen f ü r Spindeln mit verschiedener Fadenmenge verzeichnet worden; bei ihnen heißt eine Spindel mit voller Anzahl von Fäden gleichfalls üomähok. § 69. Yon den Spindeln wird der Faden auf die H a s p e l (motobmo) herübergewunden (Abb. 101), die einen Stock mit einer Gabelung am unteren Ende und einem kurzen Querstab am oberen Ende darstellt. Bei den Huzulen ist eine besondere Vorrichtung, der sog. B e p e T Í H H H K , zum Herüberwinden der Fäden von der Spindel auf die Haspel bekannt (beschrieben ist sie bei c
Abb. 101. Haspel.
Abb. 102.
Garnwinde.
Abb. 103. Ngrr. Spule.
Suchevic ryijyjibiAHHa I, 149). Die normale Länge der Haspel ist 155 cm, doch gibt es auch kürzere, bis 55 cm. Den Faden von der Spindel zieht man zuerst in Form einer Masche auf das untere Ende (BiijiKa, ρόΐκκίϊ) der Haspel auf und windet dann abwechselnd erst in der Richtung abc, dann in der Richtung ), zählt man sie gleichzeitig. Das Zählen wird nicht überall in gleicher Weise besorgt, u. a. wegen der verschiedenen Länge der Haspel. Die normale Länge der Ηήτκβ, die als Zahleinheit gilt, ist etwa 575 cm. Drei hätkh heißen: grr. liicMeHna, micjiemama, ukr. hAchhi;h; 30 hätkh (oder 10 qÄCMeHKii) bilden gewöhnlich das sog. n á c M O (Gebinde), das auf der Haspel zusammengebunden wird. Das n á c M O dient als Maßeinheit bei der Beurteilung der Leinwanddicke. Die gewöhnliche Breite der Leinwand ist bei den Ostslaven 25—55 cm. J e feiner die
§69—70. Die Haspel. Einheiten beim Zählen der Fäden. Aufzug und Einschlag.
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Fäden sind, desto größer ist ihre Zahl, die auf dieser Breite des Aufzugs Platz findet. Die Zahl der n á c M O schwankt bei dieser Breite des Aufzugs von 7—14. 7 kommen auf das dickste Gewebe, das zu Säcken und Teppichen verwendet wird. Die grr. Gutsbesitzerinnen, die den leibeigenen Bauernfrauen Flachs zum Spinnen gaben, haben eine neue Maßeinheit eingeführt, die sog. TájitKa (polnisch t a l k a ) . Ihre Größe ist auch an verschiedenen Orten verschieden. Öfter zählt man in der T ¿ j i b K a 20 ny^Ká (Bündel) zu 60 Fäden oder 10 nyiKH zu 120 Fäden. Hier und da nennen die Ngrr. die TájiBKa mit dem Wort rornÍHa; sie wiegt ungefähr 400 gr. Die Länge der Haspel, von der zuletzt die Größe aller Maßeinheiten abhängt, wurde wahrscheinlich schon damals festgestellt, als man mit Ellen (jiÓKOTb) und nicht mit dem späteren Arschin ( a p i m i H ) rechnete. Wenigstens sind 1850 bei den Ngrr. in Niznij-Novgorod Haspeln von drei Ellen Länge und im Kreise Makarjev desselben Gouvernements solche von zwei Ellen Länge beobachtet worden (Onnc. pyKon. 760). § 70. Die von der Haspel abgenommene Fitze Garn (mot, ukr. mítok) wird auf die Garnwinde gewunden (grr. B o p o ß u , ch^äkh, 6á6a, ukr. BHT^niKa, 6äjii>iih). E s sind dies zwei dünne, lange Bretter, die kreuzförmig zusammengelegt sind und sich auf einem hohen TTntersatz drehen (grr. CTaiiHO, B t i ò x a , n o f l B o p o Ö H i j a , ukr. m T Ó M n e n b , H H T K a ) . Zum Aufwinden des Garns auf die Garnwinde stecken die Grr. an den vier Enden der Bretter Spindeln in die dort ¡vorhandenen Löcher und die Ukr. besondere Platten mit gebogenen Enden, die sog. kóhhkh, KaneiKÄ (eig. Pferdchen, Entchen). Bei den Grr. werden die Fäden von der Garnwinde auf große hölzerne S p u l r o l l e n gewunden (grr. τιορήκ, T y p a n Ó K , T p y ß n q a , BbJÓiiiKa ; s. Abb. 103 u. 104). Es sind dies leere oder an den Seiten mit einem Gitter versehene Zylinder von etwa 80 cm Länge, und 20—30 cm im Durchmesser. Sie drehen sich um eine hölzerne oder eiserne Speiche, die in die Wand oder in einen schweren Holzklotz, der auf der Bank steht (Abb. 104), eingeschlagen wird. Die F r a u setzt sich in die Mitte zwischen diese Spulrolle und die Garnwinde, dreht mit der rechten Hand die Spulrolle und hält mit der linken den sich von der Garnwinde herabziehenden Faden. Im weiteren Verlauf der Arbeit sind zwei Teile zu unterscheiden : parallel geht die Bereitung der Fäden des A u f z u g e s und der Fäden des E i n s c h l a g e s . Der erste Teil, das Auf scheren, heißt C H O B â ï b , ukr. C H y B a T H . N u r bei den Ngrr. und noch bei den galizischen Ukr. ist eine bewegliche Schermühle (grr. C H O B a u b H O , CHOBEJibHH, caMOCHÓBH ( u k r . CaMO-
gebräuchlich, die auf Abb. 105 abgebildet ist. Alle anderen Ostslaven gebrauchen dazu einen Abb. 104. Ngrr. Spulrolle, unbeweglichen Scherrahmen (ukr. ochíbηπειη, C H y B a B K a ) , um den die Aufschererin herumgeht. Die bewegliche Schermühle stellt eigentlich eine doppelte Garnwinde dar, wo es anstatt eines Kreuzstockes deren zwei gibt ; die Enden dieser letzteren TÓKa, C H y e á j i K a , C H y B á j i b H H i p i )
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V. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
werden durch vertikale Stäbe miteinander vereinigt, worauf die Fäden gewunden werden. Mit den Kreuzstöcken dreht sich auch die Achse, was bei der Garnwinde nicht der Fall ist (Abb. 102 und 105). Die wr. und stellenweise auch die grr. Frauen besorgen das Aufscheren an der Wand eines Gebäudes. (Davon stammt wahrscheinlich auch die Benennung f ü r ein Maß der Leinwand C T e H á , eig. Wand.) In die Wand wird eine nötige Anzahl kleiner Pflöcke eingeschlagen, auf die die Fäden, zu zweien auf einmal, von zwei Spulen oder Bollen gewunden werden. Die beiden unteren Pflöcke tragen überall den Namen hhhbi, ΐίβΗώ ; auf diesen Pflöcken geht beim Aufscheren die Teilung der oberen und unteren Reihen des Aufzuges vor sich : von hier läuft jeder der zwei Fäden nach einer anderen Seite. Die auf den Scherrahmen gewundenen Fäden werden zuerst durch eine besondere kleine Schaufel mit zwei Offnungen (ukr. ρπ^ή, cHyBaB hh κ) gelassen, die f ü r jeden Faden eine besondere Öffnung hat, damit sie sich nicht untereinander verwickeln. Vom S eher rahmen kommen die Fäden des Aufzuges auf den Webstuhl. Was die Fäden des E i n s c h l a g e s anbetrifft, so werden sie von der Garnwinde oder den Garnspulen auf kleine Röhren — Weberspulen (grr. ijeBKa, ukr. i j Í B a , ijÍBKa) gewunden, die schon in das Weberschiffchen (Läufer) eingesetzt werden. Zum Aufwinden der Fäden des Einschlages auf diese Weberspulen wird ein Spulapparat (grr. C K á j i b H O , c u á j i K a , ukr. c y K a j i o , p e M i c H Ä K , innyjuip) gebraucht; um ihn in eine drehende Bewegung zu versetzen, dient nicht selten eine Armbrust: die Armbrustsehne umfaßt mit einer doppelten Masche die Achse (ukr. i n n é H H K , B e p e T é H O , grr. Β β ρ β τ β Η ό ) mit dem Schwungrade ( K p y Híájio, KpyHtájina, ukr. KÓJieco) ; auf das spitze Ende der Achse wird die Weberspule aufgesetzt. Die Grr. winden die Fäden auf die Weberspulen von der Garnwinde oder von der Spulrolle a u f ; die ukr. Weber in Galizien gebrauchen dazu ein besonderes Gerät sbìhihkh. Yon der Garnwinde (Abb. 102) unterscheidet sich dieses Gerät hauptsächlich dadurch, daß die Drehung hier nicht nach einer horizontalen, sondern nach einer vertikalen Linie vor sich geht. Bei den Grr. kommen in den letzten Jahrzehnten neue Geräte zum Abwinden und Aufwinden der Fäden des Aufzuges und Einschlages auf, der sog. ôapaH (eig. Hammel), der sich nach einer vertikalen und nicht nach einer horizontalen Linie dreht (Kalugaer und Moskauer Gouv.). § 71. Wenn wir uns nun dem W e b s t u h l der heutigen Ostslaven zuwenden, so müssen wir z w e i H a u p t t y p e n desselben unterscheiden. Zum ersten Abb. 105. Ngrr. Schermühle.
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§ 71. Vereinfachte Webstühle.
gehören vereinfachte Geräte, die nicht zum Weben von Leinwand, sondern von Matten, Gürteln, Sieben usw. dienen. Zum zweiten Typus gehört der gewöhnliche Webstuhl, auf dem m a n Leinwand und Tuch webt. Die einfachste Art des vereinfachten Webstuhles kann m a n auf Abb. 106 sehen. Dieses Gerät wird noch durch eine vertikale Lage bezeichnet. Es dient zum Weben oder Flechten von Matten aus Lindenbast. E s stellt einen großen stehenden Rahmen dar, über den die am oberen und unteren Querbrett desselben befestigten Fäden des Aufzuges aus zusammengerollten Schnüren von Lindenbast gespannt sind. Die Rolle des W e b e r k a m m e s spielt ein hölzernes Brettchen mit runden Öffnungen. Von zwei nebeneinander liegen-
Abb. 106. Webstuhl zum Wellen von Matten. den Fäden des Aufzuges wird der eine durch eine runde Öffnung in diesem Weberblatt gelassen und der andere zieht sich hinten am Weberkamm entlang. Infolgedessen bildet sich am Weberkamm ein S p r u n g ; neigt m a n den Weberk a m m nach vorn, so wird der S p r u n g breiter. I n diesem S p r u n g werden die Fäden des Einschlags e i n g e f ü h r t , zuweilen mit H i l f e einer langen hölzernen Nadel, in deren Öhr der F a d e n des Einschlags wie in eine N ä h n a d e l eingefädelt wird ; zuweilen hat diese Nadel n u r eine hakenförmige Einkerbung a m Ende. Wenn m a n mit der einen H a n d die N a d e l in den S p r u n g eing e f ü h r t hat, befestigt m a n mit der anderen eine Masche aus dem F a d e n des Einschlags u m diese E i n k e r b u n g und f ü h r t wiederum m i t einer Rückbewegung der anderen H a n d die Masche des Einschlags durch den S p r u n g des A u f zugs. Dieselbe Rolle eines Weberschiffchens spielt zuweilen ein hölzernes Messer mit zwei Griffen am Ende u n d einer Öffnung in der Mitte, an dem Z e l e n i n , Euss. (Ostslav.) Volkskunde.
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Υ. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
sich auf einer Achse eine kleine Spule mit darauf gewundenen F ä d e n des Einschlags d r e h t ; so sieht der grr. Kocápt (eigentlich großes, stumpfes Messer) aus, der auf Abb. 107 abgebildet ist u n d der nicht bei vertikaler, sondern bei horizontaler Lage des A u f z u g s gebraucht wird, beim Weben von breiten Gürteln (vgl. Abb. 109). Dieses hölzerne Messer klemmt gleichzeitig den
Abb. 107. Der sog. Kocapb, der Weberschiffchen und Weberlade ersetzt. durchgezogenen F a d e n des Einschlags ein, d. h. es spielt die Rolle von Weberladen, zu der die oben beschriebene hölzerne N a d e l weit weniger geeignet ist. Endlich wird das Durchziehen des Einschlagfadens durch den S p r u n g des A u f z u g e s einfach mit den H ä n d e n bewerkstelligt; dies ist bei vertikaler L a g e und bei einem schmalen horizontalen A u f z u g der Eall (Abb. 109).
Abb. 108. Webstuhl zum Weben von Matten. W e n n m a n die Matten auf einem vereinfachten Webstuhle webt, so gebraucht m a n meistens einen gewöhnlichen Weberkamm mit dicken Zähnen, doch gibt es in der Mitte eines jeden solchen Zahnes eine runde Öffnung. Die F ä d e n des Aufzuges werden abwechselnd — ein Faden in den Spalt zwischen zwei nebeneinanderliegenden Zähnen des Weberkamms u n d der andere in die Öffnung des folgenden Zahnes — durchgezogen. An den mitt-
§ 71. Vereinfachte Webstühle.
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leren Teil des Oberrahmens des Weberkammes (den sog. cbójiok) ist ein Strick gebunden, dessen anderes Ende über einen Block geht, der an der Zimmerdecke hängt. Indem man den Weberkamm an diesem Strick hochhebt, bildet m a n den Sprung des Aufzuges, weil mit dem Weberkamme zusammen alle die F ä d e n hochgehoben werden, die durch die Öffnungen seiner Zähne gezogen sind. Auf gleiche Weise wird, wenn m a n den Weberkamm, mit H i l f e des Fußtrittes oder ohne ihn, nach unten führt, ebenfalls ein Sprung und zugleich eine Verschiebung der Fäden des Aufzugs zustande gebracht, wobei der Faden des Einschlags von den sich kreuzenden Fäden des Aufzugs umgeben wird. Auf Abb. 108 ist ein solcher Webstuhl aus dem Gouv. K a z a n zum Weben von Matten dargestellt mit einem horizontalen Aufzuge und einem Weberkamm, der auf einem Block hochgehoben wird. Die Bolle der Weberlade
Abb. 109. Das Weben von Gürteln „auf Karten"; oben eine solche Karte. spielt in diesem Falle die Schwinge (Tpenájio), eine Art hölzernes Messer, das auch zum Reinigen der Faser von der Achei gebraucht wird (vgl. § 65 und-66). Bei den beschriebenen Arten des Weberstuhls spielt der Weberkamm die Rolle der den Sprung des Aufzuges bildenden Weberzettel. Bei der folgenden Art (Abb. 109) von Webstuhl übernehmen diese Funktion besondere dünne Holzbrettchen von 6,2 cm Länge und 5,7 cm Breite an deren 4 Ecken es runde Öffnungen f ü r die Fäden des Aufzuges gibt. Zuweilen braucht man anstatt solcher Brettchen Spielkarten und diese Art des Webens wird bisweilen „auf Karten weben" genannt. Gewöhnlich werden auf diese Weise mehr oder weniger schmale Gürtel aus bunten Wollfäden gewebt. H i e r sehen wir also keine einfachen Arten des Webens, sondern eine komplizierte, gemusterte Arbeit (grr. nepeSopHRH tkähi» j § 77). Jedes Brettchen dient hier zum Durchziehen von zwei P a a r Fäden des Aufzuges, ein P a a r wird durch die oberen, das andere durch die unteren 11*
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Y. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
Öffnungen gezogen. Eine solche Verteilung der Fäden bildet den Sprung des Aufzuges. Beim Weben zieht man mit der Hand einen Faden des Einschlags (der Einschlag ist ebenfalls bunt und deshalb wechseln die Fäden) durch den Sprung, die Brettchen dreht man mit der Hand unter einem Winkel von 80° nach vorne und den Faden des Einschlags drückt man mit einem kleinen hölzernen Messer (κοοάριικ) fest. Das Brettchen beschreibt nach jeden 4 Fäden des Einschlags einen vollen Kreis. Auf Abb. 109 ist ein besonderes Brettchen mit 4 Fäden darin und der Prozeß des Webens dargestellt. Die Weberin hält hier das eine Ende des Aufzugs mit der linken Hand, doch wird dieses Ende oft auch an den Gürtel gebunden, den die Weberin um hat und dann sind ihre Hände frei. Das entgegengesetzte Ende des Aufzugs wird an irgendeinem Haken befestigt.
Zum Weben von mehr oder weniger breiten Gürteln ist eine große Anzahl von Brettehen (Karten) nötig. I n solchem Falle werden die Fäden des Einschlags nicht mit der Hand, sondern mit einem Stöckchen, worauf ein Faden des Einschlags gewunden wird, oder durch das auf Abb. 107 abgebildete sgrr. hölzerne Messer (nocâpb) durchgezogen, wobei das letztere gleichzeitig den Faden des Einschlags einklemmend, als Weberlade dient. Die Moskauer Ethnographin N". L e b e d e v a berichtet, daß im Gouv. Penza um 1924 die Sgrr. gemusterte bunte Gürtel sozusagen als gemeinsame Handarbeit webten: 10 Frauen nehmen in jede Hand einen Faden des Aufzugs und heben und senken auf das Kommando ihrer Vorsteherin ihre Hände, indem sie die Fäden, wie das zum Weben nötig ist, übereinandernehmen. Hier entsteht ein Übergang vom Weben zum Flechten (§ 80).
§ 71—72. Vereinfachte und gewöhnliche Webstühle.
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§ 72. A l s gewöhnliche W e b s t ü h l e z u m W e b e n von L e i n w a n d u n d T u c h werden h e u t e bei den Ostslaven z w e i A r t e n g e b r a u c h t ; m a n k a n n sie die alte u n d die n e u e n e n n e n . D e r alte W e b s t u h l ist bei den W r . u n d allen G r r . v o r h e r r s c h e n d ; bei den letzteren gibt es eine R e i h e von A u s n a h m e n , wo die Leinwand u n d der sog. Mitkalstoff f ü r den H a n d e l gewebt w i r d ; so in den Gebieten von J a r o s l a v l ' , V l a d i m i r , K a l u g a u n d M o s k a u . Hier w i r d eine neue, verbesserte A r t von W e b s t u h l gebraucht, die auch f ü r alle U k r . bezeichnend ist. D e r U n t e r s c h i e d besteht n u r i m N a m e n : die Ukr. behalten größtenteils die westeuropäischen B e n e n n u n g e n vieler Teile des Webstuhls bei (§ 73), w ä h r e n d die G r r . die alten einheimischen B e z e i c h n u n g e n auf die verbesserten W e b s t ü h l e ü b e r t r a g e n u n d n u r in seltenen F ä l l e n die westeuropäischen B e n e n n u n g e n g e b r a u c h e n . A u g e n s c h e i n l i c h ist i m N o r d e n der E r s a t z des alten W e b s t u h l e s d u r c h d e n n e u e n n a c h u n d n a c h , u n d m e h r a u f organische Weise d u r c h Ä n d e r u n g u n d V e r v o l l k o m m n u n g des alten T y p u s vor sich g e g a n g e n ; w ä h r e n d m a n bei d e n U k r . einen e i n m a l i g e n , auf mechanische W e i s e v o r g e n o m m e n e n E r s a t z des alten d u r c h d e n n e u e n , der in f e r t i g e m u n d ganzem Z u s t a n d a u s d e m W e s t e n e n t l e h n t worden ist, ann e h m e n muß. D e n a l t e n T y p u s des ostslavischen Webstuhles k a n n m a n auf Abb. 110 sehen, wo ein sgrr. G e r ä t i m D u r c h s c h n i t t dargestellt ist. D i e c h a r a k t e ristischen E i g e n t ü m l i c h k e i t e n desselben sind : das V o r h a n d e n s e i n von n u r zwei W e b e r b ä u m e n (c u n d d), das F e h l e n v o n mechanischen V o r r i c h t u n g e n zur B e f e s t i g u n g dieser W e b e r b ä u m e , d. h. d a s F e h l e n eines Z a h n r a d e s usw., endlich das F e h l e n von S p e r r u t e n . Alle diese V o r r i c h t u n g e n gibt es b e i m n e u e n T y p u s des Webstuhles, der a u f Abb. 111 (aus dem Gouv. P o l t a v a n a c h der P h o t o g r a p h i e von P . G η ë d i è) d a r g e s t e l l t ist. B e i m W e b e n ist f ü r den alten W e b s t u h l das F e h l e n des Schlichtens bezeichnend. Ebenso w e r d e n beim n e u e n T y p u s des Webstuhls gewöhnlich m i t e i n e m Boden versehene oder sich mechanisch fortbewegende Weberschiffchen g e b r a u c h t , f e r n e r a u c h e i n e Weberlade m i t e i n e r R i n n e , i n der sich das Weberschiffchen bewegt. D i e V o r r i c h t u n g e n zur B e f e s t i g u n g des W e b e r b a u m e s , die i h n d a r a n v e r h i n d e r n , sich w ä h r e n d des W e b e n s selbständig zu d r e h e n , sind a u c h beim alten T y p u s des W e b s t u h l e s verschieden. Gewöhnlich d i e n t d a z u ein einf a c h e r Stock (grr. npHTyjKáni>HHK, wr. 3aBÄptpi), dessen eines E n d e in das E n d e des W e b e r b a u m e s gesteckt w i r d u n d dessen anderes E n d e entweder ang e b u n d e n wird oder sich g e g e n etwas s t e m m t . A u f Abb. 110 ist eine solche V o r r i c h t u n g a m h i n t e r e n W e b e r b a u m (c) dargestellt. B e i den S g r r . ist noch eine besondere V o r r i c h t u n g v e r b r e i t e t : d a s f r e i e E n d e des i n den W e b e r b a u m gesteckten Stockes (canpÓKa) h a t e i n e d u r c h g e h e n d e Ö f f n u n g , i n die ein (s. Abb. 111 a) m i t Löchern versehenes B r e t t c h e n (pnò^uiKa) gesteckt w i r d ; dieses letztere wird gewöhnlich a n die B a n k (h) gebunden, auf der der W e b e r sitzt; bei der F o r t b e w e g u n g des W e b e r b a u m e s b r a u c h t der W e b e r n i c h t m e h r jedesm a l a u f s n e u e den Stock zu verbinden, sondern er steckt bloß die Speiche in ein anderes Loch des B r e t t c h e n s ; d a m i t dieses n i c h t a u s der Ö f f n u n g des Stockes h e r a u s f a l l e , wird in d a s B r e t t c h e n eine Speiche (ein h ö l z e r n e r N a g e l ) gesteckt.
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V. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
Die Art des Aufhängens des Webzettels ist ebenfalls bei diesem Typus des Webstuhls an verschiedenen Orten verschieden; gewöhnlich wird der Strick zum Aufhängen des AVebzettels über einen Block geführt (Abb. 110). aber beim älteren Typus gibt es keinen Block, sondern statt dessen eine Art Wagebalken, ein gerades horizontales Stäbchen, an dessen beide Enden die· beiden Webzettel gebunden werden (s. Abb. 112) und von dessen Mitte ein Strick geht, der an den oberen Teil des Webstuhles (i) gebunden ist.
Abb. 111. Ukr. Webstuhl (Gouv. Poltava). §73. In der ukr. W e b e r t e r m i n o l o g i e gibt es nicht wenig deutsche und teilweise polnische Benennungen, die sowohl bei den Grr. als bei den Wr. fehlen. Den Webstuhl selbst nennen die Ukr. mit dem deutschen Worte: nepcTaT (Werkstatt), während alle anderen den allgemeinslavischen Ausdruck κρόοπο, KpócHá, KpoCHiii gebrauchen. Das Wort K p ó c H O , Kpóciia ist auch den Ukr. bekannt, doch nennen sie so gewöhnlich hauptsächlich den vereinfachten Webstuhl in Form eines vertikalen Rahmens und ähnlichen, von uns in § 71
§ 73. Terminologie des Weberhandwerks.
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beschriebenen, F o r m e n u n d n u r selten den gewöhnlichen Webstuhl. Augenscheinlich haben alle deutschen B e n e n n u n g e n bei den Ukr. zusammen mit d e m verbesserten Webstuhltypus E i n g a n g g e f u n d e n . Außer dem Webstuhl i m allgemeinen nennen die U k r . Teile desselben m i t deutschen N a m e n : máftfla (Scheide) -— das Querholz, das die beiden vorderen P f e i l e r verbindet ; Márojib (woher MariBHiina) und i m a n — den B r u s t b a u m u n d das Querholz unter demselben ; die Grr. nennen den B r u s t b a u m Harp^RHHK, rpyflHiirta. Die galizischen U k r . nennen die hinteren vertikalen P f e i l e r des Webstuhles m i t einem deutschen Lehnwort ctsthbh und die u n t e r e n horizontalen Querverbindungen zwischen den vorderen und hint e r e n P f e i l e r n m i t dem polnischen N a m e n cnyni;n (poln. s î u p k i ) . Die V o r r i c h t u n g e n zur mechanischen Befestig u n g der Weberbäume, die den n e u e n Typus des ostslav. Webstuhles vom alten unterscheiden, t r a g e n bei den U k r . hauptsächlich deutsch-polnische N a m e n τρκδόκ, TpiiG (Triebrad des Zettelzugs); iiyra, S3^ra Abb. l i l a . Die sog. pnoder iuiHHSpa heißen ebensolche V o r r i c h t u n g e n beim ®- v m i ; a · e ' n e "Vorrichtung vorderen Weberbaum. D e r r η ά π e π b „Gniepel" (grr. eberHaBHBánKa) ist die V o r r i c h t u n g zum A u f w i n d e n des A u f z u g e s auf den Zettelzug. F ü r das Triebrad des Zettelzugs haben sich auch slavische Benennungen erhalten : Bopora.io, c^HKa c 3 y 6 a M H (eigentlich H ü n d i n mit Zähnen) und neCHK (männliches Hündchen). Endlich sind deutsche Benennungen, neben den slavischen, bei den U k r . f ü r das W e b e r b l a t t gewöhnlich Gjiht „Blatt", f e r n e r f ü r die Weberlade jiH«a, öapijöxn; f ü r den K ä h m e n des Webzettels móxTa, n(6)apqf>ómKH ; f ü r die Blöcke des Webzettels polnisch CKpaKjii, woher CKpammK der Oberbalken, an den der Block gebunden wird. F ü r die Sperruten iunapyra; f ü r die schmalen d ü n n e n Brettchen, die die obere und u n t e r e R e i h e der K e t t e n f ä d e n (Fäden des A u f z u g s ) zerteilen: uiähkh, f ü r den L e i m u n d das Schlichten : uinixTa. Die Webertermini slavischen Ursprungs WPlilli^'fii offenbaren ein hohes Alter, größtenteils sind sie allen Ostslaven bekannt u n d einige davon allen Abb. 112. Grr. Art des AufSlaven überhaupt. Die allgemein slavischen hängens des Webzettels. B e n e n n u n g e n f ü r den W e b e r k a m m sind : grr. und wr. 6épH0, ukr. Sepso (neben dem deutschen 6jiht); f ü r das Weberspulchen wr. u n d grr. ijeBKa, ukr. i;iea, uÍBKa; f ü r das Weberschiffchen grr. u n d wr. qejiHÓK, u k r . ióbhhk (eigtl. K a h n ) . Allen Ostslaven ist der N a m e f ü r den
168
V. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
Weberbaum
HaBÓit, ukr. Haßiit bekannt;
des alten Duals
HaBoe, da
bei
den W r . begegnet
es zwei Weberbäume sind;
eine
Form
daneben gibt es bei
den W r . noch einen anderen N a m e n f ü r beide Weberbäume KonójjKa ; bei den Ukr. ist
ebenfalls f ü r
bekannt.
Die
beide Weberbäume
das alte
Grr. nennen den Zettelzug (c) noch
slavische W o r t BopoTiijio CBÓJIOK und den vorderen
Weberbaum ( d ) npAuiBa, nprimBjiqa, seltener npHmHBajittnma, paCTOKÓJiAa ; der N a m e npiíuma ist, neben dem N a m e n roaoßä „ K o p f " , auch den W r . bekannt. D i e Bezeichnung f ü r W e b e r l a d e
ist auch allen Ostslaven gemein, grr.
HaSÜJiKH, Ha6éjiKH, wr. HaßejiKH, HäÖHJimja, HaömibHHip·!, ukr. HaßißKa neben dem aus dem Deutschen stammenden nHfla. Der
Webzettel
(6) heißt
ΗΛΗΘΗΚΗ,
g r r . ι;βπκιί,
HHIJH ; w r . HIÍTH, HRIHENBHHIPJ ; u k r . HIMHIIHLU, v o m
ΗΗΤΟ, ΗΑΤ^ΘΗΜΙ^Μ, HIÏT-
s l a v . HHTI, ( F a d e n ) ,
soweit
die Webzettel gerade aus Fäden gemacht werden ; daneben das ukr. Hà^ómm. ( g ) : grr. NORHÓRAKH, wr. ΠΟΗΟΤΚΗ, ukr.
D e r Fußtritt oder T r i t t s c h e m e l ΠΟΗΟΪΚΙ, niflHÍHÍKH. Die S c h ä f t e ,
welche
die K e t t e
in ein Ober- und ein U n t e r f a c h tei-
l e n (e) : g r r .
NEHOBHÚE 30CHH, IJÉMI, IICHÓBKH ; w r .
Benennung
nicht
vermerkt,
sondern
nur
UTIHII ; b e i
eine
den U k r .
entlehnte
ist
diese
IIIHHKH ; das
ukr.
ropoßeub (eigtl. S p e r l i n g ) am Zettelzug, mciHuiliÍHa, nepeßopKH entspricht dem Schafte nur
seiner Bestimmung
Webzettel bewegt,
tragen
nach.
D i e Blöcke (a),
verschiedene N a m e n ,
auf
denen sich der
hauptsächlich aus der
Tier-
welt : grr. BCKOIIIKH (eigentlich Eichhörnchen), coôàiKH (Hündchen) ; wr. BOJIMKIÍ ( W ö l f c h e n ) , ropHOCTáitKH (Hermelinchen), coßänKH, HenejiOHKa, 6iipyai>KH ; ukr. MHuiKH (Mäuschen),
Ηΐββκή,
¡kh^kií und
die aus
dem Polnischen
entlehnten
cKpaKJií, KapnyjiBiii. grr. KOTÉJIOιμ. Das obere Querholz (i),
auf dem die Blöcke und der Webzettel
hängen,
wr. noHeßHHija, ukr. CTpiaá, HsépflKa, CKpaKHÓK. Sperruten,
die es bei weitem nicht überall gibt,
heißen grr. Jiywóit,
nonpri/KKH, pacnpiijKKH, pauinópti; wr. n p y r ; ukr. mnapyTKa.— D i e
Achse,
auf der sich die Weberspule im Weberschiffchen dreht, heißt grr. npyœiÎHa; wr. npyTHK ; ukr. CBaT, ceaTÓK, φοι^βμι>, φπ^ΗΗΚ. Einzelne M a s c h e n
i m Webzettel heißen grr. und wr. Ko6ájn;a; bei den
Ukr. heißt KOÔHJIKA (eigentlich Stute) die untere Masche und KÓHHK (eigentlich P f e r d ) die Die
die mittlere aber heißt ΟΊΚΟ, BÍ^KÓ (eigentlich
obere,
Teile
des W e b e r k a m m e s
wr. und grr. aföbH,
ukr. τρόοτκπ,
in
haben f o l g e n d e N a m e n :
Galizien
CKaeiBKH.
Auge). die Zähne
D i e in die L ä n g e
gehenden H ö l z e r i m Rahmen : grr. ΠΟΪΚΗΠΙ.ΗΗ, CBOKOKH, ukr. 6ú:ihu,n ; die Querhölzer
im Rahmen : grr. Μ^ρκκ.
Die
kleinste Zahl von Zähnen im W e b e r -
kamm ist 15Q, was 5 Einheiten ausmacht,
die nácMO heißen;
eine jede hat
30 Zähne. § 74. (ukr.
D i e natürliche Farbe der Flachs- und H a n f f ä d e n heißt: cypoBÓlt
cypÓBHñ).
Ungeblichenes
Leinen
Wäsche noch f ü r K l e i d u n g gebraucht.
von
solcher
Farbe
wird
weder
für
Es muß dazu zuerst geblichen werden,
bei allen Ostslaven auf die gleiche Weise.
§73—74.
Terminologie des Weberhandwerks. Bleichen der Leinwand.
169
Das erste B l e i c h e n geschieht noch vor dem Weben : die F ä d e n werden, in großen Fitzen (MOT, ukr. MÍTOK) geblichen; dieses Bleichen der F ä d e n in Fitzen, besonders das Klopfen mit Waschbläueln ersetzt den Grr. gleichzeitig das bei ihnen fehlende Schlichten des A u f z u g s beim W e b e n ; die F ä d e n verlieren ihre Rauheit und reißen nicht beim Weben. Das zweite Bleichen geschieht schon mit gewebten Leinwandstücken (grr. HOBHHÍL, XO.TICT, ukr. iiiMaτόκ) von 25—30 Ellen oder bis 15 Meter Länge. Das Bleichen der Leinwand und der Fäden besteht in gleicher Weise aus 4 Verfahren, die sich gewöhnlich drei- u n d sogar viermal wiederholen. Das erste V e r f a h r e n heißt „ d ä m p f e n , b ä h e n " ( s o . i á T b , i i á p H T i , , ukr. β ο . Ί ΐ ί τ π ) ,
Abi), llììa. Bleichen der Leinwand bei den Ukr. des Gouv. Poltava.
Abb. 113b. Bleichen der Leinwand bei den Ukr. des Gouv. Poltava.
d. Ii. der W i r k u n g von L a u g e (einer Lösung von Asche im Wasser) u n d heißem Dampf unterziehen. Zur B e r e i t u n g der Lauge wird hauptsächlich Holzasche, ausgenommen die von Faulbeerholz, sowie auch Asche von Buchweizenstroli und von Sonnenblumenstengeln gebraucht. N a c h d e m m a n diese Asche in kochendem Wasser gelöst, begießt m a n d a m i t die Leinwand oder die Fäden und stellt sie, von derselben L a u g e Übergossen, in einem großen Kessel oder Topf (ukr. aojiúibHiiK, 3O;IÍHHHK) f ü r 10—14 Stunden in einen eben geheizten Ofen. Das zweite Verfahren besteht darin, daß die von der Asche reingewasclicne, feuchte Leinwand auf dem Grase (s. Abb. 113a) a u s g e b r e i t e t oder, in seltenen Fällen, auf Zäunen a u s g e h ä n g t wird. D i e F ä d e n in
170
Y. Anfertigung der Kleidung und des Sehuhwerks.
Fitzen werden im Frühling im Schnee ausgebreitet. Die auf dem Grase ausgebreiteten Leinwandstücke müssen mehrmals am Tage mit Wasser befeuchtet werden; man ist auch bestrebt, sie der Wirkung des Taues auszusetzen, weshalb die Ngrr. die auf dem Grase ausgebreiteten Leinwandstücke oft die Nacht über dort lassen (was zuweilen aopiiTt xojictbi genannt wird, obgleich dieses Verfahren gewöhnlich CTJiaTb xojicTt'i, fieirem. xojictli heißt). In solchen Fällen bleiben die Mädchen die Nacht über bei der Leinwand, und zu ihrer Zerstreuung erscheinen auch die Burschen daselbst. Die Sgrr. breiten die Leinwand zuweilen auf die im Fluß wachsenden Gräser aus. Das dritte Verfahren besteht darin, daß die Leinwandstücke mit Wasser begossen werden und noch naß mit hölzernen Waschbläueln geschlagen werden (grr. Bajiëh", ukr. npáHHK, npai).
Abb. 113 c. Bleichen der Leinwand bei den Wr. des Gonv. Minsk. Das zweite und dritte Verfahren wird oft wiederholt. Das erste Verfahren wird hauptsächlich ganz zu Anfang des Bleichens vollzogen und dann zwei bis dreimal, über eine Woche, wiederholt. Zuweilen wird es durch Laugen ersetzt, was immer den vierten, den Sehlußprozeß, ausmacht. Das Laugen ist eigentlich eine Wiederholung des ersten Prozesses, aber von mehr komplizierter Art. Zum Laugen wird ein besonderes Gefäß gebraucht, das bei den Grr. die german. Benennung 6νκ und bei den Ukr. und Wr. die Bezeichnung HînyKTO1) hat. Dieses ist eine aus einem ganzen Linden- oder Weidenstamm ausgehöhlte oder ausgebrannte (mehr als 1 m hohe) *) V a s m e r (brieflich) stellt es als Lehnwort zu lit. ζ l i n k t a s .Bückwäsche· z l i ù k t ^ s k a l p t i ,mit Lauge waschen'.
§ 74—75. Bleichen der Leinwand.
Wollschlagen.
171
Kufe, die bei den Grr. mit und bei den andern Ostslaven ohne Boden gemacht wird. I m ersten Falle gibt es im Boden oder etwas höher eine Öffnung, die mit einem hölzernen Nagel verstopft wird. I n die K u f e wird Stroh gelegt, zuweilen legt man zuerst zwei Querhölzer (ukr. cho3hkh) hinein. Auf das Stroh legt man die nassen Leinwandstücke, die mit Asche bestreut ' werden, darüber kommt ein Lappen (grr. πβπβπΜήκ), auf den man eine Schicht Asche, von ungefähr 20 cm Dicke schüttet ; auf die Asche wird kochendes Wasser 9—11 (eine ungerade Zahl) Töpfe voll gegossen und in das Wasser werden glühendheiße Steine oder Stücke von Roheisen geworfen (grr. ^HryHÄHbi, ukr. KyjiH, ttyjibKa ein besonderer Zylinder mit einem Loch in der Mitte, der aus Lehm gemacht und wie Töpferwerk gebrannt ist). Zuweilen wiederholt man dieses dreimal und dann liegen die Leinwandstücke zwei und mehr Tage in dem 6yK. Wenn der 6yn keinen Boden hat, so stellt man ihn in einen Trog oder in eine Kufe, oder man gräbt in dem irdenen Boden des Hauses eine runde Grube je nach der Größe des 6νκ, an der noch ein Graben zum Abfließen des Wassers gemacht wird. I m Sommer wird das Laugen im Hofe oder am Ufer eines Flusses besorgt. Das Kochen des Wassers mit glühenden Steinen ist f ü r das Laugen der Leinwand und der Wäsche überhaupt so bezeichnend, daß in den Denkmälern des 16. Jahrh., ζ. B. im sog. Stoglav, vom Laugen gesagt wird: κ&μθηηη past u r a ™ oder wem«, d. h. Steine brennen. Viel seltener und nur stellenweise wird ein besonderes Verfahren zum Bleichen der Leinwand angewandt. So legen die Sgrr. des Gouv. E'azan die Leinwand, anstatt sie in Töpfen zu laugen, die Nacht über auf den im Ofen ausgestreuten Mist, waschen sie am nächsten Tage und breiten sie auf dem Grase aus (S e 1 i ν a η o ν). Dort und an anderen Orten legt man auch die Leinwand f ü r drei Tage in eine aus Molken und Mehl bereitete saure Lösung. Im Gouv. Cherson legt man die Leinwand f ü r 12 Stunden in einen aus Mehl und Wasser bereiteten Sauerteig. Auf einen Eimer heißen Wassers schüttet man 1200 gr. Roggenkleie. I n der Ukraine braucht man zuweilen ungelöschten Kalk (ukr. Báima). § 75. Die Schafe werden selten, hauptsächlich bei den Wr. gemolken. G e s c h o r e n werden sie zweimal, seltener dreimal im Jahr, gewöhnlich Anfang Mai und Ende September. Die S c h e r e f ü r diese Arbeit wird aus einem ganzen Streifen Stahl gemacht: der Griff ist ringförmig ausgebogen und eine Schraube, welche die Schneiden verbindet, ist nicht nötig. Die Wolle wird gesponnen und im weiteren werden aus ihr verschiedene Stoffe gewebt: Tuch, Teppiche usw., oder es werden Strümpfe, Handschuhe u. dgl. gehäkelt. Außerdem macht man aus der Wolle, ohne sie zu spinnen, Filz (BajiHTb), Kopfbedeckungen, Schuhwerk usw. I n diesem und jenem Falle wird die Wolle zuerst einer vorläufigen Bearbeitung unterworfen : man krempelt sie (*íecaTi., ukr. Myxpára) oder schlägt sie. I n der Ukraine war es früher Sitte, daß die Frauen die Wolle gemeinsam mit den Händen von Unrat reinigten und kämmten. Solche gemeinsame Arbeiten von 6—10 Nachbarinnen, f ü r die man keine Bezahlung nahm,
172
Y. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
wurden gewöhnlich von einer reichlichen und fröhlichen Bewirtung begleitet (vgl. § 138). J e t z t läßt m a n die Wolle öfter durch besondere Arbeiter, welche die Wolle entweder auf D r a h t k a r d e n (ukr. npana^n) kämmen oder sie mittels eines auf Abb. 114—116 abgebildeten Geräts locker machen. Von Arbeitern der letzten A r t wird die Wolle nicht n u r geschlagen, sondern es werden daraus auch verschiedene Sachen gefilzt, weshalb sie nicht n u r mepctoôhth, RepHH, sepyHM oder βο.ίηοτθπη genannt werden, sondern auch κ&τ&ηIUHKH, BájieHiHHKH, πημοκ£τη, ukr. manoBajiH.
Abb. 114. JlylÓK, ein Gerät zum Wòllschlagen. Das H a u p t w e r k z e u g des Wollschlägers ist der ¿ i y K (eigentlich ,Bogen, A r m b r u s t ' ; Abb. 114), ö f t e r jiy^ÓK, seltener onyK, mepcToCAjio, CTpyHá, u k r . jiyK. Wegen des N a m e n s muß m a n annehmen, daß er f r ü h e r aus gebogenem Holz gemacht wurde, doch jetzt gibt es nie gebogene, sondern n u r einen geraden Stock von u n g e f ä h r 240 cm Länge. Die Armbrustsehne aus dem D a r m eines Ochsen oder eines anderen Tieres (die sog. C T p y H á , d. h. Saite, seltener t c t h h r ; wr. u n d ukr. C T p y H á , wr. zuweilen auch GpiÍHua) wird mit H i l f e zweier Holzplatten an den E n d e n eines Stabes aufgespannt. Diese P l a t t e n werden koChjikh g e n a n n t ; in der Ukraine heißt n u r die kleinere P l a t t e KoßÄnna, dagegen die größere, mit einer runden Öffnung in der Mitte versehene, Tapijii;a (eigtl. Teller). D a s Gerät wird an einem langen Stabe an der W a n d a u f g e h ä n g t , so daß die Sehne dem Arbeiter zugekehrt ist. Auf diese Sehne schlägt der Arbeiter mit einem besonderen Klopfholz (Abb. 115), das an verschiedenen Orten verschieden ist. Auf Abb. 115 ist ein besonders verbreiteter Typus abgebildet, der sich m i t unbedeutenden Abweichungen im Gouv. Y'atka, Tver, Simbirsk, teilweise auch in Ni2nij-Novgorod u n d in der Ukraine belegen läßt. E r t r ä g t den N a m e n : grr. KaTepÓHKa, 6htók, 6ri.no ; ukr. iiijihx^h, KJuölKa. Bezeichnend sind f ü r i h n : die Ö f f n u n g , in die der A r beiter seine H a n d steckt, u n d der gerade, kurze V o r s p r u n g in F o r m eines Schlüssels am vorderen Ende. M i t diesem Vorsprung zieht der Arbeiter die Sehne an sich, indem er sie gleichzeitig von oben her schlägt. Zuweilen gibt es anstatt des Vorsprungs einen Einschnitt Abb 115 Klopfholz v o n ^ c m ' f ^ a n n wird a n der Sehne nicht gezogen, sondes Wollschlägers, d e r n sie wird n u r geschlagen. Die gewöhnliche Länge eines solchen Klopfholzes ist 30—40 cm, es ist u n g e f ä h r 10 cm breit und 7 cm dick. E i n e andere A r t des Klopfholzes ist im Kreise Arzamas des Gouv. Nizn.-Novgorod u n t e r dem N a m e n 6oök notiert worden ; sie hat folgende Dirnen-
§ 75—76. Wollschlagen. Filzen der Wolle und. Walken des Tuches.
173
sionen: 35—45 cm Länge, 7 cm Breite u n d etwas mehr als 2 cm Dicke. I n der M i t t e schmal, hat sie breite E n d e n ; das eine ist breiter als das andere. D i e d r i t t e A r t ist im Kreise Rostov des Gouv. Jaroslavl' festgestellt; sie wird jiyioK genannt u n d stellt in der T a t eine kleine Armbrust aus einem bogenförmigen Reis dar, dessen Enden durch eine Sehne verbunden sind; m a n schlägt ebenfalls mit einer Sehne d a r a u f . Unter der großen Sehne befindet sich die Wolle, die m a n auf ein Gitter legt (Abb. 116), welches an die W a n d gehängt wird. Das Gitter besteht größtenteils aus dünnen (1 cm) Holzplättchen von 1 m Länge, u n d 2—3 cm Breite, die m i t einem S p a g a t so verbunden sind, daß zwischen einem jeden P a a r von Plättchen ein Zwischenraum von 0,5—1,2 cm bleibt. Seltener wird es aus dünnen Baststreifen gemacht, die in diesem F a l l e auf einen viereckigen R a h m e n in sich verflechtenden Längs- und Querstreifen gespannt werden. E i n e solche netzartige Vorrichtung wird c&TKa „Wetz" genannt, u n d eine aus Holzplättchen gemachte heißt „Gitter", peinÓTKa, seltener ayiÓK „Armbrust". Unter den Schlägen des Klopfholzes bebt die große Sehne stark, berührt die Wolle, schlägt sie hoch, macht sie locker u n d sondert den U n r a t ab, der in die Zwischenräume der P l ä t t ehen des Gitters oder der Maschen des Netzes herabfällt. D i e Wolle wird beim Schlagen unbedingt mit Mehl bestreut, zuweilen sogar in ganz gleichen Proportionen, z. B. 400 gr. Mehl Abb. 116. Gitter zum Wollschlagen. auf eine ebensolche Q u a n t i t ä t Wolle. E i n altes Z e n t r u m des Wollschlägergewerbes bildet das Gouv. KiznijNovgorod. I n der U k r a i n e arbeiten auch heute o f t Grr. als Wollschläger u n d m a n h a t allen G r u n d zu vermuten, daß das Gerät in die Ukraine vom N o r d e n her importiert worden ist. § 76. Z u m F i l z e n d e r W o l l e u n d zum W a l k e n d e s T u c h e s brauchen die Ostslaven ein und dasselbe Zeitwort BajiHTb (ukr. Bajiám) ; von der Filzarbeit wird auch zuweilen g e s a g t : KaTaTb. Was das aus der Wolle g e f i l z t e S c h u h w e r k anbetrifft (grr. BÁNEHKH, KÁT&HKH, Π Β Μ Η ; ukr. JIHMIJÌ), SO ist es erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit e i n g e f ü h r t worden. F i l z d e c k e n jedoch (grr. noacTb, BÓÜJIOK, BÓJIHK, Korniná; wr. jirîMeij ; ukr. jiáMeqi.,' n o B C T b ) , sowie H ü t e aus Filz sind von den Ostslaven schon längst a n g e f e r t i g t worden. B e i m Filzen streut m a n die geschlagene Wolle in einer ebenen Schicht auf ein Stück Leinen, bestreut sie zuweilen noch mit Mehl und befeuchtet sie stets mit Wasser. D a n n rollt m a n die Leinwand m i t der Schicht Wolle d a r a u f zu einer Rolle zusammen u n d rollt sie m i t den H ä n d e n auf einem ebenen Gerüst, auch schlägt m a n sie gegen den Fußboden. Die zusammengerollte Wolle „wäscht" man, d. h. m a n taucht sie in heißes Wasser, knetet sie oder rollt sie auf dem Gerüste zuerst m i t den Händen,
174
V. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
dann mit H i l f e einer hölzernen Walze mit einer Verdickung in der Mitte, und schließlich auch noch mit einer ebensolchen eisernen Walze, deren verdickte Mitte nicht rund, sondern vier- und sechseckig ist. Filzschuhwerk wird auf Leisten gezogen und noch mit einem besonderen Brett, mit eingekerbten Querschnitten (grr. pyöipi) gerieben. Was die Gewebe aus gesponnener Wolle anbetrifft, so werden nur wenige von ihnen dicht gewebt und später nur gefärbt (ζ. B . Teppiche, ukr aanacKÄ); das gewöhnliche Tuch aber wird einem ebensolchen Verfahren des Walkens unterworfen, wonach es um 25—32°/o einläuft. B e i den Grr. wird das Walken des Tuches auch noch mit Händen und Füßen besorgt; man knetet und rollt das nasse Tuch auf Gittern oder man reibt oder stößt es in großen Trögen, indem man es mit heißem Wasser begießt. Dieses letztere Verfahren heißt auch τοπτέτι> c y K H Ó , „das Tuch treten". Endlich ist auch noch das Walken des Tuches in großen Mörsern gewöhnlich (§ 36), mit H i l f e von Hand-, Fuß- oder Wasserkraft. Auf großen Wassermühlen, Tuchwalkereien umfassen die Mörser (die sog. raee^a „Nester"), in denen das Tuch mit großen Mörserkeulen (TOJinán ; ukr. Banióma) gestoßen wird, 55—70 m Tuch auf einmal; das Tuch wird erst in kaltem und dann in heißem Wasser gestoßen. § 77. Was die T e p p i c h e anbetrifft, für die die gesponnene Wolle ebenfalls das Hauptmaterial liefert, so gibt es in der darauf bezüglichen Terminologie nicht wenig aus dem Osten übernommene E l e m e n t e : KHJIÄM, nanác. Die Teppiche werden entweder auf gewöhnlichen Webstühlen (§ 72) oder auf Webstühlen von vereinfachtem Typus gewoben, die oft vertikal sind (vgl. § 71: ukr. KpócHa, ροβδίπ). Weiter verbreitet sind glatte Teppiche ohne Haar, bei denen das Muster durch farbige Fäden des Einschlags gebildet wird (KHJÜÍM, nanác). F ü r jede Farbe der Einschlagfäden gibt es ein besonderes Weberschiffchen. Mitunter sind es bis zehn Stück und noch mehr. Oft aber braucht der Weber des Teppichs das Weberschiffchen gar nicht, sondern er flicht das Muster mit den Händen auf den Fäden des Aufzugs, die auf einen vertikalen Rahmen gespannt sind. Zuweilen wird hier nicht nur das Muster, sondern der ganze Hintergrund, d. h. der ganze Einschlag nicht mit durchlaufenden Linien, sondern mit einzelnen Abschnitten ausgefüllt, und oft nicht mit geraden Linien, sondern mit nichtparallel gehenden krummen Linien, ganz den Konturen des danebenliegenden Musters folgend. I n diesem Falle geht die äußere und innere Grenze des Musters nicht stufenweise, sondern in einer wellenförmigen Linie. Zuweilen werden zwischen den Fäden des Musters und denjenigen des Hintergrunds kleine leere Räume frei gelassen, so daß der Teppich an Spitzen erinnert. — Früher hatten diese glatten Teppiche oft ein doppelseitiges Muster, was jetzt sehr selten vorkommt. B e i m Weben eines glatten Teppichs oder eines anderen gemusterten Gewebes mit Hilfe eines Weberschiffchens auf einem gewöhnlichen Webstuhl, werden zwischen die Fäden des Aufzugs besondere dünne gezackte Lineale (ukr. nepeöipKa; grr. Hrójina) gesteckt; vorläufig verbindet man dann in jedem gegebenen Falle diejenigen Fäden des Aufzugs, die, dem Muster entsprechend, oberhalb der Fäden des Einschlags liegen müssen; unter diese Reihe von
§ 77. Teppiche und ihre Ornamente.
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verbundenen Fäden des Aufzugs (grr. qenóit) wird jedesmal ein besonderes Lineal gesetzt, das beim Weben in die Höhe gehoben wird und, wenn der entsprechende Teil des Musters fertig gewebt ist, wieder herausgenommen wird. Ein solches Gewebe heißt bei den Grr. nepeöopHan, 6páHan, 6épnaTaH (y3ÓpH 6paTi>), bei den Ukr. saKJiajiáHa. Dem Aussehen nach ist ein solches Gewebe einer Stickerei sehr ähnlich (§ 81). Bei den Wr. hießen die Muster solcher gemusterten Gewebe f ü r Handtücher, Tischtücher, Laken usw.: KpyjKKáMH (Kreismuster), pnfláMH (Reihenmuster), rpeMiiuiKoit (Buchweizenmuster), ffopÓJKKaMH (Streifenmuster), ejiKOft (Tannenzweigmuster), pbiöbeß leinyéit Schuppenmuster), bojihóíí (Wellenmuster), irriin;aMH (Vogelmuster), 3BepHMH (Tiermuster; D o b r o v o l ' s k i j ) . Einen a n d e r e n T y p u s von Teppichen, der weniger verbreitet ist, bilden die behaarten, geschorenen Teppiche. Bei den Grr. sind sie unter dem Namen MoxpÓBHe κοβρώ, bei den Ukr. als KÓqn bekannt. Das grr. Zentrum der Anfertigung solcher Teppiche bleibt noch bis auf unsere Tage der Kreis T'umen des Gouv. Tobol'sk; das ukr. Zentrum war früher die Stadt Charkov, wo die Anfertigung der κόιρι schon längst aufgehört hat. Teppiche dieser Art werden auch auf dem Webstuhl angefertigt, bei den Grr. auf einem gewöhnlichen breiten (mit einem Weberkamm von einer Länge bis zu 350 cm) und bei den Ukr. auf einem vereinfachten vertikalen Webstuhl. Hier und da werden die farbigen wollenen Fäden des Einschlags in Stücke von 9—13 cm Länge geschnitten (ukr. ijbit, ctpiotch) , zusammengebogen und mit einem Knoten an einen oder mehrere Fäden des Aufzugs gebunden. Oberhalb des Knotens bleiben kleine Enden, die später mit einer Schere oder einem Messer gleichmäßig abgeschnitten werden (man nennt es „den Teppich scheren"), wobei die Haare nur 3—i mm Länge behalten. Mit diesen angebundenen bunten Fäden wechseln die geraden Fäden des Einschlags ab, die bei den einfachsten vertikalen Webstühlen mit einem kleinen gezackten, kammförmigen Klopfholz (ukr. rpeöiHKa) festgehalten werden. Außer diesen eleganteren, gemusterten Teppichen werden überall musterlose, einfachere und gröbere Teppiche, gewöhnlich auf einem Hanfaufzug, angefertigt. So weben die Ukr. Bettdecken (ukr. jiíikhhk) aus Hanffäden des Aufzugs und einem wollenen Einschlag und setzen die fertig gewobenen Teppiche der Wirkung eines rasch und kräftig fallenden Wasserstrahls aus. Zu diesem Zweck werden auf den Wassermühlen (ζ. B. auf den Flüssen Páol und Yorskla) besondere Käfige angefertigt, in die die Decken gelegt werden; der Käfig wird an einem Seil an derjenigen Stelle aufgehängt, wo das Wasser mit Gewalt und ohne Unterbrechung auf ihn von der Höhe herabfallen kann. Davon wird das Gewebe wollig, als ob es behaart wäre. Fast überall werden Teppiche angefertigt, wo bei einem dicken Hanfaufzug als Einschlag schmale Bänder aus bunten Lappen dienen (grr. BaTÓJia, hojiobAk, p H R H Ó ; ukr. ph^obiihé, kóaph, K Ó B f l p a ) . Was die T e p p i c h m u s t e r anbetrifft, so finden ukr. Forscher im östlichen Teil der Ukraine, d. h. im Dnieprgebiet und auf dem ganzen linken Dnieprufer die iranischen und zentralasiatischen Traditionen vorherrschend
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V. Anfertigung der Kleidung und des Scbuhwerks.
und weisen bei den Teppichen der westliehen Ukraine auf den Einfluß Kleinasiens ( K r y z a n o v s k i j ) . I m Westen der Ukraine sind glatte Teppiche (ohne H a a r ) mit einem g e o m e t r i s c h e η oder vielmehr „geometrisierten" O r n a m e n t vorherrschend; es erscheint am häufigsten in F o r m von großen Figuren, die entweder isoliert oder in zu einer K e t t e verbundenen Medaillons vorkommen. I n der zentralen Ukraine gibt es zwei Grundtypen von glatten Teppichen, mit einem S t e r n - und einem B l u m e n m u s t e r . Das Ornament der letzteren besteht aus einzelnen Blumen, die stets mehr oder weniger stilisiert sind, oder aus Blumenzweigen, die bald rhythmisch ausgelegt, bald zu einem allgemeinen Cluster vereinigt werden, welches das ganze Jlittelfeld des Teppichs bedeckt ; zuweilen gibt es statt dessen eine Blumenkomposition mit einem Zentrum in der Mitte des Teppichs. Der Hintergrund ist meist gelb oder schwarz. Der Blumencharakter des Ornamentes, die ganze Komposition, die Durcharbeitung der Umrahmung gleichfalls mit einem Pfianzenornament, die graphische A u s f ü h r u n g — alle diese Züge lassen die ukr. Blumenteppiche den persischen vorwandt erscheinen. Die sterngemusterten ukr. Teppiche aber lassen wegen ihres Ornaments und einiger Eigentümlichkeiten der F ä r b u n g eine Entlehnung von den Nomadenvölkern Mittelasiens vermuten. Die Kunst des Teppichwebens ist jetzt bei allen Ostslaven in Verfall geraten. Außer den Konkurrenz machenden Fabrikerzeugnissen bildet eine Ursache des Verfalls: der Ersatz der f r ü h e r geAbb. 117. Ukr.Teppich (HiiaiiM), Gouv. bräuchlichen Pflanzenstofffarben durch Poltava. abfärbende Anilinfarben und der Schafwolle durch Kuhwolle. Die Teppiche werden im bäuerlichen Hauswesen zum Bedecken von großen Truhen (grr. cyH^VK, ukr. οΐφίιιιπ) f ü r Wäsche und Kleider, zur Bedeckung der Wände des Hauses, besonders neben dem Bett, ferner zum Bedecken von Schlitten, Bänken und Tischen verwendet, einfache und grobe Teppiche zum Bedecken des Fußbodens im Bauernhause. Wollene Gewebe des Teppichtypus werden auch f ü r die Kleidung gebraucht, besonders die sog. ukr. ii.iáxTU (Abb. 118, wo ein ukr. Mädchen aus dem Goüv. Poltava in einer nJiáxTa nach der Photographie von P . ( i n è d i e dargestellt ist), sgrr. noHëBM (§ 91) und 3έκο;ιοτκπ, d. h. aus bunter Wolle gewobene Streifen, die an den Frauenrock genäht wurden. Bei den Ukr. Wolhyniens kommen auch
§ 77—78.
Teppiche. Schuhwerk aus Baumrinde.
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t e p p i c h a r t i g e Schürzen vor. A u f den f ä r b . Abb. 118 a, b, c sind a u s b u n t e r W o l l e gewobene M u s t e r der ππάχτΗ dos Kreises K r o l e v e c a u s d e m Gouv. Cernigov a b g e b i l d e t : α u n d b sog. chhhtkh, d. h. m i t b l a u e m H i n t e r g r u n d , c sog. poHìÓBa, d. h. eigentlich rosa. § 78. Viel w e n i g e r B e d e u t u n g als das W e b e n h a t i m Volksleben der h e u t i g e n Ostslaven das F l e c h t e n . D u r c h F l e c h t e n werden jetzt Schuhe aus Baumrinde, Bastschuhe, hergestellt (grr. u n d wr. íiánra ; u k r . nunarai, nocTOJiá), H ü t e a u s Stroh, Strümpfe und Handschuhe aus Wolle u n d a n d e r e m M a t e r i a l usw. Zum Flechten der B a s t s c h u h e wird Linden-, B i r k e n - oder W e i d e n r i n d e K i n d e der U l m e n u n d des Wacholders.
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D i e R i n d e wird lange, schmale Bänder (von u n g e f ä h r 1 cm B r e i t e ) g e s c h n i t t e n (grr. οτρόκιι, μ έ ι η ι ) , a u s denen d a n n Auf Abb. 119 sind die A r t e n des Schuhflechtens dargestellt. D i e e i n f a c h s t e (1)
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, , , , ,,, ·,,..·, , . . ,, Abb. 118. u k r . Madchen m einer P l a c h t a (Gouv. die Westfinnen. \ T on den Poltava). U k r . t r a g e n n u r die Bewohner des P o l e s j e geflochtene Schuhe. B e i den Ostfinnen ist diese A r t des F l e c h t e n s in etwas v e r ä n d e r t e r W e i s e (5) erhalten, n a m e n t l i c h beim F l e c h t e n der Spitze. D i e Grr. k e n n e n die r e c h t w i n k l i g e A r t des Schuhflechtens n i c h t ; f ü r sie ist die s e h r ä g w i il k l i g e A r t bezeichnend (2), die auch bei den Ostfinnen f ü r die Schuhsohle g e b r a u c h t wird. B e i den Grr. k o m m e n a u c h schmucke (sog. nácaime, d. h. m i t e i n e m M u s t e r versehene) Schuhe vor, bei d e n e n der vordere Teil m i t einem schrägeil Geflecht aus schmalen (3 m m ) B ä n d e r n von B a s t ü b e r d e c k t ist, die zuweilen von zwei F a r b e n s i n d : weiii a u s L i n d e n r i n d e u n d rot aus U l m e n r i n d e (3—ί). Solche e l e g a n t e Flechtschuhe h a b e n zuweilen noch einen „ K r a n z " (b6hhhk), d. h. eine A r t von U m r a h m u n g , die a u s drei schmalen B a s t b ä n d e r n geflochten ist (7). Auf Z e l e n i n , Russ. (Ostslav.) Volkskunde.
12
178
Y. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
Abb. 119 Nr. 6 ist ein aus Bast geflochtener dünner Strick dargestellt (grr. o66pa), mit dem die Bastschuhe an den Fuß gebunden werden; die Wr. u n d Ukr. gebrauchen dazu öfter Biemen oder aus H a n f f ä d e n geflochtene dünne Bindfäden (ukr. und wr. B o n Ó K a ) .
Abb. 119. Arten des Bastschuhflechtens. Die Wr. und Ukr. beginnen das Flechten ihrer Bastschuhe von den Spitzen, von den Fußzehen a n ; dasselbe sehen wir bei den Ostfinnen, die dazu zuerst den Bast in der Kniegegend an das Bein anbinden. Die Grr. beginnen das Flechten der Bastschuhe an der Ferse; dasselbe ist der Fall bei den wr. und westfinnischen Bastschuhen, die auf kombinierte Weise geflochten werden: rechtwinklig (1) an der Sohle und schrägwinklig (2) an der Fußspitze. Augenscheinlich beginnt man das Flechten da, wo seine einfachste Art sich erhalten hat. Die Grr. flechten ihre Bastschuhe auf Holzleisten, auf Abb. 120 ist ein noch nicht fertig geflochtener und noch von dem Leisten nicht fortgenommener sgrr. Bastschuh dargestellt. Beim Flechten gebrauchen die Grr. ein besonderes eisernes (Abb. 121) oder knöchernes (Abb. 122) Gerät, welches grr. κοίθτώκ, κοιβτόκ, K o j i o ^ H K , K O T á i , K O C T b í r , C B á ñ K a , m B á í t K a , wr. K a ^ a a Ú K , u i B á ñ K a , ukr. i i i B a ä K a genannt wird. Das eiserne Gerät hat das Aussehen einer flachen und breiten, gebogenen Ahle. Die knöchernen Geräte werden aus zerspaltenen Schafs- oder Schweineknochen angefertigt, sie sind jetzt selten; beobachtet worden sind sie u. a. bei den Litauern des Gouv. Wilna im Kreise àwiçciany. Auf Abb. 122 ist ein knöchernes grr. Gerät des Kreises Kadnikov im Gouv. Vologda dargestellt. Bei den Ukr. sind stählerne Geräte von diesem Typus beobachtet worden, die gleichzeitig zur Gewinnung von Feuer (vgl. § 40) dienten. Unter den knöchernen Geräten, die bei archäologischen Ausgrabungen in Kiew auf der Florovskaja Straße auf dem Podolje gefunden wurden und sich im Kiewer Museum im Saale
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§ 78. Schuhwerk aus Baumrinde.
Abb. 121. Pfrieme (κοίθηηκ) zum Flechten der Bastschuhe.
Abb. 120. Geflochtener grr. Bastschuh auf dem Leisten in unfertigem Zustande. V. Chvoikos befinden, habe ich 1918 einige κο , seltener B p a T B , was in der übertragenen Bedeutung „lügen" so sehr verbreitet ist, Bei den Ngrr. kommt der alte Name der Bastschuhe vor: B e p 3 H H . 12 1
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V. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
§ 79. Das F l e c h t e n v o n S t r o h h ü t e n ist bei den Ukr. besonders verbreitet. Sie tragen im Sommer mit Vorliebe Strohhüte (cojiómhhm Kanejiioxh). Im Juli, wenn der Weizen zu reifen anfängt, J / schneiden die Knaben dieI /Ì^^^jbÈl^ jenigen Stengel (οτρίπκιί) '¿(»JiP^I ab, an denen sich Ähren bef í finden, und flechten daraus w W H cinc njiiTb oder mieTHHKa, 1 Jr K a d. h. ein langes Band f ü r i í den Hut. Beim Flechten t ΐΒΡΡΡΐ It ' ' C L J ^ l ä ^ I ΙκΓΤ^Τ"^^!® l & W ß i r ' j F M L ^ g * Ï^WÊ^ï Ύ^Ι^^ΤΓ'^^^^Ί
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wird das Stroh mit Wasser oder Speichel befeuchtet. zwei Arten des Flechtens. Die e i n f a c h s t e A r t ergibt ein breis aber weniger festes Band. Auf Abb. 124 ist es unter
β dargestellt, es heißt gleichmäßiges Band ( p Í B H a CTpiiKa) oder m a s i t o ; 4 — 8
Abb. 123. Wr. Bastschuhe (Gouv. Minsk).
Stengel Stroh werden ähnlieh wie das Haar der Mädchen verflochten: die äußeren der strahlenförmig gelegenen Stengel werden stets eingebogen — von der einen Seite nach oben und von der ^ . anderen nach unten und ^Èk /f/j? ^wk / ' κ· '' wechseln in der Mitte ab· Eine a n d e r e -^k/feF J m f f ¿ — J S t — H Z A r t des Flechtens (d) / Í ergibt ein schmäleres, dafür aber festeres, gezacktes Band ; sie heißt BHÓTBepo β 3y6qí. Zwei χ Stengel werden in ' Form eines schrägen ll Kreuzes aufeinandergelegt, dann wird der untere Stengel nach / hinaufgebogen. Wenn nun die äußeren Stengel, der eine nach Abb. 124. Das Flechten von Strohhüten bei den Ukrainern. °' : ) e n ' der
a n dere
nach
unten gebogen und in der Mitte verflochten sind, werden die Stengel einmal von der einen Seite um den ersten, das andere Mal von der anderen Seite um den letzten gebogen. Diese doppelten Brüche bilden die Zacken (α—d).
§ 79—80. Strohhiite. Häkelarbeiten.
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E i n geflochtenes Band bildet eine längliche Rolle (cKpyr). Wenn die Bänder nicht weniger als 40 m Länge erreichen, wird mit dem Nähen des Hutes begonnen. Das Ende des Bandes wird doppelt zusammengelegt und, nachdem man es zusammengenäht, werden daran Kreise aus demselben Bande genäht, erst der Boden, dann der Hutkopf (ukr. HárojiOBOK, itá.ioMKa) und schließlich die horizontale Hutkrempe (ukr. κρήαι). § 80. Das Flechten aus wollenem oder anderem Garn wird gewöhnlich „stricken" (βη3&τι>) genannt. Es wird meist mit Hilfe von dünnen Metalloder Holznadeln von 12—20 cm Länge gestrickt, wobei es eine verschiedene Zahl von Nadeln geben kann, von 1—6 und mehr; es gibt Nadeln mit einer Öffnung in der Mitte für den Faden; die hölzernen Nadeln (npyTKii), mit denen die Frauen des Gouv. Y'atka Schärpen stricken, sind zuweilen von 30—40 cm Länge. Es werden Strümpfe, Fausthandschuhe (grr. Báperoi), Spitzen, seltener Schärpen, Tücher, Gürtel, Schuhe, Tischtücher gestrickt. Strümpfe werden gewöhnlich mit zwei oder fünf Nadeln angefertigt. Seltener bedient man sich einer Tambournadel, d. h. eines metallenen Hakens, der eine größere oder kleinere Krümmung hat. Im allgemeinen beschäftigen sich damit die Frauen (die sog. βη3θη) und nur sehr selten die Männer. Wollene Fäden werden gewöhnlich vor dem Stricken gezwirnt (grr. τροοτιίτ£>, cyiÄTb). Ein aus Wolle gestricktes Stück wird oft mit einem Kamm gekämmt, d. h. mit einem eisernen Streifen von 10 cm Länge und 6 cm Breite mit fein eingeschnittenen Zäckchen an der einen Seite. Das traditionelle Ornament der russischen Strümpfe sind die sog. P f e i l e , d. h. auf weißem Hintergrund mit blau oder rot eingestrickten geraden Linien, die sich von der Sohle an zu beiden Seiten hinaufziehen (die sog. CTpenmaTtie lyjïRé). Origineller ist das Stricken von Flaumtüchern, den sog. O r e n b u f g e r und P e n s a e r Tüchern, womit sich hauptsächlich die Kosakenfrauen des Orenburger Gouv. beschäftigen. Als Material dazu dient Ziegenhaar, das größtenteils bei den Kirgisen und Kalmücken gekauft wird oder teilweise bei den Ziegen mit Hilfe eines groben Kammes aus Horn ausgekämmt wird. Der Flaum wird vom Haar gereinigt und dann zuerst mit groben, darauf mit dichten Kämmen gekämmt (die sog. nepertycnajiKa). Die so gewonnenen ausgekämmten Haare werden zum Stricken von Strümpfen und Handschuhen gebraucht, für die Tücher aber werden nur die längsten Fasern verwendet. Aus ihnen werden Fäden, dünn wie Spinngewebe, durch Handarbeit gesponnen, auf zuweilen weniger als 5 cm langer Spindel: eine längere Spindel würde diesen dünnen Faden abreißen. Zum Stricken ist es notwendig, drei Fäden zusammenzudrehen. Zuweilen wird der eine von den drei Fäden durch dünnstes Seiden- oder Baumwollgarn ersetzt, doch beeinträchtigt das die Wirkung. Man häkelt gewöhnlich mit zwei Nadeln aus Stahl; zuweilen wird an das Ende der einen ein Kügelchen aus Siegellack aufgesetzt, damit das Strickzeug nicht von der Nadel abfalle. Das fertig gestrickte Tuch erheischt zuerst noch eine sehr feine Wascharbeit, danach werden die Tücher bei gleichmäßiger Temperatur getrocknet, wobei sie auf einen Rahmen gespannt werden. Auf solchen Tüchern werden sehr einförmige und einfache traditionelle Muster gestrickt.
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V. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
S p i t z e n werden entweder mit einem metallenen Haken gehäkelt ( Β Η 3 ά τ ι > ) oder mit Hilfe einer großen Anzahl kleiner Klöppel, Holzstäbchen, die am einen Ende verdickt sind, am anderen einen Einschnitt haben, (von 7—13 cm Länge, 7—10 tum Durchmesser) geflochten ( n j i e c T t , hier finden wir wieder dieses Zeitwort). Es sind dies die sog. K O K n i ò m K H ; der Eaden wird darauf mit demselben Gerät gewunden, das den Webern zum Aufwinden des Einschlags auf Weberspulen dient (§ 70). Die kokjhôuikh haben im Gegensatz zur Weberspule innen keine Öffnung; sie werden einfach auf das spitze Ende der sich drehenden Spindel eines besonderen Gerätes (cKajiBH) gesetzt. Beim Flechten der Spitzen auf Klöppeln ist noch ein besonderes Kissen nötig, das von verschiedener Größe und Form sein kann, hauptsächlich in Abhängigkeit von der Figur der anzufertigenden Spitzen. Der Form nach gibt es runde, zylinderförmige, viereckige Kissen. Es gibt Kissen von 1 m Länge. Auf dem Kissen wird ein Papier mit dem darauf gezeichneten Muster (grr. CKÓJioK, K á p T a ) befestigt. In das Muster wird die erste Reihe von Stecknadeln eingesteckt, an denen die Spitzenklöpplerin zuerst die Enden der auf die Klöppeln gewundenen Fäden befestigt ; an die nächsten Reihen von Stecknadeln werden die Fäden schon nicht mehr gebunden, sondern nur zwischen den Nadeln verflochten, wozu die Spitzenklöpplerin bald diese, bald jene Klöppel rasch durcheinandernimmt, wobei sie die dem Muster nach nötige Anzahl von Stecknadeln allmählich hinzufügt. Die Anzahl der Klöppel hängt von der Breite und Kompliziertheit des Musters ab. Die normale Anzahl von Klöppel ist 50 P a a r ; aber in Jelec z. B. wurde früher die Schnur f ü r Uniformröcke auf 8 dicken Klöppeln und mit Hilfe eines Kissens von 90 cm Länge und 20 cm Breite geflochten. An einem runden Kissen hängen die Klöppel gewöhnlich in Form eines Fächers. Das M u s t e r d e r S p i t z e n ist unendlich mannigfaltig, worüber man aus den zahlreichen Benennungen, z. B. pnôna (Fischchen), peneeK (Distel), Mejitrnmu (Mühlen), K o p a Ö J i ö (Schiffe), λθηθικκη (Geldstücke), T p a B i a T H i i (Kräuter), HíyMÓK (Käferchen) usw. schließen kann. Das Flechten der Spitzen auf Klöppeln ist bei den grr. Frauen nicht allgemein verbreitet, doch ist eine ganze Reihe von Orten bekannt, wo diese Beschäftigung intensiv betrieben wird und seit langem besteht. Es sind dies: Vologda, Belozersk, Balachna, Kukarka im Gouv. Y'atka, dann eine Reihe von Städten der Gouv. R'azan, Orel und Moskau. Bei den Ukr. ist das Wort K O K J i r á n i K a selbst nicht vermerkt worden, aber diese Art des Flechtens kommt dort stellenweise vor; ζ. B. im Kreise Romny des Gouv. Poltava flicht man auf 50—70 Stäbchen von ungefähr 30 cm Länge wollene Gürtel (ukr. OKpáüKH, KpáitKH). Bei den Wr. ist ein Zentrum der Spitzenklöppelei der Kreis Luboviëi des Gouv. Minsk. Die Ukr. betreiben das Spitzenklöppeln überhaupt nicht und ziehen die Stickarbeit vor. § 81. Die in unseren Tagen bei den Ostslaven am meisten verbreitete Art von S t i c k e r e i ist das 'Ausnähen in Kreuzstich (grr. b K p é c T H K , ukr. xpémHKaMH). Jetzt wird bei dieser Handarbeit gewöhnlich Stramin gebraucht, ein Stück davon wird auf die zu stickende Stelle genäht und dann ausgerupft. Doch noch unlängst wurde eine Stickerei in Kreuzstich ohne Stramin aus-
§ 80—81. Häkelarbeiten. Spitzen. Stickerei.
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g e f ü h r t : die sich, im Gewebe überkreuzenden Fäden des Aufzugs und Einschlags ersetzen denselben. Jetzt denkt man beim Sticken in Kreuzstich gewöhnlich nicht daran, wie die bunten Fäden auf der Kehrseite gelegen sein werden. In alten Zeiten aber und noch unlängst wurde darauf sehr geachtet, besonders wenn Handtücher und Taschentücher gestickt wurden. Es wurde so gestickt, daß auf der Kehrseite dasselbe Muster zustande kam (eine sog. doppelseitige Stickerei). Dazu begann man die Arbeit in der Mitte des Kreuzchens und ging zum anderen nicht über, bis das erste ganz vollendet war. Das Sticken nach einer geraden Linie wird hier gar nicht zugelassen, sondern jeder Stich mit der Nadel wird unbedingt schräg gemacht, weshalb auf der Kehrseite auch regelmäßige Kreuze entstehen. Hier muß man also nicht wenig Extrastiche auf dem schon aufgenähten Faden machen, sowie die Linien nicht nach der ganzen Länge des Kreuzes, sondern nur auf der einen Hälfte ausführen. Weniger doppelte Stiche muß man bei einer anderen Art doppelseitiger Stickerei machen, wenn auf der Kehrseite das Muster nur aus geraden Linien entsteht. Diese letzte Art wird auch heute viel, besonders bei den Ukr., angewandt. I n Kreuzstich wird gewöhnlich mit buntem Baumwollgarn gestickt (ukr. eánojioHt), am öftesten mit solchem von roter und blauer Farbe, wobei gewöhnliche Nähnadeln gebraucht werden. Es werden an den Enden der Handtücher, auf Taschentüchern Stickereien gemacht; an den Hemden wird der Kragen und die Linie des Ausschnittes gestickt (ποκπόποκ), sowie der untere Hand, die Manschetten, und bei Frauenhemden auch der obere Teil des Ärmels (die sog. najinitá) bei der Schulter. Bei den Sgrr. wird dieselbe Art von doppelseitiger Stickerei praktiziert, nicht nur im Kreuzstich, sondern in Form von verschiedenen Figuren, die aus geraden und schrägen Linien bestehen; gewöhnlich f ü h r t man hier den bunten Faden zweimal nach derselben Linie, erst von links nach rechts und dann in umgekehrter Richtung. Die Ukr. gebrauchen diese Art von Stickerei nicht f ü r ganze Muster, sondern nur f ü r Randmuster an Hand- und Taschentüchern. Seltener kommt bei den Ukr. (unter dem allgemeinen Namen MepcwaHHc) eine Stickerei auf der Oberfläche des Gewebes vor, die nur gebrochene Linien bildet. Mit diesem Stich können bloß einfache geometrische Figuren ausgenäht werden, wobei sie gewöhnlich mit Fäden von zweierlei Farben gemacht werden, — entweder gleichzeitig mit zwei verschiedenfarbigen oder abwechselnd, erst mit dem einen, dann mit dem andern, wobei der erste einen Hintergrund f ü r den zweiten bildet. Den zweiten Haupttypus der heutigen ostslavischen Stickereien bildet die g l a t t e S t i c k e r e i oder der P l a t t s t i c h (grr. rJiaflb, Hacráji, ukr. HaCTHJiyBanHH und 3airá3yBaHHn). Diese Art von Stickerei hat mit dem Weben vieles gemein und ist eigentlich eine Imitation des Webens. Dabei gibt es n u r gerade Linien, die in parallelen Reihen unmittelbar nebeneinander zu liegen kommen; die Zeichnung wird hauptsächlich durch eine allmähliche Veränderung der Länge dieser geraden Linien gebildet. Die eine Art des
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Y. Anfertigung der Kleidung und des Schahwerks.
Plattstiches (ukr. 3aHH3yBaHHH) gebraucht n u r horizontale Linien, die mit einer Unterbrechung so zu liegen kommen, daß den Unterbrechungen auf der Vorderseite ein regelmäßiges Muster auf der Kehrseite entspricht. D e r gewöhnliche P l a t t s t i c h läßt neben den horizontalen Linien auch vertikale gerade Linien zu. I m N o r d e n der U k r a i n e gebraucht m a n auch jetzt noch beim N ä h e n im P l a t t s t i c h f a s t ausschließlich weiße Fäden, u n d das N ä h e n im P l a t t s t i c h selbst heißt o f t uiHTb ôîjijik), d. h. mit weißen Fäden nähen. D e n m i t weißen F ä d e n a u s g e f ü h r t e n P l a t t s t i c h bezeichnen die Ukr. mit dem W o r t e jiHiriTBa. D i e Grr. gebrauchen den Plattstich u. a. beim Ausnähen von F r a u e n kopfschmuck (§ 96) mit Gold- u n d Silberfäden. M i t Goldfäden im P l a t t s t i c h werden auch verschiedene Kirchenornate u n d zum K u l t u s gehörige Gegenstände ausgenäht. D a m i t das Goldstickmuster ein Relief bekommt, wird d r u n t e r B i n d f a d e n oder Birkenrinde untergeschoben. I m Plattstich wird f a s t immer auf einem S t i c k r a h m e n genäht (grr. nánbi(ti, ukr. π'παι,ιμ), der bei anderen A r t e n von Stickerei selten angewandt wird. Als Stickrahmen dient nicht selten der Kähmen eines Siebs oder der Deckel eines Backtroges, auf den die Leinwand gespannt wird. D e n d r i t t e n u n d letzten H a u p t t y p u s der ostslavischen Stickerei bildet die MepéatKa (eigtl. Netz, grr. auch CTpówa, BHBtóá, πόρβΒΗτι,). F ü r diesen Typus ist das A u s r u p f e n der Einschlagfäden in der Leinwand bezeichnend; die F ä d e n des A u f z u g s werden verflochten u n d in dem Muster verbunden. Bei der gewöhnlichen MepéíKita werden die F ä d e n des Einschlags ganz, ohne Unterbrechung, ausgerupft, wie dieses die Zeichnung des Musters v e r l a n g t ; eine V a r i e t ä t der MepciKKa, die bei den Ukr. u n t e r dem N a m e n jiáxiBKa (eigentlich : polnisch) bekannt ist, unterscheidet sich dadurch, daß zwischen j e zwei Reihen der ausgerupften Einschlagfäden stets eine Reihe von zwei bis drei F ä d e n u n b e r ü h r t bleibt. Als eine V a r i e t ä t der MepéatKa muß m a n auch das ukr. BupisyBäHHH (eigentlich Herausschneiden) anerkennen, wobei in der Leinwand wirklich Löcher herausgeschnitten werden, deren R ä n d e r im P l a t t s t i c h u m n ä h t werden ; das Muster wird hier durch eine symmetrische Lage der Löcher von verschiedener Größe und F o r m gebildet. W a s die O r n a m e n t i k d e r S t i c k e r e i e n anbetrifft, so ist das g e o m e t r i s c h e O r n a m e n t bei den Grr., W r . und im N o r d e n der U k r a i n e vorwiegend; in der U k r a i n e f ä l l t dieses m e h r oder weniger mit den Grenzen der nordukr. Dialekte m i t Diphthongen zusammen. I m Süden der Ukraine, in Podolien u n d Galizien u n d besonders bei den H u z u l e n ist wieder ein Vorherrschen des geometrischen Ornamentes, doch eines sehr komplizierten u n d bunten, zu beobachten. I n der zentralen Ukraine ist ein Vorherrschen des P f l a n z e n o r n a m e n t s bemerkbar, das o f t stilisiert und geometrisiert i s t ; bei den einen Pflanzenmotiven der Ukraine muß m a n die Spuren n e u e r e r E i n f l ü s s e der R e n a i s s a n c e k u n s t u n d des B a r o c k sehen, u n d in den anderen erkennt m a n ältere p e r s i s c h e M o t i v e . I n der Ukraine sind die Darstellungen von T i e r e n , Menschen u n d architektonische Motive äußerst selten; eine Ausnahme bilden bloß die Doppeladler auf den Kosakenhand-
§ 81—82. Stickereien. Färben des Gewebes.
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tiichern. Bei den Grr. bilden im Gegenteil die H ä h n e und P f e r d e ein ebenso verbreitetes Motiv wie in der U k r a i n e die F i c h t e und der H o p f e n . Auf g r r . Stickereien sind byzantinische P f a u e n m i t Schwänzen in F o r m von T a n n e n sehr verbreitet, dann verschiedene phantastische Tiere u n d Vögel, Reiter, Stutzer, die dem Zuschauer m i t dem Gesicht zugewendet, mit in die S e i t e n gestemmten Armen dastehen usw. Alles dies ist ebenfalls m e h r oder weniger geometrisiert, was sich auch aus der A r t der Stickerei selbst erklärt, die ohne Stramin, m i t Abzählen der Längs- und Q u e r f ä d e n des Gewebes, a u s g e f ü h r t wird. Bei den Wr. ist eine N a c h a h m u n g der vom Winterf r o s t geschmückten Fensterscheiben gewöhnlich, was auch bei den anderen Ostslaven vorkommt. Die oberen Teile der Ärmel (πο.ιπκή) nähen die Wr. hauptsächlich m i t einem Muster in F o r m von I n s e k t e n : Ameisen, Bienen, W ü r m e r n usw. aus (so D o b r o v o l ' s k i j ) . § 82. Die vorherrschende K l e i d e r f a r b e der Ostslaven war in alten Z e i t e n Weiß, vielmehr eine an das Weiß erinnernde F a r b e des H a n f u n d F l a c h s g a r n e s sowie der Schafwolle. Bei den Wr. hat sich dieses Vorherrsehen der weißen F a r b e in der K l e i d u n g teilweise noch jetzt erhalten. Bei d e n andern Stämmen aber ist die alte weiße K l e i d u n g schon ziemlich lange durch eine farbige ersetzt worden, u n d n u r durch Untersuchung kann m a n nachweisen, daß den heutigen f a r b i g e n H e m d e n der Grr. weiße vorausg i n g e n , wie den heutigen rotgelben Pelzen weiße Pelze. D i e weiße F a r b e wird leicht schmutzig; dieser Umstand und die Mode haben die Veranlassung dazu gegeben, die weiße K l e i d u n g durch f a r b i g e zu ersetzen. I n der Geschichte der ostslavischen F ä r b e k u n s t selbstverfertigter Gewebe muß m a n d r e i P e r i o d e n unterscheiden. Die e r s t e älteste P e r i o d e k e n n t n u r d a s F ä r b e n m i t e i n h e i m i s c h e n P f l a n z e n . Die z w e i t e P e r i o d e beginnt mit dem A u f k o m m e n des I n d i g o (der sog. K^öoBan KpácKa) im Verkauf u n d mit dem A u f k o m m e n professioneller Indigofärber. Die d r i t t e P e r i o d e beginnt mit dem A u f k o m m e n und der Ausbreitung von D r u c k f a r b e n und H a n d d r u c k g e w e b e n . D a s F ä r b e n m i t e i n h e i m i s c h e n P f l a n z e n hat zum A u f k o m m e n lokaler M o d e f a r b e n g e f ü h r t , was später z u einer mehr oder weniger standh a f t e n T r a d i t i o n f ü h r t e . W e n n ζ. B. der K r e i s Livny sich von nachbarlichen, ebenfalls grr. Gegenden durch die rote F a r b e der Frauenkleider unterscheidet, so m u ß m a n die E r k l ä r u n g dieser Tatsache darin suchen, daß hier die Pflanzen reichlich vorhanden sind, die den Farbstoff zur F ä r b u n g der Gewebe in Rot liefern. Bei der häuslichen F ä r b u n g mit Pflanzen werden die letzteren vorläufig getrocknet u n d dann im O f e n gekocht oder vielmehr gebäht; in die so gewonnene B r ü h e legt m a n die zum F ä r b e n bestimmten Fäden, Leinwand, Tuch u n d kocht alles wieder ab, indem m a n es in den heißen O f e n f ü r die ganze N a c h t stellt. Dies geschieht o f t nicht einmal, sondern zwei- oder dreimal. Die B a u m r i n d e f ü r den Farbstoff wird gewöhnlich im Herbst, seltener im W i n t e r gesammelt, getrocknet und z u P u l v e r gestoßen, aus dem m a n dann die Farblösung bereitet. Das Gären der gekochten F a r b l ö s u n g , das auch bei den Letten gewöhnlich ist, wird bei den Ostslaven wie bei häuslicher
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F ä r b u n g mit Pflanzenstoffen, sowie bei den professionellen F ä r b e r n mit Indigo im großen Maßstabe angewandt. Die chemische Eigenschaft des Alkohols, einen färbenden Spiritusextrakt zu geben, ist augenscheinlich schon bekannt. Als ein Hilfsverfahren bei der häuslichen Färbung mit Pflanzenstoffen wird bei den N g r r . Sibiriens ein vorläufiges Nassen des zu färbenden Gegenstandes im Wasser, das im Schleiftrog nach dem Schleifen von Messern und Äxten nachbleibt, angewandt; in dieses Wasser (ngrr. τοΗήϋΐ>ΗΗΐ;α) legt m a n auch noch verrostetes Eisen. Die Baumrinde (der sog. ay6, Koptë) diente als Hauptmaterial nicht n u r zum Färben von Leder (§ 83), sondern auch f ü r Gewebe. JJjòiìtb ist ein f ü r alle Ostslaven gemeinsamer Ausdruck zur Bezeichnung des Färbens des Leders wie auch der Gewebe mit Eichenrinde und anderer Baumrinde. Die ngrr. Benennung des leinenen S a r a f a n als aySác nimmt ihren A n f a n g vom Färben der Leinwand mit sy6, d. h. mit Baumrinde. Die Erlenrinde gibt eine braune Farbe. Die Huzulen tragen 3aji;y6neHH, d. h. m i t Erlenrinde gefärbte Tuchhosen. Bei den N g r r . heißt die zur F ä r b u n g des Tuches abgekochte Baunrrinde auch cypMiijio. Die N g r r . des Gouv. Kostroma färben wollene Gürtel mit Birken- und Tannenrinde. Die N g r r . von Sibirien gewinnen braune Farbe aus Lärchenrinde, schwarze aus Erlenblättern sowie solchen von wilden Rosen. Sie säuern auch den zu färbenden Gegenstand zwei bis drei T a g e lang in einer B r ü h e aus Birkenrinde und Pfefferschwamm, wonach er in einer heißen B r ü h e aus Wurzeln des Natterknöterichs oder Drachenwurzes (Polygonum bistorta L. ; ngrr. Maniip) gebäht wird. Die N g r r . am Weißen Meer färben (nyöriTi,) die Fischnetze in einer B r ü h e aus Birken- u n d Erlei:rinde. F ü r die rote, richtiger dunkelrote Farbe, werden die Wurzeln des nop;MapéHHHK, des gelben Labkrautes (Gallium verum L.) gebraucht, die klein gestoßen u n d in Kvas gelöst werden; dieses wird von den Sgrr. und Ukr. besonders viel angewandt. Sie sammeln auch Ende J u l i und im August in Eichen- und Birkenhainen unter den Wurzeln der Erdbeerpflanzen den Scharlachwurm (Coccus polonicus, Cochenille, sgrr. llepBeq, ukr. *ïepBém>) f ü r die rote Farbe. F ü r die gelbe Farbe wird der Färberginster (Genista tinctoria L. ; «ροκ, menT^xa, aejioii^xa) gebraucht; eine zweite Färbung mit Indigo ergibt eine grüne Farbe. Die Sgrr. wenden f ü r die grüne Farbe eine B r ü h e aus Birkenblättern oder aus wilden Spargeln (Asparagus officinalis L.) an, u n d die N g r r . gebrauchen die Färberscharte (Serratula coronata L., grr. cepnyxaj, zu der noch Alaun hinzugetan wird; damit färbt man oft, nachdem die F ä r b u n g mit Indigo schon stattgefunden hat. Der Indigo hat bei den Grr. die Benennung κ^βοΒβπ KpácKa, d. h. eigentlich Kübelfarbe, erhalten, weil das Färben von Leinwand und Garn gewöhrlich in einem großen, hölzernen Kübel (grr. Ky6) vor sich geht (s. Abb. 126). Über einem solchen Kübel wird auf einem Block ein hölzerner oder eiserner Kreis (Kpyr) aufgehängt, der an der Innenseite mit eisernen H a k e n oder Hufeisennägeln versehen ist; auf die letzteren wird ein zusammengelegtes Stück Leinwand oder Garnfitzen aufgehängt und mit H i l f e des Blocks in
§ 82. Das Färben des Gewebes.
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den Kübel mit der Indigolösung getaucht; der Umfang des Kreises ist etwas kleiner als der Umfang des oberen Kübelrandes. Es gibt z w e i A r t e n d e s F ä r b e n s m i t I n d i g o , in einer k a l t e n F a r b l ö s u n g (xojiohhbiö Ky6) und i n e i n e r h e i ß e n L ö s u n g . Die erste Art ergibt eine haltbarere Färbung. Bei den grr. Färbern ist die Überzeugung weit verbreitet, daß man zu einer guten Färbung in die Farbenlösung „altes saures Wasser", d. h. einen Teil der alten, schon in Gebrauch gewesenen Farblösung hinzutun müsse. Wegen dieser Überzeugung gebrauchen ¡die Färber stets eine alte Farblösung und tun nur frisches Wasser dazu. Gleich den Weinfabrikanten rechnen die Färber das Alter ihres Wassers nach vielen Jahrzehnten; ein das Werk erst beginnender Arbeiter borgt stets „saures Wasser" bei seinen älteren Kollegen.
Abb. 126. Ngrr. Färber beim Färben der Leinwand mit Indigo in einem hölzernen Kübel. Beim kalten wie beim heißen Färben wird zu der Indigolösung auf gleiche Weise Pottasche hinzugetan, zuweilen speziell die von Espenholz, hier und da auch noch Kupfer- oder Eisensulfat, Kalk und Gips, ein Gärstoff aus Boggenmehl und Bierhefe; die fertige Farblösung gärt (qepefliÍTCH, jiafiupácT ijbît), bis sich auf ihrer Oberfläche blauer Schaum in Blasen zeigt. Die gefärbte und getrocknete Leinwand wird noch geglättet (nomÄTt), wozu ein besonderes Instrument jiouuíjio oder rjiaAHJiKa dient: ein hölzerner Stock von ungefähr 2 m Länge wird mit dem oberen Ende an der Zimmerdecke befestigt. An seinem unteren Ende hat er eine gläserne Kugel, mit der er sich in die Rinne stützt; die gefärbte Leinwand wird mit Wachs go-
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rieben und in die Rinne gelegt; der eine Arbeiter zieht die Leinwand an sich und der andere schiebt die Glaskugel. Yor dem Aufkommen des Indigo im Verkauf gebrauchten die professionellen Färber augenscheinlich das Kraut Färberwaid (Isatis tinctoria L.), das schon in den Denkmälern des 17. Jahrhunderts unter dem Namen KpyTHK erwähnt wird. Außer der blauen Farbe wird von den Färbern noch rot gefärbt, und früher war auch die azurblaue und grüne Farbe beliebt. Das Färben der Gewebe ist bei den Ostslaven schon f ü r das 12. Jahrhundert bezeugt; im Sarge des hl. Barlaam von Chutyn (f 1193 bei Novgorod) sind Teile seines gefärbten Gewandes erhalten. § 83. Das nur mit einer Farbe, ganz ohne Muster, gefärbte Gewebe ist. jetzt bei den Grr. unter dem Namen KpaineHÓHa bekannt. In alten Zeiten wurde so auch zuweilen das gemustert gefärbte Gewebe genannt ; in den Denkmälern des 17. Jahrhunderts wird die KpameHHHa TpaniaTa« erwähnt, d. h. ein gefärbtes Gewebe mit einem Pflanzenmuster. Jetzt aber heißt ein Gewebe von g e m u s t e r t e r F ä r b u n g HaCóttna ( u k r . BHÖiÄKa, néñcTpa, wr. HaßoilKa).
Es sind zwei Arten der A n f e r t i g u n g d e s H a n d d r u c k g e w e b e s zu unterscheiden. Die älteste Art der Zeugdruckerei ist bei den Ukr. erhalten; als seltene Ausnahme kommt sie auch bei den Grr. vor. Dazu werden Farben gebraucht, die mit gekochtem Hanf-, seltener Sonnenblumenöl, zubereitet werden. Als Farbstoffe werden gewöhnlich Berliner Blau und Kienruß gebraucht, die mit einer steinernen Mörserkeule auf Stein zerrieben und dann mit Kreide vermischt werden, die mit Öl durchsetzt ist. Es entsteht eine dicke schwarze Farbe, die man auf zwei mit Leder überdeckte Kissen streicht (ukr. TOBK^IIIH). Die letzteren sind an viereckige Bretter mit Griffen genagelt. Man schlägt mit dem einen Kissen auf das andere. Dadurch breitet sich darauf die Ölfarbe gleichmäßig aus, und dann bedeckt man damit das Muster, das in einem Holzbrett eingekerbt ist (ukr. JJHI;6, grr. Maiiépa, HAÖHBHAH aocKá), wozu man gewöhnlich mit dem Kissen auf das Brett schlägt. Endlich legt man das zu färbende Gewebe auf das Muster und rollt darauf einen hölzernen Zylinder (ukr. KaTÓK) von 15—20 cm Länge, der sich auf einer eisernen Achse dreht, hin und her. Solche Abdrücke wiederholt man, bis die ganze Oberfläche des Gewebes ausgefüllt ist. Die Grr. gebrauchen hierbei keine Kissen; sie legen gewöhnlich die Drucktafel auf die Farbe, die auf das in einen Rahmen gespannte (ngrr. cepnHHKa) Tuch gestrichen ist. Das Gewebe wird dabei auf einem Tisch ausgebreitet, der zuerst mit Tuch bedeckt wird. Die Drucktafel mit der Farbe wird auf das Gewebe gelegt und es wird mit einem hölzernen Hammer darauf geschlagen. Mit den in den ngrr. Denkmälern des 17. Jahrhunderts vorkommenden Ausdrücken KpauieHHHH KOJIOTHTÎ. (er schlägt das gefärbte Gewebe), sowie mit der alten Benennung des Färbers KOJiOTHJitmHKi. (Schläger) wird gerade auf dieses Schlagen hingewiesen. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gebrauchten die Grr. diese Art von Zeugdruckerei mit Ölfarben ·— Berlinerblau, Colcothar, Krön, rotem Bleioxyd u. a. Die neue Art unterscheidet sich von der alten hauptsächlich dadurch, daß dabei auf die Zeugdrucktafeln nicht Farbe, sondern ein Stoff,
§ 88—84. Handdruckgewebe. Bearbeitung des Leders: Weißgar.
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der das Gewebe vor der Farbe schützt (grr. Bána), aufgetragen wird. Das mit einem Muster aus diesem Stoff bedeckte Gewebe wird dann auf gewöhnliche Weise mit Indigo gefärbt. Auf diese Art erhält man ein weißes Muster auf blauem Felde und, was das Wichtigste ist, das gefärbte Gewebe behält so seine alte Dicke und Elastizität. Bei dem alten Verfahren, das jetzt bei den Ukr. gebräuchlich ist, wird das Gewebe mit der darauf getrockneten Ölfarbe oft grob und dick wie Wachstuch; es hat ein blaues Muster auf weißem Felde. Das gewöhnliche Rezept zur Anfertigung grr. Schutzstoffes (eana) ist das folgende : in Wasser gelöstes Gummiarabikum und weißer Lehm werden gekocht, dann legt man in diese Mischung Kupfersulfat und etwas geschmolzenes Ochsenfett und läßt sie wieder zwei Stunden lang kochen. Zuweilen tut man noch Bleizucker dazu. Besondere Mischungen werden zur Färbung der Muster in Rot und Gelb und anderen Farben gebraucht, wobei mit dem Schutzstoff nicht selten auf schon gefärbtem Gewebe gedruckt wird. Vor dem Auflegen dieses Stoffes oder vor dem Drucken wird das Gewebe gestärkt, d. h. in eine dünne Lösung von Tischlerleim getaucht und dann getrocknet. Xach der Färbung mit Indigo wird das Gewebe, ungetrocknet, in frischem Wasser gespült, wonach es zur Reinigung vom Schutzstoff in eine sehr dünne Lösung von Vitriolöl gelegt wird ( o T K B á u i H B a T b ) . Die Zeugdrucktafeln haben gewöhnlich die Form eines Quadrats von 20 cm und mehr Länge und Breite, von drei und mehr Zentimetern Dicke. Das Muster ist auf diesen Tafeln zuweilen in Holz eingekerbt und zuweilen aus Kupferplättchen und Draht, die oft mit Holzplättchen abwechseln, eingeschlagen; zum Abdrucken des Musters in den Ecken der Tischtücher usw. werden Bretter in Form eines Quadranten (des sog. Hayrójilhhk) gebraucht. Es gibt solche spezielle Tafeln mit einem schmalen Muster f ü r die Randzeichnung. Bei den Ukr. sind Tafeln mit einem doppelseitigen Muster gebräuchlich : auf der einen Seite ist ein Streifenmuster eingekerbt, und auf der anderen verschiedene geometrische Figuren und Blumen. Bei den Grr. herrschen Pflanzenmotive vor — Blumen, Kräuter, Stengel und auch eine Mischung von Pflanzen und geometrischen Elementen; Tiere und Gebäude kommen seltener vor. Das gemustert gefärbte Gewebe wird bei allen Ostslaven zu Kissenüberzügen gebraucht; die Ukr. tragen Hosen aus diesem Stoff; die grr. Frauen Röcke. I n alten Zeiten wurde gemustertes und einfach gefärbtes Gewebe viel zu Kirchenornaten, Kirchendecken und Vorhängen in ärmlichen Kirchen verwandt. § 84. Bei den Ostslaven sind in unseren Tagen drei Hauptarten der L e d e r b e a r b e i t u n g bekannt, die f ü r drei Grundstufen in der Geschichte des Lederhandwerkes überhaupt bezeichnend sind. Die ä l t e s t e S t u f e bildet die B e a r b e i t u n g d u r c h K n e t e n der Häute, die z w e i t e das V e r s ä u e r n und die d r i t t e das L o h e n . Durch die Bearbeitung der Häute durch K n e t e n erhält man das W e i ΰ g a r
(grr.
cápoMHTb,
ctipoMHTHHa,
ukr.
JiHMapmÄHa).
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Beim sog. „geschnittenen" Weißgar gibt es, zum Unterschied vom „versäuerten", weder Lohen noch Versauern der Haut. Die Haare werden hier von der H a u t nicht auf chemische Weise entfernt, sondern durch Rasieren mit einer Sense. Das ganze Verfahren der Bearbeitung der H a u t besteht hier erstens in dem Befeuchten mit Wasser, um sie von Fleisch zu reinigen, zweitens im Bestreichen mit Fett (Speck, Öl oder Teer) und hauptsächlich im gründlichen Kneten. I n alten Zeiten wurden solche Häute mit Händen geknetet, woher die allgemein ostslavische Benennung des Gerbers KOHíeMJÍKa (Hautkneter) stammt. I n der sog. HaiajibHan jieTonHCb wird unter 1004 die Sage vom Gerber J a n angeführt, der während des Knetens der H a u t auf seinen Vater zornig wurde und die H a u t (qepeBH) mit den Händen zerriß ; augenscheinlich besorgte er auch das Kneten mit den Händen. Dasselbe wiederholt auch ein bei allen Ostslaven weitverbreitetes Märchen von Nikita dem Hautkneter, der in Kiev lebte. — Die einfachste Vorrichtung zum Kneten der Häute ist bei den Ukr. des Gouv. Cherson beobachtet worden: eine etwas befeuchtete Ochsenoder Pferdehaut wird über eine ausgestreckte Holzstange, die hoch gelegen ist, geworfen; an den Enden der Haut, die von den Füßen und dem Kopfe •des Tieres stammen, wird ein einfacher Holzhebel verwickelt und damit die an der Stange hängende H a u t bald nach der einen, bald nach der anderen Seite gedreht. Die Häute werden auch mit demselben Werkzeug geknetet, das zum Brechen von Hanf und Flachs dient (Hanfbrechen oder Flachsbrechen siehe Abb. 94. und § 65). Ein spezielles Werkzeug zum Kneten der Häute, des Weißgar, ist der sog. SeJiHK. Auf Abb. 127 ist ein ukr. βύιήκ des Kreises Kupansk im Gouv. Charko.v nach der 1883 angefertigten Zeichnung von L. S o k o l o v s k i j dargestellt. Diese Darstellung ist nicht ganz typisch ; gewöhnlich kommen die vertikalen Bretter einander viel näher und sind oben stumpf gespitzt. Die sich auf einem Scharnier drehende Holzplatte, ukr. TOBK6LH, ist kein unbedingt notwendiger Bestandteil dieser Vorrichtung ; sie wird mitunter durch den Fuß oder | e d e s Arbeiters ersetzt. Die Benennung dieses Knetapparats : 6ejiAn (eigtl. das Weißmachende) beruht wahrscheinlich darauf, daß unter seiner Wirkung die frischgekneteten Häute nicht nur weicher, sondern auch weißer -werden. Abb. 127. Ukr. Werkzeug zum Kneten des Weißgar (öijihk).
das Kn
§ 84. Bearbeitimg des Leders: Weißgar.
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Auf Abb. 128 ist eine kompliziertere Vorrichtung zu demselben Zweck, das sog. Mrino (d. h. „das, womit man knetet") dargestellt. Sie ist allen Ostslaven bekannt (ukr. m'hjihhlih). I n die Erde wird ein kleiner Holzpfahl fest eingegraben, der in der Mitte eine längliche durchgehende Öffnung aufweist, die nach der Länge des P f a h l s ausgehöhlt ist. Auf der Höhe dieser Öffnung werden auf den P f a h l zwei Bretter aufgesetzt, denen der P f a h l als Achse dient, um die sie sich drehen. Die E n t f e r n u n g zwischen den Brettern ist der Länge der Öffnung im P f a h l e gleich. Die Bretter sind miteinander durch mehrere (bis 10) abgerundete Querhölzer verbunden, die den P f a h l , ihm unmittelbar anliegend, umgeben. — Die mit einer Sense gereinigte und mit reinem Teer gründlich bestrichene H a u t ("für eine H a u t sind 2400—4000 gr.
Abb. 128. Ngrr. Vorrichtung zum Kneten der Häute. Teer nötig) wird mehrmals zusammengelegt und in die Öffnung des P f a h l e s gesteckt. Dann beginnen zwei Mann die Bretter zu drehen — erst nach der einen Seite — bis die ganze H a u t zwischen den Hölzern verflochten ist, dann nach der entgegengesetzten Seite usw. Jede H a u t wird auf diese Weise ung e f ä h r 16 Stunden lang geknetet. Das sog. e i n g e s ä u e r t e W e i ß g a r (KBáuieHan ciipoMiiTt) unterscheidet sich von dem beschriebenen „geschnittenen" (6piÍTaH) nur dadurch, daß die H a a r e hier nicht mechanisch mit einer Sense, sondern auf chemische Weise — durch Einsäuerung — entfernt werden. Die einfachsten Arten sind die folgenden: man gräbt das Fell in Mist ein, wovon die H a a r e ausfallen (bei den Ukr. des Jekaterinoslavschen Gouv.), oder in einen Sumpf (in die Tundra, so die N g r r . des Gouv. Archangelsk), oder man säuert es in Urin ein (so die N g r r . Ost-Sibiriens).
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Eine verbesserte Art besteht darin, daß die Haut f ü r fünf Tage in eine Lösung von Mehl und Salz gelegt wird (für eine Haut braucht man 4 k g Mehl und 1,5 kg Salz): die Lösung wird bald sauer und die Haare werden dadurch so erweicht, daß sie dann leicht entfernt werden. Zuweilen legt man die Haut nach dem Säuern in Mist. Alle übrigen Verfahren sind hier dieselben: vor dem Einsäuern ein Befeuchten mit Wasser und später ein Bestreichen mit Fett, Speck, mit Lebertran, mit Flachsöl und Teer, oder auch mit Teer allein. Die frischgeknetete Haut (Weißgar) wird hauptsächlich zu Pferdegeschirr gebraucht, ferner zur Anfertigung verschiedener Riemen, ζ. B. zum Zusammennähen der Teile des Dreschflegels usw. Es wird daraus auch einfaches Schuhwerk gemacht (grr. πόριιΐΗΗ, ukr. nocTOJin), wozu die !Ngrr. die Kuhhaut trocknen lassen, indem sie dieselbe an den Fußboden nageln und sie auf der Innenseite mit Asche bestreuen. Die Ukr. des Gouv. Poltava machen aus dem Weißgar Hosen. § 85. Die Bearbeitung der Häute durch Kneten, ohne Versäuern und ohne Lohen, muß man f ü r sehr alt, mindestens f ü r urslavisch ansehen. Vom Weißgar ist der Slave nicht gleich zum Lohen übergegangen, sondern erst durch das Versäuern. Das Versäuern der Haut zur Gewinnung von Leder ist schon oben beschrieben worden (§ 84). Es ist noch notwendig, etwas über das V e r s ä u e r n zur Bearbeitung der F e l l e zu sagen. Die Felle, besonders die Schaffelle, werden jetzt bei den Ostslaven auf zwei Arten bearbeitet — durch Lohen und durch bloßes Versäuern; die letztere Art der Bearbeitung ist unter dem Namen Ha 6ejio bekannt, und die aus derartigen Schaffellen genähten Pelze heißen 6éJiBie myßti „weiße Pelze", zum Unterschied vom Lohgar. Das Lohen ist bei den Ostslaven eine verhältnismäßig neue Art der Bearbeitung von Schaffellen; f ü r die Bearbeitung anderer Felle, ζ. B. Eichhornfelle, ist sie nirgends verwendet worden. Die Ukr. und Wr. wenden als allgemeine Eegel das Lohen der Schaffelle bis heute überhaupt nicht an und kennen nur die Bearbeitung Ha 6eJio. Auch bei den Grr. hat sich das Lohen der Schaffelle nur im 19. Jahrh. ausgebreitet, wobei es im europäischen Rußland von Osten nach Westen vorgedrungen ist. Einige chronologische Daten sind mit Sicherheit zu bestimmen. So hat man in Samara 1833 mit dem Lohen der Schafpelze begonnen (Onnc. pyKon. III, 1199), in Tula nicht lange vor 1850 (Tyji. Ty6. Bî«om. 1850, ISTr. 33, S. 160); in Tver haben in den 1850 er Jahren nur einige Gutsbesitzer begonnen das Lohen einzuführen ( P r e o b r a z e n s k i j Onac. TeepcK. ry6. 413); in Opocka, im Gouv. Pskov, war es 1880 noch nicht ganz bekannt ( T p y a t i Bojibh. Θκοη. OômecTBa, 1880 Bd. I I , S. 527), ebenso wie bei den Litauern im Rosieny-Kreise um 1887 (Oiihc. pynon. II 637). Man könnte annehmen, daß das Lohen der Schafpelze von den Ngrr. zuerst als Schutzmittel gegen die zerstörende Wirkung der Feuchtigkeit eingeführt worden ist. Wenn bei den Grr. jetzt nur gegerbte (gelohte) Schafpelze bekannt sind, so sind noch unlängst daneben auch weiße gebraucht worden: in Kazan noch um 1895, in Zaraisk 1856, in Pinega 1869, in Korotojak 1890 usw. Ich gebe hier zufällige Daten, wenn von den Autoren die Tatsache der
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§ 85. Bearbeitung des Felles durch Versäueruug.
Verwendung von Schafsfellen und -pelzen beider Arten der Bearbeitung festgestellt worden ist. Für das Verfahren der Bearbeitung solcher „weißer" Schafpelze ist außer dem Fehlen des Lohens noch die Versäuerung und das Kneten bezeichnend. Die Schafpelze werden in Brotkvas gelegt, der zuweilen gesalzen wird, zuweilen in zwei verschiedene saure Lösungen, — die erste ohne und die zweite mit Salz, — gelegt wird. Der Zweck des Versäuerns ist, die H a u t durch die Säuren weich zu machen und vor dem Faulen zu bewahren. Zur Elastizität des Schafpelzes wird er geknetet, wobei bei allen Ostslaven (und
Abb. 129. Ngrr. Gerät zum Kneten der Schafsfelle.
Abb. 130. Ukr. Gerät (kjimi) zum Kneten der Schafsfeile.
auch bei den kaukasischen Völkern) dasselbe Werkzeug gebraucht wird, das bei allen Ostslaven unter dem Namen kjiioh, seltener κριοκ, bekannt ist. Auf Abb. 129 ist ein solches ngrr. Werkzeug aus dem Gouv. Archangel'sk abgebildet, dessen arbeitender eiserner Teil ein bogenförmiges Aussehen hat und an einen hölzernen Stab mit einem Griff oben und mit einem Riemensteigbügel unten gebunden ist. Auf Abb. 130 ist, während des Verfahrens, ein ukr. Typus desselben Werkzeugs abgebildet, das ganz aus Eisen besteht, bis auf einen kleinen hölzernen Griff oben und einen Steigbügel aus einem Strick unten. Hier hat der arbeitende Teil keine bogenförmige sondern eine rechtwinklige Form; die Hauptarbeit aber trägt der Winkel (Bogenwinkel) selbst. Mit diesem Werkzeug knetet man die Innenseite des Schaf-
Z β 1 β η i η, Kuss. (Ostslav.) Volkskunde.
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V. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
feiles, wobei man das hängende Fell oft zusammenlegt und gleichzeitig mit dem Werkzeug beide einander berührenden Teile der Innenseite reibt. Nach der in der Chronik überlieferten Legende vom Apostel Andreas soll dieser beobachtet haben, wie die Slaven von Novgorod in der stark geheizten Badstube sich vor dem Waschen mit Gerberkvas begossen. Der Schreiber der Laurentius-Handschrift aus dem 14. Jahrh. hat diese Lösung „Gerberkvas" genannt (ycraieHHö; in anderen Abschriften heißt er anders: KHCJiuft, Mtrrejib), wahrscheinlich deshalb, weil seine Zeitgenossen zu diesem Zweck gerade Gerberkvas, der eine erweichende Wirkung auf dié Haut ausübt, verwandten. Hier kann man schwerlich an eine Lösung der Lohgerbsäure denken, obgleich die ukr. Gerber in Bogoduchov diese Säure jetzt zur Heilung von Wunden gebrauchen. Wenigstens hat sich heute bei Ngrr. hier und da der Brauch erhalten, auf die glühend heißen Steine des Badstubenofens gerade Mehlkvas zu gießen (vgl. § 108). § 86. Die L o h g e r b e r e i besteht, wie bekannt, darin, daß die Häute mit Gerbersäure getränkt werden, wozu gewöhnlich Baumrinde, besonders Eichenrinde, gebraucht wird. Die ausgetrocknete Binde wird zu Pulver gestoßen und daraus wird eine Lösung gemacht, mit der die Häute getränkt werden; auch werden die letzteren mit diesem Pulver bestreut. Die ostslavischen Termini der Lohgerberei stammen größtenteils vom Namen der Eiche : HyßriTB, ukr. nyßÄTH, ,lohen'; «yßjio, ukr. ny6, flyßöjio, Lohbrühe; grr. oj^Síma, ukr. SA^ßnqH, d. h. die Reste der Binde, die Überreste bei der Arbeit. Doch wird bei den Ostslaven, besonders im Norden, für die Lohgerberei öfter nicht Eichen- sondern Weidenrinde sowie auch die Binde anderer Bäume gebraucht. Freilich gediehen im Norden des Europäischen Bußlands, ζ. B. im Gouv. Vologda, die Eichen früher auch dort, wo von ihnen jetzt keine Spur erhalten ist. Andererseits ist eine solche Verallgemeinerung des Wortes nyö im Sinne von „Baum" überhaupt auch in anderen slavischen Sprachen gewöhnlich, und die grr. Ausdrücke 6epë30BHft ny6, cochóbhü jiyö im Sinne von Birkenrinde, richtenrinde stehen im Slavischen nicht vereinzelt da. Das Lohen wird bei den Ostslaven schon lange nicht nur zur Bearbeitung der Häute, sondern auch zur Bearbeitung anderer Sachen angewandt. Die grr. Fischer lohen z. B. in einer Brühe aus Birken- und Erlenrinde die Fischnetze, um ihnen Festigkeit zu verleihen. Das Lohen von Tuch und anderen Geweben (s. § 82) beeinflußt nicht nur ihre Färbung, sondern verleiht ihnen auch größere Festigkeit. Es ist oben schon festgestellt worden (§ 85), daß die Anwendung des Lohens zur Bearbeitung von Fellen ein bei den Ostslaven verhältnismäßig neues Handwerk ist. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß das Lohen der Schaffelle bei den Grr. ursprünglich die Färbung der Innenseite derselben bezweckte. Es muß bemerkt werden, daß eine solche Färbung der Schaffelle durch Ocker, Sande], seltener durch Colcothar und Ziegelsteinpulver, bei allen Ostslaven recht weit verbreitet ist. TJ. a. wurden die Lohgarpelze von den Grr. früher BÓxpeHHue genannt (Oiihc. pyKon. I 530), d. h. eigentlich mit Ocker gefärbte.
§ 86. Das Lohen. Terminologie des Gerberhand Werkes.
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Eine ähnliche Übergangsstufe von der Bearbeitung der Schaffelle durch Versäuern zur Bearbeitung durch Lohen kann man im Beräuchern der Schaffelle sehen, d. h. in ihrer Bearbeitung durch Rauch. Eine solche Art, die bei den türkischen Völkern des Orients, ζ. B. bei den Kirgizen, bei der Bearbeitung der zur Anfertigung von Gefäßen bestimmten Häute gewöhnlich ist, ist bei den Ostslaven um die Mitte des 19. Jahrh. beobachtet worden. Die Ngrr. brennen Flachsacheln zum Beräuchern der Schaffelle (Oiihc. pyKon. Ι Π , 994), sowie verfaultes Birkenholz, die Wr. Hühnerkot (ibid. II, 698). Ob es solche Übergangsstufen von der Bearbeitung des Leders durch Versäuern zur Bearbeitung durch Lohen gegeben hat, wissen wir nicht; das Lohen der Häute ist ein viel älterer Brauch als das Lohen der Schaffelle; dem Verfahren des Lohens geht jedenfalls stets dasjenige des Versäuerns voran. Das allgemein bekannte Verfahren des Lohens hier übergehend, werden wir nur bei einigen ostslavischen T e r m i n i d e s G e r b e r l i a i i d w e r k e s verweilen. Nach diesen Termini zu urteilen, muß vermutet werden, daß hier kulturelle Einflüsse sowohl von seiten des Orients als auch von Seiten des Westens stark mitgewirkt haben. Die Einflüsse des Orients sind von höherem Alter; die des Westens machen sich größtenteils bei den Ukr. bemerkbar. Die Bezeichnung J u c h t e n (grr. ιοφτΒ, im Dialekt róxTa, ukr. i&XTa, ιοχτ) ist orientalisch: sie geht auf türkisch-persisch J u f t zurück. Das deutsche und holländische Wort ist augenscheinlich aus dem Russischen auf dem Wege des Handels entlehnt; der Versuch G r i m m s , dieses Wort von einer germanischen Wurzel ( j u c h t e n : J o c h) zu erklären, kann nur zum Verständnis der Volksetymologie dienen. Durch die Bearbeitung des Juchtenleders waren in alten Zeiten die Wolga-Bulgaren berühmt, und nach ihnen die Russen. Bei der Bearbeitung des Juchtenleders werden die Häute vor dem Lohen sorgfältig in Wasser von Salz und Kalk gereinigt, wobei man sie im Wasser mit den Füßen stampft; dann werden die Häute auf gewöhnliche Weise dem Lohen unterzogen und nach dem Lohen mit reinem Birkenteer bestrichen, dessen Reichtum an Kreosot die Haut gut vor Fäulnis bewahrt. Mit Teer bestrichenes Juchten wird in eine Lösung von Alaun getaucht, wonach es getrocknet und geglättet wird. Die Ausarbeitung des weißen und schwarzen Juchtens unterscheidet sich vom oben beschriebenen roten nur dadurch, daß anstatt des Teers hier Fisch- und Seehundsfett gebraucht wird, das dem Leder größere Geschmeidigkeit aber geringere Dauerhaftigkeit verleiht. Die arabische Benennung des Saffianleders, saxtjan, ist den Russen wahrscheinlich zuerst von den Tataren übermittelt, später aber aufs neue aus dem Westen übernommen worden. Das türkisch-osmanische Wort δ i ζ m ä „Stiefel", wovon ö i z m ä ö i „Schuhmacher" abgeleitet wird, ist zuerst zu den Ungarn ( t s i z m a ) gekommen, sowie zu den West- und Südslaven, bei denen mit Hilfe des Suffixes -af (-api>) die Bezeichnung f ü r „Schuhmacher" gebildet wurde: bulgarisch iHSMapb, serbisch qAeniäp, öech. δ i ζ m á f , im Wörterbuch von J u n g m a n n 1835 noch mit der Bedeutung „ungarischer Schuhmacher". Das polnisch-ukr. Wort HHJKMápt wird schon im ukr. Wörterbuch des Ρ a m ν a B e r y n d a zu Anfang des 13*
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V. Anfertigung der Kleidung und des Schuhwerks.
17. Jahrh. angeführt. Später haben die Ukr. dieses Wort volksetymologisch umgestaltet und verwenden es für das ukr. i h h b 6 á „Zubereiten der Häute", i h h ä t h „gerben"; auf diese Weise ist das ukr. Wort £ Γ Γ · K °cá, Tynriit) hat wahrscheinlich vom italienischen scafa seinen Ursprung. Vielleicht ist es von den Genuesen entlehnt. Die Mehrzahl der Gerberausdrücke aber ist slavischen Ursprungs. 1111(1 F e t t
§ 87. Literatur. Über das S p i n n e n und W e b e n (zu §§ 65—74) vgl. V. D o b r o v o l ' s k i j : KpocHa (9THorpa$HieCKoe Oßoepime LH, 1902, Nr. 1, S. 77 bis 87) ; V. V a s i 1 e η k o : IIpH^eme η TKaiecTBO bt> 3ÍHbKOBCKOMT> h MiipropoflCKOMi, yÎ3aaxi>, Poltava, Verlag des Poltava-Landstandes 1900. V. H n a t j u k : TuaijTBo y cxiflHift rajiHHHHï (MaTepinna flo yKp.-pycbKoï eTHOJiboriï Bd. III, Lemberg 1900) ; V. S u c h e v i c : TyuyjibmnHa (ibid., Bd. I I und IV, Lemberg 1899); V . S e l i v a n o v : Γο^τ. pycCKaro aeMneniiJibija (in der Zeitschrift „Pyccitan BecÈ^a" 1856 und 1857). — Vergleichsmaterial liefert: W. G e r i g : Die Terminologie der Hanf- und Flachskultur in den franko-provenzalischen Mundarten mit Ausblicken auf die umgebenden Sprachgebiete (Wörter und Sachen, 1913, Beiheft I); M. G a v a z z i : Slavenske mjere za predivo i tkivo prema seksagezimalnom sistemu (Slavia, Bd. III. 1924, Nr. 4, S. 655—672); d e r s e l b e : Praslavenski tkalacki stan i tkalacka dastica. Agram 1926 (Zbornik za nar. zivot i obicaje juznih slavena X X V I ) ; L. N i e d e r l e : Zivot star, slov. III, Heft 1. 1921, S. 332 ff.). Abb. 96 und 113 sind nach den Photographien des Russischen Museums in Leningrad angefertigt; Abb. 97—98, 101—105 sind dem in § 22 genannten Artikel von N. I v a n i c k i j entnommen, Abb. 99 und 111 nach den Photographien von P. G n ê d i c im Charkovschen Museum der Sloboda-Ukraine angefertigt; Abb. 102 und 108 sind dem oben in § 64 genannten Buch von N. F i l i p p o v entnommen.
§ 87. Literatur zu Kap. V.
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Von der B e a r b e i t u n g d e r W o l l e (zu §§ 75—77) handelt: Y. V a s i l e n k o : CyKHOBajibCTBo (KyCTapHtie npoMHCJiu cejibCKHxi, COCJIOBÍA üojiTaBCKOö ryöepHin, Lief. II, Beilage, Poltava 1887); V. B a b e n k o : KouapcTBO ΒΊ> XapbKOBCKoft ryöepHiH ( B Î C T H H K T ) XaptKOBCKaro HcTopHKO-OHJiojiornqecKaro OömecTBa, Lief. IV 1913, S. 65ff.); S. D a v y do v a : IIp0H3B0«CTB0 κοΒροΒΈ bt. ΤΙΟΜΘΗΟΚΟΜΈ oupyrb ToöojitCKoK ry6. (ΟΉΪΘΤΗ Η HBCJi-K^oBamH no uycTapHOft npoMHuiJieHHOCTH B I POCCÍH, Bd. III, Petersburg 1895, S. 174—190); Β. K r y z a n o v s k i j : ynpaHHCKHe H pyMHHCKHe KHJIHMH, Leningrad, Veröffentlichung der Ethnographischen Abteilung des Russischen Museums 1925. Über die W o l l s c h l ä g e r vgl. die: Tpyati KOMHCCÌH no H3CJRFE,a;oBaHiio KyCTapHOft npoMuniJieHHOCTH BT. POCCÍH, Bd. II u. folg. Petersburg 1879—1887. Abb. 118 ist nach der Photographie von P. G n ô d i c im Museum der Sloboda-Ukraine zu Charkov angefertigt. Die Abb. 118«, b, e sind dem Buch von P. L i t vi n o v a : lOîKHopyccKiâ HapoRHHit opHaMeHTt, HepmiroBCKan rySepmn, Lief. 2, Charkov 1902, entnommen; Abb. 117 entstammt dem Buch von S. T a r a n u s e n k o : Bip,qnTHa BHCTaBKa 3a 1923 ρίκ, Charkov, Verlag des Museums für ukr. Kunst 1924. Das F l e c h t e n d e r B a s t s c h u h e ist bis jetzt nicht beschrieben; die Monographie des Verfassers: IIjieTeHan oßyBb y BOCTOIHHX c j i a B H H H H X coce^efl (siehe darüber 9THorpaHq. OôospÎHie CIX—CX, 1916, Nr. 1—2, S. 157) liegt seit 1916 im Manuskript druckfertig vor. Über das F l e c h t e n v o n H ü t e n vgl. B. P o z n a n s k i j : OflejKfla MajiopoccoBt (TpyflH X I I Apxeojionmecuaro C í t e l a BT. XaptKOB-k 1902, Bd. III, Moskau 1905, S. 178—210). Über das Stricken der „Orenburger Tücher" vgl. D. Z e l e n i n : y opeHSyprcKuxt nasaKOBT. (ΒτΗΟΓρβφίΜ. Oßoap-feHie L X V I I , 1915, Nr. 4, S. 54—78). — Über die S p i t z e n siehe S. D a v y d o v a : PyccKoe K p y œ e B O H pyccKÌH KpyHteBnaqH. Hacjit^OBaHie HCTopHiecKoe, TexHHiecKoe π CTaTHCTHiecKoe, Petersburg 1892. Ü b e r d a s O r n a m e n t v g l . V. Stasov:PyccKÌftHapoRHHit opHaiweim. IÜHTbe, T K a H H , KpyHteea, Petersburg 1872. F. V o l k o v : ΟτΛΗ^κτβπΒΗΗΗ HepTU IOJKHOpyccKOü opHaMeHTHKH (Tpyffu III. Apxeojiorai. CT>i3«a, Bd. II, 1878, S. 317—326) ; V. V o r o n o v : KpecTtHHCKoe H C K y c c T B O , Moskau 1924; M. B i l i a s e v á k y j ; Προ YKPAÏHCBKHIT OPHAMEHT (3anHCKH YKPAÏHCBKORO HaynoBoro ToeapncTBa Β K H Í B Í Bd. I I I , 1909, S. 40 ff). Über das F ä r b e n vgl. A. M a k a r e n k o : O KpacHJibHOMT. HCKycCTBÍ y pycCKHXT. EHHCeítCKOlí ry6epHÍH ( H t a a « CTapHHa Bd. V, 1895, Nr. 3—4, S. 349—356), Α. Ρ ορ ο v a : IÎ3 oßjiacTH HapoflHoK ΤΘΧΗΟΛΟΓΗΗ (CaßHpcKaH JKnean CTapHHa, Lief. III—IV, Irkutsk 1925, S. 109—112). — Die Abb. 126 entstammt dem Buche von A l . M a k a r e n k o : CnöiipcKift HapoflHMß itajieHflapb BT. 3THOrpa$HiecKOMT. OTHOrneHÍH. Petersburg 1913. Über das H a n d d r u c k g e w e b e vgl. N . S o b o l j e ] v : HaßoitKa BT, POCCÍH. HcTopin H cnocoöi paßoTH, M o s k a u 1912; N. V i n o g r a d o v : KocTpoMCKan HaöoüKa, Kostroma 1915. Über das G e r b e n siehe V. B i l e é k a : HHHÖapctKe Ta KyuiHípcbKe peMecno β EoroHyxoBi Ha XapKÍBnyiHi (HayKOBHîl 36ipHHK KaTejjpn IcTopi'í. yKpaïHCbKO KyjibTypii, Teil II. Augenblicklich im Druck.) ist dem Verfasser im Manuskript zugänglich geworden. L. S o k o l o v s k i j : BBWFEJIKA KO HO. Η ΟΒΗΗΗΤ, Β T. KynHHCKOMi B t 1881 rosy (TpyRU KOMHCCÌH no HSCJitßOBamio KycTapHHxi» npoMHCJiOBi. XapbKOBCKOÍt ryÓepHÍH, Lief. II, Charkov 1883, S. 12ff.); hieraus sind Abb. 127 und 132 entnommen. — Abb. 128 entstammt dem obengenannten Buche von A. M a k a r e n k o : CnßHpCKift KajieHflaph usw.; Abb. 129 ist nach den im Besitz des Bussischen Museums in Leningrad befindlichen Originalen angefertigt.
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VI. Kleidung und Schuhwerk.
VI. Kleidung und Schuhwerk § 88. Das Männerhemd. § 89. Das Frauenhemd. Der altertümliche „Letnik". § 90. Die Hose. § 91. Die Poúova, Zapaska und Plachta. § 92. Der Rock und der Sarafan. § 93. Die Oberkleidung verschiedenen Schnittes: Mantel, Svita, Kaftan, Pelz u. dgl. § 94. Der Gürtel. § 95. Der Kopfputz der Männer. § 96—97. Der Kopfputz der Frauen. § 98. Fußbekleidung. § 99. Literatur. I n dem vorliegenden Kapitel wird nur auf die Arten und Verschiedenheiten der ostsl. Kleidung hingewiesen, die die einzelnen ostsl. Völkerschaften voneinander unterscheiden. § 88. Das M ä n n e r h e m d kann gleichzeitig mit dem Frauenhemde betrachtet werden, da der Schnitt beider ein sehr ähnlicher ist. Es sind direkte Nachrichten vorhanden, daß sich das Frauenhemd nur durch eine größere Länge von dem Männerhemde unterscheidet, z. B. bei den Wr. im Gouv. Wilna (OnHC. pyKon. 1 1 6 ) . Beide werden direkt auf den Körper angezogen
Abb. 133. Ukrainer des Gouv. Poltava bei der Heuernte. und dienen in gleicher Weise sehr häufig als Oberkleidung, d. h. sie sind die einzige Kleidung f ü r den Oberkörper. Wie aus der Abbildung vom Jahre 1912 zu ersehen ist (Abb. 133), verrichten die Ukr. von Poltava ihre Feldarbeiten nur mit einem Hemd bekleidet : von den vier dort abgebildeten Personen ist nur eine F r a u noch mit einer Jacke ohne Ärmel bekleidet. Die jetzigen Typen des ostsl. Männerhemdes unterscheiden sich voneinander hauptsächlich durch die Einrichtung des Schlitzes zum Anziehen des Hemdes, durch die Einrichtung des Kragens und die Art und Weise, das Hemd über der Hose oder anders zu tragen. Geringere Einzelheiten beziehen sich auf das Einnähen besonderer Stücke von Zeug unter der Achselhöhle und auf der Schulter und auf das Unterfutter an der Rücken- und Brustseite. Was den S c h l i t z z u m A n z i e h e n d e s H e m d e s (grr. na3yxa, néjibKa, Βόροτ; ukr. náaymHHa) anbelangt, so hat das gemeingrr. Hemd gewöhnlich einen Schlitz nicht in der Mitte der Brust, sondern an der Seite (Abb. 134),
§ 88. Das Männerhemd.
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zuweilen ganz an der Schulter. Der Schlitz hat meist eine gerade Richtung nach unten, seltener geht er schräg von der Schulter nach der Mitte der Brust. Dieser Typus des grr. JSSsgL Hemdes, die sog. KOCOBOpÓTKa, i s t d e n
Wr.
und
den
Ukr. fremd. Sie muß nicht f r ü h e r als im 15. J a h r h . aufgekommen sein; wenigstens h a t sie noch im 19. J a h r h . als Mode- und Sonntagshemd fortgesetzt den bei den Grr. seit alters her üblichen Typus mit
Abb
134 _ S grr.
Männerhemd von hinten (Gouv. Kursk),
einem geraden Schlitz auf der Brust verdrängt. Die Annahme einiger Sachkenner von der tatarischen H e r k u n f t der grr. KOCOBopÓTKa ist nicht fest begründet. Obgleich der ostsl. Hemdtypus mit einem geraden Schlitz älter
Abb. 134a. Sgrr. Männerhemd (nocoBopoTKa)
Gouv. Kursk, von vorn.
Abb. 134b. Eine Einzelheit: die Seite des Hemdes mit einem Achselzwickel.
ist als die moderne KocoBopÓTKa, so brauchte doch der ehemalige Urtypus des slav. Hemdes den Schlitz nicht unbedingt in der Mitte der Brust zu haben ; die ältesten Hemden der ukr. Lemken in den K a r p a t e n haben den Schlitz nicht vorne, sondern auf dem R ü c k e n ; beim Frauenhemde der Lemken und Boiken wird der Schlitz an der Seite gemacht, an der linken Schulter, indem er einen Teil des Ärmels und der Brust einnimmt. E i n H e m d mit einem Schlitz an der Seite ist ein besserer Schutz der Brust gegen die Kälte; ein Schlitz auf oder an der Schulter ermöglicht auch f r e i e r e Armbewegungen. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß die Moskauer Mode der KOCOBOPÓTKH eine N a c h a h m u n g des alten Typus des ostsl. Hemdes war. Was den K r a g e n anbelangt, so unterscheiden sieh die H e m d e n durch stehenden oder liegenden Kragen, oder der K r a g e n fehlt ganz. Diese letztere A r t des Hemdes ohne Kragen, sgrr. rojioméftKa (Abb. 136) muß als die älteste angesehen werden (vgl. Onac. pywon. 114, 386, 579). Beim Fehlen des Kragens wird der Halsausschnitt meistenteils in Fältchen gelegt, in völliger Überein-
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VI. Kleidung und Schuhwerk.
Stimmung mit dem Frauenhemd. Das Benähen solcher Fältchen mit Litzband oder einem schmalen Streifen Zeug ergab jenen niedrigen Stehkragen, der heute besonders in der Ukraina weit verbreitet ist. Die Ukr. nähen diesen niedrigen Stehkragen an den Halsausschnitt des Hemdes nicht von oben, sondern von unten an. Höhere Stehkragen, die oft gestickt sind (Abb. 134), sind obligatorische Begleiterscheinungen des schrägen Schlitzes auf der Brust. Sie haben sich wahrscheinlich aus einem Halsschmucke in Form eines Halsbandes entwickelt. Bei den Ostslaven waren im Altertum solche Halsbänder mit verschiedenen Verzierungen sehr üblich (altruss. rpwBHa ; altgrr. 66hh3i>, oìKepéjite, mepenoK). Später wurden sie an den Halsausschnitt des Hemdes genäht. Die Ngrr. im Gouv. Perrfi trugen noch vor kurzem ein aus Seide und Flittergold gewebtes Band um den Hals, indem sie es ans Hemd wie einen Kragen bald festhefteten, bald unangenäht ließen (Oithc. pyKon. I I I , 994). Ein breiter liegender Kragen, wr. ππρό^ΗΗ (Abb. 135), ist bei den Ukr. und Wr. üblich, den Grr. aber ist er ganz fremd. Zum Zuknöpfen des Kragenschlitzes dienen Hemdknöpfe, Zwirnbänder, gewöhnliche Knöpfe ; Hemdknöpfe, ukr. ninÓHKa, cniHKa, mit runden, farbigen Glasperlen sind noch fast überall anzutreffen, aber schon als eine im Absterben begriffene Altertümlichkeit ; ihre Anwendung bei Frauenhemden trifft man häufiger. Was die Art und Weise, das Hemd zu tragen, anbelangt, so ist der gemeinslav. Brauch, es o b e r h a l b d e r H o s e zu tragen, nur von den Ukr. aufgegeben Abb. 135. Weißrusse des Kreises Igu worden, welche von den orientalischen men im Gouv. Minsk. Völkern den Brauch übernommen haben, die Schöße des Hemdes in die Hose hineinzustecken. Dieser Brauch ist bei den orientalischen Beitervölkern aufgekommen, die einen großen Teil ihres Lebens im Sattel verbringen. Abb. 136 zeigt einen ukr. Bauern in einem nach orientalischer Art angezogenen Hemd nach der Zeichnung von A. B i e g e l m a n n 1785; vgl. auch Abb. 133. Den Gr. und Wr. (Abb. 135) ist diese Art das Hemd zu tragen ganz fremd. Auch bei den Ukr., besonders in Waldgegenden, hat sich die alte Sitte erhalten, das Hemd oberhalb der Hose zu tragen (Oiihc. pynon. I. 309 u. 318; K o l b e r g , Pokucie I , 36). Beim Ankleiden einer männlichen Leiche vor der Sarglegung lassen die
§ 88. Das Männerhemd.
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Ukr. im Jekaterinoslavschen Gouv. bei einem Verheirateten oder einem Witwer das H e m d f r e i oberhalb der Hose, bei einem Unverheirateten wird es in die Hose hineingesteckt. Was die näheren Einzelheiten im Zuschnitte eines Hemdes betrifft, so fehlen hie und da die üblichen Einsätze an den Achselhöhlen aus viereckigen, seltener dreieckigen Stücken von Zeug (grr. jiácTOBima; wr. ιιβΑκθλβ; ukr. JiacTÎBKcL, jiacTOBÄijH). Die Donkosaken hielten das Fehlen solcher Achselzwickel f ü r ein ihnen eigentümliches Abzeichen zum Unterschiede von den MyjKHKii, d. h. den Bauern, zu denen die Kosaken sich immer im Gegensatz fühlten. Die F o r m d e s A c h s e l z w i c k e l s und die A r t und Weise, denselben anzunähen, zeigt Abb. 134 b, wo das Detail eines Seitenstreifens des Hemdes mit einem viereckigen Achselzwickel oben gegeben ist. Zuweilen wird dieses Seitenstück aus einem ganzen Stück mit einem spitzen Winkel oben zugeschnitten, und dann fällt die Notwendigkeit eines besonderen Achselzwickels weg. Zuweilen aber werden die Hemden auch ohne spezielle Seitenstreifen unter den Armhöhlen genäht, und dann sind die Zwickel nötig. Die Grr. haben es gern, Armzwickel einzunähen, die sich durch die Farbe von dem ganzen Hemde unterscheiden. I n diesem Zusammenhang ist es am Platze, zu bemerken, daß im J a h r e 1854 bei den Ν gir. des Kreises Senkursk des Gouv. Archangel'sk der Brauch festgestellt wurde, das ganze Hemd aus verschiedenfarbigen Teilen zusammenzunähen : Kragen aus bunter Leinwand, Brust aus rotem K a t t u n , die Schultern gelb, die Ärmel grün (Oiihc. pyKon. 32) ; eine ähnliche Mode
Abb. 136.
Ukr. Bauer 1785 (nach Biegelmann).
wurde im J a h r e 1851 bei den Sgrr. im Kreise Ryl'sk des Gouv. Kursk f ü r Frauenhemden festgestellt (a. a. O. 662). Das L e i n w a n d f u t t e r d e s H e m d e s an Brust und Bücken, von den Schultern bis zum Gürtel (grr. no^onjiena, n o a c T a H t e , n o n c n Ä H t e ; ukr. ni«ínjieHKa, nisónJiÍKa) ist bei allen Ostsl. üblich (auf Abb. 134 ist es mit einer punktierten Linie bezeichnet). H i e r und da hat sich jedoch noch der altertümliche Typus von Hemden auch ohne solches U n t e r f u t t e r erhalten (Onnc. p y K o n . 386), u m so mehr, als die Fältchen u m den Halsausschnitt das Annähen desselben erschweren. Von einem tiefen Geheimnis, besonders aber von einem im geheimen zu ertragenden Schmerz, sagt das Sprichwort: 3HaeT το r p y j j i . s a noflonneKa, „das weiß die Brust und das H e m d f u t t e r " .
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VI. Kleidung und Schuhwerk.
S c h u l t e r e i n s ä t z e (grr. npápáMKH), die an Frauenhemden so häufig vorkommen, sind an Männerhemden selten (Onac. pyKon. 1148); häufiger sind die Schultern einfach pfeilartig durchnäht (cTpéjiKii) ; bei den Ukr. kommen auf den Schultern sowohl Auf nähstücke vor ( P o z n a n s k i j), die den Achselstücken etwas ähnlich sind, als auch gestickte Einsätze, ycTaBKH (Oirac. pyKon. 318). Die altertümlichen Männerhemden zeichnen sich gewöhnlich durch ihre große Länge aus. Sie reichen bis zum K n i e u n d sind mitunter auch noch länger. I h r e Ärmel sind von zweierlei Arten, entweder am Ende, am H a n d gelenk, breit (Abb. 134 u. 136) oder mit Aufschlägen, ukr. qóxjia (Abb. 135 u . 133); diese letztere Art, ukr. qoxjiáTa cOpowa, ist bei den Ukr. u n d W r . vorherrschend, bei den Grr. selten. § 89. Das F r a u e n h e m d (grr. py6áxa, copóiKa, HcnÓRKa, noflHÓCKa; wr. capówa, nambira; ukr. kohi^jih, copÓHKa) ist länger als das Männerhemd und wird in der Regel aus zwei Bestandteilen zusammengenäht: der untere Teil, der den Körper unterhalb des Gürtels umspannt, wird aus gröberem Material gemacht. Dieser angenähte untere Teil heißt grr. CTaHOBÄHa, CTaH, CTaH^xa, noflCTaea, nócTam>; ukr. niflTÌMKa. Die grr. Benennung des unteren angenähten Teiles, CTaH, könnte s o gedeutet werden, daß eben dies der ursprüngliche K e r n war, aus dem sich das grr. H e m d entwickelt hat, und daß daran schon in späterer Zeit die Ärmel angenäht wurden. Vgl. die Frauenhemden der ukr. Lemken und Boiken in Galizien, die aus zwei besonderen Teilen bestehen, von denen ein jeder einzeln angezogen wird; hier ist der untere Teil eine A r t Rock und heißt noflÓJioK, cnÍRHHK, vgl. auch das Cechische Frauenhemd des 14. J a h r h . ohne Ärmel (L. 1ST i e d e r l e Ziv. st. si. I, 481, Abb. 60). Die Ukr. bezeichnen zwar mit dem Worte CTaH zuweilen den oberen Teil des Hemdes mit Ausnahme der Ärmel, vom H a l s e bis zu der N a h t des unteren Teiles, aber hier macht sich schon die allgemeine Bedeut u n g des Wortes CTaH fühlbar als ein Teil der Kleidung, die den Körper umspannt. F ü r die Grr. aber ist ein gewisser Gegensatz zwischen dem allgemeinen Sinne des Wortes CTaH und seiner partiellen Bedeutung in ihrer Anwendung a u f s H e m d charakteristisch ; die Ständigkeit dieses Gegensatzes in der Terminologie kann eben als Zeugnis d a f ü r a u f g e f a ß t werden, Abb. 137. Sgrr. Frauenhemd der Donkosaken, daß s i c h hier in der Terminologie die alte Tradition zeigt. Die Grr. nennen den oberen Teil des Frauenhemdes, von dem Gürtel bis nach oben: BopoTynina, βοροτόκ, noBopÓTte, pyKaeá; die Wr. sagen d a f ü r
§ 89. Das Frauenhemd.
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qexJiHK. Bei den Grr. sind Oberhemden üblich, die nur aus diesem oberen Teile bestehen; das ist die sog. nyrtOBÄxa, d. h. eine bis zum Nabel reichende Kleidung, BopoT^mna, HafléBH, rpy^ÄHKa, Βοροτόκ, pyKaBá. Das ganze Hemd nennen die Grr. oft CTaH^uiKa nach seinem unteren Teile. E s kommen auch nicht zusammengesetze Hemden vor, häufiger bei den Ukr., welche solche Hemden horíjii>hh nennen, zum Unterschiede von den zusammengesetzten, die mRTOHÄijH, sgrr. nojiycTaHÓK heißen. Als Putz- und Feiertagshemden gelten bei den ukr. Frauen eben ganze, nicht zusammengesetzte Hemden; es ist auch Brauch, Frauenleichen mit solchen Hemden zu bekleiden. Abb. 137 zeigt ein ganzes grr. Frauenhemd der Donkosaken nach der Zeichnung von N. J a k o v i e ν. Es lohnt sich noch zu bemerken, daß das Zusammennähen beider Teile des Hemdes überall auf besondere Weise geschieht: zwei besäumte Ränder werden aneinandergenäht; dies geschieht namentlich, um den abgetragenen Teil leichter durch einen neuen zu ersetzen. Es gibt auch Frauenhemden mit und ohne Kragen, die große Ähnlichkeit mit Männerhemden haben. E i n Hemd ohne Kragen ist unstreitig die älteste Art des ostsl. Hemdes; gewöhnlich ist sein Halsausschnitt in feine Fältchen gelegt und zuweilen von oben benäht. Bei den Grr. sind solche Hemden unter dem speziellen Namen „ r u s s i s c h e s H e m d " bekannt; ein Hemd m i t Kragen heißt dagegen „ p o l n i s c h e s H e m d " . Gewöhnlich dient das Hemd ohne Kragen den Grr. ebenso wie den Wr. als eine Werktagskleidung, eines mit Kragen als Sonntagskleidung. I n der Ukraina sind die beiden Hemdtypen geographisch mehr oder weniger regelmäßig abzugrenzen : im Osten hat das Hemd keinen Kragen, im Westen hat es einen, meist einen liegenden; die Grenze geht den Dniepr entlang, und nur an wenigen Stellen weicht sie in westlicher Richtung vom Flusse ab. Ausnahmen sind allerdings auch vorhanden ; auch im äußeren Westen der Ukraina kommen Hemden ohne Kragen vor (Ο. Κ o 1 b e r g , Pokucie I, 37). Der Kragen des Hemdes ist o f t stehend, niedrig (Abb. 137) und heißt bei den Grr. OHtepejiOK, ocreöita; bei den Ukr. Podoliens wird er nicht angenäht, sondern durch einfaches Umbiegen aus dem in Fältchen gelegten Halsausschnitt des Hemdes gebildet. Ein breiter liegender Kragen ist bei den Wr. und Ukr. üblich. Abb. 139 stellt eine wr. F r a u aus dem Kreise Rogacev im Gouv. Mohilev in einem Hemde mit einem solchen Kragen dar. Hemden ohne Kragen kann man auf Abb. 138 sehen, wo wr. Frauen aus dem Kreise Gorki desselben Gouv. dargestellt sind; vgl. auch Abb. 133. Der Brauch, die S c h ö ß e d e s H e m d e s mit Stickereien zu verzieren, ist besonders in der Ukraina verbreitet, wo die Hemdschöße immer unter dem Oberkleide zu sehen waren; die Ukr. verzieren die Schöße eines jeden Hemdes mit Stickereien. Dies gilt nicht nur f ü r ein Sonntags-, sondern auch f ü r ein Werktagshemd. Den Grr. und den Wr. ist diese von den Ukr. aus dem Orient übernommene Sitte, die untere Kleidung unter dem Obergewande heraushängen zu lassen, ganz fremd, aber weit verbreitet ist bei ihnen der Brauch des nojrraiKaTbCH oder noflriróáTbCH, der darin besteht, daß die Schöße des Obergewandes, besonders der noHëea, des Rockes, aufgehoben und unter den Gürtel gesteckt werden; dabei werden die Schöße des
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VI. Kleidung und Schuh werk.
Hemdes sichtbar. Wahrscheinlich kommen in diesem Zusammenhange auch bei den Grr. gemusterte Hemdschöße vor; die Sgrr. haben häufiger gewobene Muster: in die f ü r den Schoß bestimmte Leinwand weben sie parallele rote Streifen u. dgl. ein. Außer den Saumstickereien, der sog. n o n o n ó n b H H q a , am häufigsten in Form von Pferdchen, bedienen sich die Ngrr. in diesem Falle der Spitzen: von den Knien an bestehen die Schöße eines ngrr. Sonntagshemdes aus Spitzenstreifen, die wiederum mit horizontalen dazwischen eingenähten Bändern abwechsein. Putzsüchtige Frauen ziehen drei oder noch mehr solche geputzte Hemden auf einmal an, um ihre Kunst zu zeigen. Wie bekannt, muß bei
Abb. 138. W r . F r a u e n in Feiertagskleidern (Gouv. Mohilev).
fast allen Völkern das Mädchen zur Zeit ihrer Verheiratung ihre Kunst und auch ihre Ausdauer beim Bereiten ihres Putzes beweisen; f ü r die sgrr. Mädchen dient gewöhnlich die noneria als solcher Prüfstein, ngrr. und ukr. das Hemd. Nach dem Zeugnis A. S v i d n i c k i j ' s verbrachte ein ukr. Mädchen in Podolien zuweilen volle sechs Monate mit Nähen ihres Hemdes ( O c H O B a 1861, Nov., S. 27). Mit nicht geringerer Kunst und Fleiß werden auch die Ä r m e l d e s H e m d e s geschmückt, besonders die Stelle der Verbindung des Ärmels mit der Schulter. Die Verzierungen sind mannigfaltig; genannt werden sie grr. und ukr. ποπήκ, mit der alten Dualform nojiHKá, wr. und ukr. ^CTaBKa. Bei
§ 89. Das Frauenhemd.
Der Letnik.
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den Sgrr. sind die iiojiHKá o f t gewoben, bei den Ukr. stets gestickt, wobei die Stickerei verschiedenartig sein kann. Im Zusammenhang damit wird nicht selten ein besonderes Stück Zeug an der Schulter auf- oder eingenäht: bei den Ukr. gewöhnlich gestickt und viereckig, bei den Grr. zuweilen andersf a r b i g oder von derselben Farbe wie die Achselzwickel, die zwischen dem Ärmel und der Schulter mit der Spitze nach unten eingenäht werden (färb. Abb. 250), dreieckig. Die N g r r . hatten f r ü h e r zuweilen mit Goldfäden gestickte Schulterstücke. Bei den Sgrr. von Tambov läßt sich ein Unterschied feststellen zwischen den Schulter Verzierungen der Hemden bei den Mädchen und verheirateten F r a u e n : bei den Unvermählten gehen die nojiHKá von dem Halsausschnitt über die Schulter bis zum Ärmel und erstrecken sich zuweilen über den Ärmel, beinahe bis zum Ellenbogen; bei den Verheirateten beginnen die nojiHKá von den Schulterblättern, gehen quer über die Schultern und enden auf der Brust. Die Ä r m e l e i n e s F r a u e n h e m d e s sind auch sehr verschieden; durch besondere Mannigfaltigkeit zeichnen sie sich bei den ÎTgrr. aus, die das H e m d mit dem capai|>aH als Oberkleidung tragen. Ein Hemd, das gerade Ärmel hat, ohne keilförmige Einsätze, ohne Falten und ohne Aufschläge, nennen die N g r r . „russisches" H e m d ; eines mit breiten Ärmeln, die nach dem Handgelenk zu mittels keilförmiger, mit der Spitze zur Schulter eingegenähter Einsätze erweitert sind (Abb. 137), nennen sie nojiHHKa. Bei den ÍTgrr. sind auch breite . „ ... , I 7 ,, ' , ,. , . , Abb. 139. Wr. Frau, kurze Armel behebt. Sie reichen n u r bis zum Ellenbogen, wo sie gewöhnlich mit einem Bändehen zusammengebunden oder auch beinahe bis zur Schulter aufgekrempt werden; so ein H e m d heißt eacMKyiiiKa. Die wr. Spmmexa hat Ärmel an die 80 cm breit. Ärmel mit Aufschlägen (ukr. qóxjia, ngrr. aanéperte, ocreßna, sgrr. βρώβική) am Handgelenk sind bei den Ukr. und Wr. vorherrschend (Abb. 138 u. 139). Man ist versucht, anzunehmen, daß die weite Entwicklung der Ärmelverzierungen am Frauenhemde von dem altertümlichen L e t n i k übernommen ist, der seinem Wesen nach ein Frauenoberhemd ist. Die BÓIHBH, d. h. die eingenähten Stellen des πβτΗπκ, entprechen vollständig den nojiHKá und
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VI. Kleidung und Schuhwerk.
^CTaBKH der Hemden, die gleichfalls eingenäht werden und auch gemustert sind. ( K o s t o m a r o y konnte im Jahre 1860 nicht entscheiden, an welchen Stellen eben die boiiibh des jigthiik eingenäht wurden.) Außer diesen Verzierungen haben die Frauenhemden von dem alten ji6thhk auch noch die ungewöhnliche Länge der Ärmel übernommen. Um die Mitte des 19. Jahrh. kamen bei den Grr. noch Frauenhemden mit Ärmeln vor, die 150—250 cm lang waren, ζ. B. im Kreise Balachná und im Kreise R'azan (Oimc. pyκοπ. 831 und 1180); diese Ärmel hatten Schlitze unter der Armhöhle, und durch dieselben wurden die Arme gesteckt, entweder nur zur Zeit der Arbeit oder auch sonst; in R'azaA wurden diese langen Ärmel gar nicht über die Arme gezogen, sondern zu einem Knoten verbunden und um den Hals geschlungen. Der alte Moskauer jieTHUK hielt sich noch vollständig im Jahre 1871 im Kreise Velikije-Luki des Gouv. Pskov, nicht weit von dem Kirchdorf Kulebaki. Es wird vom Beobachter nicht festgestellt, wie dieses Kostüm hieß, das er als etwas Ungewöhnliches und Seltenes beschreibt. Das Kostüm [hatte die Form einer engen Bluse aus weißer Leinwand und reichte etwas über die Knie; die Frauen trugen es oberhalb des Hemdes; es hatte einen kleinen Schlitz vorn und war eng anschließend; die Ärmel waren nicht lang und ziemlich eng, sie wurden nicht benutzt: an das Kostüm nur mit dem hintern Teile ihrer Rundung angenäht (d. h. mit einem Schlitz vorn ganz an der Schulter), wurden sie auf dem Rücken unter einen weißen Leinwandgürtel gesteckt. (Vgl. den Auf satz von L. M a r ο ν s k i j im IIckobckííí CTaracTHiecKiii CöopHHKfc 1871, S. 30.) Laut mündlichem Bericht von W. P e r e t z wurde der jtÍthhk ganz am Ende des 19. Jahrh. im Kreise Tichvin des Gouv. Novgorod getragen. Bei den Ukr. hat sich die Benennung jiíthhk, aber in der neuen Bedeutung von „Rock" erhalten, und nur in Galizien ist jiíthhk in der Bedeutung eines leichten Mädchenüberziehers festgestellt worden. ( H o l ova ekyj.) Über den j i e T H H K siehe noch § 93. § 90. D i e H o s e , g r r . urraHÓ, πορτκή, mapoBápu, βριόκιι; wr. πορτκή, MaüTKH, HaraBHiíti; ukr. nrraHÓ, ráii, cnÓAHi, mapoBápn, xojióiuhì, ηογ4βκη,
πορτκή, yópáHHH, πορτΗΗήιμ, ist bei den Ostsl. nur den Männern allein eigen; die Frauen fangen erst unter dem Einfluß der modernen Stadtkultur an, Unterhosen (KajibCÓHH) zu tragen. Die Knaben trugen im Altertum keine bis zum 15 jährigen Alter oder auch sogar bis zur Heirat. Als ein charakteristisches Merkmal der ostsl. Hose gilt die Art und Weise, dieselbe am Körper zu befestigen: zu diesem Zwecke wird der obere Rand der Hose nach innen umgebogen und mit einem breiten Saum (ukr. oiKypHri) versehen, durch den eine Schnur oder ein Riemen (grr. ránmflK,
noHJKHBÓTHHK ; ukr. οικ^ρ, raiHHK ; wr. MaTya, motoρόκ) gezogen wird (Abb. 140). einem
Knoten
Die Schnur wird mit
Abb. 140. Ukr. Hosenband befestigt und läßt die Hose nicht (oiKyp). nach unten gleiten; ein Riemen mit einer Schnalle dient nur bei den Ukr., welche nach dem Zuschnallen des Riemens sein freies, langes Ende noch einmal um die Taille schlingen, demselben Zwecke. Heutzutage sind auch noch Hosen mit einem angenähten
§ 89—91. Der Letnik. Die Hose. Die Poüova.
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Gurt üblich, die sich mit einem Knopf zuknöpfen lassen, aber das erklärt sich schon durch späteren europäischen Einfluß. Die ukr. Hosen, besonders diejenigen der Kosaken, zeichnen sich durch ihre sehr große Breite aus; G o g o l verglich ihre Breite mit dem Schwarzen Meere, und der ukr. Nationaldichter S e v c e n k o charakterisiert sie so: ΜβτHeio yjiHUK) Μβτβ, d. h. dadurch, daß der mittlere Teil der Hose bis an die Erde herunterhängt, fegt er die Straße. Zwischen den beiden Beinstücken der Hose (grr. ráia, conná, cónojiH, mraHiÍHa, ko noma; ukr. xojióma, HoraeóiiH) i s t d i e s o g . MäTHH ( g r r . MaTHÄ, b t ó k h , npácepeflKH, m a r ; u k r . MaTHÄ; w r . cecno,
ryeeHHe) eingenäht. Bei einer breiten Hose besteht sie aus viereckigen Stücken Zeug mit einem unten angenähten Parallelogramm und bildet eine Art Sack zwischen den beiden geraden Beinstücken der Hose. Bei einer Hose von gewöhnlicher Breite dagegen besteht die MaTHH aus zwei keilförmigen Dreiecken, die zwischen den beiden Beinstücken eingenäht sind, welch letztere unter einem Winkel zu der Längsachse der Hose zueinander stoßen. Eine Hose wird aus Leinwand oder Tuch verfertigt. Elegante grr. inapoBápu werden aus schwarzem Plüsch gemacht. I n früheren Zeiten war eine solche Hose nicht lang, kaum über die Knie reichend, da die Grr. ihre Hosen früher ausschließlich in die Stiefel steckten („b canoni"), d. h. die Enden der Hosenbeine in die Stiefelschäfte steckten; eine andere Art, die Hose ,,HaBi&nyCK" zu tragen, d. h. oberhalb der Stiefel, ist bei den Grr. ganz neu. Die ukr. Huzulen schmücken die unteren Bänder der aus rotem Tuch verfertigten Hose von innen mit Stickereien, die mit hellgelben und grünen Wollfäden ausgeführt werden ; die gestickten Ränder der Hosen werden immer nach oben gekrempelt. § 91. Nach einer althergebrachten Sitte trugen die ostsl. Mädchen bis zum 15. Lebensjahre oder sogar bis zur Heirat nur ein Hemd, das mit einem Gürtel versehen war. Yon der Mitte des 19. Jahrh. an ist eine ganze Beihe von Nachrichten über diese unter Sgrr., Ukr. und Wr. verbreitete Sitte vorhanden. An Feiertagen zog das Mädchen noch eine Schürze mit Ärmeln, jinymnaH' (§ 93) über das Hemd an, zur kalten Zeit einen Pelz oder ein anderes warmes Oberkleid; aber ihm wurde das Hecht nicht zuerkannt, ein dem Rocke entsprechendes Kleidungsstück zu tragen, eine noHeBa oder eine nJiáxTa, welche auch noch heutzutage vorzugsweise den verheirateten Frauen zukommt. Unter den Sgrr. herrschte bis zur neuesten Zeit ein weit verbreiteter besonderer Brauch, das Mädchen zum ersten Male mit der P o á o v a zu bekleiden. Der Brauch wurde öffentlich vollführt — in Anwesenheit aller Verwandten und Bekannten — und gehörte ehemals wahrscheinlich zum Zyklus jener zeremoniellen Feierlichkeiten, die bei den Urvölkern die Volljährigkeit der Jünglinge und ihre Aufnahme in den Kreis der Erwachsenen zur gemeinschaftlichen Arbeit kennzeichnen. Gewöhnlich fällt das Zeremoniell der ersten Bekleidung des Mädchens mit der noHÖBa mit dem Anfang des Hochzeitsrituals zusammen. Das Mädchen schreitet in der Stube auf der breiten Bank (der unbeweglichen Bank längs der Wand) einher, und die Mutter oder die Verwandten folgen ihm mit einer noHeBa in den Händen und bitten es, in
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VII. Kleidung und Schuhwerk.
die QOHeea hineinzuspringen. Aber es muß sein Selbstbewußtsein bekunden u n d seinen unbeugsamen Willen zum Ausdruck bringen, und daher wiederholt es einige Male die zeremonielle Formel: ,,Xoi£ — bckoh£, He xoq^ — He bckoi^" („will ich — so spring' ich hinein, will ich es nicht — so t u ich es nicht!") Wenn es hineinspringt, so wird es als B r a u t proklamiert, und wenn ein Bräutigam schon u m sie wirbt, so drückt sie damit ihren Willen aus, eben diesen Bräutigam zu heiraten. W a s die noHeea selbst anbelangt, so gehört sie zu dem Typus derjenigen altertümlichen Frauenkostüme, die dem späteren Rock entsprechen und in ihrer einfachsten F o r m gar keine N ä h t e haben: ein Stück Gewebe wird mittels eines Gürtels an der Taille zusammengebunden, indem es hauptsächlich das Hinterteil der F r a u umschließt. Bei den Ukr. finden wir schon eine Differenzierung dreier Varianten dieses Kostümtypus vor: es werden unterschieden : ein Alltags- und Arbeitsgewand, aanácKa und népra, ohne Ornamentierung, und ein Festgewand, nJiáxTa, mit großgewürfelter Ornamentierung. Die Sgrr. haben freilich sowohl einfachere ποηθβη f ü r den Alltag und die Arbeit, als auch mehr ausgeputzte, die f ü r den Feiertag bestimmt sind, aber eine Differenzierung ist noch nicht da: der Typus der noHeBa ist einheitlich und hat immer eine groß gewürfelte Ornamentierung. Das Fehlen der Differenzierung ist hier ein sicheres Merkmal der Altertümlichkeit. Die Benennung noHeea, nomina selbst ist gemeinslavisch u n d zeugt auf slavischem Gebiete von einem höheren Alter als alle anderen N a m e n f ü r die Trachten dieses Typus. Die noch heute existierenden Varianten der noHeBa charakterisieren die verschiedenen Entwicklungsstufen dieses Kleidungstypus. Dasselbe muß m a n auch von den drei oben erwähnten ukr. Kostümen dieser A r t sagen, u n d sogar von der serbischen c y « a a in ihrer einfachsten Form. Mit einem Wort, hier haben wir es mit einer allgemeinslavischen Tracht zu tun, die im Verlauf ihrer Entwicklung eine ganze Reihe von Varianten ergeben h a t ; indem diese letzteren die verschiedenen Etappen ihrer Evolution widerspiegeln, geben sie uns die Möglichkeit, der allmählichen Entwicklung dieses Kostüms bei den verschiedenen slavischen Völkerschaften zu folgen. Die Grundzüge aller oben genannten Trachten sind identisch. Sie bedecken alle den unteren Teil des Körpers einer verheirateten F r a u , hauptsächlich die hintere P a r t i e ; alle werden sie um die Taille mit einem besonderen, dazu bestimmten Gurt befestigt ; alle werden sie aus einem zu H a u s e gewebten Wollstoff gemacht. Die vorherrschende Ornamentierung ist auch dieselbe: große Quadratwürfel; daneben läßt sich das Fehlen der Ornamentierung n u r bei der sanácna und flépra feststellen. Die genannten Arten dieses Kostüms weisen auch Unterschiede auf. Die einen derselben beziehen sich auf den Schnitt, genauer gesagt, auf die A r t und Weise, diese altertümliche Tracht anzuziehen, und eben diese Unterschiede haben uns die verschiedenen Evolutionsstufen der gemeinslavischen Tracht bewahrt; sie stören nicht die Einheitlichkeit des Typus. Andere Unterschiede beziehen sich auf die Farbe, was eigentlich nicht charakteristisch i s t : wir wissen schon, daß auf die eine oder die andere F ä r b u n g der Stoffe
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§ 91. Poiiova, Zapaska, Plachta.
in den verschiedenen Gegenden das Vorhandensein bestimmter Farbpflanzen und anderer Farbstoffe in der gegebenen Gegend eine große Wirkung ausgeübt hat (§ 82). Endlich berühren die Unterschiede in der Technik der Ausarbeitung nur die Einzelheiten und sind gewöhnlich an demselben Typus vorzufinden; solche Unterschiede wären: das Vorherrschen gewobener oder gestickter Muster, die Hinzufügung von Seide oder Leinenfäden zu dem ursprünglichen wollenen Material u. dgl. m. I n neuester Zeit schreibt B. K u f t i n diesen Details der Technik beim Verfertigen der ΠΟΗΘΒΗ eine besondere Bedeutung zu, worin man ihm nicht beistimmen kann; die Einheitlichkeit der Grundtechnik ist unstreitig: das ist das Weben eines gemusterten karierten Stoffes aus wollenen Fäden; das Vorhandensein oder das Fehlen eines gestickten Musters auf diesem gewürfelten Gewebe, ebenso auch das verschiedene Verfahren, dieses Muster auszuführen, können die Einheitlichkeit nicht stören. Die älteste Variante der zu betrachtenden ostsl. Tracht haben wir in der wr. n o H e e a : es werden 4—6 viereckig'e Stücke Wollstoff genommen, jedes Stück 90 cm lang und 50—55 cm breit ; ohne der Länge nach zusammengenäht zu werden, werden sie mittels eines Gürtels an der Taille oberhalb des Hemdes festgebunden. I n der Mitte des 19. Jahrh. wurde diese Tracht noch in solcher Gestalt von den wr. Frauen der Gouv. Mohilev, Smolensk und Minsk gegetragen; heutzutage ist sie durch die verschiedenartigsten Röcke ersetzt. Wenn man drei ebensolche viereckige Stücke karierten Wollstoffes nimmt und sie der Länge nach an zwei Stellen zusammennäht, so erhält man die gewöhnlichste sgrr. noHëBa, d. h. ein Stück Stoff von 160 cm Breite und 90 cm Länge; mit einem Gürtel an der Taille zusammengebunden umgibt es das Hinterteil der Frau, indem es vorn einen Raum offen läßt, der gewöhnlich mit einer Schürze zugedeckt wird. Diese gewöhnliche Art der sgrr. n o H e e a unterscheidet sich von der ukr. Répra nur durch das Material; sie besteht ebenso aus drei der Länge nach zusammengenähten Stücken und stellt im ganzen einen Streifen von 3 m Breite und 60—70 cm Länge dar, der die Gestalt der F r a u von hinten umschließt und mit einem Gürtel festgehalten wird, ganz genau wie die n o H é B a ; aber die aépra ist eine Alltags- und Arbeitskleidung, hat gar keine Ornamentierung und wird durchweg schwarz gefärbt. Die «epra ist nur im Osten der Ukraina, im Gouv. Poltava und Charkov, verbreitet. Ihre Benennung Aépra, «Hîépra, atépra soll auf mlat. s e r i c a zurückgehen ( B e r n e k e r E W 145); ihre örtliche einheimische Benennung ist nonoHH. Es gibt auch solche «éprH, die aus nicht gefärbtem Gewebe verfertigt sind und die natürliche Farbe der Wolle haben. Die ukr. eanácKa unterscheidet sich von der ftépra dadurch, daß sie an den oberen Ecken oft Fitzelbänder hat, womit sie auch an der Taille festgebunden wird. Gewöhnlich trägt man zwei aanácKH, öfters von verschiedener Farbe: die eine, die eigentliche eanácna oder nosáAHHijH, aáflHHijH, bedeckt den Körper von hinten, die andere wird vorn angehängt und heißt nonepéaHHIJH; sie ist gewöhnlich enger als die erstere und wird öfters durch eine einfache Schürze ersetzt. An den Seiten bilden sich Schlitze, durch die das Hemd sichtbar ist, besonders wenn die F r a u geht oder sitzt; der Schlitz auf Z e l e n i n , Rues. (Ostslav.) Volkskunde.
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VI. Kleidung und Schuhwerk.
der rechten Seite wird gewöhnlich mit einer viereckigen Tasche bedeckt, die die Form eines Sackes hat und am Gürtel herabhängt. Aber der ITauptunterschied der aanácna von der aépra ist der, daß sie von besserem, feinerem, zwar auch wollenem und eintönigem Stoffe gemacht wird, aber verschiedene Farben — blau, grün, rot — haben kann. Es gibt eanácmí mit einer rudimentären Ornamentierung: zuweilen webt man sie so, daß die Faden des Einschlages nicht in geraden Reihen (pn^oeá 3anáci;a) zu liegen kommen, wie es bei gewöhnlicher Leinwand der Fall ist, sondern unter einem Winkel von 45° zueinander oder ähnlich wie die Nadeln an der Fichte stehen (coc-
Abb. 141. Reigentanz ukr. Mädchen (O.ouv. Poltava). HOBa 3anácKa). Bei den galizischen Ukr. werden oft {restreifte aanácua gewoben und haben hier und da besondere Kamen: oniim;a, φότβ, oftrópTua. An die sanácKa wird zuweilen ein wollener Gürtel angenäht mit kleinen Quasten an den Enden, die sog. nfaraHKa. Die d r i t t e u n d l e t z t e A b a r t der von uns betrachteten Volkstracht ist die ukr. nnáxTa (Abb. 141, 142, 118). Der Schnitt der nnáxTa sticht gegen die früher beschriebenen etwas ab: zwei lange Stücke Wollstoff, jedes 150—180 cm lang, 40—80 cm breit, werden der Länge nach bis zur Mitte oder ein wenig mehr zusammengenäht; diese Naht wird gewöhnlich kreisförmig (i;onii1naMn) gemacht. Die auf solche Weise verbundenen Stücke werden in der Mitte umgebogen und das zusammengenähte Ende (der sog. cran) bedeckt den
§ 91. Zapaska und Plachta.
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Hinterteil des Körpers, die zwei freien Streifen aber (die sog. κρήΛΗ, d. h. eigentlich „Flügel", Kpricn, κοΜιπκη) läflt man hinten oberhalb des zusammengenähten Teiles hängen; unten gehen sie etwas auseinander, und in dem Zwischenraume sieht man den unteren zusammengenähten Teil. Die Wr. im Gouv. Cernigov und die Sgrr. des Kreises Sevsk im Gouv. Orel bezeichnen eine solche naáxTa mit dem Worte noHeea. Da das Gewebe der nnáxTa gemustert ist (Abb. 118 a—c, Taf. IV), so ist es bei der beschriebenen Art des Ankleidens schwer zu erreichen, daß sowohl die zusammengenähten als auch die nicht zusammengenähten Enden dem Zuschauer in gleicher Weise die rechte Seite zukehren und nicht die linke. Die Sgrr. im Gouv. Orel haben diese Schwierigkeit dadurch beseitigt, daß sie die freien Enden der n o H e B a HJiáxTa nicht nach hinten, sondern nach vorn umbiegen. Die Ukr. dagegen schneiden gewöhnlich die freien Enden ab und nähen sie dann so an, daß von ihnen, wenn sie nach hinten umgebogen sind, die Außenseite sichtbar ist. Wenn der Stoff breit genug ist, so wird in diesem Falle der untere Teil zuweilen aus einem nicht zusammengenähten Stück Zeug gemacht und an diesem werden dann die zwei Flügel (κριυιό) der nnaxTa nach unten gebogen, so daß die Gesamtzahl der Blätter (rpÜBKa) schon nicht mehr vier, sondern nur drei ist. Man trägt auch eine nJiáxTa ohne Flügel, d. h. nur einen cts.hóh aus zwei zusammengenähten Blättern, ohne sie oben Abb. 142. Tanzende Ukrainerin (nach Riegelmann 1785). umzubiegen. In allen Fällen bleibt vorn ein Zwischenraum offen, der mit einer Schürze oder einer aanácKa zugehängt wird. Die gewebten Würfel der njiáxTa werden dann oft mit Wollgarn von der Hand gestickt; im Altertum machte man sie auch mit Seide. Früher wurde zuweilen die ganze nJiáxTa aus Seidenzeug oder aus Gold- und Silberstoff verfertigt. Abb. 141 zeigt eine angezogene nJiáxTa von hinten: hier sind, nach einer Photographie von P. G n e d i i , Mädchen aus dem Gouv. Poltava während eines Reigentanzes (κόπο) abgebildet. — Abb. 142 stellt eine tanzende ukr. H*
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VI. Kleidung und Schuhwerk.
F r a u nach der Zeichnung von A. E i e g e 1 m a 1111 1785 dar ; m a n sieht hier die Vorderseite der n J i á x T a , die mit einer Schürze halb bedeckt ist. Abb. 118 zeigt eine angezogene i r a á x T a von der Seite, Abb. 193 eine aufgekrempelte, Abb. 143 stellt eine gebildete Ukrainerin von heute in der ukr. N a t i o n a l t r a c h t dar. Siehe auch die färb. Abb. 252 (Taf. I I ) u n d 118 a—c. § 92. Als Seitenstück zu der oben (§ 91) beschriebenen noHeßa aus drei Stücken Stoff, die der Länge n a c h an zwei Stellen zusammengenäht sind u n d vorn einen offenstehenden Schlitz haben, ist bei nonena
aus vier
Blättern
sammengenäht sind u n d so einen geschlossenen Kreis bilden. Das letzte, vierte B l a t t ist gewöhnlich von an-
^
von demselben Stoffe wie die anderen u n d wird n p ó n i B a genannt, u n d die ganze noHÖBa von einem solchen Schnitt heißt rjiyxán (geschlossene ; s. f ä r b . Abb. 250, 247 und 248 auf T a f . I I — I I I ) . I n der Regel wird die npómna nicht aus dem gewürfelten Wollstoffe gemacht, der f ü r die anderen Teile der n o H Ö B a als Material dient ; aber nach u n d nach hat m a n angefangen, die ganze noneßa aus demselben Material zu machen, indem man teils zum Schmuck die Zahl der zu-
Abb. 143. Gebildete Ukrainerin in ukr. Nationaltracht.
sam:mell7;u:n
ä h c n d e n Blätter auf acht vergrößerte. I n einem solchen Falle unterscheidet sich die n o i i e B a schon gar nicht von einem gewöhnlichen europäischen Rock. Aber in allen den Fällen, wo ein solcher Rock aus einem gewürfelten Wollstoff gemacht wird, trügt er bei den Sgrr. den N a m e n n o n e B a ; aus einem anderen Material vorfertigt, hat er eine andere B e n e n n u n g : ráfíita (Rock). Auf diese Weise erscheint der sgrr. Rock als eine einfache Weiterentwicklung d e r n o H e ß a . Etwas Ähnliches ging in älteren Zeiten auch mit der ukr. n J i á x T a v o r , w a r aber eine nicht so allgemeine E r s c h e i n u n g : die Ukr. nähten bis
§ 92. Kock und Sarafan.
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in ihre nnáxTH keilförmige Seiteneinsätze ein: von Kamelot, Kumatsch, Nankin oder Glanzleinwand — und dann erinnerten die miáxTH an Eöcke, wurden aber wie früher von einem Gürtel zusammengezogen (D. Β a g a 1 e j : HcTopifl Xapi,KOBa I, 507); in Form eines Bockes genähte nJiáxTH wurden auch später getragen (V. I v a n o ν : }Κη3ή> h TBopnecTBO KpecTbHHi XapbKOBCKoii ry6. 891). Neben einer solchen einheimischen Entwicklung des Eockes aus der früheren noHeBa ist der Eock auch von Westen her zu den Ostslaven eingedrungen. Unter den zahlreichen ostsl. Benennungen dieser Kleidung sind gerade die westlichen am meisten vorherrschend. Die historischen Tatsachen erlauben uns nicht, mit B e r n e k e r (EW. 460), das ostsl. wÖKa, lòCoqua (mit b) durch türkische Vermittlung aus dem persischen j u b b a herzuleiten ; auf russischem Boden ist die Form mit ρ älter: róna in der Bedeutung einer Männerkleidung, was für Moskau im 16. Jahrh. bezeugt ist; der Bedeutung nach ist es mit der jetzigen ukr. ¿rana, einem Männerkaftan mit Ärmeln, zu vergleichen. Die Form mit b, ibßna, ist bei den Ostslaven später aufgekommen, wahrscheinlich im 17.—18. Jahrh., und wurde aus dem altpolnischen j u b a hergeleitet (vgl. A. S o b o l e v s k i j im ΡΦΒ. 1914, Nr. 2, S. 445). Das wr. und ukr. aH«apáK ist auf das deutsche U n t e r r o c k zurückzuführen ; ukr. φέρδβΗ (deutsch F a r b e n ) , KaßaT ; wr. πρώπΗχ (deutsch D r i l l i c h ) , cäHH ; das letztere wird auf lat. s a g u m , byzant. σάγιον zurückgeführt, aber es ist möglich, daß es mit der Bedeutung eines besonderen Gewebes entlehnt ist: die Ostsl. legen diesen Namen sehr verschiedenen Kleidungsstücken bei; im 16. Jahrh. war s a j o n a s eine kostspielige Modetracht des litauischen Adels; die russischen Denkmäler des 17. Jahrh. bezeichnen zuweilen den carin als „deutsch". Die slav. Benennung für den Eock, enormin,a, ist nur den Wr. und Ukr. (cniAHriqH) geläufig. Ukr. jüthAk konnte noch vor kurzem als Name für Eock gebraucht werden (s. § 89), wahrscheinlich unter polnischem Einfluß. Die Ngrr. tragen schon lange keine noHeBa; der Eock ist bei ihnen eine ganz neue Kulturentlehnung; als Nationaltracht der ngrr. Frauen aber gilt der capaáH, der vor den Eeformen Peters des Großen, d. h. bis zum Anfang des 18. Jahrh., auch die Kleidung der höheren Klassen in Moskau war. Mit dem Namen S a r a f a n (capa$áH) bezeichnen die Ostsl. sehr verschiedene Arten von Frauenkleidung, und es würde vielleicht schwer fallen, eine allgemeine Definition zu geben. Das sicherste Kennzeichen eines capatami! ist das Fehlen der Ärmel, jedoch waren die altertümlichen Männersarafane, die im 17. Jahrh. die Zaren von Moskau trugen, mit Ärmeln versehen, und auch spätere Frauensarafane hatten Ärmel. Die bunte Mannigfaltigkeit der heutigen grr. Sarafane kann man auf drei Grundtypen zurückführen. Der älteste Typus (Abb. 144 u. 251) heißt kocokhähhhö (schiefkeilig), da für seinen Schnitt das Einnähen keilförmiger Dreiecke in die Eockschöße charakteristisch ist. Abb. 144 zeigt unter anderem die rechte Hälfte eines solchen Sarafans in gestreckter Form; zwischen dem vorderen Blatt, das an den Brustschlitz anschließt, und dem hinteren Blatte, von dem nur eine Hälfte auf der Abbildung zu sehen ist, sind zwei keil-
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VI. Kleidung und Schuhwerk.
förmige Dreiecke Zeug eingenäht. Eng in seinem oberen Teil, erweitert sich der Sarafan nach unten zu mittels der keilförmigen Stücke. E r wird an Tragbändern getragen (jijìmkh, upóüMtr, móhikh, πομοίη). Vorn hat er einen Schlitz bis zum unteren Saum oder auch kürzer; der Schlitz hat gewöhnlich eine gemusterte Verbrämung. Das Material zu einem solchen Sarafan ist das verschiedenartigste, ebenso wie auch seine Benennungen verschieden sind. Die Länge der Tragbänder und, dementsprechend, die Größe des Halsausschnittes (des sog. méneT) ist verschieden, aber in der Regel wird der Sarafan von den Tragbändern oberhalb der Brüste gehalten; unterhalb der Brüste, zuweilen auch über den Brüsten selbst, wird er von einem besonderen Gürtel oder von den Schnüren einer Schürze umgürtet (vgl. ï v e k r a s o v ' s Gedicht
Abb. 144. Sarafan von vorne. Abb. 144 a. Rechte Hälfte des Sarafans in gestreckter Form. von der russ. F r a u : üepeTHHemb ypo^jiHBO rpyni> ,du wirst in häßlicher Weise die Brust umschnüren'). Es gibt auch geschlossene (rjiyxiie) Sarafane, an denen der Halsausschnitt klein ist und sich dem Halse selbst anschließt; statt der Tragbänder dienen die Schultern. Obgleich alle Gründe dafür sprechen, daß im alten Moskau die eben beschriebene Art des Sarafans mit keilförmigen Einsätzen vorherrschend war, bezeichnen doch heutzutage die Ngrr. mit dem Namen „Moskauer Sarafan" einen Typus von Frauentracht ohne Einsätze, der auch noch „rund" (κρ^ΓΠΜΰ) genannt wird (s. Abb. 145). Für diesen Typus ist eine Menge feiner Fältchen charakteristisch, die ihn voll und schön aussehend machen. Der Schlitz hat keine Verzierungen und befindet sich auf der Brust, zuweilen aber auch an der Armhöhle. (Auf Abb. 145 sieht man die Rückenseite des Sarafans). Dem Schnitt nach stellt er einen langen Rock mit Tragbändern dar; die Sgrr. nennen ihn carni. Oberhalb der Brüste getragen und unter-
§ 92. Sarafan.
215
halb derselben (s. Abb. 146) mit den Bändern einer Schürze oder mit einem besonderen Gürtel befestigt, unterscheidet er sich in seinem Äußeren von dem ersten Typus hauptsächlich durch das Fehlen des Schlitzes und der Verzierungen vorn. Der dritte und letzte Typus des Sarafans wird durch das Vorhandensein eines angenähten Leibchens (rpy^Amta, Harp^iiHK) charakterisiert. Das Leibchen wird an den Rock angenäht, der sich gar nicht vom „runden Sar a f a n " unterscheidet, wie ihn die Abb. 145 darstellt. Der Sarafan mit einem Leibchen trägt oft einen besonderen N a m e n : rn^ôna. Obgleich der Sarafan f ü r die russ. Nationaltracht gilt, ist er doch verhältnismäßig neuen Ursprungs. Als die Zeit seiner Massenverbreitung unter
den Ngrr. ist das 15.—16. Jahrh. zu betrachten, vielleicht aber auch der Anf a n g des 17. Jahrh. Unstreitig jedoch ist, daß gegen Ende des 18. Jahrh. alle ngrr. Frauen schon in Sarafane gekleidet waren, und die Spuren ihrer früheren Kleidung — der λθτηηκη und noHeea — sind zu dieser Zeit schon fast spurlos verschwunden. Eine Reihe kleiner finnischer Stämme übernahm den Sarafan von den Ngrr., was man schon aus der Beschreibung von G e ò r g i e 1776 schließen kann. Der Mittelpunkt, von wo aus der Sarafan sich verbreitete, ist wohl sicher Moskau. Bei den Sgrr. hat der Sarafan noch im 19. Jahrh. seine Ausbreitung fortgesetzt, und hier und da vergrößert sich sein Gebiet auch jetzt noch, indem er die alte noHeea verdrängt. — Zu gleicher Zeit fand der Wechsel der verschiedenen Typen der Sarafane statt, von denen der runde Sarafan (s. Abb. 145) wohl f ü r den neuesten zu gelten h a t ; z. B. in Kursk tauchte er zum ersten Male erst um das J a h r 1820 auf, bei den Ngrr. der Gouv. Niznij-Novgorod und Peri¿ wurde er erst
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VI. Kleidung und Schuhwerk.
u m die M i t t e des 19. J a h r l i . Mode, wobei einige A l t g l ä u b i g e es d a m a l s f ü r e i n e S ü n d e hielten, i h n zu t r a g e n (Orme, pyiton. 782 H 1002). W e n n auch das W o r t capacjááH persischen U r s p r u n g s ist, ist doch die Möglichkeit seines E i n d r i n g e n s von Westen her, wenigstens f ü r einige A r t e n dieser T r a c h t , n i c h t ausgeschlossen. D a s persische s e r a ρ á oder s a r a ρ á j b e d e u t e t eigentlich „vom K o p f bis zum F u ß " . D i e P e r s e r bezeichnen d a m i t eine l a n g e e h r s a m e T r a c h t . E i n e Anzahl a n d e r e r B e n e n n u n g e n f ü r S a r a f a n sind westlichen U r s p r u n g s : eine solche ist my6i;a; φόρβ3Η weist zwar auf _ einen türlc. S t a m m hin, ist aber anscheinend d u r c h polnische V e r m i t t l u n g zu den Ostsl. g e d r u n g e n . U n t e r d e n P o l e n wurde die V e r b r e i t u n g schwarzer F r a u e n s a r a f a n e m i t einem Schlitze vorn schon f ü r die Zeit S i g i s m u n d s I I I . (1566—1632) bezeugt. I m ä u ß e r s t e n Westen u n d i m O s t e n der U k r a i n a ist u n t e r dem N a m e n mapaxBáii e i n gewöhnlicher R o c k a u s v e r s c h i e d e n a r t i g e m M a t e r i a l zu verstehen. Bei den W r . sind S a r a f a n e sehr selten u n d k o m m e n hauptsächlich in G e g e n d e n vor, die a n die großrussischen Gebiete g r e n z e n . § 93. Die O b e r k l e i d u n g d e r Ostsl. zeichnet sich d u r c h b u n t e M a n n i g f a l t i g k e i t aus. Aber diese M a n n i g f a l t i g k e i t bezieht sich n i c h t so sehr auf den S c h n i t t der K l e i d u n g als auf i h r e B e n e n n u n gen. E i n e u n d dieselbe A r t von K l e i d u n g h a t o f t in verschiedenen G e g e n d e n verschiedene N a m e n (vgl. V . M i 11 e r , CucTeM. onHC. ΚΟ.ΊΠ. XíaiiiK. θτΗοτρ. My3en I I I , 19) — o f t vom M a t e r i a l , von d e n V e r z i e r u n g e n , f e i n e n D e t a i l s usw. a b h ä n g i g . W a s d e n S c h n i t t der O b e r k l e i d u n g Abb. 146. W r . Mädchen aus dem Kreise a n b e l a n g t , so lassen sich d a r i n vier Hornel Gouv. Mohilev. H a u p t t y p e n auf weisen, die gleichzeitig (Abb. 147 siehe auf Tafel IV.) , j· -n w 1 j ¿Γ auch die h voluti onset appen der ostsl. K l e i d u n g sind. I n der Oberkleidung ä n d e r t e sich n a c h u n d n a c h der S c h n i t t des Kückens, i n d e m er immer komplizierter wurde. Ursprünglich bestand der K ü c k e n a u s einem B l a t t Stoff ohne jegliche Ausschnitte an d e r Taille. S p ä t e r fing m a n an, K e i l s t ü c k e einzunähen, so daß in d e r T a i l l e ein nepexBáT (eine V e r e n g e r u n g ) e n t s t a n d ; die Grr. n e n n e n diesen S c h n i t t Ha ócTpuii KJiHH ( m i t spitzem Keilstück), die Ukr. Ha ycó ; hierbei wird a u c h noch ö f t e r s e i n A u s s c h n i t t i m K ü c k e n gemacht. N o c h später b e g a n n m a n u n t e r h a l b der T a i l l e l ä n g s der Kückenseite F a l t e n oder f e i n e F ä l t c h e n zu m a c h e n , zu welchem Zwecke das K ü c k e n s t ü c k quer d u r c h s c h n i t t e n wurde. E n d l i c h m a c h t
§ 92—93. Sarafan.
Oberkleidung.
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man die Fältchen unterhalb der Taille nicht nur auf dem Rücken, sondern auch vorn. Jeder von den vier erwähnten Typen läßt Variationen zu hinsichtlich der Länge der Kleidung, des Kragens usw., wodurch neue Varianten entstehen. Viele Arten der Oberkleidung werden heute gleichzeitig nach dem alten und dem neuen Schnitte genäht, d. h. sowohl mit geradem als auch mit ausgeschnittenem Rücken und schließlich auch mit Fältchen auf dem Rücken. Der größte Teil dieser Arten ostsl. Oberkleidung wird in gleicher Weise von Männern wie von Frauen benutzt, am häufigsten ohne jegliche Änderungen im Schnitt. I. Die Arten der O b e r k l e i d u n g m i t g e r a d e m R ü c k e n haben entweder den Schnitt eines Mantels oder denjenigen eines Hemdes oder Schlafrockes (xajiáT). Die Mäntel waren im alten Rußland weit verbreitet, wie man nach einer Menge von Benennungen d a f ü r im Altruss. urteilen kann : κορβΗΟ, KOijt, KOTtira, enaima. Diese letztere Benennung hat sich noch in der allgemeingrr. geputzten Frauenkleidung (Abb. 147, s. Tafel IV) erhalten, die unter dem
Namen
enaHiá,
enaHéiKa, κορότβΗΒκο, a y m e r p é i t u a , m y r á f t , nojiym^SoK
bekannt sind. Das ist eine Art sehr kurzer, seidener Mantille, die an Tragbänder befestigt ist. Die Ukr. bezeichnen heutzutage mit dem N a m e n onoHiá eine Art breiten xanár mit Ärmeln und Kapuze. Die Rolle eines Mantels spielt gewöhnlich die iyrá, auch nyráit, lyráHH, die sowohl den Westukr. (besonders den Lemken in Galizien, welche von ihren Nachbarstämmen den Beinamen HyráHipi erhalten haben) als auch d e n Ì Grr., ζ. B. am Don und in Sibirien, b e k a n n t i L ) ist. Diese Kleidung hat jedoch Ärmel, die sie übrigens auch schon im 17. Jahrh. hatte (Iv. Z a b e l i n , TJoinainmü 6htx pyccKHxt itapeft II, 1915, S. 453). Da die nyra immer nur um die Schultern gelegt wird und die Ärmel nicht angezogen werden, so näht man die Ärmel o f t unten zu und benutzt sie als Taschen oder als Reisetasche ( Η o 1 o ν a c k y j , der auch eine Abbildung bietet). Die Form eines M a n t e l s hat die MáHTa oder r j r j i n der ukr. Huzulen, die einem großen, an einer der L ä n g s s e i t e n l offenen Sack ähnlich ist; sie wird am Kopf * mit dem Boden dieses Sackes, der die A b b U 8 Der cyKMaH der Don. Rolle einer Kapuze spielt, befestigt und an kosakenfrauen. den Schultern mit besonderen Schnüren festgehalten. Heutzutage bedient man sich ihrer fast ausschließlich als Ritualkleidung der Braut während der Trauung. Den S c h n i t t e i n e s H e m d e s haben Arbeitsoberkleider f ü r beide Geschlechter, gewöhnlich aus Leinwand: ngrr. Bepxmma, BepxÓBflqa, puflÓBKa, KáóaT. KaöaT^xa, inym^H, iu^mKa ; sgrr. HaBépinHHK; wr. Hacóy, HacÓBKa. Unter den Sgrr. h a t eine geputzte Frauenkleidung von derselben Art (s. Abb. 148)
218
VI. Kleidung und Schuhwerk.
weite Verbreitung gefunden; diese wird aus feinem, hausgewobenem, weißem, seltener gefärbtem Tuch angefertigt und mit Verzierungen geschmückt. Am häufigsten wird sie myrnnáH genannt (über die Bildung des Wortes aus jKynáH s. M. V a s m e r , Wörter u. Sachen I I I , 1912, S. 201), seltener heißt sie cyKMâH, cyKHH oder nach der Farbe /Kojithk, HtejiTHK, KÓflMaH. Ihr Schoßsaum wird zuweilen auf einen Faden aufgereiht ; am Don wurde diese Kleidung mit einem Gürtel getragen. Hie und da wird sie mit einem Schlitz vorn versehen (vgl. die färb. Abb. 247—249). — Derartige schmucke Oberhemden sind zuweilen, wie es scheint, die direkten Nachfolger der alten tothhkh (vgl. § 89); in Velikije Luki, Gouv. Pskov, wurden die Ärmel solcher c y K H H mit Schlitzen an den Schultern versehen, und die Abb. 149. Ukr. Kobeúak mit Jugend benutzte die Ärmel nicht, sondern steckte Kapuze. die Arme durch die Schlitze (OnHC. p y K o n . 1138). Den S c h n i t t e i n e s S c h l a f r o c k e s (xanái·) haben hauptsächlich diejenigen Kleidungsstücke,· die' über die anderen Oberkleider angezogen werden, indem sie Eegenund Reisemäntel ersetzen. Aus der Zahl der al truss. Trachten gehört hierher der óxa6em>, φέρββκ, φοpeaéíi, unter den heutigen der grr. apMJÌK und der ukr. KoßeHÄK. Der apMJÍK erhielt seine orientalische Benennung von dem Material, aus dem er gemacht wird; es ist das gelbe aus Abb. 150. Ukr. Chalat Kamelhaar verfertigte Don-Gebiet. Tuch, die sog. apMjraÏHa; in früherer Zeit wurde er φβρβ3Η apMJÍHiHHe, d. h. Férezi a u s Kamelhaartuch genannt. Der ukr. κο6θηηκ, auch KiipeH, cipÄK, cbiíts 3 κοδθΗΗκόΜ, CTOBÖOBaTa CBHTa (s. Abb. 149) wird über dem Pelz getragen; er ist aus Tuch, das oft von grauer Farbe ist. Die daran angenähte Kapuze (eifljiora, KÓfina, Karnap, Öopcflimn, maHtKa, òoropó^HUH) hat die Form eines Sackes mit Abb. 151. Alte Ukrainerin im xanäTHK (Gouv. Jekaterinoslav, einem rundlichen Boden und Löchern für die Kreis Verchnedneprovsk). Augen. Denselben Zweck und denselben Schnitt wie der eben genannte hat der ostukr. xajiaT (s. Abb. 150) ohne Kapuze, aber mit einem breiten Tuchkragen, ebenso wie der grr. Tyjiyn, ein aus
§ 93. Oberkleidung.
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Schafsfellen genähter Pelz mit Kragen aus Schafsfell. Der Tyji^n wird mit einem breiten Gürtel befestigt. Am Ural und in Sibirien näht man solche Tyji^ntr aus Ziegen-, Damhirsch- und Hundsfellen mit den Haaren nach außen gekehrt und nennt sie Aoxá, nrá, eprán. Eine gewöhnliche Oberkleidung mit geradem Rücken war der altruss. ónauieHL·, der noch um die Mitte des 19. Jahrh. in Kinesma im Gouv. Kostroma getragen wurde (Oniic. pyKon. 646) ; das ist eine Art Oberkleid, das die Ngrr. heutzutage gewöhnlich mit dem kirg. Worte nanán bezeichnen. Der
Abb. 152. Wr. Knaben aus dem Gouv. Mohilev, Kreis Gorki. ßajiaxoii aus weißer Leinwand — eine im Absterben begriffene Kleidung — kam häufiger im Xorden als im Süden vor. Der ukr. Frauenchalat mit einer Pelerine, der auf Abb. 151 dargestellt ist, κοτκ^χ (Pelz), 3nnvH, ^θκμθηβ, HtynáH,
^ ü e ä - ^ ® ,,, io„ 0 . , ., Abb. 168. ogrr. copoKa von aer 0Seite.
mejioMÓK, eigentlich „ H e i m c h e n " g e n a n n t . D i e d r i t t e A r t h a t n u r einen K a m m in F o r m eines Bogens, d e r d e n oberen T e i l des Gesichts von der S t i r n bis zum K i n n u m r a h m t u n d a n den H e i l i g e n n i m b u s auf H e i l i g e n b i l d e r n e r i n n e r t (s. Abb. 174); verb r e i t e t war diese A r t u n t e r d e n j e n i g e n N g r r . , bei denen die K o l o n i s a t i o n
234
VI. Kleidung und. Schuhwerk.
von Suzdal-Vladimir aus im Vergleich mit der von Novgorod ausgehenden überhand nahm. Während des ganzen 19. Jahrh. und teilweise auch im 20. kämpft bei den Sgrr. der kokóiiihHk gegen die frühere copóna an, wobei zuweilen ein ,,·***""""^*»»,^^ drittes, neutrales Element, nämlich V ein einfaches Tuch als Sieger in J f . Jf "Á ' / J l i l k ^ k JÉB. * J f ^ \ t · · · w l k ^§¡¡||,i¡ff / n >•
» li. 169. ι ™ Sgrr. o • von hinten. , . , Abb. copona
diesem Kampfe hervorgeht. TJberhaupt aber wurde der kokóihhhk mit Ί(ϊΐη Sarafan (§ 91) zusammen unter den Sgrr. durch die sozialen Gruppen der Bevölkerung verbreitet, die ihrer Kultur nach aufs engste mit Moskau verbunden waren (darüber vgl. D. Z e l e n i n , BeniiKop. roBopn 33 ff.). § 97. Oben ist der Entwicklungszyklus des ostsl. Frauenkopfputzes betrachtet worden, der mit der HaMÄTKa und KiiCájiKa beginnend über das Zwischenstadium der copóna hinweg zum kokóihhhk führte. Hier herrschen die festlichen Kopfbedeckungen vor. Ihnen 1 parallel eging B »
ein zweiter Prozeß, der als Endresultat einen Kopfputz einfacherer Art ergab. Es ist zu bemerken, daß die copoKa mit ihrem ganzen Zubehör zuweilen aus 14 besonderen Teilen bestand und bis 19 P f u n d wog. Statt der schweren KHÓájiKa entstand eine weiche leichte Kappe, dem -«».· .».v.1 *Jl·-, . ^ ä a Netz ähnlich, das bei den alten Griechen und vielen andern Völkern Kopfhaar der Frauen zusammen· % hielt. Es entstand die weiche Haube, n t i'Ä^ " einer durch einen freien fe*¿ ; Z-b - ¡ K ^ ^ ^ ^ Ê m U È Saum gezogenen Schnur gebunden I M í í i í ''ΐίβίΦ wurde (Abb. 175, Haube von vorn; H a u b e von fe'ill ^ ¿ I ^ ^ ^ ^ ^ ^ S B k . Abb· hinten). Die 1 ^ É S r ' d m * ^ ^ ^ ^ S ^ ^ ^ ^ ^ f f l f x M B a Haube wird aus einem Stück feinen χψ Gewebes von verschiedenen Farben mit einem wagerechten Längsschnitt an der Stirn gemacht; der LängsAbb. 170. Sgrr^Kokosm^k (ohne Kamm), g c h n i t t w i r d d e r a r t z u g e n ä h t , daß oberhalb der Stirn feine Fältchen entstehen und an der Stirn das Gewebe glatt bleibt. Am Hinterkopf macht man einen Saum, durch den eine Schnur gezogen wird. Dieser Schnitt der einfachsten Haubenart ist bei allen Ostsl. derselbe. Die Benennungen der Haube sind dagegen mannigfaltig: grr. ποΒόϋιιπκ, bojiochäk, c ß o p H H K , noBÓeu, toxjihk, niJiHK; ukr. οιίποκ, nenóijL·, qémiK; wr. lanéq, κοπτ^ρ; altruss. noAyôp^CHHKi.
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§ 96 — 97. K o p f p u t z der Frauen.
Die Ukr. machen oft schmucke Hauben (ΟΜΙΠΚΗ) aus Gold- und Silberstoff auf einer Unterlage aus mit Kleister gestärkter Leinwand ^ ( S P v . > Os SÈ^tofth, /I£ \ '" / lïfiv fs. Abb. 177). Aber auch diese Atñ · \ XMMwk. schmucken Hauben werden mit einem A>\rH-r ; · \ γ i - -'-Λ·breiten Bande oder mit feinstem ¿ .·.'·' Flor umwunden. I n gleicher Weise pfl!?! machen auch die Ngrr. schmucke fflC-)/^^ ' Hauben, deren obere Seite mit Gold oder Silber gestickt ist (die sog. MopuiéHb, noHenéniHHK, cSópiiHit) ; der vordere Rand dieses gestickten Oberstückes ragt nach vorn und ist etwas W ß & i . t ^ ^ T C z p i " " ^ ς>. ^SuÊBêB gehoben, so daß es dem Kamme eines j^SKOKÓniHHK sehr ähnlich sieht, dessen «B-vU/···· f · " ( i ^ fjjBm Einfluß hier zu vermuten ist; aber wSL^VÍ ^ γ ' j ¿ ^ E t ^ g S auch diese schmucken MopmeBbitá. Q'^.t^ßßflK^B^^^ werden meist , Band
mit
„ , gefalteten
einem wie ein
. , . farbigen seidenen
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Abb. 171. Sgrr. K o k o s m k von h i n t e n (ohne σ g;amm )
Tuche umbunden (vgl. Abb. 147 auf Taf. IY, wo der Kopfputz auch mit einem gefalteten Tuch umbunden ist), so d a i unter dem Tuche ^ ___— „--'.--t. nur der obere Teil des Kopfputzes sichtbar ist. — Dies alles halten wir f ü r eine Erinnerung daran, daß die Haube sich aus dem intimen ^ 7 Teile des Kopfputzes entJm^^r-^'. ΰ wickelt hat — aus der Knßajina J^ËL·*^^--..*.*«*·-r* '•'^mL oder vielleicht aus einem kleinen Haarnetz, dessen Vor' handensein bei den Ostsl. ÈÊy^^^ï übrigens von niemandem beΜ^'ϊίϊ-Γ· ~ -A·"·*ï~ JÇ^bS·· '•"'fi zeugt worden ist. — Die ge- ë&tîjÇz: - '.'ji^^^MV: wohnliche, nicht aus Gold- ^ H ^ S t - V "7" .^•is'^^^BS^^'.MSk Stoff gemachte ukr. Haube ' (οπίποκ) wird immer mit " ^—Jtìfìt einem Tuch bedeckt. Zy/fë' linderförmige Hauben aus { Gold- und SilberstofF (ΟΊΪΠΚΗ) J ) mit flachem Boden halten wir f ü r eine Spielart der urU sprünglichen länglich-rund- ^ ^ . . . Grr Koko§nik Zoloto la Gouv Kurgki liehen Haubenform, von der K r e i g G r a i v o r o n (von d e r Seite). Form eines halben Eies, eine Spielart, die sich unter dem Einfluß der Frauenmützen herausgebildet hat.
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VI. Kleidung und Schuhwerk.
I n der ostukr. sattelförmigen H a u b e aus Gold- und Silberstoff u n d m i t zwei quer über dem K o p f e stehenden K ä m m e n (s. Abb. 178) ersehen wir den Einfluß des sgrr. kokóuihhk, der auch zwei K ä m m e hat (s. Abb. 173). Alltagshauben aus leichten Geweben existieren in der Ukraina fast überall, größtenteils als intimer häuslicher K o p f p u t z . D i e H a u b e n aus Gold- u n d Silberstoff dagegen sind schon verschwunden u n d durch die sog. nÓBH3Ka (s. Abb. 179 auf T a f . I V ) u n d HaKÓJiKa ersetzt worden. D a s sind die in den Kreisen der kleinbürgerlichen Halbk u l t u r üblichen Kopfbedeckungen, die in gewissem Sinne bei den Ostsl. international sind : dieselbe F o r m und dieselbe Ben e n n u n g gilt f ü r alle Ostsl. E i n farbiges Tuch von Seide, zu einer schönen Schleife gebunden, dient als F r a u e n k o p f p u t z ; das ist die nÓBH3Ka (Abb. 179, a Vorderansicht, b Rückansicht). Eine HaKÓJiKa wird in folgender Weise g e m a c h t : auf die F r i s u r wird Abb. 173. Sgrr. Kokosnik mit zwei ein Stück feinen Gewebes gelegt, das Kämmen (Gouv. Kursk). von oben mit Kleister bestrichen ist ; d a r a n wird ein Stück P a p i e r geklebt u n d das alles gegen die F r i s u r gedrückt, damit es ihre F o r m e r h ä l t ; oben wird ein vorne und hinten m i t Schleifen versehenes Stück Seidenstoff m i t Stecknadeln befestigt oder auch angeklebt; der K o p f p u t z wird vom K o p f e heruntergenommen, wenn er trocken ist. — I m Gegensatz zum οΐίποκ braucht die nÓBH3Ka g a r keine andere Bedeckung, sie wird ohne Tuch getragen, sogar wenn m a n in die Kirche geht. E s wäre noch der dritte Zyklus der ostslav. Frauenkopfbedeckungen zu besprechen, welcher unabAbb. 174. Ngrr. Kokosnik (Gouv. und Kreis Kazañ). hängig von den zwei oben betrachteten existierte. D a s sind Kopfbedeckungen in F o r m von M ü t z e n . D i e weiblichen Pelzmützen sind zum großen Teil von demselben Schnitt wie die der M ä n n e r ; eine Ausnahme macht n u r der sog. KopaßjiHK (eigentlich
§ 97. Kopfputz der Frauen.
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„Schiffchen") — ein u n l ä n g s t verschwundener u k r . K o p f p u t z (s. Abb. 180), dessen Existenz g e g e n E n d e des 18. J a h r h . auch bei den N g r r . bezeugt ist (Tpyflbr I - r o Apxeojior. C ^ f e ^ a I, 196). Diese Kopá6jiHKH wurden a u s Goldstoff oder S a m m e t g e m a c h t m i t n a c h oben g e r i c h t e t e n K l a p p e n von k o s t b a r e m P e l z w e r k ; vorn u n d h i n t e n ragten diese K l a p p e n wie ψ § :¡r "ν zugespitzte Hörner empor; m ' m {•'• • Jf 'y, solche H ö r n e r h a t t e der κοράß°*\ Λ \ i f/ ß M ;¿¿ÉÉÉk öjihk entweder zwei (s. Abb. 180) ' · • : | • 'ί/^,ψψτ r w S k ^ oder vier (s. Abb. 142 o. S. 211). £ \ >)ÌW
§ 108. Badestube.
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yccKHXT. qapeft I , 326) oder auch mit einer Kräuterbrühe (ukr. MHTejib). Um sich nach der hohen Temperatur des Dampfbades abzukühlen, geht man nicht selten aus der Badestube nackt heraus und nimmt ein Bad im Flusse, wenn die Badestube am U f e r eines Flusses liegt, im Winter wälzt man sich im Schnee und zur Sommerzeit im Grase. Die Badestube war bei den Grr. nicht nur dazu bestimmt, den Anforderungen der Reinlichkeit vom Standpunkte der Hygiene gerecht zu werden, sondern sie wurde auch als ein Vergnügen, als ein Genuß aufgefaßt, was in dem Yolkssprichwort : 6&ήη 6á6a — o^ná 3a6áea (etwa ,Badestube und Weib ist eine ungetrübte Freude') zum Ausdruck kommt. Einer, der die letzte Ölung erhalten hat und der nach dem Sakrament der letzten Ölung f ü r einen Halbtoten angesehen wird, darf nicht in die Badestube gehen. Die Badestube dient auch als eine Art Heilanstalt, wo man verschiedenartige Hauskuren durchmachen kann, wie: Massieren, Frottieren, Schröpfköpfe ansetzen, und in früheren Zeiten auch Aderlassen. F ü r die Wöchnerinnen war die Badestube ein Niederkunftsasyl. Auch in den Hochzeitsgebräuchen spielt die Badestube eine Rolle: am Vorabend der T r a u u n g wäscht sich die Braut mit ihren Freundinnen in der Badestube, und am anderen Tage nach der Hochzeit gehen die Neuvermählten zusammen in die Badestube, woher auch das die Hochzeit betreffende Sprichwort stammt: no pynáM — j a ιι β 6ámo (etwa: ,Abgemacht, und [dann geht es] in die Badestube'). I n den städtischen öffentlichen Badestuben oder Badeanstalten wurden nicht selten nur Ankleideräume f ü r Männer und F r a u e n getrennt eingerichtet, die Baderäume selbst waren gemeinsam. Der Stoglav 1551 erwähnt mit Empörung eine solche gemeinschaftliche Badestube in Pskov; durch Verordnungen der Zarinnen Elisabeth, 1743, und Katharina, 1783, wurden solche öffentliche Badeanstalten verboten, aber sie existierten doch hier und da bis zum Anfange des 19. J a h r h . Bei den Wr. im Gouv. Cernigov kommen auch Badestuben vor ( J e s i m o n t o v s k i j , K o s i c ) , ebenso auch im Gouv. Mohilev ( R o m a n o v ) , Smolensk und Vitebsk ( A n i m e l l e ) . Dagegen haben die Wr. in den Gouv. Minsk, Grodno und Wilna in der Regel keine Badestuben (Onnc. pyKon. I I , 698; Sein I I I , 66 u. 369). I m Kreise Oämany, Gouv. Wilna, waschen sich die Wr. in Riegen; der Bemerkung eines dortigen Autors zufolge heißt die Riege BoCHijb, wenn man darin Flachs und H a n f trocknet, und wenn man sich darin wäscht, heißt sie jiáeHH (Orine, pynon. I, 116). Die Ukr. waschen sich in Trögen; die Sgrr. aber u n d diejenigen Wr., die keine Badestuben haben, nehmen Dampfbäder in den Hausöfen, in denen sie ihr Essen kochen oder Brot backen. Aus dem geheizten Ofen werden die Kohlen entfernt, die Asche wird herausgefegt und auf dem Boden des Ofens wird Stroh ausgebreitet; um Dampf zu bekommen, besprengt man die Wände im Innern des Ofens mit heißem Wasser. Man steigt in den Ofen durch seine Mündung, die Frauen machen es oft mit einem Kinde; dann legt man sich auf das Stroh, mit dem Kopf nach der Mündung zu, schiebt den Ofenschirm vor und läßt den Dampf und die heißen Birkenbesen auf den Körper einwirken; nach dem
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VII. Körperpflege.
Dampfbade begießt man sich draußen, sogar im Winter, m i t kaltem Wasser. Bei den Sgrr. wird das Ritualbad der B r a u t vor der T r a u u n g in einem solchen O f e n veranstaltet (Gouv. Penza, R'azan u. a.) Die Badestube gilt in dem Sinne als unrein (norám>r&), als sie keine Heiligenbilder hat, als das Wasser darin „unrein" ist, und m a n muß sich nach dem Bade mit reinem Wasser abwaschen; nach dem Bade geht m a n an demselben Tage nicht mehr in die Kirche. I n der Badestube haust nach der Überlieferung ein besonderer Geist, der sog. 6áHHHK, ßaHHtifl, wr. jiásiHHK. N a c h drei P a a r e n Badender kommt am selben Abend als vierter der Badegeist an die Reihe, und während dieser [Zeit zu baden ist f ü r jederm a n n gefährlich: im günstigsten Falle, heißt es, wird der Badegeist den betreffenden erschrecken, Steine vom Ofen herabwerfen wollen, und im schlimmsten Falle wird er ihm bei lebendigem Leibe die H a u t abziehen. F ü r den Badegeist läßt man in der Badestube einen Besen, ein Stückchen Seife und ein wenig Wasser in der K u f e . Beim ersten Heizen einer neuen Badestube w i r f t man Salz oben auf den Ofen (Gouv. Vologda): das ist offenbar ein dem Badegeiste dargebrachtes Opfer. Der Badegeist kann nach der volkstümlichen Ansicht auch weiblichen Gechlechts sein, aber am häufigsten stellt m a n sich ihn als einen schwarzen, zottigen, bösen Mann vor. Seinem Typus und seinem Ursprung nach ähnelt er dem Hausgeist (homoeóü, § 157), aber es herrschen bei ihm die Züge eines Feuergeistes vor, ebenso wie bei dem Biegengeist (obähhhk, § 20). § 109. Obgleich hier und da bei den Ostsl. die fatalistische Ansicht vertreten ist, daß Krankheiten zu heilen sündhaft und unnütz sei (Onac. pyKon. I I . 740), so ist diese Ansicht eine ziemlich seltene Ausnahme und nicht Regel. E i n e weitere Verbreitung hat die Meinimg gefunden, daß alle aus der Apotheke stammenden Arzneien „unrein" (noráHBift) seien, das Volk aber seine eigenen Mittel (cpéncTBHH) gegen Krankheiten habe. Die Krankheiten im allgemeinen stellt man sich als lebende Wesen vor, die sich im Menschen ansiedeln und dort wohnen. E i n i g e Krankheiten existieren auch, ohne die Menschen heimzusuchen, meistenteils in Gestalt weiblicher Wesen von verschiedenem A l t e r , die irgendwo auf dem Meere, in Flüssen und Sümpfen leben, auch in Berge oder durch die L ü f t e fahren. Von solcher Art sind z. B. das kalte Fieber, typhusartige Erkrankungen, Pocken, eine Kinderkrankheit, die sog. nojiyHÓmrama u. a. ; das sind die Vertreterinnen der teuflischen Mächte, die den Menschen überfallen (npiiBjÍ3LiBaioTCH) und in ihm hausen, bis sie auf irgend jemand anderes übergehen. Andere Vertreterinnen der teuflischen Macht sind nicht die Trägerinnen spezieller Krankheiten, sondern übermitteln verschiedene Erkrankungen, indem sie z. B. über den Kindern in der N a c h t atmen, die Menschen ängstigen oder auf verschiedene andere A r t ihr Leben und ihre Gesundheit beeinträchtigen (ukr. πι,ο,τητη). Als solche wirken hauptsächlich die V e r s t o r b e n e n , die eines unnatürlichen Todes gestorben sind und die nicht in „jener" Welt, sondern in der N ä h e der Menschen ihr Dasein fristen (§ 134). M i t ihnen rivalisieren Zauberer und Hexen, die mittels der sog. nóp^a (etwa: Schädigung, Beeinträchtigung) Krankheiten austeilen, d. h. sie im Getränk,
§ 108—109. Badestube. Volksmedizin.
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Essen, durch verschiedene Gegenstände übermitteln, indem sie die Krankheit durch den bösen Blick, durch ein Wort oder eine Beschwörung u. dgl. m. übertragen. Die Frauenhysterie mit Anfällen des Aufschreiens und Schluckens ( K J i H K y i i i H , HKÓTa) wird dadurch erklärt, daß „er", d. h. der Böse, der Teufel, in die F r a u hineingefahren ist. Aber außer diesen übernatürlichen Ursachen — der teuflischen Macht und den ihr verwandten, ihr dienenden Menschen —, werden auch rein natürliche Ursachen der Krankheiten anerkannt, z. B. Erkältung, starke Überanstrengung (die sog. HaRcá^a) und schlechtes Blut. Sogar die Wirkung der Krankheiten, die man sich durch die Vermittler der teuflischen Macht zugezogen hat, versucht man zuweilen durch natürliche Ursachen zu erklären, z. B. bei verschiedenen Magenkrankheiten und anderen inneren Erkrankungen behauptet man, daß einem eine Schlange, ein Frosch od. dgl. m. in den Bauch gefahren sei. Schließlich begegnet, wenn auch ziemlich selten, die alte christliche Anschauung: die Krankheit sei von Gott geschickt, als Strafe f ü r die vom Menschen begangenen Sünden. Was die volkstümlichen Heil m i t t e l gegen allerlei Krankheiten anbelangt, so herrschen darunter diejenigen Mittel vor, die auf verschiedenen Verfahren der Magie begründet sind. Vor allem sind hier die prophylaktischen Mittel zu nennen, als deren charakteristisches Beispiel wir schon (§ 29) den mit dem Pfluge gezogenen Kreis kennengelernt haben. Ein ähnlicher magischer Kreis wird z. B. mit Kohle um ein Geschwür, um eine Flechte, oder mit der Spitze eines Messers oder eines Beiles usw. gezogen. Sehr weit verbreitet und sehr mannigfaltig sind d i e A r t e n d e r m a g i s c h e n Ü b e r m i t t l u n g v o n K r a n k h e i t e n : übermittelt wird die Krankheit der Erde (§ 30), den Bäumen, den Tieren, den Menschen und verschiedenen Gegenständen; im letzteren Falle wird oft vorausgesetzt, daß ein Mensch einen Gegenstand nehmen und sich dadurch die Krankheit zuziehen kann, zuweilen jedoch ist eine solche Voraussetzung nicht vorhanden. Zum Übergange der Krankheit ist aber eine gewisse Analogie notwendig zwischen den Eigenschaften der Krankheit und dem dieselbe übermittelnden Gegenstand. Z. B.: unwillkürliches Harnen bei Kindern wird dem Waschfaß übermittelt: dazu muß das Kind dreimal durch das Waschfaß kriechen; dem ukr. Waschfaß, das keinen Boden hat (§ 74), entspricht die erwähnte Harnkrankheit ihrer N a t u r nach vollständig. Bei der Übermittlung von Krankheiten an einen Baum wählen die Grr. gewöhnlich ein junges starkes Bäumchen, das im Walde wächst: in der Mitte des Baumes wird ein Längsschnitt gemacht, und durch diesen Spalt, nachdem er erweitert worden ist, wird das kranke Kind hindurchgezogen; dabei wählt man f ü r einen Knaben eine Eiche, f ü r ein Mädchen eine Birke oder Espe. Die Wr. bedienen sich zu diesem Zwecke durchfaulter und verkohlter Löcher lebender Bäume, indem sie bei dieser Gelegenheit das frühere Hemd des Kranken zerreißen und wegwerfen und ihm ein neues anziehen. Die Ukr. im Gouv. Poltava übermittelten die Kinderdarrsucht einem kreisförmigen Gebäck (6y6jiHn), durch das sie das kranke Kind hindurchzogen. Danach warfen sie das Gebäck weg; wer es aufißt, Zelenin, Russ. (Ostslav.) Volkskonde. 17
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VII. Körperpflege.
hieß es, würde von der Krankheit befallen werden (OnHC. pyKon. I I I , 1116). Die Grr. im Gouv. Penza schneiden dem Kranken die Nägel und mehrere H a a r e vom K o p f e ab und legen das alles in ein in den Stamm einer Espe gebohrtes Loch; dieses wird dann mit einem kleinen Stein zugeschlagen. D i e „Hühnerblindheit" übergibt man den Hühnern, das Gerstenkorn am Auge (nécHít HHMéHb) dem Hunde, den weißen Fluß bei F r a u e n der weißen Birke u. dgl. m. E i n e Reihe von Mitteln h a t als Grundlage das Bestreben, die K r a n k h e i t zu e r s c h r e c k e n , sie durch Einwirkung physischer Art zu vertreiben, z. B. durch Schläge gegen die W a n d neben dem Kranken oder durch Schlagen des K r a n k e n selbst gerichtet, durch Drohungen sie aufzuessen usw. D a s Bestreben, die Krankheit zu betrügen, z. B. unter dem Vorwand eines angeblichen Verkaufes des Kindes an einen Bettler (OnHC. pyKon. 968, 1249), mittels einer vermeintlichen Wiedergeburt (ibd. 979) usw., gehört auch zu den Mitteln sie zu bannen. Einige Krankheiten werden, wie es scheint, den Elementen zugeschrieben : dem Wasser, der Erde, die immer mit einem bestimmten Ort im Zusammenhang stehen, so daß man hier auch an örtliche Geister denken könnte. K r a n k e IST grr. in den Gouv. Jaroslavl' und Tver suchen die Gewässer auf und flehen sie u m Vergebung (npomeHHe) a n ; das Wort npocTÓTb h a t bei den Grr. auch die Bedeutung ,heilen, kurieren' und npóuiH heißen solche Orte, wo viele von ihren Krankheiten geheilt worden sind, ζ. B . Wunderquellen usw. I m Gouv. Poltava ist folgender ukr. Brauch bekannt: Wenn ein K i n d fällt und sich weh tut, so beeilt man sich, nachdem m a n das Kind aufgehoben, an die betr. Stelle ein Messer oder einen anderen eisernen Gegenstand zu werfen und sie mit Wasser zu begießen: dann sollen die Schmerzen vom Kinde auf das Messer übergehen und, da sie mit Wasser begossen sind, auch in dem Messer bleiben und dort ihren Wohnsitz haben (okouiäthch vgl. OnHC. pyKon. I I I , 1115) ; hier werden also die durch den Schlag gegen die Erde verursachten Schmerzen personifiziert. Sehr große Bedeutung wird der H y p n o s e beigelegt, sowohl im Sinne der Zuziehung einer K r a n k h e i t : der böse Blick, die sog. ypÓKH durch Lob, dadurch verursachtes Besprechen usw., als auch im Sinne ihrer H e i l u n g mittels Besprechens u. a. mehr. E s sind auch verschiedene Arten von M a s s a g e üblich, besonders bei Verrenkungen, bei der Gebärmutterverschiebung, dem Bruch usw. Als Universalmittel gelten: die Badestube, in früheren Zeiten wohl auch der Aderlaß, und dann auch das Anbeten von wundertätigen Heiligenbildern und Heiligengebeinen. § 110. Literatur. Über die K ö r p e r p f l e g e bei den Slaven handelt : L. Ν i e d e r l e : Zivot starych slovanü, Bd. I, Lief. 1, Prag 1911, S. 127ff. Uber die H a a r t r a c h t siehe die Literatur über Kleidung und Kopfputz oben § 100; dazu kommt noch: A. S v i d n i c k i j : BejiHKjjeHb y ποβοπηη (OcHOBa 1861, November-Dezember, S. 27—28). — Über die Frage der B a d e s t u b e s. unten § 119. Die Literatur über d i e W o h n u n g u. a. vgl. bei M. J e d e m s k i j : O KpecTi>HHCKHxi> noCTpoüKaxt Ha cïJBepÎ Poccíh (ÎKhb. Grap. X X I I , 1913) ; dieser Arbeit ist Abb. 196 entnommen.
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§ 109—110. Volksmedizin. Literatur zu Kapitel VII.
Über die Ansichten von der R e i n l i c h k e i t vgl. D. Z e l e n i n : Η β ρ τ υ 6krra yceHb-HBaHOBCKHXT. cTapoBÎpoBi (H3BtCTÌH OßmecTBa ApxeojioriH, HcTopin H 9TH0rp. πρΗ Ka3aHCK. yHHBepc. X X I , 190δ, Nr. 3, S. 232 ff.). Uber die K ä m m e : M. B u s o v : ΓρθΟΪΗΗΗΐ^τΒΟ y ceni Tpym y nojrraBmHHi (MaTep. yKp. eTHOJitoriï, VI, 1905, S. 74—81); die Arbeit von I v a n i c k i j ist erw ä h n t in § 35. Über V o l k s m e d i z i n vgl. G. Ρ ο ρ ο ν : P y c c u a n HapoflHO-ÖHTOBaH MesiiijHHa, Petersburg 1903; N. V y s o c k i j Οκβρκκ Haineft HapoflHoit Me«HUHHti (3anncKH Mock. Apxeoji. Hhctht., X I , 1911. S. 1—168); G. V i n o g r a d o v : CaMOBpaieeame η cKOTOJitHeHie y pyccKaro cTapoHWJiaro Hacejiema CnCiipH OKiiBan CTapHHa X X I V 1915, Nr. 4, S. 325—432).
VIII. Die Wohnung. § 111. Werkzeuge der Zimmerleute. Die allen Ostslaven gemeinsamen Eigentümlichkeiten der Holzarchitektur. § 112. Typen der ostslav. Wohnung. § 113. Das Dach. § 114. Der Ofen. § 115. Grundriß der W o h n u n g . Verzierungen am Hause und Möbel. § 116. Beleuchtung. § 117. Entwicklung der ostslav. Wohnung. § 118. Die mit der Behausung verbundenen Bräuche und Aberglauben. § 119. Literatur. § 111. Als H a u p t m a t e r i a l f ü r den B a u einer W o h n u n g dient H o l z von verschiedener G e s t a l t : entweder wird das H a u s a u s B a l k e n oder a u s ganzen B a u m s t ä m m e n „ g e h a u e n " (pyßiiTb), oder es wird aus R e i s i g „geflochten" (lineerò). N e b e n H o l z wird schon seit alter Z e i t f ü r E r d h ü t t e n u n d mit L e h m b e w o r f e n e H ä u s e r (MaeaHtie ,gekleibte') auch E r d e u n d L e h m gebraucht. Ziegelsteine w u r d e n a n f a n g s n u r z u m B a u e n von K i r c h e n v e r w e n d e t ; B a u e r n h ä u s e r in den D ö r f e r n w u r d e n n i c h t f r ü h e r als im 18. J a h r h . a u s Ziegelsteinen gebaut. B e i den W r . i m Gouv. Cernigov ist f ü r die M i t t e des 19. J a h r h . das gänzliche F e h l e n der S ä g e b e z e u g t : „ S i e verstehen es nicht, das H o l z mit der S ä g e zu sägen, sie h a c k e n es n u r m i t d e m B e i l " ( J e s i m o n t o v s k i j 59). Z u A n f a n g des 20. J a h r h . h a t t e n die Z i m m e r l e u t e i n diesen G e g e n d e n schon eine Q u e r s ä g e ; t r o t z d e m wurden B r e t t e r auch d a m a l s noch ohne S ä g e bloß m i t einem Beile aus e i n e m B a l k e n g e h a u e n ( K o s i c 85 u. 88). Ü b e r h a u p t k a m e n die großen b r e i t e n S ä g e n zum L ä n g s s ä g e n eines S t a m m e s sehr spät bei den Ostslaven a u f , u n d alle B r e t t e r w u r d e n f r ü h e r a u s ganzen oder g e s p a l t e n e n B a u m s t ä m m e n m i t d e m Beile g e h a u e n ( T e c á T b ) , woher auch der N a m e Tëc, ukr. Tee k o m m t (in a l t e r Z e i t n a n n t e m a n auch die Holzspäne, die b e i m B e h a u e n eines B r e t t e s abfielen, e b e n f a l l s Tëc). Als H a u p t w e r k z e u g des Z i m m e r m a n n s dient das B e i l , g r r . τοπόρ ; ukr. coKÚpa, τοπίρ, 6apná, Teenó. D a s ostslavische B e i l unterscheidet sich von d e m westeuropäischen d u r c h einen k u r z e n Stiel u n d d u r c h die L ä n g e der Schneide, die zuweilen bis 30 cm l a n g i s t ; das g r r . B e i l zeichnet sich a u ß e r d e m noch d a d u r c h aus, daß sein k u r z e r Stiel e i g e n t ü m l i c h g e k r ü m m t ist. D e r g e k r ü m m t e S t i e l verleiht dem B e n u t z e r dieses Beiles n i c h t n u r größere S c h w u n g k r a f t u n d G e w a n d h e i t der B e w e g u n g e n , sondern d i e n t ihm auch als Setzwage : die K r ü m m i m g der L i n i e ist d e r a r t , daß, wenn m a n das B e i l a n dem E n d e des Stieles n i m m t , der vordere T e i l des Stieles sich m i t der Schneide 17*
260
Vili. Die Wohnung.
auf einer Linie befindet. Zum Holzspalten wird ein anderer Typus von Beil gebraucht (grr. koji^h), eine keilförmige Axt mit einem schmalen Blatt oder mit einem gewöhnlichen Blatt, dann aber auch mit einem Rücken (oö^x), dessen Länge der Breite des Blattes entspricht (grr. 6ajiflá). Das Gewicht eines grr. Beiles schwankt zwischen 1000—1800 gr ohne Stiel. Neben dem gewöhnlichen Beil wird das H o h l b e i l gebraucht (grr. Tecjiá; ukr. TecnÄq«) ; es unterscheidet sich yon dem ersteren durch ein hohles Blatt, dessen Schneide sich an den Stiel senkrecht anschließt. Mit dem Hohlbeil macht man rinnenartige Vertiefungen in einen Balken seiner Länge nach u. a. auch diejenigen, in die man beim Zusammenfügen eines hölzernen Hauses Moos und Werg hineingelegt. Der S c h r o t h o b e l (cTpyr) in seiner einfachsten Gestalt stellt eine bogenartige eiserne Platte mit zwei Holzgriffen dar: grr. CKÓ6ejib, wr. ckó6jih, ukr. CKoôéjiKa, ein Instrument, das mit dem gleichnamigen Werkzeug des ukr. Töpfers identisch ist (§ 44); die Zimmerleute entrinden damit die Baumstämme, auch ersetzt es im allgemeinen den viel später aufgekommenen Glatthobel (pyßaHOn). Wenn man noch dazu den M e i ß e 1 (flojioTÓ) und die sog. nepïà, einen Eisenstab mit zweizackigem, scharfem Haken an dem einen Ende, um parallele Linien auf dem Holze zu ziehen, erwähnt, und die obengenannte Säge dazutut, so ist damit die Zahl der Werkzeuge eines russ. Zimmermanns von früher im wesentlichen erschöpft. Vor kurzem ist eine Eeihe besserer Zimmermannswerkzeuge von den Deutschen entlehnt worden. Das bezeugen auch ihre Namen: niepxé6ejn>, yráH0K, iíeHy6eoii>, CTaMecna (Stemmeisen), eaTepnác (Wasserpaß) ; ukr. réMÔejn. u. a. Als bezeichnende Eigentümlichkeiten der ostslavischen H o l z a r c h i t e k t u r , die allen Ostslaven gemein sind, könnte man folgende anführen: 1. Das vorherrschende Zusammenfügen der Häuser aus Baumstämmen geschieht so, daß die Balkenenden an den Ecken frei bleiben (aayrÓJiKH): in einer Entfernung von 20 cm von den Enden werden in dem Balken halbrunde Vertiefungen (grr. *μπικη) mit dem Beile gemacht; in diese Vertiefungen legt man den folgenden Balkenkopf bis zur halben Balkendicke hinein. Das wird: p^6na β ^roji, β 66jio, β lániny, β KopÓBKy, β aapyßy, ukr. y spyö, y qÌBKH genannt. Längs dem Balken macht man eine nicht allzu große Vertiefung, den sog. naa, füllt sie der Wärme halber mit Moos oder, seltener, mit Werg aus und drückt dann diese Einlage mit dem folgenden Balken fest. 2. Das Pehlen eines Fundamentes, das am häufigsten durch große, an den vier Ecken des Hauses in die Erde gegrabene Steine ersetzt wird oder auch durch kurze dicke Pfosten (grr. CT^jibH, πο«οτολ6κη; ukr. ctohhh). 3. Als Stütze der Decke dient ein horizontaler Querbalken (grr. MáTHqa, ukr. cbójiok) ; auf die aus Brettern zusammengefügte Decke wird Erde aufgeschichtet. 4. Im Hause werden längs den Wänden unbewegliche Bänke zum Sitzen eingerichtet (λ4βκη, ukr. JiáBH) und über denselben ebenfalls imbewegliche Wandbretter f ü r das Geschirr usw. angebracht. 5. Neben dem Wohnhause wird eine Hausflur eingerichtet und daneben, immer in einer Linie, eine Vorratskammer oder eine zweite Wohnstube.
§ 111—112. Zimmermannswerkzeuge. Holzarchitektur. Wohnungstypen.
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§ 112. Die H a u p t t y p e n d e r o s t s l . W o h n u n g lassen sich auf Grund von zweierlei wesentlichen Merkmalen unterscheiden : nach der Höhenlage über der Erde und dem Material. Der eine Typus wird unmittelbar auf der Erde gebaut, so daß der Erdboden zugleich als Hausboden dient; dementsprechend zeichnet sich so ein H a u s durch eine geringe Höhe aus und hat K . R h a m m die Veranlassung gegeben, diesen Typus der ostsl. Wohnung mit dem Worte N i e d e r h a u s zu bezeichnen. Die Slaven selbst nennen diese Art Behausung xáTa, ein Wort, das von alters her durch ugrische Vermittlung von den I r a n i e r n entlehnt worden ist 1 ). Außer ihrer geringen Höhe wird die xáTa dadurch charakterisiert, daß sie nicht mit dem Giebel, sondern mit ihrer Längsseite der Straße zugekehrt ist; eine hölzerne Diele (noji) darin bedeckt gewöhnlich nicht die ganze Bodenfläche, sondern n u r einen kleinen Teil davon und dient in der Regel als Schlafstätte; endlich ist das Dach der xáTa immer vierflächig, rund, und nicht zweiflächig. Dieser Typus ist in den Steppengegenden vorherrschend — in der Ukraina, dann bei den Sgrr. und teilweise bei den Wr. Der a n d e r e T y p u s der ostsl. Wohnung, die ngrr. 1136a, wird nicht unmittelbar auf der Erde, sondern auf einem mehr oder weniger hohen Balkenwerk gebaut, einem unteren, unbewohnten Erdgeschoß (sog. noflnójibe, noRKJiéi, noft'iÍ36ima), das o f t entweder als Vorratskammer oder als Viehstall benutzt wird. Dieser Typus von Behausung, R h a m m s S t o c k h a u s , ist der Straße mit dem Giebel zugekehrt und hat fast immer ein zweiflächiges Dach. E r ist f ü r die N g r r . charakteristisch, hat sich aber als Kulturwohnung schon seit langer Zeit in den Städten verbreitet und ist von dort in die Dörfer anderer ostsl. Volksstämme gedrungen. Auch heutzutage noch verdrängt er allmählich das Niederhaus. Was das M a t e r i a l anbelangt, so begegnen in der Ukraine Häuser (xá™) vom Typus des Niederhauses aus Weidenruten, aus Reisig, aus in Bündel gebundenem Schilf, aus Roggenstroh, endlich auch von außen und innen mit Lehm bestrichene (MáaaHtie) Häuser, die auch MáaaHKH genannt werden. Ukr. Häuser macht man auch aus ungebrannten Ziegeln, dem sog. Jieiunái, caMáH, einer Mischung von Lehm und Spreu oder gehacktem Stroh ; zuweilen werden diese Ziegel (sog. najitKii) sogar noch ganz feucht in Wände zusammengefügt, wobei man solche Wände lange trocknen muß, bevor man die Decke und das Dach darauf legen kann. Der Lehm ist f ü r den Ukr. ein so gewohntes Baumaterial, daß er sein Haus, wenn es auch aus Balken g e f ü g t ist, ebenfalls mit Lehm von innen und außen bestreicht, weshalb auch solche Häuser MáaaHKH genannt werden (s. Abb. 198). Die Sgr. flechten die Wände der Stellungen und anderer wirtschaftlicher Gebäude aus Reisig, bestreichen sie aber nicht mit Lehm. Ebenso lassen die Grr. und Wr. ihre Balkenhäuser unbestrichen. Das sgrr. Wohnhaus von *) Von den aus lautlichen Gründen in Betracht kommenden finnisch-ugrischen Sprachen — Ostjakisch, Wogulisch, Ungarisch — liegt nur das letztere in einer für die Russen erreichbaren Nähe, daher ist russ. x a T a wohl aus der alten Vorstufe von magy. h à z „Haus" zu erklären; s. Korsch Bulletin de l'Acad. des Sc. de Pètersbourg 1907, Sp. 762 ff. (Vgl. fi. k o t a , ostj. x ó t , magy. hàz.)
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Vili. Die W o h n u n g
demselben „Niederhaus"-Typus unterscheidet sich von dem ukr. Balkenhause durch eben diesen Lehmbewurf und aucli durch seine innere E i n r i c h t u n g :
Abb. 198. Ukr. Wohnhaus (xaTa), Gouv. Poltava. die „heilige" (cbhtóíí) oder „schöne Ecke" (κράαπ,ιίί yroji) mit Heiligenbildern u n d einem Tisch wird meistenteils neben d e r Eingangsîiir eingerichtet; diese
Abb. 199. Ngrr. Hof des Gouv. V'atka, Kreis Kotel'nic. letztere Eigentümlichkeit kommt bei den X g r r . iiuJierst selten vor, den Ukr. und Wr. ist sie ganz unbekannt.
§ 112. Wohnungstypen.
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Die ngrr. H ä u s e r (H36H) vom Hochstockhaus-Typus sind meistenteils mit dem „ H o f " (jBop), worunter die Gebäude f ü r das Vieh und f ü r das Viehf u t t e r zu verstehen sind, verbunden. E i n e solche Vereinigung des Wohnraumes m i t dem Viehhof n e n n t das Volk CBH3I> (eigentlich .Verbindung'); u n d E k a m m hat d a f ü r die Bezeichnung Η o f h a u s aufgebracht. Das Verhältnis des Wohnhauses zu dem damit verbundenen Hof ist nicht immer dasselbe. I n einigen Fällen ist das H a u s mit dem Hof der Länge nach verbunden, so daß der Hof hinter dem Wohnhause zu stehen kommt ( R h a m m s „ E i n b a u " ) ; die Entwicklung des Wohnraumes geht hier nach der Breitseite hin. I n anderen Fällen dagegen schließt sich der H o f dem Wohnhause von der Seite an, so daß die Frontseiten der beiden Gebäude in derselben Fläche liegen (Zwiebau); hier geht die Entwicklung des Wohnraumes nach der
Abb. 200. Ngrr. Hof von hinten, Gouv. Jaroslavl', Kreis Posechonje. Längsseite h i n : das zweite Wohnhaus, f a l l s es vorhanden ist, ist hinter dem ersten aufgebaut. I n sein System h a t II h a m m n u r diese beiden Typen aufgenommen. E s ist ihm zwar auch noch der „ Q u e r b a u " bekannt, wenn der Hof dem Wohnhause von der Seite u n t e r einem Winkel sich anschließt, aber den h ä l t er f ü r eine Ausnahme. E h a m m s System u m f a ß t nicht die ganze M a n n i g f a l t i g k e i t der ngrr. Bauten. D i e Abb. 199 u. 204 zeigen R h a m m s Zwiebau; im ersten Falle (Abb. 199) befinden sich Wohnhaus und H o f u n t e r verschiedenen Dächern. Auf Abb. 200, wo die hintere Seite des dem H a u s e von der Seite sich anschließenden H o f e s zu sehen ist, haben wir eine andere A r t des Ζ wiebaues; hier finden sich nicht n u r zwei besondere Dächer, sondern sie liegen auch einander nicht parallel. Abb. 201 zeigt R h a m m s Querbau, der jedoch dadurch kompliziert erscheint, daß hier der Hof mit dem einen seiner E n d e n sich an die hintere Seite des Wohnhauses anschließt, m i t den anderen aber die wirtschaftlichen Gebäude b e r ü h r t ; alles zusammen hat die Gestalt des russischen
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V i l i . Die W o h n u n g .
B u c h s t a b e n TT (ποκόϋ), weshalb d a s Volk diese A r t B a u CTpóftKa ποκόβΜ n e n n t . H i e r ist d e r g a n z e H o f m i t u n u n t e r b r o c h e n e n D ä c h e r n bedeckt, so daß „ n i c h t e i n m a l ein V o g e l hineinfliegen k a n n " (rrniija ηθ sajieT^T). H e r z e n verglich diesen B a u t y p u s , der an der V ' a t k a der herrschende ist, m i t e i n e r F e s t i m g .
Abb. 201. Vorderseite eines ngrr. Hauses, Gouv. V'atka, Kreis Orlov. Denselben C h a r a k t e r einer geschlossenen F e s t u n g zeigt das H a u s d e r H u z u l e n in den K a r p a t e n , wo das W o h n h a u s s a m t den Viehställen u n d allen a n d e r e n w i r t s c h a f t l i c h e n G e b ä u d e n sich u n t e r einem D a c h e befindet ( S u c h e v i c I , Abb. 49—50). B e i den k a r p . B o j k e n u n d L e m k e n sind alle B a u t e n in ^ ^ ^ ^ ^ ^ cin^
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Abb. 202. W r . Tenne des Kreises Wilna,
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§ 112—113. Wohnungstypen.
265
Dach.
anderen Fällen werden die nötigen eisernen Nägel durch Holznägel ersetzt, an dem Dache auch durch die Preßbäume ( Γ Η 0 Τ ) . Von den zwei Haupttypen des ostsl. Daches — des vierflächigen Walmdaches und des zweiflächigen Giebeldaches — ist das Walmdach ! 1 d 1 1' h ·|· ;
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Abb. 202
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nacl oben cm I c i l Ί , waren noch während der ganzen ersten H ä l f t e des 19. Jahrh. bei den Grr. und Wr. vorherrschend; teilweise konnte man sie auch bei den Ukr. vorfinden, besonders in Waldgegenden ; als große Seltenheit kommen sie auch heutzutage noch hier und da vor. Die Vorzüge eines schornsteinlosen Ofens sind die, dafi er mehr Wärme liefert, das Haus trocken hält, es ventiliert und desinfiziert; er gibt keinen Kohlendunst und schont das Material, aus dem das H a u s gebaut ist, besonders aber die Strohdächer. Die Mängel der schornsteinlosen Häuser sind klar: Ruß an den Wänden, Rauch und Kälte während des Heizens, wenn die Tür offen steht und der Rauch in dichten Wolken durch den ganzen Raum qualmt.
273
§ 114. Der Ofen.
Der Ofen wird auf einem besonderen Fundament gebaut, meist in einer Ecke des Hauses, aus Lehm. mäßig neu.
Aus Backsteinen gebaute Öfen sind verhältnis-
Wenn man den Lehm f ü r den Ofen mit hölzernen Stößeln be-
arbeitet, so schlägt man zuweilen Kieselsteine in den Lehm hinein, indem man sogar hie und da
eine
Hof Schicht Steine mit einer ' Schicht Lehm abwechseln läßt ( I v a n i c k i j ) ; die Steine dienen dazu, um die Hitze im Ofen länger zu bewahren. Die auf diese Weise aus Lehm gemachten Öfen zeichnen sich durch außerordentliche Dauerhaftigkeit aus und überleben o f t das Strasse. Haus selbst. Gewöhnlich ist ein Abb. 215. Plan eines sgrr. Hanses aus dem Gouv. Tnla, Kreis Bogorodick. Ofen 2—1,8 m lang, 1,6 bis 1,8 m breit und ungefähr 1,6 m hoch. Oben stellt der Ofen eine ebene Fläche dar, auf der man im Winter schläft; dort wird auch das Getreide getrocknet. Sich auf dem O f e n in warmem Hirsekorn zu erwärmen, ist f ü r den Ukr. die höchste Wonne. Der innere Teil des hölzernen Ofenfundaments (πο^πβΜβκ) dient im Winter oft als Hühnerstall.
4
Der vordere Eckpfeiler des Fundaments heißt bei den Grr. :
TypÓK
Typ,
und wird nicht seltenmit Schnitzwerk verziert und bemalt ; in den Volksliedern kommt ein
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A u s d r u c k v o r : Typy
Hory πήιιιβτ (bemalt dem Auerochsen das B e i n ) ; seine anderen Benennungen sind :
Abb. 216. Plan eines ngrr. Hauses im Gouv. V'atka, Kreis Slobodskoj.
CTaMÓK, neiHÓa cto.iö; wr. kohi>, kohcbmìì ctoji6,
CToyn;
er spielt eine nicht
unwichtige Eolle im Volksglauben (§ 125). Oberhalb der Mündung eines schornsteinlosen Ofens werden immer zwei Querbalken angebracht, entweder aus Brettern oder aus vierkantigen Stangen zum Trocknen von Kienspänen und anderen Sachen; das ist der sog. H a n ó n t HHK. Wahrscheinlich meint der Chronist eben diese Bretter des nan¿rjií>HHK, Z e l e n i n , Rnss. (Ostslav.) Volkskunde.
18
274
Vili. Die Wohnung.
wenn er in seiner Erzählung von der Blendung des Fürsten Vasil'ko im Jahre 1097 berichtet, die Mörder hätten „in der Stube" (β ικτοδκβ) ein Brett vom Ofen heruntergenommen (chhjih nocKy e t ne*ni) und es auf die Brust des Fürsten gelegt, dann hätten sie ein anderes Brett „vom Ofen" genommen, wieder auf die Brust gelegt und sich daraufgesetzt. Die Behandlung der Ofenarten wäre unvollständig ohne Erwähnung des einfachsten Feldkochofens, der in fi die Erde gegraben wird; die Ukr. nennen ihn najiáHKa, häufiger aber mit einem türkischen N a m e n : Ka6i4l(h (s. Abb. 214). An einer natürlichen oder künstlichen Erdabstuf u n g wird ein wagerechter Kanal gegraben, in den man das Holz legt; über dem Holze ist ein Loch gemacht, worüber der Kessel zu stehen kommt. § 115. Gegenwärtig sind diejenigen Wohnhäuser bei den Ostsl. die verbreitetsten, die einen d r e i Abb. 217. Plan eines ukr. Hauses im Gouv. räumigen Typus aufweisen: Charkov, Kreis Starobel'sk. Wohnstube, Hausflur (α) und Vorratskammer oder eine andere Stube (s. Abb. 218). Öfters kommen auch Häuser von zweiräumigem Typus vor, besonders wenn ein Teil der Hausflur (a) als Vorratskammer (6) oder sogar als Wohnzimmer (x) eingerichtet wird (s. Abb. 215—217). Eink * k räumige Wohnhäuser ohne t J J Λ. Hausflur findet man ιΊ ώ äußerst selten. j Β 0 Der Eingang zum Wohnraum geht immer Ö ι ν durch eine Hausflur. Der Η tí Eingang in die Hausflur ¿ •ju Γ bei den Ngrr. ist gewöhn1 Λ lich durch den Hof, bei 5 s t den übrigen direkt von s der Straße, — aber diese allgemeine Regel hat nicht Abb. 218. Plan eines ukr. Hofes im Kreise Krasno· wenige Ausnahmen. Die grad, Gouv. Jekaterinoslav. Tür ist fast immer einflügelig, mit einer Schwelle, die zuweilen sehr hoch ist. Zweiflügelige Türen, genauer gesagt Tore, ohne Schwelle, aber mit einem besonders einzustellenden Schwellenbrett (noHBopÓTHH) finden sich fast ausschließlich dort, wo man mit einem Fuhrwerk hineinfahren muß. Abb. 219 zeigt eine Tür, die sich Ha πκτβ (eigentlich „auf der Ferse") ohne eiserne Scharniere bewegt, was früher das einzig übliche war.
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§ 115. Grundriß der Wohnung. Verzierungen des Hauses.
275
Beim E i n t r i t t in die Stube aus der Hausflur ist rechts vom Eingänge der O f e n (i), dessen M ü n d u n g gegen das Fenster, dem Lichte zugekehrt ist. W e n n aber der O f e n links von dem E i n g a n g e steht, so nennen die grr. F r a u e n eine solche Stube iinGá-nenpHxa, d. h. eine Stube, wo es schwer ist zu spinnen, da die spinnende F r a u auf der langen Bank (k) sitzt, die von der Türenecke bis zur „heiligen E c k e " mit den Heiligenbildern sich hinzieht, und ihre rechte H a n d der Wand, und nicht dem Fensterlicht zugekehrt hat, u n d es wird ihr schwer, die Spindel auf eine größere E n t f e r n u n g auf der Diele l a u f e n zu lassen. Überhaupt sind die B ä n k e (k) so eingerichtet, dal] m a n darauf mit dem Spinnrocken sitzen k a n n ; zuweilen macht m a n darin sogar spezielle Löcher f ü r die Spinnkämme. Der Ofenecke gegenüber liegt die Ecke, wo
Abb. 219. Tür eines wr. Stalles im Gouv. Minsk. der Tisch steht und die Heiligenbilder an einem Wandbrett h ä n g e n ; das ist die „heilige" (CBHTÓÜ) oder die „schöne" ( H - p á c H i i f t ) Ecke (andere Benenn u n g e n sind: grr. c y T K H ; ukr. und wr. n Ó K y T t , πόκνττπ), der Ehrenplatz f ü r einen Gast. Das s grr. Wohnhaus (Abb. 215) bildet eine Ausnahme unter den übrigen ostsl. Wohnräumen, und zwar in der Hinsicht, daß die Ecke neben der T ü r nicht f ü r den Ofen bestimmt ist, sondern zur E i n r i c h t u n g der „heiligen E c k e " mit den Heiligenbildern d i e n t ; der O f e n dagegen befindet sich in der gegenüberliegenden Ecke der Stube. E i n Teil der Stube von dem O f e n m u n d e an bis zur entgegengesetzten W a n d wird gewöhnlich von dem übrigen R ä u m e entweder durch einen Vorh a n g oder durch eine Bretterwand g e t r e n n t und t r ä g t die N a m e n : grr. lynaH, cepe«á, iipupyô, trionnHiua, KyTi>, KaMHáTKa. 18*
276
Vili. Die Wohnung.
Es will beinahe scheinen, daJß die Benennung cepejá (eigentl. Mitte) als ein Erbstück aus der Zeit zu betrachten ist, als der Ofen oder der Herd in der Mitte des Wohnraumes stand; das ngrr. Wort iuóJiHHina, nioMHina ist von den Warägern entlehnt worden (altschwed. s ö m p n h u s , altnord. s v e f n h u s „Schlafzimmer"); das ngrr. KaMHáTKa, mit ukr.-poln. Betonung, zeugt von einem späteren Kultureinfluß von Seiten des ukr. Südens: ukr. KÍMHáTa ist ein abgesonderter Teil der Wohnstube, der gewöhnlich als Schlafzimmer dient. In der ngrr. Wohnstube wird neben dem Ofen an der Eingangstür ein Gang in das Erdgeschoß (noflnÓJite) eingerichtet, — eine Grube von geringer Tiefe, eine Art Keller unter der Diele zum Aufbewahren von Eßwaren.
Abb. 220. Vorderwinkel eines wr. Hauses im Gouv. Mohilev. Wenn dieser Gang die Gestalt eines Kastens von geringer Höhe mit wagerecht liegender Falltür hat, wird er rójiòei; (aus altskand. [ h v i l u ] - g o l f ) , roJißiHK, i'ójiyGén, πρικίί'υιοκ genannt ; er dient auch zum Schlafen ; wenn er aber die Gestalt eines kleinen Zimmers mit senkrecht stehender Tür hat, so heißt er Ka3ëHKa (dim. ν. Ka3Há, Schatzkammer). In alten Herrenhäusern trug den Namen naaeHKa ein besonderer, zum Aufbewahren von Wertsachen bestimmter Raum. In neuerer Zeit macht man statt des rón6eij und der KaeeHKa nur eine einfache Falltür (n auf Abb. 21(i). Als obligatorisches Zubehör einer grr. und wr. Wohnstube gelten die den Ukr. fremden nonára (s. Abb. 215—216 h), ein hochaufgerichteter breiter Boden
§ 115. Grundriß der Wohnung. Verzierungen am Hause.
277
zum Schlafen (wr. nujiáiyi, πόλη; von spätgriech. παλάτιον; sgrr. zuweilen: xopti). E r wird 80 cm niedriger als die Decke eingerichtet und erstreckt sich gewöhnlich von der Seite des Ofens bis zur gegenüberliegenden Wand. I n der russ. Wohnstube ist er wahrscheinlich als Nachahmung der f ü r die Sänger bestimmten Kirchenchöre entstanden, die ehemals nojiám und heutzutage xópw genannt werden. Die Sgrr. und Wr. haben unter dem hochaufgerichteten Boden noch ein niedriges Gerüst, etwa 0,8—1 m von dem Erdboden, das auch zum Schlafen dient, das heißt noji, ukr. nia; die Wr. o nennen es zuweilen ßZSZjJ auch Hápu (Pritsche). Die ukr. H u zulen besitzen solche 2JZS Gerüste nicht, sondern haben gewöhnliche Bettstellen ; die N g r r . bezeichnen mit SzXLd dem Wort noji einen hölzernen Dielenboden, und zum SchlaCCD© o f e n dienen die obenΚΒβ oder die „hintere" Ecke, in Olonec auch noaoHÖHHit yroji; die „große" (ßontmott) oder die „schöne" (KpácHHit) Ecke unter den Heiligenbildern ; die Ofenecke (neiHÓií)
278
Vili. Die Wohnung.
oder cepeda dem Ofenmunde gegenüber; die vierte Ecke nimmt der Ofen ein; wenn aber der Ofen nicht unmittelbar an die Wand gefügt ist, so heißt der Raum zwischen dem Ofen und der Wand aanéite und BepHÓ-yroji ; dieser letzte Raum befindet sich an der Tür. Abb. 220 stellt ein Wandbrett mit Heiligenbildern (GoiKHÄqa) in einer wr. Wohnstube dar, zum Festtage mit gestickten Handtüchern und Pfingstgrün (wr. Maü) geschmückt. Die Stube mit gestickten Handtüchern zu schmücken ist bei allen Ostsl. üblich, aber als allgemeiner und ständiger Brauch gilt sie nur bei den Ukr. und teilweise den Wr. Abb. 221—224 zeigen die geschnitzten Außenverzierungen des Wohnhauses. Auf Abb. 221 sieht man das Gesimse an den Fenstern im Gouv. Charkov ; Abb. 222 zeigt ukr. Schnitz werk an den Fassadenbalken. H i e r sind, wie man sieht, lauter geometrische oJVl°JvW Ornamente vorherrschend. Die Grr. haben neben den geometrischen Figuren auch phantastische Tiere : Mopcuae κοτώ L^vtavT-TV/LTJ L x n j m n - r u x a J (etwa „Meerkater"), die Löwen ähnlich sehen, menschenartige Figuren mit Fischschwänzen ($apaÓHH), Pferdeköpfe, Pflanzenornamente u. a. m. Die Ngrr. verzieren gewöhnlich mit Schnitzwerk diejenigen Bretter an der Frontseite des Fi Fi Fi Π Fl Hauses, die an den Rändern der beiden Dachflächen vom Firstbaume an angebracht sind (Abb. 208 k: npiiieJiiiHa, Λ Λ Λ Λ Kociiija, nepó, dojiothó, 3aKpiiη λ a j a a ) a m i a JiHHa, s. Abb. 224); ebenfalls Abb. 222. Ukr. Schmtzwerk an Fassadenbalken geschnitzt sind auch die sog. im Gouv. Charkov. cepejKKH oder no«Bécti, nofln é p K H , die den Enden eines gestickten Handtuches gleich von den Randbrettern herabhängen ; ferner ist mit Schnitzwerk geschmückt das unter dem Firstbaum im oberen Winkel des Giebels senkrecht hängende Brett, aanóii oder OTBecHan flocKá, und die daran wagerecht befestigte KpácHan HOCKá1), das unten am Giebel befindliche horizontale Karnies (ngrr. Jirfrepi> von deutsch R e g e l ) ; die Fenster') In diesem „roten Brett" (upáCHan rock à) des ngrr. Daches ist es schwer das Überbleibsel des Brettes zu erkennen, das die Enden der in der der Dachflächen wagerecht liegenden Preßstangen verband; dieses Brett 0ΓΗΙΪΒΟ. Abb. 208 zeigt nur die Hälfte eines solchen Brettes, die von der stange r ausgeht.
nicht Mitte hieß Preß-
§ lió. Verzierungen am Hause. Möbel.
279
karniese (hcL"ihiihhkh), die Fensterläden, die P f o s t e n des Tores und selbst die Torflügel. Während des letzten Halbjahrhunderts ist die Holzschnitzerei im schnellen Schwinden begriffen, indem sie durch Bemalen mit Farben ersetzt wird. An M ö b e l n ist das ostsl.Ilaus überhaupt nicht reich; außer den obenerwähnten unbeweglichen Bänken (s. Grundriß 215—218 k), dem kóhhk und dem Tisch (è) sind noch tragbare Bänke, Geschirrschränke, die gewöhnlich an der Ofenmündung stehen, zu vermerken; die letzteren sind bei den Grr. gewöhnlich stehend und niedrig wie eine Art Kommode (grr. s a n á B O K , n o T c á B , n o c y s H H K ) , bei den Ukr. häufiger hängend (s. Abb. 225 ; ukr. mAchhk c y f l H i i K ,
Abb. 223. Ngrr. Schnitzwerk aus dem Gouv. Kostroma. noflHiiiip) und auch f ü r Löffel bestimmt (jiii;khiík, jkh^hmk; wr. cyjißH, jióikchhhk). Zum Aufbewahren von Geschirr dienen auch die Wandbretter (nojiHija ; grr. auch n o j i á B o i i i H H K ) unter der Decke; bei den Grr. werden sie mit einem gitterartigen kleinen Geländer geschmückt und heißen dann 6jiióhhhk, HaóJiióaiiHKH. Wenn kein Eßtisch da ist, wird er bei den Ukr. außer dem erwähnten niji durch einen hohen Kasten, die sog. ckpmhh ersetzt, die zum Aufbewahren von Kleidern und Wäsche dient. I n letzter Zeit sind in den Dörfern Stühle und sogar Sofas Mode geworden ; f r ü h e r wurden meistenteils sog. CTyjibiHKH, entweder von dicken Baumstämmen abgesägte Klötze oder aus Weidenstämmen gebogene und gebundene Stühle ohne Rückenlehne mit einem viereckigen Sitzbrett gebraucht; die letzteren dienen auch als Sitze beim Kuhmelken, weshalb sie auch Kuhstühle genannt werden. Bei den Ngrr. kamen Stühle in Gestalt eines P f e r d e s vor:
280
Vili. Die Wohnung.
die Rückenlehne des Stuhles war dem Vorderteil eines P f e r d e s ähnlich; der Sitz des Stuhles dem Rücken u n d der Kruppe. D a ich keine Möglichkeit habe, bei den anderen Teilen und dem übrigen Zubehör eines Hauses zu verweilen, möchte ich nur noch bemerken, daß auf den P l ä n e n 215—218 mit dem Buchstaben q der Vorbau (KpbiJibijó) bezeichnet ist, mit o das Fenster (okhó), mit b die Vorratskammer, mit s der Viehstall (xjieß), m i t ss auf Abb. 216 die sog. ποπότι,, das obere Stockwerk über dem Viehstall, wo Viehfutter und verschiedenes Gerät liegt, mit t die Getreidekammer (aMÖap), mit ν der Keller (nórpe6), y die Scheune (KJiyHH), ζ der Brunnen (kojióaosL·) ; alles übrige ist im Text erklärt. § 116. Als altertümliche B e l e u c h t u n g s v o r r i c h t u n g dient der K i e n s p a n (jiyqÄHa). Trotz der starken Konkurrenz von Seiten des Petroleums ist
Abb. 224. Vorderseite eines ngrr. Hauses aus dem Gouv. Kostroma mit Schnitzwerk. er doch bis auf unsere Tage lebensfähig geblieben. F ü r Kienspäne verwendet m a n Pichten-, Birken- u n d Espenholz. Wo es viele Nadelwälder gibt, da läßt man die harzigen Teile des Fichtenholzes, hauptsächlich die Wurzeln und die Markteile des Baumes, als kleine Scheite brennen. Wo wenig Fichtenholz vorhanden ist, da bedient man sich der Birken- und Espenspäne von u n g e f ä h r 150 cm Länge, 4 cm Breite, 6 mm oder auch mehr Dicke. Verschiedenes Brennmaterial verlangt auch verschiedene Beleuchtungsvorrichtungen. Die Ukr. und Wr., die Fichtenspäne in F o r m kleiner Scheite gebrauchen, benutzen eine ziemlich schwerfällige Beleuchtungsvorrichtung, die auf Abb. 226 dargestellt ist. I h r e Benennungen sind wr. jivluhhk, kómhh, naraHéq; ukr. iiocbít, CBiTái, cbíthhk. I n die Decke mitten in der Stube wird eine nicht allzu große r u n d e Öffnung gebohrt; in diese Öffnung wird ein langer hohler oder eigens dazu ausgehöhlter Baumstamm (s. Abb. 226) hinein-
§ 116. Beleuchtung.
281
gepaßt, dessen, dünneres Oberende auch durch eine Öffnung im Dach hindurchgeht und das Dach wie ein Schornstein überragt. Das untere, breitere Ende des Hohlbaumes erhebt sich etwas mehr als 1 m über der Diele der
Abb. 225. Ukr. hängende Geschirrschränkchen aus dem Gouv. Poltava.
Abb. 225 a. Ukr. Geschirrschrank a. d. Gouv. Poltava.
Stube; daran wird ein eisernes Gitter (wr. ποοβθτ) oder eine Pfanne gehängt, auf der man den Kienspan so brennen läßt, daß der Rauch durch die Höhlung des Baumstammes nach außen strömt. Statt des eisernen Gitters bedient man sich eines vertikal stehenden, etwa 1 m hohen Holzklotzes, auf den ein glatter Stein zum Anzünden des Kienspans gelegt wird. Statt eines hohlen Baumes gebraucht man oft einen hohlen Kegel aus Brettern, Lindenrinde oder Weidengeflecht, oder man nimmt dazu einen kegelförmigen, von innen und außen mit Lehm oder Kreide bestrichenen Leinwandsack . Hier sehen wir zu Beleuchtungszwecken dieselbe Vorrichtung angewandt, die die Ukr. bis auf unsere Tage als Schornstein gebrauchen. Ein solcher ist auf Abb. 227 dargestellt: «Hitiáp, Bepx, 6ÓBflyp oder kómhh; er wird immer in der Hausflur, seltener in der Mitte der Flur, am häufigsten aber an der Wand angebracht, die die Hausflur vom Ofen in der Stube trennt. In der Flur werden ^S^Sti vier lange Stangen in einer Entfernung Abb. 226. Wr. Beleuchtungsvorrichvon 50 cm voneinander m die Erde get u n g aug d e m G o u y Mfn¡jk graben; nach oben hin wird diese Entfernung allmählich kleiner. Die Stangen bilden eine viereckige Pyramide, die mit Querleisten an verschiedenen Stellen zusammengeschlagen ist. Die Leisten werden mit Weidenruten oder Schilf umflochten, und das Ganze wird mit Lehm
282
Vili. Die Wohnung.
dick bestrichen. I n einer Höhe von 150 cm tritt in dieses hohle Geflecht ein Seitenkanal des Ofenschornsteines; sowohl in der Stubenwand als auch in der Wand des Geflechts wird f ü r den Kanal ein Loch gemacht, welches Kárná heißt. Zuweilen wird der ganze untere Teil des Geflechts beinahe bis an dieses Loch nicht zugeflochten, damit es nach dem Heizen des Ofens mit Lappen geschlossen werden kann. Am häufigsten wird nur eine Seite der Pyramide nicht zugeflochten, sondern mit einer besonderen kleinen Tür verschlossen. Der untere Teil der Pyramide wird zu verschiedenen Zwecken ausgenützt ; zuweilen macht man darin einen kleinen Kochofen (die sog. Ka6áua), d. h. einen Herd aus Lehm mit einem runden Loch, unter dem ein kleines Feuer angemacht wird. Heutzutage wird der jyiMáp über das Dach hiaausgeführt, früher aber machte man ihn nicht allzu hoch, und der Rauch erfüllte den oberen Teil der Hausflur. Die beschriebenen Vorrichtungen f ü r den Ofenrauch sind wir geneigt, f ü r älter zu halten als die kegelförmigen hohlen Bäume f ü r Kienspanbeleuchtung. U. a. wurde konstatiert, daß in den schornsteinlosen Häusern der Ngrr. „gitterartige Rauchfänge an den Wänden angebracht Abb. 227. Ukr. Schornstein im Gouv. werden, an denen die Öfen in den Häusern Poltava. stehen" ( J e f i m e n k o I, 22). Der Räuchfang (HHMáp) spielt im Volksglauben eine große Rolle; im Gouv. Poltava bewahren die Ukr. das Loch des Rauchfanges aufs sorgfältigste vor dem Blick eines Fremden, denn wenn man durch den Rauchfang eine Krankheit anruft, kann man sie auf das betreffende Haus heraufbeschwören; wenn eine F r a u in den Rauchfang hinein einen besonderen Zauberspruch spricht, kann sie die Wirtin des betreffenden Hauses werden. Wenn man wünscht, daß jemand aus der Ferne schnell zurückkommen möge, r u f t man ihn dreimal durch den Rauchfang a n ; daher stammt auch der bekannte Ausdruck, welcher sich auf einen Menschen bezieht, den man längere Zeit nicht finden kann: Xoi β flHMáp rynait! (etwa: „den möchte man durch den Rauchfang rufen!"). Bei den Wr. ist hier und da ein Brauch unter dem Namen „ H e i r a t d e s R a u c h f a n g e s " (»eHHTbßa kómhhéi) bekannt; gewöhnlich wird der Rauchfang am 1. September weiß getüncht und mit Pflanzen und Handtüchern geschmückt; indem man in -das Feuer des Rauchfanges kleine Stückchen Fett und Butter wirft, sagt man, daß dies dem Rauchfang als Bewirtung gelte Obgleich neben dem oben beschriebenen Beleuchtungskegel auch der Ofenschornstein zuweilen geschmückt wird (S e j η 155), so ist doch dieser Brauch zu dem Zyklus von Bräuchen zu rechnen, die mit Arbeiten bei angezündetem Lichte verbunden sind. Es scheint, daß die Zunftverbände eine große Rolle in der Entwicklung und Verbreitung dieses Brauches gespielt haben. I n der
§ 116. Beleuchtung.
283
Ukraina wurde von den städtischen Handwerkern ein ganz analoger Brauch festlich begangen unter dem Namen „Heirat der Kerze" (HteHÄTtßa cbotkh). Yon den Beobachtern wird vermerkt, daß diesem Brauche ein psychologisches Moment zugrunde liegt, nämlich die Arbeiter und die Dienerschaft zur Arbeit bei angezündetem Lichte zu ermuntern (S e j η 155).
Ν. S um co ν
(KyjibTypHHH
nepewnBamn
Nr. 188) setzt diese mittelalterliche Zunftfeier ganz unbegründet mit alten Volksbräuchen in Zusammenhang, die dem Pflanzenkultus angehören. Um wieder zu den Beleuchtungsvorrichtungen zurückzukehren, mag erwähnt werden, daß im Urwald von Belovez die Wr, eine Beleuchtungsvorrichtung besitzen, die der sog. 1 ç ν a der Slovenen in Oberkrain ähnlich ist : das ist eine kleine Wandnische mit einem Vordach und einer Öffnung zum Abzüge des Bauches in den Hausflur ; die Wr. nennen Abb. 228. Ngrr. Leuchter aus auch diese Nische kómhh. Wahrscheinlich ist dem Gouv. Vologda. die wr. und die slov. Vorrichtung in gleicher Weise den Deutschen entlehnt worden. Die Ukr. in Wolhynien und im öernigovschen, ebenso wie die Wr. im Gouv. Grodno, bedienen sich noch besonderer Nischen (neiypKii), die am Ofenrande etwas höher als der Ofen-
den Bauch, der in den Ofen oder in den Schornstein abgeführt wird; heutzutage wird nicht selten in eine solche Nische statt eines Kienspans eine Petroleumlampe hineingestellt. Bei den Grr. fehlen die oben beschriebenen Beleuchtungsvorrichtungen in Form eines Kegels oder einer Nische gänzlich. Sie bedienen sich des Kienspans fast ausschließlich in Form von langen und dünnen Birken- und
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Vili. Die Wohnung.
Espeiispänen, und gebrauchen das harzige Fichtenholz nur, wenn sie mittels einer Fischgabel Fische fangen (§ 31) ; auch verwenden sie es zum Teerbrennen (§ 60). Beim Anzünden wird der dünne Kienspan mit einem seiner Enden zwischen die Zacken einer eisernen Gabel (sog. 3yÖH, eigentlich Zähne) eines besonderen Leuchters (sog. CBeTéi;, s. Abb. 228 u. 229) gesteckt. Ein hölzerner oder, seltener, eiserner Stab von 1 m Länge oder auch mehr, steht aufrecht auf zwei kreuzförmig zusammengelegten Stäben oder auf einem breiten viereckigen Brett. An das obere Ende des aufrechtstehenden Stabes wird eine eiserne Gabel von verschiedener Form mit 2—δ Zacken angebracht, zwischen die das eine Ende des breimenden Kienspans gesteckt wird. Neben dem Leuchter steht ein Behälter mit Wasser, in den die glühenden Kohlen herabfallen. Damit das Feuer nicht erlischt, muß man öfters das abgebrannte Ende abbrechen und den zu Ende brennenden Kienspan durch einen neuen ersetzen. Abb. 229 zeigt die oberen Enden grr. Leuchter; davon sind drei durchweg von Eisen und einer von Holz; sie haben mehrere Gabeln und sind etwa einem Kronleuchter ähnlich eingerichtet, so daß mehrere Kienspäne gleichzeitig darauf brennen können. Bei den Wr. sind ähnliche Leuchter üblich, obgleich es zuweilen vorkommt, daß ein Ende des brennenden Kienspans einfach in eine Wandritze gesteckt wird; oder man schlägt in die Wand ein Stück Eisen ein, das einem dünnen Hufeisen ähnlich ist, die sog. 6á6na, und legt den Kienspan da hinein. Bei den Ukr. wurde ein Leuchter vom grr. Typus mit zwei Eisengabeln unter dem Namen CKájibHHK (δ a r k o 129) nur im Kreise Skvira, Gouv. Kijev, beobachtet; die Ukr. haben auch Leuchter aus einem Stück gebrannten Lehms mit Löchern gekannt. Ihre Löcher dienen dazu, um brennende Kienspäne hineinzustecken. Als vorherrschende Beleuchtung in der Ukraina gilt der sog. KaraHém. (grr. njiómna, caJibHim), d. h. ein irdenes Gefäß mit Fett oder Öl, in dem ein aus einem reinen Lappen angefertigter Docht (ukr. ΓΗΙΤ) schwimmt. Die Sanitätsrevision von 1924 zeigte, daß von 10000 ukr. Bauernhäusern 54°/ 0 mit einem KaraHêijb und 16°/ 0 mit Petroleumlampen ohne Lampenzylinder beleuchtet waren. Nach einem alten Brauch wird von Mariä Verkündigung (am 25. März) an bis zum Eliastag (am 20. J u l i a. St.) im Hause keine Beleuchtung gebraucht; die eigentlichen Arbeiten bei Licht beginnen erst am 1. oder 8., 14. September. Bei den Wr. ist es nicht üblich, den Kienspan von zwei Seiten zu brennen, denn mit den Stümpfen eines solchen Kienspans könne der Teufel einem Menschen sehr leicht Schaden zufügen. § 117. Was die Frage nach der Entwicklungsgeschichte des ostsl. Wohnhauses anbelangt, so kann der allmähliche Übergang vom einräumigen Hause zum zweiräumigen Hause mit einer Hausflur, und dann zu dem heute vorherrschenden dreiräumigen f ü r unbestritten gelten. Von den beiden zur Zeit existierenden ostsl. Haupttypen des Wohnhauses — Niederhaus und Stockhaus — muß man gewiß das Niederhaus, die niedrige Wohnung der Sgrr. und Ukr., die unmittelbar auf ebener Erde zu liegen kam, f ü r älter halten. Derartige niedrige Häuser, die unmittel-
§ 117. Entwicklung der ostslav. Wohnung.
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bar auf der Erde gebaut werden, kommen auch bei den Ngrr. im Bereiche des Stockhauses vor, freilich als ein offenbares Überbleibsel aus älterer Zeit; das ngrr. Niederhaus trägt den Namen noseMKa oder 3 H M Ó B K a , dient oft als Winterwohnung, zuweilen als Vorratskammer oder sogar als warmer Raum f ü r das Vieh; in einem solchen grr. Niederhause ist ein Ofen unbedingt notwendig. Doch schon im 14.—15. Jahrh. ist das Vorherrschen des Stockhauses im grr. Norden vorauszusetzen. U. a. wurde eben dieser Typus hoher Häuser von den Nggr. nach Sibirien übertragen; die Finnen haben ihn ebenfalls den Ngrr. entlehnt, wo er vorherrscht. Das Stockhaus konnte sich leicht aus der sog. KJiéTL· entwickeln, d. h. aus einer V o r r a t s k a m m e r , die von allen nördsichen Völkern, die kulturlosen Fremdvölker Sibiriens mit eingerechnet, auf hohen Pfosten eingerichtet wird, um die darin aufbewahrten Lebensmittelvorräte vor Tieren zu schützen. I n die grr. Vorratskammer (κλθτβ) führt auch jetzt noch immer eine Treppe aus der Hausflur, und der ποακλθτ, d. h. das untere unbewohnte Stockwerk, dient als altertümlicher Ritualort f ü r das Hochzeitslager der Neuvermählten. Die KJiéTB hat keinen Ofen, da sie meist nur als Vorratskammer gebraucht wird. Sobald aber in der Vorratskammer ein gewöhnlicher Ofen eingerichtet wurde, verwandelte sie sich in ein Stockhaus. Die Entwicklung des grr. Stockhauses wurde wahrscheinlich nicht wenig von der Kirchenarchitektur beeinflußt: die ostsl. Kirchen wurden immer und überall nicht unmittelbar auf der Erde gebaut, sondern auf einem hölzernen Unterbau. Die hohen grr. ποΜτη unter der Decke des Hauses sind auch der Kirchenarchitektur entnommen worden, wovon ihr griechischer Name Zeugnis ablegt; das gänzliche Fehlen der ποπάτπ im Süden, bei den Ukr., beweist aber, daß sie nicht direkt aus Griechenland übernommen wurden. Der Einfluß der Normannen auf das grr. Stockhaus hat sich in geringerem Maße fühlbar gemacht. Eine unstreitige Spur dieses Einflusses, die moBHuma (§ 115) hat nur sehr geringe Verbreitung gefunden, nur im Gouv. Archangelsk und teilweise Olonec; der róoi6eu trägt auch einen skandinavischen Namen und ist überall im Bereich des ngrr. Stockhauses verbreitet, aber seine Rolle in der Architektur des ngrr. Hauses ist im allgemeinen eine geringe. Über das ngrr. Stockhaus ist noch zu bemerken, daß es sich keineswegs aus dem jDaehboden entwickelt hat, wie es ζ. B. bei dem zweiten Stock des Slovenenhauses der Fall ist. Die Lebensbedingungen im Norden haben überhaupt die Entwicklung hoher Wohnhäuser gefördert: die Wälder gewähren reichliches Baumaterial, verlangen aber gleichzeitig einen besonderen Schutz gegen Raubtiere; zum Kampf gegen den hohen Schnee im Winter und das Hochwasser im Frühling ist das Stockhaus eher geeignet als das Niederhaus, ganz besonders, wenn es mit dem H o f e vereinigt ist. Es ist schwerer, die Frage über die Einrichtung des ältesten ostsl. N i e d e r h a u s e s zu entscheiden. War es ursprünglich ein Flechtwerk, eine Erdhütte oder ein Balkenbau? Das hohe Alter des Srotbaues bei den Ostsl. unterliegt keinem Zweifel; es wird auch durch die Berichte der
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Vili. Die Wohnung.
Chroniken bezeugt (xopÓMH ργβήτπ) und durch die weite Verbreitung des Srotbaues bei allen Ostslaven ohne Ausnahme. Das Flechtwerk ist im Norden, bei den Ngrr., gar nicht bekannt. Ein Ständerwerk mit Balkenfüllung ist allen Ostsl. bekannt, aber nur die Ukr. benutzen es als Wohnhaus, die Grr. dagegen ausschließlich als unbewohnbare Bauten, und am meisten als Umzäunung. Es sind Gründe vorhanden, der Vermutung Raum zu geben, daß der ursprüngliche Typus der ostsl. Wohnung ein niedriger gesrotener B a u gewesen ist, mit einem ebenfalls niedrigen Ofen aus Steinen, dessen Mündung auf ebener Erde gewesen ist. Die alten Chroniken nennen einen solchen Bau hctoöksl Heutzutage ist es die wr. C T Ó n n a , C T e ß n a , n c i ^ i i K a , B a p é B H f l , ukr. ajjeßKa, eine ,Vorratskammer mit Ofen'; bei den Grr. ist das die bewohnbare noaeMna. Wenn so eine Stube mit dem Flur des Wohnhauses nicht verbunden, sondern apart gebaut ist, dann erscheint sie als eine einräumige Wohnung. Trotz ihrer Altertümlichkeit trägt die HCTOÔKa: 1136a doch einen deutschen N a m e n : ihre Quelle ist ahd. s t u b a . Nach L. N i e d e r l e s Ansicht haben die Slaven das ahd. s t u b a in der Bedeutung eines Raumes mit einem Ofen entlehnt, dabei bezeichnete es einen Raum, der nicht als Wohnung, sondern als Badestube diente. Früher hatten die Slaven Backöfen nur außerhalb der Wohnung; innerhalb des Wohnhauses werden nur offene Herde eingerichtet. Nach den Berichten der Chroniken diente die altr. HCTOÖKa sehr oft als Badestube. Nach der neuen Theorie V i k t . v o n G e r a m b s bedienten sieh die Slaven eines offenen Herdes zum Speisekochen und auch zur Gewinnung von Dampf während des Bades. Als um den Herd herum ein Ofen aus Steinen entstanden war, erhielt sich doch noch die alte Gewohnheit, auf derselben Feuerstelle zu kochen, und die Slaven fingen an, innerhalb der geschichteten Steine ihr Essen zu kochen. Der Raum mit einem solchen Ofen diente gleichzeitig auch als Baderaum. Die Deutschen, denen das römische Wannenbad ( b a l n e u m ) unter dem Namen s t u b a schon bekannt war, bezeichneten mit demselben Worte auch das orientalische Schwitzbad, mit dem sie durch slavische Vermittlung bekannt geworden sind. Aber die Deutschen benutzten den orientalischen Ofen nur als Badeofen, nicht als Kochofen: wie ehedem kochten sie auf ihrem Herde. Ein Teil der Slaven übernahm von den Deutschen die Gewohnheit, den Baderaum vom Kochraume zu unterscheiden, und entlehnte von den Deutschen das Wort H36á in der Bedeutimg eines von dem Wohnhaus abgesondert stehenden Baderaumes. Bei den anderen Slaven ging die Absonderung der Badestube von dem Wohnhause später und ohne deutschen Einfluß vor sich, und sie nannten den abgesonderten Baderaum entweder mit dem römischen Worte 6aHH oder mit ihrem eigenen πάβΗΗ. Erst viel später erhielt die slav. Η3δά, auch wieder durch die Deutschen, ihre neue Bedeutung einer Ofenstube mit einem Kachelofen. Neben dem gesrotenen Wohnhause hat sich bei den Ostsl. die , H a 1 b e r d h ü t t e ' erhalten, ein leichter Bau über einer Grube. Die Ukr. nennen solche Erdhütten am häufigsten norpnôéqb, etwa „Kellerwohnung" (Oiwc.
§ 117—118. Entwicklung der ostslav. Wohnung. Bräuche und Aberglauben.
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pyKon. I I , 631). . Eine Reminiszenz an die früheren Erdhütten darf man in dem ukr. Brauch sehen, den Bau eines Wohnhauses mit dem Dache zu beginnen: zuerst wird auf ebener Erde ein apartes Dach gemacht und dann nach der Größe des Daches das H a u s selbst gebaut. Die xáTa haben die Ostsl. wahrscheinlich in der Bedeutung eines Baues entlehnt, der aus Lehm gemacht oder mit Lehm bestrichen wurde. § 118. Die G r u n d s t e i n l e g u n g eines neuen Hauses, ebenso wie der Umzug in ein neues Haus wird von besonderen B r ä u c h e n begleitet. Vor allem wird sehr viel Wert auf die Wahl des Platzes f ü r das neue Haus gelegt. So darf man das Haus nicht dort bauen, wo früher ein Weg gewesen ist odér wo ehedem eine Badestube gestanden hat: hier wäre die teuflische Macht nahe. Bei der Wahl eines Platzes f ü r den Bau eines neuen Hauses wird mit H i l f e von Brot, Wasser oder Wolle gewahrsagt; man läßt Getreidekörner oder Stücke gebackenen Brotes die Nacht hindurch liegen: das Verschwinden oder eine Verminderung der hingelegten Gegenstände bedeutet, daß die betr. Stelle unheilvoll ist; wenn ein solches Wahrsagen schon an den Ecken des ersten Balkenkranzes geschieht, so wird zuweilen je nach dem Ergebnis des Wahrsagens der in Angriff genommene Bau an einen anderen Ort übertragen. Wenn trockene Schafwolle, die über Nacht unter einen Topf gelegt wurde, gar keine Feuchtigkeit aufgenommen hat, so soll nach dem Volksglauben das Haus an einer solchen Stelle arm sein. Die Ngrr. in Sibirien werfen beim Wahrsagen 3—4 runde Brötchen aus einem Sack: wo sie hinfallen, dort ist nach ihrem Volksglauben der glücklichste Platz f ü r ein Haus. Zur heidnischen Zeit wurde die Grundlegung eines neuen Hauses offenbar von dem Opfer eines Huhnes an den Hausgeist begleitet, der der Patron des Hauses sein sollte; die Mordwinen haben einen Volksglauben, wonach aus dem Blute dieses Opferhuhns der Patron des neuen Hauses, lopTaBa, geboren wird. Die Sgrr. im Gouv. Kursk und die Wr. im Gouv. Minsk vergraben bei der Grundsteinlegung eines Hauses einen Hühnerkopf unter der Hauptecke des Hauses. Die Ngrr. graben unter der Schwelle einer neuerbauten Badestube ein erwürgtes schwarzes Huhn ein, als ein dem Badegeist geweihtes Opfer. Eine neuere (wahrscheinlich mittelalterliche westeuropäische) Deutung dieses Brauches geht von dem Gedanken aus, daß jeder neue Bau auf „jemandes H a u p t " (Ha Hbio-jiHßo rÓJiOBy) abgesehen ist, d. h. es soll darin bald jemand sterben, indem er dadurch das H a u s weiht. Deshalb hauen die Sgr. schon beim Eintritt in ein neues H a u s einem H u h n auf der Schwelle der Stube den Kopf ab, und dieses Huhn wird nicht gegessen. Nach der Ansicht der Perejaslavschen Ukr. ist es f ü r einen Fremden gefährlich, bei der Grundsteinlegung eines Hauses anwesend zu sein: der Meister kann es bei dem Bau eines Hauses auf den Kopf dieses Fremdlings (Ha rónoBy) abgesehen haben, und dann würde er bald sterben. Im Zusammenhang mit dem Glauben läßt man in das neue H a u s zuerst Tiere — einen H a h n oder eine Katze, besonders von schwarzer Farbe — eintreten; es kommt zuweilen vor, daß lebensmüde Greise selbst als die ersten ein neugebautes Haus betreten.
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Vili. Die Wohnung.
Bei den Ngrr. sind einige Bräuche, die die Grundsteinlegung begleiten, offenbar mit dem Baumkultus verbunden : in die Erde wird eine wildwachsende Birke oder Eberesche (im Gouv. Vladimir) gesteckt oder mit Wurzeln eingepflanzt und in der Mitte eines zu bauenden Viehhofes eine Tanne (Gouv. Vologda); diese Tanne schützt das Vieh gegen Seuchen, gegen das Verlaufen im Walde und gegen Raubtiere und verleiht ihm Gesundheit und Fruchtbarkeit. Beim Legen des Deckenbalkens wird in der vorderen Ecke des im Bau befindlichen Hauses ein grüner Zweig aufgestellt, als Symbol der Gesundheit des Wirtes und seiner Familie. Schließlich sind auch verschiedene magische Bräuche weitverbreitet. I n die Ecken des ersten Balkenkranzes werden Münzen gelegt — silberne und kupferne —, Flocken Wolle, Getreidekörner oder Stücke Brot, womit angedeutet werden soll, daß das neue Haus gerade an diesen Dingen reich sein wird. H i e und da (Gouv. Vologda) kommt dieses Geld den Zimmerleuten zugute, bei ärmeren Wirten wird es sogar als ein Teil des Arbeitslohnes angesehen. Beim Heben des Deckenbalkens auf die Wände des Hauses wird ein Laib Brot, zuweilen auch Salz, Branntwein u. ä., in ein Tischtuch oder einen Pelz eingewickelt und an den Balken gebunden ; zuweilen streut einer von den Baumeistern des Hauses Getreidekörner und Hopfen umher. Sobald der Deckenbalken an seinen Ort gelegt ist, haut ein Zimmermann mit dem Beile den Strick entzwei, mit dem das Bündel an den Balken gebunden war ; dieses fällt dann entweder auf den Fußboden (indem es u. a. Material zum Wahrsagen abgibt) oder es wird von den Untenstehenden mit den Händen aufgefangen. Eine reichliche Bewirtung der Zimmerleute, auch mit Wein, beschließt diese Zeremonie, wie auch viele andere Momente des Neubaues. Nach einem ukr. Aberglauben dürfen die Zimmerleute nicht den Deckenbalken (MáTHija; ukr. cbójiok) mit dem Kopfbeil oder Bläuel schlagen; sonst würde das den Bewohnern des Hauses immer Kopfschmerzen einbringen. Zum U m z ü g e i n d a s n e u e H a u s wird ein glücklicher Tag vor dem Vollmond gewählt, damit man alles vollauf hat; der Umzug selbst geschieht unbedingt mitten in der Nacht. Anfangs läßt man in dem neuen Hause nur Tiere übernachten ; die Wr. tun das während der ersten sechs Nächte : die erste Nacht übernachtet dort ein Hahn und ein Huhn, die zweite eine Gans oder ein Kater mit einer Katze, dann ein Ferkel, ein Schaf, eine Kuh, ein Pferd und erst in der siebenten Nacht kommt der Wirt selbst dort an, wenn die Tiere unversehrt geblieben sind. I n das neue Haus zieht man mit dem Feuer vom alten Herde ein, mit Brot oder mit Teig im Trog, mit dem Hahn und der Katze, wenn diese dort noch nicht übernachtet haben; der Hausgeist (flOMOBÓü) wird besonders eingeladen, in das neue Haus zu ziehen; die Ngrr. schleppen den Ofenquast oder die Ofenschaufel in das neue Haus, als ob der Hausgeist darauf säße (Kreis Balachná); in das Erdgeschoß des neuen Hauses legt man f ü r den Hausgeist ein kleines Brötchen mit Salz und stellt dazu eine Tasse mit Wasser (Kreis Belozérsk). Am frühen Morgen des andern Tages ladet man einen befreundeten Nachbar ein und bewirtet ihn reichlich, damit nicht ein böser Mensch zuerst
§ 118—119. Bräuche und Aberglauben.
Literatur zu Kap. VIII.
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das H a u s betritt. Die zur Übersiedlung, HOBocénte (ein Fest, das derjenige veranstaltet, der in ein neues H a u s gezogen ist), kommenden Nachbarn und Verwandten bringen Geschenke mit, einen Laib Brot, Salz, einen Löffel u. dgl., auch Geld, das auf das Wandbrett mit dem Heiligenbilde gelegt wird. Von den einzelnen Teilen der Wohnung spielt der Ofen im R i t u a l die größte Eolle. E r ist, wie es scheint, das direkte Erbstück des früheren Herdes. D e r Ofen spielt eine bedeutsame Rolle im Hochzeitsritual, wenn ein neues Mitglied in die Familie aufgenommen wird; im Begräbnisritual, wenn die Familie eines ihrer Mitglieder einbüßt; in den Gebräuchen, die die Gedächtnisfeier der Verstorbenen begleiten, d. h. im Ahnenkultus, in der Volksmedizin (z. B. das sog. n e p e n e K á H b e , , das nochmalige Backen eines kranken Kindes auf einer Brotschaufel') usw. I n den Gebräuchen, die den Ofen (vgl. § 47) und das verschiedene Ofenzubehör betreffen, haben sich zwei verschiedenartige Kulte verflochten: der des Hausherdes oder der Ahnen und der des Feuers. Wenn der Ukr. sich eines Schimpfwortes enthalten will, so pflegt er zu sagen: ,.CKA3ÁB 6H, TA n i l y xáii" (etwa: ,ich würde es schon sagen, aber der O f e n ist in der Stube'). Die vordere Ecke gilt- als Ehrenplatz und wird in manchem R i t u a l als besonders ehrenvoll angesehen, besonders bei den Mahlzeiten. Die Stubenschwelle hat auch die Bedeutung eines geheiligten Ortes; u. a. verbietet ein alter Brauch das Sitzen oder Stehen auf der Stubenschwelle; ebenso läßt er nicht zu, jemandem etwas über die Schwelle hinweg zu reichen oder von jemandem in E m p f a n g zu nehmen, ja sogar sprechen darf man nicht mit einem andern über die Schwelle hinweg. § 119. Literatur. Der o s t s l a v . W o h n u n g sind die meisten Monogragraphien K. R h a m m s gewidmet: Die ostslavische Wohnung (Ethnographische Beiträge zur germanisch-slavischen Altertumskunde. Abteilung 2 : Urzeitliche Bauernhöfe im germanisch-slavischen Waldgebiet. Teil 2, Buch 1 : Germanische Altertümer aus der slavisch-finnischen Urheimat. Buch 1. Braunschweig 1910). Vgl. die Rezension von D. Z e l e n i n : Archiv f. slav. Philologie XXXII (1911), Nr. 3—4, S. 594—605 ; in R h a m m s Untersuchungen sind die Etymologien der architektonischen Fachausdrücke recht schwach, manche Schlüsse über die Abhängigkeit der slav. Wohnung von der germanischen sind wenig begründet, aber die verschiedenen Arten der ostslav. Wohnung, die der Verf. detailliert untersucht hat, sind in ein wohlgeordnetes System gebracht. Über die a l t s l a v . W o h n u n g vgl. das Buch von L. N i e d e r l e , Kap. 5, S. 683ff., oben in § 110 erwähnt; dann die Arbeit V. v. G e r a m b s , zitiert in § 114: Die Kulturgeschichte der Rauchstuben und d e s s e l b e n Autoreferat : Zur Geschichte der germanisch-slavischen Hauskultur (Zeitschr. f. slav. Phil. I [1925], Nr. 3—4, S. 319—328). Über die g r r . W o h n u n g vgl. M. J e d e m s k i j ' s in § 110 genannten Aufs a t z . V . S u s l o v : Ο πρβΒΗΗχτ. s e p e B H H H t i x i π ο ο τ ρ ο ϋ κ β χ τ . cijBepHHXT. O K p a i i H t POCCÌH (TpysH Viro Apxeoji. C i t e r a I, Odessa 1886, S. 253—267); daraus sind A b b . 2 0 4 u . 2 0 8 e n t n o m m e n ; M . S i n o z e r s k i j : . H o M a i u H i ñ 6HTT. K p e c T t H H i . J l e BOICKOÄ BOJÍO ERA B o p o B H W K a r o y-íia^a H o B r o p o f l C K . ry6. (JKHB. G r a p H H a IX [1899],
Nr. 4, S. 403—435) ; die Arbeit von P. J e f i m e n k o , erwähnt in § 35, und Ν. I v a n i c k i j , genannt in § 22 (hieraus Abb. 228). A. N e k r a s o v : PyccKoe HapoflHoe HCKyccTBO, M. 1924, wo Kap. I, S. 8—83, der Architektur gewidmet ist: sie enthält viele Ungenauigkeiten, Ζ. B. Abb. 38 mit der Unterschrift ,,KOCTHHLI8 ΙΠΠΗΠΒΚΗ" (Haarnadeln aus Bein), entnommen der Studie „Peasant Art in Russia" 1912, Z e l e n i n , Boss. (Ostslav.) Volkskunde.
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I X . Das Familienleben.
Abb. 228—235 (wie auch alle übrigen Abbildungen ohne Hinweis auf die Quelle) stellt eigentlich Fingerzeige zum Lesen für Analphabeten dar; manche Etymologien sind unwissenschaftlich; die Betrachtungsweise ist nicht die eines wissenschaftlichen Volkskundlers, sondern die eines Künstlers. Über die a l t e g r r . W o h n u n g vgl. K o s t o m a r o v , erwähnt in § 55, und I. Z a b e l i n : floMauiHitt 6HTT> pyccKHXT. uapett BT. 16 H 17 BÍKAXT., Teil. 1, M. 1862 (3. Aufl., M. 1895). Über einzelne die grr. Wohnung betreffende Fragen siehe : V. S m i r n o v : KpecTbHHCKan 1136a H en ptaHue yuparneHÌH BT. MaKapteBCKOMi y. KoCTp. ry6. (TpyflH Κοοτρ. HayîH. 06m. no Hsyiemio Mtcraaro upan I I I , 1915); daraus sind hier Abb. 223—224 entnommen. A. S y r o p a t o v : Οτρ&)κβΗΗΗ lyKOBHmHoro CTHJIH Β a p x H T e K T y p e KpecTtHHCKHx ποοτροβκ üepMCKoro upan (IlepMCKHít KpaeBe^HecKHft cöopmiK, Lief. 1. Perrfi 1924). Über die w r . W o h n u n g siehe: A l . C h a r u z i n : CjiaBHHCKoe jKHjinme BT. Cißep0-3anaflH0MT. κρβΐ., Wilna 1907; diesem Buche sind hier Abb. 202—203 u. 212 entnommen ; Μ. Κ o s i c : O nocTpoftKaxT. KpecTbHHHHa HepmiroBCKofi ry6. ΜΓΠΗΗCKaro y. (JKHB. CTap. X V , 1906, Nr. 1, S. 74—93); daraus stammen die Abb. 206 u. 209; die Arbeiten von R o m a n o v , N i k i f o r o v s k i j und A n i m e l l e , erwähnt in § 22, und è e j η, zitiert in § 35. Über die u k r . W o h n u n g : M. Z u b r y é ' k y j : CejiHHCbKi ßynuHKH Β Minami, GrapocaMSipCLKOro noBÍTy (MaTep. « o yKp. eTHOJitoriï XI, 1909, S. 1—22); M. R u s so ν : IIoceJieHiH Η ποοτροϋκκ KpeçTtHHT. ΠΟΛΤ. ryß. (CöopHHKT. Xapi>K. HcTopφΗΛΟΠΟΓ. 06m. X I I I , 1902, T. 2, S. 73—120) ; daraus stammen Abb. 213, 225 u. 227 ; W . C h a r uz i n a : 3 a M Ì T K H o KpeoTbHHCKOMT. jKHJinmt ΒΈ ΒβρχΗββΗ·ϊ;προΒοκοΜΐ> y. EKaTepHHOcnaBCK. ry6. (ΒτΗΟΓραφκ^βοκ. Oöoep. L X V — L X V I , 1905, Nr. 2—3, S. 127—147) ; daraus entstammt Abb. 205 ; A1. S a r k o : MajiopocciñCKoe «Hjmme (ibd. X L Y I I , 1900, Nr. 4, S. 119—131); die Arbeiten von C u b i n s k i j , erwähnt in §22, sowie von S u c h e v i c , zitiert i n § 8 7 ; R . K a i n d l : Haus und Hof bei den Huzulen (Mitteil. d. Anthrop. Gesellschaft in Wien, X X V I ) ; d e r s. : Bei den Huzulen im Pruthtal. Ein Beitrag zur Hausforschung in Österreich (ibd. 1897); M. M o h y l c e n k o : ByflienH Ha HepmiriBmHHi (MaTep. yKp. eTHOJitorii I, 1899, S. 79—95). Die hier gebotenen Abbildungen sind entnommen : Abb. 207 u. 215 dem Aufsatze von N. M o g i l ' a n s k i j : Πο-FEAAKA BT. i;eHTpani>Hyio Pocciio AJIH coSupaHi« 3ΤΗ0Γρ3φ. KOJiJieKijijl (MaTep. no ^τH0ΓpaφiH POCCÌH I, Petersburg 1910) ; Abb. 214 dem Aufsatz von Th. Y o 1 k ο ν , erwähnt in § 6. — Die Abb. 226 u. 229 sind nach Stücken des Russ. Museums in Leningrad gemacht; Abb. 210—211, 219 — 220 nach Photographien desselben Museums; Abb. 198, 221—222 nach Photographien und Zeichnungen des Museums der Sloboda-Ukraina in Charkov. Zur Literatur über das R i t u a l vgl. P . S e j n : JKeHHTböa KÓMHHa (ΘΤΗΟ^ Φ Η Η . 06o3p. X X X V I I I , 1898, Nr. 3, S. 152—160); A. D y m i n s k i j CyeBispHBie OÖpHflU npH ποοτροκκΐ ROMa BT. KaMeHeiVb-NOROJIBCKOÍÍ ry6. (ΘΤΗΟΓρβφ. CSopHHKl ΓβθΓρ8φ. OßmecTBa VI, Petersburg 1864, Varia: S. 7—8).
IX. Das Familienleben. § 120. Die Niederkunft. § 121. Die Taufe. § 122. Das Reinigungsritual der Wöchnerin und der Hebamme. § 123. Die Kinderwiege. § 124. Erziehung des Kindes. § 125. Das Haarschneiden. § 126. Das Hochzeitsritual : Schichtungen aus verschiedenen Zeitaltern und ihr Schicksal bei den einzelnen Volksstämmen. § 127. Die ukr. Hochzeit. § 128. Rituelles Hochzeitsbrot und das geschmückte Bäumchen. § 129. Die rituelle Waschung der Neuvermählten. § 130. Die grr. Hochzeit. § 131. Die geheimen Hochzeiten. §§ 132—133. Das Begräbnis. § 134. Die Bestattung ohne Grab (durch Hinauswerfen des Leichnams). § 135. Trauer und Klage. § 136. Die Totenfeier. § 137. Literatur. § 120. In dem Ritual, das die G e b u r t e i n e s K i n d e s begleitet, treten drei Hauptmomente stark hervor: 1. die Geburt selbst, 2. die Aufnahme eines
§ 119. Literatur zu Kap. VIII. — § 120. Niederkunft.
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neuen Mitgliedes in die Gemeinde und 3. die Reinigung der Mutter und der Hebamme. Die handelnden Personen im ersten sind: die Wöchnerin, die Hebamme und der Mann der Wöchnerin. Die Wöchnerin verheimlicht auf das sorgfältigste das Herannahen und den eigentlichen Moment der Niederkunft; es herrscht die feste Überzeugung, daß die Leiden der Wöchnerin um so stärker werden, je mehr Leute von der vor sich gehenden Entbindung wissen. Besonders sorgfältig verheimlicht man dieses vor den unverheirateten Mädchen, besonders vor alten Jungfern, ebenso auch vor listigen und bösen Menschen, die einen Schaden zufügen (HcnópraTb) können (durch den bösen Blick u. dgl. m.). Das bezieht sich nicht nur auf die Menschen, sondern auch auf die gebärenden Tiere, und es kommt zuweilen vor, dai! ein Hauswirt absichtlich einen wohlwollenden Menschen in sein Haus zum Besuch einlädt, bis seine K u h oder ein anderes Tier glücklich niedergekommen ist. Als O r t d e r N i e d e r k u n f t dient sehr oft ein unbewohnter Kaum: die Badestube, der Viehstall u. dgl. ; oft wird man auch auf dem Felde während der Arbeit entbunden. Die Wr. des Gouv. Minsk haben sogar einen besonderen Namen f ü r Neugeborene, die auf dem Felde während der Getreideernte zur Welt gekommen sind: jkAthh^kh (etwa „Roggenkindlein"). Die Wöchnerin bemüht sich auf jegliche Weise, sich des Schreiens vor Schmerzen zu enthalten, um nicht von den Nachbarn gehört zu werden. Die Hebamme wird erst nach geschehener oder wenigstens bei begonnener Niederkunft geholt. Die Hebamme muß eine ältere F r a u sein, die selbst Kinder gehabt hat; ehrenhafte Witwen und überhaupt Frauen, die ein sittenstrenges und keusches Leben führen, werden bevorzugt. Junge Mädchen und junge Frauen hält das Volk zu solchen Zwecken f ü r ungeeignet, daher wendet man sich in solchen Fällen selten an geschulte Hebammen. Bei schwerer Niederkunft greift man zu magischen Mitteln: alle Anwesenden, die Wöchnerin nicht ausgenommen, nehmen den Gürtel ab, knöpfen den Kragen auf, lösen alle Knoten, auch die Zöpfe, öffnen den Ofenschirm, sowie alle Schlösser und Türen, auch Kasten ; in schwierigen Fällen bittet man den Priester, die heilige Kirchenpforte (qápcKwe BpaTa, die zum Altar führende Tür) zu öffnen. Die Wöchnerin nötigt man herumzugehen, vor allem führt man sie dreimal um den Tisch in der Stube, man läßt sie über einen Besen schreiten, über das Schulterjoch, über das Krummholz, über ihren Mann, der mit dem Gesicht nach unten auf der Schwelle liegt, auch über die Hose des Mannes; im äußersten Falle hängt man sie an den Beinen auf. Mitunter steckt man ihr das Ende des Zopfes in den Mund, gibt ihr Läuse zu essen und greift zu anderen Mitteln, um Erbrechen, Schrecken hervorzurufen; auch nötigt man die Wöchnerin ihre Muskeln anzustrengen, indem man sie in eine leere Flasche blasen läßt und ihr zuredet, sich mit den Händen an einen an den Querbalken gebundenen Strick zu hängen u. dgl. m. Die Anwesenheit des Mannes ist nicht obligatorisch und seine Bolle ist meistenteils passiv. Doch sind bei den Wr. offenbare Überbleibsel der C o u ν a d e hier und da vorzufinden. I n Frauenkleidung, zuweilen mit einem Frauenhemd oder einem Rock bekleidet oder mit einem Tuch auf dem Kopf, stöhnt 19*
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IX. Das Familienleben.
der Mann während der Entbindung. Weitverbreitet ist die Überzeugung, daß die Geburtswehen von der Frau auf den Mann übertragen werden können. Einige Zauberinnen können es durch ihre Zauberkünste so weit bringen, daß der Mann statt seiner Frau die Geburtswehen zu ertragen hat, und das soll schon während der Hochzeit ausgeführt werden. Von den Wr. wird folgender Fall berichtet: ein junger Ehemann erkannte die Autorität seiner Frau höher als die eigene an, und das sollte schon in einem äußerlichen Hochzeitsritual ausgedrückt werden : die Frau hatte dreimal über ihren Mann hinwegzurollen ; „durch dieses Ritual verpflichtete sich der Ehemann gleichsam, die Geburtswehen der Frau auf sich zu nehmen und sein Mitgefühl zu den Leiden der Frau durch Stöhnen auszudrücken" ( D o b r o v o l ' s k i j ) . Aus dem Kreise Jel'na, Gouv. Smolensk, ist noch folgender wr. Brauch vermerkt worden: an die Genitalien des Mannes, der auf dem hohen Gerüst in der Stube lag, wurde ein langer Faden gebunden, dessen freies Ende zu dem Lager der Wöchnerin herabhing; wenn diese vor Schmerzen stöhnte, so zog die an ihrer Seite sitzende Hebamme an dem Faden, was unwillkürliches Stöhnen des Mannes hervorrief ( D o b r o v o l ' s k i j ) . Hier und da tränkt der Ehemann die Wöchnerin mit Wasser aus seinem Munde; stellenweise müssen das auch diejenigen Mädchen tun, die zufällig von der begonnenen Entbindung erfahren haben. Zuweilen läßt man den Gatten dreimal zwischen den Beinen der aufrecht stehenden Wöchnerin durchkriechen (Gouv. R'azaA). Zur Beschleunigung und Erleichterung einer schweren Niederkunft wird Salz auf die Schwelle und auf die Ecken des Tisches geschüttet; hier und da (Kreis Sebei) beschmiert man den Bauch mit dem Blute eines weißen Hahnes. Die zurückgebliebene Placenta (t6cto) sucht man mit Schnalzen der Lippen, mit dem Lockruf für Katzen („khc-khc") oder Hühner „tzip-tzip" („uun-utm!") usw. herauszulocken. Wenn die Entbindung unerwartet kommt oder die Wöchnerin dabei ganz allein ist, dann durchbeißt sie mit ihren eigenen Zähnen die Nabelschnur und umbindet sie mit Haaren von ihrem eigenen Zopf. Die Hebammen verbinden die Nabelschnur oft auch mit den Haaren der Mutter, indem sie dazu hier und da noch von früher her zurückgelegtes Kopfhaar des Vaters (Vel'sk) oder .Flocken von Flachs hinzufügen ; manchmal verbindet man sie auch nur mit Flachs, der wie Garn zusammengerollt ist, oder mit den Fasern einer weiblichen Hanfpflanze oder auch mit ungebleichtem Zwirn. Die Nabelschnur wird mit einem Messer oder einer Schere durchschnitten, zuweilen aber wird sie von der Hebamme mit den Zähnen abgebissen, um einem etwaigen Leistenbruch bei dem Kinde vorzubeugen ; die durchschnittene Stelle wird mit frischer Butter oder mit Öl eingeschmiert. Einem neugeborenen Mädchen wird die Nabelschnur fast immer auf einem Spinnrocken oder einer Spindel abgeschnitten, damit es geschickt im Spinnen werde; einem Knaben wird sie an einem Beile abgeschnitten; die Grr. tun es auf einem Bastschuhleisten, zuweilen auch auf einem Buche, um den Neugeborenen zu einem geschickten Handwerker oder einem schriftkundigen Menschen zu machen. Ein Stück Nabelschnur wird zuweilen getrocknet und sorgfältig eingewickelt aufbewahrt; wenn man sie einer er-
§ 120. Niederkunft.
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wachsenen Tochter zum Aufbinden gibt, so soll diese eine geschickte Näherin werden (Poltava), und wenn man eine unfruchtbare F r a u die Nabelschnur aufessen läßt, so wird sie von ihrer Unfruchtbarkeit geheilt. Am häufigsten jedoch vergräbt man die Nabelschnur zusammen mit der Placenta in die Erde, — meistenteils unter dem Fußboden oder unter dem Grundbalken (aaKJiaAHÓe βρβΒΗό) des Hauses oder an einem anderen stillen und reinen Ort. Vorher wird die Placenta abgewaschen, mit einem reinen Lappen umwickelt und in ein Stück Baumrinde oder einen alten Bastschuh hineingelegt, sehr oft zusammen mit einem Stück Brot, mit Getreidekörnern oder einem Ei, damit das Kind reich werde. Wenn die Placenta nicht, wie es sich gehört, vergraben wird, dann bedeutet das f ü r die Wöchnerin Krankheit; an der Stelle, wo die Placenta vergraben wird, sät man zuweilen H a f e r oder Gerste: die Keime einer solchen Saat werden, wenn sie 5 cm hoch sind, abgeschnitten und abgetrocknet, um dann als Arznei gegen Kinderkrankheiten benutzt zu werden. — Wenn man wünscht, daß statt Mädchen Knaben zur Welt kommen sollen, so vergräbt man die Placenta, nachdem man sie in das Eückenunterfutter eines Männerhemdes eingewickelt (Gouv. Vladimir). Wenn das Kind in einem „Hemde" geboren wird, so verwahrt man dieses als Symbol des Glückes und trägt es als Amulett am Halse. Die Hebamme empfängt das neugeborene Kind öfters in ein grobes Sieb (perneTÓ), das den Schutz des Kindes vor zukünftigen Unglücksfällen bezweckt. Am häufigsten jedoch wickelt man das Kind in ein altes Hemd seines Vaters, wenn es ein Knabe ist, oder in ein solches seiner Mutter, wenn es ein Mädchen ist. Fast immer streichelt die Hebamme den Kopf des Neugeborenen mit ihren Händen, um ihn so rund als möglich zn machen; ebenso verfährt sie mit der Nase, indem sie die Nasenlöcher zusammendrückt, damit sie nicht allzu platt und breit werden. Bald nach der Entbindung gibt man der Wöchnerin Wein mit Galgantwurzel (Marantha galanga) und anderen Zutaten zu trinken, füttert sie mit Rettich, Brot und Salz oder Hafermehl. Als Schutz gegen die teuflischen Mächte wird der Wöchnerin ein Messer unter das Kissen gelegt, außerdem wohlriechende Kräuter und drei zusammengeklebte Wachskerzen; zu demselben Zweck stellt man die Ofengabel mit den Spitzen gegen den Ofen, und wenn die Wöchnerin zur Stube hinausgehen muß, so nimmt sie diese Ofengabel als Stab mit (vgl. § 97). Bei den Grr. dient ihr auch eine abgebrochene Besenrute oder ein ganzer Besen als Schutz. Das Kind wird zum Schutz auch mit Hauch. umgeben: ein Stück eines Kleidersaumes wird verbrannt; die Wr. hängen über der Wiege einen Wolfszahn a u f ; die Ukr. legen in den Ärmel ' des Hemdes, in welches das neugeborene Kind eingewickelt wird, ein Bündelchen mit Kohle, einem Stückchen Lehm aus dem Ofen (nemraa) und einem Stück Brot mit Salz oder statt dessen Salz und eine Kerze; ein anderes Bündelchen mit ebensolchen Sachen wird an einem Kreuzwege mit den Worten fallen gelassen: Ha το6ί, Μόρτθ, nJWTy! (etwa „da hast du, Teufel, deinen Lohn"). Um das Kind vor Kinderkrankheiten zu behüten, geht die nackte Hebamme mit dem nackten Kind auf dem Arm um die
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IX. Das Familienleben.
Badestube herum, indem sie eine Beschwörung ausspricht, durch die die Morgenröte alle möglichen Schmerzen dem Kinde benehmen soll. I n den Gebräuchen, die die Geburt eines neuen Menschen begleiten, bricht bei allen Ostsl. ganz offen die Meinung durch, daß die Wehen der Wöchnerin nicht durch natürliche Ursachen, sondern durch die teuflische Macht oder böse Menschen heraufbeschworen sind. Zur Umgehung der Schmerzen ist Heimlichkeit notwendig, damit weder der Teufel noch die bösen Menseben von dem Momente der N i e d e r k u n f t etwas e r f a h r e n ; dasselbe wird, vielleicht in geringerem Maße, durch verschiedene Schutzmittel erreicht. Die Wöchnerin, teilweise auch ihr Kind, die Hebamme und sogar der Ehemann, ebenso wie auch der R a u m selbst, wo die Entbindung vor sich ging, sind u n r e i n ; aber diese Unreinheit ist nicht so sehr physisch (vgl. § 107) als vielmehr geistig; das Innere des Menschen gilt überhaupt als etwas Unreines, hier aber erschließt es sich, entweiht die ganze Umgebung und lockt die böse Macht an sich. § 121. Wenn der erste Moment der zu betrachtenden Reihe von Gebräuchen bei der Geburt eines Kindes in strengster Heimlichkeit im intimen Kreise vor sich geht, so wird im Gegenteil der folgende A k t durch die Beteiligung der ganzen Gemeinde charakterisiert. Wenn die geheimnisvolle Zeremonie der Entbindung beendet ist, stellen die N g r r . des Kreises Gorochovec eine hohe Stange über der Badestube der Wöchnerin auf oder hängen ihr Hemd aus, das sie während der Niederk u n f t an hatte. Das ist ein Zeichen f ü r die Nachbarinnen, die Wöchnerin zu besuchen; dieser Besuch wird HÉBe^H, wr. y npÓBHflKH genannt. E s kommen nur verheiratete F r a u e n zu Besuch, und zwar nicht mit leeren Händen, sondern mit häuslichem Naschwerk, Kuchen, P f a n n k u c h e n u. dgl., was Ha 3y6ÓK (eigentlich „auf den Zahn") f ü r die Wöchnerin genannt wird, d. h. sie erscheinen mit einem Imbiß, um ihren Appetit zu reizen. Der Ehemann darf diese der F r a u dargebrachten Geschenke nicht essen, die Kinder aber dürfen sie genießen (Onnc. pynon. 136). Es existiert ein Brauch, alle Miteinwohner eines Dorfes zur T a u f m a h l z e i t zu laden, obwohl freilich nicht alle kommen (ibd. 310 u. a.). Bei den Grr. erscheinen hier und da (Kreis Vasil'sursk, Rzev) die Kinder aus dem ganzen Dorf bis zum Alter von 7—8 J a h r e n zur Taufgrütze (KpecTHUHan Kama), hauptsächlich die K i n d e r gleichen Geschlechts wie der Neugeborene; von den versammelten K i n d e r n sagt der Hauswirt halb im Scherz zu der das Essen bereitenden F r a u : camáft hx oôéflaTt, wo6 ohh Harnero N . (hobop o j K R e H H o r o ) β K p a n Ó B y H e nocaaróiH (etwa: setze sie zum Mittagessen, damit sie unsere(n) Neugeborene(n) nicht in die Brennesseln setzen (s. Onnc. p y K o n . 771). Anderswo t r ä g t jeder Gast etwas Grütze von der Taufmahlzeit in einem Tuch f ü r seine Kinder davon, d. h. obwohl abwesend, nehmen doch die Kinder wiederum teil an dem rituellen Taufessen. Endlich legen die erwachsenen Gäste während der Taufmahlzeit immer etwas Geld auf die Ritualgerichte, sei es Grütze oder K u c h e n ; einen Teil des Geldes bekommt die Hebamme, die Hauptsumme aber ist f ü r die Wöchnerin bestimmt. D a zur Taufmahlzeit alle Hauswirte des Dorfes eingeladen
§ 121. Die Taufe.
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werden, so haben wir hier einen klaren Hinweis darauf, daß die ganze Gemeinde den Neugeborenen und seine Mutter unter ihren Schutz nimmt. Alle diese Tatsachen geben uns das Recht, in diesem Teile des Niederkunftrituals den Akt der A u f n a h m e d e s N e u g e b o r e n e n i n d i e G e m e i n d e zu sehen. In diesem Momente herrschen christliche Züge, speziell das Sakrament der Taufe vor; das ganze Ritual trägt den Namen KpeCTHHH (Taufe) und die handelnden Personen darin sind der KyM und die KyMá (Gevatter und Gevatterin). Der Vater des neugeborenen Kindes verhält sich auch in dieser Phase des Ritus wiederum passiv. I n der Kirche bei der Vollziehung des Sakramentes der Taufe ist er, ebenso wie die Mutter des Kindes, nicht zugegen. Seine Abwesenheit erklärt sich augenscheinlich dadurch, daß er durch die Geburt seines Kindes als unrein, als entweiht gilt. Während der Ritualmahlzeit wird dem Vater des Täuflings ein Löffel voll stark gesalzener Grütze (der sog. nepecÓJi) gereicht, zuweilen mit einer Zutat von scharfen Gewürzen und Wein, und der Vater muß diese unangenehme Mischung aufessen. A. R e d ' k o sieht in dieser Tatsache die Reinigung des durch die Geburt entweihten Vaters mittels des Genusses von Salz (Salz ist ein Schutzmittel gegen die teuflische Macht); A. M a k s i m o v dagegen sieht darin einen Prüfungsbrauch, dem sich junge Leute bei Erreichung der Volljährigkeit unterziehen mußten (vgl. § 91). Soweit der Volljährigkeitsritus eine „Weihe" der Jünglinge war, widersprechen diese beiden Erklärungen einander gar nicht: die erste Auffassung konnte sich sehr leicht auf der Grundlage der anderen entwickeln. Was die G e v a t t e r s l e u t e anbelangt, so können sie als Vertreter der Gemeinde angesehen werden, als Vermittler zwischen der Gemeinde und dem (unreinen?) Vater des Kindes. Bei allen Ostslaven ist ein Brauch weit verbreitet: Wenn das erste Kind gestorben ist, ist es üblich, f ü r das zweite Kind die ersten besten Menschen zur Gevatterschaft aufzufordern. Zu diesem Zweck geht man an den Kreuzweg im Dorf oder direkt zur Kirche und trifft die nötigen Personen unterwegs. Es ist ganz natürlich, diese 66>ki>h KyMH, „Gottesgevattersleute", als Vertreter der Gemeinde gelten zu lassen, denn in diesen Fällen ist die Wahl keineswegs durch eine subjektive Willensäußerung des Einladenden bedingt. Ein alter Brauch verlangt, daß die Gevattersleute nicht aus der Zahl der Verwandten gewählt werden. Die Beziehungen der Eltern des Neugeborenen zu den Gevattersleuten sind immer und überall von Achtung durchdrungen. Im Kreise Kobrin, Gouv. Grodno, legt die Gevatterin den Täufling für ein paar Sekunden unter den Ofen, und dann trägt sie ihn dreimal um den Tisch herum (Oirac. pyKon. 450): hierin zeigt sich deutlich die Aufnahme des Kindes unter das Dach des Hausherdes, in die Zahl der Mitglieder des betr. Geschlechts. Die Maßregeln, das Kind vor der teuflischen Macht zu schützen, werden fortgesetzt (ó6epern), sonst, heißt es, könne der Böse sehr leicht, besonders vor der Taufe des Neugeborenen, statt seiner ein anderes Kind unterschieben, und solche oCmchkh, ukr. oÓMÍirtá (Untergeschobenen) seien sehr gefräßig und
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IX. Das Familienleben.
stumpfsinnig. Die Poltavaschen Ukr. übergeben das Kind der Gevatterin über ein auf der Schwelle des Hauses liegendes Beil; bei der Rückkehr von der Taufe m u í die Gevatterin wieder über das Beil schreiten. Die Wr. im Gouv. Minsk legen Salz in die Ohren des Täuflings. Falls die Kinder im Hause nicht langlebig sind, suchen die Gevattersleute die Krankheit zu betrügen: sie bringen den Neugetauften in den Hof und legen ihn in den Pferdetrog, reichen ihn durch das Fenster, und nicht durch die Tür, usw. Am Tage der T a u f e jedoch herrschen diejenigen magischen Handlungen vor, die dem Neugeborenen ein rasches Gedeihen, Reichtum u. dgl. bringen sollen. Vor und nach der Taufe wird das Kind in einen zottigen Pelz — ein Symbol des Reichtums — gelegt. Den Topf mit der Ritualgrütze stellt die Hebamme in einer Pelzmütze auf den Tisch. Im Kreise Koroôa, Gouv. Kursk, überreicht man der Gevatterin ein neugeborenes Mädchen über einen Spinnrocken hinüber, damit es eine geschickte Spinnerin werde, einen Knaben aber reicht man über die Schwelle hinweg, damit er der „Hüter des Hauses" werde. Der R i t u a l k u c h e n wird während der Taufmahlzeit von dem Gevatter und der Gevatterin mit der rechten Hand hoch emporgehoben und auf dieser Höhe gebrochen (Kreis Sergac u. a.); den Topf mit der Grütze heben die Grr. ebenfalls hoch empor und stellen ihn f ü r eine Weile auf das an der Decke der Stube befindliche Wandbrett. Die Weinreste aus den leeren Weingläsern werden von dem Hauswirt und den Gästen gegen die Zimmerdecke gespritzt. Der Vater des Neugeborenen wirft, nachdem er die versalzene Grütze aufgegessen hat, den LöfEel auf das Gerüst unter der Decke und springt zuweilen in der Stube herum; die wr. Hebamme macht auch Sprünge in der Stube, nachdem sie einen Kopfputz geschenkt bekommen hat. Alle diese magischen Handlungen bezwecken, daß der Neugeborene schnell wachsen soll. Gewöhnlich gibt es zur Taufmahlzeit zwei Grützen, eine von dem Hauswirt, die andere von der Hebamme; und die Mahlzeit selbst nennen die Grr. κέιπΗ (pl. „Grützen"). Die Grütze der Hebamme ist gewöhnlich sehr dick, aus Hirse oder Buchweizen; gekocht wird sie manchmal mit H o n i g ; der Topf von dieser Grütze wird gewöhnlich auf dem Tisch zerschlagen, was magisch die Erneuerung des Lebens bedeutet. I n Wolhynien wirft man die Scherben eines solchen Topfes in den Gemüsegarten, damit die Kürbisse gut gedeihen. Sgrr. Gevattersleute essen diese Grütze mit den Löffelstielen. Die Gäste beeilen sich, die Grütze zu verzehren, damit der Neugeborene eher zu sprechen anfange ; aus demselben Grunde werden die Gevattersleute veranlagt, soviel als möglich zu reden. Im Kreise Rzev laufen die Kinder schnell mit der Grütze zur Stube hinaus und legen in das leer gegessene Geschirr (je nach dem Geschlechte des Neugeborenen) ein H u h n oder einen Hahn, mit den Beinen nach oben, hinein; dies alles geschieht, damit der Neugeborene singen und schnell laufen lerne. Der grr. Gevatter bringt das zur Taufe nötige Wasser in Eimern mit den Händen herbei und bedient sich dabei nicht des Schulterjoches. Es soll
§ 121—122. Taufe. Reinigungsritual der Wöchnerin und der Hebamme.
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dadurch verhütet werden, daß das Kind bucklig werde; die Gevatterin nimmt das Leinentuch ( n o B Ó ñ ) , mit dem das Kind aus der Taufe gehoben worden ist, und läuft so schnell als möglich zum Fluß, um es zu waschen, damit das Kind auch laufen möge. Vor dem Aufbruch nach Hause ruhen die Gevattersleute nach der Mahlzeit ein wenig aus, damit auch das Kind ruhig und still werde. Von allgemeiner Verbreitung ist folgendes Wahrsagen über das Kind: die während der Taufe abgeschnittenen Haare des Kindes werden, in Wachs geknetet, in das Wasser des Taufbeckens gelegt; wenn sie versinken, dann soll das Kind sterben. Man wahrsagt auch aus den Löffeln, mit denen man während der Taufmahlzeit die Grütze gegessen hat: wenn der nach hinten geworfene Löffel mit der Wölbung nach oben zu liegen kommt, so. bekommt die Wöchnerin nachher noch einen Knaben, wenn umgekehrt, dann ein Mädchen. § 122. Allen Ostslaven ist das Ritual der R e i n i g u n g d e r W ö c h n e r i n u n d d e r H e b a m m e mit Wasser bekannt, aber bei gleicher Grundlage hat es viele verschiedene Variationen in den Einzelheiten. Diese Variationen beweisen m. E., daß dieser Ritus keine alten Traditionen hat. Der Elemente des Ritus, die allen Ostslaven gemein sind, sind nur wenige vorhanden. Die Wöchnerin gilt als unrein; die erste Zeit nach der Niederkunft ist sie sogar nicht berechtigt, ihr Kind zu stillen; das Stillen ist erlaubt entweder nach der Taufe des Kindes oder nach einem Ritual, das weiter unten besprochen wird. In manchen Gegenden lebt die Wöchnerin einige Tage in einem sonst unbewohnbaren Räume, z. B. der Badestube, wo die Entbindung vor sich gegangen ist. Doch wenn sie sich auch in der Familie befindet, so ißt sie nicht mit den anderen zusammen zu Mittag, d. h. sie setzt sich nicht mit ihnen an einen gemeinsamen Tisch, darf auch nicht die Gegenstände des Kultus, die Heiligenbilder, Kerzen, Öllämpchen vor den Heiligenbildern berühren, nicht die Kühe melken, obwohl sie alle anderen Arbeiten macht. (Das Liegen im Wochenbett hat im Volke überhaupt keine Geltung.) Gleichzeitig schwebt die Wöchnerin in großer Gefahr, durch den bösen Blick oder die teuflische Macht beeinflußt zu werden; im Gouv. Moskau meint man, daß diese Gefahr im Laufe von 9 Tagen nach der Niederkunft drohe, und hier wird auch gerade am 9. Tage das Ritual begangen, von dem gleich die Rede sein soll. Dieses Ritual befreit die Wöchnerin von ihrer Unreinheit, in derselben Weise auch die Hebamme, die nach diesem Ritual das Recht erhält, anderwärtige Geburtshilfe zu leisten. Der neunte Tag ist die späteste Frist für das zu besprechende Ritual. Gewöhnlich aber geschieht es bald nach der Taufe, am häufigsten, am dritten Tage nach der Niederkunft. Man beeilt sich offenbar, die Reinigung an der Wöchnerin zu vollziehen, damit sie ihr Kind stillen dürfe, und bei den Ukr. hat der ganze Ritus eine neue Bedeutung erhalten, nämlich das Milchquantum in den Brüsten der Wöchnerin zu vergrößern. Chronologisch fällt das Ritual mit der Beendigung der Hebammentätigkeit im Hause der Wöchnerin zusammen und im Zusammenhang damit findet die Verabschiedung der Hebamme von der Wöchnerin und auch die Bezahlung
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IX. Das Familienleben.
f ü r die Arbeit der Hebamme statt. Bei den Grr. wird dieses letztere Moment nicht selten stark betont, und hier und da trägt der Brauch selbst den Namen cepeópñTb 6á6ny (eigentl. „die Hebamme versilbern"; Gouv. R'azan). Die am weitesten verbreitete Benennung des Rituals ist: paaMHBáHBe pyK, pasMHBKH, ukr. sjiäbkh, BJUÍBmHHH ; wr. MypáBHHU, jkm^phhkh, jKMyp. Der wichtigste Teil in diesem Ritual ist die gegenseitige H ä n d e W a s c h u n g der Wöchnerin und der Hebamme. Hier und da findet sich bei den Grr. auch nur das nötige Waschzubehör — ein Stück Seife und ein langes Stück Leinwand oder Kattun (länger als 2 m) zum Abtrocknen. Zuweilen legt man auch noch Geld in das Wasser — und alle diese Gegenstände kommen der Hebamme zugute, als Belohnung f ü r ihre Mühe. Bei den Moskauer Grr. und hier und da bei den Wr. hat sich die Forderung erhalten, bei dieser Waschung das Wasser nicht in die hohlen Hände zu gießen, sondern auf den Handrücken: die Stellen der hohlen Hände und Finger, die während der Entbindung das Innere des Körpers berührt haben, werden noch f ü r unrein gehalten. I m Gouv. E'azañ legt man auch noch Hopfen in das Wasser — Ha JiërKOCTb po^AjitHHije (etwa: „zur Erleichterung der Wöchnerin"); im Gouv. Pskov werden die Hände auf eine P f a n n e gelegt, auf der drei kleine Steinchen liegen, und auf den Badestubenofen (das Ritual wird hier in der Badestube vollzogen) wirft man Hopfen und Roggenkörner (Omac. pynon. 1145). I n Sibirien treten die Waschenden mit dem rechten Fuß auf einen Besen (Vinogradov). Das Ritual der Verabschiedung der Hebamme und der Wöchnerin, sehr oft mit Fußfällen, ist bei den Grr. recht üblich. Das ukr. Ritual ist viel komplizierter. Die Hebamme bringt am frühen Morgen „noch unberührtes Wasser" (HenoiaTÓít Βο«ώ), d. h. niemand darf an diesem Morgen vor ihr Wasser aus dem Flusse geschöpft haben. In das Wasser legt man Hafer, Besenblätter, Hopfen oder stark duftende Kräuter, zuweilen auch noch Hanfsamen, einen Eichenspan, drei glühende Kohlen. Auf den hölzernen Fußboden oder in einen Waschtrog wird ein Besen aus Birkenruten oder ein Kranz aus Gräsern und darüber ein Beil gelegt. Vorher oder nachher werden die Enden des Besens mit dem Beile behauen oder es wird der Kranz an drei Stellen angeschnitten. Manchmal wird das Beil durch Kornblumen oder durch einen Spinnrocken ersetzt — wenn eine Tochter geboren worden ist. Mit dem entblößten rechten Fuß tritt die Wöchnerin und die Hebamme auf das Beil. Die Wöchnerin hebt die rechte Hand, und die Hebamme begießt ihr dreimal die Hand mit Wasser, wobei die Wöchnerin den linken Arm am Ellenbogen mit der rechten stützt und aus der hohlen linken Hand etwas Wasser trinkt. Man wechselt die Hände und wiederholt das dreimal, wonach die Rolle der Hebamme der Wöchnerin zufällt. Der Wöchnerin wird auch noch die Brust gewaschen; zuweilen wird die ganze Waschung der Wöchnerin durch den Kranz vollzogen. Im Kreise Öerkasy, Gouv. Kijev, verzehrt die Wöchnerin eben zu dieser Zeit das Stück Brot, welches die Gevatterin zur Taufe in die Kirche getragen und dann zurückgebracht hat ; das geschieht wiederum, damit die Milch der Wöchnerin zunehme. Nach Beendigung des Rituals stillt die Wöchnerin zum erstenmal ihr Kind, indem sie dabei auf einem Pelze sitzt.
§ 122. Reinigungsritual der Wöchnerin mit der Hebamme.
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Bei den Ukr. im Kreise Kupansk wird darauf noch ein dreimaliger Umzug u m den Tisch vollzogen : voran geht die Hebamme mit einem Stück Leinwand in den H ä n d e n , das Ende der Leinwand hält die Wöchnerin mit dem Kinde auf dem Arme. Die anwesenden F r a u e n f r a g e n : ,,6a6^CK>, KY«a BH HAÓTC?" — Y pait. — „EÓHce BaM noMaráiíl προεήτ Η Hac c co6ów!" — HRHT Η BH 3 HÉMH — (etwa: Großmütterchen, wohin geht i h r ! — Ins Paradies. — Gott helfe euch! er lädt auch uns ein mitzugehen! — Kommt auch ihr mit uns) Und sie gehen mit. Darauf folgt eine Bewirtung, wobei die Wöchnerin auf dem Pelze sitzt, auf dem das Kind nach der T a u f e gelegen hat. Die W r . benutzen bei diesem Ritual das Wasser, in dem das Kind zum ersten Male nach der T a u f e gebadet wurde; es wird vorausgesetzt, daß in diesem Wasser noch Teile des heiligen Öles (MÄpo) enthalten sind. I n das Wasser werden H a f e r und Besenblätter hineingelegt. Mit dem Wasser werden die H ä n d e der Wöchnerin und der Hebamme gewaschen, und dann benetzt die Hebamme mit demselben Wasser die Gesichter oder die H ä n d e aller Herbeikommenden, indem sie dazu sagt: „öy^i. 6oráT, κβκ ócem>, KpáceH — κβκ BecHá, KpénoK — nan HO pora I" (etwa: sei reich wie der Herbst, schön wie der Frühling, fest wie der Weg!) und trocknet sie mit einem H a n d t u c h ab. — Das Motiv der Zunahme der Milch in den Brüsten der Wöchnerin ist den Wr. ebenso fremd wie den Grr. Es kann k a u m bezweifelt werden, daß der beschriebene Ritus eine slavische Variation des von den Griechen entlehnten Ritus άμφιόρόμια ist, der in Griechenland am 5., 7. oder 10. Tage nach der Geburt vollzogen wurde, zum Zwecke der Reinigung der Mutter und des Kindes durch das heilige Feuer des heimischen H e r d e s ; das Kind wurde um den Hausherd getragen (vgl. oben den ukr. Ritus in Kußansk); die T ü r e n des Hauses werden mit Ölzweigen geschmückt, und die Hebamme wäscht sieh dabei die Hände. Das Motiv der Unreinheit des getauften Kindes ist den Ostsl., wie es scheint, fremd, obgleich die Gefahr von Seiten der bösen Mächte f ü r das Kind noch ebenso groß ist wie f ü r die Mutter. Es gibt Gegenden (Tver), wo das K i n d innerhalb von sechs Wochen nach der T a u f e nicht gebadet wird, aus Furcht davor, den sog. Π,ΒΟΤ (eigentl. „die Blüte") zu reizen, d. h. Schwämmchen im Munde des Kindes hervorzurufen. Vor der T a u f e ist das Kind nichts anderes als ein „kleiner Teufel" (ΗθρτβΗοκ). d. h. doppelt unrein; vor der T a u f e wird es nicht in die Wiege gelegt und wird auch nicht mit einem Hemde bekleidet. Bei den Ukr. gibt es am Tage nach der T a u f e noch ein Fest, das sog. , A u g e n a u f r e i J 3 e n ' , noxpócTHHH, npoflápHHH, 0He«épHHH: die Gäste werden zu Ehren des Kindes bewirtet, damit es scharfsichtig und vernünftig werde (oneHÁTa npofliipáTb hhtAhí = etwa „dem Kinde die Äuglein öffnen, eigentl. aufreißen"). Die Gäste und die Hebamme bewirtet die Wöchnerin selbst; zu dem K i n d wird zuweilen Geld gelegt. N a c h dem Mittagsmahl wird die Hebamme von den Gästen in die Dorfschenke gefahren, zuweilen auf einer Egge. Die Bewirtung in der Schenke besorgt entweder die Hebamme von ihrem spärlichen Lohn oder es tun dies die Verwandten der Wöchnerin, indem sie Geld zusammenlegen.
IX. Das Familienleben.
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§ 123. Die Ostai, bedienen sich nur h ä n g e n d e r W i e g e n , die meistenteils von oben nach unten schaukeln (grr. 3¿i6na, juójitKa, KáiKa, κοJiHÔéjiL· ; ukr. KOJiócua; wr. Konócna). Der am meisten verbreitete Typus einer Kinderwiege stellt einen fast quadratförmigen Rahmen von Holz dar, weniger als 1 m lang (grr. CTaHÓK); an den Bahnten ist ein Stück Leinwand angenäht, die nicht stramm gespannt ist und eine ziemlich tiefe Höhlung in der Art eines Sackes bildet: in dieser Vertiefung liegt dann das Kind. Zuweilen werden an die vier Rahmenecken vier Stricke, meistenteils aus Ruten, M Jsf ßf M ΜΓ
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gebunden ; zuweilen aber befestigt man zu beiden Seiten einen bogenartigen dünnen Stock oder zwei ^^ solcher Bogen, von deren Mitte Stricke nach oben ί jg» laufen. I n beiden Fällen — w e r ( j e n Stricke an das ^ β Ende einer ca. 4 m langen 3 Birkenstange angebunden (ó'ien, Kai^jibHo, δμβπ, nu6é:n>iia). Das andere Ende der Stange stemmt sich gegen die Wand oder wird in die Wand eingef ü g t ; ihre Mitte ist an dem Deckenbalken befestigt oder an einem eisernen Ring an der Decke oder am Deckenbalken; zuweilen kommt die Mitte der Stange auf-
Abb. 230. Sgrr. Wiege aus dem Kreise Voronez.
einem hohen Wandbrett zu liegen, das durch die ganze Stube der Stange perpendikulär läuft. An das freie Ende einer solchen biegsamen Stange angebunden, bewegt sich die Wiege in vertikaler Richtung und kann lange die Schwingungskraft von oben nach unten bewahren. An die Wiege bindet man eine Schlinge aus einem Strick (s. Abb. 230; jiHMna, nojjijénKa; ukr. o^énon), mit deren Hilfe man die Wiege mit dem Euße schaukeln kann, wenn die Hände mit Arbeit beschäftigt sind. Den Ukr. sind solche an einer Stange hängende Wiegen unbekannt; die ukr. kojiäckh hängen an einem oder an zwei Ringen und' lassen sich nicht vertikal wiegen, sondern bewegen sich seitwärts hin und her oder auch kreisförmig. Die auf Abb. 230 dargestellte sgrr. Wiege (κέικβ), Gouv. u. Kreis Voronez, unterscheidet sich von dem beschriebenen Typus nur dadurch, daß der Rahmen aus vierkantigen Stäben hier durch eine Art Kasten aus vier 18 cm breiten Brettern ersetzt ist; die Bretter sind an ihren Enden eingezapft. Unten ist ein Stück Leinwand angeschlagen. Die Länge dieser Wiege be-
§ 123. Die Kinderwiege.
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trägt 90 cm, die Breite 55 cm. Der Hauptvorzug dieser Wiege vor der oben beschriebenen Art ist ihre Tiefe, die das Herausfallen des Kindes verhindert. Weitverbreitet sind auch diejenigen Wiegen, die die Form eines Kastens (s. Abb. 231) oder eines ovalen Korbes haben. Sie können aus Lindenrinde, aus einem gebogenen, dünnen, aber breiten gebähten Espenbrett, aus geflochtenen Fichtenspänen oder Weidenruten angefertigt sein. Ihr Boden wird
Abb. 231. Wr. tragbare Wiege aus dem Gouv. Minsk, Kreis Mozyf. aus Rinde, Brettern, verflochtenem dünnem Bindfaden, Leinwand oder Filz gemacht. Endlich gibt es auch Kasten, die die Form einer abgestumpften Pyramide haben, mit Ausschnitten an den Längsseiten. Abb. 231 zeigt eine tragbare wr. Wiege aus Lindenrinde, die im Felde an einem Bock aus drei Pfählen angehängt ist ; zum Schutz gegen Insekten ist die Wiege mit eineA Stück Zeug überdeckt (wr. ami» na ; g-rr. üojioíkók). Ein Teil der Wiege, am Kopfende des Kindes, wird zuweilen mit einem kleinen Brett abgeteilt und mit einem Deekel bedeckt; dort wird der Lutschbeutel, das Saughorn und Naschwerk für das Kind aufbewahrt. Auf den
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IX. Das Familienleben.
Boden der Wiege legt man gewöhnlich Stroh und darüber weiche Lappen, ein Schaffell oder ein Kissen, unter den Kopf ein kleines Kissen, mit Wolle oder Federn gestopft. Über der Wiege hängt ein Kreuz oder ein kleines Heiligenbild. Wenn ein Hauswirt, der eine Wiege für seinen Erstling macht, noch mehr Kinder wünscht, dann haut er das Bäumchen für den óien (,Stange') im Waldesdickicht ab. Damit das Kind ruhig schlafe, legt man ihm in die Wiege einen Kamm oder eine Spindel. Es wird empfohlen, die leere Wiege nicht zu schaukeln : das Kind würde dann an Schlaflosigkeit oder an einer anderen Krankheit leiden, an der es auch sterben könnte. Die Ngrr. achten sehr darauf, daß die Wiege nicht unbedeckt bleibt; sonst könne ein Geist eindringen, der das Kind ängstigen würde. Wenn ein Kind nicht in der Wiege schläft, sondern zusammen mit der Mutter im Bett, so kommt es nicht selten vor, daß die nach der Tagesarbeit fest eingeschlafene Frau das Kind erdrückt; das heißt hier aacnaTt peôëHKa o d e r npiicnaTh
peßÖHKa.
§ 124. Die ostsl. Frauen stillen ihre Kinder mit der Brust gewöhnlich über ein Jahr, meist bis zur nächsten Schwangerschaft. Als normale Frist gilt die Zeit von „drei Fasten", d. h. i y 2 — 2 Jahre, denn es werden nur zwei Fasten im Jahre gerechnet: die großen Fasten und die Uspenskij-Fasten (im August); aber sehr oft dauert die Stillungszeit drei und sogar vier Jahre, da man fest überzeugt ist, daß während dieser Zeit keine neue Schwangerschaft eintreten wird. Doch wird neben der Muttermilch dem Kinde auch andere Nahrung verabfolgt, und zwar von den ersten Lebensaugenblioken an. Dazu dient der Lutschbeutel und das Saughorn. Der Lutschbeutel enthält gekautes Brot, weiß oder schwarz, zuweilen mit Zucker in ein undichtes Läppchen oder Nesseltuch gewickelt, das dem Kinde in den Mund gesteckt wird. Das Saughorn ist ein hohles Kuhhorn mit einer vorher in Salzwasser geweichten Kuhzitze am dünneren Ende: in das Horn gießt man Kuhmilch ein, sehr oft mit Wasser verdünnt, Kvas oder Tee, wenn keine Milch da ist. Erst während des letzten halben Jahrh. haben gläserne Fläschchen, mit einem Gummiansatz zum Saugen, angefangen, diese Saughörner zu verdrängen. Halbjährige Kinder füttert man mit Buchweizengrütze, die man mit Milch begießt, und auch noch mit einem besonderen Gericht aus kleinen Stückchen Roggenbrot in Wasser gekocht (wr. κορΜ^ηικβ; grr. TiòpbKa). Etwas ältere Kinder essen alles, was die Erwachsenen essen, indem sie jedoch fortfahren, an der Mutterbrust zu saugen (cocáTb τήτΒκγ). I. Κ o r s k i j teilt aus dem Kreise Grodno mit: er sei oft Augenzeuge gewesen, wie ein dreijähriges Kind einen Schemel neben die Mutter stellte mit den Worten: ,,Máqjil flañ MHe iîjjijkh noccáiji>!" (etwa: Mutter! laß mich an der Zitze saugen!), und die Mutter gab ihm die Brust und fütterte es dann mit 6opm (eine Art Kohlsuppe) oder mit etwas anderem. Um das Kind von der Brust zu entwöhnen, bedeckt man die Brustwarze mit Salz, Senf, Pfeffer, Teer, Ruß; oder man legt an den Busen eine stachelige Flachsbürste, ein Stück Pelzwerk ; oft verläßt man auch für mehrere Tage das Haus.
§ 124. Erziehung des Kindes.
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Dem neugeborenen Kinde dienen W i n d e l n als Kleidung (nenëHKa; wr. πηλιοπικη) — mehr als 1 m lange Streifen alter Leinwand, die man kreuzweise mit einem Gürtel von ca. 2 m Länge und 9 cm Breite umwickelt (grr. CBHBájieHi., CBHBáJibHHK ; ukr. noBHBaq; wr. cnoBHean); zuweilen dient dazu eine einfache Schnur. Man wickelt die Kinder bis zum Alter von y a —l x ¡ 2 Jahren, solange, bis das Kind anfängt, dem Wickeln, das immer ziemlich fest ist, Widerstand zu leisten. Die Windeln werden gewöhnlich über das Hemd gelegt. Die Wr. und Ukr. gebrauchen f ü r Kinder von 4—6 Monaten statt des Hemdes den sog. nnámoK oder mAtjihk, ein Stück alten Gewebes ohne Nähte, nur mit einem Ausschnitt für den Kopf versehen. Hier u n d da in Weißrußland herrscht der Brauch, daß der Geistliche diesen Ausschnitt an einem Stück Zeug eigenhändig bei der Taufe macht. I n dem Augenblick, wo das Kind seinen ersten Gehversuch macht, muß jemand ein Messer nehmen und damit Bewegungen machen, als ob er etwas auf dem Fußboden zerschneidet, und zwar zwischen den Füßen des Kindes. Das heißt pa3pé3aTb nyTO (d. h. die Fußfesseln zerschneiden) ; dann soll das Kind schnell gehen lernen. Ein anderes Verfahren ist das folgende: wenn ein Kind lange nicht gehen lernt, so wird es an den Armen genommen und über ein Feld geführt, wobei jeder Schritt mit Hanfsamen bestreut wird, oder man f ü h r t es über eine Tenne zu Ostern während des Morgengottesdienstes oder der Messe. Um die Kinder an selbständiges Gehen und selbständiges Sitzen zu gewöhnen, gebraucht man besondere Vorrichtungen (die sog. nocroriiKH, ctojíjikh; CHfléjiKH); eine Sammlung davon, sowie eine Sammlung von Wiegen, findet man in dem Moskauer Zentralmuseum f ü r Volkskunde. Im vierten Lebensjahre werden die Kinder gelehrt zu beten, sich zu bekreuzigen und Gebete herzusagen, im ganzen jedoch genießen sie in diesem Alter vollständige Freiheit. Vom sechsten Lebensjahre an wird ein Mädchen schon HíÍHbKa („Wärterin") genannt, und ihr wird die Sorge um das Wiegenkind (aiiöoqHHä ρβδβΗοκ), das noch nicht gehen kann, überlassen ; zugleich weidet ein Mädchen von 6—7 Jahren gewöhnlich die Kälber, Schafe, Gänse, lernt spinnen und weben und hilft der Mutter im Haushalt. Vom siebenten Jahre an weidet auch ein Knabe Schweine und Gänse, wartet auch die Kleinen, wenn keine Schwestern da sind, und ist außerdem noch 6opHOBOJiÓK, d. h. arbeitet mit der Egge, oder ist πογοηβί, d. h. Ochsentreiber beim Pflügen in der Ukraina. Vom zwölften Jahre an führen die Kinder alle leichteren Arbeiten aus, ganz genau so wie die Erwachsenen. Der Ethnograph Gr. P o t a n i n hat im J a h r e 1872 Gelegenheit gehabt, ein unmittelbares Zusammentreffen ukr. Kinder aus dem Gouv. Charkov mit ngrr. Kindern aus dem Gouv. Vologda zu beobachten, und fand, daß die ukr. Kinder bescheidener und schüchterner waren als die ngrr., eine sittenreinere Erziehung genossen hatten und von den Vätern strenger gehalten wurden. Dagegen standen die ngrr. Kinder mit den Erwachsenen auf einer Stufe und machten sich über sie lustig; auch verstanden sie schon Sehimpfworte zu gebrauchen, sogar gegen ihre eigenen Eltern; allerdings erschienen sie schon frühzeitig als ernst und selbständig (JKiiBaa Grapmia I X , 170).
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IX. Das Familienleben.
§ 125. Die Sgrr. im Kreise Obojaá, Gouv. Kursk, halten es für eine Sünde, die Kinder während der ersten 40 Tage ihres Lebens zu umgürten. Sechs Wochen nach der Geburt des Kindes kommt die Gevatterin zu ihrem Patenkind und bringt ihm einen Gürtel, zuweilen auch ein Hemd und ein Kreuz als Geschenk. Dabei legt sie dem Kinde zum ersten Male einen Gürtel an und von dieser Zeit an trägt es einen Gürtel. Im Gouv. Moskau findet ein ähnliches Ritual der ersten Umgürtung erst nach Verlauf von einem Jahre nach der Geburt des Kindes statt; die Gevatterin stellt bei dieser Gelegenheit ihr Patenkind an den Ofenpfosten (§ 114) und, indem sie es umgürtet, sagt sie: 6yni> a^opÓB h tojictoä, nan neiHÓtt ctoji6! (etwa: „Sei gesund und dick wie der Ofenpfosten"). Die Ngrr. und Wr. schneiden dem Kinde nicht die Nägel ab, bis ein Jahr vergangen ist: sonst könnte es diebisch werden. Sie schneiden dem Kinde auch nicht das Haar vor Ablauf eines Jahres, selbst wenn das Haar sehr lang ist und es am Sehen hindert. Wenn man diese Regel nicht beachtet, so kann nach dem Volksglauben dem Kinde die Zunge abgeschnitten werden (oTpeaaTt h3hk), d. h. dem Kinde kann das Sprechenlernen schwer fallen. Hier haben wir den Nachklang eines alten Ritus, der sich nur in wenigen Gegenden bis auf unsere Tage erhalten hat. E r trug den Namen: grr. πόοτρΗΓΗ, 3acTpriîKKH ; u k r . ποοτρήπίΗΗΗΗ, oßcTpHHtiHHH.
Ganz am
Ende
des 19. Jahrh. ging dieses Ritual im Kreise Lubny, Gouv. Poltava, folgendermaßen vor sich: Am ersten Jahrestage nach der Geburt wurde das Kind auf den Tisch gesetzt, und zwar ein Knabe auf ein Beil, damit er geschickt im Handwerk werde, ein Mädchen auf Hanf, damit es eine gute Spinnerin werde. Die Hebamme beschnitt darauf zuerst kreuzweise das Haar am Kopfe des Kindes, dann schor sie ihm den ganzen Kopf ab und erhielt dafür den Hanf zur Belohnimg. Reiche Leute setzten dabei die Füße des Kindes in Branntwein, damit es schneller gehen lernte. Nach dieser Zeremonie fand eine Bewirtung der Hebamme und der Nachbarn statt ( M i l o r a d o v i c ) . — In anderen Gegenden setzt man das zu scherende Kind auf einen Pelz, der meistenteils schwarz ist und mit der haarigen Seite nach oben liegt; der Gevatter und die Gevatterin scheren der Reihe nach das Haar des Kindes kreuzweise ab (Orrnc. pyKon. 348 u. 381); die abgeschnittenen Haare steckt man zuweilen an einen geflochtenen Zaun, damit das Kind krauses Haar bekommt, oder in Kuhmist, damit es brünett werde (Kreis Starobel'sk). Die Gevatterin schenkt gewöhnlich dem beschorenen Taufsohn ein neues Hemd, d. h. gleichzeitig wird das Kind auch in neue Kleider gesteckt (vgl. oben die erste Umgürtung am ersten Geburtstage). Die Wr. scheren die Kinder zum ersten Male im dritten Lebensjahre. In früheren Zeiten wurde die Haarschur der Fürstenkinder nach Verlauf von 2—4 Jahren, zuweilen erst im siebenten Jahre, vorgenommen und wurde mit dem Aufsetzen des Knaben auf ein Roß verbunden. Die Nachrichten der Chroniken darüber gehen auf das Jahr 1192 zurück (Hernán Grap. X X , 235); die Schur fand dann am Namenstage oder am Neujahrstage, dem 1. September, statt ; die Fürstenkinder wurden zuweilen von Bischöfen geschoren ; man
§ 125—126. Haarschneiden. Hochzeitsritual.
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k a n n vermuten, daß das in der F o r m einer A r t Tonsur geschah (§ 101). Eine E r i n n e r u n g daran hat sich in der ngrr. Begrüßungs- und Wunschformel erhalten, die man an die Eltern der Neugeborenen richtet: βοποήτι., BCKopMÓTt «a H a κ ο η η n o c a s Ä T b (etwa : „aufsäugen, aufziehen und aufs Eoß setzen") ; dasselbe äußert sich auch in der Gewohnheit, die Knaben sitzend im Sattel zu scheren. Der beschriebene Brauch gehört zu den Eitualfesten, die bei verschiedenen Völkern die Volljährigkeit der jungen Leute und ihre A u f n a h m e in die Gemeinschaft der Erwachsenen zur gemeinsamen Arbeit begleiten (vgl. § 91 u. 121). Der kirchliche Charakter der altruss. Fürstenschur läßt die Vermutung aufkommen, daß der russ. E i t u s von der byzantinischen τριχοκουρία beeinflußt worden ist. Die Übertragung des Volljährigkeitsritus auf ein jüngeres Alter ist eine allgemeine Erscheinung bei den verschiedensten Völkern (vgl. ζ. B. die Beschneidung) ; eine Ausnahme machen n u r die Eiten, die sich an das Hochzeitsritual und, vielleicht, sogar an die Couvade knüpfen. Zu denselben E i t u a l p r ü f u n g e n der Volljährigkeit junger Leute ist auch folgender wr. E i t u s zu rechnen: Wenn ein Mädchen von 5—6 J a h r e n den ersten Faden Garn gesponnen und ihn auf einen Flocken Werg wie einen Knäuel aufgewickelt hat, dann wird dieser Knäuel verbrannt, und die Asche davon muß das Mädchen mit Wasser trinken oder aufessen ; anderwärts verschlingt die Spinnerin den E a u c h von dem ersten von ihr angefertigten Garn, nachdem sie es angezündet ( D o b r o v o l ' s k i j ) . §126. Das H o c h z e i t s r i t u a l der Ostslaven stellt ein sehr kompliziertes Schauspiel mit einer großen Zahl von handelnden Personen dar. Die Hochzeit t r i t t aus dem engen E a h m e n der Familie in weit größerem Maße heraus, als es in dem E i t u a l bei der Geburt eines Kindes der Fall ist (§ 121); die Anerkennimg der E h e durch die Gemeinde ist eine der H a u p t a u f g a b e n des Hochzeitsrituals. Nach einer richtigen Bemerkung von A. V e s e l o v s k i j (Tpa rJiaBH Hei HCTopHHecKOii Π03ΤΗΚΗ. CoHHHeHiH, Bd. I, 270) ist es wohl genauer, die ostslav. Hochzeit nicht mit einem Schauspiel, sondern mit einem „freien Mysterium", mit einer Summe chorischer mimischer Handlungen zu vergleichen, die auf diese Weise vereinigt werden, wie die epischen Lieder sich zu einem einheitlichen Epos durch die Einheit des Sujets und die Einheit des Helden verknüpfen. I n dem Hochzeitsmysterium herrscht das chorische Element, das Prinzip zweier Chöre vor, denen die zwei Geschlechter, das des Bräutigams und das der Braut, entsprechen: die Vertreter dieser zwei Geschlechter f ü h r e n einen Wortstreit miteinander, reden in Scherzen und sprichwörtlichen Eedensarten, geben einander Rätsel auf. Dieser Streit zweier Geschlechter bildet die älteste, noch heidnische exogamische Schicht in dem Hochzeitsritual, die heutzutage als ein erstarrtes Überlebsei erscheint. I n dem Hochzeitsritual der Ostsl. sind die Aufschichtungen dreier Hauptepochen klar erkennbar. Die Grundlage geht auf die Zeit der Exogamie, auf die heidnische Zeit der E n t f ü h r u n g ( y M H K á i m e ) und des K a u f e s der B r a u t zurück. Überlebsel aus dieser Epoche sind in dem Hochzeitsritual aller Ostsl. sehr zahlreich. Später, wahrscheinlich schon in der christlichen Ära, Z e l e n i n , Rubs (Ostslav.) Volksknnde.
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306
IX. Das Familienleben.
erfolgte eine Einwirkung von Seiten des byzantinischen Rituals; diese Elemente sind schwer von den griechisch-römischen zu unterscheiden, die auch in alter Zeit durch die Südslaven übermittelt worden sind. Hierher gehören hauptsächlich die Momente, die einen religiös-mystischen Charakter tragen. Bei den Ukr., teilweise auch bei den Wr., ist diese Aufschichtung im Hochzeitsritual ebenfalls erstarrt und wird heutzutage mit mechanischer Genauigkeit als tote Tradition ausgeübt. Daher stammt eine größere Unversehrtheit eben dieses Teiles des Rituals (in der Ukraina), ζ. B. beim Backen des Ritualbrotes usw. Die Grr. dagegen erscheinen auch hierin als Neuerer und Rationalisten; der aus Griechenland entlehnte religiös-mystische Teil des Hoch zeitsrituals ist bei ihnen nicht erstarrt, sondern hat sich, mehr oder weniger selbständig, als etwas Lebendiges entwickelt: einige Elemente sind komplizierter geworden und haben sich auf Kosten anderer erweitert, alte religiöse Riten wurden umgedeutet, variiert und zuweilen in ein halb komisches Spiel verwandelt (selbst das Hochzeitsbrot, der sog. CBáneSnuií KopoBáít hat hier und da einen solchen belustigenden Anstrich erhalten). Hierin ist die dritte Aufschichtung im Ritual zu sehen. Daher stammen auch die Unterschiede und die Mannigfaltigkeit im grr., besonders im ngrr. Hochzeitsritual, eine Tatsache, die ukr. Forscher so sehr verwirrte. Bei einer tieferen Analyse des grr. Hochzeitsrituals wird es nicht schwer sein, darin dieselben Grundelemente zu erkennen, die nicht nur von der exogamischen heidnischen Ehe ererbt, sondern auch von den Griechen entlehnt sind : Hochzeitsbrot, geschmücktes Bäumchen, Waschimg u. a. ; nur haben sie einen neuen, mehr oder weniger selbständigen Anstrich bekommen. § 127. Die u k r . H o c h z e i t ist einer von den wenigen Vorgängen des ostsl. Volkslebens, der verhältnismäßig gründlich untersucht (und nicht nur beschrieben) ist. Th. V o 1 k ο ν unterscheidet in der ukr. Hochzeit drei Hauptakte, von denen ein jeder die Wiederholung derselben Ritualhandlungen darstellt, die sich allmählich entwickeln und komplizieren. Diese drei Hauptakte: sind 1. das Freien, 2. die Verlobung (3ap^HHH) und 3. die Vermählung selbst (Becíjijin). Die sich in jedem dieser drei Hauptakte wiederholenden Momente sind: a) ein Versuch des Brautraubes, b) Widerstand von seiten der Verwandtschaft der Braut, c) Versöhnung der beiden Parteien, d) Loskauf der Braut von ihren Verwandten, e) religiöse Handlungen und endlich f ) Eintritt der Neuvermählten in das eheliche Zusammenleben. Th. V o 1 k ο ν ist geneigt, die dreifache Wiederholung desselben Rituals durch die vorauszusetzende Existenz von zeitweiligem Zusammenleben oder von Probeehen bei den Slaven im Altertum zu erklären, was bei vielen Völkern gewöhnlich ist, bei denen der Drang zur Vermehrimg stärker ist als die Wertschätzung der J ungfräulichkeit. Mit dieser letzten Erklärung kann man sich gar nicht einverstanden erklären. Viel einfacher ist es, hier die Wiederholung ein und derselben rein theatralischen Szene zu verschiedenen Zeiten zu sehen. Das theatralische Element ist der ostslavischen Hochzeit überhaupt eigen. E s bezweckt auch bei weitem nicht immer die Erhaltung alter Traditionen, sondern zuweilen auch nur eine bloße Belustigung der Zuschauer. Zwar ist bei den Ukr. ein
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§ 126—127. Hochzeitsritual.
solcher theatralischer und belustigender Charakter einiger Hochzeitshandlungen schon ausgeglichen und vergessen, bei den Grr. jedoch ist er stärker ausgeprägt und kommt öfter zum Vorschein. Als B r a u t w e r b e r (cTapocTÄ, cbstA) erscheinen in der Ukrainazwei ältere und angesehene Hauswirte, von denen der eine der Onkel oder ein sonstiger Verwandter des Bräutigams sein muß. Sie begeben sich in das Haus der Braut, und zwar stets abends, und nehmen Brot, eine Flasche Branntwein und Holzstäbe mit. Sehr oft geht der Bräutigam selber mit seinem nächsten Freunde (ßpy/κκο) auch mit ihnen zusammen hin, doch treten diese in das Haus nicht mit hinein, sondern verbleiben im Hausflur. Die Brautwerber präsentieren sich als Jäger, die einen Marder jagen, der in diesem Hause versteckt ist. Obgleich die Werber den Hauswirten sofort das mitgebrachte Brot übergeben, werden sie zuerst mit Mißtrauen empfangen und laden, wie H i l f e suchend, den Bräutigam und seinen Freund ein, näher zu treten. Diese letzten haben zu der Zeit gewöhnlich schon die Braut gefunden, welche die Mutter in solchen Fällen stets aus dem Hause schickt; sie betreten das Haus, die Braut mitschleppend, die sich gegen eine solche Gewalttat wehrt. Dann schlagen die Brautwerber der Mutter im Ernst vor, ihre Tochter ihrem Burschen zur Frau zu geben. Mutter und Vater fragen ihre Tochter, ob sie diesen Freier nehmen wolle. Währenddessen steht die Braut am Ofen, und klaubt ihn mit dem Fingernagel, wodurch sie ihre Einwilligung kundgibt. Nun bindet die Braut jedem Brautwerber ein gesticktes Handtuch (pymHÓK) über die Schulter und steckt dem Freier ein gesticktes Taschentuch in den Gürtel : dieses soll ein Zusammenbinden der Gewalttäter bedeuten. Den Brautwerbern wird ein Brot gegeben, d. h. es findet ein Tausch von Broten statt und die Brautwerber schenken den Hauswirten den mitgebrachten Branntwein ein. Bei der V e r l o b u n g (3apymiHn) wird die Erzählung der Jäger von dem Marder wiederholt, sowie das Umbinden der Handtücher, wonach die Brautwerber als Lösegeld eine Flasche Branntwein oder kleine Geschenke darbringen. Darauf werden Bräutigam und Braut mit einem Brot gesegnet und man läßt sie Ha noekn, d. h. auf einem Ehrenplatz im vorderen Zimmerwinkel Platz nehmen. Dabei halten sie ein eigens dazu bestimmtes Tuch an den Enden, während der Freund des Bräutigams oder zuweilen der Onkel der Braut die Mitte dieees Tuches faßt und sie auf den Ehrenplatz, wo ein Pelzmantel ausgebreitet ist, führt. Von diesem Augenblick an tritt der Hochzeitschor mit den Hochzeitsgesängen auf. Bei den Grr. heißt die entsprechende Zeremonie nponóft, wahrscheinlich wurzelverwandt mit neTb, „singen", (und nicht mit n u n , „trinken"); das grr. προπήτΒ HeBécTy „um die Braut werben"; eine neue Deutung bringt diese Benennung schon nicht mit Gesang, sondern mit Trinken von Branntwein in Zusammenhang. Bei den Ukr. sucht der Bräutigam die Braut nach den 3apy). Bei den Ukr. wird f ü r ein Mädchen das Hochzeitsbrot nur einmal in ihrem Leben gebacken: falls die Vermählung, nachdem das Brot bereits gebacken ist, aus irgendwelchen Gründen nicht stattfindet, wird das gebackene Brot selbst mehrere Jahre hindurch aufbewahrt, bis zur Vermählung des betr. Mädchens ( Ï T o w o s i e l s k i 222); f ü r eine Witwe braucht man kein Hochzeitsbrot zu backen. Der Schmuck des Hochzeitsbrotes (s. Abb. 234) wird aus Teig gemacht und mit dem Brot zusammen gebacken, sowie aus allerlei anderem Material angefertigt. Der
Abb. 234. Ukr. Hochzeitsbrot aus dem Gouv. Cernigov. Teigschmuck hat das Aussehen von Fichtenzapfen (ukr. miiniKa) und von Vögeln — Tauben, Gänsen, Schwänen (ukr. t^ckh, rojiyÒKÓ). I m Gouv. Charkov wird zuweilen das ganze Hochzeitsbrot in Form eines Fichtenzapfens gebacken. Überall in der Ukraine bäckt man, zusammen mit dem Hochzeitsbrot, eine Menge (300—400) kleine „Zapfen", die unter die Gäste verteilt werden. Die magische Bedeutung von Überfluß und Fruchtbarkeit liegt dem ohne Zweifel zugrunde. Anderer Schmuck wird hauptsächlich aus Pflanzen angefertigt. Es sind u. a. Fichten- und Tannenzweige (ukr. ftójitqi, ríjit.i;e, Binile, písna), Maßholderbeeren und Kornähren. Hier ist die Verbindung des rituellen Brotes mit dem geschmückten rituellen Bäumchen deutlich, die bei fast allen Ostslaven vorkommt. Zuweilen jedoch erscheint das geschmückte Bäumchen ganz abgesondert vom Hochzeitsbrote, obwohl es in solchem Fall meist gerade in ein großes Brot gesteckt wird, seltener in eine mit Korn gefüllte Flasche. Bei denjenigen Ngrr., unter denen die Kolonisation von Vladimir-Suzdal' vorherrschend war, hat sich das rituelle Hochzeitsbrot gänzlich mit dem geschmückten rituellen Bäumchen vereinigt — unter dem Namen k^phhk (eigentlich: Hühnerpastete, ein mit Vögeln geschmücktes Brot), cañó, ejina, PfiBba Kpácota.
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IX. Das Familienleben.
B e i denjenigen N g r r . dagegen, wo die Kolonisation von Novgorod überwog, gibt es als Hochzeitsbrot ein gewöhnliches Brot, das zum Segnen von B r ä u t i g a m u n d B r a u t gebraucht wird. E i n e n Schmuck aus Pflanzen gibt es auf dem Brote g a r nicht ; als rituelles Bäumchen erscheint augenscheinlich ein Badequast aus Birkenlaub, der zuweilen auch geschmückt wird. B e i den Wr. und Sgrr. erinnern die Zeremonien mit dem Hochzeitsbrot an die entsprechenden ukr. Zeremonien, obgleich sie nicht so kompliziert sind. Von den anderen slav. Völkern fehlt das rituelle Brot den Tschechen u n d P o l e n gänzlich bei der Hochzeit.
Abb. 235. Ukr. Hochzeitsmahl im Gouv. Poltava. W i r können das ostslav. Hochzeitsbrot durchaus nicht zu den allgemeinslavischen, geschweige denn zu den indogermanischen A l t e r t ü m e r n rechnen, wie dies der ukr. E t h n o g r a p h S u m c o v getan hat. D a s ostslavische wie das bulgarische Hochzeitsbrot ist den Griechen entlehnt, h a t jedoch einige Züge altslavischer K u l t e — des Ackerbau- und Pflanzenkultus — aufgenommen. D a s geschmückte Hochzeitsbäumchen der Ostslaven aber erinnert in vielem an den westeuropäischen Weihnachtsbaum und viel weniger an die zur F r ü h l i n g s z e i t geschmückte Pfingstmaie. D i e gegenwärtige D e u t u n g des geschmückten Hochzeitsbaumes sieht in ihm größtenteils den Abschied der B r a u t von den J u n g f r a u e n , eine E r i n n e r u n g an die Mädchenzeit. N a c h dem Muster der Hochzeitsbäume bereiten die N g r r . zuweilen ebensolche geschmückte Tannenbäumchen als E r i n n e r u n g an die zum Soldatendienst eingezogenen j u n g e n Leute ( Z a v o i k o ) .
§ 128—120. Rituelle Waschung. Gir. Hochzeit.
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E s lohnt sich noch, auf den kollektiven, gemeinschaftlichen Charakter des Hochzeitsbrotes hinzudeuten, an dessen Zubereitung sich das ganze Dorf beteiligt. Th. V o l k o v redete von einer Kollekte unter allen Mitgliedern eines Geschlechts zu diesem Zweck, doch stimmen die Beobachtungen anderer Forscher damit größtenteils nicht überein. Im Kreise Rovno in Wolhynien geht die Braut mit ihrer Freundin, indem sie f ü r das Hochzeitsbrot sammelt, sogar in das H a u s ihres zukünftigen Mannes, der sie bewirten muJ3 (OIIHC. pyKon. 314). Die Ngrr. treffen die Vorbereitung f ü r den K^PHHK — ein rituelles Brot mit geschmücktem Bäumchen — ebenso durch Sammeln im ganzen Dorfe (Kreis Sarapul, Gouv. Y'atka u. a.). Aber ein solcher kollektiver Charakter bildet durchaus nicht die besondere Eigenschaft des Hochzeitsbrotes allein; er ist auch f ü r andere Momente des Hochzeits- wie auch manches anderen Rituals gewöhnlich. §129. Die r i t u e l l e W a s c h u n g der Neuvermählten mit Wasser ist ein allen Ostslaven gemeinsames Element des Hochzeitsrituals. Sie geschieht gewöhnlich am zweiten Tage nach der Vermählung und entspricht in diesem Sinn der allgemeinen, f ü r alle obligatorischen Waschung nach dem Beischlaf mit der F r a u (§ 107) ; doch muß man hier auch den Einfluß entsprechender griechischer Riten vermuten. Bei den Ukr. ist das rituelle Baden der Neuvermählten in Galizien, in den Gouv. Kiev, öernigov und sonst beobachtet worden. Der ganze Hochzeitszug geht mit Musik zum Fluß oder Brunnen und man wäscht sich hier; oft begießt man die Neuvermählten mit Wasser, im besonderen wird ihnen Wasser in den Busen gegossen, zuweilen führt der junge Ehemann seine F r a u an der Hand längs des Flusses und quer über den Fluß. Die Neuvermählten trocknen sich dann auf folgende Weise ab: der Mann mit dem Busenteil des Hemdes der F r a u und diese mit demselben Teil ihres Hemdes. Die junge F r a u bringt darauf Wasser in einem Gefäße mit nach Hause. Bei den Grr. werden die Neuvermählten hier und dort gleichfalls mit Wasser aus dem Brunnen oder aus dem Fluß begossen oder zuweilen sogar im Schnee gewälzt (OnHC. pyKon. 251), überhaupt aber ist das Baden wegen des rauhen nördlichen Klimas hier durch eine rituelle Waschung in der Badestube, seltener im Hausofen ersetzt. Th. V o l k o v rechnet den grr. Gang der Braut in die Badestube zu den „asiatischen Elementen der grr. Hochzeit", doch ist dieses ein offenbares MißVerständnis. Bei den Grr. gibt es zwar außer der Waschung der Neuvermählten in der Badestube am zweiten T a g e nach der Hochzeit noch eine besondere rituelle Waschung der Braut in der Badestube am T a g e vor der Vermählung. Diese Waschung wird von zahlreichen Gesängen und Klagen begleitet. Doch ist dieses durch die Lebensverhältnisse zu erklären: der Grr. ist gewohnt, vor jedem Fest und jeder Feier sich in der Badestube zu waschen, und es wäre absonderlich, wenn man bei der Vermählung eine Ausnahme machen würde; der grr. Bräutigam wäscht sich vor der Vermählung ebenfalls in der Badestube, aber ohne Lieder — aus dem einfachen Grunde, weil niemand da ist, der sie singen könnte. Den durch die Lebensverhältnisse geschaffenen Zug, die Waschimg der Braut in der Badestube vor dem Kirch-
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IX. Das Familienleben.
gang, haben die Grr. zu zwei Zwecken ausgenützt: zum Abschied der B r a u t von den Freundinnen und vom Mädchenleben und zum Schutz der B r a u t vor einem Schaden, der durch Zauberei verursacht werden könnte. I m Kreise Kostroma wird die Waschung der Braut von einem Branntweintrunk begleitet und die angeheiterten Mädchen begleiten das Waschen in der Badestube und die Rückkehr nach H a u s e mit den unanständigsten Gesängen, Scherzen und Redensarten ( V i n o g r a d o v 139). Die B r a u t aber beweint in ihren Klagen ihre nun bald verlorene Jungfräulichkeit und Freiheit. Zum Schutze der B r a u t während der Vermählung vor Zauberei wird sie hier und dort von einem der Zauberei kundigen Mann unter allerlei Zaubersprüchen und unter Beobachtung der Wahrzeichen gewaschen ; „die J u n g f r a u mit einem zauberkundigen Mann in der Badestube allein zu lassen, wo er sie nackt entkleidet und ihr den ganzen Körper wäscht, wird nicht f ü r anstößig gehalten und sogar die B r a u t selber schämt sich dessen nicht" (Onnc. pynon. I, 269). Die hier und da vorkommende Ausschmückung der Badequaste f ü r diese Waschung k a n n vom Zusammenhang des rituellen Badequastes m i t dem Pflanzenkultus zeugen. Trotz der offenkundig läuternden Bedeutung des beschriebenen Badens der B r a u t in der Badestube ist neuerdings die Meinung geäußert worden, daß dieses Baden als ein Überbleibsel des alten Ritus der Vermählung mit dem Badestubengeist (ßaeHHHK), dem die B r a u t ihre Jungfräulichkeit opfert, aufzufassen sei. (E. K a g a r o v in den Bulletins de l'Acad. des Sc. de Petersburg 1917, S. 645 : O eHanemH Η ΐ κ ο τ ο ρ υ χ τ , p y c c K H x t CBa^eGnuxi. 06ρΗ«0ΒΤ>.) Was die grr. rituelle Waschung in der Badstube am zweiten u n d dritten Tage nach der Hochzeit betrifft, so ist es wichtig, hier eine Eigentümlichkeit zu notieren: nach den Neuvermählten waschen sich auch alle Hochzeitsgäste, ebenfalls paarweise: d. h. Mann und F r a u . Diese Badstube wird von der Neuvermählten meist selber geheizt; jedenfalls ladet die B r a u t die Verwandten des Mannes selbst ein, sich in der Badstube zu waschen (J e f i m e n k o I 132). Wer ohne F r a u zu Gast kommt oder Junggeselle ist, wird an diesem „Kuchentage" (mipÓHíHHft ΛβΗΐ>) mit einer fremden F r a u in die B a d s t u b e g e f ü h r t ( Z e l e n i n , KaMa h BnTKa 105).
§ 130. Von der ukr. Hochzeit, wie sie oben dargestellt ist (§ 127), unterscheidet sich die g r r . H o c h z e i t nur wenig. Bei den Grr. fällt das Moment der Vermählung mit der kirchlichen T r a u u n g zusammen, und nur von dieser Zeit an beginnt das vom Gewohnheitsrecht geheiligte Zusammenleben der Neuvermählten. Zeremonien mit dem Hochzeitsbrot gibt es bei den Grr. wenig (s. § 128), d a f ü r sind die Zeremonien beim Waschen in der Badstube sehr zahlreich (s. § 129). Bei den Grr. gibt es gar keine cbíthjikcI (Kerzenträgerin) mit dem Schwert und der dreifachen Kerze (τροϋιέτκβ). Dieser Brauch ist zu den Ukr. wahrscheinlich von den Römern gekommen, wo bei der Hochzeit f ü n f Fackeln gebräuchlich waren. Endlich ist bei den Grr. das Klauben des Ofens seitens der B r a u t während der Werbung nicht gebräuchlich, auch die Kränze aus Immergrün und Maßholderbeeren fehlen dort. Dagegen ist bei den Grr. das mystische Rituell zum S c h u t z e d e r N e u v e r m ä h l t e n v o r Z a u b e r e i viel stärker ausgeprägt. Wir haben schon ein
§ 129—130. Grr. Hochzeit.
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Beispiel d a f ü r in der ngrr. Waschung der B r a u t in der Badstube durch einen zauberkundigen Mann gesehen (§ 129). Bei der großrussischen Hochzeit ist ein besonderer Zauberer (cTÓpow, κλθτηηκ, βθη^η, BpamHÓü, onacHÓft, 3ββρβ?κέτοϋ, b6jkjihboü, rJiáBHoit) zugegen, dessen Pflicht es ist, allerlei Zauberei zu verhüten. Doch ebensooft werden die Funktionen des Zauberers durch den flpyjKKÓ erfüllt, der gleichzeitig als Zeremonienmeister des Hochzeitsrituals erscheint. Eine solche Eolie des Zeremonienmeisters spielt der apyjKKO, CTápocTa oder nächste Freund des Bräutigams auch bei der ukr. Hochzeit, und die Pflichten des Hochzeitszeremonienmeisters schließen teilweise auch die Funktionen des den Zauber abwehrenden zauberkundigen Mannes ein, denn die Bewahrung der Neuvermählten vor allem Unheil bildet eine der Aufgaben des ganzen Hochzeitsrituals. Die grr. Ausscheidung der Funktionen des Zauberers, als Pflicht einer besonderen Persönlichkeit, ist eine fraglos neue Erscheinung. Sie hat sich leicht, etwa aus folgendem Grunde, entwickeln können. Reichere Bauern luden zur Hochzeit (wie zur T a u f e ) den Priester als Ehrengast ein, was auch heute noch geschieht. Dieses hat aber bei weitem nicht jeder tun können, besonders in weit von einer Kirche abgelegenen Dörfern, wie sie heute im Norden vielfach vorkommen. W e r konnte den Priester in solchen Fällen ersetzen? I n der Zeit des Doppelglaubens, als neben dem Christentum das Heidentum noch lebendig war, war f ü r den Priester in religiösen Angelegenheiten natürlich der Zauberer ein Konkurrent. Als Vertreter des Priesters konnte er leicht auch auf der Hochzeit erscheinen. Den grr. Zauberer bei der Hochzeit f ü r ein aus dem Orient entlehntes Element zu halten, haben wir vorläufig jedenfalls keinen Grund. Als drittes und letztes „asiatisches Element" der grr. Hochzeit, nach dem Zauberer und der Badstube (§ 129), nennt T h . V o l k ο ν die grr. Sitte der K J i á f t K a , d. h. der Brautpreis soll nicht ein rituelles Lösegeld, sondern eine ganz reelle Zahlung f ü r die B r a u t sein. Überbleibsel eines einst vorhandenen Brautkaufes von einem fremden Geschlecht kommen bei allen Slaven u. a. auch bei den Ostslaven vor, doch sind das eben überlebte Bräuche. Was die grr. KjiäßKa anbetrifft, so ist uns kein F a l l bekannt, wo sie als Lösegeld f ü r die B r a u t betrachtet würde. Selbst in den seltenen Fällen, wo die KJiá^Ka bei den Grr. unter der türkischen Benennung KajiHM bekannt ist, bedeutet sie eine Belohnung der Brauteltern f ü r die Hochzeitsausgaben u n d im besonderen f ü r die M i t g i f t der Braut, welche aus Bett, Kleidung usw. besteht (siehe u. a. CjioBapt pyccKaro «atina, h3H. BToporo Οτλϊπθηιη Altalenili H a y n t Bd. I V , Lief. 3, S. 921, s. ν. KJiáflua). Ν". S u m c o ν, der zuerst die Legende vom scharfen Unterschied der grr. Hochzeit von der sonstigen slavischen aufgebracht hat, betont noch den „finsteren, rauhen und trüben" Grundton der ngrr. Hochzeit (Xjrfe6t bt> oôpnflaxi. η πϊοηηχι>, 58). Was die Trübseligkeit anbetrifft, so ist dieser Ton allen Ostslaven bei der ersten H ä l f t e der Hochzeitsfeier gemein — bis zur Trauung, nach der schon ein „frohes Festmahl" (ukr. Becíjijia) beginnt. Bei den Ukr. des Kreises Pinsk, die überhaupt alles Althergebrachte gut erhalten haben,
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IX. Das Familienleben.
sind „alle Hochzeitslieder eine Elegie, in der die Braut als Weinende und Beweinte erscheint; der Ton dieser Lieder selbst ist so traurig, daß sie mehr geweint als gesungen werden" ( B u l g a k o v s k i j ÜHinyKH 16). Die ukr. Ethnographen, welche die Hypothese vom vermeintlichen asiatischen Ursprung der ngrr. Hochzeit geschaffen haben, haben eine Eigenschaft, die f ü r die grr. Hochzeit besonders bezeichnend ist, nicht beachtet. Diese Eigenschaft können wir das Theatralische, Possenhaft-Dramatische nennen. Es ist nicht der alte Nachklang des Kampfes zweier Geschlechter bei der exogamischen Ehe. Es ist ein verhältnismäßig neues dramatisches Element, das nur Zerstreuung, Belustigung des Publikums bezweckt, und das nicht wenige alte slavische Bräuche umgestaltet hat. Die Quelle dieses Elementes ist nicht in Asien, nicht bei finnischen und türkischen Nachbarn, sondern bei den „lustigen Leuten", den Skomorochi zu suchen, die eine bedeutende Bolle bei den altrussischen Hochzeiten spielten (vgl. A. Ye s e 1 ο ν s k i j im CöopHHKT. OT^ijiemn pyccK. h3. AKaaewin Haynt, Bd. 32, Nr. 4, S. 199 ff.). — Wir f ü h r e n hier Beispiele des Possenspiels der CKOMopoxH bei der grr. Hochzeit an. V. C h a r u z i n a hat 1915 das Hochzeitsbrot der Ngrr. des Kreises Jurjev im Gouv. Vladimir beschrieben, das hier unter dem Namen Kyniiwa und póma (d. h. Wäldchen) bekannt ist. In ein rundes, flaches Gebäck aus Kuchenteig, das ebenfalls mit Teig verziert ist, werden Holzstäbchen verschiedener Länge, die mit buntem Papier von grellen Farben umhüllt sind, gesteckt. Der Kuchen stellt die „Erde" dar und die Stäbchen Bäume und Sträucher. Unter den Stäbchen wird ein aus Papier geklebtes Häuschen aufgestellt, in dem aus Papier oder Lappen angefertigte Puppen den Förster mit seiner Familie darstellen sollen; dem Förster wird ein kleines Brett in die Hand gegeben, das ein Ausgebot des Waldes zum Verkauf darstellt. Nach der Trauung bringen die Verwandten der Braut diese Karikatur eines Hochzeitsbrotes in das H a u s der Neuvermählten und stellen es auf den Tisch; hier findet dann nach dem Abendessen die Zeremonie des Verkaufes von „Wald" und „Erde" statt. Die Handlung geht unter Scherzreden und Gesang vor sich. Wird aus der „Erde" ein verkaufter Baum gezogen, so singt man dazu das Arbeitslied HyöÄHyiuKa: „ B O T y Hac CBeKop-το ôorâTHtt, rpeôëT néHe>KKH jionáTOit!
Qpi, HyßriHyuiKa,
^ χ η θ μ !" u s w .
Wenn
der „ W a l d "
aus-
verkauft ist, muß der Bräutigam die „Erde" loskaufen, wonach die Braut das Gebäck in Stücke bricht und unter alle Anwesenden verteilt. Eine solche Karikatur des alten Brauches zur Belustigung der Zuschauer steht bei den Grr. nicht allein da. Sie ist im Gegenteil recht typisch. Das rituelle Beschmieren mit Ofenruß zur Aufnahme der aus fremdem Geschlecht Stammenden am neuen häuslichen Herd hat sich zu einem fröhlichen Maskenfest entwickelt, wenn Gruppen von Frauen als Wollschläger, Zigeuner usw. verkleidet auf den Straßen herumgehen. Im Kreise Atkarsk des Gouv. Saratov fangen die Gefährtinnen der Braut zum Polterabend ein Huhn und bekleiden es mit einem speziell dazu gemachten Frauengewande ; ursprünglich war das H u h n ein magisches Symbol der Fruchtbarkeit der Neuvermählten. I n einer Eeihe von grr. Gouvernements wird beim Hoch-
§ 130. Grr. Hochzeit.
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zeitsmahl ein geschmückter Schweinskopf auf den Tisch getragen — mit silbernen Ohrringen, einem Halsschmuck und Seidenbändern geschmückt; die Gäste empfangen ihn mit Frohlocken, mit Liedern und Tanz. Im Onegagebiet fanden bei der Hochzeitsfeier Scherzspiele — dramatische Vorstellungen statt, u. a. „jKeHÔTbôa 6ápHHa", „die Vermählung des gnädigen Herrn". Einer von den Anwesenden, der den „gnädigen H e r r n " darzustellen hat, r u f t laut, so daß alle es hören können, die schmachvollsten und unanständigsten Sachen, jedes der anwesenden Mädchen betreffend, die übrigen jungen Leute wiederholen sie noch lauter; das Spiel endet mit einer scherzhaften Hochzeit des „gnädigen H e r r n " mit einem halberwachsenen Mädchen ( J e f i m e n k o , 126). Als Nachfolger der Gaukler (cnoMopoxii) erscheint auf der ngrr. Hochzeit wiederum der „Freund" (sP^JKko) — Zeremonienmeister mit seinen Scherzreden (vgl. die Reden auf der litauischen Hochzeit). Hier sind Anfänge einer Gesellschaftssatire gewöhnlich : bös werden die Mädchen verspottet, die zur Bewirtung der Burschen von den Milchtöpfen auf Diebesart den Rahm schöpfen, ebenso die jungen Frauen, die ihre Männer betrügen, alte Frauen, die ihre Schwiegertöchter stets schelten und sogar schlagen, Burschen, die von ihrer Arbeit in Moskau als Bettler mit dem Lied ,,Ποβέϋτβ, δέτιοπικκ!" zurückkehren usw. ( Z e l e n i n 9). Das dramatische Element tut sich auch im verstärkten Weinen und Heulen der Braut kund, von dem sie o f t eine ganze Woche die Stimme verliert; das Weinen und das Gerede dazu wird von häufigen Schlägen mit den Armen und dem Kopf gegen den Tisch, die Bank, den Fußboden usw. begleitet, wovon die Arme von den Ellenbogen bis zum Handgelenk sich ganz mit blauen Flecken bedecken ( J e d e m s k i j 16; S e m e n o v a 64 u. a.). Im Gouv. Olonec und Jaroslavl' gibt es gedungene Klageweiber (β0λι>ηηι;η, njia«ieií, nJiáKajii,inHi|Li). Wir führen diese Einzelheiten als Beweis f ü r die Richtigkeit des früher (§ 126) ausgesprochenen Gedankens an, daß die grr. Hochzeit sich nicht unter „asiatischem" Einfluß, sondern durch selbständige Entwicklung verändert hat. — M. J e d e m s k i j notiert 1910 „eine Reihe von Neuerungen, die vor verhältnismäßig kurzer Zeit in das Hochzeitsritual der Ngrr. des Gouv. Vologda eingeführt sind; diese Veränderungen beziehen sich nicht auf das Wesentliche" (S. 8). Es muß noch bemerkt werden, daß heutzutage „neben der komplizierten Ausführung des alten Rituals und der kirchlichen Trauung; in den Dörfern ganz vereinfachte Hochzeiten aufkommen, die sich auf eine Registration im Ispolkom und ein abendliches Festmahl beschränken" (Cii6npCKaH ÎKiiBan Grapmia, I I I — I V , 1925, S. 196). In früheren Zeiten gab es solche Hochzeiten bei den Altgläubigen, als das ganze Ritual sich eigentlich auf ein Lösen des Zopfes der Braut und einen Ersatz der Mädchenfrisur und des jungfräulichen Kopfputzes durch den bei Frauen üblichen beschränkte; und schließlich auch bei den sog. „Kuckuckshochzeiten", wenn ein Witwer eine Witwe heiratete und gar kein Ritual und keine Belustigungen üblich waren.
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IX. Das Familienleben.
Auf Abb. 236 ist der Polterabend einer n g r r . Hochzeit nach der Photographie von M. B. J e d e m s k i j dargestellt: die B r a u t steht im Vorderwinkel mit verdecktem Gesicht und f ü h r t Klagereden, und ihre Gefährtinnen singen ihr Klagelieder. Auf Abb. 237 ist ein ngrr. Festmahl nach der Trauung' dargestellt: auf dem Tisch sind zwei aufeinanderliegende Brote zu sehen. § 131. Bei den Grr., besonders bei den Altgläubigen, sind überall g e h e i m e H o c h z e i t e n : , , c a M O x ó « O M , c a M O K p ^ T K O ñ , y B Ó ^ O M , y x ó a o M , y ö e r o M " verbreitet. E s sind drei A r t e n solcher Hochzeiten bekannt. I m ersten Falle geht ein r e g e l r e c h t e r R a u b vor sich : die B r a u t wird f ü r sie selbst
Abb. 236. Ngrr. Polterabend im Gouv. Vologda, Kreis Tot'ma. unerwartet geraubt und weiß selbst nicht, f ü r wen und wozu ; während der F a h r t auf den Straßen e r g r e i f t der B r ä u t i g a m die B r a u t oder setzt sie durch B e t r u g zu sich in den Schlitten u n d f ä h r t rasch mit ihr in die Kirche oder in sein H a u s , wo sie übernachtet. O f t ist sie hinterher einverstanden, seine F r a u zu werden. Zuweilen entflieht die B r a u t in solchen Fällen den Räubern. Doch ist diese Art des Brautraubes selten. Die zweite, mehr verbreitete Art besteht darin, daß B r ä u t i g a m u n d B r a u t sich zuerst über eine g e h e i m e E h e verständigen, wobei die B r a u t dem B r ä u t i g a m im voraus einen Teil ihrer M i t g i f t oder wenigstens ein Geschenk als P f a n d ihrer Zustimmung gibt. Z u r verabredeten Zeit f a h r e n die beiden f o r t . Zuweilen lassen sie sich sogleich in der Kirche t r a u e n ; mitunter müssen sie sich vor den Eltern der B r a u t , die ihnen nacheilen, verbergen, wobei sie gewöhnlich von einem Verwandten des B r ä u t i g a m s zum anderen f a h r e n . Zuweilen kommt die B r a u t in solchem Falle selber nachts
§ 131—132. Geheime Hochzeiten.
Begräbnis.
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zur verabredeten Zeit in das H a u s des B r ä u t i g a m s — m i t einem großen Bündel Sachen. Dies alles kommt besonders dann vor, wenn die E l t e r n der B r a u t nicht damit einverstanden sind, daß die Tochter den von ihr begehrten M a n n heiratet, oder wenn die E l t e r n des B r ä u t i g a m s mit seiner W a h l unzufrieden s i n d ; seltener geschieht es aus Armut, wenn die B r a u t keine Mittel hat, die nötigen Kleider f ü r die Hochzeit zu erwerben. — N a c h einiger Zeit, o f t schon am anderen Tage, geht das j u n g e P a a r zu den E l t e r n der B r a u t , diese um Verzeihung zu bitten, die größtenteils, wenn auch nicht sofort, gewährt wird. Die dritte Art endlich besteht darin, daß die E l t e r n der B r a u t selber einen s c h e i n b a r e n B r a u t r a u b veranstalten. Mit ihrem geheimen Segen und ihrer Z u s t i m m u n g wird ihre Tochter von ihrem B r ä u t i g a m geraubt und
Abb. 237. Ngrr. Hochzeitsmahl (Gouv. 'Vologda). erscheint dann, um Abbitte zu tun, wobei die E l t e r n sich zürnend stellen. So kommt es o f t bei den Sektierern vor, welche die E h e f ü r eine Sünde halten und sie nicht anerkennen. H i e r wird das religiöse P r i n z i p anscheinend gegen den Willen der E l t e r n durchbrochen. E i n gewöhnlicherer Grund ist in solchen Fällen die V e r m e i d u n g von Ausgaben f ü r das Hochzeitsmahl usw. Überhaupt spielen wirtschaftliche Gründe bei allen Arten von geheimen Hochzeiten die Hauptrolle. I h r e V e r b i n d u n g mit der alten Sitte des B r a u t raubes ist sehr zweifelhaft. E s muß bemerkt werden, daß die Hochzeitsausgaben im ganzen sehr groß und f ü r den gewöhnlichen B a u e r n zu hoch sind; u. a. sind f ü r ein Hochzeitsmahl 20—30 Vedrò (60—90 Liter) B r a n n t wein nötig. ( B u l g a k o v s k i j nHHiyKH 16.) § 132. F ü r das B e g r ä b n i s r i t u a l ist das Vorwiegen archaischer Züge, die allen Ostslaven gemein sind, bezeichnend.
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IX. Das Familienleben.
Die Leiche des Verstorbenen wird stets mit warmem Wasser gewaschen und mit neuen Kleidern angetan; an vielen Orten hat sich der Brauch erhalten, dieses noch zu Lebzeiten des Sterbenden zu tun. Der Volksglaube lehrt, daß der Mensch im Jenseits in demselben Kleide erscheinen wird, in dem er verschieden ist. Doch hat wahrscheinlich die Schwierigkeit, den Augenblick des Todes abzupassen und den Menschen rechtzeitig zu waschen und anzukleiden, dazu geführt, daß jetzt der Brauch vorherrscht, die Waschung des Verstorbenen erst nach seinem Tode zu vollziehen. Für die „Waschung der Seele" wird vor dem Eintritt des Todes stets ein Gefäß mit Wasser neben den Sterbenden gestellt, wobei viele zu sehen behaupten, wie das Wasser im Gefäß beim Baden der eben befreiten Seele sich bewegt. Dieses Wasser wird im Gefäß auf dem Tisch oder Fenstersims 40 Tage nach dem Tode stehengelassen; während dieser Frist soll die Seele noch nicht ins Jenseits übergehen; es begegnet auch der Glaube, daß die Seele dieses Wasser trinkt. Gleichzeitig mit dem Aufstellen des Wassers öffnet man im Augenblick des Sterbens die Ofenröhre oder ein kleines Schiebefenster ; durch das Fenster wird ein Stück Leinwand oder ein Handtuch hinausgehängt. Das Volk versteht jetzt diesen Brauch auf verschiedene Weise : die Seele soll sich nach der Waschung mit dem Handtuch abtrocknen, sie trocknet damit ihre Tränen oder ruht darauf aus; dieses Handtuch, das zuweilen von außen am Hause angebunden oder angenagelt wird, dient als Zeichen dafür, daß im Hause jemand gestorben ist. Man darf wohl annehmen, daß anfänglich die Leinwand aus den Wohnräumen hinausgehängt wurde, um der Seele des Verstorbenen sowohl den Ausgang aus dem Hause als auch die Rückkehr dorthin zu erleichtern. Unter anderem lassen die Ngrr. im Gouv. Olonec die Leinwand durch das offene Fenster auf die Straße herabhängen, wenn das Gastmahl nach der Seelenmesse vorüber ist und man nach der Bewirtung der Eingeladenen zu ihnen spricht: „Jetzt wäre es für euch Zeit, nach Hause zu gehn, . . . geht mit Gott." — Dabei wird ein Stück Leinwand genommen, auf dem man einen Verstorbenen in das Grab herabgelassen hat ( K u l i k o v s k i j ) . Die Wr. hängen in der Nacht nach dem Gastmahle (bei der herbstlichen Gedächtnisfeier) das Handtuch zum Fenster hinaus und stellen darauf Pfannkuchen und Weizenbrei (pyTbji) für die Verstorbenen (Onnc. pyKon. 137, vgl. 1051). Der Sterbende muß auf Stroh liegend sein Leben beschließen; die Ukr. und Wr. lassen ihn auch auf einem Schafpelz liegen. Stirbt der Mensch auf einem Federkissen liegend, so herrscht der Glaube, daß ihm jede Feder Qualen verursachen wird. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß dieser Glaube aus wirtschaftlichen Gründen entstanden ist; das Bett, auf dem ein Mensch gestorben ist, wird nach dem Volksbrauche entweder weggeworfen oder für längere Zeit im Hühnerstall aufgestellt, wo es durch den Hahnenschrei gereinigt werden soll. Eine langwährende Agonie kommt nach dem Volksglauben nur bei denen vor, die es zu Lebzeiten mit bösen Gewalten zu tun hatten, d. h. Zauberer gewesen sind. In solchen Fällen gibt es einen Brauch uohök jioMaTb, d. h.
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§ 132. Begräbnis.
den Firstbaum zu erheben oder ganz vom Dache fortzunehmen und damit der Seele sowie den bösen Gewalten, die den Tod vom Zauberer fernhalten, die Möglichkeiten zu geben, fortzufliegen. Dieser Brauch ist wahrscheinlich zu der Zeit entstanden, als es in den H ä u s e r n keine Decke, sondern n u r ein Dach gab. J e t z t wird, der neuen häuslichen Einrichtung entsprechend, dazu n u r der Deckenbalken oder eines von den Deckenbrettern weggehoben. — Es gibt auch andere Bräuche zur Verkürzung der Agonie — durch Bohren eines Loches in der Wand, durch Anbohren des Ofenherdes (non, Me pi Hb), durch Verbrennen der O f e n t ü r usw. ; die Ukr. läuten in solchen Fällen die Kirchenglocken. Die Ukr. und Wr. geben dem Sterbenden eine angezündete Kerze in die H a n d , eine rpÓMHHiHaH CBeqá, d. h . eine Kerze, die in der Kirche zu Mariä Reinigung (am 2. Februar) oder am Gründonnerstag geweiht wird. — Überall drückt m a n dem Verstorbenen die Augen zu, meist mit Kupfermünzen, damit er keinen anderen, der zu sterben habe, in der betr. Familie ansehen soll. Bei den Grr. trägt man alles, was zur letzten Waschung gehört hat — das Waschgeschirr mit Wasser, den Waschlappen, sowie das Stroh, auf dem er gestorben ist, zuweilen auch die Bretter, auf denen m a n ihn gewaschen hat — ins Feld oder auf die Grenze des betr. Dorfes hinaus, wobei das Geschirr meist zerschlagen wird. I m F r ü h l i n g ist es erlaubt, die Sachen in den aus den U f e r n getretenen Fluß zu w e r f e n ; nach dem Tode des Hauswirts werden sie nicht selten im H o f e vergraben. Es wird eine gewisse Verbindung zwischen dem Verstorbenen u n d dem Ort, wo diese Sachen lagen, angenommen; und der Ort, wo sie hingeworfen werden, gilt als schaurig. Das Vorhandensein der Grenze verwehrt dem Toten den Zugang in das Dorf. Die Reste von der Waschung des Hauswirts gräbt m a n im H o f e ein, „damit der Hausgeist nicht fortgehe" (ττοβ Ä O M O B O Ü He nepeBo^iijiCH. Z a v o i k o 9 1 ) . Die Ukr. gießen das Wasser u n d alle Reste der Waschung an einem solchen Ort aus, wo weder Tiere noch Menschen gehen, z. B. in den schmalen R a u m zwischen zwei Gebäuden, unter die Maisdarre usw. Der Kamm, mit dem man den Verstorbenen gekämmt hat, wird entweder zusammen m i t seinen anderen Sachen fortgeworfen oder in den Sarg des Toten gelegt. Stellenweise legt man auch die Axt, die man bei der V e r f e r t i g u n g des Sarges benutzt hat, mit hinein (OIIHC. pynon. 294). W e n n das Vieh das Stroh frißt, auf dem der Verstorbene gelegen hat, dann sollen ihm die Zähne ausfallen (ib. 970); dieses Stroh wie auch die Späne vom Sargbau zu verbrennen, ist verboten; wenn die W r . hier und da die Späne verbrennen, um die Füße des Toten zu wärmen (ib. 456, vgl. 411), so geschieht dies n u r am anderen Tage nach dem Begräbnis. Die „Totenkleider" fertigen viele alte Leute f ü r sich schon im voraus an und ziehen sie vor den großen Festen, während eines starken Gewitters usw. an. Diese Kleider sind meist von weißer Farbe. Wenn sie f ü r einen schon Verstorbenen angefertigt werden, so werden alle N ä h t e nicht wie gewöhnlich ausgeführt, sondern in der Weise, daß der Nähende das spitze Ende der Nadel von sich ab- und dem Toten zuwendet ; hier und da näht m a n Z e l e n i n , Rase. (Oetelav.) Volkskunde.
2L
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IX. Das Familienleben.
sogar mit der linken. Hand. Um das alte Hemd vom Toten abzunehmen, zerreißt man es. Ein Oberkleid wird dem Toten im allgemeinen im Grabe nicht angelegt. Dies zeugt aber kaum davon, daß die Ostslaven früher in einem wärmeren Klima gelebt haben, eher haben hier rein wirtschaftliche Gründe eine Eolle gespielt. Das Oberkleid wird beim Toten gewöhnlich durch das Totengewand, den sog. cáBaH ersetzt, wobei die Ostslaven mit diesem griechischen Wort gewöhnlich recht verschiedene Sachen bezeichnen; am häufigsten ist es eine Art weißen Hemdes, das zuweilen auch den Kopf überdeckt und überhaupt einem Sack sehr ähnlich ist. Zuweilen ist es ein Tuch, in das man den Verstorbenen wickelt und worüber dann noch ein langes Band geschlungen wird. Zuweilen legt man das Totengewand u n t e r den Verstorbenen als Unterlage in den Sarg. Neue, elegante Kleider und überhaupt solche von modernem Schnitt werden nicht zugelassen; z. B. Stiefel, die immer durch Bastschuhe oder am öftesten durch ein aus Zeug angefertigtes leichtes Schuhwerk (ΚΙΠΗΓΗ) ersetzt werden, das zuweilen die Form von Strümpfen hat. I m äußersten Falle werden, wenn der Tote Stiefel an hat, aus diesen die eisernen Nägel herausgezogen. Denn Eisen darf überhaupt nicht im Sarge sein, und der Sarg wird nicht mit eisernen Nägeln zusammengezimmert, sondern mit hölzernen, und mitunter werden die Sargbretter auch mit Bast zusammengebunden. Metallknöpfe werden vermieden und nur das Kreuz am Halse des Toten ist zuweilen ein kupfernes (silberne werden nicht zugelassen), doch auch hölzerne Kreuze kommen oft vor. Ein Kreuz und einen Gürtel muß man dem Toten durchaus anlegen. Den Frauen legt man dagegen nie eine Schürze an. Eine Mütze setzt man den Männern auch immer auf, und wenn die Priester dagegen reden, so legt man die Mütze neben den Toten oder unter seinen Kopf. Die unverheiratet verstorbenen Mädchen werden überall mehr oder weniger festlich gekleidet, wie zur Hochzeit. Das Begräbnis eines Mädchens wird überall als ihre Ehe angesehen. Es wird mit einem Handtuch umbunden; an den Mittelfinger der rechten Hand wird ihm ein Hing angelegt; von seinen Angehörigen werden Geschenke, wie bei der Hochzeit, ausgeteilt; auf den Deckel des Sarges legt man ein Hochzeitsbrot. Zuweilen wird f ü r die Verstorbene aus dem Kreise der ledigen Burschen ein Bräutigam erwählt, der in entsprechendem Gewände hinter dem Sarge hergeht. Etwas Analoges geschieht auch beim Begräbnis eines jungen Mannes. Wenn man will, daß um eine Witwe wieder gefreit wird, dann wird das Hemd des verstorbenen Mannes nicht zugeknöpft. Damit ein Witwer nicht heirate und seine Kinder nicht von einer Stiefmutter zu leiden haben, umgürtet man seine tote F r a u heimlich vor ihm mit einem Faden (Oniic. pyKon. 722). Die Frauen zänkischer Männer ziehen aus dem Totengewand eines Verstorbenen Fäden heraus und nähen sie in die Kleidung ihrer Männer ein, damit diese ruhiger seien. Den Toten legt man, nachdem er gewaschen und angekleidet worden, erst ohne Sarg und dann im Sarge auf die Wandbank, mit den Füßen zur Türe
§ 132. Begräbnis.
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gerichtet. Die Männer werden rechts, die Frauen links von der Eingangstüre gelegt. Der Brauch, den Toten auf einen Tisch zu legen, ist erst neuerdings aufgekommen, hauptsächlich bei den Wr. Die altgläubigen Grr. legen den Toten, öfters mit den Füßen nach den Heiligenbildern zu. Die Hände des Toten werden kreuzweise zusammengelegt und die Einger der rechten Hand wie zur Bekreuzigung zusammengedrückt. In dem Augenblick, wenn der Sarg für den Verstorbenen ins Haus getragen wird, gehen alle hinaus, besonders die schwangeren Frauen (die letzteren gehen auch beim Hinaustragen des Sarges fort; sie dürfen den Toten auch nicht waschen, sonst soll ihr Kind sterben). Die Särge (grr. HOMOBÄHa, rpo6; altertümlich KOJió/ja; ukr. TpyHá, «epeerfme) wurden früher aus einem ganzen Holzstamm angefertigt, oft mit einem runden Kopfstück, und hatten kleine Fenster. Jetzt werden sie aus rohen Brettern gezimmert, aber ohne eiserne Nägel. In alten Zeiten fertigten sich die frommen Leute ihren eigenen Sarg schon im voraus an (was u. a. als Vorbedeutung für ein langes Leben galt), sie schütteten Kornsamen in den Sarg und verteilten die Samen unter die Bettler. Die Holzspäne von einem Sarge dienen ebenso wie die trockenen Blätter von Badequasten als die gewöhnlichste Unterlage für den Toten im Sarge; man legt auch Stoffreste von der für den Toten genähten Kleidung mit hinein. Aus demselben Stoff, seltener aus Heu, macht man auch ein Kissen für den Sarg, das meist nur von drei Seiten zugenäht wird. In den Sarg bekommt der Tote Brot, zuweilen auch Salz, Butter und zu Ostern ein Ei; noch unlängst war es Brauch, den Männern eine Flasche Branntwein in den Sarg mitzugeben. In ein Tuch am Gürtel wird Kupfergeld gewickelt; Geld wird auch ins Grab gelegt; dieser Brauch wird im Volk verschieden gedeutet. Nach älteren Deutungen soll das Geld zur Bezahlung des Platzes auf dem Friedhof — wahrscheinlich an die früher dort bestatteten Verstorbenen — dienen, anderseits, „damit das Vieh nicht hinter dem Herrn hergehe" (Onnc. pyKon. 1102). Nach neueren Deutungen soll es das Zahlgeld für die Überfahrt über den feurigen Fluß oder für den Platz im Jenseits sein, zur Bezahlung der zu Lebzeiten nicht bezahlten Schulden. In entlegenen Waldgegenden Weißrußlands legt man auch heutzutage noch in den Sarg des Verstorbenen als Ersatz für die angezogenen Bastschuhe Lappen zum Umwickeln der Füße, ein Hemd, eine Tabakspfeife, einen Tabaksbeutel und einen Feuerschwamm zum Feueranmachen oder eine Schnupftabaksdose, den Kindern gibt man Spielzeug mit, den Handwerkern Werkzeuge von geringerem Umfang: dem Schuster eine Ahle, dem Zimmermann eine Axt, dem Schneider eine Nadel usw., damit der Tote nicht nach Hause zurückzukehren brauche, um diese notwendigen Werkzeuge zu holen. Die Ukr. legten den Hebammen einen Stock und ein Bündel mit Mohnsamen in den Sarg, damit diese sich im Jenseits gegen die Kinder, bei deren Geburt sie Hilfe geleistet haben, wehren könnten. Die Wr. legen Frauen, die in schwangerem Zustande gestorben sind, Windeln und Kinderspielzeug in den Sarg. Man legt auch die abgeschnittenen Nägel der Verstorbenen bei — wenn diese erhalten sind —, damit sie imstande wären, im Jenseits einen Berg zu erklimmen. 21*
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IX. Das Familienleben.
D i e N g r r . des Gouv. Olonec tragen den Sarg zuweilen nicht zur Tür, sondern zum Fenster hinaus ( B a r s o v , ΠΡΗΗΗΤΒΗΙΗ I 306), mit der deutlichen Absicht, es dem Toten unmöglich zu machen, den W e g ins H a u s zurückzufinden. Das H i n a u s t r a g e n des Toten durch die H i n t e r t ü r oder durch den Viehhof ist eine gewöhnliche Erscheinung bei den N g r r . Man t r ä g t den Toten in einem unverdeckten Sarg hinaus und trägt ihn stets m i t nach vorn gerichteten F ü ß e n , augenscheinlich, damit er den W e g hinter sich nicht sehe. Mit dem Sarg wird dreimal an die Schwelle des H a u s e s gestoßen, dam i t der Tote von seinem alten Wohnhause Abschied nehme und nicht mehr dahin zurückkehre. D a s Haus, in dem ein Mensch gestorben ist, wird f ü r unrein gehalten. W a r im Augenblick seines Todes Wasser im Hause, so wird es nicht getrunken, sondern ausgegossen: es heißt, der Tote habe es trinken können (Onnc. pyKon. 294). Bei den N g r r . geht beim Hinaustragen der Leiche eine F r a u mit einem Badequast hinter dem Zuge her, f e g t den Boden bis zur Schwelle und spritzt Wasser u m sich ( S e i n 778) ; gleich danach wird auch der Fußboden im H a u s e gewaschen ( J e f i m e n k o I 192). Doch h a t diese R e i n i g u n g des Hauses mehr magischen als hygienischen Zweck. Auf den Fußboden wird Wasser gegossen, „um die Spur des Toten zu verwischen" (Onnc. pyKon. 909) — u m dem Toten die Rückkehr ins H a u s zu erschweren: f ü r die Seele ist die Reise übers Wasser überhaupt schwer. Der Fußboden i m H a u s e wird, während sich die Leiche noch dort befindet, nicht gefegt, „um die Lebendigen nicht mit hinauszufegen". (3THorpa$Hi. CôopHHKb H 91); nach dem H i n a u s t r a g e n des Sarges f e g t m a n auf der Straße den U n r a t zum H a u s e hin, damit die Einwohner im H a u s e bleiben ( J e f i m e n k o I 192). H i n t e r dem Leichenzuge her, wie auch auf den Sarg, wird oft Roggen und Gerste mit vollen H ä n d e n geworfen, „damit im H a u s e kein Todesfall mehr geschehe" ( R o m a n o v VTII—IX 526), und damit alle gesund und am Leben bleiben mögen. Das Bett und die Kleidung des Verstorbenen werden auf 6 Wochen in den Hühnerstall getragen, damit die H ä h n e sie mit ihrem Schrei reinigen. Die Bank, auf der die Leiche gelegen hat, wird mit einer Axt oder einem Messer geschlagen, „um damit den Tod abzuhauen" (Onnc. pyKon. 975). Öfters wird auch eine Axt, ein großes Messer oder ein Schüreisen, seltener eine Ofengabel, ein Holzscheit, ein Stein, ein Brot, ein Trog mit Teig an die Stelle gelegt, wo der Verstorbene gelegen hat. I m Gouv. Poltava wurde unter die Leiche selbst ein Messer oder irgendein eiserner Gegenstand gelegt, was den Leichnam vor dem Verwesen bewahren und das Ausfließen der Flüssigkeit aus Mund und Nase verhindern soll (OIIHC. pyKon. 1 1 1 6 ) . G. K u l i k o v s k i j sieht in allen diesen H a n d l u n g e n eine E r i n n e r u n g an die Zeiten, wo nach dem Tode des Hauswirtes sein Leichnam in seinem H a u s e gelassen wurde, während alle seine Angehörigen an einen neuen Ort zogen. Doch das Vorwiegen von eisernen Gegenständen läßt keinen Zweifel aufkommen, daß m a n hier dem Tode zu wehren sucht. Die TJkr. werfen zuweilen an dieselbe Stelle einen neuen Topf, damit dieser in Scherben breche — ein
§ 132—133. Begräbnis.
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fragloses Symbol der Erneuerung des Lebens. Die Ukr. tragen auch noch nach dem Hinaustragen der Leiche, indem sie die Türe rasch hinter sich schließen, einen Teigtrog aus dem Vorhause heraus und gehen alle im Gänsemarsch dreimal im Kreise herum — offenbar einen magischen Kreis beschreibend. Das Erscheinen des Teigtrogs in diesem Rituell ist ganz begreiflich, zumal hier und da die Sitte herrscht, während der Anwesenheit einer Leiche im Hause kein Brot zu backen (OHHC. pyKon. 1179). Auch darf, wenn im Dorfe eine Leiche ist, bis zu ihrem Begräbnis weder gesät noch gepflanzt werden; die Saat würde sonst nicht aufgehen. Weniger verständlich ist das Vorkommen des Steines in diesem Ritual, er begegnet aber hier selten und nur bei den Grr. I m Kreise Niznij-Novgorod legt man einem Menschen in seiner Todesstunde ein Gefäß mit Wasser, ein Handtuch und einen Stein an das Kopfende (ib. 786). I m Gouv. Kaluga wird im Laufe von 40 Tagen nach einem Todesfall ein mit Leinwand verdeckter Stein unter die Heiligenbilder gelegt (ib. 583); im Gouv. Novgorod wird dort bis zum Begräbnis ein Birkenscheit hingelegt (ib. 869). Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß der Stein als Sitz der Seele des Verstorbenen gilt, die nach Verlassen des Leibes überhaupt einen Platz für sich, wie der Vogel ein Nest, sucht ( M i l o r a d o v i c 166). I m Gouv. Olonec liegt der Stein auf der Bank, zuweilen zu Häupten des Verstorbenen; vor dem Hinaustragen des Sarges geht die Wirtin des Hauses mit ihm um den Sarg herum, wonach sie ihn in die Ecke des Zimmers unter die Heiligenbilder legt oder zuweilen auch auf die Straße hinauswirft. Beim Hinaustragen der Leiche aus dem Hause wird oft das Vieh aus den Ställen herausgelassen, damit es von seinem Herrn Abschied nehmen könne. Im Gouv. Kursk werden die Lieblingshaustiere des verstorbenen Hauswirtes mit Geweben bedeckt und vor oder hinter dem Sarge hergeführt (OUHC. pyKon. 6 5 7 ) . Wenn der Hauswirt gestorben ist, so verbinden die Ukr. nach dem Hinaustragen des Leichnams das Haustor mit einem roten Gürtel oder einem Handtuch und streuen im H o f e H a f e r aus, damit das Vieh seinem Herrn nicht ins Grab nachfolge. § 133. I n alten Zeiten wurden die Verstorbenen auch im Sommer in Schlitten zum Friedhof gefahren — anscheinend wird hier der Schlitten als die älteste Art von Fuhrwerk dazu ausgesucht. I m Gouv. Olonec war diese Sitte noch unlängst in K r a f t (OHHC. pynon. 910; S e i n 778), und als Gegensatz zum Schlitten dienten nur die Boote zur Überfahrt auf Flüssen und Seen. An das Krummholz des Wagens wird ein Handtuch gebunden (OnHc. pyKon. 598) ; dasselbe dient auch als Zügel. Man meint, daß es für das Pferd sehr schwer sei, den Toten zu ziehen, weil die Teufel sich seiner bemächtigen. I m Gouv. Vitebsk küßt der Älteste im Hause mit Wehklagen die Hufe des P f e r d e s . — Die Töchter setzen sich auf den Sarg ihres verstorbenen Vaters und weinen, indem sie den Kopf auf den Sarg legen, den ganzen Weg hindurch. Auf dem Kirchhof wird das Pferd stets umgespannt: zuerst wird es ausgespannt, dann um den Schlitten oder Wagen in der Richtung des Sonnenumlaufs geführt und dann sofort wieder angespannt. Der Schlitten wird oft — für
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IX. Das Familienleben.
immer oder nur f ü r einige Zeit — auf dem Grab oder am Bande des Dorfes gelassen (fern vom Wohnhause). Hier und da entfernt man sich vom Kirchhof rückwärts gehend. Nicht selten wird der Sarg nicht gefahren, sondern auf Handtüchern oder Stricken, mit H i l f e einer Bahre getragen. Die letztere wird stets auf dem Grabe gelassen und gewöhnlich zu Füßen des Toten in den Grabhügel gesenkt. Daß die Eltern von den Kindern ins Grab gelegt werden oder die Eltern ihr Kind selbst in den Sarg legen, wird f ü r eine Sünde gehalten. Die Grr. des Kreises Sergac im Gouv. Niznij-Novgorod begießen jedes frische Grab — vor und nach dem Begräbnis — mit Wasser, um der sommerlichen Dürre vorzubeugen. Bei den Ukr. wird die halbkirchliche, den Grr. ganz fremde Sitte „das Grab zu versiegeln" (nenaTaTb Morriny) streng beachtet: nach der Grablegung des Toten macht der Priester unter dem Singen besonderer Kirchenlieder mit einer eisernen Schaufel das Zeichen eines Kreuzes über dem Grabe und wirft dann kreuzweise Erde auf den Sarg. Ohne ein solches „Versiegeln" wird das Begräbnis von den Ukr. nicht f ü r vollständig gehalten; nur das Versiegeln macht es dem Toten unmöglich, aus dem Grabe herauszukommen. Die Ngrr. des Gouv. Olonec müssen oft, wegen der großen Entfernung der Dörfer von der Kirche, die Toten ohne einen Priester begraben; dem letzteren bringt man nur das Tuch, mit dem der Tote bedeckt gewesen ist; über diesem Tuch singt der Priester eine Litanei und schüttet Erde darauf. I n Verbindung damit ist hier der Gebrauch häuslicher Rauchfässer beim Begräbnis, der übrigens allen Ostslaven bekannt ist, ein häufiger. Beim Hinaustragen der Leiche trägt man einen Topf mit glühenden Kohlen, auf die Weihrauch geschüttet wird, mit. Auf den Grabhügel legt man hier — ihrer Länge nach — die Schaufel, mit der man das Grab zugeschüttet hat, und stellt einen umgekehrten Kohlentopf darauf; die Kohlen werden auf natürliche Weise auf dem Grabe verweht. Kreuze gibt es hier (im Gouv. Olonec) auf den Gräbern fast gar keine. Überhaupt errichtet man auf den ostslavischen Gräbern zumeist H o l z k r e u z e von verschiedener Form. Kreuze mit einer zweiseitigen Überdachung und einem Heiligenbild werden zuweilen lacÓBeHKa (,kleine Kapelle') genannt. Bei den Wr. kommen oft Grabbedeckungen (npÄKjiaHu) aus einem ganzen dicken Baumstumpf oder aus Brettern vor, die in Form einer langen sargähnlichen Kiste angefertigt werden ; eine solche Überdeckung wird horizontal auf das Grab gelegt; an dem Kopfende wird ein kleines Holzkreuz daran befestigt. Eine solche Überdachung wird über dem Grab gewöhnlich am Jahrestag des Todes angebracht, und an diesem Tage dient sie, mit einem Tischtuch bedeckt, als Tisch bei dem Essen nach der Gedächtnisfeier f ü r den Toten (Onnc. pynon. 312). Die Sgrr. bedecken das Grab an diesem Jahrestage mit einem Gewebe. Bei den Ngrr. wird auf dem Grab, außer einem gewöhnlichen Kreuz, ein längliches viereckiges Gehäuse gezimmert, das oben mitunter offen ist, zuweilen aber auch mit einem flachen Dach oder mit zwei abschüssigen Brettern überdeckt ist; auf dem Dach desselben wird ein Kreuz aufgestellt.
§ 133—134. Begräbnis. Bestattung ohne Grab.
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Das ganze Gebäude wird zuweilen rônyôéu; genannt (vgl. lat. c o l u m b a r i u m ) , rojißeq (vgl. § 115). Bei den Wr. sind außer {Kreuzen auch Steine auf den Gräbern anzutreffen. Die Wr. des Gouv. Vitebsk versehen die Gräber der Frauen nicht mit Kreuzen und bezeichnen sie nur mit Grabhügeln. D a f ü r werden dort zum Gedächtnis der Frauen leichte Brücken aus einem Brett oder einem Balken über Bäche und sumpfige Stellen geschlagen, in die ein Kreuz, Schuhe oder eine Sichel und zuweilen auch das Todesjahr eingekerbt wird. — Die ursprüngliche Bedeutung solcher Brücken ist: dem Toten über schwer passierbare Stellen hinüberzuhelfen und seine Rückkehr zu verhindern (siehe den Aufsatz von Ζ e l e n i n , JKiiBan GrapHHa 1911, N r . 3 u. 4, S. 403—405). Die Ukr. bringen auf Gräbern von Knaben und ledigen Männern ein Tüchlein am Kreuz an; die Kosaken bringen ein solches an einem hölzernen Speer als Kriegerfahne an (Oniic. pyKon. 615 u. 1099). Die Ngrr. reiben sich mit der Graberde die Brust ein, schütten sich diese Erde ins Hemd und in die Taschen, legen sie in das Wasser, mit dem sie sich nach dem Begräbnis in der Badestube begießen; dieses alles machen sie, um nach dem Verstorbenen keine Sehnsucht zu empfinden. Andere Mittel gegen die Sehnsucht sind: das Abschneiden einer Haarlocke des Toten, die man sich um den Hals bindet ; bei den Wr. ist es üblich, in eine Ofenröhre zu sehen: „Wie der Blick durch die Röhre geht, so soll auch das Andenken an den Toten vergehen" (Oimc. pyKon. 294.) Die Wr. sehen auch in den offenen Ofen und auch in das Erdgeschoß (in den Raum unter dem Fußboden des Hauses), um die Furcht vor dem Toten zu verlieren (ib. 545, vgl. 722; S e i n 779). Man kann vermuten, daß diese Bräuche sich aus dem alten Brauch entwickelt haben, nach einem Todesfalle im Hause das Herdfeuer zu löschen, da es durch den Tod verunreinigt sein soll, oder weil man die Rückkehr des Toten zu seinem Herdfeuer verhindern möchte. Doch kann man hierin auch ein Läuterungsritual sehen, was f ü r den ukr. und wr. Brauch unzweifelhaft ist: vom Friedhof zurückgekehrt, fassen edle mit den Händen den Ofen an, zuweilen sieht man auch in den Ofen hinein und spricht: „Mögen die Schaben und Kellerwürmer vergehen!" § 134. Von den d r e i A r t e n der altslavischen B e s t a t t u n g durch Verbrennen des Leichnams, Begraben in der Erde und Hinauswerfen des Leichnams an einen wüsten Ort, ohne ihn in der Erde zu vergraben — sind heutzutage bei den Ostslaven nur die zwei letzten Arten bekannt. Der im heidnischen Altertum weitverbreitete Brauch des Verbrennens ist fast spurlos verschwunden, ohne Überreste hinterlassen zu haben. Die Bestattung ohne Grab wird im 20. wie im 13. Jahrh. nur f ü r solche Tote angewandt, die als unrein und f ü r die Lebenden als gefährlich galten ; es sind größtenteils Personen, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind, besonders Selbstmörder, sowie alle, die in jungen Jahren, vor Ablauf der dem normalen Menschen bei seiner Geburbestimmten Lebensfrist gestorben sind. Die Ngrr. nennen solche Tote aanoHurae, was als „zugedeckt" gedeutet werden muß; diese Bezeichnimg gilt f ü r die Art des Begräbnisses durch Verdecken mit Ästen und Holz an der Oberfläche der Erde, ohne daß man den Toten vergräbt.
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IX. Das Familienleben.
Ein sehr alter, unzweifelhaft heidnischer Volksbrauch der Ostslaven verlangte es, daß solche unreine Tote nicht in der Erde vergraben wurden. So wollte man wahrscheinlich die Verunreinigung der Erde durch den unreinen Leichnam vermeiden. Zwar ist der Gedanke einer solchen Verunreinigung im Orient, bei den Anhängern Zoroasters weitverbreitet; doch ist er im heutigen ostslavischen Glauben gar nicht ausgeprägt. Statt dessen treffen wir hier den Gedanken vom Z o r n e d e r E r d e , die durch das Eindringen des unreinen Leichnams beleidigt wird. Dieser „Zorn der Erde" findet in verschiedenen Formen seinen Ausdruck. Zunächst nimmt die zürnende „Mutter Erde" den unreinen Leichnam nicht an. Und zwar kommt solch ein Leichnam stets an die Erdoberfläche zurück, wie oft er auch vergraben wird; dann aber fällt der bestattete Leichnam nicht der Verwesung anheim, und dadurch hat der Tote die Möglichkeit, nachts aus dem Grabe zu entkommen. — Diese letztere Meinung von der Unreinheit des nicht verwesenden Leichnams widerspricht zwar der Lehre der griechischen Kirche von der Verehrung der nichtverwesenden Eeliquien, entspricht aber dem griechischen Volksglauben (A. A l m a z o v , TaitHan ΗΟΠΟΒΪ^Ι, BT> npaBocjiaBHoft BocToiHoit LJepitBH II, 275—285), und kann zu den Slaven von den Griechen gekommen sein. Das dritte Zeichen des „Zornes der Erde" ist für die lebenden Menschen besonders fühlbar. Die Erde zeigt ihren Zorn durch Kälte und Frost im Frühling, die auf das Gedeihen des Getreides in den Feldern schädlich einwirken. Diese letztere Ansicht, die auch heute verbreitet ist, ist schon in den Predigten des Bischofs S e r a p i o n von Vladimir (f 1274) vermerkt ; sie findet sich auch in den Werken des M a k s i m G r e k , der 1506 nach Moskau kam. So bestatteten die Ostslaven in alter Zeit die unreinen Leichen nicht in Gräbern, sondern warfen sie an öden Stellen hinaus, meist in Erdschluchten und Sümpfe. Augenscheinlich zum Schutz vor wilden Tieren wurden die Leichen oft mit Zweigen, Pfählen u. dgl. bedeckt. — In der sog. C h r o n i k d e s A v r a a m k a , die nicht später als im 16. Jahrh. geschrieben worden ist, wird vom Tode des Kiewer Metropoliten Konstantin um 1159 berichtet, der testamentarisch verordnet hatte, daß sein Leichnam nicht zu begraben, sondern außerhalb der Stadt den Hunden hinzuwerfen sei, was auch erfüllt wurde; dieser seltene Fall hat nach den Worten des Chronisten einen starken Eindruck auf die Zeitgenossen gemacht (ΠΌΛΗ. Co6p. PyccK. JIÌTOII. XVI, 45). Die Anwendimg der beschriebenen Art der Bestattung in bezug auf die unreinen Leichen, die an eine völlige Vermeidung der Bestattung grenzt, hatte aber auch schlimme Folgen. Die des gewöhnlichen Begräbnisses beraubten Toten rächten sich an den Lebenden. Ihre Bache war besonders für die Ackerbauer im Sommer gefährlich, wenn das Getreide reifte und die rachsüchtigen Toten auf den Feldern einhergehend die Saat zerstörten. Aus der doppelten Gefahr, die auf diese Weise entstand, fanden die Ostslaven anscheinend noch in heidnischer Zeit in folgender Weise einen Ausweg. Sie begruben die unreinen Leichen nicht, tun damit keinen Frühlingsfrost hervorzurufen; doch im Spätfrühling, vor dem Blühen des Getreides, wenn die Gefahr nicht von der Kälte, sondern von den rachsüchtigen unreinen
§ 134. Bestattung ohne Grab.
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Leichen drohte, dann veranstalteten sie zu Ehren dieser letzteren eine besondere feierliche Leichenfeier. Diese Leichenfeier mußte den unreinen Toten das gewöhnliche Begräbnis ersetzen, und mitunter wurde sie anscheinend auch mit einer gewöhnlichen, wenn auch verspäteten Bestattung der unreinen Leichen in Gräbern verbunden. F ü r eine spätere Zeit, wenigstens nach dem 16. Jahrh., ist dieses unzweifelhaft. Zur christlichen Zeit fiel die Zeit der Veranstaltung dieser Leichenfeier mit dem sog. ceMHK zusammen, der frühestens am siebenten Donnerstag nach Ostern, zuweilen auch noch später, gefeiert wurde. Diese ziemlich komplizierte Praxis des Begräbnisses unreiner Leichen im christlichen Altertum wurde nicht selten von der Kirche gestört, die f ü r alle Orthodoxen die gleiche Bestattimg in Gräbern forderte. Das Volk reagierte darauf nicht selten so, daß es die unreinen Leichen ausgrub und an öden Stellen hinauswarf. Solche Fälle werden schon in den Sprachdenkmälern des 13. und 16. Jahrh. notiert (Vladimir und Moskau). Anscheinend hat das häufige Vorkommen solcher Fälle und der Wunsch, sie zu vermeiden, die kirchlichen Machthaber dazu geführt, besondere Kompromißeinrichtungen einzuführen, die im alten Moskau unter dem Namen ySornit som, seltener CKyjjé.ibHima, ö^äenme, rHÓHme bekannt waren. Dieses war eine Art öffentliche Morgue, ein Erdgeschoß f ü r die Leichen unreiner Toter. Gewöhnlich wurde außerhalb der Stadtgrenze oder ganz am Rande der Stadt eine große Grube gegraben, über der ein leichter Aufbau (ein Schuppen) aufgeführt wurde. I n die Grube wurden Leichen unreiner Toter — Selbstmörder, Ermordeter, an einer Seuche Verstorbener, sowie obdachloser Strolche, zuweilen auch von Menschen anderer Konfessionen, gebracht. Die Leichen wurden ohne Sarg und ohne kirchliche Zeremonie in die Grube gelegt, mit Matten bedeckt, aber auf keinen Fall mit Erde verschüttet. Das allgemeine Begräbnis aller derartiger Leichen fand gewöhnlich am ceMÄK, d. h. am siebenten Donnerstag nach Ostern, mitunter auch später statt. Zuweilen diente die Grube zugleich auch als Grab. Von solchen zeitweiligen Leichenbestattungsorten, zur Zeit von Seuchen, geben die Chroniken schon seit Anfang des 13. Jahrh. Kunde (um 1215); als dauernde Einrichtungen erschienen diese yGóriie aoinà in den Städten des Moskowitischen Reiches vom 16. Jahrh. an und bestanden bis zum Ende des 18. Jahrh. Nach der Verordnung von 1771 kam es wieder an verschiedenen Orten, sowohl unter den Grr. als auch unter den Ukr., zu Konflikten: unreine Leichen wurden in Gräbern bestattet und die Bevölkerung zerstörte die Gräber und warf die Leichen hinaus in Flüsse, in Sümpfe, Schluchten und Wälder. Der letzte uns bekannte gerichtliche Prozeß, der aus diesem Grunde entstand, fand 1913 im Gouv. Saratov statt. Auf die Bestattung unreiner Leichen werden jetzt auch meist die Dürren im Sommer und im Frühling zurückgeführt. Zur Erklärung dieser Vorgänge kam auch der neue Volksglaube vom unlöschlichen Durst der unreinen Toten, namentlich der Trunkenbolde (die sich mit Wein betranken und an übermäßigem Genuß davon starben) auf. Es hieß von ihnen, daß sie im Grabe die ganze Feuchtigkeit aus der Erde in weitem Umkreis um das Grab herum aufsaugen sollen.
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IX. Das Familienleben.
Den Grund zu diesem Aberglauben hat wahrscheinlich die große Menge an der Trunksucht gestorbener unreiner Toter gegeben: schon zu Lebzeiten wurden sie von Durst nach Alkohol gequält. Heute kümmert sich die Dorfbewohnerschaft nicht um die Art der Bestattung unreiner Leichen, sondern nur um den Ort ihres Begräbnisses. Es wird gegen das Begraben auf öffentlichen Friedhöfen protestiert, die für rein, heilig und für eine Gemeinschaft früher bestatteter Vorfahren, denen die nahe Nachbarschaft eines Unreinen unangenehm sein würde, gehalten werden. Außer den Ostslaven ist die oben beschriebene Art der Bestattung durch Hinauswerfen an öden Stellen auch den Anhängern Zoroasters, sowie vielen mongolischen und einigen türkischen Völkern bekannt, sie kommt zuweilen auch bei den finnischen Mordwinen und den Litauern vor. Ein dem beschriebenen ähnlicher Brauch herrschte früher bei den Ukr. : altersschwache Greise wurden im Winter an öde Stellen hinausgeführt und in Erdschluchten auf einem Stück Baumrinde, anstatt eines Schlittens, hinabgelassen, manchmal auch in leeren Häusern gelassen; sie kamen dort vor Hunger und Kälte um, wobei die in Gruben und Schluchten umgekommenen augenscheinlich ohne Begräbnis blieben. Th. V o l k o v ist geneigt, ukr. Erzählungen davon nicht für Tatsachen, sondern für ein von den Mongolen oder kaukasischen Völkern entlehntes Märchenmotiv zu halten. Aber P. L i t v i n o v a erzählt von einem solchen Fall, dessen Augenzeugin sie im Kreise Gluchov des Öernigover Gouv., im Dorfe Zeml'anka, gewesen ist. § 135. Zum Z e i c h e n d e r T r au er tragen alle Ostslaven w e i ß e K l e i d e r , besonders auch eine weiße Kopftracht in Form eines Handtuches (d. h. die alte allgemein slavische Kopfbedeckung, HaMeTKa, siehe § 97). Schwarz als Trauerfarbe ist nur seit kurzem in den Dörfern aufgekommen. Die gebildeten Ukrainer haben auch r o t e Trauerkleider. Den Anlaß dazu haben hauptsächlich ukr. Lieder gegeben, wo sterbende Kosaken gewöhnlich unter roten Tüchern geschildert werden. V . D a n i l o v erklärt diesen Umstand durch das Vorherrschen von roten Geweben in der Kosakenkleidung, besonders das rote Futter des Obergewandes der Kosaken, den »ynáH. Dieses Futter wurde eben am häufigsten als Bedeckung für sterbende Kosaken gebraucht. Zu dieser Ansicht D a n i l o v s muß noch hinzugefügt werden, daß die Bedeckung eines sterbenden Kosaken, von welcher Farbe sie auch war, mit Blut von den Wunden getränkt wurde und darum in den Liedern stets als rot geschildert wird. Daraus muß man schließen, daß die rote Trauerfarbe wohl keine ethnographische Tatsache des Volkslebens bildet. Eine T o t e n k l a g e gilt bei allen Ostslaven als obligatorisch und als notwendige Ehrung des Toten. Nur die Frauen klagen und nicht die Männer. Gedungene Klageweiber waren bei den Grr. gewöhnlich, seltener kamen sie in der Ukraine vor. Die Klagen werden größtenteils improvisiert; es wird darin die Trauer und die schwere Lage der Verwaisten geschildert; die Tugenden der Toten werden gelobt und ihnen Vorwürfe wegen ihres frühzeitigen Hinscheidens gemacht. Wenn ein bejahrter Mensch stirbt, so wendet man sich in der Totenklage oft an ihn mit der Bitte, er möge die
§ 135—136. Trauer und Klage. Totenfeier.
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früher verstorbenen Kinder aus der Verwandtschaft unter seinen Schutz nehmen; stirbt ein Kind, so bittet man die früher verstorbenen Verwandten, es zu beschützen. Die K l a g e endet oft mit der Frage, wann der Verstorbene zu Besuch kommen werde und mit einem Versprechen, ihn gut zu bewirten. Die Totenklagen werden bei verschiedenen Gelegenheiten angestimmt — im Hause des Toten, nachdem er gewaschen und angekleidet worden ist, beim Hinaustragen des Sarges, auf dem Wege zur Kirche, in der Kirche selbst — falls es der Priester nicht verbietet —, beim Herablassen des Sarges in die Gruft und bei der Gedenkfeier. Sind mehrere Klageweiber da, so lösen sie einander ab oder sie klagen einstimmig (B OÄJSH rÓJioc) im Chor, indem sie zuweilen einander umschlungen halten und den ganzen Körper hin und her bewegen. Bei den Grr. sind auch Totenklagen um ein verendetes Pferd oder eine K u h gebräuchlich, sowie um einen zerbrochenen oder gestohlenen Gegenstand. Hochzeits- und Totenklagen sind in poetischer Hinsicht und im Stil einander ähnlich, aber in musikalischer Hinsicht verschieden. Die Totenklagen beruhen auf der Voraussetzung, daß der Tote alles hören könne, was ihm gesagt wird. Darauf ist auch der jetzt nur noch an wenigen Orten erhaltene Brauch, das Begräbnis und die Gedenkfeier mit fröhlichen Liedern zu beschließen, begründet. „Man hat der Toten gedacht, jetzt muß man sie belustigen; sonst werden sie sich gekränkt fühlen, wenn wir traurig von ihnen fortgehen"; — so reden von diesem Brauch die Sgrr. des Gouv. Orel (JKHB. Orap. 1910, N r . 4, S. 326). Die Sitte, sich nach Begräbnis und Gedenkfeier zu vergnügen, zu singen und zu tanzen, ist auch bei den Grr. der Gouv. V'atka und Kursk und bei den Ukr. des Gouv. Kiev beobachtet worden. B e i den Ukr. von Podolien und Galizien sind Spiele der J u g e n d am Sarge des Verstorbenen gewöhnlich. Dabei denkt man unwillkürlich daran, daß die alte Gedenkfeier der Ostslaven ( T p ó a H a ) aus Wettbewerben und Spiel bestand; in alten Texten wird mitunter davon gesagt: „HpaTHCH πο ΜβρτΒβιΐΗ"; die Faustkämpfe (§ 142) sind ein Überbleibsel solcher Gedenkfeiern. § 136. Der Tote hat alle Bedürfnisse eines lebenden Menschen, im besonderen das B e d ü r f n i s n a c h N a h r u n g . Die Seele des Verstorbenen nährt sich u. a. vom heißen Dampf der Nahrung. Daher brechen die Ukr. ein frisches Brot entzwei und legen es auf das Fenster, damit der heiße Dampf zum Toten gelange ( M i l o r a d o v i S 167). D a s Mittagessen nach dem Begräbnis wird „heißes Mittagessen" (grr. ropifroB, wr. rapáiKH) genannt, weil dazu stets heißes Brot aufgetragen wird, das nicht mit einem Messer zerschnitten, sondern mit den Händen in Stücke gebrochen wird, damit der heiße Dampf frei herauskomme. Dampf ist aber nicht die einzige Nahrung der Toten. Wenn der Tote noch im Hause ist, wird er mit Pfannkuchen bewirtet: beim Backen der Pfannkuchen wird das erste Stück, noch heiß, zuweilen mit Honig bestrichen, auf die Bank zu Häupten des Toten gelegt oder auf das Fenster, oder auf das Wandbrett mit den Heiligenbildern (Onnc. pyKon. 355 und 1180). Beim Begräbnis- und Gedenkmahl wird für den Verstorbenen ein besonderes Ge-
I X . Das Familienleben.
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deck hingelegt, entweder am gemeinsamen oder an einem besonderen Tisch im Winkel unter den Heiligenbildern (ib. 871 u. a.); der erste Löffel von einer Speise und das erste Glas Branntwein wird ebenfalls für ihn auf die Tischecke gegossen (ib. 692). D i e üblichste Speise beim Begräbnis- und Gedenkmahl ist die Kyrbá (anders : KOJIÄBO, IIAHYH) — gekochtes Gersten- oder Weizenkorn mit in Wasser gelöstem Honig, dann Pfannkuchen, Kissell (Mehlbrei) mit Honig, Eierkuchen und Grütze; das Hauptgetränk ist mit Honig versüßtes B i e r oder B r a g a . B e i den Ngrr. erhalten die Gäste gewöhnlich nach dem Mittagsmahl einen hölzernen Löffel zum Andenken an den Verstorbenen. Am vierzigsten Tage nach einem Todesfall wird bei den Sgrr. eine sog. JiéceHKa (eigentlich kleine Leiter) aus T e i g gebacken — eine Art längliches, flaches Gebäck mit 3, 24 oder 40 Querstreifen, die an die Stufen einer Leiter erinnern; dieses ist ein Symbol des Aufgangs des Toten in den Himmel. Diese „Leiter" wird auf einer Bank im Haustore aufgestellt, es wird dann eine Litanei gesungen und darauf das Gebäck mit Honig verzehrt. Andere essen an diesem Tag Pfannkuchen am nächsten Kreuzweg (OIIHC. p y K o n . 1 1 8 0 ) ,
was
dem
T o t e n das F i n d e n
des H e i m w e g e s
erschweren
soll. Am vierzigsten T a g nach dem Todesfall findet das „Geleit" der Seele ins Jenseits statt, und die Ngrr. bereiten am Vorabend dieses Tages für den Toten ein besonderes Bett im Winkel unter den Heiligenbildern (ib. 910), damit er vor der langen Reise besser ausruhen könne. I n der Osterwoche und besonders am Dienstag der zweiten Woche nach Ostern, der sog. pánymma 1 ), bietet man den Toten den Ostergruß : man küßt ein gefärbtes E i und vergräbt es im Grabhügel oder läßt es darauf liegen. I n Wolhynien werden an diesem Tage auf dem Friedhof Feuer angemacht, und es wird ein öffentliches Mittagessen gekocht. Auf die Gräber stellt man das Essen hin, auch Branntwein, Blumen, Imbiß ; einige Menschen werfen sich auf die Gräber ihrer Angehörigen hin, teilen ihnen im Flüsterton ihr Leid, ihre Freuden, Erfolge und Hoffnungen mit und bitten sie um R a t und moralische Unterstützung. Die Ngrr. des Gouv. P e n h heizen am Vorabend dieses Tages die Badstube für die Verstorbenen (OIIHC. pynon. 1050). An anderen Orten „bähen" (nápHTb) die Sgrr. und Wr. die verstorbenen Vorfahren zu Pfingsten, indem sie die Gräber mit einem Badequast aus Birkenzweigen fegen (ib. 137, 869 und 924). Außer den genannten Feiern zu Pfingsten und der pányHHi^a, sind noch die Sonnabende vor der Butterwoche und vor dem Demetrius-Tage (26. Oktober) Gedenktage der Toten. Die Wr. nennen diese T a g e : «SHAH, d. h. eigentlich Ahnen. An diesen Tagen wird ein besonders reichliches Mahl zubereitet, die Toten werden besonders eingeladen und bewirtet. U. a. wird Branntwein auf den Tisch gegossen, von jeder Speise wird etwas in eine besondere Schüssel gegossen und vor das Fenster gestellt (ib. 682); der erste Löffel und das erste Glas wird vor das Fenster gegossen mit den Worten: *) Nach M u r k o , Wörter und Sachen II (1910) 151 ff. von gr. fiotiwvid, wogegen V a s m e r , Roczn. Slawist. V (1912) 123ff.
§ 136—137. Totenfeier. „fleny, Ηβή so o ô é f l y ! "
333
Literatur zu Kap. I X .
P f a n n k u c h e n werden unter den T i s c h g e w o r f e n ,
der
Tisch w i r d nach dem Mittagessen nicht abgeräumt, Essen und T r i n k e n wird auf
dem
Friedhof
oder
in
der
Nähe
davon
an
einsamen
Orten
H ä u s e r n gelassen, und die „ A h n e n " werden zum Speisen geladen. herbstlichen G e d e n k f e i e r
bringen
die W r . einen H a h n
oder
oder
in
Bei
der
ein H u h n
auf
das Grab, indem sie sich nach dem Geschlecht ihrer T o t e n richten (ib. 114). E s g i b t noch eine besondere A r t , der T o t e n zu gedenken, vielleicht älteste:
die
auf den Gräbern, seltener an K r e u z w e g e n , werden Samenkörner f ü r
die Y ö g e l
ausgestreut, w o m i t man die gewöhnliche Vorstellung v o n der Seele
als V o g e l zu vergleichen hat. H e u t e w i r d diese A r t der G e d e n k f e i e r
haupt-
sächlich bei unreinen T o t e n angewandt (siehe oben S. 328 ff., § 134), deren man auch noch anders gedenkt, nämlich, und andere
Sachen
auf
indem man B a u m z w e i g e , Stroh,
die Gräber w i r f t .
Steine
I n dieser letzteren A r t der Ge-
d e n k f e i e r ist eine verspätete Bestattung zu sehen, deren die unreinen T o t e n seinerzeit nicht g e w ü r d i g t worden sind. §137. Literatur. Über G e b u r t s t a g s - und. T a u f f e i e r l i c h k e i t e n v g l . man die Arbeiten von V i n o g r a d o v , P o p o v und V y s o c k i j , die der Volksmedizin gewidmet sind und oben in § 110 genannt wurden; ferner die in § 22 genannten Arbeiten von K a r s k i j , R o m a n o v , C u b i n s k i j und K r a v c e n k o , dann aus § 3 5 die Arbeiten von S e i n , J e f i m e n k o . Z a v o i k o und I v a n i c k i j . —. Außerdem A . R j e d ' k o : HeiHCTaa CHJia bt> cyflbßaxt jKCHmHHH-MaTepii (Θτηοrpa$. Oßoap. X L — X L I , 1899, Nr. 1—2, S. 54—131); A . M a k s i m o v : HtcKOJitKO CJIOBT, ο Kytta«* (ib. X L I V , 1910, [Nr. 1, S. 90—105).] V o n den Grr. handelt: V . S t e p a n o v : Ο β ϊ η ϊ η ϊ η o poflHJitHHXb h KpeCTHJitH H x t o6pH«axT> BT» Kjihhckomt, y. Mock. r y 6 . (ib. L X X — L X X I , 1906, Nr. 3—4, S. 221—233); D. U s p e n s k i j : Ρ ο ^ η η η h KpecTHHH, yxoffi> sa posHJii.HHueä π hoΒοροΗίΗθΗΗΗΜΊ. (ib. X X V I I , 1895, Nr. 4, S. 79—95); V. C h a r u z i n a : H^ckojibko cjiobt» o poÄHJibHHXi. η κρβοτΗΗΗΗΧΊ» oßpeflax-b. . . . OjioH. ry6. (ib. L X V I I I bis L X I X , 1906, Nr. 1—2, S. 88—95); A . B a l o v , : P o w s e m e h BocnHTame fffcTeft bt> Il0iiiex0HCK0MT> y . Hpocji. ry6. (ib. V I , 1890, Nr. 3, S. 90—114); D i v i l ' k o v s k i j ( r e d . A . C a r u s i n ) : y x o f l i η BocnHTame βΐτβϋ y imposa. IïepBoe rítctbo (Η3β·6οτϊη ApxaHrejiBCKaro OßmecTBa H e y ^ e m « PyccKoro OÈBepa 1914,* Nr. 18, S. 589—600). Von den W r . : V . D o b r o v o l ' s k i j : CMojieHCKiit θτΗΟΓρβφΗΗΘΟκϊϋ CßopHHKi I I , Petersburg 1894 (3anHCKH Teorpa$Hq. 06m. no o t a . 8THorpa$ÍH X X I I l . 3491F.) ; vgl. V . J a g i c : Spuren der Couvade in Weißrußland (Archiv f. slav. Philologie I V , 1887, S. 701—702). V o n den Ukrainern P . I v a n o v : 8THorpaiweCKie Maxepianti, coßpaHHHe bi> KynHHCKOMt y i 3 A Î XaptKOBCKOü ry6. (3THorpa$. 06osp. X X X I I , 1897, Nr. 1, S. 22—81); V . M i l o r a d o v i c : Hapo^Hue oßpHRH h irtcnil JlyßeHCKoro y-Èa^a IIojiT. ry6., aanncaHHHe bb 1888—1895 (CöopHHKi Xapi>KOBCKoro HcTop. Φηποπ. OömecTBa X , 1897); N . S u m c o v : [O cnaBHHCKHxt HapoRHUxi Β033ρ·ϊ»ΗΪΗΧτ> Ha HOBopojKfleHHaro peSeHKa (JKMHapIIpoCB. C C X I I , 1880). Allgemeine Untersuchungen über die o s t s l a v i s c h e H o c h z e i t sind: Th. V o l k o v : Rites et usages nuptiaux en Ukraine (Anthropologie 1891, Nr. 2, 4, 5, 1892, Nr. 5) ; vgl. den Aufsatz desselben Verfassers oben in § 6, dann das W e r k von K a r s k i j in § 2 2 ; Untersuchungen über einzelne Fragen stammen von M. D o v n a r - Z a p o l s k i j (H3CjrfeßOBaHiH h CTaTtH Bd. I, K i e w 1909). Stark veraltet ist die Untersuchung von N . S u m c o v : O CBane6HHXi> oöpHsaxi, npeHMymecTBGHHO pyccKHxt, Charkov 1881. Eine glänze Reihe von Beschreibungen des gr'r. H o c h z e i t s r i t u a l s ist im Buche von S e i n : BejiHKopycci. bt> c b o h x t . n i c H H X i , oCpH^ax-b, oßuManxi, B%po-
IX. Das Familienleben.
334
BaHÏHXV CKa3KaxT., JiereHflaxi, β τ. π., Bd. I, Petersburg 1900, S. 377—777 enthalten. Beschreibungen gibt es noch bei M. J e d e m s k i j : CeaRbSa ΒΊ> KoKineHbri ΤοτβΜCKaro y. BoJior. ryô. (ÎKHBaH CTapHHa 1910, Nr. 1) ; von hier unsere Zeichnungen Nr. 236—287; N. V i n o g r a d o v : KoCTpoMCKaa CBaßbßa (Tpyflbi KocTpoMCKoro Hayraaro OömecTBa V I I I , 1917, S. 71—152). Nicht wenige Beschreibungen gibt es in den Zeitschriften, ζ. Β. θτΗΟΓρβφΗΗβοκοβ OSoep-fcrne (1899, Nr. 3; 1903, Nr. 1 u. a.), JKiiBan CTapHHa (ζ. Β 1893, Nr. 1; 1896, Nr. 1; 1913, 1915 u.a.). A . G l a d k i c h : KpecTBHHCKie cBa^eßHue oôpHSbi . . . KpacHo-yφHMcκaΓo y. ΠβρΜ. ryß. (TpyflH iiepMcK. ApxHBHOit KOMHCCÌH X , 1913, S. 1—76); O. S e m e n o v a - T ' a ñ S a n s k a j a : JKHSHI. HßaHa (3anHCKH ΓeoΓpaφH»^. 06m. no OTfl. ^THOΓpaφi^I X X X I X 1914); die Arbeiten von J e f i m e n k o und I v a n i c k i j aus §35, von S e l i v a n o v in § 87 u. a. Über e i n z e l n e F r a g e n d e r g r r . H o c h z e i t : V. C h a r u z i n a : CeaaeßHoe neieHte „poma". ( θ τ Η ο ^ φ Η Ί . OSoapÍHÍe CHI—CIV, 1914, Nr. 3—4, S. 179—181); D . Z e l e n i n : C B a n e Ô H u e n p n r o B o p H BHTCKOÜ r y 6 . V'atka 1904; endlich v o n Z a v o i k o die oben in § 35 genannte Arbeit. Beschreibungen der w r . H o chz e i t finden sich in den Arbeiten von R o m a n o v und K r a c k o v k i j (s. §22) und S e i n (§35), s. K a r s k i j 51 if., (mit Literatur). Beschreibungen der u k r . H o c h z e i t bieten A. N o w o s i e l s k i : Lud ukraiúski I, Wilno 1857, S. 169—233; N. J a n c u k : ManopocciftCKan CBaßbßa Β τ. KopΗΗΙ;ΚΟΜΤ>
ΠΡΚΧΟΒΐ
KOHCTAHTHHOBCKARO
y.
Ci«Jiei;KOFT
ry6.
(Tpy«BI
^ΤH0ΓPAΦH-
Hecnaro OTfl-fejia V I I , 1886, S. 64—178) ; P. L y t v y n o v a - B a r t o s : BecijihHi οΰρπμ,ιι i 3BHiai y c e n i 3βΜΠΗΗμϊ T j i y x i B b C K o r o n o B Ì T y y MepHHriBiimHi (MaTep. yup.pycbKO'i eTHOJiboriï I I I , 1900, S. 70 ff.); von hier stammen unsere Abb. 232—234; VI. L e v y n á k y j : Cea^b6a y ÖOÖKOB Β ,Ι^ΟΟΡΟΓΙΚ'ΤΟJÌC (ib. Χ , 1908, S. 101 ff.); siehe auch die Arbeiten von K r a v c e n k o und C u b i n s k i j in § 22, M a r k e v i c in § 55 und M i l o r a d o v i c in § 137. Untersuchungen über die B e s t a t t u n g s - und L e i c h e n f e i e r n sind: D. A n u c i n : CaHH, JiaflbH Η KOHH, K a n t n p H H a « j i e i K H O C T b n o x o p o H H a r o o ß p f m a . ApxeoJIOΓO-^τHOΓpaφHq. θτιοαι, Moskau 1899 (ÄpeBHOCTH. TpyairMocK. Apxeon. OömecTBa X I V , S. 81—226), dann das in § 22 erwähnte Werk von K a r s k i j über die wr. Verhältnisse. Das "Werk von A. K o t l ' a r e v s k i j : O n o r p e ß a n b H u x i o ß b r a a n x i . H3HHECKHXT cjiaBHHi., 1868 (C6opHHKT> OT«1>JI. p y c c K . H3. Η CJIOB. Anaß. HayKT. X L I X ) ist veraltet. Eine Arbeit von L . N i e d e r l e ist in § 110 genannt. Über d i e u n r e i n e n T o t e n vgl. D. Z e l e n i n : ΟίβρκΗ p y c c K o ñ ΜΗΘΟΛΟΓΙΗ I : yMepniie HeecTecTBeHHOK) C M e p T b i o H pycajiKH, Petrograd 1916; ferner d e s s e l b e n : ^peBHepyccKiit H3hmecKÍit KyjibTi. 3AJIOJKHUXI ΠΟΚΟΚΗΗΗΟΒΙ> ( Η 3 Β Ϊ Ο Τ Ϊ Η ΑΚΒΗΒΜΪΗ H a y K i 1917, Nr. 7, S. 399—414). Beschreibungen des u k r . B e s t a t t u n g s r i t u a l s siehe bei V. H n a t j u k : ΠΟΧΟΡΟΗΗΪ 3BHiai tt ΟδρΗ^Η (ΕτΗΟΓρβφΪΊΗΗή 36ipHHK X X X I — X X X I I . JlbBÌB 1912) ; Ch. J a s c u r z i n s k i j : OcTaTKH ΗβΗΗθοκΗχτ. Ο6ΡΗΗΟΒΤ> βτ> ManopyccKOMi norpeδβΗΪΗ ( K i e B C K a a C T a p H H a 1890, Nr. 1. S. 130—132) ; L i s o ν i k : ΠοχοροΗΗ, cnHcaHHH« c o CJIOBT. nocejiHHHHa, ΒΊ> XapbKOBCKOit ry6. (¿anucKH o Κ)»Η0β P y c H Π. K y j i H m a II, 1857, S. 283—290). V. D a n i l o v : K p a c H U ö T p a y p i BT> M a j i o p y c c n o M i , H0rpe6ajibH0MT> οδρΗ^ί (ÎKiiBan CTapHHa X V I I I , 1909, Nr. 4, S. 31—37) ; von dem selben stammt eine Reihe von Aufsätzen über die ukr. T o t e n k l a g e n : ib. X I X , 1910, Nr. 4; K i e B C K a u C T a p H H a 1904, Nr. 12; 1905, Nr. 3, 4, 11—12; P . L i t v i n o v a : KaKT> c a r n a m i B C T a p H H y jnoneü C T a p u x i Ha Jiy6oKT> ( K i e B C K a n CTapHHa 1885, Nr. 6, S. 354—356). Außerdem kommt noch in Frage der oben in § 137 genannte Aufsatz von M i l o r a d o v i c . Über das g r r . R i t u a l vgl. G. K u l i k o v s k i j : ΠοχοροΗΗΗβ oôh^h 06ΟΗΘ>ΚC K a r o KpaH (θτΗΟ^φΗΗ. OSoapime IV, 1890, Nr. 1, S. 44—60) ; V. S m i m o ν : HapoßHtie ποχοροΗΗ Η npHHHTaHHH Β KOCTPOMCKOM Kpae, Kostroma 1920 (Tpyjjw KocTpoMCKoro HayiHoro OßmecTBa X V ) ; M. A z a d o v s k i j : J l e H C K H e npHHHTaHHH Tpy«H Tocy^apcTB. ÜHCTHTyTa Hapo«Horo O6pa30BaHiiH Β ΗΗΤΘ, I, HnTa 1922, S. 122—248 ; Ε. Β a r s ο ν : IIpHiHTaHiH CfeBepHaro Kpan I — I I I , Moskau 1872,1882 und
§ 137. Literatur zu Kap. IX. — § 138. Gemeinschaftliche Arbeiten.
335
18Ö5. Außerdem kommen noch in Betracht das oben, § 137, genannte Werk von S e i n , endlich die in §35 genannten Arbeiten von Z a v o i k o und J e f i m e n k o . Über das wr. R i t u a l vgl. die Werke von R o m a n o v und K r a c k o v s k i j aus § 22, dasjenige von S e i n in § 35, dann von K i r k o r in § 55, von D o b r o v o l ' s k i j in § 137 und K a r s k i j , S. 66ff. mit Literatur. X.
Gresellschafbsleben.
§138. Gemeinschaftliche Arbeiten (TOJiÓKa). §139. Versammlungen der Jugend zur gemeinsamen Arbeit und Belustigung (nocHflèjiKH, rócbìtkh) ; das Verhältnis der Geschlechter zueinander. § 140—143. Belustigungen: § 140. Reigen, Tanz. § 141. Musikinstrumente. § 142. Faustkämpfe, Schaukeln, Schlittenfahren, Spielen mit Eiern, Verkleidung (Maskerade), Männerspiele. § 143. Öffentliche Bewirtungen. § 144. Gemeindekerzen. § 145. Literatur. § 138. Schon in alter Zeit ist die Existenz von gemeinschaftlichen Arbeiten bei den Ostslaven unzweifelhaft. Bestimmte Angaben gibt es allerdings nur über solche öffentliche Arbeiten, die auf diese oder jene Weise mit dem Kultus verbunden waren. Bei den Grr. sind schon mit dem 14. Jahrh. in den Chroniken die sog. οδάββΗΗΜβ xpáMbi notiert, d. h. Kirchen, die während einer Epidemie an einem Tage erbaut wurden. Es war dazu nötig, an einem Tage aus dem Walde die genügende Anzahl von Balken zu beschaffen, die Kirche aufzubauen und mit einem Dache zu versehen, die nötigen Scheidewände und Möbel anzufertigen, die notwendigen Heiligenbilder und Geräte zusammenzubringen, die Kirche zu weihen und den ersten Gottesdienst darin abzuhalten. Alles dies konnte natürlich nur eine Gemeinschaft von vielen Personen zustande bringen. In den gleichen Fällen, in denen die Grr. in alten Zeiten Kirchen an einem Tage erbauten, machen die Wr. heutzutage Handtücher (§ 30). Sie. machen sie in derselben Frist und natürlich auch als gemeinschaftliche Arbeit. Auch das Pflügen um das Dorf herum zur Zeit einer Viehkrankheit (§ 29), das Heben von schweren Glocken auf den Kirchturm usw. konnte nur in einer solchen Gemeinschaft ausgeführt werden, wie es auch heute geschieht. Heutzutage ist es in den Dörfern oft schwer, Arbeitskräfte zu finden, weil niemand zur Arbeit gemietet sein will, und im Falle von eiligen oder besonders schwierigen Aufgaben greifen weniger große Familien zur gemeinschaftlichen Arbeit (grr. nÓMOih, TOJióná; wr. Tajianá ; ukr. TOJiÓKá). Zur Zeit der Naturwirtschaft konnte sich all dies noch schärfer ausprägen, doch gab es damals zahlreiche Familien und noch zahlreichere Geschlechter (infolge des Zusammenlebens der Geschlechtsmitglieder). Heutzutage haben sich nur bei den Wr. hier und da öffentliche unentgeltliche Arbeiten ganzer Gemeinden zur Unterstützung hilfsbedürftiger Gemeindemitglieder erhalten. Wenn einem wr. Bauern das Haus niederbrennt und er obdachlos wird, dann kommt ihm die ganze Gemeinde zur Hilfe — nicht nur durch Arbeit, sondern auch durch Beschaffung des Baumaterials, besonders von Stroh und Steinen. Wenn der Ernährer einer Familie an einer schweren und langwierigen Krankheit leidet und das Heu oder Korn daher nicht rechtzeitig von ihm geerntet werden kann, dann wenden sich die
336
X. Gesellschaftsleben.
Schaden Leidenden um H i l f e an die Gemeinde, d.h. sie bitten diese, an der TajiaKa teilzunehmen. Die Sitte verlangt es, daß man in solchen Fällen ihnen die H i l f e durch gemeinschaftliche Arbeit nicht verweigere, obwohl es weder eine Bezahlung derselben noch eine Bewirtung gibt, sondern nur einen Dank seitens der Unterstützten und die Gewißheit, daß man selbst im Falle eines Unglücks auf eine ebensolche H i l f e rechnen kann. Die Jugend ist geneigt, sich solche öffentliche Arbeiten zum Sport zu machen, und die erwachsenen Mädchen erlangen dabei den Ruf guter Arbeiterinnen, aus denen auch gute Ehefrauen und Hauswirtinnen werden können. Man kann sich denken, daß gerade aus solchen öffentlichen Arbeiten zu wohltätigem Zweck die jetzt gewöhnliche Art der TonÓKa entstanden ist, wo eine reichliche Bewirtung die Bezahlung f ü r die Arbeit ausmacht. Es ist gestattet, diese το noua an Sonn- und Feiertagen zu veranstalten, wenn gewöhnliche Arbeiten nicht verrichtet werden; ein solcher Brauch konnte am natürlichsten aufkommen, wenn Arbeiten zum wohltätigen Zweck die Grundlage der TOJiÓKa bildeten. Die heutige Tojióna zeigt Spuren eines Einflusses der Kapitalwirtschaft. Sie wird nur von reicheren Leuten veranstaltet, die einen Einfluß in der Gesellschaft haben. Zur TOJiÓKa wird man gewöhnlich durch reichliche Bewirtung hingezogen, die bei armen Leuten nicht zu finden ist. E s wirkt dabei auch der Wunsch mit, einem einflußreichen Mann einen Dienst zu erweisen. Nicht selten kostet die Tojióna den Hauswirt mehr als gemietete Arbeitskraft, doch zwingt ihn die Eiligkeit der Arbeit und das Fehlen von Arbeitskräften dazu, eine TOJióna zu veranstalten. Auch noch eine dritte Art Tojióna, die am meisten verbreitet ist, muß hier verzeichnet werden. Die Grr. benennen sie meist mit dem Ausdruck OTpa6ÓTKa (Abarbeiten). Hier werden die Arbeitenden nicht nur durch Bewirtung zur Arbeit hingezogen, sondern auch durch die Gegenseitigkeit eines solchen Dienstes: alle Teilnehmer der Tojióna sind verpflichtet, eine Beihe von Arbeiten in Gemeinschaft miteinander zu verrichten. Eine besonders scharfe Grenze gibt es im Dorfleben zwischen dem zweiten, kapitalistischen, und dem letzteren Typus des Abarbeitens, Tojióna, gewöhnlich nicht. I m ersteren Falle wird auch eine Gegenseitigkeit der Dienste vorausgesetzt, obgleich sie hier weniger obligatorisch ist als im letzten Falle. I n beiden Fällen bildet den Abschluß der Arbeit, die wegen einer mehr oder weniger reichlichen Bewirtung mit Wein unternommen wurde, eine Feier, ein Festmahl und ein Tanzvergnügen, und oft trägt die ganze Arbeit einen mehr oder weniger belustigenden Charakter. Mit H i l f e der Tojióna werden vor allem folgende Arbeiten verrichtet: das Hinausfahren von Mist auf das Feld, das Zusammenbringen von Holz zum Bau eines Hauses und zuweilen auch der Bau selbst, die Errichtung eines Lehmofens im Hause, das Mähen und Ernten, seltener das Dreschen oder Brunnengraben ; besonders aber weibliche Arbeiten, wie Spinnen (grr. cfπρΛβΚΗ) und Schwingen von Flachs und Hanf (ngrr. KonoTiixa), Hacken von Kohl zum Salzen und Einsäuern f ü r den Winter (grr. KanycTKH), seltener das Kamnïen der Wolle (§ 75). Die ukr. opárnca oder cynprira, wenn mehrere
§ 138—139. Gemeinschaftliche Arbeiten.
337
Hauswirte gemeinschaftlieh das Pflügen besorgen, weil keiner der Teilnehmer allein eine genügende Anzahl von Ochsen f ü r einen schweren Pflug besitzt, unterscheidet sich von der gewöhnlichen Tojiowa durch das Fehlen der Bewirtung und durch die geringe Anzahl der Teilnehmer. Zur TOJiÓKa erscheint jeder Teilnehmer mit seinem eigenen Werkzeug, mit Axt, Sichel, Sense usw., nötigenfalls auch mit P f e r d und Wagen. Zur τοjiÓKa wird man eingeladen; erscheint ein Nichtgeladener, so steht es dem Hauswirt frei, ihn zuzulassen oder abzuweisen. Vor der Arbeit wird f ü r die Teilnehmer an der TOJióna (grr. noMonáHe) gewöhnlich ein Frühstück bereitet; wenn die Arbeit auf dem Felde vor sich geht, so wird dahin mit Gesang und mit Schellen am Krummholz gefahren. Das Mittagessen wird zuweilen auch auf dem Felde eingenommen und ist immer reichlich; Wein und Bier fehlt dabei nicht. N a c h der Arbeit kehren die Teilnehmer erst nach H a u s e zurück, um bessere Kleider anzuziehen, und gehen dann zum Abendessen in das H a u s des Veranstalters der TOJióna. H i e r gibt es stets eine reichliche Bewirtimg mit Wein und Bier. Wer keinen Wein trinkt, bringt ein Geschirr mit, wohin er den Wein ausgießt, der ihm eingeschenkt wird (grr. OTJieBtinni, OTJiHBymKii). Noch öfter wird es anders gemacht: eine F r a u , die keinen Wein trinkt, bringt zum Abendessen ihren Gatten oder einen Verwandten mit, der hinter ihrem Rücken steht und daher eaxpeßeTHHK genannt wird. Die F r a u nimmt den Wein an, kostet ihn (npnr^ÖHT) und gibt ihn dem hinter ihr stehenden Verwandten. N a c h dem Abendessen gibt es Tanz und Belustigungen. Die Sitte verlangt es, daß bei einer Frauentoloka der Mann die F r a u e n nicht nach seiner Wahl zum Tanz auffordere, sondern alle der Reihe nach. H i e r und da werden die Teilnehmer der τοJiÓKa am nächsten Morgen zu einer A r t Katerfrühstück wieder eingeladen (onoxMejiáTtCH, d. h. den Rausch durch neues Trinken vertreiben). Zum Hacken des Kohles (κβπ^οτκπ) werden im Herbst n u r die jungen Mädchen geladen; doch auch die jungen Burschen erscheinen, sobald sie das Klopfen der H a c k e n hören, oft mit einer Ziehharmonika. Nach dem Abendessen beginnen die jungen Mädchen den Gesang, darauf folgt Spiel mit den Burschen und Tanz. I n Verbindung mit diesen Kan^CTKH ist in den ngrr. Mundarten ein Wort aufgekommen: Kan^cTHHHeK, ,ein außereheliches Kind, das von seiner Mutter während solcher Kan^CTKH empfangen worden ist'. Gemeinschaftliche weibliche Arbeiten zum Spinnen von Flachs, H a n f oder Wolle (nonpnfl^xH, c^npHflKii) gehen nicht immer auf gewöhnliche Weise als Arbeiten im H a u s e der die Tonóna Veranlassenden auf ihre Kosten vor sich. O f t erhalten die Teilnehmerinnen derselben n u r eine gewisse Menge Fasern, spinnen diese zu H a u s e und versammeln sich nur später mit fertig gesponnenem Garn zu einem Abendessen mit Belustigung. Einige nehmen sogar kein Material zum Spinnen, sondern spinnen eine Garnfitze aus eigenem Flachs und erhalten, wenn sie dieselbe bringen, das Recht zur Teilnahme an der Belustigung. § 139. Dem Äußeren nach sind den gemeinschaftlichen Arbeiten der F r a u e n die Versammlungen der D o r f j u g e n d im Winter zum gemeinsamen Spinnen, seltener Nähen, sehr ähnlich, die unter verschiedenen N a m e n : Zelenin, Rnss. (Oetslav.) Volkskunde. 22
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X. G-esellschaftsleben.
grr. nocHflénKH, nóce^KH, CHjiéJiKH, ποοηαθηκη, 6ecéAKH, cynpn^KH, BeiepKH, CKÓnKH, lírpHma; nkr. ΒβΗβρΗήιμ, hócbítkh, rpmná; wr. ΒΗΊόρκκ, 3δόρΗΗ, bekannt sind. Doch dem Wesen nach ist dieses etwas ganz anderes: es ist nicht eine gemeinsame Arbeit f ü r eine Person, sondern ein gemeinsames Arbeiten vieler Personen fiis sieh selbst, das größtenteils in einem gemieteten Raum stattfindet. Die ukr. und wr. Versammlungen junger Leute unterscheiden sich von den grr. nur dadurch, daß bei den ersteren die Sitte die sog. no^HOioBtiBaHbH, ein gemeinsames Übernachten der jungen Mädchen und Burschen nach der abendlichen Versammlung, erlaubt. Bei den Grr. gibt es keine Sitte der noRHOHÓBHBaHtH, und es gibt sogar Ortschaften, wo die Burschen zu den Versammlungen der jungen Mädchen gar nicht zugelassen werden. Bei den ukr. Versammlungen arbeiten die Mädchen zuerst allein, spinnen oder nähen. Dann erscheinen die jungen Burschen; die Arbeit der Mädchen wird nun beiseitegelegt, es beginnt Gesang und Tanz, der sich bis spät in die Nacht hinzieht. Dann wird Stroh in das Haus gebracht, das mit einem Gewebe bedeckt wird, das Feuer wird gelöscht und alle legen sich paarweise schlafen (S. B e l ' s k i j über den Kreis Zitomir in den Tpy«ti OßmecTBa HacjiÍAOBaTeneñ Bojiuhh I I I 1910, S. 7). Im Gouv. Poltava versteckt sich ein Mädchen, das neben einen ihm mißfallenden Burschen gerät, vor diesem auf den Ofen, was genannt wird: cneié, Haé rapôyea, d. h. eigentlich „etwas backen, einen Kürbis überreichen". Der Ofen dient dem Mädchen auch als Zufluchtsort, wenn sich zwei Burschen seinetwegen streiten, bis der Streit zu Ende ist ( M i l o r a d o v i ë 60). Im Gouv. Charkov bleiben nur diejenigen Burschen die Nacht über da, die von einem Mädchen — nicht persönlich, sondern durch eine Freundin — dazu aufgefordert werden ; wenn aber ein Bursche ungeladen dableibt, so näht man ihm bunte Fetzen auf den Rücken oder schüttet ihm Ruß oder gestoßene Kreide in die Mütze usw. (V. I ν a η O V , }KH3Hb π TBopiecTBO κρβοτΒΗΗΊ» Χ κ. ry6. 103, 213). Am Morgen kehrt man nach Hause zurück; die Burschen machen es früher, vor Tageslicht, die Mädchen mit Tagesanbruch; die letzteren setzen o f t nach dem Aufstehen und zuweilen nach einem Frühstück aus mitgebrachten Lebensmitteln die Arbeit fort und gehen erst dann nach Hause. Bei den Wr. gibt es bei solchen Versammlungen (Ββιόρκπ) „keinen Unterschied zwischen reichen und armen Burschen, schönen und häßlichen. Alle sind gleich. Der ärmste und häßlichste Bursche kann sich neben ein schönes und reiches Mädchen setzen, mit ihr scherzen usw., unabhängig davon, ob sie ihm entgegenkommt oder nicht. Das Mädchen hat nicht das Recht, den Burschen durch einen Schlag oder grobe Worte usw. zu kränken; sie darf es auch nicht verwehren, daß sich der Bursche zu ihr setzt", während zu jeder anderen Zeit den Burschen selbst die harmlosesten Scherze mit den Mädchen unerlaubt sind und Unwillen, Schelten und Schläge hervorrufen. Auch der Vermögensunterschied der Väter zeigt sich sonst stark ( D o v n a r Z a p o l ' s k i j 290). Nach beendeter Arbeit jagen die Mädchen die Burschen scherzend aus dem Hause, doch allmählich kehren diese wieder zurück und legen sich zu ihren Mädchen.
§ 139. Versammlungen der Jugend zu Arbeit und Belustigung.
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Wenn das Mädchen nicht in der Versammlung, sondern zu Hause übernachtet, so versäumt es doch das gemeinsame Schlafen nicht: der Bursche begleitet sie; sie tritt in das Haus, wo alle schon schlafen, legt sich nahe der Tür nieder, und wenn sie sich davon überzeugt hat, daß alle schon schlafen, läßt sie den Burschen herein, der sich dann vor Tagesanbruch entfernt. Zuweilen suchen sogar zwei oder drei Burschen auf diese Weise ein Mädchen auf, um mit ihm zu übernachten, der Reihe nach oder sogar alle auf einmal. Die Eltern wissen natürlich von alledem, doch hindern sie die Tochter nicht daran, nur suchen sie den Folgen vorzubeugen. Eine Mutter würde ernstlich betrübt sein, wenn ihre Tochter die Versammlungen nicht besuchen wollte, oder wenn die Burschen nicht zu ihr zum Schlafen kommen wollten; im Gegenteil schmeichelt es ihr, wenn die Burschen dem Mädchen ihre Aufmerksamkeit schenken. An vielen Orten ist dieses öffentliche Übernachten allerdings schon außer Gebrauch gekommen und wird von den Verwandten verfolgt (ib. 290—291). Im Sommer und im Herbst versammelt sich die wr. Jugend Há h o í k h , d . h . zum gemeinsamen Übernachten in Heuscheunen ( S e i n , MaTep. I I I 190); derselbe Brauch findet sich auch bei den Ukr. (P. I v a n o v ) . Die Forscher sehen in diesem Brauch des gemeinsamen Schlafens Überbleibsel eines ursprünglichen Heterismus oder den Nachklang von Probeehen. Der alte ukr. und wr. Brauch verlangt es, daß man bei solchem gemeinsamen Übernachten keusch bleibe; das Paar, das gegen diese Forderungen verstößt, wird sogleich aus der Gesellschaft ausgeschlossen; im Hause des Mädchens brachen die Burschen in solchen Fällen das Tor aus den Angeln, hingen im Tor eine Wiege auf, beschmierten das H a u s mit Ruß usw. ( O i i h c . pyKOn. 375; Ö u b i n s k i j V I I 451 u. a.). Doch ändern sich in den letzten Jahrzehnten die Sitten der Jugend, und damit verschwindet auch der genannte Brauch und tritt ins Bereich der Sage. Die Beziehungen der gemeinsam übernachtenden Paare sind völlig frei und legen niemandem einen Zwang a u f : die Paare treffen sich und gehen auseinander aus persönlicher Neigimg. N u r die Verbindung mit einem Burschen aus einem fremden Dorf wird f ü r anstößig gehalten; die einheimischen Burschen suchen das Eindringen der Fremden auf verschiedene Art zu verhindern; nicht selten werden die Fremden verprügelt, bestenfalls verlangt man eine erhöhte Zahlung f ü r das Recht, die Versammlungen mitzumachen. Bei den Grr. begegnet das gemeinsame Übernachten der Jugend nur an sehr wenigen Orten und ausnahmsweise (OnHC. pynon. I I I 1030) und wird auch dort streng geheim gehalten. Doch sind die Sitten auf den grr. Versammlungen ebenfalls frei genug: das Küssen und Auf-dem-Schoß-sitzen ist dabei etwas sehr Gewöhnliches; „die Umarmung eines Mädchens durch den Burschen wird von den Dorfbewohnern nicht f ü r anstößig gehalten, dagegen gilt die Umarmung eines Burschen durch das Mädchen f ü r höchst unsittlich" (JKHBan GrapUHa, 1892, Nr. 3, S. 112). Jedes Mädchen hat seinen Freund (HP^Htem.), die Beziehungen zwischen ihnen waren früher mehr keusch, sind aber in den letzten Jahrzehnten freier geworden. Doch wurde die Freundschaft eines Mädchens mit einem Burschen aus einem fremden Dorf stets 22*
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X. Gesellschaftsleben.
verfolgt (P. J a k u S k i n , üyTeBHH imcbMa Hai. HoeropoACKOä η ÜCKOBCKOft ry 6.35). I m Gouv. R'azan gingen die Paare nach Versammlungen im Sommer bei Nacht und bei Tage (sog. ^jrnija) nicht selten heimlich in die Büsche, in den Hanf oder hinter die Riegen ( S e m e n o v a - T ' a j í - S a n s k a j a }Kh3hi> IteaHa 38). In Toropec gab es einen Brauch «ebätb; das Mädchen verbrachte die Nächte in Gesprächen mit ihrem Liebsten, im Winter am Tore des Hauses und im Sommer in einem Wäldchen außerhalb der Stadt ( S e m e v s k i j , Τοροπβμ 46). Bei alledem wurden die die Keuschheit verletzenden Mädchen in früheren Zeiten eigenartigen Strafen unterzogen, wie bei der Hochzeit (s. § 127) : die Burschen beschmierten heimlich nachts das Haustor solcher Mädchen mit Teer, schnitten ihnen selbst den Zopf ab usw. ( B o n d a r e n k o ΟπβρκΗ KiipcaHOBCKaro y., in 8TH. 06oap. 1890, Nr. 4, S. 3). I n den letzten Jahrzehnten sind die Sitten freier geworden und solchen Strafen unterziehen die Burschen nur solche Mädchen, die viele Liebhaber ( S e m e n o v a - T ' a á δ a n s k a j a , ib. 48), sowie diejenigen, welche einen Liebhaber aus einem fremden Dorf haben. Die besondere Eigenart der grr. Versammlungen besteht u. a. darin, daß hier der Bursche als Zeichen seiner Zuneigung eine angezündete Kerze am Spinnrocken des Mädchens aufstellt. Überhaupt nimmt die ganze Gesellschaft die Heizung und Beleuchtung des Versammlungsraumes, sowie die Zahlung f ü r einen gemieteten Raum auf sich. In seltenen Fällen geschehen die Versammlungen der Reihe nach in den Häusern der einzelnen Mädchen; gemietet wird ein Raum gewöhnlich f ü r den ganzen Winter und nicht selten durch die Arbeit der Teilnehmer bezahlt, ζ. B. durch die Ernte im Sommer, durch Spinnen, mit Lebensmitteln usw. An den Versammlungen nehmen gewöhnlich die Mädchen von 10—15 Jahren an bis zur Verheiratung teil. Das Übernachten ist üblich bei den Mädchen vom 16.—17. Lebensjahre, bei den Burschen vom 18.—19. Jahre an. Bei den Ukr. haben nur Mitglieder der napy6oiii>Ka r p o M a j j a (Jugendverband) das Recht, die Versammlungen zu besuchen; bei der Aufnahme in diesen Verband zahlen die Burschen und Mädchen ein Eintrittsgeld — die Mädchen nur die H ä l f t e —, und die Burschen kaufen außerdem noch Branntwein. Die rpoMáfla wählt sich einen aTáinaH (Obmann), der f ü r Ordnung und Anstand zu sorgen hat, Streite schlichtet und das Recht hat, von den Schuldigen für ein Vergehen am Tatorte Entgeltung zu verlangen. Bei den Grr. und Wr. gibt es keine solchen Jugendverbände. Die Versammlungen der Jugend währen den ganzen Winter lang, von Anfang September oder Oktober bis zur Butterwoche; im Sommer gibt es entsprechende Versammlungen auf den Straßen, die sog. ^jiHija. Die Versammlungen unterscheiden sich dadurch, daß es zuweilen dabei gar keine Arbeit gibt, sondern nur Belustigungen — Spiele, Tanz und auch Bewirtung. So sind die Feiertagsversammlungen geartet, besonders zur Weihnachtszeit; die letzteren tragen oft auch einen besonderen Namen: grr. árpame, ukr. rpwmê (vom Worte nrpá „Spiel"). Die Burschen bringen überhaupt stets Nüsse und allerlei Leckerbissen zu den Versammlungen mit, mit denen sie ihre Liebsten
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bewirten; hierzu bringen sie aber auch noch Branntwein; die Mädchen bereiten allerlei Speisen. Eine allgemeine rituelle Speise gibt es nicht; doch haben die Sgr. des Gouv. Kaluga als rituelles Gebäck bei ihren Versammlungen am 9. Mai die sog. KJiyóqú, ein Gebäck in Form ineinandergewundener R i n g e (Oiihc. pyKon. 585).
Die Ukr. haben ein rituelles Gebäck Kamrrá · bei den Versammlungen am 30. November, dem Tage des Apostels Andreas: ein Gebäck in Röhrenform mit Mohn, Honig und Kirschen wird an den Deckenbalken in der Mitte des Hauses gehängt; nun kommen alle, auf einem Schüreisen reitend, herbei und beißen mit ernstem Gesicht ein Stück von diesem Gebäck ab; wer dabei lacht, dem wird das Gesicht mit Ruß bestrichen (ib. 617). Das genannte Gebäck gehört übrigens mehr zum Fest als zu den Versammlungen. Das ringförmige Gebäck dagegen ist bei den Grr. ziemlich beständig mit den Jugendversammlungen verbunden ; bei den Ngrr. des Gouv. Olonec heißt es bht^uikh und hat das Aussehen einer Acht oder einer Spirale, die in einer Fläche zusammengepreßt ist (K u 1 i k ο ν s k i j). Im Anschluß an die Versammlungen zur Weihnachtszeit findet auch ein Maskenfest mit Wahrsagen statt. I n den geschilderten Bräuchen, die mit den Versammlungen der Jugend verbunden sind, ist es nicht schwer, eine Reihe von Überbleibseln aus der Zeit der exogamischen Ehe zu erkennen, als die Mädchen f ü r ganz frei gehalten wurden und kein Mann auf ein Mädchen besondere Ansprüche erheben konnte, sondern alle Mitglieder eines Geschlechts auf sie ein allgemeines und gleiches Anrecht hatten. Dieselben Überreste finden sich noch in einem grr. Hochzeitsritual, das von uns bisher nicht besonders hervorgehoben wurde. Eine Verlobte wird vor der Ehe von allen jungen Leuten besucht und geküßt, wozu die jungen Mädchen ein entsprechendes Lied singen ( O N H C . pyKon. 2 5 9 , 1 0 0 8 u. a.), zuweilen wird die Braut dabei auf den Schoß genommen ( J e f i m e n k o I 87). Die Freiheit der Sitten wurde in gewissen Grenzen nur den Mädchen gestattet. Von einer verheirateten F r a u wurde im Gegenteil strengste Treue ihrem Gatten gegenüber verlangt und Treubruch seitens einer Frau als Vergehen gegen das Gesetz angesehen. Im Gouv. Samara ζ. B. mußte ein beim Ehebruch überraschtes Paar die Kleider wechseln, d. h. der F r a u wurde männliche und dem Mann weibliche Kleidung angelegt, und in diesem Aufzuge wurden sie auf den Straßen der Stadt herumgeführt (OnHC pyKon. 1191).
Auch heute noch finden sich Beispiele einer derartigen Bestrafung des Ehebruches seitens der Frau. I n der Charkover Zeitung „Kommunist" (vom 2 9 . J a n u a r 1 9 2 5 , Nr. 2 2 / 1 5 1 0 ; vgl. Nr. 9 4 / 1 5 8 2 , vom 2 8 . April) wurde aus dem ukr. Dorf Russo-Kriklovci des * Kreises Kryzopol' in Podolien von der Bestrafung einer treulosen Ehefrau berichtet: gänzlich entkleidet wurde sie öffentlich mit Nesselruten geschlagen. I m alten Moskau lebten die Mädchen und Frauen wohlhabender Leute eingeschlossen, wie in einem muselmanischen Harem, den Blicken der Männer entzogen (vgl. üojiHoe coßpame pyccKHXT. jrfcToimceft X I X , 178). Eine Spur dieses Brauches ist es, wenn in den grr. Städten den Mädchen der Kirchen-
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X. Gesellschaftsleben.
besuch verboten wird. Für die Mitte des 19. Jahrh. gibt es Mitteilungen darüber, welche sich auf die Städte Tvef, Kol'azin, Mcensk, Jepifaá, Temnikov, Samara, Kupansk u. a. beziehen. Auf dem Lande hat es einen solchen Brauch niemals gegeben, doch gibt es Mädchen, die sich selbst durch ein Gelübde verpflichten, keinerlei Belustigungen und Jugendversammlungen mitzumachen oder durch ein Gelübde ihrer Eltern dazu verpflichtet werden. Es sind dies die sog. κβΛβϋΗΗςΒΐ, lepmiiKH, MOHáuiKH, CTápKH. Sie geben das Gelübde der Jungfräulichkeit ab, tragen dunkle Kleider, leben öfter in abgesonderten kleinen Häusern (k6jibh, KéJieíiKa), beschäftigen sich oft mit Singen im Kirchenchor oder mit Sticken, lehren Kinder Lesen und Schreiben, lesen über den Verstorbenen die Psalmen usw. Nicht selten geschieht es aber auch, daß sie unter dem Schein der Frömmigkeit sich der Unzucht hingeben (Onnc. pyKon. 792). § 140. Eine allen Ostslaven gemeinsame A r t der Belustigung ist der R e i g e n (ukr. kójio; grr. xopoBÓfl, noporós, napaBÓn, napaBáH, ropoffÓK, Kpyr ryjiáHte, Tarntá, jiyMKii ; wr. naparófl), der sich durch einen Synkretismus verschiedener Arten der Tanzkunst mit Mimik und Drama, Lyrik und Musik, auszeichnet. Die Hauptfigur dieses Chorovod ist der Kreis, die Kreisbewegung, daher stammen auch die Namen kójio, Kpyr, doch muß man sich darunter eine Menge verschiedener Bewegungen und dramatischer Spiele vorstellen, die verschiedene Szenen aus dem Leben wiedergeben. Einzelne Figuren der Chorovodspiele, die von einem Chorgesang begleitet werden, tragen besondere Benennungen, die die allgemeine Bezeichnung des Chorovod oft verdrängen. So ist ζ. B. bei den Wr. die Benennung uojiymeMKa weitverbreitet, worunter nur eine A r t der Chorovodspiele zu verstehen ist. Als handelnde Personen, die in einzelnen Figuren des Chorovod dargestellt werden, erscheinen: der Hase, Hirsch, Ziegenbock, Schwan, Rabe, Spatz, die Taube, ein Bursche und ein Mädchen, der Prinz (Careviè), der Mönch, ein schläfriger Mensch, der Skomorocb, die Waise usw., es werden auch die einzelnen Arbeiten dargestellt: die Bearbeitung des Flachses, das Pflanzen des Kohls, das Bierbrauen, Vogelfängen, das Nähen eines Teppichs durch ein Mädchen u. a. ; ferner Szenen aus dem Familienleben, ζ. B. die Heirat, das Einkaufen von Geschenken für die Frau durch den Mann. In dem allen Ostslaven und auch den öechen und Kroaten, bekannten Liede „ A mh npoco ceajm" wird der Streit zwischen zwei Ackerbaugemeinden wegen gewaltsamer Aneignung eines Ackers dargestellt, der mit der Bezahlung des Lösegeldes endet. Die Darstellung einer Szene mit den genannten Personen steht im Mittelpunkt des Chorovodspieles. Ihm geht der Haöop oder 3aBÓ,n voran, d. h. das Versammeln, Einladen der Spielteilnehmer, junger Mädchen und Burschen, das auch durch besondere Lieder begleitet wird. Zuerst gehen zwei junge Leute (saBO^Jin), sich an den Händen haltend, am Hause entlang; dann wählt sich jeder von ihnen ein junges Mädchen; die vier bilden, indem sie sich an den Händen halten, einen Kreis und bewegen sich auf diese Weise in der Richtung des Sonnenumlaufs. (Auf Abb. 141 ist ein ukr. Kojio, das nur aus jungen Mädchen besteht, dargestellt.) Die Teilnehmer singen kurze Lieder und in den Pausen dazwischen fordern sie die andern
§ 140. Belustigungen. Reigen und Tanz.
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Anwesenden auf, sich in den Kreis zu begeben. Allmählich kommen neue Paare dazu. Wenn der Kreis voll ist, beginnt man kurze Lieder zu singen, die mit einer Aufforderung zum Küssen enden, ζ. B. KaTHJiocH Kojieco, Mti ryjiHJiH xopomo; KaTHJiacfl Hîeimy/KHna, U/fenoBaTBCH Rio»uiHa.
Es rollte das Ead, Wir haben uns gut vergnügt; Es rollte die Perle, Man gibt sich ein Dutzend Küsse.
Nach einem jeden derartigen Liede küssen sich die Paare. Zuweilen werden diese Lieder mit den Küssen nicht am Anfang, sondern am Ende des Chorovodliedes gesungen, zuweilen auch beide Male. Beim Singen eines dramatischen („Spiel"-) Liedes treten die handelnden Personen in die Mitte des Kreises und geben durch Bewegungen und Handlungen den Inhalt dieses Liedes wieder. Der Chorovodkreis nimmt zuweilen auch andere Formen an, ζ. B. die eines Kreuzes, einer Acht, eines Geflechtes (eines Strickes aus drei Strähnen), eines Tores, durch das alle Teilnehmer des Chorovod durchgehen müssen usw. Dramatische Spiele im Chorovodkreis werden durch Tanz unterbrochen — solo oder öfter paarweise. Eine allen 'Ostslaven gemeinsame Art des Tanzes (pyccKa«, Kasái;, KaealoK, ukr. τοπέκ) trägt eine sehr große Anzahl von Benennungen, die hauptsächlich von den Liedern, bei deren Singen getanzt wurde, und teilweise auch von der Tanzweise herstammen. So gibt es Namen wie: grr. τρβπέκ, SáptiHH, KaMápmiCKjie, β τριι hójkkh, KapTÓuiKy K o n á T b ; wr. r o j i y ô é q , 6 u h ó k , jiHBÓHHxa, M H T é j i i i n a , Kpyu,ejiKa ; ukr. K o a a ^ Ó K , τροnán, HyPiiàn, ration, rópiuma, β τ pu Horó, ρπδκβ, δκική, jKypaBÓnt, ia6apáuiKa, uiéBMHK u. a. Dieser Tanz besteht aus ziemlich einförmigen Pas, doch gibt er der individuellen Auffassung einen großen Spielraum, und V. V e r c h o v i n e c zählte 40—42 Pas im ukr. h o p a k . Der Tanz der Männer besteht hauptsächlich aus Sprüngen, die von Arm- und Kopfbewegungen und Kniebeugen begleitet werden; der Tanz der Frauen wird auf ein rhythmisches Laufen um das Zimmer herum zurückgeführt, wobei mit den Hacken auf den Fußboden gestampft wird und verschiedene Bewegungen mit dem Körper, den Armen und dem Kopfe ausgeführt werden. Eine altertümliche, jetzt schon verschwundene Figur des ukr. h o p a k (laCapáuiKa oder qeßepÄHKa) bestand darin, daß der Tanzende, mit den Händen auf dem Bücken, vom Fußboden mit dem Munde einen silbernen Becher mit Branntwein aufzuheben, ihn auszutrinken und durch eine Bewegung des Kopfes hinter sich zu werfen hatte. Der Tanzende sang gewöhnlich, indem er rasche und oft komplizierte Bewegungen ausführte, kurze gereimte Tanzlieder, oft anstößigen Inhalts, sog. npHneBKH (ukr. kojiomMkh), aus denen sich später die jetzt verbreitetste Art des russischen Volksliedes, die "JacTyuiKa (Schnaderhüpfl), entwickelt hat. Eine sehr eigenartige ngrr. Tanzweise hieß 6ynT meMejiy und bestand darin, daß ein Mann sich auf den Fußboden setzte, sich auf die Hände gestützt rasch über den Rücken herumdrehte und dabei abwechselnd mit dem oberen und unteren Teil des Rückens auf den Boden aufschlug.
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I n den letzten Jahrzehnten haben sich in den Dörfern die westeuropäischen Tänze verbreitet: Quadrille, Walzer, Polka, Lancier usw. I n der grr. BOCbMepna (Acht), die schon in der Mitte des 19. Jahrh. in Sibirien beobachtet worden ist, hat man gleichfalls die europäische Quadrille zu sehen, die den neuen rassischen Namen entweder von den 8 Paaren der Teilnehmer oder von den 8 Figuren des Tanzes bekommen hat. Es muß hier noch ein Brauch verzeichnet werden, der bei allen grr. Jugendversammlungen weit verbreitet ist, auch bei den grr. Hochzeiten ; es ist dies das S i n g e n v o n B e g r ü ß u n g s l i e d e r n auf einzelne Personen, eigentlich auf ein Paar, einen jungen Mann und ein junges Mädchen (auf Hochzeiten — auf das junge Paar). Man nennt das πρκπθΒάτί., und die Lieder selbst heißen npnnéBKH. I n einem solchen Liede wird gewöhnlich der Wunsch ausgesprochen, daß die Personen, deren Namen im Liede genannt werden, einander lieben mögen, zuweilen wird eine Andeutung auf ihre gegenseitige Zuneigung gemacht, zuweilen auch der Wunsch ausgesprochen, ihre Beziehungen zueinander aufzuklären. Yon den Mädchen werden solche Lieder als Begrüßung eines neuen Gastes angewandt. F ü r eine solche Begrüßung dankt man nicht nur mit Worten, sondern zuweilen auch mit Geld oder Süßigkeiten. Weihnachtslieder, sog. KOJiri^Htie neCHH, stehen dieser Art von Begrüßungsliedern sehr nahe. § 141. Der Tanz, wie auch die Chorovodspiele, werden oft vom Singen von „Tanzliedern" begleitet. Die Grr. in Sibirien gebrauchen dabei zuweilen, zum Messen des Taktes, einen mit Glöckchen und Schellen behängten Stab; man nimmt zu diesem Zweck schließlich auch einen gewöhnlichen Hornkamm, seine Zähne werden mit Papier umwickelt und es wird darauf geblasen. Die Ukr. tanzen zuweilen, wenn es an besserer Musik mangelt, nop, pySéjit fla KanájiKy (Krispelhölzer), mit denen auf einen Korb geschlagen wird. Es gibt auch nicht wenig andere. Vorrichtungen, die als eine Art Musikersatz gebraucht werden. Aus der Zahl der M u s i k i n s t r u m e n t e , mit denen man zum Tanz spielt und die man auch sonst gebraucht, sind die Blasinstrumente die ältesten, von denen jetzt einige nur als Kinderspielzeug gebraucht werden. Es sind dies die sog. CBHCTyHÓ oder C B H C T y n t K H , kleine Instrumente aus Ton, die die Form eines Vogels oder eines Pferdekopfes haben: sie sind nicht nur bei den Ostslaven, sondern auch bei allen anderen Slaven gleich und sind den archäologischen Funden aus alten Zeiten sehr ähnlich. P f e i f e n aus Holz, Schilfrohr, Linden- oder Weidenrinde, Gänsefedern u. dgl. dienen nicht nur als Kinderspielzeug, sondern auch als Musikinstrumente beim Tanzen und beim Singen der b6ChAhkh (Frühlingslieder) ; sie werden auch von den Hirten beim Weiden des Viehes gebraucht (vgl. § 25). Sie tragen verschiedene N a m e n : grr. fl^jjKa, CBHpéJib, jKaJiéftKa, πήπρικ; wr. ntiCBnpéJiKa, H í y j i é f i K a , H ^ A K a , πήιιρικ ; ukr. c o n í j i K a , CBHCTÍJiKa. I n ihrer Einrichtung gibt es nur geringe Unterschiede. Abb. 238 zeigt ein sgrr. Musikinstrument des Gouv. Kursk, das aus zwei Schilfrohrstengeln (πήΐφίκΗ) angefertigt ist ; die eine Röhre hat 5 Klappöffnungen, die andere 2 ; am oberen Ende einer jeden Röhre befindet sich ein Blättchen und ein
§ 141. Musikinstrumente.
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Einschnitt längs der Röhre. Beim Spielen nimmt man das obere Ende mit dem Blättchen in den Mund und legt es so auf die Zunge, daß das ganze Blättchen sich im Munde befindet. Mit zwei Fingern der rechten Hand — dem Zeige- und dem Mittelfinger — hält man die Köhren und drückt auf die Klappöffnungen. Mit den beiden anderen Fingern — dem kleinen und dem Ringfinger — hält man von unten das Kuhhorn, in dessen breitem Teil die unteren Enden der Röhren zur Verstärkung des Tones eingefügt werden. Wenn die Länge der Schilfrohrpfeife 23 cm beträgt und der Durchmesser der Öffnung 5 mm, ist die Länge des Blättchens 27 mm ; der Abstand zwischen den Klappöffnungen beträgt dann 20—22 mm und der Abstand der unteren Öffnung vom unteren Ende der Pfeife 27 mm. Unter dem Blättchen wird ein Wollfaden durchgezogen, damit es nicht eng anliegt und der Luft den Durchgang verwehrt. Das ausgehöhlte H o r n einer jungen Kuh wird zuweilen an das untere Ende der hölzernen P f e i f e angesetzt; in solchen Fällen werden nicht zwei, sondern nur eine P f e i f e
Abb. 238. Sgrr. Hornpfeife (Gouv. Kursk). Bei den Schilfrohrpfeifen sind beide Enden offen; bei den Holzpfeifen werden sie zuweilen fest zugemacht, öfter nur das obere Ende, wo eine kleine Öffnung zum Einblasen der L u f t in die Röhre (ein hohler Zylinder) gelassen wird. Anstatt eines Blättchens in Form eines länglichen Einschnittes werden sie mit einer halbrunden Öffnung versehen — dabei nicht an der oberen Seite der Röhre (des Zylinders), wie auf Abb. 238, sondern auf der unteren. Diese wird nicht in den Mund genommen. Es gibt meist 6 Klappöffnungen, doch findet man auch 4—5. Die gewöhnliche Länge der Holzpfeife ist 35 cm, doch gibt es auch solche von 70 cm Länge. Als Material dazu dient das Holz des Maßholders, des Nußbaumes, der Esche usw.; die Mitte des Holzstückes wird entweder mit einer eisernen Stange ausgebrannt oder mit einem Bohrer ausgehöhlt. Zuweilen werden auch hölzerne P f e i f e n zu zweien vereinigt. Die Vereinigung einer großen Anzahl von P f e i f e n ergibt schon ein besonderes Musikinstrument, sgrr. KyBÄiKH, ngrr. aóptKH, ukr. ceapíra.. Die sgrr. KyBÓHKH stellen eine Vereinigung von 5 Schilfrohrpfeifen von verschiedener Länge dar ; sie stufen sich nach der einen Seite ab, die längeren haben einen höheren Ton; eine jede von ihnen hat eine Öffnung am oberen Ende, in die L u f t eingeblasen wird. Beim Spielen werden die Enden aller 5 P f e i f e n an den Mund gesetzt, es wird in sie hineingeblasen und mit der
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Stimme der Ton des Instrumentes nachgeahmt: kuwi-kuwi (daher auch die Benennung). Die ngrr. a ó p b K H werden aus Gänsefedern von 9 cm Länge angefertigt; bis 20 solcher Federn von gleicher Länge werden reihenweise nebeneinandergelegt und in Leder eingenäht, wobei sie durch eine Naht voneinander getrennt werden. Beim Spielen werden die Öffnungen an die Lippen gelegt und es wird hineingeblasen; es entstehen piepsende Töne, zu denen getanzt wird (so im Kreise Öerdyn des Gouv. Perm'). Die ukr.-huzulische CBHpijit unterscheidet sich von den beschriebenen sgrr. KyBÄiKH nur dadurch, daß es hier nicht 5, sondern 17 Schilfrohrpfeifen von verschiedener Länge gibt; ihre unteren Enden werden in ein bogenförmiges Holz eingesetzt. Die Huzulen gebrauchen außerdem auch noch eine zweiseitige CBHpijib: Schilfrohrpfeifen von verschiedener Länge sind in der Mitte verbunden; die beiden Enden einer jeden Böhre sind offen, doch sind in die Mitte der Bohren Holzstäbchen eingesteckt, von denen der Unterschied in der Höhe der Töne abhängt. Bei V. ë u c h e v i ë (ryijyjibmHHa I I I , 76 u. 77) finden sich Abbildungen beider Arten von Pfeifen. Als eine komplizierte und weiter entwickelte Holzpfeife erscheint der D u d e l s a c k (grr. BOJiÓHKa, wr. ayaá, ukr. Ayroa, Kosá) — ein heutzutage im Verschwinden begriffenes Instrument, das noch unlängst allen Ostslaven bekannt war. Der grr. Dudelsack unterscheidet sich vom wr. und ukr. dadurch, daß sein Sack nicht aus Leder, sondern aus einer Kuhblase besteht. Nach der Anzahl der Öffnungen im Sack unterscheidet man drei Arten des wr. Dudelsacks mit 1 oder 3 oder einer größeren Anzahl von 4—7 Öffnungen; bei den Grr. und Ukr. sind nur Dudelsäcke mit 3 Öffnungen bekannt. Die einfachste Art des Dudelsackes mit nur einer Öffnung findet sich bei den Wr. des Kreises Bzev des Gouv. Tvef (3THorpa$HiecKiü CöopHHKi reorpaijuw. OßnjccTBa 1 1853, S. 270, wo auch eine Abbildung zu finden ist). In einen runden Ledersack ist eine kleine Bohre mit einem Blättchen eingefügt, augenscheinlich mit einem ebensolchen Blättchen wie auf Abb. 238. Das obere Ende dieser Böhre ist offen; Klappöffnungen gibt es hier 3—4. Der Sack gibt Töne von sich, selbst wenn in die Böhre nicht geblasen wird; man hat nur darauf zu drücken, dann strömt die im Sack befindliche Luft in die Böhre und es entsteht ein Ton. In einer gewöhnlichen Dudelsackpfeife mit 3 Öffnungen wird die eine Öffnung von einer 13—18 cm langen Böhre (wr. canéjii,, cócna; ukr. ciicán) eingenommen, die dazu dient, den Sack mit Luft vollzublasen. In die andere Öffnung ist eine Böhre (wr. impaßop, HiejiéfíKa ; ukr. KapaÖKÄ) von 27—36 cm Länge eingefügt, mit 5—6 Klappöffnungen, auf die der Beihe nach mit den Fingern gedrückt wird, und mit einer Öffnung unten. Bei der ukr.-huzulischen Pfeife gehen hier zwei Bohren einander parallel, von denen die eine mit einem Kuhhorn endet. B e i der wr. und grr. Pfeife fehlt dieses Horn nach den bisherigen Ermittlungen, bei den finnischen und türkischen Nachbarn der Grr. aber (z. B . bei den Besermane des Gouv. Y'atka) haben die Pfeifen ein Horn; bei den Wr. und Grr. hat die Böhre größtenteils an ihrem freien gebogenen Ende eine breite Öffnung.
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Musikinstrumente.
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In die dritte Öffnung des Sackes ist noch eine Röhre eingefügt (nkr. und wr. ryK, 6ac; wr. paraBHá), die eir.en besonders tiefen Ton gibt. Der ukr. ryK ist recht kompliziert; er besteht aus zwei Röhren, von denen die obere länger ist als die untere; indem sie mehr oder weniger tief über die untere gestülpt wird, wird die Höhe des Tones reguliert. Bei den Wr. aber gibt es öfter nicht einen, sondern zwei ryK von verschiedener Länge und verschiedenem Ton; ist der eine 80 cm lang, so hat der andere eine Länge von 55 cm ; der erste gibt die Oktave des tiefsten Tones der Röhre mit den Klappöffnungen an, der zweite die Quinte des ersten. Die wr. Pfeife, die nicht 2, sondern 3—6 ryK hat, trägt den Namen MyijbAHKa, μοι^Αημ, der westlichen Ursprungs ist und. aus dem Polnischen stammt; dort heißen die Pfeifen der moldauischen Hirten mit 7 Röhren m u l t a n k i ( G o î ç b i o w s k i Gry i Zabawy 221); m u l t a n k i heißt eigentlich soviel wie „moldauisch", von M u l t a n y , dem polnischen Namen der Moldau. Die Ukr. machen den Pfeifensack aus dem Fell eines Zickleins, die Wr. auch aus Kalb- oder Dachsfell. Die Form des Sackes ist länglich, und die ganze Pfeife hat in ihrer Form eine gewisse Ähnlichkeit mit einer großen Gans: den langen Hals der Gans ersetzt die Röhre mit dem gebogenen Ende, auf der mit Fingern gespielt wird, den Schwanz die lange und breite Röhre (paraBHH), die beim Spiel entweder zwischen den Beinen des Musikanten hängt oder auf seinen Knien liegt. Der wr. Dudelsack ist früher bei Hochzeitsfeiern gebraucht worden, wo er jetzt schon durch die Geige und Ziehharmonika verdrängt ist; zu den kräftigen Tönen des Dudelsacks wurde früher getanzt. In den wandernden Gemeinschaften der wr. Ostersänger (BOJio^éÔHHKn) waren auch Musikanten mit einem Dudelsack vertreten. -— Die Wr. spielen zuweilen auf einer Pfeife ohne Sack, indem sie gleichzeitig die Pfeife mit den Klappöffnungen (wajióñKa) und den ryK in den Mund nehmen. Abbildungen der P f e i f e mit den 3 Öffnungen finden sich bei Such e v i e (a. a. O. 73—75). Von den S a i t e n i n s t r u m e n t e n ist für die Gr. die öananaüKa typisch, für die Ukr. die öaHfl^pa und die Geige. Die B a l a l a i k a wird aus Fichtenholz gemacht mit einem Resonanzboden in Form eines Dreiecks, in dem es 6 mandelförmige oder runde Öffnungen gibt, die sich sternförmig zu einem Zentrum vereinigen. Yon den drei Darmsaiten der Balalaika sind zwei gleichgestimmt und die dritte auf eine Quinte. Beim Spielen drückt man mit der linken Hand auf die Saiten und zupft mit der rechten die Saiten, indem man darauf schlägt ; an besonders effektvollen Stellen schlägt der geübte Balalaikaspieler mit 4 Fingern wirbelnd auf den Kasten seines Instrumentes. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Balalaika auf Kulturwegen überall bei den Ostslaven verbreitet; doch auch in früheren Zeiten war sie nicht nur den Grr. bekannt ; wenigstens wurde 1848 die zweisaitige Balalaika im Kreise Kobel'aki des Gouv. Poltava festgestellt; auf ihren Saiten wurde nicht mit den Fingern gespielt, sondern es wurde mit den Fingernägeln darauf geschlagen (Onnc. pyKon. 1110). Die Balalaika ist aus dem Osten, von der türkischen Domra, entlehnt worden; die kirgisische Domra unterscheidet sich von der grr. Balalaika nur
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X. Gesellschaftsleben.
dadurch, daß der untere Rand ihres dreieckigen Resonanzbodens viel kürzer ist als der Rand der Balalaika, und daß sie nur zwei Saiten hat, die auf eine Quinte gestimmt sind. Die bei den Wr. und Ukr. weitverbreitete G e i g e unterscheidet sich von der gewöhnlichen Kulturgeige nur dadurch, daß sie zuweilen 2 Saiten hat ( B u l g a k o v s k i j ΠηηηυκηΊ). Der der Geige ähnliche alte grr. ryaÓK mit 4 Saiten, einem von unten gewölbten Kastenboden und einem gekrümmten Bogen, ist schon fast ganz verschwunden; beim Spiel wurde er auf das K n i e gestellt oder einfach senkrecht gehalten. Die ukr. Qannypa oder KÓSea hat einen unteren Resonanzboden (ukr. οπι'πηηκ) von runder, ovaler oder birnenähnlicher Form, in der Mitte des oberen Resonanzbodens (ßepx-
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umfaßt er den Griff, drückt auf die großen Saiten oder zupft an den kleinen. Die rechte Hand greift mit den Fingern in die Saiten, sowohl in die kleinen als in die großen, dabei wird auf den Zeigefinger ein „Fingerhut" aufgesetzt, ein breiter Metallring mit einem eingesetzten Stückchen Holz (KÓCTOHKa); mit diesem letzteren greift der Musikant in die Saiten, um einen stärkeren, schärferen Ton zu erhalten. Die kleinen Saiten der Bandura liegen nebeneinander nach der altgriechischen hypolydischen Tonleiter. Auf Abb. 239 ist der berühmte ukr. Bandurist oder Kobzaf O s t a p V e r e s a j dargestellt (f 1875), nach einem Stich von J . M a t ' u S i n , aus der Abb. 239. Ukr. Banduraspieler (Ostap Veresaj).
Z e i t u n g BceMipHan MjuiiocTpaijiH 1875 ( N r . 324).
Von den beiden Namen des beschriebenen ukr. Instrumentes stammt der eine, ßaHR^pa, aus dem Okzident (italienisch p a n d u r a ) , der andere KÓ6aa ist orientalischen Ursprungs (türkisch k o b y z , k o b u z ) , doch in beiden Fällen ist
§ 141. Musikinstrumente.
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polnische V e r m i t t l u n g festzustellen. Bei den N g r r . in den östlichen Gouvernements kommen asiatische runde Kobzen m i t 4—5 Saiten vor (Onnc. pyKon. 998). Der Z i m b e l (Abb. 240) begegnet m a n n u r bei den Ukr. und Wr. : über einen K a s t e n von der F o r m eines Parallelogramms sind Metallsaiten gespannt, auf die mit zwei Holzstäbchen geschlagen wird (ukr. najmaTKH). D e r Zimbel sind die jetzt schon verschwundenen ostslavischen rycjiH ähnlich. Sie sind von größerem U m f a n g e , ihre Drahtsaiten wurden mit den F i n g e r n gespielt. D i e L y r a (jiripa) — ein I n s t r u m e n t mit Saiten u n d Tasten — (ukr. péjiH, pHJib, piijiri ; wr. jiápa) ist das I n s t r u m e n t der ukr. und wr. Bettler. Es
Abi). 240. Wr. Zimbel aus dem Gouv. Mohilev. ist dies das mittelalterliche o r g a n i s t r u m , aus dem sich später die deutsche Schlüssolfiedel, das H a r m o n i u m und die Bauernleier entwickelt haben. Der Fole Maskiewicz, der sich in den J a h r e n 1610—11 in Moskau aufhielt, h a t hier dieses I n s t r u m e n t u n t e r dem N a m e n niipa in den Bojarenhäusern schon angetroffen. Der K a s t e n der heutigen Leier hat zwei flache Resonanzböden u n d ist dem K a s t e n der Geige oder des Kontrabasses ähnlich; doch vertritt die Stelle des Griffes hier ein an die Leier befestigter kleiner Kasten, an dessen Seiten es drei Schrauben f ü r die drei Saiten der Leier gibt. E s werden D a r m - oder Sehnensaiten gebraucht, die verschieden abgestimmt werden: entweder die beiden äußeren auf eine Quinte und die mittlere auf eine Oktave
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X. Gesellschaftsleben.
zu der dünnsten von den äußeren oder die mittlere auf eine Oktave zur ersten Grundsaite, die dritte auf eine Q u i n t e ; m i t u n t e r sind zwei S a i t e n gleichgestimmt und die dritte auf eine Geigenquinte. Alle Saiten werden auf einmal durch eine sich drehende Walze zum Vibrieren gebracht. Über der mittleren Saite wird ein länglicher Kasten errichtet: das eine, der Walze näherliegende Ende dieses K a s t e n s , hat eine runde Öffnung, in der die mittlere Saite f r e i vibriert; an dem anderen E n d e wird die Vibration durch den K a s t e n verhindert. Holztasten gibt es bei der u k r . Leier 9—11, bei der wr. 4—7; wenn m a n die mittlere Saite andrückt, wird ihr Ton verändert (die altjonische Tonleiter). Beim Spielen wird die Leier durch einen
Abb. 241. Wr. Bettler aus dem Gouv. Minsk, mit einer Leier. über die Schulter gezogenen R i e m e n in geneigter H a l t u n g g e h a l t e n ; m i t der rechten H a n d wird die Walze gedreht und mit der linken wird auf die Tasten gedrückt. D i e letzteren bewegen sich f r e i in den Öffnungen des K a s t e n s und fallen von selbst nach unten, wenn die H a n d aufhört, sie zu drücken (Abb. 241). D i e Leier besitzt einen starken und schrillen T o n ; um ihn zu mildern umwickelt m a n die Saiten an den Stellen, wo die Walze sie berührt, m i t weicher Wolle. D i e Leier läßt kein crescendo u n d diminuendo z u ; es k a n n n u r durch ein rascheres oder langsameres Tempo oder auch ein kleines, staccato phrasiert werden. D i e melancholisch-monotone und trübe Musik der Leier entspricht am besten dem Repertoir der bettelnden Sänger, den geistlichreligiösen Gesängen.
§ 141—142. Musikinstrumente.
Faustkämpfe.
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Z u den Schlaginstrumenten gehört der jetzt seltene 6j6eH, der allen Ostslaven bekannt war ; ein R e i f e n aus d ü n n e m Fichtenholz wird mit dünner H a u t bespannt und d a r a n werden Schellen gehängt. D i e alten u k r . K r i e g s p a u k e n (jmTáBpti) stellten große halbkugelförmige Kessel aus K u p f e r dar, die m i t Leder bespannt w a r e n ; es waren ihrer stets zwei. Doch das verbreitetste und populärste I n s t r u m e n t des ostslavischen D o r f e s ist schon seit einem halben J a h r h u n d e r t die Z i e h h a r m o n i k a (rapMÓuiKa; g r r . noch TaJih^HKa). Z u A n f a n g des 19. J a h r h . war in Bußland u n t e r dem N a m e n H a r m o n i k a ein westeuropäisches I n s t r u m e n t vom Tastentypus bekannt, mit gläsernen Tasten, auf die m a n mit den F i n g e r n drückte oder m i t Stäbchen schlug. I n der Mitte des 19. J a h r h . brachten die aus Deutschland auf die F a b r i k e n von Tula berufenen Arbeiter das damalige Akkordion mit, das so g e n a n n t wurde, weil darauf, dank einer besonderen Vorrichtung, die gespielte Melodie mit zwei Akkorden begleitet wurde — auf der T o n i k a und der Dominante. Dieses I n s t r u m e n t h a t sieh in E u ß l a n d u n t e r dem schon bekannten IST amen „ H a r m o n i k a " rasch verbreitet. D i e Soldaten haben zur raschen Verbreitung dieses modischen Instrumentes am meisten beigetragen. Die H a u s i n d u s t r i e t r u g auch ihr Teil dazu bei; die Fabrikation der H a r m o n i k a ist aus T u l a in eine ganze E e i h e anderer Gegenden übertragen worden, so z. B. nach Cerepovee, Eostov im Gouv. Jaroslavl', nach V ' a t k a usw. D i e H a r m o n i k a stellt einen dehnbaren Kasten m i t einem Sack dar, dessen E n d e n der Musikant in den H ä n d e n hält, u n d die er zusammendrücken u n d auseinanderziehen k a n n ; dabei berührt er mit den F i n g e r n die Klappöffnungen (Tasten). Die Töne werden durch das E i n - und Ausströmen der L u f t durch die Öffnungen erzeugt, die m i t dünnen Messingplättchen verdeckt sind (πήιμκκ). D i e Größe der Öffnungen ist verschieden — von 8 /g—l'/g Zoll L ä n g e u n d Vie—1ls Zoll Breite. D i e Breite des Messingplättchens ist etwas größer als die von ihm verdeckte Öffnung. D a s Blättchen einer jeden P l a t t e hat seinen besonderen Ton. D i e einfachste H a r m o n i k a h a t weniger als 20 Plättchen (rrainjHKH) : am einen Ende 14 u n d am anderen zwei „Bässe" mit je 1—6 Öffn u n g e n ; eine mehr komplizierte H a r m o n i k a hat 60 u n d noch mehr P l ä t t c h e n : drei E e i h e n von Klappöffnungen zu 14 in jeder E e i h e und zwei „Bässe" m i t j e 2—6 Klappöffnungen. § 142. Von den sonstigen B e l u s t i g u n g e n der Ostslaven ist es notwendig, die F a u s t k ä m p f e zu nennen. Sie sind überall verbreitet u n d an keine Jahreszeit gebunden, doch finden sie gewöhnlich im Winter, von Weihnachten bis zur Butterwoche, statt. I m Gouv. Orel f ü h r e n die benachbarten D ö r f e r P a l n a u n d A r g a m a i u m die Pfingstzeit erbitterte F a u s t k ä m p f e u n t e r einander (siehe noch § 149). I n Mologa beginnen die K n a b e n von zwei verschiedenen Stadtteilen vom Herbst an zu k ä m p f e n ; auf Verabredung bewaffnen sie sich m i t Stöcken, beginnen einen Streit untereinander u n d sind bestrebt, einander auf zwei Seiten zu u m g e h e n ; der K a m p f m i t Fäusten und Stöcken w ä h r t so lange, bis die eine Seite die F l u c h t e r g r e i f t . I m alten Öerkassk n a h m e n an den F a u s t k ä m p f e n „nicht n u r alle j u n g e n Beamten teil, sondern sogar viele Generäle" (J. K r a s n o ν im BoeHHufl ΟδορΗκκτ, 1858, N r . 2, S. 482).
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X. Gesellschaftsleben.
In der Stanica Kavkazskaja des Kubangebiets veranstalteten die jungen Mädchen zu Weihnachten und an anderen Feiertagen an den Straßenecken einen allgemeinen Chorovod und die Burschen einen Faustkampf, wobei die ganze Ansiedlung sich in zwei feindliche Teile teilte. „Der Kampf währt die ganze Zeit, während der Chorovod gesungen wird; wenn die Lieder aufhören, treten die Burschen einer nach dem andern von beiden Seiten zum Chorovod über und der Kampf flaut ab." ( 9 T H o r p a $ H H . Oöoapime X X X I 1896, Nr. 4, S. 51.) Bei den Ukr. des Gouv. Charkov beginnen die Kämpfe 3 Wochen vor der Butterwoche; ihren Höhepunkt erreichen sie vor der Fastenzeit (Y. I v a no ν }Κπ8ηβ η ΤΒορΜ. 798). In den Faustkämpfen sehen wir eine Erinnerung an die alte T p i i a n a (Leichenfeier), die in Wettkämpfen über dem Grabe des Toten bestand ( a p a T H C H no M e p T B e u b i ) . Eine gewisse Verbindung der Faustkämpfe mit den Gedenktagen, wie z.B. der Butterwoche oder Pfingsten hat sich noch erhalten. Einige Forscher sehen in den Faustkämpfen eine Erinnerung an die gotischen Kriegsspiele am byzantinischen Hof. — In den Fällen, wo die Faustkämpfe von der Obrigkeit verboten wurden, wurden an ihrer Stelle, und nicht selten gleichzeitig mit ihnen, Kämpfe von Gänsen, Hähnen, Hunden veranstaltet (Kursk, Gorbatov, Moskau u. a.). Δ η den Faustkämpfen nehmen nur Männer teil ; wenn die Frauen anwesend sind, so übernehmen sie nur die Bolle von Zuschauern. Dagegen ist das Schaukeln fast ausschließlich eine weibliche Belustigung. Es ist mit der Frühlingszeit verbunden : geschaukelt wird von Ostern bis Himmelfahrt oder bis zum 23. April, auch am Peterstage, dem 29. Juni. Die Wr. lassen ihre Kinder stellenweise schon vom 9. März an schaukeln. Man unterscheidet „ e i n f a c h e " (Abb. 242) und „ r u n d e " S c h a u k e l n . An die Enden eines Brettes von 1,5—2 m Länge werden feste Stricke gebunden, die zuweilen aus jungen Birkenbäumchen geflochten sind; die Länge der Stricke ist 2—3 nj. Die Stricke werden mit ihren oberen Enden an einem Querbalken befestigt, der hoch über der Erde auf einem besonderen Gerüst aus Pfählen ruht. Auf diese Weise hängt das Brett horizontal über der Erde in einer Höhe von ungefähr 1 m. Zwei Menschen stellen sich auf die Enden des an den Stricken hängenden Brettes und versetzen das Brett in schaukelnde Bewegung, indem sie sich mit den Händen an den Stricken halten und sich mit den Füßen gegen das Brett stemmen. Auf das Brett zwischen die beiden Stehenden setzen sich die andern Personen, indem sie die Beine hängen lassen. Der Schwung des schaukelnden Brettes ist zuweilen ein sehr hoher und das Brett schwebt hoch über der Erde. Nach dem wr. Aberglauben leiden die sich Schaukelnden im Sommer nicht an Mückenstichen. Auf der „ r u n d e n S c h a u k e l " beschreiben die Schaukelnden einen vollen Kreis um einen hohen Querbalken. Auf zwei hohen, in die Erde eingegrabenen Pfählen liegt eine Walze, durch deren beide Enden zwei Stangen durchgezogen sind ; an diesen Stangen sind vier hängende Bretter befestigt; auf jedes von diesen Brettern (wr. βώβκβ) setzen sich zwei Menschen. Die an der Schaukel stehenden Burschen drehen die Stangen, indem sie dieselben an den Enden fassen, herum, heben sie nach oben und senken sie nach unten.
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§ 142. Faustkämpfe. Schaukeln.
„Unter der Schaukel" f a n d e n stets Belustigungen statt. I n alten Zeiten kamen hier auch Faust- u n d W e t t k ä m p f e vor, doch waren es nicht K ä m p f e von größeren Gruppen, sondern n u r von einzelnen Personen (S c u k i n 396). Gleichzeitig mit dem Schaukeln findet das S p r i n g e n der Mädchen auf B r e t t e r n statt. Das B r e t t wird m i t der Mitte so auf einen dicken Baumstumpf gelegt, daß die zu beiden Seiten ragenden Enden des Brettes gleich schwer sind; in die Mitte des Brettes setzt sich jemand. An den E n d e n des Brettes stehen zwei Mädchen und springen abwechselnd in die Höhe, wodurch sich bald das eine, bald das andere Ende des Brettes nach oben hebt. W e n n das Feld besät und der Gemüsegarten bepflanzt ist, ist es nicht erlaubt, auf den Brettern zu s p r i n g e n : es heißt, die E r d e sei be-
Abb. 242. Ngrr. Schaukel aus dem Grouv. Jeniseisk. lastet, schwanger u n d d ü r f e nicht beunruhigt werden (Oniic. pynon. 256, S c u k i n 398). E. A n i ë k o v sieht im Schaukeln auf B r e t t e r n ein R i t u a l der Reinigung in der F r ü h l i n g s l u f t . W i r sind geneigt, hier ein magisches R i t u a l des Ackerbaukultus zu sehen: die H ö h e des Schwunges auf der Schaukel sowie beim Springen auf dem B r e t t muß einem starken u n d hohen Wuchs der Pflanzen zum Sinnbild dienen u n d diesen hervorrufen. Gleichzeitig muß darin ein Versuch des Menschen gesehen werden, die L u f t mit Gewalt zu zwingen, seinen Zwecken zu dienen — e i n magisches Symbol der H e r r s c h a f t des Menschen über das Reich der L u f t . D a s dem Schaukeln analogische R o d e l n von hohen Bergen hat im Volksgedächtnis noch die Verbindung m i t der Ackerbaumagie erhalten, im besonderen m i t dem hohen, reichlichen W u c h s des Flachses u n d des H a n f e s : Z e l e n i n , Russ. (Ostslav.) Volkskunde.
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X. Gesellschaftsleben.
speziell zu diesem Zweck, wie es heißt: Ha jiöh η κοηοππιο, rodeln die grr. F r a u e n in der Butterwoche (Onnc. pyKon. 338) und am ersten Montag der Fastenzeit in Schlitten von hohen Eisbergen herab ( J e f i i n e n k o I 168); im Kreise Buza f ä h r t man dabei auf den Sitzbrettern der Spinnrocken — HÓHije (Onnc. pyKon. 712).
Abb. 243. Ngrr. Holzgerast aus dem Gouv. Jeniseisk. Das Bodein von Eisbergen (das Holzgerüst eines solchen Eisberges zeigt Abb. 243) geschieht während des ganzen Winters, doch die geeignetste Zeit d a f ü r ist nach dem Volksglauben die Butterwoche. — Die N g r r . betreiben noch eine besondere Art des Bodelns : am Abhang eines Berges stellt man - einander parallel zwei schräge, glatte Stangen und f ä h r t zu zweien, sich an den Händen haltend, hinab (Abb. 244). Die gleichzeitig mit dem Schaukeln gebräuchliche Sitte des B e s t e i g e n s hoher Kirch türme zur Osterzeit sind wir geneigt, m i t demselben magischen R i t u a l der L u f t gegenüber in Verbindung zu bringen, wobei die L u f t hier als besiegt, dem Menschen Untertan, erscheint. Das im F r ü h j a h r — hauptsächlich in der Zeit von Ostern bis zum 23. April alten Stils — übliche Spiel des E i e r r o l l e n s ist auch zweifellos mit der Ackerbaumagie verbunden. E s ist eine magische BefruchAbb. 244. Rodeln der Ngrr. im Winter. t u n g der Erde und eine Andeutung des Beifens der Samen, die den Eiern gleich sind. Die Eier werden auf der Erde, auf einer geneigten Fläche gerollt ; derjenige gewinnt, dessen E i am weitesten rollt ; die fremden Eier, die das rollende E i dabei berührt, gehören demjenigen, der dieses E i gerollt hat. Die Sgrr. gebrauchen zum Eierrollspiel aus Tuch genähte Kugeln, mit denen auf einem Abstand von 20 Schritten nach den Eiern geworfen wird (Onnc. pyKon. 792). Z u den Belustigungen bei Hochzeiten und zur Weihnachtszeit gehört auch die V e r k l e i d u n g , deren geheimnisvolle Urbedeutung jetzt schon ver-
§ 142. Rodeln. Èierrollen. Verkleidung. Männerspiele.
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gessen ist. Weitverbreitet ist die Gewohnheit, sich die K l e i d u n g des anderen Geschlechtes anzulegen, sich als Bär, Ziegenbock, K r a n i c h , Schafsbock, Wolf zu verkleiden u n d sich und andern das Gesicht mit R u ß zu beschmieren (vgl. § 130). Der Ruß auf dem Gesicht oder ein u m das Gesicht gehülltes Tuch ersetzt die Maske (xápa), welche m a n als „ein Teufelsbild" (jiHqÓHa HLJÍBOJia) überhaupt aufzusetzen vermeidet. M a n hält es auch f ü r eine große Sünde, sie aufzusetzen; zur L ä u t e r u n g von einer solchen Sünde muß inan sich in einem in das Eis gehauenen Loch nach der Wasserweihe am Dreikönigstage baden. D i e N g r r . bezeichnen die Verkleideten mit den Worten : xyxojitHHKH, cbhtóiiihhkh, inyjiHKÓHH, xajiíÍBti. Vom Standpunkt des ostslavischen R i t u a l s ist es am leichtesten, im Verkleiden ein Mittel zu
Abb. 245. Ngrr. Spiel τορο^κή im Gouv. Jeniseisk. sehen, durch das die bösen Mächte getäuscht werden sollen, indem m a n sieh unerkennbar macht. E i n verkleidetes P f e r d kommt bei allen Ostslaven zu verschiedenen Zeiten vor — während des F r ü h l i n g s r i t u a l s (npÓBOHH pycájiKii), in der Weihnachtszeit, in der Butterwoche u n d bei Hochzeiten (Z e 1 e η i η Οιβρκκ pycCKOít μηθοπογϊη 245 ff.). M a n k a n n denken, daß dieses Spiel aus dem Westen übernommen worden ist, gleichzeitig mit den pycajiHH. Von den M ä n n e r s p i e l e n sind allgemein verbreitet: die Γορο^κή (Abb. 245; anders: ριόχιι, ιππική, cbhhkh; ukr. Kpárjin) — ein Spiel, das dem Kegelspiel ähnlich ist, doch werden hier kurze Holzklötze in F o r m von sehr verschiedenen F i g u r e n aufgestellt u n d mit Holzstöcken von u n g e f ä h r 80 cm Länge durch W e r f e n auseinandergeschlagen. Das Spiel stellt die Einnahme einer befestigten „ S t a d t " im K r i e g e d a r ; es hat die grr. Sprache mit dem Metapherausdruck ποηλοϊκητβ cbhhlió bereichert, d. h. jemandem heim23*
X. Gesellschaftsleben.
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lieh einen Schaden antun, und mit einigen anderen Metaphern, die vom Alter des Spieles zeugen. — Von dem alten W ü r f e l s p i e l Β KÓCTH (ein Hazardspiel) hat sich nur das hauptsächlich von Kindern geübte Spiel Β 6á6KH (KÓ3HH, Jioflóra, IIIJIÄKH) erhalten — es werden dazu die kurzen Beinknochen von Pferden und Kühen gebraucht: die Knochen werden reihenweise aufgestellt, und es wird mit einem ebensolchen Knochen oder mit einer eisernen Platte nach ihnen geworfen ; in Sibirien wird auch mit Pfeilen danach geschossen. Das Spiel Β C B a f t i t y verschwindet allmählich, war aber unlängst eines der Lieblingsspiele selbst der erwachsenen Männer auf den Dörfern: man nimmt einen großen Nagel mit einem dicken, runden Ende und wirft ihn so auf die Erde, daß er mit der Spitze in einen auf der Erde liegenden kleinen eisernen Ring gerät. Der sprichwörtliche Ausdruck ΗΜΘΗΒΘ H^ÖT He Β KOJiBijó, a Β CBáftKy bedeutet eine Erbschaft nach der männlichen und nicht nach der weiblichen Linie hin. Die Spiele mit Bällen und Kugeln sind sehr verschiedenartig; eine Art des B a l l s p i e l s (noirrá) trägt denselben Kamen bei den Serbokroaten, Slovenen und Slovaken; die Grr. bezeichnen mit JioiiTá nicht nur das Spiel selbst, sondern auch den schaufelartigen Schläger, mit dem der Ball geschlagen wird, und stellenweise auch den Ball selbst, der aus Streifen von Birkenrinde geflochten wird (Gouv. Vologda). I m Sommer läßt man viereckige „ D r a c h e n " (3MEÖKII, ;ieTyiuKM, MOCKÓBKH) aus Papier an einem Seil, das mit Klappern aus Papier versehen ist, aufsteigen. Von den Hazardspielen ist noch die sog. opjiHHKa am meisten verbreitet: eine Kupfermünze wird in die Höhe geworfen und es wird gewettet, auf welche Seite sie niederfällt (open und pénieTb). Viel seltener sind Hazardkartenspiele anzutreffen; von solchen Orten, wo sie üblich sind, berichtet G. P o t a n i η (JKHBan Grapima I X 41).
§ 143. Gemeinschaftliche (öffentliche) B e w i r t u n g e n sind fast immer mit dem Ritual, mit dem Kultus, verbunden. Sie tragen die Namen ccBinMHHa, cctinna, öpaTHHHa, MOJiBÓá, ukr. CKjiáffKa. Die ukr. Mädchen machen f ü n f m a l im J a h r eine derartige Bewirtung — am Kosmas- und Damianstage (dem 1. November), am Tage vor Beginn der Adventszeit, am zweiten Weihnachtstage und zwei mal in der Butterwoche (MaTep. ynp. eTHOJiborii VI 159). Ein jedes Mädchen bringt Vorräte, Eier, Butter, Graupen, Mehl usw. m i t ; daraus wird dann die Bewirtimg — f ü r die jungen Burschen und f ü r sie selbst — hergestellt. I m Posechonje werden am 1. November drei besondere gemeinschaftliche Bewirtungen veranstaltet: f ü r die Kinder, f ü r die Mädchen und f ü r bejahrte Personen; die ópáTHHHa der letzteren unterscheidet sich von den ersten durch das Vorhandensein von Wein (9TH. CÖopH. I I ,
53).
Die grr. Mädchen veranstalten eine Bewirtung außer dem 1. November noch vor Pfingsten: aus den gesammelten Vorräten wird Bier gebraut, es werden gesottene Eier und rundes, flaches Gebäck (jieneniKii) angeboten, womit die jungen Leute vor dem Schmücken des rituellen Birkenbäumchens
§ 142—143. Männerspiele.
Öffentliche Bewirtungen.
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bewirtet werden (am οθμπκ, siehe § 149, vgl. Oimc. pyKon. 778); zuweilen nehmen bei den Grr. mit den Mädchen auch die Frauen an der Bewirtung vor Pfingsten teil, indem sie sich am Bierbrauen beteiligen (a. a. O. 792). I n allen den Fällen, wo bei den Jugendversammlungen (§ 139) eine Bewirtung stattfindet, ist sie eine gemeinschaftliche (OnHC. pyKon. 532). Bei den Grr. sind gemeinschaftliche Bewirtungen an Feiertagen, die auf das Gelübde einer einzelnen Person oder einer ganzen Gemeinde hin veranstaltet werden, sehr verbreitet. Solche Feierlichkeiten tragen die Namen MOJiLÖä, ßpaTHHHa, sowie, nach dem Namen der Heiligen, an deren Gedenktagen sie geschehen, MiiKÓJiBmitHa, CnácoBmiiHa usw. I n diesen Feiern und Gastmahlen ist eine Erinnerung an alte heidnische Opfer erhalten. Die G e l ü b d e f e i e r n sind jetzt mit der Viehzucht verbunden und waren es früher, wie es scheint, mit dem Tierfang. Persönliche Gelübde werden gewöhnlich im Falle der Krankheit dieses oder jenes Haustieres gegeben, gemeinschaftliche Gelübde im Falle einer Viehseuche oder eines anderen Unglücks, von dem das ganze Dorf heimgesucht wurde. Ein Gelübde wird immer bedingungsweise gegeben: „Wenn etwas wohl gerät und damit es wohl gerät, verspreche ich folgendes." Man verspricht immer zum Andenken an diesen oder jenen Heiligen irgendein Vieh zu opfern, wenn es groß wird, oder nach der Krankheit, wenn es gesund wird. Das versprochene Tier wird oöpeienaH, aaBHMeHan oder nach dem Namen des Heiligen, ζ. B. ßuK-MHKOJiei; d. h. ,ein dem hl. Nikolaus geweihter Ochs' genannt; das Sprichwort lautet von einem solchen Stück Vieh: oßpeieHan CKOTiÍHa He jKHBOTHHa, d. h. von einem solchen Tier darf kein Zuwachs erwartet werden. Das Fleisch dieses Viehs wird am Gedenktage des Heiligen, dem es geweiht ist, zur öffentlichen Bewirtung gebraucht, ein Teil des Fleisches aber wird f ü r die Geistlichkeit und die Kirche bestimmt. Zum Füttern des Viehs vor dem Schlachten, sowie zum Brauen des Bieres und f ü r andere Ausgaben bei der öffentlichen Feier, veranstaltet der Besitzer des Viehs eine Sammlung freiwilliger Gaben unter den Hauswirten seines Dorfes, zuweilen auch unter denen von den nachbarlichen Dörfern. O f t geschieht es, daß der Preis des Gesammelten die Ausgaben übersteigt. Die Feier selbst findet oft in der Nähe von Dorfkapellen, zuweilen auch im H o f e des Besitzers des Opfertieres statt. Dahin werden Heiligenbilder aus der Kirche gebracht und es wird ein Gottesdienst mit Wasserweihe abgehalten, wonach sich alle an den gemeinschaftlichen Tisch setzen. Das Fleisch des Opfertieres wird in großen Stücken in großen Kesseln gekocht, doch wird es nicht auf den Boden des Kessels gelegt, sondern mit Weidenzweigen oben am Rande befestigt. H a t der Priester das Mahl gesegnet, so stürzen alle nach den Kesseln, um das Fleisch zu holen; man beeilt sich, diejenigen Knochen zu erlangen, die bei Jagd und Fischfang Glück bringen und, im Viehstall vergraben, die Fruchtbarkeit des Viehs fördern. Das Brot bringen die Teilnehmer meistens m i t ; nach dem Essen wird Bier getrunken, das aus gesammelten Samen gebraut wird. Nach dem gemeinschaftlichen Essen gibt es private Mahlzeiten: man breitet auf der
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X. Gesellschaftsleben.
Erde Tischtücher aus und speist ; man veranstaltet einen Chorovod oder einen Umzug mit Liedern und geht dabei auch in alle Häuser, um Bier zu trinken. Zu einer solchen Feier kommen die Bewohner des betreffenden Dorfes ohne eingéladen zu sein, und die Bewohner anderer Dörfer auf besondere Einladung. Wenn mehrere Tiere geopfert sind, wird ein Los geworfen, welches von ihnen zur gemeinschaftlichen Mahlzeit gekocht werden muß; dem durch das Los bestimmten Tier wird ein Stück vom rechten Ohr abgeschnitten, das in die Kapelle gebracht wird. Die anderen Tiere, sowie die Häute der Opfertiere, werden zugunsten der Kirche verkauft. Das rechte Hinterbein des Opfertieres wird der Geistlichkeit geschenkt, der Kopf und die aus dem Fleisch des Tieres gekochte Suppe den Bettlern. I m Gouv. Olonec und Vologda finden solche Opfer hauptsächlich am 20. Juli, dem Gedenktage des Propheten Elias, statt. Hier ist die Sage weitverbreitet, daß in alten Zeiten an diesem Tage ein Hirsch von selbst gelaufen kam, um dem großen Propheten geopfert zu werden. Doch einmal blieb dieser Hirsch aus unbekannten Gründen aus und die Bauern schlachteten, des Wartens müde, einen Ochsen; da kam endlich der Hirsch gelaufen, lief aber, als er bemerkte, daß man seiner nicht mehr bedurfte, wieder in den Wald zurück ; seitdem sollen keine Hirsche mehr kommen. Nach einer anderen Sage blieb einmal der Hirsch weg, dafür kamen im darauffolgenden Jahr zwei Hirsche. Die Bauern töteten beide, und seitdem kamen die Hirsche nicht mehr; sie wurden durch Haustiere ersetzt. Wenn es keinen Opferstier gibt, so wird er gekauft, und es wird dabei immer ein schönes Tier gewählt (Orme. pyKon. 247). Im Gouv. Olonec gibt es noch gemeinschaftliche Opfer eines Schafes am 8. September, dem Geburtstag Mariä. — I m Gouv. Kostroma ist am Nikolaustag (6. Dezember) ein solches Opfer gewöhnlich, und im Norden des Gouv. V'atka am 25. Dezember (CnácoBmHHa). In diesen Gouvernements bringt man am Eliastage nach einem Gelübde nur Schulterblätter von Hammeln mit Fleisch in die Kirche und dazu Bier; ein öffentliches Mahl findet nicht statt, doch geht man in die Häuser, um Bier zu trinken. Es wird auch Bier getrunken, das von verschiedenen Hauswirten in die Kirche gebracht und hier in ein Gefäß zusammengegossen wird (MHpmáHKa). Von den beschriebenen δρέτΐΗΗΜ unterscheiden sieh die mojiböh nur dadurch, daß bei letzteren das Opfertier fehlt. Zur allgemeinen Bewirtung dient nur das Bier, das aus den unterm Volk gesammelten Vorräten gebraut ist. Die MOJit6á geschieht an verschiedenen Festen, dem Gelübde (yjiojKémie) der Gemeinde entsprechend ; zuweilen geschieht sie mehreremal, ζ. B. viermal im Jahr. Die Vorräte zum Bierbrauen sammeln die Hauswirte entweder der Reihe nach (pHjjOBaH MOJibSa) oder jedesmal ein eigens dazu Gewählter. Besonders gebräuchlich ist die Mojibßa im Gouv. Jaroslavl' und V'atka; im letzteren wird das Sammeln der Vorräte zum gemeinschaftlichen Bierbrauen für eine gottgefällige Sache gehalten. Wenn der Hirsch das Opfer des Jägers darstellte, der Stier und der Schafbock dasjenige des Viehzüchters, so ist das Bier das Opfer des Acker-
§ 143—144. Öffentliche Bewirtungen.
Gemeindekerzen.
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bauers. Hier finden sich Überbleibsel der alten Opfer, die einst die ganze Gemeinde darbrachte. Im rituellen Genuß des Schweinefleisches am 1. Januar (s. § 26) aber haben wir einen Überrest der Familienopfer. I m Gouv. Y'atka ist noch eine Art der 6páTiHHa verbreitet, die sonst nirgends bekannt ist. Als Opfertier dient ein Huhn, und dazu nur ein solches, das bereits drei Familien von Küchlein ausgebrütet hat. Nach dem örtlichen Glauben können solche verdiente Hühner nur von älteren Frauen, besonders Witwen, verspeist werden. Das rituelle Mahl wird auf ein Gelübde hin veranstaltet, dazu veranstaltet die Frau, die das Gelübde getan hat, eine Kollekte von Vorräten, oder die geladenen Frauen bringen selbst am Tage der Feier Hühner und andere Lebensmittel mit. Beim rituellen Mahle sind nur Frauen anwesend. Wenn auch zuweilen ein Mann zugelassen wird, so wird ihm der Kopf nach Frauenart umwunden oder es werden ihm die Augen verbunden. Beim Essen werden keine Messer gebraucht, die Speise wird nur in Stücke gebrochen; die Knochen der rituellen Hühnerspeise müssen ganz erhalten sein; diese Knochen werden mit den anderen Hühnerresten zusammen später an einem reinen und unzugänglichen Ort vergraben oder — in einem Topf oder Sack — ins Wasser geworfen. Der Topf wird an den Begrabungsort auf dem Kopfe getragen, damit der Kopf nicht schmerze; zuweilen geht man dabei nicht mit gewöhnlichem Schritt, sondern man h ü p f t nach Hühnerart, damit die Füße nicht schmerzen. Es gibt einen Grund zur Annahme, daß die Frauen von V'atka in alten Zeiten sich durch ein Gelübde verpflichteten, Hühner, die ganze drei Familien von Küchlein ausgebrütet, durch eine besondere Feier zu ehren; diesem Gelübde gemäß wurde der rituelle Rest alter Opfer verändert und hat sich bis auf unsere Tage erhalten. An einigen Orten gibt es bei den Ngrr. die Sitte, am Eliastage, dem 20. Juli, aus den bei allen Hauswirten gesammelten Vorräten ein Riesenbrot, 28—84 Kilo, zu backen, sowie ein Riesenstück Quark zu bereiten. Zum Backen des großen Kuchens wird der Ofenmund auseinandergenommen, sonst kommt dieser nicht in den Ofen hinein. Nach dem Gottesdienst wird das Brot und der Quark von allen Anwesenden verzehrt; das Brot wird in kleine Stücke geschnitten und, an alle, angefangen von den Bettlern, verteilt. (Onnc. pyKon. 251, vom Kreise Kadnikov des Gouv. Vologda.) Einen ähnlichen Brauch gibt es auch bei den Finnen. § 144. Bei den Ukr. und Wr. gab es in alten Zeiten die sog. 6páTCTBa, Veranstaltungen halbkirchlichen Charakters, die seit dem 15. Jahrh. bekannt sind. Sie kamen bei den Kirchen auf, und die Sorge um die gute Ordnung in denselben war eine ihrer Hauptaufgaben. Sie hießen zuweilen auch Me^OBue öpaTCTBa (Honigbrüderschaften), weil sie zu den Kirchenfeiertagen gewöhnlich Honiggetränke bereiteten. Man darf vermuten, daß diese kirchlichen Brüderschaften u. a. die gemeinschaftlichen Bewirtungen, die zu alten Zeiten existierten, ausnützten, indem sie diese teils in sich aufnahmen, teils änderten. U. a. haben die Brüderschaften einen starken Einfluß auf den alten Brauch der gemeinschaftlichen Bereitung von Wachskerzen in der Gemeinde ausgeübt. Wir
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X. Gesellschaftsleben.
können nicht annehmen, daß dieser Brauch von den Brüderschaften eing e f ü h r t wurde, weil bei den finnischen Mordwinen ein ähnlicher Brauch in so altertümlicher F o r m bekannt i s t , daß die Forscher ihn f ü r heidnisch halten. Bei den Besenhane des Gouv. Y'atka ist derselbe Brauch bekannt, wobei nur die Wachskerze durch einen Stab ersetzt wird. Wir sind geneigt zu denken, daß die Mordwinen und die Besermane dieses Ritual in gleicher Weise von den Bussen übernommen haben, weil sie es sonst von niemandem entlehnen konnten. Die Möglichkeit eines selbständigen Aufkommens dieses Rituals bei drei verschiedenen Völkern ist ausgeschlossen ; eine unabhängige Entlehnung des Brauches eines Volkes von Seiten dreier anderer zu vermuten, ist unmöglich. Es bleibt n u r eine Entlehnung der Finnen von Seiten der Russen oder der Russen von seiten der F i n n e n zu vermuten. I n dem einen und in dem anderen Falle muß die f r ü h e r e Existenz des Brauches nicht n u r bei den Wr., sondern auch bei den Grr. des Gouv. Penza und V'atka und der benachbarten Gouvernements angenommen werden, weil die Entlehnung des Brauches nur hier und nicht in Weißrußland, wo es weder Finnen noch Beseróiane gibt, stattfinden konnte. Alle Schwierigkeiten fallen weg bei der Vermutung, daß der Brauch, Wachskerzen aus dem von einer ganzen Gemeinde dargebrachten Material anzufertigen, auch bei den Grr. in alten Zeiten weitverbreitet war. Jetzt ist er nur bei den Wr. und bei den den Wr. nachbarlichen Sgrr. des Kreises Zizdra im Gouv. Kaluga erhalten (Onnc. pyKon. 574). Die SpaTCKan und MHpcKan (Brüderschafts-) Kerze wird bei allen Hauswirten des betreffenden Dorfes der Reihe nach a u f b e w a h r t : ein J a h r bei dem einen, das nächste bei dem andern. I h r Gewicht erreicht 60 Kilo, ihr unteres Ende ist viel dicker als das obere. Oben gibt es gewöhnlich zwei Fortsätze, die H ä n d e n gleichen. Die Kerze wird mit einer Art Hemd bekleidet; am Gedenktage der Heiligen, denen sie geweiht ist, wird sie um das Dorf herumgetragen, auch wird sie dabei einem neuen H a u s h e r r n f ü r ein J a h r zur Aufbewahrung gegeben. Die Kerze genießt stets „hohe Verehrung" (OnHC. pyKon. 1339). Die Kerze wird gewöhnlich in ein mit K o r n angefülltes Gefäß gesteckt. Sie bringt dem Hause, in dem sie sich befindet, Wohlstand; sie wird auch in ein neu erbautes Hqus getragen, wenn man dahin übersiedelt. Viel seltener werden die Kerzen von einem Hauswirt nach einem Gelübde a n g e f e r t i g t ; doch auch dann, am Gedenktage des Schutzheiligen, bringen die geladenen Gäste Wachs zur Vergrößerung der Kerze mit. Beim Übertragen der Gemeindekerze in ein neues H a u s bringen alle lt Kilo oder weniger Wachs mit, schmelzen es und setzen es auf die Kerze. Wenn die Kerze um das ganze Dorf eine Runde gemacht hat und bei jedem Hauswirt ein J a h r geblieben ist, wird sie der Kirche geopfert und eine neue wird d a f ü r angeschafft. Bei den Mokscha-Mordwinen des Gouv. Penza hat jede ßpaTHHHa (Brüderschaft) von 10—40 H ä u s e r n eine besondere Kerze. Die Kerze wird ebenfalls der Reihe nach bei den Gemeindemitgliedern aufbewahrt, ein J a h r bei jedem. Sie wiegt ungefähr Y 2 Kilo. Einmal im J a h r wird sie f ü r einige Minuten angezündet, indem sie an ein in der M i t t e des Hauses 1
§ 144—145. Gemeindekerzell. Literatur zu Kap. X.
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stehendes Gefäß mit Bier geklebt wird; dabei wird gebetet: „Du Wachs, unser Ernährer, . . . gib uns Gesundheit und ein gutes Leben; möge das Brot gedeihen und das Vieh sich vermehren; behüte unsere Häuser vor Feuerschaden und allerlei Unheil." F r ü h e r wurden noch an der Flamme der Kerze die H a a r e angebrannt. Die Gebete werden von einem Gastmahl begleitet. Die Mitte der Kerze wird mit einem H a n d t u c h mit geschmückten Enden umwunden (vgl. M. J e ν s e ν j e ν in JKHBan CTapHHa X X I I I 1914, N r . 1—2, S. 5—10). Das wr. Ritual m i t der Brüderschaftskerze stimmt mit dem ngrr. Eitual, bei dem ein Tier oder Korn zum gemeinschaftlichen Mahl geopfert wird, vollständig überein. I n allen Fällen findet ein Opfern der Früchte der wohlgelungenen Arbeit statt. Die J ä g e r opferten f r ü h e r Hirsche, was jetzt nur noch in der Sage geschieht; der Hirsch wurde durch den Stier des Viehzüchters ersetzt. Die Ackerbauer opferten Getreidekörner, aus ihnen wurde Brot oder Bier zum gemeinschaftlichen Mahl bereitet. Im Süden waren die Opfer der Bienenzüchter länger gebräuchlich, Honig und Wachs um so mehr, als sie eine rein christliche F o r m der Kerzen annahmen. Die Kerzen, die in der Scheune der Wr. ein J a h r lang aufbewahrt werden, sind dem Pferdekopf analog, der auf dem Zaun am Hause (§ 34) erhalten wird als eine E r i n n e r u n g f ü r die Gottheit an die dargebrachten Opfer. Das an das Wachs gerichtete Gebet der Mordwinen („Du, E r n ä h r e r Wachs"), der Ersatz der Kerze durch den Stab bei den Besermane, alles dieses kann von einer späten A u f n a h m e des f r e m d e n Brauches bei den F i n n e n zeugen, obgleich der Brauch der Dankopfer selbst natürlich ein allgemein menschlicher ist. § 145. Literatur. Über die an e i n e m T a g e e r b a u t e n K i r c h e n u n d e i n t ä g i g e n H a n d t ü c h e r vgl. die Untersuchung von D. Ζ e 1 e η i η : H t o a n CTap H H a XX, 1 9 1 1 , Nr. 1, S. 1 — 2 0 . — Über die ö f f e n t l i c h e n A r b e i t e n (TOJIÓKH) bei den Wr. vgl. A. S e r z p u t o v s k i j : Οιβρκπ BlíJiopycciH IV: Tananà (a. a. O. XVI, 1 9 0 7 , Nr. 4 , S. 2 1 0 — 2 1 4 ) ; über die Grr. ΠΟΜΟΗΗ: Ν. P u z y r e v : ΠΟΜΟΗΗ ΒΊ> TOMCKOÄ ry6. (3THorpa BT> BojioroncK. ry6. (a.a.O. XXI, 1 8 9 4 . Nr. 2 , S. 1 7 4 — 1 7 5 ) ; G. K U 1 i ko Ν s k i j : ΟΛΟΗΘΙΙΚΪΗ ΠΟΜΟΗΗ (OJiOHeiiKiit CñopHHKt III. Ausgabe des Statistischen Gouv.-Bureaus von Olonec. Petrozavodsk 1894, S. 394—396). Über die J u g e n d v e r s a m m l u n g e n siehe: N. S u m co ν : 1IJOCB,Ì>TKH Η ΠΟΟΗΑΪΠΚΗ (KieBCKan CTapHHa 1 8 8 6 , Nr. 3 , S. 4 2 1 — 4 4 4 ) ; V . D a n i l o ν : H3t> H a poßHOlt >ΚΗ3ΗΗ Βτ> ManopocciH, I. Hrpnma (JKHBan CTapHHa XVIII, 1909, Nr. 1, S. 3 4 — 3 7 ) . P . I v a n o v : JKH3HI> H noBÎptH KpecTbHHt KynHHCKaro y. (CôopHHKi XapBK. Η Ο Τ . - Φ Η Π Ο Λ Ο Γ . OßmecTBa X V I I , 1 9 0 7 , S. 1 8 5 — 2 1 5 ) ; A. No ν o z i l o ν : ßepeBeHCKÎfl 6ecÈHH HoBrop.ry6. (JKHB. Grap. XVIII, S. 63—69) ; M . D o v n a r - Z a p o l ' s k i j : 3aMÍTKH no ôÎJiopyccKOit 8THorpaκι>Η (ΘΤΗΟΓΡΒΦΗΗ. Oóosp^Hie I, 1889, Nr. 1, S. 106—114). Siehe noch die in § 22 erwähnten Arbeiten von C u b i n s k i j , die von M i l o r a d o v i c aus § 137, von F e ή u t i η aus § 55, von J e f i m e n k o aus § 35. Über die E i n s i e d l e r i n n e n : V. S v e t : O MepHHiKaxi XapbKOBCKOÄ ry6. (9THorpa$. 06o3p*Hie I, 1889, Nr. 1, S. 92—101). Von den T ä n z e n handelt die Untersuchung von V. V e r c h o v i n e c ( K o s t o v ) : TeopiH HapoffHoro yitp. TaHna, Poltava 1920 ; erste Ausgabe : Kiev 1919, mit Abbildungen; M. J e d e m s k i j : BeiepoßaHte Η ropoflKH (xopoBOßtr) BT> KoKineHbrt
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X I . Das Ritual der verschiedenen Jahreszeiten.
ToieMCwaro y i s a a (JKiiBan GrapHHa X I Y , 1905, Nr. 3—4, S. 459—512); D. Z e l e n i n : H a i . 6tiTa Η ΠΟΒΒΙΙΙ K p e c T t H H t HoBroponCKOft ryö. (a. a, O., Nr. 1—2, S. 13—22); A . N o v o z i l o v : ¿JepeBeHCKin 6ec6«u (a. a. O. X I X , 1910, Nr. 1—2, S. 132—146). Siehe noch das in § 137 genannte Buch von S e i n , dann dasjenige von ó u b i n s k i j aus §22, das von F e ú u t i n aus § 55; Δ . K o k o s o v : KpyroBHH urpti η nícHH ei. cejrfc yiuaKOBCKOMi> IlepMCK. ryö. (3anHCKH Feorpa. OömecTBa no OTfltji. 3THorpaif>in II, 1869, S. 4ul—416); Ν. S cu k i n : Hapo^HH« yBecejieHÏH Bi» HpKyTCKOft ry6. (a. a. O. S. 383—398). Die T a n z l i e d e ' r (npHnéBKH) und das S c h n a d e r h ü p f l behandelt D . Z e e n i n : Das heutige russische Schnaderhiipfl (castuska). (Zeitschr. f. slav. Phil. I, 1925, Nr. 3 —4, S. 343—370); von den anderen npHnéBKH von begrüßendem Charakter handelt M. J e d e m s k i j : IIpHirfcBKH BI KoimieHbrfe ToTeMCK. y. (JKHBan Orapima X V I I l , 1909, Nr. 1, S. 28—33). Über die M u s i k i n s t r u m e n t e der Ostslaven gibt es eine Reihe von Untersuchungen von N. P r i v a l o v i n den 3airacKH OTJVÏSJI. pyccKoii H CJiaBHHCKOü apxeojioriH ApxeonorHHecKoro OGmecTBa, Bd. V I I — V I I I , 1907 und 1909, über die Blasinstrumente, Bd. V, 1904, über die Pfeife, ryROK, Bd. V I I , 1907, über die Leier. Von den zwei Untersuchungen von A. P a m i n c y η ist das eine den TycjiH (Petersburg 1890), das andere der floMpa gewidmet (Petersburg 1891). A . M a s l o v : JlHpHHKH OpjlOBCKOÖ ry6. ΒΊ> CBH3H CT> HCTOpHMeCKHMl. ΟΗβρΚΟΜΙ HHCTpyMeHTâ MajiopocciöCKOii jrnpu (9TH0rpa$HqecK0e 06o3pferie X L VI, 1900, Nr. 3, S. 1—13); J. C h o t k e v i c : Η·6οκο.ιπ>κο CJIOBI. o 6 i yup. 6aHHypHCTaxT> H jiHpHHKaxT. (a. a. O. L V I I . 1903, Nr. 2, S. 87—106). Von den w r . I n s t r u m e n t e n handelt N. N i k i f o r o v k i j : ΟιβρκΗ ΒιιτβδCKOIT Bijiopyccin I I : ^ y n a p i H My3HKa (a. a. Ο. X I I I — X I V , 1892, Nr. 2—3, S. 170—202); S. M a l e v i e : EtjiopyccKiii HHmeHCKiii JIasapb ( H t a a « Graprnia X V , 1906, Nr. 2, S. 109—114). Über die S p i e l e siehe die in §55 genannte Arbeit von F e ή u t i η, ferner S c u k i n in § 145; außerdem in JKaean CTapHHa I, 1890, Nr. 1, Vermischtes, S. 1 bis 10, die Artikel von K . P e t r o v und T. R e p n i k o v ; P. I v a n o v : Hrpu upecTtH H C K H X I » ^ΐτβίΐ BI> KyiiHHCKOMi» y. (CßopHHKt XapbKOBCKaro H C T . - O H J I O J I . 06m. III, 1890); E. P o k r o v s k i j : ^ Î T C K Î « HrpH npemaymecTBeHHO pyccKi«, Moskau 1887. Über die K a r t e n s p i e l e s. P. I v a n o v in § 145. — Von den F a u s t k ä m p f e n s. Gr. F o m i n (§ VIII). Über die O p f e r t i e r e vgl. üaMHTHaH KHHJKKa ΟΛΟΗβμκοϋ ryß. Ha 1867 r., S. 131 ff. ; D. Ζ e l e n i n : TpoeqtinJiHTHHqa, V'atka 1906; femer den Artikel von Ζ a v o i ko in § 55. Über die G e m e i n d e k e r z e n : D e m b o v e c k i j : Ο Π Η Τ Ί , ormcaHÌH MorHneeCKOK ry6. I, Mogilev 1882, S. 494, 630, 634; dann aus § 35 die Arbeit von S e i n und aus §155 die von B o g d a n o v i c . Unsere Abbildungen 240—241 sind nach den Photographien des Russischen Museums in Leningrad gemacht; 242—243 sind dem Artikel von N. I v a n i c k i j aus § 22 entnommen ; 244—245 dem Buche von A. M a k a r e n k o , welches oben § 64 genannt ist.
XI. Das Ritual der verschiedenen Jahreszeiten. Einführung. § 146. Herbeirufen des Frühlings im März. § 147. Der Gründonnerstag. § 148. Ostern ; die BOJIOIÖÖHHKH ; der B B I O H Ú U I H N K . § 149. Der Semik und Pfingsten. § 150. Das Ritual der Johannisnacht. § 151. Das herbstliche Ritual. § 152. Die Weihnachtszeit. § 153. Das Wahrsagen. § 154. Die Butterwoche. § 155. Literatur. Gewisse Tage und Zeitabschnitte im Laufe des Jahres sind mit einem Ritual verbunden, das weder mit einer Änderung im persönlichen Leben des Menschen, noch mit seinen Arbeiten in Verbindung steht.
Hier kann man
§ 146. Herbeirufen des Frühlings.
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nur eine Verbindung mit dem Wechsel im Leben der Natur sehen und das Bestreben des Menschen, auf die Naturerscheinungen in seinem Interesse einzuwirken, seine Herrschaft über die Natur zu festigen. Eine völlige Absonderung dieses Rituals von den Beschäftigungen des Menschen, von der Produktion, gibt es natürlich nicht und kann es auch nicht geben; hier haben wir ein Ritual des Ackerbaukultus, der Viehzucht usw. Aber dieses Ritual wird von der Produktivität allein nicht bedingt. Die Heiratssaison, d. h. die Zeit, zu der allein in alten Zeiten Eheschließungen erlaubt waren, die Zeit der Bereitung der Vorräte f ü r den Winter, im besonderen die Zeit des Viehschlachtens, endlich der Ahnenkultus, die Sorgen um die Vergnügung der verstorbenen Ahnen oder wenigstens um Befriedigung ihrer Bedürfnisse — diese drei Momente haben ebenfalls einen starken Einfluß auf das Ritual des volkstümlichen Kalenders ausgeübt. Doch durch das alles, im ganzen genommen, wird dieses Ritual noch nicht bedingt. Das Erwachen der Natur vom Winterschlaf im Frühling ist ein ganz natürlicher Augenblick, in dem der Mensch bestrebt war, auf die Naturkräfte in seinem Interesse einzuwirken; und mit dieser Periode ist eine lange Reihe ritueller Handlungen verbunden. Das Winterritual, das im Dezember und im J a n u a r befolgt wird, wird gewöhnlich von den Forschern mit dem Moment der Sonnenwende verbunden. Jetzt ist diese Verbindung schon abgeschwächt, sie macht sich nicht so fühlbar und man kann nur von einer Erinnerung an sie reden. Die sommerlichen rituellen Handlungen, im J u n i und Juli, werden von den Forschern mit dem Moment der Sommersonnenwende verbunden, doch ist auch diese Verbindung jetzt nicht mehr deutlich; nur die Verbindung mit dem Moment der höchsten Entwicklung der Natur um diese Zeit ist noch zu erkennen. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß die Wissenschaft in nächster Zukunft eine befriedigendere Erklärung f ü r die winterlichen und sommerlichen rituellen Handlungen finden wird als ihre bloße Erklärung vom Standpunkt der Solartheorie. Endlich fallen die herbstlichen rituellen Handlungen mit der Zeit der Ernte zusammen und erklären sich fast vollständig aus den Erntearbeiten. § 146. Für den auf niedriger Kulturstufe stehenden Menschen ist das Fehlen der Gewißheit bezeichnend, daß der gewöhnliche Lebensgang in der Natur nicht unterbrochen sein wird — wenn auch nicht überhaupt, so doch f ü r ein bestimmtes Gebiet. Beim Anblick des Sonnenunterganges ist der Urmensch dessen nicht sicher, daß die Sonne morgen aufgehen wird. Im Winter glaubt er nicht bestimmt, daß der Frühling kommen wird: kommt er auch, so kann er an seiner Heimatstätte vorübergehen. Gleichzeitig ist der Mensch davon überzeugt, daß er die Natur zwecks Erhaltung ihres gewöhnlichen Lebensprozesses beeinflussen kann. Die ostslavische Sitte, den F r ü h l i n g im März h e r b e i z u r u f e n , ist ein Überrest dieser Unsicherheit. Man beginnt am 9. März, am Tage der 40 Märtyrer, oder spätestens am 25. März, zu Mariä Verkündigung, den Frühling herbeizurufen. Zu diesem Zweck steigen die Mädchen auf eine Anhöhe oder auf ein Dach (magisches Symbol der Herrschaft über das Reich der Lüfte); oft wird
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XI. Das Ritual der verschiedenen Jahreszeiten.
ein Scheiterhaufen angezündet und zuweilen wird u m ihn herum ein Chorovod a u f g e f ü h r t . Sehr gewöhnlich ist das gegenseitige A n r u f e n zweier Mädchengruppen, denen die jungen Burschen auf P f e i f e n aus frischem Holz sekundieren. Man r u f t u. a. : „Oit BecHa Mara, xoflH κ iiaM ryjinra !" („O, Mutter Frühling, komm, wandle unter uns!" Kreis Kogaöev des Gouv. Mogilev). I n den Frühlingsliedern (ΒΘΟΗΠΗΚΗ), die größtenteils auf eine trübe, melancholische Weise, mit dem r e f r a i n a r t i g e n Huf „ h u ! " gesungen werden, wird der F r ü h l i n g herbeigerufen, der zuweilen durch Vergnügungen und Reichtum angelockt wird; m a n bittet den Frühling, seine gewöhnlichen Gaben mitzubringen, den W i n t e r abzuschließen; der F r ü h l i n g wird zuweilen als auf einem Pflug, einer Egge oder einer Kornähre reitend dargestellt. H i e r und da beginnt man die A n r u f u n g noch früher, am 1. März, und setzt sie während eines Monats fort. I m Kreise Buisk des Gouv. Kostroma r u f e n die Mädchen den Frühling f r ü h am Morgen herbei, bis zum Gürtel im Wasser oder um ein ins Eis gehauenes Loch stehend ( S n e g i r e ν I I I 13). I m Kreise Borisov des Gouv. Minsk wurde auf dem Felde, das f ü r die Frühlingssaat bestimmt war, um brennende Scheiterhaufen herum auf einer Egge ein schönes und arbeitsames Mädchen herumgefahren, die sog. BHCHÓyna, die mit einem Kranz aus Blumen und Gräsern geschmückt w a r ; die J u g e n d schwärmte um die auf der Egge sitzende BHCHÓyKa herum, dann tanzten und schmausten alle auf dem Felde ( B o g d a n o v i c 105). Unter dem N a m e n BGCHÍÍHKH werden auch noch im Frühling, öfter schon gleich nach Ostern, Lieder gesungen, die die Bekanntschaft junger Leute untereinander und die Vorahnung der Liebe besingen; in diesen Liedern werden Mädchen und Burschen ins Freie hinausgelockt, es werden die Abwesenden bedauert und andere Dörfer und auch Straßen als die den Sängern heimischen verspottet. Als magisches Mittel zur B e s c h l e u n i g u n g des Frühlings dient das Backen von Broten, welche die Form von Lerchen und anderen Zugvögeln, ζ. B. Schnepfen, Störchen u . dgl., haben. Sie werden hauptsächlich am 9. März gebacken. Die Kinder steigen mit den gebackenen Lerchen auf die Scheunendächer, werfen sie in die L u f t und r u f e n : „»aBopÓHOWH, npmieTHTe κ Hai«! KpacHy BeCHy ripiinecHTe HaM!" d. i.: Lerchlein, kommt zu uns geflogen! bringt uns den schönen F r ü h l i n g ! (OnHC. pyKon. 148). Eine Lerche wird dabei in den Backofen geworfen. Die Wr. des Kreises Novogrudok backen zu Mariä Verkündigung Kuchen in F o r m von Störchen — mit Hauben, Flügeln, Beinen und Schwanz, die sog. ranióntr. Die Knaben rufen, sich an den Storch wendend: „Bycnn, öycjin! Ha Te6e ranêny, a ΜΗΘ NAFT JKHTA Konyl" d. i. : Storch, Storch, da hast du einen Kuchen, gib mir einen H a u f e n K o r n ! ( K r a 3 k o v s k i j 102). Das Wort ranëna k a n n auf das deutsche H o h l h i p p e zurückgeführt werden, wovon auch das alte íech. h o 1 i ρ a (vgl. A n t . B e r h o l á k ' s Wörterbuch) kommt. Die Ukr. des Kreises Pinsk backen am 26. März Kuchen in Form von Storchbeinen. § 147. Der G r ü n d o n n e r s t a g ist der Tag, mit dem im ostslavischen Volkskalender die größte Anzahl ritueller H a n d l u n g e n verbunden ist. Viele
§ 146—147. Herbeirufen, des Frühlings.
Gründonnerstag.
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dieser Handlungen lassen keinen Zweifel darüber, daß mit diesem Tage die alte Neujahrsfeier zusammenfällt, die früher im März begangen wurde. Vielleicht werden nicht ohne Verbindung mit dieser Neujahrsfeier an diesem Tage zuerst in der Frühlingszeit die verstorbenen Ahnen an den häuslichen Herd geladen, es wird f ü r sie die Badestube geheizt und es wird ihnen eine Bewirtung angeboten. Schon in den Denkmälern des 11. Jahrh. wird von der an diesem Tage f ü r die Ahnen geheizten Badestube gesprochen. Der Stoglav (eine Gesetzsammlung des 16. Jahrh.) erzählt von Scheiterhaufen aus Stroh, die an diesem Tage angezündet wurden, und von der Herbeirufung der Toten. Das Ritual der Gedenkfeier f ü r die Toten hat sich, übrigens in Verbindung mit dem Gründonnerstag (ukr. jkhjibhhö neTBépr), weniger gut erhalten, es ging teils auf die pánymma über (§ 136), teils auf den Donnerstag der Osterwoche; den letzteren nennen die Ukr. nácxa ΜβρτΒβιιοΒ (das Osterfest der Toten) und glauben, daß die Toten an diesem Tage aus dem Jenseits entlassen werden, zur Verrichtung des Gottesdienstes und zur Beichte der Sünden ( Ö u b i n s k i j I I I 14). Doch hat sich bei den Grr. noch überall die Hafergrütze, die rituelle Speise des Gründonnerstags, erhalten, mit der an diesem Tage u. a. der personifizierte Frost bewirtet wird (vgl. § 152). Das läuternde Ritual ist sehr mannigfaltig: man wäscht sich frühmorgens HO BÓpoHa (vor dem Rabenschrei), wobei in das Wasser zuweilen eine Silbermünze gelegt wird —• zur Reinigung und Verleihung der Gesundheit. Einige Ngrr. des Gouv. Tver setzen sich rittlings auf den Firstbaum des Daches und schlagen sich mit einem Badequast. Das Bettstroh wird verbrannt; es wird mit Wacholderzweigen geräuchert, indem man über Scheiterhaufen aus Zweigen dieses Gesträuches hinwegschreitet; an verschiedenen Stellen der Wohnung werden Wacholder- und Edeltannenzweige angesteckt — zur Abwehr der bösen Geister. Die Ukr. schlagen mit Holzklappen auf die Kirchenumzäunung oder auf den Kirchturm ( ö u b i n s k i j a. a. O.), worin man ein Hinaustreiben der bösen Geister durch Lärm sehen kann, das dem finnischen „Hinaustreiben des Unholds" ähnlich ist. Das in der Ukraine, selbst in den Städten, besonders verbreitete christliche Abwehrmittel besteht darin, daß man auf den Türpfosten mit den brennenden Kerzen, mit denen man dem Abendgottesdienst (der sog. Passion) am Gründonnerstag in der Kirche beigewohnt hat, Kreuze ausbrennt. Zu diesem Zweck müssen diese Kerzen, noch angezündet, nach Hause gebracht werden. An demselben Tage macht eine entkleidete F r a u — meist die Hauswirtin — frühmorgens einen magischen Kreis auf dem Ofenbesen um das Haus und den Hof herum, wobei sie zuweilen den ganzen Hof von außen mit Korn bestreut (Romanov V I I I 154). Dieser magische Kreis hat an vielen Orten schon eine neue Bedeutung bekommen als Abwehrmittel von Wanzen, Schaben, Würmern und anderem Ungeziefer. Zu diesem letzteren Zweck fegt die Hauswirtin, ebenfalls ent-kleidet, mit einem Besen Haus und Hof aus, und die Wanzen werden ins Feld hinausgetragen. Die Fäden, die an diesem Tage, besonders auf ungewöhnliche Weise, ausgesponnen werden, sollen vor Krankheiten behüten: man verbindet damit die Hände und flicht sie in den
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XI. Das Ritual der verschiedenen Jahreszeiten.
Zopf. Das Salz, das an diesem Tage im Ofen auf glühenden Kohlen gebrannt und vorläufig mit dem Bodensatz, des Kvas befeuchtet wird, soll auch eine heilende K r a f t haben, besonders gegen solche Krankheiten, die durch den „bösen Blick" entstanden sind. Das Fleisch des an diesem Tage geschlachteten Viehs soll nicht verderben und der Speck soll heilende K r a f t haben. Die rituellen Handlungen am Gründonnerstag, die augenscheinlich eine neujährliche Bedeutung haben, sind: das Zählen des Geldes früh morgens durch die Hauswirte; am Morgen werden alle Arten von landwirtschaftlichen Arbeiten ausgeführt: man nimmt das entsprechende Werkzeug in die Hand und macht die Bewegung des Mähens, Erntens, Dreschens usw. nach, auch säht man Korn aus (s. § 15; vgl. auch Onac. pyKon. 858). Sehr zahlreich sind auch die Handlungen, die sich auf die Viehzucht beziehen: man ruft das Vieh durch den Schornstein herbei (§ 114); die Hauswirtin ahmt im Hühnerstall den Hahnenschrei nach, damit die Hühner sich vermehren ; auf die Zaunpfähle wird ein Topf umgekehrt gesetzt, damit der Habicht die Hühner nicht sehen könne; die Schweine ruft man durch ein Sieb herbei, damit sie die Löcher im Zaun nicht sehen, die in den Gemüsegarten führen; man schneidet an den Ohren des Viehes Merkzeichen ein; im Walde werden die Tiere durch Schreien verscheucht: „Wölfe, Bären, geht weg! Hasen, Füchse, kommt zu uns in den Gemüsegarten!" (Bójikh, Me^BéflH HS cjiyxa boh! eaftijLi, jiHcnuH κ HaM β oropoH I) ; es wird dabei auf Pfannen geklopft, mit Kuhschellen geläutet usw. ( I v a n i c k i j 129). § 148. Zu O s t e r n dienen erstens gefärbte Eier, hauptsächlich rot gefärbte, als rituelle Speise; man tauscht sie miteinander aus und küßt sich dabei dreimal. Bei den Ukr. sind außer den einfarbigen KpámeiiKH auch die mehrfarbigen, gemusterten πηοηηκη weit verbreitet (Abb. 246). An einigen Stellen wird das Ei mit geschmolzenem Wachs bedeckt, wozu eine aus dünnem Kupfer oder Blech angefertigte Bohre gebraucht wird, die in das zerspaltene Ende eines Stäbchens eingesteckt wird. Die mit Wachs bedeckten Stellen des Eies bleiben beim ersten oder beim zweiten Färben des Eies ungefärbt. Im Norden der Ukraine sind niicaHKH mit einem geometrischen Muster von roter Farbe auf weißem Grund häufiger, in der zentralen Ukraine ist ein Pflanzenmuster vorherrschend; in der südlichen ein mannigfaltiger Reichtum von Mustern und Farben, u. a. in Gestalten von Fischen, Hähnen, Kirchen sowie eines griechischen Kreuzes. Andere rituelle Speisen sind: ein Weizenbrot, das die Grr. mit dem griechischen Wort als K y n á i bezeichnen (κολλίκιον, κόλλιΣ ,Bretzel') und die Ukr. und die Wr. als nácKa; Quark, Butter; bei den Ukr. und Wr. auch noch ein Ferkel und Speck. Eine Maus, die ein Krümchen von den geweihten Ostereiern (cBHiéHoe) verzehrt hat, wird nach dem Volksglauben sogleich zu einer Fledermaus (Öub i n s k i j I I I 24). Am Ostertage wäscht man sich mit Wasser, in das ein gefärbtes Osterei gelegt wird, um rote Wangen zu bekommen. Vom rituellen Gebrauch der gefärbten Ostereier beim ersten Hinaustreiben des Viehs und in anderen Fällen ist schon oben die Bede gewesen (§ 24); über das Osterspiel mit Eiern siehe § 142. Viele Wr. weihen mit den Oster
§ 147—148. Gründonnerstag. Ostern.
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speisen zusammen einen gedörrten Hecht, mit dem man später hartnäckiges Fieber heilt, und auch Kugeln und Pulver, mit denen ein Jäger den Teufel erschießen soll. Bei den Wr. werden zu Ostern die sog. B0Ji0ié6m>ie-Lieder gesungen, die den kojijí;[i;kh (§ 152), d. h. Weihnachtsliedern der Ukr. ähnlich sind. Sie werden von den bojioto6hhkh, anders najió^HHKii, Jiajit'iHmHKii gesungen. Der erste Name hängt zusammen mit dem Zeitwort bojiohüti>ch, im Sinne von : gehen, wandeln ; der zweite kommt vom Refrain einiger Lieder, der vielleicht litauischen Ursprungs ist (vgl. den litauischen Refrain ν a j 1 á 1 u , woher das Zeitwort l a l & t i , ,Lieder mit solch einem Refrainsingen'; l a l a u n i k s .Sänger'). Es gibt noch einen Namen panéniHHKH; welchen die Forscher gewöhnlich von paéuiHHK, d. h. der das Puppentheater Demonstrierende, herleiten, während dieses Wort „den Leierspieler" bedeutet (von ptuiH ,Leier'): die Sänger werden stets von Musikanten begleitet. Sie machen mit Begrüßungsliedern die Runde um die Häuser und bekommen von den Hauswirten Geld und Lebensmittel. In den Liedern wird stets ein Bild dessen gegeben, wie Gott, die Mutter Gottes und verschiedene Heilige um die Wirtschaft des betreffenden Hauswirts besorgt sind. Früher wurde in dieser wr. Sitte das Überbleibsel einer Kollekte f ü r das gemeinschaftliche Gastmahl oder Opfer gesehen. Andere, u. a. P o t e b i i a , sahen hierin nur den einzigen Zweck der Ehrung, des Lobes, eines Komplimentes an die Hauswirte, welches das Bedürfnis nach Glück, Glanz, Macht psychologisch stillen soll. Ε. A η i δ k ο ν sieht hier ein Echo des Pflanzenkultus — eine rituelle Begleitung mit Liedern, wenn in jedes Haus der geweihte Frühlingszweig hineingetragen wird — eine Zeremonie, die dem Hineintragen des Frühlingsbaumes in die Dörfer analog ist (§ 149); sinnbildlich bedeutet sie das Hineintragen von Glück und Wohlstand ins Haus, und der Frühlingsgruß — das Herbeirufen von Gewinn und Nutzen für die Wirtschaft im Frühling. Heutzutage betreten die Sänger allerdings meist nicht mehr das Haus, sondern bleiben vor dem Fenster stehen. Eine gewisse Ähnlichkeit mit den bojiotoöhhkh hat die ngrr. Sitte, die unter dem Namen bbiohhuihhk (vom Worte khhö ,jung'), auch BbioHiiqa oder OKJiHKáTb mojiohóx bekannt ist. Diese Zeremonie wird entweder am Sonnabend oder am ersten Sonntag nach Ostern ausgeführt; dieser Sonntag heißt zuweilen KJiHKyniHHo BocupecéHbe. Diese Sitte ist nur in den Gouv. NiünijNovgorod und Kostroma und teilweise im Gouv. Vladimir bezeugt. Sie besteht im Singen von besonderen Liedern vor den Fenstern junger Eheleute, d. h. solcher, deren Ehen während des letzten Jahres geschlossen worden sind. Die Lieder werden meist von 10—15 Jahre alten Kindern gesungen, zuweilen aber auch von einer Männer- und Frauengruppe; die Kinder bekommen von den Neuvermählten Pfefferkuchen und Süßigkeiten, die Männer Eier, Bier und Met, die Frauen Wein und Imbiß. I n den Liedern, besonders den Kinderliedern, ist das Motiv der Forderimg eines Eies mit einer Drohung, für den Fall der Nichterfüllung dieser Forderung, sehr verbreitet: gibst du kein Ei, so verlierst du deinen jungen Mann, wir sperren dich in den Stall und verriegeln die Tür mit einem Besen (He flanib flftija, noTepneuib Monona, mh
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XI. Das Ritual der verschiedenen Jahreszeiten.
τθ6η β xJieB eanpeM, ποΜβποΜ 3&τκηθμ). Der übrige Inhalt der Lieder ist den grr. KOJiHHKH ähnlich : es wird der Hof des Hauswirtes gelobt, mit einer eisernen Umzäunung, mit Nachtigallen auf den Zaunpfählen usw. I m Kreise Cuchi orna des Gouv. Kostroma werden die Sängerinnen von einer F r a u angeführt, die einen großen Stock in der Hand hat und rittlings auf einem Ofenbesen sitzt; die junge Hauswirtin verschließt zuerst die Haustür und öffnet sie nur auf dreimaliges Klopfen (Onnc. pyKon. 651 u. 652). I m Kreise Semenov des Gouv. Ni2nij-Novgorod geschieht dasselbe, nur ohne Forderung des Eies, am Sonnabend in der Butterwoche (ib. 758). — Die Forderung von Eiern seitens der Sänger nähert diese Zeremonie der Eierkollekte bei der Feier des c e M Ä K , wenn die Maskierten ebenfalls einen Ofenbesen in der Hand halten, mit dem sie die neugierigen Kinder wegschrecken (Z a ν o i k o 152). Über die páayHHija am Dienstag nach Ostern siehe oben § 136. § 149. CeMÓK wird der Donnerstag vor Pfingsten genannt, seltener der Donnerstag nach Pfingsten. Im Ritual des ceMÄK und des Pfingstfestes finden wir die Verschmelzung zweier Kulte, des Pflanzenkultus und des Kultus der unreinen Toten, deren verspätetes Begräbnis früher gerade am c e M Ó K stattfand (§ 134). Die unreinen Toten, die einen vorzeitigen Tod erlitten haben, gehen nach dem Aberglauben bis zur Zeit ihres natürlichen Todes, d. h. bis zu ihrem zweiten Tode, nicht ins „Jenseits" hinüber, sondern leben in der Nähe der Menschen, meist am Orte ihres Todes oder, wenn sie begraben sind, in der Nähe ihres Grabes. Sie behalten auch nach dem Tode ihren Charakter, ihre Gewohnheiten und Sitten bei. Unter ihnen gibt es viele Jungfrauen, die wegen der von den Slaven aus dem Westen entlehnten Feier der Rusalien ( d i e s r o s ä r u m ) den Namen pycájiKH, Wassernymphen, erhalten haben. Diese Wasserjungfrauen hat das Pfingstritual hauptsächlich im Auge; vor dem Antritt der Frist, wenn man die Nymphen vertreibt oder höflich bittet, die Felder zu verlassen, bieten die Leute den Nymphen allerlei Belustigungen dar und schließen u. a. Gevatterschaft mit ihnen (KyMÄTbcn), d. h. schließen einen zeitweiligen Brüderschaftsbund, der aber bald durch ein besonderes Ritual des paCKyMjiéHHe gelöst wird. Das nocecTpÜMCTBO, der Schwesterbund der serbischen Jünglinge mit den Biijie (sing. BHJia), ist dieser Gevatterschaft russischer Mädchen mit den pycájiMi mehr oder weniger ähnlich und zeugt von dem Alter einiger Momente des betreffenden Kultus. Die Gevatterschaft oder der Schwesterbund mit der Nymphe währt drei Tage oder etwas mehr und wird dann im Ritual des pacKyMJiéime wieder gelöst. Einen solchen kurzwährenden Bund schließt man augenscheinlich zu einem besonderen Zweck ab, und zwar a) um von der Nymphe sein zukünftiges Schicksal zu erfahren ; der Kranz, auf dem die Gevatterin Nymphe sich geschaukelt hat, wird ins Wasser geworfen und je nachdem, ob er schwimmt oder untergeht, wird die Zukunft geweissagt ; b) um der Nymphe eine Unterhaltung darzubieten, die mit einer erotischen Gevatterschaft (einem Erbe der alten Hochzeitssaison) verbunden ist, und überhaupt, um die Nymphe zu beruhigen und zu begütigen, damit sie in der Zukunft nicht Rache an einem nehme, sondern ihm helfe.
§ 149. Der Semik. Pfingsten.
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Als die Gevatterschaft beim Fehlen eines „Täuflings" unverständlich wurde, wurde auch ein T ä u f l i n g geschaffen; es kam so das neue sgrr. R i t u a l der K u c k u c k s t a u f e auf, wo der Kuckuck durch ein Grasbündel dargestellt wird. I m Pfingstritual beziehen sich die älteren Elemente auf den Pflanzenkultus. So vor allem das Hineintragen eines geschmückten Bäumchens, am öftesten einer Birke, in das Dorf. Bei den N g r r . erscheint die Birke o f t als ganzer Baum, bei den andern wird ihr Laub in F o r m von Kränzen von der J u g e n d auf den Köpfen hineingetragen. Diese Kränze werden zuerst aus Birkenzweigen und erst später aus Blumen geflochten. Kränze werden auch auf dem B a u m e selbst aus den noch nicht abgehauenen Zweigen geflochten: solche K r ä n z e sind zum Schaukeln der Nymphen bestimmt und sollen ihnen die Schaukel ersetzen. Wo viel Wald ist, da werden die Kränze f ü r die Nymphen aus zwei nebeneinanderstehenden Birken gewunden, deren Kronen zusammengebunden werden. Nach einiger Zeit werden diese Kränze heruntergenommen, weil man die Nymphen dazu veranlassen will, sich noch weiter in die Wälder oder in die Flüsse zurückzuziehen. Unter dem rituellen Birkenbäumchen findet eine fröhliche Bewirtung der Jugend statt, deren notwendigster Bestandteil ein Eierkuchen ist. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß diese Bewirtung einst mit dem Pflanzenkultus verbunden war, doch wird sie schon längst als eine Bewirtung der Nymphen aufgefaßt. Bei den N g r r . des Kreises Kovrov des Gouv. Vladimir legen bei dieser Bewirtung die Mädchen die K o p f t r a c h t verheirateter F r a u e n an und die F r a u e n lassen wiederum auf Mädchenart den Zopf hängen; die Bewirtung mit Eierkuchen und Met findet hier auf dem Wintersaatfelde statt (BjiaRHM. ryöepHciuH Bhromocth 1852 N r . 28, S. 187). Am ceMÄK werden nicht nur die zu Nymphen gewordenen unreinen Toten durch ein Ritual geehrt, sondern auch alle anderen unreinen Toten. Ihretwegen werden am ceMHK ziemlich eigenartige Leichenfeiern veranstaltet, die o f t an der Stelle der zeitweiligen Leichenbestattungen stattfinden (§ 134), sowie an der Stelle der alten heidnischen Begräbnisse (grr. jKajiBHHK). Diese Leichenfeiern zeichnen sich durch allgemeine H e i t e r k e i t aus und werden von Musik und P f e i f e n begleitet, wobei das letztere augenscheinlich zur Abschreckung der bösen Mächte dient. Auf die Gräber unreiner Toter werden Geld und Eier geworfen, worin man ein Opfer an die bösen Toten sehen kann, die den Leuten Krankheiten bringen. Die Ukr. färben vor Pfingsten Eier mit gelber F a r b e und geben sie Kindern zum Andenken an die Ertrunkenen und die totgeborenen Kinder (Z e 1 e η i η 103). Auch werfen sie einander gebackene Eier und Lehmkugeln zu ; stellenweise finden bei ihnen Faustkämpfe statt als Überbleibsel der alten Totenfeiern. Außer P f e i f e n werden auf solchen Versammlungen auch Lehmpuppen feilgeboten, die früher wohl als symbolische Opfer an die unreinen Toten dienten. Zu H i m m e l f a h r t werden L e i t e r n a u s T e i g gebacken (vgl. § 136) und auf dem Felde im Korn aufgestellt, damit es höher wachse (OnHC. pyKon. 713): ein sehr leicht zu deutendes magisches Eitual. An demselben Tage werden noch oh^hkh (Schuhlappen) f ü r den H e r r n Jesus gebacken (ib. 261), worin m a n schon eine christliche Erscheinung zu sehen hat. Zeienin, Raes. (Ostslav.) Volkskunde. 24
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XI. Das Ritual der verschiedenen Jahreszeiten.
Die rituellen Handlungen des S t . - G e o r g s t a g e s (23. April) werden gänzlich durch den Viehzucht- und Ackerbaukultus gedeutet (s. § 24). § 150. Bei den Grr. gibt es keine J o h a n n i s f e u e r , die bei den Ukr. und Wr. weitverbreitet sind; doch sind alle andern Elemente des Rituals vom 23.—24. Juni auch den Grr. bekannt, und man wird nicht fehlgehen, wenn man diese Feier f ü r allgemein ostslavisch hält. I n dem Ritual dieses Tages gibt es, ebenso wie in dem ostslavischen Glauben nichts, was f ü r eine Verbindung dieser Feier mit der Sonnenwende oder mit dem Sonnenkultus überhaupt spräche. Man muß Bedenken haben, in dem alten Rad, das auf den Scheiterhaufen mit allerlei altem Unrat verbrannt wird, ein Symbol der Sonne zu sehen, um so mehr, als das Vorhandensein dieses Rades gar nicht obligatorisch ist. Alte Räder sind ein vorzügliches Brennmaterial, weil sie mit Teer durchtränkt sind, in den Ofen gehen sie aber schwer hinein und sind nicht sauber genug, um in den Ofen, wo das Brot gebacken wird, gelegt zu werden. Wenn man hinzufügt, daß Räderfuhrwerke eine verhältnismäßig neue Einführung sind, so wird man wohl keinen Grund haben, dem Rad beim Johannisfeuer eine so wichtige symbolische Bedeutung beizulegen, wie es die Vertreter der „Solartheorie" tun. Natürlich reden wir hier nur von den Ostslaven; die Symbolik verschiedener Völker ist verschieden, und das Rad als Material f ü r die Johannisfeuer konnten die Ostslaven von den westlichen Wachbarn entlehnen, wo es als Symbol der Sonne aufkommen konnte. Bei den Grr. ist der Glaube an solche geheimnisvolle Momente, wo der Himmel sich öffnet, weitverbreitet. Wer diese seltsame Erscheinung schaut und dabei Zeit findet, in diesem kurzen Moment einen Wunsch auszusprechen, der soll . seinen Wunsch sofort erfüllt sehen. Als Beispiel werden in den volkstümlichen Erzählungen gewöhnlich Frauen angeführt, die sich lange Brüste wünschten und die danach ihre Brüste über die Schulter geworfen haben tragen müssen. Der Moment, wo der Himmel sich öffnet, ist nicht mit irgendeiner Jahreszeit verbunden. Wenn man die rituellen Handlungen und Aberglauben, die mit dem Johannistage verbunden sind, analysiert, findet man darin eine psychologische Grundlage, die diesem Glauben an den sich öffnenden Himmel ähnlich ist. Am Johannistage ist es die ganze Natur, die sich zu öffnen scheint, im besonderen die Erde und ihre wunderbaren, geheimnisvollen Kräfte. I n der Johannisnacht kommen verborgene Schätze aus der Erde hervor. Um Mitternacht erblüht dort nur f ü r einen Augenblick die Blüte des Farnkrautes; wenn der Mensch diese bei sich hat, so soll er allwissend werden, er sieht alle Schätze, die in der Erde verborgen sind, versteht die Sprache der Tiere und Bäume. Zu derselben Zeit blüht auch die p a e p t i B - T p a B à , ein Zaubergras, dessen Berührung einem die K r a f t gibt, alle Schlösser und Riegel zu brechen ( J e f i m e n k o I 142). I n dieser Nacht hat auch der Tau eine wunderbare H e i l k r a f t ; man badet darin, um Gesundheit und Schönheit zu erhalten; man tränkt damit die Kühe, damit sie reichlich Milch geben ( K i r k o r 158). I n dieser Nacht „spielt" die aufgehende Sonne (ib. und Oniic. pyKon. 277). Die Bäume, Tiere und überhaupt alle lebenden Wesen reden miteinander ( K r a c k o v s k i j 124). Die in dieser
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§ 150. Ritual der Johannisnacht.
Nacht gesammelten Gräser haben eine H e i l k r a f t und die N g r r . nennen diesen T a g oft HBaH-TpaBHHK. Das ganze Pflanzenreich überhaupt gelangt an diesem T a g zum Höhepunkt seiner Entwicklung, zu K r a f t , Blüte und Glanz; die Grr. mähen bis zu diesem T a g e das H e u nicht, denn bis zu der Zeit soll das Heu keine wirkliche Nährkraft haben. Der ukr. Glaube lehrt: wenn man am Morgen dieses Tages, bis zum Sonnenaufgang, im K o r n zwei Ähren an einem Stengel findet, so findet man auch in einer kleinen Grube darunter goldene Hörnchen, die die K r a f t eines Talismans haben (Oroic. pyKon. 277). Es ist nicht zu verwundern, daß der Mensch bestrebt ist, diese Blüte der Natur in seinem Interesse auszunützen, und daß er diesen wunderbaren Glanz sich anzueignen sucht. Er paßt auf das Blühen des Farnkrautes auf und pflückt davon die Blüte, er badet im „Johannistau" und sammelt an diesem Tage Heilkräuter. Doch der Mensch hat mächtige Nebenbuhler in den bösen Gewalten; die letzteren sind noch mehr und mit größerem Erfolge bestrebt, den Glanz der sich öffnenden Naturkräfte auszubeuten und sie zu unterjochen. Sie behüten eifersüchtig die Blüte des Farnkrautes, indem sie den kühnen Menschen, der diesen Talisman an sich nehmen will, mit allerlei Schrecknissen verfolgen. I n Gestalt von Hexen und Zauberern suchen sie durch 3ajiÓMH (Umbrüche § 19) die nährende K r a f t des blühenden und reifenden Kornes, die Milch der Kühe, die Gesundheit und Geschlechtskraft einzelner Personen an sich zu ziehen. I n Gestalt von Nixen sucht die böse Gewalt die jungen Leute in ihr dunkles Bereich zu ziehen. So entsteht eine ganze Reihe von Maßnahmen (pöepern), mit denen der Mensch in dieser Nacht sich und seine Wirtschaft zu behüten sucht : magische Umzüge, Kränze, Beschwörungen, läuternde Feuer, Baden, magisches Hinaustragen des Unrats aus den Ansiedlungen. Zu alledem muß noch hinzugefügt werden, daß mit den genannten Zeiten die alte Heiratssaison zusammenfiel, d. h. die Zeit der Eheschließungen, natürlich nicht in unserem Sinn der individuellen Ehe, sondern „der Spiele unter den Ansiedlungen" mit einem ordnungslosen geschlechtlichen Umgang. Verweilen wir kurz Johannisfeierrituals.
bei
den einzelnen
obengenannten Elementen des
Der magische Umzug der Mädchen um die Felder an diesem T a g e hat sich bei den Grr. und Wr. erhalten (Orme. pyKon. 652; K r a c k o v s k i j 135); zuweilen findet ein magischer Umzug um das Dorf mit einem geschmückten Pfingstbäumchen schon zu Pfingsten statt ( S e i n BemiKop. 344). Zum Schutz der Felder dient an diesem Tage, außer dem magischen Kreis und Umzug, die Zitterespe (Populus tremula) : ihre Zweige werden auf dem Felde unter das K o r n gesteckt (Oniic. pynon. 277). Die Kuhund Viehställe überhaupt werden in dieser Nacht vor Hexen und anderen bösen Geistern ebenfalls durch die Zitterespe bewahrt (ib.) und auch durch andere Pflanzen, z. B. die Klette, den Beifuß, die Nessel, den Wermut usw. Die K l e t t e wird in die Dächer der Häuser gesteckt, und in Gaisin in Podolien heißt sogar die Feier selbst ΗΒ4Η JIonyxáTHít. Mit Beifuß und Wermut umgürtet man sich, um gleichzeitig auch Rückenschmerzen abzu24*
XI. Das Ritual der verschiedenen Jahreszeiten.
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wehren. Die Nessel hängt man an den Türen der Ställe aus ( B u l g a k o v s k i j ÜHiMyKii 179); o f t wirft man sie vor dem Baden ins Wasser (Z e l e n i n 260), und es wird über sie auch hinweggesprungen. Der Wermut wird, in die Kränze eingeflochten, unterm Arm getragen als Abwehr gegen N i x e n und Hexen (ib. 195 und 260). Die Kränze auf den Köpfen selbst erscheinen auch als Abwehrmittel gegen Nixen (ib. 263) und die Kränze aus geweihten Gräsern im Stall als Abwehr gegen Hexen (ib. 260). — Die Feuer, über die die jungen Leute hinwegspringen, erscheinen nicht nur als Läuterungs-, sondern auch als Abwehrmittel ; das Vorwiegen von Stroh und alten Sachen im Brennmaterial könnte davon zeugen, daß die verstorbenen Ahnen zum Feuer geladen werden, obgleich es gar keine anderen Hinweise zugunsten einer solchen Vermutung gibt. I m Feuer verbrennt man noch trockene Zweige und trockenes Gras, geweihtes Pfingstgras, grüne Birkenzweige; das Vorhandensein von alten Sachen im Feuer kann auch von der Erneuerung des Lebens zeugen. Zu den Johannisfeuern eilen Hexen, die u. a. die Asche derselben brauchen. I n den Liedern, die an diesen Feuern gesungen werden, lassen sich auch solche Motive hören: BiflBMa κ ο ρ ο Β Η
Ha
ÏBAHA
'BIßLMAM
floïjia . . .
ΤΘΜΗΟΪ HOHH
N0BUK0JU06M
III06 no HoiaM I uairnx κ ο ρ ο Β
oii,
He XORHJIH, He
ROÏJIH.
Die Hexe hat Kühe gemolken . . . I n der dunklen Johannisnacht Stechen wir den Hexen die Augen aus, Damit sie nicht in der Nacht umhergehen, Und unsere Kühe melken.
(Tpy«H O ß M E C T B A HSCJRËSOBATEJIETT BOJIBIHH III 1910, S. 8.) Oder: fla i « E M xjioniji CMOJIH ßpara -— B¡3,hMÍ oHH sajiHBaTH. „Kommt Burschen, nehmen wir Pech, der Hexe die Augen zuzuschmieren" (ib. V 1911, S. 14). Die Hexen schlägt m a n mit Espenpfählen und sie erschrecken wiederum die Feiernden: bald l ä u f t an ihnen ein Bad den Berg herunter vorüber, bald ein Hund, bald eine Katze ( D i k a r e v 128). Die T ä n z e um den rituellen Scheiterhaufen bilden einen magischen Kreis, d. h. sie dienen zugleich als Abwehrmittel. Zuweilen finden die Tänze um den geschmückten Baum herum, um einen mit Blumenkränzen behängten P f a h l statt; hier tritt derselbe Pflanzenkultus hervor, der sich im Pfingstritual noch schärfer als im Johannisritual zeigt. Als ein Überbleibsel der alten Hochzeitssaison ist die Freiheit der Sitten der Jugend anzusehen, die f ü r die Johannisnacht so bezeichnend ist. I n den rituellen Liedern kommt das Motiv vor:
Χτο He npiitf^e Ha Kynajia H H B H L ^ H , Toit He 6y«e flo B Ì K y weHHimHl Wer nicht zum Johannisfeuer zuschauen kommt, Der wird niemals heiraten! (Tpy«H O ß M E C T B A HECJRIISOBATEJIEÄ B O J I H H H III, 1 9 1 0 , S. 8 . ) Die Burschen und Mädchen springen meist paarweise über ein Feuer. W e n n sie dabei die Hände nicht loslassen, so gilt es als ihr Schicksal, daß sie einander heiraten.
§ 150. Ritual der Johaniiisnacht.
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Das weitere Ritual ist nicht so eng mit der Johannisfeier verbunden, doch findet es oft an demselben Tage statt. Eine ganze Reihe von rituellen Handlungen wird durch das Vertreiben von Nixen aus den Ansiedlungen oder das Hinaustragen von Strohfiguren unter verschiedenen N a m e n : MapiiH«a,
yjiÄHa,
KaTepÄHa
( P . I v a n o ν 159),
Kynáno,
KocTpy6ÓHi,Ko, KocTpoMá,
flpHJio bezeichnet. Hier haben wir mehrere verschiedene rituelle Handlungen zu unterscheiden. I n einigen geschieht das Hinaustragen von Unrat aus den Ansiedlungen oder der unreinen Kraft, größtenteils einer Nixe, die entweder von einem lebenden jungen Mädchen oder durch eine Strohfigur dargestellt wird. Zuweilen heißen solche Umzüge npÓBOflti BeCHM ,Abschied vom Frühling'; doch ist ein solches Motiv der Personifikation verflossener Zeitabschnitte bei den Ostslaven neu und augenscheinlich aus dem Westen entlehnt. Die Idee des Yertreibens oder des Abschiednehmens von der Nixe entspricht allen anderen rituellen Handlungen, die sich auf die Nixen beziehen, und muß daher als ziemlich alt anerkannt werden. Wir haben hier auf diese Weise gleichzeitig ein läuterndes Ritual des Hinaustragens des Unrats und eine rituelle Handlung des Nixenkultus. I n anderen Fällen gibt es, wie dieses E. A n i c k o v bewiesen hat (S. 346 ff.), die im Ackerbauerleben wichtige Handlung der B e s c h w ö r u n g d e s S a m e n s und, der betr. Jahreszeit angemessen, eine B e s c h w ö r u n g d e r F r u c h t des Samens, zu der sich die Blüten nach dem Blühen der Pflanze entwickeln müssen. So ist das Begräbnis des K0CTpy6óm>K0 aufzufassen und andere Bestattungen, die die Sicherung der Ernte zum Zweck haben. Diesem Zyklus nahe steht auch das Ritual, wonach ein männliches Glied in die Erde eingegraben wird zum Zwecke der Befruchtung der Erde. So ist das Begräbnis des Jarilo und vielleicht des Plechan (Z e l e n i η 258). I n vielen Fällen werden die aus den Ansiedlungen hinausgetragenen Strohfiguren im Wasser ertränkt, und hier ist das Motiv der Beschwörung des Regens unzweifelhaft; zuweilen ist es ein Grund- und Anfangsmotiv, zuweilen ein später hinzugefügtes. Die von M a n n h a r d t im westeuropäischen Ackerbauritual aufgeklärte Idee des G e i s t e s d e r P f l a n z e n ist den Ostslaven überhaupt fremd. Mit F r a z e r in dem betreffenden Ritual eine Tötung des jungen Pflanzengeistes zu sehen, damit dieser Geist sich in eine andere, junge und frische Hülle verpflanzen könne, haben wir keinen genügenden Grund. Selbst wenn man vermutet, daß das auf diesem Grunde geschaffene westeuropäische Ritual später von den Ostslaven übernommen wurde, muß man anerkennen, daß die Ostslaven das entlehnte Ritual anders, auf ihre Weise, verstanden haben. Nur f ü r eine Kategorie des betrachteten Rituals gibt es einen Grund eine Entlehnung aus dem Westen zu vermuten, nämlich f ü r diejenigen Handlungen, wo ein v e r k l e i d e t e s P f e r d auftritt (vgl. oben § 142). Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß die rituellen Spiele mit dem verkleideten Pferd, das zuweilen „Nixe" genannt wird, zu den Ostslaven aus dem Westen zusammen mit den £ουίι>κ> ecTi>, a ecjiH He xoqemt, το y ma He xoan coBceM ! (Frost ! komm die Kutja essen, willst du es aber nicht, so komm gar nicht!) Die Grr. bewirten den Frost am Gründonnerstag, ebenfalls einem Gedenktage, mit Hafermehlbrei. Ein anderer Weihnachtsbrauch, der zur Gedenkfeier dient, hat sich bei den Sgrr. gut erhalten, welche zur Weihnachtszeit besondere Feuer aus Stroh und Mist anzünden mit dem speziellen Ziel, „die Eltern" (d. h. die toten Verwandten) zu erwärmen. Die Bauern sind dabei überzeugt, daß an solchen Feuern mit ihnen zusammen auch ihre Urgroßväter sich unsichtbar wärmen. Stellenweise werden in den Scheiterhaufen Lindenquaste verbrannt (OnHC. pyKon. 1 1 9 2 ) , worunter man sich wahrscheinlich eine Badestube für die Verstorbenen vorstellt. Bei den Ukr. sind ähnliche Scheiterhaufen weitverbreitet, die einen anderen Zweck haben: vom Weihnachtsabend bis Neujahr wird der Unrat aus den Häusern nicht hinausgetragen, sondern an eine Stelle im Vorderwinkel des Hauses zusammengefegt; frühmorgens am Neujahrstage wird der Unrat in den Garten hinausgetragen und dort verbrannt, damit die Gartenbäume mehr Frucht tragen. Man hat Grund zu vermuten, daß diese Scheiterhaufen den geschilderten sgrr. ganz analog sind, an denen sich die Ahnen wärmen sollen; nur ist ihre frühere Bestimmung schon vergessen, und eine Erinnerung daran lebt in der Bezeichnung als siflyxá najióra fort, d. h. „den Großvater verbrennen". Die Forscher erklären das gewöhnlich im Zusammenhang mit der Solartheorie. Weiter folgt eine lange Reihe von magischen Handlungen, die sich mehr auf die Viehzucht als auf den Ackerbau beziehen. Die Ngrr. backen
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XL Das Ritual der verschiedenen Jahreszeiten.
zur Weihnachtszeit aus Teig sog. kob^jibkh, d. h. Darstellungen yon Tieren und Vögeln. Dieses ist kein Ersatz des Opfertieres durch sein Bild, sondern eine magische Darstellung des künftigen Zuschusses an Vieh. I m Kreise Kargopol wird ein solches Gebäck über dem Tore des Viehhofs angebracht, damit das Vieh sich vermehre und im Sommer aus dem Walde zurückkehre (Onnc. pyKon. 924). Im Kreise Cholmogory beginnt man schon vom 21. November an solches Gebäck anzufertigen. Die Sgrr. veranstalten am Dreikönigsfest, 6. Januar, einen magischen Umzug mit einer Axt um das Vieh herum und werfen eine Axt über die Herde hinüber (Onnc. pyKon. 377, vgl. auch S. 348). — Die ukr. Frauen pflegen wie die Hennen im Stroh zu gakkern, das zur Weihnachtszeit ins Haus gebracht wird, damit die Hühner gackern, d. h. Küchlein ausbrüten. — Die Wr. streuen vor dem rituellen Abendessen am Weihnachtsabend gekochte Erbsen im Hause herum, damit die Schafe sich vermehren (a. a. O. 685). Die Beine von Tischen und Bänken werden mit Stricken zusammengebunden, damit die Pferde sich nicht im Wald verlaufen (a. a. O. 858). Die Wr. werfen am 6. J a n u a r ein Stück Eisen in den Ofen, das ein ganzes J a h r darin liegen bleibt, damit die Wölfe das Vieh in Ruhe lassen. Das Ritual der Aussaat zu Neujahr hat eine ackerbauliche Bedeutung: die Knaben gehen, nachdem sie ihre Handschuhe mit verschiedenen Samen angefüllt, in den Häusern herum und säen die Samen aus, was eine reiche Ernte vorbedeuten soll. Die Ukr. lassen diese Knaben sich an der Türschwelle niedersetzen und gackern, damit die Hühner Brut bekommen. — Der ukr. Hauswirt versteckt sich hinter die Piroggen auf dem Tisch und f r a g t die Erau, ob sie ihn sehe; diese muß antworten: ich sehe nicht — und deutet damit den Reichtum an Brot in der Zukunft an. — Andere magische Akte zur Weihnachtszeit deuten den Reichtum an Bienen und Honig an. Von den altertümlichen Weihnachtsbräuchen haben wir bisher nur die Wahrsagespiele nicht erwähnt, von denen weiter unten (§ 153) die Rede sein wird. Fast alle anderen Handlungen muß man als entlehnt betrachten. Dazu gehört z. B. die KOJiHflá, wie man das Weihnachtslied nennt, in dem der Hauswirt gefeiert wird. Der Name wird auf das lateinische c a l e n d a e zurückgeführt. Der Brauch selbst stammt augenscheinlich, mit der Verkleidung und einigen Spielen, vom griechisch-römischen heidnischen Fest der c a l e n d a e , das beim Trailer Konzil seitens der Kirche verboten worden ist. Die KOJiriflKa-Lieder beginnt man am Weihnachtsabend zu singen und die me/ipoBKH am Neujahrstag. Dem Inhalt und dem Ausführungsmilieu nach stehen sie den wr. Liedern der bohotoÖhhkh nahe (§ 148). Das wr. und ukr. W e i h n a c h t s s p i e l m i t d e r v e r k l e i d e t e n Z i e g e nimmt, wahrscheinlich, von denselben römischen c a l e n d a e seinen Anfang. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß die Sänger der Weihnachtslieder früher verkleidet waren, was im Kreise Melenki des Gouv. Vladimir der Fall ist (Onnc. pyKon. 186); u. a. hat auch das Wort cbhtóihhhk bei den Ngrr. die Bedeutung eines verkleideten Menschen. Es ist auch sehr wohl möglich, daß der Schweinebraten als rituelle Neujahrsspeise von den römischen Saturnalien herstammt.
§ 152—153. Weihnachtszeit. Wahrsagen.
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Christlichen Ursprungs ist im ostslavischen Weihnachtsritual der „Papierstern", gewöhnlich als Laterne mit einer Kerze, die die Sänger der Weihnachtslieder vor sich tragen, dargestellt, der Ββρτόπ, d. h. ein kleines Puppentheater mit Szenen biblischen Inhalts, endlich die grr. cjiáBejii>mHKH, die sich von den kojih^obiuhkh dadurch unterscheiden, daß sie rein kirchliche weihnachtliche Gesänge ausführen. Bei den Wr. werden die Kerzen sehr geehrt, die zu Mariä Reinigung (am 2. Februar) in der Kirche geweiht werden, die sog. rpoMHHijH. Sie werden den Sterbenden in die Hände gegeben; man brennt sich damit das H a a r von vier Seiten, damit der Kopf nicht schmerze; sie werden auch während eines Gewitters angezündet. F ü r besonders heilsam wird eine Kerze gehalten, die 12 Jahre lang am 2. Februar angezündet worden ist. — Die Kerzenweihe am 2. Februar ist ein Brauch der römisch-katholischen Kirche, der in Weißrußland von den Uniierten eingeführt worden ist. § 153. Man hat Grund zur Annahme, daß die Perioden der W a h r s a g u n g mit den Heiratsperioden der alten Zeit zusammenfallen. Psychologisch ist dieses ganz verständlich, denn das Hauptthema ist dabei die Frage von dem „Zukünftigen" — vom Bräutigam oder von der Braut. Die Sommerperiode um Pfingsten und Johanni herum (§§ 149, 150) und die Winterperiode der Weihnachtszeit sind die Hauptzeiten f ü r das Wahrsagen, die Zeiten, die mit der vermutlichen Heiratssaison zusammenfallen. — Diese Zeit gilt als die günstigste f ü r das Wahrsagen. Pfingstkränze, Johannisfeuer, das Weihnachtsabendmahl, weihnachtliche Speisen und Gebäck liefern ein reiches Material zu allerlei Wahrsagungen. Bei dem rituellen Mahl, das sich aus dem Ackerbau-, Viehzucht- und Ahnenkultus erklärt, wird über wirtschaftliche Fragen gewahrsagt. Der Pflanzen- und Wasserkultus, der Kultus der unreinen Toten und hauptsächlich das mit den früheren Heiratsperioden verbundene Ritual ist f ü r das Wahrsagen über Heiratsfragen am meisten günstig. Zur Weihnachtszeit haben wir einen Zusammenfall des Rituals des Ahnenkultus und des Rituals der Heiratssaison, und hierbei sind die Wahrsagungen am zahlreichsten und verschiedenartigsten. Die ngrr. Mädchen beginnen das Wahrsagen 12 Tage vor Weihnachten und die Ukr. vom Katharinatage (24. November) an : an diesem Tage schneidet man einen Kirschenzweig ab, bringt diesen ins H a u s und stellt ihn ins Wasser; erblüht er zu Weihnachten, so wird das betreffende Mädchen im darauffolgenden J a h r e heiraten. Der Vorabend des Andreastages, der 29. November, ist die beste Zeit f ü r die Wahrsagungen der ukr. Jugend. Die gewöhnliche Endfrist der Heiratswahrsagungen ist der 6.—7. Januar. Doch auch zur Weihnachtszeit finden Wahrsagungen größtenteils mit magischen Gegenständen statt, die zu irgendeinem heidnischen Kultus eine Beziehung haben. Kreuzwege, dann die Badestube, die Riege, der Stall, der Ofen und die Schwelle des Hauses sind die gewöhnlichen Orte f ü r Wahrsagungen. Der Kreuzweg gilt als Aufenthaltsort der bösen Mächte, im besonderen der unreinen Toten; die Badestube ist der Wohnort des Badestubengeistes, die Riege — des Riegengeistes, der Stall — des Hofgeistes, der Ofen und die Tor-
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X I . Das Ritual der verschiedenen Jahreszeiten.
schwelle — des Hausgeistes. Wenn die Wahrsagung zuweilen unter anderen Verhältnissen geschieht, so werden dabei Gegenstände gebraucht, die mit den genannten Orten in Verbindung stehen; ζ . B. wird anstatt des Ofens eine Kohle gebraucht, ein Schüreisen, ein Ofenbesen, Brennholz usw. Den H o f geist ersetzen die ihm untertänigen Hühner, Pferde, sogar ein Pferdekummet usw. Als mehr oder weniger günstig für die Wahrsagung g i l t die Nähe von Gewässern und Pflanzen — augenscheinlich sind das Spuren des alten Wasser- und Pflanzenkultus. Sehr o f t werden bei den Wahrsagungen verschiedene Schmuck- und Kleidungsstücke gebraucht, besonders der Gürtel, das Schuhwerk, die K o p f bedeckung, das Handtuch, der Ring, der K a m m ; doch öfters erscheinen diese Sachen nur als Symbole des wahrsagenden Menschen; wenn sie zuweilen auch ein magisches Milieu für die Weissagung schaffen, so ist dieses wohl schon als Resultat einer späteren Evolution aufzufassen. D i e ostslavischen Wahrsagungen sind sehr zahlreich und verschieden. Ihre Elemente und o f t auch ihre Formen sind allen Ostslaven gemein. Eine Verschiedenheit wird nur durch die Lebensverhältnisse geschaffen; ζ. B. das Fehlen von Badestube und Biege bei den Ukr. führt zum Fehlen oder zur Änderung der entsprechenden Wahrsagungen. Aus Raummangel muß hier von einer Aufzählung aller Arten des Wahrsagens abgesehen und nur einiges Typische angeführt werden. Bei allen Ostslaven ist das Wahrsagen mit H i l f e der B r ü c k e üblich: Ans Kopfende des Bettes oder unter das Bett wird eine Schale mit Wasser gestellt, mit einer „ B r ü c k e " aus Stroh oder Holzspänen darüber ; beim Schlafengehen lädt das Mädchen seinen zukünftigen Gatten ein, sie über die Brücke hinüberzuführen, und es erscheint ihr auch derartiges im Traume. Ein Loch im Eise, ein Brunnen, Schnee, eine Brücke oder Badestube sind die gewöhnlichen Orte für Wahrsagungen, augenscheinlich mit dem Wasserkultus verbunden. Beim Wahrsagen in der Badestube wendet man sich an den Badestubengeist; die ngrr. Mädchen nehmen unter neun Zaunpfählen Erde heraus, nehmen sie in die Hände und werfen sie auf die Steine des Badeofens, wobei sie sprechen: óáüiiHTOK,
pyKon. 872).
fleBHTHyrojiBHHHeK
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3aMy>KeM?
(Ornic.
„Badestubengeist, sage, wen werde ich heiraten?"
Überall gehen die ngrr. Mädchen um Mitternacht zur Badestube, entblößen, indem sie das K l e i d über den K o p f werfen, ihren Hinterteil, gehen rücklings in die Badestubentür und sprechen dazu: MywnK SoraTtrü, y^apb no »tone pyKoft ΜοχΗΐίτοή ,reicher Bauer, schlag den Hintern mit der zottigen H a n d ! ' Wenn eine zottige Hand den Leib berührt, wird der Bräutigam reich sein, wenn es eine nackte und harte ist, wird er arm und grausam sein, wenn sie weich ist, dann wird er ein weiches Gemüt haben. Ebenso machen sie es an der Riege. — Nachdem sie aus der Badestube herausgelaufen, legt sich die ngrr. Jungfrau nackt auf den Schnee und betrachtet am anderen T a g e den Abdruck: findet sie darin eine Spur, dann wird sie heiraten usw. Man bringt eine Henne und einen Hahn ins Haus und sucht nach ihrem Verhalten die Zukunft zu erraten: man achtet darauf, an wessen
§ 153.
Wahrsagen.
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K o r n h a u f e n sie zuerst picken, ob sie sich r u h i g oder u n r u h i g v e r h a l t e n ; m a n bindet sie an den Schwänzen zusammen u n d sieht, welcher von ihnen den andern zieht. M a n f ä n g t im dunklen Stall ein Schaf u n d r ä t sein Geschlecht; wenn es ein Weibchen ist, soll der Betreffende heiraten, oder m a n zieht aus seinem Alter Schlüsse auf das Alter des Bräutigams. M a n f ü h r t ein P f e r d über ein K r u m m h o l z : wenn es dasselbe u n d besonders den R i n g des Krummholzes mit dem F u ß berührt, wird das Mädchen heiraten. Die Sgrr. schneiden den Schwanz des Schweinebratens zu N e u j a h r in dünne Scheiben; jeder bekommt eine solche Scheibe u n d steckt sie auf ein Stäbc h e n ; wenn sich alle mit solchen Stäbchen im Kreise niedergesetzt haben, wird ein H u n d in das H a u s gelassen; wessen Scheibe er zuerst ergreift, der soll heiraten. Viele W a h r s a g u n g e n sind auf Belauschen b e g r ü n d e t : an einem Kreuzwege wird das Hundegebell belauscht u n d danach die R i c h t u n g bestimmt, aus der der B r ä u t i g a m kommen soll. M a n horcht an f r e m d e n Fenstern, indem m a n einen am Weihnachtsmorgen gebackenen P f a n n k u c h e n oder einen Löffel voll KyTtH m i t n i m m t : aus den einzelnen Worten des belauschten Gesprächs schließt m a n auf sein z u k ü n f t i g e s Schicksal. Man lauscht bei der Riege oder im Garten, in beiden F ä l l e n in der N ä h e von H a u f e n des zur Weihnachtszeit hinausgetragenen Unrats. M a n behorcht ein zur Weihnachtszeit geschlachtetes Schwein. Vor dem Lauschen im Felde am Kreuzwege schlägt m a n mit dem Schüreisen auf den Deckenbaum des Hauses. M a n lauscht auf das Geräusch des Handmühlsteins u n d ist bestrebt, den N a m e n des B r ä u t i g a m s herauszuhören. I n der Silvesternacht schöpft jeder Wasser mit seinem Löffel und setzt ihn ins F r e i e : bei wem das Wasser m i t einer V e r t i e f u n g e i n f r i e r t , der soll im dar auf folgenden J a h r sterben. — E s wird auch ein P a a r Schuhe oder Bastschuhe über das Tor g e w o r f e n : wenn das ganze P a a r herüberfliegt, dann soll ein Mädchen bald heiraten, wenn n u r ein Stück davon, d a n n nicht so b a l d ; an anderen Orten wird nur ein Schuh über das Tor geworfen und nach der R i c h t u n g der Schuhspitze entscheidet man, wo der B r ä u t i g a m lebt. Besonders betrachtet zu werden verdient die grr. W a h r s a g u n g , die vom Gesang begleitet wird, und zwar vom Gesang der sog. πο^6πιο;(ιιι>ιη iicchh, der „Schüssellieder", was auch Μβτάτι, KOJihijó, xopoHim. 3Ójioto — „den R i n g werfen", „das Gold vergraben", genannt wird. Wer seine Z u k u n f t ergründen will, legt seinen R i n g i n eine Schüssel oder in eine Mütze, die mit einem T u c h bedeckt wird; über der zugedeckten Schüssel singt m a n besondere Lieder, meist mit dem R e f r a i n : KoMy noëM, fla TOMy jjoßpoM. CBHT Beiepl
Ko My BHitneTCH, TOMy aSy^e-rcn. Cbht Beiep! W e m wir es singen, dem wird es wohl ergehen. H e i l i g e r Abend! F ü r wen es herauskommt, dem wird es geschehen. H e i l i g e r Abend!
380
XI. Das Ritual der verschiedenen Jahreszeiten.
Nach Tuch ein gilt dann Es gibt ζ.
jedem Lied wird die Schüssel geschüttelt und aus ihr durch das Bing herausgenommen. Dem Besitzer des betreffenden Ringes das gesungene Lied; nach seinem Inhalt rät man seine Zukunft. B. ein Lied, das eine Heirat in Aussicht stellt:
3Baji Kot KomypKy β n e i y p n y TaM Tenjio
η μηγκο η
cnaTb
cnaTb:
χοροιποί
Der Kater lud das Kätzchen in die Ofennische zum Schlafen: Da ist es warm und weich und gut zu schlafen! Sonst werden auf dem Tisch vier Schüsseln mit einem Tuch zugedeckt: in eine davon werden Kohlen gelegt, in die andere ein Stück trockenen Lehms aus dem Ofen (das den Tod voraussagt), in die dritte eine Bürste — das Sinnbild eines alten Gatten, in die vierte ein Ring. Man rät seine Zukunft nach dem Gegenstand, der herausgenommen wird. — Eine besondere Art des Wahrsagens ist folgende: in eine Schüssel wird Wasser gegossen und eine Kohle hineingelegt; auf den Rand der Schüssel legt man an verschiedenen Stellen Brot, einen Ring und Sand; nun schüttelt man das Wasser, bis die Kohle stehenbleibt; dann rät man die Zukunft nach der Stelle, wo die Kohle stehenbleibt: der Sand bedeutet den Tod, das Brot keine Änderung des Schicksals. Ähnliche Wahrsagungen sind im Orient verbreitet bei den Sartén, sowie bei vielen türkischen Völkern und sind teilweise mit dem Schamanentum verbunden; es ist denkbar, daß diese Art des Wahrsagens von den Grr. aus dem Orient entlehnt ist. Das Erforschen der Zukunft durch Gießen von Blei, Wachs, Eiweiß in Wasser, durch das Hineinblicken in einen oder zwei Spiegel stammt dagegen augenscheinlich aus dem Westen. § 154. Die B u t t e r w o c h e (der Karneval), — eines der fröhlichsten Eeste der Ostslaven — war einst, wie das Weihnachtsfest, eine Gedenkfeier. D a f ü r spricht zweifellos die dabei übliche rituelle Speise, der Pfannkuchen ; hier und da hat sich auch eine andere Gedenkfeierspeise der Butterwoche — der Hafermehlbrei — erhalten (Kreis Yel'sk, Gouv. Vologda). I n den in der Butterwoche gewöhnlichen Faustkämpfen muß man auch einen Bestandteil der Gedenkfeier sehen (§ 142). Bei den Grr. sind diese Kämpfe oft mit der Errichtung einer Burg aus Schnee verbunden, einer ganzen Festung aus Schnee, die mit Wasser Übergossen wird. Stürmende Reiter strebten in die Festung hoch zu Roß zu gelangen — eine Szene, die in S u r i k o v s bekanntem Bilde „Einnahme einer Schneeburg in der Butterwoche" dargestellt ist. Die Verteidiger der Festung bewaffneten sich mit Ruten. Nach der Einnahme der Stadt veranstalteten alle zusammen ein Trinkgelage. Bei den grr. Siedlern im Kaukasus besteigen alle Mädchen des Dorfes, mit langen Stöcken bewaffnet, eine lange Bank und „verteidigen" diese „Burg". Die Männer stürmen zu Pferde gegen die Stadt an, und die Mädchen schrecken sie ab und schlagen sie erbarmungslos mit ihren Stöcken. Diejenigen, denen es gelingt, eine solche Burg einzunehmen, bekommen das Recht, alle Mädchen nacheinander abzuküssen (CßopHHKT. MaTepianoBt rjih
§ 154. Butterwoche.
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oiracaHÌH MicTHocTCit h nJieMeHT. KaBnaaa V I I . T i f l i s , 1889, vom D o r f Borodinskaja). D i e S c h e i t e r h a u f e n zur Z e i t der B u t t e r w o c h e , die stets aus S t r o h u n d a l t e n S a c h e n bestehen, k ö n n e n auch z u m A h n e n k u l t u s i n B e z i e h u n g stehen. D a s B r e n n e n von S c h e i t e r h a u f e n a m letzten T a g e der B u t t e r w o c h e , d e m S o n n t a g vor B e g i n n der F a s t e n z e i t , wird gewöhnlich w e i b MácjiHHimy ( e t w a : „die B u t t e r w o c h e v e r b r e n n e n " ) g e n a n n t ; doch k o n n t e es a u c h als E i n l a d u n g der verstorbenen A h n e n z u m o p u l e n t e n Abendessen a m T a g e vor d e r F a s t e n zeit dienen, u m so m e h r , als vor der F a s t e n z e i t eines j e d e n J a h r e s die Gew o h n h e i t besteht, den Tisch in E r w a r t u n g der v e r s t o r b e n e n A h n e n n i c h t a b z u r ä u m e n . Ä h n l i c h e S c h e i t e r h a u f e n , die stellenweise schon zu B e g i n n der B u t t e r w o c h e e r r i c h t e t werden (Onnc. pynon. 831), beweisen, daß es sich hier g a r n i c h t u m „den Abschied von der B u t t e r w o c h e " h a n d e l t . D i e n e u e s t e E r k l ä r u n g dieser S c h e i t e r h a u f e n l a u t e t f ü r die K i n d e r : h i e r b r e n n t die Milch- u n d Fleischkost, die m a n sich n i c h t m e h r e r b i t t e n u n d essen d a r f . A n d e r e E l e m e n t e des B u t t e r w o c h e n r i t u a l s zeugen davon, daß dieses einst m i t d e m E n d e der H e i r a t s p e r i o d e zusammenfiel (vgl. § 152). sehen wir einerseits einen G r u ß a n die N e u v e r m ä h l t e n , a n d e r e r s e i t s S t r a f e f ü r die L e u t e , die die n u n abgeschlossene H e i r a t s s a i s o n n i c h t genutzt haben.
Fest Hier eine aus-
D e r BbKmámHHK, die g r r . G l ü c k w u n s c h g e s ä n g e f ü r d i e N e u v e r m ä h l t e n , findet stellenweise in der B u t t e r w o c h e s t a t t (s. § 148). Ö f t e r geschieht eine solche B e g r ü ß u n g ohne G e s ä n g e : alle, die es wollen, suchen a m S o n n a b e n d der B u t t e r w o c h e die N e u v e r m ä h l t e n a u f , die w ä h r e n d des l e t z t e n J a h r e s g e h e i r a t e t h a b e n : sie werden m i t W e i n oder m i t B i e r bew i r t e t u n d der G a s t h a t das E e c h t , die j u n g e F r a u zu küssen (5Κηβ3η GrapHHa X I 95); dieser B r a u c h heißt ijejiOBHÓK (vom W o r t e iiejioBaTt „küssen"). D e r j u n g e E h e m a n n w i r d i n der B u t t e r w o c h e auch noch e i n e n B e r g h e r u n t e r g e f a h r e n — im Schlitten, oder er g l e i t e t auch auf den B e i n e n h i n u n t e r , wobei m i t i h m z u s a m m e n die ganze S c h a r h e r u n t e r r u t s c h t , die zuweilen über i h n zu F a l l k o m m t . E n d l i c h müssen die N e u v e r m ä h l t e n i n der B u t t e r w o c h e bei der S c h w i e g e r m u t t e r zur ö j i h h h - B e w i r t u n g erscheinen. B e i d e n U k r . u n d W r . ist ein e i g e n a r t i g e r B r a u c h der B e s t r a f u n g j u n g e r L e u t e u n d M ä d c h e n , die n i c h t g e h e i r a t e t haben, w e i t v e r b r e i t e t . A m M o n t a g der B u t t e r w o c h e g e h e n G r u p p e n von F r a u e n i n die H ä u s e r u n d b i n d e n den M ä d c h e n u n d B u r s c h e n einen Holzklotz a n den F u ß oder a n die H a n d , die sog. κοπό^κθ. Sie m ü s s e n sich d a n n l o s k a u f e n , i n d e m sie Geld z u m B r a n n t w e i n k a u f geben. Stellenweise wird ein solcher H o l z k l o t z auch den E l t e r n der j u n g e n L e u t e a n g e b u n d e n . Selbst darf m a n sich von d e m ang e b u n d e n e n Holzklotz n i c h t b e f r e i e n . D i e E o l i e eines Holzklotzes spielt in d e n letzten J a h r z e h n t e n auch e i n B a n d oder eine Schleife, die die M ä d c h e n m i t S t e c k n a d e l n a m Ä r m e l eines B u r s c h e n f e s t s t e c k e n ; u m sich l o s z u k a u f e n , v e r a n s t a l t e n die B u r s c h e n e i n F e s t , d. h. sie m i e t e n M u s i k a n t e n u n d k a u f e n sich B r a n n t w e i n , den sie selbst a u s t r i n k e n . B e i den W r . ersetzt zuweilen den Holzklotz e i n Mörser, in d e n die B u r s c h e n die S a c h e n der M ä d c h e n v e r s t e c k e n ; diese müssen d a n n i h r e S a c h e n l o s k a u f e n .
XI.
382
D a s R i t u a l der v e r s c h i e d e n e n
Jahreszeiten.
Der eben erwähnte Brauch ist aus dem Westen entlehnt; in Leipzig und anderen Städten Deutschlands war es in alten Zeiten Brauch, die Mädchen vor den Pflug zu spannen als Strafe dafür, daß sie nicht geheiratet haben; dies tat man verkleidet auf den Straßen der Stadt. In deutschen Dörfern ließ man am Aschermittwoch die 30 jährigen Jungfern eine Tür auf dem Rücken tragen. Doch ist der entlehnte Brauch, wie dies immer geschieht, den örtlichen Sitten angemessen verändert. Die ukr. KOJió^Ka erinnert an eine ähnliche Vorrichtung, die den in den Gemüsegarten eindringenden Schweinen angebunden oder aufgesetzt wird, oder an den hölzernen Fußblock, der früher die Ketten der Verhafteten ersetzte. Außer der ukr. KOJióflKa sind dem westeuropäischen Karneval auch einige Belustigungen und Prozessionen in der Butterwoche von den Grr. entlehnt worden. So zogen die sibirischen Kaufleute durch die Straßen der Stadt auf zusammengebundenen Schlitten ein riesiges Schiff, in dem Musikanten und Sänger, ein verkleideter Bär usw. saßen. Die personifizierte Butterwoche wurde in Gestalt einer lebendigen Frau oder auch als Vogelscheuche auf einem hohen Pfahl herumgetragen, auf dem oben ein Had befestigt war, das der „Butterwoche" zum Sitz diente. Das Fahren mit Pferden hat sich augenscheinlich aus dem Rodeln von den Bergen entwickelt; das letztere hatte eine magische Bedeutung, wovon schon oben die Rede gewesen ist (g 142). Hier kann man aber auch die alten Pferdewettrennen sehen, was vielleicht ein Teil der Leichenfeier (TpÓ3Ha)
war.
Literatur.
§ 155.
U n t e r s u c h u n g e n ü b e r die ostslav. B r ä u c h e
k ο ν : BeceHHHH o ß p a R O B a a
Π-ÈCHH Ha eanamii
E.
sind
Anic-
H y cjiaBHHi, Teil I : ΟΤΊ. o 6 p « f l a
κτ> ntcirfc, P e t e r s b u r g 1903 ( C ö o p H H K i OTFFFCNEHIFL p y c c K . H3. H CJIOB. A n a ß . HayKT> L X X I V , N r . 2 ) ; D . Z e l e n i n : CWepKH pyccKOit ΜΗΘΟΛΟΓΙΗ, P e t r o g r a d 1916; E . K a garov:
P e j i H r i n ΗΡΒΒΗΗΧΈ CJiaBHHi, M o s k a u 1918; A . B o g d a n o v i c :
IlepejKHTKH
HpeBHHro M Í p o c o 3 e p i ; a H Í H y ö i j i o p y c c o B i . , G r o d n o 1895; Ν . S u m c o ν : K y j i t T y p H t i H nepe>KHBaHÌH, K i e w
1890; R . K e d r i n a :
O ô p H f l t κρβιμβΗΪΗ H n o x o p o H t K y K y n i K H
Βτ> CBH3H e t HAPOJIHTIMT KVMOBCTBOM-B ( 9 T H o r p a $ i m e c K o e OGoap-feme X C I I — X C I I I 1912, N r . 1—2, S. 101—139); A l . M a k a r e n k o :
CHÖHpcmü
HapoflHHö
KaneH^api,
BT. aTHorpaijiH'lecKOMT. ΟΤΗΟΙΠΘΗΙΗ, P e t e r s b u r g 1913 (3anHCKH ΓΒΟΤΡΒΦΐΉ. 0 6 m , n o OTfltji. 3THorpa.
XXXVI);
Beschreibungen
endlich
finden
die
in § 2 2 genannte Arbeit von
manov, Krackovskij, Animelle, Cubinskij, Maksimov, S e li v a n o ν KajieHflap
Jefimenko, in
§87,
S. 114—204);
I. S n e g i r e v :
o6pHflti, B d . I — I I I , cyeB-fepiH
I ν anipkij
P. I v a n o v ,
B a n y Ä C b K o r o noBÍTy
h
y
in § 145 ; M . D i k a r e v :
BopoHimiHHi
KpecTbHHt
,
Ro-
Sein,
i n § 3 5 , M a r k e v i c , K i r k o r in § 55,
S cu k i n
Pyccwie
d a n n bei Z a v o i k o
(MaTep.
yKp.
Hapo/ίΗΗϋ
ΘΤΗΟ.τι. V I ,
np0CT0Hap0flHi.ie npa3HHHKH
M o s k a u 1837—1838; A . M i n c h :
npeapaecynKH
Karskij.
sich in d e n in § 22 g e n a n n t e n A r b e i t e n v o n
h
Hapo^Htie o ö H i a H , r y 6 . 1890
CapaTOBCKOft
(3an.
1905,
cyeBÎpHtie oSpHAU,
ΓβΟΓρβφΗΐ.
OßmecTBa, B d . 19). Ü b e r die O s t e r b r ä u c h e BOJIHHÌ
(MaTep.
yKp.
eTHOJi.
v g l . noch M . K o r d u b a : I,
1899,
S. 1 6 9 — 2 0 7 ) ;
ü n c a H K H Ha TajiHUbKiil
S. K u l z i n s k i j ,
Oimcame
KOJiJieKLjiii HapoAHBixt nHcaHOKt M o s k a u 1899; V . G r u z d e v : Οκ.ΐΐιικβΗΐιβ Mojioatix (Η3ΒΘΟΤΗΗ OßmecTBa A p x e o j i o r m i , H c r o p m i Η ΘΤΗΟΤΡΑΦΗΗ π ρ κ KaeaHCKOM Υ Η Η BepcHTeTe X X X I I Uber
die
1922, N r . 1, S. 93—96).
Bräuche
der J o h a n n i s n a eh t : A .
nOÔpaTHMCTBO H KyMOBCTBO B l
Veselovskij:
ΓβτβρΗ3Μτ>,
KynajIbCKOtt OÔpHHHOCTH (}KypHajIT> MHHHCTepCTBa
H a p o f l H . n p o c B t m . , B d . 291, 1894, N r . 2, S. 287—318).
§ 155. Literatur zu Kap. X I . — § 156. Allgemeines über den Volksglauben.
388
Über die h e r b s t l i c h e n B r ä u c h e : P. S e i n : Oftpafll noxopoHt Myxt Η ΗαοΐκοΜΗΧι> (TpyflH 9THorpaHH. OTflÎjia IV, S. 19—23). Von den W e i h n a c h t s b r ä u c h e n handeltD. Z e l e n i n : Hapo^Htift oßtreatö rpÎTb Π Ο Κ Ο Ή Η Η Κ Ο Β ΐ (C6opHHKT> XapbK. Η Ο Τ . - Φ Η Λ Ο Λ . 06m. XVIII1909, S. 256—271). Von den W a h r s a g u n g e n : G. Z a v o i k o : TanaHbH y KpecTtHHt BnaßHMHpcKoit ry6. (3THorpa$Hq. OSoepÎme CV—CVI 1915, Nr. 1—2, S. 113—118); D. Z e l e n i n : Het 6biTa h ΠΟ33Ϊη κρβοτι,ΗΗτ, HoBropoflCKoit ry6. (ÎKHB. Grap. X I V 1904, Nr. 1, S. 6—9); B. u. J . S o ko Ιο ν : CKft3Kn h ntcHH B-fenoeepcKaro Kpaa, Moskau 1915, S. 519—523; ferner die in § 35 genannte Arbeit von P. B o g a t y r e v und die in § 22 genannte Arbeit von F e n o m e n o v. Von der B u t t e r w o c h e : V s . M i l l e r : MacJinrnma H 3an.-eBponeííCKÍit KapH A B A J I T , Moskau 1884; M. K r a s n o z e n o v a : ΒβΗτκβ CHejKHoro ropona Β EHHceftCKOö ryß. (Cn6HpcKaH JKHBan GrapnHa II, 1924, S. 21—37).
XII. Der Volksglaube. § 156. Allgemeine Charakteristik. § 157. Der Hausgeist. § 158. geist. § 159. Der Wassergeist. § 160. Der Wirbelwind. § 161. Der Feuerschlange. § 162. Der Mittagsgeist. § 163. Die Nixen. § 164. pire. § 165. Die Hexen. § 166. Die Zauberer. § 167. Die Werwölfe. Teufel. § 169. Die Volkskosmologie. § 170. Literatur.
Der WaldMeteor als Die Vam§ 168. Der
§ 156. Der ostslavische Volksglaube ist dem Leser schon größtenteils aus den zahlreichen Bräuchen klar geworden, die oben behandelt worden sind. Unter diesen Bräuchen überwiegen die magischen. Der Ahnenkultus (§ 136 u. a.) ist reichlich vertreten, ebenso der Kultus der unreinen Toten (§ 134 und 149). Schwächer ausgeprägt ist der Pflanzenkultus, meist schon in unklaren Vorstellungen (§ 149, 150, vgl. auch § 128). I n der Gestalt des Wa 1 dg e i s t e s (§ 158) haben wir nicht eine Erscheinung des Pflanzenkultus, sondern den Glauben an die Existenz eines besonderen Waldreiches, das größtenteils von Tieren und Vögeln bevölkert ist und an dessen Spitze der Waldgeist steht. Eine ganz analoge Erscheinung stellt der W a s s e r g e i s t dar (§ 159); in ihm haben wir nicht eine Personifikation des Wassers, sondern den Herrn des Wasserreiches, das hauptsächlich von Fischen bevölkert ist. Der Wasserkultus wie der Erdkultus zeigt sich bei den Ostslaven nur in schwachen Überresten. Etwas stärker vertreten sind Spuren des Feuerkultus (§ 43, vgl. § 20). Einen Kultus der Tiere finden wir heutzutage bei den Ostslaven überhaupt nicht: in den entsprechenden Bräuchen mit Tieren haben wir größtenteils die Spuren blutiger Opfer zu sehen (§ 143, 26), in anderen Fällen sind die rituellen Bräuche mit chthonischen Tieren mit dem Totenkultus verbunden. Überhaupt Ostslaven den handensein nur glauben gelten
haben die magischen Bräuche und der Totenkultus bei den alten Kultus der Elemente verdrängt, dessen früheres Vordurch schwache Spuren angedeutet wird. I m heutigen Volksselbst der Wassergeist und der Waldgeist für unreine Tote.
Der altslavische heidnische Olymp, der uns aus alten Denkmälern bekannt ist, ist bei den Ostslaven spurlos verschwunden. Das ist nicht erstaunlich : es war dies eine hauptsächlich offizielle, dem Volk fremde Religion der Fürsten und des Adels und vielleicht noch der fürstlichen Kriegerschaft gewesen. Der Kultus der Elemente ist bei den Ostslaven natürlich nicht
384
XII. Der Volksglaube.
in Verbindung mit dieser offiziellen Religion verschwunden. Das Ritual dieser Kulte war, wie es scheint, nicht reich und zerfiel in eine Reihe einzelner magischer und sakraler Akte. Der Totenkultus hat vieles an sich gezogen. Die Auffassung der Natur als etwas Lebendigem, das nicht nur ein besonderes selbständiges Leben hat (Animatismus), sondern auch beseelt und von verschiedenen Geistern angefüllt ist (Animismus), hat sich bei den Ostslaven bis auf heute ziemlich gut erhalten. Für den Ostslaven gibt es eigentlich auch jetzt keine unbelebten Gegenstände: für ihn wachsen die Steine, reden die Bäume, die Sterne lauschen auf das Schicksal der Menschen. Diese Personifikationen sind keine einfachen, poetischen Bilder, sondern lebendige Überzeugung. Doch sind diese Überzeugungen nicht ganz deutlich und es ist oft schwer zu bestimmen, ob man es hier mit dem Animismus oder einem Animatismus zu tun hat. Nimmt man aber die Weltanschauung des heutigen Ostslaven im ganzen, . so ist da natürlich der Animismus vorwiegend vertreten, wobei hinter den einzelnen Naturvorgängen sich meist G e i s t e r d e r Y e r s t o r b e n e n verbergen. Diese Kategorie von Geistern hat die Weltanschauung des Ostslaven in großem Maße in Anspruch genommen und andere Arten von Geistern verdrängt. Nach dem Gesagten taucht natürlicherweise die Frage auf: welche Rolle spielt in der Weltanschauung des Ostslaven das Christentum? Es ist falsch, wenn man denkt, daß der Ostslave in seiner Masse kein Christ ist oder sich dem Christentum ganz offiziell gegenüberstellt. Natürlich ist er nicht bestrebt, in die Tiefe christlicher Dogmen einzudringen und interessiert sich für diese meist sehr wenig. Die christliche Moral dagegen ist ihm viel verständlicher und näher. Am meisten Bedeutung haben für den ostslavischen Bauer die kirchlich-religiösen Bräuche. Ein aufrichtiger Christ hält sich aber bewußt oder unbewußt an das doppelgläubige Prinzip: „Liebe Gott, aber laß den Teufel auch nicht zornig werden." Diesem Prinzip entsprechend ist er stets bereit, ein Ritual zu erfüllen, das er für unchristlich oder sogar als dem Christentum feindlich ansieht. Bei allem Haß gegen den Teufel ist er stets bereit, diesem alle Aufmerksamkeit zu erweisen, um sich in seiner Person keinen mächtigen Feind zu schaffen. Auch zur Abwehr gegen die heidnischen Gottheiten der benachbarten Finnen wird von ihm das Ritual ausgeführt. Es ist in seiner Art ein Akt der Selbsterhaltung. Die Mehrheit der magischen rituellen Handlungen, wie auch die des Totenkultus werden aber überhaupt nicht für christentumfeindlich und auch nicht für unchristlich gehalten. Es handelt sich darin so oft um rein christliche Gegenstände und Symbole, wie Weihrauch, Heiligenbilder, das Kreuzzeichen, Gebete usw. Man muß dabei sagen, daß viele kirchlich-orthodoxe rituelle Handlungen und Gegenstände jetzt als rein magische verstanden werden; sie sind sozusagen in die Psychologie der ursprünglichen Magie mit hereingezogen. Um sich ζ. B. an einem Feinde zu rächen, stellt man in der Kirche vor dem Bilde Johannes des Kriegers eine angezündete Kerze umgekehrt auf; ein neugeborenes Kind wird unter dem Taufbecken in Laken gehüllt, damit es nicht sterbe usw.
§ 156—157. Allgemeines über den Volksglauben. Der Hausgeist.
885
Nach der herrschenden Ansicht sind es die Zauberer, die dem Kultus des Teufels dienen (§ 166). Es sind natürlich direkte Fortsetzer der früheren heidnischen Schamanen. Die heidnische Volksreligion der Ostslaven vor ihrer Bekehrung zum Christentum war fast sicher der Schamanismus, der auch jetzt bei vielen ihrer östlichen Nachbarn — finnischen, türkischen, mongolischen und paläoasiatischen Völkern — sehr gut erhalten ist. Bis zum Aufkommen des Christentums waren die Zauberer-Schamanen die Diener der lichten, himmlischen Gottheiten; der Religionswechsel hat sie, wenn auch nicht auf einmal, unter die „schwarzen" Schamanen, d. h. die Befehlshaber der bösen Mächte, eingereiht. Man hat die Zauberer gewiß nicht gern, doch zeigt man ihnen auch eigentümlicherweise seine Achtung und bemüht sich um ihre Gunst. Viele Zauberer rühmen sich gern ihrer Verbindungen mit bösen Mächten, was ihr Prestige höher steigen läßt. Mit jeder Generation wird in Rußland die Kenntnis der alten magischen rituellen Handlungen schwächer. Jetzt werden sie schon von vielen Bauern mit Verachtung betrachtet, als 6á6i>H 3anyrn und npHMáxH (Weiberaberglauben), und werden meist nur von Frauen ernst genommen. Das Festhalten am Christentum wird dadurch nicht größer. Im Gegenteil ist nach den letzten Kriegen und der Revolution von 1917 der Einfluß des Christentums bei den Bauern schwächer geworden und nimmt immer weiter ab. Trotzdem kann der heutige ostslavische Bauer noch nicht ohne Mystik und rituelle Bräuche auskommen. Das Äußere des Rituals wird auch vom ästhetischen Gefühl verlangt. Beim Fehlen jeder Religion nimmt die Mystik des Bauern verschiedenartige, oft auch magische Formen an. Wenn Leute ohne Religion mystisch gestimmt sind, finden allerlei geheimnisvolle Lehren und Nachrichten in ihren Gemütern einen fruchtbaren Boden; ganze Gegenden werden von Epidemien der Mystik in der Art eines massenhaften Kreuzzugs nach Palästina erfaßt. Im allgemeinen hat die Geistesverfassung des heutigen ostslavischen und besonders des ukrainischen Bauerntums vieles mit der Geistesverfassung der westeuropäischen Volksmassen im Mittelalter gemein. § 157. In der Gestalt des ostslavischen H a u s g e i s t e s (ÄOMOBOÜ) haben sich nach der herrschenden Ansicht Elemente des Ahnenkultus und des Kultus des häuslichen Herdes, d. h. des Feuers vereinigt. Die ersteren sind stärker als die letzteren. Nur der Wohnsitz des Hausgeistes, größtenteils unter dem O f e n des Hauses, spricht f ü r seine Verwandtschaft mit dem Herd und Feuer. Die Ngrr. lassen den Hausgeist oft im Erdgeschoß wohnen, doch auch dort wohnt er in der Ecke, wo sich der Ofen befindet. Man läßt ihn auch hinter dem Ofen, auf dem Ofen, auch unter dem Ofenpfosten leben. Seltener lebt er unter der Türschwelle, unter der Hausecke, auf dem Dachboden am Schornstein; im H o f e und in den Hofgebäuden lebt der H o f - bzw. S t a l l g e i s t (JJBOPOBÓK oder XJICBHHK), den man vom eigentlichen Hausgeist zu unterscheiden hat. Die Ngrr. reden noch von einem Geist, der im Ofen selbst lebt und nennen ihn Cycyß, Cticoü ; wenn dies nicht der Hausgeist selber ist, so ist es doch ein ihm ähnliches Geschöpf. Damit der Hausgeist nicht mit dem Hauswirt vom Hause fortgeht, Z e l e η i n . Kuss. (Ostslav.) Volkskunde.
25
386
XII. Der Volksglaube.
verschließt man beim Fortgehen des Hauswirts den Ofen mit einer Ofengabel oder mit der Ofentür (Z a ν o i k o 105), In ein neues Haus wird der Hausgeist auf einem Ofenquast oder auf einer Schaufel, wie sie zum Setzen des Brotes in den Ofen benutzt wird, übergeführt (OIIHC. pynon. 749). Der H a u s g e i s t ist unsichtbar, aber er zeigt sich zuweilen den Menschen, meist in der Person des wirklichen Hauswirts selbst, des lebenden oder des toten. E r erscheint auch als Greis mit grauem, langem, struppigem Haar und Bart, zuweilen ohne Augenbrauen. Der ngrr. Hausgeist ist nach der Sage ein kleiner, mit Fell bewachsener Mensch, der einmal unter besonderen Umständen erfroren ist (Onnc. pyKon. 224). Sonst stets zottig, erscheint er zuweilen auch nackt — dann prophezeit er Armut. Es gibt auch Hausgeister weiblichen Geschlechts; man hält sie auch für die Frauen des Hausgeistes (grr. Η Ο Μ & Η Η , A O M á x a , Mapyxa). Ebenso oft zeigt sich der Hausgeist in der Gestalt von verschiedenen Tieren, api öftesten als Katze, Hund, Kuh oder junger Ochse, etwas seltener als Schlange, Ratte oder Frosch. Als in einem ngrr. Hause eine Schlange getötet wurde, bedeckte sich der Fußboden mit saurem Rahm und bald darauf starben drei Mitglieder der Familie (ib. 867); in einem anderen Hause tötete man eine Ratte und dort gingen alle Kühe zugrunde. Die Katze und der Hund sowie der Ziegenbock sind Lieblinge des Hausgeistes; die Elster aber dient als Abwehrmittel gegen ihn. Von der H e r k u n f t d e s H a u s g e i s t e s werden zwei verschiedene Sagen erzählt, doch sind sie beide erst in christlicher Zeit aufgekommen. Nach der einen sind die von Gott aus dem Himmel vertriebenen Engel an verschiedenen Stellen herabgestürzt: wer auf ein Haus fiel, wurde Hausgeist, wer in den Wald fiel, wurde Waldgeist, wer ins Wasser fiel, wurde Wassergeist, wer in der Luft blieb, wurde ein „fliegender" Geist (a. a. O. 784). Nach einer anderen Vorstellung ist der Hausgeist ein ohne Kirchenbuße verstorbener Mensch, d. h, ein unreiner Toter. Th. V o l k o v hat die irrtümliche Meinung ausgesprochen, daß der Hausgeist „in der ukr. Weltanschauung erst vor kurzem aufgekommen sei, als Ersatz für den vorchristlichen Pantheismus". Die Gestalt des Hausgeistes ist allen Slaven bekannt ; sein ältester Name ist Mapa, dem ahd. m a r a verwandt, engl, n i g h t - m a r e „Alpdrücken", franz. c a u c h e - m a r ( K l u g e E W . s. v. M a h r ) . Daher stammt das grr. KHKiÍMopa, Mapyxa, wie man öfters den bösen Hausgeist nennt. Die Wr. bezeichnen mit Mapá den gewöhnlichen Hausgeist, der die Menschen im Schlafe drückt und die ihm unliebsamen Pferde quält ( K r a ß k o v s k i j 203). I n der heutigen Volksvorstellung ist der Hausgeist im allgemeinen nicht böse, doch zuweilen grollt er den Menschen und rächt sich dann auch an ihnen. Wenn er einen Schlafenden drückt, so deutet er damit die Zukunft an: ist er warm, so hat das eine gute Vorbedeutung, ist er kalt, so bedeutet es Unheil; auf eine Frage soll er auch selbst antworten, ob Gutes oder Böses bevorsteht. Vor einem Unglück im Hause stöhnt und weint er, Dem Hauswirt flicht er den B a r t in Zöpfe. Nachts befaßt er sich auch zuweilen mit Spinnen. E r hütet das Haus und verteidigt es im Notfall. Wenn er den Wirtsleuten grollt, dann klopft er nachts, zwickt die Schlafenden und
§ 157—158. Der Haus- und Waldgeist.
387
treibt die Menschen manchmal durch tolle Streiche sogar zum Hause hinaus; er schlägt das Geschirr entzwei, wirft Schüreisen und Ziegelsteine zum Ofen hinaus usw. Letzteres geschieht größtenteils dann, wenn sich im Hause bei dem betreffenden Hausgeist fremde Wirtsleute ansiedeln oder wenn jemand aus Zorn einen fremden Hausgeist in das betreffende Haus treibt. Überhaupt werden dem Hausgeist viele Züge eines alten eigensinnigen Hauswirts zugeschrieben. Ursprünglich hat wahrscheinlich e i n Hausgeist über H a u s und Hof gewaltet. Jetzt aber werden meist zwei verschiedene Geister unterschieden: über Hof und Yieh herrscht der hbopobhk (Hofgeist). Auf ihn beziehen sich die allgemein bekannten wandernden Erzählungen davon, wie er die Mähnen der ihm genehmen Pferde pflegt und nachts in Zöpfe flicht und wie er die Pferde von einer ihm nicht zusagenden Farbe quält. Er verfolgt auch oft die Hühner und schert den Lämmern das Fell (in letzterem Falle gibt es f ü r ihn auch einen besonderen Namen: C T p ó r a ) . Nach der wr. Vorstellung weckt er nachts den Hahn und veranlaßt ihn zum Krähen. Zuweilen verschüttet er in den Scheunen das Korn und verleiht ihm dadurch Überfluß. E r sendet auch Ratten und Mäuse in die Scheunen. Der Hofgeist ist der Befehlshaber des Viehes; wenn man ihn beim Übergang in ein neues Haus nicht mit einlädt, dann soll das Vieh darin nicht gedeihen. Schädigung des Viehes durch böse Streiche wird oft nicht dem eigenen, sondern einem fremden Hofgeist zugeschrieben. Um den Hofgeist günstig zu stimmen, wird f ü r ihn an verschiedenen Stellen des Hofes Bewirtung aufgestellt. Sonst bekämpft man ihn auch durch Abwehrmittel, wie ζ. B. „den Hühnergott (§ 27), eine tote Elster, Bärenwolle oder sogar einen Bären (zahme Bären werden in die Ställe geführt), Ziegenwolle, eine Hosenschnur an einen von der Rinde befreiten Lindenstamm gebunden u. a.. Der Hofgeist lebt im Stall, doch zuweilen hängen die Ngrr. f ü r ihn im Hof einen Hexenbesen auf, d. h. einen Fichten- oder Tannenzweig mit dichten Nadeln — eine Folge parasitischer Schwämme; dies ist die sog. MáTHa. K y p Ä H a nana, B Ó x o p b . An einigen Orten legen die N g r r . ihn unter das Dach zum Schutz vor dem Wirbelwind. Hier und da findet man bei den Ngrr. die Meinung vor, daß es in jedem Hause ebensoviel Hausgeister wie Mitglieder einer Familie gibt. Die gewöhnliche Meinung lautet aber, daß es im Hause stets nur einen Hausgeist gibt, doch hat er immer Gehilfen. Zu den letzteren gehören ζ. B. die sgrr. K o p r y p ^ n i H oder KOJiOBéprim, die einer Katze ähnlich sind: sie schleppen f ü r ihren Herrn nachts Geld und Vorräte aus fremden Häusern herbei (Orine. pyKon. 1259); die Ukr. nennen diese Wesen cnopAui, uinopiix. § 158. Die Gestalt des W a l d g e i s t e s , wie auch diejenige des Wassergeistes, geht rasch aus der Sphäre des Kultus in die Sphäre der Sagen und Legenden über. Wo gar keine oder wenige Wälder vorhanden sind, weiß man entweder gar nichts vom Waldgeist oder erzählt sich Märchen von ihm. I n waldigen Gegenden aber ist ein ganzer Kultus des Waldgeistes erhalten und im J a h r e 1887 konnte N. C h a r u z i n diesen Kultus noch bei den Ngrr. des Gouv. Olonec beobachten. 25*
388
XII. Der Volksglaube.
Der ostslavische, besonders der grr. Waldgeist ist dem türkischen § u r a l i viel näher als dem griechischen Pan oder dem römischen Faunus. Der ukr. jiicoBHK ist der Hirt der Tiere, ein wilder Mensch, dem die Hirsche, Rehe und Hasen als Vieh dienen und der an Stelle von Hunden und Katzen Bären, Wölfe und Luchse hat. Die Ngrr. unterscheiden den einfachen Waldgeist und den „Waldkönig", dem die Waldgeister unterordnet sind. Doch wo es keine großen Wälder gibt, gibt es auch keinen Waldkönig, und seine Holle übernehmen gewöhnliche Waldgeister. Dem Waldgeist gehorchen alle Waldtiere, und er verspielt sie, besonders die Hasen und Eichhörnchen, nicht selten an seine Nachbarn beim Kartenspiel, wodurch die massenhaften Übersiedlungen dieser Tiere von Ort zu Ort sich erklären lassen. Um die Herde vor wilden Tieren zu schützen, schließt der Hirt einen Vertrag mit dem Waldgeist (§ 23). Wenn der Waldgeist Vieh raubt, so reicht man eine auf Papier geschriebene Beschwerde über ihn an den Waldkönig ein (OnHC. pyKon. 254) und bringt ihm im Walde an einem Kreuzwege ein Ei oder Gebäck aus Hoggenmehl als Opfer dar (N. C h a r u z i n 316). Das Echo im Walde wird für den Schrei des Waldgeistes gehalten. Im Vergleich mit allen andern Vertretern der bösen Mächte erscheint der Waldgeist als der reinste und der seiner Natur nach dem Menschen am nächsten stehende. Die grr. Beschwörungen nennen ihn gewöhnlich Ute npáBeflHoß (rechtsamer, gerechter Wald). Es ist kein Grund vorhanden, die allgemein verbreitete Ansieht über die Abstammung des Waldgeistes von unreinen Toten als etwas Neues anzusehen. Von den Mensehen unterscheidet sich der Waldgeist dadurch, daß er blaues Blut hat und weder Wimpern, noch Augenbrauen, noch einen Schatten besitzt; er kann nach Belieben größer und kleiner werden: im Walde gleicht er sich dem Walde an, im Felde dem Grase. Oft erscheint er in Gestalt verschiedener Tiere. Er wird gewöhnlich für gut, ehrlich und schlicht, sogar für dumm gehalten (Onwc. pyKon. 263). Er liebt es, mit den Menschen zu scherzen: er „führt sie an" (06Besëï), d. h. er raubt ihnen das Gedächtnis, und der Mensch verliert den Weg und verirrt sich im Walde; wenn er den Menschen auf diese Weise betrogen hat, freut er sich dieser Tat, lacht laut und klatscht in die Hände. Doch wird ein auf diese Weise vom Wege abgekommener Mensch von keinem Baubtier angerührt, da er sich unter dem Schutze des Waldgeistes befindet. Der Waldgeist liebt es auch, mit dem Menschen ein „Kitzelspiel" zu spielen, besonders mit Frauen; und wenn der Mensch darauf eingeht, kann der Waldgeist ihn leicht zu Tode kitzeln. Zuweilen raubt er die Frauen und hat auch Kinder von ihnen. Den Waldgeist abzuwehren ist nicht schwer: er fürchtet die jiyTÓiima, d. h. von der Binde gereinigtes, trockenes Lindenholz; er fürchtet auch Salz und Feuer; unanständiges Fluchen mit Nennung der Mutter dient auch als Abwehr gegen den Waldgeist — und hier liegt einer der Gründe, warum dieses Fluchen im russischen Volke so verbreitet ist. Das Pfeifen im Walde dagegen reizt den Waldgeist. Ein Mensch, der sich im Walde verirrt hat, muß Kleidung und Wäsche wechseln und seine Bastschuhe auf den verkehrten Fuß anziehen, dann findet er leicht den Weg aus dem Walde; wenn
§ 158—159. Wald- und Wassergeist.
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er sich so verkleidet, macht er sich anscheinend dem Waldgeist ähnlich, der die linke Seite des Rockes stets über die rechte geworfen hat und nicht umgekehrt, wie die Menschen es zu tun pflegen, und der auch die Bastschuhe umgekehrt an hat. An wenigen Orten herrscht der Glaube, daß Felder nicht der Obhut des Waldgeistes, sondern derjenigen eines besonderen, nur wenigen bekannten Geistes, des sog. Feldgeistes (πολθβηκ) unterworfen sind, der mit der noJiyAHiiija (Mittagsgeist s. § 162), etwas Gemeinsames hat. Kleine Waldgeister tragen die ngrr. Namen aHKOHbKjie, menoTymä, ßHKapú, noayBépHUM (Orine, pynon. 1259, 794). § 159. Mit den W a s s e r g e i s t e r n vertraut sind die Fischer sowie die Müller auf den Wassermühlen. Diese und jene bringen den Wassergeistern zuweilen Opfer dar (§§ 33 und 38). An einigen Orten wird der Wassergeist auch von den Bienenzüchtern verehrt (§ 34). E r hilft dem Fischer, Fische zu fangen, und behütet dem Müller den Damm. Doch, wenn er zornig wird, zerreißt er die Fischnetze, scheucht die Fische auseinander, zerreißt den Mühldamm, überschwemmt die Bienenstöcke. Wer sich zur Mittagszeit oder nachts badet, den zieht der Wassergeist in sein Bereich. Einen Ertrinkenden zu retten ist gefährlich: der Wassergeist kann zornig werden und jetzt oder später denjenigen ertränken, der ihm sein Opfer entreißt. Die Ertrunkenen werden Arbeiter des Wassergeistes, die Mädchen werden zu Nixen, aber oft auch zu Frauen des Wassergeistes. Die Wassergeister selbst stammen nach der bei den Ostslaven allgemein verbreiteten Anschauung von den unreinen Toten ab, d. h. ebenfalls von den Ertrunkenen. Sie leben größtenteils in tiefen Gruben am Boden der Flüsse und Seen sowie unter den Mühlen. Die Sgrr. reden stellenweise von kristallenen Palästen der Wassergeister im Wasser und zählen 111 seiner schönen, aber bösen Töchter auf. Die Ngrr. sehen an den Ufern der Seen Herden wohlgenährter Kühe des Wassergeistes und ergreifen zuweilen durch List Besitz von einer seiner Kühe. Man sieht den Wassergeist in sehr verschiedenen Gestalten; am öftesten in Gestalt eines Welses, Hechtes oder anderen Fisches sowie in Gestalt eines Menschen; im letzteren Falle wird ihm bald grünliches, bald schwarzes H a a r zugeschrieben und eine H a u t wie bei einer Aalraupe. Die F r a u des ngrr. Wassergeistes hat das Aussehen einer Frau mit großen, hängenden Brüsten und langem H a a r ; sie sitzt oft auf einem Stein am Wasser und kämmt ihr H a a r mit einem Kamm. Die K i n d e r d e r W a s s e r g e i s t e r , welche die Ngrr. noch uiHJiHKyHik nennen, springen aus den Eislöchern nach der Wasserweihe am 6. Januar heraus und suchen durch Türen und Fenster in die Häuser einzudringen ; zum Schutze vor ihnen werden bei den Ngrr. mit Kohle Kreuze an den Türen und Fenstern angebracht. Wie hieraus ersichtlich, erscheint der Wassergeist gar nicht als Personifikation des Wassers oder einzelner Flüsse und Seen. Er ist der Herr des Flusses oder Sees, in dessen Macht sich alle dort lebenden Fische befinden. Ein Sturm auf dem See wird oft gleichfalls dem Wassergeist zu-
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XII. Der Volksglaube.
geschrieben. Nach, der Sage konnte bei Sturm zur Besänftigung des Wassergeistes ein durch das Los bestimmter Seemann zu ihm ins Wasser geworfen werden; jetzt zählt m a n die Kahlköpfigen an ß o r d , vermerkt jeden mit einem Einschnitt an einem Stock und wirft den Stock in den See. Von hier h a t augenscheinlich der bekannte Aberglaube seinen Ausgang genommen, während eines Frostes die Kahlköpfigen zu zählen, damit es wärmer wird. Den Wohnort des Wassergeistes sucht m a n gewöhnlich an tiefen Stellen, die f ü r die Schwimmer und Flößer gefährlich sind. Es herrscht die Gewohnheit, an solchen Stellen Kirchen zu bauen. Zur Erklärung einer solchen Nähe von Kirchen und Wassergeistern hat N . C h a r u z i n die irrtümliche Meinung ausgesprochen, daß diese Kirchen an der Stelle alter heidnischer Götzentempel erbaut sind. § 160. D e n W i n d , besonders den Wirbelwind, personifizieren die Ukr. in der Gestalt eines Riesen mit großen Lippen, die sich besonders zum Blasen eignen. Weiter verbreitet ist die Vorstellung, daß in Gestalt eines Wirbelwindes ein von seinen Eltern verfluchter Mann, d. h. ein unreiner Toter, umherwandelt. Endlich sieht man im Wirbelwind den Hochzeitszug unreiner Mächte. W i r f t man ein Messer in den Wirbelwind hinein, so wird dieses mit Blut bedeckt, weil viele böse Geister damit erstochen werden (Omic. pyKon. 802). Die W r . schreiben den Herzschlag der W i r k u n g des Wirbelwindes zu und bezeichnen mit dem N a m e n no^Beit sowohl diese Krankheit als auch den sich im Wirbelwind drehenden Geist. Es ist gefährlich, den Wirbelwind zu beleidigen: er wirft die Heu- und K o r n h a u f e n auseinander, zerstört die Dächer usw. Zur Abwehr gegen den Wirbelwind dienen Zeichen mit den Fingern sowie Beschwörungen. Aus den ngrr. Beschwörungen des Windes wird klar, daß hier der Wirbelwind als auf einem mit drei P f e r d e n bespannten Wagen einherfahrend gedacht wird (Gouv. Olonec). Das P f e i f e n soll den Wind hervorrufen, und dies nützen zuweilen die Seeleute auf Segelschiffen aus. § 161. Nächtliche M e t e o r e und Boliden sowie Sternschnuppen bildeten die Grundlagen zur Bildung des Aberglaubens von der fliegenden feurigen Schlange. Diese letztere ist bei den Grr. eng mit den Halluzinationen sehnsüchtiger F r a u e n , besonders junger Witwen, verbunden und wird als Inkubus dargestellt. Die fliegende Schlange (,ιβτ^Ηΐιϋ, paccbin^iHfi 3Meft, jieTyH) kommt nachts in Gestalt einer feuerroten Kugel geflogen und zerstiebt in F u n k e n über dem Schornstein des Hauses, wo sie eindringen muß. Bei der F r a u erscheint sie in der Gestalt ihres verstorbenen Mannes und verbringt mit ihr die Nächte. Sie nimmt auch lebendigen Ehemännern die F r a u e n weg·. I n Verbindung damit siecht die F r a u dahin und stirbt mitunter. Es ist sehr gefährlich, ihr die Verbindung mit der Schlange vorzuwerfen: die erzürnte Schlange könnte das H a u s niederbrennen. Bei den Ukr. ist der Geist, der auf diese Weise herumfliegt, unter dem N a m e n nepejiécHHK bekannt ( C u b i n s k i j I 16). Mitunter wird noch hinzugefügt, daß der Inkubus der F r a u verschiedene Schätze bringt. Daneben existiert eine andere Gestalt derselben, die am meisten bei den Wr. verbreitet i s t : die f e u r i g e Schlange, die den Menschen
§ 160—163. Wirbelwind. Meteor. Mittagsgeist. Nixen.
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Geld bringen soll. — Diese letztere vereinigt sich oft mit derjenigen des Gehilfen des Hausgeistes, der auch aus fremden Häusern Geld und Vorräte bringt und bei den Ukr. als cnopóin, bei den Grr. als κοποΒβρπι bekannt ist (§ 157). Solch eine Schlange kann man aus einem Ei „ausbrüten", wenn man dieses Ei drei Jahre lang in der Achselhöhle herumträgt. Von dieser Art sind die ukr. BÄxoeaimi, wo sich schon ein starker Einfluß des mittelalterlichen westeuropäischen Aberglaubens bemerkbar macht. Von den beiden angeführten Gestalten der Schlange muß man bei den Slaven diejenige des Verführers der Frauen f ü r die älteste halten. I n der altrussischen Muromer Sage vom Fürsten Petr und Fevronia wird schon eine solche Schlange erwähnt, die Peters F r a u besuchte und vom Fürsten erschlagen wurde. Nach den serbischen Liedern kam die Schlange zur Königin Milica, der Frau des Fürsten Lazar geflogen ( V u k K a r a d z i ó njecMe I I N r 43). § 162. Eine gewisse Verbindung mit der Sonne zeigt die Gestalt der noji^UHHqa, des M i t t a g s g e i s t e s , dessen Wirkung der Hitzschlag zugeschrieben wird. Mittag und Mitternacht werden überhaupt als geheimnisvolle und kritische Momente angesehen. Es ist daher z. B. verboten, um diese Zeit im Wasser zu baden. Im Sommer erscheint auf den Feldern um die Mittagszeit die non^Hiraija, die die ihr begegnenden Leute tötet und ihnen den Kopf abdreht. Es ist dies eine hohe Frau in weißem, glänzendem Gewände; sie beschirmt das Korn auf dem Felde und wird noch pHiiiqa genannt. Zur Zeit der Kornblüte zeigt sie sich am öftesten. Die Ngrr. stellen sie sich hier und da mit einer riesengroßen P f a n n e vor, mit der sie entweder das Korn vor den sengenden Sonnenstrahlen schützt oder die Blüten des Kornes und der Gräser verbrennt. Bei den Wr. ist die nojiyaHnqa zu einem „eisernen Weibe" geworden, das der ,Baba-Jaga' der Märchen verwandt ist. I n den beiden zuletzt erwähnten Gestalten zeigt sich eine neue Verwendung der alten Vorstellungen von Schreckmitteln der Kinder. Eiserne Geräte und Körperteile konnten bei den Vertretern der bösen Mächte nur zur Zeit des Zerfalls alter Anschauungen, nach denen das Eisen zur Abwehr böser Mächte dient, aufkommen. Eine der ostslavischen noJiy^HHija nahe verwandte Gestalt ist den Lausitzer Sorben bekannt; es ist die p s i p o l n i c a , p S e z p o l n i c a (s. W. S c h u l e n b u r g Wendische Volkssagen 89), den Tschechen als p o l u d n i c e , p o l e d n i c e geläufig. Die Ostfinnen haben, wenn man nach syrjänisch p ö l ö z n i i S i urteilen kann, diese Gestalt von den Ngrr. entlehnt. Bei den Finnen ist sie mit der kritischen Periode des Blühens und Reifens des Kornes vom 20. J u n i bis zum 20. Juli verbunden, in der es nicht erlaubt ist, Gegenstände von schwarzer Farbe ins Freie hinauszutragen, Gras zu pflücken, die Erde zu graben und Lärm zu machen, und wo es zur Mittagszeit sogar verboten ist zu arbeiten. § 163. I n den vorhergehenden Paragraphen ist eine Reihe von Fällen behandelt worden, wo Gestalten, die mit dem Kultus unreiner Toter zusammenhängen, in Bereiche eindringen, die ihnen fremd sind. Sogar im Wirbelwind (§ 160) treflen wir einen unreinen Toten an ; die Gestalten des
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XII. Der Volksglaube.
Waldgeistes und des Wassergeistes (§§ 158 u. 159) haben sich fast vollständig mit den Gestalten unreiner Toter vereinigt. Noch stärker zeigt sich dies in der Gestalt der N i x e n . Die Untersuchung des heutigen Nixenkultus bei den Ostslaven läßt sogar die Frage aufkommen, ob bei den Ostslaven jemals eine ältere Vorstellung von den Nixen existiert hat, die nicht mit dem Kultus unreiner Toter verbunden war. Die ostslavischen pycájiKH erscheinen ebenso wie die bulg. caMoerijiH als längst mit dem Kultus unreiner Toter, speziell mit den Gestalten von Frauen, Mädchen und Kindern verbunden, die frühzeitig oder eines gewaltsamen Todes gestorben sind (vgl. § 134 u. 149). Sie leben im Jenseits ihre Lebensfrist aus, bis sie schließlich eines natürlichen Todes sterben. Sie behalten im Jenseits ihr Wesen, ihre Gewohnheiten und Neigungen bei. Die größte Aktivität wird von denen entwickelt, die unbefriedigt, mit irgendeinem sehnlichen Wunsch gestorben sind, oder bereits von Natur unruhig, rastlos gewesen sind. Der ganze uns bekannte ostslav. Nixenkultus erklärt sich aus dem Ursprung der Nixen. Und es ist unmöglich, zu entscheiden, was sie früher, bis zu ihrer Verknüpfung mit den unreinen Toten gewesen sind. I n ihnen die Gestalten der Fluß- und Quellengeister zu sehen, hindert die Tatsache, daß sie gleichzeitig sowohl in Wäldern als auch in den Feldern wohnen. Man kann in der ältesten Gestalt der Nixen eine gewisse Verbindung mit dem Pflanzenkultus sehen, doch auch diese Verbindung kann aus ihrer Natur als unreiner Toter erklärt werden. Der Name pycájiKa ist verhältnismäßig neu, und ist westlichen Ursprungs. Das ostslavische Wort stammt vom röm. r o s a l i a , griechisch ρουσάλια — der Benennung des Festes und der Spiele, d i e s r o s a e . Die altruss. Rusalien, pycájiHii, waren auch ein Name für Fest und Spiel; und das heutige ukr. pycájiii bedeutet hier und da „den ersten Tag der Fastenzeit vor dem Peterstage". Das aus dem Westen, wie es scheint, zusammen mit dem Christentum entlehnte Fest der Rusalien fiel bei den Ostslaven mit dem alten heidnischen Fest zu Ehren der unreinen Toten zusammen (vgl. § 134 u. 149). Die neue europäische Bezeichnung des Festes ist auch auf die unreinen Toten angewandt worden, denen das heidnische ostslavische Fest gewidmet war. Weiterhin wurden mit dem neuen Namen nur die Mädchen unter den unreinen Toten bezeichnet, denen einige Züge griechischer Nymphen und zuweilen auch griechischer Sirenen zuteil wurden. Bei den Ngrr. wurde der neue Name pycá;n9. Ein nkr. Weinkru»· (ΚΥΜΙΗΚΊΟ aus dem (ίοην. Poltava. Abi). 70. Ein .,1 larmnel·· (ñapan) — nkr. Weinkruj;· aus dem Oouv. Poltava.
Tafel IV.
ΛΙιΙ). Us. Muster der nkr. Plachi a des Goiiv. Óernigov: u und h πιιιπτκιι, c ρ•/Kp.iin. — Λ1)1). 117. Sgrr. Khan aus dem Gouv. Voronez. Kreis Zeral'ansk, in einer Puse^reika. — Alili. 17!l. ükr. Ko|ifhinde. n('>im:ti;a. aus dem Gouv. Charkov.
Taîel
Y.
ΓΎ HB•DSU 9
^HSr {fr 0 % % A b b . 68 u n d 24(i.
Uki·. geflU'bto Ostereiei:
aus
Sfoi'od-Scversk.
(1cm
G o u v . Cei'iiigov,
Kreis
Nuv-
Zu Slavischer
Grundriß
tZelenin, Russische
Volkskunde)
Karte der russischen Stämme
Jmandrai\ \See
und Mundarten
in Europa
SchrgfiTert sind die Gebiete mit mehr als δ0% russischer Bevölkerung. We/äs sind die Gebiete mit mehr als SOX nicht-russischer Bevölkerung-
WESSES
Pçtroz.a vodsh, OKEOA ) ® ®\
. LADOGA
Oio/iec
Revat
Dorpat
Tolocok
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