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German Pages 257 [260] Year 1970
DE PROPRIETATIBUS LITTERARUM edenda curat C. H. VAN SCHOONEVELD Indiana University Series Maior, 5
ROMANTISCHE POESIE Begriff und Bedeutung bei Friedrich Schlegel von
RAIMUND BELGARDT Michigan State
University
1969 MOUTON THE HAGUE • PARIS
© Copyright 1970 in The Netherlands. Mouton & Co. N.V., Publishers, The Hague. No part of this book may be translated or reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm, or any other means, without written permission from the publishers.
LIBRARY OF CONGRESS CATALOG CARD NUMBER: 70-101965
Printed in The Netherlands by Mouton & Co., Printers, The Hague.
Meinen Eltern
ACKNOWLEDGMENTS
Unter dem Titel „Friedrich Schlegels Entwicklung des Begriffs .Romantisch'" hat ein Teil der vorliegenden Untersuchung im Sommer 1964 dem Department of Germanic Languages and Literature der University of Washington als Dissertation vorgelegen. Mein aufrichtiger und herzlicher Dank gilt allen Förderern dieser Arbeit, besonders Herrn Professor Raymond Immerwahr, unter dessen Anleitung die Dissertation entstand. Ohne die Arbeitshilfe und finanzielle Unterstützung, die mir durch die University of California, Los Angeles und Michigan State University großzügig gewährt wurden, wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Den Herren Prof. Dr. Eli Sobel, Los Angeles, und Prof. Dr. William N. Hughes, East Lansing, sei hier mein verbindlicher Dank ausgesprochen. Für das Mitlesen der Korrekturen habe ich Frau Anneliese Scheef und Prof. Dr. Wolfgang Mieder zu danken; Dr. Mieder auch für seine freundliche Hilfe bei der Herstellung des Registers. Addy, meiner Frau, danke ich für ihren unermüdlichen Beistand.
VORWORT
Von einer phänomenalen Wandlung in der Einschätzung Friedrich Schlegels zu sprechen, ist keine Übertreibung. Die Bemerkung eines Zeitgenossen, daß Schlegel „als ein höchst hirnloser und unzüchtiger Skribler verdientermaßen der allgemeinen Verachtung preisgegeben" werde, fand oft, wenn auch nicht in dieser extremen Form, ein lautes Echo. Heute ist es ganz verstummt. Unserer Zeit, in den Aussagen kompetenter Kritiker, gilt Schlegel als „einer der größten Kritiker aller Zeiten," als eine zentrale Gestalt der europäischen Geistesgeschichte und als eine Schlüsselfigur in der Entwicklung des modernen Geisteslebens. Seine Einsichten in die moderne Bewußtseinsgestaltung wie auch seine dichtungstheoretischen Äußerungen besonders in Hinsicht auf die Entwicklungsmöglichkeiten des Romans haben sich als erstaunlich gegenwartsnah erwiesen. Auf dem Gebiete der Literatur waren Schlegels Forschungsarbeiten durch das Verlangen bestimmt, die gesamte literarische Überlieferung als ein Ganzes zu erfassen, die Gesetzmäßigkeit ihrer Entwicklung zu erforschen und tiefere Einsichten in die Struktur großer Kunstwerke zu erlangen. Besonders die Erforschung der nachklassischen Dichtung führte Schlegel zu Erkenntnissen, die bei der Begründung der romantischen Poesie fruchtbar werden sollten. Diesen Begriff „romantische Poesie" stellt die vorliegende Arbeit in den Mittelpunkt der Untersuchung. Der Versuch gilt dem Nachweis der kontinuierlichen Entwicklung dieses Begriffes und dem Nachzeichnen seiner Bedeutungserweiterung, wie sich diese von der Frühzeit bis zu Schlegels letzten Lebensjahren vollzogen hat. Durch die 1957 begonnene Herausgabe von Schlegels umfangreichem Nachlaß ist ein solches Unternehmen ermöglicht worden. „Romantische Poesie" darf als ein Zentralbegriff gelten, unter dem Schlegel eine oft verwirrende Vielfalt an kritischen Ideen zur Erneuerung der Dichtkunst und „Poetisierung" des Zeitalters zusammengefaßt hat. Er steht in einem äußerst komplexen Bezugssystem zu einer Reihe von
10 Haupt- und Unterbegriffen, die einander ergänzen, erläutern und erhellen. Diesem poetologischen Bezugssystem gilt es nachzuspüren, sich verstehend zu nähern. Schlegel erwartete vom Leser, daß er das Verstehen verstehe. Seine kritischen Prinzipien äußern sich daher nicht als ein System dogmatischer Kategorien, sondern als „Spiel der Mitteilung und Annäherung", dem ein Bewußtsein der Unmöglichkeit und zugleich der Notwendigkeit einer vollständigen Mitteilung zugrundeliegt. „Absolute Vollendung ist nur im Tode"; aber die Bildung des kritischen Bewußtseins, die Bildung zur Freiheit der Selbstbestimmung können unendlich gefördert werden durch den dialogischen Verkehr der Menschen untereinander. Im „Gespräch", im Dialog sieht Schlegel die Möglichkeit, daß die menschliche Natur zu einem Verstehen ihrer selbst gelange, daß sich „der Mensch zur Menschheit" erweitere. Solche Prinzipien verlangen eine Form der kritischen Mitteilung, die sich allen herkömmlich-verbindlichen Kategorien gegenüber prüfend und offen verhält; oft sind das Paradox und die scheinbare UnVerständlichkeit die einzigen Mittel zur Äußerung dieser Prinzipien. Die paradoxe Struktur wie auch die „Unverständlichkeit" der kritischen Aussagen ein Stück des Weges zum Verstehen Friedrich Schlegels zu erhellen, ist der Zweck der vorliegenden Kapitel. Der Weg zu dieser Erhellung liegt im Erfassen und nachkonstruierenden Interpretieren von Schlegels Äußerungen über die „romantische Poesie". Dem weiteren, noch weithin unbeschrittenen Weg zum Verständnis der eigenartigen Struktur romantischen Denkens und Dichtens mögen diese Kapitel als eine analytische Vorarbeit gelten. East-Lansing, Michigan Oktober, 1969
Raimund Belgardt
INHALT
Acknowledgments
7
Vorwort
9
I. Einführung zu Friedrich Schlegel und dem Begriff „Romantische Poesie" II. Der Begriff in der Frühzeit (um 1795)
13 30
III. Die Frühe Berlin-Jena Zeit (1796-1798) Erster Teil: Der „absolute Roman" Zweiter Teil: Das „poetische Ideal" und die „romantische Poesie" (Ath.-Frgm. 116)
108
IV. Die späte Berlin-Jena Zeit (1799-1800)
131
V. Neuakzentuierungen des Begriffs nach 1800
66 66
183
VI. Der Realitätscharakter der „Romantischen Poesie"
208
Literaturverzeichnis
221
Namenregister
228
Sachregister
567
I EINFÜHRUNG ZU FRIEDRICH SCHLEGEL UND DEM BEGRIFF „ROMANTISCHE POESIE"
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist, Schlegels eigenem Denken über die romantische Poesie nachzuspüren. Dabei ist ein chronologisches Vorgehen geboten, weil sich bei der progressiven Denkart Schlegels die Bedeutung des Begriffs „romantische Poesie" von Jahr zu Jahr erweitert. Das Nachzeichnen dieser Bedeutungserweiterung, wie sie sich von der Frühzeit, etwa der Zeit des Studiumaufsatzes (1795) bis zu Schlegels letzten Lebensjahren vollzieht, ist, wie jede Begriffsuntersuchung bei Schlegel, mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Denn ständig hat dieser rastlose Denker seinen neuen geistigen Einsichten und erweiterten Lebenserfahrungen gemäß seine Meinungen variiert und weiterentwickelt, ohne sie jedoch dermaßen zu ändern, daß er jemals frühere Ansichten hätte verwerfen müssen. Wie Karl Konrad Polheim in seinen „Studien zu Friedrich Schlegels poetischen Begriffen" feststellt: „[Schlegels] Altersanschauungen sind schon in seiner Jugend angelegt, wie andererseits die Forderungen der Jugend im Alter weiterwirken."1 Dies Erkennen der ungebrochenen Kontinuität der geistigen Entwicklung Friedrich Schlegels ist wohl die bedeutendste Errungenschaft der Friedrich Schlegel-Forschung des letzten Jahrzehnts. Als 1928 der Altmeister dieser Forschung die Forderung aufstellte: „Die Erkenntnis und Anerkennung der ungebrochenen (nicht homogenen) Einheit von Friedrich Schlegels seelisch-geistiger Existenz ist Voraussetzung und Grundlage aller ersprießlichen Forschung" 2 , verhallten diese Worte ungehört. Erst in neuester Zeit ist die Einheitlichkeit der Schlegelschen Gedankenwelt erwiesen worden; neben Polheim auch von Richard Brinkmann3 und Klaus Briegleb4 und besonders verdienstvoll von den 1
K. K. Polheim, „Studien zu Friedrich Schlegels poetischen Begriffen", DVLG, XXXV (1961), 365. 2 Josef Körner, „Das Problem Friedrich Schlegel", GRM, XVI (1928), 292. 3 R. Brinkmann, „Romantische Dichtungstheorie in Friedrich Schlegels Frühschriften und Schillers Begriffe des Naiven und Sentimentalischen - Vorzeichen einer Emanzipation des Historischen", DVLG, XXXII (1958), 344-371. * K. Briegleb, Ästhetische Sittlichkeit - Versuch über Friedrich Schlegels Systement-
14
EINFÜHRUNG ZU FRIEDRICH SCHLEGEL UND „ROMANTISCHE POESIE"
drei Herausgebern der neuen Kritischen Friedrich-Schlegel-Ausgabe,5 Ernst Behler, Hans Eichner, Jean-Jaques Anstett, sowohl in Einzelstudien als auch in den wertvollen Einführungen und Kommentaren zu den von ihnen herausgegebenen Bänden. Den Arbeiten dieser Forscher ist die vorliegende Untersuchung mannigfach verpflichtet. Entscheidend gefördert wurde diese Erkenntnis des inneren Zusammenhangs aller Schriften Schlegels durch die 1956 einsetzende Herausgabe seines umfangreichen Nachlasses,6 der 12 von den 22 Bänden der neuen SchlegelAusgabe umfassen wird.7 Die frühere Unzugänglichkeit von mehr als der Hälfte der Schriften ist wohl der Hauptgrund für die vielen Mißdeutungen und Fehlurteile in der Schlegel-Forschung und für den Vorwurf der Verworrenheit, Inkonsequenz und Zusammenhangslosigkeit der schriftlichen Äußerungen Schlegels. Nur aus der Unkenntnis der zahlreichen Notizen zur romantischen Poesie, aus denen sich das 116. Athenäumfragment, die umfassendste und systematischste Äußerung zur romantischen Poesie, herauskristallisiert hat, ist zum Beispiel Paul Reiffs Meinung zu erklären, daß dies Fragment „so chaotisch und wieder so nebelhaft" sei, „daß es schwer fallen dürfte, einen ungereimteren Schwulst zu finden." Was Schlegel hier zustande gebracht habe, sei „eine lose wurf zur Begründung der Dichtungskritik (Hermaea, neue Folge, 12. Bd.), (Tübingen 1962). 5 Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, hrsg. von Ernst Behler unter Mitwirkung von Jean-Jaques Anstett und Hans Eichner (München, Paderborn, Wien 1958 ff.). Soweit diese Ausgabe bis jetzt (Sommer 1966) vorliegt wird nach ihr zitiert unter der Abkürzung KA. Bereits erschienen sind 1) als kritische Neuausgabe Bd. IV: Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst, hrsg. von H. Eichner (1959); Bd. V: Dichtungen, hrsg. von H. Eichner (1962); Bd. VI: Geschichte der alten und neuen Literatur, hrsg. von H. Eichner (1961); Bd. VII: Studien zur Geschichte und Politik, hrsg. von E. Behler (1966); 2) als „Schriften aus dem Nachlaß" Bd. XI: Wissenschaft der europäischen Literatur, hrsg. von E. Behler (1958); Bd. XII: Philosophische Vorlesungen (1800-1807), Erster Teil, hrsg. von J.-J. Anstett (1964); Bd. XIII: Philosophische Vorlesungen (1800-1807), Zweiter Teil, hrsg. von J.-J. Anstett (1964); Bd. XIV: Vorlesungen über Universalgeschichte (1805-1806), hrsg. von J.-J. Anstett (1960); Bd. XVIII: Philosophische Lehrjahre (1796-1806), Erster Teil, hrsg. von E. Behler (1963). 6 Einige kleinere Aufsätze und Fragmente zuerst von Behler herausgegeben in: Friedrich Schlegel, Schriften und Fragmente - Ein Gesamtbild seines Geistes (Kröners Taschenbuchausgabe Band 246) (Stuttgart 1956). Eichner machte dann Schlegels „Fragmente zur Literatur und Poesie" und „Ideen zu Gedichten" von 1797 bis 1801 zugänglich: Friedrich Schlegel, Literary Notebooks (University of London: The Athlone Press 1957). Weitere „Schriften aus dem Nachlaß" erscheinen in der zweiten Abteilung (Bände 11-22) der 1958 begonnenen Kritischen Friedrich-SchlegelAusgabe. 7 Wobei noch zu beachten ist, daß Schlegels handschriftlicher Nachlaß größtenteils verschollen ist. Vgl. E. Behler, „Der Stand der Friedrich Schlegel-Forschung", Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft, I (1958), 253.
EINFÜHRUNG ZU FRIEDRICH SCHLEGEL UND „ROMANTISCHE POESIE"
15
Aneinanderreihung alles dessen, was ihm augenblicklich als poetisch wertvoll" erschienen sei. Das Fragment enthalte somit keine Definition der romantischen Poesie sondern „vielmehr untereinander teilweise gänzlich zusammenhanglose Einzelvorstellungen und Einzelmerkmale"8. Solche abwegigen Vorstellungen von einer vermeintlich so verworrenen, nebelhaften und chaotischen Denkart waren immer wieder Anlaß zu dem Urteil, die Bemühungen Schlegels um eine neue Literatur seien im Grunde fehlgeschlagen und sein Denken sei auf die geistesgeschichtliche Entwicklung ohne Einfluß geblieben. Aber wie Ernst Robert Curtius schon 1932 schrieb, sei kein „großer Autor unserer Blütezeit... so mißverstanden, ja so böswillig verleumdet worden" wie Friedrich Schlegel.9 So heißt es beispielsweise in einem Aktenstück vom 9. Januar 1816 im „Archiv der Obersten Polizei- und Censur-Hofstelle" zu Wien, daß Schlegel „als ein höchst hirnloser unzüchtiger Skribler verdienter Maßen der allgemeinen Verachtung Preis gegeben" werde.10 Um so erfreulicher ist es, heute auf Stimmen hinweisen zu können, die von der eindeutigen Größe Schlegels und seiner Bedeutung gerade für unsere Zeit künden. Behler bezeugt in seinem Aufsatz „Friedrich Schlegels Theorie der Universalpoesie", daß Schlegel nichts weniger als eine „neue Geistlehre" begründet und dadurch einen „neuen Einblick in die Tätigkeit des menschlichen Verstandes" ermöglicht habe. Das Bedeutsame dieser Geistlehre sei "die geschichtliche Erfassung der einzelnen Systeme". Und Schlegels größte Leistung in diesem Zusammenhange sei „die erste Weltgeschichte und Weltansicht der poetischen Vernunft", wie sie sich in den verschiedenen Künsten geschichtlich manifestiert hat. In Schlegels Literaturgeschichte sei „das universalhistorische Bewußtsein zum erstenmal erwacht" und „ein plastisches Gemälde der europäischen Literatur von Homer bis Goethe" entstanden, „bei dem im genialen Wertfühlen die markantesten Säulen des weltliterarischen Zusammenhanges schon in die Rangordnung gesetzt sind, die bis heute unsere Ansicht der europäischen Literatur bestimmt hat". 11 Auch Eichner kommt zu dem Schluß, daß sich die von Schlegel „entwickelte literarhistorische Methode" und der „von ihm aufgestellte Kanon zu einem 8 P. Reiff, Die Ästhetik der deutschen Frühromantik, hrsg. von Theodor Geissendörfer (Illinois Studies in Language and Literature, XXXI) (Urbana 1946), 125. 9 E. R. Curtius, Kritische Essays zur europäischen Literatur, 2. Aufl. (Bern 1954), 86. 10 Jacob Bleyer, Friedrich Schlegel am Bundestage in Frankfurt (München und Leipzig 1913), 18. 11 E. Behler, „Friedrich Schlegels Theorie der Universalpoesie", Jahrb. der dt. Schillergesellschaft, I (1957), 226 und 236.
16 EINFÜHRUNG ZU FRIEDRICH SCHLEGEL UND „ROMANTISCHE POESIE"
erstaunlichen Grade bewährt" habe und daß wir bei dem gegenwärtigen Bemühen, die europäische Literatur wieder als Ganzheit zu erfassen, Nachfahren Friedrich Schlegels seien.12 Zwei dieser größten Nachfahren auf dem Gebiete der vergleichenden Literaturwissenschaft sind wohl Ernst Robert Curtius und René Wellek. Ihr Zeugnis von der überragenden Bedeutung Friedrich Schlegels für die heutige Literaturwissenschaft entspringt einer geistigen Affinität, die auf einem ähnlichen Bemühen um die Wertung der gesamten europäischen Literaturüberlieferung beruht. Wie Schlegel sieht auch Curtius, mehr als hundert Jahre nach Schlegels Tode, in Homer den „Gründerheros der europäischen Literatur" und in Goethe ihren letzten Autor. Auch spricht Curtius wie Schlegel von der „Wissenschaft der europäischen Literatur", deren Erforschung nur durch „eine historisch und philologisch verfahrende Literaturwissenschaft" gelingen könne.13 Gerade in diesem Verfahren erwies sich nun Friedrich Schlegel als Meister und gilt daher mit Recht als eigentlicher „Vater" der modernen Kritik.14 Wellek nennt ihn „einen der größten Kritiker aller Zeiten", und faßt seine Bedeutung in den Worten zusammen : The early writings of Friedrich Schlegel... are of the greatest significance both for the history of romanticism and a general history of criticism. . . . he was also the author of a critical theory which anticipates many of the most urgent interests of our own time. In Friedrich's theory of the romantic there were contained and implied theories of irony and myth in literature and the novel which are pertinent even today. Moreover, Friedrich Schlegel reflected on the theories of criticism, interpretation, and literary history so fruitfully that he can be claimed as the originator of hermeneutics, the theory of .understanding' which was later formulated by Schleiermacher and Boeckh and thus influenced the whole long line of German theoreticians of methodology. These are solid claims to fame, to which we must add Friedrich's pioneering work in Indie philology and philosophy and his wide-ranging historical and practical criticism of Goethe and Lessing, Homer, Camoes, Boccaccio, and many other writers of almost all ages and nations.15 12 Friedrich Schlegel, Geschichte der alten und neuen Literatur, hrsg. von H. Eichner, „Einleitung", XLVII ( = Bd. VI der KA). 13 E. R. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter (Bern 1948), 23. Wissenschaft der europäischen Literatur ist der Titel des 11. Bandes der KA. 14 Vgl. Eichners Begründung dieses in fast allen Literaturgeschichten wiederholten Urteils und die Würdigung von Schlegels ungewöhnlicher Leistung gegenüber den „teils chronologisch, teils systematisch geordneten Materialsammlungen", die sich vor Schlegel als Literaturgeschichte ausgaben. Eichner, „Einleitung", X X X ff., Bd. VI der KA. 15 R. Wellek, The Romantic Age (New Haven: Yale University Press 1955), 35 and 5 f. ( = Band 2 von A History of Modem Criticism: 1750-1950).
EINFÜHRUNG Z U FRIEDRICH SCHLEGEL U N D „ROMANTISCHE POESIE"
17
Alle diese Forschungsarbeiten, besonders die Erforschung der „europäischen Literatur", waren für Schlegel immer ein Suchen nach der „Quelle objektiver Gesetze für alle positive Kritik", nach dem „Mittelpunkt" des Ganzen. „Dieser Mittelpunkt ist der Organismus aller Künste und Wissenschaften, das Gesetz und die Geschichte dieses Organismus" (M II, 424).16 Im Folgenden wird dargelegt werden, wie diese Suche nach der „Quelle objektiver Gesetze" immer weitere Kreise schlägt, wie sich Schlegel bemüht, die nachklassische Dichtung als ein zusammenhängendes Ganzes zu erfassen, das Gesetz und die Geschichte ihrer Entwicklung zu erforschen, um dann ihren weiteren Verlauf durch eine „divinaterische Kritik" (M II, 221) zu bestimmen. Die so bestimmte Dichtung ist die neue romantische Poesie, welche es zu begründen gilt. Als ebenso modern wie Schlegels Versuche, die europäische Literatur als Ganzheit zu erfassen, gelten heute auch seine poetologischen Interessen, sein Bemühen, tiefere Einsichten in die Struktur des neuzeitlichen Kunstwerks zu erlangen und seine Gesetzmäßigkeit zu erforschen. In dieser Hinsicht nennt Erich Heller Schlegel „einen genialischen Rutengänger im Bereich zukünftiger Wahrscheinlichkeiten der Literatur" und ein „vorausahnendes Genie". Der bloße Zufall historischer Zeitenfolge habe Thomas Mann um seinen enthusiastischsten Kritiker gebracht. In Thomas Manns Werken seien die Forderungen Schlegels an den Roman, das Universalkunstwerk der Romantik, realisiert worden: die Verbindung der Reflexion mit der Ursprünglichkeit der schöpferischen Phantasie, die scheinbar unmögliche Verkörperung von Ideen und die Auflösung der als das unausweichliche Los der modernen Literatur empfundenen Spannung zwischen dem Einzigartigen und dem Typischen, dem Singulären und dem Allgemeingültigen, dem Interessanten und dem Mythischen.17 Auch Ludwig Pesch erkennt, wie nahe Schlegels ästhetische Erörterungen den Kunstverhältnissen der Gegenwart stehen. „Romantik" bedeute für Schlegel (und Novalis) „einmal wörtlich die neue Kunstrichtung des universellen Romans, sodann die Gesamtheit der revolutionären, ideellen und formalen Prinzipien, die im Roman sich offenbaren sollen." Und allgemein formuliert er: „Es gibt kein ästhetisches System, das sich an Kühnheit und ,Modernität' mit dem der Jenaer Romantiker messen 16 Friedrich Schlegel, Seine prosaischen Jugendschriften, hrsg. von Jakob Minor 2 Bände (Wien 1882), II, 424. Im Folgenden abgekürzt als M I und M II. 17 E. Heller, Thomas Mann - Der ironische Deutsche (Frankfurt a.M. 1959), 213 f.; 218; 229; 243; 257. Vom Autor neu geschriebene und wesentlich erweiterte Fassung der englischen Originalfassung: The Ironie German - A Study of Thomas Mann (London 1958).
18 EINFÜHRUNG ZU FRIEDRICH SCHLEGEL UND „ROMANTISCHE POESIE"
könnte und wie dieses die Kunst der Moderne . . . in ihren irrationalen und konstruktivistischen Tendenzen, zu entschlüsseln und zu begründen vermöchte." 18 So ist man sich in den letzten Jahren des unerschöpften Reichtums des Schlegelschen Werkes bewußt geworden, und erst heute beginnt man, den komplexen Geist dieses „vorausahnenden Genies" in seinem ganzen Ausmaße zu begreifen. Diese Modernität und eine dementsprechende Kompliziertheit seiner Denkweise sind es, die die meisten seiner Schriften zu mehr als hundertjähriger Vergessenheit oder zu den unglaublichsten Vor- und Fehlurteilen verdammten. Wurde Schlegel oft Faulheit und Verfettung, sowohl körperliche als auch seelische, vorgeworfen,19 so gilt er heute auf Grund des angesammelten Materialreichtums, den die Erforschung seines Nachlasses zutage gefördert hat und zu dessen Verarbeitung sein ganzes weiteres Leben nicht genügt hätte, auch als ein sehr fleißigef Schriftsteller, der mitten in der Arbeit an einer am folgenden Tage zu haltenden Vorlesung einen Herzanfall erlitt. Er verfaßte zahlreiche Arbeiten zur Literaturwissenschaft, zur Historie, Staatstheorie und Theologie; Studien zur Kunst, Sprache, Poetik und Literaturkritik, die auf allen diesen Gebieten Erstmaliges leisteten und aufs fruchtbarste deren weitere Erforschung anregten, und die außerdem noch, wie seine nicht zu vergessenden Dichtungen, in einem unlösbaren Zusammenhang mit seiner philosophischen Ideenwelt stehen.20 Mitten in der Glanzzeit des deutschen Idealismus scheut er sich nicht gegenüber den überwältigend mächtigen Systemgeburten Fichtes, Schellings und Hegels seine eigene Lebens- und Existenzphilosophie zu entwickeln, „eine neue Art von Philosophie, die damals noch niemand ahnte, die erst das 20. Jahrhundert gelten lassen sollte".21 Und schon mit einundzwanzig Jahren schickt er sich an, „Kantische Vorlesungen zu halten" und will ein Jahr später seine Kantkritik erweitern zu einer „Ergänzung, Berichtigung und Vollendung der Kantischen Philosophie".22 So untersucht, kritisiert und überwindet der ständig progressierende 18
L. Pesch, Die romantische Rebellion in der modernen Literatur und Kunst (München 1962), 34 und 59. 19 E. R. Curtius hat diese Vorwürfe einmal zusammengestellt und deren Unsinnigkeit ironisch herausgestellt. Vgl. Kritische Essays zur europäischen Literatur, 2. Aufl. (Bern 1954), 86 f. 20 Vgl. E. Behler, „Einleitung" zu Band XVIII der KA„ IX. 21 Josef Körner, „Friedrich Schlegels philosophische Lehrjahre", in: Friedrich Schlegel, Neue Philosophische Schriften, hrsg. von J. Körner (Frankfurt a.M. 1935), 4. 22 Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm, hrsg. von Oskar Walzel (Berlin 1890), 174; 210 f.
EINFÜHRUNG ZU FRIEDRICH SCHLEGEL UND „ROMANTISCHE POESIE"
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Geist Schlegels System auf System, so daß er 1815 vermerkt: „Das Merkwürdige in der neudeutschen Philosophie ist, daß die einzelnen Individuen den ganzen Zyklus der Systeme in aufsteigender Linie durchlaufen haben". Und er nennt Novalis, Schelling und sich; Fichte sei im halben Idealismus stehengeblieben.23 Friedrich Schlegel hat nie Grund zum Stillstand gefunden. In rastloser Arbeit erfaßt er immer mehr Wissensgebiete und entwickelt sich sein Geist immer weiter und wird sein Verstand immer reifer. Aus diesen Gründen ist es nur allzu einleuchtend, „daß jede Phase und jede Schrift wichtig ist für das Verständnis eines Denkers, dessen Wesen in der .Progression' liegt".24 Da nun Schlegels Werk „trotz der zwei Gesamtausgaben zum großen Teil ungedruckt" blieb, sind die „Gegensätzlichkeiten und Widersprüche zwischen seinen Interpreten" größtenteils auf eine „ungenügende Bekanntschaft mit den Schriften Schlegels zurückzuführen". Und selten kennten „die Resultate der geistesgeschichtlichen Forschung solche Differenzen wie in diesem Fall". Diesen Mißstand faßt dann Behler in die Worte: „Mit einem Wort, bei Schlegel wurde der Grundsatz der Philologie mißachtet: Zuerst der Text, dann die Interpretation; oder um es in seiner Sprache zu sagen: die philosophische Philologie, die Hermeneutik und die ,ars combinatoria1, kann erst beginnen, wenn die philologische Philologie, die Restitution des Textes, den Boden bereitet hat." 25 Die Restitution des Textes, worauf sich diese Arbeit zum großen Teile stützt, begann 1957 mit Eichners Herausgabe von Schlegels Notizheften zur Literatur und Poesie aus den Jahren 1797-1801.26 Der weithin unsystematische Charakter des Schlegelschen Textes und seine sich ständig erweiternde und vertiefende Progressivität bedingen die Methode dieser Arbeit: engste Anschließung an den Text und chronologisches Vorgehen. Auch sonst bietet dieser Text noch ungewöhnliche Schwierigkeiten, da bei jeder Äußerung über Poesie z.B. noch philosophische, ästhetische, ethische, moralische, soziologische, geschichtliche und theosophische Überlegungen mitschwingen. Schon Windischmann stellte fest, daß „selbst seine Poesie, gerade in der höchsten Begeisterung philosophischen Tiefsinn atmet, ja oft einen gedankenvoll metaphysischen Charakter h a t . . ,"27 Und schließlich erfüllte Friedrich Schlegel auch, was er von 23 Friedrich Schlegel, Philosophische Vorlesungen aus den Jahren 1804 bis 1806. Nebst Fragmenten vorzüglich philosophisch-theologischen Inhalts, hrsg. von C. I. H. Windischmann (Bonn 1837), II, 486. 24 E. Behler, „Stand der Schlegel-Forschung", 253. 25 Ibid. 26 Vgl. Anm. 6 27 Windischmann, Schlegels philosophische Vorlesungen, II, 545.
2 0 EINFÜHRUNG ZU FRIEDRICH SCHLEGEL UND „ROMANTISCHE POESIE"
einem freien und gebildeten Menschen forderte: „Ein recht freier und gebildeter Mensch müßte sich selbst nach Belieben philosophisch oder philologisch, kritisch oder poetisch, historisch oder rhetorisch, antik oder modern stimmen können, ganz willkürlich, wie man ein Instrument stimmt, zu jeder Zeit, und in jedem Grade." 28 Auch hielt Schlegel es kaum für nötig, besonders in seinen frühen Äußerungen über Poesie, mit denen wir es größtenteils zu tun haben, die Entwicklung seiner Gedanken mitzuteilen. Im Gegenteil! Früher Erarbeitetes wird noch zugespitzt und dann in die späteren Äußerungen eingebaut. Daher die Fülle an Assoziationen, die in jeder seiner Äußerungen steckt. Und wegen dieser Verschlingung der Gedanken führt jede Untersuchung nur eines der Begriffe mehr oder weniger in das nicht minder verschlungene Gesamtwerk hinein. Polheim spricht in seiner Untersuchung des Adjektivs „arabesk" von dem „Gestrüpp der Schlegelschen Äußerungen" und davon, daß man unvermeidlich „vom Hundertsten ins Tausendste" komme. Sehr sinnvoll hat daher auch Polheim seiner Studie als Motto Schlegels Äußerung vorangestellt: „Überhaupt hängen die verdammten Dinger so zusammen."29 Der Forderung: „Zuerst der Text, dann die Interpretation", muß daher auch unsere Arbeit folgen. Die Tausende von Gedankensplittern, die auf den Begriff „romantische Poesie" Bezug haben, müssen zusammengetragen werden, um die längeren, relativ zusammenhängenderen Äußerungen darüber zu erklären, erläutern, ergänzen und wechselseitig zu erhellen. Das muß für jede seiner Entwicklungsstufen getan werden, um die Bedeutung des Begriffes „romantische Poesie" und seiner vielen Unterbegriffe erst in der jeweiligen geistigen Epoche zu erfassen. Dann kann der Entwicklung des Begriffes von einer Stufe zur andern nachgegangen werden, um schließlich die Einheitlichkeit in der dauernd fortschreitenden sowohl extensiven als auch intensiven Erweiterung des Begriffes herauszustellen. Da es also in erster Linie Schlegels Äußerungen über die romantische Poesie zu erfassen gilt und diese ein Geflecht von bedeutendem Ausmaße sind, müssen sowohl die Hinweise auf die Einflüsse literaturund philosophiegeschichtlicher Art von Vorläufern und Zeitgenossen Schlegels als auch die Hinweise auf die Anwendung der von Schlegel entwickelten mit dem Romantischen zusammenhängenden Begriffe in 28
M II (Vgl. Anm. 16), 191 (Lyceumsfragment 55). Die Lyceumsfragmente werden nach der Ausgabe M II, 133-202 zitiert, und zwar unter der Abkürzung Lyc.-Frgm. und nach der von Minor durchgeführten Numerierung. 29 K. K. Polheim, „Studien zu Friedrich Schlegels poetischen Begriffen", DVLG X X X V (1961), 397.
EINFÜHRUNG ZU FRIEDRICH SCHLEGEL UND „ROMANTISCHE POESIE" 21
seinen praktischen Kritiken auf ein Minimum beschränkt werden. So ist diese Arbeit eine nachkonstruierende Interpretation des Begriffes „romantische Poesie" und dazugehöriger untergeordneter Begriffe, wie sie in dem Aufsatz „Über das Studium der griechischen Poesie",30 dem Kernstück von Schlegels Frühschriften, erscheinen und sich unter Aufnahme noch weiterer Begriffe bis hin zur Überarbeitung seiner Werke (1822) entwickeln, wobei die Terminologie Schlegels so weit wie möglich beibehalten werden soll. Schlegels philosophische Schriften werden nur hinzugezogen, wenn es zur Definition einiger Begriffe notwendig erscheint. Die alle Kapitel übergreifenden Problemkreise sind die folgenden: 1. Der Begriff „romantische Poesie" als literaturhistorischer Stilbegriff zur Bezeichnung der verschiedenen europäischen Literaturen zur Zeit des Mittelalters und der Renaissance. 2. Die Ableitung romantischer Stilkriterien aus den Werken und Dichtern dieser Epoche. 3. Die Bestimmung des Romantischen als ein Element aller Poesie. 4. Die verschiedenen unter dem Begriff des Romantischen stehenden Versuche, Elemente aus mehreren Literaturen und Geistesepochen zur Grundlage einer neuen romantischen Poesie in Deutschland zu synthetisieren. 5. Das Aufstellen von Vorbildern, Zentren und „Mittelpunkten", die für den Dichter und sein Zeitalter verbindlich und die Grundlage sein sollten für die Konstituierung einer das ganze Zeitalter reformierenden und verjüngenden neuen romantischen Poesie. Bald wendet sich Schlegel dem einen, bald dem anderen Problemkreis zu, immer mit erweiterten Kenntnissen und stärkerem Bemühen, die objektiven Gesetze für die neu zu begründende Poesie zu finden. So gibt es für Schlegel eine Pluralität von Zentren, die jedoch nicht nur nacheinander durchlaufen werden, sondern durch seine progressiv-zyklische Denkweise später wieder ganz oder teilweise ergriffen werden. So wird beispielsweise im Jahre 1797 der Roman als das Zentrum definiert, welches das ganze Zeitalter zu einem einheitlichen Weltbild verbinden soll; 1798 wird die romantische Poesie als das Zentrum proklamiert, doch nimmt sie alle Eigenschaften des Romans in sich auf; und wenn 1799 die Mythologie zum Mittelpunkt des Zeitalters werden soll, dann heißt es direkt, daß die romantische Poesie und die Mythologie dasselbe 30
Friedrich Schlegel, „Über das Studium der griechischen Poesie", M I , 87-178. Wird abgekürzt als Studiumaufsatz.
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wären und daß der Roman in Mythologie übergehen solle. Und nach 1800 ist es schließlich die „Enzyklopädie", die das neue universale Weltbild darstellen soll und die Schlegel in der Form seiner Vorlesungen auch tatsächlich vorlegt. Da also allen diesen Zentren im Wesentlichen derselbe Zweck, nämlich das ganze Zeitalter in einem einheitlichen Weltbild zu erfassen, zugrunde liegt, werden bei der Diskussion dieser aufeinanderfolgenden Zentren Wiederholungen mitunter unvermeidlich sein. Gleich zu Beginn, d.h. schon im Studiumaufsatz, wird die Perspektive gesetzt, innerhalb der das romantische Programm abrollt: die griechische Poesie als ewiges Vorbild, die phantasielose Dürftigkeit der Modernen, die während der romantischen Epoche einen verheißungsvollen Beginn hatte, und die Verkündung der erhabenen Bestimmung für eine neue noch zu begründende Literatur durch Revitalisierung der guten Eigenschaften der älteren romantischen Poesie und durch eine ästhetische Revolution. Durch eine irreführende These habe sich die Forschung ein Hindernis auf dem Wege zur Erklärung des Studiumaufsatzes vor den Text gestellt, so stellt Klaus Briegleb richtig fest. „Es ist die These von der einschneidenden Veränderung der Grundbegriffe eines frühen .klassizistischen' durch einen ,romantischen' Friedrich Schlegel."31 Der Versuch, dieses Hindernis zu beseitigen, soll im nächsten Kapitel dieser Arbeit unternommen werden. Der Roman, dessen Erforschung sich Schlegel 1797 zuwendet, soll diese ästhetische Revolution bewirken und Träger des romantischen Programms zur Literatur- und Kulturerneuerung werden. Das Phantastische, Sentimentale und Mimische erkennt Schlegel als die Hauptbestandteile des Romans, und aus ihrer Verbindung konstruiert er zu dieser Zeit das „poetische Ideal" (ß 735).32 Ein Jahr später hat sich der Begriff des Romans zu der allumfassenden romantischen Poesie erweitert, die das ganze Zeitalter zu einer progressiven und poetischen Einheit zusammenfassen will. Unterbegriffe des Romantischen wie Progressivität, Univer31
Kl. Briegleb, Ästhetische Sittlichkeit, 12. E = Abkürzung für H. Eichners Ausgabe der literarischen Notizhefte Schlegels (Literary Notebooks, vgl. Anm. 6). D a Fr. Schlegels Eintragungen von Eichner in seiner Ausgabe fortlaufend numeriert worden sind, wird im Folgenden nur die Eintragenummer angegeben. Über die Zeit des Entstehens informiert folgende von Eichner aufgestellte Tabelle (vgl. „Introduction", S. 15). Es entstanden: 1797 Nr. 1 bis kurz vor 1000 1798 1000-1513 1799 1514-1826 1800 1827-2121 1801 2122-2191 32
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salität, Freiheit und Willkür, Ironie und künstlerische Reflexion, endlose Reflexionsspiegelung, Durchbildung der inneren Unendlichkeit wollen auf dieser Stufe im Zusammenhange interpretiert werden. Die Erkenntnis, daß das Höchste unmöglich durch bloße Reflexion erkannt werden könne, führt Schlegel dann zur Konstituierung einer neuen Mythologie als Zentralzentrum für sein Zeitalter. Möglichkeiten dieser neuen Mythologie und ihre Entstehungsbedingungen aus Idealismus, Pantheismus, moderner Physik gilt es hier zu untersuchen und Schlegels Auffassung von Symbolik und Allegorik zu bestimmen. Es wird sich zeigen, wie das Dasein des Menschen, die Rätsel des Lebens und der Welterscheinung immer die Hauptanliegen bei jeder Verkündung eines neuen „Mittelpunktes" bleiben bis hin zum letzten Zentrum, wo das Romantische schließlich das christliche Liebesgefühl bedeuten und in christlicher Natur-, Welt- und Lebenssymbolik ausgedrückt werden soll, nachdem Schlegel den Schritt vom anthropomorph verstandenen Göttlichen zu einer christlichen Gottesvorstellung gemacht hatte. Auch wird sich die Gelegenheit bieten zu verfolgen, wie Schlegel, manchmal mit genialer Einseitigkeit, alle vier Weltgegenden nacheinander als Quellen des Romantischen erklärt, die seine neue romantische Poesie befruchten sollen. Noch großartiger sind die Welt- und Zeiträume überbrückenden Versuche zu Synthesen, um in unromantischer Zeit auf heimatlichem Boden die romantische Poesie zu begründen. So wird diese Untersuchung in verschiedene Richtungen führen, denn es gilt viele Zentren aufzusuchen und zu erklären. Doch soll bei den Übergängen von dem einen zum anderen immer auf die Kontinuität der Entwicklung hingewiesen werden; besonders sollen die Übergänge von Kapitel zu Kapitel auf den zusammenhängenden Charakter aller Bemühungen Schlegels um die Neubegründung einer das ganze Zeitalter verjüngenden romantischen Poesie herausstellen. Es sind Versuche, „das Höchste für den Menschen zu verkünden, oder den Menschen zum Höchsten, Unendlichen zu erheben" und „das Leben wieder poetisch zu gestalten", wie Schlegel gelegentlich von Dante sagt, den er als den größten Gestalter menschlicher Anliegen am Anfange der älteren romantischen Poesie betrachtet (KA XI, 149 f.).33 Dies ist nun Schlegels zentrales Anliegen, welches die verschiedenen, oft scheinbar zusammenhangslosen Äußerungen über die romantische Poesie zu einer Einheit verbindet. Denn - wie es einmal von der Mythologie ausdrücklich heißt, daß Menschheit ihr Zentrum sei (KA XVIII, 33
KA = Abkürzung für die Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe (Vgl. Anm. 5).
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350) - ist Anlaß und Zentrum aller ernsten Bemühungen Schlegels immer die Menschheit. Weil also Schlegel seine Ästhetik unter engstem Anschluß an das oft paradoxe und unerschöpfliche Leben entwickelt, ist ihm das Aufstellen bestimmter Regeln und fester Systeme aufs tiefste verhaßt. Weil Schlegel vor allem den universalen Zusammenhang, weil er die Fülle des Lebens als ein dauerndes Werden umfassen und begreifen will,34 ist ihm ein schematisches System gleichbedeutend mit lebenswidriger Einseitigkeit, Erstarrung und Tod. „Wehe dem Kenner, der sein System mehr liebt als die Schönheit, wehe dem Theoristen, dessen System so unvollständig und schlecht ist, daß er die Geschichte zerstören muß, um es aufrecht zu erhalten", so warnt Schlegel schon 1796 vor starrem Systemglauben. 35 Eine Definition aus demselben Jahre lautet: „System ist eine durchgängig gegliederte Allheit von wissenschaftlichem Stoff, in durchgehender Wechselwirkung und organischem Zusammenhang", wobei „Allheit eine in sich selbst vollendete und vereinigte Vielheit" bedeutet (KA XVIII, 12). System ist also keine formale Kategorie, sondern ein sehr weitgefaßter Begriff, der aus der Anschauung des jeweiligen „Ganzen" hervorgegangen ist, wobei das Ganze als nur lose Gliederung der verschiedensten Einzelphänomene zu verstehen ist. Das Universum wäre z.B. in diesem Sinne ein System, obwohl es die mannigfaltigsten und widerspruchvollsten Phänomene umfaßt. Ein Kunstwerk wäre ein „System", wobei dann aber das Systematische wesentlich in der Vereinigung des Gegensätzlichen zu sehen ist, in der „reizenden Symmetrie von Widersprüchen", in der „künstlich geordneten Verwirrung", wie sie Schlegel in den Werken des Cervantes und Shakespeare bewundern gelernt hat (M II, 361). Ein derartiges „System" ist nun auch Schlegels romantische Poesie. Ihr Wesen ist das Romantische, so könnte man tautologisch formulieren. Doch liegt dies Wesen des Romantischen, wie gezeigt werden soll, auch Schlegels Konzeption des Romans und der Mythologie zugrunde. Was ist aber nun das Wesen des Romantischen? Schlegel läßt keinen Zweifel darüber, wenn er 1797 erklärt: „Der romantische Imperativ fordert die Mischung aller Dichtarten. Alle Natur und alle Wissenschaft soll Kunst werden. - Kunst soll Natur werden und Wissenschaft" (E 582). Und die 34
Vgl. zum Beispiel KA XII, 42; 334-335, u.ö. und E. Behlers Schriften: „Friedrich Schlegels Theorie der Universalpoesie", besonders S. 230; „Friedrich Schlegels geistige Gestalt", Einleitung zu: Schriften und Fragmente (Vgl. Anm. 6); seine Einleitung zu KA XVIII; und „Der Wendepunkt Friedrich Schlegels", Philosophisches Jahrb. der Görresgesellschaft, 64 (1956), 245-271. 35 Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm, hrsg. von Oskar F. Walzel (Berlin 1890), 263.
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„Idee" des Romans, dessen Bestimmung es zu dieser Zeit ist, das Wesen des Romantischen zur Gestaltung zu bringen, sei ein „Maximum von Mischung" (E 824). Ohne weiteres ist aus diesen Zitaten, deren volle Bedeutung erst weiter unten herausgestellt werden kann, ersichtlich, daß das Wesen des Romantischen Mischung und Vermittlung ist. Was Schlegel unter der Idee des Romans, der romantischen Poesie und der Mythologie zusammenfaßt, sind nichts anderes als Definitionen dieser Begriffe „Mischung" und „Vermittlung". Z.B. heißt es von der Mythologie: „In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigentümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode wenn ich so sagen darf" (M II, 361). Eine Methode also, die sich in dauernden Verwandlungen, Anbildungen und Umbildungen gefällt, die sich gegen jede vorzeitige Fixierung verwahrt und sich das Recht auf neue Mischungen vorbehalten will. „Denn das ist der Anfang aller Poesie", wie Schlegel betont, „den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Fantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen", wofür bis jetzt die alte Mythologie der Griechen das schönste Symbol sei (M II, 362). Was Schlegel hier fordert ist eine Zerstörung aller Systeme, Kategorien und Prinzipien, die in ihrer Enge und Einseitigkeit dem neuen Bewußtsein vom ewigen Werden aller von Raum und Zeit bedingten Phänomene nicht mehr gerecht werden können. Erst das Chaos kann wieder fruchtbar werden, erst aus ihm können neue Bildungen hervorgehen. Aus dem schöpferischen Urgrund des Chaos kann dann auch eine neue romantische Poesie hervorgehen, die nie mehr in irgendeinem formalen Kunstsysteme ersticken wird, deren „innres Leben" und ewige Jugend36 vielmehr durch den dauernden Vorgang von Verwandlung, Anbildung und Umbildung verbürgt ist und die durch eben diesen fortwährenden Prozeß der Neubildungen den Weltprozeß selbst widerspiegelt. Dies ist eben die „Methode" der romantischen Poesie, dieser „progressiven Universalpoesie", deren „eigentliches Wesen" es sei, „daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann". Diese Poesie allein sei unendlich, sie allein sei frei. An kein System gebunden, könne sie so „Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden". Von der höchsten Reflexion, vom größten Systeme der Kunst bis hin zum natürlichsten 36
Vgl. E 473 : „ D a s Romantische bleibt ewig neu - das Moderne wechselt mit der Mode."
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Seufzer eines Kindes und seinem „kunstlosen Gesang" könne sie alles umfassen (Ath.-Frgm. 116).37 Eine Poesie wird hier also angestrebt, die die ganze Weite menschlicher Erfahrungsmöglichkeiten ermessen und gestalten könne, die nichts Wertvolles auslassen und vor allem sich nicht in Einseitigkeiten verirren solle. Ihre Form soll die Mannigfaltigkeit, den widerspruchsvollen Reichtum des Lebens und die unendliche Fülle des Universums umfassen. „Mischung" und „Vermittlung" sind bei dieser Aufgabe oberstes Gebot! Sowohl Mischung aller Stoffbereiche und Kunstsysteme als auch Vermittlung und gegenseitige Annäherung von Natur, Wissenschaft und Kunst, Vermittlung zwischen dem Realen und Idealen, dem Bedingten und Unbedingten, dem Individuellen und Allgemeinen als auch Vermittlung der Grundkräfte des Menschen, wie Phantasie und Verstand, Gefühl und Vernunft, Enthusiasmus und Reflexion, Seele und Trieb, Geist und Körper, um die „notwendige Wiedervereinigung aller der Grundkräfte des Menschen" anzustreben, „welche in Urquell, Endziel und Wesen Eins und unteilbar, doch verschieden erscheinen, und getrennt wirken und sich bilden müssen" (M II, 131). Alle diese Mischungen und Vermittlungen bezwecken nun keine „chaotische Überhauptpoesie" (M II, 355), sondern sie sind die Mittel, und zwar die einzigen dem modernen Menschen zu Gebote stehenden, um wieder zur Anschauung des „Ganzen" zu gelangen. Gelingt diese „Anschauung des Ganzen" für einen Augenblick, dann erahnt man die Einheit in dieser Mannigfaltigkeit und unendlichen Fülle, dann ist das Chaos zur „höchsten Schönheit", zur „höchsten Ordnung" gebildet38 (M II, 358), der klassische Moment ist erreicht, „das Höchste wirklich gebildet". Diese Verweisung auf die Transzendenz ist immer ein wesentlicher Bestandteil des Romantischen, ob sie nun als „absoluter" Roman, als „poetisches Ideal" der romantischen Poesie, als „Gott" (E 735), oder als „Höchstes", als „Beziehung aufs Ganze", als „symbolische Form" (M II, 426 f.) beschrieben wird. Wegen dieses Transzendierungscharakters der romantischen Poesie ist es nun auch schwierig zu einem Begriff ihrer Einheit zu kommen. Es ist begreiflich, daß er nur aus der Anschauung des Ganzen der romantischen Poesie geformt werden könnte. Da sie jedoch unendlich, ständig progres37
Die Athenäumfragmente werden nach Minors Ausgabe und dessen Numerierung zitiert. Vgl. M II, 203-288. 38 „Aber die höchste Schönheit, ja die höchste Ordnung ist denn doch nur die des Chaos, nämlich eines solchen, welches nur auf die Berührung der Liebe wartet, um sich zu einer harmonischen Welt zu entfalten..."
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sierend ist, also nie zur Vollendung kommt, kann dies Ganze nie in Erscheinung treten. „Die Unvollendung der Poesie ist notwendig. Ihre Vollendung = das Erscheinen des Messias" (E 2090). Wie also die Vollendung der romantischen Poesie nur im transzendentalen Bezug erfahrbar ist, so ist es auch ihre Einheit. Daher formuliert Schlegel: „Die romantische Einheit ist. . . mystisch; der Roman ist ein mystisches Kunstwerk" (E 580), wobei mystisch Bezug aufs Absolute, auf Transzendenz bedeutet. 39 Einheit und Vollendung, oder absolute Ordnung und Schönheit sind ewig unerreichbar in dieser Welt, aber durch Approximation ist eine bedingte „höchste Ordnung" eine relative „höchste Schönheit" in der Immanenz möglich. Aus diesem Grunde legt Schlegel auch besonderen Nachdruck auf die Forderung: „Es soll die Sehnsucht nach dem Unendlichen in allen Menschen entwickelt werden1'' (KA XII, 11). Eine Vorstellung des Ganzen, eine Ahnung der Einheit ist in der Immanenz nur möglich durch „intellektuelle Anschauung" (KA XII, 24), durch ein Sich-Bewußtwerden der unendlichen Fülle des Universums und der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen darin, die ja auf das Unendliche hindeuten (KA XII, 334 f.). Aus dieser Erkenntnis heraus fordert Schlegel bewußt größtmöglichste Universalität und unendliche Progression. Wie Schlegel immer neue Approximationen des Unendlichen und Absoluten in der Form des Romans, der romantischen Poesie, der Mythologie und der Enzyklopädie versucht, wird im Folgenden zu untersuchen sein. Dabei wird im Einzelnen zu unterscheiden sein zwischen der Charakterisierung des Ideals jeder dieser „Zentren" und der Bestimmung ihrer jeweiligen realen Existenzbedingungen. Es wird auch zu zeigen sein, wie im Akt des künstlerischen Schaffens der unermeßliche Weltstoff dennoch gestaltet werden kann, vornehmlich durch kombinatorischen Witz, Ironie, Willkür, den ständigen Wechsel von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung und schließlich durch die Mittel der allegorischen und symbolischen Darstellungsweise. Sind auch die Äußerungen zur romantischen Poesie wegen ihres gedanklichen Reichtums manchmal verwirrend, so sollte dieser Reichtum nicht beklagt werden, da gerade er die Grundlage für eine neue Wesensbestimmung der romantischen Poesie sein kann. Ein festes System wird sich allerdings nicht aufstellen lassen, weil dies Schlegels Bestreben zuwiderliefe, die komplexe Vielschichtigkeit der menschlichen Lebensäußerungen zu erfassen, die er schon früh erkannt hatte. Kein festes System, sei es auch noch so überwältigend, konnte er daher zu seinem 39
Vgl. E 2178: Alle „immanente"=„nicht mythische Poesie".
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eigenen machen. Über Fichtes System hat sich Schlegel öfters begeistert geäußert, weil es, seiner Überzeugung nach, der Forderung der Zeit entsprechend den menschlichen Geist erstmalig zum Bewußtsein seiner selbst verholfen hatte. Aus diesem Grunde setzt er sogar mit Fichte den Anfang der modernen Literatur.40 Aber schon dem vierundzwanzigjährigen Schlegel ist Fichtes System zu eng: „Was Fichte als ausgemacht und sich von selbst verstehend voraussetzt, kann man fast immer ganz dreist widersprechen." Fichtes Gang sei noch zu sehr geradeaus; er sei „nicht genug absoluter Idealist, weil er nicht genug Kritiker und Universalist ist." Er sei ein halber Kritiker, „offenbar auch nicht Realist genug in jeder Bedeutung und Rücksicht". 41 Schlegel strebt vielmehr wie in seinen literaturkritischen so auch in seinen philosophischen Bemühungen Mischung und Vermittlung an. Vermittelt soll hier werden vor allem zwischen dem unendlichen Realitätsbegriff oder Pantheismus Spinozas und der alles Objektive in ein Produkt der schaffenden Einbildungskraft verwandelnden Reflexion, um so zu einem Weltbild zu gelangen, das auf einer Geist-Stoff Symbiose beruht. Es ist ein Realidealismus, eine symbolistische Weltbetrachtung, eine künstlerische Weltansicht, nach der die Welt ein Kunstwerk Gottes ist, die Dinge Bild sind und über sich selbst auf das Unendliche verweisen. Behler spricht vom „Einswerden von Vernunft und Natur" im Realitätsbegriff Schlegels, von der „Verschmelzung des Bezeichnenden und Bezeichneten". Und dies sei eben der Punkt, „aus dem alle Philosophie und jede Äußerung über Kunst" hervorgehe.42 Immer wieder versucht Schlegel in seinen Spekulationen, diesen real-idealen Charakter der romantischen Poesie, der höchsten Kunst, festzulegen. Der Differenziertheit seiner geistigen Gestalt und dem Assoziationsreichtum seiner Denkweise gemäß sind also Schlegels Äußerungen über die romantische Poesie äußerst komplex. Immer neue Kategorien werden aufgestellt, immer weitere Problemstellungen erprobt. Ihr innerer Zusammenhang läßt sich nur erkennen durch eine möglichst umfassende Zusammenstellung der am häufigsten wiederkehrenden Ausdrücke und Begriffe. Freilich wird dieser Zusammenhang der disparatesten Äußerungen als eine Einheit romantischer Art, als eine Einheit mit paradoxer Grundstruktur erscheinen: es ist eine Einheit in der Vielheit, eine Einheit in der Heterogenität, deren Wesen in der Progression liegt. Es wird 40
Europa - Eine Zeitschrift, hrsg. von Friedrich Schlegel, zwei Bände zu je zwei Teilen (Frankfurt a.M. 1803-1805), I, 1, S. 45 f. 41 Windischmann, Schlegels philosophische Vorlesungen, II, 420 f. 42 E. Behler, „Friedrich Schlegels Theorie der Universalpoesie", 220 f.
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jedoch gehofft, durch nachkonstruierendes Erfassen des Textes, durch wechselseitige Erhellung und Interpretation der verschiedenen Äußerungen zur romantischen Poesie die kontinuierliche Entwicklung dieses Begriffes und seine Bedeutung aufzuzeigen. Damit soll ein Beitrag zu einem gerechteren Schlegel-Bild, wie es in letzter Zeit im Entstehen ist, geleistet werden. Darüber hinaus möchte diese Arbeit in einem größeren Umfange fruchtbar wirken. Wenn es in einer kürzlich erschienenen Studie zur Romantik-Forschung heißt: „In looking at the scholarship of German Romanticism, we are faced with utter and unbelievable chaos", 43 dann ist dies eine wohl kaum übertriebene Feststellung. Um das Chaos sich widerstreitender Definitionen der romantischen Poesie, um die Vielen heillos scheinende Verwirrung in der Romantik-Forschung zu überwinden, ist als erster Schritt eine Rückbesinnung auf den Text der Romantik - wie sie hier in Bezug auf ihren größten Kritiker versucht wird - dringend erforderlich. „Die Zeit ist reif!" Unter diesem Kampfruf haben die Frühromantiker Großes auf vielen Gebieten geleistet. Er gelte auch heute wieder: als Aufforderung zu einer Neubewertung der Romantik.
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Robert L. Kahn, „Some Recent Definitions of German Romanticism, or the Case against Dialectics", Rice University Studies, 50, No. 4 (1964), 9. In Ermangelung eines umfassenden kritischen Forschungsberichts sei auf die ansprechendsten Ansätze in dieser Richtung hingewiesen. Neben Kahn u.a.: S. Elkuß, Zur Beurteilung der Romantik und zur Kritik ihrer Erforschung, hrsg. von F. Schultz (München und Berlin 1918); R. Immerwahr, „German Romanticism and the Unity of Romantic Imagination", On Romanticism and the Art of Translation, Studies in the Honor of Edwin Hermann Zeydel, hrsg. von G. F. Merkel (Princeton 1956), 67-82; J. Körner, Marginalien: Kritische Beiträge zur geistesgeschichtlichen Forschung, Erste Folge (Frankfurt a.M. 1950); Ders., „Das Problem Friedrich Schlegel", GRM, 16 (1928), 274-297; E. J. Maier, Die Friedrich-Schlegel-Forschung, Geschichte und Kritik, Diss. München 1953; H. Mayer, „Fragen der Romantikforschung", Zur deutschen Klassik und Romantik (Pfullingen 1963), 263-305; J. Müller, „Romantikforschung", Deutschunterricht, 15, Beilage zu Heft 4 (1963), 1-16; Ders., „Romantikforschung II", Deutschunterricht, 17, Beilage zu Heft 5 (1965), 1-16; J. Petersen, Die Wesensbestimmung der deutschen Romantik (Leipzig 1926); E. Ruprecht, „Das Romantische und die Romantik", Der Aufbruch der romantischen Bewegung (München 1948), 9-55; F. Schultz, „Der gegenwärtige Stand der Romantikforschung", Klassik und Romantik der Deutschen, dritte Auflage (Stuttgart 1959).
II
DER BEGRIFF IN DER FRÜHZEIT (UM 1795)
„Da suche und finde ich das Romantische, bei den ältern Modernen, be Shakespeare, Cervantes, in der italienischen Poesie, in jenem Zeitalter der Ritter, der Liebe und der Märchen, aus welchem die Sache und das Wort selbst herstammt" (M II, 372). Dieser Satz aus dem „Gespräch über die Poesie" läßt erkennen, daß Schlegel als geschulter Philologe den Sinn des Wortes zum Wesen der Sache in engste Beziehung setzt und daß er sich der historischen Herkunft des Wortes und Entwicklung des Begriffes „romantisch" wohl bewußt war. Daher dürfte es zweckmäßig sein, den Bedeutungsgehalt dieses Begriffes vor Schlegel kurz zu beleuchten. Dabei mag erhellen, warum Schlegel gerade dieses Adjektiv gewählt hat, um damit seine neue Poesie zu bezeichnen. Barg dieses Wort „romantisch" schon Bedeutungen und Assoziationen, die denen von Schlegels ästhetischen Theorien verwandt waren und war dies Wort dazu geeignet, neue Bedeutungen, die Schlegel ständig entwickelte, aufzunehmen? Dies war in der Tat der Fall. Wie die neue romantische Poesie nach Zerstörung der „Vernunftgesetze" aus dem Chaos hervorgehen soll, so mußte auch schon der Geburt des Wortes „romantisch" eine Zerstörung vorausgehen: „ . . . erst nach Zerstörung des Ganzen [entstanden] die romantischen Dialekte aus dem Lateinischen..." (E 2154). Was sich dieser Zerstörung anschloß, war „ein fruchtbares Chaos zu einer neuen Ordnung der Dinge, das wahre Mittelalter" (Af II, 348). Aus diesem Chaos entstand die ältere romantische Poesie: „Wenn wir in historischer Hinsicht von der romantischen Poesie sprechen, so verstehen wir darunter die Poesie derjenigen Nationen, die eine aus dem Lateinischen abgeleitete Sprache haben" (KA XI, 167), so lehrt Schlegel in den Paris-Kölner Vorlesungen (180304). Diese Sprache war eine Volkssprache und wurde als lingua romana bezeichnet im Gegensatz zu der Gelehrtensprache lingua latina. E. R. Curtius gibt eine präzise Zusammenfassung der frühen Entwicklung und Bedeutung des letzten Endes von Roma abgeleiteten Wortes „romantisch":
DER BEGRIFF IN DER FRÜHZEIT (UM 1 7 9 5 )
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„Romanisch" ist der Name, den das beginnende Mittelalter selbst den neulateinischen Volkssprachen verliehen hat, und zwar im Gegensatz zur Gelehrtensprache, dem Latein. Die von romanicus und dem Adverbium romanice abgeleiteten Wörter (im Französischen, Provenzalischen, Spanischen, Italienischen, Rätoromanischen) werden nie als Völkernamen gebraucht (dafür hatte man andere Wörter), sondern als Name jener Sprachen - also im gleichen Sinne wie das italienische volgare. Das altfranzösische romanz, das spanische romance, das italienische romanzo sind solche Ableitungen. Sie sind von der lateinischen Bildungsschicht geschaffen und bezeichnen alle romanischen Sprachen. Diese wurden gegenüber dem Latein als Einheit empfunden. Enromattcier, romanpar, romanzare bedeuten: Bücher in die Volkssprache übersetzen oder in ihr verfassen. Solche Bücher konnten dann selbst romanz, romant, roman, romance, romanzo heißen - alles Weiterbildungen von romanice. Im Altfranzösischen bedeutet romant, roman den „höfischen Versroman", dem Sinne nach: Volksbuch. In lateinischer Rückübersetzung konnte ein solches Buch romanticus (ergänze Uber) genannt werden. Die Wörter Roman und romantisch hängen also eng zusammen. Romantisch ist im englischen und deutschen Sprachgebrauch noch des 18. Jahrhunderts etwas, „was in Romanen vorkommen könnte." Die italienische Entsprechung zum altfranzösischen roman ist der Gallicismus romanzo („der Roman"). In diesem Sinn wird das Wort schon von Dante gebraucht (Purg. 26, 118). Im Französischen und Italienischen wird also aus romanice der Name einer literarischen Gattung. Ähnlich verläuft die Entwicklung im Spanischen. Auch hier bedeutet romance zunächst „Volkssprache," dann aber auch Schriftwerk in dieser, zunächst noch ohne Einschränkung auf eine einzelne G a t t u n g . . . . Seit dem 15. Jahrhundert taucht dann romance als Bezeichnung für die poetische Gattung auf, die heute noch so heißt und seit dem 16. Jahrhundert in romanceros gesammelt wurde. 1 Wie diese gemeinsame Sprache eine kulturelle Gemeinsamkeit der romanischen Länder bedingte und daher das Entstehen der älteren romantischen Poesie begünstigte, dies erörtert Fr. Schlegel im Studiumaufsatz. Wie wichtig für ihn das Studium dieser Poesie war, erhellt aus dem Satz: „ D u r c h die Synthetisierung aller Romantischen Poesie m u ß die moderne sich ergeben" (E 964). Dieser Satz ist von weitreichender Bedeutung. In knappster F o r m gibt er Aufschluß darüber, wo die Regenerationsquelle der Poesie zu suchen ist: in der Literatur selbst. Und zwar in den Werken der romantischen Literaturen, vorerst in den Ritterbüchern und Romanen des Mittelalters und der Renaissance, und dann in allen Werken dieses Zeitraums, der allgemein als der romantische gilt. Aus der Dichtung also, aus dem literarischen Erlebnis, sind die Kräfte f ü r die Neubelebung der Literatur zu schöpfen. Daher fordert Schlegel unermüdlich das Studium der Ge1
Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 39 f.
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DER BEGRIFF IN DER FRÜHZEIT (UM 1795)
schichte der Poesie. Prägnant formuliert er: „Die Kunst ruht auf dem Wissen und die Wissenschaft der Kunst ist ihre Geschichte" (M II, 343). Und ihn „ekelt vor jeder Theorie, die nicht historisch ist". 2 Um das „Wesentlich-Moderne" kennenzulernen, verweist er schon 1794 in einem Brief an seinen Bruder auf das Studium der älteren Poesie: „Wenn Du den Geist des Dante, vielleicht auch des Shakespeare erforschest und lehrest, so wird es leichter sein, dasjenige, was ich vorhin das WesentlichModerne nannte, und was ich vorzüglich in diesen beiden Dichtern finde, kennen zu lernen. Wieviel würde dazu auch die Geschichte der romantischen Poesie beitragen, zu der Du einmal den Plan faßtest?" 3 Und, wie es an anderer Stelle heißt, damit bei den Deutschen die Poesie wieder eine „tüchtige Kunst" werde, fehle nichts, als daß sie „die Formen der Kunst überall bis auf den Ursprung erforschen, um sie neu beleben oder verbinden zu können, und daß sie auf die Quellen ihrer eigenen Sprache und Dichtung zurückgehen, und die alte Kraft, den hohen Geist wieder freimachen, der noch in den Urkunden der vaterländischen Vorzeit vom Liede der Nibelungen bis zum Flemming und Weckherlin bis jetzt verkannt schlummert. . ." (M II, 353). In engster Verbindung mit dem Studium der Geschichte der Poesie betont Fr. Schlegel auch immer wieder die Bedeutung der Kritik für die Bildung des romantischen Dichters und Theoretikers: „ . . . lehren soll ihn die hohe Wissenschaft echter Kritik, wie er sich selbst bilden muß in sich selbst, und vor allem soll sie ihn lehren, auch jede andere selbständige Gestalt der Poesie in ihrer klassischen Kraft und Fülle zu fassen, daß die Blüte und der Kern fremder Geister Nahrung und Same werde für seine eigne Phantasie" (M II, 338). Soll aber der Dichter „nicht bloß Erfinder und Arbeiter, sondern auch Kenner in seinem Fach sein, und seine Mitbürger im Reich der Kunst verstehen können, so muß er auch Philolog werden" (Ath.-Frgm. 255). Und ein Philolog muß natürlich zu lesen wissen und das Gelesene wirklich verstehen. „Lesen heißt den philologischen Trieb befriedigen, sich selbst literarisch affizieren" (M II, 273). Dementsprechend entwickelt Schlegel eine Theorie des Lesens und Verstehens, 4 die schließlich in dem Projekt einer „Philosophie der Philologie" zusammengefaßt wird. 5 2
Fr. Schlegels Briefe an seinen Bruder A.W., 360. ebd., 170 f. 4 Vgl. besonders die Aufsätze „Georg Forster" ( M II, 119-139), „Über die Unverständlichkeit" ( M II, 386-395) und den Abschluß des Lessing-Aufsatzes ( M II, 415-429). 5 „Friedrich Schlegels .Philosophie der Philologie' ", mit einer Einleitung hrsg. von Josef Körner, Logos, XVII (1928), 1-72. 3
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„Sich selbst literarisch affizieren!" Kein anderes Wort ist besser geeignet, dem besonders bei den Romantikern aktuell werdenden Phänomen: der Vorherrschaft des literarischen Erlebnisses, dem Leben in der Bücherwelt, Ausdruck zu geben. Fr. Schlegel spricht von „diesem Zeitalter der Bücher" und fügt die Klage hinzu, „viele schlechte Bücher durchblättern, ja sogar lesen zu müssen" (M II, 370). So ist man zu dieser Zeit derartig mit literarischem Wissen und Bildungsstoff angefüllt, ist man so literarisch affiziert, daß ein unmittelbares Erleben fast unmöglich geworden ist, daß man alles durch das Medium der Literatur sieht, daß alles Tun und Denken durch das Bucherlebnis gefärbt, affiziert ist. Dies Gestalten des Lebens nach der Literatur als extreme Reaktion auf das streng geregelte Leben der Aufklärung kann zu einem bloßen Stilisieren, zum Histrionismus, zur Pose ausarten ;6 es kann aber auch zur Poetisierung des Lebens, zu einer echten Wechselbeziehung zwischen Literatur und Leben führen. Dadurch soll ein verflachtes Leben wieder Bedeutung, geistigen Inhalt erhalten und der Literatur soll neues Leben eingehaucht werden. Es ist diese Approximation zwischen Literatur und Leben, die Friedrich Schlegel vorschwebte. „Sich selbst literarisch affizieren!" Das heißt, sich einen ungeheuren Bildungsstoff aneignen. In Hinblick auf die Neubegründung einer romantischen Poesie heißt das für den Theoretiker Schlegel, sich in die ältere romantische Poesie versenken, um durch gründliches Studium Aufschluß über die Kunstverhältnisse und -gesetze der nachklassischen Dichtung zu erhalten. Das Angelernte soll nun mitgeteilt und vermittelt werden. Dem zeitgenössischen Dichter empfiehlt er daher gründliches Studium der literarischen Tradition. Die Größten der romantischen Poesie, Dante, Cervantes, Calderón und Shakespeare werden immer wieder als Vorbilder aufgestellt. Durch bewußtes Nacheifern, das im Anschließen an schon Gebildetes, im „Anbilden" an die Kunst der Großen, im „Umbilden" ihrer Formen, im „Verwandeln" des Angelesenen zu neuen Mischungen besteht, und durch bewußtes Kombinieren der besten Eigenschaften der alten Poesie mit den neuesten Erkenntnissen des Zeitalters kann die moderne Literatur verjüngt und „romantisiert" werden. Neben dieser kaum zu überschätzenden Wirkung des Kunsterlebnisses auf die Dichtung und Dichtungstheorie erstreckt sich diese Wirkung nun auch allgemein auf die Vorstellungen von Natur, Welt und Gott. Nachdem man sich nämlich so mit Literatur affiziert hat, projiziert man das 6
Vgl. hierzu Siegmund von Lempicki, „Bücherwelt und wirkliche Welt", D VLG III (1925), 339-386.
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Assimilierte wieder nach außen; anders gewendet: die Literatur wird zum Perspektiv, wodurch die Natur als Kunstwerk erscheint und Gott als der höchste Künstler. Und der menschliche Künstler bildet seine Werke als Analogon zum Universum. Kunstprinzipe werden zu Kategorien der Welterkenntnis. Bevor diesen Ideen im Denken Schlegels weiter nachgeforscht wird, sei nun noch auf deren Vorstufen hingewiesen, wie sie in der geistesgeschichtlichen Entwicklung seit der Mitte des 17. Jahrhunderts etwa erkennbar sind. Logan Pearsall Smith hat aufgezeigt, daß um diese Zeit mit dem Wort „romantisch" nicht in erster Linie die objektiven Qualitäten der Dinge beschrieben wurden als vielmehr die durch diese Dinge erregten Reaktionen und Gefühle im Beobachter. Wenn man dieses mit „romantisch" umschriebene subjektive Gefühl untersuche, erkenne man, „that it is a literary emotion (as indeed the derivation of the word from romant implies)". Die Natur wurde gesehen „through the medium of literature, through a mist of associations and sentiments derived from poetry and fiction".7 Doch hat Smith diese richtige Erkenntnis unnötigerweise auf den Bereich der Natur beschränkt. Mit Recht fügt daher Raymond M. Immerwahr die Ergänzung hinzu: „Not Nature alone, but any aspect of human life, character, or experience could be and was seen through the medium of literature, once the appetite for the imaginative experience that was coming to be known as romance had been so keenly whetted that it could no longer be sated by printed romances." 8 Ergiebige Belege für diese Feststellungen bieten die zwei größten Materialsammlungen zu dem Begriff „romantisch". 9 F. Baldenspergers Zusammenstellungen für den Zeitraum 1650-1810 lassen erkennen, daß die von Curtius erwähnten Ableitungen romanz, romant, roman, romance,
romanzo weiter verwendet werden als Bezeichnung aller möglichen Arten 7
L. P. Smith, „Four Romantic Words" in: Words and Idioms (London 1948), 82. Zuerst als Four Words, Romantic, Originality, Creative, Genius (= Society for Pure English, Tract no. 17) (London 1924). 8 Raymond Immerwahr, „German Romanticism and the Unity of Romantic Imagination", in: On Romanticism and the Art of Translation, Studies in the Honor of Edwin Hermann Zeydel, hrsg. von F. Merkel (Princeton 1956), 77. 9 Richard Ullmann und Helene Gotthard, Geschichte des Begriffes „Romantisch" in Deutschland vom ersten Aufkommen des Wortes bis ins dritte Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts (= Germanische Studien, Heft 50) (Berlin 1927) und Fernand Baldensperger, „ ,Romantique' - ses analogues et equivalents", Harvard Studies and Notes in Philology and Literature, XIV (1937), 13-105. Die Eintragungen dieser Sammlung sind nach den Jahreszahlen, von 1650-1810, übersichtlich geordnet, daher wird bei den folgenden Zitaten statt einer Seitenangabe die Jahreszahl gegeben.
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von Ritterbüchern, Abenteuerromanen und Liebesgeschichten. In England verwendet man dafür das Wort „romance": „Romance, a feigned history, from Romant... or Roman", heißt es 1658. Und 1766: „By romance is understood a collection of wild adventures in love and war . . . Romances spoil the taste of young people who by an attention to them, are apt to prefer the marvellous to the natural and simple truth." Das von romance abgeleitete Adjektiv ist romantick oder romantic, das definiert wird als „resembling the tales of romances, wild; improbable, false, fanciful, full of wild scenery" (1788). Obwohl so in den meisten Beispielen mit „romantisch" ein negatives Urteil ausgedrückt wird, ist dies nicht immer der Fall; „written after the Romantick manner" kann auch bedeuten: „to induce us to a love of virtue and a dislike of vice" (1750). Ob jedoch dem Wort eine positive oder negative Aussage zukommt, immer bedeutet es einen Gegensatz zum Gewöhnlichen, Täglichen, Normalen und „Vernünftigen". Die Skala der Bedeutungsschattierungen ist groß. Wie es die Beispiele zeigen, kann „romantisch" bedeuten: unglaublich, unnatürlich, erfunden, phantastisch, fabelhaft, abenteuerlich, extravagant, exotisch, schön, pittoresk; begierig, wild, leidenschaftlich, jugendhaft; irregulär, gigantisch, überspannt; unsinnig, absurd, lächerlich, närrisch, abgesondert; rätselhaft, intrigant; und visionär und überirdisch. Dieser Gebrauch des Wortes hat dann die Bedeutung von „romance-like" oder „wie im Roman". Der Mensch, dessen Phantasie durch das viele Lesen von Abenteuerromanen überregt ist, lebt, handelt und denkt „romanhaft" oder „wie im Roman". Die Folge davon ist - wie es die oben genannten Sammlungen wiederum bezeugen, daß man außer der Natur auch Gebäude und Länder romantisch im Sinne von romanhaft findet: Wald, Gebirge, See, Fluß, Gewächse, Ruinen, Höhlen sind romantisch, Paläste sind es und auch Griechenland ist romantisch. Man spricht von romantischer Leidenschaft und Tugend, von einer romantischen Sprech- und Denkweise, von romantischen Bewegungen und Umgangsformen. Ja, es gibt kaum einen Aspekt des menschlichen Lebens und der Erfahrung, der dem allmählich zur Mode gewordenen Wort hätte entgehen können. Besondere Erwähnung verdient noch der Gebrauch des Wortes „romantisch" in Verbindung mit der Entwicklung einer Theorie der Gartenkunst. Als „Grundsatz" gilt dieser Kunst: „Bewege durch den Garten stark die Einbildungskraft und die Empfindung."10 Ein echt roman10
Christian Cajus Lorenz Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, 5 Bände (Leipzig 1779-1785). Zitat aus Bd. I, S. 156, bei Hirschfeld gesperrt gedruckt.
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tischer Imperativ! R. Immerwahr hat in seinem Aufsatz, „The First Romantic Asthetics",11 zeigen können, daß viele Bedeutungen, die dem Begriff „romantisch" in der Ästhetik Fr. Schlegels und Novalis' zukommen, schon in den Gartenbeschreibungen Hirschfelds und seiner englischen Vorläufer, Joseph Heely, Sir William Chambers und Thomas Whately, vorgeformt sind. Einige der frappantesten Entsprechungen zu den bekannten Äußerungen der romantischen Ästhetiker seien hier durch einige Zitate aus Hirschfelds „Theorie der Gartenkunst" vergegenwärtigt. Für die „Bewirkung des Romantischen" sei „von der glücklichsten Kraft . . . alles, was von der Regelmäßigkeit der Linien, von der gewöhnlichen Beschaffenheit der Formen abweicht; alles, was die Einbildungskraft aus ihrer alltäglichen Sphäre heraus in eine Reihe neuer Bilder versetzt, sie in die Feenwelt, in die Zeiten der seltsamsten Bezauberung hinüberschweifen l ä ß t . . ."12 Auf Schlegels Forderung nach Mischung der alten Formen zu neuen Kombinationen, welche das Ideal einer „künstlich geordenten Verwirrung" und „reizenden Symmetrie von Widersprüchen" (M II, 361) ergeben würden, deutet schon folgendes Zitat voraus: „Das Romantische oder Bezaubernde in der Landschaft entspringt aus dem Außerordentlichen und Seltsamen der Formen, der Gegenstellungen, und der Verbindungen . . . Aber außer dem, was hier die Form bewirkt, wird auch durch starke und auffallende Entgegenstellungen und kühne überraschende Zusammensetzungen das Romantische erzeugt . . . Die Wirkungen des Romantischen sind Verwunderung, Überraschung, angenehmes Staunen und Versinken in sich selbst."13 Und ein anderes Zitat weist auf die literarische Quelle vieler dieser Gartenbeschreibungen. Wie zu erwarten, ist es nicht die griechische Literatur, sondern die romantische des Mittelalters und der Renaissance. Dieselbe Atmosphäre, wie man sie durch Lesen dieser Literatur kennengelernt hat, soll durch Entlehnungen von Gestalten und Situationen aus eben dieser Literatur künstlich wiedererweckt werden. Höhlen oder Grotten, so heißt es, seien „sehr zustimmende Werke", um die Einbildungskraft zu erregen. Allein man kann ihnen noch einen Anstrich des Wunderbaren mehr geben, indem man sie Zauberern, Hexen, Riesen, Gespenstern, Feen, und anderen Geschöpfen der Phantasie widmet, abenteuerliche Begebenheiten von ihnen verbreitet und in Inschriften erzählt... Die Einbildungskraft, die schon durch den Eindruck der Gegend empört ist.. entflammt sich aus der Erinnerung u
Modern Language Quarterly, XXI (i960), 3-26. Zum Folgenden vgl. diesen Aufsatz. 12 Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, I, 193. 13 Ebd., 214.
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von hundert Märchen, die einst die Amme oder der Küster erzählte, verjüngt alte Erscheinungen... und leihet den Szenen einen Schauer, den die Natur und die Vernunft nicht kennen . . . Man kann selbst Feenpaläste errichten, sie dieser oder jener Feengottheit widmen, sie mit allem Wunderbaren der Zeit, woraus sie entlehnt sind, füllen, hier den Orlando des Ariost, oder Wielands weit mehr zauberische Werke, Idris, Amadis, und Oberon, aufstellen, die Wände mit Gemälden von Kämpfen der irrenden Ritterschaft mit Riesen und Ungeheuern, von bezauberten Schlössern, von entführten Prinzessinnen und andern seltsamen Begebenheiten schmücken. Alles aber sei sorglos, wild und kühn hingeworfen; nichts verrate ängstliches Bestreben nach Kunst und Zierlichkeit. Die Bauart muß seltsam, regellos, abweichend von dem gewöhnlichen Gepräge und den angenehmen Verhältnissen der griechischen Architektur sein.14 Wie nun schon diese wenigen Zitate zeigen, daß sich mit dem Wort „romantisch" ganz bestimmte Vorstellungen verbinden, kann man mit Recht von einer „ersten romantischen Ästhetik" sprechen, die sich innerhalb der Theorie der Gartenkunst entwickelt hatte: „English landscape gardening was the first artistic movement to apply consciously the aesthetic values derived originally from the late medieval popular romance and then from the romantic experience of landscape and to expound these values in a body of criticism. Hirschfeld was the first critic of landscape gardening to define the romantic in explicit aesthetic terms." 15 Obwohl von keinem direkten Einfluß dieser Ästhetik der Gartenkunst auf die eigentliche romantische Ästhetik gesprochen werden kann, ist doch für die Entwicklung des Begriffes „romantisch" die Erkenntnis von Bedeutung, daß die Beschreibungen derjenigen Szenen, „which garden criticism itself calls romantic and the qualities which it attributes to such scenes anticipate the literature and critical aesthetics of the romantic movement proper" und daß beide das Resultat seien „of a long development of connotations and associations around the word .romantic', beginning with the imaginative and emotional experience of late medieval popular romance, and developing through the experience of picturesque landscape painting and the enjoyment of the natural landscape as described in travel literature, memoirs, and fiction".16 Es ist diese oben skizzierte Wirksamkeit des Romantischen vor Schlegel als eine ungeheure Befreiung der Phantasie-, Gemüts- und Gefühlskräfte des Menschen, die als Vorstufe zur Entwicklung einer romantischen Ästhetik von größter Bedeutung ist. Denn dadurch, daß sich die menschliche Einbildungskraft - angeregt und genährt durch das Lesen vieler 14 15 16
Ebd., IV, 112. R. Immerwahr, „The First Romantic Aesthetics", 7. Ebd., 23.
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Ritterbücher, Liebesgeschichten und Abenteuerromane - neue Erfahrungsbereiche erschlossen hatte, wurde dem Verständnis einer neuen romantischen Ästhetik und für ihre Aufnahme der Boden bereitet. Es hatte sich eine romantische Gefühls- und Denkweise entwickelt, welche die Enge einer vernunftgeregelten Lebensweise durchbrechen wollte, über das Normale und Nützliche hinausverlangte, um Erfüllung ihrer Wünsche und Sehnsüchte zu finden. Der Sinn war auf Seelenwerte statt nur auf Nützlichkeitswerte gerichtet. Statt durch „vernünftige Gedanken" Gott und die Welt erklären zu wollen (Vgl. z.B. die Schriften Christian Wolfis), reagierte man auf Natur, Welt und Universum mit den Kräften des Gemüts und der Phantasie. Die zunehmende Bereicherung der Phantasiewelt brachte es mit sich, daß die Phantasie sich ihrer selbst, ihrer Freiheit, ihres Potentials bewußt wurde, etwa eben so wie nach Fr. Schlegel der menschliche Geist zum erstenmal zu sich selber gekommen sei in der Philosophie Fichtes. Dies gab Schlegel und seinen Freunden das Bewußtsein, am Beginn einer neuen Zeit zu stehen, und die Überzeugung, daß ihre Zeit reif sei „für eine wichtige Revolution der ästhetischen Bildung" (M I, 172). Mit der Selbstbewußtwerdung der Phantasie begann sich dann ein neuer Wertekodex zu entwickeln, dessen erste Fixierung sich in der Kritik der Gartenkunst kundtut. Die Phantasie entwirft sich für neue Gefühle neue Formen. Der unbegrenzten Freiheit der sich bewußt gewordenen Phantasie entsprechend sind auch die Möglichkeiten dieser neuen Formen unbegrenzt. Sie gefällt sich in immer neuen Kombinationen, sie erfreut sich an immer neuen Mischungen. Durch „auffallende Entgegenstellungen und kühne überraschende Zusammensetzungen", wie es in einem der Zitate hieß, sollen die neuen Formen bezaubern, das Romantische erzeugen; und das heißt „Verwunderung, Überraschung, angenehmes Staunen und Versinken in sich selbst" in dem Anschauenden zu bewirken. Erreicht wird nun eine derartige Wirkung vor allem durch solche „vernunftwidrigen" Eigenschaften wie das Regellose, Chaotische, Willkürliche, Paradoxe, Verwirrende, Groteske, Abwechselnde, Widerspruchsvolle; durch Kontraste, unerschöpfliche Mannigfaltigkeit und unendliche Veränderungen, wie sie sich aus der immer neu kombinierenden, zu überraschender Wirkung zusammenstellenden Anordnung von Pflanzen, Blumen, Bäumen, Steinen, Flüssen, Fußwegen, Hütten und künstlichen Verzierungen aller Art ergeben sollen. Diese hier zusammengefaßten Kriterien, die nach Hirschfeld das Romantische in der Gartenkunst erzeugen, sind dieselben, die Schlegel später in den Werken der älteren romantischen Poesie verwirklicht findet und in seiner Theorie
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der neuen bewußt romantischen Poesie als literarische Stilkriterien verkündet. War Fr. Schlegels romantisches Programm also kein ganz neuer, unvermittelter Ansatz, so durfte er mit Recht auf mehr Verständnis dafür hoffen. Den Menschen „in die schöne Verwirrung der Fantasie" zu versetzen und „den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben" (M II, 362), das hatte seit Erfindung der Buchdruckerkunst die unendliche Flut der Romane bewirkt und das hatte Hirschfeld als das ideale Romantische verkündet in seiner Theorie der Gartenkunst, deren letzter Band 1785 erschien, also ungefähr 15 Jahre bevor Schlegel diese Forderung aufstellte. Als Schlegels unmittelbarer Vorläufer,17 der sich für die „romantische Denkart" empfänglich zeigte und sich kritisch damit auseinandersetzte, ist Herder anzusehen. „Der Strich romantischer Denkart läuft über Europa", so stellt Herder fest in seinem Aufsatz von der „Ähnlichkeit der mittlem englischen und deutschen Dichtkunst" (1777) und fügt gleich die Frage hinzu: „wie nun aber über Deutschland besonders?"18 Das ist eine Feststellung und eine Fragestellung, die auch in Schlegels erster größerer Schrift, dem Studiumaufsatz, wiederkehren und ähnlich bewiesen und beantwortet werden. Auf die wichtigsten von Schlegel aufgenommenen und weiterentwickelten Feststellungen und Gedanken Herders, wie sie in dem erwähnten Aufsatz, in anderen Schriften verstreut19 und besonders in der 1796 erschienenen siebenten und achten Sammlung der „Briefe zur Beförderung der Humanität" zu finden sind, sei hier in aller Kürze hingewiesen. Zunächst der allgemeine Umriß. Wie Schlegel sieht Herder die „mittleren Zeiten", das Mittelalter und die Renaissance, als eine einheitliche Epoche, in der die „romantische Denkart" vorherrschte. In England, Frankreich, Spanien, Italien blieb die Literatur dieser mittleren Zeiten 17 Herders Bedeutung für die Entwicklung der allgemeinen Ideen der Romantik wird eingehend dargelegt von Erich Ruprecht, Der Aufbruch der romantischen Bewegung (München 1948). 18 Herders Sämmtliehe Werke, hrsg. von Bernhard Suphan, 33 Bände (Berlin 1887-1913). Zitat aus Bd. IX, 524. 19 In der Preisschrift von 1778, „Über die Wirkung der Dichtkunst auf die Sitten der Völker in alten und neuen Zeiten", verzeichnet Herder seine Informationsquellen. Für die Poesie der „mittleren Zeiten" werden folgende damals einflußreiche Werke genannt: Percy, Essay on the Ancient English Minstreis und Reliques of Ancient English Poetry; Richard Hurd, Letters on Chivalry and Romance [1762]; Thomas Wharton, History of English Poetry [1774,; sehr bedeutend die vorangestellte Dissertation: „Of the Origin of Romantic Fiction in Europe"] und Curne de St. Palaye, Mémoires de la chevalerie und Hist. litéraire des Troubadours. Vgl. Herder, Werke, XVIII, 400.
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lebendig; man sammelte sie, studierte sie, schloß sich an sie an und bildete sich in ihrem Geiste fort. In Deutschland dagegen haben die literarischen Werke dieser Zeiten zwar auch einmal existiert, „sind vielleicht noch da; nur sie liegen unter Schlamm, sind verkannt und verachtet". Und das ist der Grund für den erbärmlichen Zustand der neuen deutschen Literatur. Statt die französische Mode nachzuahmen, könne man durch das Studium der alten deutschen Dichtkunst lernen, was wahre deutsche „Sprache, Denkart, Sitten, Taten" seien.20 Als Quelle eines neuen Lebens, neuer Sitten, einer neuen Kultur und Literatur gilt also auch bei Herder die ältere Literatur, welche sich durch die romantische Denkart auszeichnete. Was Herder in den erwähnten, von Schlegel rezensierten21 Humanitätsbriefen über Entstehung, Entwicklung und die charakteristischen Eigenschaften der romantischen Poesie zu sagen hat, ist den Gedanken Schlegels in vielem sehr ähnlich. Herausgehoben seien einige frappante Entsprechungen. Auch Herder versucht, den Geist eines Autors, eines „Dante und Petrarca, Ariosto und Cervantes" aus dem Ganzen zu begreifen. Zu diesem Zwecke suche er alles auf, „was in ihm liegt, was rings tun ihn zu seiner Bildung oder Mißbildung beigetragen", um dann zu erkennen, daß er ein Glied „einer unsichtbaren Kette" von Vorläufern und Nachfolgern war, daß er mit allen Dichtern verbunden ist im Reich der Poesie, der „Blüte des menschlichen Geistes".22 Auch auf den gelehrten Charakter der romantischen Poesie weist Herder hin. Sie wurde „mit mehreren Wissenschaften bekannt", konnte daraus „sich zu eigen machen, was für sie diente; jede Erfindung, jedes neu entdeckte Land stand ihr zu Gebote." Daher konnte Dante, der „Vater der neueren Dichtkunst," auch ein Werk schreiben, „das eine Art von Enzyklopädie des menschlichen Wissens über Himmel und Erde enthält". 23 Aus diesem wissenschaftlichen Charakter wird auch die neuere Poesie Nutzen und Vorteil ziehen, „solange Wissenschaften wachsen, Erfindungen sich mehren, solange der menschliche Geist fortschreitet",24 Damit wird schon auf den progressierenden Charakter der nachklassischen Poesie hingewiesen, die sich zum Zwecke ihrer Vervollkommnung nun noch mit der Kritik verbinden solle: „Kritik muß die Poesie als Kunst ausbilden."25 20 21 22 23 24 25
Herder, Werke, IX, 530 f. Rezension abgedruckt in M II, 41-48. Herder, Werke, XVIII, 57. Mit den gleichen Ausdrücken wird auch Schlegel später Dante charakterisieren. Herder, Werke, XVIII, 64 f. Ebd., 121.
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Dieser wissenschaftliche Charakter der nachklassischen Poesie setzt sich seit Dantes „Enzyklopädie" immer mehr durch bis er dann zur Zeit der Reformation offen durchbricht. Die „Ritter- und Feenwelt" verschwindet und „gelehrte Männer, die uns das Gebäude ihres eigenen Kopfes zur Schau bringen wollten", nehmen sich der Dichtkunst an. In der englischen Literatur zeigt Milton als erster, „was Reflexion in der Dichtkunst zu leisten vermöge". Shakespeare nimmt eine Mittelposition ein; „er stehet zwischen der alten und neuen Dichtkunst" (i.e. innerhalb der nachklassischen Dichtung). Die „Ritter- und Feenwelt, die ganze Englische Geschichte, und so manch anderes interessantes Märchen" verwendet und stellt er dar „mit aller Lieblichkeit eines alten Novellenund Fabeldichters". Wenn er nun aber „in diesen Szenen der alten Welt uns die Tiefen des menschlichen Herzens eröffnet, und im wunderbarsten, jedoch durchaus charakteristischen Ausdruck eine Philosophie vorträgt, die alle Stände und Verhältnisse, alle Charaktere und Situationen der Menschheit beleuchtet", so ist er ein „Dichter der neuern Zeit". 26 Dieser Anschluß an das wirkliche Leben, das Hineinleuchten in die Tiefen des menschlichen Herzens und die realistische Beschreibung und Darstellung der Charaktere, menschlicher Verhältnisse und Situationen, um dadurch etwas über das Los des Menschen in dieser Welt auszusagen, sind nun der Grund, weshalb seine Dramen „philosophische Romane" genannt werden. „In jedem seiner dramatischen Stücke lag also nicht nur ein Roman, sondern auch ein in seiner Art aufs vollkommenste nicht etwa beschriebener sondern dargestellter philosophischer Roman fertig..." Und betont wird dieser bei Shakespeare sich offenbarende Wendepunkt in der Entwicklung des Romans, wenn Herder fortfährt: „Sobald also jene alten Ritter- und Liebesgeschichten, von denen zuletzt Philipp Sidney's Arkadia sehr berühmt war, einer neueren Denkart Platz machten: so konnte man in England kaum andre als Romane in Shakespeare's Manier, d.i. Philosophische Romane erwarten". 27 In Herders Charakteristik des Romans vor Shakespeare ist das abwertende Urteil kaum zu überhören. Er beschreibt das Mittelalter als ein „Chaos über einander stürzender Völker und Sprachen" und fährt fort: „Wenn aus dieser Mischung ungleichartiger Dinge nach Jahrhunderten ein Klang hervorging; so wars ein dumpfer Klang, ein vielartiges Sausen. Schon der Charaktername des Inhalts der Zeiten sagt dies. Er heißt Abenteuer, Roman; ein Inbegriff des wunderbarsten, vermischtesten 16 27
Ebd., 101 f. Ebd., 107 f.
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Stoffs, der ursprünglich nur ununterrichteten Ohren gefallen sollte, und sich fast ohne Kenntnis der Natur, Kunst und Geschichte von der Vorwelt her über Meer und Länder in wilder Riesengestalt erstreckte." Die „von den Arabern her" den Inhalt bestimmenden „drei Ingredenzien... Liebe, Tapferkeit und Andacht" wurden oft übertrieben28 und das Ganze diente dann zu weiter nichts, „als den menschlichen Verstand über seine natürliche Höhe [zu] schrauben", wie er einmal Young vorwirft. 29 Im Gegensatz zu Schlegel, ein Kardinalfehler für Herder. Obwohl mit der „neueren Denkart" das Abenteuerliche verdrängt wurde und der Roman „eine andre Art und Gestalt" 30 erhielt, blieb ihm doch sein „weiter Umfang" und sein Mischungscharakter. Ja, diese Eigenschaften haben sich mit der Zeit verstärkt, potenziert, wie es vom Roman als Ausdrucksform einer progressierenden Poesie zu erwarten ist. Dies wird deutlich, wenn Herder den Roman des 18. Jahrhunderts charakterisiert. Wie es „die drei glücklichen Romanhelden", Fielding, Richardson, Sterne, sowie die Werke Smollets, Goldsmiths, Cumberlands „und in anderen Nationen andre schätzbare Originale zeigen", können „Manier" und Form des Romans verschieden sein. „Keine Gattung der Poesie ist von weiterem Umfange, als der Roman; unter allen ist er auch der verschiedensten Bearbeitung fähig: denn er enthält oder kann enthalten nicht etwa nur Geschichte und Geographie, Philosophie und die Theorie fast aller Künste, sondern auch die Poesie aller Gattungen und Arten - in Prose. Was irgend den menschlichen Verstand und das Herz interessiert, Leidenschaft und Charakter, Gestalt und Gegend, Kunst und Weisheit, was möglich und denkbar ist, ja das Unmögliche selbst kann und darf in einen Roman gebracht werden, sobald es unsern Verstand oder unser Herz interessiert. Die größten Disparaten läßt diese Dichtungsartzu..." Soweit ist hier der Begriif des Romans gefaßt, daß es nun nicht mehr verwundert, wenn Herder noch hinzufügt: „ Homers Gedichte selbst sind Romane in ihrer Art; Herodot schrieb seine Geschichte, so wahr sie sein mag, als einen Roman; als einen Roman hörten sie die Griechen. So schrieb Xenophon die Cyropädie und das Gastmahl; so Plato mehrere seiner Gespräche; und was sind Lucians wunderbare Reisen? Wie jeder andern haben also auch der romantischen Einkleidung die Griechen Ziel und Maß gegeben." Und als ob dieser Gebrauch des Wortes „Roman" noch nicht verwirrend genug wäre, fährt Herder in demselben Abschnitt fort: „ . . . überhaupt ist uns der Menschen Tun und Lassen selbst so sehr zum Roman [ge]28 25 30
Ebd., 59 f. Ebd., 106. Ebd., 101.
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worden, daß wir ja die Geschichte selbst beinah nicht anders als einen philosophischen Roman zu lesen wünschen".31 Kann also der Roman „die Poesie aller Gattungen und Arten" enthalten, so fragt man sich wohl, was denn dann den anderen Gattungen zur Darstellung noch übrig bleibt. Und kann der Roman alles, „was möglich und denkbar ist", alles, „was irgend den menschlichen Verstand und das Herz interessiert", darstellen, dann sind doch die anderen Gattungen völlig überflüssig! Doch lag es Herder wohl fern, alle anderen Gattungen abschaffen zu wollen. Diese Verwirrung läßt sich nur lösen, wenn zwei umfassende Bedeutungen in Herders Gebrauch des Begriffes „Roman" unterschieden werden. Einmal verwendet er ihn im gewöhnlichen Sinne als Gattungsbegriff und meint dann den Roman, wie er sich in der nachklassischen Literatur entwickelt hatte und zur Vorherrschaft gelangt war. In der zweiten Bedeutung verwendet, ist der Begriff „Roman" jedoch nicht an die Gattung gebunden und bezeichnet ein Element, einen Typ, einen Stil sowohl der Dichtung als auch des Lebens. Was sind nun die charakteristischen Merkmale dieses als „Roman" bezeichneten Dichtungs- und Lebensstils? Allgemein gesagt, sind es dieselben Merkmale wie die des Romans und daher in Herders Beschreibungen dieses Romans enthalten. Doch sind diese Beschreibungen zu allgemein, um hier weiter zu helfen. Einen Anhaltspunkt bieten Herders Feststellungen, daß der Menschen Tun und Lassen zu einem Roman geworden sei und daß die Geschichte sich wie ein Roman lesen lasse. Wie nun jedes Tun und Lassen der Menschen zur Geschichte wird, so hat es in der nachklassischen Dichtung besonders der Roman dargestellt. Wo aber nun diese Geschichte des menschlichen Tuns und Lassens auch in anderen Formen als der des Romans dargestellt wird, da verwendet Herder zur Charakterisierung dieser Darstellung den Begriff „Roman" in der zweiten Bedeutung, i.e. zur Bezeichnung eines vom Gattungsbegriff unabhängigen Dichtungsstils. Dieser Stil kann in jeder Form - also auch wieder im Roman, woraus er ursprünglich abgeleitet ist - und jeder Art der Behandlung auftreten. Wenn also Shakespeare in seine Dramen die Mannigfaltigkeit der menschlichen Lebensäußerungen darstellt, die Griechen in Epen, Gesprächen und anderen Formen Angelegenheiten des wirklichen Lebens darstellen, behandeln oder beschreiben, dann geben sie Geschichte, dann schreiben sie „Romane". Wie gezeigt werden wird, verwendet auch Schlegel den Begriff „Ro31
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man" rur Bezeichnung eines Dichtungsstils. „Roman" hat dann die gleiche Bedeutung wie „romantisch" oder auch „romantische Poesie"; sie sind Synonyme.32 Und ganz im Sinne Herders erklärt er im „Brief über den Roman" (1800), als das wesentliche Merkmal der romantischen Poesie, daß sie „ganz auf historischem Grunde" ruhe, daß in allen ihren Äußerungen „wahre Geschichte zum Grunde" liege. „Boccaz ist fast durchaus wahre Geschichte, ebenso andre Quellen, aus denen alle romantische Erfindung hergeleitet ist." Dies nennt er den „großen Unterschied"33 zur „antiken" Poesie, besonders zur „alten Tragödie", die den „eigentlichen historischen Stoff' vermeide. Der Dichter, der dennoch „eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk ernstlich anging, darstellte, ward bestraft" (M II, 372). So liegt wohl in den Ausdrücken „wahre Begebenheit" und „Geschichte" (historischer Stoff) die kürzeste Definition und die knappste Kennzeichnung der Merkmale des Dichtungsstils, den Herder mit dem Wort „Roman" bezeichnet. Da „der Menschen Tun und Lassen" wahre Begebenheiten sind, ist es nur folgerichtig, wenn Herder auch diese mit „Roman" bezeichnet. Dadurch wird nun angedeutet, daß sich in der nachklassischen, der „modernen" Zeit Dichtungsstil und Lebensstil entsprechen,34 d.h. der Roman stellt den „Roman" des Lebens dar. Bei den Griechen war das Leben einfältiger, noch kein „Roman". Aber, wie Herder erklärt, „seitdem hat sich das Rad der Zeiten so oft umgewälzt und mit neuen Begebenheiten auch neue Gestalten der Dinge zum Anschauen gebracht; wir sind mit so vielen Weltgegenden und Nationen bekannt [ge]worden, von denen die Griechen nicht wußten," so daß das mannigfaltige „Tun und Lassen" der Menschen zum „Roman" geworden ist und die Geschichte, die ja all das hier von Herder Erwähnte berichtet, sich wie ein Roman lesen läßt. Und Herder fügt den Wunsch hinzu: „Wäre sie immer auch nur so lehrreich vorgetragen, als Fieldings, Richardsons, Sterne's Romane!" 35 Es scheint doch passend, daß in „diesem Zeitalter der Bücher", wie es Schlegel nennt, wo man sich erst32 Vgl. H. Eichners vorbildliche Beweisführung, daß „romantische Poesie, Romanpoesie and der Roman were virtually synonymous in Schlegel's usage", womit sowohl Rudolf Hayms als auch Arthur O. Lovejoys Thesen berichtigt werden. „Fr. Schlegel's Theory of Romantic Poetry", 1019. 33 Obwohl Schlegel seit 1797 fortlaufend romantische Elemente bei den Alten feststellte und griechische wie römische Autoren romantisch nannte. Vgl. Eichner, „Fr. Schlegel's Theory of Romantic Poetry", 1035 f. 34 Wenn Herder äußert, das Leben sei zum Roman geworden, dann ist diese Entsprechung zwischen Lebensstil und Dichtungsstil gemeint, nicht jene Stilisierung des Lebens nach dem Roman, von der weiter oben gesprochen wurde. 35 Herder, Werke, XVIII, 110.
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malig des reichen Erbes der vom Roman dominierten nachklassischen Dichtung bewußt geworden war, das Buchwort „Roman" erkoren werden sollte, um damit das Besondere des Dichtungs- und Lebensstils dieser Zeit auszudrücken. Auf die Ähnlichkeiten zwischen Herders und Schlegels Äußerungen über den Roman hingewiesen zu haben, ist das Verdienst Hans Eichners. Aus einer Gegenüberstellung der Aussprüche Herders mit entsprechenden Zitaten aus Schlegels Schriften wird ersichtlich, zu welchem Ausmaße schon Herder Gedanken Schlegels über den Roman vorwegnimmt. Drei der bedeutendsten Übereinstimmungen faßt Eichner in die Worte: „The Roman is the dominant form both of the earliest and the most recent postclassical poetry; the central position in the history of the Roman is occupied by Shakespeare, who is the dominant force behind the more recent developments of this genre; the Roman is characterized by the vast variety of forms it can assume and the equally vast variety of Contents it can present".36 Schlegels Äußerungen über den Roman als charakteristische Ausdrucksform der romantischen Poesie werden im nächsten Kapitel gebracht und im Zusammenhang mit seiner Formulierung des neuen „poetischen Ideals" und des 116. Athenäumfragments diskutiert werden. Im Studiumaufsatz, der nun untersucht werden soll, kommt das Wort „Roman" nicht vor. Schlegel charakterisiert hier die „romantische Denkart der mittleren Zeiten", wie es Herder formulieren würde, er sieht wie Herder das Mittelalter als ein zusammenhängendes Ganzes und die romantische Poesie als die wesentliche Ausdrucksform dieses Zeitalters. So bringt der Studiumaufsatz die erste Auseinandersetzung Schlegels mit den Begriffen „romantische Poesie" und „romantisch" und ist daher für die Entwicklung dieser Begriffe von größter Bedeutung. Trotzdem sind bisher diese Begriffe kaum untersucht worden. Arthur O. Lovejoy weist zwar auf ihr Vorkommen hin, zieht aber nicht die nötige Konsequenz daraus. Vor allem wird der Unterschied, den Schlegel zwischen der modernen und der älteren modernen, der „Romantischen Poesie",37 macht, übersehen, wenn Lovejoy etwa behauptet: „The ,romantische Poesie' of which we hear so much after 1798 was simply the .interessante 36
H. Eichner, „Fr. Schlegel's Theory of Romantic Poetry", 1021. Wir folgen hier der Schlegelschen Schreibweise, d.h., wenn der Ausdruck „Romantische Poesie" mit einem großen „R" beginnt, bezieht er sich auf den Bedeutungskomplex, den er im Studiumaufsatz darunter versteht; der Ausdruck „romantische Poesie" dagegen bezieht sich auf die noch zu verwirklichende Poesie, bzw. darauf, was er so nach dem Studiumaufsatz nennt. 37
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Poesie' of the earlier period". 38 Sollte Schlegel mit diesem Ausdruck vor 1798 etwas ganz anderes gemeint haben, als danach? Es wird sich zeigen, daß dies nicht der Fall war; daß mit Schlegels fortschreitender Erweiterung seiner Gedankenwelt der Begriff „romantische Poesie" zwar immer neue Elemente aufnimmt, daß dabei die Grundelemente aber nicht einfach fallen gelassen werden. Obwohl Lovejoy meint, der Ausdruck „romantische Poesie" kehre beständig wieder (constantly occurs), 39 kommt er in dem hundert Seiten langen Aufsatz (in Minors Ausgabe) nur viermal vor, 4 0 das Adjektiv „Romantisch" wird dabei groß geschrieben, und so dient der Ausdruck hauptsächlich als Epochenbegriff zur Bezeichnung der älteren modernen Literatur, d.h. als Abgrenzung gegenüber der „Griechischen Poesie" und der „modernen Poesie". Obwohl Lovejoy angibt, aus „Minor Jugendschriften" zu zitieren, beachtet er bei den Belegen, die er für den Gebrauch des Wortes „romantisch" aus dem Studiumaufsatz gibt, den wesentlichen Punkt der Großschreibung nicht und bringt Beispiele, die offenbar aus der späteren Umarbeitung des Aufsatzes, aus den Werken stammen. 4 1 Einschließlich der schon vorher erwähnten viermal kommt das Wort 38
Arthur O. Lovejoy, „The Meaning of .Romantic' in Early German Romanticism", Essays in the History of Ideas (Baltimore 1948), 196. Nach dieser Sammlung von Lovejoys Aufsätzen wird zitiert; Abkürzung: Lovejoy, Essays. Erstabdruck des obigen Aufsatzes in Modern Language Notes, XXXI (1916), 385-396. Dasgleiche Urteil auch bei Walzel, wenn er in der Einleitung zum Auswahlband der DNL (Bd. 143) über Schlegel sagt, daß „die interessante Poesie in dem Begriffe der romantischen von ihm apotheosiert" worden sei. August Wilhelm Schlegel und Friedrich Schlegel, hrsg. von Oskar Walzel (Stuttgart o.D.), XVII. 3 ® Lovejoy, Essays, 191. 40 Während z.B. das Wort „objektiv" allein achtmal auf einer Seite vorkommt (Af I, 172), so daß Schlegel wahrlich von einer „Objektivitätswut" sprechen konnte (Lyc.-Frgm. 66; Af II, 192). 41 Zum Beispiel kommen die folgenden von Lovejoy gebrachten Zitate nicht bei Minor vor: „andre scherzhaft romantischen Dichter", „der Fantasie-Zauber der romantischen Sage und Dichtung" und „jene seltsame Muse der romantischen Spiele und Rittermärchen". Sie sind zu finden in: Friedrich von Schlegel's sämmtliche Werke, Zweite Original-Ausgabe, V (Wien 1846), 136. Vgl. dagegen die entsprechenden Stellen in M I, 162. Es beruht sogar auf völligem Mißverständnis, wenn Lovejoy in derselben Anmerkung sagt: „Schlegel once speaks of ,das Romantische Gedicht der Griechischen und Römischen Epopöe', in a passage in which he is bringing out the similarity between the Homeric epic and the romance of chivalry" (Essays, 192, Anm. 24). Zwar ist dieses Zitat aus dem Studiumaufsatz, bedeutet aber gerade das Gegenteil, es heißt vervollständigt: „Alle Versuche, das Romantische Gedicht der Griechischen und Römischen Epopöe ähnlich zu organisieren, sind mißlungen" ( M I , 160). Offenbar wurde der Dativ „der" des bestimmten weiblichen Artikels fälschlich als Genetiv gelesen.
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„romantisch" sechzehnmal vor, siebenmal mit großem Anfangsbuchstaben und neunmal klein geschrieben: „Romantische Poesie" (M I, 94; 98; 112; 128), „Romantische Phantasie" (M I, 107), „Romantisches Gedicht" und „Romantische Manier" (MI, 160); „romantisches Gedicht" (M I, 160, dreimal), „romantische Fabel" (M I, 160 und 161), „romantisches Kostüm" (M I, 160), „romantische Avantüre" (M I, 162), „romantischer Seufzer" (M I, 103) und „romantischer Duft" (M I, 118). Alle großgeschriebenen Begriffe beziehen sich eindeutig auf die Anfangsepoche der modernen Dichtkunst, während die anderen Erscheinungsformen dieser Epoche bezeichnen, außer zweien, wovon einer in Verbindung mit Homer, der andere mit Shakespeares Romeo gebraucht wird. Durchweg erscheint der Begriff in günstigem Lichte. Das erste Erwähnen der „Romantischen Poesie" gilt der Widerlegung des Vorwurfs der „Charakterlosigkeit" der modernen Poesie und dem Nachweis, daß „auch die moderne Poesie ein zusammenhängendes Ganzes" sei. Schlegel weist zuerst auf den „auffallend ähnlichen Geist der Sprachen, der Verfassungen, Gebräuche und Einrichtungen", die „vielen übriggebliebenen Spuren der frühern Zeit" bei den einzelnen Nationen hin, die „den gleichartigen und gemeinschaftlichen Ursprung ihrer Kultur" verraten (M I, 93). Dieser „innere Zusammenhang" des „Europäischen Völkersystems" lasse sich auch in der Poesie erkennen: „ . . . schon in den frühesten Zeiten haben die verschiedenen ursprünglichen Eigentümlichkeiten so viel Gemeinsames, daß sie als Zweige eines Stammes erscheinen. Ähnlichkeit der Sprachen, der Versarten, ganz eigentümlicher Dichtarten! So lange die Fabel der Ritterzeit und die christliche Legende die Mythologie der Romantischen Poesie waren, ist die Ähnlichkeit des Stoffes und des Geistes der Darstellungen so groß, daß die nationelle Verschiedenheit sich beinahe in die Gleichheit der ganzen Masse verliert. Der Charakter jener Zeit selbst war einfacher und einförmiger" ( M I , 94).42 42
Vgl. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter,
40:
Im Mittelalter besteht über die Sprachgrenzen hinaus eine kulturelle Gemeinsamkeit der Romania . . . Bezeichnend ist ein Gedicht des Troubadours Raimbaut von Vaqueiras (um 1200), dessen fünf Strophen abwechselnd provenzalisch, italienisch, nordfranzösisch, gascognisch, portugiesisch verfaßt sind. Es sind die Sprachen, die damals für romantische Lyrik gebräuchlich waren. D a ß man zwischen ihnen wechseln konnte, bezeugt das lebendige Bewußtsein von einer einheitlichen Romania . . . Von etwa 1300 ab differenziert sich die Romania nach Sprache und Kultur immer mehr. Dennoch bleiben die romanischen Nationen durch ihre Entstehungsgeschichte und durch ihre stets wache Beziehung zum Latein gebunden. In diesem loseren Sinne kann man auch weiterhin von einer Romania reden, die den germanischen Völkern und Literaturen gegenüber eine Einheit bildet.
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Das Hauptanliegen Schlegels, wie es aus diesem Zitat offenbar wird, ist die Herausstellung der Einheitlichkeit der modernen Dichtung. Auf der nächsten Seite heißt es: „Die gemeinsamen Züge, welche Spuren innern Zusammenhanges zu sein schienen sind seltner Eigenschaften, als Bestrebungen und Verhältnisse". Diese lassen sich jedoch an der Gegenwartsdichtung nicht feststellen. „Wir müssen also nach einer doppelten Richtung nach ihrer Einheit forschen; rückwärts nach dem ersten Ursprünge ihrer Entstehung und Entwicklung; vorwärts nach dem letzten Ziele ihrer Fortschreitung. Vielleicht gelingt es uns auf diesem Wege, ihre Geschichte vollständig zu erklären und nicht nur den Grund, sondern auch den Zweck ihres Charakters befriedigend zu deduzieren" ( M I , 95). Den einen Pol in rückwärtiger Richtung findet der Forscher Friedrich Schlegel als ein historisch Gegebenes vor: es ist die „Romantische Poesie". Wie kann er aber vorwärts nach „Einheit" forschen, „nach dem letzten Ziele ihrer Fortschreitung?" Dieser Punkt dieses zweipoligen Programms weist schon über den Untersuchungskreis dieses Aufsatzes hinaus, auf das „Poetische Ideal" der noch zu begründenden romantischen Poesie. Denn im gegenwärtigen Zeitalter „sind die wenigen gemeinsamen Züge sehr schwankend" geworden, „und eigentlich existiert jeder Künstler für sich, ein isolierter Egoist in der Mitte seines Zeitalters und seines Volks" (M I, 102). So ist es möglich, daß sich angesichts dieser Lage Schlegel die Idee aufdrängte, die heruntergekommene „Romantische Poesie" des Anfangs von ihren Schlacken zu säubern, sie neu zu beleben, zu intensivieren und als Zukunftsprogramm zu proklamieren. Was offenbart nun der historisch gegebene Pol der „Romantischen Poesie" dem forschenden Auge des Kritikers? Als ein „zusammenhängendes Ganzes" (M I, 93) erweist sich die moderne Poesie an ihrem Ursprung durch ihre gemeinschaftliche Abstammung. Der Hinweis auf die „Ähnlichkeit der Sprachen" verweist uns allgemein auf die romanischen Sprachen: Italienisch, Spanisch, Portugiesisch und Provenzal. Aber erst in den Paris-Kölner Vorlesungen wird dies klar ausgesprochen: „Wenn wir in historischer Hinsicht von der romantischen Poesie sprechen, so verstehen wir darunter die Poesie derjenigen Nationen, die eine aus dem Lateinischen abgeleitete Sprache haben" (KA XI, 167). Zeitlich werden wir hier im Studiumaufsatz in die „Ritterzeit" verwiesen, d.h. in das Mittelalter, die Epoche der erwachenden Ritter- und Minnepoesie und der „christlichen Legende". Hier nahm die moderne Literatur ihren Ursprung. Und nur hier wurde sie noch durch eine einheitliche „Mythologie" zusammengehalten, die die nationalen Verschiedenheiten über-
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brücken konnte, im Gegensatz zur neueren Literatur, wo jeder Künstler ein „isolierter Egoist" ist, und man vergeblich nach dem „innern Zusammenhang" des „Europäischen Völkersystems" sucht. Noch etwas Wichtiges zeigt dieses erste Erwähnen der „Romantischen Poesie". Es ist das für Schlegel typische Vorgehen, das Prinzip der Kunst aus den menschlichen Verhältnissen abzuleiten.43 Zuerst wird auf den „gleichartigen und gemeinschaftlichen Ursprung ihrer Kultur", auf den „Charakter jener Zeit" hingewiesen, bevor das Gemeinsame in der Dichtkunst bei den verschiedenen Nationen „deduziert" wird. Dieselbe Methode erkennen wir beim zweiten Erwähnen der „Romantischen Poesie". Wieder geschieht dies an entscheidender Stelle und zu einem bedeutenden Zweck. Im Gegensatz zur griechischen Naturpoesie soll der „künstliche Ursprung der modernen Poesie" nachgewiesen, und daß „gewisse dirigierende Begriffe" das „lenkende Prinzip der ästhetischen Bildung" seien, bewiesen werden: D a ß aber der Mensch nach diesen Begriffen sich selbst bestimmte, den gegebenen Stoff ordnete, und die Richtung seiner Kraft determinierte; das war ein freier Aktus des Gemüts. Dieser Aktus ist aber eben der ursprüngliche Quell, der erste bestimmende Anstoß der künstlichen Bildung, welcher also mit vollem Recht der Freiheit zugeschrieben wird. Die Phantasterei44 der Romantischen Poesie, hat nicht etwa wie Orientalischer Bombast eine abweichende Naturanlage zum Grunde. Es sind vielmehr offenbar abenteuerliche Begriffe, durch welche eine an sich glückliche, dem Schönen nicht ungünstige Phantasie eine verkehrte Richtung genommen hatte. Sie stand also unter der Herrschaft von Begriffen; und so dürftig und dunkel diese auch sein mochten, so war doch der Verstand das lenkende Prinzip der ästhetischen Bildung. - Das kolossalische Werk des Dante, dieses erhabne Phänomen in der trüben Nacht jenes eisernen Zeitalters, ist ein neues Dokument für den künstlichen Charakter der ältesten modernen Poesie. ( M I , 98).
Dieser „künstliche Charakter" der „Romantischen Poesie" ist durchaus positiv zu verstehen. Denn: „Die künstliche Bildung kann wenigstens zu einer richtigen Gesetzgebung, dauerhaften Vervollkommnung, und endlichen, vollständigen Befriedigung führen: weil dieselbe Kraft, welche das Ziel des Ganzen bestimmt, hier zugleich auch die Richtung der Lauf43
Vgl. Friedrich Schlegel, Neue Philosophische Schriften, hrsg. von Josef Körner (Frankfurt a.M. 1935), 382: „Deduktion der Kunst aus der Natur des Menschen." Vgl. auch Brinkmann, „Romantische Dichtungstheorie", über Schlegel: „Der Impuls aller seiner Bemühungen ist ein zutiefst anthropologisches Interesse", und die dortigen Hinweise auf weitere Literatur zu diesem Problem. (S. 350). 44 Vgl. M l , 125: „Fantasterei;" diese schwankende Rechtschreibung, die sich auch auf das Adjektiv „phantastisch" erstreckt, wird beibehalten, obwohl sonst die Rechtschreibung allgemein heutigem Gebrauch angepaßt wird.
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bahn bestimmt, die einzelnen Teile lenkt und ordnet" ( M I , 97 f.). Dies ist sogar ein Vorzug der Romantischen Poesie gegenüber der griechischen. Denn statt künstlicher Bildung unter der Herrschaft des Verstandes finden wir dort „natürliche Bildung", wobei „der gesamte zusammengesetzte Trieb aber der unumschränkte Gesetzgeber und Führer der Bildung" ist. Und weiter heißt es: „Daß der Versuch der natürlichen Bildung mißglücken könne, ist aber gar keine unwahrscheinliche Voraussetzung: der Trieb ist zwar ein mächtiger Beweger, aber ein blinder Führer. Überdem ist hier in die Gesetzgebung selbst etwas Fremdartiges aufgenommen: denn der gesamte Trieb ist ja nicht rein, sondern aus Menschheit und Tierheit zusammengesetzt" (M I, 97). Es ist des Menschen „ewiger, notwendiger Charakter... die unauflöslichen Widersprüche, die unbegreiflichen Rätsel in sich zu vereinigen, welche aus der Zusammensetzung des unendlich Entgegengesetzten entspringen" (Af I, 98). Um uns die Deduktion des gegensätzlichen Begriffspaares „künstlich" und „natürlich" verständlich zu machen, müssen wir Schlegels Gedankengang noch etwas weiter verfolgen. Obwohl der Mensch „eine aus seinem reinen Selbst und einem fremdartigen Wesen gemischte Natur" ist, vollbringt er doch Taten.45 Mögen diese auch „kaum zur Hälfte sein" sein, so waren sie doch „ohne alle Freiheit" unmöglich. Auf diese Weise kommt Schlegel zur Annahme der Anlage zur Freiheit in der menschlichen Natur. Die Entwicklung dieser Freiheit nennt er „Bildung", und sie sei „die notwendige Folge alles menschlichen Tuns und Leidens, das endliche Resultat jederWechselwirkung der Freiheit und der Natur". In dieser „steten Wechselbestimmung, welche zwischen beiden Statt findet, muß nun notwendiger Weise eine von beiden Kräften die wirkende, die andre die rückwirkende sein. Entweder die Freiheit oder die Natur muß der menschlichen Bildung den ersten bestimmenden Anstoß geben, und dadurch die Richtung des Weges, das Gesetz der Progression, und das endliche Ziel der ganzen Laufbahn determinieren... Im ersten Fall kann die Bildung eine natürliche, im letztern eine künstliche heißen" (MI, 97). Wieder erkennen wir, daß Schlegel seine Kunstprinzipien aus dem Menschlichen herleitet und sie erst dann auf die Literatur anwendet. So wird auch in unserem Zitat die „Phantasie", ein Element des menschlichen Geistes, als ein formendes Element in den Begriff der „Romantischen Poesie" mit einbezogen. Auch der menschliche Verstand hat eine bedeutende formende Funktion. Gilt es doch, den gegebenen Stoff zu ,Der Mensch kann nicht tätig sein, ohne sich zu bilden" ( M I, 96).
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ordnen, die Kraft und die Phantasie in die rechte Richtung zu lenken. Bei Dante ist der Verstand verantwortlich für „die eigensinnige Anordnung der Masse. . . , den höchst seltsamen Gliederbau des ganzen Riesenwerks" (M1,98). Dante (1265-1321) verweist natürlich geographisch nach Italien und zeitlich in das Hochmittelalter und läßt den künstlichen Charakter der Romantischen Poesie sehr gut erkennen: der Verstand wird als das lenkende Prinzip herausgestellt, das die Anwendung falscher Begriffe verhindern und die Phantasie in richtige Bahnen lenken soll, was jedoch bisher ohne rechte Führung und Anleitung nicht zur Genüge gelingen konnte. Kraft und Phantasie sind die Elemente, wodurch sich die „Romantische Poesie" der späteren, eigentlich modernen Poesie als überlegen erweist. Um diese Gegenüberstellung geht es beim nächsten Vorkommen des Begriffes: Früherhin ist in der modernen Poesie doch wenigstens gigantische Kraft und fantastisches Leben. Bald aber wurde die Kunst das gelehrte Spielwerk eitler Virtuosen. Die Lebenskraft jener heroischen Zeit war nun Verloschen, der Geist entflohn; nur der Nachhall des ehemaligen Sinns blieb zurück. Was ist die Poesie der spätem Zeit, als ein Chaos aus dürftigen Fragmenten der Romantischen Poesie, ohnmächtigen Versuchen höchster Vollkommenheit, welche sich mit wächsernen Flügeln in grader Richtung gen Himmel schwingen, und aus verunglückten Nachahmungen mißverstandner Muster?... Der allgemeine Geist des Zeitalters ist überdem aufgelöste Erschlaffung und Sittenlosigkeit. Ihr seid schlecht, und wollt schön scheinen? Euer Innres ist wurmstichig und euer Äussres soll rein sein? Widersinniges Beginnen! Wo der Charakter entmannt ist, wo es keine eigentliche sittliche Bildung gibt, da sinkt die Kunst natürlich zu einem niedrigen Kitzel zerflossener Üppigkeit herab. Am hoffnungslosesten ist das Los der Deutschen Poesie. (MI, 112)
Zuerst fällt hier wieder die enge Verbindung von Dichtkunst und dem Charakter und Geist des Zeitalters auf. Ist dieses kraft- und sittenlos, kann von dem Zustande jener nichts Gutes erwartet werden. Dementsprechend wird der Unterschied zwischen der „Romantischen Poesie", d.h. dem Beginn der modernen Poesie, und der zeitgenössischen Literatur sehr scharf gesehen. Dort: gigantische Kraft, Lebenskraft, fantastisches Leben; hier: Entmannung, Kitzel zerflossener Üppigkeit, Sittenlosigkeit. Dort herrschte Heroismus, hier ist aufgelöste Erschlaffung die Signatur des Zeitalters. Wurde die „Romantische Poesie" der einzelnen Nationen durch die gemeinsame Mythologie des Rittertums und des Christentums beseelt und zusammengehalten, so bietet die mythenlose Gegenwartsliteratur nichts als dürftige Fragmente und verunglückte Nachahmungen. Dem ursprünglichen Schaffen aus dem Mythos stehen die gelehrten
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Spielwerke eitler Virtuosen gegenüber, eine Folgeerscheinung der Vereinzelung, der Loslösung aus dem „Europäischen Völkersystem" (M1,93). Es ist jedoch bezeichnend für Schlegels konstruktives Denken und sein Bemühen, daß er uns mit dieser furchtbaren Invektive gegen die Literatur seiner Zeit nicht verläßt; denn daneben heißt es: „Die erhabne Bestimmung der modernen Poesie ist. . . nichts geringeres als das höchste Ziel jeder möglichen Poesie, das Größte, was von der Kunst gefordert werden, und wonach sie streben kann" ( M I , 111). Diese Hoffnung wird gerade durch die „höchste ästhetische Erschlaffung" verbürgt; denn diese entspringe ja nur dem „gewaltsamsten oft überspannten Streben", was wiederum die „größte Kraft" voraussetzt. Mit dieser Kraft unter einer allerdings bis jetzt noch fehlenden „weisen Führung" wird es der Kunst endlich gelingen können, „die Einseitigkeit derselben zu berichtigen und die höchste Gunst der Natur zu ersetzen" ( M I , 113). So gesehen ist die Erschlaffung sogar ein „günstiges Symptom der vorübergehenden. . . Krise des Interessanten". Aus den Zitaten ist ersichtlich, daß die Poesie des Interessanten nur „provisorische Gültigkeit" (M I, 83) hat und von dem Ursprünge der modernen Poesie ebenso weit entfernt ist wie von ihrem „höchsten Ziel". Zur Erreichung dieses Ziels ist nichts weiter nötig als die Wiedergewinnung der gigantischen Kraft, die die „Romantische Poesie" hervorbrachte, und sie unter „weiser Führung" in die richtigen Bahnen zu lenken. Schlegel selbst sollte dieser Führer werden und das, was hier über eine zukünftige Poesie prophetisch verkündet wird, zu einem konkreten Programm zusammenstellen. Während die „Romantische Poesie" gegenüber der neueren modernen Literatur in sehr günstigem Lichte erschien, hält sie einen gleich günstigen Vergleich mit der griechischen Literatur nicht aus. Dem „Ritter" der „Romantischen Poesie", die hier zum letzten Mal erwähnt wird, wird der „Homerische Held" gegenübergestellt. In seinem „Gemüte" seien „Vorstellungen und Bestrebungen . . . innigst in einander verschmolzen; alle Teile stimmen im vollkommensten Einklang zusammen, und die reiche Fülle ursprünglicher Kraft ordnet sich mit leichter Ordnung zu einem befriedigenden Ganzen". In dieser vollkommenen Harmonie, die sich sowohl im Verhältnis der einzelnen Teile zueinander als auch dieser zum Ganzen erkennen läßt, und so eine vollständige Befriedigung bewirkt, sieht Schlegel das „höchste ästhetische Urbild" (M I, 124), dessen Gesetzmäßigkeit sich der moderne „Künstler oder Kenner" zueignen solle. Logischer Weise kann dieses Höchste von der „Romantischen Poesie" nicht erreicht werden, da sie ja nur Anfang der modernen Poesie ist, und als solcher notwendig unvollendet sein muß (vgl. unten). So heißt es jetzt:
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Im modernen Ritter der Romantischen Poesie ist der Heroismus durch die abenteuerlichsten Begriffe in die seltsamsten Gestalten und Bewegungen so sehr verrenkt, daß selbst von dem ursprünglichen Zauber des freien Heldenlebens nur wenige Spuren übrig geblieben sind. Statt Sitten und Empfindungen findet ihr hier dürre Begriffe und stumpfe Vorurteile; statt freier Fülle verworrne Dürftigkeit, statt reger Kraft tote Masse. Vergleicht sie mit jenen Darstellungen, in denen auch der kleinste Atom von höherm Leben glüht, mit den Homerischen Helden . . . (MI, 128).
Dies Schicksal mußte die „Romantische Poesie" treffen, da ohne weise Führung ihre ursprünglich positiven Elemente, „gigantische Kraft" und „fantastisches Leben", durch gesetzlose Begrifflichkeit irregeführt wurde und verwilderte. So haben wir jetzt Schlegels drei Hauptanliegen im Studiumaufsatz kennengelernt. In der später hinzugefügten Vorrede nennt er sie selbst: „den eigentlichen Charakter der modernen Poesie zu entdecken, das Bedürfnis einer klassischen Poesie zu erklären, und endlich durch eine sehr glänzende Rechtfertigung der Modernen überrascht und belohnt zu werden" (M I, 79). Es geht also eigentlich um die Analyse der modernen Poesie: durch eine Untersuchung der Romantischen Poesie die Tendenz ihrer Entwicklung zu entdecken und Gesetze zu ihrer Vervollkommnung aufzustellen. Die klassische Poesie erfüllt dabei nur ein Bedürfnis, und zwar das eines „ästhetischen Urbildes". Zwar kann man Gesetze für die moderne Literatur aufstellen, doch ist für deren richtige Anwendung ein konkretes Vorbild nötig. „Das reine Gesetz ist leer. Damit es ausgefüllt, und seine wirkliche Anwendung möglich werde, bedarf es einer Anschauung, in welcher es in gleichmäßiger Vollständigkeit gleichsam sichtbar erscheint - eines höchsten ästhetischen Urbildes" (M I, 124). Als einmal historisch gewesenes, aber ewig seiendes ästhetisches Urbild hat also die griechische Poesie nur eine formelle Funktion, dient zur „Anschauung", muß sozusagen erst studiert werden und hat keinen direkten aktiven Einfluß auf die Entwicklung der modernen Poesie, da sie ja nach ganz anderswertigen Gesetzen ihre einmalige Vollkommenheit erreichte. Die moderne Poesie hingegen ist noch im Werden. Wenn Schlegel dieses Werden charakterisiert unterscheidet er drei Entwicklungsphasen : am Anfang in der Romantischen Poesie eine Blütezeit, Entartung zu Schlegels eigener Zeit und eine kurz bevorstehende Erreichung ihrer „erhabenen Bestimmung".46 46
In der Herausstellung dieser drei Entwicklungsphasen der modernen Poesie und dem Betrachten der griechischen als außerhalb jener stehenden Poesie liegt der wesentliche Unterschied dieser Untersuchung zu den anderen wertvollen Studien des
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Schon der verschiedene Ursprung der beiden Dichtarten bestimmt die Unterschiede in ihrem Wesen, „die Richtung des Weges, das Gesetz der Progression, und das endliche Ziel der ganzen Laufbahn" ( M I , 97). Die geschichtliche Notwendigkeit, die „Erfahrung", lehrt, daß „in jedem Zeitalter,... in jedem Teile der menschlichen Bildung, die Praxis der Theorie voranging," d.h.: „nur auf Natur kann Kunst, nur auf eine natürliche Bildung kann die künstliche folgen" (M I, 97). Dank der Gunst der Natur, sowohl durch „die glücklichste ursprüngliche Anlage" als auch durch „die vollendete äußere Begünstigung" ( M I , 132) konnte die griechische Bildung „ein in sich vollendetes Ganzes" werden, „welches durch bloße innere Entwicklung einen höchsten Gipfel erreichte, und in einem völligen Kreislauf auch wieder in sich selbst zurücksank" (M I, 143). So war auch die Kunst „nicht erlernte Fertigkeit, sondern ursprüngliche Natur". Die Dichtkunst erreichte „vollständige Selbstbestimmung", ist damit „der vollständigste Abdruck der allgemeinen Menschennatur", und ihre Geschichte „ist eine allgemeine Naturgeschichte der Dichtkunst; eine vollkommne und gesetzgebende Anschauung" (M I, 125). Doch gerade diese „natürliche Entwicklung" bedingte es auch, ja machte es „notwendig, daß die Griechische Poesie von dem höchsten Gipfel der Vollendung in die tiefste Entartung versank".47 Denn, da die „strebende Kraft nie stillstehen" kann, die Entwicklung jedoch „vollständig und gesetzmäßige Befriedigung erreicht" hatte, begehrt diese Studiumaufsatzes von Rouge, Enders, Mettler und anderen, die vornehmlich nur den Unterschied zwischen griechischer und moderner Poesie, als Ganze genommen, herausarbeiten. Isaac Rouge, Frédéric Schlegel et la genèse du Romantisme allemand (1791-1797) (Paris, Bordeaux 1904). Carl Enders, Friedrich Schlegel: Die Quellen seines Wesens und Werdens (Leipzig 1913). Werner Mettler, Der junge Friedrich Schlegel und die griechische Literatur. Ein Beitrag zum Problem der Historie. (= Zürcher Beiträge zur deutschen Literatur und Geistesgeschichte, Bd. 11) (Zürich 1955). 47 Nichts läge Schlegel ferner, als die moderne Poesie durch „Nachahmung" der Griechen auch in diesen Abgrund zu führen. Trotzdem wird von „sklavischer Nachahmung" der Griechen gesprochen, die Schlegel empfohlen hätte, von seiner eindeutigen Stellungnahme für die Antike, usw. (Vgl. meinen vor der Veröffentlichung stehenden Aufsatz, „ .Romantische Poesie' in Fr. Schlegels Aufsatz Über das Studium der Griechischen Poesie" [German Quarterly]). Oskar Walzel gar meint, Schlegel „opfert die .Modernen' der Antike auf" in seinem Aufsatz „Frühe Kunstschau Friedrich Schlegels", Romantisches, Mnemosyne, Heft 18 (Bonn 1934), 33. Richard Brinkmann jedoch erklärt gegenüber allen Forschern, die vom klassischen Standpunkt Friedrich Schlegels im Studiumaufsatz sprechen: „Von vornherein geht es in dieser Schrift ganz entschieden um die moderne Literatur und bis zum Schluß grundsätzlich um nichts anderes." („Romantische Dichtungstheorie", 353). Diese Einstellung kann heute wohl als die Grundlage für eine neue Bewertung des Studiumaufsatzes und der Frühschriften überhaupt gelten.
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Kraft wiederum „notwendig größeren Gehalt selbst auf Unkosten [sie] der Übereinstimmung" (M I, 151). Dies Begehren ist der Ausdruck des einen Teiles des Triebes, nämlich der „Tierheit". Diese gewinnt die Oberhand in den „spätesten Griechischen Dichtarten", zerstört die Harmonie und setzt an ihre Stelle „Schwelgerei", und „üppige Ausschweifung". „Kraftlose Gährung, dann ruhige Mattigkeit, und . . . schwerfällige Trockenheit" folgten ( M I , 151). Was hätte diesen vernichtenden Absturz vom Gipfel zur tiefsten Tiefe verhindern können? Ein „gereifter Verstand" als „weise lenkendes Prinzip" hätte „dem Gange der Bildung eine glücklichere Richtung geben können" (M I, 152). Aber eben dieser ist hier machtlos, dem Triebe untergeordnet, welcher „der unumschränkte Gesetzgeber und Führer" der natürlichen Bildung und Dichtkunst ist. Erst in der modernen Poesie kommt dem Verstände diese Stellung zu, und zwar als bewußter Führer, sie zu ihrer „erhabnen Bestimmung" zu geleiten, nachdem ihr „blinder Führer" die griechische Dichtkunst zur Entartung geführt hatte. 48 Welche Gesetze bestimmen nun diesen Führungswechsel? Da die natürliche Bildung „der Vervollkommnungsfähigkeit wie der Dauer nach notwendig beschränkt sein" mußte, und daher den „ästhetischen Imperativ", den ewigen Drang nach Kunstgestaltung,49 nicht mehr ganz befriedigen konnte, mußte aus geschichtlicher Notwendigkeit auf die „völlig aufgelöste natürliche Bildung" die „künstliche ästhetische Bildung" folgen. Als mit dem Verlust der „endlichen Realität" ein „Streben nach unendlicher Realität" einsetzte, konnte nur der Verstand diesem Streben genügen 48 Es sei hier allgemein darauf hingewiesen, daß viele dieser Bemerkungen zur Antike und Moderne schon in früheren Aufsätzen vorgebildet oder ausgesprochen sind: „Von den Schulen der griechischen Poesie", „Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie", „Über die Grenzen des Schönen", „Über die weiblichen Charaktere in den griechischen Dichtern" (alle 1794 entstanden), „Über die Diotima" (1795) und „Vom Wert des Studiums der Griechen und Römer" (1795-1796). Nur eine Stelle aus dem Aufsatz „Über die Grenzen des Schönen" sei zum Vergleich und zur Bestätigung zitiert: „Unsere Mängel selbst sind unsere Hoffnungen: denn sie entspringen eben aus der Herrschaft des Verstandes, dessen zwar langsame Vervollkommnung gar keine Schranken kennt. Und wenn er das Geschäft, dem Menschen eine beharrliche Grundlage zu sichern, und eine unwandelbare Richtung zu bestimmen, beendigt hat, so wird es nicht mehr zweifelhaft sein, ob die Geschichte des Menschen wie ein Zirkel ewig in sich selbst zurückkehre, oder ins Unendliche zum Bessern fortschreite. Eben so ist die Herrlichkeit der Alten von ihrem tiefen Falle unzertrennlich: beide entspringen aus der Herrschaft des Triebes." ( M I, 21 f.) 49
„So lange die menschliche Natur existiert, wird der Trieb zur Darstellung sich regen, und die Forderung des Schönen bestehen. Die notwendige Anlage des Menschen, welche, so bald sie sich frei entwickeln darf, schöne Kunst erzeugen muß, ist ewig" (AT I, 119).
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( M I , 82). Nur er konnte die Beschränkung durch die Natur, welcher der Trieb immer unterliegen muß, durchbrechen und so die Myriaden von Realitäten (die Fülle des Lebens) erfassen, nach denen das Zeitalter verlangte. Gelingt es dem Verstand als „gesetzgebende Macht", diese Fülle zu ordnen, dann könne „unsere Poesie durch die Fortschritte aller vorigen Zeitalter bereichert" ( M I , 152) die griechische übertreffen. Dies ist jedoch wieder eine Zukunftsvision; denn wie die Praxis immer der Theorie vorangehe, gibt es noch keine „vollkommene ästhetische Gesetzgebung", deren Aufgabe wäre, „das Gesetzlose zur Harmonie zu ordnen; der ästhetischen Bildung eine feste Grundlage, eine sichre Richtung, und eine gesetzmäßige Stimmung zu erteilen". Doch kann die „Theorie", die ja ohnehin die moderne Poesie beherrscht, vermittels des Verstandes eine Gesetzgebung leicht aufstellen. Es gilt nur, die „richtigen Begriffe" auszumitteln. Wie Schlegel dies sich selbst zur Aufgabe gestellt hat, wie er mit Begriffen experimentiert, um die richtige Mischung, die der griechischen Poesie eigen gewesenen „unbedingten Gesetze für die gegenseitigen Verhältnisse" (M I, 133) zu finden, vermitteln am besten seine Notizhefte. Und die Frucht dieses Experimentierens zeigt das 116. Athenäumfragment, wo er glaubte, die richtigen Verhältnisse für die moderne Poesie gefunden zu haben und sie als Gesetzgebung für die romantische Poesie verkündete. Der Anfang aber der modernen Poesie mußte so notwendig unvollendet sein. Sie „ist ein unvollendeter Anfang, dessen Zusammenhang nur in Gedanken zur Vollständigkeit ergänzt werden kann" (M I, 144). Es haben „verkehrte Begriffe . . . lange die Kunst beherrscht, und sie auf Abwege verleitet" (M I, 123); aber „der Verstand kann durch zahllose Irrtümer doch endlich eine späte bessere Einsicht teuer erkaufen und sich dann sicher einer dauernden Vervollkommnung nähern" (M I, 102). Damit ist das unendliche Ziel der modernen Poesie erkannt. Ihr Gesetz ist das bewußte Streben nach der „unendlichen Realität", die nur durch Selbstinitiative und Selbsttätigkeit, durch Geist, Absicht und Freiheit zu einer harmonischen Ordnung gestaltet werden kann. Dann wäre die Unvollendung des Anfangs überwunden und die „grenzenlos wachsende Klassizität" (Ath.-Frgm. 116) der modernen Poesie garantiert. Vorbildlich bleibt dabei immer die Klassizität des „Urbildes". Die Werke der griechischen Poesie sind „einzige, für alle Zeitalter gültige, und gesetzgebende Anschauungen" (M I, 152); „das vollständige Beispiel der unerreichbaren Idee, die hier gleichsam ganz sichtbar wird: das Urbild der Kunst und des Geschmacks" ( M I , 133). Hier wie dort beruht die Klassizität auf der Gesetzmäßigkeit der
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Gestalt. Klassisch ist ein Werk, wenn alle seine Teile nach dem „Geist des Ganzen" organisiert sind. Das Werk, welches diesen Geist „verkörpert", ist dann ein vollkommenes Individuum und bedeutet zugleich das Ganze, das Universum. Ein Werk soll immer Analogie zum objektiven Gefüge der Welt sein. „Eine wirkliche einzelne Erscheinung wird durch den Zusammenhang der ganzen Welt, zu der sie gehört, vollständig bestimmt und erklärt" ( M I , 138). Bei den Griechen führt so die „natürliche Bildung" zur Hervorbringung des „poetischen Ideals" (M I, 167; 125; 133) und dessen Erscheinen in der „endlichen Realität"; bei der unter dem Gesetz der „unendlichen Realität" und der Progressivität stehenden „künstlichen Bildung" der Modernen jedoch kann dieses „poetische Ideal" nicht mehr sichtbar werden, es liegt im Unendlichen, ist gleich „Gott" (E 735). Daher muß das moderne Kunstwerk durch unbegrenzte Universalität und unendliche Progression diesen Bezug zur Transzendenz immer vergegenwärtigen. Diesen grundlegenden Unterschied abgerechnet, kann und muß jedoch das griechische Urbild ewiges Vorbild bleiben. Es zeichnet sich aus durch eine „Harmonie des Ganzen" ( M I , 132) und einen Zustand der Vollendung, in dem „die Absicht ganz erreicht ist, und in gleichmäßiger Vollständigkeit des Ganzen keine Erwartung unbefriedigt bleibt" (M I, 133). Dementsprechend heißt es denn auch noch 1822 bei dem angeblich reaktionären Katholiken und Royalisten Schlegel: „Die Griechen sind und bleiben unser Vorbild in aller Kunst und Wissenschaft" (KA VI, 150). Ebenso wichtig, wie die Tatsache, daß man überhaupt ein Vorbild hat, ist auch die Frage, wie es nachgeahmt werden soll.50 Die Schuld für die Flachheit und das Schale der neueren Nachahmungen „liegt nicht an der Griechischen Poesie, sondern an der Manier und Methode der Nachahmung, welche notwendig einseitig ausfallen muß, so lange nationelle Subjektivität herrscht, so lange man nur nach dem Interessanten strebt" ( M I , 159). Vielmehr komme es darauf an, sich nur die „Gesetzmäßigkeit jenes Urbildes" zuzueignen, „ohne sich durch die Eigentümlichkeit, welche die äußre Gestalt, die Hülle des allgemeingültigen Geistes, immer noch mit sich führen mag, beschränken zu lassen. Es versteht sich von selbst, daß diese Nachahmung ohne die höchste Selbständigkeit durchaus unmöglich ist" ( M I , 124). Also „nicht die lokale Form oder das indivi50
Vgl. Paul Hankamer in der „Vorrede" zu seiner Ausgabe des Studiumaufsatzes (Godesberg 1947), 15: „Ihre Geschichtlichkeit ist ihm ebenso deutlich wie ihre Mustergültigkeit; und diese scheinbar einander ausschließenden Tatsachen, ihre historische Einmaligkeit und ihre dennoch kanonische Gültigkeit, hatte Schlegel in seinem Begriff der echten Nachahmung zu verbinden."
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duelle Organ soll nachgeahmt werden", sondern der „Geist des Ganzen" {M I, 166). Da man jedoch bis jetzt die Griechische Poesie noch nicht einmal richtig verstanden habe, ist es offensichtlich, daß die echte und wahre „Nachahmung" eine Aufgabe für die Zukunft ist (Vgl. M I, 124; 168; 173; 177). Eben in dem Maße wie hier im Studiumaufsatz die „Romantische Poesie" Selbständigkeit erreicht, wird sie dafür gelobt. Die direkte Nachahmung, „das Romantische Gedicht der Griechischen und Römischen Epopöe ähnlich zu organisieren, sind mißlungen" (M I, 160). Und das ist ein Glück; denn eine „Romanze" 51 - „die reizendste Blüte der modernen Poesie" - kann und soll nicht „die äußre lokale Form" und den mythischen Stoff des Griechischen Epos nachahmen. Wo Dichter versuchten, „die romantische Fabel, oder die christliche Legende in einen idealischen schönen Mythus zu metamorphosieren" ( M I , 161) und „den fantastischen Zauber der Romanze zum tragischen Epos idealisieren wollten", haben sie „das Schickliche verfehlt" und sich lächerlich gemacht. Der Stoff, „die romantische Aventüre", den sie statt des mythischen in die Form des Epos zwingen wollten, hat sich für diese Vergewaltigung „grausam an ihren Verächtern gerächt: denn sie haben vor den Augen des gesamten Publikums, ohne im mindesten Unrat zu merken, sich selbst komödiert" (M I, 162). Die „Romanze" hat also Eigenwert, ihre eigenen Stil- und Gehaltsforderungen. So ist Tasso „zum Glück auf halbem Wege stehn geblieben, und hat sich von der Romantischen Manier nicht sehr weit entfernt" (M I, 160). Und so ist der „göttliche Meister Ariosto" den Anforderungen der „Romanze" gerecht geworden mit seinen „reizenden Grotesken" und auch Wieland mit der „fröhlichen Magie" seiner Phantasie ( M I , 162) und dadurch sind beide auch gleichzeitig „im wesentlichen Charakter" dem „satyrischen Epos" (M I, 161) näher gekommen. Es werden noch weitere Elemente des „Romantischen Gedichts" angeführt, wodurch es sich von dem griechischen Epos unterscheidet: Schon ganz frühe gesellt sich zu der gigantischen Größe, zu dem fantastischen Leben des romantischen Gedichts eine leise Persiflage, die oft auch laut genug wird. Dies ist der beständige Charakter dieser Dichtart von Pulci bis zum 51
Der Ausdruck „Romanze" wird hier offensichtlich nicht im gewöhnlichen Sinne gebraucht als Bezeichnung für eine kurze Verserzählung oder ein episches volkstümliches Preislied, wie sie im 14. Jahrhundert in Spanien entstanden. Hier bezeichnet der Begriff eine Kunstdichtung des 15. und 16. Jahrhunderts, die romantischen Stanzenepen des Ariost und Tasso, also das italienische Romanzo. Erst später gebraucht Schlegel diesen Begriff wie auch den des Romans.
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Ricciardetto geblieben; und Wieland, der die Gradationen dieser launigten Mischung fast in jedem seiner romantischen Gedichte verschieden, immer überraschend neu und immer glücklich nüanciert hat, ist ihr selbst doch in allen durchgängig treu geblieben. Gewiß war dies nicht zufällig. Die romantische Fabel und das romantische Kostüm hätten in ihrer ursprünglichen Bildung rein-menschlicher und schöner sein müssen, um der glückliche Stoff eines tragischen, schön und einfach geordneten Epos werden zu können. (MI, 160).52 Der Begriff „Persiflage", in der späteren Umarbeitung durch Ironie53 ersetzt, ist besonders hervorzuheben. Sie drückt den „künstlichen" und individuellen Charakter der „Romanze" aus gegenüber dem naturgemäßen, „einfach geordneten" griechischen Epos. Die Persiflage ist ein ausgleichender, stabilisierender und notwendiger Bestandteil; denn „exzentrische Größe hat eine unwiderstehliche Sehnsucht zu dem ihr entgegengesetzten Extrem, und nur durch eine wohltätige Vereinigung mit der Parodie bekommt tragische Fantasterei Haltung und Bestandheit". So erreicht diese „seltsame Mischung" von gigantischer Größe, phantastischem Leben und Parodie sogar eine „eigentümliche Schönheit" (M I, 161). Nachdem es einmal feststeht, „umsonst hoffen wir auf einen Homerus" (M I, 160), bemüht sich Schlegel also hier, die Eigenschaften des „romantischen Gedichts" anerkennend herauszustellen. Zwar ist „das romantische Epos der Italiener . . . immer nur Tendenz geblieben" (E 1725), wie es später heißt, aber ein glückliches Zeichen für die Selbständigkeit der modernen Poesie ist es doch. Der Ausdruck „das romantische Kostüm" wird später durch „die ritterlichen Sitten"54 ersetzt und ist damit wohl genügend geklärt, ohne 52
Wieland wird hier wegen seiner geschickten N a c h a h m u n g der Ritterepen erwähnt. Vgl. E 1599: „ D i e Verschmelzung des Rittertums und der liebenswürdigen Häuslichkeit im Oberon vielleicht das Beste u n d K ü h n s t e im Wieland. Sein Rittert u m ist eine Mischung von falschem Ariost, Crebillon und Gessner." Die H a u p t vertreter dieser in der Zeit „von Pulci bis zum Ricciardetto" florierenden typischen K u n s t g a t t u n g der Romantischen Poesie sind Pulci (1432-1470) u n d Boiardo (14301494) mit ihren bekanntesten Versgedichten Morgante Maggiore u n d Orlando Innamorata, Ariosto (1474-1533) mit seinem großen romantischen Epos Orlando Furioso, Tasso (1544-1595) mit seinem heroischen Epos Das befreite Jerusalem u n d schließlich Niccolò Forteguerri (1674-1735), der mit seinem komisch-heroischen Ricciardetto die Abenteuer Karls des G r o ß e n u n d seiner Ritter zum letzten M a l ironisierend darstellt. Schlegel ist fasziniert von dieser „launigten Mischung", der „fantastischen" F o r m dieser „reizenden Zwitterbildung", die Ernst u n d Scherz verbindet, die Reales und Ideales, Antikes und Modernes in der Darstellung vermischt und sich durch Parodie u n d Ironie über alle Beschränkungen des Stoffes zu erheben vermag. Alles dies sind Eigenschaften, die Schlegel auch späterhin von der romantischen Poesie fordert. 53 54
Schlegel, Werke, zweite Original-Ausgabe, V, 132. Ebd., 133.
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den Sinn der Stelle zu verändern. „Romantische Manier" steht im Gegensatz zum „Griechischen Stil" und seiner objektiven Darstellungsweise und bedeutet vor allem individuelle Ausdrucksweise. „Unter Manier verstehe ich in der Kunst eine individuelle Richtung des Geistes und eine individuelle Stimmung der Sinnlichkeit, welche sich in Darstellungen, die idealisch sein sollen, äußern" ( M I , 109). Sie, die Manier, ist die „Äußerung der Tendenz" (vgl. obiges Zitat E 1725) „en detail" CE 929). Diese Manier und Individualität erreichen ihren Höhepunkt in Shakespeare, dem „Gipfel der modernen Poesie" (M1,108). „Seine Darstellung ist nie objektiv, sondern durchgängig maniriert: wiewohl ich der erste bin, der eingesteht, daß seine Manier die größte, seine Individualität die interessanteste sei, welche wir bis jetzt kennen" (M I, 109). Diese Manier umfaßt sowohl den Reichtum „einzelner Schönheiten jeder Art", das „vollkommne Schöne" als auch „die völlige Zwecklosigkeit des Lebens, die vollkommene Leerheit alles Daseins" (M I, 108). Nur zwanzig Jahre jünger als Tasso, ererbte er die „reizendsten Blüten der Romantischen Phantasie" (M I, 107), wie sie die Romantische Poesie hervorgebracht hatte. Diese Phantasie und seine „gigantische Größe der gotischen Heldenzeit" vereinigen sich in ihm „mit den feinsten Zügen moderner Geselligkeit, mit der tiefsten und reichhaltigsten poetischen Philosophie", so daß er „den Geist der modernen Poesie überhaupt am vollständigsten und am treffendsten charakterisiert" (M I, 107). In dieser Mischung der verschiedenen Stoffe und Vereinigung gegensätzlicher menschlicher Gefühle, geographischer Gegensätze und auseinander liegender Zeiträume, wie sie Schlegel in den Zitaten beschreibt, liegt wohl sein späterer Ausspruch mitbegründet: „Shakespeare's Universalität ist wie der Mittelpunkt der romantischen Kunst" (Ath.-Frgm. 247). Sogar die Zukunft, „die Bildung unsers Zeitalters" hat er „antizipiert" in der Darstellung der „modernen Geselligkeit" und der „poetischen Philosophie". Und das Werk, nun, das die Verbindung und Vermischung der Gegensätze - das romantische Prinzip - am besten zeigt und daher das Adjektiv „romantisch" erhält, ist Romeo und Julia. „. . . der Romeo des Shakespeare ist gleichsam nur ein romantischer Seufzer über die flüchtige Kürze der jugendlichen Freude; ein schöner Klagegesang . . . Es ist eine hinreißende Elegie, wo die süße Pein, der schmerzliche Genuß der zartesten Liebe unauflöslich verwebt ist. Diese bezaubernde Mischung unauflöslich verwebter Anmut und Schmerzens ist aber eben der eigentliche Charakter der Elegie" ( M I , 103). Eigentlich wählt Schlegel dieses Drama, um die „unnatürlichen Ver-
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mischungen der reinen Dichtarten" und die „Monstrosität der Gattung" zu demonstrieren, da es „die dramatische Äußerung einer lyrischen Begeisterung" sei. Aber wenn er dann das Werk selbst erwähnt, spüren wir nichts von diesem ab- und entwertenden Sinn. Statt das Negative herauszustellen, scheint Schlegel wie bezaubert. Wahrscheinlich konnte er sich des Lobes nicht enthalten, weil er hier inmitten der Zerrissenheit der modernen Poesie eine „Einheit der Stimmung" antraf, die das Werk zu einem Ganzen macht. „Musikalische Stimmung oder lyrische Gleichartigkeit" bedingen diese Einheit in der Mannigfaltigkeit (M I, 102 f.). „Unauflöslich verwebt" sind die verschiedensten Gefühle. Und diese Gefühlsmischung wird als Vorzug empfunden, wobei schon rein sprachlich die bewußt angewandte Stilfigur des Oxymoron - süße Pein, schmerzlicher Genuß, Anmut und Schmerzen - die einander scheinbar widersprechenden Begriffe zu einer Einheit zusammenfaßt. Romeo und Julia ist offenbar einzig das Produkt der „Romantischen Phantasie" Shakespeares ; denn schneidend steht die Bewertung dieses Werkes im Widerspruch mit den Eigenschaften: „widerlich, bitter, empörend, ekelhaft, platt und gräßlich" ( M I , 108 f.), die Schlegel auch in Shakespeare findet, wenn er ihn als Vertreter der modernen Poesie schlechthin nennt. Die Phantasie als wichtiges „Organ", als urtümliche Kraft der Poesie, durchgeht natürlich dieselben Phasen, wie die Poesie selbst: die Romantische Phantasie hat die „reizendsten Blüten" der Romantischen Poesie hervorgebracht, jetzt sei sie „schon lange durch Vielwisserei erdrückt und abgestumpft, durch Wollust erschlafft und zerrüttet worden". Doch ebenso wie der Verstand ist sie „mit der Freiheit verwandt" und kann sich daher wie dieser „durch einen Schwung der Freiheit und durch echte Bildung von neuem emporschwingen, und allmählich vervollkommnen". So könne die Phantasie „Stärke, Feuer, Elastizität . . . völlig wieder erreichen ; nur das frische Kolorit, der romantische Duft jenes Frühlings kehrt im Herbst nicht leicht zurück" (M I, 118). Dieser Ausdruck „romantischer Duft" birgt eine neue Bedeutungsassoziation für das Wort „romantisch": es bezieht sich auf die Griechische Poesie. Denn mit „jenem Frühling" ist der „Frühling der Menschheit" gemeint, wo die „frische Blüte der jugendlichen Phantasie ein köstliches Geschenk der Natur", wo „schon die Wirklichkeit selbst edel, schön und reizend, und die gemeinste Volkssage ohne alle künstliche Zubereitung bezaubernde Poesie" war (M I, 117-118). Höchstwahrscheinlich hat Schlegel hier das Zeitalter Homers im Sinne. Dieser Dichter ist denn auch einer der ersten unter den griechischen, auf den das Adjektiv „romantisch" angewendet wird, wenn es 1798 heißt: „Die Odyssee ist das älteste
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romantische Familiengemälde" (E 1440). Derselbe Gedanke liegt offenbar schon den Worten im Studiumaufsatz zugrunde, wenn „der bescheidene Reiz stiller Häuslichkeit vorzüglich in der Odyssee . . . und die ersten Regungen schöner Geselligkeit" als „nicht die kleinsten Vorzüge des Griechen" gepriesen werden (M I, 128). Wie das obige Beispiel zeigt, streiten für Schlegel (im Gegensatz zu seinen Interpreten) die Begriffe „klassisch" und „romantisch" nicht miteinander. Dies kommt auch deutlich in seinen Äußerungen über Wieland zum Ausdruck. Nennt Schlegel einmal Wielands romantisierende und ironisierende Epen „romantische Gedichte", denen er durchaus nicht abgeneigt ist (s. o.), kann er doch gleichzeitig „die köstlichsten Stellen der Wielandischen Poesie objektiv-komisch und echt griechisch" nennen ( M I , 177). So wünscht Schlegel nichts sehnlicher, als daß „der Streit der antiken und modernen ästhetischen Bildung wegfällt" (M I, 171). Fortwährend bemüht er sich daher um eine Synthese des Geistes der Antike und der Moderne, damit die „erhabne Bestimmung der modernen Poesie" erreicht werden könne. So hieß es schon 1794: „Das Problem unserer Poesie scheint mir die Vereinigung des Wesentlich-Modernen mit dem Wesentlich-Antiken"55 und 1812 lesen wir wieder: „In der Tat streitet auch das Romantische an sich mit dem wahrhaft Antiken nicht" (KA VI, 285). Und daher ist es auch keine Überraschung, wenn Schlegel hier im Studiumaufsatz Romantisches bei Homer findet und sowohl Klassisches als auch Romantisches bei Wieland. Als Urbild und Vorbild steht jedoch die griechische außerhalb der Entwicklung der modernen Poesie. Unsere Zitate bezogen sich auf drei Stadien dieses Stufenganges: erstens, auf die Romantische Poesie, hier als Anfang der modernen verstanden; zweitens, auf die Literatur im Zeitalter Schlegels und drittens, auf eine zukünftige Dichtkunst, die Schlegel 1797 als neue romantische Poesie verkündet und zu begründen versucht. Aus Schlegels Briefen ist ersichtlich, daß er sich schon vor 1796 mit den Dichtern des Mittelalters und der Renaissance, allgemein als Zeitraum der Romantischen Poesie verstanden, beschäftigt hat,56 so daß ihm die Vorstellung einer „Romantischen Poesie" hier im Studiumaufsatz ein fester Begriff ist. Ohne daß er eine spezifische Definition für nötig hielte, gilt sie ihm so als ein historisch gegebenes Faktum, das er charak55
Fr. Schlegels Briefe an seinen Bruder A. W., 170. Diese Beschäftigung läßt sich leicht verfolgen an Hand Walzels Namenregister zu Fr. Schlegels Briefen an seinen Bruder A.W., das die von Schlegel seit 1791 erwähnten Dichter anführt.
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terisiert und dessen er sich bei seinem Überblick über die Geschichte der gesamten Dichtkunst als Vergleichs- und Bewertungsmaßstab gegenüber sowohl der modernen als gelegentlich auch der Griechischen Poesie bedient. Sind die Dichter, die als Vertreter der Romantischen Poesie genannt werden, hier im Studiumaufsatz nur der italienischen Dichtung entnommen, so beginnt 1797, wie aus den Literary Notebooks ersichtlich ist, Schlegels intensives Studium der Dichter und der Dichtkunst aller Länder der Romania, um daraus viele ästhetische Kategorien zu seiner romantischen Ästhetik abzuleiten. Durch dies Studium der nachklassischen Poesie und insbesondere der Romantischen hat Schlegel bald erkannt, daß, wie bei den Griechen die Tragödie, die herrschende Dichtart bei den Modernen der Roman ist (E 32), aber auch, daß „das Romantische . . . noch nie im ganzen Umfang ganz Absicht" gewesen sei (E 862). Diese Feststellung schließt die Forderung ein, daß es einmal Absicht werden solle. In den Jahren nach der Veröffentlichung des Studiumaufsatzes stellt er sich selbst diese Verwirklichung des Romantischen zur Aufgabe. Damit will er eine ästhetische Revolution entfachen. Der Augenblick ist günstig: „Noch war vielleicht kein Augenblick in der ganzen Geschichte des Geschmacks und der Dichtkunst... so schwanger mit fruchtbaren Keimen für die Z u k u n f t . . . " Der Roman, dessen näherer Erforschung sich Schlegel 1797 zuwendet, soll diese ästhetische Revolution bewirken57 und Träger des romantischen Programms zur Literaturund Kulturerneuerung werden. Hierbei wirkt die „Romantische Phantasie" als belebendes und verjüngendes Element und ein gereifter Verstand soll den ewigen Drang im Menschen nach Kunstgestaltung in eine glücklichere Richtung lenken. Damit wird die Aussicht auf die dauerhafte Vervollkommnung und die „erhabne Bestimmung" der modernen Poesie eröffnet. Doch nicht bei den zeitgenössischen Dichtern findet er die fruchtbaren Elemente, die ihm bei der Begründung seiner neuen romantischen Poesie helfen könnten. Goethe, obwohl seine Poesie als „Morgenröte echter Kunst und reiner Schönheit" gelobt wird (M I, 114), gilt ihm nie als romantischer Dichter: „Goethe ist nicht romantisch" (E 1089) und „von der romantischen Ganzheit hatte Goethe keine Idee" (E 341). Vielmehr greift Schlegel zurück auf den Zeitraum, der schon im Studiumaufsatz in historischer Hinsicht als Zeit der romantischen Poesie gilt, auf „jenes 57
Vgl. E 1466: „ D u r c h die Theorie des R o m a n s die ganze Poesie in revolutionären Zustand versetzt."
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Zeitalter der Ritter, der Liebe und der Märchen, aus welchem die Sache und das Wort selbst herstammt" (Vgl. Beginn dieses Kapitels). Obwohl der Begriff „romantische Poesie" in den folgenden Jahren eine explosive Bedeutungserweiterung erfährt, sind doch schon hier im Studiumaufsatz die Perspektiven gesetzt, innerhalb deren das romantische Programm abrollt: die griechische Poesie als ewiges Vorbild, die phantasielose Dürftigkeit der modernen, die jedoch während der romantischen Epoche einen verheißungsvollen Beginn hatte, und die Verkündung der erhabenen Bestimmung für eine noch zu begründende Literatur durch Revitalisierung der guten Eigenschaften der älteren Romantischen Poesie und durch eine ästhetische Revolution. Es ist also weder der Einfluß Goethes noch Schillers, der Schlegel zum romantischen Ästhetiker ausgebildet hat, 58 vielmehr verdankt er das seiner Beschäftigung mit der Dichtkunst des Mittelalters und der Renaissance, in der er - wie schon der Studiumaufsatz zeigt - die Romantische Poesie verkörpert findet. Und wenn es 1797 in Bezug auf diese Dichtkunst heißt: „Durch die Synthesierung aller alten Romantischen Poesie muß die moderne sich ergeben" (E 964), dann ist es folgerichtig und zeugt von der Kontinuität der geistigen Entwicklung Schlegels, wenn er dieser neuen modernen Poesie den 58
Obwohl eine der „größten Tendenzen des Zeitalters" (Ath.-Frgm. 216), erfüllt Goethes Wilhelm Meister bei weitem nicht Schlegels Erwartungen von einem romantischen W e r k : „ E i n vollkommener R o m a n m ü ß t e auch weit mehr romantisches Kunstwerk sein als Wilhelm Meister; moderner u n d antiker, philosophischer u n d ethischer u n d poetischer, politischer, liberaler, universeller, gesellschaftlicher" (E 289). I m Anschluß an Rudolf H a y m s Meinung, daß Schlegel im Wilhelm Meister das „poetische I d e a l " des R o m a n s gefunden und es „folgerecht . . . mit dem N a m e n der ,romantischen' D i c h t u n g " bezeichnet habe (Die Romantische Schule [Berlin 1870], 251), galt dieses Werk lange Zeit als Quelle für Schlegels Begriff der romantischen Poesie. - Zu Schillers Einfluß vgl. Hans-Heinrich Borcherdt, Schiller und die Romantiker, Briefe und Dokumente (Stuttgart 1948), 43: „ D u r c h Schillers Aufsatz wird n u n der Klassizist Schlegel erst zum romantischen Ästhetiker." Auch Lovejoy meint, Schillers Aufsatz „ Ü b e r naive und sentimentalische D i c h t u n g " hätte Schlegels „conversion to . . . the R o m a n t i c doctrine of a r t " veranlaßt. Vgl. auch Lovejoys Aufsatz „Schiller and the Genesis of G e r m a n Romanticism", Modern Language Notes, X X X V (1920), 1-10; 136-146. Auch in: Essays, 207-227. Indem H . Eichner die „Theorie des R o m a n s " , die F r . Schlegel seit 1797 zu entwickeln beginnt, als „ t h e direct and immediate source of his published statements on romantische Poesie" nimmt, gelingt es ihm, sowohl H a y m s Meinung als auch Lovejoys Behauptung, daß die romantische Poesie einfach die frühere „interessante Poesie" sei, zu berichtigen („Schlegel's Theory of R o m a n t i c Poetry", 1023 ff.). A n anderer Stelle erbringt Eichner den Nachweis, daß jeder Einfluß von Schillers Schrift, „Über naive u n d sentimentalische D i c h t u n g " auf Schlegels Studiumaufsatz abzulehnen ist. Vgl. „ T h e Supposed Influence of Schiller's Über naive und sentimentalische Dichtung on F r . Schlegel's Über das Studium der Griechischen Poesie", Germanic Review, X X X (1955), 260-264.
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Namen „romantische Poesie" gibt.59 Von einem Bruch zwischen seiner sogenannten klassischen und einer darauf folgenden romantischen Periode kann also nicht die Rede sein.
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Vgl. dagegen Lovejoys Erörterung, warum Schlegel das Adjektiv „romantisch" und nicht „modern" oder „interessant" wählte, um die neue Dichtkunst zu bezeichnen (Essays, 205 f.).
III DIE FRÜHE BERLIN-JENA ZEIT (1796-1798)
ERSTER TEIL: DER „ABSOLUTE R O M A N "
Nicht „im Handumdrehen" gewinnt Fr. Schlegel also nach seinem Studiumaufsatz „den romantischen Standpunkt;" 1 vielmehr indem er ernst macht mit den dort aufgestellten Forderungen und mit seiner „Liebe" (M I, 78) zur modernen Poesie. „Der Zustand der ästhetischen Bildung unsres gegenwärtigen Zeitalters war es, der uns aufforderte, die ganze Vergangenheit zu überschauen," so hieß es im Studiumaufsatz. Und weiter: „Nie würde untätige Gleichgültigkeit gegen das Schöne . . . weniger angemessen sein; nie durfte man aber auch eine größere Belohnung der Anstrengung erwarten, als die welche der künftige Gang der ästhetischen Bildung der Modernen verspricht. Vielleicht werden die folgenden Zeitalter oft zwar nicht mit anbetender Bewundrung, aber doch nicht ohne Zufriedenheit auf das jetzige zurücksehn" (M I, 172). Mit diesem akuten Sinn für die Geschichtlichkeit seines Zeitalters, seiner Tätigkeit und seiner selbst widmet er nun seine ganze Kraft und Energie dem „Zustand" dieses Zeitalters und kämpft gegen „untätige Gleichgültigkeit" und wird der unruhig suchende Revolutionär, dem keine alten Ordnungen und Systeme, seien sie philosophischer, gesellschaftlicher, politischer oder dichterischer Art, genügen können. Wiederum bedeutet diese aktive Teilnahme am Geschick der modernen Poesie keine Abkehr von der griechischen. Im Gegenteil: „Jedes große, wenn gleich noch so ekzentrische Produkt des modernen Kunstgenies ist. . . ein echter an seiner Stelle höchst zweckmäßiger Fortschritt, und so heterogen die äußre Ansicht auch sein mag, eigentlich doch eine wahre Annäherung zum Antiken" ( M I , 171). Durch vier Bedingungen hatte die griechische Poesie ihre einmalige Höhe erreicht: „Kraft, Gesetzmäßigkeit, Freiheit und Gemeinschaft" 1 Oskar Walzel, Deutsche Romantik (= Aus Natur und Geisteswelt, 232. Bändchen) (Leipzig 1908), 31.
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(M I, 174); nun gilt es, diese auch für die moderne zu schaffen: „Erst wenn die Gesetzmäßigkeit der ästhetischen Kraft durch eine objektive Grundlage und Richtung gesichert sein wird, kann die ästhetische Bildung durch Freiheit der Kunst und Gemeinschaft des Geschmacks durchgängig durchgreifend und öffentlich werden" (M1,174). Um dies zu ermöglichen, kämpft der Revolutionär nun auf den Gebieten der Bildung, der ästhetischen Theorie und des Griechenstudiums. Durch das bekannte Symphilosophieren, Sympoetisieren, usw. sollte die „Gemeinschaft des Geschmacks" öffentlich werden, die „Freiheit der Kunst" mußte von Gleichgesinnten erkämpft werden, „ästhetische Kraft" traute er sich und seinem Zeitalter genügend zu, um ihr aber die gehörige Gesetzmäßigkeit zu geben, bedurfte es jahrelanger schwerer Arbeit. Jedoch: „. . . der Versuch ist notwendig! Wer hier gleichgültig und faul bleibt, dem liegt nichts an der Würde der Kunst und der Menschheit" {M I, 111 f.). Dieser Versuch, die Gesetzmäßigkeit der modernen Poesie, ihre richtige „Mischung" und Zusammensetzung zu entdecken, ist ein unermüdliches Experimentieren mit den poetischen Elementen dieser Poesie, das nun vorerst bis zum 116. Athenäumfragment, dem „locus classicus für den Schlegelschen Begriff der romantischen Poesie", 2 verfolgt werden soll. Zunächst geht es um eine Weiterentwicklung der Ansätze zur Kritik der „Romantischen Poesie". Die Werke der Dichter der im Studiumaufsatz angegebenen romantischen Epoche werden eingehender analysiert und ihre jeweils dominierenden Elemente herausgestellt. Nach diesen Elementen werden dann die Dichter und ihre Werke klassifiziert. Bei Tasso überwiegt zum Beispiel das Sentimentale. Demnach wird Tasso als sentimental bezeichnet (E 184), sein Romanzo im allgemeinen als sentimental ( £ 336) und bestimmter heißt es: „Tasso's Jerusalem ein sentimentales Romanzo" (E 178). Diese Elemente nun, die aus den Werken dieser „romantischen" Dichter deduziert werden, bilden für Schlegel allmählich einen Wertekodex, nach dem Dichter und Werke auch außerhalb des im Studiumaufsatz angegebenen Zeitraumes für die „Romantische Poesie" gewertet werden. Der Bedeutungsgehalt besonders des Begriffes „romantisch" schwillt dabei gewaltig an: „Romantisch ist die Oberfläche der Erde" (E 1262), so heißt es, und im Schwünge der Begeisterung über Cervantes notiert Schlegel: „Romantische Prügel und witziger Dreck in Cervantes bis zur Vollendung schön; auch romantische Spitzbüberei und Gemeinheit" (E 1453) und schließlich sei „Ewige Jugend das wesentliche Erfordernis des Romantischen" (E 1347). Solche 2
Haym, Romantische
Schule, 253.
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Zitate, deren es viele gibt, sollen uns eine Ahnung von der Weitläufigkeit des Begriffes geben, während wir uns nun seiner Anwendung in Schlegels Literaturkritik zuwenden. Es überrascht zunächst, daß die von Eichner als Literary Notebooks herausgegebenen Eintragungen Schlegels schon während der Jahre 1797-1798 Gedanken enthalten, denen man in den von Schlegel selbst veröffentlichten Schriften erst später begegnet. So heißt es schon hier: „Eigentlich ist alle Poesie = Romantisch!" (E 973), „Die Liebe auch der Quell aller Poesie" (1500) und „ohne Religion ist keine rechte Liebe möglich" (E 1509). Und wenn es gar heißt, daß „Gott" das „poetische Ideal" der neuen Poesie (E 735) und daß „die christliche Poesie . . . Symbol des absoluten Ideals sei (E 1049), dann sind das Gedanken, die man erst in den Wiener Vorlesungen aus dem Jahre 1812 vermuten würde. So wird auch hier wieder die Kontinuität der geistigen Entwicklung Schlegels offenbar. Gleich zu Beginn der Notizhefte ist nun ersichtlich, wie Schlegel bemüht ist, seine Eindrücke von seiner Lektüre zu klassifizieren. Wurde Tasso als sentimental bezeichnet, so heißt es von anderen: „Ariosto ist ein fantastischer Dichter; Petrarca und Guarini sentimentale" (E 239). Oder: „Pulci ist fantastischer, Boiardo mehr sentimental" (E 850). Von Dante heißt es zuerst: „Dantes Komödie ist ein Roman" (E 76), dann: „Die Form in Dante ist romantisch" (E 846) und schließlich : „Mimischer Roman überwiegt in Dantes Hölle, Sentimentaler Roman im Fegefeuer, Fantastischer Roman im Himmel" (E 851). So allumfassend ist Dante, daß er für Schlegel „der Keim der ganzen modernen Poesie" ( f i 561) und zunächst auch ihr Anfang (E 1027) ist. Kurz zuvor hatte Schlegel das Absolut Fantastische, Sentimentale und Mimische als „die poetischen Ideen" bezeichnet, die die Bestandteile des „poetischen Ideals" (E 735) für die neuere Poesie sind.3 Je mehr diese Eigenschaften nun in den Werken gefunden werden, desto „romantischer" sind sie. Außer Dante sind es vor allen Dingen Cervantes und Shakespeare, die immer die rechte Mischung dieser drei Bestandteile aufweisen und deshalb als der Dreiklang der modernen Poesie gelten. Diese drei Namen stehen über allen anderen, wenn er sich eine Übersicht verschaffen will : „Goethen ausgenommen ist die gesamte zweite Periode der modernen Poesie etwas Elendes gegen die ältere von Dante bis Cervantes und Shakespeare" {E 1593). Diese stehen auch weit über Goethe; denn „Goethe ist nicht romantisch" (E 1089). Dagegen ist „Shakespeares Geist durchaus roman3
Eine Erklärung dieser drei „poetischen Ideen" wird im zweiten Teil dieses Kapitels versucht.
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tisch'''' (E 1213). Und „Cervantes ist doch romantischer als Shakespeare" (E 1209). Deshalb erhält sein Don Quixote auch die höchste Auszeichnung, die Schlegel zu dieser Zeit zu vergeben hatte, die Bezeichnung „romantischer Roman." Nachdem er es kurz zuvor beklagt hatte, daß ein romantischer Roman immer noch fehle (E 571), lesen wir einige Zeit später: „Don Quixote noch immer der einzige durchaus romantische Roman" (E 1096). Wenn Don Quixote seiner Auffassung von der romantischen Struktur am meisten entspricht, so kommen Dante und Shakespeare dem „Wesen des Modernen" am nächsten, wie es Schlegel sieht. „Das Wesen des Modernen besteht in der Absolutheit, in der Universalität und in der Abstraktion der Tendenz" (E 510). Dante hat nun absolut FantastischSentimentales und absolut Mimisches ( f i 561). Und wie es weiter heißt: „Dante tendenziert zugleich auf absoluten Roman, auf absolutes poetisches Drama und auf absolute Prophetie. Er umfaßt die ganze Transzendentalpoesie, insofern auch die ganze Abstrakte und die ganze Romantische Poesie" (E 840). Dieses Zitat gibt den Umriß der gesamten Ästhetik Schlegels zu dieser Zeit. Verdeutlicht wird es durch die folgenden zwei : Durch das Romantische bekommt ein Werk die FÜLLE, die Universalität und Potenzierung; durch Abstraktion bekommt es die EINHEIT, die Klassizität und Progressivität; durch das Transzendentale aber die ALLHEIT, die Ganzheit, das Absolute und Systematische. - Die drei poetischen Werke : absolutes poetisches Drama, absoluter Roman, absolutes prophetisches System sind nicht mehr bloß abstrakte Poesie. Sie sind zugleich abstrakt und Romantisch und Transzendental. Poetische Dreieinigkeit. (E 891) Die meisten absoluten Romane sind individuell und also Tendenz zu absoluten Romanen; darin muß der Geist der Tugend herrschen, wie der Geist der Kunst [Poesie] in absoluten poetischen Dramen und der Wissenschaft [Philosophie] in absoluter Prophetie. (E 747) Alle diese Begriffe und ästhetischen Kategorien faßt die romantische Universalpoesie zusammen, denn „die universelle Romantische Poesie ist aus der Transzendentalpoesie und Abstrakten Poesie gemischt" (E 766). Wir werden also einigen dieser Begriffe immer wieder begegnen und bei der Analyse des 116. Athenäumfragments noch näher zu bestimmen haben. Hier sei zur Erläuterung dieser Begriffe eine Äußerung Schlegels über Dante aus den Paris-Kölner Vorlesungen angeführt: Dantes Gedicht ist ein Versuch, das Höchste für den Menschen zu verkünden, oder den Menschen zum Höchsten, Unendlichen zu erheben. Es enthält die
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reinste Theologie und Philosophie in dem lebendigen, glänzenden Gewände der Dichtkunst... Eine solche Darstellung der gesamten Natur und Gottheit, verknüpft und modifiziert durch den katholischen Geist und Glauben, ausgeführt von einem denkenden, durch das gründlichste Studium aller Wissenschaften so literarisch gebildeten und das reichste Leben so schön und kräftig genährten poetischen Genie wäre im Geist der Griechen nicht möglich gewesen, weil dort Philosophie und Poesie zu sehr getrennt waren. Dante war nicht nur Dichter, sondern auch Denker und Philosoph in der höchsten Bedeutung des Wortes, mit einer Wissenschaftlichkeit, Gründlichkeit, Spitzfindigkeit auf der einen und einem Reichtum, einer Tiefe der Phantasie, einer Pracht, Farbengebung und Erhabenheit der Sprache und der Dichtung auf der anderen Seite, wie diese vollkommene Vereinigung beinahe gar nicht, auch nicht in den ersten Köpfen aller Zeiten angetroffen wird . . . Die umfassendste Ansicht des Ganzen der Religion kann ebensogut ein Werk, ein System der Philosophie, Theologie und Historie genannt werden, indem es den ganzen Zyklus der merkwürdigsten Begebenheiten des damaligen Zeitalters und alles, was in den Wissenschaften der Philosophie erdacht und ersonnen war, mit dem höchsten Scharfsinn darstellt. Es ist eine Darstellung des Weltalls nach der katholischen Einteilung desselben in Himmel, Fegefeuer und Hölle. Dante nannte sein Gedicht DIVINA COMMEDIA; das erste, weil es von göttlichen Dingen handelt, das zweite, weil es die Geschichte der bürgerlichen Verhältnisse seiner Zeit darstellt und ein glückliches Ende nimmt. Man weiß wirklich nicht, zu welcher Gattung man diese Dichtung zählen soll; sie umfaßt alle, ist episch, dramatisch, lyrisch und zugleich noch didaktisch. Dante versuchte, die Religion und Geschichte seiner Zeit poetisch zu gestalten . . . Dante strebte das alles zu verbinden, das Leben wieder poetisch zu gestalten und der Religion ihre ursprüngliche Form wiederzugeben. (KA XI, 149 f.) Dante ist so „unter allen modernen Dichtern allein, enzyklopädisches Bild des Zeitalters" (E 883). Die drei Arten von Poesie, die Dante umfaßt, werden noch weiter bestimmt: „Die romantische Poesie ist Empirisch, die Transzendentale ist mystisch oder polemisch, die abstrakte Poesie wird erst zusammen mit der absoluten oder universellen kritisch" (E 766). An der Hervorbringung dieses „größten, vollendetsten Meisterwerks" (KA XI, 148) war das ganze Vorstellungsvermögen Dantes beteiligt. „ Vielheit, Einheit, Allheit",* heißt es an anderer Stelle, sind die „ursprünglichen Teile" der Vorstellung und die „Objekte" von „An4
Zu diesen Begriffen vgl. Ml, 134 f.; K. Briegleb, Ästhetische Sittlichkeit, an Hand des Registers; E. Behler, Einleitung zu KA XVIII, S. XXXVI f.; K. K. Polheim, „Studien zu Fr. Schlegels poetischen Begriffen", besonders S. 392 f.; und J. Körner, „Friedrich Schlegels Entwurf einer Ästhetik", Vorwort zu seiner Herausgabe von Schlegels Aufzeichnungen zur Ästhetik und Poetik, in: Neue philosophische Schriften,
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schauling, Begriff, Idee", den drei Arten der Vorstellung.5 Durch das Vermögen der Anschauung gibt Dante nun seinem Werk die Vielheit, Fülle und Universalität, „Darstellung der gesamten Natur" und „die Geschichte der bürgerlichen Verhältnisse seiner Zeit;" die Potenzierung erhält es dadurch, daß „alles, was in den Wissenschaften der Philosophie erdacht und ersonnen war", noch einmal neugestaltet, das schon Gebildete noch einmal gebildet wird. Durch das Vermögen des Begriffes wird nun diese Fülle durch Abstraktion (den höchsten Scharfsinn) zur Einheit verbunden. Es ist die „umfassendste Ansicht des Ganzen der Religion", „System der Philosophie, Theologie und Historie". Klassizität erhält es durch die „vollkommene Vereinigung" der Wissenschaftlichkeit und Gründlichkeit mit dem Reichtum der Phantasie, der Pracht und Erhabenheit der Sprache und der Dichtung, wodurch eine Harmonie6 in der Gestaltung dieses „ungeheuer großen Gedichts" erreicht wird. Die Progressivität dagegen erhält es, indem der Geist über das Geformte hinaus immer höher strebt und sich dem Göttlichen nähert. Durch das Vermögen der Idee endlich hat Dante dem Werk das Transzendentale, den Bezug zur Transzendenz einverwebt. Dies ist die Allheit und Ganzheit des Werkes, sein Ziel und Zweck. Das Absolute, das Höchste für den Menschen soll verkündet werden, es handelt von „göttlichen Dingen", ist Darstellung des Weltalls, einschießlich Himmel, Fegefeuer und Hölle. Es handelt von der letzten Bestimmung des Menschen, ist daher auch „didaktisch" und „prophetisches System". So umfaßt Dante in seinem Riesenwerk die „Poetische Dreieinigkeit", das Romantische, Abstrakte und Transzendentale. Diese poetische Dreieinigkeit ist eine mystische Einheit, die jeder Darstellung des Absoluten zugrundeliegt. Daraus, daß jedes Werk diesen Bezug zur Transzendenz offenbaren soll, erklären sich folgende Feststellungen: „Jeder synthetische Roman muß mystisch schließen" (E 351), „Die romantische Einheit ist . . . mystisch; der Roman ist ein mystisches Kunstwerk" (E 530). Shakespeare, der letzte der Großen, ist zwar nicht „enzyklopädisches Zeitalter" (E 883), dafür aber ist er „der vollendete Mimus" (E 56), d.h. er stellt die weltlichen Belange in ihrer Totalität dar und ist Meister in der Charakterzeichnung. Auch bei ihm wieder „Fantasie, Sentimentalität, Mimik" und zwar „zu gleichen Teilen" (E 718). Bei ihm „ist alles Romantische gemischt, Kritischer Roman, Philosophischer Roman, Fan5 6
Fr. Schlegel, Neue philosophische Schriften, 371. Vgl. Ebd., 375: „Die Erscheinung der Einheit kann man Harmonie benennen."
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tastischer Roman, Sentimentaler Roman . . . In der Mimik ist er bis zur Ironie gekommen; nicht so in der dramatischen Form; da nur bis zur Parodie, die aus der Mischung oder dem Gegensatz streitender Bildungsarten entsteht, und gar keine Bildung zum Unendlichen, keine angewandte Mystik erheischt" (E 505). „Bis zur Ironie gekommen" bedeutet also „Bildung zum Unendlichen", d.h. Shakespeare setzt sich über alle Beschränkungen hinweg und erweckt durch die vielen Arten und Möglichkeiten seiner Nachahmung und Darstellung des Lebens ein „mystisches" Gefühl von Unendlichkeit. „Wahre Ironie" dagegen ist „nicht bloß Streben nach Unendlichkeit sondern Besitz von Unendlichkeit mit mikrologischer Gründlichkeit in Philosophie und Poesie verbunden" (E 500). Parodie dagegen führt nicht zum Unendlichen, sie ist „Mischung des Entgegengesetzten" und führt zur „Indifferenz" (E 560), d.h. er erhebt sich über die Bedingtheiten (etwa Einheit der Zeit und des Ortes) der dramatischen Form an sich. Diese „Indifferenz der dramatischen Form" mußte Shakespeare dadurch erreichen, daß seine „Universalität im Romantischen aller Arten desselben" (£518) die reine dramatische Form notwendiger Weise sprengen mußte. „Die Parodie der dramatischen Form bei Shakespeare entspringt wohl aus ihrer Unangemessenheit für das romantische Kunstwerk" (E 507). Aus dieser Erkenntnis heraus auch die allgemeine Feststellung in Lyc.-Frgm. 60: „Alle klassischen Dichtarten in ihrer strengen Reinheit sind jetzt lächerlich." So sind „seine Werke . . . weit mehr als Drama" (E1160). „Shakespeares Trauerspiele sind gemischt aus der klassischen Tragödie und dem Roman" (E 86). Deshalb auch „Im Shakespeare sehr deutlich - Märchen, Novellen, Historien, als bestimmte Gattungen des Romantischen" (£1182). So erweist sich die reine Form des griechischen Dramas als zu eng für die komplexen Lebenserscheinungen der neuen Zeit, denen der moderne Dichter gerecht werden muß. Und deshalb erfordert Shakespeares Universalität auch eine komplexere Form. Dem Romantischen darf das rein Dramatische nicht im Wege stehen, es kann nur ein Teil des ersteren sein. Viel bedeutender als das Drama der Alten war Shakespeares Lektüre der italienischen Novellen. Ihr Einfluß „hauchte allen seinen Dramen den romantischen Geist ein" (M II, 351 f.), wie es später heißt. Und schon jetzt: „Durch die Bekanntwerdung mit Novellen (zugleich mit der Liebe) oder der Anwendung derselben auf Dramen, scheint eine große Revolution in ihm vorgegangen zu sein" (E 1177). Daher der Schluß: „Ohne Novellen zu kennen, kann man Shakespeares Stücke nicht verstehn der Form nach" (E 1148). Da nun Shakespeares Schauspiele mehr als Dramen sind und typisch
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romantische Qualitäten haben, nannte er sie eben diesen Qualitäten nach „Romane". So gibt es, wie schon teils gezeigt, kritische, philosophische, fantastische, sentimentale, psychologische (E 357), politische (JE 754) Romane bei dem Dramatiker. Doch mußte er wegen der Aufführung seiner Stücke - denn neben „Kunst" war das Drama für ihn auch „Gewerbe, Arbeit" (E 1159) - im Grunde an der dramatischen Form festhalten. Wo er sich dagegen vom Gegebenen und Bedingten unabhängig zeigt, frei erfindet und sich die historischen Tatsachen um einer höheren Einheit willen umgruppiert, ohne sich durch die daraus folgenden Unstimmigkeiten beirren zu lassen, da bringt er es bis zur Ironie. „In der Geographie und Chronologie war Shakespeare bis zur Ironie gekommen" (E 1141). Desgleichen ist er „in der Liebe, in Fantasie und Sentimentalität bis zur Ironie gekommen; also die seinige durchaus romantisch" (E 501). So auch und besonders in der Mimik (s. oben). Das Drama ist die Mimik des Lebens (E 1608) und diese „ist offenbar eine übersetzende Kunst" (E 1671), nämlich die Übersetzung des Lebens in eine Kunstform, die der Darstellung des Lebens in seiner Totalität gerecht werden soll. In diesem Sinne ist auch der absolut mimische ein biographischer Roman (E 774). Unter Mimik versteht Schlegel also den engen Anschluß der Kunst an das Leben, d.h. die künstlerische Behandlung des Lebens und seiner vielfältigen Erscheinungsformen in der Geschichte. Und zwar ist sie, die Mimik, die „objektive Darstellung" der Objekte (E 725). „Shakespeare i s t . . . Maximum der Mimik" (E 3), erreicht vollkommene (E 108), sogar absolute Mimik (E 248; 577). Wenn es nun gleichzeitig heißt, daß er es darin zur Ironie gebracht habe, dann ist das ein höchstes Lob und deutet die zentrale Stellung Shakespeares in der romantischen Poesie an. Denn wie bei Shakespeare soll sie „ganz auf historischem Grunde" (M II, 372) ruhen und die Ironie wird ein Hauptbestandteil der romantischen Poesie. „Ironie ist Pflicht" (E 481), so heißt es! Als souveräner Künstler, mit Besonnenheit und bewußter Selbstbeschränkung, erschafft Shakespeare seine dichterischen Welten, zerstört sie wieder und baut sie von neuem auf. Dieser künstlerische Prozeß ist unbegrenzt, er gibt dem Werk die Fülle und Universalität und könnte ins Unendliche führen. In der progressiven Poesie ist dies möglich, denn sie „vernichtet sich selbst immer, setzt sich aber auch immer wieder" (E 208). Und erst der „SCHEIN der Selbstvernichtung ist Erscheinung der unbedingten Freiheit, der Selbstschöpfung" (E 204). Um aber in den Besitz dieser unbedingten Freiheit zu gelangen, muß sich der Dichter notwendiger Weise selbst
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beschränken. Denn, da er ja nicht die ganze Fülle des Lebens auf einmal darstellen kann, muß er es teil- oder stufenweise tun, um etwas Sinnvolles hervorzubringen. Dies besagt die Eintragung: „Sinn ist Selbstbeschränkung also ein Resultat von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung" (E 207). Wenn der Dichter über die Unmöglichkeit der vollkommenen Mitteilung lächeln kann, dann hat er Ironie (vgl. E 1003). Ironie ist also auch mit einer gewissen Skepsis verbunden (vgl. KA XVIII, 287). Wenn nun Shakespeare es in der Mimik bis zur Ironie gebracht hat, so heißt das, daß er aus dem Bedingten oder dem Chaos des Lebens seine Charaktere herauslöst, sie entwickelt, und bezeichnet zugleich ein Verhalten des Künstlers, der sich und sein Werk als „Spiel" betrachtet, der weder selbstbezogen noch an den Gegenstand verfallen ist. Hamlets tiefe und lähmend wirkende Erschütterung angesichts der teuflischen Taten seines Onkels Claudius, worüber ihm die Welt aus den Fugen geraten scheint, ist solch eine Beschränkung, die ihn seine Aufgabe, die Rache des Mordes, immer wieder verzögern läßt, auch nachdem er von der Notwendigkeit dieses Mordes auf übernatürlichen Befehl überzeugt ist. Des inneren Widerspruchs seines Charakters ist sich Hamlet wohl bewußt. Auf der einen Seite hat er Grund genug, das Zuviel an Reflexion und die Passivität seines Charakters immer wieder zu verfluchen, auf der anderen Seite jedoch ersticht er Polonius; ohne einen weiteren Gedanken darüber zu verlieren, schickt er Rosencrantz und Guildenstern kaltblütig in den Tod und spricht so scharfe Dolche zu seiner Mutter, daß sich der Geist schonend einschalten muß. Ebenso ist sich Claudius seines inneren Widerspruchs bewußt, wenn er mit Hamlet in Frieden leben, ihn als Sohn und Erben annehmen möchte, sogar um Vergebung des Brudermordes betet; dabei aber erkennen muß daß seine Ambitionen, das unrechtmäßig erworbene Königtum und seine „gestohlene" Königin zu besitzen, stärker sind. Erst im blutigen Untergang am Ende hört dieser Widerstreit der Gefühle auf. Ironisch wird so die Paradoxie des menschlichen Charakters gesehen: Nobilität und Schurkenhaftigkeit - beide werden zu Staub. Ein ironisches „Spiel," hinter dem ein göttlicher Plan sichtbar wird, eine Gottheit, die des Menschen Ende so und nicht anders gestaltet. Hierbei mitzuwirken gebührt dem Menschen nicht: Bereitsein für das Leben und das Ende ist alles! Das Erlebnis der eigenen Erschütterung weitet sich bei Hamlet ins Allgemeine: die ganze Welt scheint aus den Fugen. Sein Sinnen über das Metaphysische, sein Hang zur verallgemeinernden Reflexion und seine Lust am Irreführen seiner Widersacher legen sich so abschwächend, ablenkend und lähmend auf seine Tatkraft.
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Bei Macbeth spricht Schlegel von Bedauern und Abscheu (E 1153), die sein Charakter errege. Gute und böse Kräfte sind darin angelegt. Anfangs halten seine edlen Kräfte den Ehrgeiz im Zaum und bäumen sich entsetzt gegen das Verbrechen auf, bis er jedoch später den bösen Einflüsterungen der Umwelt erliegt, die bösen Mächte sich seiner Seele und Phantasie immer mehr bemächtigen, so daß er in einem schrecklichen Nihilismus endet. Auf Verblendung, Besessenheit, wilde Entschlossenheit folgt schreckliche Ernüchterung. Die bösen Kräfte des eigenen Charakters und die der Umwelt stoßen ihn in Gewissensqualen, Furcht, Grauen, Entsetzen und auswegslose Verzweiflung. Um die Tiefe des subjektiven Erlebens anzudeuten, begleiten kosmische Mächte die Tat und das ganze Universum wird in den Rahmen der Tragödie mit einbezogen. Durch Verblendung geht auch König Lear zugrunde, so daß Schlegel hier von tragischer Ironie (E 1208) und dem tragischen Gebrauch des Witzes sprechen kann (E 1145). Die Ironie entspringt wohl seinem impulsiven Charakter, dem es an Geduld fehlt, die Aussagen der Tochter nach dem Gehalt der Wahrheit zu überprüfen und ihn so der Welt des Scheines verfallen läßt. Unerbittlich ist die Grausamkeit, die ihn schließlich zur Erkenntnis der wahren Verhältnisse führt: sein eigenes Ich und sein falsches Weltbild stürzen ein! Doch grimmig lehnt sich sein Herrscherwille gegen die Undankbarkeit seiner Töchter, Goneril und Regan, auf. Dieser titanische Zornesausbruch des Menschen findet seine Erweiterung in dem Schauspiel der entfesselten Naturgewalten. Ironisch ist das Verhältnis beider; denn zuerst glaubt der frühere Herrscher, die Naturgewalten seien auf seiner Seite, um die ganze undankbare Schöpfung zu vernichten, doch spürt er bald, durch den Narren an die unbarmherzige Wirklichkeit erinnert, daß der Aufruhr der Elemente auch gegen ihn gerichtet ist, so daß er jäh die eigene Schwäche, sein Unterliegen erkennt, und sich als armen, schwankenden, verstoßenen alten Mann sieht. Eine immer fortschreitende Erkenntnis der grausamen Wahrheit und die rasende Auflehnung dagegen lösen einander ab, bis er an der Bosheit der Welt zerbricht. Sein erkrankter Geist und seine äußere Ausstattung stehen nun im Gegensatz zu dem Ausspruch: Jeder Zoll ein König. Das Böse, das während seiner Umnachtung Lears ganzes Innere erfüllt, erweitert sich wieder zur Vision einer tierhaften Menschheit, die ihres Sinnes beraubt scheint. So werden die Antithesen von Gut und Böse, wie sie in der Welt wirken, an dem Einzelfall Lear herausgestellt. Auch werden Realität und Idealität in Beziehung gesetzt in der schönen Szene, als er, aus heilsamem Schlaf
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erwachend, sich im Jenseits wähnt. Aber gerade hier erkennt er seine wahre Gestalt. Verblendung, Willkür, Zorn und Ekel sind verschwunden, und er bittet Cordelia um Verzeihung des großen Unrechtes, das er ihr angetan hatte. Im Kerker, den seine Phantasie zu einem Paradies verklärt, kann er sich für kurze Zeit zu einer Weltschau ohne Bitterkeit erheben. Shakespeare läßt ihn die Bühnenhaftigkeit alles irdischen Geschehens erkennen. So ist die paradoxe Welt dieser Tragödie im Schlegelschen Sinne eine Nachahmung des Spiels der Welt mit ihren Widersprüchen und Polaritäten. Kraft seiner ungebrochenen Phantasie vermag Lear in Unterwerfung und Auflehnung gegenüber der Wirklichkeit diese in ein Scheinbild zu verwandeln, ihr eine neue Gestalt zu geben, die am Ende zu einer höheren Wahrheit führt: sein Glaube an das Weiterleben der, wie er wohl weiß, in den Augen der Welt toten Cordelia ist unerschütterlich. Einen Widerschein dieses überzeitlichen Lichtblicks in der realen Welt bietet der Sieg der guten Kräfte, die erschüttert den sterbenden Lear umgeben. So zeigt sich Shakespeares Ironie vor allem in der Darstellung der antithetischen Charakteranlagen seiner Charaktere, in dem Aufdecken der Beschränkung der Dargestellten durch eigene Widersprüche oder durch Kräfte aus der Umwelt, die die Charaktere in widerspruchsvolle Verwirrung verstricken. Diese Ironie, der Wechsel von „Enthusiasmus" (E 1204) und „tragischer Ironie", und die Verbindung aller Gegensätze zu einem einheitlichen Kunstwerk, das sich immer zur Darstellung des Allgemeinen im Individuellen und zu einem Bezug zu einer höheren Wahrheit erhebt, das sind die künstlerischen Mittel, die Schlegel an Shakespeare bewundert. Denn diese verwirrende Fülle von Gestalten und ganzer Weltbilder haben wir nicht etwa dem unbewußt-mühelosen Schöpfertum eines Originalgenies zu verdanken, sondern einzig und allein dem Verstände Shakespeares, der diese geheimnisvollen Welträtsel und mythischen Weltbilder schafft. „Der Verstand herrscht über das Ganze", wie es 1804 in der Pariser Vorlesung heißt. „Der Verstand ist bei ihm nicht bloß witzig und scharfsinnig in der Ausführung des Einzelnen, sondern richtet sich tiefsinnig und geheimnisvoll auf das Bild des Ganzen, des Lebens und der Natur, das Rätsel der W e l t . . . An Tiefsinn und Verstand erreicht ihn keiner" (KA XI, 176). „Beim Shakespeare . . . ist alles so absichtsvoll, so innig zusammenhängend, so gründlich durchdacht, tief bedeutend und geheimnisvoll, daß er die Natur selbst in ihrer unendlichen Fülle, Mannigfaltigkeit und Tiefe erreicht hat. So reich, mannigfaltig und unergründlich ein wirklich individueller Charakter in dieser ist, so ist er auch beim
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Shakespeare; und wie hier eine große Begebenheit eine unermeßliche Fülle von Motiven, Situationen und Leidenschaften der darin verwickelten Menschen offenbart, gerade so stellt Shakespeare sie dar. Er enthüllt die innersten Triebfedern, das geheimste Schaffen und Wirken der Natur . . . Wie das Leben selbst dem Kind ein klares Bild gibt, dem Weisen aber ein unergründliches Rätsel bleibt, so stellt Shakespeare es uns dar" (KA XI, 175). Er gäbe uns einen „Spiegel von der Welt, dem Leben, und dem Menschen"; daher ist Shakespeare auch „symbolisch" (£ 1161). Dieser Ausdruck, der zu dieser Zeit (1798) äußerst selten gebraucht wird, bedeutet also hier das Darstellen des Allgemeinen im Individuellen, das Spiegeln des Makrokosmos im Mikrokosmos, um so eine Ahnung von der Unendlichkeit zu erwecken, gleichzeitig aber auch die unendliche Fülle in der Darstellung zu bemeistern. Die innersten Triebfedern zum geheimsten Schaffen und Wirken in allen Widersprüchlichkeiten und Beschränkungen der menschlichen Natur aufzudecken unter Hinweis auf die analogen Triebkräfte in dem ewigen Werden der Natur, aus all diesem scheint sich für Schlegel Shakespeares oben erwähnte mimische Ironie zusammenzusetzen. Das freie Schalten mit den Charakteren, der Wechsel von Vernichtung und Neuschöpfung, von Ironie und Enthusiasmus erweist Shakespeare immer wieder als den souveränen Künstler, der von höherer Warte auf sein Werk herabsieht und es verstandesmäßig als ein „Spiel" betrachtet. Ein gutes Beispiel für diesen Spieltrieb ist auch das „Stück im Stück", das Shakespeare liebe (E 1199). Es handelt sich hier um den formellen Aspekt dieser Auffassung vom Werk als Spiel. Es ist eine Reflexion über das Entstehen, die Darbietung und Wirkung des Werkes in einem Werk selbst. Es veranschaulicht, wie der Künstler sein eigenes Stück sieht und gibt eine freie distanzierte und objektivierte Darstellung des Künstlers, der Bedingungen und Prinzipien seines Darstellens. Diese Reflexion über Darsteller und Dargestelltes im Dargestellten selbst macht die Selbstbeschränkung des Künstlers und der Kunst bewußt und läßt beide vor dem Hintergrund des Unendlichen als relativ erscheinen. Durch solche künstlerische Mittel wird die Beschränkung der Realität angezeigt, werden neue Bereiche künstlerischen Wirkens und der ästhetischen Wirklichkeit erschlossen. So erweist sich Shakespeares Werk immer ergiebiger für Friedrich Schlegel bei der Deduktion seiner Kunstbegriffe; bis dieser in ihm „das eigentliche Zentrum, den Kern der romantischen Fantasie" (M II, 372) findet, während im Studiumaufsatz noch die verkehrte Richtung der
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modernen Poesie an ihm demonstriert werden sollte. Jetzt ist sogar sein Wesen romantisch (£713) und „seine Mischung von Romantischer Poesie und Romantischer Prosa deutet auf absolut Romantisches" (E 688). Sein Geist ist „durchaus romantisch" und deshalb „ein schöner Geist" (E 1213). „Shakespeare enthält ein System von Romantischen Dichtarten" (E 1023) und so mußte schließlich das potenzierte Lob kommen: „Shakespeare Romantisch Romantisch" (E 1042). Diese Doppelbezeichnung würdigt ihn als echten Romantiker mit einem solchen Reichtum an romantischen Eigenschaften, daß er gleich einen ganzen Zyklus innerhalb der Entwicklung der romantischen Poesie umfaßt. Dante, Petrarca, Pulci, Boiardo sind der A n f a n g des ersten poetischen Zyklus. - Ariost und Tasso der Gipfel. - Marino, Guarini, Cervantes sind das Ende. Shakespeare ist Anfang, Gipfel und Ende des 2ten Zyklus, w o die Romantische Poesie erst recht Romantisch d.h. recht gemischt ist. D i e Engländischen und französischen R o m a n e sind Tendenz z u m dritten Zyklus; G o e t h e der Anfang. Shakespeare ist potenziertes R o m a n z o . In d e m ersten Zyklus der romantische Buchstabe, in d e m zweiten der Geist. - Im zweiten Zyklus Vereinigung der Kunstpoesie u n d Naturpoesie. Im 3ten der Poesie und Kritik, l t e mehr Romantisch 2te Transzendental 3te Abstrakt. (E 849) 7
Diese Übersicht wurde von Schlegel zwar als „sehr roh" bezeichnet (Siehe Anmerkung zu E 849, S. 254), läßt aber sehr gut die zentrale Stellung Shakespeares erkennen und informiert gleichzeitig über Schlegels Beschäftigung mit den romantischen Dichtern, welche er kannte und wie er sie klassifizierte, und welche Epochen der romantischen Poesie er zu unterscheiden versuchte. Analog diesen drei Zyklen unterscheidet Schlegel auch drei Entwicklungsstufen des Romans: Stufen des R o m a n s 1) bei den Alten: E p o s und Drama. A n f a n g des Mischgedichts in Prosa und mystische sentimentale Liebe, erotika 2) D a s absolut mystisch Wunderbare, das eigentlich Romantische 3) D o n Quixote. (E 69)
Allerdings erscheint hier der Begriff „Roman" als eine äußerst theoretische Konzeption, wenn er seine hypothetische Existenz bei den Alten annimmt und deren Epos und Drama als die erste Stufe des Romans betrachtet.8 Im engen Zusammenhang mit dem Gedanken, daß alle 7
Der Übersicht halber ist das Zitat ein wenig umgruppiert. Dementsprechend bezeichnet Schlegel Autoren und Schriftwerke der Alten auch als „romantisch": „Herodot, Plutarch und Tacitus sind romantisch; Plato des8
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Poesie romantisch sein soll, heißt es auch: „Alle Geisteswerke sollen romantisieren, dem Roman sich möglichst approximieren" (E 602). Zu dem großangelegten Romantisierungsprogramm, der Erneuerung und Revitalisierung von Kunst und Kultur können eben alle Werke etwas beisteuern und so bezeichnet Schlegel Werke aller Epochen und Arten der Dichtkunst mit „Roman", um damit anzudeuten, daß jedes große Werk in dem ewigen Fortschritt und der unendlichen Vervollkommnung der Kunst seine „vollkommene Zweckmäßigkeit" erweist und als notwendiger Teil eines innerlich zusammenhängenden Ganzen erscheint. Der „Roman" erscheint also als das Wort und die angemessene Form, um das Romantisieren aller Geisteswerke auszudrücken und darzustellen. Gegenüber diesem weitgefaßten Begriff, mit dem romantische Elemente aller Werke bezeichnet werden können, unterscheidet Schlegel auch den „Roman" im engeren Sinne als typische Gattung der nachklassischen Dichtung. „Drei herrschende Dichtarten.
1) Tragödie bei den
Griechen 2) Satire bei den Römern 3) Roman bei den Modernen" (E 32). Bei dieser Feststellung, welche die dem Wesen der jeweiligen Dichtung gemäße Hauptgattung nennt, bleibt es. Doch wann fängt die Dichtung der Modernen an? Gleich zu Anfang der Notizhefte heißt es: „Der Tadel der klassischen Philosophie gegen die klassische Poesie enthält die ersten Prinzipien der progressiven Poesie. Hier ist also der älteste Anfang der modernen Poesie" (E 140). So glaubt Schlegel ihren Beginn da zu erkennen, wo die „natürliche" Poesie der Griechen aufhört, sich einem inneren Bedürfnis gemäß organisch zu entfalten und diese sich zum ersten Mal ihrer selbst bewußt wird, wo zum ersten Mal nach ihren Gesetzen, nach ihrem Wesen gefragt wird. „Das Ende der klassischen Poesie schon der erste Zyklus der romantischen" (E 956). Wiederum ist dies größtenteils nur eine theoretische Erkenntnis und die Zeit zwischen dem Verfall der Griechischen Poesie und dem europäischen Mittelalter trägt zur Definition der romantischen Poesie nicht viel bei. Für praktische Zwecke gilt der Ausspruch: „Die barbarische (provenzalische) Poesie ist der Keim der Transzendentalen und der Romantischen Poesie . . . " (E 955).9 gleichen" (E 965). „Catullus ist voll kindlicher Zärtlichkeit" (E 1505), also ist er der „am meisten Romantische" unter den römischen Dichtern (E 1652). Im Ovid findet er Phantastisches (E 1633), also ist er „durchaus romantisch" (E 1534). „Romantische Formen der Alten sind die Sokratischen Dialoge - Memorabilien - Symposien - Idyllen - Elegien - Satiren - Göttergespräche - Plutarchische Biographien - Annalen pp." (E 1626). Vgl. auch Eichner, „Fr. Schlegel's Theory of Romantic Poetry", 1035 f. 9 Vgl. Herder, Werke, XVIII, 34: Provenzal sei die „Morgenröte der neueren Europäischen Kultur und Dichtkunst" (1796).
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Von diesem Standpunkt aus beginnt das emsige Erforschen des Wesens der romantischen Literatur. Die verschiedenen Ausdrucksformen der nachklassischen Dichtung werden als Variationen des Romans aufgefaßt: So ist die „Legende die Urform des Historischen Romans" (E 1105), tendenzieren „Alle sehr langen Rittergedichte auf Mimischen Roman {Poetisierung der gesamten romantischen Mythologie z.B.)" (E 847). „Die wahre Novelle ist zugleich Romanze und Roman" (E 1102) und „Sage und Märchen" sind Romane (E 962). Das Romanzo wiederum ist Roman: „Fantastisches Romanzo, Sentimentales Romanzo sind poetische Romane" (E 387). Die Idee der Mischung, die sich hier andeutet in der Bezeichnung verschiedener dichterischer Ausdrucksformen mit demselben Begriff „Roman", wird nun zur Zentralidee des Romans: „Idee für alle Romanarten ist ein Maximum von Mischung derselben" (E 824), wie diese „Mischung" auch das eigentliche „Wesen der Romantischen Poesie" ausmacht (E 776); denn alles, was irgendwie zur Bildung und zur Kulturerneuerung beitragen kann, soll ja von der romantischen Poesie aufgenommen und vom Roman dargestellt werden. Dabei wird noch zwischen Mischung und Verschmelzung unterschieden; z.B.: „Die Poesie und Prosa soll im Roman nicht bloß vermischt sondern auch verschmolzen werden . . ." (E 823). Jedoch heißt es gleichzeitig: „Allgemeiner Grundsatz: Wenn ALLE Bestandteile des romantischen Gedichts verschmolzen sind, so hört es auf, romantisch zu sein" (E 837). Wenn Schlegel an den Rand dieser Eintragung „dunkel" schreibt, so wohl deshalb, weil er sich hier über die Definition der Funktion seiner Ironie noch nicht im Klaren war, denn sie bekommt später die Aufgabe, eine totale Verschmelzung zu verhindern, durch sie bleibt sich der Dichter der einzelnen Teile seines Produktes immer bewußt; es kann zwar eine beabsichtigte Verschmelzung geben, aber dann soll diese Absicht wie auch das Sich-Bewußt-Sein mitdargestellt werden. Es darf nicht beirren, wenn es andrerseits wieder heißt: „Im absoluten Roman muß alles verschmolzen werden, und was nicht verschmolzen werden kann, muß wegbleiben." {E 794); denn gemeint ist hiermit der eine vollkommene, mystische Roman mit einer Totalität der Darstellung des poetischen Ideals, wonach der Roman ewig nur streben und seiner Natur nach nie erreichen kann. In einer totalen Darstellung des modernen poetischen Ideals müßte, wie schon weiter oben betont wurde, Gott selbst in Erscheinung treten, und wir hätten wieder eine „Naturpoesie" wie bei den Griechen erreicht, in der das poetische Ideal tatsächlich in Erscheinung trat; doch auch diese bleibt ja ewig anzustrebendes Vorbild.
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Welches sind nun die Forderungen, die Schlegel an den „absoluten Roman", dieses gewaltige Wortkunstwerk stellt. Welche Form könnte der geforderten Darstellung der vielen Aspekte des Lebens und der Kunst gerecht werden? Welches ist die innere Organisation, das richtige Verhältnis der Teile zueinander und dieser zum Ganzen des „vollkommenen Romans"? Einige Eigenschaften des Romans und die verschiedene Verwendung des Begriffes „Roman" wurden dieser Untersuchung vorangestellt, um mit seiner äußerst wandlungsfähigen Verwendung bekanntzumachen. Shakespeares Dramen z.B. und Dantes Terzinengedicht, die Göttliche Komödie, galten Schlegel als Romane, weil er darin eine Mischung der „romantischen" Elemente, des Phantastischen, Sentimentalen und Mimischen fand. Im Folgenden wollen wir weitere Eigenschaften des Romans kennenlernen, um mehr über sein Wesen, seine Aufgaben und seine Bestimmung für die romantische Poesie zu erfahren. Zunächst mehr über sein Wesen: die Mischung. Wenn nun das Gebot und Gesetz der Mischung verfolgt werden soll, dann muß man sich immer bewußt sein, daß Schlegel trotz seiner unermüdlichen Forderung nach Mischung und Verschmelzung heterogener Bestandteile zugleich die Unmöglichkeit ihrer absoluten Vereinigung einsieht: „Unauflösliche Gleichung in der Poesie ist die absolute Vereinigung der sentimentalen und naiven Poesie, der Naturpoesie und Kunstpoesie, der romantischen Poesie und romantischen Prosa, der klassischen und progressiven (?), (der absoluten, universellen und der abstrakten Poesie), der philosophischen, ethischen, politischen Poesie, (der poetischen und kritischen)" (E 761). Ein treffendes Bild: die verschiedenen Glieder gehören notwendig zur Gleichung, es bestehen gewisse Beziehungen zwischen ihnen, aber sie lösen sich nicht ineinander auf. Dennoch bietet das Bild der Gleichung den Eindruck der Einheit, die aber nicht das konkrete Resultat ihrer Lösung sondern „mystisch" ist. Die einzelnen Glieder sind historisch gegebene Erscheinungen, sie lassen sich klassifizieren; aber „den Grund der Klassifikation müssen wir mystisch hinzutun" {E 190). Die Idee der Mischung macht auch den Roman zur angemessenen Ausdrucksform einer ästhetischen Bildung und Kunst, die sich in „revolutionärem" Zustand befindet. „Alle Romane sind revolutionär" (E 578), indem sie alle gewohnten Formen sprengen, alle traditionellen Gattungen mischen und heterogene Stoffe aus allen möglichen Wissenschaften und dem reichhaltigen Leben darstellen. Die Mischung ist das Revolutionäre, die bewußte, vom Verstände gelenkte neue Zusammenstellung der Elemente, nicht so diese selbst! Im Gegenteil! Die Bestandteile des Romans werden von den schon vorhandenen Dichtarten deduziert, treu der Er-
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kenntnis: „Alles Neue ist nur Kombination und Resultat des Alten" (£678). In diesem Sinne heißt es auch: „Durch die Synthesierung aller alten Romantischen Poesie muß die moderne sich ergeben" (E 964), und: „Die romantische Poesie ist Empirisch" (E 766). Zu diesem Zweck werden die „romantischen Klassiker" studiert, „in welchen der Charakter und die Fortschreitung der Gattung sich am besten zeigte" (E 31), und wird die „einzige pragmatische Kunstlehre für den Künstler" aufgestellt, i.e. „die Lehre vom Klassischen und vom Romantischen" (E 287). Doch liegt es im Wesen, d.h. in der „Fortschreitung der Gattung", daß es eine vollständige Lehre von ihr nicht geben kann: „Die Geschichte der progressiven Poesie ließe sich erst dann vollständig apriori konstruieren, wenn sie vollendet wäre; bis jetzt kann man nur Bestätigung der progressiven Idee in der Geschichte der modernen Poesie aufzeigen und Vermutungen daraus folgern" (E 96). Nach diesen Zitaten ist es erstaunlich zu erkennen, wie tief Schlegel sich dem literarischen Erbe verpflichtet fühlte, wie tief er in der Geschichte verwurzelt war, wie er auf dem historisch Gegebenen aufbaute. Von hier aus bekommt der Ausspruch, die romantische Poesie beruhe ganz auf historischem Grunde (M II, 372) einen bedeutungsvolleren Inhalt und vertieften Sinn. Deduktion, Synthetisierung, das Neue als Resultat einer Umkombinierung des Alten und Bestätigung der neuen Ideen durch die Geschichte: dies alles weist auf eine „konservative Revolution", auf eine Erneuerung des Alten, auf Vermischung und Vermittlung, Anbilden, Umbilden und Umformen, worin eben das Wesen der romantischen Poesie liegt. Der Gegenstand dieser Fragmente ist also nicht „das Revolutionäre um des Revolutionären willen" und weit entfernt von jedem „spekulativen Nihilismus".10 Was hier durch die Idee der Progressivität der modernen Poesie mitausgedrückt ist, das ist ihre ewige Unvollendung und ihre daraus folgende ewige Jugend. Diese zwei nennt Schlegel öfters als charakteristische Eigenschaften des Romantischen und des Romans. „Ewige Jugend das wesentliche Erfordernis des Romantischen . . . n Dies letzte liegt oft in einer frischen 10
Werner Kohlschmidt, Form und Innerlichkeit. Beiträge zur Geschichte und Wirkung der deutschen Klassik und Romantik (Bern 1955), 160-161 („Nihilismus der Romantik", 157-176). 11 Diesem „Erfordernis" sind denn auch die beiden Hauptvertreter des Romantischen, Shakespeare und Cervantes, entgegengekommen: Shakespeare ist jugendlicher geworden - (seine erste Zeit ist herbe und hart). Shakespeares Geist durchaus romantisch - ein schöner Geist. (E 1213) Cervantes ist eigentlich immer jünger geworden, wenigstens war er am jüngsten in der Mitte seiner Laufbahn. ( E 1589)
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Buntheit und leichten Unendlichkeit nach allen Seiten. - Die Romantischen Skizzen könnten wohl ins Unendliche fortgehn" (E 1347), oder: „Das Romantische bleibt ewig neu - das Moderne wechselt mit der Mode" (E 473). Es sollte möglich sein, „jetzt einen Roman zu schreiben, der nicht veraltern könnte" (E1344). Da er seinem Wesen nach progressiv sein muß, kann er auch nicht vollendet werden: „Ein individueller Roman läßt sich nie vollenden, da selbst der Begriff der Gattung, sein Ideal nie vollendet werden kann" (E 842). Ja, „auch die Geschichte des Romans läßt sich nie vollenden; ist also nur Gegenstand eines Fantastischen Romans" (E 852). Wie die Geschichte so soll auch die „Philosophie des Romans im Roman selbst" (E 376) dargestellt werden. Ebenso die Kritik. „Kritik und Philosophie des Romans sollte mit dem Roman ganz verbunden sein" (E 1366). Die Mitdarstellung aller theoretischen Erörterungen im Roman selbst - die, wie der Roman selbst, nie vollendet werden können geben ihm den Charakter einer ewigen Progressivität und auch einer unendlichen Potenzierung, indem über das Reflektierte reflektiert wird und, bedingt durch die Progressivität, den ständigen Wechsel von Selbstvernichtung und Selbsterschaffung12 immer von neuem reflektiert werden muß. So erhält die Reflexion ihre unendliche Potenzierung wie die Reflexion des Spiegelbildes eines Gegenstandes durch eine endlose Reihe von Spiegeln (vgl. Ath.-Frgm. 116). Die Potenzierung leuchtet auch einfach dadurch ein, wenn man annimmt, daß die in ihm dargestellte Geschichte des Romans die erste Reflexion über den Roman ist, die Philosophie reflektiert dann auch über die reflektierende Geschichte und die Kritik wiederum über die im Roman dargestellte reflektierende Philosophie. Diese letztgenannten Eigenschaften des Romans und der romantischen Poesie lassen sich gut an Cervantes' Don Quixote aufzeigen, der ja überhaupt für die Entwicklung von Schlegels Poetik und Ästhetik so bedeutend wurde, daß er ihn als ein „System der romantischen Elementarpoesie" erklärte (E 1023). Dieser Roman ist nun durchgehend eine Reflexion über die Geschichte, die Philosophie und die Kritik des Romans. Über diese Reflexionen wird im zweiten Teil nochmals reflektiert, so daß Schlegel feststellen konnte, daß die Hauptperson des zweiten Ewige Jugend, frische Farbe und hohes Gefühl sind Eigenschaften des Cervantes. (E 1587) 12 „Die klassische Poesie hat sich historisch selbst annihiliert... Nur die progressive nicht; d.h. sie selbstvernichtet sich wohl oft, aber selbstschafft sich auch gleich wieder" (E 150).
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Teiles der erste Teil sei; es also durchgängig eine Reflexion des Werkes auf sich selbst darstelle (E 1727). Gleich zu Beginn des zweiten Teiles erfahren wir, die Abenteuer des Don Quixote seien bereits im Druck erschienen; und gleich setzt das Philosophieren und Reflektieren über den ersten Teil ein. Besonders deutlich tritt dies auch in den letzten vier Kapiteln des neunten Buches hervor, wo Don Quixote mit dem Herzog und der Herzogin, die den ersten Teil schon gelesen haben, über seine eigenen Abenteuer und Absichten im ersten Teile reflektiert, und wo D o n Quixote seinen beruflichen Idealismus als irrender Ritter verteidigen muß gegenüber dem prosaischen Geistlichen, der von Riesen, Giganten, Mamelucken in la Mancha oder verzauberten Dulcineen und all den übrigen Dummheiten, wovon er im ersten Teile gelesen habe, nichts wissen will. Und Sancho wird hier wegen seiner Flunkereien von der Herzogin zur Rede gestellt. Schon der Ausgangspunkt des ganzen Romans ist die Parodie, Kritik und Ironisierung der alten Ritterromane, allen voran der Amadis de Gaula, die zu Cervantes Zeit immer noch mit Begeisterung gelesen wurden, wodurch viele Leute, wie auch Don Quixote, den Verstand verloren, indem sie sich das Gehirn mit den unmöglichsten Tollheiten anfüllten. Neben dem Ritterroman finden wir noch die typischen Aspekte des Schäferromans in den Episoden von Marcela und Grisostomo und von Basilio und Quiteria; Aspekte der Liebesnovelle in den verwickelten Geschichten von Cardenio und Luscinda, Fernando und Dorotea, und die mehr ins Psychologische spielende tragische Novelle von dem „Curioso impertinente", so daß wir zusammen mit den eingestreuten Gedichten und Romanzen eine fast vollkommene Entwicklungsgeschichte und Kritik des Romans erhalten. Diese „Potenzierung ist eine moderne Figur; Kombination des Individuums mit sich selbst" (E 910). Auf die Struktur des Romans bezogen heißt das, daß alle Teile als bewußt arrangiert erscheinen, daß sie in einem bewußten Verhältnis zueinander stehen und daß sich ihre Beziehung zum Ganzen des Romans, dem Individuum, klar erkennen läßt. Deshalb gilt auch die Forderung: „Im R o m a n sollten alle Elemente desselben als notwendig deduziert erscheinen", nichts darf „nur als ein zufälliges Faktum darin" erscheinen (E 841). In diesem Sinne, daß alles die vom Verstände bestimmte und bewußte Anordnung und Behandlung erkennen lassen soll, müßte auch alles als potenziert erscheinen. „Im Roman müssen auch die Charaktere, Begebenheiten, Leidenschaften, Situationen potenziert sein" (E 904). So verbürgt die Potenzierung zusammen mit der Progressivität die
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ewige Verjüngung und Vervollkommnung der romantischen Poesie, während die „klassische Poesie" sich historisch selbst annihilieren mußte, weil sie sich nicht immer wieder „selbstschaffen" konnte (E 150). Dies ist nur der progressiven möglich, die alle anderen vereinigt (E 208), und zwar im Roman, der, wie es heißt, „als progressive Poesie zu betrachten" ist (E 774). „Jedes Romantische Kunstwerk - Poesie der Poesie" (E 579), d.h. ist potenzierte Poesie, d.h. ist Kritik; also: „Alle Kritik ist potenziert" (E 622). Und eben durch die Mitdarstellung dieser Kritik, dem Produkt des kombinierenden Verstandes, unterscheidet sich das romantische Kunstwerk grundsätzlich von dem „natürlichen" griechischen. „In der romantischen Poesie sollte romantische Kritik mit der Poesie selbst verbunden sein; dadurch wird sie potenziert, und in ihrer Sphäre desto konzentrierter, daß Poesie und kritische Poesie verbunden, verschmolzen und gemischt sei" (E 792). Warum wohl die ungewöhnliche Hochschätzung der Kritik als Poesie und als die „Mutter der Poetik" (E 642)? Sie hat hier offenbar die Aufgabe, die Deduktion der Elemente des Romans als notwendig erscheinen zu lassen, alles Zufällige auszumerzen und das richtige Verhältnis der Teile, die Gesetzmäßigkeit des Ganzen zu bestimmen. Indem sie alle Bestandteile bewußt macht und die Gesetze ihrer Anordnung aufdeckt, wird die Kunst der Darstellung objektiviert.13 Die Kritik verhilft dem Kunstwerk sozusagen zum Bewußtsein seiner selbst und stellt somit erst seine volle Bedeutung heraus.14 Das Gebot zur Objektivierung muß so im Roman die Objektivität zum herrschenden Prinzip erheben. „In allen Romanarten muß alles Subjektive objektiviert werden; es ist ein Irrtum, daß der Roman eine subjektive Dichtart wäre" (E 828). Natürlich muß sich auch die Kritik selbst objektivieren lassen (E 642). Diese ständige Objektivierung der Kunst- und Darstellungsmittel ist eine Funktion der Ironie und bildet zusammen mit allem, was über das Dargestellte reflektiert, den Rahmen des Kunstwerks : „Jedes Kunstwerk bringt den Rahmen mit auf die Welt, muß die 13
Diese Erkenntnis hieß Schlegel selbst einen Roman schreiben. Die Lucinde ist die bewußte Konstruktion eines romantischen Kunstwerks. Eine Arbeit, die durch Analyse dieses Kunstwerks Einsichten in die romantische Erzählstruktur gewinnen will, ist in Vorbereitung. 14 Neben Cervantes ist es auch Goethe in seinem Wilhelm Meister gelungen, die Kritik mitdarzustellen: „Glücklicherweise ist es eben eins von den Büchern, welche sich selbst beurteilen, und den Kunstrichter sonach aller Mühe erheben. Ja es beurteilt sich nicht nur selbst, es stellt sich auch selbst dar" (Af II, 172). Eine vortreffliche Analyse von Schlegels Meister-Aufsatz liegt vor: Raymond Immerwahr, „Friedrich Schlegel's Essay ,On Goethe's Meister'", Monatshefte, XLIX (1957), 1-21.
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Kunst merken lassen" (£ 80). Dieses Merkenlassen vermittels der Mitdarstellung der Kritik ist wohl das Hauptkriterium, wodurch sich die moderne Objektivität von der einer klassisch griechischen Dichtung unterscheidet. Analog der Antinomie zwischen der natürlichen Bildung und Dichtung der Griechen und der künstlichen Bildung und Dichtung der Modernen könnte man zwischen einer „natürlichen" Objektivität jener und einer „künstlichen" Objektivität dieser, durch den kritischen Verstand bestimmt, unterscheiden. Dies ist ein inherenter Unterschied, dem verschiedenen Wesen der beiden Dichtarten entspringend. Doch als ein autonomes Kunstgesetz gleicht die eine der anderen Objektivität, beide haben dieselbe Funktion: die rechte „Mischung" des Kunstwerks zu erzielen, die richtige Gesetzmäßigkeit seiner Organisation zu erreichen, um dadurch die Harmonie des Verhältnisses der einzelnen Teile zueinander und dieser zum Ganzen zu garantieren. So ist das hier dargestellte Bemühen Friedrich Schlegels um die rechte Mischung des neuen romantischen Romans nicht als leere Spekulation oder esoterische Spitzfindigkeit zu betrachten, sondern als ein Versuch, die schon im Studiumaufsatz ausgesprochene Forderung zu erfüllen, „das Griechische Geheimnis . . . , im Individuellen objektiv zu sein", zu entdecken (Af I, 154). Objektivität wird hier als das „gesetzmäßige Verhältnis des Allgemeinen und des Einzelnen" definiert; das heißt, die „Versinnlichung des Allgemeinen und die Nachahmung des Einzelnen" (dies sind die beiden „Bestandteile der darstellenden Kunst"), soll nach Gesetzen vor sich gehen, die eine grenzenlose Vervollkommnung beider erlauben, um „das Unbedingte", das „Ziel der freien darstellenden Kunst" zu erreichen, und die zugleich verhindern, daß das Einzelne nicht Selbstzweck wird, was „Subjektivität" und Herabsinken der „freien Kunst zu einer nachahmenden Geschicklichkeit" zur Folge haben würde (Af I, 135). Für alle Kunst, die alte und die moderne, werden zwei Maxima aufgestellt: das unerreichbare „absolute Maximum," aus der „Forderung" an die Kunst nach unendlicher Perfektibilität bestehend, und ein „relatives Maximum" aus „Gesetzen" bestehend, „welche nur ganz erfüllt oder ganz übertreten werden können". Es sind die Gesetze der richtigen Mischung: „In Verhältnissen . .. findet kein Mehr oder Weniger Statt; die Gesetzmäßigkeit eines Gegenstandes kann weder vermehrt noch vermindert werden. So sind auch alle wirklichen Bestandteile der schönen Kunst einzeln eines unendlichen Zuwachses fähig, aber in der Zusammensetzung dieser verschiedenen Bestandteile gibt es unbedingte Gesetze für die gegenseitigen Verhältnisse" (M I, 133). Diese Forderung nach unendlicher Vervollkommnung und die Ge-
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setzmäßigkeit der Mischung gelten also sowohl für die griechische als auch für die romantische Poesie. Es versteht sich, daß die Elemente, die gemischt werden sollen, jeweils verschieden sind, dem Wesen der jeweiligen Poesie gemäß. Es versteht sich auch, daß die komplexere romantische einen größeren Umfang an und eine erhöhte Intensität der Mischung erfordert. Dem reinen Unterscheiden zwischen den einzelnen poetischen Gattungen bei den Griechen steht zum Beispiel gegenüber die Mischung aller Gattungen und Dichtarten, wie es die „Synthesierung aller alten romantischen Poesie" für die moderne erfordert. Doch darf die Idee der Mischung als ein Bemühen angesehen werden, vermittels „Potenzierung" und „Progressivität" eine dem Wesen der modernen Poesie angemessene, richtige gesetzmäßige Mischung zu erzielen, die in ihrer Funktion der perfektierten Mischung der griechischen Poesie gleichkommt. Beider Ziel ist die Harmonie, die Gesetzmäßigkeit der Verhältnisse, die Objektivität, die richtige innere Organisation des Kunstwerks; bei den Griechen entfaltete sich diese organisch, hier muß sie mit Hilfe des Verstandes perfektiert werden. Es ist die Funktion der Kritik, diese neue Objektivität für die romantische Poesie bewußt zu erreichen. So gilt auch hier die Feststellung: „Die Abstraktion des Absoluten und die Tendenz des Abstrakten oder Dividierten nach dem Ganzen ist ein historisches Prinzip; alle Tendenz, alles Streben ist also nur ein Rückkehrenwollen" (E 775). Und es ist gerade jetzt an der Zeit, die an der griechischen Literatur ablesbare Gesetzmäßigkeit auch für die moderne zu bestimmen und einzuführen, d.h. das Romantische ganz Absicht zu machen. Dies ist um so notwendiger, da für Schlegel offenbar die moderne Poesie das Harmoniegesetz „ganz übertreten" hat, weshalb sich auch „die romantische Poesie . . . bei allen Nationen in ein Chaos von Unbildung aufgelöst" hat ('E 1466). Dies Chaos durch eine „ästhetische Revolution" wieder zu bilden, umzuformen und aufzubauen, sieht Schlegel als eine lohnenswerte Aufgabe. Hierzu dient sein Theorisieren über die romantische Poesie und das Experimentieren um die richtige Mischung des Romans. Es ist von größter „Nützlichkeit daß alle Varietäten des Geschmacks und der ästhetischen Individualität und der Mischung der ursprünglichen Bestandteile in der modernen Poesie vorkommen;" denn dieser historisch gegebene Reichtum erlaubt erst die Auswahl des Guten und der richtigen Tendenzen und die Ausscheidung des Falschen und macht den „GENIALISCHEN IMPERATIV für die Modernen" i.e. „die Trennungen der künstlichen Bildung wieder zu verkitten und auszufüllen" (E 79) erst möglich, und natürlich auch nötig.
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Diesen Imperativ kann nur der Roman, diese proteische charakteristische Ausdrucksform der modernen Poesie, erfüllen, indem er alles von der klassischen und nachklassischen Dichtung, mehr oder weniger durch Einseitigkeit, erreichte Wertvolle in harmonischer Mischung vereinigt, die dem Wesen der romantischen Poesie gerecht wird. Ferner soll der Roman in Zukunft auch der „Romantischen Mischung" (E 776) Ausdruck verleihen, wobei dann das Romantische „im ganzen Umfange ganz Absicht" sein und alle Elemente „als notwendig deduziert erscheinen" sollen. Beides fehlte bisher; sogar im Don Quixote, weil darin die „romantische Mythologie" zum Beispiel nur als ein „zufälliges Faktum" erscheint (E 841), obwohl dieses Werk sonst Schlegels Begriff vom vollkommenen Roman immerhin am weitgehendsten entspricht. Um nun dem Ideal der „romantischen Mischung" und seiner „Idee", „einem Maximum von Mischung", (E 824) genüge zu tun, soll der Roman alle Dichtarten und Gattungen mischen: 15 Der romantische Imperativ fordert die Mischung aller Dichtarten. Alle Natur und alle Wissenschaft soll Kunst werden. - Kunst soll Natur werden und Wissenschaft. (E 582) Roman Mischung aller Dichtarten, der kunstlosen Naturpoesie und der Mischgattungen der Kunstpoesie. (E 55) Charakter des Romans. 1) Vermischung des Dramatischen, Epischen, Lyrischen. (E 1771) Der vollkommene Roman muß wohl auch ein Epos sein (d.h. klassische und universelle Naturpoesie). So muß er auch Ode sein; Chor und Melos in Rücksicht auf Individualität und Publikum; - wo nicht sein, so doch approximieren. (E 162)
So soll der Roman ein wahres „Mischgedicht" sein (E 4), dem sich alle Werke, ob in Prosa oder Poesie, approximieren sollen: „Alle Poesie soll Prosa, und alle Prosa soll Poesie sein. Alle Prosa soll romantisch sein. Alle Geisteswerke sollen romantisieren, dem Roman sich möglichst approximieren" (E 602). Ein weiterer wichtiger Grundsatz ist die Einbeziehung aller Wissensgebiete in die Darstellung des Romans: „Alle Kunst soll Wissenschaft, und alle Wissenschaft soll Kunst werden; Poesie und Philosophie sollen vereinigt sein" (Lyc.-Frgm. 115). So wird einerseits die Wissenschaft poetisiert und andererseits die Poesie durch 15 Zu Fr. Schlegels Charakteristik des Romans vgl. auch Walter Bausch, Theorien des epischen Erzählens in der deutschen Frühromantik (= Bonner Arbeiten zur deutschen Literatur Bd. 8) (Bonn 1964), 55 et passim.
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Wissenschaft erst eigentlich Kunst (E 313). Auch Kritik soll mit einbezogen werden: „In der romantischen Poesie sollte romantische Kritik mit der Poesie selbst verbunden sein; dadurch wird sie potenziert, und in ihrer Sphäre desto konzentrierter, daß Poesie und kritische Poesie verbunden, verschmolzen und gemischt sei" (E 792). Von dem „absoluten Roman" heißt es, er müsse „ein Inbegriff der ganzen Zeitbildung" (E 363), eine „universelle Bildungslehre, poetische Lebenskunstlehre, Darstellung des Zeitalters" und „Inbegriff des Künstlers" sein {E 491).16 Nach diesem Ideal des vollkommenen Romans sollen alle anderen streben. Jeder Roman soll so allumfassend sein, daß er dieses Ideal repräsentiert. Das meint Schlegel, wenn er immer fordert, daß es nur „Einen Roman" geben solle (E 340). Daher sei es auch überflüssig, „daß man mehr als Einen Roman schreibt" (E 288).17 Als „Lebenskunstlehre" und „Inbegriff des Künstlers," usw. stellt also dieser Begriff des absoluten Romans Schlegels ersten tiefgreifenden Versuch dar, dem Künstler und seiner Zeit einen Halte- und Mittelpunkt zu geben, von dem die Erneuerung des Zeitalters ausgehen könne: „Das gesamte Leben und die gesamte Poesie sollen in Kontrakt gesetzt werden; die ganze Poesie soll popularisiert werden und das ganze Leben poetisiert" (E 1350). Für diese Poetisierung des Lebens durch den Roman werden verschiedene Imperative aufgestellt: „Imperativ: Die Poesie soll gesellig und die Geselligkeit poetisch sein" (¿¿613) und „Imperativ: die Poesie soll sittlich und die Sittlichkeit soll poetisch sein" (E 614). Eine weitere wichtige Aufgabe des Romans ist, die auseinanderstrebenden Tendenzen des Zeitalters zu vereinigen: „Vereinigung der Schönheit, Wahrheit, Sittlichkeit, Gesellschaftlichkeit - durch den Roman" (E 188); „Wollust, Freundschaft, Gesellschaft, Liebe herrscht in getrennten Gattungen des Romans (jetzt zu vereinigen)" (E 1518). Diese neu gesammelte Kraft muß sich mit Ethos paaren, um eine neue gesunde Poesie hervorzubringen: „Romantische Kunst ist eben nichts als ethische Poesie. Kennt man Poesie ganz und hat Ethos, so muß sich das übrige von selbst geben" (E 1336). So ist der „Zweck des ethischen Romans" auch, „das Leben zu poetisieren" (E 1361). 16 Vgl. E 418: „Absoluter Roman = psychologischer Roman + philosophischer Roman + Fantastischer Roman + Sentimentaler Roman + absolute Mimik 4absolut Sentimental-Fantastisches + absolutes poetisches Drama + rhetorisches Drama + Prophetie." 17 Vgl. Lyc.-Frgm. 89: „Sollte es nicht überflüssig sein, mehr als Einen Roman zu schreiben, wenn der Künstler nicht etwa ein neuer Mensch geworden ist? Offenbar gehören nicht selten alle Romane eines Autors zusammen, und sind gewissermaßen nur ein Roman."
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Und schließlich soll der Roman auch das Ideal der modernen Poesie, die Unendlichkeit, darstellen; er soll „Idee und doch Individuum" sein: „Prophetie, absolute Poesie und absoluter Roman sind wahre Ideale, IDEEN UND DOCH INDIVIDUEN. 18 Die Alten haben nicht nach Idealen gearbeitet. Die Modernen sagen es immer, versuchen es, aber es sind Wolken statt der Juno. Absoluter Fantastischer Roman und absoluter Sentimentaler Roman sind angewandte Ideale, jenes reine" (E 380). (Der hier gemachte Unterschied zwischen absolutem und angewandtem Roman wird im zweiten Teil dieses Kapitels zur Bestimmung des verschiedenen Gebrauchs des Begriffes „Roman" verwandt werden.) Um diese Vereinigung des Endlichen und Unendlichen in der Darstellung des Romans zu veranschaulichen, vergleicht Schlegel ihn mit dem „Wesen" eines Menschen und einer „Person". Diese durch die Vernunft nicht zu begreifende Einheit ist wieder mystischen Charakters: Jeder progressive Mensch trägt einen notwendigen Roman a priori in seinem Innern, welcher nichts als der vollständigste Ausdruck seines ganzen WESENS ist. Also eine notwendige Organisation, nicht eine zufällige Krystallisation. (E 572) Daß der Roman zwei Centra wünscht, deutet darauf, daß jeder Roman ein absolutes Buch sein will, auf seinen mystischen Charakter. Dies gibt ihm einen mythologischen Charakter, er wird dadurch eine Person. (E 1728)
Obwohl dies letzte Zitat später liegt (1799) als die anderen, wurde es doch hier angeführt, weil es die Entwicklungslinie auffängt, die die anderen Zitate über den Charakter des Romans als „Mischgedicht", usw. aufzeigen, und weil es auf den Begriff des Romans in dem „Gespräch über die Poesie" hindeutet. So dient es zum Verständnis der vorhergehenden und folgenden Aussagen, ohne die es selbst nicht verstanden werden kann. Überhaupt sei hier darauf hingewiesen, daß wir bei der weiteren Besprechung des Begriffes „Roman", der während der Zeit von 1797 bis 1798 in Schlegels Bemühungen um die Poesie obenan steht, Zitate aus der späteren Zeit (bis 1803) bringen werden, weil manches, was während der frühen Athenäumszeit im Zusammenhang mit dem Roman angedeutet wird, erst später hinreichend erklärt wird. Dies scheint berechtigt, da sich in jeder Epoche der geistigen Entwicklung Schlegels Keime späterer Gedanken erkennen lassen. Was zum Beispiel unter der Eintragung aus dem Jahre 1797, daß der 18
Vgl. die Eintragung aus dem Jahre 1799: „Ist Ideal zugleich Idee und Individuum, so ist das auch auf Gott anwendbar" (KA XVIII, 316).
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Roman ein mystisches Kunstwerk ist (E 580), zu verstehen sei, wird dort nicht erklärt. Den „mythologischen Charakter" erschlüsselt erst die „Rede über die Mythologie". Von der Mythologie heißt es da: Was sonst das Bewußtsein ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre spricht... In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigentümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode wenn ich so sagen darf. (MII, 361) . . . das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Fantasie in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen, für das ich kein schöneres Symbol bis jetzt kenne, als das bunte Gewimmel der alten Götter. (M II, 362) Wenn die Mythologie „als Chiffre des universalen Zusammenhanges gilt", 19 dann ist der Roman die poetische Form, diesen universalen Zusammenhang auszudrücken. Dies geschieht durch „absichtliche Bildung" des Höchsten, die Darstellung der Idee: des Unendlichen, Ewigen, Einen, des Ganzen, der Wahrheit und Gott. 20 Da nun eine derartige Darstellung schlechthin unmöglich ist, müssen alle möglichen, d.h. angewandten Romane so weit wie möglich die Gegenwart des Unendlichen und Einen in den endlichen Dingen zu erfassen versuchen; das Individuum muß Symbol des Unendlichen sein, der Roman ein Streben, es darzustellen. Dem absoluten Roman soll sich jeder andere approximieren (E 377). Je kräftiger sich die Einbildungskraft eines Dichters das Unendliche vorzustellen vermag, je mehr seine Phantasie dessen Allgegenwart in allen darzustellenden Dingen erahnt und in allen dargestellten erahnen läßt, um so wahrhafter und größer werden seine Werke sein, um so befähigter, das „Höchste" darzustellen und echter Priester zu sein. Daß Dichter, ihrer hohen Aufgabe als Welterneuerer gemäß und als Hervorbringer „mystischer Kunstwerke" Priester sein müßten, stand schon 1797 für Schlegel fest: „Überall sind Priester die Anfänger und Lehrer der ersten Bildung im Ganzen wie im Einzelnen, im Klassischen wie im Progressiven. Was so anfängt, muß auch so endigen. Philosophen - Philologen - Dichter müssen zuletzt auch wieder Priester werden. Priester ist gar keine Klasse - sie sind nicht Bildner, nicht Meister einer Bildungsart, sondern Idee für Alle" ( K A XVIII, 30). 19
E. Behler, „Fr. Schlegels Theorie der Universalpoesie", 214. Vgl. Idee 47 (M II, 294): „Gott ist jedes schlechthin Ursprüngliche und Höchste, also das Individuum selbst in der höchsten Potenz." 20
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Denn es ist eine priesterliche Aufgabe und nur durch Teilhabe am „Göttlichen" möglich, das Unendliche im Endlichen zu erschauen und dieses „absolute Buch", wie es auch in Idee 95 genannt wird, zu formen. Hier wird es nochmals als „selbständiges Werk, Individuum, personifizierte Idee" bezeichnet, die es isoliert nicht gibt, „sondern sie ist, was sie ist nur unter allen Ideen". Und der Sinn dieser Aussage wird so erklärt: „Alle klassischen Gedichte der Alten hängen zusammen, unzertrennlich, bilden ein organisches Ganzes, sind richtig angesehen nur Ein Gedicht, das einzige in welchem die Dichtkunst selbst vollkommen erscheint. Auf eine ähnliche Weise sollen in der vollkommenen Literatur alle Bücher nur Ein Buch sein, und in einem solchen ewig werdenden Buche wird das Evangelium der Menschheit und der Bildung offenbart werden" ( M II, 299). Anders gewendet: Jedes Werk soll „Individuum, personifizierte Idee" sein; jedes Werk soll das Ideal repräsentieren und zwar nicht das Ideal eines Werkes, „sondern der Menschheit, der Bildung, des Lebens überhaupt" (E 1819). In diesem Sinne sollen sich alle Werke gleichen, sollen alle Werke ein Werk sein. So mündet schließlich der Begriff „ R o m a n " , ohne daß sich während der zwei Jahre seine Aufgabe oder sein Ideal geändert hätte, konsequenter Weise in den der Bibel, als das „neue ewige Evangelium", das „Evangelium der Menschheit und der Bildung" offenbarend. Die Aufgaben des Romans: Lebenskunst, Bildung, Ethik und Sittlichkeit zu lehren und das Streben nach dem Unendlichen, kurz: alles Menschliche zu umfassen, führen so direkt auf seinen religiösen Charakter hin. Die glücklichste Metapher, um die Gleichzeitigkeit von „Idee und doch Individuum", von Bedingtem und Unbedingtem, von Ganzheit und Beschränkung, von Transzendenz und Immanenz, von Ideellem und Reellem, die im Roman statthaben soll, auszudrücken, ist doch die Gleichsetzung von Person (Mensch) und Roman. Als Bedingung für eine echte Existenz ist beiden eine innere Organisation notwendig, bei der nichts Zufälliges sein darf, beide streben nach dem Unendlichen, ohne ihre Individualität zu verlieren. „Denke dir ein Endliches ins Unendliche gebildet, so denkst du einen Menschen" (Idee 98). Wie sich also die Zusammensetzung des Menschen um diese zwei Zentren: Endlichkeit und Unendlichkeit, Individuum und Idee, gruppiert, so sollen sie auch in der Struktur des Romans verwebt sein. Dadurch wird das künstlerisch Geformte in das innigste Verhältnis zum Menschen gesetzt. Und mit der Bemerkung, der Roman solle der vollständigste Ausdruck des ganzen Wesens eines Menschen sein, wird die mystische Einheit des Romans angedeutet: wie Leib und Seele im Menschen eine mystische Einheit bilden,
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so soll das Unendliche und das Endliche im Roman vereinigt sein. „Seltsam, daß man die Verbindung des Unendlichen und des Endlichen, der Seele und des Leibes, schwierig findet, da beide eins sind" (KA XVIII, 138). Daß „beide eins sind" bedeutet wiederum nicht, daß sie identisch sind. Sie sind eins, indem sie in Einem Menschen verbunden erscheinen, oder weil es das Eine ohne das Andere nicht geben kann. Ohne diese Einheit wäre der Mensch kein Mensch, und für Schlegel ist ein Roman ohne diese Einheit des Unendlichen und Endlichen kein Roman. Mystisch ist nun insofern diese Einheit, weil sie uns nur als Erinnerung 21 bewußt ist, weil wir sie nicht mehr unmittelbar denken und fühlen können und sie uns deshalb nur noch durch die Allegorie bewußt gemacht werden kann, die den abstrakten Begriff des Unendlichen, Höchsten bildhaft darstellen soll. „Der ursprüngliche Zustand des Menschen ist, Gott zu denken und zu fühlen, also das goldene Zeitalter" (KA XVIII, 248). Der heutige Mensch kann als eine Allegorie seines ursprünglichen Zustandes angesehen werden. So ist auch die Verkündigung der ursprünglichen Einheit in einem Roman nur durch Allegorie möglich. Und daher die Forderung einer neuen Mythologie: „Die Unmöglichkeit, das Höchste durch Reflexion positiv zu erreichen, führt zur Allegorie, d.h. zur (Mythologie und) bildenden Kunst." 22 Leistet die Allegorie also eine Realisierung des Idealen und Geistigen, so soll die Personifikation gerade das Umgekehrte bewirken, d.h. das materiell Gegebene vergeistigen. Beides wird durch die Kunst möglich: „Der Personifikation liegt der Imperativ zum Grunde: Alles Sinnliche zu vergeistigen. Der Allegorie der: Alles Geistige zu versinnlichen. Beides zusammen ist die Bestimmung der Kunst" (E 221). Wenn in unserem Zitat aus der „Rede über die Mythologie" von der Methode, dem Verfahren und innrem Leben der Mythologie gesprochen 21
Von der Erinnerung an die ursprüngliche Einheit, die durch die Poesie möglich wird, sprechen besonders einige Eintragungen aus den Jahren 1802-1803. Erinnerung der Einheit und Gefühl der Freiheit oder Hoffnung - (POESIE) . . . (KA XVIII, 467). VOLLENDETER IDEALISMUS IST POESIE - Der Erinnerung der ursprünglichen Einheit ist die Erschaffung der ewigen himmlischen Freiheit (-?) entgegengesetzt Das ist das Wesen des Idealismus. - ( K A XVIII, 473 f.) Jedes Buch sollte ein Evangelium sein; Vernichtung der Gegenwart, Erinnerung der schönen Vergangenheit, und Darstellung der höchsten Vollkommenheit sind alles Bedingungen zur Ankündigung der höchsten Zukunft. . . (KA XVIII, 497) 22 Friedrich Schlegel, Schriften und Fragmente; Ein Gesamtbild seines Geistes (= Kröners Taschenausgabe Band 246), hrsg. von. Ernst Behler (Stuttgart 1956), 177.
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wird, so könnte es fast scheinen, daß man unter Mythologie auch den absoluten Roman verstehen könnte; besonders da es ja diese Mythologie noch gar nicht gibt, Schlegel aber schon konkret von ihrer Existenzweise spricht. Sinnlich-geistige Anschauung des Höchsten bietet vielmehr der Roman. In ihm ist alles „Beziehung und Verwandlung, Anbilden und Umbilden". Den Bezug zwischen „Leib" und „Seele", Endlichem und Unendlichem darzustellen, das ist seine Aufgabe. Im Roman muß das Wort mit dem Geist vermählt sein, die Darstellung muß den „milden Widerschein der Gottheit im Menschen" erfassen und widerspiegeln; denn dies ist erst die „eigentliche Seele, der zündende Funken aller Poesie". Ohne „Seele" ist der Leib tot. „Das bloße Darstellen von Menschen, von Leidenschaften und Handlungen macht es wahrlich nicht aus, so wenig wie die künstlichen Formen; und wenn Ihr den alten Kram auch Millionenmal durch einander würfelt, und über einander wälzt. Das ist nur der sichtbare äußere Leib, und wenn die Seele erloschen ist, gar nur der tote Leichnam der Poesie" (M II, 361). Eine „beseelte Mischung" könnte man also die Struktur des Romans nennen, dies „Gewebe" von „Beziehung und Verwandlung", in dessen „Anbilden und Umbilden" das „Höchste" mitgebildet, mitverwebt wird. Diese innere Organisation haben sowohl Roman als auch Mythologie gemein und beide sind künstlich gebildet. Künstlich muß nun auch das „ursprüngliche Chaos" vom Roman geschaffen werden, um Erinnerung an die verlorengegangene Einheit von Unendlichem und Endlichem, von Geist und Wort zu erwecken. Deshalb soll der „Roman in Form ein gebildetes künstliches Chaos" (E 1356) sein. Er soll alle Gesetze der Vernunft, die doch nur zu Einseitigkeiten führen und das Gefühl für das Unendliche ersticken, zertrümmern, damit alle falschen Gebilde beseitigt werden, damit wieder „alles gegenwärtig, alles bedeutsam" werden kann und damit die Phantasie wieder befreit werde, die über den „unendlichen Massen" schweben und sie wieder so ordnen möge, daß die Gegenwart des „Höchsten" wieder vernehmbar werde. Um dieses künstliche Chaos zu schaffen, soll der Roman so allumfassend sein, alle die Lebens- und Kunstäußerungen - wovon in unseren Zitaten über den Roman die wichtigsten genannt wurden - mit allen Widersprüchen aufnehmen. Ein weiteres Problem erwächst nun wieder daraus, daß das Chaos unermeßlich und nie ganz faßbar ist. Doch soll der Roman danach streben, diese Universalität und unendliche Fülle darzustellen und zu vermitteln. Dies erklärt auch den Begriff von der „unbeschränkten Ganzheit" (£213) des Romans und die unermüdliche Forderung nach dem „Einen Roman",
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der alle anderen umfassen soll. „Der Begriff einer bedingten, beschränkten Ganzheit ist keineswegs widersprechend. So das Tier, Werk, Mensch . . ." (E 212). Doch ist alles Bedingte unromantisch, und erst alle Menschen machen die Menschheit aus, obwohl, wie bereits angedeutet, schon ein Mensch durch die Verbindung von „Leib und Seele" eine Ganzheit darstellt. Und ein Werk kann nur einen Teil der Ganzheit geben, d.h. eine „beschränkte Unganzheit". Das Streben nach „unbeschränkter Ganzheit" im Roman ist demnach ein Streben nach der möglichst größten und umfassendsten Darstellung der unendlichen Fülle, des unermeßlichen Chaos. Diese totale Darstellung wird theoretisch durch den absoluten Roman erreicht; er ist Idee, „unendliches Individuum", nach dem alle anderen, auch die individuell-absoluten Romane tendenzieren sollen. Denn: „Die Individua sind da, das Ganze darzustellen. Das Individuum ist also auch unendlich, weil es das Unendliche darstellen soll" (KA XII, 39), so heißt die philosophische Begründung später (1800) in der Jenaer Vorlesung über „Transzendentalphilosophie". In der Darstellung, so können wir nun zusammenfassen, ist also schon das Unendliche zu finden. Ebenso in der Allegorie und Mythologie; denn alle drei sind identisch, d.h. alle sind „künstlich" gebildet und haben die gleiche Funktion: zwischen den Individuen, in denen sie enthalten sind, und dem Einen, Ewigen und Unendlichen zu vermitteln und den Bezug auf die ursprüngliche Einheit herauszustellen. Die „Transzendentalphilosophie" enthält die beste Erklärung dieses Verhältnisses. Die Quelle für die Form, so heißt es da, ist die Substanz. „Die Substanz aber ist eins, ewig, unendlich. Die Form geht hervor, indem sich die Substanz individualisiert. Das Individuum ist also der Ausdruck der Form. Es ist der eigentliche Charakter des Individuums die unendliche Teilbarkeit seines Wesens, und das ist die Form. Sie ist das Verhältnis der Teile zum Ganzen." Der „Begriff der Individualität" wird also hergeleitet aus der „einen, unendlichen Substanz". Hier erfahren wir nun auch die tieferen Gründe für die Existenz der Individuen, sei es nun Roman oder die spätere Allegorie und Mythologie, was sie bedeuten und warum sie notwendig sind. „Warum ist das Unendliche aus sich herausgegangen und hat sich endlich gemacht?" - das heißt mit andren Worten: „Warum sind Individua?" Oder: „Warum läuft das Spiel der Natur nicht in einem Nu ab, so daß also gar nichts existiert?" Die Antwort auf diese Frage ist nur möglich, wenn wir einen Begriff einschieben. Wir haben nämlich die Begriffe eine, unendliche Substanz und Individua. Wenn wir uns den Übergang von dem einen zu den andern
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erklären wollen, so können wir dies nicht anders, als daß wir zwischen beiden noch einen Begriff einschieben, nämlich den Begriff des Bildes oder Darstellung, Allegorie (Ikon). Das Individuum ist also ein Bild der einen unendlichen Substanz.
(Man könnte dies auch ausdrücken: Gott hat die Welt hervorgebracht, um sich selbst darzustellen.) (KA XII, 39) Und noch einmal wird das Wesen des Menschen mit dem Wesen des Romans, der Allegorie und Mythologie gleichgesetzt: „Die Allegorie korrespondiert ganz genau mit dem organischen Wesen und dem des Kunstwerks" (KA XII, 41). Die Allegorie („Erklärung vom Dasein der Welt" und auch „die Welt selbst") ist ferner der „Mittelbegriff" zwischen „Einheit" (Form) und „Vielheit", die Realität nur durch Darstellung bekommt. Aber die „reelle Einheit ist schlechthin nur zu finden in der Substanz", weil sie ja das ursprünglich Eine ist und die Einheit in der Form ja erst geschaffen hat. Diese Schöpfung setzt aber auch „Geist und Bewußtsein" in der Substanz voraus. So kommt Schlegel zu der Behauptung, „daß ursprünglich Geist und Körper eins ist; daß eine ursprüngliche Harmonie ist" (KA XII, 37-41). Wenn hier die Form als das richtige Verhältnis der Teile zum Ganzen definiert wurde, so ist es das gleiche Prinzip, auf dem die gelobte griechische Harmonie beruhte. Sogar den Kern der griechischen Poesie hat die romantische wiedergefunden, allerdings jetzt durch bewußtes „künstliches" Erschaffen: „Die Poesie ist noch schlechthin leer - die alte hatte einen Kern, nämlich die Mythologie und Chaos - Die romantische bezieht sich durchgängig auf Chaos und Mythologie" (KA XVIII, 337). Als diese Forderung nach einer neuen Mythologie im Jahre 1799 entstand, ersetzte sie den Begriff des absoluten Romans als den Mittel- und Haltepunkt, an dem sich alle Poesie zu orientieren habe. 1797 war der Roman das „mystische Kunstwerk" (E 580), das alle anderen umfassen und enthalten sollte; um 1800 ist es die „neue Mythologie", die das „künstlichste aller Kunstwerke" sein soll, „denn es soll alle andern umfassen" und sein „ein neues Bette und Gefäß für den alten ewigen Urquell der Poesie und selbst das unendliche Gedicht, welches die Keime aller andern Gedichte verhüllt" (M II, 358). Nachdem wir nun die eine Richtung der Entwicklung - von den Spekulationen über den „absoluten Roman" zur „Mythologie" - angedeutet haben, wollen wir hier noch eine andere Linie verfolgen, die von den Zitaten über den Roman zu dem Begriff der Ironie führt. Während die Tendenz des Romans zur umfassenden Kultur- und Literaturerneuerung,
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zum ewigen Neuschaffen, zum Ausdruck des universalen Zusammenhanges in den Begriff der neu zu begründenden Mythologie einmündet, führt die andere Tendenz: Mischung und Vereinigung von Gegensätzen, Notwendigkeit zur absoluten Mitteilung zu dem Begriff der Ironie, der eine zentrale Stellung in Friedrich Schlegels Gedanken und seinen Erörterungen über Poesie besonders während der Jahre 1797-98 einnimmt. Daß Mythologie und Ironie eng verknüpft sind, werden wir bei der eingehenderen Untersuchung der „Rede über die Mythologie" wahrnehmen. Jedoch wenn die Mythologie ein Mittelpunkt, ein fester Halt für den schaffenden Künstler sein soll, dann bedeutet Ironie mehr ein Verhalten des Künstlers gegenüber der Welt, seinem Kunstwerk, und gegenüber seiner Künstlerschaft, seinem Künstlertum überhaupt. Allgemein ausgedrückt, und neben dem Künstler für alle Menschen gültig, verhindert diese Ironie als ein ästhetisches Mittel, daß der Mensch in der unendlichen Fülle des Universums versinkt; und sie ermöglicht es dem Menschen, sich gegenüber der unermeßlichen Mannigfaltigkeit der natürlichen Phänomene durch Selbstbeschränkung zu behaupten. Deshalb auch der Ausspruch: „Ironie ist Pflicht" (E 481). Zu dem Begriff der Ironie, dessen Ableitung und differenzierten Bedeutungen, gibt es eingehende und gründliche Untersuchungen.23 Hier interessiert nur ihre Bedeutung für die romantische Poesie, ihr Funktionsbereich darin und ihr Verhältnis zum Roman. Die bedeutendsten in die Athenäumszeit fallenden Aussagen über die Ironie bestätigen und spezifizieren die Maxime Schlegels: „Alles Bedingte und Bedingende im Stil ist unromantisch" (E 1594). Shakespeare war es, wie gezeigt wurde, der sich von allem Bedingten und Bedingenden im Stil befreit und sich daher vielseitig bis zur Ironie erhoben hatte, weshalb denn auch die seinige als „durchaus romantisch" bezeichnet wird (E 501). So ist also auch der Ironiebegriff wieder zuerst eine Deduktion aus den gegebenen literarischen Kunstwerken der romantischen Epoche und dann eine weitere Ausführung und genauere Bestimmung des vorgefundenen Phänomens. Die Hauptaspekte der Ironie für die Zeit um 1797 sind in dem 108. Lyceumsfragment zusammengefaßt.
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Die neuesten, die ältere Literatur zum Ironie-Begriff verarbeitenden Darstellungen sind: Beda Allemann, Ironie und Dichtung (Pfullingen 1956), 55-82 über Fr. Schlegel; Raymond Immerwahr, „The Subjectivity or Objectivity of Friedrich Schlegel's Poetic Irony", Germanic Review, XXVI (1951), 173-191; Ingrid Strohschneider-Kohrs, Die romantische Ironie in Theorie und Gestaltung (= Hermaea: Germanistische Forschungen, Neue Folge Bd. 6) (Tübingen 1960), 7-91 et passim.
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Die Sokratische Ironie ist die einzige durchaus unwillkürliche, und doch durchaus besonnene Verstellung. Es ist gleich unmöglich sie zu erkünsteln, und sie zu verraten. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Geständnis ein R ä t s e l . . . In ihr soll alles Scherz und alles Ernst sein, alles treuherzig offen, und alles tief verstellt. Sie entspringt aus der Vereinigung von Lebenskunstsinn und wissenschaftlichem Geist, aus dem Zusammentreffen vollendeter Naturphilosophie und vollendeter Kunstphilosophie. Sie enthält und erregt ein Gefühl von dem unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten, der Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer vollständigen Mitteilung. Sie ist die freieste aller Lizenzen, denn durch sie setzt man sich über sich selbst weg; und doch auch die gesetzlichste, denn sie ist unbedingt notwendig. Wie die Bestimmung des Romans ist die der Ironie, zwischen einer Reihe von Gegensätzen zu vermitteln. Ebenso entsprechen sowohl das Verhältnis von absolutem zum „angewandten" Roman, von Ideal, dem Einen Roman zu allen anderen als Approximationen dazu, von unbeschränkter Gesamtdarstellung und beschränkter Teildarstellung als auch die Forderung nach Darstellung des Unbedingten, Unendlichen und deren Beschränkung auf das nur bildliche Vermitteln des Bezugs zwischen Unendlichem und Endlichem den Postulaten des Ironiebegriffs, wenn dieser den „Widerstreit des Unbedingten und Bedingten", die „Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer vollständigen Mitteilung" im Bewußtsein erregen und erhalten soll. Wie das Leben mit seinen Gegensätzen: Leben - Tod, Freude - Pein, Schmerz - Genuß, Liebe - Haß, Offenheit - Verstellung, usw. im Grunde ein unergründliches Geheimnis ist, so bleibt auch der Zweck der Ironie dem klügelnden Verstände ein nicht zu „erkünstelndes" Rätsel. „Ironie ist die Form des Paradoxen. Paradox ist alles, was zugleich gut und groß ist" (Lyc.-Frgm. 48). Paradox ist das Leben und paradox ist seine Darstellung, große Kunst. Gegenüber der unermeßlichen Mannigfaltigkeit der Gegensätze, die das unauflösliche Nebeneinander von Unendlichem und Endlichem, den Konflikt zwischen dem Absoluten und dem Beschränkten mit einschließen, und der unendlichen Vielheit an Phänomenen, die für Schlegel das menschliche Dasein ausmachen, erkennt er, daß der Mensch, behindert durch seine menschliche Beschränkung, die Ganzheit der Erscheinungen nicht fassen kann. Doch um dem Leben Sinn zu geben, um es zu verstehen, ist es unbedingt notwendig, sowohl soviel wie möglich davon zu bewältigen als auch sich nicht an das Einzelne zu verlieren und durch Abstraktion einen Überblick über das Ganze zu bekommen. Hierzu ist Ironie notwendig. Sie erhebt den Wechsel zwischen den Gegensätzen, der notwendig ist, um zur Anschauung des ganzen Daseins zu kommen, zum Gesetz. „Ironie ist gesetzlicher Wechsel, sie
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ist mehr als bloßes Oszillieren" ( K A XVIII, 77). Eine spätere Definition der Ironie als „klares Bewußtsein der ewigen Agilität, des unendlich vollen Chaos" (Idee 69) verdeutlicht das Gesagte. Ist sich der Mensch der unendlichen Mannigfaltigkeit der Erscheinungen bewußt, und weiß er auch, daß sein Geist oder seine Phantasie sich nicht an eine einzelne Erscheinung verlieren darf, sondern ewig zwischen ihnen wechseln muß, dann hat er Ironie. So bewundert Schlegel zum Beispiel die Universalität von Shakespeares künstlerischem Weltbild erstens in rein quantitativem Sinne und dann auch im „ironischen" Sinne, d.h. er bewundert, daß Shakespeare sich niemals in der Darstellung, z.B. der Liebe und Sentimentalität verliert, ohne uns gleichzeitig deren Beschränkung bewußt zu machen, indem er zeigt, wie Liebe auch Haß, Schmerz und Pein hervorruft. Ohne das letztere wäre es billige und „bloße" Sentimentalität. So darf sich weder Mensch noch Dichter nur einem Ideal verschreiben, worüber er die anderen vergessen könnte. Doch ist Verstellung notwendig, um wenigstens zeitweilig an die Ausschließlichkeit eines Ideals zu glauben, z.B. an den Triumph und möglichen Sieg der Liebe über alles andere, denn nur so ist eine glaubhafte und sympathische Darstellung der Liebe überhaupt erst möglich. „. . . man muß mit der Selbstbeschränkung nicht zu sehr eilen, und erst der Selbstschöpfung, der Erfindung und Begeisterung Raum lassen, bis sie fertig ist" (Lyc.-Frgm. 37). Doch Sinn für die Liebe oder irgendeinen Gegenstand bekommt man erst, indem man „Erfindung und Begeisterung" wieder reduziert, die „Selbstschöpfung" durch „Selbstvernichtung" ausgleicht, indem man sich von der Ausschließlichkeit des einen Gegenstandes abwendet, ihn im Verhältnis zu anderen sieht, seine relative Größe einsieht; ihn also nicht ganz „vernichtet," sondern nur seine anfängliche Ausnahmestellung auf eine Gleichstellung reduziert, so daß nun seine „Beschränkung" mit den anderen beschränkten Gegenständen harmoniert: „Sinn (für eine besondere Kunst, Wissenschaft, einen Menschen, usw.) ist dividierter Geist; Selbstbeschränkung, also ein Resultat von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung" (Lyc.-Frgm. 28). Der Geist muß sich dividieren, um z.B. die Liebe voll auszugestalten und sie und sich zu beschränken. Um dies zu können, muß der Künstler das Vermögen von „Selbstschöpfung und Selbstvernichtung" besitzen und ausüben können. Wie der Künstler sich nicht zu stark an den Gegenstand und die eine Aussage binden darf, um nicht in einseitiger künstlerischer Mitteilung stecken zu bleiben, so soll auch allgemein der Mensch sich nicht völlig an nur einen Gegenstand hingeben, damit er den Sinn für das Ganze nicht verliere. Die Erfahrung des ewigen Wechselspiels
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zwischen Erfüllung und Verlust und das ständige Streben nach Vereinigung der komplementären Elemente des Lebens in einer übergreifenden Einheit machen den ständigen Wechsel von „Selbstschöpfung und Selbstvernichtung" und die Zerstörung der Illusion von der Einmaligkeit eines Phänomens notwendig. Sie ist notwendig sowohl in der rein menschlichen Sphäre als auch auf dem Gebiet der Kunst, um das Paradoxe des Lebens aufzudecken, den Blick für die Vielfalt der Erscheinungen freizugeben, und um gerade dadurch den notwendigen Überblick über das Ganze zu bekommen. Diese Art der Illusionszerstörung ermöglicht es, sich über alles Bedingte, sogar über das beschränkte eigene Ich, hinwegzusetzen, um die Freiheit zum Blick über das Ganze, d.h. die „Allheit" (das Göttliche)24 zu erlangen, und eben hierin ist schon die „gesetzliche" Notwendigkeit dieser „freiesten aller Lizenzen" begründet. Daß diese Formulierungen der mäeutischen Mittel zur Erkenntnis des Weltalls wesentlich auf philosophischen Gedankengängen beruhen, ist ersichtlich. So wird auch im 42. Lyceumsfragment die Philosophie als die „eigentliche Heimat der Ironie" bezeichnet; aber auch gleichzeitig hinzugefügt, daß sich „die Poesie allein . . . bis zur Höhe der Philosophie erheben" könne, es „alte und moderne Gedichte" gebe, „die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie atmen". Die Vereinigung von Philosophie und Poesie war auch die Aufgabe des Romans. Und wie dieser die Unendlichkeit in seiner Darstellung einfangen sollte, so soll auch in der Ironie die Unendlichkeit gegenwärtig sein: „Bei der wahren Ironie muß nicht bloß Streben nach Unendlichkeit sondern Besitz von Unendlichkeit mit mikrologischer Gründlichkeit in Philosophie und Poesie verbunden, da sein" (E 500). Es wurde schon darauf hingewiesen, daß Schlegel später von der Unmöglichkeit, „das Höchste durch Reflexion positiv zu erreichen" spricht und daß dies zur Allegorie (Mythologie) führe; so heißt es auch 1799, daß es „die Konnexionen des Unendlichen und des Endlichen wohl bloß in der Mythologie und Moral" gebe (KA XVIII, 335). Jedoch, ob das Unendliche durch den absoluten Roman, durch die Ironie oder die Mythologie verwirklicht, oder wenigstens vermittelt, werden soll, immer bleibt die Gültigkeit des Satzes, der schon aus dem Jahre 1796 stammt, bestehen: „Die Bestimmung des Menschen ist, das Unendliche mit dem Endlichen zu vermählen; die völlige Koinzidenz ist aber ewig unerreichbar."25 24
Schlegel, Neue philosophische Schriften, 377: „Die Göttlichkeit (Erscheinung der Allheit) ist der herrschende, höchste, königliche Teil des Schönen." 25 Ebd., 386.
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In diesem Sinne ist auch die Forderung zu verstehen, daß die Ironie ein „Gefühl von dem unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten" enthalte und errege. Damit ist kein solcher Gegensatz gemeint, daß beide miteinander um die Vorherrschaft kämpfen sollten, und Schlegel nun als sogenannter „echter Romantiker" etwa das Bedingte verachte und das Unbedingte vorzöge. Dafür hat er nur Spott: „Es gibt Schriftsteller die Unbedingtes trinken wie Wasser; und Bücher, wo selbst die Hunde sich aufs Unendliche beziehen" (Lyc.-Frgm. 54). Das Unbedingte streitet nicht mit dem Bedingten, sondern beide stehen in gegenseitiger Beziehung, in Wechselwirkung zueinander, wozu natürlich beide notwendig und auch gleichwertig sind, wie eben in einer „Vermählung". Die Ironie hält nun diesen gegenseitigen Bezug aufrecht, bringt die Ansprüche beider zur Harmonie; verhindert, daß das notwendige Streben nach dem Unendlichen „verwässert" wird, zur „hündischen" Unendlichkeitssucht ausartet und verhindert ferner, daß das Bedingte allen Bezug auf das Höhere verliert, daß man Knecht der Beschränkungen der Welt (Lyc.-Frgm. 37) wird. Die Ironie ist eine Vermittlung zwischen der Notwendigkeit des Unendlichkeitsstrebens und dem Bewußtsein von der Unerreichbarkeit einer „völligen Koinzidenz". Diese Vermittlung gleicht den zwei Aufgaben des Romans: erstens, der unendlichen Approximation jedes Romans zum absoluten Roman und zweitens, „Idee und Individuum", „Leib und Seele" zugleich zu sein. Die Ironie ist nicht die dichterische Schöpferkraft selbst, aber sie hilft beim Hervorbringen eines Kunstwerks, indem sie den Künstler vor „Illiberalität" bewahrt, nämlich in der Begeisterung „alles sagen" zu wollen, was „eine falsche Tendenz junger Genies" und ein „Vorurteil alter Stümper" ist. „Dadurch verkennt er den Wert und die Würde der Selbstbeschränkung, die doch für den Künstler wie für den Menschen das Erste und das Letzte, das Notwendigste und das Höchste ist. . . Das Höchste: denn man kann sich nur in den Punkten und an den Seiten selbst beschränken, wo man unendliche Kraft hat, Selbstschöpfung und Selbstvernichtung. Selbst ein freundschaftliches Gespräch, was nicht in jedem Augenblick frei abbrechen kann, aus unbedingter Willkür, hat etwas Illiberales" (Lyc.-Frgm. 37). Zum Hervorbringen großer Kunst ist also Selbstbeschränkung nötig. „Was sich nicht selbst annihiliert ist nichts wert" (E 226). Denn das Einzelne, „was den Sinn, das Herz, den Verstand, die Einbildung einzeln reizt, rührt, beschäftigt und ergötzt, scheint uns nur Zeichen, Mittel zur Anschauung des Ganzen, in dem Augenblick, wo wir uns zu diesem er-
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heben". Ein Kunstwerk - als „Nachbildung von dem unendlichen Spiele der Welt, dem ewig sich selbst bildenden Kunstwerk" - kann diese „Anschauung des Ganzen" vermitteln. Allerdings nur ein Kunstwerk, das mit Ironie gestaltet worden ist, kann dieses Erheben ermöglichen, denn nur ironische Darstellung kann die Forderung erfüllen, „daß die Begebenheiten, die Menschen, kurz das ganze Spiel des Lebens wirklich auch als Spiel genommen und dargestellt sei" (M II, 364). So muß „alles Scherz" sein in der Darstellung und „alles Ernst" in dem Augenblick der Erhebung, wenn „wahre Ironie" zum „Besitz von Unendlichkeit" verholfen hat (E 500). „Die vollendete absolute Ironie hört auf Ironie zu sein und wird ernsthaft" (E 696). Ein anderer Begriff ist also nötig, um die absolute, die wahre Ironie auszudrücken, Schlegel adoptiert hierfür die Begriffe Allegorie und Symbol. Im künstlerischen Schaffensprozeß ermöglicht die Sokratische Ironie nun eine Distanzierung des Künstlers von seinem Werk und damit eine objektive Darstellungsweise, ein Betrachten seines Werks als „Spiel". Es gibt derart gestaltete Werke, alte und moderne, „die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie atmen". In ihnen lebt „eine wirklich transzendentale Buffonerie" sowohl im Innern als auch im Äußern. Im Innern ist dies „die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst, Tugend oder Genialität" und im Äußern, in der Ausführung, ist es „die mimische Manier eines gewöhnlichen guten italienischen Buffo" (Lyc.-Frgm. 42). Es ist des besonnenen Künstlers Einsicht in die Unmöglichkeit einer vollständigen Mitteilung, die dem Werk diese Stimmung der transzendentalen Buffonerie verleiht. Er weiß, das alles Bedingte einseitig ist, daß das im Enthusiasmus Erschaffene gegenüber dem Unbedingten, dem Universum nur bedingte Gültigkeit hat. Dies ist ein „transzendentales Denken", d.h. ein Denken über das „Verhältnis des Idealen und des Realen" {Ath.-Frgm. 238); mit anderen Worten, ein ironisches Bewußtsein von der Bedingtheit aller menschlichen Kräfte und des durch sie Hervorgebrachten. Es ist dies Bewußtsein, welches der menschlichen Phantasie ermöglicht, sich über alles Bedingte unendlich zu erheben, die Schranken aller menschlichen Begrenzung zu durchbrechen, um den „Sinn für das Weltall"26 zu entwickeln, und alles Geschaffene als Spiel, scherzhaft, zu betrachten. Das Gefühl vom „Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten" wird dadurch erregt und 26
Vgl. M II, 169: „Wir müssen uns über unsre eigne Liebe erheben, und was wir anbeten, in Gedanken vernichten können: sonst fehlt uns, was wir auch für andre Fähigkeiten haben, der Sinn für das Weltall."
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wachgehalten. „Reflexion und Fantasie" 27 sind eine „Synthese" eingegangen, und diese Synthese ist, so lautet eine andere Definition, wiederum Ironie (E 1271). Dieser transzendentalen Buffonerie der Stimmung soll nun auch eine in der Ausführung des Werkes entsprechen. Die transzendentale Poesie, so meint Schlegel im 238. Athenäumfragment, solle „mit der künstlerischen Reflexion und schönen Selbstbespiegelung, die sich im Pindar, den lyrischen Fragmenten der Griechen, und der alten Elegie, unter den Neuern aber in Goethe findet", die „in modernen Dichtern nicht seltnen transzendentalen Materialien und Vorübungen zu einer poetischen Theorie des Dichtungsvermögens . . . vereinigen, und in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit darstellen, und überall zugleich Poesie und Poesie der Poesie sein". Auch in der Ausführung soll sich also der Dichter über eine geschlossene Darstellung seines Stoffes erheben können und „Materialien und Vorübungen" einschieben, die sich mit einer Charakteristik des Dichtungsvermögens befassen. Die Grundbedingungen und Voraussetzungen der künstlerischen Gestaltung, Kritik, Philosophie, Geschichte der Poesie, alle Bedingungen des Schöpfungsprozesses sollen mitdargestellt werden, den Einlagen des italienischen Buffo vergleichbar, der auch die Bedingungen seiner Kunst: sich selbst, das Publikum, den Dichter, das Stück kommentiert und sich durch Scherz noch über diesen Kommentar erhebt. „Ironie ist eine permanente Parekbase" (KA XVIII, 85), wie Schlegel gelegentlich auch sagt, d.h. ein ständiges „Heraus- und Danebentreten", ein Herauslösen aus der geschlossenen Darstellungsform, um auch die künstlerischen Bedingungen der Darstellung mit im Werk selbst mitzuteilen.28 Wenn nun diese Ironie in der Ausführung eines Werkes der Ironie seiner Stimmung entspricht, dann ist es klassisch gebildet: „Klassisch ist was zugleich Absicht und Instinkt hat, wo Form und Materie, Innres und Äußres harmoniert" (E 1060). Diese Art der Ironie, die Herauslösung aus einer nur gegenständlich gebundenen Darstellung, ist jedem Roman notwendig: „Parekbase und Chor jedem Roman notwendig (als Potenz)" (E 1682). Sie erlaubt es dem Roman, seine mannigfaltigen Aufgaben, die oben herausgestellt wurden, zu erfüllen, Universalkunstwerk zu sein, wie Universalität auch ein 27
U m diese Zeit (1798) rechtfertigt Schlegel seine Schreibweise: „Fantastisch, Fantasie habe ich mit F geschrieben, weil mir diese Worte so wie wir sie brauchen, gar nicht Griechisch, sondern durchaus romantisch und modern scheinen" (Fr. Schlegels Briefe an seinen Bruder A. W., 368). 28 Zum Begriff „Parekbase" vgl. auch W. Bausch, Theorien des epischen Erzählens, HO ff.
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Kennzeichen der Ironie ist (E 1271). Im Roman muß die Parekbase „verhüllt sein, nicht offenbar wie in der alten Komödie", sie ist zugleich „höchste Antiform und Naturpoesie" (E 395). Verhüllte Parekbase bedeutet wohl mehr als bloße Illusionszerstörung, gemeint ist damit vielmehr eine Art der Darstellung, die sogleich Kritik der Darstellung und des Dichtungsvermögens ist, also potenzierte Darstellung, höchste Antiform. Und dies wird zugleich als Naturpoesie bezeichnet. „Naturpoesie" ist also ein Begriff, den Schlegel nicht nur auf die der „natürlichen Bildung" der Griechen entsprungenen Werke anwendet. Mit Naturpoesie wird jede wesensgemäße Ausdrucksform bezeichnet. Der Roman als „Mischgedicht" und potenzierte Darstellung ist die wesensgemäße Ausdrucksform der „künstlichen Bildung" der Modernen, also ist er auch Naturpoesie: „Die Griechische Naturpoesie ist das Epos, die moderne der Roman" (E 884). „Die klassische Naturpoesie ist Romantisch, die progressive [Naturpoesie] ist Transzendental" (E 969). Naturpoesie ist also jede spontane, wesensgemäße der jeweiligen Bildungsstufe entsprechende Ausdrucksform der Dichtkunst.29 In diesem Sinne enthält auch die Opera buffa Naturpoesie und sind „Parekbase und andere künstlerische Improvisationen wahre Naturpoesie" {E149). Spontan sind die „Buffonerie" des Buffo und die Parekbase, weil sie einer überschwenglichen komischen Begeisterung entspringen.30 Die künstlerischen Mittel der Ironie, der „transzendentalen Buffonerie", und der „Parekbase" ermöglichen also dem modernen Dichter, sich von seinem Werk zu distanzieren und Reflexionen über Voraussetzungen und Bedingungen des künstlerischen Schaffungsprozesses in die Darstellung miteinzuflechten. Dadurch erreicht ein modernes Kunstwerk Objektivität, dadurch wird es klassisch, denn „klassisch ist jedes Kunstwerk, welches ein vollständiges Beispiel für einen reinen Begriff der Kunstlehre enthält" ( M I , 301). Die griechischen „Urbilder" sind in ihrer organischen Entfaltung solche Beispiele, die modernen Kunstwerke können und sollen einen Begriff der Kunstlehre in sich enthalten durch bewußtes Darstellen der „Materialien . . . zu einer poetischen Theorie des Dichtungsvermögens". Diese parekbasierende und ironisierende Darstellung der Kunstlehre hat für Schlegel offenbar etwas Humoristisches und Witziges. Der Dichter scheint auf sein Werk „von der Höhe 29
Vgl. dagegen die Unterscheidung von echter Naturpoesie: „Reine echte Naturpoesie muß prosaisch sein. Sobald ein Kunstmetrum da ist und eine Kunstdiktion wie im Homer, so ist's auch schon etwas Kunst und nicht ganz Naturpoesie. (Es ist mehr ein Grad als eine Art.)" (E 601) 30 Vgl. E 2173: „Die Parekbasis hat gleichsam die Form der Wollust."
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seines Geistes herabzulächeln" (M II, 171), wie es Schlegel in seiner A/ewier-Rezension formuliert. „Der Roman tendenziert zur Parekbase, welche fortgesetzt etwas humoristisches hat" (E 137). Und im „Fantastischen Roman", wozu Schlegel den Don Quixote, den Franz Sternbald und seinen eigenen Roman Lucinde rechnen würde, muß „die Parekbase . . . permanent" sein (E 461). Im Don Quixote und Sternbald, den einzigen „romantischen Romanen", ist die Parekbase permanent: sie sind durchaus Rückwendung des Künstlers auf sich selbst und sein eigenes Werk. Durch die Loslösung von zu starker Bindung an den Gegenstand wird der Blick geweitet für die verschiedenen freien künstlerischen Möglichkeiten und Aussagen ; der romantische Geist reflektiert oder phantasiert angenehm über sich selbst. Der Don Quixote ist „der einzige durchaus romantische Roman" {E 1096) für Schlegel. Er sei „durchgängig Reflexion des Werkes auf sich selbst;" die Hauptperson des zweiten Teiles sei der erste Teil (E 1727). „Hier wird zuerst das Ganze parodiert" (E 835). „Parodie der Bildung, des verständigen Gesprächs, der ernsten Geschichte, der edlen Gesellschaft" werden besonders erwähnt (E 1717). Noch im selben Jahre (1798) wie Don Quixote erhält auch Franz Sternbald die lobende Bezeichnung „Romantischer Roman" (E 1342). Und noch im März 1799 schreibt Friedrich an August Wilhelm: „Es ist ein göttliches Buch . . . Es ist der einzige Roman seit Cervantes der romantisch ist, und darüber weit über Meister. Dessen Stil halte ich auch für romantisch, aber nur im Sternbald, vorher hatte er noch gar keinen Stil."31 Das 418. Athenäumfragment nennt einige Gründe für diese Begeisterung: Zusammenfassen von Gegensätzen, Sinn für Ironie, Klarheit, Sichtbarmachen der poetischen Mittel und Selbstreflexion. Aber der Sternbald vereinigt den Ernst und Schwung des Lovell mit der künstlerischen Religiosität des Klosterbruders und mit allem was in den poetischen Arabesken, die er aus alten Märchen gebildet, im Ganzen genommen das Schönste ist: die fantastische Fülle und Leichtigkeit, der Sinn für Ironie, und besonders die absichtliche Verschiedenheit und Einheit des Kolorits. Auch hier ist alles klar und transparent, und der romantische Geist scheint angenehm über sich selbst zu fantasieren.
Wie es schon mehrfach evident wurde, erscheint der Begriff „Ironie" öfters im Zusammenhang mit „Parodie". Von Petrarca heißt es zum Beispiel, daß auch er „romantische Ironie" habe (E 709), sich selbst parodiere (E 831) und über seine Sentimentalität lächle (E 561). Verschiedene Eintragungen beleuchten dieses Verhältnis von Ironie und Parodie. Beide 31
Fr. Schlegels Briefe an seinen Bruder A. W., 414.
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sind Erscheinungen, Kategorien (E 1630) oder Arten des Witzes. Dieser hat „ein größeres Gebiet als Kunst und als Wissenschaft" (E 1030), steht also über beiden: „Alles ist Witz und überall ist Witz" (E 782). „Ist Witz nicht ganz identisch mit Genialität?" Witz wird also als ein hohes Bewußtsein und denkender Geist32 betrachtet. „Der romantische Witz ist der höchste . . . Auch die sokratische Ironie gehört dazu" (E 53). Beide sind also Witzarten, doch ist die Ironie ein mehr philosophisches Vermögen, während die Parodie mehr auf die praktische Poesie gerichtet ist. Ironie u n d Parodie sind die absoluten Witzarten; der erste der ideale, der zweite der reale. - Systematischer Witz = Ironie + Parodie. (E 1030) Die Parodie ist eigentlich die Potenzierung selbst; die Ironie bloß das Surrogat des ins Unendliche gehen sollenden. ( K A XVIII, 112) Ironie = philosophischer, Parodie = poetischer, Karikatur = mimischer Witz. ( E 1959)
Die Ironie, die ja auch ihre Heimat in der Philosophie hat, ist potenzierter als die Parodie: „Die Sokratische Ironie ist Wechselparodie, potenzierte Parodie" (E 517). Ironie gilt als „überwundene Selbstpolemik" (E 506) und als „Selbstparodie" (E 778); und Parodie gilt als die „Mischung des Entgegengesetzten", als „Indifferenz" (E 560), wodurch die romantische Poesie die begehrte und notwendige Harmonie erreichen kann. So sind diese Leistungen des Witzes:33 die durch Mischung erreichte „Indifferenz" (durch Parodie) und die Vermittlung des Unendlichen (durch die Ironie) auch die Aufgaben des Romans. Deshalb ist 32 Vgl. z.B. in der Georg-Forster-„Karakteristik" die Verbindung von Genialität und Geist und die Ähnlichkeit ihrer Funktionen mit der des Witzes: alle drei dienen dem Autor zum Sichtbarmachen des kleinsten Teiles eines Werkes und der eigenen künstlerischen Mittel in der bewußten Anordnung aller dieser Teile, so daß „etwas in seiner Art so Vortreffliches entstehen konnte":
Doch möchte ich darum das Genialische seinen Schriften nicht absprechen, wenn diejenigen Produkte genialisch sind, wo das Eigentümlichste zugleich auch das Beste ist; wo alles lebt, und auch im kleinsten Gliede der ganze Urheber sichtbar wird, wie er, um es zu bilden, ganz wirksam sein mußte; wie bei F. 's Werken so offenbar der Fall ist. Denn Genie ist Geist, lebendige Einheit der verschiedenen natürlichen, künstlichen und freien Bildungsbestandteile einer bestimmten Art. Nun besteht aber das Eigentümliche eben nicht in diesem oder jenem einzelnen Bestandteil, . . . sondern in dem Verhältnis aller. (M II, 139) 33 Die Erörterung der zentralen Bedeutung des Witzes für die romantische Poesie erfolgt im vierten Kapitel anläßlich der Besprechung des „großen Witzes der romantischen Poesie" in der „Rede über die Mythologie".
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der Witz für den Roman so wichtig, wie z.B. die hohe Tugend, „Ehre, Adel, Tugend" für das Drama (E 1976), und deshalb wird im allgemeinen „der Primat des Witzes für Romantisches" betont (E 1908). Auch ist „die Form des romantischen Lebens . . . die witzige;" sie sollte es sein, denn „Witz" ist „die reinste Indifferenz" (E 2143) und „logisch schön" (E 763), d.h. weder ein positives noch ein negatives Extrem, sondern die harmonische Lebenssphäre des höheren Menschen. Auf dieser Ebene ist alles Unromantische - das Bedingende und Bedingte - durchbrochen worden, und Parodie und Ironie haben ihre Aufgabe erfüllt: Der unbedingte Roman kann wohl gar nicht parodiert werden? (E 707). Die vollendete absolute Ironie hört auf Ironie zu sein und wird ernsthaft. (E 696) Das Spiel wird ernst, und wir verstehen nun den tieferen Sinn, warum Schlegel die Romane „die sokratischen Dialoge unserer Zeit" (Lyc.-Frgm. 26) nannte (sie lehren Lebenskunstsinn), und weshalb er das „absolut Romantische" der „romantischen Ironie" gleichsetzte, welches „durch Trennung und Gegensatz" in Verbindung mit „Universalpoesie" erreicht werden könne (E 712), was einen Zustand bedeutet, wo alles mit allem in harmonischem Bezug steht. Harmonischer Bezug, Mischung und Vermittlung des Entgegengesetzten, eine durch Umfassen von Gegensätzen erreichte Universalität sind also Eigenschaften des Witzes wie auch des Begriffes „Indifferenz". Der Begriff bezeichnet allgemein einen durch Vermittlung von Einseitigkeiten und Gegensätzen erreichten höheren Standpunkt, der Bezug zum Transzendenten hat. Wenn es heißt, „die Realität liegt in der Indifferenz" (KA XVIII, 415), dann ist diese Realität für Schlegel das „Mittlere", zwischen Spinozas „Spekulation", die nur auf das Unendliche geht, und Fichtes „Reflexion", die nur auf das Bewußtsein geht (KA XII, 32). Die Realität ist der „Indifferenzpunkt" zwischen dem Bewußtsein und dem Unendlichen (KA XII, 6) und „alle Realität ist das Produkt entgegengesetzter Elemente" (KA XII, 8). So ist „Indifferenz" ein wichtiger Begriff in Schlegels Denken, der auf die Mitte geht, wo „alle Realität" und „alle Wahrheit" liegen. Er ist „witzig" in der Vermeidung von Einseitigkeiten und der Verbindung der Extreme, im Umfassen des Endlichen und Unendlichen, so daß es von ihm heißen kann: „Christi Moral gründet sich ganz auf Indifferenz . . ." (KA XVIII, 429). Die Realität „des romantischen Lebens" und des höheren Menschen hat teil an beiden Bereichen. „Wer einmal das Unendliche recht gedacht hat, der
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kann nie wieder das Endliche denken. - Die Realität liegt in der Indifferenz". Vorläufig zusammenfassend können wir sagen, daß alle bisher erwähnten Eigenschaften des Witzes und seiner zwei Kategorien eine besonnene, universale und besonders eine harmonische Darstellung ermöglichen, die weder das Extrem eines durch Begeisterung hervorgerufenen Gefühlsüberschwanges kennt noch das im Studiumaufsatz beklagte Extrem phantasieloser Dürftigkeit. Das Vermögen zur differenzierten Selbstbestimmung ist wesentlich und notwendig für die künstlerische Mitteilung: es hält im Bewußtsein den für die menschliche Existenz notwendigen Bezug auf das Unbedingte und Unendliche wach, und verhindert eben dadurch beschränkte Selbstbezogenheit oder einseitiges Verfallen an einen Gegenstand. Weitere Bestimmungen des Witzes und der Ironie werden anläßlich der Untersuchung des 116. Athenäumfragments und des „Gesprächs über die Poesie" zu erörtern sein: im ersten Falle der Anteil der Ironie an der Progressivität (durch den steten Wechsel von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung) der romantischen Poesie und der „innern Unerschöpflichkeit" {Ath.-Frgm. 297) des romantischen Kunstwerks; und im zweiten Falle die „große Ähnlichkeit" der Mythologie mit dem „großen Witz der romantischen Poesie" (M II, 361). Da wir diese zwei wichtigen Äußerungen zum Begriff der romantischen Poesie nicht aus ihrem Kontext herauslösen wollen, seien im nächsten Teil dieses Kapitels zuerst noch offen gebliebene Probleme zum Abschluß gebracht. Die noch nicht verwerteten Aussagen voriger Zitate sollen zusammengefaßt werden. Zunächst wollen wir Schlegels Versuche zur Klassifikation der verschiedenen Romantypen verfolgen, die verschiedenen Bedeutungen des Wortes „Roman" zusammenstellen und dann eine Erklärung der „poetischen Ideen" der romantischen Poesie und des 116. Athenäumfragments versuchen.
ZWEITER TEIL: DAS „POETISCHE IDEAL" UND DIE „ROMANTISCHE POESIE" (Ath.-Frgm. 116)
Die Zusammenstellung über die Aufgaben des Romans zeigte, was er alles umfassen und darstellen sollte. Es wird noch einmal in den Ausspruch zusammengefaßt: „Roman überhaupt die Vereinigung zweier Absoluten, der absoluten Individualität und der absoluten Universalität ( £ 434), er soll also „Makrokosmos und Mikrokosmos" sein. Dieser
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Mannigfaltigkeit des Stoffes und seiner Bedeutung gemäß hat der Roman eine Vielfalt an Bestandteilen: „In jedem absoluten Roman sind alle Bestandteile; nur ist die Dominante verschieden" (E 750). Nach diesen Dominanten werden nun auch die „unvollkommenen" Romane klassifiziert: 34 V o m unvollkommenen
R o m a n gibts grade V I E R Arten. POETISCH
1. Fantastisch 2. Sentimental: Elegischer Ton, Historischer Stoff F o r m Idyllisch PROSAISCH 3. Philosophisch: Philosophie, Rhetorik, Synthese, Urbanität 4. Psychologisch: Absolute Analyse, Intrigue Alle diese Nebenarten k ö n n e n nur eine Art, nur ein Analogon von Einheit Ganzheit haben. - Eigentlich gibt es nur Einen R o m a n . (E 340) 35
oder
Dieser ersichtliche Versuch zur Bewältigung der reichen Fülle der Romanliteratur und zur Klassifizierung derselben ist nur einer von mehreren. Es ist auch nicht so, daß sich Schlegel an eine einmal aufgestellte Kategorie hält, oder daß eine eliminierte Form auch wirklich wegbleibt. Beispielsweise könnte man Eichner mißverstehen, wenn er in Bezug auf die obige Eintragung schreibt: „He first modified it by substituting the .kritische Roman' (L.N. 489, 505, 511, 547, 700, 706) for the psychological one, . . ," 36 Sie ersetzen sich vielmehr gegenseitig, d.h. manchmal erscheint der psychologische und manchmal der kritische Roman in Verbindung mit den andern drei: dem fantastischen, sentimentalen, philosophischen. Dies ist zum Beispiel aus den letzten drei Eintragungen (E 700, 704, 706)37 ersichtlich; danach erscheinen sie beide nicht mehr in diesem Zusammenhang, werden also für Klassifizierungszwecke gleich34 Zur Klassifikation des Romans siehe ferner Eichners „Commentary", zu Schlegel, Literary Notebooks, 348 f., Anmerkung zu Eintragung 340 und Eichners „Schlegel's Theory of Romantic Poetry", 1023-1024. 35 Die Anordnung des Zitats ist umgestellt worden. 36 Eichner, „Commentary", zu Schlegel, Literary Notebooks, 238, Anmerkung 340. 37 Vgl.:
. . . - der poetische Roman in der Vergangenheit (Sentimentaler Roman) oder Zukunft (Fantastischer Roman), in bestimmter Zeit, aber unbestimmtem Raum; kritischer Roman und philosophischer Roman hingegen in bestimmtem Raum aber in unbestimmter Zeit. - (E 700) Psychologischer Roman und Sentimentaler Roman - Philosophischer Roman und Fantastischer Roman im Drama zu mischen. - (E 704)
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zeitig eliminiert. Während jedoch andere Romanarten weiter bestehen bleiben, wie man leicht aus dem „Index of Subjects" der Literary Notebooks unter „Roman" ersehen kann, entwickeln sich nebenbei gewisse vorherrschende Romanarten. Sie lösen sich aus dem folgenden reichen Angebot an Romanen, wovon natürlich für Schlegel die einen mehr, die anderen weniger von Bedeutung waren. Er unterscheidet den absoluten biographischen (E 116), ethischen, epischen (ß 151), fantastischen, historischen, komischen, kritischen, mimischen, philosophischen, poetischen, politischen, prosaischen (E 340), psychologischen, rhetorischen, romantischen, sentimentalen, synthetischen (E 351), den Urbanen (E 897) und den vollkommenen Roman. 38 Außerdem unterscheidet er noch einen Volksroman, die Bibel (E 421), einen Künstlerroman, i.e. die Novelle (E 1365) und einen Naturroman, i.e. Bekenntnisse (E 1458); ferner ist „jeder Witzige Einfall ein Roman en miniature (E 1337) und das Wesen des Menschen ein „notwendiger Roman a priori" (E 572). Es ist nun bezeichnend, daß fast 39 alle Eintragungen über die verschiedenen Unterarten des Romans nach 1798 aufhören, während es vorher weit über hundert davon gegeben hatte, wovon die meisten in das Jahr 1797 fallen. Man könnte also dieses Jahr das Romanjahr nennen, da der Begriff des absoluten Romans Träger der romantischen Poesie wird. Immer wieder bestand Schlegel darauf, daß es nur den Einen, vollkommenen, absoluten Roman geben solle, der alle anderen Unterarten vereinigen könne, und dem sich alle anderen Romane approximieren sollten, indem sie Spiegel des Zeitalters, Darstellung von Lebenskunstsinn und des Unendlichen zu sein versuchten. Aufs engste verbunden mit der Entwicklung des Begriffs „absoluter Roman" ist die Herauskristallisierung des „poetischen Ideals" zu dieser Zeit. Schlegels Klassifizierungsversuche des Romans kulminieren in der Heraussonderung des phantastischen, sentimentalen und mimischen Romans. Ihre Vorherrschaft in der romantischen Poesie erkennt Schlegel an, indem er das Phantastische, Sentimentale und Mimische als die drei „poetischen Ideen" (E 735) bezeichnet. Sie werden die drei Bestandteile der berühmten Formel,40 die das Ideal der modernen Poesie gleich Gott Abstrakte Charaktere für Sentimentalen Roman und kritischen Roman - idealische für Fantastischen Roman und philosophischen Roman. - (E 706) 38 Nur für die im „Index of Subjects" der Literary Notebooks nicht aufgeführten Romanarten sind die Eintragungsnummern angegeben. 35 Nur der Fantastische und Philosophische Roman werden beide zusammen nocl 40
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setzt, der also absolute Fantasie, Sentimentalität und Mimik in unendlicher Teilbarkeit (oder Kondensation) und Potenzierung wäre. Die mathematische Auflösung dieser Formel ist gleich „eins". Das findet Bestätigung durch die Eintragung: „Das Wesen eines Werks ist gleichsam das Transzendentale, das absolut Innre, der kondensierte und dann potenzierte Geist in Eins zusammen" (E 691). So wie hier das Wesen eines Werkes darin besteht, daß der kondensierte und potenzierte Geist in jedem Teile zusammen dasein soll, so ist auch das Wesen der drei poetischen Ideen darin zu sehen, daß sie unendlich groß (potenziert) und unendlich klein sein können. Das Wurzelzeichen deutet ferner darauf hin, daß sie unendlich teilbar, daß sie „aus sich herausgehen" können (Vgl. KA XII, 349), daß sie also in ihrer Ganzheit in jedem Individuum, sowohl dem kleinsten als auch dem größten, sein können. Das Phantastische und das Sentimentale werden im „Gespräch über die Poesie" genauer bestimmt als es hier in Schlegels literarischen Notizheften der Fall ist.41 Das Phantastische wurde hervorgehoben und gelobt an Homer und in den zu Beginn der romantischen Epoche entstandenen Werken. Sie wurde also aufs engste verknüpft mit dem Frühling und der bezaubernden Jugendfrische der Menschheit. Sie gehört daher zu der ursprünglichen Existenz des Menschen. Der Mangel an Phantasie wurde gerade an der modernen Poesie beklagt. Daraus folgt die grundsätzliche Bedeutung der Phantasie als ein Mittel zur Zurückerinnerung an diesen poetischen Urzustand. Deshalb auch die Forderung nach der ewigen Jugend des Romantischen und der romantischen Dichter. „Cervantes ist eigentlich immer jünger geworden, . . . " (E 1589); „Ewige Jugend, frische Farbe und hohes Gefühl sind Eigenschaften des Cervantes" (E 1587). „Shakespeare's Geist durchaus romantisch .. . Shakespeare ist jugendlicher geworden" (E 1213). Die Eintragung: „Fantasie ist eine Auflösung von Konstruktion und Die mathematische Auflösung dieser Formel ist eins; denn
nach der Formel: am
—=a a I =a° Diese späteren Äußerungen werden zur Erklärung der poetischen Ideen herangezogen von H. Eichner, „Fr. Schlegel's Theory of Romantic Poetry", 1024 ff., und von W. Bausch, Theorien des epischen Erzählens in der deutschen Frühromantik, 94-104. Vgl. auch den Versuch Eugeniusz Klins, Die frühromantische Literaturtheorie Friedrich Schlegels (= Acta Universitatis Wratislaviensis N o . 26, Germanica Wratislaviensia VIII) (Wroclaw 1964), 91 f. 41
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Reflexion" (£ 1273), scheint daher die Funktion der Phantasie am besten zu beschreiben. Sie soll demnach Begriffe und Konstruktionen überwinden, uns in das „Chaos" zurückversetzen, wo das ursprünglich ungeteilte, göttliche Wesen des Menschen wieder erscheinen kann. Deshalb die Forderung nach vielfältiger Brechung der Dichtungsformen und nach permanenter Anwesenheit der Parekbase, dieser „Antiform und Naturpoesie" (E 395) im „Fantastischen Roman" (E 461). Für praktische Zwecke ist das Phantastische also Umbildung, Zerstörung der Form und ihr Wiederaufbau, so daß eine Erstarrung in irgendeiner Form unmöglich wird. Ständige Neubewertung und Wiederdeutung alles Geschaffenen ist notwendig: „Alle klassischen Schriften werden nie ganz verstanden, müssen daher ewig wieder kritisiert und interpretiert werden" (E 667).42 Der Imperativ der Poetisierung des Lebens kann nur erfüllt werden durch Umgestaltung, durch Anbilden und Umbilden, so daß alles Alte wieder neu erscheint. Und dies ewige Umgestalten, Aufgabe und Werk der Phantasie als „poetisches Vermögen" (E 1521), ist „höchst romantisch". Schlegel findet und bewundert es vor allem in Shakespeare: „Mit Novellen ging Shakespeare viel feiner um als mit Holingshed43 und Plutarch. Diese ADstruktion, Konstruktion und Destruktion (Restruktion) ist höchst romantisch. Auf absolute Erfindung ging er nicht. Alle seine Erfindung ist symbolisch - Allegorisch - Schmuck und Spiel (umbildend und umdeutend)" (E1198). Symbol, Allegorie sind die einzigen Mittel zur Erahnung des Göttlichen oder der reinen Menschheit in dieser Welt der Erscheinungen. Nichts gegenwärtig Gestaltetes darf als absolute Wahrheit genommen werden, denn das poetische Ideal ist unerreichbar: „Die am meisten Fantastische Poesie erscheint nicht" (E 1647), obwohl das Phantastische in der Form der Poesie auf jenen idealen Zustand hinweist. Dieser Verweisungscharakter des Phantastischen weist dem Sentimentalen, dem Gefühl der Sehnsucht und Liebe, die Richtung nach der einen ursprünglichen Liebe. So ist dem Sentimentalen das Streben nach dem Unendlichen eigen: „Nur durch absolute Progressivität (Streben nach dem Unendlichen) wird das Sentimentale sentimental und ästhetisch interessant" (E 2). Doch „nicht jede poetische Äußerung des Strebens nach dem Unendlichen ist sentimental', sondern nur eine solche, 42
Vgl. Lyc.-Frgm. 20: „Eine klassische Schrift muß nie ganz verstanden werden können. Aber die, welche gebildet sind, und sich bilden, müssen immer mehr draus lernen wollen." 43 Siehe Eichners Anmerkung zu Eintragung 1198: „Raphael Holinshed's Chronicles of England, the most important source of Shakespeare's historical plays."
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die mit einer Reflexion über das Verhältnis des Idealen und des Realen verknüpft ist" (MI, 81). Nun können wir auch die folgende Definition des Sentimentalen und des Phantastischen besser verstehen: „Das Wesen des Sentimentalen besteht wohl in der poetischen Reflexion über sittlichen Dualismus; das fantastische in potenzierter Kombination und Abstraktion" (E 1586). Dementsprechend heißt es: „Sentimental ist die Vereinigung des Elegischen und Idyllischen" (E 426); was wiederum nichts anderes bedeutet als den Versuch zur Realisierung (Idylle) der Sehnsucht nach dem Idealzustand (Elegie). Daß dies Zweck und Aufgabe der romantischen Poesie ist, wurde schon öfters betont. Die folgenden zwei Eintragungen setzen noch einmal das Romantische mit dem Sentimentalen und Phantastischen in Beziehung. Das Romantische in Rücksicht auf den Ton, die Empfindung nichts anders als zugleich Elegisch und Idyllisch. Diese Mischung ist Grundlage der Sentimentalität. Genetisch betrachtet gehört auch noch das Fantastische dazu. (E 327) Das Elegisch-Idyllische wird durch die Versetzung ins Altertum sehr befördert; dahin tendenziert aller Anfang der romantischen Kunst. (E 328)
Die Tendenz ins Altertum der romantischen Kunst ist als Sehnsucht nach der Verwirklichung des Ideals zu verstehen. „Der ursprüngliche Zustand des Menschen ist, Gott zu denken und zu fühlen, also das goldene Zeitalter" (KA XVIII, 248). Dieser „ursprüngliche Zustand" war von der griechischen Poesie verwirklicht worden, sie hatte ihr „goldenes Zeitalter", da die „Gottheit . . . in irdischer Gestalt" wandelte, da das „Endliche vollendet" wurde und in „sterblichen Werken" das „Gesetz der Ewigkeit sichtbar" ward (M I, 124).44 So bleibt die einmalige Verwirklichung des poetischen Ideals auch ständige Verpflichtung für die romantische Poesie, für die sich die ursprüngliche Einheit von Göttlichem und Menschlichem, Idealität und Realität, die noch in dem Menschen und Götter verknüpfenden Griechischen Mythos (M I, 126) vorhanden war, unüberbrückbar gespalten hat, so daß nur nach einer unendlichen 44
Im Gegensatz zur Unerreichbarkeit des poetischen Ideals und des goldenen Zeitalters in der neuen Poesie waren beide besonders in den Werken der folgenden griechischen Dichter realisiert: Die Werke des Pindarus, des Äschylus, des Sophokles, des Aristophanes werden nur wenig studiert, weniger verstanden. Das heißt, man ist mit den vollkommensten Dichtarten der Griechischen Poesie, mit der Periode des Poetischen Ideals und mit dem goldnen Zeitalter des Griechischen Geschmacks beinahe völlig unbekannt.
(Ml, 167)
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Approximation des poetischen Ideals der romantischen Poesie gestrebt werden kann. D o c h die Darstellung dieses Ideals war notwendig, u m der modernen Poesie einen Halt und eine Orientierung zu geben. Der Griechen poetisches Ideal jedoch wäre für die moderne Poesie wesensfremd gewesen, deshalb mußte es aus den Neuern, vornehmlich Dante, Cervantes und Shakespeare, den größten Dichtern der romantischen Epoche, abgeleitet werden. 45 D i e letzte „poetische Idee" ist das Mimische, das besonders bei Shakespeare betont wurde. Er war das „Maximum der Mimik", der „vollendete Mimus." D a s Drama war die Mimik des Lebens, und die Mimik eine „übersetzende Kunst", d.h. eine Übersetzung des Lebens in Kunst. Also könnte man Mimik als Nachahmung und Darstellung des Lebens definieren. Während „absolute Fantasie, absolute Sentimentalität . . . das Freie in der Poesie" sind, ist „absolute Mimik das N o t wendige" ( E 790). Sie gehört zur Naturpoesie ( E 108). Dies hat sie mit dem Phantastischen gemeinsam, beide sind formfeindlich, „Antiform und Naturpoesie" ( E 395). Darf er also improvisieren, so macht man an den „mimischen Virtuosen" doch moralische Forderungen: „Er kann alles nachahmen was er will ; er soll also nur das wollen, was er darf und soll. Daher die Moralität der modernen Poesie . . . Nicht eben das Sittliche 45
Obwohl Schillers Aufsatz „Über naive und sentimentalische Dichtung" Schlegel anfangs großes Interesse abforderte, verwarf er bald dessen Terminologie als „irrig . . . und voll von krasser Ignoranz" {Fr. Schlegels Briefe an seinen Bruder A.W., 362). Schiller selbst sei „ein rhetorischer Sentimentalist voll polemischer Heftigkeit, aber ohne Selbständigkeit, der lange tobte und brauste, dann aber sich selbst beschnitt und kultivierte, ein Knecht ward und regressierte" (E 151). Trotzdem bestehen manchmal fast wörtliche Übereinstimmungen zwischen seinem und Schillers Begriff der Sentimentalität. Siehe H. Eichner, „Fr. Schlegel's Theory of Romantic Poetry", 1025 f. und W. Bausch, Theorien des epischen Erzählens in der deutschen Frühromantik, 99 ff. Bausch weist auf einen wesentlichen Unterschied hin: Schillers Anschauung des Sentimentalischen liege ein beschreibbares außerhalb der Dichtung befindliches Ideal zugrunde, während für Schlegel die Annahme eines fertigen Ideals für die romantische Poesie das Ende ihrer Progression bedeuten würde. Vielmehr sei diese Progression selbst in ihrer Totalität und in ihrem ständigen Werden das Ziel, das Ideal, das transzendentale Prinzip der Poesie, das sich nicht mehr beschreiben, sondern höchstens erahnen läßt. „Das transzendentale Ideal liegt in ihr selbst, in ihrer Hinwendung zum Unendlichen und in ihrer Progression darauf zu" (S. 101). - Für Schlegel ist ferner das Sentimentale nur ein Element der Poesie, eine poetische Idee, während für Schiller das Sentimentalische ein TypologieBegriff ist, nach dem er Menschen, Dichter und Dichtungen einteilt. Dante, Tasso, Ariost, Shakespeare und Goethe, u.a., die nach Schiller einen naiven Charakter haben, zeigen für Schlegel sentimentale Eigenschaften. Das Elegische und Idyllische sind bei Schiller getrennte Empfindungsweisen, während bei Schlegel erst ihre Mischung die Grundlage des Sentimentalen ergibt. Und so ließe sich diese Reihe von Unterschieden fortsetzen.
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allein, aber doch nur das Gebildete, ja wo möglich das Gebildetste soll der mimische Künstler darstellen" (E 141). Daher ist auch die „mimische" gleich der „ethischen Poesie" (E 699). Wird der Mimus kritisch (z.B. ist „die Charakteristik ein kritischer Mimus" [E 620]), dann muß er „romantisieren, ja fast Roman werden" (E 641). Das Mimische verliert bald seine Stellung als gleichberechtigte „poetische Idee" neben dem Sentimentalen und Phantastischen. Im 250. Athenäumfragment ist es durch „Pathos" ( = Seele und Leidenschaft) ersetzt und in dem „Gespräch über die Poesie" erscheint es schon nicht mehr. Wenn es 1797 noch heißt, daß das Historische ein „epischer Mimus" sei (ß 55), daß „absoluter Mimus . . . das Porträt nachahmen" (E 697) und der „absolut Mimische" ein „biographischer Roman" (E IIA) sein solle, dann heißt es später, daß die romantische Poesie ihre historische Grundlage durch das Sentimentale erreiche; es liege in der Bedeutung des Sentimentalen, daß moderner Dichtkunst wahre Geschichte zugrunde liege (Af II, 372). Dies, so scheint es, ist das „Notwendige", was früher mit Mimik bezeichnet wurde (E 790). So erfährt dieser Ausdruck eine Bedeutungsbeschränkung, wie es auch die Eintragungen bei Bichner nach 1798 bezeichnen. Dann bezieht er sich nur noch auf die Nachahmung der äußeren Erscheinung und Karikatur.46 So geht der Begriff „Mimik" teilweise in den des Sentimentalen über und wird ersetzt durch solche Ausdrücke wie: historisch, enger Anschluß an das Leben, wahre Geschichte, Nachahmung und Darstellung der Wirklichkeit, wie sie später in den Literaturgeschichten zu finden sind. Andere Elemente, so scheint es, gehen in den Begriff des Phantastischen über. Die Quelle des Phantastischen in der Form aller poetischen Darstellung sei das geistige Gefühl einer göttlichen Liebe. Diese ursprüngliche Phantasie äußert sich nun in der Welt der Erscheinungen als Witz (M II, 371 f.). Dieser Witz zeige sich in den Werken des Cervantes und Shakespeare als „geordnete Verwirrung", als „Symmetrie von Widersprüchen", usw. Dies bedeutet die Verbindung des Entgegengesetzten, scheinbarer Widersprüche: des Idealen und Realen, des Geistigen und Wirklichen, des Unendlichen und des Endlichen in einer höheren Einheit. Verfolgen wir hier nur einen Aspekt dieser Verbindung, nämlich des Phantastischen und Wirklichen. Diese Verbindung ist gemeint, wenn es (in Schlegels früherem Voka46
Vgl. auch folgende Definitionen nach 1797: das Wesen der Mimik ist Karikatur (E 1428); reine Mimik ist Bouffonerie (E 1581); Mimik ist arabeske Kunst (E1973); Mimik ist Antikunst (E 2025); „das bloß auf äußre Erscheinung gehn ist mimisch" ( £ 2100).
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bular) heißt, in Shakespeares Sommernachtstraum sei das „Mythische und Idealische selbst mimisch behandelt" (E 48) worden. An anderen Stellen spricht Schlegel von der Herrschaft des Phantastischen im Sommernachtstraum (E 484) und von der tiefen Verwurzelung des Mimischen in Shakespeare und Cervantes {E 1766). So läßt sich die Verbindung des Mimischen und Phantastischen im Sommernachtstraum in Schlegels eigenen Worten ausdrücken. Was er dabei im Sinne hatte, ist wohl die sichtbare Darstellung der Phantasiekräfte, der Feen, durch wirkliche Schauspieler, die entscheidend in das normale menschliche Geschehen eingreifen und seinen Lauf verändern. Die Geisteskraft der scheinbar wahren Liebe muß durch Irrtum und Täuschung gehen bis am Ende die wahre und ideale Liebe siegt. Durch eine Blume wird die Phantasie verzaubert und - unvermittelt muß man hassen, was man vorher liebte. Täuschung und Irrtum sind menschliches Schicksal, doch führen sie häufig zur Erkenntnis einer höheren Wahrheit. Dies Problem haben Cervantes und Shakespeare immer wieder behandelt. Ein anderes typisches Beispiel für die mimische Behandlung des Phantastischen und Idealen ist Don Quixote. Er wirkt phantastisch, ist aber zugleich eine Verkörperung des Idealen, der Idee des guten und wahren Menschentums. Seine reine Menschlichkeit, die sich darin auswirkt, Unrecht und Unbilden zu beheben, Witwen und Waisen zu helfen, die Jungfrauen zu beschützen, die Bedrängten zu unterstützen, erhebt sogar die Umwelt, besonders Sancho Pansa, zu einer Art Idealismus. Durch diese ständige Beziehung des Sichtbaren auf das Unsichtbare, des Endlichen auf das Unendliche, des Realen auf das Ideale bekommt das ganze Werk einen allegorischen Grundzug. Alles soll Hindeutung auf das Höhere, Unendliche sein. Von dem geläufigen Begriff des Realismus unterscheidet sich z.B. Cervantes' realistische Darstellungsweise dadurch, daß diese nicht Eigenzweck bleibt, sondern durch das Phantastische und Allegorische in einen weiteren höheren Beziehungs- und Bedeutungszusammenhang gestellt wird, wodurch das Dargestellte ins Gleichnishafte erhoben wird und das Ganze nun repräsentativ ist für das Dasein des Menschen in der Welt im Angesicht des Höchsten. Das Leben an und für sich (und Aufgabe der Mimik war es ja, das Leben nachzuahmen und in Kunst zu übersetzen) birgt für Schlegel schon das Phantastische, was sich in den oft gebrauchten Ausdrücken: Rätsel des Daseins, Geheimnis und Rätsel der Welterscheinung, Verwirrung und Verwicklung des Lebens, schon deutlich ausspricht. Diese Wirklichkeit gleicht nun z.B. Don Quixote seiner Phantasie an und erhebt sie damit ins Ideale, und zu einer höheren Bedeutung. Doch verfängt sich
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sein unbedingtes Wollen, durch Beispiel und Tat das Ideal des goldenen Zeitalters zu verwirklichen, in den Bedingtheiten des wirklichen Daseins. Diese Verbindung des Phantastischen mit dem Mimischen, oder wie es später heißt, mit dem engsten Anschluß an das Leben, die Beziehung der realistischen Darstellung des Lokalen, der konkreten Orts- und Zeitgebundenheit auf das Geistige, Universal-Bedeutungsvolle, die für Schlegel in einem Kunstwerk statthaben sollen, deuten schon auf die das Phantastische und Realistische verbindende Darstellungsweise der Spätromantiker hin. Wenden wir uns nach diesem Abstecher den Abstufungen des Romans zu. Der „absolute Roman" ist wie das eben besprochene „poetische Ideal" ein „wahres", „reines" Ideal (E 380). Er ist ein „mystisches Kunstwerk." Seine Einheit ist daher nicht nur eine poetische wie die der angewandten Romane, sondern eine „mystische", d.h. eine „romantische" Einheit (E 580). Damit ist auf seinen transzendenten Charakter hingewiesen wie auch auf die ihm eigene unendliche Fülle. So kann auch „der absolute Roman . . . alle möglichen Einheiten" haben (E 511). Denn die „romantische Einheit" ist die mystische Einheit in der Vielheit: „. .. romantische Einheit, d.h. zugleich vollständige poetische, logische oder philosophische und Historische, rhetorische, ethische Einheit" (E 209). Das Verlangen nach absoluter Vollkommenheit des Romans ist ein romantisches, ein mystisches Verlangen, dessen Erfüllung jedoch unmöglich ist. Jeder angewandte Roman dagegen kann seine eigene Einheit haben, die durch die jeweilige „Dominante" bestimmt wird. „Jede Art des Romans hat seine eigne spezifische Einheit . . ." (E 511). Dieser stellt den zweit höchsten Begriff des Romans dar. Manchmal wird auch auf ihn noch das Beiwort „absolut" angewandt; aber nur in Verbindung mit seiner spezifischen Eigenschaft, z.B. „absoluter Fantastischer Roman, absoluter Sentimentaler Roman"; diese waren die „angewandten Ideale" (E 380). Sie bringen es in wenigstens einer der romantischen Eigenschaften zur Vollkommenheit.47 Der vollkommen-absolute Roman und der angewandt-absolute Roman sind die beiden Begriffe des Romans, die alle geistigen und materiellen Verlangen des Menschen umfassen. Diese beiden sind von allen anderen nicht-absoluten Unterarten anzustreben. Ihre Tendenz muß auf Vollkommenheit und aufs Absolute gerichtet sein. 47
D a ß Absolutheit für Schlegel manchmal erreichbar ist, fanden wir schon einmal bestätigt: „Sternbald Romantischer Roman daher eben absolute Poesie" (E 1342).
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Neben diesen zwei Hauptanwendungen des Begriffes „Roman" müssen wir wenigstens noch vier weitere unterscheiden. Auf der untersten Stufe stehen die „sogenannten Romane", die auf das Verstehen der eigentlichen Romane vorbereiten sollen und als Vorübung zum Roman in dem großen Gebiete der romantischen Poesie ihren Platz haben. 48 Aus dem romantischen Gesichtspunkt haben auch die Abarten der Poesie, selbst die ekzentrischen und monströsen, ihren Wert, als Materialien und Vorübungen der Universalität, wenn nur irgend etwas drin ist, wenn sie nur original sind. {Ath.-Frgm. 139) Als Vorübung zur Romantischen Poesie außer der Satirischen auch Idyllische und die mimische vorzüglich. - Die Satire ist sehr empfänglich für Äußerung der sittlichen, wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, bürgerlichen Bildung. Das arabische, romantische, absolute Wunderbare auch eine Vorübung zum Roman... Diese Bestandteile dann zu einer progressiven Einheit verknüpft. ( £ 65)
Zweitens werden mit „Roman" diejenigen Eigenschaften bezeichnet, die aus den Werken romantischer Dichter abgeleitet worden sind. Wenn es zum Beispiel hieß, in Dantes „Hölle" überwiege der Mimische Roman, im „Fegefeuer" der Sentimentale Roman und im „Himmel" der Fantastische Roman, dann soll das nur bedeuten, daß dort diese romantischen Eigenschaften überwiegen. Jetzt sind diese Eintragungen auch besser verständlich, denn das Mimische bedeutete ja das Sinnliche, Äußere, das Sentimentale Sehnsucht nach dem Ideal und dessen Verwirklichung, und das Phantastische deutete auf Gottverbundenheit des Menschen sowohl in seinem ursprünglichen als auch in seinem zukünftigen Zustand. Dieser Gebrauch des Wortes als Bezeichnung einer Eigenschaft erlaubt es ihm, griechische oder römische Dichter romantisch zu nennen, wenn er bei ihnen eine dieser aus den romantischen Dichtern abgeleiteten Eigenschaften entdeckt, was schon, wie gezeigt wurde, während der Jahre 1797-98 häufig geschieht. Auf diese Art kommt Schlegel schon früh zu dem Schluß, daß eigentlich alle Poesie romantisch ist (E 973). Die dritte Art des Wortgebrauchs, die wir unterscheiden wollen, ist mit der vorhergehenden eng verbunden. Irgendwelche Werke werden als Roman bezeichnet, haben sie nur romantische Eigenschaften: Gedichte, 48
Im „Brief über den Roman" werden einige englische Romane und Bekenntnisse des achtzehnten Jahrhunderts als „sogenannte Romane" bezeichnet. Sie entsprechen nicht Schlegels Auffassung vom Roman, sind jedoch mehr oder weniger wertvoll, je nach dem, was man daraus lernen könne (M II, 374). Näheres hierüber im folgenden Kapitel.
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Dramen, Romanzos, Romanzen, Versepen, Rittergedichte, Historien, Novellen, Legenden, Sagen, Märchen, die Bibel, usw.49 Und viertens wird der Begriff schließlich gebraucht zur Bezeichnung des historisch gegebenen Romans, des eigentlichen „Mischgedichts" der romantischen Epoche, z.B. Don Quixote. Er kann alle Gattungen und Inhalte gemischt vortragen und natürlich von sehr unterschiedlicher Qualität sein. Der beste und höchste innerhalb dieser Gruppe ist der „romantische Roman". Cervantes' Don Quixote, Tiecks Franz Sternbald und die Confessions wurden so bezeichnet. Also können sogar Romane oder Lebenserinnerungen (Bekenntnisse) aus der Gegenwart in diese bevorzugte Klasse kommen, wenn sie nur in etwa Schlegels Auffassung vom Roman entsprechen. Der Begriff des absoluten Romans in und um den sich das Romantische während des Jahres 1797 zentrierte, liegt dem 116. Athenäumfragment zugrunde, der bedeutendsten Äußerung über das Romantische im Jahre 1798. Fast allen Aussprüchen sind wir schon in der einen oder anderen Form begegnet, so daß das ganze Fragment nun leichter zu verstehen sein sollte und wir auf Einiges nicht mehr einzugehen brauchen.50 Allerdings erstaunt man immer wieder über den gedrängten Beziehungsreichtum, die Fülle an Gedankengut und die ungeheure Kondensation dieses eine Seite langen Fragments. Grund genug, um es „chaotisch" und „nebelhaft" zu nennen, wenn man mit der in den Notizheften geleisteten Vorarbeit unbekannt war.51 Der erste Begriff ist der der Progressivität. Sie ist eine notwendige Bedingung der „künstlichen Bildung"; denn die „natürliche Bildung" und die klassische Poesie der Griechen sind „notwendig beschränkt" (MI, 82). Und nach dem Verlust der „endlichen Realität", d.h. nach dem Niedergang der griechischen Dichtung, setzte ein „Streben nach unendlicher Realität" ein (M I, 82). Damit ist die ewige Progression der modernen Poesie ein für alle Mal entschieden und für sie das Geschick der Griechischen Poesie, die „wieder in sich selbst zurücksank" (M I, 143), verhindert. Das in sich selbst Zurücksinken der modernen Poesie wird nun durch das Prinzip der „Selbstschöpfung und Selbstvernichtung" verhindert. 49
Für „Werke", die Friedrich Schlegel als „mit dem R o m a n verwandt" betrachtete, siehe E 581 und Anmerkung dazu. 50 Vgl. zu den folgenden Begriffserklärungen auch die vorhergegangenen soweit sie dieselben Begriffe betreffen. Wiederholungen sollten nach Möglichkeit vermieden werden, um den neu hinzugekommenen Bedeutungsgehalt dieser Begriffe besser erkennen zu lassen. 51 P. Reiff, Die Ästhetik der deutschen Frühromantik, 125.
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„Die klassische Poesie hat sich historisch selbst annihiliert . . . Nur die progressive nicht; d.h. sie selbstvernichtet sich wohl oft, aber selbstschafft sich auch gleich wieder" (E 150). Das „oft" und „wieder" sowie der „stete Wechsel von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung" (das 51. Athenäumfragment nennt dies Ironie) meinen eine unendliche Vorwärtsbewegung, eben Progressivität! Daher ihr "eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann". Doch ist sie "der höchsten und allseitigsten Bildung fähig" nicht nur von „innen heraus, sondern auch von außen hinein". In Bezug auf das Unendliche heißt das, daß sie nicht nur in unendlicher Progression geradlinig darauf zustrebt, sondern das Unendliche nach innen hereinholt. So heißt es von der Bildung eines Werkes : Gebildet ist ein Werk, wenn es überall scharf begrenzt, innerhalb der Grenzen aber grenzenlos und unerschöpflich ist, wenn es sich selbst ganz treu, überall gleich, und doch über sich selbst erhaben ist. Das Höchste und Letzte i s t . . . le grand tour. Es muß durch alle drei oder vier Weltteile der Menschheit gewandert s e i n , . . . um seinen Blick zu erweitern und seinem Geist mehr Freiheit und innre Vielseitigkeit und dadurch mehr Selbständigkeit und Selbstgenügsamkeit zu geben. (Ath.-Frgm. 297)
Jeder dieser Gedanken paßt zu einem des 116. Athenäumfragments: Die Gleichheit der Teile, ihr harmonischer Bezug untereinander und zum Ganzen (sich selbst ganz treu), die Erhebung über sich selbst, das Höchste, Letzte und Vielseitigste an Bildung und die durch die Freiheit des Geistes erlangte Selbständigkeit und Urbanität. Am meisten interessiert vorerst die innere Unerschöpflichkeit. Die Tätigkeit, wodurch diese doppelseitige Durchbildung erreicht wird, ist die „ähnliche" Organisation der Teile verbunden mit der Forderung, daß das Produkt ein Ganzes sein soll. Wir erinnern an das Zitat, das einen Menschen, ein Werk als „bedingte, beschränkte Ganzheit" vorstellte. Diese Ganzheit vermittelte die Ahnung des Ganzen, der Unendlichkeit durch die Verbindungen: Leib und Seele, Bedingtes und Unbedingtes, Individuum und Idee, Reales und Ideales, usw. Eine derartige Verbindung ist auch in der Organisation, dem Bezug der Teile zum Ganzen ausgesprochen. Die Einbeziehung des Unendlichen macht die romantische Poesie unerschöpflich und grenzenlos. Doch wie bekommt sie dadurch „Aussicht auf eine grenzenlos wachsende Klassizität?" „Klassisch ist was zugleich Absicht und Instinkt hat, wo Form und Materie, Innres und Äußeres harmoniert" (fi 1060). Klassizität erreicht ein Werk der romantischen Poesie also in dem
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Moment, wo der ewige Drang nach Kunstäußerung, der poetische Enthusiasmus und die Kunstbegeisterung durch die „Absicht" des Dichters beschränkt wird, um mit Besonnenheit das Ganze durchzugestalten, das Chaos zu ordnen, d.h. die einzelnen Teile nach dem Geist des Ganzen zu ordnen, dem Werk die „Gesetzmäßigkeit der Gestalt" zu geben, die Harmonie des Inneren und Äußeren, von Form und Materie. Dann entspricht das romantische Werk dem griechischen Geheimnis, im Individuellen objektiv zu sein. Zwar ist dies Werk nicht selbst das Ideal, wie dies in der griechischen Poesie möglich war, aber durch die Einbeziehung des Unendlichen, die bewußte Durchgestaltung der chaotischen Fülle ist es ein Gleichnis für das poetische Ideal der romantischen Poesie, deutet es auf „Gott", oder was man auch dafür setzen mag: auf den ursprünglichen Zustand des Menschen, das goldene Zeitalter, die Harmonie des Unendlichen und Endlichen, die Vereinigung von Idee und Individuum - „Wenn jedes unendliche Individuum Gott ist, so gibts so viele Götter als Ideale" (Ath.-Frgm. 406). Grenzenlos wachsend ist diese Klassizität der romantischen Poesie durch ihr Approximieren dieses mit verschiedenen Begriffen bezeichneten Ideals, ihre ständige Progression darauf zu. Damit wird nun auch die „Grundlage der Kunstlehre" erfüllt. Sie muß „die Prinzipien der progressiven und der klassischen Kunst enthalten. - Thesis. Es soll Urbilder geben. Antithesis. Es soll keine geben; die Kunst soll ewig fortschreiten" (E 186). Die grenzenlos wachsende Klassizität ist also die notwendige, historisch bedingte Synthese, die allerdings zu keinem fixen Ziel führt, sondern bewegt ist, aus Spannung besteht. Das Klassische ist „fix", das Progressive „bewegt" (E 953). Zur Orientierung der romantischen Poesie ist es eine notwendige Voraussetzung, daß die klassische Poesie vollendet wurde; dadurch wird ihre „Zergliederung" und Erhebung zum Vorbild ermöglicht. Der progressive Charakter der romantischen Poesie dagegen macht eine kritische Analyse unmöglich; man kann „nur Bestätigung der progressiven Idee in der Geschichte der modernen Poesie aufzeigen und Vermutungen daraus folgern" {E 96). Mit der Progressivität ist die grenzenlose Unerschöpflichkeit der romantischen Poesie verbunden; beide widersprechen einer schematisch ordnenden Systematik und lassen sich von einer vernunftgeregelten Theorie nicht erschöpfen. Die innere Unendlichkeit läßt sich in kein System pressen, höchstens läßt sich durch eine „divinatorische Kritik" von ihr etwas erahnen. Das „Bewußtsein des Unendlichen", das die romantische Poesie konstatiert und dem modernen Menschen eigen sein soll, läßt die Beziehung
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zwischen Endlichem und Unendlichem nie statisch werden: „Wer Sinn fürs Unendliche hat, und weiß was er damit will, sieht in ihm das Produkt sich ewig scheidender und mischender Kräfte, denkt sich seine Ideale wenigstens chemisch, und sagt, wenn er sich entschieden ausdrückt, lauter Widersprüche" (Ath.-Frgm. 412). Und von „auch den universellsten vollendetsten Werken" heißt es: „dicht am Ziel der Harmonie bleiben sie unvollendet stehn". Und weiter: „Das Leben des universellen Geistes ist eine ununterbrochene Kette innerer Revolutionen" (Ath.Frgm. 451). Die Universalität des Lebens, die unendliche Fülle der Natur, die ein universeller Geist wenigstens in ihrer Ganzheit überschauen soll, verbieten es, daß er sich an Einzelnes verliert. Er muß z.B. Liebe und Haß, beide mit einbegriffen in der Universalität des Lebens, immer zusammen denken. Einmal kann er sich für das Eine „entschieden" ausdrücken, ein andermal für das andere. Wenn er ein universeller Geist ist, muß er also lauter Widersprüche sagen, oder jede seiner Entscheidungen eine innere Revolution sein, da er ja die vorhergehende Entscheidung zerstören mußte. Jedoch ist dies nur eine Scheinzerstörung; erstens, weil ja das gegenteilige Element an sich nicht zerstört wird, sondern als Teil der unendlichen Fülle weiter bestehen bleibt, und zweitens, weil er ja Freiheit zur Entscheidung hat, d.h. der universelle Geist könnte jedem möglichen Element wieder Gestalt geben. Und dieser „Schein der Selbstvernichtung" ist nun „Erscheinung der unbedingten Freiheit, der Selbstschöpfung" (E 204). Dieser freie Entschluß ist gemeint mit der „Freiheit" der romantischen Poesie und ihrem „ersten Gesetz", daß „die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide". Nur dem Gesetz der Progressivität, dem steten Wechsel von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung ist er unterworfen, gehorcht er diesem Gesetz nicht, „wird die Laune Eigensinn, so entsteht Illiberalität, und aus Selbstbeschränkung wird Selbstvernichtung". So ist auch die Willkür keine gesetzlose, romantische Laune, keine bloße Illusionszerstörung, sondern notwendiges Selbst- und Schöpfungsgesetz des Dichters. „Was unbedingte Willkür, und sonach Unvernunft oder Übervernunft scheint und scheinen soll, muß dennoch im Grunde auch wieder schlechthin notwendig und vernünftig sein . . ." (Lyc.-Frgm. 37). Nur durch sie kann der Dichter das eigentliche Wesen der romantischen Poesie, die Unendlichkeit vermitteln und zur Ahnung des Ganzen führen. Das soll auch der Vergleich der romantischen Poesie mit der Funktion des Witzes in der Philosophie besagen: „Der Grund des Witzes in der Philosophie ist der Imperativ*: die Philosophie soll Poesie werden. Der
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Witz ist in der Philosophie was Prophetie in der Poesie. *{Imperativ der {JE 537); „Die Form des Witzes ist der Schein absoluter Antithese" (E 540). Was Synthetik in der Philosophie, ist in der Poesie das Gesetz der Mischung, das auch weit Getrenntes, Antithetisches und scheinbar sich Widersprechendes mischt und zu einer höheren Einheit ordnet. Diese formgebende Funktion des Witzes wird im nächsten Kapitel ausführlicher behandelt. Prophetie ist immer mit dem Transzendentalen verbunden und meint ein Hindeuten auf das Absolute, das Unendliche, die Ganzheit. „Die Hauptsache ist die Ahndung des Ganzen. Dazu führt der Witz".52 Im Charakter dieser Progressivst liegt es auch, daß die romantische Poesie von allem realen und idealen Interesse frei sein solle. Diese Freiheit erlaubt ihr eine gewisse Distanzierung von allem, und eine „besonnene Darstellung" alles dessen, was in den Darstellungsprozeß verwickelt ist. Dies sind vor allem :53 1. Das Produkt selbst; der Inhalt der Darstellung, poetische Individuen jeder Art. Woraus dieser Stoff des Produkts bestehen soll, das verkündet der erste Teil des Fragments. Er ist zum größten Teil identisch mit den Stoffbereichen des Romans (Vgl. ersten Teil dieses Kapitels). Die geforderte Darstellung alles Poetischen, vom größten, mehrere Systeme enthaltenden System bis zum kunstlosen Gesang des dichtenden Kindes, bedeutet die Vereinigung der sich höchst bewußten potenzierten Kunstpoesie mit der kunstlosesten Naturpoesie. Die geforderte Poetisierung des Witzes erfolgt schon durch die Vereinigung der Poesie mit der Philosophie. Wie der Roman, soll die romantische Poesie „ein Bild des Zeitalters werden" und „ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt" sein. 2. Die Darstellung des am Produzieren Beteiligten mit dem Produkt, d.h. den Akt des Produzierens; eine Kritik und Charakteristik des romantischen Denkens und eine „poetische Theorie des Dichtungsvermögens". 3. Ein Sichselbstmitdarstellen; schöne Selbstbespiegelung, i.e. der „göttliche Hauch der Ironie". Synthetik.)"
52 Schlegel, „Philosophie der Philologie", Logos, XVII (1928), 53. Zum Verständnis des Begriffes „Witz" bei Schlegel, vgl. Strohschneider-Kohrs, Die romantische Ironie in Theorie und Gestaltung, 35: „Die Kategorie besonderer Bewußtheit begründet es auch, daß Schlegel in seinen Notizen die Ironie mehrfach auch als eine Art des Witzes nennt. Im Sinne des 18. Jahrhunderts und der Romantik ist ,Witz' dabei immer zu verstehen als eine hohe Form der Bewußtheit, als denkender Geist und spezifisch philosophisches Vermögen;" und Briegleb, Ästhetische Sittlichkeit, 134: „Die geistige Steuerung der sinnlichen Vorstellungen oder die verknüpfende, die allegorisierende, die verdeutlichende Kraft des G e i s t e s . . . Friedrich Schlegel nennt sie Witz." 53 Zur Terminologie vgl. Ath.-Frgm. 238.
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4. Eine Mitdarstellung der künstlerischen Reflexion, was zu unendlicher Potenzierung führt. Das Ganze ist dann, wie es zusammenfassend heißt, „überall zugleich Poesie und Poesie der Poesie", d.h. die Darstellung eines Objekts muß mit der Darstellung alles dessen verbunden sein, was am Schöpfungs- und Darstellungsprozeß irgendwie beteiligt ist: sich selbst, seine Darstellungsmittel und alle anderen oben beschriebenen Bedingungen. Die besonnene Darstellung aller dieser Mittel ist die poetische Reflexion und verlangt das Schweben in der Mitte zwischen dem Produkt, d.h. dem Dargestellten und dem Produzierenden, dem Darstellenden. Trotz dieses Schwebens soll die romantische Poesie in jedem Teil ihrer Darstellung ganz dasein, so daß es scheinen könnte, als verlöre sie sich ganz in das Dargestellte. Die Ironie, der stetige Wechsel von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung, aber verhindert dies. Auf dieser künstlerischen Freiheit beruht die poetische Reflexion. Ihre Mitdarstellung bedingt natürlich wieder eine Reflexion über sich selbst; und genau so bedingt wiederum die Darstellung dieser sich selbst reflektierenden Reflexion eine neue Reflexion, und so geht es fort zur endlosen Vervielfachung dieses Prozesses, ausgedrückt in dem Vergleich: „Wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln". Von hier aus ergeben sich verschiedene Querverbindungen zu anderen Postulaten. Indem die poetische Reflexion jede frühere Reflexion zum Gegenstand einer folgenden macht, führt dies zu einer Unendlichkeit des Prozesses, die sich jedoch nicht ins Leere verliert, sondern „praktisch" bedeutet „absichtliche Durchbildung und Nebenausbildung des Innersten und Kleinsten im Werke nach dem Geist des Ganzen" (Ath.Frgm. 253). Da das Innerste jedoch unendlich ist, haben wir hier wieder das Paradox, die letztlich undurchführbare Aufgabe, das Unendliche mit dem Endlichen zu vermählen. Die Reflexionsspiegelung scheint zwei Tendenzen erfüllen zu müssen: 1. Die Tendenz zum Unendlichen sowohl künstlerischer Art (die Approximation des poetischen Ideals) als auch die philosophischer Art (vgl. obige Zitate aus der „Transzendentalphilosophie", u.a.: „Die Individua sind da, das Ganze darzustellen. Das Individuum ist unendlich, weil es das Unendliche darstellen soll"). 2. Das Nebeneinander von Produkt und Produzierendem, die Gleichzeitigkeit von Poesie und „Poesie der Poesie" herauszustellen und sichtbar zu machen (vgl.: „Alle Elemente sollen als notwendig deduziert erscheinen"). Um dies zu können, muß der Dichter die Darstellungsprinzipien genau wissenschaftlich kennen. Der Poet wird erst durch Wissenschaft Künstler, so behauptet Schlegel
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immer wieder. Damit dies werde, muß die romantische Poesie alles Lehrreiche: Kritik, Philosophie, Wissenschaften, Kunstlehren und Kunstsysteme in sich aufnehmen: Je mehr die Poesie Wissenschaft wird, je mehr wird sie auch Kunst. Soll die Poesie Kunst werden, soll der Künstler von seinen Mitteln und seinen Zwecken, ihren Hindernissen und ihren Gegenständen gründliche Einsicht und Wissenschaft haben, so muß der Dichter über seine Kunst philosophieren. Soll er nicht bloß Erfinder und Arbeiter sondern auch Kenner in seinem Fache sein, und seine Mitbürger im Fache der Kunst verstehn können, so muß er auch Philolog werden. (Ath.-Frgm. 255) Wenn so die eine Tendenz, die durch Kunstkritik potenzierte Reflexion, immer abstrakter wird, immer kompressierteres Bewußtsein, sich dem Ideal, der Gottheit nähert, will uns die andere die Materie, die Fülle der Natur bewußt machen, die mit jeder Vergegenständlichung des vorher Reflektierten beständig zunimmt. Walter Benjamin faßt die Doppeltendenz der Reflexionsspiegelung in die glückliche Formel: „erfüllte Unendlichkeit". Schlegel und Novalis verstünden „die Unendlichkeit der Reflexion als eine erfüllte Unendlichkeit des Zusammenhanges": „es sollte in ihr alles auf unendlich vielfache Weise, wie wir heute sagen würden systematisch . . . zusammenhängen". 54 Das ist nun nicht mehr „bedingte, beschränkte Ganzheit", sondern, wie es vom Roman hieß, „unbeschränkte Ganzheit". Der „unendliche Aspekt des reflektierenden Geistes" macht durch Abstraktion die „Ganzheit" der Unendlichkeit bewußt, und der „Aspekt der Endlichkeit in ihrer unbegrenzten Erfahrbarkeit", den Schlegel gleichzeitig „als historische Anschauung gewonnen" 55 hatte, überzeugt uns von der Unbeschränktheit der Universalität der Endlichkeit. Beides soll das „gebildete" Werk besitzen und vermitteln: „überall scharf begrenzt, innerhalb der Grenzen aber grenzenlos und unerschöpflich". Die fortschreitende Durchbildung dieser Unendlichkeit ist das „eigentliche Wesen" der romantischen Poesie; sie kann „ewig nur werden, nie vollendet sein". Dies dynamische Prinzip liegt auch dem Begriff der „Universalität" zugrunde. „Alle Philosophie" ist „nichts andres als der Geist der Universalität, die Wissenschaft aller sich ewig mischenden und wieder trennenden Wissenschaften, eine logische Chemie . . ." (Ath.-Frgm. 220) und 54
Walter Benjamin, Der Begriff der Kunstkritik Berlin 1920), 19-20. 55 Briegleb, Ästhetische Sittlichkeit, 213.
in der deutschen Romantik
(Diss.,
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das „Resultat zwei streitender Kräfte", sie muß „sich immer von neuem organisieren und desorganisieren" ('Ath.-Frgm. 304). So war Schlegel auch das Unendliche vorstellbar als ein Produkt sich ewig scheidender und mischender Kräfte (Ath.-Frgm. 412). Diese dialektisch sich fortzeugende Bewegung ist das dynamische Lebensprinzip, das in der Philosophie wirkt und durch diese auch in der romantischen Poesie, in der ja Poesie und Philosophie verbunden sein sollen. Eine Bezeichnung für dieses dialektische Prinzip ist „Universalität": „Das Leben des universellen Geistes ist eine ununterbrochene Kette innerer Revolutionen; alle Individuen, die ursprünglichen, ewigen nämlich leben in ihm. Er ist echter Polytheist und trägt den ganzen Olymp in sich" (Ath.-Frgm. 451). Wiederum helfen die vorigen Zitate über „Transzendentalphilosophie" dem Verstehen: Das Individuum ist Ausdruck der Form, die aus der Individualisation der einen, ewigen, unendlichen Substanz hervorgeht (KA XII, 39); daher die inherente Unendlichkeit des Individuums und der Form, und die Verbindung beider mit dem Ursprünglichen, Ewigen und Einen. Der Begriff der Universalität ist ein Mittel, diesen ursprünglichen universalen Zusammenhang wieder bewußt zu machen. Daher die Definition „Universalität ist die Wechselsättigung aller Formen und aller Stoffe. Zur Harmonie gelangt sie nur durch Verbindung der Poesie und der Philosophie" (Ath.-Frgm. 451). Der Begriff der Progressivst will verstärkend auf die unendliche Progression der „inneren Revolutionen" hinweisen und ihren Bezug zum Unendlichen und Ursprünglichen verdeutlichen. So fordert Schlegel von dem Leser-Kritiker: „Wir müssen uns über unsre eigne Liebe erheben, und was wir anbeten, in Gedanken vernichten können: sonst fehlt uns, was wir auch für andre Fähigkeiten haben, der Sinn für das Unendliche und mit ihm der Sinn für die Welt" (M II, 169 und Variante). Dies ist die gleiche Forderung nach Ironie, die der Künstler und das Werk haben sollen, und die Schlegel mit „stetem Wechsel von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung" bezeichnet. Sie vermittelt die „Angleichung" des Begrenzten „an das Absolute".56 Die Form, in der alle diese Forderungen dargestellt werden könnten, gibt es noch nicht. Bis jetzt gibt es nur Romane, die Selbstdarstellungen sind, also „beschränkte Ganzheit" (i.e. „Mensch", „Werk"). Doch fordert der universelle, den ganzen Olymp in sich tragende Geist eine Form von „unbeschränkter Ganzheit", um den universalen Zusammenhang, dem er sich verbunden weiß, auszudrücken. So verlangt Schlegel 56
Benjamin, Begriff der Kunstkritik,
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die Auflösung und Vermischung aller bisherigen Kunstformen, um das absolute Kunstwerk zu schaffen: Ja, auch das Werk, das teuer erkaufte, es bleibe dir köstlich; Aber so sehr du es liebst, gib ihm du selber den Tod, Haltend im Auge das Werk, das der Sterblichen keiner wohl endet: Denn von des Einzelnen Tod blüht ja des Ganzen Gebild. Lange schon kanntest den Stoff du, den Einen, des Fülle unendlich; Fasse nun auch ins Gemüt dieses Geheimnis der Form. (KA V, 284) Der Eine Roman, dies mystische Kunstwerk, der alle anderen aufnehmen sollte, und die unendliche Fülle des Stoffes, die eine Substanz, darstellen sollte, war dies Geheimnis der Form. Es wird die Allegorie, das Symbol. Der Idee des allumfassenden Einen Werkes begegnen wir noch einmal 1801 im „Abschluß des Lessingaufsatzes", wo sie auch klarer erläutert wird. Dort heißt es: „. . . Autoren oder Werke zu verstehen, d.h. sie in Beziehung auf jenen großen Organismus aller Kunst und Wissenschaft genetisch zu konstruieren . . (M II, 426). Denn: „Das Wesen der höhern Kunst und Form besteht in der Beziehung aufs Ganze. Darum sind sie unbedingt zweckmäßig und unbedingt zwecklos, darum hält man sie heilig wie das Heiligste, und liebt sie ohne Ende, wenn man sie einmal erkannt hat. Darum sind alle Werke Ein Werk, alle Künste Eine Kunst, alle Gedichte Ein Gedicht. Denn alle wollen ja dasselbe, das überall Eine und zwar in seiner ungeteilten Einheit. Aber eben darum will auch jedes Glied in diesem höchsten Gebilde des menschlichen Geistes zugleich das Ganze sein . . ." Schlegel kehrt sich dann gegen den Glauben der Sophisten an die Unerreichbarkeit dieses Wunsches und fährt fort: „Aber er ist erreichbar, denn er ist schon oft erreicht worden, durch dasselbe, wodurch überall der Schein des Endlichen mit der Wahrheit des Ewigen in Beziehung gesetzt und eben dadurch in sie aufgelöst wird: durch Allegorie, durch Symbole, durch die an die Stelle der Täuschung die Bedeutung tritt, das einzige Wirkliche im Dasein, weil nur der Sinn, der Geist des Daseins entspringt und zurückgeht aus dem, was über alles Dasein erhaben ist" (M II, 427). Das Allerhöchste, der Zentralbegriff ist also nun die Bedeutung. Sinn und Geist des Daseins sind aus ihr abzuleiten; sie ist das einzig Wirkliche, begreifbar, erkennbar, darstellbar in der Allegorie, im Symbol. Nur diese können den Schein des Endlichen mit der Wahrheit des Ewigen in Beziehung bringen. Und diese Vereinigung ist die „Bedeutung". Durch das Symbol kann diese Vereinigung in jedem einzelnen Werk gegenwärtig sein, in einem Werk der „höhern Kunst" muß sie da sein. Und wenn
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diese Bedeutung in einem Werk da ist, dann muß es alle anderen „sein", alle anderen repräsentieren. Es ist sehr selten, daß Schlegel den Ausdruck „Symbol" gebraucht, um auszudrücken, daß „jedes Glied" in der höheren Kunst „zugleich das Ganze sein" soll. Auf dieser Forderung hat Schlegel zwar schon immer bestanden, doch wird hier im „Abschluß des Lessingaufsatzes" (1801) das Wort „Symbol" zuerst öffentlich gebraucht, um diesen Bezug auszudrücken (im anderen Sinne schon 1798; vgl. Ath.-Frgm. 414). Später in der Paris-Kölner Zeit wird dann das Symbol in einem anderen Sinne gebraucht: es bedeutet das Göttliche in der irdischen Erscheinung und „Bedeutung" hat ein Kunstwerk nur, wenn es auf das Göttliche hindeutet. Hier jedoch bedeutet der Begriff „Symbol" nur Repräsentation des Ganzen durch das Einzelding. Dasselbe wollen auch die sich auf das Symbolische beziehenden Eintragungen bei Eichner (außer einigen wenigen, die sich auf Shakespeare beziehen, gibt es nur vier und zwar aus dem Jahre 1800) besagen: „Jedes Gedicht soll das Universum darstellen . . ." Da sich jedoch unserm Blick das Universum nicht in einem Bild darstellen kann, sondern nur in einer Fülle von einzelnen Bildern, sollte jedes Bild versuchen, Universum zu sein: im Mikrokosmos ein Makrokosmos, im Individuellen das Allgemeine. Wie in der Kunst soll dasselbe in der Natur statthaben: „Jedes Naturwesen ist Symbol des Ganzen" (.E 2013). Diese Art der symbolischen Darstellung, d.h. wo das Einzelne und Individuelle immer Beziehung aufs Ganze hat, findet sich bei Shakespeare (E 1161), Lessing, Fichte und Spinoza (M II, 426). Bei allen Unterschieden, auf die wir hier nicht einzugehen brauchen, ist allen diesen Denkern gemeinsam: „das, was ihre Tendenz ist, unbedingt darzustellen oder unbedingt mitzuteilen". Diese Tendenz sei alles, ihre eventuellen Absichten nichts. Eine „Absicht im Ganzen", nach der man bei einem Jacobi oder Kant fragen könne, löse sich wie ein „Fantom von selbst in sein Nichts" auf. Denn restlose Erklärung und Erkenntnis des Ganzen kann es nicht geben, da das Ganze unermeßlich, ein Zentrum davon immer in der Unendlichkeit liegt (wie bei der mathematischen Figur der Parabola), und das Einzelne „Täuschung" ist. Schlegel spricht von der „symbolischen Form" dieser Denker, worunter ihre „Tendenz" auf das Höhere, das Allgemein-Gültige, „was über alle Täuschung und über alles Dasein erhaben ist", zu verstehen ist. Schlegel kenne kein „schöneres Symbol für die Paradoxie des philosophischen Lebens, als jene krummen Linien, die mit sichtbarer Stetigkeit und Gesetzmäßigkeit forteilend immer nur im Bruchstück erscheinen können,
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weil ihr eines Zentrum in der Unendlichkeit liegt" (M II, 428). Wenn diese Tendenz zum und Beziehung aufs Ganze aufrechterhalten wird, ohne alles erkennen zu wollen, kann an die Stelle der Täuschung die „Bedeutung" treten und das irdische Leben erhält vom Ganzen, dem Allgemein-Gültigen her durch die „symbolische Form" einen höheren Sinn. Diese Aufgabe, „Bedeutung" zu sein, das Endliche mit dem Unendlichen, der „Wahrheit des Ewigen" zu vermählen, war 1797 Aufgabe des absoluten Romans, ist 1798 Aufgabe der „romantischen Poesie", wird 1799 und 1800 Aufgabe der „Mythologie" und später die der Vorlesung.57 Wie es nur den einen absoluten, vollkommenen Roman zu geben brauchte, so ist auch nur eine Poesie und nur eine Mythologie nötig, wenn sie „das Ganze bedeuten". Dies erfüllte die romantische Poesie, und daher ist auch die „romantische Dichtkunst" die „einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist; denn in einem gewissen Sinn ist oder soll alle Poesie romantisch sein". Nun wird verständlich, was mit dem „gewissen Sinn" gemeint ist. Sie ist die „höhere K u n s t . . . in der Beziehung aufs Ganze". Es kommt der Begriff des Romantischen in der Kunst am besten zum Ausdruck, wenn Schlegel noch einmal nachdrücklich fordert: „Jedes Gedicht, jedes Werk soll das Ganze bedeuten, wirklich und in der Tat bedeuten, und durch die Bedeutung und Nachbildung auch wirklich und in der Tat sein, weil ja außer dem Höheren, worauf sie deutet, nur die Bedeutung Dasein und Realität hat" (M II, 428). In diesem Zitat liegt der Zugang zum Realismusbegriff der romantischen Dichtkunst. Alle diese umgreifenden Bemühungen um die Reformierung des Zeitalters, die Aufrufe zur Erneuerung der Literatur und Kultur, und das Bestreben, die Kunst auf eine höhere Stufe zu führen, wo sie wieder „Bedeutung" erlangen und durch einen Bezug zur Wahrheit des Ewigen Zeugnis ablegen kann für den ewigen Wert des Lebens und der Kunst, faßt am besten ein Athenäumfragment aus dieser Zeit zusammen. Der revolutionäre Wunsch, das Reich Gottes zu realisieren, ist der elastische Punkt der progressiven Bildung, und der Anfang der modernen Geschichte. Was in gar keiner Beziehung auf's Reich Gottes steht, ist in ihr nur Nebensache. (Ath.-Frgm. 222) 57
Vgl. Ernst Behler, „Die Entstehungsgeschichte der Vorlesungen", KA II, S. X X I X : „Die Vorlesung sollte der Ersatz für den mißlungenen Roman werden. Schlegel, der mit verblüffender Intuition die zentrale Stellung des Romans im modernen Bildungsleben erfaßt hatte, erkannte erst nach langem Experimentieren, daß zur Verkündigung seines romantischen Weltbildes nicht der Roman, sondern die Vorlesung die geeignete Form war."
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DIE FRÜHE BERLIN-JENA ZEIT
(1796-1798)
So soll jeder gute Mensch immer mehr Gott werden. „Gott werden, Mensch sein, sich bilden sind Ausdrücke, die einerlei bedeuten" (Ath.Frgm. 262). Andere Zitate sprechen von dem Ernst der Berufung des romantischen Künstlers und wahren Menschen, durch Bildung, inneren Gottesdienst, sich dem ewigen Wert des Lebens und der Kunst würdig zu erweisen, innere Freiheit zu erlangen, um sich ungestört seinem Ideal nähern zu können. Dienst am Ideal wird als Religion bezeichnet und die Diener sind Priester:58 . . . Auch ist das Verhältnis des wahren Künstlers und des wahren Menschen zu seinen Idealen durchaus Religion. Wem dieser innre Gottesdienst Ziel und Geschäft des ganzen Lebens ist, der ist Priester, und so kann und soll es jeder werden. (Ath.-Frgm. 406) Und welche Philosophie bleibt dem Dichter übrig? Die schaffende, die von der Freiheit, und dem Glauben an sie ausgeht, und dann zeigt wie der menschliche Geist sein Gesetz allem aufprägt, und wie die Welt sein Kunstwerk ist. (Ath.Frgm. 168)
Der romantische Dichter wird zum Priester, der seine Mitmenschen in die Mysterien der romantischen Poesie und die „Idee aller Ideen", die Idee der Gottheit {Idee 15) einweihen soll. Gott erblicken wir zwar nicht, „aber überall erblicken wir Göttliches". Dieses Göttliche zu vermitteln, zu zeigen, wie die Welt ein göttliches Kunstwerk ist, darin besteht die Aufgabe des romantischen Künstlers: Ein Mittler ist derjenige, der Göttliches in sich wahrnimmt, und sich selbst vernichtend Preis gibt, um dieses Göttliche zu verkünden, mitzuteilen, und darzustellen allen Menschen in Sitten und Taten, in Worten und Werken . . . Vermitteln und Vermitteltwerden ist das ganze höhere Leben des Menschen, und jeder Künstler ist Mittler für alle übrigen. (Idee 44)
Wie Schlegel selbst dieses Göttliche in Natur und Mensch wahrgenommen hat und wie er es verkündet, zeigt das „Gespräch über die Poesie". Und vieles, was hier über die Religion als Mysterium der Bildung gesagt wurde, erscheint wieder in der „Rede über die Mythologie", denn „in der Welt der Kunst und der Bildung erscheint die Religion notwendig als Mythologie oder als Bibel" (Idee 38).
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Vgl. E 1909: „Religion haben heißt poetisch leben, Gefühl ist das Wesen derselben."
IV
DIE SPÄTE BERLIN-JENA ZEIT (1799-1800)
Mit diesem Zeigen, wie die Welt ein göttliches Kunstwerk ist, beginnt das „Gespräch über die Poesie", entstanden in der Zeit „vom Herbst 1799 bis Mitte Januar 1800".1 Mit priesterlicher Weihe verkündet Schlegel das Geheimnis der Poesie: „Wie der Kern der Erde sich von selbst mit Gebilden und Gewächsen bekleidete, wie das Leben von selbst aus der Tiefe hervorsprang, und alles voll ward von Wesen die sich fröhlich vermehrten ; so blüht auch Poesie von selbst aus der unsichtbaren Urkraft der Menschheit hervor, wenn der erwärmende Strahl der göttlichen Sonne sie trifft und befruchtet." Weiter und tiefgreifender als im 116. Athenäumfragment wird hier in das Wesen der Poesie vorgedrungen. „Große Offenbarungen" über Poesie, deren sich Schlegel noch vor seinem Eintreffen in Jena gerühmt hatte,2 werden hier geäußert. Alles, die ganze Weltfülle wird als Poesie verstanden. Gott, Mensch, Natur ist die Hierarchie dieser Poesie. Gott ist der höchste Künstler, die „Erde" das „eine Gedicht der Gottheit, dessen Teil und Blüte auch wir sind". Es ist eben dieser Teil der Gottheit, des Weltdichters, „ein Funke seines schaffenden Geistes", der „in uns lebt" und „unter der Asche der selbstgemachten Unvernunft . . . zu glühen niemals aufhört", der uns befähigt, „die Schönheit" der Erde zu verstehen, „die Musik des unendlichen Spielwerks zu vernehmen". Gemeint ist die „ursprüngliche" Poesie als Welt, „die formlose und bewußtlose Poesie, die sich in der Pflanze regt, im Lichte strahlt, im Kinde lächelt, in der Blüte der Jugend schimmert, in der liebenden Brust der Frauen glüht". Dieses allumfassende Kunstwerk Gottes ist nun „Gegenstand und . . . Stoff aller Tätigkeit und aller Freude" für „alle, die wir Menschen sind". Also auch Seinsgrund. Aus dieser bewußt- und formlosen Poesie schöpfen nun „die künst1
J. Minor, „Vorrede", M II, S. IX. Brief an August Wilhelm Schlegel vom 10. August 1799. Vgl. R. Haym, Die romantische Schule, 680.
2
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liehen Werke oder natürlichen Erzeugnisse, welche die Form und auch den Namen von Gedichten tragen" (M II, 339). Beide Bereiche, das Formlose und Geformte, sind die „Welt der Poesie", die daher so „unermeßlich und unerschöpflich ist" (M II, 338). Diese beiden eingangs aufgestellten Postulate werden nun im Laufe des „Gesprächs" weiter ausgeführt. Obwohl man die Einkleidung des ganzen „Gesprächs" nach Inhalt und Form „romantisch" nennen könnte, bedeutet keine dieser beiden oben erwähnten die romantische Poesie, oder gar ihre „Apotheose". 3 Diese hat, wie wir sehen werden, die nun konkreter gefaßte Aufgabe, die „selbstgemachte Unvernunft" zu durchstoßen und die „bewußtlose" Poesie bewußt in einer geeigneten Form zu gestalten. Das immer wiederkehrende Postulat, alle Poesie solle romantische sein, meint nicht diese „ursprüngliche", ewig daseiende Poesie, sondern die gestaltete Poesie, in der das „Romantische . . . mehr oder minder herrschen und zurücktreten, aber nie ganz fehlen darf" (M II, 372). Entscheidend ist bei dieser neuen Definition der Poesie Schlegels Erkenntnis, daß die „ursprüngliche" Poesie als Weltelement immer zugegen ist, und es nur darauf ankommt, sie jetzt in der Gegenwart zu gestalten und sie weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft zu suchen. Der Untersuchung der Möglichkeiten und Bedingungen für die Gestaltung dieser „unsichtbaren Urkraft der Menschheit", so scheint es, dienen die vier Teile des „Gesprächs". In den „Epochen der Dichtkunst" wird die gesamte Dichtkunst in ihrer Altertum und Moderne umfassenden Ganzheit dargestellt, die dazu dienen soll, dem romantischen Künstler eine universale Bildung zu vermitteln. Der Künstler solle auch Wissenschaftler sein, so hieß es, und dazu macht ihn das Studium der Poesie in ihrer historischen Entwicklung, denn „die Kunst ruht auf dem Wissen, und die Wissenschaft der Kunst ist ihre Geschichte" (M II, 343). Lehren solle den Dichter „die hohe Wissenschaft echter Kritik, wie er sich selbst bilden muß in sich selbst, und vor allem soll sie ihn lehren, auch jede andre selbständige Gestalt der Poesie in ihrer klassischen Kraft und Fülle zu fassen, daß die Blüte und der Kern fremder Geister Nahrung und Same werde für seine eigne Fantasie" (M II, 338). Es ist nicht schwer einzusehen, wie Schlegels Gedanke von der ursprünglichen Poesie als Weltelement, sein religiöses Naturgefühl, die mit den die Natur vergeistigenden Entdeckungen der zeitgenössischen Naturphysik, dem Magnetismus und dem Galvanismus, zusammentrafen, zur 3
Otto Mann, Der junge Friedrich Schlegel: Eine Analyse von Existenz (= Neue Forschung Bd. 16) (Berlin 1932), 168.
und Werk
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(1799-1800)
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Proklamierung einer neuen Mythologie führten. So werden in der „Rede über die Mythologie" die Möglichkeiten zur Erschaffung einer Mythologie aus den geistigen Tendenzen der Zeit erwogen, um dem Dichter und seiner Zeit einen festen Halt und Mittelpunkt zu geben. Neue Symbole und Bilder aus Leben und Geist der Zeit sollen künstlich erschaffen und, wie es bei den Griechen der Fall war, Gemeinbesitz von Künstler und Publikum werden. Nur dann, wenn der Künstler aus diesem Gemeinbesitz, aus dem Vollen schöpfen kann, wenn sich die „Kraft der Begeisterung" nicht mehr „immerfort einzeln versplittern" und sich müde kämpfen braucht, bis sie „endlich einsam verstummen" (M II, 357) muß, wenn es „an einem mütterlichen Boden, einem Himmel, einer lebendigen Luft" nicht mehr fehlen wird, nur dann kann der romantische Dichter das Gebot zur ständigen Weiterentwicklung und inneren Ausbildung erfüllen und daher auf die progressive Vervollkommnung seiner künstlerischen Erzeugnisse hoffen, so daß sie bald die klassische Vollkommenheit nicht nur erreichen, sondern in einzelnen Punkten sogar übertreffen können. Diese Hoffnung hatte Schlegel schon im Studiumaufsatz und auch in der darauf folgenden Zeit geäußert: Die Alten können künftig einmal in dem Klassischen selbst übertroffen werden. - iE 111) Auch an Klassizität im Einzelnen, im Grade der Klassizität können wir die Alten unendlich übertreffen d.h. an der Zahl der Maxima in Einem Werke, an der Höhe der Exponenten, (nicht bloß an Universalität, Klassizität des ganzen Menschen, sondern auch intensiv. -). (E 243)
Doch nur auf der Grandlage einer für das ganze Zeitalter verbindlichen Mythologie ist eine höchste Harmonie, Vollkommenheit und Klassizität zu erreichen. In einer neuen Allegorie und neu zu schaffenden Symbolen erscheinen die neuen Formungselemente in deutlicher Gestalt. Und vermittels seines durch „Wissenschaft" entwickelten kritischen Kunstsinnes kann sie der Dichter zu vollständigem Stil ordnen. Durch das ihr innewohnende Prinzip der Progressivität, durch die Mitdarstellung der „Kunstlehre" (M I, 301, s.o.) kann die romantische Poesie gegenüber der griechischen einen höheren Grad der Klassizität erreichen, erwächst ihr die „Aussicht auf eine grenzenlos wachsende Klassizität". Nur die neue gemeinverbindliche Mythologie kann diese Höherentwicklung ermöglichen, indem dann nicht mehr „jeder allein" zu schaffen braucht, „jedes Werk wie eine Neuschöpfung von vorn an aus Nichts" gestaltet werden muß, wie es bis jetzt der Fall gewesen (M II, 358). Wie die ersten zwei Teile ist auch der „Brief über den Roman" eine
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Kunstlehre. Die dichterischen Versuche der Gegenwart werden untersucht, ihre falschen oder fruchtbaren Tendenzen herausgestellt. Der Wert der Arabeske als Keimform für den romantischen Roman wird darin gesehen, daß sie der Phantasie freies Spiel gibt, was eine „Hindeutung" auf die eingangs beschriebene Poesie der „heiligen Lebensfülle der bildenden Natur" (M II, 371) ist. Vor allem gibt Schlegel hier nähere Bestimmungen darüber, wo die romantische Poesie in der Geschichte ihre höchste Ausbildung erreichte und wie diese Errungenschaften durch eine „Theorie des Romans" für die Gegenwart fruchtbar gemacht werden könnten, und welche romantischen Eigenschaften die neuen Kunstwerke enthalten und wie sie gestaltet sein sollen. Ein praktisches Beispiel, daß die Hervorbringung dieser ganz neuartigen Kunstwerke möglich sei, bringt schließlich der „Versuch über den verschiedenen Stil in Goethes früheren und späteren Werken". Wenigstens Ansätze zu einer neuen Poesie lassen sich in Goethe finden. Obwohl „überall von Prosa und falschen Tendenzen umgeben", hat sich dieser Dichter doch „zu einer Höhe der Kunst heraufgearbeitet, welche zum ersten Mal die ganze Poesie der Alten und Modernen umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthält". Es sind diese zwei Eigenschaften, die Schlegel an Goethe immer wieder hervorhebt und die ihn schließlich zum „Stifter und Haupt einer neuen Poesie" machen. Denn die „Vereinigung des Antiken und Modernen" ist, wie Schlegel sein ganzes Leben lang immer und auch hier wieder betont, „die höchste aller Fragen über die Kunst der Poesie". Und hier erfahren wir auch etwas Näheres über diese „Vereinigung". Sie soll nur „im Geist der Poesie", i.e. was in der „Rede über die Mythologie dargestellt oder doch angedeutet" wurde, stattfinden; denn „der Geist der Poesie ist nur einer und überall derselbe". Doch „im Buchstaben" sind sie „ewig entgegengesetzt". Metrum, Darstellung der Charaktere und der Handlung gehören zum „Buchstaben". So bleiben „der Rhythmus z.B. und die gereimten Sylbenmaße" entgegengesetzt. Dort sind Charaktere und Leidenschaften „idealisch gedacht, und plastisch ausgeführt"; bei den Modernen jedoch „ist der Charakter entweder wirklich historisch, oder doch so konstruiert als ob er es wäre; die Ausführung hingegen mehr pittoresk und nach der Art des Porträts" (M II, 382). Durch eben diese „große Kombination" des „antiken Geistes" und der „modernen Hülle" eröffnet Goethe nun „eine ganz neue endlose Aussicht auf das, was die höchste Aufgabe aller Dichtkunst zu sein scheint, die Harmonie des Klassischen und des Romantischen" (M II,
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381). Dazu kommt noch, daß „Goethes Kunst durchaus progressiv" ist, eine Eigenschaft, die er sogar vor Cervantes und Shakespeare voraus hat; denn diese hatten zwar „jeder ihren Gipfel", von dem sie aber „zuletzt in der Tat ein wenig sanken". Außerdem sind „Mittel und Grundlagen . . . des Zeitalters" für Goethe viel günstiger, als sie es für jene waren, so daß diesem eine stete Entwicklung zur Besserung und Vervollkommnung ermöglicht wurde, was ihn zum Richtung weisenden aller lebenden Künstler macht.4 Dante, haben wir schon früher gesehen, war der Keim und der Stifter der älteren romantischen Poesie, er bildete eine Mythologie, wie sie zu seiner Zeit möglich war (M II, 366). Aus Goethe soll die neue romantische Poesie herauswachsen, in der „nach Ideen" gedichtet wird, die den Künstlern aus der aus dem Idealismus begründeten und geformten Mythologie unaufhörlich zufließen sollen. Diese wird auch das Dichten romantischer Tragödien ermöglichen, indem die bisher üblichen „historischen Sujets", die „nun einmal die moderne Behandlungsart der Charaktere verlangen, welche dem Geist des Altertums schlechthin widerspricht" (M II, 385), durch einen „durchaus mythologischen" (M II, 384) Inhalt ersetzt werden können. Dann wäre auch in dieser bedeutendsten Kunstform die angestrebte Vereinigung des Romantischen mit dem Geist der Antike erreicht. „Wenn erst die Mysterien und die Mythologie durch den Geist der Physik verjüngt sein werden, so kann es möglich sein, Tragödien zu dichten, in denen alles antik, und die dennoch gewiß wären durch die Bedeutung den Sinn des Zeitalters zu fesseln."5 So ist der innere Zusammenhang der vier Teile des „Gesprächs" dadurch gegeben, daß sie alle Belehrung und Ausbildung des neuen Dichters der kommenden romantischen Poesie sein wollen. Aus der Geschichte der Poesie er4
Allgemeines Vorbild in dürftiger Zeit zu sein für eine nach Universalität und Objektivität strebende Poesie ist wohl das Bedeutendste an Goethe. Cervantes und Shakespeare jedoch sind viel bedeutender für die Entwicklung einer romantischen Poesie. Deshalb begnügen wir uns mit diesem Hinweis auf Goethe, während die anderen drei Teile des „Gesprächs über die Poesie" noch eingehender zu besprechen sind. Zur Bedeutung Goethes für Schlegel während der frühen Athenäumszeit siehe R. Immerwahr, „Friedrich Schlegel's Essay ,On Geothe's Meister' ", Monatshefte XLIX (1957), 1-12. 5 Friedrich Schlegels eigenes Trauerspiel Alarcos sollte eine praktische Ausführung seiner Forderungen sein. Vgl. Europa, Eine Zeitschrift, I, i, S. 60: „Der Zweck des Alarcos kann niemanden undeutlich sein; es soll ein Trauerspiel sein, im antiken Sinne des Worts (vorzüglich nach dem Ideale des Äschylus), aber in romantischem Stoff und Kostüm. In wiefern der Zweck des Dichters erreicht sei, bleibt andern zu prüfen überlassen." Vgl. auch B. M. Blok, Romantisches in Friedrich Schlegels Trauerspiel Alarcos (Groningen 1931); und H. Eichners Einleitung zu seiner Ausgabe in KA V, S. LXXI-LXXXI.
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wächst ihm Nahrung und Same, die neue Mythologie ist ihm mütterlicher Boden, aus dem der neue Stoff unaufhörlich quillt; durch die Sichtung der neuen Literatur werden deren fruchtbare, an das große romantische Zeitalter der Vergangenheit erinnernde Tendenzen in Stoff und Form herausgestellt und am praktischen Beispiel Goethes auf die Möglichkeit der Verwirklichung der neuen Poesie hingewiesen. Wenn wir uns nun einer näheren Betrachtung des „Gesprächs" zuwenden, können wir nicht die Entwicklung aller Ideen, die hier zur Darstellung kommen, verfolgen, sondern müssen uns auf die direkten Äußerungen über den Begriff der romantischen Poesie und die in unmittelbarer Beziehung dazu stehenden Hauptideen beschränken, obwohl alle auf die neue Poesie Bezug haben, wie es ja schon der Titel andeutet, und sich alle Äußerungen auf die Ausbildung des romantischen Künstlers und der romantischen Kunstlehre beziehen. Näher begründet wird zuerst der Begriff der Geselligkeit, der schon öfter als dem Romantischen zugehörig erwähnt wurde. „Das Spiel der Mitteilung und der Annäherung ist das Geschäft und die Kraft des Lebens, absolute Vollendung ist nur im Tode." Da der Einzelne und seine ihm innewohnende Poesie, „eben weil es die seine ist", und daher auch seine „Ansicht der Poesie" notwendig beschränkt sein müssen, „geht der Mensch sicher sich selbst immer wieder zu finden, immer von neuem aus sich heraus, um die Ergänzung seines innersten Wesens in der Tiefe eines fremden zu suchen und zu finden". Denn jeder Mensch fühlt und „weiß, daß kein Mensch schlechthin nur ein Mensch ist, sondern zugleich auch die ganze Menschheit wirklich und in Wahrheit sein kann und soll" (M II, 339). Deshalb ist Gesellschaft notwendig und der Künstler „ein geselliges Wesen". Die Gesellschaft soll Mittelpunkt sein für seine „Mitteilung". Dadurch erscheint der „unendliche Geist der Poesie" in den verschiedenen Ansichten, in immer „neuem Lichte". Dies verhindert Stagnation in Einseitigkeit und ermöglicht es dem Künstler, „seine Poesie und seine Ansicht der Poesie ewig zu erweitern, und sie der höchsten zu nähern, die überhaupt auf der Erde möglich ist; dadurch daß er seinen Teil an das große Ganze auf die bestimmteste Weise anzuschließen strebt. . ." Diesem Erfordernis der romantischen Poesie versuchten die Teilnehmer des „Gesprächs": Amalie, Camilla, Andreas, Antonio, Lothario, Ludovico, Marcus nachzukommen, bei deren Zusammenkünften es sich „ohne Verabredung oder Gesetz" meistens „von selbst" so fügte, „daß Poesie der Gegenstand, die Veranlassung, der Mittelpunkt ihres Beisammenseins war" (M II, 340).
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Der erste von Andreas gehaltene Vortrag über die „Epochen der Dichtkunst" gibt einen auf zehn Seiten gedrängten Überblick der Dichtung von den Anfängen bis zur Gegenwart, der als Keim zu den großartigen enzyklopädischen Literaturdarstellungen in den Paris-Kölner und Wiener Vorlesungen angesehen werden darf. Uns kann hier nur die neue Sicht der romantischen Literatur interessieren. Wie ein „reizend gebildetes Chaos . . . der Keim" war, „aus welchem die Welt der alten Poesie sich organisierte" (M II, 344), so ist auch „die Kraft", aus der die romantische Poesie hervorging, „ein fruchtbares Chaos zu einer neuen Ordnung der Dinge, das wahre Mittelalter" (M II, 348). Für Schlegel ist „nichts . . . origineller als das Chaos" (KA XVIII, 78). Es muß allem zugrunde liegen, was neu geschaffen und gestaltet werden soll: dem Anfang der Literatur überhaupt, dem Roman, der romantischen Poesie, der Mythologie. So ist „alle romantische Poesie im engern Sinn chaotisch" (E 2079), „chaotisch aber in sich organisiert" (ß 2071). Zum ersten Mal gelten hier „gotische Dichtung" und die „Wundermärchen des Orients" als wesentlich befruchtende Entstehungselemente der romantischen Poesie: Mit den Germaniern strömte ein unverdorbener Felsenquell von neuem Heldengesang über Europa, und als die wilde Kraft der Gothischen Dichtung durch Einwirkung der Araber mit einem Nachhall von den reizenden Wundermärchen des Orients zusammentraf, blühte an der südlichen Küste gegen das Mittelmeer ein fröhliches Gewerbe von Erfindern lieblicher Gesänge und seltsamer Geschichten, und bald in dieser bald in jener Gestalt verbreitete sich mit der heiligen lateinischen Legende auch die weltliche Romanze, von Liebe und von Waffen singend. (M II, 348) Mit den Formen Legende und Romanze und Dante als dem „heiligen Stifter und Vater der modernen Poesie" wird wieder an die schon aus dem Studiumaufsatz bekannte historische Bewertung der romantischen Poesie angeknüpft. Dante drängte die „neue gemeine Mundart zu klassischer Würde und Kraft zusammen" und veredelte so „die provenzalische Kunst der Reime". Dante, „der Mythologe der katholischen Religion" (£1712), Petrarca, der gefühlvolle Erfinder der „Sprache der Liebe", und Boccaccio, der „durch kraftvollen Ausdruck und großen Periodenbau die Erzählungssprache der Konversation zu einer soliden Grundlage für die Prosa des Romans erhob" und somit „eine unversiegbare Quelle merkwürdiger meistens wahrer und sehr gründlich ausgearbeiteter Geschichten für die Dichter jeder Nation stiftete", sind die drei „Häupter vom alten Stil der modernen Kunst" (M II, 349). Aus solchen Quellen entsprungen, konnte der Strom der romantischen
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Poesie nicht wieder versiegen. Durch diese drei war die Poesie wieder zur Kunst geworden. Die von diesen erreichte „Form und Bildung" wandten hundert Jahre später italienische Dichter „auf den abenteuerlichen Stoff der Ritterbücher an", wodurch „ein neues Gewächs" entstand: „das Romanzo der Italiener". Boiardo und Ariosto werden als dessen Vertreter erwähnt, beide schmückten es mit Novellen und „schönen Blüten aus den Alten"; doch Ariosto übertrifft seinen Vorgänger; „die Fülle klarer Bilder und die glückliche Mischung von Scherz und Ernst macht ihn zum Meister und Urbilde in leichter Erzählung und sinnlichen Fantasien." Wie es schon im Studiumaufsatz hieß, sind alle Versuche, „das Romanzo durch einen würdigen Gegenstand und durch klassische Sprache zur antiken Würde der Epopöe zu erheben, das man sich als ein großes Kunstwerk aller Kunstwerke für die Nation" dachte, mißlungen (M II, 349). Dieses, „den romantischen Geist und die klassische Bildung zur schönsten Harmonie zu verschmelzen" (M II, 350), gelang erst dem „Guarini im Pastor fido, dem größten ja einzigen Kunstwerke der Italiener nach jenen Großen". Und zwar gelang das „auf einem andern ganz neuen . . . Wege" (M II, 349), womit wahrscheinlich der dramatische Weg gemeint ist, da der Pastor fido ein Schäferdrama ist, das opferbereite Liebe mit Darstellungsmitteln wie Orakelsprüchen und opernhaften Chören darstellt. Der Überblick über die Literatur der Engländer und Spanier ist zu einer kurzen Charakteristik des Cervantes und des Shakespeare kondensiert. Cervantes, auf die Vorarbeit, „die von Ritterbüchern, Schäferdramen, Liedformen und der Romanze" geleistet worden waren, aufbauend, dichtete die Galatea, „eine wunderbar große Komposition von ewiger Musik der Fantasie und der Liebe, den zartesten und lieblichsten aller Romane". Während er hier in der „ersten großen Zeit seiner Poesie . . . hohe Schönheit" erreichte, zeichnet sich das Hauptwerk seiner zweiten Periode, Don Quixote, durch „fantastischen Witz und eine verschwenderische Fülle kühner Erfindung" aus. Der zweite Teil des Don Quixote ist das Werk seiner letzten Periode, das an den ersten Teil „angebildet" wurde, „gleichsam in sich selbst zurückkehrt" und „mit unergründlichem Verstand in die tiefste Tiefe" ausgestaltet worden ist (M II, 350). So ist „Cervantes ein Sinnbild und Exempel ewiger Jugend" (E 2055). Da Shakespeare „nichts was wir Kunst nennen dürften", vorgebildet fand, erreichte er erst in der zweiten Periode seine große „romantisierte Manier". Wie alle Engländer zu der Zeit empfänglich für das Romantische, wirkten „Liebe, Freundschaft und edle Gesellschaft . . . eine schöne Revolution in seinem Geiste", gab die Bekanntschaft mit den
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„zärtlichen Gedichten des bei Vornehmen beliebten Spenser . . . seinem neuen romantischen Schwünge Nahrung", der ihn zur Umbildung, Neukonstruierung und fantastisch reizenden Dramatisierung der Novellen führte. Diese neu gewonnene Fertigkeit gab nun auch den historischen Stücken „mehr Fülle, Anmut und Witz und hauchte allen seinen Dramen den romantischen Geist ein", der „sie zu einer romantischen Grundlage des modernen Drama konstituiert, die dauerhaft genug ist für ewige Zeiten". Den „Sturm, Othello und die römischen Stücke" rechnet Schlegel zur letzten Epoche, worin zwar „unermeßlich viel Verstand" aber auch schon etwas von der „Kälte des Alters" zu finden sind (M II, 351-352). Nachdem die von Engländern und Franzosen proklamierten „verschiedenen goldenen Zeitalter" als eine „moderne Krankheit" abgetan worden sind, deren sogenannte Klassiker „sämtlich in einer Geschichte der Kunst keine Erwähnung finden können", schließt Schlegel diesen Vortrag mit einer Verheißung für die deutsche Poesie. Winkelmann „lehrte das Altertum als ein Ganzes betrachten, und . . . wie man eine Kunst durch die Geschichte ihrer Bildung begründen solle". Er und Goethe sind Marksteine auf diesem Wege zur romantischen Poesie. Andere verheißungsvolle Anzeichen sind, daß allein bei den Deutschen der „Funken zündete", der in der Tradition latent angelegt war, „man müsse zu den Alten und zur Natur zurückkehren" (M II, 352), und daß die Philosophie anfing, „sich selbst und den Geist des Menschen zu verstehen, in dessen Tiefe sie den Urquell der Fantasie und das Ideal der Schönheit entdecken, und so die Poesie deutlich anerkennen mußte, deren Wesen und Dasein sie bisher auch nicht geahndet hatte". Philosophie und Poesie, „die höchsten Kräfte des Menschen, die selbst zu Athen jede für sich in der höchsten Blüte doch nur einzeln wirkten, greifen nun in einander, um sich in ewiger Wechselwirkung gegenseitig zu beleben und zu bilden". Und was Schlegel im Studiumaufsatz und später noch nur gefordert hatte, dessen ist er sich jetzt gewiß: „Das Übersetzen der Dichter und das Nachbilden ihrer Rhythmen ist zur Kunst und die Kritik zur Wissenschaft geworden, die alte Irrtümer vernichtet und neue Aussichten in die Kenntnis des Altertums ei öffnet, in deren Hintergrunde sich eine vollendete Geschichte der Poesie zeigt." Neu ist auch die Hinwendung zur und sogar eine leise Bevorzugung der Deutschen Poesie und auch die Anweisung an „die Deutschen" am Schluß, daß sie „die Formen der Kunst überall bis auf den Ursprung erforschen, um sie neu beleben oder verbinden zu können, und daß sie auf die Quellen ihrer eignen Sprache und Dichtung zurückgehen, und die alte Kraft, den hohen Geist wieder frei machen, der noch in den Urkunden
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der vaterländischen Vorzeit vom Liede der Nibelungen bis zum Flemming und Weckherlin bis jetzt verkannt schlummert: so wird die Poesie, die bei keiner modernen Nation so ursprünglich ausgearbeitet und vortrefflich erst eine Sage der Helden, dann ein Spiel der Ritter, und endlich ein Handwerk der Bürger war, nun auch bei eben derselben eine gründliche Wissenschaft wahrer Gelehrten und eine tüchtige Kunst erfindsamer Dichter sein und bleiben" (M II, 353). Diese neue Betonung des Anteils des Heldenepos an der Gestaltung der romantischen Poesie und die Hinwendung zur deutschen Literatur vom Mittelalter bis zum Frühbarock treten in den Notizheften zu dieser Zeit noch stärker hervor. So heißt es schon f r ü h : „Die altdeutsche Poesie der Urquell des Romantischen" (E 1651). Dies bekräftigen die folgenden Eintragungen: Aber auch die ältesten und größten Romanzen sind deutsch. (E 1648) Bei den Spaniern die einzelnen Elemente des Romantischen, bei den Deutschen der volle Strom in einem unteilbaren Strahl. (E 1776) Die besten Heldensagen altdeutsch. - die spanischen Romane schon ein Gemisch von diesen und von Märchen und Novellen. (£1691) Zum Romantischen gehört es noch, wie Poesie in den edeln Ständen blühte (als höhere Sprache des edeln Lebens), bei den Deutschen zur Zeit der Minnesinger, bei den Spaniern zur Zeit des Cervantes, bei den Italienern zur goldnen Zeit. (E 1817) Flemming und Weckherlin strömen tief und voll aus dem kräftigsten Leben ihres Selbst, des Biblischen, der Zeit, der Nation, so weltlich als geistlich. (.E 1778) Diese These von der nordischen und altdeutschen Dichtung als Urquell der romantischen Poesie und die Verherrlichung der deutschen Minnesänger als die Blüte der romantischen Poesie findet dann drei Jahre später in den Paris-Kölner Vorlesungen ihre nähere Bestimmung und in den Wiener Vorlesungen eine noch weitere Ausgestaltung. Parallel zu dieser Bevorzugung der altdeutschen Poesie läuft eine etwas kühlere Einschätzung 6 von vielem, was er vorher (s. oben) an der italienischen gelobt hatte. 6
Eine solche Einschätzung beginnt sich zu dieser Zeit nur in seinen privaten Notizheften abzuzeichnen, in dem „Gespräch" ist davon noch nichts zu bemerken. Doch heißt es schon in den Paris-Kölner Vorlesungen: „Die italienische Literatur ging in dem Bestreben unter, die alte römisch-lateinische nachzuahmen . . . Sobald die
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. das italienische Epos ist eben auch nur eine falsche Tendenz. (E 1741) Der Hauptcharakter der italienischen (Poesie) von Dante bis Ariost ist falsche Tendenz und Virtuosität (E 2102) Boccaccio schlechthin nur falsche Tendenz . . . Pulci, Ariost nur Tendenz . . . (E 2054) Die italienische Poesie offenbar ein Streben ins Römische zurückzukehren. ( £ 2158)
Da die Römer „nur einen kurzen Anfall von Poesie" hatten, ist dies Streben keine empfehlenswerte Tendenz; dagegen sind die Deutschen auf dem richtigen Wege: „Tendenz bei den Deutschen, alle National Mythologie zu romantisieren" (E 1596). Genau darin, in den zwei Wörtern „Mythologie" und „romantisieren", spricht sich Schlegels Anliegen zur Zeit um die Jahrhundertwende aus. Als „Geist der Poesie" wird jetzt die Mythologie verstanden (M II, 382), und nur durch diesen Geist wird es möglich sein, die Forderung der Zeit zu erfüllen, das Antike mit dem Modernen in der romantischen Poesie zu vereinen. Diesen Geist läßt die nur gelehrt anmutende Kunstpoesie der Italiener vermissen. Nur bei Shakespeare und Cervantes findet sich dieser Geist als „Witz der romantischen Poesie", der sich in der „Konstruktion des Ganzen" zeigen muß. In dieser Konstruktion muß ein Kunstwerk jetzt dem „Kunstwerk der Natur", d.h. der Mythologie gleichen. „Diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie", aus der die Konstruktion des Ganzen in den Werken Shakespeares und Cervantes' besteht, ist eben dasselbe wie die innere Neueren anfingen, . . . das Alte nachzuahmen, entfernten sie sich so sehr aus der umgebenden bekannten christlichen Welt in eine fremde entfernte, wo sie ewig im Dunkeln herumtappen mußten." Dies Bestreben finde sich schon bei Tasso und besonders bei Ariosto (KA XI, 152 f.). Auch Dante wird von abschwächenden Zusätzen nicht ausgenommen. Sein Unternehmen überstieg die Kräfte eines einzelnen Menschen bei weitem, so daß es „nicht vollkommen gelingen konnte" (KA XI, 150). In der Wiener Literaturgeschichte entdeckt er sogar „Flecken" an ihm: „Immer aber bleibt die gibellinische Härte, welche sich im Dante gewiß in einer nicht unedlen, und wohl erhabenen Gestalt darstellt, am Dichter ein Tadel, da sie nicht bloß auf die äußere Schönheit ihren rauhen Einfluß erstreckt" (KA VI, 216). Im ganzen neige sich die Poesie der Italiener „mehr zum Antiken und zur Philosophie" ( K A VI, 219). Dagegen ist neben der altdeutschen eine allgemein wohlwollendere Einschätzung der portugiesischen und spanischen Dichtkunst in den zwei Vorlesungsreihen zu bemerken, wie es das fünfte Kapitel kurz andeuten wird.
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Organisation der Mythologie, wo alles „Beziehung und Verwandlung,. . . Anbilden und Umbilden" ist, wo wieder die „schöne Verwirrung der Phantasie,... das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur" herrscht. Dies ist der Geist aller Poesie, wie sie am Anfang des „Gesprächs" als Weltelement beschrieben wurde und wie ihn die Griechen im Symbol, „dem bunten Gewimmel der alten Götter", besaßen. Kein „schöneres Symbol" als dieses sei ihm als Ausdruck einer poetischen Weltansicht bis jetzt bekannt (M II, 361-362), meint Schlegel. Von der Möglichkeit, der deutschen Poesie nach dem Geist der griechischen eine Mythologie zu geben, handelt die „Rede über die Mythologie". Ohne die Symbole einer Mythologie ist jetzt keine rechte Poesie mehr möglich, denn jene geben ihr „Halt", Mittelpunkt und die Möglichkeit zur Vervollkommnung: „Es f e h l t . . . unsrer Poesie an einem Mittelpunkt, wie es die Mythologie für die der Alten war, und alles Wesentliche, worin die moderne Dichtkunst der antiken nachsteht, läßt sich in die Worte zusammenfassen: wir haben keine Mythologie. Aber, setze ich hinzu, wir sind nahe daran eine zu erhalten, oder vielmehr es wird Zeit, daß wir ernsthaft dazu mitwirken sollen, eine hervorzubringen". Denn „Mythologie und Poesie, beide sind Eins und unzertrennlich" (M II, 358). Es ist nun wiederum die romantische Poesie, die die Mythologie enthalten und darstellen soll. So heißt es, „alle Romantische" Poesie sei „absolut Mythologisch" (E 1905) und auch der „Charakter des Romans" sei jetzt „Rückkehr zur Mythologie und selbst zur klassischen Mythologie" (E 1771). Diese eben herausgestellte Identität der Mythologie und romantischen Poesie drückt sich auch praktisch in gemeinsamen Eigenschaften und ähnlichen Funktionen aus. Wie die Mythologie der „Geist der Poesie" sei, so geht auch die Tendenz der romantischen Poesie „auf den Geist nicht auf den Buchstaben" (E 1772) und das „Romantische" ist „Idee der Poesie" (KA XVIII, 348). Wie „Chaos . . . der Grundbegriff der Mythologie" ist (KA XVIII, 156), so ist auch „alle romantische Poesie im engern Sinn chaotisch" (ß 2079). Wenn es heißt, in der Mythologie herrsche der Witz (KA XVIII, 349), so wird auch der „Primat des Witzes für Romantisches" (E 1908) betont. Wie die „neue Mythologie.. . aus der tiefsten Tiefe des Geistes herausgebildet werden" soll, so heißt es auch über das Romantische: „Deduktion des Romantischen aus dem Bewußtsein" (KA XVIII, 453). „Der Geist ist ein Chaos von Liebe" (KA XVIII, 453), und dieser erweckt aus dem Chaos durch „Berührung der Liebe" eine „harmonische Welt", und „die höchste Schönheit, ja die höchste Ordnung" (MII, 358), wie sie Mythologie und Poesie darstellen. „Aus der
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Liebe und dem Chaos muß die Poesie abgeleitet werden" (E 1612). Ein Gefühl der Liebe gehört für Schlegel immer zum Wesen des Romantischen. Sie beseelt die Materie und erweckt sie zur Kunstgestaltung, denn „nicht der Haß sondern die Liebe sondert das Chaos" (E 1514). Schon 1797 scheinen ihm die Liebe, das Erotische und das Romantische genetisch verbunden, als sich gegenseitig bedingend: „Ist das Erotische was auf Totalität der Vereinigung geht (Ehe) etwa ein wesentlicher Bestandteil der romantischen Gattung, der Entstehung gemäß? Liegt der Grund schon in obiger Erklärung?" (E 27). Und jetzt wird es wieder betont: „Die moderne Poesie ist erotisch. Das witzig Fantastische in ihr nur Annäherung zum Orientalischen. Vielleicht ist das Prinzip der romantischen Poesie zwiefach; sie ist erotisch und dann kunstähnlich d.h. pittoresk, musikalisch . . ." (E 2097).7 Und so wird das Liebeselement auch noch zwölf Jahre später in den Wiener Vorlesungen betont, wenn es heißt, „das Wesen des Romantischen" beruhe u.a. auf dem „in der Poesie herrschenden Liebesgefühle" (KA VI, 285), das mit dem Christentum in die romantische Poesie gekommen war. Jetzt, da Schlegel das ganze Weltall als Poesie ansieht, ist natürlich die Liebe eine kosmische Kraft, die das ursprüngliche Chaos ordnet. Dieser „Geist der Liebe" findet in dem „Brief über den Roman" seine Apotheose: er ist der „heilige Hauch", der „in der romantischen Poesie überall unsichtbar sichtbar schweben" muß und für den „wahren Dichter. . . Hindeutung auf das Höhere, Unendliche, Hieroglyphe der Einen ewigen Liebe und der heiligen Lebensfülle der bildenden Natur" (M II, 371) ist. Neben dem Erotischen verwies obiges Zitat (E 2097) noch auf zwei weitere Eigenschaften der romantischen Poesie: ihre Annäherung zum Orientalischen und ihre Kunstähnlichkeit. Schlegels Interesse an diesen zwei Eigenschaften führen dann während seiner Pariser Zeit in seinen orientalischen Studien und seinen Ansichten und Ideen von der christlichen Kunst (KA IV) zu praktischen Ergebnissen. „Im Orient müssen wir das höchste Romantische suchen", so heißt es plötzlich ohne auch nur einen 7 Von nun an verwendet Schlegel zur Charakterisierung der Poesie häufig Eigenschaften, die aus den anderen Künsten entlehnt sind. Malerei und Musik sind der romantischen Poesie „kunstähnlich", Plastik und Skulptur der griechischen. Diese Vermischung der Künste ist wesentlich für die romantische Kunstbetrachtung. Vgl. ihre im „Gespräch" beginnende allgemeine Zuordnung: „Ich habe oft im Einzelnen bestätigt gefunden, was ich im Allgemeinen schon wußte: daß die Prinzipien des Rhythmus und selbst der gereimten Sylbenmaße musikalisch sind; was in der Darstellung von Charakteren, Situationen, Leidenschaften das Wesentliche, Innere ist, der Geist, dürfte in den bildenden und zeichnenden Künsten einheimisch sein" { M II, 355).
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Dichter oder ein Werk zu erwähnen in der „Rede über die Mythologie" und „wenn wir erst aus der Quelle schöpfen können, so wird uns vielleicht der Anschein von südlicher Glut, der uns jetzt in der spanischen Poesie so reizend ist, wieder nur abendländisch und sparsam erscheinen" (M II, 362).8 Nicht nur die italienische (wie oben gezeigt), sondern sogar die spanische Poesie muß in den Hintergrund treten. Doch warum das höchste Romantische im Orient? Schon zwei Jahre vorher hieß es: „Die Poesie der Orientaler ist durchaus mystisch, ganz esoterisch.. ." (E 1313), zwei Haupteigenschaften der romantischen Poesie. Denn aus der Mystik ist die Mythologie zu deduzieren (E 1685), die identisch mit dem Romantischen ist, und als „esoterisch" wird später die höchste romantische Poesie bezeichnet, die „das der Poesie entgegengesetzte Element des gemeinen Lebens" poetisiert und besiegt, eine Funktion, die nur dem Roman zukommt, und die nur er erfüllen kann (Europa, I, 1, 55). So ist es eine Empfehlung für die orientalische Poesie, wenn es heißt: „Im Orient werden eigentlich nichts geschrieben als Romane" (E 1768). Ferner ist die „orientalische Mythologie" die einzige schon existierende der griechischen ebenbürtige Mythologie ([E 1962). Daher kann auch die „echte orientalische Poesie hieroglyphisch" sein (E 2098), eine Forderung, die jetzt auch an die romantische Poesie gestellt wird. Auch soll in der Poesie „die orientalische Sprache überwiegen als die unbestimmtere" (E 2122). Ein weiterer Hinweis, warum Schlegel die orientalische Poesie vorzieht, ist durch die Kette von Assoziationen aufschlußreich: Poesie ist der ursprüngliche Zustand des Menschen und auch der letzte. Alle orientalische Philosophie nur Poesie. D i e höchste Moral wird Poesie. Nur durch Poesie kann ein Mensch sein Dasein zum Dasein der Menschheit erweitern. Nur in ihr sind Alle Mittel jedes Einen. - Der Witz ist die Rückkehr zur Poesie. - (E 1786) 8 Eine indirekte Quelle für indische Literatur war gegeben mit Georg Forsters Übersetzung ins Deutsche (1791) der von William Jones ins Englische übersetzten (1780) Sakuntala von Kalidasa. Schlegels indologische Studien, mit Eifer und Enthusiasmus begonnen, die jedoch um 1808 schon merklich nachgelassen hatten, werden verfolgt von Leslie A. Willson, A Mythical Image: The Ideal of India in German Romanticism (Durham, N.C., 1964), 199-220. Eingehend wird auch Herders Schau Indiens behandelt und auf die umfassenden indologischen Studien seines Schülers Friedrich Majer, auch ein Freund Friedrich Schlegels (S. 97), hingewiesen. Hauptsächlich durch diese drei: Herder, Forster (deren Schriften Schlegel rezensierte) und Majer wurde Schlegel in seinem Enthusiasmus für den Orient bestärkt und auf diesen drei beruhte wohl auch am meisten sein Wissen von der orientalischen Literatur, bis er selbst durch intensives Studium Pionierleistungen auch auf diesem Gebiet hervorbrachte.
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Auch durch das „witzig Fantastische" (s. oben) zeichnet sich also die orientalische Poesie aus ; ferner ist in ihr schon Tatsache geworden, daß die Philosophie Poesie werde, was in Deutschland erst erreicht werden soll. Deshalb konnte dort schon der ganze Mensch in Bezug auf die Menschheit zum Zentrum der Darstellung werden (vgl. E 1694), was hier erst die vermittels der Philosophie geschaffene Mythologie ermöglichen soll: „Wie die Menschheit Zentrum der Mythologie so ist das Universum Zentrum der Religion" (KA XVIII, 350). Und : „Die Centra der Mythologie sind Prinzipien und System der Menschheit. - Im Zentrum ist Poesie" (KA XVIII, 355). Ist der ursprüngliche Zustand des Menschen Poesie, so ist auch der „Anfang der Menschheit.. . Mythologie" (KA XVIII, 356).9 Ist die Menschheit das Zentrum der Mythologie und ist in diesem Zentrum Poesie, so ist doch auch nicht minder wichtig für die Mythologie ihr Bezug zur Natur: „Die Natur ist durchaus mythologisch und nicht mehr physikalisch" (KA XVIII, 156), und Schlegel betrachtet schon seine „Ideen über Natur" als Mythologie (KA XVIII, 358). Ja, die Mythologie ist direkt „ein Kunstwerk der Natur" (M II, 361). Und die Physik, deren Gegenstand „das Leben der Welt" ist (KA XVIII, 156), und „der es an nichts mehr zu fehlen scheint, als an einer mytho9 Diese Ansichten von der Poesie als ursprünglicher Zustand des Menschen u n d der N a t u r als mythologische Offenbarung sind schon bei Herder und H a m a n n vorgeformt. Vgl. J o h a n n Georg H a m a n n , Sämtliche Werke, hrsg. von Joseph Nadler (Wien 1950), Bd. II, 197:
Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts . . . Sinne u n d Leidenschaften reden und verstehen nichts als Bilder. In Bildern besteht der ganze Schatz menschlicher Erkenntnis und G l ü c k s e l i g k e i t . . . Rede, daß ich dich sehe! - Dieser Wunsch wurde durch die Schöpfung erfüllt, die eine Rede a n die K r e a t u r durch die K r e a t u r ist; denn ein Tag sagt's dem andern, und eine Nacht tut's kund der andern. Ihre Losung läuft über jedes Klima bis an der Welt Ende, und in jeder M u n d a r t hört m a n ihre Stimme. („Aesthetica in nuce", 1762). Herder versucht dann, eine Wesensbestimmung dieser Urpoesie zu geben. Ossian wird einer der wertvollsten Belege. D a s f ü h r t über H a m a n n hinaus, der seine Überzeugung auf die älteste U r k u n d e des Menschengeschlechts stützte. Zusammen mit H a m a n n hält Herder die ersten Perioden der Weltgeschichte f ü r das goldene Zeitalter der Poesie, die ihren Ursprung in den elementarsten Gefühlen und Leidenschaften der Menschheit hat. D a r ü b e r hinaus hält Schlegel ein zukünftiges goldenes Zeitalter für möglich, das kraft des mythenbildenden, wieder eine geschlossene Weltschau schaffenden Geistes aus den neuen Bildungselementen des Zeitalters entstehen soll. Hierzu s. Erich Ruprecht, „ D i e Weltanschauung der R o m a n t i k " , in: Die deutsche Romantik im französischen Deutschlandbild, Bd. II der Schriftenreihe des internationalen Schulbuchinstituts (Braunschweig 1957), 13-22, und auch R u p rechts größere Darstellung über H a m a n n und Herder als Wegbereiter der R o m a n t i k : Der Aufbruch der romantischen Bewegung (München 1948).
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logischen Ansicht der Natur", soll eine der Quellen für die neue Mythologie sein. Denn „wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Ähnlichen . . . entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte bilden". Das Höchste ist nun in der Mythologie als Naturkunstwerk „wirklich gebildet", weil ja die Erde Gottes Kunstwerk ist (M II, 361). „Die wichtigste und höchste Ansicht der Natur ist wie Bruchstücke eines großen untergegangenen Dichters. Dieser Dichter ist Gott" {KA XVIII, 156). Weil der Mensch ein Teil dieses „Gedichts der Gottheit" ist, steht er mit dem Höchsten in „Berührung"; er hat „Gleichartiges, Ähnliches" in sich, das zu nähren, entwickeln und dem göttlich Höchsten ewig nachzubilden seine höchste, ja priesterliche und religiöse Aufgabe ist. „Und ist nicht dieser milde Widerschein der Gottheit im Menschen die eigentliche Seele, der zündende Funken aller Poesie?" (M II, 361). Dieses „Bruchstück", d.h. sich und die Natur zu vervollständigen und vervollkommnen ist des Menschen heiligste Pflicht. Daher auch der religiöse und sogar magische Charakter aller Bemühungen um die Poesie zu dieser Zeit. Sie ist „der edelste Zweig der Magie" eine „magische Kraft", die als „geistiger Hauch", eben nicht beim "isolierten Menschen", sondern nur wo „Menschentrieb durch Menschengeist verbunden zusammenwirkt", d.h. „in der Mitte der Freunde", fühlbar ist. „Ein Wunder bleibt es doch", daß dieser „Widerschein der Gottheit im Menschen" als die „eigentliche Seele" der Poesie „überhaupt durch Menschenwitz und Menschenkunst aus der Tiefe ans Licht gelockt werden kann" (M II, 357). Dies „Wunder" is eben für Schlegel ein religiöser Akt. „Die Form der Poesie muß religiös sein, - Opfer - Fest, Orgien Tempel" (E 2063). Religion10 wird in diesem Sinn definiert als „der unsichtbare Geist der höhern Kunst und Wissenschaft, [der] überall und nirgends, am meisten im Zentrum" sei (KA XVIII, 359). Demgemäß heißt es auch: „Jeder Roman ist mehr oder weniger eine religiöse Schrift" (E1544), und : „Das Unterscheidende in der Form der Poesie liegt in der 10 In Idee 50 feiert Schlegel die neue Auferstehung der Religion: „Ihr staunt über das Zeitalter, über die gährende Riesenkraft, über die Erschütterungen, und wißt nicht welche neuen Geburten ihr erwarten sollt . . . Muß nicht alle Bewegung aus der Mitte kommen, und wo liegt die Mitte? - D i e Antwort ist klar, und also deutet auch die Erscheinungen auf eine große Auferstehung der Religion, eine allgemeine Metamorphose. Die Religion an sich zwar ist ewig, sich selbst gleich und unveränderlich wie die Gottheit; aber eben darum erscheint sie immer neu gestaltet und verwandelt." Vgl. auch die Definition in Idee 81 : „Jede Beziehung des Menschen aufs Unendliche ist Religion, nämlich des Menschen in der ganzen Fülle seiner Menschheit."
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Idee daß alle Gedichte Ein Gedicht sein sollen. Diese Idee läßt sich aber nur aus der Beziehung der Poesie auf die Religion begreifen" (E 1985). In dieser „Beziehung der Poesie auf die Religion", wie sie Schlegel in den obigen Zitaten immer wieder herausstellt, deutet sich eine neue Denkrichtung an, die durch das Studium der ältesten Denkmale der Überlieferung in Paris zu der Gewißheit führt, daß der Mensch seine irdische Laufbahn nicht ohne Gott angefangen habe. Dies führt zur Annahme einer Uroffenbarung und später zum Übertritt zum Katholizismus. Jede Poesie und Mythologie wird dann verstanden als sehnsüchtige Erinnerung an den Schöpfungsakt, als sich das Göttliche dem Menschen offenbarte. In Schlegels poetischer Denkweise heißt das, Gott „dichtete" diese Welt, von der wir ein Teil sind. Von dieser ursprünglichen Einheit zwischen Gott und dem Menschen sind jetzt nur noch „Bruchstücke" übrig geblieben. Daher fühlt der Mensch noch diese Einheit, er fühlt sie als Poesie in sich, und wenn er sie in Worte faßt, ist sie ein Ausdruck dieser Sehnsucht nach Verbindung mit dem Göttlichen. Jeder Mensch trägt sie unbewußt in sich, sie ist der „Widerschein der Gottheit" im Menschen. So ist es ein „Wunder", ein religiöser Akt, wenn diese Poesie ans Licht tritt, denn sie offenbart ja das Göttliche. Sie ist ein Nachvollzug der ursprünglichen Verbindung zwischen Gott und Mensch und daher immer von göttlicher Liebe beseelt. Die Erschaffung eines Kunstwerks ist daher analog dem göttlichen Schöpfungsakt. Beides kann nur die Liebe hervorbringen. Sie ist Geist, heiliger Hauch; sie ist göttlich und menschlich, nicht natürlich, denn nur sie, nicht die Natur, kann Leben schaffen (Idee 91). Wie es in den obigen Zitaten hieß, entstand aus der Berührung des Chaos durch den Geist der göttlichen Liebe eine harmonische Welt, eine höchste Schönheit, und Ordnung, wie sie Poesie und Mythologie darstellen. Solch eine Poesie war der ursprüngliche Zustand des Menschen und der Anfang der Menschheit solch eine Mythologie. Aus dieser ursprünglichen Einheit ist dem Menschen noch ein Funke der göttlichen Liebe geblieben. Vermittels dieser göttlichen Liebe schafft der Mensch nun auch sein Kunstwerk aus dem Chaos. Es muß von dem heiligen Hauch der göttlichen Liebe durchdrungen sein. Dies ist die „ursprüngliche Liebe", die „nie rein, sondern in mannigfachen Hüllen und Gestalten. . . am meisten aber als Sehnsucht und als stille Wehmut" (Idee 104) erscheint. Als solche soll sie auch im menschlichen Kunstwerk erscheinen, das dann eine Erinnerung an den Schöpfungsakt der göttlichen Liebe und zugleich ein Analogon dazu darstellt. Dieser heilige Geist der Liebe, der
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in der höheren Kunst herrschen soll, wird als Religion bezeichnet. Wie die Gottheit sei diese Religion zwar ewig, aber in der Menschheit, die sich im ewigen Werden befindet, „erscheint sie immer neu gestaltet und verwandelt". Gerade jetzt ringe die Menschheit um solch eine Neugestaltung. Die Erschütterungen des Zeitalters und die „allgemeine Metamorphose" deuteten auf „eine große Auferstehung der Religion" (Idee 50), als Mittelpunkt für eine neue Zeit bestimmt. Der Künstler soll an der Konstruktion dieses neuen Mittelpunktes teilnehmen, und deshalb kann nur „derjenige ein Künstler sein, welcher eine eigne Religion, eine originelle Ansicht des Unendlichen hat" (Idee 13). n Vor der „Stiftung der Religion"12 könne es vielleicht „in Deutschland gar keine klassischen Schriftsteller" geben (E 1580). So heißt es schließlich: „Alles muß mit Religion anfangen und endigen" (E 1610). Jedoch wird sie am Ende von der höheren Poesie aufgenommen: „Religion verliert sich endlich ganz in Poesie" (KA XVIII, 355). So ist die Physik (von der wir oben ausgingen) eine Wissenschaft, die direkt zum „Zentralpunkt" führt. Hier nach dem Zentrum, wo sich die Poesie und auch die Menschheit konzentriert (vgl. KA XVIII, 355), soll überhaupt „die Kraft aller Künste und Wissenschaften" zielen (M II, 365). Die Physik wurde herausgestellt, „weil hier die Berührung am sichtbarsten ist;" d.h. die Berührung mit den „ersten Spuren des Lebens" (M II, 364), mit dem Geist des Höchsten. Denn „sobald es ihr nicht um technische Zwecke, sondern um allgemeine Resultate zu tun ist", gerät die Physik in „Theosophie oder wie Ihrs sonst nennen wollt, kurz in eine mystische Wissenschaft vom Ganzen" (M II, 365). Es handelt sich also hier um ganz etwas anderes als wissenschaftliche Physik, die sich etwa von einem Wissenschaftler darstellen ließe. Schlegels Physik ist eine „mystische Wissenschaft", eine „individuelle Art von Mystizismus", aufgestellt nach dem Vorbilde des Spinoza, dessen System „allgemeiner Grund und Halt für jede individuelle Art von Mystizismus" ist. Schlegels 11 Vgl. Idee 45: „Ein Künstler ist, wer sein Zentrum in sich selbst hat." Und Idee 60: „Gerade die Individualität ist das Ursprüngliche und Ewige im Menschen . . . Die Bildung und Entwicklung dieser Individualität als höchsten Beruf zu treiben, wäre ein göttlicher Egoismus;" dies tut der Künstler. 12 Friedrich Schlegel selbst trug sich mit diesem Projekt; und eine neue Bibel, das ewig werdende, „absolute Buch" sollte dies „neue ewige Evangelium" (Idee 95) verkünden. Vgl. Friedrich Schlegel und Novalis. Biographie einer Romantikerfreundschaft in ihren Briefen, hrsg. von Max Preitz (Darmstadt 1957), 130, 132, 137 f., 143, 209, besonders Brief Nr. 55 und Anmerkung dazu; ferner Eichners „Commentary", Literary Notebooks, 277, Anmerkung zu E 1580, wo auf weitere Literatur zu dieser Frage verwiesen wird.
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Physik besteht aus „dynamischen Paradoxien", aus denen „jetzt die heiligsten Offenbarungen der Natur von allen Seiten ausbrechen" (M II, 363), sie offenbart den „inneren lebendigen Zusammenhang" aller Dinge, die unteilbare Einheit zwischen Natur, Mensch und Gott. „Das Elementensystem ist in Gott selbst. Dann folgen die Gradationen von Steinen, Pflanzen, Tieren; und die Menschen endlich sind Reflexionen Gottes auf sich selbst und in sich selbst. Wir sind Gottes Gedanken, sein Bewußtsein" (KA XVIII, 152). So ist „die wichtigste und höchste Ansicht der Natur" die von Bruchstücken eines großen untergegangenen göttlichen Dichters. Diese Bruchstücke eines göttlichen Dichters eignen sich nun bestens als Symbole und Allegorien, um in der romantischen Poesie Verwendung zu finden. Und tatsächlich findet sich eine Unmenge davon in Schlegels Fragmenten, z.B.: Genie ist Erde, Phantasie ist Licht (KA XVIII, 159); Licht ist gleichsam bloß Auge, ein in sich unendlich reflektiertes Sehen ganz Phantasie; die Pflanze und auch die Erde sind ganz nur Gefühl, Trieb, Sehnsucht, Wollust, Zeugung, ganz Liebe (KA XVIII, 189); die Luft ist das Männliche, die Erde das Weibliche; usw. (KA XVIII, 184).13 So muß auch der „wahre M e n s c h . . . in jedem Gegenstande ein Analogon der Welt" sehen (KA XVIII, 233). Diese Art der Physik läßt sich allerdings von keinem Wissenschaftler darstellen. So heißt es: „Die höchste Darstellung der Physik wird notwendig ein Roman. Ideen der Mythologie: die Bruchstücke von der Geschichte der Natur. Das ist aber schon Mythologie" (KA XVIII, 155). Und voller Zuversicht auf ein neues Zeitalter schreibt er: „Die Geschichte der Natur bleibt dem Zeitalter der (neuen) Mythologie überlassen" (KA XVIII, 153). Spinozas Beitrag zum Zeitalter der neuen Mythologie liegt wohl darin,
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Vgl. einige Beispiele der von Schlegel aufgestellten Symbolik und Allegorik, womit er Seite um Seite anfüllte: Luft, Wasser, Erde und Feuer müssen ihre Analoga im Menschen haben - wie das Licht zum Beispiel die Religion ist. Wasser etwa Poesie - ein süßes, wahrhaftes Wesen. - In der Philosophie ist Lebensluft und Stickstoff gemischt. ( K A XVIII, 156} Die Erde ist der Eierstock aller Pflanzen und Tiere; der Äther ist das männliche Glied. (KA XVIII, 169) Schlange und Schmetterling sehr hohe Symbole; jene bezieht sich mehr auf den ersten Menschen, auf die Titanen; dieser auf den letzten. Bewegliche Blüte. (KA XVIII, 179) Jedes Verbrennen nur eine Wiederholung der ältesten Liebesgeschichte. Das Oxygen stürzt mit Ungestüm auf das Hydrogen, und dieses entflieht. Kein anderer Liebender ist so wütend, kein Weib so leicht und spröde. (KA XVIII, 184)
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daß sein Werk die „höhere idealische Ansicht der Dinge" lehrt, „sowohl des Menschen als der äußern Natur". Es ist notwendig, sich „nur an die Bedeutung des Ganzen" zu halten; „was den Sinn, das Herz, den Verstand, die Einbildung einzeln reizt, rührt, beschäftigt und ergötzt, scheint uns nur Zeichen, Mittel zur Anschauung des Ganzen, in dem Augenblick, wo wir uns zu diesem erheben". Wenn so jedes Gedicht „eigentlich romantisch und jedes didaktisch" sein soll, „in jenem weiteren Sinne des Wortes, wo es die Tendenz nach einem tiefen unendlichen Sinn bezeichnet" (M II, 365), dann kann Spinoza für eine solche Darstellung zum Vorbild dienen. Denn dieser Philosoph sieht ja die Natur als Materie und Geist, als eine ewige unendliche Substanz, die selbst Gott ist. Je mehr wir daher die Einzeldinge erkennen, um so mehr erkennen wir Gott, um so mehr erweitern wir unser Selbst zum Selbst der Natur und dem Gottes. So wurde Spinoza zum Vorbild gewählt, weil er „jene Tendenz nach einem tiefen unendlichen Sinn" am besten zeigt, und weil bei ihm das Einzelne nur Mittel zur Anschauung des Ganzen ist. So vermag Spinoza besonders dem Dichter, der ihn verehren, lieben und ganz der seinige werden soll (M II, 360), erstens, „den Urquell der Poesie in den Mysterien des Realismus" (M II, 365) zu zeigen ; zweitens, durch „Absonderung" von allem „Einzelnen und Besondern" das „Ursprüngliche und Ewige der Phantasie" darzulegen ; und drittens kann Spinozas Werk dem Dichter zeigen, wie in einem Werk „überall die ewige Sehnsucht einen Anklang aus den Tiefen des einfachen Werks" findet und wie es „in stiller Größe den Geist der ursprünglichen Liebe atmet" (M II, 361). „Nicht Reizbarkeit für dieses und jenes, nicht Leidenschaft die schwillt und wieder sinket; aber ein klarer Duft schwebt unsichtbar über dem Ganzen . . ." So wird durch das Studium Spinozas dem Dichter „ein tiefer Blick in die innerste Werkstätte der Poesie" gegönnt (MII, 361), wo „der Anfang und das Ende aller Fantasie" zu finden sei (M II, 360) ; und ferner weiden ihm „am auffallendsten und einleuchtendsten" die „Gedanken vom Wert und der Würde der Mystik und ihrem Verhältnis zur Poesie" übermittelt (M II, 363). Spinozas Einweihung in die „Mysterien des Realismus" verhilft der Physik, von der technischen Ansicht der Natur zur mythologischen Ansicht zu gelangen. Denn Spinoza sieht das Unbedingte und Bedingte, Geist und Materie, das Ideale und Reale zusammen. „Sie reden immer von: Sinn haben, nach dem Unbedingten streben, sich zu Ideen zu erheben; das und Spinoza haben ist identisch" (KA XVIII, 395). Spinozas Realismus ist also idealisierte Materie, Pantheismus, Gott in allem und überall. Aus dieser Unendlichkeit der idealisierten Materie
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findet nun Schlegel den Übergang zum Endlichen vermittels der Allegorie. „Für den Philosophen ist das Unendliche das leichteste; und das Endliche ist das große Rätsel. Von dem Endlichen gibt es keinen vernünftigen und verständigen Übergang zum Unendlichen. Aber umgekehrt ist es möglich durch die Einschiebung der Allegorie. Das Universum ist ein Kunstwerk - ein Tier - eine Pflanze. Aus der Allegorie (Erklärung vom Dasein der Welt) folgt, daß in jedem Individuo nur so viel Realität ist, als es Sinn, als es Bedeutung, Geist hat" (KA XII, 39-40). „Bedeutung" sei da, wo der „Schein des Endlichen mit der Wahrheit des Ewigen" in Beziehung gesetzt ist; und das sei das einzig Wirkliche, der Sinn des Daseins, so hieß es im „Abschluß des Lessing-Aufsatzes" (s. oben). Das ist nun der „neue Realismus", von dem Schlegel hier spricht. Der wahre Mensch soll in jedem Gegenstande ein Analogon von Welt sehen, soll in jedem „Bruchstück" der Wirklichkeit, der Natur, Gott sehen. Die Welt besteht also aus einem Chaos von „Symbolik, Personifikation, Allegorie", ursprünglicher Poesie. Und dieses Chaos ist die Mythologie, die die „Bilder" bereitstellt, aus denen die „Urkraft des Menschen" Poesie erzeugt. Liebe ist dabei nötig, um das Chaos zu sondern. Die Bedeutung der Mythologie f ü r Poesie und Menschheit erhellen weiter folgende Zitate: Die intellektuale Anschauung ein Chaos von Spekulation, Reflexion, Abstraktion für Philosophie, was Mythologie für Poesie, ein Chaos von Symbolik, Personifikation, Allegorie. (KA XVIII, 284) In jeder Mythologie ist eine Symbolik der Natur und der Liebe; besonders ist bemerkbar darinnen das Individuelle, das Menschliche. Die Menschheit ist ganz darinnen ausgedrückt. (KA XII, 62) Diese poetische Weltansicht sieht die Welt als ein Symbol, in der sich reale und ideale Wirklichkeitssphären durchdringen: „Alle Realität soll idealisch sein, und alle Idealität real" (KA XVIII, 56). Es ist eine exklusiv poetische Ansicht der Welt, die alles - Natur, Mensch, Gott - ästhetisch betrachtet, und durch diese Art der Vorstellung und Anschauung Schönheit erkennt. „Die Schönheit liegt in der Art der Vorstellung und Anschauung, und in der ästhetischen Ansicht der Welt sieht man wirklich alle Dinge in Gott. Die Ästhetik hat einen Mittelpunkt, und der ist eben der: Menschheit, Schönheit, Kunst - goldenes Zeitalter ist das Zentrum dieses Zentrums" (KA XVIII, 197). Diese ästhetische Weltansicht stellt nun auch hohe Anforderungen an den Betrachter und Schauenden: er muß ein ästhetisch intensives Gefühl
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entwickeln, genial sein und muß selbst Poesie werden! „Da wir keine Realität annehmen als geistige, so ist alles Reelle genialisch. Der Idealismus betrachtet die Natur wie ein Kunstwerk, wie ein Gedicht. Der Mensch dichtet gleichsam die Welt, nur weiß er es nicht gleich" (KA XII, 105), so faßt Schlegel die oben entwickelten Ideen zusammen. Und für die zentrale Stellung und Bedeutung der Poesie: „Poesie ist der ursprüngliche Zustand des Menschen und auch der letzte . . . Die höchste Moral wird Poesie. Nur durch Poesie kann ein Mensch sein Dasein zum Dasein der Menschheit erweitern" (E 1786). Diesen ursprünglichen Zustand wieder zu verwirklichen mit dem Bewußtsein der Unmöglichkeit dieses Vorhabens ist Aufgabe des Menschen: Das Individuum ist ein beständiges Werden, sobald also die Welt ein Individuum ist, ist sie unvollendet. Dieser Satz, daß die Welt noch unvollendet ist, ist außerordentlich wichtig für alles. Denken wir uns die Welt vollendet, so ist alles unser Tun nichts. Wissen wir aber, daß die Welt unvollendet ist, so ist unsere Bestimmung wohl, an der Vollendung derselben mitzuarbeiten . . . Was Religion betrifft, so erhalten wir nun das beste Verhältnis zwischen Menschen und den Göttern. Wäre die Welt vollendet, so würde der Mensch sie fürchten - oder verachten. Aber ist die Welt unvollendet, so ist der Mensch der Gehilfe der Götter. (KA XII, 42) Die Unvollendung der Poesie ist notwendig. Ihre Vollendung = das Erscheinen des Messias, oder die Stoische Verbrennung. Hat die Fantasie den Sieg davongetragen über die Reflexion, so ist die Menschheit vollendet. (E 2090)
Damit der Mensch als Gehilfe der Götter an dieser Weltvollendung mitarbeiten kann, muß er Genie haben: „Genie zu haben, ein Dämon zu sein ist der natürliche Zustand des Menschen. Gesund aber mußte er aus der Hand der Natur kommen; im goldenen Zeitalter hatten alle Genie daß es verlorenging, [ist] aus dem ursprünglichen Prinzip von Verderblichkeit zu erklären; daß es nicht ganz unterging, aus der Menschlichkeit" (KA XVIII, 315). Die Künstler gar, die nach dem Vorbild des vollendeten Künstlers, Gott, selbst möglichst vollendete Weltbilder produzieren sollen, müssen „Menschen in der höheren Potenz" (KA XVIII, 403) sein. Bei der Heiligkeit seiner Aufgabe ist „der Künstler der Geistliche in der Erscheinung, religiöses Phänomen" (KA XVIII, 339). Wenn Schlegel also allen Gegenständen, allen Individuen einen großen Wert beilegt, indem er sie als Allegorie, Hieroglyphe, Symbol, Ikone, Personifikation, Ausdruck, Darstellung des Unendlichen, Göttlichen sieht, dann wird eben dadurch der Spinozismus durchbrochen, „für den
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das Individuelle eine Einschränkung des Unendlichen bedeutet". 14 In seiner Entstehungsart gebe auch Fichtes Idealismus „ein Beispiel für die neue Mythologie" und könne „selbst auf indirekte Art Quelle derselben werden" (M II, 360). Aber Fichte entwertet das Objekt: „Der Geist des Fichtischen Systems ist: Das Objekt ist ein Produkt der schaffenden Einbildungskraft, und alles im Bewußtsein ist eine bewußtlose Reflexion in verschiedenen Dignitäten" (KA XII, 30). Das ist weit entfernt von dem neuen Realismus, den Schlegel einführen will, wo jedes Individuum das Ganze bedeuten soll und durch diese Bedeutung auch „wirklich und in der Tat sein" soll. „Unser System der Philosophie soll das gemeinschaftliche des Spinozischen und Fichtischen sein. Wir können uns daher nur an das Mittlere zwischen beiden halten. Die beiden Elemente der Philosophie sind das Bewußtsein und das Unendliche, in der Mitte von beiden liegt die Realität. Das System der Reflexion (Fichte) geht auf das Bewußtsein. Das der Spekulation (Spinoza) geht auf das Unendliche. Unser System muß auf das Mittlere gehen, nämlich die Realität" (KA XII, 32). Es ist nun noch wichtig, festzustellen, was Schlegel unter diesem Begriff „Realität" versteht, diesem „grenzenlosen Realismus", der sich aus dem Schoß des Idealismus erheben soll, wie es in der „Rede" heißt (M II, 360) und das Wesen der neuen Mythologie ausmacht. Die „Elemente aller Realität" sind „Bewußtsein und das Unendliche". Realität ist „der Indifferenzpunkt zwischen beiden" (KA XII, 6). Und wie kommt Schlegel zu den Elementen der Realität? U m den „gemeinschaftlichen Mittelp u n k t " zu finden, der „Prinzip aller Ideen, und Idee aller Prinzipien" wäre, „müssen wir", so sagt Schlegel, „abstrahieren von allem, was nicht absolut ist". Dies tun wir aber nicht etwa bloß dadurch, daß wir das, was nicht absolut ist, wegdenken. Nein; wir müssen das konstituieren, was dem entgegengesetzt ist, von dem wir abstrahieren sollen. Wir müssen also das Unendliche schlechthin setzen. Wenn wir nun aber das Unendliche setzen, und dadurch alles aufheben, was ihm entgegengesetzt ist, so bleibt uns doch immer noch etwas, nämlich das Abstrahierende, oder das Setzende. Es bleibt also außer dem Unendlichen noch ein Bewußtsein des Unendlichen. So ist das Bewußtsein gleichsam ein Phänomen bei dem Unendlichen. Und nun haben wir gleichsam die Elemente, die eine Philosophie geben können; es sind nämlich: Bewußtsein und das Unendliche. (KA XII, 5) Diese beiden Elemente der Philosophie, oder wie Schlegel auch sagen 14
Behler, „ T h e o r i e der Universalpoesie", 226.
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kann, „aller Realität", bedingen sich gegenseitig. „Das Unendliche hat Realität für das Bewußtsein . .. Das einzige Objekt des Bewußtseins ist das Unendliche, und das einzige Prädikat des Unendlichen ist Bewußtsein. Die beiden Elemente machen eine geschlossene Sphäre, in deren Mitte Realität liegt. Zwischen den beiden Extremen Bewußtsein und dem Unendlichen muß Synthesis gedacht werden". Aus dieser Synthese ergibt sich für Schlegels Philosophie das Theorem: „ES IST ALLES IN EINEM, UND EINS IST ALLES" {KA XII, 6 f.). „Etwas Analoges" zu diesem „Bewußtsein des Unendlichen" erkennt Schlegel nun in den Gefühlen und Bestrebungen des Menschen. Philosophisch bestimmt werden hier solche Grundelemente des Begriffs „romantische Poesie" wie das Gefühl des Erhabenen, das Streben nach dem Ideal und die Sehnsucht nach dem Unendlichen. Unter allen „Gefühlen" des Menschen ist das Gefühl des Erhabenen „das Letzte, Ursprüngliche, was nicht erklärt werden kann". Es wird bei den „wildsten, rohsten Menschen" angetroffen, hängt also nicht von der Kultur ab. Es unterscheidet den Menschen vom Tier, es entsteht plötzlich „und verschwindet auch wieder so". Das Gefühl des Erhabenen ist gleichbedeutend mit dem „Bewußtsein des Unendlichen" und mit dem „Enthusiasmus". Unter den „vielen einzelnen Bestrebungen" des Menschen ist das Streben nach dem Ideal das hauptsächlichste, das „nicht aus der Natur, sondern bloß aus der Kultur" hervorgeht. Deshalb hat jede Kultur ihr eigenes Ideal. „Das Streben nach dem Ideal ist ganz individuell. Eine Idee15 d.h. ein Ganzes bezogen auf das Individuum, gibt ein Ideal". Aus dem Gefühl des Erhabenen und aus dem Streben nach dem Ideal ergibt sich nun „ein gemeinschaftliches Letztes". Es ist das „Vermittelte" zwischen beiden. „Dies ist ein Sehnen, die Sehnsucht nach dem Unendlichen. Etwas Höheres gibt es im Menschen n i c h t . . . Sie ist ruhig und ewig. Von dem Ideal unterscheidet sich die Sehnsucht durch das Unbestimmte, das in ihr liegt. Sie ist schlechthin nicht an ein Ideal gebunden, sie bleibt bei keinem Ideal stehen. . . Die Sehnsucht nach dem Unendlichen muß immer Sehnsucht sein. Unter der Form der Anschauung kann es nicht vorkommen". Durch Kombination dieser drei Elemente ergeben sich zwei für die Romantisierung des Zeitalters wichtige Anweisungen: „Liebe für alles Ideale", und ein richtiger Begriff der Bildung, worunter man gewöhnlich 15 Vgl. „ . . . ein Wissen der Totalität gibt Ideen . . . Eine Idee ist ein Wissen des Ganzen" (KA XII, 4). Diesen Begriff der Idee hat Schlegel im Sinn, wenn er zu dieser Zeit von dem „Vermögen, nach Ideen zu dichten", spricht ( M II, 384).
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nur „Kultur oder Politur" verstehe. „Hat einer Streben nach dem Ideal, und ist dies Streben verbunden mit Sehnsucht nach dem Unendlichen, so wird dieser Sinn haben, d.h. Liebe für alles Ideale. Ist aber bei einem die Sehnsucht nach dem Unendlichen verbunden mit dem Gefühl des Erhabenen, so wird dieser immer dies Gefühl haben wollen, und diesen Zustand sollte man Bildung nennen" (KA XII, 6-8). Einige Folgerungen hieraus und aus dem obigen Theorem müssen noch erwähnt werden, weil sie sich unmittelbar auf die Poesie beziehen: Alle Realität ist das Produkt entgegengesetzter Elemente. (Man darf nun getrost behaupten, die Naturwissenschaft, sie mag auch so hoch steigen, als sie will, wird keinen höheren Punkt finden, an den sie anknüpft, als den Dualismus. Es ist dies die reinste höchste Täuschung, und daher das Prinzip der Poesie.) (KA XII, 8) Realität ist nur in den Ideen. Identität ist der Charakter der Ideen. Sie sind daher nur Ausdruck, Symbol. Alles Wissen ist symbolisch. Alle Wahrheit ist relativ. Weil nämlich alle Wahrheit.. . nur in der Mitte liegt. Dies weil alle Realität in der Mitte liegt. - Die Wahrheit ist ein Produkt aus dem Konflikt der Täuschung. (.KA XII, 9)
Obwohl also beider Systeme, Spinozas und Fichtes, dazu beitragen können, die Grundlagen zur Konstituierung der neuen Mythologie zu schaffen, ist keins der beiden entscheidend. Schlegels System liegt in der Mitte. Behler spricht von dem „genialischen Realitätsbegriff" und bemerkt treffend: „Den besonderen Charakter dieses Realitätsbegriffes haben wird also im .Bewußtsein des Unendlichen', im Einswerden von Vernunft und Natur zu sehen, wie es sich z.B. im,Gefühl des Erhabenen', im Enthusiasmus, in der .Sehnsucht nach dem Unendlichen',.. . manifestiert. Diese Verschmelzung des Bezeichnenden und Bezeichneten ist der Punkt, aus dem alle Philosophie und jede Äußerung der Kunst hervorgeht. Sie birgt ein Wissen des Ganzen, eine Idee der Welt und ist dennoch der erste und urtümlichste Akt der menschlichen Vernunft". 16 So gaben uns obige Zitate eine neue Bestätigung für die Notwendigkeit von Schlegels symbolistischer Weltbetrachtung, für die Vereinigung entgegengesetzter Elemente, die innere Durchdringung von Realität und Idealität, die Möglichkeit der Erkenntnis und des Wissens nur durch das Symbol; die Notwendigkeit der Täuschung, deren Produkt jedoch die höchste Wahrheit ist. Da „höchste Täuschung" auch das Prinzip der 16
Behler, „Theorie der Universalpoesie", 220 f.
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Poesie ist, kann sie zur Wahrheit führen; in der Allegorie der Poesie löst sich der Schein des Endlichen, und durch das Symbol tritt die „Bedeutung" an die Stelle der Täuschung. Das, „was sonst das Bewußtsein ewig flieht", in sinnlich-geistiger Anschauung festzuhalten, ist auch der „große Vorzug" der Mythologie. „In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet;" alles ist Beziehung zu diesem Höchsten, alles „Anbilden und Umbilden", ein einziges „Chaos von Symbolik, Personifikation, Allegorie". Hier ist das Höchste einer „absichtlichen Bildung" fähig (M II, 361) durch die poetische Urkraft „aus der tiefsten Tiefe des Geistes". Bewußt vom Verstand geschaffen, ist sie das „künstlichste" aller Kunstwerke, „ein neues Bette und Gefäß für den alten ewigen Urquell der Poesie", ein Materialienkabinet für den Künstler. Berührt sie dieser mit Liebe, entfaltet sie sich zu einer „harmonischen Welt", einer solchen, wie es auch die alte Mythologie und Poesie war, die beide „Eins und unzertrennlich" waren. Doch kann die Mythologie auch als Welt für sich existieren. Sie kann „selbst das unendliche Gedicht, welches die Keime aller anderen Gedichte verhüllt", sein (M II, 358). Dies ist die eingangs des „Gesprächs" erwähnte, ursprüngliche Poesie, die Gott durch den Geist der Liebe in seinem Kunstwerk, der Natur gestaltet hat, und die nun wie das Werk eines menschlichen Künstlers, zur Vervollkommnung strebt: „Die Gottheit zu realisieren ist die unendliche Aufgabe der Natur" (KA XVIII, 416). So betrachtet der Idealismus „die Natur wie ein Kunstwerk, wie ein Gedicht". Das „Wesentlichste des Idealismus" besteht daher „in der Annahme einer absoluten Intelligenz, die die Realität in sich vereinigt, und die wir nur symbolisch kennen" (KA XII, 96). So ist auch „vollendeter Idealismus... Poesie" (KA XVIII, 473). Zu dieser symbolischen Form kommt der Idealismus durch den „ewigen Wechsel aus sich heraus zu gehn und in sich zurückzukehren" (M II, 359). Dieser Prozeß ist für Schlegel nun das Wichtigste; er ist grundlegend für alle Phänomene, die Sinn, Geist, „Bedeutung" haben. Der ewige Wechsel von Aussichherausgehen und Insichzurückkehren ist das Wesen des Geistes. Oder anders gesagt, der Geist nimmt Materie in sich auf, und diese Verbindung ist die Realität. Eine „absolute Intelligenz" vereinigt die Realität in sich, und beide können wir nur symbolisch kennen. Symbole sind die „Mysterien des Realismus". Die Anerkennung dieses grundlegenden Prozesses führt zu „Gewißheit der allerheiligsten Mysterien" (MII, 359). Gedanken sind „das Resultat einer solchen Tätigkeit"; überall, im Einzelnen und im Ganzen ist dieser Prozeß erkennbar. So ist er „ein Wink" für „den geheimen Zusammenhang und die innre Einheit
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des Zeitalters". Er ist der „Geist der Revolution", eine „Äußerungsart von dem Phänomene aller Phänomene, daß die Menschheit aus allen Kräften ringt, ihr Zentrum zu finden" ( M II, 359). Alles erhält durch den Prozeß neue Bedeutung und ein „Zeitalter der Verjüngung" ist das Ergebnis. Durch die Anerkennung dieses vorher unbewußten Selbstgesetzes bewirkt der Idealismus ein „verdoppeltes Leben", ein Leben des Lebens wird nun offenbart. Die bewußte Erkenntnis und Anerkennung dieses Wesens und Gesetzes des Geistes erkennt nun auch die „geheime K r a f t " des verdoppelten Lebens, die sich offenbart durch: erstens, „die unbeschränkte Fülle neuer Erfindung", zweitens, „die allgemeine Mitteilbarkeit", und drittens, durch „lebendige Wirksamkeit" ( M II, 359 f.). Welches andere Medium könnte alle diese revolutionären und verjüngenden Umwälzungen, diese „magische K r a f t " des Zeitalters, diese symbolistische Weltschau darstellen als die romantische Poesie? Es sei zu erwarten, „daß dieser neue Realismus, weil er doch idealischen Ursprungs sein und gleichsam auf idealischem Grund und Boden schweben muß, als Poesie erscheinen wird, die ja auf der Harmonie des Ideellen und Reellen beruhen soll" ( M II, 360). Und durch die Symbole, die ja das Endliche mit dem Ewigen vereinen, und die der neue auf der Harmonie des Ideellen und Reellen beruhende Realismus sind, kann die Poesie ihr Werk vollbringen. Sie kann es auf eine immer vollkommenere Art tun, da die neue Mythologie eine bewußt gebildete „Symbolik der Natur und Liebe" für die Poesie bereitstellen soll. „Jede schöne Mythologie" soll schon ein „hieroglyphischer Ausdruck der umgebenden Natur in dieser Verklärung von Fantasie und Liebe" sein ( M II, 361). Macht sich die neue romantische Poesie dieses „Chaos von Symbolik, Personifikation, Allegorie" zunutze, so kann sie in der Erschaffung immer neuerer und vollkommenerer Weltbilder ungeahnte Höhen erreichen, eine wahre Gehilfin der Götter bei der ewigen Weltvollendung. „Der Mensch dichtet gleichsam diese Welt, nur weiß er es nicht gleich", so hieß es. Dieser weltendichtenden Phantasie soll sich nun der Künstler, in dem die geistige Kraft in höherer Potenz erscheint, bewußt werden. Er soll sein inneres Dichtungsvermögen zur Bewußtheit entwickeln, das unbewußte Schöpfertum der Phantasie in die Welt der Erscheinungen übersetzen. Doch wir wissen, „der am meisten Fantastische Roman erscheint nicht". Und wie es in dem „Brief über den R o m a n " heißt: „Die Fantasie strebt aus allen Kräften sich zu äußern, aber das Göttliche kann sich in der Sphäre der Natur nur indirekt mitteilen und äußern. Daher bleibt von dem, was ursprünglich Fantasie war, in der Welt der Erscheinungen nur das zurück was wir Witz nennen" ( M II, 371 f.).
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Eine längere Definition des f ü r das Romantische so wichtigen Begriffes „Witz" gibt Schlegel in seinen philosophischen Vorlesungen in dem Kapitel, „Theorie des menschlichen Bewußtseins". D o r t heißt es: Es läßt sich zeigen, daß, je größer die Fülle ist, die er umfaßt, je entfernter die Gegenstände, die er verbindet, desto höher und kombinatorischer der Witz ist. In Beziehung auf das Wissen, oder überhaupt auf alle anderen Tätigkeiten, kann man den Witz als das Vermögen, die Ähnlichkeiten zwischen Gegenständen aufzufinden, die sonst sehr unabhängig, verschieden und getrennt sind, und so das Mannigfaltigste, Verschiedenartigste zu Einheit zu verbinden, den kombinatorischen Geist nennen. Obwohl im ganzen der Witz wie das Gewissen eine sehr allgemeine Fähigkeit, so ist er doch in diesem hohem Sinne eine seltene, nicht bei jedem anzutreffende Gabe . . . (KA XII, 403) Worin besteht nun aber der kombinatorische Geist anders, was ist er anders, als ein glückliches Erraten dessen, was ohne dies nicht aufzufinden wäre. Er ist mit einem Wort die Kraft der Erfindsamkeit, das erfinderische Genie, und erhebt, indem er die Fülle zur Einheit verbindet, das Gefühl, die Anschauung der Fülle, gleichsam zur Wissenschaft. Der Witz also ist nicht allein die eigentümliche Form des anschauenden Geistes, sondern in seiner höchsten Bedeutung - auch das höchste Prinzip des Wissens. Dasjenige, was die durch Divination erfundene Fülle durch Kombination in wissenschaftliche Form bringt, und so den engen Kreis des mit Gewißheit Gewußten zu großem Reichtum und Mannigfaltigkeit erweitert. (KA XII, 404) Auf dieser breiteren Basis wollen wir versuchen, jene schwierige Stelle zu erklären, die von den Bedingungen f ü r das Bestehen des Witzes und der Mythologie spricht: Weder dieser Witz noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte Natur und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive Tiefsinn den Schein des Verkehrten und Verrückten, oder des Einfaltigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Fantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen, für das ich kein schöneres Symbol bis jetzt kenne, als das bunte Gewimmel der alten Götter. (M II, 362) D a s Ursprüngliche, schlechthin Unauflösliche scheint die „unendliche Fülle" zu sein, die unableitbar, unanschaubar und daher unnachahmlich ist. Als „heilige Lebensfülle" ( M II, 371) kündet sie in ihrer Unermeßlichkeit von ihrem ursprünglichen Schöpfer, der Gottheit (s.u.). Sie
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ist ausschließlich „bloß Gegenstand des Gefühls" und muß durch einen „weissagenden Blick" erraten werden. Alles jedoch, was sich auf die unendliche Seinsfülle bezieht, kann nicht nur sondern muß auch „durch eine Art von Divination erkannt werden" (KA XII, 403 f.). Hier setzt nun die Funktion des Witzes ein, der praktisch gesehen durch den Künstler oder den höheren Menschen wirkt, den Schlegel oft als Priester und Propheten bezeichnet, weil er den „weissagenden Blick" haben muß. Das Gefühl weiß von der unendlichen Fülle; es ist nun Aufgabe der „Kraft der Erfindsamkeit", des „erfinderischen Genies" dieses gefühlte und erratene Wissen zur bewußten Wissenschaft zu erheben. Dies ist das eigentliche Aktionsfeld des Witzes: das Mannigfaltigste, Verschiedenartigste, das Unabhängigste und Getrennteste der durch „Divination erfundenen" unendlichen Fülle durch „Kombination" zur Einheit zu verbinden, in „wissenschaftliche Form" zu bringen. Dieser Prozeß ist endlos, da ja die Fülle unendlich ist, und es eine unendliche Vielfalt von Kombinationen geben kann. Auf diese Weise wird der „enge Kreis des mit Gewißheit Gewußten" durch eine Unendlichkeit des durch Erratung Gewußten „zu großem Reichtum und Mannigfaltigkeit" erweitert. Es soll also festgehalten werden, daß Witz nicht die unendliche Fülle schafft, sondern sie nur verschiedentlich zusammenkombiniert, sie organisiert, obwohl Schlegel manchmal von „Erfindungskunst" und „Kraft der Erfindsamkeit" redet. Dies bezieht sich ausschließlich auf die neuen Fügungen des kombinatorischen Geistes des erfinderischen Genies. So heißt es auch: „Witz, ars combinatoria, Kritik, Erfindungskunst, ist alles einerlei" (KA XVIII, 124). Nun sind auch alle anderen Äußerungen über den Witz eher verständlich. Öfters wird seine Genialität betont; er ist ein „bedingter geselliger Geist" (Lyc.Frgm. 9), da die ursprüngliche Phantasie sich mit allen Kräften zu äußern drängt; er ist eine „Explosion von gebundenem Geist" (Lyc.-Frgm. 90), und öfter wird er auch als „chemischer Geist" bezeichnet (Vgl. Ath.-Frgm. 366).17 Obwohl Schlegel eine ganze Skala18 von Witzarten unterscheidet, ist er doch „unzertrennlich von Fantasie und hat seine Heimat ganz in der 17 Zur Bestimmung des Witzes vgl. ferner: Lyc.-Frgm. 11, 16, 34, 51, 56, 71, 126; Ath.-Frgm. 32, 220, 305; Eichner an Hand des Registers und die Philosophischen Lehrjahre (KA XVIII). 18 Vgl. E 1959: „Hieroglyphen sind religiöser Witz. - (Sarkasmus der politische Witz - Festivität Jovialität, der gesellige.) Urbanität = moralischer Witz. Ironie = philosophischer, Parodie = poetischer, Caricatur = mimischer Witz Humor musikalischer Witz, Groteske pittoresker Witz. (Physischer Witz = Combinatorisches Genie.)."
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Poesie" (E 1672). Aus den Gesetzen der Vernunft ermöglicht er und ist er „Rückkehr zur Poesie" (E 1786); ja er ist ein „Ideal der Poesie" (E 1665), denn er vermittelt die Ahnung der unendlichen Fülle, der ursprünglichen Phantasie: „Witz ist die Erscheinung, der äußere Blitz der Fantasie; daher seine Göttlichkeit" (Idee 26). Und die besten Witze sind „echappées de vue ins Unendliche" (Ath.-Frgm. 220). Da der Witz im Wert immer höher steigt, „je größer die Fülle ist, die er umfaßt, je entfernter die Gegenstände, die er verbindet", so ist es nicht überraschend, wenn es heißt: „Der romantische Witz ist der höchste" (E 53). So führen die verschiedenen Äußerungen über den Witz von seiner philosophischen Deduktion wieder in den Bereich des Romantischen zurück. Als kombinatorischer Geist bewirkt der Witz in der romantischen Poesie die Universalität, die Verbindung des Entgegengesetzten und gibt ihr allgemein den Vermittlungs- und Mischungscharakter. Der Witz verdeutlicht wieder den universalen Zusammenhang, indem er den rationalen Gang und die Gesetze der Vernunft auflöst, und versetzt „uns wieder in die schöne Verwirrung der Fantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur". Erst dann, nach Aufhebung der Vernunftgesetze des rationalen Denkens, kann eine neue romantische Poesie erblühen, denn „Absoluter Irrationalismus ist das eigentlich unterscheidende des Romantischen" (E 1681). Worin besteht nun das Gemeinsame des romantischen Witzes der romantischen Poesie eines Cervantes und Shakespeare und der Mythologie? Beide hätten dieselbe „Organisation" (M II, 362). Witz sei „dasjenige, was die durch Divination erfundene Fülle durch Kombination in wissenschaftliche Form bringt", so hieß die philosophische Bestimmung des Witzes. Ebenso betätigen sich das „erfinderische Genie", der „kombinatorische Geist" eines Shakespeare und Cervantes, indem sie Widersprüche zu „reizender Symmetrie" ordnen, indem durch Ironie die im Enthusiasmus erschaffene Fülle neuer Erfindungen gelöst und wieder neu kombiniert wird. So erscheint zwar alles Einzelne wie ein Chaos von Verwirrung; jedoch liegt dem eine künstliche Ordnung zugrunde, die sich in der „Konstruktion des Ganzen" zeigt. Wie diese „Organisation" der Wortkunstwerke, so besteht auch die der Mythologie, des „Kunstwerks der Natur", in ewigem „Anbilden und Umbilden", wo alles „Beziehung und Verwandlung" ist. Schlegel nennt dies „ihr eigentümliches Verfahren, . . . ihre Methode" (M II, 361). Beispiele für den „großen Witz der romantischen Poesie" finde man in den Werken des Cervantes und Shakespeare. Er zeige sich in der „Konstruktion des Ganzen", als „künstlich geordnete Verwirrung",
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„reizende Symmetrie von Widersprüchen", als „ewiger Wechsel von Enthusiasmus und Ironie", und als „naiver Tiefsinn", der den „Schein des Verkehrten und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern" lasse (M II, 361 f.). Einige Beispiele für die „Symmetrie von Widersprüchen", für die Vereinigung von Gegensätzen zu einer höheren Einheit wurden schon im dritten Kapitel erwähnt: das Bewußtsein der eigenen Widersprüche in Hamlet und Claudio, der tragische Gebrauch des Witzes in der Verbindung von Wahnsinn und Weisheit in der Gestalt des König Lear und in der Darstellung Macbeths, die durch Verblendung, durch die Unfähigkeit zwischen Sein und Schein zu unterscheiden, zugrunde gehen ; die Vereinigung des Mimischen und Phantastischen im Sommernachtstraum und Don Quixote und einige Beispiele für die Verbindung des Realen und Idealen, für die Offenbarung des Allgemein-Gültigen durch das Individuelle im Don Quixote. Einige weitere Belege mögen näher erläutern, was mit den obigen Ausdrücken aus der „Rede über die Mythologie" gemeint ist, wie sich der romantische Witz in der Konstruktion des Ganzen zeigt. Don Quixote als „ein System der romantischen Elementarpoesie" (E 1023) sollte sich hierzu besonders gut eignen. Der Gegensatz des Realen und Idealen, verkörpert in den beiden Hauptgestalten, bestimmt das ganze Thema des Romans. In Don Quixote und Sancho Pansa stehen sich eine poetische und eine prosaische Weltbetrachtung gegenüber. Beide sind jedoch zusammengefaßt in der Struktur der Dichtung, so daß diese durchaus ein Beispiel für die „Symmetrie von Widersprüchen" darstellt. Für Don Quixotes Verhalten ist das Abenteuer mit den Windmühlen beispielhaft. Die von Sancho natürlich als solche erkannten Windmühlen werden zu Riesen in der poetischen Welt des Don Quixote. Mit stoßbereiter Lanze galoppiert er darauf los, nur um von den Flügeln ergriffen und mit zerbrochener Lanze weggeschleudert zu werden. Don Quixote hat den Verstand verloren, Ding und Begriff decken sich nicht mehr; die Windmühlen sind für ihn Verderben bringende Riesen, ungebändigte Mächte des Bösen. Gegen diese fühlt er sich berufen, das Ideale zu verteidigen. Zu diesem Zweck, die wachsende Bosheit zu bekämpfen, Jungfrauen zu verteidigen, Witwen zu schützen, Waisen und Hilfsbedürftigen beizustehen, wurde der Orden der irrenden Ritter begründet. Das Ideale, der aus der Phantasie und in Freiheit lebende unendliche Geist, stößt mit der kausalbedingten Wirklichkeit zusammen, woraus das Phantastische und Groteske entspringt. Die Bedingtheiten des wirklichen Daseins stehen in ironischem Gegensatz zu Don Quixotes unbeirrbaren Versuchen, das Ideal des goldenen
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Zeitalters, Tugend, Liebe und Friede wieder zu vergegenwärtigen, die Tafelrunde und die zwölf französischen Pairs wieder zu erwecken. Das Abenteuer mit den Windmühlen offenbart in seiner Sinnbildlichkeit die tragische Narrheit eines idealen absoluten Wollens und die zerstörende Wirkung seiner Einwirkung auf die prosaische Wirklichkeit; somit ist es ein treffendes Beispiel für Schlegels Begriff der Transzendentalpoesie, die „als Satire mit der absoluten Verschiedenheit des Idealen und Realen" beginnt (Ath.-Frgm. 238). Ein noch tieferer Einblick in die Widersprüche des menschlichen Daseins wird gegeben, wenn Don Quixote im Gegensatz zu sich selbst erscheint. Er löst die Ketten der Verbrecher, vor denen er die Witwen und Waisen schützen wollte. Damit stört er sogar die Gerechtigkeit, den Frieden, die Ideale seines Herzens, die er doch verwirklichen wollte. Das unbedingte Wollen seiner guten Gesinnung schadet und vermehrt nur das Übel. Das unbedingte Gute bringt Anarchie in die bedingte Welt. Die absoluten Ideale sind nicht realisierbar. Sie sind wertlos, wenn sie sich nicht beschränken und die Wirklichkeit in sich aufnehmen. Das Ideale ist nicht nur nicht realisierbar, es ist auch nicht in der Erscheinung anschaubar, wie es die Dulcinea-Episode beweist. In der Ideenwelt Don Quixotes ist Dulcinea das Urbild des Guten und Schönen, das konstante Leitbild seiner eingebildeten Ritterexistenz. Doch erweist sich das herrliche Ideal als häßliche und gemeine Dirne. Cervantes gestaltet hier in der Tat eine „künstlich geordnete Verwirrung", indem er die beiden Helden sich gegenseitig parodieren läßt. Der ideale Don Quixote nimmt diesmal nur die häßliche Wirklichkeit wahr, während der prosaische Sancho ein poetisches Bild von ihr entwirft. Die Anschauung des unbedingten Ideals in der Wirklichkeit gestaltet sich zur Groteske. Doch ernster Hintergrund schimmert hindurch: das tragische Verhältnis des Menschen zur geistigen Welt des rein Idealen. So gelingt es dem „erfinderischen Genie" des Cervantes, die zwei verschiedenen Welten durch Parodie sowohl der poetischen Existenz als auch der prosaischen in der Konstruktion des Ganzen zusammenzubringen, die „Symmetrie von Widersprüchen" zu erreichen. Durch den „Witz", den „Wechsel von Enthusiasmus und Ironie" wird der Anspruch beider Daseinsformen auf Allgemeingültigkeit vernichtet. Was in der Einseitigkeit für sich genommen als absolut gilt, erscheint durch die Ironie der Darstellung als bedingt. Cervantes erscheint so als der wahre Künstler im Schlegelschen Sinne, der seine Gestalten im Enthusiasmus schöpft und sie nach dem Absoluten greifen läßt und dann ihren Enthusiasmus durch Ironie beschränkt. Er ist sich sowohl
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der Notwendigkeit als auch der Unmöglichkeit der Darstellung des Absoluten bewußt. Er beweist dies durch seine Distanz von seinen Schöpfungen, durch seine scheinbare Interesselosigkeit ihnen gegenüber: unbarmherzig gibt er das Gute und Schöne dem Lächerlichen preis. Ernst und Scherz wechseln dauernd miteinander. Cervantes läßt seinen Helden von Prinzessinnen, Riesen, Zauberern, edlen Rittern und Kastellen sprechen, die in der Wirklichkeit nur Dirnen, Windmühlen, gewöhnliche Menschen und Schenken sind, so daß er ein wirklicher Narr zu sein scheint; doch läßt der Erzähler keinen Zweifel daran, daß sich in der Hülle der Narrheit Weisheit und Vernunft, Gutes und Edles, Tugend und Schönheit offenbaren. Don Quixotes Weisheit offenbart sich in seinen Betrachtungen, die er nach seinem Abenteuer mit dem Wagen voll Schauspielern anstellt. Wie die Komödianten alle gleich sind, nachdem sie ihre Rollen gespielt und ihre Kleider ausgezogen haben, so sind auch alle Menschen gleich, wenn der Tod ihnen die Kleider auszieht, durch welche sie sich allein unterscheiden. Von der Perspektive des Todes erscheint hier die ganze Welt als Spiel und des Helden eingebildete Ritterschaft und Narrheit erscheinen nicht mehr so vereinzelt, denn jeder Mensch lebt in einer Illusion und spielt seine Rolle. Don Quixotes individuelle Illusion erweitert sich zur Allgemeingültigkeit und wird zum Menschheitsgleichnis. Der naive Tiefsinn des Cervantes läßt hier „den Schein des Verkehrten und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern". Endlichkeit und Unendlichkeit werden auf diese Weise im Kunstwerk zusammengebracht. Das Wortkunstwerk ist eine Nachahmung des Spiels der Welt, des vom Tode her als Spiel erscheinenden Lebens. Spiel und Ernst überkreuzen sich auch in der Episode, wo das Herzogspaar sein Spiel mit Don Quixote treibt. Obwohl dieser vorher die Verkleidung der Schauspieler erkannt hatte, durchschaut er dieses Schauspiel nicht. Weil der Herzog ihn als Ritter begrüßt, glaubt Don Quixote sich in seinem Rittertum bestätigt. Um so mehr er sich jedoch als wahrer Ritter fühlt, um so vollendeter wird seine Torheit in den Augen der Welt. Je ernster er seine Ritterideale in diesem Spiele verficht, um so lauter wird das Gelächter der Welt. Im großen Spiele der Welt jedoch erscheinen diejenigen als Toren, die sich als Regisseure wähnen und Don Quixote als der Gute und Weise, dem es zusteht, den Müßiggang und die Verderbtheit der ganzen Hofwelt zu geißeln. Ewigkeit und Endlichkeit werden wiederum zusammengebracht in den Reflexionen Don Quixotes über die Heiligenbilder. In der hohen Gesinnung sei er den Heiligen ähnlich, doch rangen diese nach dem Göttlichen,
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während er nach dem Menschlichen ringe, so meditiert er. Der Sinn seiner Sendung wird ihm zweifelhaft; doch reflektiert er über Leben und Sterben des heiligen Paulus, der im Leben ein irrender Ritter und ein Heiliger im Tode gewesen sei. Das Bild wird zum Sinnbild vom eigenen Schicksal des Reflektierenden; denn kurz vor seinem Tode wird Don Quixote wieder Alonso Quixano der Gute, der seine Ritterfahrt im Dienst der Dulcinea als eine verworrene Irrfahrt erkennt und alle Illusionen der Ritterromane mit ins Grab nehmen möchte. So weitet sich seine irrende Ritterfahrt ins Mythische, sie wird zum Gleichnis der verworrenen Pilgerschaft der Menschheit im Angesichte der Ewigkeit. Gottes Barmherzigkeit schenkt ihm am Ende die Erkenntnis der Wahrheit und läßt ihn als einen im Guten vorbildlichen Menschen sterben, wohl weil er ohne Klagen, in unbeirrbarer Treue zu seinen Idealen, das viele Leid der Welt erduldete. So erscheint im Don Quixote „das Höchste wirklich gebildet" und seine vom Endlichen her beschränkte Gestalt erweitert sich ins Unendliche zum mythischen Vorbild. Die menschliche Gestalt erhält symbolische Bedeutung, indem sie ein Bild des Universums vermittelt. So beweist das „erfinderische Genie" Cervantes seine mythenbildende Kraft. Dies verbindet ihn mit den anderen Großen: Shakespeare und Dante, die auch aus eigener Kraft durch Verbindung der verschiedensten Tendenzen des Zeitalters zu einem einheitlichen Ganzen eine Mythologie aus dem Bewußtsein der Moderne erschaffen und damit die Leere und Haltlosigkeit der modernen Dichtung überwunden haben. Der Don Quixote bezeugt also die Möglichkeit einer neuen Mythologie, wie sie Schlegel forderte. Stoff und Form sind seinem Zeitalter entnommen, dessen verschiedene Tendenzen im Don Quixote zusammengefaßt werden. Der große Witz der romantischen Poesie vereinigt das Entfernteste und Verschiedenartigste in der Konstruktion des Ganzen zu einer umfassenden Einheit, zu einem mystischen Kunstwerk. Das scheinbar Entgegengesetzte: Ernst und Scherz, Liebe und Haß, Eintracht und Zwietracht, Friede und Krieg, Leben und Tod, das Böse und Gute, Tugend und Laster, das Geistige und Materielle, Narrheit und Weisheit, das Größte und Kleinste, das Reale und Ideale, das Endliche und Unendliche, das Poetische und Prosaische, Enthusiasmus und Ironie werden durch den großen Witz in einem mythologischen Kunstwerk zusammengebracht und werden in der Struktur des Werkes zur Einheit verwebt. Der Künstler, dessen Witz alle diese antithetischen Einzelheiten zu einem einheitlichen Ganzen zusammenbinden soll, muß besonnen sein und weise in der Anordnung der Teile und der Verteilung des Gewichtes und in tiefer Absicht die Idee des Ganzen herausarbeiten, indem er das
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Individuelle immer so gestaltet, daß das Allgemeine hindurchschimmert. Die witzige Absicht des Künstlers muß Einheit aus Verschiedenheit, Mannigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit schaffen. „Da man nun anfängt, den Shakespeare nicht mehr für einen rasend tollen Sturm- und Drangdichter, sondern für einen der absichtsvollsten Künstler zu halten, so ist Hoffnung, daß man sich entschließen werde, auch den großen Cervantes nicht bloß für einen Spaßmacher zu nehmen, da er, was die verborgene Absichtlichkeit betrifft, wohl ebenso schlau und arglistig sein mochte, wie jener, der ohne von ihm zu wissen, sein Freund und Bruder war . . ." (M II, 315), so hebt Friedrich Schlegel das aus dem tiefsten Verstände herausarbeitende Künstlertum dieser beiden Großen der romantischen Poesie hervor. Die Gegensätze müssen „künstlich geordnet", aufeinander abgestimmt sein und sich alle auf die Idee des Ganzen beziehen. Poesie und Leben werden in dieser Idee durch die Parodie der Ritterbücher, deren Wunderweit nichts mehr mit dem Leben gemeinsam hatte, einander wieder angenähert und selbst mit dem Bewußtsein ihrer Disharmonie wieder verknüpft. Die beschränktere negative Idee der Satire erweitert sich zu einer universalen Ansicht des Zeitalters und wandelt sich ins Positive: Die Satire erhebt sich zum Mythos einer Bildungslehre und Lebenskunst. Diese zwei Tendenzen: eine im Beschränkten wirkende und eine sich ins Allgemeine erhebende, eine mythologische Wirkung bezeugende, d.h. eine Tendenz zu ewiger Vorbildlichkeit, erkennt Schlegel im Wilhelm Meister, Hamlet und Don Quixote. Sie sind wohl in jedem großen Kunstwerk erkennbar. Der Wilhelm Meister sei aus zwei Ideen gemacht. „Die erste war bloß die eines Künstlerromans; nun aber ward das Werk, überrascht von der Tendenz seiner Gattung, plötzlich viel größer als seine erste Absicht und es kam die Bildungslehre der Lebenskunst hinzu, und war der Genius des Ganzen. Eine eben so auffällige Duplizität ist sichtbar in den beiden künstlichsten und verstandvollsten Kunstwerken im ganzen Gebiet der romantischen Kunst, im Hamlet und im Don Quixote" (M II, 381). Wie der „Witz" in der Struktur des Don Quixote Verschiedenartiges und Gegensätze zusammenbringt, verdeutlicht z.B. die Unterbrechung des Ernstes der Handlung im achten Kapitel des ersten Teiles - Don Quixote und der Biscayer stehen sich auf Leben und Tod gegenüber durch den Scherz mit der Form: Cervantes gibt vor, die Handschrift breche gerade hier ab, und er begibt sich auf die Suche nach einer Fortsetzung, die er in Cide Hametes arabischem Original findet, so daß Cervantes von nun an nur noch als Herausgeber der Übersetzung fungiert.
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Durch Ironie wird der Ernst der Situation vernichtet, der Dichter löst sich lächelnd von seinem Gegenstand, der durch das Spiel mit der Form eine scherzhafte Perspektive erhält. Umgekehrt wird im Scherz eine ernsthafte Perspektive offenbart, wenn Dorotea die Rolle einer tief gekränkten, um Don Quixotes Schutz flehenden mikomikonischen Prinzessin spielt mit dem Ziel, Don Quixote zu veranlassen, aus der Wüste in sein Heimatdorf zurückzukehren. Durch das Spiel schimmert der Ernst hindurch; denn sie ist wirklich von einem ungetreuen Liebhaber gekränkt und entehrt worden und bedarf des Schutzes. Phantasie und Wirklichkeit, literarisches und wirkliches Leben mischen sich in der Cardenio-Episode. Als Cardenio in seiner Erzählung von seinem Unglück den Ritterroman Amadis erwähnt, versetzt der zuhörende Don Quixote Luscinda in die ideale Sphäre der Ritterromane und verteidigt sie gegen Cardenios Vorwürfe, der, nun auch in einen Anfall von Wahnsinn hineingerissen, behauptet, der Schuft Elisabat habe bei der Königin Modasima geschlafen, womit Fernando und Luscinda in der wirklichen Welt gemeint sind. Die Wortgefechte in der imaginären Welt der Ritterromane stehen im Gegensatz zu den handgreiflichen, derben Prügeleien im Bereich der Realität: eine wahrhaft „künstlich geordnete Verwirrung". Wie alle sieben, in die Haupthandlung verwebten Nebenerzählungen des ersten Teiles von Don Quixote als ein Beispiel für die „Symmetrie von Widersprüchen", für den „großen Witz der romantischen Poesie" gelten können, ist von Raymond Immerwahr herausgearbeitet worden.19 Die einzelnen Geschichten um Grisostomo und Marcela; Cardenio und Luscinda; Fernando und Dorotea; und den Gefangenen und Zoraida, Luis und Clara; Eugenio und Leandra und die Zentralnovelle vom „Curioso impertinente" um Anselmo, Lotario und Camilla bespiegeln und ergänzen sich sowohl gegenseitig als auch die Haupthandlung, von der sie ein Teil sind. Indem jede der Geschichten eine andere Ansicht vom Leben und der Liebe darstellt, werden die einzelnen einseitigen Ansichten überwunden, wird die exemplarische Bedeutung nur einer Geschichte eingeschränkt. Nichtsdestoweniger bedeuten die einzelnen Fälle immerwährende Möglichkeiten, die in den Zusammenhang aufgenommen werden und so ein Bild von der Universalität des Lebens geben. Wie das Leben sich als eine vielverschlungene Einheit darbietet, so soll auch der Roman aus scheinbar chaotischen Einzelheiten ein einheitliches Welt19
Raymond Immerwahr, „Structural Symmetry in the Episodic Narratives of Don Quijote, Part One", Comparative Literature, X, 1958, 121-135.
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bild im Kunstwerk geben, indem die Einzelheiten untereinander und zum Ganzen in eine bestimmte Beziehung gesetzt werden. Die erste Geschichte um Grisostomo und Marcela ist ein stilisiertes Schäferidyll, in dem Grisostomos reale Wünsche sowohl im Widerspruch zu seiner angenommenen Existenz stehen als auch zu der idealen, die natürliche Bestimmung der Frau ausschließenden Welt der schönen Marcela, so daß es im Bereich des wirklichen Lebens zu einem tragischen Ende kommt. Während das ideale Schäferleben eine Parallele bildet zu Don Quixotes idealem Rittertum, steht das tragische Schicksal Grisostomos im Gegensatz zu den komischen Abenteuern des Don Quixote und dessen platonischer Liebe. Während Cardenio zuweilen seinen Verstand verliert wegen der harten, ihm vom wirklichen Leben zugefügten Schicksalsschläge, hat das Lesen der vielen Ritterbücher Don Quixote um den Verstand gebracht. Fernando, der verantwortungslose, an Cardenio und Dorotea Verrat übende Liebhaber, steht im Gegensatz zu fast allen anderen, besonders zu dem in seiner Liebe und Loyalität unbeirrbaren Gefangenen. Vielfältig sind die antithetischen Beziehungen zwischen Anselmo und Don Quixote. Wenn jener das in Camilla verkörperte Ideal des Guten und Schönen einer unmenschlichen Probe unterzieht, weil er das Unsichtbare mit Händen fassen will, so daß sich das Ideal in sein Gegenteil verkehrt und beide Personen an der Probe zugrunde gehen, dann glaubt Don Quixote fest an das nur in seiner Phantasie existierende Ideal seiner Dulcinea und sieht es schon in leibhaftiger Erscheinung, wie es seine konkreten Schilderungen davon bezeugen. Er verzichtet gerne auf Proben, wie er auch auf eine zweite Probe seines pappenen Helmes verzichtete, und glaubt lieber an Verzauberungen, wenn das Bild der Wirklichkeit demjenigen seiner Phantasie nicht entspricht. Doch läßt dieser „Schein des Verkehrten und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen" den „naiven Tiefsinn" hindurchschimmern; denn Don Quixote verteidigt und rettet auf seine verrückte Weise menschliche Werte und Ideale. So wird das Vorlesen der Novelle vom „Curioso impertinente" gerade in dem Moment unterbrochen, da Anselmo, der Held der Erzählung, wähnt, am meisten geehrt zu sein, während er tatsächlich im größten Selbstbetrug lebt und die völlige Vernichtung seiner Ehre erfährt. Doch wird in demselben Moment auf der Ebene der Einbildung, der Phantasie und des Traumes die verlorene Ehre der mikomikonischen Prinzessin (Dorotea) wieder hergestellt, indem der schlafwandelnde Don Quixote ihrem Feind, dem Riesen, den Kopf absäbelt.
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Die Frauen in diesen Episoden stehen nicht minder wie die Männer in Beziehung zueinander. Das blendende Schönheitsideal der Marcela aus dem stilisierten Schäferidyll ist so abstrakt und wirklichkeitsfern wie die keusch-kalten Tugenden der Dulcinea. Beide stehen im Gegensatz zu der hingebend liebenden Dorotea. Camilla bildet einen Gegensatz zu sich selbst: am Anfang ist sie wirklich das hohe Ideal der Tugend und Ehre, das sich am Ende jedoch in das Bild einer gemeinen Ehebrecherin verwandelt hat. Anselmo verkennt eine Weile die Wirklichkeit und sieht in der Gefallenen noch das hohe Ideal. Die Annahme, zu der das Beispiel dieser Novelle berechtigt, daß das Ideale in der Wirklichkeit nur Täuschung oder Verstellung sei, wird durch Luscinda widerlegt. Sie ist die Strahlende, das Ideal in der Erscheinung, das den Prüfungen des Lebens nicht unterliegt, das jedoch wiederum Fernando zu Falschheit und Lug hinreißt. Dies sind nur einige Beispiele aus einigen Episoden,20 die leicht vermehrt und in etwas anderer Gestalt auch bei Shakespeare gefunden werden könnten. Doch sind es genug, um zu zeigen, was Schlegel meinte mit dem „großen Witz der romantischen Poesie", der das Verschiedenartigste, Entfernteste und Entgegengesetzteste zu einer „Symmetrie von Widersprüchen", zu einer aus dem Chaos geschaffenen Einheit ordnet, die sich in der „Konstruktion des Ganzen" zeigen muß. Keine einzelne Episode kann exemplarischen Charakter beanspruchen. Das Einzelne wird in den Beziehungszusammenhang aufgenommen, wo es durch Spiegelung mit dem Entgegengesetzten einen anderen Sinn, vom Ganzen her eine höhere Bedeutung erhält. Die literarische Vorstellungswelt wird mit dem wirklichen Leben in Beziehung gesetzt und irgendwo inmitten der sich kreuzenden Bezüge, in der Mitte zwischen den Gegensätzen: dem Idealen und Realen, dem Unendlichen und Endlichen, dem Unbedingten und Bedingten, dem Licht und der Finsternis, dem Ernst und Scherz, der Tragik und Komik liegt das, was für Schlegel Sinn, Bedeutung und Realität für den Menschen hat, ist die menschliche Lebenssphäre zu finden. Während die einzelne Episode nur beschränkte Bedeutung hat, ergeben alle zusammengenommen einen verschlungenen Beziehungs- und Bedeutungszusammenhang, der repräsentativ ist für das rätselhafte 20 Weitere Beispiele gibt auch Werner Brüggemann, der die Beziehungen der Romantiker zu Don Quixote als „allegorischer Kunst-Mythologie" eingehend herausstellt. Siehe: Cervantes und die Figur des Don Quijote in Kunstanschauung und Dichtung der deutschen Romantik (= Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, zweite Reihe, Bd. 7) (Münster/Westfalen, 1958), besonders S. 49-92.
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Dasein des Menschen in dieser Welt. Die einzelnen Gestalten werden so durch Erweiterung Exempel des Menschseins, die sich bewähren oder scheitern. Durch die Beziehung der einzelnen Beispiele untereinander und auf die Idee des Ganzen erhalten sie gleichnishaften und sinnbildlichen Charakter. Die verschiedensten auseinanderstrebenden Tendenzen des Zeitalters werden so durch den „Witz" im Kunstwerk vereinigt, das durch den in ihm dargestellten Beziehungsreichtum universale Bedeutung erhält und durch die Verbindung der vielfältigen Erscheinungen des Zeitalters zu einer umfassenden höheren Einheit eine individuelle aus der tiefsten Tiefe des Geistes geschaffene Mythologie darstellt, wie sie Friedrich Schlegel forderte. Es ist, wie wir gesehen haben, ein und dasselbe Prinzip, das dem philosophischen Witz, dem romantischen Witz und der Mythologie zugrunde liegt. Der kombinatorische Geist des Witzes, der ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie im romantischen Kunstwerk, das ewige Anbilden und Umbilden der Mythologie sind, verschiedentlich ausgedrückt, dieses Prinzip. Dieses Prinzip wiederum hat eine paradoxe Grundstruktur, es läßt sich darin eine Polarität erkennen. Einmal wird durch ewiges Erfinden und Divinieren, Anbilden und Umbilden, durch den ewigen Wechsel die Fülle zu großem Reichtum und großer Mannigfaltigkeit ins Unendliche erweitert, und zum anderen soll diese Fülle mit allem darin befindlichen Entgegengesetzten und Verschiedenartigen zu einer einheitlichen Form organisiert werden. Genau dies bedeutet die Eintragung, die romantische Poesie sei „chaotisch aber in sich organisiert" (E 2071). So kann das Verdienst des Witzes nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nur er kann auch Gegensätze wie das Endliche und Unendliche zusammenbringen. Hier im „Gespräch" lautet das Stichwort für diese Vereinigung: „das Höchste wirklich gebildet", neben solchen typischen Ausdrücken wie „geordnete Verwirrung" und „Symmetrie von Widersprüchen". Im „Gewebe" der Mythologie soll das Höchste, das Geistige, Göttliche mit dem Physischen, Körperlichen, Menschlichen vereinigt sein. Dies Höchste wäre „sinnlich geistig zu schauen und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe" (M II, 361). Dies wäre wahre „Bedeutung", die neue Wirklichkeit, der neue Realismus, der unmöglich durch bloße Reflexion zu erreichen ist und daher zur Erschaffung einer Allegorie, einer Mythologie führt. Prophetisch verkündet Schlegel sein Zeitalter der Mythologie: „Ist Poesie und Philosophie Eins, dann wird die Menschheit Eine Person. Vielleicht würde dann die Sprache selbst auch Mythologie. Zur neuen Menschheit die Griechen und das Urvolk die Inder etwa synthesiert. . . Das Zentrum wird Mythologie sein; dann
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werden Künstler und Menschen nicht mehr getrennt sein. Dann wird auch in der Welt selbst Natur, Universum und Gottheit zerfließen" (KA XVIII, 255). Das heißt natürlich, daß sich der Mensch zu dieser Zusammenschau von Natur, Universum, Gott gebildet haben wird, wozu ihm jetzt noch das Kunstwerk dienen soll: „Durch die Mythologie wird die Lektüre und der Buchhandel ein Ende nehmen" (KA XVIII, 257). Dies ist natürlich eine Zukunftsvision vom goldenen Zeitalter, die zwar nicht allgemein realisierbar ist, doch im Kunstwerk Gestalt annehmen kann. Es ist Aufgabe der romantischen Poesie, dies Ideal ständig zu verkünden und den Menschen auf das goldene Zeitalter hin zu bilden. Daher soll die romantische Poesie absolut mythologisch sein und vermittels Symbole und Allegorie das Höchste verkünden. Tut sie dies, dann sind Mythologie und Poesie wieder „Eins und unzertrennlich", nicht mehr nur „indirekte Mythologie" (M II, 362) wie die ältere romantische Poesie. Und wieder, gerade im Zenith seiner Bemühungen um die romantische Poesie, sind die Griechen Vorbild. Für den Ausgangspunkt der synthetisierenden neuen romantischen Poesie, i.e. das „ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur", kenne er bis jetzt „kein schöneres S y m b o l , . . . als das bunte Gewimmel der alten Götter". Hier hat sich die poetische Urkraft im Menschen, sein ursprüngliches Dichtungsvermögen ein Symbol geschaffen, durch das er das Unsagbare, das Höchste, das ursprüngliche Chaos begreifen kann und so seiner Hilflosigkeit gegenüber der unendlichen Fülle Herr wird. „Der Begriff" der unendlichen Fülle, der aller Naturbegeisterung und aller geistigen Anschauung zum Grunde liegt", kommt „durch das ahnende, weissagende Gefühl in das menschliche Bewußtsein"; doch könnte der Mensch gar nicht zu diesem Gefühl kommen, „wenn er nicht durch das Göttliche darauf geführt würde". Die „Weissagung" von diesem Höheren und Göttlichen im Menschen „ist ein schöpferischer Akt" (KA XII, 381). „Die unendliche Fülle, insofern sie Erkenntnis ist, ist Ahnung und Weissagung, insofern sie eine Hervorbringung, ist sie Dichtung . . ." (KA XII, 377). Diese Zitate lassen den Zusammenhang unter den verschiedenen Begriffen wie: das Höchste, Gottheit, ursprüngliches Chaos, unbeschränkte Fülle, alte und neue Mythologie erkennen. Den Alten war es vergönnt, in ihrem goldenen Zeitalter in den Symbolen der alten Götter, „Gott zu denken und zu fühlen", das Höchste, die unendliche Fülle geistig-sinnlich zu schauen. Das Unsagbare, das ursprüngliche Chaos, die Unendlichkeit war in den Göttern und dem Wort der Dichtung gestaltet. „Die Poesie bringt die Götter auf die Erde . . "(KA XVIII, 231), sagt Schlegel.
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Die Mythologie der alten Dichtung hatte dies getan, die neue soll es wieder tun. Soll nun die neue romantische Poesie, vom Höchsten und Göttlichen in Symbolen künden, dann muß sie durch die neue Mythologie absolut mythologisch werden, und muß der Primat des Witzes in ihr herrschen. Der Witz als „Kraft der Allegorie" (E 1813), als Gegensätze vereinender kombinatorischer Geist muß in aller Mythologie und Poesie herrschen, denn er ist ja „die allgemeine Vermittlungskunst und Schöpfungswissenschaft", wozu auch Mystik, Christianismus und die Mythologie selbst zählen ( K A XVIII, 125). So heißt es auch: „Die Mythologie ist der älteste Witz" (.KA XVIII, 124); und: „Die ältesten Denkmale der Witzkunst sind die Götter" (KA XVIII, 126). Er ist „seiner Art nach mystisch" (KA XVIII, 124), wie für Schlegel alles mystisch ist, was Rationales und Irrationales verbinden soll, wie der Roman ein „mystisches Kunstwerk" war und wie es auch die Allegorie ist (KA XVIII, 81). Da das Prinzip des Witzes, „allgemeine Vermittlungskunst", auch das der romantischen Poesie ist, erweist sich Schlegel als folgerecht, wenn er den romantischen Witz als den höchsten preist. In der Mythologie soll der Witz die disparatesten Dinge vereinigen, und zwar zu jener höheren Einheit, die das Höchste enthalten soll, und die daher ein „göttlicher Begriff" ist, auf den der Mensch nie gekommen wäre, „wenn er selbst nicht eins gewesen wäre in Gott und mit Gott . . ." (KA XII, 381). Es ist „die erste höchste, ursprüngliche Einheit", die paradoxe Einheit, „in der das Unendliche und die Einheit ursprünglich und in der Tat eins und dasselbe sind" (KA XII, 382). Um dies goldene Zeitalter wieder herbeizubringen, dies Reich Gottes zu „realisieren", um das neue Zeitalter der Mythologie zu erreichen, werden alle guten und großen Kräfte des Zeitalters mobilisiert. Entgegen dem natürlichen Wachstum der alten Mythologie, soll die neue künstlich „aus der tiefsten Tiefe des Geistes herausgebildet werden" (M II, 358). Nicht wie die alte an das „lebendigste der sinnlichen Welt" sich „unmittelbar anschließend und anbildend", sondern aus dem Nichts wird sie gebildet werden kraft des Geistes, der zum ersten Mal in der Geschichte zur Selbstbestimmung und Selbsterkenntnis gelangt ist, wie es der Idealismus, das „große Phänomen des Zeitalters", bezeugt und der „auf eben die Weise gleichsam wie aus Nichts entstanden" (M II, 359). Ein wundersames Gemisch ist diese neue Mythologie. Die Hauptbestandteile sind: alle anderen Mythologien, die Physik, der Idealismus und Spinozismus. Was die anderen Mythologien an Tiefsinn, Schönheit und Bildung haben, soll wieder erweckt und übernommen werden, „um
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die Entstehung der neuen Mythologie zu beschleunigen" (M II, 362). Die Physik liefert das Reelle, die Gegenstände, der Idealismus die Idealität, die Vergeistigung der Gegenstände und eine „unbeschränkte Fülle neuer Erfindungen", und der Spinozismus verbrämt schließlich diese Mischung mit Phantasie, Liebe, Genialität und veredelt es durch Vergöttlichung mit dem Gefühl der Sehnsucht und einem ewigen Gottesstreben. Der Idealismus heißt es, müsse aus sich herausgehen und stets den Realismus suchen (KA XVIII, 358), doch fließe der Realismus „endlich wieder in den Idealismus zurück" (KA XVIII, 359), so daß die Forderung erfüllt wird: „Alle Ideen sollen Individuen werden und alle Individuen zugleich Ideen sein. Alle Realität soll idealisch sein, und alle Idealität real" (KA XVIII, 35). Daraus entsteht der neue Realismus, der wirkliche „Bedeutung" hat, die Grundlage der neuen Mythologie und romantischen Ideenkunst. Da sich alle Ideen auf die Idee der Gottheit beziehen, kann man keine Ideen haben, „ohne selbst Gott zu werden". Da alle Ideen Symbole sind, ist Gott das höchste Symbol und „am wahrsten", da hier „Gegenstand und Vorstellung schlechthin Eins sind". Das „Bewußtsein des Unendlichen", das in allen Menschen entwickelt werden soll, „potenziert gibt die Idee der Gottheit, die Idee aller Ideen" (KA XVIII, 414). Dies „Bewußtsein des Unendlichen ist die Wurzel alles Wissens", es läßt sich nur als unendlich denken und das Unendliche nur als Bewußtsein" (KA XVIII, 409). Da das Bewußtsein also der Sitz aller irrationalen Kräfte und Bestrebungen ist und es selbst mit dem Höchsten in Verbindung stehen soll, muß auch die „Deduktion des Romantischen aus dem Bewußtsein" erfolgen (KA XVIII, 453). Dies ist die philosophische Begründung des Romantischen. Da nun das höchste Symbol in der Poesie schlechthin undarstellbar ist, das „Erscheinen des Messias" unmöglich ist (vgl. E 2090), kann man das „Höchste . . ., eben weil es unaussprechlich ist, nur allegorisch sagen" (M II, 364). Weil die Allegorie auf das Höchste hinweist, ist sie „der philosophische Begriff der Poesie" (E 1855), „das Wesentliche" für das Romantische (E 1911). Sie soll auch „Spiel und Fest im höchsten Sinne" sein (E 1808). Spielsein und Verweisung auf das unaussprechlich Höchste; diese beiden, gleich noch näher zu bestimmenden, eng zusammengehörenden Eigenschaften haben Allegorie, Mythologie und das Kunstwerk, die ja eigentlich eins im anderen wirken, gemeinsam. Auch allgemein in Bezug auf das gesellige Leben schreibt Schlegel: „Das Spiel der Mitteilung und der Annäherung ist das Geschäft und die Kraft des Lebens, absolute Vollendung ist nur im Tode" (M II, 339).
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Aus demselben Grunde kann auch die Kunst nie vollendet werden: „Alle heiligen Spiele der Kunst sind nur ferne Nachbildungen von dem unendlichen Spiele der Welt, dem ewig sich selbst bildenden Kunstwerk" (M II, 364). Als „Nachbildungen" der Welt, Kunstwerk Gottes, können sie dieses nicht erreichen, nur darauf hindeuten. Der göttliche Künstler spielt mit der Welt, wie der menschliche mit seinem. Das gleiche meint die mythologische Weltansicht: „In der Mystik erscheint die Welt als Nichts. In der Mythologie als Spiel, als Poesie. D a s ist die positive und
höchste Ansicht" (KA XVIII, 359). Die Einsicht in die Unmöglichkeit der Vollendung oder des Erreichens, führt zu der Form des Spiels, eben zur allegorischen Dichtung, die den Begriff vom Ganzen, der Unendlichkeit dennoch im Besonderen darstellen will. „Eigentlich soll jedes Werk eine neue Offenbarung der Natur sein. Nur dadurch, daß es Eins und Alles ist, wird ein Werk zum Werk" (M II, 366). Oder wie es in den Notizheften heißt: „Jedes Gedicht soll das Universum darstellen, der unbefangene Blick gibt uns aber eigentlich kein Bild sondern eine Fülle von Bildern. Jedes Naturwesen ist Symbol des Ganzen" (£'2013). Wenn so in einem „Gedicht", einem Kunstwerk das Einzelne immer „nur Zeichen, Mittel zur Anschauung des Ganzen" ist, dann ist es romantisch und didaktisch „in jenem weitern Sinne des Wortes, wo es die Tendenz nach einem tiefen unendlichen Sinn bezeichnet", wo „das ganze Spiel des Lebens wirklich auch als Spiel genommen und dargestellt sei" (A/ II, 364). Didaktisch ist eine solche Darstellung, weil sie das notwendige Streben nach dem Unendlichen entwickelt. Doch wird damit nicht einer „chaotischen Überhauptpoesie" (M II, 355) das Wort geredet. Das „Werk", jedesmal neue Offenbarung der Natur, Mittel zur Anschauung des Ganzen, zeichnet sich vielmehr durch das „Selbständige, Insichvollendete" aus (M II, 366). So strebt der Roman „nicht nach dem Unendlichen, sondern aus dem Unendlichen heraus" (E 1378). Denn das Unendliche ist ihm ohnehin schon gegeben durch die Fülle des Stoffes, die sich zur Darstellung anbietet. Allerdings kann der Stoff an sich noch kein Gefühl des Unendlichen erregen, aber „die Philosophie [kann] zum Unendlichen führen", d.h. durch Nachdenken über sich selbst und sein Verhältnis zur Welt kann der Mensch „das Gefühl der Beschränktheit im Leben" überwinden. Durch den „Begriff des Werdens", meint Schlegel in seinen philosophischen Vorlesungen, kann die Antinomie zwischen Endlichem und Unendlichem überwunden werden. Denn, gibt es nur Werden, „so ist das Endliche, wenn auch extensiv begrenzt, doch intensiv durch die unendliche Mannigfaltigkeit und Veränderlichkeit immer unendlich. - Ein werdendes End-
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liehe . . . ist durchaus beweglich und veränderlich, also durch seine intensive Tätigkeit und Mannigfaltigkeit unendlich. (Z.B. In der Betrachtung der Naturprodukte, wo wir die Unendlichkeit bewundern, werden wir jedes Unendliche im Endlichen gewahr". Demnach sind also „Endliches und Unendliches nur dem Grade nach, nicht wesentlich verschieden" (KA XII, 334 f.). So soll auch das Kunstwerk nicht bei der Darstellung des Stoffes an sich stehen bleiben, sondern durch Beschränkung und innere Vollendung diesem Stoff die Bedeutung des Unendlichen geben, zur Anschauung eines höheren Ganzen erheben. So ist es „Zeichen" und „Spiel", Symbol des Ganzen und bewußtes künstlerisches Andeuten des Unendlichen. Dies ist die „Bedeutung" des Kunstwerks, daß es das Endliche als Spiel und Schein sieht; ihm jedoch Wert verleiht, indem das Endliche mit der Wahrheit des Ewigen in Beziehung gesetzt wird, „durch Allegorie, durch Symbole", wie es im „Abschluß des Lessing-Aufsatzes" hieß. Dort wurde auch am stärksten der Forderung Ausdruck verliehen, daß und warum „alle Werke Ein Werk, alle Künste Eine Kunst, alle Gedichte Ein Gedicht" sein sollten. Durch die „Konnexion des Endlichen mit dem Unendlichen" in den Symbolen und Allegorien der Mythologie kann endlich jedes Werk „das Ganze bedeuten, wirklich und in der Tat bedeuten". Und erst durch diese Bedeutung bekommt ein Werk Realität, erlangt es wirkliches Dasein, „weil ja außer dem Höheren, worauf sie deutet, nur die Bedeutung Dasein und Realität hat" (M II, 428). Von dieser hohen Warte aus, wo jedes Werk Symbol des Ganzen, eine neue Offenbarung der Natur sein soll und eine Allegorie auf das große Kunstwerk Gottes, überschaut Schlegel im „Brief über den Roman" die literarischen Erzeugnisse der Modernen. Und nirgends findet er ein „Werk", das seinem Ideal entspräche. Der Roman soll „absolutes System, ein Buch im höchsten Sinne" sein (E 1683). Wer es darstellen wollte, dies Buch des neuen Realismus, müßte es nach dem „würdigen Vorbild" Dante tun, „nur Ein Gedicht im Geist und im Herzen haben", müßte wie Dante zu seiner Zeit „durch eigne Riesenkraft. . . eine Art von Mythologie" erfinden und bilden (M II, 366). Dazu war eine „Riesenkraft des Genies und der Phantasie", ein „unergründlicher Tiefsinn" nötig. Dantes Divina Commedia zeige eine „unerschöpfliche poetische Erfindungskraft, die sich in einer Fülle der allerkühnsten, erhabensten, eigentümlichsten Ideen entfaltet", so daß dies Werk „bis jetzt noch einzig und unerreichbar" dastehe (KA XI, 149; Vgl. das längere Zitat über dieses Werk zu Beginn des vorigen Kapitels). Zeigt schon Dante eine solche Fülle an Ideen, wieviel komplizierter und differenzierter müßte das neue
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Werk sein dem fortgeschritteneren Zeitalter gemäß, das ständig eine unbeschränkte Fülle neuer Erfindungen gebiert! „Jedes Romantische Werk" muß „das ganze Gedankensystem des Verfassers darstellen" (KA XVIII, 349) und alle schon weiter oben erwähnten an den Roman gestellten Aufgaben erfüllen. Die eine nun noch neu hinzukommende Aufgabe ist die Darstellung der Mythologie. „Das Wesen der Poesie besteht allerdings im Mythos . . . Durch den Mythos wird die Poesie eben so unendlich" (E 1574), so heißt es jetzt bei Schlegel. Im Sinne dieser mythologischen Allpoesie ist „der Roman eine angewandte Poesie" (KA XVIII, 71) und die Darstellung der Mythologie eine Notwendigkeit: Die Vermischung und Verflechtung sehr heterogener Bestandteile und selbst aller Mythologien ist eine notwendige Aufgabe des Romans. Eine antiquierte Mythologie kann nur im Roman behandelt werden. Auch die Verbindung mehrerer Mythologien ist nur im Roman möglich. Diese aber notwendig, da alle unsre Europäischen Mythologien doch nur halb sind - und zerstückt. (E 1585) Daher ist jetzt auch eine Kunstlehre ohne Mythologie nicht mehr möglich: „Mythologie ist positive Theosophie. Ohne diese ist auch keine Kunstlehre zu denken" (E 1910). Noch ein wesentliches Element, das einen Roman erst zum romantischen macht, ist nun die Liebe. Sie hat, wie das Romantische, die Tendenz zur Vereinigung des Geschiedenen und ist somit unzertrennlich verknüpft mit der Entstehung des Romantischen überhaupt. " . . . der Geist der Liebe muß in der romantischen Poesie überall unsichtbar sichtbar schweben", heißt es im „Gespräch über die Poesie". Hier feiert Schlegel die Apotheose der Liebe; denn auch sie ist Allegorie: wo sie in irdischer Hülle erscheint, deutet sie auf den unausdeutbaren göttlichen Sinn. Sie ist der „heilige Hauch", der sich in „sterblicher Schönheit verhüllt und die Zauberworte der Poesie" durchdringt und beseelt; sie ist ein „unendliches Wesen;" das, wo es „an den Personen, den Begebenheiten und Situationen und den individuellen Neigungen" haftet und sichtbar ist, für den „wahren Dichter" doch „nur Hindeutung auf das Höhere, Unendliche, Hieroglyphe der Einen ewigen Liebe und der heiligen Lebensfülle der bildenden N a t u r " ist (M II, 371). Es ist dies die Liebe, die das Chaos sondert und zur Harmonie entfaltet, und wohl auch der „wärmende Strahl", wie es eingangs hieß, der die Poesie „von selbst aus der unsichtbaren Urkraft der Menschheit" zum Hervorblühen bringt, „wenn der erwärmende Strahl der göttlichen Sonne
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sie trifft und befruchtet". Da der Roman dies ewige Weltspiel und diese immer wiederkehrende poetische Welterweckung in verkleinertem Maßstabe nachbilden soll, kommt Schlegel folgerichtig zu der Feststellung, daß der „Roman eigentlich nichts darstellen kann als die Liebe" ([E1996). Diese Liebe ist nun auch die Seele und Quelle dessen, was Schlegel das „Sentimentale" nennt. Es ist somit kein sinnliches, sondern ein geistiges Gefühl, wodurch es sich entschieden abhebt von den „gallanten Passionen, denen man in den Dichtungen der Modernen . . . nirgends entgehen kann". Dies „sind nicht einmal der äußre Buchstabe jenes Geistes". Also nicht das, „was auf eine platte Weise rührend und tränenreich ist", will Schlegel unter dem Sentimentalen verstanden haben, sondern ein geistiges Gefühl, das aus der Liebe des Menschen quillt und sich nach dem Höheren, Unendlichen, nach „der Einen ewigen Liebe" sehnt (M II, 371). Obwohl ein geistiges ist diese sentimentale Sehnsucht jedoch kein leeres Gefühl, das sich der Wirklichkeit völlig entäußert hätte. Wie um diesen Gedanken abzuwehren, fügt Schlegel denn auch hinzu: „Noch eines liegt in der Bedeutung des Sentimentalen, was gerade das Eigentümliche der Tendenz der romantischen Poesie im Gegensatz der antiken betrifft. Es ist darin gar keine Rücksicht genommen auf den Unterschied von Schein und Wahrheit, von Spiel und Ernst." Damit will Schlegel sagen, daß die antike Poesie nur Schein und Spiel war, sich „durchgängig an die Mythologie" anschloß und „den eigentlich historischen Stoff" vermied, während die romantische Poesie dagegen „ganz auf historischem Grunde" ruht und „wahre Geschichte" ist. Sie ist zugleich Schein und Wahrheit, Spiel und Ernst. Das bedeutet nun, daß die Darstellung des „eigentlich historischen Stoffs" zwar erfordert wird, jedoch nicht Selbstzweck sein soll, sondern nur Mittel zur Hindeutung auf das „Höhere", nur „Hieroglyphe der Einen ewigen Liebe und der heiligen Lebensfülle der bildenden Natur". Die Darstellung ist also nur Spiel und Schein. Die „wahre Geschichte" in diesem Sinne „umzubilden", den „heiligen Hauch . . . in sie [zu] verhüllen", und aufzuzeigen, daß sich aller „historischer Stoff" in Progression auf das goldene Zeitalter zu befindet, darin liegt die „Bedeutung des Sentimentalen", das ist die „Tendenz der romantischen Poesie" (M II, 371 f.). Lägen diese zwei Tendenzen nicht in der Bedeutung des Sentimentalen, könnte die romantische Poesie wohl kaum zugleich „Bild des Zeitalters" sein und durch unendliche Progression auf ihr Ideal verweisen. Muß so der Stoff immer „sentimental" durchwirkt sein, dann ist die Form „fantastisch". Das Phantastische in der Form wird durch die allumfassende Liebe bedingt. Wie diese ist auch die Phantasie etwas Gött-
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liches, eine Urkraft. Beide können sich nur im Bereich des Göttlichen begreifen; in der „Welt der Erscheinungen" dagegen erscheint die Liebe als Rätsel und die Phantasie als „Witz". Nur die Phantasie „kann das Rätsel dieser Liebe fassen und als Rätsel darstellen". Dieses Rätselhafte nun ist „die Quelle von dem Fantastischen in der Form aller poetischen Darstellung" (M II, 371). Die „Ironie" macht das Fragmentarische dieser beiden Urkräfte in der Welt der Erscheinungen bewußt, denn sie ist ja für Schlegel das Bewußtsein von der Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer vollständigen Mitteilung und von dem unauflöslichen Widerstreit zwischen dem Unbedingten und Bedingten. Diese beiden Eigenschaften, das Sentimentale und Phantastische, deren Komplexität uns immer wieder begegnete, sind nun die Bedingungen des Romantischen schlechthin. Für Schlegel „ist eben das romantisch, was uns einen sentimentalen Stoff in einer fantastischen Form darstellt" (M II, 370). Diese verführerisch einfache Formel ist natürlich viel komplexer als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Denn „Stoff" und „Form" schließt auch den ganzen Bedeutungskomplex des Begriffspaares „Geist" und „Buchstabe" ein. Dies wird bestätigt durch die Eintragung: „Die Materie (der Geist) des Romans soll sentimental sein, die Form (der Buchstabe) fantastisch" (E 1689). So faßt diese einfache Formel noch einmal sowohl die ganze oben beschriebene Komplexität des „Geistes" der Poesie zusammen: die Mythologie mit ihrem Chaos von Allegorien, Personifikationen, Symbolen; die Verbindung des Endlichen und Unendlichen, die Vereinigung der Moderne und Antike; als auch alles über den „Buchstaben" Gesagte: das Historische der Charaktere, Handlungen und ihre pittoreske Ausführung; Parodie, Ironie und Witz in der Darstellung, den ewigen Gegensatz zwischen der romantischen und antiken Poesie. Dieser beziehungsreiche Bedeutungskomplex steht auch hinter der Definition des Romans: „Ein Roman ist ein romantisches Buch." Hierunter will Schlegel keine „besondere Gattung" verstanden haben (diese verabscheue er sogar), sondern „ein Werk, ein für sich bestehendes Ganze". Dieses Schlegelsche Ideal kann der Roman durch nichts anderes erreichen als „durch die Beziehung der ganzen Komposition auf eine höhere Einheit, . . . durch das Band der Ideen, durch einen geistigen Zentralpunkt", und nicht durch eine bloße „Einheit des Buchstabens, über die er sich oft wegsetzt und wegsetzen darf" (M II, 373). Der Roman muß „ein Buch im höchsten Sinne" sein, ein „absolutes System", das die umfassendste Ansicht des Zeitalters gibt, alles darstellt, was in den Wissenschaften und den Künsten ersonnen worden ist; es ist die Dar-
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Stellung des Weltalls durch romantische Bildlichkeit, Allegorik und Symbolik, die das Höchste für den Menschen verkünden, oder den Leser zum Höchsten, Unendlichen erheben soll. Eine solche Darstellung sei bis jetzt noch nicht erreicht worden, und schwerlich ließe sich dies alles im Drama darstellen, weshalb dies auch nur „ein angewandter Roman" sein kann. Ferner braucht ein Drama Zuschauer, es sei seine Bestimmung, angeschaut zu werden, kann also kein „Werk", kein „für sich bestehendes Ganze" sein. Doch kann es, muß es vielmehr romantisch sein, da ja das Romantische, wie hier noch einmal betont wird, ein „Element der Poesie" ist, das nie ganz fehlen darf und daher auch alle Poesie romantisch macht. Die „Grundform" der romantischen Poesie sind „Wortspiele" (E 2121); sie beruht auf dem Spiel „der Form und Materie" (E 1916). Dieser Spielcharakter gibt ihr den mythologischen Anstrich, nämlich die Verweisung auf das Höchste und Göttliche (in Schlegels Sinne eine durchaus romantische Eigenschaft), die jeder Poesie zugrunde liegen sollte. Liebe, Witz und Mythologie sind diese verweisenden Elemente der Poesie (KA XVIII, 360), d. h. der romantischen Poesie, die jedoch in keiner Poesie ganz fehlen dürfen. Ein „romantisches Buch" gibt es also noch nicht, kann es vor der Stiftung der neuen Religion nicht geben, doch gibt es „Arabesken" und „sogenannte Romane", die Schlegel „dennoch ganz genau nach der Masse von eigner Anschauung und dargestelltem Leben, die sie enthalten", schätzt, auf die jedoch seine „Idee von romantischer Form freilich gar nicht anwendbar ist" (M II, 374). Diese „witzigen Spielgemälde" (M II, 368) umrahmen gleichsam das romantische Buch. „Confessions, Arabesken und daß Frauen Romane schreiben, ist der ganze Gewinn vom sogenannten Roman des Zeitalters" (E 1743), heißt es in den Notizheften. Davon nennt Schlegel im „Gespräch" Fielding, Richardson, Rousseau, Gibbon und Fanny Burney als Dichter von „Bekenntnissen"; Diderot, Sterne, Jean Paul als Verfasser von „Arabesken". Diese seien die „einzigen romantischen" Erzeugnisse des „unromantischen" und „unfantastischen" Zeitalters, dazu geeignet, „den göttlichen Witz, die Fantasie eines Ariost, Cervantes, Shakespeare verstehn zu lernen" (M II, 369). In dem Witzigen, das an diesen „göttlichen Witz" erinnert, besteht eben das Fruchtbare des zeitgenössischen Romans. Obwohl Schlegel „weit entfernt" ist, „sie neben jene Großen zu stellen", können die Dichter des achtzehnten Jahrhunderts wenigstens dazu dienen, in dem Leser den Sinn für den Witz zu wecken; auch zeugen sie davon, daß die Poesie wie
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das Leben unzerstörbar ist: „Die Poesie ist so tief in dem Menschen gewurzelt, daß sie auch unter den ungünstigsten Umständen immer noch zu Zeiten wild wächst." Man dürfe eben die Forderung in der jetzigen Zeit nicht zu hoch spannen: „Hohe Dichtung" gebe es zwar keine, doch habe die Arabeske „keine geringen Ansprüche"; denn sie sei „eine ganz bestimmte und wesentliche Form oder Äußerungsart der Poesie" (M II, 369). So sei der Genuß, den man an Sternes reinem Humor (im Gegensatz zur „Spannung der Neugier", die ein „durchaus schlechtes Buch" errege), habe, „verwandt mit demjenigen. . ., den wir oft bei Betrachtung der witzigen Spielgemälde empfanden, die man Arabesken nennt" (M II, 368). In Diderots Fataliste könne man „die Fülle des Witzes . . . ganz rein finden", er sei „mit Verstand angelegt, und mit sichrer Hand ausgeführt"; man dürfe ihn „ohne Übertreibung ein Kunstwerk nennen". Wahrscheinlich wegen der parodistischen Stilmittel hat sich hier die Arabeske zum Kunstwerk erhoben; sonst bleibt sie „nur ein Naturprodukt", das als solches desto besser ist, je „kränklicher, . . . wunderlicher und fantastischer" es ist. In dieser Hinsicht stehe Jean Paul über Sterne und Swift, denn „er hat wirklich mehr Witz" (M II, 369). Neben dieser Funktion, des Lesers Verständnis für die witzigen Konstruktionen der älteren romantischen Dichter zu entwickeln und zu schärfen, haben der Witz und Humor bei den neueren Schriftstellern noch eine andere: den Sinn für Witz und Groteske21 zu bilden und den modernen Menschen in dieser Stimmung zu erhalten, damit ihn die Dummheit, Narrheit, Nullität, Plattheit und Stumpfheit des Zeitalters nicht erdrücke. Auch wenigstens eine Andeutung des wahren Sentimentalen, wie es bei Petrarca und Tasso dargestellt ist, findet sich bei Jean Paul. Leider führt Schlegel diesen Vergleich nicht weiter aus. Er verteidigt nur Jean Paul gegen den Vorwurf, daß er sentimental sei und wünsche, er wäre es in seinem Sinne (s.o.). Außer den eben erwähnten fruchtbaren Tendenzen haben diese neueren Dichtungen mit den älteren romantischen gemeinsam, daß ihnen „wahre Geschichte" zugrunde liegt, wodurch sich besonders die „Bekenntnisse" auszeichnen. Im Gegensatz zur griechischen Poesie sei „wahre Geschichte das Fundament aller romantischen Dichtung . . . ; und Sie werden sich, wenn Sie darüber reflektieren wollen, leicht erinnern und überzeugen, daß das Beste in den besten Romanen nichts anders ist als ein mehr oder 21 Eingehend untersucht wird Schlegels Verwendung des Begriffes „Groteske" im Zusammenhang mit „Arabeske" von W. Bausch, Theorien des epischen Erzählens in der deutschen Frühromantik, 118-124.
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minder verhülltes Selbstbekenntnis des Verfassers, der Ertrag seiner Erfahrung, die Quintessenz seiner Eigentümlichkeit" (M II, 374). Ein weiteres Bindeglied, daß auf neue Hoffnung für die Dichtkunst deutet, ist schließlich auch der Ausdruck „Arabeske".22 Die oben herausgestellten arabeskenhaften Züge in den neueren Dichtwerken erinnern an die „Arabeske" als „die älteste und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie" (M II, 362), wie sie von Cervantes und Shakespeare gepflegt wurde. Im „Brief über den Roman" wird noch Ariost neben diese „Großen" gestellt, deren Phantasie diese „älteste und ursprüngliche Form" mit „göttlichem Witz" erfüllte und sie zu einem wahren Kunstwerk machte. Weil im Zeitalter dieser Großen das Romantische am ersten und besten blühte, sei auch eine eventuelle „Theorie des Romans" aus den Dichtern dieser romantischen Epoche abzuleiten. „Da würden die alten Wesen in neuen Gestalten leben", Dante würde sich „aus seiner Unterwelt erheben", Shakespeare und Cervantes „trauliche Gespräche wechseln" und Sancho würde „von neuem mit dem Don Quixote scherzen". Das wären „wahre Arabesken"; eine solche Theorie wäre eine potenzierte Arabeske, die „jeden ewigen Ton der Fantasie fantastisch wiedergäbe, und das Chaos der Ritterwelt noch einmal verwirrte" (M II, 374). Wie die „Organisation" von Shakespeares und Cervantes' Werken mit der neuen Mythologie verglichen werden konnte, so wird auch diese ganze Epoche als Quelle der neuen romantischen Poesie, die ja ganz auf historischem Grunde ruhe, angesehen. Aus „Boccaz" und „anderen Quellen" ist „alle romantische Erfindung hergeleitet" (M II, 372) und „das Drama so gründlich und historisch wie es Shakespeare z.B. nimmt und behandelt", ist „die wahre Grundlage des Romans" (M II, 373), so daß Schlegel Shakespeare sogar als das „eigentliche Zentrum, den Kern der romantischen Fantasie" ansehen kann. Schlegel sucht und findet das Romantische, „bei den ältern Modernen, bei Shakespeare, Cervantes, in der italienischen Poesie, in jenem Zeitalter der Ritter, der Liebe und der Märchen, aus welchem die Sache und das Wort selbst herstammt". Nur diese „ewig frischen Blüten der Fantasie" seien „würdig die alten Götterbilder zu umkränzen". Diese zwei Höhepunkte der gesamten Dichtung und Menschheit überhaupt soll die neue romantische Poesie vereinigen. „Alles vorzüglichste der modernen Poesie" neige entweder zai diesen „ältern Modernen", oder „es müßte denn eine Rückkehr 22
Zum Begriff der Arabeske bei Schlegel vgl. die gründliche und sehr wertvolle Studie K. K. Polheims, „Studien zu Friedrich Schlegels poetischen Begriffen", DVLG, X X X V (1961), 363-398.
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zum Antiken sein sollen" (M II, 372). Wie dies gemeint ist, darüber haben uns die anderen Äußerungen Friedrich Schlegels aufgeklärt: im „Buchstaben" eine witzige Konstruktion wie z.B. Shakespeare und Cervantes; im „Geiste" die Vereinigung der Antike und Moderne. Beide Tendenzen aber in dem „absoluten System" des neuen Romans der Kunstpoesie vereinigt. Man kann es seinen Zeitgenossen kaum verdenken, wenn sie Schlegels Kunstlehre, großartig, kühn und allumfassend in ihrem Entwurf, wenn sie das neue Evangelium zur Erneuerung und Vollendung der Menschheit nicht verstanden. Die Einweihung in die Mysterien des neuen Realismus, dies magische Gemisch von Idealismus, Pantheismus, Spekulation über die „Physik" mit religiös-mystischem Überton mißlang, da sich das volle Gewoge seiner Gedanken nur spärlich und unvollständig mitteilen ließ. Auch lag ihm zur Athenäumszeit an seinem Prophetentum und am Verkündigen von Offenbarungen mehr als an praktischen Anweisungen für den Künstler. Unmöglich konnten seine Zeitgenossen auch den allgemeinen Gang seiner geistigen Entwicklung kennen, was jedoch unumgänglich ist, will man die Bedeutung einzelner prophetischer Orakelsprüche verstehen. Auch kann man es den Dichtern nicht verdenken, wenn sie diesen Mittelpunkt und Halt, der ihnen eben die Mythologie sein sollte, nicht einmal begriffen, so daß die das neue Evangelium verkündenden Bibeln ausblieben. Novalis, den diese neue Kunstlehre am meisten hätte befruchten können,23 starb schon im März 1801. Seinem Heinrich von Ofterdingen entbietet Schlegel posthume Würdigung in der Europa und führt es als Beispiel an, „welches jedem, der es studieren will, meine Behauptung deutlich machen und ihm den Übergang vom Roman zur Mythologie zeigen kann" (Europa I, 1, 56). Von dieser Verkündigung des neuen Evangeliums wendet sich Schlegel um 1800 teils wegen des Unverstandes des Publikums, worüber er sich in dem Aufsatz „Über die Unverständlichkeit" nicht ohne Sarkasmus beklagt, teils weil sein Interesse ihn wirklich zu anderen umfassenderen Studien führte, zwei neuen Aufgaben zu. Im „Abschluß des LessingAufsatzes" (1801) sagt er seinen Poesie und Religion stiftenden Versuchen ein „kritisches Lebewohl" und erklärt, sich ganz auf eine „Geschichte der Dichtkunst" und auf eine „Kritik der Philosophie" be23
Vgl. Schlegels Worte „An Novalis" als Abschluß der „Ideen": „Nicht auf der Grenze schwebst du, sondern in deinem Geiste haben sich Poesie und Philosophie innig durchdrungen. Dein Geist stand mir am nächsten bei diesen Bildern der unbegriffenen Wahrheit. Was du gedacht hast, denke ich, was ich gedacht, wirst du denken, oder hast es schon g e d a c h t . . . " ( M II, 307).
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schränken zu wollen. „Die Resignation wird vorzüglich nur darin bestehen, daß ich es der neuen Zeit und allem, was ihr angehört, von nun an überlassen werde, sich selbst zu kritisieren; . . . es müßte denn sein, daß die Muse der Komödie es anders lenkte und auch von mir ein kleines Opfer leichter Saturnalien forderte" (M II, 423).
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Mit diesen neuen Aufgaben durchmißt nun Schlegels rastlos fortschreitender Geist noch ausgedehntere Bereiche als bisher, dabei immer auf der Suche nach dem „Mittelpunkt", der „Quelle objektiver Gesetze für alle positive Kritik" (M II, 424). Für das einzelne Kunstwerk war diese Quelle nicht in einigen „schönen Stellen" zu suchen, sondern im „Eindruck des Ganzen" (M II, 423). Aber auch das genügt mir bei weitem noch nicht; und ich denke, wenn Ihr es wirklich erkannt habt, daß man das Werk nur im System aller Werke des Künstlers ganz verstehe, so werdet Ihr es über kurz oder lang auch wohl anerkennen müssen, daß nur der den Geist des Künstlers kennt, der diejenigen gefunden hat, auf die er sich, äußerlich vielleicht durch Nationen und Jahrhunderte getrennt, unsichtbar dennoch bezieht, mit denen er ein Ganzes bildet, von dem er selbst nur ein Glied ist; werdet es anerkennen müssen, daß dieser organische Zusammenhang Aller das Genie von dem bloßen Talent unterscheidet, welches eben dadurch, daß es isoliert ist, sich als falsche Tendenz der Kunst und der Menschheit verrät. So muß auch das Einzelne der Kunst, wenn es gründlich genommen wird, zum unermeßlichen Ganzen führen! Oder glaubt Ihr in der Tat, daß wohl alles andre ein Gedicht und ein Werk sein könne, nur die Poesie selbst nicht? Das „Einzelne der Kunst" auf das „unermeßliche Ganze" zu beziehen, unternimmt Schlegel in seiner ersten großen „Geschichte der Dichtkunst", den Paris-Kölner Vorlesungen. Das äußerlich durch Nationen und Jahrhunderte Getrennte wird zusammengefaßt und die „Idee des Ganzen" (KA XI, 4) aufgezeigt. Will man aber das „Ganze" begreifen, gibt es weder Grenzen noch Stillstand, ehe man „nicht an den Mittelpunkt gekommen" ist. „Dieser Mittelpunkt ist der Organismus aller Künste und Wissenschaften, das Gesetz und die Geschichte dieses Organismus. Diese Bildungslehre, diese Physik der Fantasie und der Kunst dürfte wohl eine eigne Wissenschaft sein, ich möchte sie Enzyklopädie nennen: aber diese Wissenschaft ist
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noch nicht vorhanden." Eben weil sie noch nicht vorhanden ist, fordert Schlegel „ernstliche Aufmerksamkeit und Teilnahme" für seine dazu und „im Geist derselben entworfenen kritischen Versuche und Bruchstücke" (M II, 424). In dieser Enzyklopädie hofft Schlegel nun, „die Quelle objektiver Gesetze für alle positive Kritik" zu finden. Solche Versuche zur Enzyklopädie auf dem Gebiete der Literatur sind vor allem die Paris-Kölner Vorlesungen (1803-1804) und die Wiener Vorlesungen (1812) über Literatur. Sie sind aus demselben Geiste der Universalität erwachsen wie er auch dem universalen Roman und der romantischen Universalpoesie zugrunde lag. Wie diese sollen auch die Vorlesungen den romantischen Künstler bilden, ihn lehren, den Zusammenhang aller Künste zu erkennen, damit er das Gefühl der Isolation überwinden kann. Obwohl nun die romantische Poesie in dieser enzyklopädistischen Schau der Weltliteratur historisch gesehen nur ein Teil ist, wollen wir im Folgenden wenigstens den Umriß dieser romantischen Literaturerfassung verzeichnen. Schlegels Einleitung zur Wissenschaft der europäischen Literatur (KA XI, 3-15) klärt die Positionen. Zur „wahren Bildung, die hauptsächlich auf die Entwicklung der höheren Kräfte des Verstandes, der Phantasie und des Gefühls gerichtet sein muß, gehört die Kenntnis der Literatur" (KA XI, 3). Zur Literatur gehören „alle Wissenschaften und Künste, die in der Sprache wirken" (KA XI, 6), „insofern . . . ist sie Enzyklopädie" (KA XI, 7). „Alle Wissenschaften und Künste, die auf das Höhere gehen und nicht bloß auf das Bedürfnis und das niedere Leben gerichtet sind, haben im Grunde nur einen Gegenstand: das Unendliche, das absolut rein Gute und Schöne, die Gottheit, Welt, Natur, Menschheit" (KA XI, 8). Dies waren auch die Anliegen des Romans, der „romantischen Poesie" und der Mythologie. Was nun „die Erreichung der höchsten Bestimmung des Menschen positiv herbeiführen und befördern soll, ist die Religion". Sie sei nicht Mittel, „sondern selbst Zweck, und aus ihr fließen alle Wissenschaften und Künste". Keine Religion im gewöhnlichen Sinne ist also hier gemeint, sondern „die wahre Religion", deren Zweck kein anderer sei als die „Wiedervereinigung des gesunkenen Menschen mit der Gottheit". Der Glaube an einen „göttlichen Ursprung", der dieser Religion zugrundeliege, sei nicht ganz erloschen, aber unterdrückt und gesunken. Der Mensch, seiner höheren Bestimmung gewiß, habe nun das Bedürfnis, sich eine nähere Kenntnis des zum Teil verlorengegangenen Gutes zu verschaffen. Dieses Streben, „die Kenntnis Gottes wiederzuerlangen", liege der Philosophie, der Wissenschaft aller Wissenschaften, zugrunde.
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Weil aber die Kenntnis Gottes nicht direkt möglich ist, so muß die Philosophie schließlich in Poesie, die Kunst aller Künste, übergehen: Weil aber alle Erkenntnis des Unendlichen wie ihr Gegenstand immer unendlich und unergründlich, also nur indirekt sein kann, wird sinnbildliche Darstellung nötig, um das, was nicht im ganzen erkannt werden kann, doch teilweise erkennen zu können. Was nicht in einen Begriff zusammengefaßt werden kann, läßt sich vielleicht durch ein Bild darstellen; und so führt dann das Bedürfnis der Erkenntnis zur Darstellung, die Philosophie zur Poesie. (KA XI, 9) So kommt der Poesie bei Schlegel immer die erste Stelle zu, wenn es gilt, etwas über die Bestimmung des Menschen zu erfahren. Das Bedürfnis, so viel wie möglich über des Menschen „rätselhaften Zustand" zu erfahren und aus den Erkenntnissen und Irrtümern voriger Zeiten zu lernen, bringt Schlegel nun zur Geschichte der Poesie. Diese ist natürlich eng mit einer Geschichte der Philosophie verbunden, denn „Poesie ohne Philosophie wird leer und oberflächlich", beide „sind unzertrennlich verbunden, ein Baum, dessen Wurzel die Philosophie, dessen schönste Frucht die Poesie ist". Beide handeln auch von demselben Gegenstand, nämlich dem „Menschen im ganzen, in seiner ungeteilten Einheit", weshalb denn auch ihr Studium „Humaniora" genannt worden sei. Da Literatur in diesem Sinne „durchaus nur im ganzen verständlich" ist, dies Ganze aber ein unermeßliches Chaos vorstellt, worin man sich leicht verlieren könnte, ist „eine Übersicht des Ganzen notwendig" {KA XI, 10 f.). Dazu verhelfen Kritik und Witz, der freie kombinatorische Geist. „ Witz ist Prinzip des Romans, der Mythologie und der Enzyklopädie" {KA XVIII, 349). Der Witz als Kritik (s.o.) kommt nun zur vollen Geltung, indem er das, was „falsche Tendenz der Kunst und der Menschheit" ist, herausstellt, „keine Notiz" nimmt „von Werken, die nichts beitragen zur Entwicklung der Kunst und Wissenschaft", und allgemein das „gute" vom „bösen Prinzip" unterscheidet, was für Schlegel „der Anfang aller Erkenntnis" ist. So ist auch die Polemik in einem höheren Sinne zu verstehen: sie ist ihm „das Siegel von der lebendigsten Wirksamkeit des Göttlichen im Menschen, der Prüfstein eines reifen Verstandes" (M II, 425). Die Aneinanderreihung von Roman, Mythologie und Enzyklopädie im obigen Zitat deutet noch einmal die Stufen des Entwicklungsganges an in Schlegels Bemühen um die Erneuerung der Poesie. Nacheinander werden diese drei die Zentren seines romantischen Weltbildes. Ihnen allen ist die Universalität gemeinsam. Alle stellen sie eine allumfassende Einheit vor, allen liegt die Idee der Enzyklopädie zugrunde. Obwohl nicht
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in dem Maße wie nach 1800 und nicht immer direkt ausgesprochen, hat ihn diese Idee durch sein ganzes Leben begleitet. Die verschiedenen Gegenstände, die sie nacheinander ergreift, werden immer extensiver: von dem einzelnen Werk eines Autors als Enzyklopädie erweitert sie sich zur Enzyklopädie aller Wissenschaften und Künste. So galt zum Beispiel Guarinis Pastor fido als „Enzyklopädie" (E 485), die Gedichte Homers waren eine „systematische Enzyklopädie" (M I, 242); Dantes großes Werk galt als ein „enzyklopädisches Bild des Zeitalters", dann galt der Roman überhaupt als „eine Enzyklopädie des ganzen geistigen Lebens eines genialischen Individuums" (Lyc.-Frgm. 78), und der absolute Roman wurde das Zentrum, das enzyklopädisch zum ersten Mal alle Tendenzen des Zeitalters vereinigen und darstellen sollte, ein alle Errungenschaften auf den Gebieten der Kunst (Poesie) und Wissenschaften (Philosophie) zusammenfassendes philosophisch-poetisches Weltgedicht. Dann sollte die romantische Poesie als progressive Universalpoesie, den Zusammenhang des Zeitalters als progressive Einheit verstehend, „die Errungenschaften der Neuzeit in einem gewaltigen Universalsystem der modernen Kultur zusammenfassen".1 Diese Projekte wurden abgelöst durch die neue Mythologie, die „das unendliche Gedicht" wurde, „welches die Keime aller anderen Gedichte" enthalten, die gesamte Natur und Gottheit umfassen sollte, und „zur Enzyklopädie der Künste und Wissenschaften, zu einer gewaltigen Geisteskathedrale der neuzeitlichen Bildung" führte. 2 Und nun zur Zeit der Europa schreibt Schlegel an Schleiermacher: „Du fragst nach meinen Arbeiten, nach der Enzyklopädie? Das ist eben die Europa, wenngleich vor der Hand nur in fließender progressiver Gestalt." 3 Von den „gewaltigen Geisteskathedralen", die nach 1800 auf den Gebieten der „Geschichte der Dichtkunst" und der „Kritik der Philosophie" entworfen werden, gibt es noch mehrere. Außer den ParisKölner Vorlesungen und der Wiener Literaturgeschichte, wo die „Poesie selbst" als „ein Gedicht und ein Werk" gesehen wird, bieten auch die Philosophie und Geschichte die Möglichkeit für die enzyklopädische Erarbeitung des „Organismus aller Künste und Wissenschaften". Schon 1801 heißt es am Ende der Vorlesungen über „Transzendentalphilosophie":
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E. Behler, „Fr. Schlegels Theorie der Universalpoesie", 211. Ebd., 213. 3 Europa, Eine Zeitschrift, Nachwort von E. Behler zum Photomechanischen Nachdruck der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (Darmstadt 1963), 31. 2
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Die Aussicht über die Philosophie liegt schon in der Enzyklopädie und Polemik, wir haben dafür nur noch Probleme aufzustellen. Es soll ein Ganzes werden Die Trennung soll aufhören Es gibt nur ein Reelles. Alle Künste und Wissenschaften sind das Wesen desselben. Die Philosophie soll eine Reformation konstruieren. Das organische Ganze der Künste und Wissenschaften ist so, daß jede einzelne das Ganze werde. Eine Wissenschaft, d i e . . . alle Künste und Wissenschaften in eine verbindet, die also die Kunst wäre, das Göttliche zu produzieren, könnte mit keinem andern Namen bezeichnet werden als MAGIE. (KA XII, 105)4 D a s „organische Ganze" auszuführen, beginnt er dann nur drei Jahre später in den Kölner Vorlesungen über die „Entwicklung der Philosophie in zwölf Büchern." Weitere „Geisteskathedralen" sind das Projekt zur „Gelehrten-Akademie" in Paris, 5 die schon erwähnte Zeitschrift Europa (1803-1805), die Vorlesungen über „Universalgeschichte" (18051806), und schließlich helfen die hauptsächlich in die Paris-Kölner Zeit fallenden Arbeiten zur Malerei und Baukunst, das Werk „Über die Sprache und Weisheit der Inder" (1808), die Vorlesungen „Über neuere Geschichte" (1810), über die „Philosophie des Lebens" (1827) und über die „Philosophie der Sprache und des Wortes" (1829), alles Gedachte und Gedichtete zu einer Gesamtschau des Universums zusammenzufassen. Mit diesen Entwürfen zu den neuen universalen Weltbildern verläßt Schlegel das eigentliche Gebiet der romantischen Poesie. 6 D o c h wollten wir zeigen, daß die verschiedenen Versuche und Ausführungen zur Enzyklopädie, dieses ruhelose Suchen nach dem „Mittelpunkt", dem „Organismus aller Künste und Wissenschaften", ohne jemals „eine 4
Zu Schlegels Vorstellung von „Magie" in Verbindung mit „Astrologie" vgl. E. Behler, „Fr. Schlegels Theorie der Universalpoesie", 230-234. 5 Vgl. hierzu E. Behlers Einleitung zu KA XI, XXXIII f. Den Zusammenhang zwischen Schlegels Begriffen „Universalität" und „Enzyklopädie" untersucht K. K. Polheim, „Studien zu Fr. Schlegels poetischen Begriffen", 378 f. 6 Neben den Neuakzentuierungen vollzieht sich in diesen Jahren auch eine Erhärtung früherer Aussagen. Die Forderung, alle Poesie solle romantisch sein, erscheint so z.B. in der Kölner Vorlesung von 1807, Über deutsche Sprache und Literatur, als „allgemeines Gesetz". Schlegel spricht von der Mischung der tonalen Gegensatzpaare: elegisch - fantastisch, tragisch - komisch. Eben diese Mischung sei das Romantische. Die „Trennung" solle man „nur als Ausnahme" gelten lassen. „Es bewährt sich also auch hier das allgemeine Gesetz: die Poesie soll romantisch sein." Diese Auszüge aus der 1807 vor den Brüdern Boisseree gehaltenen Privatvorlesung erstmalig mitgeteilt von K. K. Polheim, Die Arabeske. Ansichten und Ideen aus Friedrich Schlegels Poetik (München, Paderborn, Wien 1966), 155, Anm. 29. Diese sehr wertvolle Studie zu Schlegels poetischen Begriffen konnte nicht mehr benutzt werden.
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natürliche Grenze" oder „einen objektiven Grund zum Stillstand" zu finden (M II, 424), eine direkte Folge ist aus Friedrich Schlegels Bemühen, die Grundelemente und -kräfte der romantischen Poesie zu ergründen. Auch sind diese Versuche zur Enzyklopädie ihrem Charakter nach wohl romantisch: 7 die Erweckung des Bewußtseins von der Unendlichkeit des menschlichen Weltbildes, die Betrachtung aller Künste und Wissenschaften als grenzenlosen doch einheitlichen Organismus, das gleichzeitige Betonen sowohl der Universalität als auch der Einheit aller Phänomene, der allen Versuchen zugrundeliegende Glaube an die Progressivität und Perfektibilität des menschlichen Bewußtseins, der Glaube an die „Kunst" und deren Möglichkeit, „das Göttliche zu produzieren", das „Reich Gottes" zu realisieren. Doch bringen alle diese zwar ihrem Charakter nach romantischen Bemühungen keine neuen Definitionen des Begriffs „romantische Poesie", welche, bedingt durch eine notwendige innere Entwicklung, eine neue Wesensbestimmung des Begriffes darstellen würden. Es gibt keine neuen Zukunftsprognosen für die romantische Poesie mehr - außer der christlichen. Nur innerhalb der schon bestimmten Grenzen können wir verschiedene Akzentverschiebungen beobachten, die sich hauptsächlich daraus erklären lassen, daß Schlegel sein Wissen über die romantischen Dichter der historisch romantischen Epoche vermehrte, mit der nordischen und altdeutschen Poesie bekannt wurde und eine Vorliebe dafür faßte, und schließlich daraus, daß der religiöse Charakter der romantischen Poesie nach Schlegels Konversion (1808) spezifisch christliche Elemente aufnimmt. Diese Neuakzentuierungen, die uns noch in diesem Rahmen interessieren, befinden sich vor allem in den Aufsätzen „Reise nach Frankreich" (Europa I, 1, 5-40), „Literatur" (Europa I, 1, 41-63), „Beiträge zur Geschichte der modernen Poesie und Nachricht von den provenzalischen Manuskripten (An A.W. Schlegel)" {Europa I, 2, 49-71); in den 1958 erstmalig von Behler als Wissenschaft der Europäischen Literatur (KA XI) herausgegebenen Paris-Kölner Vorlesungen, in den zwei Aufsätzen „Über nordische Dichtkunst, 1812" und „Nachtrag über Shakespeares ältere dramatische Werke" (SW2, VIII, 51-92) und schließlich die von Eichner 1961 neu herausgegebenen Wiener Vorlesungen, Geschichte der alten und neuen Literatur (KA VI). Den Ton für den 1803 gedruckten ersten Teil der Europa setzt bereits der Untertitel des ersten Kapitels („Reise nach Frankreich"). Er heißt 7 Mit Recht spricht E. Behler daher auch von Schlegels „romantischer Enzyklopädie", KA XI, „Kommentar", Anm. 13, S. 274. Hier auch weiteres zu Schlegels Enzyklopädie-Begriff.
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„Erinnerungen". Es ist eine Erinnerung dessen, „was die Deutschen ehedem waren, da der Mann noch ein Vaterland hatte" (Europa I, 1, 8) und die Deutschen „los fieros Alemanes" genannt wurden. „An der Wahrheit jener großen Zeiten" will Schlegel festhalten und sich „nicht verwirren lassen durch die gegenwärtige Armseligkeit" (Europa I, 1,11). Jene Zeit zeichnete sich aus durch den „Geist der Ehre und Liebe zur Freiheit", wodurch die germanische Welt Römern und Arabern überlegen war und sich als „ursprünglicher und dauerhafter romantisch als selbst die orientalische Märchenwelt" erwies (Europa I, 1, 12). Die „Reise nach Frankreich" durch Rheingegenden mit den herrlichsten Waldungen erregen diese „Erinnerung an das alte deutsche Leben" und das „Gefühl romantischer Freiheit" (Europa I, 1, 17). Dieses geschichtliche Erfassen der deutschen Vergangenheit entsprang einem patriotischen Gefühl und dem Wunsche, auch die deutsche Literatur als Ganzes zu begreifen, und auf Grund dieser Kenntnis die eigene romantische Vergangenheit, gegenüber der nun auch das Romantische des Orients verblaßt, der neuen romantischen Poesie nutzbar zu machen. Während Schlegels Hinwendung zur älteren deutschen Literatur erst 1799 erfolgte, wie im letzten Kapitel gezeigt wurde, ist dieses Syndrom des Romantischen nicht neu, denn schon im Studiumaufsatz waren Eigenschaften der romantischen Poesie: Heroismus, Heldenleben, Liebe, gigantische Kraft und Größe und die Kraft zur Freiheit. Auch haben sich die Invektiven gegen die Modernen seit dem Studiumaufsatz kaum gemildert. Immer noch sind sie „eine enorme Masse von Plattheit" (Europa I, 1, 28) und immer noch heißt es: „Tiefer kann der Mensch nun nicht sinken; das ist nicht möglich" (Europa I, 1, 35). Doch wesentlich verschieden von der Position des Studiumaufsatzes ist die Perspektive, die hier für die Erlösung aus dem gegenwärtigen Dilemma eröffnet wird. Während im Studiumaufsatz von „Orientalischem Bombast" gesprochen wurde, dem eine „abweichende Naturanlage" zugrunde liege ( M I , 98), heißt es jetzt, daß die „eigentlich unnatürliche und durchaus verwerfliche . . . Europäische Trennung des Klassischen und des Romantischen" und was beide, „das klassische Altertum und die moderne romantische Z e i t . . . für die Bildung und Blüte des menschlichen Geistes eigentümlich vorzügliches habe, in Indien zur höchsten Schönheit vereint" sei "oder in kräftigster Eigentümlichkeit ohne gegenseitige Ausschließung dicht neben einander" bestehe (Europa I, 1, 32 f.). Diese seit dem klassischen Altertum „immer weiter getriebene Trennung des Einen und Ganzen aller menschlichen Kräfte und Gedanken" habe „ihr Äußerstes erreicht". Daher komme auch „die gänzliche Un-
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fähigkeit zur Religion,... die absolute Erstorbenheit der höhern Organe" (Europa I, 1, 35). Schlegel ruft daher seine Zeitgenossen auf, „tätigsten Anteil" daran zu nehmen und mitzuwirken, „die tellurischen Kräfte in Harmonie zu b r i n g e n , . . . die Eisenkraft des Nordens, und die Lichtglut des Orients in mächtigen Strömen überall" zu verbreiten (Europa 1,1,40). Der „Orient und der Norden" sind jetzt für ihn „die sichtbaren Pole des guten Prinzips" (Europa I, 1, 39) und, wie wir gesehen haben, zwei wichtige Quellen für die romantische Poesie. Doch wieviel bescheidener ist nun Schlegel schon geworden: „Die weitere Ausführung dieser Idee bleibt einer andern Zeit vorbehalten. Hier will ich nur noch erinnern, daß wir die Fortschritte und Annäherungen zu diesem Ziele nicht nach Jahrhunderten, sondern nach Jahrtausenden zu zählen haben"; obwohl sein idealistischer Optimismus und Glaube an „die Bildung der Menschen" keine entschiedene Einbuße erlitten haben: „Die ewige Vervollkommnung steht wohl dennoch fest. . . " (.Europa I, 1, 40). „Die gegenwärtige Epoche der deutschen Literatur", so heißt es, sei mit Fichte anzufangen (Europa I, 1, 45 f.), denn „so wie . . . die Poesie als das letzte Ziel und die höchste Vollendung des Ganzen, so ist der Idealismus als die wesentliche Bedingung sine qua non, als Erhaltungsmittel und Grundlage unserer neuen Literatur zu betrachten". Die Philosophie ist also nur „Organon, Methode, Konstitution der richtigen, d.h. der göttlichen Denkart", welche „eben das Wesen der wahren Poesie ausmacht", so daß „jede positive Darstellung des Ganzen unvermeidlich Poesie wird". Und weiter heißt es hier: „Die Poesie betrachten wir als die erste und höchste aller Künste und Wissenschaften,. . . die Wissenschaft von dem was allein und wahrhaft wirklich ist." Die Physik dagegen sei „materieller Ausdruck" des Idealismus, „eine sinnliche und lebendige Darstellung jener höchsten Wahrheit" (Europa I, 1, 47 f.). Das Athenäum könne „mit Nutzen als eine Einleitungsschrift zu der neueren Epoche der deutschen Literatur überhaupt dienen". Im Anfange sei „Kritik und Universalität der vorwaltende Zweck", aber „in den spätem Teilen ist der Geist des Mystizismus das Wesentliche", der folgendermaßen verteidigt wird: „Man scheue dieses Wort nicht; es bezeichnet die Verkündigung der Mysterien der Kunst und Wissenschaft, die ihren Namen ohne solche Mysterien nicht verdienen würden; vor allem aber die kräftige Verteidigung der symbolischen Formen und ihrer Notwendigkeit, gegen den profanen Sinn" (Europa I, 1, 52). Man scheine es immer noch nicht zu wissen, „daß höhere Poesie und Mythologie nur Eins" sind; weshalb „diejenigen, welche sich damit beschäftigen, die Theorie der Kunst zu verbreiten, ihren E i f e r . . . verdoppeln" sollten,
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„um die ersten Elementarbegriffe in Umlauf zu bringen" (Europa 1,1,58). Als Beispiele für den Begriif dieser romantisch-mythischen Poesie werden Novalis' Heinrich von Ofterdingen und Tiecks Genoveva angeführt; doch gäbe es noch keine „didaktischen Gedichte von großem Umfang, welche das Ganze des Idealismus in symbolischer Form darzustellen suchten", außer Ansätzen bei Schiller und A. W. Schlegel. Hätte Novalis „den Zyklus von Romanen . . . vollenden können", würde es ein einzigartiges Werk geworden sein, „welchem für die Bildung und Erregung der Phantasie kein anderes an Nützlichkeit gleich kommen dürfte, und welches uns den Reichtum der Alten an philosophischen Dialogen weniger beneiden lassen würde". Dieser Zyklus würde die „Welt und das Leben aus den wichtigsten verschiedenen Standpunkten des menschlichen Geistes dargestellt haben, wie es die philosophischen Dialoge Piatons tun" und wie es Schelling in seinem Bruno oder über das natürliche und göttliche Prinzip der Dinge (1802) versucht habe (Europa I, 1, 56 f.). Im Gegensatz zur „exoterischen Poesie" (dramatische), der „jedem nicht ganz Verwahrloseten verständlichen Poesie", sind zur Begründung der „esoterischen Poesie", die über den Menschen hinausgeht, und zugleich die Welt und die Natur zu umfassen strebt" (Europa I, 1, 55), alle „von dem Lichte der intellektuellen Anschauung erleuchteten" (Europa I, 1, 47) literarischen Erscheinungen auf den Gebieten der Philosophie, Physik, Religion und Gelehrsamkeit ebenso wichtig wie die im Bereich der Poesie. Tatsächlich nehmen die Dichter in dieser Darstellung der „Literatur" nur einen geringen Raum ein, so daß Gentz, „sonst ein Bewunderer der Schlegelschen Prosa", 8 diese, wie er sich ausdrückt, „fragmentarische Darstellung des Zustandes der Literatur" nicht zu Unrecht eine „unselige Geburt" nennen konnte. Gentz fährt fort: „Sollte man nicht, wenn man diesen Aufsatz gelesen hat, schlechterdings glauben, es gäbe hors de nous et nos amis gar keine Schriftsteller in Deutschland?" 9 Von den Dichtern nennt Schlegel nur Klopstock, Goethe, Schiller, Tieck, Sophie Bernhardi, sich und seinen Bruder; doch von den Philosophen und Naturphilosophen erwähnt er Fichte, Schelling, Schleiermacher, Baader, Hülsen, Ritter, Steifens und Kant, dessen „physikalische" Schriften („Theorie des Himmels", „Anfangsgründe der Naturwissenschaft") Schlegel schätzt, dessen philosophischen Schriften er jedoch den „unvermeidlichen Untergang" prophezeit. Ferner werden 8
E. Behler, Nachwort zur Neuausgabe der Europa, S. 52. Briefe von und an Friedrich von Gentz, hrsg. von Friedrich Wittichen, Bd. II, Briefe an und von Carl Gustav von Brinckmann und Adam Müller (München und Berlin 1910), 121. 9
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noch Übersetzungen, Polemiken, Kritiken und gelehrte Schriften (Lessing, Winkelmann) als zur Literatur gehörig erwähnt, denn sie bereiteten den Boden, trügen bei zur Bildung des Zeitalters, damit die neue romantischmystische Poesie erblühen möge. In dem Aufsatz „Beiträge zur Geschichte der modernen Poesie und Nachricht von provenzalischen Manuskripten" im zweiten Teil der Europa wendet er sich der weiteren kritischen Erforschung „jener schönen südlichen Poesie" zu, „die wir vorzugsweise die romantische zu nennen gewohnt sind . . ." (Europa I, 2, 50). Die Pariser Bibliotheken boten Gelegenheiten dazu. Zuerst wird sein früherer Aufsatz „Nachricht von den poetischen Werken des Johannes Boccaccio" (M II, 396 f.) durch einen Nachtrag über die „Teseide des Boccaz" ergänzt, dann entdeckt er das einfache und natürliche Romantische der spanischen Poesie beim Studium ihrer Anfänge, worauf Schlegel zum ersten Male einen Überblick über die „Portugiesische Dichtkunst" gibt. Camöens wird als deren Hauptvertreter gelobt.10 Die portugiesische Sprache ist für ihn „die südlichste süßeste Blüte aller provenzalischen romantischen Sprachen" {Europa I, 2, 61). „Romantisch" ist hier, wie so oft, gleichbedeutend mit „romanisch". Den Abschluß dieser Übersicht bildet ein „Verzeichnis der Manuskripte" der „Provenzalischen Literatur" auf der Pariser Nationalbibliothek (Europa I, 2, 67 f.). Daran ist hervorzuheben, daß ihm das Provenzalische neben dem Catalonischen als Hauptdialekt der „ältesten romantischen Sprache" und die provenzalische Poesie als die „älteste romantische Poesie" gelten (Europa I, 2, 71). u Diese neu erworbenen Kenntnisse werden nun in den zwei großen Literaturgeschichten verarbeitet oder das einmal Ausgearbeitete übernommen. So gibt es zum Beispiel viele Parallelen, wörtliche oder dem Inhalt nach, in der Paris-Kölner Literaturgeschichte zu dem EuropaAufsatz „Portugiesische Dichtkunst", worüber auch die sich fast ganz auf Camöens beschränkende Darstellung der Portugiesischen Literatur 10 O. Walzel nannte Schlegel den „deutschen Entdecker des Camöens" (Revue de littérature comparée, XVIII, 489). Eingehend diskutiert wird das Verhältnis Schlegels zur portugiesischen Literatur von Hans Flasche, „Friedrich Schlegel und die Romania. I. Friedrich Schlegel und Portugal", DVLG, XXXII (1958), 417-447. 11 E. R. Curtius bemerkt zu diesen Studien in „Friedrich Schlegel und Frankreich", S. 87 f., Schlegel habe „als erster die Bedeutung der provenzalischen Sprache und Literatur erkannt und sich mit dem Plan umfassender provenzalischer Forschungen getragen . . . " Das sei im Jahre 1803 gewesen, „also dreizehn Jahre vor der ersten Textausgabe der Troubadourlieder durch den Franzosen Raynouard und mehr als zwanzig Jahre vor den epochemachenden Büchern von Friedrich Diez über das Leben und die Kunst der Troubadours".
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in der acht Jahre späteren Wiener Literaturgeschichte nicht hinausgeht.12 Die vielen interessanten, aus reicherem Wissen fließenden Einzelheiten über die romantische Poesie in den Paris-Kölner Vorlesungen, können hier nicht alle verfolgt werden. Die Literatur der Neuzeit wird in sieben Hauptzweige aufgeteilt: die „christlich-lateinische" (die vom Geist der nordischen befruchtete ausgeartete lateinische) als Quelle der neueren romantischen; die „altfranzösische" (nordfranzösische und provenzalische) als „Quelle der italienischen und spanisch-portugiesischen, die nordische als Mittelquelle aller dieser Literaturen die englische und endlich die deutsche, die alle diese Literaturen umfaßt, sie alle verschlungen hat; die einzige, die noch in freiester lebendiger Kraft fortblüht und von der allein eine bedeutende fruchtbare Epoche zu erwarten ist" (KA XI, 140). Nach diesem allgemeinen Grundriß entwickelt Schlegel nun mit erstaunlichem Wissen und etwas patriotischem Einschlag den Verlauf und Verfall (wovon allein die deutsche ausgenommen wird) der Literaturen der Antike und der christlichen Zeiten. Wir können nur auf Einzelnes aufmerksam machen, was für unseren Zusammenhang bedeutend erscheint. Originell ist die Funktion des Witzes, die ihm Schlegel bei der Entstehung der romantischen Poesie zuschreibt. Die italienische und spanische Sprachen seien schon zu „verfeinert, überbildet und verbildet, abstrakt" und zu prosaisch gewesen, „bei weitem nicht so kräftig, bedeutend, naiv, lebensvoll und poetisch wie andere alte ursprüngliche Sprachen, z.B. die nordischen und besonders die deutsche" (KA XI, 146). Nun gibt Schlegel eine philologische Deduktion des Witzes und zugleich eine Begründung für den witzigen Charakter der späteren romantischen Poesie der Italiener und Spanier: Um eine abstrakte Sprache poetisch zu bilden darf man nur das streng Bestimmte, Philosophische, Wissenschaftliche vermeiden und an die Stelle der pedantisch ängstlichen Ordnung, durch eine kühne, freie Versetzung aller jener Elemente, eine schöne phantastische Unordnung einführen. Dies kann nun geschehen durch das Medium des W i t z e s . . . Witz ist ein einzelner Gedanke des Wissens ohne gemessene, geregelte Verknüpfung in einer freien, willkürlich kühn verschlungenen Form . . . 12 E. Behler verzeichnet viele dieser aufschlußreichen Parallelen in dem an Wissen reichen fast hundertseitigen Kommentar zum elften Bande der neuen kritischen Ausgabe. Auch Angaben aus Schlegels Briefen und Notizheften stellt dieser „Kommentar" zusammen, so daß die Anmerkungen zu der Literatur der romantischen Epoche einen Überblick über den Anfang, die Dauer und das Nachlassen von Schlegels Beschäftigung mit den jeweiligen Literaturen geben und auch erkennen lassen, mit welchen Dichtern er sich am meisten beschäftigte.
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Der Hauptcharakter des Witzes ist, daß er ein Gedankeospi'e/. . . ist. Ein Spiel läßt sich nicht anders denken als wie eine absolut freie, von allen ängstlichen Regeln und Gesetzen unabhängige Tätigkeit. Ein Produkt des Witzes muß also in Hinsicht der Anordnung und Stellung der Gedanken denselben Charakter der Freiheit und Ungebundenheit an sich tragen. Einer abstrakten Sprache nun, die mehr zum Wissenschaftlichen als zur Poesie hinneigt, kann nur durch eine freie und kühne Versetzung der Form . . . und durch Wiederaufbauen neuer, dem poetischen Geiste sich freier und inniger anschmiegender Formen eine poetische Gestalt gegeben werden. Den Italienern und Spaniern blieb kein anderes Mittel übrig, ihre abstrakte und unpoetische Sprache zur Poesie zu bilden, als das Medium des Witzes.
Der „ganze Charakter der romantischen Poesie" beruhe „auf diesem Spiel mit den logischen Grundformen der Sylbenmaße, die . . . eine äußerst spielende Verschlingung und Verkettung der Gedanken veranlassen". Eine derartige „Verbindung des Witzes mit der Poesie hat durchaus nur in der romantischen Literatur stattgefunden und ist weder in der griechischen und römischen, noch in einer anderen sichtbar" (KA XI, 147). Dies erklärt, warum z.B. bei der nordischen oder deutschen romantischen Poesie vom Witz nie die Rede ist. Überhaupt treten jetzt an die Stelle des Witzes, der einige Jahre früher, als sich Schlegel mit dem witzig konstruierten, parodistischen Romanen der Hochrenaissance beschäftigte, im Vordergrund stand, Eigenschaften wie Ursprünglichkeit, Einfachheit, kunstlose Schönheit, Treue, Ehre und Liebe. Daher bekommt jetzt auch die spanische Poesie „in Rücksicht des Romantischen" den Vorzug: „Die spanische Poesie war Ritterpoesie, die Poesie war hier unmittelbar mit dem Leben vereinigt. Bei den Italienern erscheint sie mehr als wissenschaftliche Kunst, als Gelehrsamkeit." Und mit nachdrücklichem Hinweis auf die Lebensverbundenheit und die oben erwähnten Eigenschaften: „In der älteren spanischen Poesie ist gleichsam alles, was man romantisch nennt, vereinigt. Romanzen, Lieder und Ritterbücher sind wohl die einfachsten natürlichsten Formen der romantischen Poesie." Sie wollen „uns die ganz eigentümliche Denk- und Empfindungsweise jener Zeit, die wir vorzugsweise die romantische nennen, mit schlichter Treue und Wahrheit darstellen . . . " Mit Rücksicht auf diese „ganz kunstlose, ganz natürliche ältere spanische Poesie" lasse sich der „Begriff des Romantischen" erklären als „die Vereinigung der Poesie und des Lebens - als eine Poesie, die mit dem Leben eins zu werden sucht, wo das Leben ganz poetisch, die Poesie ganz lebendig ist". So sei die romantische Poesie immer „die natürliche Blüte und Frucht eines poetischen Lebens" (KA XI, 156).
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Verschwenderisches Lob wird wieder auf Cervantes gehäuft. Don Quixote, dieses unnachahmlich schöne Produkt, könne man in jeder Hinsicht „zu den vollendetsten Meisterwerken der höheren romantischen Kunst" zählen. Das Materielle im Roman könne sehr leicht genommen und oft frei erfunden werden, denn es diene dem Dichter nur als Mittel zu einem höheren bedeutenden Zweck. „So wollte Cervantes seine ganze Anschauung vom Witz aussprechen in Don Quixote und von der Liebe in der Galatea, von religiösen Gefühlen im Persiles" (KA XI, 162). Auch die uns schon bekannten Eigenschaften des Romans als „die ursprünglichste, eigentümlichste, vollkommenste Form der romantischen Poesie", werden bei der Darstellung des Cervantes noch einmal zusammengefaßt. Ebenso das „Romantische des Stils". Es bestehe „in dem Witzigen, Farbigen, Musikalischen, wozu man noch das Altertümliche, höchst Einfache, Naive, Strenge, Kindliche rechnen kann, das uns ganz in den Geist jenes poetischen Altertums versetzt" und in dem Parodistischen, „wenn alte Romane parodiert werden" (KA XI, 161). Keine Lebensäußerungen scheinen dem Romantischen fremd zu sein, es soll das ganze Dasein ergreifen, poetisieren und erheben. Oder wie es Schlegel so einzigartig vom Roman sagt: er soll „die Musik des Lebens phantasieren" (KA XI, 161). Cervantes habe auch auf die spanische Bühne großen Einfluß gehabt, so daß trotz Lope de Vega, dessen Werken es „durchaus an Tiefe und Gründlichkeit der Komposition, an höherer, vollendeter Kunstform" mangele (KA XI, 164), das Romantische nie ganz verdrängt werden konnte (KA XI, 165). Calderón sei als letzter romantischer Dichter anzusehen. Nach ihm sei durch Corneille und Racine die romantische Poesie durch „eine der antik-klassischen nachgebildete" völlig verdrängt worden, „welche Tendenz sich allmählich über ganz Europa verbreitete und in allen Literaturen vorherrschend wurde" (KA XI, 166). „Die altenglische romantische Literatur", die im elften Jahrhundert anfängt und mit Milton, der „nur mit großen Einschränkungen" (KA XI, 169) romantisch genannt werden könne, aufhört, und deren vorzüglichste Vertreter Chaucer, Spenser und Shakespeare sind, nimmt chronologisch gesehen hier eine kuriose Stellung ein: sie macht den Übergang von der „romantischen zur nordischen Literatur" und stehe zwischen der romantischen, nordischen und deutschen, obwohl die nordische doch „in Rücksicht der Mythologie, Fabel und Erfindung der Zeit nach weit älter ist und sich in der dunklen Vergangenheit verliert". Die Besprechung der romanischen Literaturen vor der nordischen wird damit begründet, daß „sie weit früher von allgemein verbreitetem wirksamem Einfluß waren
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als die nordische", die „offenbar erst später bekannt und auf das Ganze der Literatur einwirkend wurde" ( K A XI, 167). Doch heißt es schon hier, es sei „denkbar, daß die älteste Poesie in Italien, Spanien und Frankreich einen deutschen und nicht einen römischen Charakter hat" (KA XI, 179). Dieser Gedanke wird in der Wiener Literaturgeschichte, die dementsprechend die nordische vor den romanischen Literaturen erwähnt, weiter ausgeführt. Den nordischen Nationen wird eine höhere poetische Begabung und Kraft zugesprochen als den südlichen Völkern, deren Poesie einige Zeit unter dem nachteiligen Einfluß der lateinischen Sprache gestanden habe. Außerdem brachte die Einführung des Christentums eine längere Unterbrechung in der Entwicklung der Kunst und Literatur in diesen Nationen. Die größern Versuche . . . das Christentum poetisch darzustellen, fielen nicht glücklich aus; weil die von den alten Dichtern entlehnte Form für diese Gegenstände nicht paßte, und es also nur eine tote Zusammensetzung blieb und eine bloß metrische Einkleidung, ohne Leben und ohne den Geist der Poesie. Diesen erhielt das neuere Europa aus der andern nordischen Quelle seiner Bildung. So früh als nur die Römer der germanischen Völker erwähnen, unterlassen sie auch fast nie, der besonderen Liebe derselben zur Poesie zu gedenken... Zwar konnte die deutsche Götterlehre bei den christlich gewordenen Völkern als solche auch nicht bestehen. Das Wesentliche derselben aber für die Dichtkunst, die innere dichterische Kraft, erhielt sich in den historischen Heldengedichten, und als diese in späteren Zeiten durch feinere Sitten gemildert, durch den Geist der Liebe und Andacht verschönt und veredelt, bald auch kunstreicher dargestellt wurden, so entstand jene Ritterpoesie, welche in dieser Gestalt dem neuern christlichen Europa ganz eigentümlich ist, und auf den Nationalgeist der edelsten Völker so große Wirkungen hervorgebracht hat. (KA VI, 158 f.) Dieser Gedankengang liegt den Äußerungen über die romantische Poesie in den beiden Literaturgeschichten zugrunde. Halten wir fest: Leben und Geist der romantischen Literatur kommt nun ursprünglich aus dem Norden. Für nordisch setzt Schlegel auch deutsch. „Unter der eigentlich nordischen Literatur verstehen wir die Mythologie und Dichtkunst jener deutschen Stämme, die die allernördlichsten Gegenden bewohnten. Sie wurde durch die deutschen Eroberer über ganz Europa verbreitet, und erst als diese selbst die christliche Religion annahmen, wurde sie verdrängt" (KA XI, 178). Shakespeare gehört nun zur nordischen Literatur. Obwohl seine Poesie „durchgehends romantisch" ist, sei sie „in ihrem Grundgefühl
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eine allgemein nordische und wahrhaft deutsche" (SW2, VIII, 89-91). Diese beiden gewaltigen Komplexe der romantischen Dichtkunst, die südliche und die nordische Poesie, sollen in der neuen romantischen Poesie vereinigt werden. Die neue Synthese heißt: Calderón und Shakespeare, wie gleich noch auszuführen sein wird. Von den germanischen Einwanderern haben „vorzüglich die Normannen viel beigetragen, der Fantasie der europäischen Nationen einen ganz neuen Schwung zu geben" (KA VI, 187). Zwar waren die Grundzüge des Rittertums schon überall vorhanden, so wie sie selbst aus der ursprünglich germanischen Verfassung hervorgehen; der poetische Glaube an das Wunderbare, an riesenstarke Helden, Berggeister, Meerfrauen, Elfen und zauberkundige Zwerge war noch aus der altnordischen Götterlehre in der Fantasie zurückgeblieben. Aber es war ein frischer Lebensgeist, den die Normannen noch unmittelbar von der Quelle her, aus dem Norden mitbrachten, und mit dem sie alle jene vorhandenen Elemente des Rittertums und der Poesie jetzt von neuem befruchteten. Dieser Geist verließ sie nicht, als sie christlich dachten und französisch sprachen . . . Nicht nur ihre Sinnesart, auch ihre Lebensweise war durchaus poetisch,... immer auf das Wunderbare gerichtet, und so haben sie auf die Poesie des Mittelalters einen vorzüglich großen Einfluß gehabt. Besonders scheinen sie die Geschichte Karls des Großen mit Liebe aufgefaßt, und zum Rittergedicht gestaltet zu haben.
Hiermit wurde also die Grundlage geschaffen für die vielen Parodien, phantastischen und witzigen Werke, die während der romantischen Epoche, „von Pulci bis zum Ricciardetto", wie es im Studiumaufsatz hieß, florierten. Dieser Befruchtung der romanischen Dichtkunst durch die nordische wird dann auch in der Wiener Literaturgeschichte Rechnung getragen, indem die Beschreibung der Anfänge der nördlichen Literatur der südlichen vorangestellt und der neulateinisch-christlichen Dichtung angeschlossen wird. In dem Aufsatz „Über nordische Dichtkunst" aus dem Jahre 1812 ist sogar von dem „aus dem Norden mitgebrachten, kühnen romantischen Geist" die Rede, der den Normannen „noch mehrere Jahrhunderte hindurch eigen" blieb. „Sie haben . . . die Taten Karls des Großen und seines biedern Roland in ein Gedicht verwandelt; sie waren es, die nach England unter Wilhelm dem Eroberer das Rolandlied brachten, und auch an der Poesie der Kreuzzüge haben sie durch Tat und Gesang einen großen und wesentlichen Anteil gehabt" (SW2, VIII, 64). Dadurch verbreitete sich der nordisch-romantische Geist während des Mittelalters über ganz Europa.
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Schlegel sieht auch den Zeitraum gegen Ende des neunten und des zehnten Jahrhunderts, der gewöhnlich als „Finsternis des Mittelalters" verschrieen sei, als eine Zeit des poetischen Aufschwungs an. In den südlichen Ländern nahm seit Karl dem Großen die Phantasie einen neuen Aufschwung, im Norden wurden die „Sagen von Odin und die Gesänge der Edda jetzt von neuem erweckt und erneuert", die „Taten Fingais und die Gesänge Ossians" gehören in diese Zeit, „Karls und Rolands Taten" gaben Stoff zu neuen Liedern, im Morgenlande sammelte Ferdusi „die Sagen von den großen Königen und Rittern des alten Persien in seinem unsterblichen Heldenbuche; nicht viel später vollführte der spanische Cid seine Taten, die gleich nachdem sie geschehen, in Heldengedichten e r z ä h l t . . . wurden; und in unserm Deutschland war das Lied der Nibelungen, die Sage vom Attila und von seiner letzten Hochzeit, dem burgundischen Unglück, von den fränkischen und gotischen Helden, wo auch noch nicht in hochdeutscher, so doch gewiß schon in sächsischer Sprache vorhanden" (SW2, VIII, 65). Wie versteht Schlegel nun den „romantischen Geist" dieses poetischen Aufschwunges? Weil er bei der letzten großen Definition des Romantischen keine unwesentliche Rolle spielt, dürfte eine nähere Bekanntschaft mit ihm zweckmäßig sein. „Es ist die Poesie in ihrer ursprünglichen Gestalt selbst, oder die Sage und Heldendichtung welche . . . der Urgeschichte des Menschen und der Natur angehört. Im Gegensatz der abgeleiteten Kanäle jener künstlich konventionellen, auf die gesellschaftlichen Verhältnisse und Erscheinungen gerichteten Poesie, konnte man sie einer reinen und starken Felsenquelle vergleichen. . ." Sie ist die Poesie, „welche unmittelbar aus dem Gefühl des jugendlichen Lebens und der Liebe hervorgeht . . ." (SW 2 , VTII, 53 f.). Dieser romantische Geist drückt sich in einem „alldurchdringenden tiefen Naturgefühle" aus, „welches aus den germanischen Sitten und Einrichtungen des Lebens hervorleuchtet" und woraus der „Hang zur Freiheit", die „zartere Liebe" und die „Begriffe von Adel und Ehre" entsprungen sind. Dieser nordische kühne romantische Geist ist nun in der „nordischen Götterlehre" und Edda einheimisch (SW2, VIII, 55), die für Schlegel die „nordische Quelle" der deutschen Poesie sind, denn „Odins Götterlehre war den nördlichen Deutschen und Sachsen mit den skandinavischen Völkern gemein; beide Nationen finden sich nach so langer Absonderung doch noch verwandt, und waren ursprünglich Ein Volk" (SW2, VIII, 56). „Mit den Deutschen ergoß sich der neue Strom dieser nordischen Dichtungen über alle eroberten Länder." Aus diesem Strom schöpfte dann die „romantische Poesie jene Sagen von Riesen, Zwergen, zauberischen
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Kräften, wunderbaren Tieren, die der griechischen Mythologie ganz fremd sind" (KA XI, 179). Diese Sammlungen der Edda enthielten „ein vollständiges System der nordischen Mythologie", die „ganz eigentümlich für sich bestehend und selbständig, ebenso reich und zusammenhängend wie die griechische" sei (KA XI, 178). Wegen ihrer „geistigeren Naturverehrung" gebühre ihr sogar der Vorzug vor der „im innersten Grunde doch eigentlich materiellen griechischen Götterlehre" (StV2, VIII, 68). „Die Verehrung der Elemente, bei den Persern und Germanen der wesentlichste Teil ihrer Götterlehre, ist überhaupt der reinere und geistigere Teil des alten Naturglaubens, und nicht zu verwechseln mit dem rohen, bei den Griechen so allgemein herrschenden Materialismus, welcher die Welt aus Atomen oder dem Chaos entstehen läßt, und die Natur in ihrer unerschöpflichen Zeugungskraft und Fruchtbarkeit bloß als ein unendliches Tier begreift" (SW2, VIII, 69). Diese „nordische Ader" gehe nun durch die „ganze Ritterzeit, durch alle Taten und Sitten, alle Dichtungen und Gebilde des Mittelalters . . . hindurch, und noch schlagen diese Gefühle in den Herzen aller Völker deutscher Abkunft" (SW2, VIII, 55 f.). Der deutsche romantische Geist kommt im Minnesang und den mittelhochdeutschen Epen des zwölften, dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts zum Durchbruch. Diese Literatur könne „an Vollkommenheit und Reichtum mit den ersten unter den romantischen wetteifern". Die „eigentümliche Blüte der romantischen Poesie" falle unter die Herrschaft der schwäbischen Kaiser. Sie war unmittelbar mit dem Leben verbunden, „war das allgemein verbreitete Element des Lebens und der Freude, wo Heldensinn und Heldenmut, hohe Ehre, Liebe und Treue in gleicher Festigkeit und Schönheit wurzelten und blühten". Die Poesie war „Ritterund Heldenpoesie in der edelsten Bedeutung" und die lyrischen Gedichte waren „Gesänge der Liebe im wahren Sinne des Wortes . . ." Parodie und Ironie waren dieser Poesie nicht nötig, da „der Held und der Dichter völlig eins" waren. Diese romantische Poesie wurde von Rittern, Fürsten, Königen und Kaisern verehrt und auch geschaffen, was einen „Grad von Herrschaft der Poesie über das Leben und eine so ausgezeichnete hohe Verehrung dieser Kunst" zeige, „wie sie sich in der Geschichte keines Volkes offenbart" (KA XI, 181). Wenn wir daran denken, wie Schlegel alle seine Kräfte einsetzte, das ganze Zeitalter umwälzen und revolutionieren, alle erstarrten Vernunftgesetze einreißen wollte, um eine ähnliche Vereinigung der Poesie mit dem Leben, um wieder eine allgemeine Verehrung der Poesie zu bewirken, läßt sich seine Begeisterung an der im eigenen
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Lande vorgefundenen romantischen Poesie verstehen. Mit dieser patriotischen Verherrlichung der mittelhochdeutschen Dichtung schließen die Paris-Kölner Vorlesungen. Allen diesen Bestimmungen des Begriffes „romantische Poesie", denen wir bisher begegnet sind, wird bei der letzten umfassenden Definition des Romantischen in der zwölften Vorlesung der Wiener Literaturgeschichte noch ein christliches Element hinzugefügt. Die in den folgenden Zitaten ausgesprochene neue Erkenntnis war Schlegel bei der vergleichenden Mythenforschung gekommen, womit er sich nach der Übersiedelung nach Paris (1802) beschäftigt hatte. „Eines wird ihm bei diesen Studien unumstößlich gewiß, denn die meisten ältesten Denkmale und geschichtlichen Tatsachen weisen einstimmig darauf hin: daß nämlich ,der Mensch seine irdische Laufbahn nicht ohne Gott angefangen habe. Besonders von Indien her zeigen sich sehr merkwürdige und unerwartete Aufschlüsse über den Gang der menschlichen Denkart in den ältesten Zeiten'." 13 Diese „Offenbarung der Gottheit" sei „keine Geburt der Vernunft" (KA XIII, 37). Und in den Paris-Kölner Vorlesungen heißt es schon: „Alles was im Menschen ist, stammt aus einer Quelle; der Mensch würde nicht Mensch sein, wenn nicht höhere Wesen sich seiner angenommen und ihm einen Teil des göttlichen Lichtes mitgeteilt hätten. Nur in dieser Offenbarung ist die Urquelle aller seiner geistigen Fähigkeiten und Kräfte zu suchen" (KA XI, 117). Diese Offenbarung fand er im historischen Christentum überliefert. „Jede mögliche Religion ist im Christentum schon a priori umfaßt; daher ist es eine Torheit, eine neue Religion stiften zu wollen", und ihm scheint „die katholische . . . die einzige, die man ergreifen kann, unstreitig wenigstens die bessere".14 So fand die lange Suche nach einer höheren allumfassenden Einheit, „jene große, Sein und Werden, Natur und Geschichte umfassende Weltanschauung",15 im Christentum eine Bestätigung. Diese höhere Einheit ist die „christliche Liebe", die Schlegel in Calderón dargestellt findet. Der „heilige Hauch", der über der romantischen Poesie unsichtbar sichtbar schweben sollte, hat sich von einer bloß kosmisch-göttlichen Kraft in die Kraft der christlichen Liebe verwandelt. Diese ist nun der neue Hauptakzent des Begriffes „romantische Poesie". 13 E. Behler, „Friedrich Schlegels geistige Gestalt", Einleitung zu Friedrich Schlegel, Schriften und Fragmente. Ein Gesamtbild seines Geistes (= Kröners Taschenausgabe Bd. 246) (Stuttgart 1956), XXXVI. 14 Schlegel, Schriften und Fragmente, 179 und 183. 15 E. Behler, „Friedrich Schlegels geistige Gestalt", Schriften und Fragmente, XXXVII.
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Jedoch ist auch dieser noch sehr komplex. Das „eigentlich unterscheidende Merkmal des Romantischen" ist ein „Weg" der Poesie, der „das Leben von jedem einzelnen Anklänge aus, hochführt zur symbolischen Schönheit" (KA VI, 285). Dies will Schlegel unter dem Romantischen, „insofern wir dieses noch von dem Christlich-Allegorischen unterscheiden", verstanden haben: innige Anschließung an das Leben und symbolische Schönheit. Weder Tasso, Milton noch Dante in ihren allumfassenden christlich allegorischen Weltgedichten erfüllen diese Forderung der neuen Poesie, die von dem „Einzelnen" ausgehen soll, „wie es ihr gerade gegeben ist, von dem Leben selbst. . ." Ausdrücklich verwehrt er sich gegen einen Weg der Poesie, „welcher die Symbolik von oben herab, im ganzen und mit einemmale in die Erscheinung hineinträgt". Das Romantische der neuen Poesie besteht vielmehr in einer vollständigen „Lebens-, Welt- und Natur-Symbolik", die sich in „das Gebiet der geistigsten Schönheit nach christlichen Begriffen" steigern und verklären ließe (KA VT, 284 f.). Der Übergang von einer bloß „göttlichen" Symbolik zu einer christlichen läßt sich sehr gut in Schlegels Studien zur Malerei und Baukunst verfolgen. Die gotische Baukunst könne das Göttliche, „das Unendliche gleichsam unmittelbar darstellen und vergegenwärtigen durch die bloße Nachbildung der Naturfülle, auch ohne Anspielungen auf die Ideen und Geheimnisse des Christentums" (KA IV, 180), lesen wir noch 1806, während es sechs Jahre später heißt: „Symbolisch muß . . . alle Baukunst sein, und mehr als jede andere ist es diese christliche des deutschen Mittelalters. Was zuerst und am nächsten liegt, das ist der Ausdruck des zu Gott empor steigenden Gedankens, der vom Boden losgerissen, kühn und gerade aufwärts zum Himmel zurückfliegt. Dieses ist es eben, was jeden mit dem Gefühl des Erhabenen beim Anblick dieser, wie Strahlen emporschießenden Säulen, Bogen und Gewölbe erfüllt . . ." (KA VI, 203). An der Form ist alles Symbol für das Geheimnis der Gottheit, und „was das Ganze ausdrückt, ist der Ernst der Ewigkeit, ja, wenn man will, der Gedanke des Todes, des irdischen nämlich, umflochten von der lieblichsten Fülle eines unendlich blühenden Lebens" (KA VI, 204). Auch sei „jenes Streben und Suchen nach einer vollständigen christlichen Lebens-, Welt- und Natur-Symbolik zwar wohl in einem hohen Grade für die Malerei, aber niemals zur allgemeinen Befriedigung für die Poesie gelungen" (KA VI, 284). Dies war wohl möglich, weil die Malerei von Anfang an eine „göttliche Kunst" war, ohne die der Mensch zwar bestehen könne; aber es würde ihm „eins der wirksamsten Mittel fehlen, sich mit dem Göttlichen zu verbinden, und sich der Gottheit zu
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nähern . . ." (KA IV, 71). Denn „die Religion zu verherrlichen, und die Geheimnisse derselben noch schöner und deutlicher zu offenbaren, als es durch Worte geschehen kann", sei die „ursprüngliche Bestimmung" der Kunst gewesen, wie es schon 1804 heißt (KA IV, 79). Gemälde sollte man „symbolische Gemälde" nennen (KA IV, 72), wohl weil sie das Geheimnis der Gottheit in irdischer Erscheinung offenbaren. So verdrängt auch das christliche Element in der Poesie keineswegs die anderen Elemente des Romantischen: kraftvolles Leben, Heldentum, Phantasie, usw. „Wo . . . immer das höchste Leben mit Gefühl und ahnungsvoller Begeisterung in seiner tieferen Bedeutung ergriffen und dargestellt ist, da regen sich einzelne Anklänge wenigstens jener göttlichen Liebe, deren Mittelpunkt und volle Harmonie wir freilich erst im Christentum finden." Da nun jede große Poesie, ob christlich oder nichtchristlich, das höchste Leben in seiner tieferen Bedeutung ergreift und ergreifen soll, steht diese, welcher Art sie auch sein möge, mit der Forderung, daß alle Poesie romantisch sein soll, nicht im Widerspruch. „In der Tat streitet auch das Romantische an sich mit dem Alten und wahrhaft Antiken nicht. Die Sage von Troja und die Homerischen Gesänge sind durchaus romantisch; so auch alles, was in indischen, persischen und andern orientalischen oder altnordischen und vorchristlichen europäischen Gedichten wahrhaft poetisch ist." Denn die „innere Liebe bricht in edeln Gemütern auch unter Irrtum und falschen Schreckbildern überall hervor". Die neue Poesie könne von dem „Einzelnen . . ., wie es ihr grade gegeben ist, von dem Leben selbst, von der sagenhaften Geschichte, der einzelnen Legende, selbst von Fragmenten der alten heidnischen Mythologie" ausgehen, falls „diese poetischen Einzelheiten und Anklänge" eine „höhere Deutung und geistige Umwandlung zulassen". Durch die enge Anschließung an das Leben unterscheide sich „das Wesen des Romantischen" als „eine lebendige Sagen-Poesie von der bloß allegorischen Gedanken-Poesie" und durch das in der Poesie herrschende christlich-romantische Liebesgefühl löse sich „der tragische Ernst der alten Götterlehre und heidnischen Vorzeit in ein heiteres Spiel der Fantasie" auf. Aus den „äußeren Formen der Darstellung und der Sprache" sollten „solche gewählt werden, welche jenem inneren Liebesgefühle und Spiel der Fantasie entsprechen" {KA VI, 285 f.). Das Romantische als eine Vereinigung der Universalität des Lebens mit der Harmonie der christlich-göttlichen Liebe zielt hier auf eine Synthese von Shakespeare und Calderón. Shakespeare, dessen Poesie eine durchaus romantische, allgemein nordische und wahrhaft deutsche ist (s.o.), habe „keinen Gegenstand mit so tiefem Ernst und mit solcher Be-
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geisterung ergriffen, als die Heldenchronik seiner Nation" (Sf¥2, VIII, 89). Deshalb kann er auch den „Körper und äußern Stoff" („die romantische Sage oder auch das nationale Leben") zu der neuen Poesie liefern. Calderón dagegen soll ihr den Geist geben, d.h. „christliche Symbolik" und Allegorie (i.e., „der ganze Inbegriff der gesamten christlichen Bildlichkeit und Sinnlichkeit . . . als Ausdruck, Hülle und Spiegel der unsichtbaren Welt") (KA VI, 286). Dieses gäbe eine neue „allegorischchristliche Dichtkunst", in der alles „durch und durch symbolisch" wäre. „Und zwar ist es eine Symbolik der Wahrheit, die eben daher auch von der einen Seite in der physischen Tiefe, oder dem Naturgeheimnis der Seele begründet ist und begründet sein soll, wie es Shakespeare am meisten erreicht hat, und von der andern Seite zur christlichen Verklärung durchgeführt, wie im Calderón" (KA VI, 287). Dies ist nun wieder das romantische Ideal aller Poesie: „In diesem weiteren Sinne, da das Romantische bloß die eigentümlich christliche Schönheit und Poesie bezeichnet, sollte wohl alle Poesie romantisch sein" (KA VI, 285). Der katholische Calderón wird von dem katholisch gewordenen Schlegel also keineswegs als ausschließliches Vorbild aufgestellt; erst eine Synthese mit Shakespeare würde die unten beschriebenen Mängel beider aufheben. Sollte man an Calderón, als romantischen Dichter in allen Arten des Dramas etwas aussetzen, so wäre es, daß er uns zu schnell zur Auflösung führt, daß diese oft um so viel mehr wirken würde, wenn er uns länger im Zweifel fest hielte, und wenn er das Rätsel des Lebens öfter mit der Tiefe wie Shakespeare charakterisierte, wenn er uns nicht fast immer gleich vom Anfang an in das Gefühl der Verklärung versetzte und dauernd darin erhielte. Shakespeare hat den entgegengesetzten Fehler, daß er uns das Rätsel des Daseins, wie ein skeptischer Dichter, allzuoft nur als Rätsel in seiner ganzen Verwirrung und Verwicklung vor Augen stehen läßt, ohne die Auflösung hinzuzufügen. Und wo er auch die Darstellung bis zu dieser hindurch führt, da ist es meistens mehr die alt-tragische des Untergangs, oder eine gemischte mittlere von halber Befriedigung, äußerst selten aber jene im Calderón herrschende, liebevolle Verklärung. (KA VI, 288 f.)
Daß Schlegel eine Auflösung des Rätsels des Daseins durch die Allegorie für möglich hält, erweist ihn als Denker seiner Zeit, wo die höhere Bestimmung des Menschen, sein Bezug zur Transzendenz noch eine Gewißheit ist. „Der Glaube an eine höhere Bestimmung . . . an einen höheren göttlichen Ursprung des Menschen ist allgemein; aber ebenso allgemein das Gefühl, von diesem Ursprung sehr entfernt zu sein" (KA XI, 9). „. . . sobald wir nur über uns nachdenken, finden wir uns unendlich"
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(KA XII, 334).16 Trotz der „enormen Masse von Plattheit" und tiefsten Verderbtheit, die Schlegel bei seinen Zeitgenossen immer wieder feststellen muß, verläßt ihn seine idealistische Überzeugung nie. Diesen optimistischen Idealismus läßt auch folgendes Zitat erkennen: „Die tote Erstorbenheit und Erschlaffung, die auch in der katholischen Welt sich jetzt sehen läßt, keineswegs ein Grund, nicht überzutreten, sondern im Gegenteil zur Hoffnung, sie werde durch die Neubekehrten neu belebt werden. . ."17 Da nun keine direkte Aussage über den „höheren göttlichen Ursprung", dem der Mensch immer zustreben muß, möglich ist, kann der Mensch nur durch sinnbildliche oder allegorische Darstellung etwas über seinen Ursprung erfahren. Allegorie bedeutet wiederum keine Weltflucht; sie wurde ja definiert als „Aufklärung vom Dasein der Welt". Die rätselhafte Tiefe des Lebens und der Mensch darin stehen also immer im Mittelpunkt seiner Äußerungen über die romantische Poesie. „Die übersinnliche Welt, die Gottheit, und die reinen Geister können im ganzen nicht geradezu dargestellt werden; die Natur und die Menschheit sind die eigentlichen und nächsten Gegenstände der Poesie. Aber jene höhere und geistige Welt kann überall in diesen irdischen Stoff eingehüllt sein, und aus ihm hervorschimmern". Eben so sei auch „die indirekte Vorstellung der Wirklichkeit und Gegenwart, die beste und angemessenste", heißt es in derselben Vorlesung. Unter „indirekter Vorstellung" oder „Darstellung", wie die Variante lautet, versteht Schlegel Folgendes. An und für sich solle die Poesie nur das „Ewige, das immer und überall Bedeutende und Schöne darstellen", was sie jedoch „ganz ohne Hülle" nicht könne. „Sie bedarf dazu eines körperlichen Bodens, und diesen findet sie in ihrer eigentlichen Sphäre, der Sage oder der nationalen Erinnerung und Vergangenheit. In das Gemälde derselben trägt sie aber den ganzen Reichtum der Gegenwart, so weit dieselbe dichterisch ist, hinein, und indem sie das Rätsel der Welterscheinung, die Verwicklung des Lebens bis zu ihrer endlichen Auflösung hinleitet, und überhaupt eine höhere Verklärung aller Dinge in ihrem Zauberspiegel ahnen läßt, greift sie selbst in die Zukunft ein . . ." (KA VI, 276). So 16
Schlegel fährt erklärend fort: „Unser ganzes Selbst, alle Dinge - die Welt, die Gestirne, die Gottheit erscheinen uns unendlich. Auch ist der Gedanke des Unendlichen doch in uns. Wir erhalten ihn nicht von außen her. Unser Ich, als alles, auch noch so fremd Scheinende, auch noch so Erhabene und Hohe umfassend, und alle Gedanken erzeugend, muß sich unendlich vorkommen. - U m nun diese Unendlichkeit, die wir in uns finden, mit dem Gefühle der Beschränktheit im Leben zu vereinigen, muß man den Begriff des Werdens zu Hilfe nehmen" (KA XII, 334). 17 Schlegel, Schriften und Fragmente, 183.
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bestimmt Schlegel „das wahre und richtige Verhältnis der Poesie zur Gegenwart und zur Vergangenheit", und beantwortet damit zugleich die Frage, welche seiner Meinung nach „die eigentlichen Tiefen und das innere Wesen der Kunst betrifft" (KA VI, 275). Aus dieser ernsten Perspektive, die sich für die Poetisierung des ganzen Reichtums der Gegenwart verantwortlich fühlt, macht er sich lustig über jenen anderen „Begriff des Romantischen", der „selbst in vielen der bessern und berühmtesten" Romane „meistens ganz . . . mit dem Begriff des Polizeiwidrigen" zusammenfalle. Um nur „auf irgend eine Weise aus der beengenden Wirklichkeit" herauszukommen, greife diese „verfehlte Gattung" zur Darstellung des Polizeiwidrigen, „wären es auch nur Reiseabenteuer, Zweikämpfe, Entführungen, eine Räuberbande oder die Ereignisse und Verhältnisse einer fahrenden Schauspielergesellschaft" (KA VI, 275). Diese Flucht der Gegenwart und Wirklichkeit seien „mißlungene Versuche", Cervantes nachzuahmen, „dem wohl einiges freistand, was einem andern zur Nachfolge nicht zu raten wäre". Sein Don Quixote sei, „seiner hohen inneren Vortrefflichkeit ungeachtet, ein gefährliches und irreleitendes Beispiel der Nachahmung für die andern Nationen geworden" (KA VI, 274). So ist das Romantische allem dem entgegengesetzt, „was ohne innere Liebe bloß die Form . . . nachkünstelt", ob nun die der Alten oder anderer. Auch sei das Romantische demjenigen entgegengesetzt, „was die Wirkung auf das Leben fälschlich dadurch zu erreichen sucht, daß es sich ganz an die Gegenwart anschließt, und in die Wirklichkeit einengt, wodurch es denn, wie sehr auch die Absicht und der Stoff verfeinert werden mag, der Herrschaft der beschränkten Zeit und Mode unvermeidlich anheim fällt" (KA VI, 286). Gegenüber dieser Tagesliteratur und den gewöhnlichen Bestsellertypen zeige sich die Kunst des wahren Dichters eben darin, „das, was als das Gewöhnlichste und Alltäglichste gilt, indem er eine höhere Bedeutung und einen tiefern Sinn heraus fühlt oder ahnend hinein legt, durchaus neu, und in einem dichterischen Lichte verklärt erscheinen zu lassen" (KA VI, 276). „Beengend aber, bindend und beschränkend ist die Deutlichkeit der Gegenwart jederzeit für die Fantasie". Daher wäre es weit besser, den Stoff, „die Hülle", aus der Vergangenheit zu wählen, „wo nur die großen Gestalten hell erscheinen" (KA VI, 274). In diese Hülle könne dann das Darstellungswürdige der Gegenwart aufgenommen werden, und, durch höhere dichterische Verklärung, selbst die Zukunft mit einbezogen werden, so daß das ganze Kunstwerk zur Auflösung des Rätsels der Welterscheinung und der Verwicklung des Lebens hinleite.
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Dies ist also der Begriff des wahren Romantischen, wie er ihn sich zeit seines Lebens erarbeitet hat: eine Poesie oder ein Kunstwerk, das ein vollkommenes dichterisches Weltbild darstellt, das in der Komposition des Ganzen und bis in die kleinsten Teile hinein bis zur höchsten Vollkommenheit durchkomponiert ist, das eine dichterische Nachgestaltung der unendlichen Universalität und Zeit sein soll, das durch den Grad seiner erreichten Perfektibilität alle Erwartungen nicht nur ästhetisch befriedigen soll, sondern im Menschen auch eine Ahnung von der göttlich vollendeten Vollkomenheit und den Wunsch, danach zu streben, erwecken soll. So ist das Kunstwerk ein „Analogon der Welt", des Kunstwerks Gottes, mit Anspruch auf Ewigkeitswert. Alle wahren Dichter sollten dies „Romantische als den eigentlichen Lebensgeist der Poesie, und diese Sphäre als die angemessenste für unsere jetzige deutsche Dichtkunst betrachten" (SW 2 , VII, 90). Wenn Schlegel diese Poesie eine „sinnliche Darstellung. . . der vollendeten Zeit" nennt, dann mutet das eher wie eine Bezeichnung für einen modernen Mythos an als für eine sogenannte sich in Gott verankert wissende Poesie. „Sie bewährt sich auf diese Weise, alle Zeiten, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vereinend, als wahrhaft sinnliche Darstellung des Ewigen, oder der vollendeten Zeit". Das „Ewige" bezieht sich nicht auf eine erfüllte Gottesherrlichkeit im Jenseits, wo alle Sehnsucht gestillt ist, sondern es bedeutet eine Fülle der Zeit, die aber noch schwanger mit Hoffnung ist. Es sei „keine Abwesenheit und bloße Negation der Zeit, sondern vielmehr ihre ganze ungeteilte Fülle, in der alle Elemente derselben vereint sind, wo die vergangene Liebe in bleibender Erinnerung immer wieder neu und gegenwärtig wird, das Leben der Gegenwart aber zugleich eine Fülle der Hoffnung und eine reiche Zukunft schon jetzt in sich trägt" (KA VI, 276 f.). Es sind hohe Anforderungen, die Schlegel an das Wortkunstwerk der romantischen Poesie stellt. Geringeres durfte aber auch nicht erwartet werden, da sich sein Kunstsinn durch das Studium der besten Werke der griechischen Poesie entwickelte und seine Auffassung von einem romantischen Kunstwerk durch das Studium der Werke der größten nachklassischen Dichter - Dante, Cervantes, Shakespeare und Calderön - bestimmt wurde. Viele Pläne, sowohl eigene als auch seines Freundes Novalis, zur Gestaltung romantischer Kunstwerke wurden nicht ausgeführt. 1 8 Doch haben manche Thesen Fr. Schlegels durch die Entwicklung 18 Vgl. Josef Körner, „Neues vom Dichter der ,Lucinde"\ Preußische Jahrbücher, Bde. 183/184 (1921), 309-330 u. 37-56, und Gerhard Schulz, „Die Poetik des Romans bei Novalis", Jahrbuch des freien deutschen Hochstifts 1964, 120-157.
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des Romans im 19. und 20. Jahrhundert Bestätigung gefunden. Auch der zeitgenössische Roman Heinrich von Ofterdingen beweist, daß Schlegels Ideen keine fruchtlosen Spekulationen waren. Klingsohrs Märchen ist z.B. so eine „wahrhaft sinnliche Darstellung der vollendeten Zeit". Verstand, Gefühl und Phantasie19 sind an der künstlerisch vollkommenen Durchbildung dieser Darstellung in gleichem Maße beteiligt. Als Teil ist das Märchen Symbol des Ganzen, welches ja, wie bekannt, auf Enzyklopädie des Zeitalters, auf die Vereinigung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, auf die Darstellung des Ewigen, eines goldenen Zeitalters angelegt war.
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Die von Schlegel und Novalis bewußt aufgestellte Forderung nach Verbindung von Gefühl und Verstand in der Dichtung ist heute wieder besonders aktuell. Vgl. Clemens Heselhaus, „Auslegung und Erkenntnis", in: Gestaltprobleme der Dichtung (Bonn 1957), 259: „Nichts scheint im Zeitalter der Technik so schwer zu sein, als Verstand und Gefühl in Übereinstimmung zu bringen . . . In dieser Situation unserer Zeit erhält die Dichtung eine Funktion, die sie wohl noch niemals in solcher Weise gehabt hat: sie soll der Ort sein, wo endlich der Kontakt zwischen den auseinanderstarrenden Polen statt hat und wo sich die Vereinigung von Verstand und Gefühl ereignet."
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Diese Formulierung des poetischen Ideals für die neue Poesie als „sinnliche Darstellung des Ewigen, oder der vollendeten Zeit" ist jener für das poetische Ideal der Griechen nicht unähnlich. Denn auch dort, so hieß es, wurde die „unerreichbare I d e e . . . gleichsam ganz sichtbar", wandelte „die Gottheit auch in irdischer Gestalt" und offenbarte sich „das Gesetz der Ewigkeit" in „sterblichen Werken" (MI, 124). Diese Zusammenstellung ist nicht willkürlich, sondern ganz im Sinne Schlegels, dem ja bis an sein Lebensende die Griechen „Vorbild in aller Kunst und Wissenschaft" bleiben (KA VI, 150). Niemals hat er einer Dichtung „kanonische Vorzugstellung" eingeräumt oder die griechische später gar „bekämpft". 1 Wenn ein Kunstwerk nur Bedeutung, Realität, „Allgemeingültigkeit" hat, wenn es sich nur „an die höhere Menschheit und nicht an die Tierheit" in den „menschlichen Individuen, welche sein Publikum sind", wendet, dann hat es seinen Zweck erfüllt. Stellt das Ganze auch in der technischen Ausführung ein harmonisches Gebilde vor, dann ist es für Schlegel ein vollkommenes Kunstwerk, und die geographischen, zeitlichen oder sprachlichen Umstände seiner Entstehung ändern daran nichts. „Die schöne Kunst", so steht es im Studiumaufsatz, „ist gleichsam eine Sprache der Gottheit, welche nach Verschiedenheit der Kunstarten, der Werkzeuge und der Stoffe sich in ebenso viele abgesonderte Mundarten teilt. Wenn der Künstler nur seiner hohen Sendung würdig, wenn er nur göttlich redet; so bleibt ihm die Wahl der Mundart, in der er reden will, völlig frei" ( M I , 153). Auf dem unendlichen Weg der Menschheit zur Vollendung können in jeder Epoche große Kunstwerke entstehen. Im strebenden Bewußtsein ist dann ein Augenblick der Harmonie erreicht. Bei den Griechen war es die Harmonie der natürlichen Kräfte, die es ermöglichte, daß die „Gottheit", das „Gesetz der Ewigkeit" im Kunstwerk gestaltet werden konnte. 1
Paul Kluckhohn, Das Ideengut der deutschen Romantik (= Handbücherei der Deutschkunde Band 8), dritte Auflage (Tübingen 1953), 184.
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Diese Forderung nach dem gewissermaßen transzendenten Charakter der Poesie, daß die Dichtung die Wirklichkeit des Ewigen und Unvergänglichen enthalten und daß sie sich an die „höhere Menschheit" wenden soll, bleibt sich bei dem jungen, mittleren und späten Schlegel im Grunde gleich. Das Besondere der romantischen Poesie besteht nun darin, daß sie das Bewußtsein des Unendlichen, das sich in der nachklassischen Zeit zur bewußten Höhe entwickelt hat, mit der Wirklichkeit der Endlichkeit, des irdischen Lebens in eine bedeutsame Beziehung setzen soll. Das Bewußtsein des nachklassischen Menschen ist ein zerrissenes und daher wiederherstellungsbedürftig. Bei diesem Prozeß der Wiederherstellung hat die Dichtung die wichtigste Funktion. Sie kann, indem sie sich an den höheren Menschen und nicht an die Tierheit wendet, die sinnlichen und geistigen Kräfte im Menschen wieder zur Harmonie bringen. Sie hat daher etwas Heilendes an sich. Sie hilft dem Menschen, zu einem Verständnis seiner selbst und der Welt zu kommen, zu einer Anschauung des Universums zu gelangen. Daher der Ausspruch: „Poesie ist Zentrum in jeder Hinsicht" (E 1827). Poesie ist also alles andere als ein unverbindliches Spiel. Ihre Aufgabe ist die Wiederherstellung des menschlichen Bewußtseins, die Erhebung des Menschen über seine Tierheit. Sie muß ins Unendliche weisen, dieses im Endlichen gestalten. Ironie, Reflexion und Willkür ermöglichen die Erhebung über die Beschränkung des Endlichen; Sinnbild, Allegorie und Symbol sind die Mittel zur Darstellung des Unendlichen und Ewigen und vermitteln indirekt die Erkenntnis der höheren Welt. Damit nun ein Kunstwerk auch wirksam sein kann bei der Wiederherstellung des menschlichen Bewußtseins und die Harmonie sinnlicher und geistiger Kräfte anregen oder vermitteln kann, muß es natürlich erst selbst eine Gestaltung solcher Harmonie sein. Wie der romantische Künstler in der Struktur seines Kunstwerks eine harmonische Gestaltung des Bezugs zwischen der Realität des Unendlichen und der Wirklichkeit der irdischen Dinge und Begebenheiten erreichen könne, das hat Schlegel an den von ihm aufgestellten Vorbildern, dem absoluten Roman, der romantischen Universalpoesie, der neuen Mythologie, zeigen wollen. Sie sind die Zentren, welche die gegebenen Wirklichkeiten des Zeitalters zur Einheit verbinden und ihnen durch Bezug zur Transzendenz zugleich „Bedeutung" verleihen sollen. Der Mischungscharakter dieser Zentren der romantischen Poesie ist das Wesentliche; denn nur durch Mischung kann etwas Neues entstehen, nachdem die alten Formen durch jahrhundertelangen Gebrauch er-
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schöpft sind: „ . . . Im Universum der Poesie . . . ruht nichts, alles wird und verwandelt sich und bewegt sich harmonisch . . . " (Ath.-Frgm. 434). Und Bedeutung soll die neue romantische Poesie wieder erlangen durch allegorische und symbolische Darstellung. „Das Höchste kann man eben weil es unaussprechlich ist, nur allegorisch sagen" (M II, 364). Nur die Dichtung vermag Hieroglyphe zu sein: Hindeutung auf das Höhere, Unendliche und Ewige. Dies Höhere muß in der Struktur eines romantischen Kunstwerks stets verwebt sein, es muß im Endlichen sichtbar werden. Das Höhere muß durch die Darstellung des Wirklichen jederzeit durchschimmern. Fehlt dies Höhere, der heilige Hauch der ewigen Liebe, oder unter welcher Benennung es auch immer erscheinen mag, dann kann ein Kunstwerk nichts zur Bildung des Menschen beitragen, es gehört zur Modeliteratur, hat eine falsche Tendenz! Zwei Bedingungen muß also ein Kunstwerk der romantischen Poesie erfüllen. Erstens soll es realistisch sein (im heutigen Sinne des Wortes), es soll vom Leben ausgehen, sich eng daran anschließen, das Gewöhnliche und Alltägliche, die Verwirrung der Welt darstellen. Die zweite Bedingung ist, daß es dabei jedoch nicht stehen bleiben darf, sondern auch versuchen soll, diesem aus dem gewöhnlichen Leben genommenen Stoff eine höhere Bedeutung und einen tieferen Sinn zu geben. Wie alle große Dichtung, soll auch die romantische Vermittler unvergänglicher geistiger Werte sein. Erst wenn ein Kunstwerk diese beiden Bedingungen erfüllt, kann es Anspruch auf „Bedeutung" oder, was für Schlegel dasselbe ist, auf Realität haben. Wie das Endliche vergänglich ist, so ist auch ausschließliche Darstellung des Endlichen vergänglich. Das „Höchste" muß daher in jedem Kunstwerk absichtlich gebildet werden (M II, 361). Nur so erhält es Realitätscharakter. Die Bildung des „Höchsten" ist möglich durch Beziehung des Einzelnen aufs Ganze, des Alltäglichen aufs Allgemeingültige. Da das Endliche und Vereinzelte vergänglich ist, ist es nur Schein und Täuschung. Das „einzige Wirkliche im Dasein" kann daher niemals das Endliche an sich sein. Nur wenn ihm Bedeutung verliehen wird, ist es über alle Täuschung erhaben. Und Bedeutung erhält das Endliche nur, wenn es als „Zeichen, Mittel zur Anschauung des Ganzen" dient (M II, 364), durch Beziehung auf das Unendliche. Nur diese „Bedeutung" ist also für Schlegel „das einzige Wirkliche im Dasein" ; sie ist „der Sinn, der Geist des Daseins". Daher soll „jedes W e r k . . . das Ganze bedeuten, wirklich und in der Tat bedeuten, und durch die Bedeutung und Nachbildung auch wirklich und in der Tat sein, weil ja außer dem Höheren, worauf sie deutet, nur die Bedeutung Dasein und Realität hat" (M II, 427 f.).
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Da diese Stelle von zentraler Bedeutung für den Realitätscharakter der von Schlegel propagierten romantischen Poesie ist und auch einen Zugang zum Realismusbegriff der romantischen Kunst überhaupt eröffnet, wurde sie hier noch einmal angeführt. Romantische Realität, so können wir nun zusammenfassen, bedingt zweierlei: empirische Wirklichkeit und Beziehung dieser Wirklichkeit auf das konkret nicht faßbare Ganze. Das Ganze ist Universum, ist ewig, während die Einzeldinge vergänglich sind. Erst durch den Bezug der Immanenz auf das Unendliche, auf die Transzendenz, entsteht für den Romantiker Realität, bekommt die Immanenz Sinn und Bedeutung. Der Realitätscharakter eines Kunstwerks der romantischen Poesie kann also niemals nach dem Grad der dargestellten äußeren Lebenswirklichkeit gemessen oder bestimmt werden. Von der äußeren Wirklichkeit kann und soll so viel als möglich zur Darstellung in einem Kunstwerk gelangen. Enzyklopädistisches Bild von der ganzen Wirklichkeit des Zeitalters sollten die romantische Poesie, der Roman und die Mythologie sein. Doch nicht minder sollte darin auch „das Höchste" gebildet sein. Einem Kunstwerk würde Größe und „Bedeutung" fehlen, stellte es nicht auch das Ewige, das immer und überall Bedeutende und Schöne dar. Erst dadurch kann sich der Mensch über seine „Tierheit" erheben, kann sich „der Mensch zur Menschheit erweitern". Zweck der romantischen Poesie ist es also, den Menschen zu erhöhter Menschlichkeit zu erheben, das Materielle zu vergeistigen und das Geistige im Endlichen darzustellen, das Leben zu poetisieren und neue Bereiche im Innern des Menschen aufzuschließen. In diesem Sinne ist ein romantisches Kunstwerk wohl „unbedingt zweckmäßig". Gleichzeitig jedoch ist es „unbedingt zwecklos" (M II, 427), denn es will, wie alle große Dichtung, keine Tendenz- oder Weltanschauungspoesie sein. Die Zweckfreiheit des Dichters und die Autonomie seines künstlerischen Gebildes hat Schlegel immer wieder betont. Das vom Künstler Geschaffene ist vielmehr die Wirklichkeit selbst. Und zwar ist dies eine Wirklichkeit, wo „überall der Schein des Endlichen mit der Wahrheit des Ewigen in Beziehung gesetzt" wird. Durch allegorische und symbolische Darstellung wird dem Endlichen der Bezug zur Transzendenz eröffnet, es wird „in sie aufgelöst", wie Schlegel es auch formuliert (M II, 472). Die empirische Wirklichkeit soll sich dann an der Realität des Kunstwerks orientieren. Im Kunstwerk wird durch Vermischung der verschiedensten Stoffbereiche und Formen und durch Vermittlung des Endlichen und Unendlichen alles Einzelne in Wechselbeziehung zueinander gesetzt, wodurch alles Einzelne als ergänzungsbedürftig erscheint. Nur der „naive
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Tiefsinn" des Künstlers kann hinter diesem Chaos von Wechselbeziehungen die höhere Einheit erahnen und darstellen, indem er alles auf den „Geist des Ganzen", auf einen höheren Zentralpunkt bezieht. Von diesem transzendentalen Blickfeld aus bedeutet und ist das Einzelne dann das Ganze, sind alle Werke Ein Werk, und dies eine Werk ist Analogon des Universums. Erkennt man das zentrale Anliegen Schlegels, der empirischen Wirklichkeit wieder Bedeutung zu verleihen, und durch die Kunst „das Höchste für den Menschen zu verkünden oder den Menschen zum Höchsten, Unendlichen zu erheben", dann ist auch die Einsicht unvermeidlich, daß die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Lebensflucht, des unverbindlichen ironischen Spieles offenbar aus ganz falschen Voraussetzungen erhoben worden sind. Es wurde gezeigt, daß Schlegel die Flucht der Gegenwart und des Wirklichen als das falsche Romantische verworfen hat. Auch für die unbedingten Unendlichkeitsstreber hatte er nur Spott. Vielmehr kommt doch alles auf die „Harmonie des Ideellen und Reellen" an. Diese Harmonie ist bestimmend für die Struktur des Romans, die romantische Poesie beruht auf ihr und der „neue Realismus" der romantischen Mythologie besteht daraus. Ist diese Harmonie nun auch noch das Ideal der Poesie für den späten Schlegel? Die Vermutung läge nahe, daß Schlegel nach seiner Konversion eine katholisierende Weltanschauungsdichtung verkündet, aus welcher der Anteil der empirischen Wirklichkeit immer mehr schwindet. Ein kurzer Blick auf die Äußerungen zur Poesie in Schlegels letztem Werk, Philosophie der Sprache und des Wortes, belehrt jedoch, daß die frühen Anschauungen auch im Alterswerk fortwirken. Die „wahre Kunst und höhere Poesie" ist mitten im Leben einer der „Verbindungspunkte, in welchen sich Zeit und Ewigkeit berühren, oder gegenseitig durchdringen". In der „bildenden Dichtung" ist es auch jetzt „unter der irdischen Hülle der sinnlichen Erscheinung der zeitlichen Begebenheit . . . doch das Ewige, was überall hindurch schimmert, und eben auf dieser aus dem äußern Schmuckgewande hervorleuchtenden Kraft des Ewigen, beruht die hohe Würde und der hinreißende Zauber der wahren Kunst und der höheren Poesie" (SW2, XV, 97). Harmonische Gestaltung und Vollendung eines Kunstwerks beruht wie früher „auf dem Gegensatz und auf der Überwindung desselben". So verstehe es sich, „daß auch hier die höchste Begeisterung mit der durchdachtesten Besonnenheit und gründlichen Ausdauer in der Ausführung verbunden sein muß, um etwas Vollkommenes hervorzubringen" (SW2, XV, 105). Auch in der Spätzeit ist ihm die Kunst „der treue Spiegel des menschlichen Seins und Daseins"
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(SW2, XV, 150). Falsch ist nur jene Poesie, in der das dem Menschen angeborene Streben nach dem Unendlichen sich nicht auf das Ewige, sondern nur auf die unermeßliche Fülle der „irdisch-vergänglichen sinnlich-materiellen, oft so ganz unwürdigen Gegenstände" richtet. Denn das „natürliche Streben nach dem Unendlichen" kann „durch keinen irdischen Gegenstand, und keinen sinnlichen Genuß oder äußern Besitz, jemals ausgefüllt und ganz befriedigt werden" (SW2, XV, 101). Auch wenn Schlegel die Poesie „die transzendentale Erinnerung des Ewigen im menschlichen Geiste" nennt, dann scheint sich dies zwar auf den während der Pariser Zeit gewonnenen Begriff der Uroffenbarung zu beziehen, ist aber nicht wesentlich verschieden von der Fähigkeit der romantischen Poesie, das Absolute, Ewige, Unendliche und Höchste zu gestalten, was Schlegel schon immer von ihr gefordert hatte. Wie die Poesie „von Jahrhundert zu Jahrhundert, von einer Nation zur andern fortgeht, im wechselnden Gewände der Zeiten aber, und durch alle Zeiten hindurch, doch immer wieder auf jenes Erste und Ewige zurückweist", nimmt die „transzendentale Erinnerung" fortwährend Gestalt an, ist die Poesie „das gemeinsame Gedächtnis, oder das höhere ErinnerungsOrgan des ganzen Menschengeschlechts" (SW2, XV, 103). Glaube, Hoffnung und Liebe gelten nun als „der reine Dreiklang des höhern Gefühls und der geistigen Erkenntnis" (SW2, XV, 152). In der „wahren Kunst und höheren Poesie" erscheinen sie als „Erinnerung der ewigen Liebe, reine Sehnsucht und wahre Begeisterung". Sie sind die „drei Lebensquellen der wahren Kunst und höheren Poesie". Man könnte sie auch die drei „poetischen Ideen" nennen, denn wie das Sentimentale, das Phantastische und das Mimische richten sich auch diese drei jeweils auf die Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart und sind auch in ihrer Funktion nicht wesentlich verschieden von diesen. Die „Erinnerung der ewigen Liebe" ist keineswegs eine jenseits gerichtete Gottessehnsucht; sie kann in der Poesie erscheinen als „Erinnerung an die untergegangene Götterwelt und Heldenzeit; oder auch als klagender Nachhall über die verlorene paradiesische Unschuld und den ersten himmlischen Zustand oder . . . als verlorne Anklänge aus der seligen Kindheit der ganzen Schöpfung, ehe noch die Geisterwelt durch den Zwiespalt zerrüttet war, und vor allem Anfang des Bösen, und dem daraus hervorgegangenen Unglück der Natur". Die „reine Sehnsucht" ist identisch mit der Hoffnung auf die Wiedergewinnung des goldenen Zeitalters. Und in der „wahren Begeisterung" schließlich wird das Göttliche und Ewige „nicht in der weiten Ferne der Vergangenheit oder Zukunft, wie bei der Erinnerung oder der Sehnsucht, aufgefaßt und hingestellt, sondern als
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ein Gegenwärtiges und Wirkliches ergriffen . . ." Diese drei sind die „ewigen Grundgefühle in der menschlichen Brust", stehen „in dem innigsten Zusammenhange . . . und bilden gleichsam eine gemeinsame Sprache". Es ist eine „uns ganz nah liegende innere geistige Ursprache von höherer Art", die dem Menschen aber verlorengegangen ist. Nur in der Kunst schimmert sie manchmal hervor und nur durch „die wahre Kunst und höhere Poesie" können die „verlorenen und . . . zerrissenen Anklänge . . . von Neuem erweckt" werden, so daß sie „wenigstens als einzelne Akkorde noch in unserer Brust wiedertönen" (SW2, XV, 103108). Diese Zitate aus der Spätzeit lassen nun nicht nur die Kontinuität in den Äußerungen über den Begriff der Poesie erkennen, sondern zeigen auch frappante Ähnlichkeiten auf zu den poetischen Anliegen der Spätromantiker. Dies ist auch der Grund für das ausführliche Zitieren dieser Stellen. Besonders im letzten Zitat glaubt man, Anklänge aus dem Werk E.T.A. Hoffmanns zu vernehmen. Die Werte: Glaube, Liebe und Hoffnung, erscheinen auch tatsächlich im Goldenen Topf als strukturbestimmende Elemente. Nur wenn diese Werte auf die Transzendenz bezogen sind, führen sie zum „glücklichen Leben in Atlantis", zur „Heimat" und zur „Erkenntnis des heiligen Einklangs aller Wesen". Verharren diese Werte dagegen in der Immanenz, dann führen sie nicht zu einem höheren Leben, sondern reichen, wie im Falle Veronikas, gerade noch aus, „Frau Hofrätin" zu werden und „in dem Erker eines schönen Hauses auf dem Neumarkt" sitzen zu können. Und alle Hoffnung hat sich erfüllt, wenn die vorübergehenden und hinauflorgnettierenden Elegants ihr Komplimente machen. Mit ebenso scharfer Ironie wendet sich z.B. auch Brentano in der „Geschichte vom braven Kasper und dem schönen Annerl" gegen die Fixierung geistiger Werte in der Immanenz. In diesem Falle sind es Ehre, Gnade und Gerechtigkeit. Nur die Großmutter bezieht diese Werte noch auf die Transzendenz, sie allein hat daher einen wahren Begriff von ihnen, während sich alle anderen Personen von irdischen Dingen und Interessen haben täuschen lassen.2 So liegt die „Bedeutung" dieser Erzählungen, ihr Realitätscharakter darin, daß sie durch „den Schein des Verkehrten und Verrückten" auf 2
Eine eingehende Behandlung dieser Thematik bei Richard Alewyn, „Brentanos ,Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl'", Gestaltprobleme der Dichtung, Festschrift für Günther Müller (Bonn 1957), 143-180, und Helmut Rehder, „Von Ehre, Gnade und Gerechtigkeit: Gedanken zu Brentanos .Geschichte vom braven Kasper und dem schönen Annerl'", Stoffe - Formen - Strukturen; Studien zur deutschen Literatur, Festschrift für Hans Heinrich Borcherdt (München 1962), 315-330.
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ein „erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches" hindeuten (M II» 362). Wo immer ein romantisches Kunstwerk den Stoff der Wirklichkeit auf eine Transzendenz bezieht, geht es eindeutig auf Schlegels Strukturbestimmungen der romantischen Poesie zurück. Ironisierende Darstellung ist gewöhnlich das Mittel zur Befreiung von starren Festlegungen und zur Bewahrung geistiger Werte vor deren Veräußerlichung und Formalisierung in der Immanenz. Zum Wesen der romantischen Poesie gehört es also, daß sie ins Unendliche weist, dies ins Endliche hereinzieht. Soll sie „bedeutend" sein, muß sie den Menschen zum „Höchsten" bilden wollen. Obwohl nun diese Tendenz aller großen Dichtung eigen ist, verfährt Schlegel in seiner praktischen Kritik recht subjektiv, wenn er den Wert eines Kunstwerks nach diesen Maßstäben bestimmt. Kritisieren heißt ja, „einen Autor besser verstehen als er sich selbst verstanden hat" (E 983). Die Wahl subjektiver Kriterien hat sich Schlegel zeit seines Lebens vorbehalten. Um das „Gute und das Böse zu unterscheiden", sei es sein Privileg, „irgend etwas Ausgezeichnetes unbedingt zu verwerfen und als böses Prinzip zu setzen", wie es 1801 heißt. Er erkennt seine „absolute Subjektivität" an und begründet sie mit der Maxime, die ihn leitete: „Es ging mein Bestreben nicht sowohl dahin, die große Menge der schwachen Subjekte . . . zu annihilieren, als vielmehr die Scheidung des guten und des bösen Prinzips bis auf die höchsten Stufen der Kraft und der Bildung fortzusetzen: denn dazu fand ich mich besonders berufen. Daher sind oft vielleicht gerade dieselben die mit reifem Bedacht gewählten Gegenstände meiner Polemik, welche für andre, die es weniger genau nehmen, Ideale der Nachbildung sein können. Eben daher lernte ich mit Ironie bewundern" (M II, 425). „Mit Ironie bewundern!" Dieses kritische Verfahren ermöglicht es Schlegel, sich Werturteile zu bilden und diese auch auszusprechen. Die Einsicht Herders, daß die Kunst nicht die Erfüllung eines von einer zeitlosen normativen Poetik aufgestellten formalen Kunstideals ist, wird damit weitergeführt. Denn Herders Methode, wie Schlegel ausführt, „jede Blume der Kunst, ohne Würdigung, nur nach Ort, Zeit und Art zu betrachten, würde am Ende auf kein anderes Resultat führen, als daß alles sein müßte, was es ist und war". Gegen einen solchen Relativismus erhebt Schlegel Einspruch. Das Resultat, zu dem Herder gekommen sei, „leugnet, daß die Poesie verschiedner Zeiten und Völker verglichen werden könne, ja sogar, daß es einen allgemeinen Maßstab der Würdigung gebe" (M II, 48). Den Gegenbeweis liefert Schlegel dann mit seinem wägenden und wertenden Gang durch die Weltliteratur.
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Als Beispiel, wie Schlegel mit Ironie bewundert, kann sein Urteil über Byron gelten. Ausgezeichnetes wird hier unbedingt verworfen und als „böses Prinzip" gesetzt, weil Byrons Dichtung (im Gegensatz zu Lamartines) nicht danach trachtet, den Menschen zum Höchsten zu bilden. Jedoch verhindert dies Urteil nicht die Anerkennung der künstlerischen Größe Byrons: ihn zeichne „das höchste Dichtertalent" aus, er besitze einen „hochaufragenden und königlichen Kunstgeist", der uns den Luzifer „in seiner ganzen dunklen Herrlichkeit mit allem Zauber einer falschen geistigen Größe so bewunderungswürdig darstellt. . ." (SfV2, VIII, 198). Aber auch hier, wo Schlegel mit dem Anspruch des Besserverstehens auftritt, will er sein Kunsturteil nicht als alleingültig und alleinseligmachend verstanden wissen. Jedem Urteil gehe ein ernsthaftes Studium voraus. Und sogar nachdem „aufs redlichste geforscht" worden ist, könne in der „Mitteilung eines Kunsturteils kein anderer Anspruch liegen, als die Einladung, daß jeder seinen eigenen Eindruck eben so rein zu fassen und streng zu bestimmen suche, und dann den mitgeteilten der Mühe wert achte, darüber zu reflektieren, ob er damit übereinstimmen könne . . ." (M II, 383). Diese Paradoxität von „absoluter Subjektivität" einerseits, die es sich vorbehält, etwas Ausgezeichnetes unbedingt zu verwerfen, und Bescheidenheit andererseits, ist das Eigentümliche und Charakteristische der Kunsturteile Schlegels. Auch bei seinen „Gemäldebeschreibungen" beansprucht er z.B. wiederum, einen „festen Standpunkt", eine „bestimmte eigentümliche Ansicht der Kunst" einnehmen zu dürfen, die er jedoch niemand „andemonstrieren", zu der er nicht „überreden" wolle, denn „das würde ganz und gar gegen meine Grundsätze streiten" (KA IV, 70). Doch weder in dieser Bescheidenheit noch in seiner Willkürlichkeit liegt Schlegels Größe als Kritiker. Die Unterscheidung eines guten und eines bösen Prinzips in der Kunst ist vielmehr eine zeitbedingte Entscheidung Schlegels, die er glaubte, im Interesse der poetischen Erneuerung des Zeitalters und der Begründung der neuen romantischen Poesie machen zu müssen. Die bekannten Vorwürfe der Romantiker gegen den rationalistischen Zeitgeist - Vorherrschaft einseitger Vernunftbegriffe, Verkennung der dem Menschen angeborenen „Ideen", Phantasiearmut und Mangel an Liebe, Zersplitterung und Verderbtheit - führten gleichzeitig zur Formulierung eines neuen Bildungsideals. Die Poesie als „die erste und höchste aller Künste und Wissenschaften" wurde Trägerin desselben und dazu ausersehen, „das Leben wieder poetisch zu gestalten", die „enorme Masse von Plattheit" zu überwinden und „das Höchste für den Menschen zu verkünden, oder den Menschen zum Höchsten,
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Unendlichen zu erheben". Ist in dieser poesiearmen Zeit eine Dichtung nicht auf dieses Ideal gerichtet, gilt ihre Tendenz als „falsch". Nicht in dieser Aktualität seiner Kunsturteile sind jedoch Schlegels Größe und sein Ruhm begründet, sondern in den zwei anderen, heute noch verbindlichen Komponenten seiner Dichtungskritik. Es sind dies einmal das schon eingangs erwähnte geniale Erfassen der gesamten literarischen Überlieferung in ihren Hauptlinien, wobei sich Wert und Rangordnung, die den einzelnen Dichtern von Schlegel zugemessen werden, zu einem erstaunlichen Grade bis heute bewährt haben. Zum andern ist es eine Art werkimmanenter Interpretation, die Schlegel entwickelt hat, die aber erst in unserer Zeit bedeutsam wurde. Das Werk wird dabei „als Unendliches, als Absolutum und Individuum behandelt". Kritik ist dann „eigentlich nichts als Vergleichung des Geistes und des Buchstabens eines Werks . . ." (E 983). Geprüft wird dabei, ob einem Werk nichts Unwesentliches anhaftet, ob es vom größten bis zum kleinsten Teil künstlerisch durchkomponiert ist, ob sich der bedeutendste und der unscheinbarste Gedanke auf eine Zentralidee beziehen lassen und ob es einen inneren Kern hat, um den sich alle Teile der Form und des Inhalts zu einem harmonischen Gebilde gruppieren. Wertend, urteilend und seine Erkenntnisse zusammenfassend durchschreitet Schlegel so die Weltliteratur, verweilt bei den Großen, studiert ihre Werke, um dem Geheimnis großer Kunst auf die Spur zu kommen. Das Wesen der nachklassischen Kunst wird, wie festgestellt wurde, besonders an Dante, Cervantes, Shakespeare und Calderón zu ergründen versucht. Das Erkannte wird mitgeteilt in der Hoffnung, daß es fruchtbar werde bei der Begründung der neuen romantischen Poesie. Immer auf der Suche nach befruchtenden Quellen erklärt er auch alle vier Weltgegenden nacheinander als Quellen der romantischen Poesie: die „südliche Poesie" und die provenzalische als die älteste romantische Poesie, den Orient als Quelle des Romantischen; dann ist die alte „deutsch"nordische Poesie diese Quelle und schließlich ist es im Westen die spanische Literatur, sowohl die ältere, die alles, was man romantisch nennt, vereinige, als auch ihr letzter romantischer Vertreter, Calderón, der wegen seiner christlichen Symbolik später als der „am meisten romantische" Dichter gilt {KA VI, 248). Ebenso großartig sind auch die Welten- und Zeiträume überspannenden Entwürfe zu Synthesen, um in unromantischer Zeit eine romantische Poesie zu begründen. Zuerst soll das Wesentlich-Moderne mit dem Wesentlich-Antiken vereinigt werden, dann soll es die „Eisenkraft des Nordens" und die „Lichtglut des Orients" sein, und endlich sollen sich die „physische Tiefe" Shakespeares und jene
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durch Calderón erreichte „Wiedergeburt und christliche Verklärung der Phantasie" zu neuem Bunde zusammenfinden (KA VI, 287). Viel Vortreffliches und Großes ist also schon in der Geschichte der Poesie existent. Es braucht nur vermittelt und zu neuer Mischung unter Einschließung der Neuentdeckungen des Zeitalters vereinigt zu werden. So ist die romantische Poesie, wie im ersten Kapitel angedeutet wurde, eine Vermittlungs- und Vermischungskunst. Dies Umbilden und Synthetisieren des Alten, um das Neue hervorzubringen, weist übrigens verstärkend auf den Realitätscharakter der romantischen Poesie hin. Schlegels Theorien sind keine leere Schwärmerei oder Phantasterei, sondern beziehen sich meist auf historisch Gegebenes.3 Seine für die neue romantische Poesie aufgestellten ästhetischen Kategorien sind, wie gezeigt wurde, zum größten Teil aus den alten Meistern abgeleitet. In der „Bestimmung der poetischen Vernunft" sieht E. Behler denn auch mit Recht die „originalste Leistung" Fr. Schlegels. Dieser habe „das Eigentümliche des künstlerischen Gestaltungsvorganges" genial erfaßt und „das Spezifische des poetischen Aktes . . . als Leistung der Einbildungskraft gesehen, die allein im Kontakt mit dem Unendlichen, dessen Allgegenwart sie in allen Dingen erahnt, zu wahrhaft großen künstlerischen Produktionen befähigt ist". 4 Schlegels Bemühungen, die gegebene Fülle der Wirklichkeit in Kontakt mit dem Unendlichen zu setzen, wurden in dieser Untersuchung der Äußerungen Schlegels über die romantische Poesie, den Roman, die Mythologie und die „Enzyklopädie" verfolgt. Unter jedem dieser Begriffe versuchte Schlegel, Synthesen des Alten und Neuen zu geben, zwischen allen in der menschlichen Gesamtwirklichkeit widerstreitenden Elementen zu vermitteln und die Widersprüche des Lebens und die verschiedenen Tendenzen des Zeitalters zu einer Einheit zusammenzufassen. Bei einem Höchstmaß an Universalität soll das, was sich Schlegel unter diesen Begriffen vorstellt, zugleich auch das Eine Gedicht oder das Eine Werk sein, um so Zentrum des Zeitalters, Mittelpunkt für den Künstler zu sein. „Romantisch" oder „mystisch" wurde die Einheit des jeweils Einen Werkes genannt; es ist die Einheit des Bezuges zwischen je einer gegenständlichen und einer geistigen Realität, welche unter verschiedenen Bezeichnungen auftreten: das Reelle und das Ideelle, das Endliche und 3
Dies notiert Schlegel aus der Rückschau (1817): „In meinem Leben und philosophischen Lehrjahren ist ein beständiges Suchen nach der ewigen Einheit (in der Wissenschaft und in der Liebe) und ein Anschließen an ein Äußeres, historisch Reales oder ideal Gegebenes . . ." (Schlegel, Philosophische Vorlesungen, II, 524). 4 E. Behler, „Fr. Schlegels Theorie der Universalpoesie", 234.
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das Unendliche, das Vergängliche und Ewige, Natur und Geist, Leib und Seele, Gegenstand und Vorstellung, usw. Beide Bereiche werden anerkannt, beide bilden erst ein Ganzes. Damit ein Kunstwerk das Ganze bedeuten kann, muß es also stets Teil an beiden Bereichen haben. Harmonie dieses Bezuges ist irdische Vollendung. Die Auflösung dieses Bezuges, die Identität beider Bereiche, wäre absolute Vollendung und nur in der Gottheit, wo „Gegenstand und Vorstellung schlechthin Eins sind", oder im Tode möglich: „Das Spiel der Mitteilung und der Annäherung ist das Geschäft und die Kraft des Lebens, absolute Vollendung ist nur im Tode" (Af II, 339). Doch ist reale Vollendung schon überreal, indem sie über das Reale hinaus auf etwas Höheres deutet und ein Symbol der absoluten Vollendung ist. Daher wird der Künstler immer „das Endliche zum Ewigen bilden" (Idee 16). Und Aufgabe der romantischen Poesie sollte es sein, das Höchste zu verkünden und im Symbol zu bilden. So setzt sie das Endliche mit der „Wahrheit des Ewigen" in Beziehung und wird Quelle aller menschlichen Erkenntnis, denn „alles Wissen ist symbolisch". Im philosophischen Denken Schlegels bedeutet das, daß die Epoche der Vernunft, des Idealismus, durch die „höchste Epoche", die des Verstandes („Verstand ist die höchste Vollendung des geistigen und denkenden Menschen"), abgelöst werden solle. Diese Epoche des Verstandes sei die „Epoche der Symbole", eine Rückkehr aller Epochen. „Hier begreifen wir erst die ganze Welt, das Ganze, was in der Epoche der Vernunft noch nicht der Fall ist. Hier deuten wir erst alles" (KA XII, 13). Und zwar, wie gezeigt wurde, durch das auch der Poesie zugrundeliegende Prinzip des Dualismus, der „alle Realität" als „das Produkt entgegengesetzter Elemente" begreift (KA XII, 8). Die Welt soll also neu gedeutet werden, obwohl die Aufklärung doch glaubte, sie schon gedeutet zu haben. Für Schlegel jedoch kann keine Deutung die endgültige sein. Das widerspräche ganz seinen Vorstellungen vom ewigen Werden und der endlosen Progressivität. Wie Schlegel forderte, daß alle klassischen Schriften immer neu gedeutet werden sollen, so soll der Mensch die Welt und sein Dasein darin immer neu deuten und so soll auch das Wesen der Dichtkunst immer neu gedeutet und die Poesie neu begründet werden. Dies ist Schlegels Vermächtnis an die Nachwelt. Eine Neubegründung bedingt meistens eine Revolution. Schlegel erkannte, daß seine Zeit reif war für eine ästhetische Revolution; er wurde ihr Führer. Rückblickend sagt er 1812: „Es war eine Revolution in dem ästhetischen Gebiet. Die romantische Poesie als eine kombinatorische
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und universelle gehört hierhin. Es ist die unbedingte Herrschaft der Phantasie, welche freilich in der Poesie mehr als irgendwo sonst an ihrer Stelle ist. Die Poesie soll eben bloß romantisch sein", 5 d.h. keine Tendenzdichtung. Phantasie definiert Schlegel einmal als „das Organ des Menschen für die Gottheit" {Idee 8). Allerdings ist in der Entwicklung der nachklassischen Poesie mit der Bezeichnung „romantisch" auch gleichzeitig diese eindeutige Beziehung zur Transzendenz verlorengegangen. Andere Bestimmungen der Poesie aber haben sich bewahrheitet: immer mehr Bereiche, äußere und innere, sind für die Poesie entdeckt worden, sie ist immer progressiver und universaler geworden. An ästhetischen Revolutionen und Neubegründungsversuchen hat es nicht gefehlt. Ihre Führer waren wie Schlegel geistbewußte und schöpferische Menschen und wandten sich wie er stets an das Höhere im Menschen. Immer wieder überraschte in manchen Aussprüchen Schlegels die klare Erkenntnis seines zeitbedingten Standpunktes in der Geschichte der Dichtkunst. Es ist wohl dies Geschichtsbewußtsein, das ihn davon abhielt, mit dem doktrinären Anspruch eines „Literaturpapstes" aufzutreten und auf Alleingültigkeit seiner Ideen zu dringen. Vielmehr dürfte als die leitende Maxime bei der Verkündigung seiner neuen romantischen Poesie und für all sein Bemühen um eine Neubegründung der Dichtkunst die am Ende der Ideenfragmente ausgesprochene Erklärung gelten: „Ich habe einige Ideen ausgesprochen, die aufs Zentrum deuten, ich habe die Morgenröte begrüßt nach meiner Ansicht, aus meinem Standpunkt. Wer den Weg kennt, tue desgleichen nach seiner Ansicht, aus seinem Standpunkt" (Idee 155).
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Aus den Fragmenten „Zur Poesie und Literatur, 1812". Auswahl bei E. Behler, „Der Wendepunkt Friedrich Schlegels", Philosophisches Jahrbuch der GörresGesellschaft, 64 (1956), 271.
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QUELLEN
(zugleich Verzeichnis der Abkürzungen) KA
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NAMENREGISTER
Das Namenregister erfaßt die Namen aller im Text, in den Anmerkungen und in dem Literaturverzeichnis erwähnten Autoren wie auch die im Text vorkommende Primärliteratur. Bei dem allzuhäufig vorkommenden Namen Friedrich Schlegels ist das Verzeichnis auf einige Hinweise und auf das Erfassen der im Text erwähnten Schriften und Vorlesungen reduziert. Die kursiv gesetzten Zahlen beziehen sich auf den Anmerkungsteil. Äschylus, 113, 135. Alewyn, Richard, 214, 222. Alleman, Beda, 97, 222. Alt, Carl H„ 222. Amadis de Gaula, 84, 166. Anstett, Jean-Jaques, 14, 222. Ariosto, 37, 40, 58, 58, 59, 68, 78, 114, 138, 141, 141, 178, 180. —, Orlando furioso, 37. Aristophanes, 113. Attila, 198. Baader, Franz Xaver von, 191. Baldensperger, Fernand, 34, 34, 222. Bausch, Walter, 88, 103, I I I , 114, 179, 222. Behler, Ernst, 14, 14, 15, 15, 18, 19, 19, 24, 28, 28, 70, 91, 93, 129, 153, 155, 155, 186, 187, 188, 188, 191, 193, 200, 218, 218, 220, 222. Benjamin, Walter, 125, 125, 126, 222. Bernhardi, Sophie, 191. Bleyer, Jakob, 15, 223. Blok, Bastiaan M., 135, 223. Boccaccio, 16, 137, 141, 180, 192. —, Teseide, 192. Boeckh, 16. Boiardo, 59, 68, 78, 138. Boisseree, 187. Borcherdt, Hans-Heinrich, 64, 226. Brentano, Clemens, 214. —, Geschichte vom braven Kasper und dem schönen Annerl, 214. Briegleb, Klaus, 13, 13, 22, 22, 70, 123, 125, 223. Brinckmann, Carl Gustav von, 191. Brinkmann, Richard, 13, 13, 49, 54, 223. Brüggemann, F., 223. Brüggemann, Werner, 168, 223. Burney, Fanny, 178. Busch, Norbert A., 223.
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NAMENREGISTER
Byron, 216. Calderón, 33, 195, 197, 200, 202, 203, 206, 217, 218. Camoens, 16, 192, 192. Catallus, 79. Cervantes, 24, 30, 33, 40, 67, 68, 69, 78, 82, 83, 83, 84, 85, 105, 111, 114, 115, 116, 119, 135,135, 138, 140, 141, 160, 162, 163, 164, 165, 178, 180, 181, 195, 205, 206, —, Don Quixote, 69, 78, 83-84, 88, 105, 116-117, 119, 138, 161-169, 180, 195, 205. 217. —, Galateo, 138, 195. —, Persiles, 195. Chambers, Sir William, 36. Chaucer, 195. Cid, 198. Corneille, Pierre, 195. Crebillon, 59. Cumberland, 42. Curtius, Ernst Robert, 15, 15, 16, 16, 18, 30, 31, 34, 47, 192, 223. Dante, 23, 31, 32, 33, 40, 40, 41, 49, 51, 68-71, 78, 81, 114, 114, 118, 135, 137, 141, 141, 164, 174, 180, 186, 201, 206, 217. —, Göttliche Komödie (Divina Commedia), 68-71, 81, 174. Dempf, Alois, 223. Deniselle, A., 223. Diderot, Denis, 178, 179. —, Fataliste, 179. Dieckmann, Liselotte, 223. Dietzel, E„ 223. Diez, Friedrich, 192. Edda, 198, 199. Eichner, Hans, 14, 14, 15, 16, 19, 19, 22, 44, 45, 45, 64, 68, 79, 109, 109, 111. 112, 114, 115, 128, 135, 148, 159, 188, 223. Elkuss, Siegbert, 29, 223. Emmersleben, August, 223. Emrich, Wilhelm, 223. Enders, Carl, 54, 223. Ernst, Fritz, 223. Feifei, Rosa, 223. Fichte, 18, 19, 28, 38, 107, 128, 153, 155, 190, 191. Fielding, 42, 44, 178. Fink, Arthur-H., 223. Flasche, Hans, 192, 224. Fleming, Paul, 32, 140. Forster, Georg, 106, 144. Forteguerri, Niccolò, 59. —, Ricciardetto, 59, 197. Francois, Alexis R., 224. Friedemann, Käte, 224. Galaboff, Konstantin S., 224. Geissendörfer, Theodor, 15.
NAMENREGISTER
231
Gentz, Friedrich von, 191. Gessner, 59. Gibbon, Edward, 178. Glawe, Walther, 224. Goethe, 15, 16, 63, 64, 64, 68, 78, 85, 103, 114, 134, 135, 135, 136, 139, 191. —, Wilhelm Meister, 105, 165. Goldsmith, 42. Gößmann, Wilhelm, 224. Gotthard, Helene, 34, 227. Guarini, 68, 78, 138, 186. —, Pastor fido, 138, 186. Gundolf, Friedrich, 224. Gustafson, Lorraine M., 224. Hamann, 145. Hankamer, Paul, 57. Hatfield, Henry, 224. Häusgen, Ursula, 224. Haym, Rudolf, 44, 64, 67, 131, 224. Heely, Joseph, 36. Hegel, 18. Heinrichs, F., 224. Heller, Erich, 17, 17, 224. Henel, Heinrich, 224. Herder, 39, 40, 44, 79, 144, 145, 215; Begriff „Roman" und „Romantisch" bei, 39-45. —, „Ähnlichkeit der mittlem englischen und deutschen Dichtkunst", 39. —, „Briefe zur Beförderung der Humanität", 39. Herodot, 42, 78. Heselhaus, Clemens, 207. Hiebel, Frederick, 224. Hirschfeld, Christian C. L., 35, 36, 36, 38, 39, 222. Hoffmann, E. T. A., 214. —, Der goldene Topf, 214. Holinshed, Raphael, 112,112. Homer, 15, 16, 42, 47, 61, 62, 104, 111, 186, 202. —, Odyssee, 61, 62. Horst, Karl A., 224. Horwitz, Hugo, 224. Hugo, Howard, 224. Hülsen, August Ludwig, 191. Hurd, Richard, 39. Imle, Fanny, 224. Immerwahr, Raymond, 29, 34, 34, 36, 37, 85, 97, 135, 166, 166, 224. Ingerslev, Frederik, 224. Jacobi, Friedrich Heinrich, 128. Jakobiec, Jan, 225. Jones, William, 144. Kahn, Robert L., 29, 225. Kalidasa, 144.
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NAMENREGISTER
Kalthoff, Hildegard, 225. Kant, 18, 128, 191. Karl der Große, 59, 197, 198. Kircher, Erwin, 225. Klin, Eugeniusz, 111, 225. Klopstock, Friedrich Gottlieb, 191. Kluckhohn, Paul, 208. Kohlschmidt, Werner, 82, 225. Körner, Josef, 13, 18, 29, 32, 49, 70, 206, 225. Kroeger, Ilse, 225. Krug, Wilhelm T„ 225. Krüger, Johanna, 225. Lamartine, 216. Lange, Victor, 225. Lederbogen, Friedrich, 225. Lempicki, Siegmund von, 33, 225. Lerch, Paul, 225. Lessing, 16, 128, 192. Lewalter, Ernst, 225. Lovejoy, Arthur O., 44, 45, 46, 46, 64, 65, 225. Lussky, Alfred A., 225. Maier, Erich J., 29, 225. Majer, Friedrich, 144. Mann, Otto, 132, 225. Mann, Thomas, 17. Marino, 78. Martin, Alfred von, 225. Mayer, Hans, 29, 225. McMahon, John F., 225. Meinhardt, Wolfgang, 225. Merkel, G. F., 29, 34. Mettler, Werner, 54, 225. Milton, 41, 195, 201. Minor, Jakob, 17, 20, 26, 46, 46, 131, 221 Müller, Adam, 191. Müller, Joachim, 29, 226. Nadler, Joseph, 145. Nibelungenlied, 32, 140, 198. Novalis, 17, 19, 36, 125, 181, 191, 206, 207. —, Heinrich von Ofterdingen, 181, 191, 207. Nüsse, Heinrich, 226. Odin, 198. Oppel, Horst, 226. Ossian, 145, 198. Ovid, 79. Peckham, Morse, 226. Percy, 39. Pesch, Ludwig, 17, 18, 226.
NAMENREGISTER
233
Petersen, Julius, 29, 226. Petrarca, 40, 68, 78, 105, 137, 179. Pindar, 103, 113. Plato, 42, 78, 191. Plutarch, 78, 79, 112. Polheim, Karl Konrad, 13, 13, 20, 20, 70, 180,187, 226. Preitz, Max, 148. Pulci, 58, 59, 68, 78, 141, 197. Racine, Jean Baptiste, 195. Raynouard, 192. Rehder, Helmut, 214, 226. Reiff, Paul, 14, 15, 119, 226. Richardson, 42, 44, 178. Richter, Jean Paul Friedrich, 178, 179. Ritter, Johann Wilhelm, 191. Roland, 198. Rolandlied, 197. Rothermel, O., 226. Rouge, Isaac, 54, 226. Rousseau, 178. —, Confessions, 119. Ruprecht, Erich, 29, 39, 145, 226. St. Palaye, Curne de, 39. Schelling, 18, 19, 191. —, Bruno oder über das natürliche und göttliche Prinzip der Dinge, 191. Schiller, 64, 64, 114, 191. Schlagdenhauffen, Alfred, 226. Schlegel, August Wilhelm, 105, 131, 188, 191. Schlegel, Friedrich, Denkart und kritische Methode, 13,15,16,18,21, 23,28, 30,147, 212, 216,217; Kontinuität der geistigen Entwicklung, 13, 14, 23, 46, 64, 65, 68, 90, 181, 209, 212, 214; Schlegel-Forschung, 13-16, 18, 19, 29; kritische Ausgabe, 14, 14. —, Über das Studium der griechischen Poesie (Studiumaufsatz), 13, 21, 22, 31, 39, 45-65, 66, 67, 77, 86, 108, 133, 137, 138, 139, 189, 197, 208. —, Literary Notebooks (Notizhefte zur Literatur und Poesie), 19, 63, 68, 79, 110, 111, 119, 140, 178. —, Lyceumsfragmente (Kritische Fragmente) Nr. 9: 159. Nr. 26: 107. Nr. 28:99. Nr. 37: 99, 101, 122. Nr. 42: 100, 102. Nr. 48:98. Nr. 54: 101. Nr. 60: 72, 88. Nr. 78: 186. Nr. 90: 159. Nr. 108: 97-98. —, Athenäumfragmente Nr. 51: 120.
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NAMENREGISTER
Nr. 116: 14, 45, 56, 67, 69, 83, 108, 119-126, 131. Nr. 139: 118. Nr. 168: 130. Nr. 220: 125, 160. Nr. 222: 129. Nr. 238: 102, 103, 162. Nr. 247: 60. Nr. 250: 115. Nr. 253: 124. Nr. 255: 125. Nr. 262: 130. Nr. 297: 108, 120. Nr. 304: 126. Nr. 366: 159. Nr. 406: 121, 130. Nr. 412: 122, 126. Nr. 414: 128. Nr. 418: 105. Nr. 434: 210. Nr. 451: 122, 126. —, Ideen Nr. 8:220. Nr. 13: 148. Nr. 15: 130. Nr. 16: 219. Nr. 26: 160. Nr. 38: 130. Nr. 44: 130. Nr. 50: 148. Nr. 69:99. Nr. 91: 147. Nr. 95:92. Nr. 98:92. Nr. 104: 147. Nr. 155: 220. —, Athenäum, 190. —, Gespräch über die Poesie, 30, 90, 108, 111, 115, 130, 131-161, 169-172, 174-181. —, Epochen der Dichtkunst, 132, 137-140. —, Rede über die Mythologie, 91, 93, 97, 130, 133, 134, 142-157, 161, 169-172. —, Brief über den Roman, 44, 133, 143, 157, 174-181. —, Versuch über den verschiedenen Stil in Goethes früheren und späteren Werken, 134. —, Über die Unverständlichkeit, 181. —, Lucinde, 105. —, Abschluß des Lessingaufsatzes, 127-129, 151, 174, 181. —, Paris-Kölner Vorlesungen (1803-04), 30, 48, 69, 76, 137, 140, 183, 184, 186, 187, 188, 192, 193-196, 200. —, Europa, 181, 186, 187, 188, 192. —, Über die Sprache und Weisheit der Inder, 187. —, Über nordische Dichtkunst, 197. —, Geschichte der alten und neuen Literatur (Wiener Vorlesungen), 68, 137, 140, 143, 184, 186, 188, 193, 196, 197, 200-206. —, Philosophie der Sprache und des Wortes, 212. —, Nachlaß, 14, 14, 18.
NAMENREGISTER
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(Verweise auf Schlegels Schriften und Vorlesungen in den Anmerkungen sind in diesem Register nicht erfaßt). Schleiermacher, 16, 186, 191. Schultz, Franz, 29, 226. Schulz, Gerhard, 206, 226. Shakespeare, 24, 30, 32, 33, 41, 43, 45, 47, 60-61, 68, 69, 71-78, 81, 82, 97, 99, 111, 112,112, 114, 114, 115, 116, 128, 135, 135, 138, 141, 160, 164, 165, 168, 178, 180, 181, 195, 196, 197, 202, 203, 206, 217. —, Hamlet, 74, 161, 165. —, König Lear, 75-76, 161. —, Macbeth, 75, 161. —, Othello, 139. —, Romeo und Julia, 47, 60. —, Sommernachtstraum, 116, 161. —, Der Sturm, 139. Sidney, Philipp, 41. —, Arkadia, 41. Siemens, Joh. Bapt., 226. Smith, Logan P., 34, 34, 226. Smollet, 42. Sokrates, 79, 98, 102, 106, 107. Sophokles, 113. Spenser, 139, 195. Spinoza, 28, 107, 128, 148, 149, 150, 152, 153, 155, 171, 172. Starr, Doris E., 226. Steffens, Henrik, 191. Steinbüchel, Theodor, 226. Sterne, 42, 44, 178, 179. Strich, Fritz, 227. Strohschneider-Kohrs, Ingrid, 97,123, 227. Suphan, Bernhard, 39. Swift, Jonathan, 179. Szondi, P., 227. Tacitus, 78. Tasso, 58, 58, 59, 60, 67, 68, 78, 114, 141, 179, 201. —, Jerusalem, 67. Teichmann, M., 227. Tieck, Ludwig, 119, 191. —, Franz Sternbald, 105, 119. —, Genoveva, 191. —, Geschichte des Herrn William Lovell, 105. Trabert, Magda, 227. Ulimann, Richard, 34, 227. Vaqueiras, Raimbaut von, 47. Varnhagen von Ense, K. A., 226. Vega, Lope de, 195. Volpers, Richard, 227. Walz, John A., 227. Walzel, Oskar, 18, 24, 46, 54, 62, 66, 192, 227.
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NAMENREGISTER
Weckherlin, 32, 140. Wellek, René, 16, 16, 227. Wharton, Thomas, 39. Whately, Thomas, 36. Wieland, 37, 58, 59, 59, 62. —, Der neue Amadis, 37. —, Idris, 37. —, Oberon, 37. Wiese, Benno von, 227. Wilhelm der Eroberer, 197. Willson, Leslie A., 144. Windischmann, C. I. H„ 19, 19, 28. Winkelmann, Johann Joachim, 139, 192. Wirz, Ludwig, 227. Wittichen, Friedrich, 191. Wolff, Christian, 38. Xenophon, 42. —, Gastmahl, 42. —, Kyropädie, 42. Zeller, Otto, 227. Zeydel, Edwin H., 227. Zurlinden, L., 227.
SACHREGISTER
Das Sachregister beschränkt sich auf die Auswahl von Begriffen, die mit dem Zen tralbegriff „romantische Poesie" in einem engeren Bedeutungszusammenhang stehen. Vollständiges Erfassen der verzeichneten Begriffe ist nicht angestrebt. Die unter den wichtigsten Leitbegriffen aufgestellten Begriffsreihen und spezifischen Hinweise wie auch die Gegenverweise und die Verweisung auf andere Begriffe - sollen die Orientierung des Lesers erleichtern und in gegebenen Fällen auf Bedeutungsfelder und auf das Beziehungsgeflecht der Begriffe untereinander hindeuten. Die kursiv gesetzten Zahlen beziehen sich auf den Anmerkungsteil. Abenteuer, das Abenteuerliche, 42, 59, 162, 163, 167. Absicht, Absichtlichkeit, absichtsvoll (vgl. Darstellungsweise), 56, 57, 63, 76, 80, 87, 88, 91, 103, 120, 121, 128, 156, 164, 165, 205, 210. Absolut, Absolutheit, das Absolute, 27, 68, 69, 71, 78, 87, 98, 108, 112, 117, 117, 123, 126, 153, 162, 163, 213, 217. Abstrakt, das Abstrakte, 69, 71, 78, 168. Abstraktion, abstrahieren, 69, 71, 98, 113, 125, 151, 153; des Absoluten, 87. Ahnung, ahnen, 26, 27, 77, 120, 160, 170, 202, 204, 205, 206, 218; des Ganzen, 120, 122, 123; des Göttlichen, 112, 206. Allegorik, Allegorie, allegorisch, 23, 93, 95, 96, 100, 102, 112, 116, 127, 133, 149, 149, 151, 156, 157, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 177, 178, 202, 203, 209, 210; Imperativ der, 93; = Erklärung vom Dasein der Welt, 96, 151, 152, 204; = philosophischer Begriff der Poesie, 172; das Christlich-Allegorische, 201, 203. Allgemeines, das Allgemeine, allgemein, 26, 76, 86, 128, 129, 161, 165. Allgemeingültigkeit, das Allgemein-Gültige, 161, 163, 208, 210. Allheit (vgl. Vielheit), 24, 69, 70, 71, 100, 100. Alten, die, 44, 55, 78, 138, 139, 142, 170, 191, 205; romantische Elemente bei den, 61-62, 78, 79, 118, 202. Altertum, Antike, das Antike, 54,55,59,113,132,139,177,181,189,193; Geist des, 135, 195; das (Wesentlich-) Antike, 62, 66, 141, 141, 202, 217. Analogon, Analoges, analog, 34, 147, 149, 149, 151, 154, 206, 212. Anfang, Ursprung, 47, 49, 93, 129, 131, 148, 150, 190, 213; aller Poesie, 25, 91, 131, 137, 139, 158; der älteren romantischen Poesie, 23, 47, 113, 192; der modernen ( = nachklassischen) Poesie, 48, 49, 56, 79; der Menschheit, 145, 147, 200, 203, 204; „aller Erkenntnis", 185. Annäherung (vgl. Approximation), 172, 201, 219; zum Antiken, 66; zum Orientalischen, 143. Anschauung, 70-71, 125,151,154,162,178, 195, 209; der Fülle, 158; des ästhetischen Urbildes, 53; des Ganzen, 24,26,98,101,102,150,173,174,210; des Unendlichen, 91, 92, 154; gesetzgebende, 54, 56; intellektuelle (geistige), 27, 151, 170, 191; sinnlich geistige, 91, 94, 156, 169, 170. Antiform, 104, 112, 114. Antikunst, 115.
238
SACHREGISTER
Antithese, Antithetik, antithetisch, 75, 76, 121, 123. Apotheose, 132, 143, 175. Approximation, approximieren (vgl. Annäherung), 27, 33, 79, 88, 91, 98, 101, 110, 114, 121, 124, 136, 172, 190, 202, 219. Arabeske, arabesk, 105,115,134,178,179,179,180,180; als „ursprüngliche Form" der Phantasie, 180. Arabien, Araber, das Arabische, arabisch, 42, 118, 137, 189. Architektur (Baukunst), 187, 201; griechische, 37. Ästhetik, ästhetisch, 24, 36, 69, 70, 77, 83, 87, 97, 112, 206, 219, 220; romantische, 37, 38, 63; ästhetischer Imperativ, 55; Mittelpunkt der, 151. Athen, 139. Atlantis, 214. Atom, 53, 199. Augenblick, Moment, 101, 150, 208; der klassische, 26. Aufklärung, 33, 219. Ausdruck, 155, 157, 190, 201, 203. Barock, 140. Bedeutung, das Bedeutende, bedeutsam, bedeuten, 94, 116, 127, 128, 129, 135, 151, 153, 156, 157, 164, 166, 168, 169, 172, 174, 176, 202, 204, 205, 208, 209, 210, 211, 212, 214, 215; als „das einzige Wirkliche im Dasein", 127, 129, 174, 210; das Ganze bedeuten, 150, 153, 174, 210, 219. Bedingtes, das Bedingte, Bedingtheit, Bedingendes, bedingt, 26, 27, 72, 73, 74, 92, 95, 97, 98, 100, 101, 102, 107, 117, 120, 150, 161, 162, 168, 177. Begeisterung, s. Enthusiasmus. Begriff, Begriffe, 56, 69, 71, 95, 96,112,161,171,185,191, 201,214; dirigierende, 49; falsche (verkehrte), 51, 52, 53, 56; richtige, 56; Selbstbestimmung nach, 49; Vermögen des, 71. Bekenntnisse, Confessions, 118, 119, 178, 179; als Naturroman, 110. Beschränkung, Beschränktheit, das Beschränkte, beschränken (vgl. Selbstbeschränkung), 57, 59, 72, 74, 76, 92, 94, 98, 99, 101,121, 136, 153, 162, 165, 166, 173, 174, 204, 205, 209; der natürlichen Bildung, 55, 56, 119; der menschlichen Natur, 77. Besonnenheit, besonnen, 73, 121, 164, 212. Bewußtsein, Bewußtheit, Sichbewußtsein, 27, 38, 80, 91, 96, 98, 101, 106, 107, 123, 125, 142, 149, 152, 153, 154, 156, 157, 161, 164, 165, 170, 172, 177, 188, 208, 209; der „ewigen Agilität", 99; des ewigen Werdens, 25; ironisches, 102. Bibel, 92, 119, 130, 148, 181; als Volksroman, 110. Bild, Bildlichkeit (vgl. Sinnbild), 28, 36, 76, 77, 96, 128, 138, 145, 151, 162, 164, 166, 173, 178, 181, 185. Bilden, Anbilden, Umbilden, Verwandlung, Beziehung, Gebildetes bilden, 25, 33, 71, 82, 91, 94, 112, 115, 139, 142, 146, 156, 158, 160, 169, 176, 210, 218. Bildung, sich bilden, bilden, gebildet, 26, 32, 33, 40, 50, 50, 51, 54, 55, 59, 61, 80, 91, 92, 105, 112, 118, 120, 129, 130, 138, 148, 154, 155, 165, 171, 179, 184, 186, 189, 190, 191, 192, 196, 210, 215, 216, 219; ästhetische, 38, 49, 55, 56, 66, 67, 81; künstliche (moderne), 49, 50, 54, 57, 62, 86, 87, 94, 95, 104, 119; natürliche (antike), 50, 54, 55, 57, 62, 86, 104, 119; der Poesie, 61, 120, 138; des Dichters, 40, 124, 125, 132, 133, 184; des (zum) Höchsten, Unendlichen, 72, 91, 94, 125, 146, 156, 164, 169, 210, 211; des Werkes, 120, 124, 125, 206. Bildungslehre, 165, 183. Buch, 93, 179; absolutes, 90 92, 148, 174; romantisches, 177, 178. Bucherlebnis (literarisch affiziert), 32-33. Buchstabe, 134, 177, 181; Gegensatz zu Geist, 134, 142, 176, 217. Buffo, Bouffonnerie (Buffonerie), 102, 103, 104, 115.
SACHREGISTER
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Chaos, chaotisch, 26, 26, 28, 30, 38, 51, 74, 87, 95, 96, 99, 137, 142, 143, 147, 151, 156, 157, 160, 168, 169, 170, 175, 177, 180, 185, 199, 212; Bildung des (künstlich gebildetes), 26,87,94,121,143; chaotische „Überhauptpoesie", 26; schöpferischer Urgrund für (romantische) Poesie, 25, 137, 143; ursprüngliches der menschlichen Natur, 25, 91, 112, 142, 158, 160, 170. Chemie, chemisch, 122, 125, 159. Chor, 88, 103, 138. Christentum, Christianismus, 51, 143, 171, 196, 200, 201, 202. Christus, Messias, christlich, 107, 152, 172, 188, 196, 197, 200, 201, 202, 203. Chronologie, chronologisch, 73, 195. Dämon, 152. Dargestelltes (Produkt der Darstellung), 123, 124. Darstellung, darstellen, 55, 70, 72, 77, 80, 81, 89, 90, 91, 93, 94, 95, 96, 99, 108, 114, 115, 116, 127, 128, 134, 143, 145, 149, 152, 163, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 185, 190, 191, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 210, 212; transzendentale (der Mittel und Prinzipien der Darstellung), 77, 84, 103, 104, 123-125, 133; des Allgemeinen im Individuellen, 76, 77, 173; des Ewigen, „der vollendeten Zeit", 206, 207, 208, 209; des Ganzen (unendliche Fülle, Universum, Weltall), 70, 71, 95, 98, 100, 110, 124,152,170,173,176,178,190,209; Selbstdarstellung, 85,103,123,126,175,180. Darstellungsweise, allegorische (gleichnishafte, idealische), 27, 60, 116, 163, 173, 204, 210, 211, (sinnbildliche) 185, 204; antike, 134, 135; bewußte (besonnene, absichtsvolle), 63, 76, 80, 84, 87, 104, 121, 123, 124, 132, 138, 164, 210; ironische, 59, 75, 76, 102, 104, 161, 162, 215; moderne, 134, 135; objektive, 73, 85, 86, 102; realistische, 116,117; symbolische, 27,77,128, 201,203,210,211; transzendentale, potenzierte, 77, 84,103,104,123; verweisende (Hindeutung a u f . . .), 143,201. Dasein, 117, 127, 128, 129, 139, 144, 151, 152, 161, 174, 195, 204, 210, 219; menschliches, 116, 162, 169, 212; Rätsel des, 116, 169, 203. Deduktion, deduzieren, 49, 49, 82, 97, 160; ästhetischer Begriffe, 77; der Begriffe „künstlich", „natürlich", 50; des Romantischen, 142, 172, 194; notwendige im Roman und der romantischen Poesie, 84, 85, 88, 124. Denken, Denkweise, -art, 160, 172, 190, 200, 219; romantisches, 38, 39, 40, 45, 123, 194; transzendentales, 102, 108. Deutsch, die Deutschen, 139, 140, 141, 189, 196, 198, 199. Deutschland, 39, 40, 148, 191, 198. Deutung, deuten, s. Verstehen. Dichter, Poet (vgl. Künstler), 32, 68, 91, 103, 118, 121, 122, 132, 135, 137, 139, 140, 143, 146, 149, 166, 175, 179, 191, 203, 206; romantische, 46, 203; als Philolog, 32, 125; als Priester, 91, 130, 152, 159; Aufgaben des, 103, 104, 130, 133, 136, 205, 206; Bildung des, 124, 125, 132, 133, 135, 150, 184; Philosophie des, 130; Verhältnis zum Werk, 104, 105, 166. Dichtkunst (vgl. Poesie, Griechische Poesie, Romantische Poesie), 49, 51, 54, 62, 63, 64, 70, 79, 79,104,129,132,142,180,181,196, 203, 206,219,220; romantische, 129, 197; als Abdruck der allgemeinen Menschennatur, 54; höchste Aufgabe der, 134; vollkommene Erscheinung der, 92. Dichtung (vgl. Poesie, Griechische Poesie, Romantische Poesie), 33, 79, 114, 136, 170, 179, 180, 207, 209, 210, 211, 212, 215. Didaktik, didaktisch, 70, 71, 150, 173, 191. Ding, die Dinge, 28, 150, 151, 161, 204, 204, 214, 218. Divination, divinieren, 158, 159, 160, 169. Drama, das Dramatische, dramatisch, 60, 61, 69, 70, 72, 73, 78, 80, 88, 89, 107,109, 119, 138, 139, 178, 203; als „Grundlage des Romans", 180; als Mimik des Lebens, 73, 114.
240
SACHREGISTER
Dreieinigkeit, poetische, 69, 71. Dualismus, als Prinzip der Poesie, 155, 219; sittlicher, 113. Egoismus, göttlicher, 148. Ehe, 143. Einbildung, 101, 150, 167. Einbildungskraft, Vorstellungskraft (schaffende Phantasie), 28, 35, 36, 37, 91, 153, 218. Einheit, 23, 27, 28, 61, 69, 70, 71, 71, 72, 73, 93, 93, 94, 95, 96, 100, 109, 113, 115, 117, 118, 123, 127, 147, 156, 158, 161, 164, 166, 168, 169, 171, 177, 185, 188, 200, 209,212,218,275; mystische, 27, 71, 81, 90, 92, 93, 117, 218; romantische, 27, 28, 71, 117, 218; in der Vielheit, Mannigfaltigkeit, 28, 61, 158, 159, 165; von Natur, Mensch, Gott, 149, 171, 200. Eins, das Eine, Einssein, 91, 93, 95, 111, 126, 127, 142, 169, 170, 171, 172, 189, 190; das Eine Werk („Gedicht"), 92, 127, 147, 173, 174, 183, 186, 212, 218; Eins ist Alles, 154; Einssein von Gegenstand und Vorstellung, 172, 219. Einseitigkeit, Vereinzelung (Isolation), 52, 102, 136, 146, 162, 183, 184, 216. Einzelnes, das Einzelne, einzeln, 86, 91, 98, 101, 122, 128, 133, 150, 156, 160, 168, 183, 201, 202, 210, 211; als Mittel (Symbol) zur Anschauung des Ganzen, 101, 128, 150, 173, 210, 212; Vernichtung des, 127. Elegie, das Elegische, elegisch, 60, 79, 103, 109, 123, 124, 187. Element, Elemente, 67, 149, 199. Empfindung, 35, 113. Endlichkeit, das Endliche, 90, 92, 93, 94, 98, 100, 107, 108, 113, 115, 116, 121, 122, 124, 125, 127, 129, 151, 157, 163, 164, 168, 169, 173, 174, 177, 209, 210, 211, 215, 218, 219; Schein des, 127, 151, 156, 174, 211; Unendlichkeit des, 173, 174. England, Engländer, englisch, 35, 39, 41, 78, 138, 139, 197. Entgegengesetztes, Entgegensetzung (vgl. Gegensatz), 50, 72,115, 155, 160, 168, 169; Verbindung des, 24, 97, 115, 155, 158, 160, 164, 168, 219. Enthusiasmus, Begeisterung, 26, 76, 77, 99, 101, 102, 104, 121, 133, 141, 154, 155, 160, 161, 162, 164, 169, 199, 202, 212, 213. Enzyklopädie, enzyklopädisch, 22, 27, 38, 41, 70, 183, 184, 185, 186, 187, 187, 188, 188, 207, 218; =„die Quelle objektiver Gesetze für alle positive Kritik", 184. Epopöe, 46, 58, 138. Epos, das Epische, episch, 43, 58, 58, 59, 59, 70, 78, 88, 104, 119, 141, 199; romantisches, 59, 59, 62. Erde, irdisch, 131, 136, 149, 149, 170, 212, 213, 214; als Gedicht der Gottheit, 131, 146. Erfahrung, Erfahrbarkeit, 54, 125, 180. Erfindung, Erfinder, Erfindsamkeit, Erfindungskunst, 99, 112, 125, 137, 138, 157, 158, 159, 160, 169, 172, 174, 175, 195; romantische, 44, 180. Erhabene, das, s. Gefühl. Erhebung, Erhabensein, 59, 127, 128, 150, 178, 209, 212, 217; über Bedingtes, 102, 174; über sich selbst, 120, 126; zu Ideen, 150. Erinnerung, 36, 93, 93, 94, 147, 189, 204, 206, 213; der schönen Vergangenheit, 93, 111. Erkenntnis, 127, 128, 129, 145, 155, 156, 157, 159, 164, 170, 185, 209, 213, 214, 219. Erotisch, das Erotische, 143. Erscheinung, erscheinen, 57, 71, 98, 99, 100, 112, 115, 122, 128, 152, 157, 162, 167, 168, 201, 202, 212; äußre, 115, 115; der Phantasie, 160; des Messias, 152, 172. Esoterisch, 144. Ethos, Ethik, ethisch, 89, 92.
SACHREGISTER
241
Europa, europäisch, 39, 79, 79, 137, 189, 195, 196, 197, 202; europäisches Völkersystem, 47, 52, 197. Evangelium, 92, 93, 148, 181; der Menschheit und der Bildung, 92. Ewigkeit, das Ewige, ewig, 55,91, 95,113,126,127,129,148,148,150, 151,154,157, 163, 164, 174, 190, 201, 204, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 219. Fabel, 47, 195; romantische, 58, 59. Fest, 172. Fixierung, 25, 38. Form (vgl. Antiform), 26, 36, 38, 57, 58, 70, 72, 73, 79, 81, 91, 94, 95, 96, 103, 107, 109, 112, 120, 121, 126, 132, 136, 138, 158, 159, 160, 164, 165, 166, 169, 173, 177, 178, 180, 193, 194, 195, 196, 201, 205, 209, 211, 217; phantastische, 59, 176-177; romantische, 68, 79, 178; symbolische, 128, 129, 156, 190, 191, 201; Definitionen, 95, 96, 127, 176-177; der (poetischen) Darstellung, 115, 176-177, 202; der Poesie, 146,179; des Paradoxen, 98; Formender Kunst, 32,127,139; Geheimnis der, 127; Mischungen, 38, 81. Frankreich, Franzosen, französisch, 39, 78, 139, 196, 197. Freiheit, 23, 38, 49, 50, 56, 61, 66, 67, 93, 100, 120, 122, 130, 161, 189, 194, 198; romantische, 189; der Phantasie, 38, 61; der romantischen Poesie, 123; des Dichters, 122-124, 130, 208, 211; Erscheinung der unbedingten, 73, 122. Freundschaft, 89, 138, 146. Friede, 162, 164. Fülle, 32, 53, 69, 71, 73, 76, 95, 105, 117, 121, 125, 132, 138, 139, 157, 158, 160, 169, 172, 173, 175, 201, 206, 218; unendliche, 26, 27, 77, 94, 97, 122, 127,159, 160,170, 213; des Lebens, 24, 56, 74, 134, 143, 158, 175, 176, 201. Galvanismus, 132. Ganzes, das Ganze (vgl. Ahnung, Anschauung, Symbol), 24, 27, 49, 52, 54, 57, 76, 91, 98, 100, 101, 102, 121, 124, 127, 128, 129, 139, 141, 148, 150, 153, 154, 155, 156, 160, 164, 165, 168, 169, 174, 177, 178, 183, 185, 187, 189, 190, 196, 201, 208, 210, 211, 212, 219; zusammenhängendes (organisches), 79, 92, 128, 183; Beziehung aufs Ganze, 26, 127, 128, 129, 136, 183, 210, 211; Darstellung des, 95, 124, 173, 190; Idee, Geist des, 57, 58, 124, 183, 212; Verhältnis der Teile zum, 81, 84, 85, 86, 95, 96, 120, 121, 124, 127, 167, 206; Wissen des, 154. Ganzheit, 69, 71, 92, 98,109, 111,122,123,125,132; beschränkte, 95,120,125,126; unbeschränkte, 94, 125, 126; romantische, 63; der europäischen Literatur, 16, 17. Gartenkunst, 35-39. Gattung, 70, 165. Gedicht (vgl. Werk), 118, 127, 128, 129, 132, 139, 152, 156, 186, 199; das Eine, 174, 183, 186, 218. Gefühl, 26, 83, 149, 151, 154, 158, 159, 170, 172, 173, 184, 189, 194, 198, 199, 202, 203, 207, 207, 213, 214; geistiges, 115, 176; des Erhabenen, 154, 155, 201. Gegensatz, Gegensätzlichkeit, gegensätzlich (vgl. Entgegengesetztes), 24, 60, 72, 98, 101, 106, 161, 165, 167, 168, 177, 187, 212; Verbindung (Vermischung) der, 76, 97, 98, 105, 161, 168, 169, 171. Gegenstand, 172, 213, 219. Gegenwart, Gegenwärtiges, 132, 134, 136, 204, 205, 206, 207, 212, 213, 214; Vernichtung der, 93. Geist, das Geistige, geistig, 26, 28, 50, 51, 56, 69, 70, 71, 75, 93, 94, 96, 99, 106, 106, 115, 117, 120, 123, 127, 134, 139, 145, 146, 147, 148, 150, 151, 152, 156, 159, 161, 164, 169, 174,177,181,183, 209, 210, 217, 219; göttlicher, 131; kombinatorischer, 158, 159, 160, 169, 171; menschlicher (des Menschen), 99, 122, 127, 130, 139, 146, 189, 191, 200, 213; poetischer (der Poesie), 134, 136, 141, 142, 194, 196, 203, 206; potenzierter, 111, 125; romantischer, 72, 78, 82, 105, 111, 138, 139, 197, 198, 199;
242
SACHREGISTER
universeller, 122,126; =„ein Chaos von Liebe", 142; Darstellung (Verkörperung) des, 57, 91, 93, 211; der Darstellung, 47, 143; der Liebe, 143, 147, 150, 156, 175; des Ganzen, 57, 58, 124, 212; des Zeitalters, 51, 133; Selbstbewußtwerdung des, 38, 139, 157, 171. Gelehrter, Gelehrsamkeit, 140, 191, 194; Gelehrten-Akademie, 187. Gemeinschaft, 66; des Geschmacks, 67. Gemüt, 52; freier Akt des, 49. Genie, Genialität, genial, 70, 101, 102, 106, 106, 149, 152, 158, 159, 159, 160, 162, 164, 172, 174, 183, 186, 218; Gegensatz zu Talent, 183. Genius, 165. Geographie, geographisch, 42, 51, 73. Germanien, Germanen, germanisch, 47, 137, 196, 197, 198, 199. Geschichte, Historie, das Historische, geschichtlich, historisch, 24, 30, 32, 41, 42, 43, 44, 55, 70, 71, 73, 83, 83, 103, 105, 115, 119, 149, 171, 177, 180, 183, 185, 186, 197, 198, 200, 202, 218, 218; Anfang der modernen, 129; der Bildung, 139; der Dichtkunst (Poesie), 63, 132, 135, 139, 181, 183, 185, 186, 218, 220; der progressiven Poesie, 82, 121; der romantischen Poesie, 32, 134, 191-207. Geschmack, 56, 67, 87, 113. Geselligkeit, Gesellschaftlichkeit, gesellig, 60, 62, 89, 136, 172. Gesellschaft, 105, 136, 138. Gesetz, 53, 86, 91, 94, 98, 113, 130, 158, 183, 184, 187, 194, 208; der Ewigkeit, 208; der Mischung, 56, 81, 86, 123; der Progression, 50, 54, 122; der romantischen Poesie, 122; des Dichters, 122; des Wechsels, 98, 99; und Anschauung, 53. Gesetzgeber, 49, 56; Verstand als, 55. Gesetzgebung, vollkommene ästhetische, 56. Gesetzmäßigkeit, gesetzmäßig, 17, 52, 56, 57, 66, 67, 85, 86, 87, 121, 128; gesetzmäßige Verhältnisse, 86, 87. Gespräch, 43, 101, 105. Gestalt, Gestaltung, gestalten, 27, 71, 132, 133, 170, 194, 196, 206, 209, 213; harmonische, 71, 209, 212. Gewissen, 158. Glaube, 70, 76, 190, 213, 214; Naturglaube, 199. Gleichheit, 47. Gleichnis, gleichnishaft, 121, 163, 164, 169. Gott, Götter (vgl. Gottheit, Christus), 23, 26-27, 28, 33, 38, 71, 90, 91, 91, 92, 93, 113, 129, 130, 131, 142, 147, 149, 150, 151, 152, 156, 157, 158, 170, 171, 172, 200, 201, 206; als höchster Künstler, 34, 131, 146, 149, 152, 173; als poetisches Ideal, 57, 68, 80, 110, 110, 120; Kenntnis Gottes, 184, 185; Selbstdarstellung, 96, 149. Götterlehre (vgl. Mythologie), 196, 197, 198, 199, 202. Gottheit, Göttlichkeit, das Göttliche, göttlich, 74, 94, 112, 113, 125, 128, 130, 146, 146, 147, 148, 156, 157, 158, 160, 163, 169, 170, 171, 172, 176, 177, 178, 184, 186, 187, 188, 200, 201, 202, 203, 204, 204, 208, 213, 219, 220; als „Idee aller Ideen", 130, 172; Darstellung der, 70, 152; = Erscheinung der Allheit, 100; Widerschein im Menschen, 146, 147, 185. Griechen, Griechenland (vgl. die Alten), 35, 42, 43, 44, 54, 78, 79, 80, 87, 103, 104, 133, 134, 142, 169, 201, 208; als Vorbild in aller Kunst und Wissenschaft, 57, 170, 208; Übertreffen der, 50, 133. Griechische Poesie (vgl. Naturpoesie), 22, 36, 42, 44, 49, 50, 52, 53, 54, 56, 58, 63, 79, 86, 87, 92, 96, 113, 113, 114, 119, 121, 142, 143, 156, 176, 193, 194, 206, 208; als Vorbild (ästhetisches Urbild), 53, 57, 62, 64, 80, 104, 121; Entartung der, 54, 55, 55, 119; Vollendung der, 54, 113, 121; romantische Elemente in der, 44, 61, 62, 78, 79, 118, 202. Groteske, das Groteske, grotesk, 38, 58, 159, 161, 162, 179, 179.
SACHREGISTER
243
Harmonie, harmonieren, harmonisch, 26, 55, 56, 71, 86, 87, 101, 103, 106, 107, 120, 121, 122, 126, 133, 142, 147, 156, 157, 175, 190, 202, 208, 209, 210, 212, 217, 219; ursprüngliche, 96; = Erscheinen der Einheit, 71; des Ganzen, 57; des „Klassischen und Romantischen", 134, 138. Heldendichtung, -gesang, 137, 140, 196, 198. Herz, 101, 150, 174, 199. Hieroglyphe, hieroglyphisch, 143, 144, 152, 157, 159, 175, 176, 210. Höchstes, das Höchste, das Höhere, 23, 26, 69, 71, 91, 93, 100, 101, 116, 120, 128, 129, 143, 146, 148, 154, 169, 170, 171, 172, 174, 175, 176, 178, 184, 210, 212, 213, 215, 216, 219, 220; Anschauung des, 94; Bildung des, 91, 94, 146, 156, 164, 169, 210, 211; gebildet in der Mythologie, 25, 91. Hoffnung, 55, 93, 165, 180, 204, 206, 213, 214. Humaniora, 185. Humor, 159, 179. Ideal (vgl. Poetisches Ideal, Gott), 27, 36, 88, 90, 90, 92, 98, 99, 113, 114, 117, 118, 121, 122, 130, 154, 155, 160, 161, 162, 163, 164, 167, 168, 170, 174, 215; absolutes, 68, 90, 125; der Schönheit, 139. Ideales, das Ideale, ideal, ideell, 26, 59, 92, 93, 115, 116, 120, 150, 154, 155, 161, 162, 164, 168, 218, 218; Verhältnis zum Realen, 102, 113, 116, 157, 161, 162, 212.
Idealismus, 18, 23, 84, 116, 135, 153, 156, 157, 171, 172, 181, 190, 191, 204, 219; Wesen des, 93, 152. Idealität, idealisch, 75, 113, 134, 151, 155, 172. Idee (vgl. Poetische Ideen), 71, 90, 90, 91, 92, 95, 101, 116, 120, 121, 142, 147, 150, 153, 155, 164, 165, 174, 177, 178, 183, 190, 201, 216, 217, 220; unerreichbare, 56, 208; sichtbar gewordene, 56, 208; Definitionen, 154, 154, 155, 172; Ideenkunst, 172; nach Ideen dichten, 135, 154. Identität, 155, 219. Idylle, das Idyllische, idyllisch, 79, 109, 113, 114, 118. Ikon, 96, 152. Illiberalität, illiberal, 122. Illusion, 163; Zerstörung der, 100, 104, 122. Immanenz, immanent, 27, 27, 92, 211, 214, 215. Imperativ, 88, 89, 112, 122, 123; ästhetischer, 55; genialischer, 87; romantischer, 24, 36, 88; der Allegorie, 93; der Personifikation, 93. Indien, Inder, indisch, 144, 169, 189, 200, 202. Indifferenz, 72, 106, 107, 108. Indifferenzpunkt, 107, 153. Individuelles, das Individuelle, Individualität, individuell, 26, 60, 76, 86, 87, 88, 92, 108, 121, 128, 153, 154, 161, 165; Begriff der Individualität, 95, 126, 148. Individuum, Individuen, Individua, 57, 84, 90, 90, 91, 91, 92, 95, 95, 101, 111, 120, 121, 124, 126, 151, 152, 153, 172, 186, 208, 217; =Bild der einen unendlichen Substanz, 96; poetisches, 123; unendliches, 95. Instinkt, 103, 120. Intelligenz, absolute, 156. Interessant, das Interessante, 46, 52, 57, 64, 65. Ironie, ironisch, 23, 27, 59, 59, 74, 76, 77, 80, 96, 97, 97, 105, 106, 120, 123, 123, 124, 126, 141, 160, 161, 162, 164, 166, 169, 177, 199, 209, 214; romantische, 73, 97, 105, 107; Sokratische, 98, 102, 106; tragische, 75, 76; wahre, 72, 100, 102; bis zur, 72, 73, 74, 97; Definitionen, 97-108, 159; Funktion der, 80, 85, 97, 98, 160; mit Ironie bewundern, 215, 216; und Mythologie, 97. Irrationalismus, Irrationales, irrational, 171, 172; absoluter, 160.
244
SACHREGISTER
Italien, italienisch, 39, 48, 51, 72, 102, 196. Italiener, 138, 140, 141, 193, 194. Jenseits, Jenseitigkeit, 76, 206. Jugend, 138; als Eigenschaft des Romantischen, 67, 82, 83, 111. Karikatur, 106, 115,115, 159. Kategorie, 24, 25, 28, 34, 63, 109, 123; ästhetische, 69, 218. Katholizismus, katholisch, 147, 203, 204. Klassik, klassisch, 32, 56, 112, 219; klassische Dichtarten 72; und romantisch, 62, 78, 79, 118, 134, 189, 202. Klassiker, 148; romantische, 82. Klassizität, das Klassische, 53, 57, 69, 71, 91, 103, 121, 189; der modernen Poesie, 56, 104, 120, 133. Kombinierung, Kombination, 33, 36, 82, 113, 154, 158, 159, 160; des Individuums mit sich selbst, 84; des „antiken Geistes" und der „modernen Hülle", 134. Komödie, komisch, 104, 182, 187. Kondensation, 111. Konstruktion, konstruieren, 85, 111, 112, 148, 179, 181, 187; genetische, 127; „Konstruktion des Ganzen", 141, 160, 161, 162, 164, 168. Kontrast, 38. Konzentration, konzentrieren, 85, 89. Körper, das Körperliche, 26, 96, 169, 203. Kraft, 49, 51, 52, 53, 66, 89, 101, 122, 126, 132, 137, 139, 143, 148, 157, 158, 164, 171, 172, 189, 193, 200, 208, 212, 215; ästhetische (poetische), 52, 54, 55, 67, 174, 196; tellurische, 190; der Begeisterung, 133; der Erfindsamkeit, 158, 159, 174; der Poesie, 61, 132, 137, 146; des Lebens, 136, 157, 172, 219; des Menschen, 139, 151, 209; Urkraft, 131, 151, 156, 170, 175, 176. Kreuzzüge, 197. Kritik, 17, 32, 67, 78, 83, 84, 85, 112, 125, 139, 159, 181, 183, 184, 185, 186, 190, 215, 217; divinatorische, 17, 121; romantische, 85, 89; Funktion der, 87, 132, 215 217; Mitdarstellung der, 85, 85, 86, 89, 103, 104, 123; „Mutter der Poetik", 85; „Maßstab der Würdigung", 215. Kultur, 40, 47, 49, 79, 79, 129, 154, 155, 186. Kunst, künstlich, 28, 32, 37, 40, 42, 49, 50, 51, 52, 55, 56, 57, 63, 67, 69, 73, 79, 81, 86, 93, 98, 100, 101, 102, 103, 106, 114, 115, 125, 127, 128, 129, 130, 132, 133, 134, 137, 138, 139, 140, 146, 148, 151, 155, 174, 183, 185, 186, 187, 188, 190, 194, 196, 201, 202, 208, 212, 213, 214, 215, 216, 217; romantische, 60, 89, 113, 165, 172, 195, 211; als Spiegelung des Lebens, 77; Bestimmung der, 49, 93, 121, 173; Maxima der, 86; Prinzipien der, 121, 173, 216; Wesen der, 127, 129, 205; und Natur, 52-54, 76-77; und Natur und Wissenschaft, 24, 26, 88, 89; und Poesie, 125, 138. Kunstähnlichkeit, kunstähnlich, 143, 143. Kunstbetrachtung, romantische, 143. Künste (vgl. Architektur, Malerei, Musik, Plastik, Skulptur), 143,148,177,183,184, 186, 187, 188, 190; bildende, 143; zeichnende, 143. Kunstlehre, 89, 104, 121, 125, 134, 136, 175, 181; als Lehre vom Klassischen und Romantischen, 82, 121. Künstler (vgl. Dichter), 34, 52, 77, 82, 89, 89, 97, 101, 102, 115, 124, 125, 126, 130, 133, 135, 136, 148, 148, 152, 156, 157, 162, 164, 165, 170, 181, 183, 208, 212, 218, 219; romantischer, 130, 132, 133, 136, 184, 195, 209; als Mensch der höheren Potenz, 152, 157, 159; isolierter (Egoist), 48, 49, 183; Verhalten des, 74, 97, 105, 130, 163, 208, 211.
SACHREGISTER
Künstlerroman, 165. Kunstpoesie, 78, 81, 123, 125, 132, 141, 181; Mischgattungen der, 88. Kunstprinzip, 50, 121. Kunsturteil, 216, 217. Kunstwerk, 24, 57, 76, 85, 86, 87, 96, 97, 101, 102, 104, 117, 127, 128, 130, 134, 141, 145, 147, 151, 152, 156, 160, 163, 165, 167, 169, 170, 172, 173, 174, 179, 183, 205, 206, 208, 209, 211, 212, 215, 219; mystisches, 27, 71, 90, 91, 96, 164, 171; romantisches, 64, 72, 85, 85, 108, 169, 206, 210, 211, 215; Rahmen 85; Welt als Kunstwerk Gottes, 28, 102, 131, 146, 173, 174, 206.
245
138, 180, 127, des,
Latein, lateinisch, 47, 48, 196. Leben, 44, 53, 60, 74, 76, 77, 92, 98, 100, 107, 116, 128, 129, 130, 131, 133, 136, 140, 145, 147,148,157,164,166,167, 168, 172, 178, 189, 191, 195, 198, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 209, 212, 214, 218, 219; phantastisches, 58, 59; Anschluß der Poesie ans, 41, 73, 115, 117, 168, 194, 199, 201, 202, 210; Darstellung des, 72, 81, 98, 114, 203, 204; Nachahmung des, 72, 116; Paradoxie des, 128; Poetisierung des, 89, 112,130, 144, 165, 194, 197, 211, 216; Rätsel (Geheimnis) des, 76, 77, 98, 203, 205. Lebenskunst, Lebenskunstlehre, -sinn, 89, 92, 98, 107, 110, 165. Legende, 80, 119, 202; christliche, 47, 48, 58; lateinische, 137. Leib, 91, 93, 94, 95, 101, 120, 169, 219. Lektüre, 170. Licht, 149, 149, 168, 205; göttliches, 200. Liebe, 42, 60, 72, 73, 78, 89, 98, 99, 102, 112, 116, 122, 137, 138, 142, 143, 149, 150, 151, 154, 155, 156, 157, 162, 164, 166, 167, 172, 175-176, 178, 180, 189, 194, 195, 196, 198, 199, 202, 205, 206, 210, 213, 214, 216, 218; ursprüngliche, göttliche (die eine ewige), 112, 115, 147, 175, 176; christliche, 200; als „heiliger Hauch", 175, 176, 200, 210; als Quell aller Poesie, 68, 143, 147; erscheint als Rätsel, 177. Literatur (vgl. Poesie, Griechische Poesie, Romantische Poesie), 34, 50,129,136,184; als Enzyklopädie, 184; als Medium der Erfahrung, 34; Übersicht, 184, 185, 191207, 193, 217. Literaturwissenschaft, 16. Luft, 149, 149. Lyrik, das Lyrische, lyrisch, 47, 61, 70, 88, 103, 199. Magie, magisch, 58, 146, 181, 187; Definition, 187. Magnetismus, 132. Malerei, Gemälde, 143, 187, 201, 202. Manier, 57, 60, 138. Mannigfaltigkeit, das Mannigfaltige, 26,43, 76,98,109,158,159,165,169,173,174; der Erscheinungen, 27, 97, 100. Männliche, das, 149. Märchen, 30, 37, 41, 72, 80, 105, 119, 137, 140, 180, 189, 207. Materialismus, 199. Materie, das Materielle (vgl. Stoff), 120, 121, 125, 143, 150, 156, 164, 177,178, 195, 211, 213. Maximum, Maxima, 86, 133. Melos, 88. Mensch, 23, 24, 50, 69, 74, 77, 89, 90, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 99, 101, 102, 107, 111, 113, 116, 120, 121, 126, 130, 131, 133, 136, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 149, 150, 151, 152, 162, 163, 164, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 176, 178, 179, 184, 189, 191, 198, 201, 204, 206, 209, 212, 214, 219, 220; als Reflexion Gottes, 149; Begriff, 55, 92, 93, 113, 130, 136, 139, 144, 146, 149, 152, 154, 200, 203, 204, 204, 209, 211,
246
SACHREGISTER
212, 213,216, 219,220; Beschränktheit des (beschränkte Ganzheit), 95,98; (letzte) Bestimmung des, 71, 74, 100, 130, 144, 152, 184, 185, 201, 203, 219; Bildung (Erhebung) des, 50, 70, 170, 189, 190, 210, 211, 212, 215, 216, 217; gemischte Natur, 50; Grundkräfte des, 26, 55, 111, 131, 139, 154, 157, 170, 209, 214; Göttliches im, 94, 112, 113, 118, 130, 131, 146, 147, 148, 171, 184, 185; Trieb (Drang) nach Kunstgestaltung, 55, 63, 121; Selbstbestimmung nach Begriffen, 49, 55; ursprünglicher Zustand des, 113, 118, 121, 144, 145,145, 147, 152, 158, 160, 170, 200, 203, 204, 213. Menschentum, Menschlichkeit, das Menschliche, 116, 151, 152, 169. Menschheit, Menschengeschlecht, 23, 24, 75, 92, 95, 112, 120, 136, 144, 145, 145, 146, 147, 148, 151, 152, 157, 164, 169, 175, 180, 181, 183, 184, 185, 204, 208, 209, 211, 213; neue, 169; als „Zentrum der Mythologie", 145; Frühling der, 61, 111; Urkraft der, 131, 132; Vollendung der, 152. Metamorphose (Neugestaltung, Verwandlung), 146, 148, 209. Metapher, für Roman, 92. Methode, 49, 190. Metrum, Metrik, metrisch, 134, 196. Mimik, mimisch (vgl. Roman), 22, 71, 72, 73, 74, 89, 102, 111, 114, 115, 115, 116, 118; als „übersetzende Kunst", 73, 114, 116; Wesen der, 115. Mimisches, das Mimische als poetische Idee, 68, 69, 81,110,110,111, III, 114,115, 118, 213; Verhältnis zum Phantastischen, 115-117, 161. Mimus, 71, 114, 115. Minnesänger, Minnesang, 140, 199. Mischung, Vermischung, vermischen (vgl. Vermittlung, Roman, Romantisch, Romantische Poesie), 28, 33, 36, 38, 41, 56, 59, 59, 67, 68, 72, 81, 82, 86, 87, 88, 106, 109, 113, 114, 126, 143, 166, 172, 175, 187, 209, 211, 218; aller Stoffbereiche und Kunstsysteme, 26, 60, 211; als Wesen des Romantischen, 24-25, 60, 71, 80, 209; Definitionen, 25, 94,106,125; der Dichtarten, 24, 61, 87, 88; der Gegensätze, 60, 72, 97, 106, 107, 138; Gesetz der, 86, 87, 123. Mitteilbarkeit, 157. Mitteilung, mitteilen, 33, 99, 128, 136, 172, 181, 216, 219; künstlerische, 99, 108; Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer vollständigen, 74, 97, 98, 102, 177. Mittel, s. Zeichen. Mittelalter, 31, 36, 39, 41, 47, 48, 62, 64, 79, 140, 197, 198, 199, 201; als fruchtbares Chaos zur neuen Ordnung der Dinge, 30, 137. Mittelmeer, 137. Mittelpunkt (vgl. Zentrum), 23, 60, 89, 133, 136, 148, 153, 183, 202, 204; =der Organismus aller Künste und Wissenschaften, 17, 183, 187; der Ästhetik, 151; für Dichter und Zeitalter, 133,181, 218; Mythologie als, 21, 96, 97, 142,181, 209; Religion als, 148; Roman als, 96, 209. Modern, das Moderne, die Modernen, 25, 54, 55, 57, 59, 65, 79, 83, 87, 90, 103, 104, 132, 134, 141, 164, 174, 176, 177, 181, 189; das Wesentlich-Moderne, 32, 62, 217; die älteren Modernen, 31, 180; Rechtfertigung der Modernen, 53; Wesen des Modernen, 69. Moral, Moralität, das Moralische, 100, 107, 114, 152. Musik, musikalisch, 131, 138, 143,143, 195. Mysterien, 135, 156, 190; der Bildung, 130; des Realismus, 150, 156, 181. Mystik, Mystizismus, mystisch, 70, 71, 72, 78, 81, 90, 144, 148, 150, 171, 173, 190. Mythologe, 137. Mythologie, 23, 24, 25, 27, 48, 51, 95, 97, 100, 108, 129, 130, 133, 135, 136, 137, 141, 145, 147,176, 177,178,181,184, 186,195,196, 202, 218; griechische, 25, 113, 133, 142, 144, 156, 158, 171, 199, 202; nordische, 199; romantische, 80, 88, 93, 129, 212; Begriff und Definitionen („Wesen", „Verfahren" und „Methode"),
SACHREGISTER
247
25, 91, 93, 142, 153, 156, 157, 160, 169, 171, 175; als „Kunstwerk der Natur", 145, 146, 156, 160; „das künstlichste aller Kunstwerke", 96, 133, 142, 156; Eigenschaften, 142-173; Entstehungsbedingungen der neuen, 23, 133, 135, 142173; und Ironie, 97; und Poesie, 142, 170, 190; und Roman, 22, 94, 96, 129, 142, 174-175, 181, 209, 211, 218; und romantische Poesie, 21, 96, 129, 142, 157, 178, 180, 209, 211, 218; und Witz, 158-171, 185. Mythos, das Mythische, mythisch, 27, 51, 58, 116, 164, 165, 175, 206. Nachahmung, 51, 54, 57, 58, 59, 72, 76, 86,114,115,140,141,163, 205; Manier und Methode, 57. Natur, natürlich, 24, 26, 28, 33, 34, 35, 37, 38, 42, 50, 61, 76, 77, 88, 95, 122, 125, 130, 131, 132, 134, 139, 143, 145, 145, 146, 147, 149, 150, 151, 152, 154, 155, 157, 158, 170, 173, 174,175,176,184, 186,191,198, 199, 200,204, 213, 219; als Kunstwerk, 34, 131, 146, 149, 152, 156; Darstellung der, 70, 71, 96; und Kunst, 52-54; —, menschliche, 49, 55, 77, 91, 142, 154, 158, 160, 170. Naturpoesie, 78, 80, 81, 88, 104, 104, 112, 114, 123, 132; griechische, 49, 104; moderne, 104. Naturwissenschaft, 155. Nichts, das, 171, 173. Nihilismus, 75, 82. Norden, nördlich, nordisch, 190, 196, 197, 198, 199, 202, 217. Normannen, 197. Notwendigkeit, das Notwendige, 54, 55, 97, 101, 114,115, 163,175, 177; unbedingte, 98; der künstlerischen Freiheit, 100, 122. Novelle, 72, 80, 84, 110, 112, 119, 138, 139, 140, 166, 167, 168. Nützlich, das Nützliche, 38, 87. Objekt, das Objektive, objektiv, 28, 46, 73, 124, 153, 154. Objekte, von Anschauung, Begriff, Idee, 70-71. Objektivierung, des Subjektiven, 85. Objektivität, 85, 86, 87, 104, 135; Definition, 86; Verhältnis der modernen zur griechischen, 86, 104, 121. Ode, 88. Offenbarung, offenbaren, 92, 145, 149, 157, 161, 173, 174, 181, 200, 202, 208; Uroffenbarung, 147, 213. Olymp, 126. Ordnung, 94, 137, 160, 165, 193; höchste, 26, 26, 27, 142, 147. Organismus, 127; aller Künste und Wissenschaften, 127, 183, 186, 187, 188. Orient, Orientalisch, 49, 137, 143, 144, 144, 189, 190, 198, 202, 217. Oxymoron, 61. Pantheismus, 23, 28, 150, 181. Parabola, parabolisch, 128. Paradies, paradiesisch, 76, 213. Paradox, das Paradoxe, Paradoxie, 24, 28, 38, 74, 76, 100, 124, 128, 149, 169, 216; Form des, 98. Parekbase, 103,103, 104, 104, 105, 112. Parodie, das Parodistische, parodieren, 59, 59, 72, 84, 105, 106, 107,159, 162, 165, 177, 179, 194, 195, 197, 199. Pathos, 115. Perfektibilität, s. Vervollkommnung. Persien, Perser, persisch, 198, 199, 202. Persiflage, 58, 59.
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SACHREGISTER
Person, 90, 92, 169, 175. Personifikation, personifizieren, 92, 93, 151, 152, 156, 157, 177; Imperativ der, 93. Pflanze, 149, 151. Phantasie, Fantasie, phantastisch, Phantasterei (vgl. Roman), 22, 26, 32, 36, 38, 49, 49, 50, 51, 58, 59, 63, 70, 71, 73, 75, 76, 79, 91, 94, 98, 102, 103, 103, 111, 112, 114, 116, 132, 134, 138, 139, 149, 150, 152, 157, 159, 160, 161, 166, 167, 172, 174, 176, 177, 178, 179, 180, 183, 184, 187, 191, 193, 197, 198, 202, 205, 216, 218, 220; romantische, 60,61,77, 180; als „Organ" der Poesie, 61,220; erscheint als „Witz", 177; Funktion der, 112; „schöne Verwirrung" der, 25, 39, 91, 142, 158, 160. Phantastisches, das Phantastische als poetische Idee, 68, 69, 81, 110, 110, 111, 111, 112, 113, 114, 115, 116, 118, 143, 145, 213; Definition („Wesen" des), 113, 176177; Verhältnis zum Mimischen, 115-117, 161. Philologie, Philolog, 32, 91. Philosophie, Philosoph, philosophisch, 38, 41, 69, 70, 71, 78, 83, 91, 100, 106, 109, 122, 123, 125, 126, 141, 151, 155, 173, 181, 184, 186, 187, 190, 191; klassische, 79; der Philologie, 32; Selbstverständnis der, 139; und Poesie, 50, 60, 70, 88,100,103, 122, 123, 125, 126, 139, 144, 145, 169, 181, 185, 190; Schlegels System, 153. Physik, physikalisch, 23, 145, 148, 149, 150, 171, 172, 181, 183, 190, 191; Geist der, 135; Naturphysik, 132, 149. Pittoresk, 143, 159, 177. Plastik, 143. Poesie (vgl. Naturpoesie, Griechische, Romantische Poesie; Dichtung, Dichtkunst, Literatur), 32, 40, 61, 63, 78, 85, 88, 131, 136, 137, 142, 143, 147, 148, 150, 157, 160, 165, 170, 172, 173, 178, 181, 183, 185, 190, 196, 198, 202, 210, 215; als „höchste aller Künste und Wissenschaften", 190, 216; als Kraft im Menschen, 40, 136, 139, 144, 145, 147, 152, 179; als „ursprünglicher Zustand des Menschen", 144,145,145, 147,152; als Offenbarung des Göttlichen, 147,185; als Weltelement (ursprüngliche, „formlose und bewußtlose"), 131, 132, 142, 151, 156, 198; chaotische „Überhauptpoesie", 26, 173; Definitionen („Wesen" der), 93, 94, 131, 132,134,144,145,145,146,151,154,175,190,204, 205,209, 212, 213; Entstehung der, 131, 140, 145, 151, 158; Haupteigenschaften der, 89, 129, 146, 152, 170, 174, 190, 206, 214, 220; Prinzipien der, 79, 155; Regenerationsquellen, 31, 196-197; Studium ihrer Geschichte, 31, 184, 185, 191-207, 218; Vollendung und Unvollendung, 27, 152; —, Poesie der Poesie, 85, 103, 124; —, Poesie und Kunst, 125; und Mythologie, 170, 175, 190; und Philosophie, 50, 70, 88, 100, 122,123,125,126, 139, 144, 145,169,181,185, 190; und Wissenschaft, 125; und Witz, 160, 194; —, ältere moderne (=des Mittelalters und der Renaissance, = Romantische Poesie), 39, 39,45,46,49, 51-65, 68,135,179,180,193,194,199, künstlicher Charakter, 49; —, moderne ( = der „spätem Zeit" und zeitgenössische), 51, 52, 62, 78,111,174,176, 178-180, 189, neuere Epoche der, 190; —, moderne (=nachklassische), 33, 40, 41, 42, 45, 46, 47, 51, 53, 54, 55, 56, 58, 63, 80, 82, 87, 88, 114, 119, 164, 217, als zusammenhängendes Ganzes (Einheit der), 17, 47, 48, 186; Anfang, Ursprung (künstlicher, unvollendeter), 28, 49, 52, 56, 62, 68, 79, Eigenschaften, 61, 120, 131-132, 143, Entwicklung, 53, 62, 121, 132, 137-138,192-207, 220, poetisches Ideal, 68, 90,110,110, Shakespeare als „Gipfel", 60, Ziel („erhabene Bestimmung"), 52, 53, 56, 62, 63, 64, 79; —, deutsche, 51, 139-140, 142, 189, 190, 193, 206, altdeutsche, 40, 141, 188, 189, 194, 195, 196, 197, 198, 199, 200, 202, 217, als „Urquell des Romantischen", 140; —, englische, 41, 138, 193, 195; französische, 193;
SACHREGISTER
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italienische, 30, 63,138,140,140,141,141,144,180,193,194, goldenes Zeitalter, 140; nordische, 140, 188, 193, 194, 195, 196, 197, 198, 202, 217; orientalische, 144, 165; portugiesische, 141, 192, 192, 193; provenzalische (älteste romantische), 79, 79, 137, 192,192, 193, 217; romanische (romantische), 195, 196, 199; römisch-lateinische, 140, 193, 194, christlich-lateinische, 193, 197; spanische, 138, 140, 141, 144, 192, 193, 194, 217; südliche, 196, 197, 217; —, absolute, 70, 81, 90, 117; abstrakte, 69, 70, 78, 83; christliche, 68, 188, 200-203; esoterische, 191; ethische, 81, 89, 115; exoterische (dramatische), 191; klassische, 79, 81, 83, 85, 88, 120, 121; kritische (potenzierte), 70, 81, 85, 89; naive, 81; phantastische, 112; philosophische, 81; politische, 81; progressive, 42, 73, 81, 82, 83, 85, 120; sentimentale, 81; transzendentale, 79, 103; universelle, 81. Poetik, 70, 83, 215; Kritik als Mutter der, 85. Poetische Ideen (vgl. Poetisches Ideal; Mimisches, Phantastisches, Sentimentales), 68, 108, 110-117, 111, 114, 213. Poetisches, 164, 202. Poetisches Ideal (vgl. Gott, Poesie; Roman; Griechische, Romantische Poesie), 22, 26, 45, 48, 57, 64, 68, 80, 113, 114, 117, 124,160; Definitionen, 108, 110, 110-117; Erscheinung bei den Griechen, 57, 80, 113, 120; Unerreichbarkeit bei den Modernen, 57, 80, 112, 113, 114. Poetisierung, poetisieren, 23, 205; der romantischen Mythologie, 80; des Lebens, 33, 70, 89, 112, 144, 194, 211, 216; des Witzes, 123. Polarität, 76, 169. Polemik, 185, 187, 215. Polytheist, 126. Potenz, Potenzierung, potenzieren, potenziert, 69, 71, 78, 83, 84, 85, 87, 89,103, 106, 111, 113, 124, 125, 152, 172, 180; höchste Potenz, 91. Praxis, 54, 56. Priester (Geistlicher), 91, 130; als „Idee für Alle", 91; und Dichter, 91, 152, 159. Prinzip, Prinzipien, 55, 87, 124, 126, 145, 152, 153, 169, 185, 219; böses, 185, 215, 216; gutes, 185, 190, 215, 216; romantisches, 60; der ästhetischen Bildung, 49, 51; der Kunst, 49, 121; der literarischen Wertung, 215-220; der Poesie, 155, 219; der progressiven Poesie, 79,114,119, 125; der romantischen Poesie, 143; des Wissens, 158. Programm, 52; romantisches, 22, 39, 48, 63, 64, 129. Progression (Fortschreitung), progressieren, 26, 27, 28, 48, 50, 55, 79, 82, 114, 119, 121, 126, 134, 176, 190. Progressivst, das Progressive, progressiv, 22, 57, 69, 71, 82, 83, 84, 87, 91, 108, 112, 119-120, 121, 122, 123, 126, 133, 135, 188, 219, 220.
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Prophetie (Weissagung), Prophet, prophetisch, 89, 90, 123, 159, 169, 170; absolute, 69. Prosa, das Prosaische, prosaisch, 78, 80, 88, 124, 137, 164; romantische, 81, 88. Provenzal, 48. Quelle, 139, 144, 146, 153, 176, 177, 183, 184, 193, 196, 197, 198, 200, 213, 217, 219; der romantischen Poesie, 64, 137, 140, 180, 190, 193; „Urquell der Fantasie", 139; Urquell der Poesie, 150, 156. Rationalismus, Rationales, rationalistisch, 171, 216. Rätsel, das Rätselhafte, 98, 151, 177, 203; des Lebens und der Welterscheinung, 23, 76, 77, 116, 203, 204, 205; des Menschen, 50. Reales, Reelles, das Reale, Realistische, real, reell, 26, 59, 92, 115, 117, 120, 148, 150, 164, 168, 172, 187, 218, 218, 219; Verhältnis zum Idealen, 102, 113, 116, 157, 161, 162, 212. Realidealismus, 28. Realisieren, Realisierbarkeit, verwirklichen, 170; der Gottheit, 156; des Reiches Gottes, 129, 171, 188. Realismus, 116, 150, 153, 156, 157, 169, 172, 174, 181, 212. Realität (Wirklichkeit), realistisch, 27, 56, 75, 77, 96, 107, 108, 113, 115, 116, 127, 129, 151, 153, 154, 155, 156, 161, 162, 163, 166, 167, 168, 169, 174, 176, 190, 204, 205, 208, 209, 210, 211, 212, 214, 215, 218; als Produkt entgegengesetzter Elemente, 107, 155, 219; geistige, 152; endliche (Verlust der), 55, 57, 119; unendliche (Streben nach), 55, 56, 57, 119. Realitätsbegriff, 28, 93, 107, 127, 129, 151, 152, 153, 154, 155, 157, 169, 190; Realismusbegriff, 129, 211, 214. Reflexion, reflektieren, 23, 25, 26, 28, 41, 74, 83, 93, 100, 103, 107, 112, 113, 124, 149,151,152,153,163,169,209,216; des Werkes über sich selbst, 77, 84, 105, 138; über Mittel und Prozeß der Darstellung im Werk selbst, 77, 83, 104, 123-125; über das Verhältnis des Idealen und Realen, 113; Potenzierung der, 83, 124, 125; Mitdarstellung der, 124. Reflexionsspiegelung, 23, 83, 124, 125. Reformation, 41, 187. Reich Gottes, Realisierung des, 129, 171, 188. Religion, religiös, 70, 71, 92, 130, 130, 137, 145, 146, 146, 147, 148, 149, 152, 159, 178,181,184,190, 191,195,200, 202; christliche, 196; Definitionen, 146, 152, 184; Gefühl als Leben der, 130; und Liebe, 68. Renaissance, 36, 39, 62, 64, 194. Revitalisierung (Erneuerung, Verjüngung), 23, 33, 37, 79, 80, 82, 82, 85, 89, 97, 129,135,139,157,181,185,204, 205, 216; der älteren romantischen Poesie, 22, 64. Revolution, revolutionär, 63, 72, 81, 82, 129, 138, 157, 219; ästhetische, 22, 38, 63, 64, 87, 220; innere, 122, 126. Rhetorik, 109. Rhythmus, 134, 139; Prinzipien des, 143. Ritter, Ritterschaft, -tum, -weit, 40, 51, 52, 53, 59, 140, 163,167, 180, 197, 198, 199; irrender, 37, 84, 161, 164. Ritterbücher, -romane, Abenteuerromane, Ritterpoesie, 35,38,41,80, 84,119, 138, 140, 164, 165, 166, 167, 194, 196, 197, 199. Rom, Römer, das Römische, römisch, 46, 141, 189, 196. Roman, 22, 24, 27, 39, 42, 72, 78, 79, 85, 88, 129, 136, 138, 184, 194, 195, 205; als absolutes Buch (System), 90, 92, 174, 177, 181; als „angewandte Poesie", 175; als Ausdruck des Wesens eines Menschen (Enzyklopädie eines Individuums), 90, 92, 110, 186; als Ausdrucksform der progressiven Poesie (herrschende Dichtart der
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Moderne), 42, 63, 79, 82, 83, 84, 85, 88, 91; als Gattung der Poesie, 42-43, 89,177; als mystisches Kunstwerk, 27, 71, 90, 91, 92, 96, 117, 171; als „Person", 90,92; als (Reflexions-) Transzendentalpoesie, 83, 84; als Universalkunstwerk, 17, 89, 103, 110, 184, 186, 191, 211; —, Aufgaben des, 89, 91, 92, 94, 98, 100, 101,103,106,108, 129,144,166, 175,176, 195, 211; Darstellungsbereiche, 110, 117, 176, 177, 186; Definitionen (Haupteigenschaften), 81, 82, 83, 84, 88, 89, 90, 94, 110, 117, 118, 146, 173, 174, 177, 185, 195; Entwicklung des Begriffes, 41, 42, 78, 84, 110, 206, 207; Erforschung des (Theorie und Geschichte), 63,63, 64, 80, 83, 84,134,174,180; Form des (künstlich gebildetes Chaos), 94; Gebrauch des Begriffes bei Herder, 41-45; Hauptbestandteile, 22, 81, 89, 109, 118, 175; Ideal (Idee) des, 25, 80, 83, 88, 89, 92, 95, 98, 177; Mischungscharakter, 42, 78, 80, 81, 86-87, 88-90, 94, 104, 119; Verwendung des Begriffes (Klassifikationen), 58, 80, 81, 90, 108, 109-110, 117-119, 180; —, Roman und Drama, 41, 71-73, 81; und Mythologie, 22, 90, 91, 94, 96, 129, 142, 174-175,180,181, 209, 211, 218; und romantisch, 31, 44; und romantische Poesie, 21, 44, 44, 45, 81, 110, 191, 209, 211, 218; —, absoluter (vollkommener), 26, 64, 66-108,109,110,117,119,129,186,189, 209; angewandter, 178; biographischer, 73, 110, 115; der Eine, 89, 94, 98, 109, 110, 127; epischer, 110; ethischer, 89, 110; historischer, 80, 110; individueller, 83; komischer, 110; kritischer, 71, 73, 109, 109, 110, 110; mimischer, 68, 73, 80, 110, 118; phantastischer, 68, 72, 73, 80, 83, 89, 90, 105, 109,109, 110, 110, 112, 117, 118, 157; philosophischer, 41, 43, 71, 73, 89, 109, 109, 110, HO; poetischer, 80, 109, 109, 110; politischer, 73, 110; prosaischer, 109, 110; psychologischer, 73, 89, 109, 109, 110; rhetorischer, 110; romantischer, 69, 86, 105, 110, 117, 119, 134, 175; sentimentaler, 68, 72, 73, 80, 89, 90, 109, 109, 110, 110, 117, 118; sogenannter, 118, 118, 178; synthetischer, 71, 110; urbaner, 110. Romance, 34-35, 37, 46. Romania, romanisch, 30, 31, 47, 63; als „europäisches Völkersystem", 47-49; romanische Sprachen, 31, 48; romanische Nationen, 30, 31, 48, als sprachlichkulturelle Einheit, 31, 47, 47, 48; romanisch und romantisch, 192, 195. Romantik, Romantiker, 17, 28, 39,123, 216. Romantisch, das Romantische (vgl. Romantische Poesie und Unterbegriffe des Romantischen: Freiheit, Ironie, Progressivität, Reflexion, Universalität, Willkür, Witz, u.a.), 26, 37, 38, 45, 46, 72, 78, 82, 103, 107, 113, 118, 119, 138, 140, 160, 180, 188, 189, 192, 195, 212, 217; als Begriff in der Gartenkunst, 35-39; als „Idee der Poesie", 142; Bedeutung und Entwicklung des Begriffes seit 1650, 34-46, 140; Begriff und Definitionen („Wesen" des), 24-25, 67, 69, 78, 82, 129, 142, 143, 144, 150, 160, 172, 175, 177, 194, 195, 198, 200, 201, 202, 205, 206; bewußte (absichtliche) Darstellung des, 63,87,88; Deduktion aus dem Bewußtsein,
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142, 172; Eigenschaften des, 82, 83, 112, 113, 118, 136, 140, 142, 158, 178, 189, 194, 195, 201, 202, ewige Jugend, 25, 82, 83, 111; Gattungen (Arten) des, 72, 143, 194; Gebrauch des Begriffes bei Herder, 39-45; Herkunft und frühe Bedeutung des Wortes, 30-31, 140, 180, 192; Ideal des, 39, 203; Materialsammlungen zu dem Begriff, 34-39; Mischungscharakter des, 71, 78, 88, 175, 187; Quellen des, 23,40,140,217; Verhältnis zum Klassischen, 61-62, 78, 79,118,134,135,189,202; —, Romantisch und Roman, 31, 34-35, 44, 45, 119; und romanisch, 192, 195; —, absolut Romantisches, 78, 107; das höchste Romantische, 143, 144; das Romantische als Element aller Poesie, 21, 68, 78, 78, 79, 118, 129, 132, 150, 178, 187, 202, 203, 220; romantisch romantisch, 78. Romantische Poesie, als höchste Kunst, 28, 52, 129; als Poesie der Poesie, 85, 133; als Reflexions- und Transzendentalpoesie, 26, 123-127; als Universalpoesie, 45, 46, 69, 184, 209; als „wahre" Geschichte (Anschluß ans Leben), 44, 82, 115, 176, 179, 194, 199, 201, 210; —, Anfang der, 23, 48, 51, 52, 56, 62, 79, 111, 112, 137, 170, 192; Bedeutungserweiterung des Begriffes, 13, 20, 29, 61, 63, 67,129; Begriff ihrer Einheit, 26-27, 69; Charakterisierung der (Aufgaben und Funktionen), 26-27,28-29, 85,119-127,143, 150, 170, 175, 184, 186, 188, 190, 194, 196, 202, 206, 209, 210, 213, 218, 219, 220; Darstellungsbereiche (Bild des Zeitalters, etc.), 25, 123-125, 129, 149, 184, 204, 211; Definitionen („Wesen" der), 25, 79, 80, 82, 88, 122, 125, 129, 176, 178, 200, 215, 218; Eigenschaften der, 40, 51, 59, 70, 73, 82, 120, 121, 119-127, 129, 135, 136, 142, 143, 144, 152, 169, 175, 176, 178, 191, 194, 200-201, 209, 215, 217, 220, künstlicher Charakter, 49, 51; Entstehung, 30, 137, 160, 192, 193; Entwicklung, 45,46, 53, 59, 78,135, 139, 140,192-207; Epochen der, 78, 79; „erhabene Bestimmung" der, 22, 48, 52, 53, 62, 63, 64; „erstes Gesetz" der, 122, 123; Formen der, 194, 195; Ideal der, 26, 68, 90, 108, 114, 114, 121, 129, 176, 208, 212, 217; Klassizität der, 56, 120, 121, 133; Methode der, 25; Mischungscharakter der, 78, 80, 87, 88, 94, 123, 160, 171, 175, 209, 211, 220; Neubegründung der, 23, 33, 63, 135, 137, 190, 191, 193, 197, 216, 217, 219, 220; Realitätscharakter, 73, 82, 115, 176, 194, 202, 204, 208-215, 218; Quellen der, 64,137,140, 180,190, 193, 197, 213, 217; Synthetisierung der, 31, 64, 82, 87, 197; Unendlichkeit der, 25, 122, 125; Unvollendung (notwendige; ewiges Werden), 27, 52, 56, 82, 120, 125; Vergleich mit der griechischen, 50, 56, 133, 134, 142, 176, 177, 179, 202, 208; Verweisungscharakter (Hindeutung a u f . . . ) , 143, 175, 178, 204, 209, 210, 215, 219; —, Romantische Poesie und Mythologie, 21, 47, 142, 157-173, 178, 180, 211, 218; und Roman, 21, 22, 44, 81, 83, 110, 129, 211, 218; und Witz, 160-171, 193-194; —, „in historischer Hinsicht" (Mittelalter und Renaissance) = ältere moderne, 21, 22, 23, 30, 31, 33, 36, 38, 39, 45, 45, 46, 48, 49, 51-65, 72, 134, 135, 137, 170, 179, 180, 192, 193, 193, 194, 199; neue, zu begründende, 30, 39, 45, 56, 62, 64-65, 65, 82, 134, 135, 136, 170, 189. Romantisieren, 33, 79, 88, 115, 141, 154. Romanze (vgl. Romanzo), 119, 137, 138, 140, 194. Romanzo (vgl. Romanze), 58, 58, 59, 67, 78, 80, 119, 138, sentimentales, 67. Sage, 46, 80, 119, 140, 198, 202, 203, 204. Sarkasmus, 159, 181. Satire, 79, 79, 118, 162, 165. Schein, 122, 123, 127, 151, 156, 158, 161, 163, 167, 174, 176, 210, 211, 214. Schönheit, das Schöne, schön, 24, 25, 26, 27, 49, 51, 55, 58, 59, 63, 66, 67, 89, 100, 105, 107, 131, 138, 139, 141, 147, 151, 163, 167, 172, 175, 184, 194, 199, 201, 203,
SACHREGISTER
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204, 208, 211; höchste, 26, 26, 27, 142, 189; symbolische, 201; reine bei Goethe, 63 ; vollkommene bei Shakespeare, 60. Schöpfertum, künstlerischer Schaffensprozeß, 73, 76, 102, 103, 157, 165; schöpferischer Akt, 147, 170. Schöpfung, 145, 213. „Seele" (Seelenwerte), 26, 38, 91, 92, 93, 94, 95, 101, 115, 120, 169, 203, 219. Sehnsucht, 38, 59, 112, 113, 118, 147, 149, 150, 172, 176, 206, 213; nach dem Unendlichen, 27, 112, 154, 155. Selbständigkeit, 57, 58, 59, 120, 173. Selbstbeschränkung, 73-74, 77, 97, 99, 101, 122. Selbstbestimmung, 108; der Dichtkunst, 54; des Geistes, 171; nach Begriffen, 49. Selbstbewußtsein, Selbstbewußtwerdung, 79, 85, 203. Selbstschöpfung, 27, 73-74, 77, 83, 83, 85, 99, 100, 101, 108, 119, 120, 122, 124, 126. Selbstvernichtung, Annihilation, selbstvernichten, 27, 73-74, 77, 83, 83, 85, 99, 100, 101, 108, 119, 120, 122, 124, 126, 130; Schein der, 122. Sentimentales, das Sentimentale als poetische Idee, 68, 69, 81, 89,110, HO, 111, I I I , 112, 113, 114, 115, 118, 176, 177, 179, 213 ; Definitionen („Wesen" des), 113, 176. Sentimentalität, sentimental (vgl. Roman), 22, 67, 72, 73, 78, 99, 105, 111, 113, 114, 114. Sinn, 98, 99, 101, 102, 129, 135, 150, 151, 156, 164, 168, 173, 175, 178, 179, 205, 210, 211; Definitionen, 74, 99, 127, 155, = Liebe für alles Ideale, 155; für das Ganze, 99; für das Unendliche, 122,126; für das Weltall, 102,102; für die Welt, 126; für Ironie, 105; naiver Tiefsinn, 158, 161, 163, 167, 212; profaner, 190. Sinnbild, Sinnbildlichkeit, sinnbildlich, 162, 164, 169, 185, 203, 209. Sinnlichkeit, das Sinnliche, sinnlich, 60, 91, 118, 203, 206, 209, 213; Vergeistigung des, 93. Sittlichkeit, das Sittliche, 89, 92, 114; Poetisierung der, 89. Skulptur, 143. Spanien, Spanier, spanisch, 39, 48, 58, 138, 140, 193, 194, 196, 198. Spekulation, 107, 151, 153, 181, 207. Spiegel, Spiegelung, 166, 168, 204, 212; schöne Selbstbespiegelung, 103, 123. Spiel, 46, 74, 76, 77, 102, 107, 112, 140, 163, 166, 172, 174, 176, 178, 194, 202, 212, 219; der Kunst, 173; der Natur, 95; der Welt, 102, 163, 173, 176; des Lebens, 136, 163, 173; Wortspiele als Grundform der romantischen Poesie, 178, 194. Spielwerk, 51, 52, 131. Spinozismus, 152, 171, 172. Sprache, 47,139,140,169,184,196, 202, 208, 214; klassische, 138,144; romantische (romanische), 192; der Liebe, 137; Ursprache, 214; und Witz, 193-194; Charakterisierung und Vergleich der Sprachen, 192-194. Steine, 149. Stil, 97, 133, 137; romantischer, 105, 195. Stoff, 28, 47, 50, 59, 103, 109, 123, 126, 127, 131, 136, 138, 164, 173, 174, 176, 177, 203, 204, 205, 208, 210, 215; historischer, 44, 109, 176; mythischer, 58; romantischer, 135; sentimentaler, 176-177. Streben, streben, 91, 92, 95, 100, 101, 112, 141, 154, 157, 172, 201, 208; als Rückkehrenwollen, 87; nach dem Ideal, 154, 155, 206; nach dem Unendlichen, 112, 150, 154, 173, 213; nach Gotterkenntnis, 184; nach unendlicher Realität, 55, 95. Struktur („Organisation"), des neuzeitlichen Kunstwerks, 17, 160, 164, 165, 209, 210, 215; des Romans, 84, 92, 94, 212; romantischer Wortkunstwerke (Beispiele), 69, 70-71, 74-78, 83-84, 85, 116-117, 161-169, 214-215; paradoxe, 169. Stück im Stück, 77, 103. Studium 70, 132, 206, 216; der Griechen, 67. Subjektivität, 57, 86, 215, 216.
254
SACHREGISTER
Substanz, 95, 95, 96, 126, 127, 150. Süden, südlich, 196, 198. Symbol, symbolisch, 68, 77, 91, 102, 112, 127, 128, 133, 142, 149,149, 151, 152, 155, 156, 157, 158, 170, 171, 172, 174, 177, 201, 202, 203, 209, 219; des Ganzen, 128, 173, 174, 207; Epoche der, 219. Symbolik, 25, 149, 151, 156, 157, 178, 201, 203, 217; Lebens-, Welt- und NaturSymbolik, 23, 201. Symmetrie, von Widersprüchen, 24, 36, 115, 141, 160, 161, 162, 166, 168, 169. Synthese, Synthetisierung, synthetisieren, 21, 23, 109, 121, 169, 197, 202, 203, 217, 218; aller romantischen Poesie, 31, 82, 87, 103; der Antike und Moderne, 62; von Bewußtsein und dem Unendlichen, 154. Synthetik, 123. System, systematisch, 14,15,17, 24,25, 27,28, 66, 70, 71, 78,121,145,148,174,177, 181, 183, 199; absolutes prophetisches, 69; Definition, 24; der Elemente, 149; der Kunst, 25, 123, 125; der Philosophie, 153; „der romantischen Elementarpoesie", 83, 161; Kunstwerk als, 24; Universum als, 24. Systematik, das Systematische, 69, 121. Tapferkeit, 42. Tat, Tätigkeit, Tatkraft, 50, 50, 66, 74, 75, 131, 152, 156, 158, 174, 194. Täuschung, täuschen, 127, 128, 129, 155, 156, 168, 210, 214. Tendenz, 59, 64, 69, 87, 89, 96, 97, 113, 117, 124, 125, 128, 129, 134, 150, 165, 173, 176, 179, 181, 185, 195, 215; als Rückkehr, 87; falsche, 101, 134, 141, 183, 185, 210, 217; Tendenzen des Zeitalters, 64, 133, 164, 169, 186, 218. Theologie, 70. Theorie, Theoretiker, theoretisch, 24, 32, 33, 54, 56, 121; ästhetische, 67; der Gartenkunst, 35-39; der Kunst, 190; des Dichtungsvermögens, 103, 104, 123; des Lesens und Verstehens, 32; des Romans, 63, 134, 180; Dichtungstheorie, 33, 103. Theosophie, 148, 175. Tier, Tierheit, 50, 54, 95, 149, 149, 151, 154, 199, 208, 209, 211. Tod, Erstarrung, lebenswidrig, 24, 98, 127, 136, 163, 164, 172, 201, 219. Ton, tonal, 109, 113, 187. Tragödie, tragisch, 44, 63, 72, 75, 76, 79, 135, 135, 187, 203. Transzendental, das Transzendentale, 69, 71, 78, 103, 104, 111, 123, 213. Transzendentalpoesie, 69, 70, 78, 79, 103, 162. Transzendenz, das Transzendente, 26, 27, 57, 92, 203, 209, 211; Bezug zur, 57, 71, 107, 203, 211, 214, 215, 220. Trennung, 107, 187, 187, 189; des Klassischen und Romantischen, 189. Trieb, 26, 50, 55, 55, 56, 146, 149. Troubadours, 192. Tugend, 69, 102, 107, 162, 163, 164, 168. Übersetzen, 139, 192. Unbedingtes, das Unbedingte, unbedingt, 26, 92, 98, 101, 102, 108, 120, 150, 162, 168, 177; als Ziel der darstellenden Kunst, 86. Unendlich, das Unendliche, 26, 27, 28, 55, 57, 69, 72, 73, 77, 83, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 100, 101, 106, 107, 108, 114, 115, 116, 120, 121, 122, 123, 124, 126, 129,143, 146, 148, 151, 152, 153, 154, 160, 164, 168, 169, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 183, 185, 201, 203, 204, 209, 210, 211, 212, 213, 215, 217, 218, 219; als „Produkt sich ewig scheidender und mischender Kräfte", 126; Bewußtsein des, 121, 153, 154, 172, 209; Darstellung des, 95, 98, 100, 152, 173; Realität des, 154, 209; Sehnsucht nach, 27, 112, 154, 155.
SACHREGISTER
255
Unendlichkeit, 23, 72, 77, 83, 90, 92, 120, 121, 122, 124, 125, 126, 128, 129, 150, 163,170,174,188; des Menschen, 203,204; Besitz von, 72,100,102; Streben nach, 72, 92, 100. Unerschöpflichkeit, unerschöpflich, 24, 108, 120, 121, 125; der Poesie, 132. Universalität, universal, universell, 23, 27, 57, 69, 71, 73, 94,103,107, 108,118,122, 125-126, 133, 135, 160, 166, 184, 185, 187, 188, 190, 202, 206, 218, 220; bei Shakespeare, 60, 72, 99; Definition, 126; Geist der, 125. Universalpoesie, 69, 107, 184, 186. Universum, 24, 26, 27, 34, 38, 57, 75, 97, 102, 151, 164, 170, 187, 209, 210, 211, 212; als „Zentrum der Religion", 145; Darstellung des, 128, 173. Unvernunft, Übervernunft (Eigensinn), 122, 131, 132. UnVollendung, 27, 52, 56, 82, 122, 152. Urbanität, 103, 120, 159. Urbild (vgl. Vorbild, Griechische Poesie), 53, 56, 57, 62, 121, 138, 162; der Kunst und des Geschmacks, 56; höchstes ästhetisches, 52. Ursprung, s. Anfang. Ursprüngliches, das Ursprüngliche, Ursprünglichkeit, 91, 126, 148, 150, 154, 158, 194, 215; göttlicher Ursprung, 184, 203, 204. Urvolk, 169. Vereinigung, Wiedervereinigung, Verbindung, Konnexion (vgl. Mischung, Vermittlung), 71, 81, 88, 89, 98, 100, 113, 143; der Grundkräfte des Menschen, 26; der Kunstpoesie und Naturpoesie, 78; der Poesie und des Lebens, 194, 199, 201; der Tendenzen des Zeitalters, 89, 164, 169; des Endlichen und Unendlichen, 90, 91, 92, 93, 100, 124, 127, 129, 163, 169, 174, 177, 211; des Gegensätzlichen, 24, 97, 115, 155, 158, 160, 161, 171, 174; des Menschen mit der Gottheit, 184, 201; des Wesentlich-Modernen (Romantischen) mit dem Wesentlich-Antiken (Klassischen), 59, 62, 134, 135, 141, 177, 181, 189, 202, 217; Zeit und Ewigkeit, 212. Vergangenheit, 109, 132, 189, 195, 204, 205, 206, 207, 213; Erinnerung der, 93, 189. Vermittlung (vgl. Vereinigung, Mischung), 25, 26, 28, 33, 82, 94, 95, 106, 107, 130, 160,210,218; Definition, 25,98; Vermittlungskunst, 171; zwischen dem Bedingten und Unbedingten, 26, 98, 101. Vernichtung, Annihilation, Destruktion, vernichten (vgl. Selbstvernichtung), 83,112, 126, 127, 215. Vernunft, vernünftig, 25, 26, 28, 37, 38, 90, 122, 155, 163, 200, 216, 218; Epoche der, 219; Vernunftgesetze, 30, 39, 91, 94, 158, 160, 199. Verschiedenheit, verschiedenartig, 47, 48, 168, 169. Verschmelzung, verschmelzen, 28, 80, 81. Verstand, 26, 42, 43, 51, 55, 61, 63, 76, 81, 84, 85, 98, 101, 138, 139, 150, 156, 161, 165, 167, 179, 184, 185, 207, 207, 219; als Prinzip der ästhetischen Bildung, 49, 50, 51; Epoche des, 219; seine Funktion in der modernen Poesie, 55, 55, 56, 86, 87. Verstehen, Verständnis, begreifen, deuten, 118, 179, 209, 215, 219; Definition, 127; der „klassischen Schriften", 112, 112. Vervollkommnung, Perfektibilität, vervollkommnen, 49, 53, 55, 56, 61, 63, 79, 85, 86, 133, 135, 142, 156, 188, 190, 206. Verwirrung, verwirren, 76, 116, 160, 180, 193, 203, 210; künstlich geordnete, 24, 36, 115, 141, 160, 162, 166, 169; schöne der Phantasie, 25, 91, 142, 158, 160. Vielheit (vgl. Allheit), 24, 70, 71, 96, 98, 117. Virtuosität, 141. Vollendung, vollenden, 27, 57, 67, 113, 152, 173, 174, 181, 190, 206, 208, 212, 219; absolute, 136, 172, 219, =das Erscheinen des Messias, 152. Vollkommenheit, vollkommen, 199; Darstellung der, 93; höchste, 51, 53, 117, 123, 207, 212.
256
SACHREGISTER
Vorbild, Vorbildlichkeit (vgl. Griechische Poesie, Urbild), 33, 53, 57, 62, 64, 135, 150, 152, 164, 165, 170, 174, 203, 209. Vorlesung, 129, 129, 137, 187. Vorstellung, 70, 146, 172, 204, 219; Arten der, 71. Vorzeit, 140, 202. Wahrheit, 75, 76, 89, 91, 107,112,155, 156, 176,181, 189,190, 194, 203; des Ewigen, 127, 129, 151, 174, 211, 219; Erkenntnis der, 75, 116, 164; Relativität der, 155. Wechsel, 76,98,99,169; von Aussichherausgehen und Insichzurückkehren, 156,172; von Enthusiasmus und Ironie, 141, 161, 162, 169; von Selbstschöpfung und Selbstvernichtung, 27, 77, 83, 100, 108, 120, 122, 124, 126. Weib, das Weibliche, 149, 149. Welt, 33, 38, 57, 74, 75, 96, 97, 101, 112, 126, 130, 145, 149, 151, 152, 155, 157, 163, 166, 169, 170, 171, 173, 184, 191, 199, 204, 204, 206, 209, 210, 219; als Kunstwerk Gottes, 28, 130, 131, 147, 173, 206; der Erscheinungen, 115, 157, 177; der Poesie, 132, 137; Rätsel der, 76, 204, 205; Spiel der, 76, 102, 163, 173; unsichtbare (übersinnliche), 203, 204, 213; Vollendung und Unvollendung der, 152, 157. Weltbetrachtung, -ansieht, 76, 173, 200; poetische, ästhetische, 131, 142, 149, 151, 161, 173; symbolistische, 28, 155, 157. Welterkenntnis, 34, 100, 219. Werden, 24, 25, 53, 114, 125, 148, 152, 173, 200, 204, 210, 219. Werk, Werke (vgl. „Gedicht"), 57, 70, 92, 95, 120, 121, 122, 126, 127, 128, 129, 132, 133, 156, 173, 174, 177, 178, 183, 186, 191, 208, 210, 217; als Analogon, 57, 212; als Spiel, 77,102,178,179; Bildung des, 120,124,125; das Eine Werk („Gedicht"), 92, 127, 128, 147, 174, 183, 186, 212, 218; die drei poetischen Werke, 69; romantisches, 175; Vernichtung des, 127; Wesen des, 111, 127, 173; Zusammenhang der, 92, 133, 183. Wert, Werte, 118, 129, 130, 152, 167, 174, 206, 210, 214, 215, 217; Wertekodex, 38, 67. Widerspruch, das Widerspruchsvolle, Widersprüchlichkeit, widersprüchlich, 38, 50, 74, 76, 77, 115, 122, 141, 160, 161, 162, 166, 167, 168, 169, 218. Willkür, das Willkürliche, willkürlich, 23, 27, 38, 101, 122, 193, 209. Wirklichkeit, s. Realität. Wissen, Gewußtes, 32, 132, 154, 155, 158, 159, 172, 193, 219; Prinzip des, 158, 172. Wissenschaft, 24, 26, 32, 40, 57, 69, 88, 106, 127, 139, 146, 148, 158, 177, 183, 184, 186, 187, 188, 190, 216, 218; der Kritik, 32; der Poesie, 140; und Kunst, 88, 89, 124-125, 132. Witz, Witziges, 106, 106, 107, 110, 115, 122, 123, 123, 138, 139, 142, 146, 157, 159, 177, 178, 179, 180, 185, 195, 197; romantischer, 106, 160, 161, 171; tragischer, 75; Definitionen, 106-108, 123, 144, 158-160, 171, 177, 185, 193-194, =kombinatorischer Geist, 27, 158, 159, 160, 169, 171, 185, = Prinzip des Romans, der Mythologie, der Enzyklopädie, 185; der romantischen Poesie, 108, 141, 194; Form des, 123; und Mythologie, 158-171, 185; und Sprache, 193-194. Wollust, 61, 89, 104, 149. Wunder, das Wunderbare, 78, 118, 146, 147, 197. Zauber, 53, 58. Zeichen, Mittel, 101, 176; zur Anschauung des Ganzen, 150, 173, 174, 210. Zeitalter, Zeitraum, Epoche, 23, 54, 56, 60, 61, 63, 79, 89, 149, 164, 165, 169, 171, 177, 207, 208, 219; Bildung des, 60, 192; (enzyklopädisches) Bild des, 70, 71, 123, 186, 207, 211; der Bücher, 33, 44; der neuen Mythologie, 149, 157, 169, 170, 171;
SACHREGISTER
257
Verjüngung des, 23, 89, 129, 157, 216; Signatur des, 51; —, eisernes, 49; gegenwärtiges, 33, 48, 64, 66, 67, 89, 133, 135, 145, 146, 148, 154, 156, 163, 175, 178,179,182,186,189, 190,199,216,217,218,219, Einheit des gegenwärtigen, 156-157, 186, 209, 218; goldenes, 93, 113, 113, 117, 121, 139, 145, 151, 152, 161-162, 170, 171, 176, 207, 213; heroisches, 51; romantisches, „der Ritter, der Liebe und der Märchen" (Mittelalter und Renaissance), 22, 30, 31, 39, 45, 47, 48, 62, 64, 78, 97, 111, 114, 136, 180, 188, 194, 197, 198, 199. Zentrum (vgl. Mittelpunkt), 23, 24, 27, 90, 92, 128, 129, 145, 146, 148,148, 156, 180, 209, 218, 220; des Zentrums, 151; Pluralität von Zentren, 21-22; Enzyklopädie als, 22, 185; Mythologie als, 21, 145, 169, 185, 209; Roman als, 21, 185, 186, 209; romantische Poesie als, 21, 186, 209. Zeugung, 149. Zukunft, zukünftig, 58, 63, 93, 109, 132, 204, 205, 206, 207, 213. Zusammenhang, zusammenhängen, 20, 24, 47, 49, 56, 57, 125, 156, 166, 183, 184, 186, 214; der Dichtwerke untereinander, 92, 183; der Poesie, 47, 183, 184; universaler, 91, 97, 126, 149, 160. Zweck, Zweckmäßigkeit (vgl. Notwendigkeit), 81, 127, 148, 184; unbedingt zwecklos, 127, 211; unbedingt zweckmäßig, 127, 211. Zyklus, 70, 78, 79, 191.
DE PROPRIETATIBUS LITTERARUM Edited by C. H. van Schooneveld
SERIES MINOR 1. Trevor Eaton: The Semantics of Literature. 72 pp. Glds. 9, 2. Walter A. Koch: Recurrence and a Three-Modal Approach to Poetry. 58 pp. Glds. 9, 3. Nancy Sullivan: Perspective and the Poetic Process. 56 pp. Glds. 9, SERIES MAIOR 1. Marcus B. Hester: The Meaning of Poetic Metaphor (An Analysis in the Light of Wittgenstein's Claim that Meaning is Use). 229 pp. Glds. 35, 2. Rodney K. Delasanta: The Epic Voice. 140 pp. Glds. 20, 3. Bennison Gray: The Problem and Its Solution. 117 pp. Glds. 23, SERIES PRACTICA 1. Robert G. Cohn: Mallarmé''s Masterwork (New Findings). 114 pp. 24 facs. Glds. 20, 2. Constance B. Hieatt: The Realism of Dream Vision (The Poetic Exploitation of the Dream-Experience in Chaucer and His Contemporaries). 140 pp. Glds. 14, 3. Joseph J. Mogan, Jr.: Chaucer and the Theme of Mutability. 190 pp. Glds. 26, 4. Peter Nusser: Musils Romantheorie. 114 pp. Glds. 5. Marjorie Perloff: Rhyme and Meaning in the Poetry of Yeats. 249 pp. Glds. 6. Marian H. Cusac: Narrative Structure in the Novels of Sir Walter Scott. 128 pp. Glds. 8. Victor W. Wortley: Tallement des Re'aux: The man through his style. 99 pp. Glds. 9. Donald R. Swanson : Three Conquerors. Character and Method in the Mature Works of George Meredith. 148 pp. Glds.
16, 48, 20, 22, 22,
10. Irwin Gopnik: A Theory of Style and Richardson's Clarissa. 140 pp. Glds. 22, 23. Elisabeth Th. M. van de Laar: The Inner Structure of Wuthering Heights. A Study of an Imaginative Field. 262 pp. Glds. 35, 35. Roman Jakobson and Lawrence G. Jones : Shakespeare's Verbal Art in Th' Expence of Spirit. 32 pp. Glds. 10,