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German Pages 256 [264] Year 1929
Sozialwissenschaftliche Forschungen Herausgegeben von der
Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft
Abteilung I -
Heft 9
Berlin und Leipzig 1929
Walter de Gruyter
Co.
vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp.
Robert Liefmanns Oesetz des Ausgleichs der Grenzerträge Kritik und Beweisführung von
Dr. Oskar Klug
Voraussetzung jeder Kritik is1 durch Einleben verstehen.
Berlin und Leipzig 1929
Walter de Gruyter & Co. Tormals G. J . GSschen'scbe Verlagshandlung — J , Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer — Karl } , Trübner — Veit & Comp.
Angenommen durch den Abteilungsleiter P r o f e s s o r Dr. K. D i e h l .
Meinen Eltern.
Vorwort. Die vorliegende Schrift ist eine rein kritische und in dieser ihrer Eigenschaft zu verstehen. Der methodische Weg ist kurz in der Einleitung aufgezeigt. Im übrigen wird der Gang jeder Untersuchung durch die Art und die Ergebnisse der Analyse selbst am besten gerechtfertigt. Die Problemstellung benötigte eine möglichst umfangreiche Heranziehung der Literatur. Die Aufsätze und Schriften, die erst nach wesentlicher Fertigstellung der vorliegenden Abhandlung gelesen werden konnten, wurden so in den Rahmen derselben eingefügt, als ob sie vor der Niederschrift dieser Arbeit Berücksichtigung gefunden hätten. Der ganzen Problemstellung gemäß war es nötig, in zahlreichen Anmerkungen auf Gedankengänge der verschiedensten Autoren hinzuweisen. Um die Ausführungen nicht mit Anmerkungen zu überlasten, mußte ich mich entschließen, der Abhandlung ein Literaturverzeichnis beizufügen; allerdings ohne Anführung der philosophischen, soziologischen und teilweise wirtschaftstheoretischen Literatur. Herrn Geheimrat Professor Dr. Karl D i e h 1, Freiburg i. Br. möchte ich auch an dieser Stelle meinen aufrichtigen und verbindlichsten Dank für die Aufnahme dieser Schrift in die „Sozialwissenschaftlichen Forschungen" aussprechen. B e r l i n - N i k o l a s s e e , im Dezember 1928. Oskar Klug.
Inhaltsverzeichnis. Vorwort E i n l e i t u n g : Die Frage nach der Überzeugungskraft der Kritik Schumpeter — v. Gottl-Ottlilienfeld — Stolzmann — Amonn — Spann — Diehl — Liefmann — Oppenheimer Standpunkt der Kritik I. A l l g e m e i n e r T e i l A. Der Boden, aus dem das Liefmannsche System erwachsen ist 1. Die Klassiker 2. Die subjektive Wertlehre 3. Die Grenznutzenlehre 4. Zusammenfassung B. Robert Liefmanns Wirtschaftsbegriff 1. Der Ausgangspunkt und die Sicherung des Wirtschaftsbegriffes gegenüber den Kritikern mit demselben Ausgangspunkt 2. Ist die Liefmannsche Fassung des „Wirtschaftens" als Problem gesehen logisch zwingend? 3. Die logische Spaltung des „Identitätsprinzips" im Hinblick auf die Individual- und Sozialwirtschaft . . . . 4. Das Wertproblem in der Liefmannschen Theorie . . . 5. Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge als „schärfste Formulierung des wirtschaftlichen Prinzips" und „wichtigster Satz der ökonomischen Theorie" a) Der Begriff des Gesetzes b) Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge . . . II. B e s o n d e r e r T e i l C. Darstellung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge D. Die Kritiker des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge und unsere Würdigung der Kritik Steinberg — Kellenberger -— Esslen — v. ZwiedineckSüdenhorst — Lamprecht — Diehl — Oppenheimer — Stolzmann — Amonn — Küpper — Englis — Engländer. E. Konnten die Kritiker Liefmann treffen bzw. haben sie ihn getroffen ? F. Unsere Kritik und Beweisführung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge G. Die Bedeutung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge und die Tragweite der Kritik 1. Wirtschaftstheorie und Psychologie 2. Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge und das „wirtschaftliche Prinzip" a) Das „wirtschaftliche Prinzip" als konstitutives Element der theoretischen Nationalökonomie oder Wirtschaftstheorie ? b) Das wahre Verhältnis des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge und des „wirtschaftlichen Prinzips" Ausblick Literaturverzeichnis
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Einleitung Joseph S c h u m p e t e r schreibt in einem seiner jüngsten Aufsätze 1 ): „Mit Recht hat K e y n e s hervorgehoben, daß die Langsamkeit des Fortschrittes auf unserem Gebiet sich nicht durch besondere Komplikationen des einzelnen Problems erklärt, — tatsächlich können wir unsere Leistungen nicht entfernt mit der geistigen Akrobatik der theoretischen Physik vergleichen —, sondern dadurch, daß wir auf jedem Schritt unseres Weges von der Methode und dem Material nach so heterogenen Problemen belagert werden, daß es dem Nationalökonomen passieren kann, im Zuge einer und derselben Untersuchung, sich über die Messung der Elastizität einer Nachfragekurve, die Psychologie sozialer Disziplin, die soziale Struktur der merovingischen Epoche, die relative Fruchtbarkeit schwachsinniger und normaler Mütter, die Frage der Veränderlichkeit der Motivationen bei Veränderungen des Milieus und den Mechanismus internationaler Kapitalbewegungen den Kopf zerbrechen zu müssen. Und wohl gemerkt: nicht etwa nur d e r ist in dieser Lage, der es prinzipiell ablehnt, einzelne Gesichtspunkte zu isolieren — worüber man heute wohl zur Tagesordnung übergehen könnte — oder der, den nur das individuelle Phänomen in aller , Konkretheit' interessiert, sondern auch der Theoretiker reinsten Wassers 2 )." „Es ist nun zwar selbstverständlich, daß neue Arbeitsteilungen notwendig sind und daß das Tempo der Entwicklung erst dann schneller werden kann, wenn sie einmal vollzogen werden. Das setzt aber voraus, daß sich die Fachgenossen in ausreichend vielen Dingen einig sind, um einer vom anderen Verfahrensärten, Tatsachengruppen, Resultate, Erkenntnisprinzipien mit Vertrauen und Verständnis übernehmen und sich jeder auf seine Arbeit beschränken zu können. Soweit sind wir noch nicht. Ehe wir uns daher trennen können, um den gemeinsamen Grundvorrat von Einsicht in möglichst vielen Richtungen fruchtbar zu machen, müssen wir uns erst zusammen*) J. S c h u m p e t e r , ..Deutschland" in „Die Wirtschaftstheorie der Gegenwart", Wien 1927. ») Ebenda 8. 1/2. K l u g , Ausgleich der Grenzerträge.
1
2 finden, um einen solchen Grundvorrat und seine Gemeinsamkeit zu sichern. Solange als das noch nicht gelungen ist, bleibt nichts anderes übrig, als daß jeder von uns das Gesamtgebiet durcharbeitet, so gut er kann, und es unter seiner persönlichen Verantwortung ausbaut und den Werdenden vermittelt. Solange ist es schwer, von der ökonomischen Theorie als solcher und für sich genommen zu sprechen 1 )." Diese Worte im Jahre 1927 aus dem Munde eines Gelehrten, dem die b e w u ß t e Beschränkung auf ein bestimmtes Gebiet 2 ) den Namen eines „Quantitätsökonomen" eintrug. Friedrich v. G o t t l - O t t l i l i e n f e l d blieb es neben Max W e b e r überlassen, — eingedenk der K a n t sehen Frage nach der Möglichkeit einer Wissenschaft als Wissenschaft, der Beschaffenheit ihres Fundamentes 3), — erkenntniskritisch die P r o b l e m e der nationalökonomischen Theorie aufzurühren: „Ehe man den Vollzug einer Erkenntnis, gleichsam die Wege der Forschung erörtert, muß die Möglichkeit dieser Erkenntnis außer Zweifel stehen, also gleichsam das Ziel der Forschung" 4 ).
Rudolf S t o l z m a n n legt seinen Standpunkt in den seine sämtlichen Schriften und Kritiken kennzeichnenden Worten dar 5 ): „Wenn je eine Zeit, so bedarf die unsere der inneren Einkehr. Wo alle Fundamente wanken, muß ein Neubau von Grund auf erfolgen. Dazu ist ein U m l e r n e n vonnöten, das indessen ein schwieriges Geschäft wäre, wenn es nicht einen Schatz ewiger Grundwahrheiten gäbe, den die Wissenschaft im Laufe der Jahrhunderte gesammelt, in letzter Linie aber die Mutter aller Wissenschaften, die Wissenschaft von den .letzten Gründen' aller Dinge: die P h i l o s o p h i e . Soll sie indessen für die Wirklichkeit des menschlichen Lebens und Strebens fruchtbar sein, so darf sie nicht fremd und vornehm ü b e r den Dingen im luftigen Reiche der Gedanken stehen, sie muß zu den Dingen herabsteigen und sie durchdringen. Sie muß sich dem Laufe der Zeiten anpassen, will sie das sein, was H e g e l von ihr fordert: ihre Zeit im Gedanken erfaßt. Diese Forderung wendet sich heute mehr wie früher an ein Gebiet von wachsender Bedeutung, das auf den ersten Anblick dem hohen Fluge des philosophischen Denkens entrückt zu sein s c h e i n t , an das Gebiet der materiellen Bedürfnisbefriedigung, an die V o l k s w i r t s c h a f t . Ist dies Entrücktsein n u r e i n S c h e i n , und die *) Ebenda S. 3. a ) Was selbstverständlich nur f ü r S c h u m p e t e r s Werk: „Wesen und Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie". Leipzig 1908 zutrifft. *) I. K a n t : „Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können" Leipzig 1783. *) F. v. G o t t l - O t t l i l i e n f e l d : „Die Herrschaft des Wortes" in „Wirtschaft als Leben", Jena 1925. S. 255. •) S t o l z m a n n : „Grundzüge einer Philosophie der Volkswirtschaft", Jena 1920, S. V—VI.
3 vorliegende Schrift unternimmt es, hierfür den Beweis zu erbringen, so ist damit die Notwendigkeit einer P h i l o s o p h i e der Volkswirtschaft unmittelbar gegeben." „Ihr Ausgangspunkt (cf. der Studien S t o l z m a n n s) war der s o z i a l e G e d a n k e , der unter der langen Herrschaft des naturalistischen Individualismus fast gänzlich zurückgedrängt und verschüttet war." „Dem Begriffe des Sozialen liegt aber d e r e t h i s c h e Z w e c k gedanke zugrunde. Dies führte mich naturgemäß zu dem umfassenderen Versuche, die Volkswirtschaft als e t h i s c h e s Z w e c k g e b i l d e zu begreifen und als solches in seinen Einzelmaterien darzustellen, im ausgesprochenen Gegensatze zur älteren Lehre, welche die Volkswirtschaft nicht nur ihrer Entstehung, sondern ihrem Wesen nach als ein N a t u r g e b i l d e betrachtet."
Nach G o 1 1 1 , dessen grundlegende Arbeiten heute immer mehr Beachtung finden, versuchte Alfred A m o n n die Problematik der theoretischen Nationalökonomie zu erhellen, gleichfalls unter Berufung auf K a n t (Kritik der reinen Vernunft. Vorrede zur 2. Ausgabe) A m o n n sagt in dem Vorwort zur 2. Auflage, die er seinen Kritikern widmet, unter Betonung des Umstandes, daß sich „seine v ö l l i g neue und der a l t g e w o h n t e n Denkweise diametral entgegengesetzte Anschauung über das Wesen und die Voraussetzungen der spezifisch nationalökonomischen Erkenntnis fortschreitend gefestigt und vertieft" hat und unter Hervorhebung des Gegensatzes von spezifisch theoretischer Nationalökonomie und Wirtschaftstheorie:
„Jede Wissenschaft hat ihre Grundbegriffslehre und wer sich mit dem systematischen Studium einer Wissenschaft zu befassen beginnt, ist in die Notwendigkeit versetzt, sich zuerst mit deren Grundbegriffen vertraut zu machen. Wer nun speziell die t h e o r e t i s c h e N a t i o n a l ö k o n o m i e zum Gegenstande seines systematisch-wissenschaftlichen Interesses erkoren hat und sich an das Studium ihrer Grundbegriffe macht, sieht sich alsbald in eine überaus unerfreuliche, ja peinliche Lage versetzt. Anstatt ihm über Art und Wesen der Wissenschaft Klarheit zu bringen — was der eigentliche Zweck der Grundbegriffslehre ist — stürzt ihn die nationalökonomische Grundbegriffslehre in äußerste Verwirrung und Unklarheit. Er findet bei jedem Autor d i e s e l b e n Worte, aber unter deren Bezeichnung die v e r s c h i e d e n s t e n B e g r i f f e . Will er sich nicht schlechthin e i n e m Autor verschreiben und ,auf des Meisters Worte schwören', so bleibt ihm nichts übrig, als sich selbst eine e i g e n e Grundbegriffslehre zu schaffen. Für die Wissenschaft entsteht aber dadurch der eigentümliche Zustand, daß zu den alten Grundbegriffslehren immer wieder eine neue tritt und die 4Verwirrung, anstatt einmal beseitigt, nur immerfort gesteigert wird" ).
Othmar S p a n n ist sich über die „Zerfahrenheit" der Volkswirtschaftslehre nicht weniger klar als alle bisher zitierten Autoren. x ) A m o n n : „Objekt und Grundbegriffe der theoretischen Nationalökonomie", Lpz. u. Wien 1927, S. 1. ») A m o n n : a. a. O. S. III.
1*
4 „Diese kurze Übersicht (cf. S p a n n s Kritik an früheren Versuchen) zeigt, welche Schwierigkeiten und Widersprüche es sind, mit denen der Begriff der Wirtschaft zu kämpfen hat, welch verschiedene Elemente in ihm liegen und von den verschiedenen Theorien jeweils in den Vordergrund gerückt werden. Es ist zuerst die Vermischung des Wirtschaftlichen mit dem Stofflichen (Technischen), dann mit dem Seelischen, dann die Vermischung der Wirtschaft als solche mit dem geschichtlich-empirischen Ganzen der Gesellschaft, endlich die Scheidung oder Verbindung der Individualwirtschaft mit der Verkehrswirtschaft, was wir als die Hauptschwierigkeiten des Wirtschaftsbegriffes erfanden" 1 ).
S p a n n ist sich der Notwendigkeit bewußt, daß das „Fundament der ganzen Volkswirtschaftslehre der Begriff der Wirtschaft" ist und versucht seinerseits diese wissenschaftliche Forderung zu erfüllen. Auch er weiß sich in G e g e n s a t z zu allen übrigen Systembildnern. In einigen Punkten mit S p a n n im Hinblick auf die Methode und den Gegenstand der Nationalökonomie verwandt, glaubt Karl D i e h 1 das Wesen der nationalökonomischen Wissenschaft mit der Verfolgung der „sozialrechtlichen Richtung" geklärt und bestimmt zu haben und stellt sich in Gegensatz zu den übrigen neun „Richtungen", in die nach s e i n e r Ansicht die theoretische Nationalökonomie „zerfallen" ist: 1. Die naturgesetzlichen und naturrechtlichen Systeme (die Physiokraten), die klassische englische Nationalökonomie, der naturrechtliche Sozialismus), 2. die historische Richtung ( L i s t , R o s c h e r , H i l d e b r a n d , Knies, Schmoller), 3. die theoretisch-abstrakte Richtung ( M e n g e r , N e u m a n n , Dietzel), 4. die sog. psychologische Richtung ( W i e s e r , Böhm-Baw e r k), 5. die mechanisch-mathematische Richtung (S c h u m p e t e r), 6. die psychische Richtung (L i e f m a n n), 7. die evolutionistische Richtung ( D a r w i n , M a r x , E n g e l s ) , 8. die religiöse Richtung ( P e s c h ) , 9. die ethische Richtung (S c h m o 11 e r) a ).
In scharfem Kampfe gegen diese „Richtungen" steht Robert L i e f m a n n :
„Nicht einmal über die elementarste Grundfrage, über das W e s e n d e s W i r t s c h a f t l i c h e n ganz allgemein, geschweige denn über einen so vieldeutigen Begriff wie den der V o l k s w i r t s c h a f t ist auch nur im geringsten Klarheit geschaffen. Vielmehr liegt, wie hier schon betont sei, der letzte Grund aller Mißerfolge und des unbefriedigenden Zustandes der ökonomischen Theorie darin, daß man diese letzten Grundlagen, das W e s e n d e s W i r t s c h a f t l i c h e n , immer falsch aufgefaßt hat, und der Neubau der ökonomischen Theorie l) S p a n n : „Fundament der Volkswirtschaftslehre", Jena 1923. S. 15. ') K. D i e h 1 : „Theoretische Nationalökonomie", Band I, Jena 1916.
5 auf einer anderen Grundlage, einer neuen Auffassung der Wirtschaft, ist daher Zweck dieses Werkes" 1 ).
In nicht minder bewußter Haltung verteidigt Franz O p p e n h e i m e r seine Auffassung von dem Wesen der Theoretischen Nationalökonomie gegenüber seinen Kritikern:
„Der Leser wolle bedenken, daß es in Deutschland kaum ein Dutzend akademischer Gelehrter gibt, die sich hauptberuflich mit Theoretischer Nationalökonomie beschäftigen. Dazu kommen ein paar marxistische Gelehrte ohne akademische Stellung, die mehr sind als bloße Theoretiker und Apologeten. Drei Männer von jenem Dutzend hat er über ihren Gegenstand reden hören, die beiden Antipoden D i e h 1 und L i e f m a n n und ihren gemeinsamen Antipoden, den ergebenst Unterzeichneten. Den Dreien ist nichts gemeinsam, als daß sie jede Gemeinsamkeit mit jedem der anderen höchstens neun Theoretiker durchaus ablehnen. Wenn ich das dritte der neueren oben erwähnten Lehrbücher, das v. W i e s e r s , hier auch noch ausführlich hätte kritisch würdigen können, so hätte der Leser noch eine vierte, wieder völlig verschiedene Nationalökonomie kennen gelernt und in meiner Analyse und Beleuchtung keinesfalls als der Weisheit letzten Schluß angesehen. Das ist der Zustand, in dem wir uns befinden I Und auf solcher Grundlage bauen wir Staats- und Geldpolitik, Kriegswirtschaft und Übergangswirtschaft usw. auf, pröbeln wir wie Kinder mit den gefährlichsten sozialen Explosivstoffen herum, bis 2uns eines Tages das Dach über dem Kopfe fortgeblasen werden wird" ). X ) R . L i e f m a n n : „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre", Bd. I, Grundlagen der Wirtschaft. Stuttgart und Berlin 1923. In andere Worte gekleidet, spricht L i e f m a n n diese Überzeugung auf den Seiten 9,15,16, 22, 31, 63, 64, 65, 71, 89,100,149, 212, 232/233, 237/238 desselben Bandes aus. Die Auffassung Liefmanns von der Notwendigkeit methodologischer Untersuchungen (als Voraussetzung zum Systembau) innerhalb der „Nationalökonomie" ist zu trennen von seiner Ansicht über „ p h i l o s o p h i s c h e Erörterungen über das Wesen und die Methode der Nationalökonomie, denen er keinerlei Bedeutung für die Förderung unserer Wissenschaft zuzuerkennen" vermag (ebenda S. 65). Daß diese Meinung mit den Grundlagen des L i e f m a n n sehen Systems in Widerspruch steht, werde ich später herausstellen. Schon hier darf ich den Leser u. a. auf die erkenntniskritischedogmenhistorische Schrift von J. B a c k : „Der Streit um die nationalökonomische Wertlehre mit besonderer Berücksichtigung Gottls", Jena 1926, aufmerksam machen, der von neuem die „Grundfragen" der nationalökonomischen Theorie einer kritischen Analyse unterzieht, siehe daselbst S. 15, 22, 26/27, 41, 43 usw. *) O p p e n h e i m e r : „Neue Lehrbücher der Ökonomik" i. Wege zur Gemeinschaft Bd. I 1924, S. 479, gleichfalls i. Zeitschrift für Politik 1917, Heft 4, S. 475 ff. — Der zweite Satz in O p p e n h e i m e r s Besprechung von A m o n n s oben erwähnten Werke lautet: „Wenn ich mein Urteil über diese starke Leistung, das ich sofort ausführlich begründen werde, in einer kurzen Formel vorweg zusammenfassen darf, so lautet es: F a s t v o l l e Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t d e r K r i t i k , f a s t v o 11 e A b 1 e h n u n g d e r p o s i t i v e n N e u s c h ö p f u n g", in Wege zur Gemeinschaft Bd. I, S. 481, auch i. Arch. f. Sozw. und Sozialp. Bd. 33, S. 194 ff.
6 Den Kreis schließend, möge noch einmal J. S c h u m p e t e r zu Worte kommen: „Beispiele nun für ein Wollen, das aufs Ganze geht, und für stark betonte subjektive Originalität in weitem Rahmen : v. G o t t l , L i e f m a n n , O p p e n h e i m e r , S t o l z m a n n (auch das Werk von E f f e r t z gehört in diese Reihe), Namen, denen man schon Unrecht tut, wenn man sie auch nur nebeneinander nennt, wie es hier geschehen muß, denn nicht nur den Rest der Theoretiker, auch e i n a n d e r würden ihre Träger nicht neben sich dulden. Nicht nur d a s ist ihnen gemeinsam, sondern fraglos auch die Gabe der Natur und große subjektive Leistung — damit Anspruch auf Achtung und Sympathie für ihr Wollen. Aber gerade die Anerkennung dieses Anspruches muß es jemand, der wie ich nicht in der Lage ist, den Ideen dieser Autoren zustimmend zu folgen, verbieten, in einer Skizze wie dieser auf sie einzugehen und eine Ablehnung zur Grundlage einer Darstellung und Kritik zu machen, die möglicherweise nur auf meiner eigenen Unzulänglichkeit beruht. Auch hätte das keinen Zweck. Diskussion ist nur fruchtbar zwischen Nahestehenden und auch da nur in Einzelheiten. In größeren Dingen überzeugt uns kein anderer. Die müssen reifen und durch das Filter der Zeit gehen, das schon von selbst zurückhält, was nicht für den Strom der Zukunft ist" 1 ).
Unabhängig von dem hier skizzenhaft dargestellten Zustand der Grundlagen unseres engeren Fachgebietes entstehen zahlreiche „Spezial"theorien oder noch zahlreichere Nuancierungen an solchen, die stets die Frage ihres zwingenden Charakters offen lassen müssen, auch wenn die vorausgesetzten Annahmen noch so scharf formuliert sind. Bestand (im übertragenen Sinne) erhalten diese Teilerkenntnisse erst durch ihre Eingliederung in ein „System", dieses wiederum nur durch die Einordnung in die „Systempyramide" als Ergebnis der „verschiedenen Grundmeinungen", bis auch innerhalb des hier in Frage stehenden Fachgebietes die „Grundsteinlegung" der Kritik enthoben sein wird. Über diese Theorie glaubte einst J. St. M i 11 die Ansicht vertreten zu dürfen, daß sie ihrer Vollendung entgegenreife. Wenn ich hier die erkenntniskritische Meinung einiger Gelehrten in ihrer Eigenschaft als „Systembildner", gleichsam der bedeutenden „Eckpfeiler" des deutschen Sprachgebietes: Bonn, Berlin, Prag, Wien, Freiburg i. B. und Frankfurt a. M., anführte, so geschah es nicht, um die Seiten zu füllen, sondern im Hinblick auf die Frage nach der Überzeugungskraft der Kritik an der Grundauffassung des Autors eines „Systems" (oder von Teilen eines solchen). Mit diesen Worten ist die Schwierigkeit des Problems: Kritik angedeutet. Auch d i e Bemerkung erscheint in unserem Zeitalter des „Schnellesens", des „Schnellkritisierens", des „Sichhaltens an Worte" nicht überflüssig. J
) S c h u m p e t e r : a. a. O. S. 17/18.
7 Voraussetzung jeder Kritik ist: durch Einleben verstehen ! — ein trivialer Satz und doch so wenig beachtet. In der Erkenntnis dieser Voraussetzung ist der einzuschlagende Weg zur Lösung der gestellten Aufgabe, die Grundlagen des L i e f m a n n sehen Systems einer Kritik zu unterziehen, gegeben und damit einem evtl. Vorwurfe des „Zuweitausholens" widersprochen. L i e f m a n n spricht mit den Worten:
„ . . . Deshalb müssen, genau so wie mein theoretisches System, auch die bisherigen Lehren von einer unparteiischen Kritik i n _i h r e m Z u s a m m e n h a n g betrachtet werden; dann können die neuen Grundlagen unserer Theorien und ihre neuen Ergebnisse für die Erklärung tauschwirtschaftlicher Erscheinungen nicht zweifelhaft sein"1)
eine Selbstverständlichkeit aus, die indessen nicht immer Beachtung findet und in Bezug auf s e i n e Theorie aus den verschiedensten Gründen fast völlig außer Acht gelassen wurde 2). Wir werden zunächst den Boden betrachten, aus dem die L i e f m a n n sehen Gedankengänge erwachsen sind. Dabei wird es uns darauf ankommen, die G r u n d f r a g e n der überkommenen Lehren herauszustellen, ohne abschließend zu ihnen Stellung zu nehmen. Dieses in wohlüberlegter Absicht. Alsdann werden wir L i e f m a n n s Auffassung vom „Wirtschaften" einer Kritik unterziehen. Doch treten wir nicht mit einem voreingenommenen Standpunkt an das „Gebäude" heran, um die Neuheit seines „Charakters" von draußen aus zu würdigen und evtl. anzuzweifeln, sondern wir werden i n d a s s e l b e „eintreten", und unter Stellung auf das Fundament desselben die zwingende Folgerichtigkeit des Systems überprüfen 8). Diese immanente Kritik ist nur erfolgreich im Zusammenhang mit der Betrachtung der „Fundamente" der anderen, teilweise erwähnten „Baumeister": 1. Um die Art des zu würdigenden Systems stärker hervortreten zu lassen, 2. die tatsächliche oder nur scheinbare Verschiedenheit der Grundlagen der Systeme hervorzukehren, was zugleich einen Beitrag zur Klärung der Frage nach der Möglichkeit unserer Wissenschaft als Wissenschaft und nach den Grundprinzipien derselben bedeutet, L i e f m a n n : a. a. O. 8. 223. •) Nicht zuletzt wird der folgende Weg im Hinblick auf die Anordnung des Systems Robert L i e f m a n n s eingeschlagen. a ) Mit diesem selbstverständlichen Vorgehen entspreche ich der ebenso selbstverständlichen Bitte Robert L i e f m a n n s : a a O S. 230/33.
8 3. Um das L i e f m a n n sehe System von den Mißverständnissen zu befreien. Nach der Herausstellung des „Wertproblemes", das L i e f m a n n aus der Theoretischen Nationalökonomie ausgeschaltet wissen möchte, und der Beantwortung der Frage, ob es L i e f m a n n gelungen ist, eine „wertfreie" Nationalökonomie zu begründen, gehen wir zu dem „wichtigsten Satze der ökonomischen Theorie", dem Gesetze des Ausgleichs der Grenzerträge, über. Unter Würdigung der Einwände früherer Kritiker und Reinigung der „Atmosphäre" soll der zwingende Charakter des „Gesetzes" und die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit geprüft werden. Soweit der Zusammenhang nicht bereits zur wesentlichen Klärung beigetragen hat, wird nunmehr an die Kritik der sich auf dem Fundament aufbauenden Spezialtheorien herangetreten werden können. Erst nach Erfüllung dieser Aufgabe, die in dieser Arbeit ihre Erledigung nicht zu finden vermag, ist die kritische abschließende Würdigung des g a n z e n Systems Robert L i e f m a n n s und seine Gegenüberstellung zu den übrigen Theorien des vorliegenden Fachgebietes möglich. Schon hier sei bemerkt, daß die vorliegende Kritik den „Prioritätstaumel" und die „persönlichen Bemerkungen' 1 der Parteien ignorieren wird. Derartige „Ereignisse" zu berücksichtigen ist eine der Aufgaben einer „Soziologie der Kritik", die heute noch ungeschrieben ist. Die Tatsachen mögen für sich sprechen. Das zwingt uns, in dem folgenden Teil dieser Abhandlung die verschiedenen Autoren s e l b s t etwas ausführlicher zu Worte kommen zu lassen. Auch wenn der Weg für den Verfasser dieser Abhandlung nicht immer „amüsant" ist und auf die Gefahr hin, daß ein Kritiker evtl. im Hinblick auf den nächstfolgenden Teil meinen könnte: „55 Seiten fast nur Zitatel" Voraussetzung für die Lektüre dieser Schrift ist die Kenntnis des L i e f m a n n sehen Systems in seiner sachlichen und persönlichen Art. Die sich daran anknüpfende Diskussion wird im wesentlichen im besonderen Teil der vorliegenden Abhandlung wiedergegeben. Wie wissenschaftlich notwendig daselbst die Zitierung der einzelnen Kritiken ist, wird der Leser ersehen können.
9 I. A l l g e m e i n e r
Teil.
A. Der Boden, aus dem das L i e f m a n n sehe System erwachsen ist 1 ). 1. Die Klassiker.
Will man einen Menschen und sein Werk verstehen, so bedarf man der Kenntnis der Umstände (zeitlich, örtlich, geistig usw.), unter denen der Mensch gelebt hat. Die „Milieu' '-Theorie verleiht auch das Verständnis für den wissenschaftlichen Kampf Einzelner, von „Schulen" und „Richtungen".
„Die .wirtschaftswissenschaftliche' Forschung hat ihren Ausgangspunkt von einem p r a k t i s c h e n Zweckgesichtspunkt genommen. Dieser war, ,Volk, Staat und Fürsten' durch Regierungsmaßnahmen, welche die .wirtschaftliche', d. i. auf .Wohlstand', .Reichtum', gerichtete Tätigkeit in bestimmte Bahnen lenkten, tatsächlich .reich' und damit mächtig zu machen. Dies hatte natürlich eine bestimmte .Anschauung' von dem .Wesen' und den .Ursachen' des ,Volksreichtums' und den Möglichkeiten ihrer Beeinflussung durch Regierungsmaßnahmen zur Voraussetzung. Eine solche .Anschauung' kann man im weiteren Sinne .Theorie' nennen. Sie bildet jedoch im wesentlichen eine . p r a k t i s c h e W i s s e n s c h a f t ' , im Hinblick darauf, daß das System der Erkenntnisse, das sie darstellt, nicht durch einen l o g i s c h e n Gesichtspunkt oder einen reinen E r k e n n t durch einen p r a k t i s c h e n Zweckn i s zweck, s o n d e r n gesichtspunkt, durch einen H a n d l u n g s zweck begründet ist. Diese .praktische Wissenschaft' hat jedoch eine Summe von ,rein' t h e o r e t i s c h e n Erkenntnissen zur Voraussetzung, auf der sie aufgebaut ist, deren .Anwendung' sie darstellt. Sie ist eine . a n g e w a n d t e Wissenschaft', insofern sie unter einem reinen Erkenntniszweck gewonnene und insofern l o g i s c h eine Einheit bildende Erkenntnisse (.Theorie' im e n g e r e n Sinne oder „Reine Theorie') zur Erkenntnis des Zusammenhanges von unter einem praktischen Zweckgesichtspunkt eine Einheit bildenden Erscheinungen a n w e n d e t . Bei dem Versuche, ein derartiges System von .praktischen', d. h. unter einem praktischen Zweckgesichtspunkt wichtigen Erkenntnissen, Erkenntnissen, die die s o z i a l e B e d i n g t h e i t d e s V o l k s w o h l s t a n d e s zum Gegenstand haben, zu begründen, ist man alsbald darauf gestoßen, daß es gewisse soziale Massenerscheinungen gibt, auf welchen die ganze oder der größte Teil der Reichtumsbildung eines Volkes beruht, deren Gesetzmäßigkeit man daher vor allem erkennen müsse, wenn man eine praktisch bedeutsame Erkenntnis von der sozialen Bedingtheit des Volkswohlstandes überhaupt und den Möglichkeiten, durch soziale Maßnahmen darauf Einfluß auszuüben, erlangen wolle. Diese Massenerscheinungen sind die T a u s c h vorgänge und ihre Ergebnisse, die . P r e i s e' und . E i n k o m m e n ' . Die Wohlstandsgewinnung eines Volkes spielt sich in der modernen Gesellschaft entweder ganz oder zum größten Teil in der Massenform des T a u s c h e s ab, wenn sie sich darin natürlich auch keineswegs erschöpft. Alles, was für den Volkswohlstand von Bedeutung ist. 8i n d entweder Tauschvorgänge oder b a s i e r t auf Tauschvor*) Unserer Aufgabe gemäß kann es sich hier nur um die Untersuchung der „Grundprinzipien", auf denen die Theorien aufgebaut sind, handeln.
10 gängen, h ä n g t mit Tauschvorgängen z u s a m m e n . Die Tauschvorgänge sind die Zentralfunktion des Reichtumsbildungsprozesses eines Volkes, so wie der Blutkreislauf die Zentralfunktion des organischen Körperbildungsprozesses ist. Man muß infolgedessen zunächst die Gesetzmäßigkeiten im Ablauf dieser Funktionen kennen, wenn man den Reichtumsbildungsprozeß eines Volkes (bzw. den Prozeß der Körperbildung eines Menschen) erkennen will. Adam S m i t h war der erste, der die Wichtigkeit dieser Aufgabe im System der nationalökonomischen Wissenschaft erkannt und ihrer Lösung ausführliche Untersuchungen gewidmet hat. Durch R i « a r d o wurde sie als eine rein t h e o r e t i s c h e Aufgabe aus dem Gesamtkomplex des praktisch orientierten Systems der nationalökonomischen Wissenschaft herausgehoben und zum selbständigen Gegenstand einer wissenschaftlichen Betrachtung gemacht. Dadurch ist d a s als selbständige logische Einheit und .Wissenschaft' in diesem strengen Sinn entstanden, was wir als ,Theoretische Nationalökonomie' oder ,Nationalökonomische Theorie', neuerdings auch vielfach — in irreführender Weise — als .Wirtschaftstheorie' bezeichnen"1).
In diesem Erfahrungsobjekt, dem T a u s c h p r o z e ß , ist implizite das Erkenntnisobjekt enthalten 2). Das klassische, insbesondere R i c a r d o s „System der t h e o r e t i s c h idealen Güterverteilung beruht auf den einfachsten und allgemeinsten sozialen und individuellen Voraussetzungen, Privateigentum und freier Tauschverkehr einerseits und Streben nach dem eigenen wirtschaftlichen Vorteil andererseits, und von diesen Prämissen aus werden in abstrakt-deduktiver Weise die Gestaltungen der Tauschbeziehungen und ihre definitiven Resultate abgeleitet. Das Erkenntnisobjekt dieses Systems ist bewußt ein u n w i r k l i c h e s , rein g e d a n k l i c h e s Gebilde, eine theoretisch ideale abstrakte Verkehrsgesellschaft von ihren wirtschaftlichen Vorteil vollkommen erfassenden und zur Durchsetzung bringenden Individuen, das System eine a b s t r a k t e V e r k e h r s t h e o r i e . R i c a r d o selbst war sich der Idealität dieser gedanklichen Konstruktion durchaus bewußt und hat auf die nur relative bzw. hypothetische Gültigkeit seiner .Gesetze' wiederholt hingewiesen. Er war sich darüber völlig klar, daß das reale, wirtschaftlich-gesellschaftliche Leben einen viel komplizierteren Verlauf nehme, und seine .Grundsätze' gelten ihm nie als Abbild dieses wirklichen, historischen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Lebens, sondern vielmehr als eine heuristische Konstruktion, die auf Grund der Erfahrung gebildet und an der die Wirklichkeit dann wieder gemessen wird, um sie auch nach ihren komplizierteren Bedingungen und b e s o n d e r e n h i s t o r i s c h e n Ursachen weiter zu erforschen" 3 ). A m o n n : „Der Stand der reinen Theorie" in Lujo Brentano Festgabe zum 80. Geburtstag 1925, 2. Bd., S. 273/74; siehe auch A m o n n : „Objekt und Grundbegriffe" S. 33/42 ; ferner von demselben Autor: „Adam Smith und die Grundprobleme der Nationalökonomie", in Zeitschrift f. die ges. Staatswiss. Bd. 80, 1925/26. a ) A m o n n : „Objekt und Grundbegriffe", S. 35; wie insbesondere auch von demselben Verfasser: „Ricardo als Begründer der theoretischen Nationalökonomie", Jena 1924; „Grundzüge der Volkswohlstandslehre, I. Teil: Der Prozeß der Wohlstandsbildung (Die Volkswirtschaft), Deskriptive und theoretische Volkswirtschaftslehre", Jena 1926. 3 ) A m o n n : „Objekt und Grundbegriffe", S. 35.
11 Die Kenntnis des Bewußtseins davon, daß die Theorie ein Abbild oder eine künstliche Ordnung des Geschehens darstellt, ist bedeutsam für die Interpretation der verschiedenen „Systeme". Der Umstand, daß die Klassiker den Tauschmechanismus als Erkenntnisobjekt betrachteten, und eine tiefere, erkenntnistheoretische Grundlegung der nationalökonomischen Theorie unterließen, war bestimmend für die Ergebnisse ihrer Theorie. Die Abhängigkeit des Menschen von den Gütern der ä u ß e r e n Natur, die Knappheit derselben relativ zum Bedarf und die Zweckmäßigkeit der Arbeitsteilung sind die Voraussetzung für den T a u s c h v e r k e h r . Die Frage ist nur, in welchem Verhältnis die Güter untereinander getauscht werden. Diese Fragestellung drängte zu dem Problem des ,,Güterwertes", der der ganzen Problemstellung nach als eine den Gütern inhärente Eigenschaft angesehen wurde. Doch die Nützlichkeit des Gutes an sich konnte nicht allein „wert"bestimmend sein, entscheidend waren ebenso die M e n g e und die A n s t r e n g u n g e n , die zu ihrer Herstellung erforderlich sind. Daraus ergab sich die Erkenntnis der notwendigen Unterscheidung eines „Gebrauchswertes" (value in use) und eines „Tauschwertes" (value in exchange), ersteren gleichfalls „objektiv" gefaßt, da ja das Gut a n sich „ W e r t " besitzt. Nun sind aber die Anstrengungen oder das Opfer bei den verschiedenen Gütern ungleich, was die „Wert"verschiedenheit der Güter noch mehr beeinflußt. Unter den Produktionskosten ragen besonders die A r b e i t s aufwendungen hervor; die auf das einzelne Gut verwendete Arbeitsmenge ist fast ausschließlich bestimmend für den „ W e r t " des Gutes und seines Austauschverhältnisses zu den andern Gütern 1 ). Die übrigen Kosten: die für die Benutzung des Bodens zu zahlende Rente (bekanntlich bei R i c a r d o als Kostenelement ausgeschaltet) und das aufgewendete Kapital (stehendes und zirkulierendes) nehmen nur einen verhältnismäßig geringen Anteil an der „Wert"-bildung, das Zeitmoment, — ob die Güter in d e r s e l b e n Zeit auf den Markt gebracht werden oder nicht, — tritt, das Austauschverhältnis modifizierend, hinzu. „Nach der besten Überlegung, die ich dem Gegenstande widme, glaube ich, daß es zwei Ursachen gibt, welche Veränderungen in dem relativen Werte der Waren bewirken: 1. die relativen Arbeitsmengen, x ) The value of a commodity, or the quantity of any other commodity, for which it will exchange, depends on the relative quantity of labour which is necessary for its production, and not on the graeter or less compensation which is paid for that labour." In Principles of political Economy and Taxation, eh. I, section I.
12 die erforderlich sind, um sie herzustellen, 2. die relative Zeitdauer,, die verstreichen muß, bevor das Resultat dieser Arbeit auf den Markt gebracht werden kann. Alle Fragen des fixen Kapitals fallen unter die zweite Ursache"1).
James M i 11, Mc. C u 11 o c h und im Anschluß an sie Karl M a r x lösen die Produktionskosten vollständig in Arbeitsmühe als allein wertbestimmenden Faktoren der Güter auf, ohne aber das gelegentlich bei Adam S m i t h auftauchende „subjektive" Moment, das „toil and trouble", aufzugreifen, sondern die „gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit" für den „Wert" und das Austauschverhältnis der Güter bestimmend anzusehen. Das Kapital und der Grund und Boden erhalten ihren Anteil aus dem auf Kosten der Arbeit gewonnenen „Mehrwert" in der Form von Zins, Profit und Rente 2). Der „Wert" eines Gutes — begründet durch die Nützlichkeit an sich und das Opfer bzw. die Mühe, die zu seiner Erlangung erforderlich sind, beide in „objektivem" Sinne —, ist bestimmend für den P r e i s als Ergebnis der Austauschbeziehungen. Aber die Erkenntnis, daß der Preis in der Wirklichkeit von dem „Wert" des Gutes abwich, veranlaßte dieKlassiker eine methodische Unterscheidung zu machen zwischen dem ,,M a r k t preis", der sich aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage ergibt, und dem „ n a t ü r l i c h e n Preis" (Normalpreis), in dem sich eigentlich der „Wert" des Gutes realisieren sollte und „der immer als das eigentliche und wahre oder wesenhafte Austauschverhältnis betrachtet wurde, als jenes Austauschverhältnis, das sich über alle Schwankungen des Angebotes und der Nachfrage und der durch sie bedingten vorübergehenden Modifikation mit einer dem Tauschmechanismus immanenten Schwerkraft und Logik durchzusetzen strebe" 8). (Lehre vom äquivalenten Tausch.} *) R i c a r d o : „Letters to M c. C u 11 o c h , ed. J. H. Hollander with prefaces and notes 1895, p. 65, zit. bei Karl D i e h l : „David Ricardo" in Handw. d. Staatsw. Bd. VII, 1926; vgl. von demselben Autor u. a. ebenfalls die „Sozialwissenschaftlichen Erläuterungen zu David Ricardos Grundgesetzen der Volkswirtschaft und Besteuerung", 2 Bände, Leipzig 1905. Über F. B. W. v. H e r m a n n orientiert der Ausschnitt aus seinen „Staatswirtschaftlichen Untersuchungen", München 1874 in Diehl-Momberts „Ausgewählten Lesestücken zum Studium der politischen Ökonomie" IV. Bd. Wert und Preis. Karlsruhe 1912. *) Über diesen Problemkreis orientiert aus der neueren Literatur insbesondere die Schrift von Eduard H e i m a n n: „Mehrwert und Gemeinwirtschaft". Kritische und positive Beiträge zur Theorie des Sozialismus. Berlin 1922. Siehe auch den Aufsatz von H. S c h a c k : „Zur Kritik der Preistheorie" in Jahrbuch f. Nat. u. Stat. 72. Bd. ") A m o n n: a. a. O., S. 276. Die M a r x sehe Fiktion der „gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit" (als technisches Element) drückt die Beziehung „Markt" — „natürlicher" Preis ohnehin schon aus.
13 Der Mangel e i n e s Erklärungsprinzips wurde offenbarer durch die „Wert"bestimmung der S el t e n h e i t s güter l e d i g l i c h aus der Kaufneigung und der Kaufkraft der Konsumenten, ganz abgesehen von dem Zirkel, in dem sich die klassische Theorie insofern verlief, als die den „Wert" und den „Preis" der Kostenfaktoren unerklärt ließ x). Die Vernachlässigung dieses Problemkreises durch die Klassiker näher anzugeben und den wahren Sachverhalt logisch zu begründen, erübrigt sich im Rahmen dieser Schrift, zumal der Tatbestand allgemein bekannt ist. Von den zahlreichen Kritiken sei nur auf Knut W i c k s e l l s : „Vorlesungen über Nationalökonomie auf Grundlage des Marginalprinzips". Jena 1913, S. 68 ff. verwiesen. Nur einige kurze für unsere Betrachtung wesentlichen Bemerkungen seien noch gestattet: Daß S m i t h das Wesen des Tauschwertes nicht immer klar herausarbeitet, insofern als er den doppelten, subjektiven und objektiven Sinn desselben nicht scharf genug auseinanderhält, hat A m o n n besonders in seinem erwähnten Aufsatze: „Adam Smith und die Grundprobleme der Nationalökonomie" bewiesen. Im Hinblick auf die zweite Verwechselung, „der zwischen der ,Arbeitsmenge' die ausgetauscht und eingetauscht wird, und dem ,Wert dieser Arbeitsmenge'", obgleich sich an verschiedenen Stellen seines Werkes ganz der subjektiven Wertlehre entsprechende Ansichten finden, die S m i t h hätten aufmerksam werden lassen müssen, sagt A m o n n ganz richtig, daß „der Grundfehler Adam Smiths der ist, daß er überall bei seinen Betrachtungen von dem .ursprünglichen' Zustand ausgeht, in welchem es noch keine Arbeitsteilung gibt, und die hierbei gewonnenen Erkenntnisse ohne weiteres auf den hiervon ganz verschiedenen Zustand eines ausgebildeten, arbeitsteiligen Verkehrs fiberträgt" (ebenda S. 600); ebenso wie die für unsere vorliegende Untersuchung wesentliche Bemerkung A m o n n s bezüglich der S m i t h s c h e n zwiespältigen Wertbetrachtung richtig ist: „Warum diese Umstände (cf. ,demand' and ,the actual scarcity or plenty'; ,Utility and scarcity' als preisbestimmende Faktoren) ausschließlich bei dieser Art von Produkten (cf. Bodenprodukten) für die Wertbildung maßgebend sein sollen, wäre eine Frage gewesen, deren Untersuchimg S m i t h gleich weitergeführt hätte. Aber er kam nicht mehr dazu, diese Frage zu stellen. Denn diese Erkenntnis ist für ihn nicht der Ausgangspunkt, sondern der A b s c h l u ß seiner Wertlehre. Und seine Nachfolger haben, anstatt von diesem Abschluß aus weiterzugehen, auch wieder von jenem Ausgangspunkte, dem Arbeitswertprinzip aus, das Problem zu lösen versucht. Und auf diese Weise ist es gekommen, daß man ein Jahrhundert lang in die Irre eesantjen ist" 6 8 6 (ebenda S. 648). So ist es auch zu verstehen, daß die „klassische" Preistheorie nicht zu der e i g e n t l i c h e n , tieferen Preiserklärung vorgedrungen ist, sondern nur P r e i s b e w e g u n g e n darzulegen imstande ist (siehe auch unsere spätere kurze Bemerkung über das System G. C a s s e l s im Verhältnis zu den G r u n d l a g e n des L i e f m a n n sehen Systems, worauf allerdings L i e f m a n n seine Preistheorie nicht vollkommen basiert hat). Wenn dagegen H. S c h a c k in dem erwähnten Aufsatze S. 47 sagt: „Eben so hat man S m i t h vorgeworfen, seine Kostentheorie laufe letztlich auf einen Zirkelschluß hinaus. Diese Kritik besteht indes keinesfalls zu Recht. Ein Zirkelschluß würde nur dann vorliegen.
14 Soweit die Grundlagen des „klassischen" Lehrgebäudes. Im Hinblick auf die Lösung unserer speziellen Aufgabe haben sie Bedeutung in der Feststellung, daß „Nutzen" (Nützlichkeit), „Kosten", „Wert" und „Preis" in der klassischen Theorie im ,,o b j e k t i v e n" Sinne zu verstehen sind. 2.0Diefsub3ektive Wertlehre.
Es ist eigentlich merkwürdig, daß die „Klassiker" aus den A n f ä n g e n der „subjektiven" Wertlehre, die so bedeutend für den systematischen Ausbau der nachklassischen Theorien werden sollte, so wenig gelernt haben; manchen von ihnen vielleicht gar nicht bekannt waren. Hier sollen die grundlegenden Anschauungen der älteren italienischen und französischen „Volkswirtschaftslehrer" zur Erörterung kommen, weil sie für unsere Problemstellung wichtig sind *). Nach L o t t i n i , der in seinem „Avvedimenti civili" bereits die psychischen Grundlagen der Bedürfnisbefriedigung (verschiedene Dringlichkeit der Bedürfnisse, Veränderung derselben und deren Wirkung auf das Verhältnis der einzelnen Bedürfnisse zueinander) erkannt hatte, und damit, nach der Ansicht von G r a z i a n i 2 ) , die Lehren eines J e v o n s und M e n g e r vorwegnahm, wies D a v a n z a t i (1529—1606) in wenn man (im Sinn der Theorie des absoluten Preises) den Preis überhaupt aus den Kosten erklären wollte. Das ist aber gar nicht die Absicht dieser Theoretiker. S m i t h will nur den Punkt aufzeigen, um den die Preise pendeln, bzw. jene Preise aufweisen, zu denen das ganze Preissystem gravitiert. Die Theorie des .natürlichen Preises' ist nichts anderes als eine Theorie der Preisrelationen", so dürfte S c h a c k die Tatsache mit der Absicht verwechselt haben. Ähnlich wie A m o n n schon L. B r e n t a n o : „Die Entwicklung der Wertlehre" in Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen und historischen Klasse der K. B. Akademie der Wissenschaften zu München, 1909 und F. O p p e n h e i m e r : „Wert und Kapitalprofit, Neubegründung der objektiven Wertlehre", Jena 1916. Von den D i e t z e l sehen Schriften seien hier nur „Theoretische Sozialökonomik", Leipzig 1895 und „Die klassische Werttheorie und die Theorie vom Grenznutzen" in Jahrb. f. Nat. u. Stat. N. F. 20. Bd. genannt. Im Verlaufe unserer Analyse wird sich zeigen, daß von unserem Standpunkt aus das von D i e t z e l so ausführlich behandelte Problem der reproduzierbaren und irreproduzierbaren Güter in der von ihm erläuterten Fassung bedeutungslos ist. Das Moment der „Reproduzierbarkeit" und „Irreproduzierbarkeit" hat für uns nur sekundäre, das Wirtschaften von a u ß e n her beeinflussende Bedeutung. Ich bediene mich in den folgenden Ausführungen der auf knappem Räume mit reichem Material ausgestatteten Zusammenfassung von O. W e i n b e r g e r : „Die Grenznutzenschule". Halberstadt 1926, S. 31 ff. *) A. G r a z i a n i : „Storia critica della teoria del valore in Italia". Mailand 1889, S. 29/30.
15 seiner „Lezione delle monete" darauf hin, „daß der Wert keine den Gütern selbst i n n e w o h n e n d e Eigenschaft ist, wenn er unter Verweisung auf den im Turme verhungernden Grafen Ugolino hervorhebt, daß diesen ein Ei noch am zehnten Tage am Leben erhalten konnte, was das Gold der ganzen Welt nicht imstande war" *) ; zugleich erklärt er das Wertproblem als ein M e n g e n problem. Auf D a v a n z a t i bauen M o n t a n a r i (1633—87) und G a 1 i a n i (1728—87) auf, doch ist bei diesen Schriftstellern das Kostenmoment noch nicht so scharf herausgearbeitet; daß man z. B. den letzteren bald zu den „Arbeitswerttheoretikern", bald zu den „Produktionskostentheoretikern", bald zu einem der namhaftesten Vorläufer Carl M e n g e r s rechnete. G a 1 i a n i meint nämlich :
„daß mit Beziehung auf die eben erwähnten Güter (cf. auf die Mühe, fatica, und Arbeit, opera, verwendet wird) die M e n g e nur insofern als wertbildender Faktor in Betracht komme, als sie von der größeren oder geringeren A r b e i t s l e i s t u n g abhänge (la quantità della materia non per altro coopera inquesti corpi al valore, se non perchè aumenta o scema la fatica). Bei Berechnung der Arbeitsleistung sei aber auf die Zahl der Arbeiter, die Arbeitszeit und verschiedene Höhe des Arbeitslohnes Rücksicht zu nehmen. Wenn also zur Erzeugung eines Ballens Tuch vom Beginne der Wollschur bis zur Ausstellung des fertigen Produktes im Laden die Arbeitsleistung von 50 Personen notwendig sei, so sei der Wert dieses Wolltuchs den zur Ernährung dieser 50 Personen während einer ihrer Arbeitszeit gleichen Zeit notwendigen Kosten gleich; wenn 20 Arbeiter einen ganzen Tag, 10 einen halben und 20 drei Tage gearbeitet hätten, dann sei der Wert des Tuchs den Ernährungskosten eines Mannes durch 85 Tage gleich" 2 ).
W e i n b e r g e r meint nun, es wäre unrichtig, „G a 1 i a n i zu den Arbeitswerttheoretikern zu zählen, denn bei Erörterung der Q u a l i t ä t der Arbeitsleistungen kommt er auf die menschlichen B e g a b u n g e n und ihren Wert zu Bprechen und erklärt, daß sie auf die gleiche Art und Weise wie die unbelebten Dinge, nämlich n a c h i h r e r S e l t e n h e i t u n d N ü t z l i c h k e i t (sopra i medesimi prinzipj di rarità e utilità) geschätzt werden " 8 ). W e l c h e E r w ä g u n g e n der einzelne Arbeiter anstellt, b e v o r er seine Arbeitskraft in den Produktionsprozeß eingliedert, wird nicht untersucht, ein Problem, das für dea Grad der relativen Seltenheit und Nützlichkeit des Kostenfaktors Arbeit bedeutsam ist. Gehen wir zunächst weiter. Ebenso wie G a 1 i a n i erkennt auch Casare B e c c a r i a (1735—93) die relative Nützlichkeit und Seltenheit der Güter als „wert"bestimmend an, ohne die Arbeit als letzten „Wert"»] W e i n b e r g e r : ') Ebenda S. 34/35. s ) Ebenda S. 34/35.
a . a . O . S. 31/32.
16 grund zu vernachlässigen. Doch dadurch, daß B e c c a r i a annimmt, daß der „Wert eines Arbeitsproduktes (cosa lavorata) wachse im Verhältnisse der zu seiner Erzeugung notwendigen Arbeitszeit und der Zahl der dabei verwendeten Arbeiter (crescerà in proporzione del tempo necessario a lavorarla . . . e crescerà ancora in proporzione del numero delle persone che s'impiegano al detto travaglio)", „wobei er als Maß des Wertes dieser Arbeitszeit die zur Ernährung der Arbeiter während der Arbeitszeit verbrauchten Lebensmittel ansieht (la misura di questo valore di tempo e di person sarà l ' a l i m e n t o , che in detto tempo da tute queste persone si consuma)" *), verdunkelt er seine an sich auf „subjektiver" Grundlage aufgebaute „Werttheorie, abgesehen von dem Zirkel, in dem sich auch seine Auffassungen bewegen, da er „den Wert der Arbeit aus den aufgewendeten Lebensmitteln und sonstigen verbrauchten Gegenständen, den Wert dieser wieder aus der zu ihrer Erzeugung notwendigen Arbeit erklärt" 2). Schärfer als bei den bisher erwähnten „Werttheoretikern" erscheint das Problem: „Nutzen", „Kosten", „Wert" und „Preis" bei T u r g o t in seinem Werke: „Valeurs et Monnaies" formuliert.
„Man kann von einem Werte (Wertung) im eigentlichen Sinne des Wortes erst dann sprechen, wenn das isolierte Individuum nicht bloß einem einzigen Objekte gegenübersteht, sondern in die Lage versetzt ist, zwischen mehreren, ihm nützlichen Objekten zu w ä h l e n." „Neben den Erwägungen der Nützlichkeit (utilité) tritt als weitere hinzu jene der Vortrefflichkeit (excellence), d. h. der größeren oder geringeren Eignung des betreffenden, der Bedürfnisbefriedigung dienenden Objekts. Eine dritte Erwägung ist durch die größere oder geringere Schwierigkeit, sich das begehrte Objekt zu verschaffen, a. h. seine Seltenheit (rareté) gegeben, denn zwischen zweien gleich nützlichen und gleich vortrefflichen Dingen wird dasjenige, dessen Beschaffung mit größerer Mühe (peine) verbunden ist, als das wertvollere erscheinen. Diese drei Erwägungen, nämlich Nützlichkeit, Vortrefflichkeit und Seltenheit sind auf das, was T u r g o t v a l e u r e s t i m a t i v e , d. h. die Schätzung durch den isolierten Menschen, nennt, von Einfluß. Auch im i s o l i e r t e n Zustande gibt es einen Verkehr, einen P r e i s , nämlich die von dem betreffenden Individuum zur Erlangung eines bestimmten Objekts aufgewendete Sorge, Mühe, Arbeit und Zeit. Das Maß dieses subjektiven Schätzwertes, die Vergleichsskala (échelle de comparaison) ist das gesamte Vermögen (la somme totale des facultés) des betreffenden Individuums, es bildet die einzige Vergleichsskala, und an dieser Skala wird jedes einzelne begehrte Objekt verhältnismäßig gemessen, sein Schätzwert bildet einen Bruchteil des gesamten Vermögens, d. h. einen Bruch, dessen Zähler die Anzahl der entsprechenden gleichen Einheiten (parties proportionelles égales) anzeigt, welche vom Gesamtvermögen auf das betreffende Objekt entfallen" 3 ). x
) W e i n b e r g e r , a. a. O. S. 37/38. *) Ebenda S. 38, und das Zitat von B e c c a r i a . ») Ebenda S. 39/40.
17 Für den Tausch zweier verfügbarer Güter ist der verschiedene „subjektive" Schätzwert der Tauschparteien wesentliche Voraussetzung.
„Da aber der Unterschied zwischen den beiden Werten auf beiden Seiten gleich ist, —wäre er es nicht, so würde noch gefeilscht werden, — so ist es auch richtig zu sagen, daß beim Tausche gleiche Werte gegeneinander hingegeben werden (chacun donne valeur égale pour recevoir valeur égale). Aber dieser valeur é c h a n g e a b l e ist mit dem, was wir früher valeur estimative nannten, keineswegs identisch. Letzterer ist nur der Ausdruck der von jedem Einzelnen für sich abgesondert vorgenommenen Schätzung. Der valeur é c h a n g e a b l e stellt sich hingegen als der Ausdruck von vier Interessen dar, von welchen je zwei zunächst abgesondert voneinander abgewogen wurden; worauf das Ergebnis dieser beiderseitigen Abwägung der Gegenstand des Feilschens zwischen den Tauschenden bildete. So wird die valeur estimative m o y e n n e zur valeur échangeable, die man auch valeur a p p r é c i a t i v e nennen kann, weil sie d e n P r e i s ohne das Tauschverhältnis bestimmt. Aber diese Betrachtung zeigt gleichzeitig, daß die valeur appréciative von der gleichen Natur ist wie die valeur estimative. Es ist nur ein mittlerer subjektiver Schätzwert, dadurch gebildet, daß man die Hälfte des auf beiden Seiten gleichen, früher erwähnten Wertunterschieds vom höheren Werte — T u r g o t meint den höheren Wert der empfangenen gegenüber der hingegebenen Sache — abzog und dem niedrigeren hinzuschlug. Diese valeur appréciative ist zugleich der Ausdruck des Verhältnisses zwischen der Summe der Gesamtvermögen eines jeden der Tauschenden zu der Summe jener Vermögensquoten, welche ein jeder der Tauschenden für das getauschte Objekt zu opfern bereit ist" 1 ).
Bei T u r g o t werden die Begriffe „Wert" und „Preis" auseinandergehalten, doch das Wegen des „Wertes" vollständig zu klären, gelang ihm nicht.
„Der Preis ist nichts anderes als die Sache, welche man im Tauschwege gegen eine andere hingibt (la chose qu'on donne en échange pour une autre), während es unmöglich ist, den Wert in Einheiten seiner selbst anzugeben (d'énoncer la valeur en elle-même). Wie könnte man festsetzen, daß der Wert eines bestimmten Objekts z. B. einem Zweihundertstel des Vermögens einer Person entspreche ? Denn bei Berechnung des Vermögens muß auch die Z e i t veranschlagt werden, und welche Zeitspanne soll man zugrunde legen, das ganze Leben, ein Jahr, einen Monat oder gar nur einen Tag? Keineswegs. Denn die zur Beschaffung der verschiedenen Bedürfnisbefriedigungsgegenstände erforderlichen Vermögensaufwendungen erfolgen in Zeitspannen, deren Ungleichheit außerordentlich groß ist. Wie soll man also die Zeitspannen abschätzen, welche, während sie zugleich für alle Bedürfnisarten des Menschen ablaufen, für jede einzelne Bedürfnisart mit ungleichen Längen in die Rechnungsoperation eingeführt werden müßten ? Diese Unmöglichkeit, den Wert in Einheiten seiner selbst festzusetzen, führt dazu, daß das Interesse der Tauschenden v o n F a l l z u F a l l (dans chaque cas particulier) Gleichungen bildet und den (subjektiven) Wert einer Sache fallweise dem Werte einer anderen gleichsetzt, ohne in Beziehung auf jedes einzelne Bedürfnisbefriedigungsobjekt das ganze Vermögen mit diesem in ein Verhältnis zu setzen. Das Interesse der Tauschenden fixiert lediglich das Ergebnis dieses Vergleichs (nämlich zwischen Gesamtvermögen und dem einzelnen Objekt), ohne daß der x
) W e i n b e r g e r , a. a. O. S. 40/41.
K l u g , Ausgleich der Grenzerträge.
2
18 Vergleich selbst jemals gemacht worden wäre, noch gemacht werden könnte. Der Wert hat ebenso, wie die Länge, kein anderes Maß als sich selbst; und wenn wir Werte messen, indem wir sie mit Werten vergleichen, wie man Längen mißt, indem man sie mit Längen vergleicht, so gibt es bei dem einen oder bei dem anderen Vergleiche, keine von der Natur gegebene fundamentale Einheit, sondern nur eine arbiträre, auf Vereinbarung (Konvention) beruhende. Wird also ein Tauschgeschäft abgeschlossen, so muß man über die zur Grundlage der Messung dienende arbiträre Einheit übereinkommen. Wer tauscht, der nimmt als Einheit seiner Wertskala einen bestimmten Teil dessen an, was er hingibt, und drückt in Einheiten oder Bruchteilen dessen die Menge aus, welche er für eine bestimmte Menge des von ihm Empfangenen hingibt. Diese Menge ist für ihn der Wert und der Preis dessen, was er empfängt. So gemeint, haben beide Worte gleichen Sinn und können einander im gewöhnlichen Sprachgebrauche substituiert werden, obgleich es sich, strenge genommen, um wesentlich verschiedene Begriffe handelt. Und ähnlich mißt der andere Kontrahent den Wert der von ihm zu empfangenden an jenem der von ihm hinzugebenden Sache. 1 )"
Die R e l a t i v i t ä t d e r S c h ä t z u n g e n der Einzelnen ist deutlich bei T u r g o t herausgearbeitet worden. Und wenn W e i n b e r g e r meint: „Es kann m. E. nicht zweifelhaft sein, daß, wenn T u r g o t s Auffassung, daß die subjektive Schätzung eine solche zwischen dem Vermögen (facultés) und dem konkreten Objekte ist, überhaupt richtig ist, diese Schätzung nur eine stets wechselnde, mit Rücksicht auf die jeweils verschiedene Größe dieses Vermögens und die jeweils verschiedenen Bedürfnisarten und Bedürfnisintensitäten verschiedene sein könnte 2 )", so ist diese Ansicht durchaus die logische Konsequenz aus der T u r g o t sehen Problemstellung. Dadurch, daß ein Vermögensteil für die Erlangung eines erstrebten Gutes geopfert wird, tritt eine Verschiebung sowohl in dem gesamten Vermögen als Vergleichsskala wie auch in der Bedürfnisskala ein. Der Fehltritt in der Logik liegt wo anders. Der „Schätzwert" (valeur estimative) eines Gutes resultiert aus der „utilité" — gesteigert durch die „excellence" — und der „rareté", nicht absolut, sondern relativ zu der aufzuwendenden „peine". T u r g o t s Versuch ist zweifellos beachtenswert für das Verstehen einer psychisch-subjektiv fundierten Theorie. Nur hatte T u r g o t wie seine Vorgänger noch nicht den inneren Abstand von der „objektiven" Wertlehre, daß sein Versuch in allen Teilen als logisch einheitlich aufgebaut betrachtet werden kann. Das Schlußglied in der dem Niveau nach ansteigenden Reihe der „subjektiven Werttheoretiker" bildet C o n x ) 2
Weinberger: ) Ebenda S. 43.
a . a . O . S. 41/42.
19 d i 11 a c 1 ). Er hebt die Verbindung v o n Nutzen und B e dürfnis schärfer als seine Vorgänger heraus: „ J e heftiger das Bedürfnis, desto größer der Wert, je schwächer das Bedürfnis, desto kleiner der Wert *). E r steigt daher mit der Seltenheit und sinkt mit der Fülle (croît donc dans la rareté et diminue dans l'abondance). Bei gleicher Nützlichkeit würde der Grad der Seltenheit oder des Überflusses für den Wert entscheidend sein, wenn man diesen Grad immer genau (avec précision) feststellen könnte. Das ist aber niemals möglich, und deshalb gründet sich der größere oder kleinere Wert auf die M e i n u n g , welche wir darüber haben." „Genau genommen gründet sich also der Wert der Dinge gleicher Nützlichkeit nicht auf die Seltenheit oder die Fülle, sondern auf die M e i n u n g , welche wir von ihrer Seltenheit oder Fülle haben." „Der Wert ist weniger in der Sache als in der Abschätzung, welche wir an ihr vornehmen, welche Abschätzung wieder von den jeweiligen Bedürfnissen abhängt, so daß der Wert wie unsere Bedürfnisse zu- oder abnimmt (car la valeur est moins dans la chose que dans l'estime que nous en faisons, et cette estime est relative à notre besoin: elle croît et diminue, comme notre besoin croît et diminue lui-même)." „Auch der Preis ist nichts anderes als der Ausdruck des subjektiven Schätzwertes einer Sache in seinem Verhältnis zum subjektiven Schätzwert einer anderen 3 )." 3. Die Grenznutzenschule. Soweit die Gedankengänge für unseren Vergleich und unser Ergebnis v o n Bedeutung sind, mag kurz die mathematischnaturwissenschaftliche Begründung der Grenznutzentheorie skizziert werden. Neben den Ansichten der soeben angeführten Schriftsteller sind grundlegend für die Grenznutzentheorie die von B e r n o u i l l i (1700—82) 4 ). Für ihn ist „das Wertproblem ein M e n g e n problem ; deshalb steht der Wert jedes Vermögens Z u w a c h s e s in funktioneller Abhängigkeit zu dem bereits vorhandenen Vermögen und ist als eine bei Zunahme dieses als unabhängiger Variablen gedachten Vermögens stetig abnehmende Funktion zu betrachten 5 )." B e i dieser Fassung n i m m t B e r n o u i l l i — wie es für die Übertragung mathematischer Methoden als verfeinertes Erkenntnismittel selbstverständlich ist — bewußt ein „typisches" Verhalten der Menschen an, d. h. er abstrahiert von der „subjektiven" Relation: Vermögenszuwachs — vorhandenes Vermögen. *) C o n d i l l a c : „Le Commerce et le Gouvernement considérés relativement l'un à l'autre", in den „Mélanges d'économie politique". Paris s 1847. vol. I. ) „Ein künftiges Bedürfnis gibt einer Sache nicht den gleichen Wert wie ein gegenwärtiges: denn wie man dazu neigt, ein Bedürfnis nicht vorauszusehen, so bildet man sich ein, daß es nicht existent werden wird." Ebenda S. 252. >) W e i n b e r g e r : a. a. O. S. 45/46. 4 ) B e r n o u i l l i : „Versuch einer neuen Theorie der Wertbestimmung von Glücksfällen." Lpz. 1890. ') W e i n b e r g e r , a. a. O. S. 12.
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20 Mit dieser Verhältnissetzung beschäftigt sich gleichfalls Laplace1). „Es ist tatsächlich aufscheinend, daß ein franc einen viel höheren Wert für denjenigen, welcher nur hundert besitzt, als für einen Millionär hat. Man muß deshalb bei einem erhofften Gute seinen absoluten von seinem relativen Werte unterscheiden. Dieser bestimmt sich nach dem konkreten Begehr (sur les motifs qui le font désirer), während jener davon unabhängig ist. Ein allgemeiner Bestimmungsgrund, diesen relativen Wert abzuschätzen, läßt sich nicht aufstellen. Aber in vielen Fällen läßt sich der Vorschlag B e r n o u i l l i s , nach welchem der relative Wert einer unendlich kleinen Summe seinem absoluten Werte, dividiert durch das Gesamtvermögen der betreffenden Person, gleich ist, zur Grundlage nehmen. Das setzt voraus, daß jeder Mensch irgendein Vermögen besitzt, dessen Wert niemals als gleich Null vorausgesetzt wird. In der Tat gibt selbst derjenige, welcher nichts besitzt, immer dem Produkte seine Arbeit und seinen Erwartungen einen Wert, welcher zum mindesten dem, was 2 ihm zum Lebensunterhalte unumgänglich notwendig ist, gleich ist )." Die Verschiedenartigkeit der Schätzungen von Vermögen und Vermögenszuwachs (Einkommen) seitens der einzelnen Individuen hat auch B u f f o n hervorgehoben 3 ). Gegenüber seinen Vorgängern, die den „Wert" des G u t e s zu erklären versuchten, beschäftigt er sich mit dem „Wert" des G e l d e s als Voraussetzung für die Erlangung eines oder mehrerer Güter und für die Genauigkeit der Schätzungen dieser im Verhältnis zu dem bereits vorhandenen Vermögen. Nach B u f f o n ist es verfehlt, „das Geld nach seiner zahlenmäßigen Menge abzuschätzen. Das wäre nur dann am Platze, wenn das Metall, welches lediglich ein Zeichen des Reichtums ist, der Reichtum selbst wäre, d. h. wenn das Glück oder die Vorteile, welche dem Reichtum entspringen, der Geldmenge verhältnisgleich wären, das sei aber bei weitem nicht der Fall. Ein Mann mit 100 000 Talern Einkommen sei nicht zehnmal glücklicher, als einer, welcher bloß 10 000 hat. Auch hat das Geld, über eine gewisse Grenze hinaus, fast keinen reellen Wert mehr und kann den Wohlstand seines Besitzers nicht mehr vermehren. Wer einen Berg Goldes entdeckt, ist nicht reicher als jener, der bloß eine einzige lange würfelförmige Stange (una rola pertica cubica) entdeckt. Das Geld hat zwei Werte, beide sind arbiträr und beruhen auf Vereinbarung. Der eine ist das Maß der Vorteile des einzelnen I n d i v i d u u m s und der andere der Maßstab des Wohles der G e s e l l s c h a f t . Der erste dieser Werte ist stets nur auf eine sehr schwankende Art und Weise abgeschätzt worden (in una maniera molto in constante) ; der zweite ist durch Vergleichung der Geldmenge mit den Erbfrüchten und mit der menschlichen Arbeit einer richtigen Abschätzung fähig. Das Geld muß vom sittlichen Menschen nicht nach seiner M e n g e , d. h. nach seinem Z a h l e n w e r t e , sondern einzig und allein nach *) Le Conte L a p l a c e : „Essai philosophique sur les probabilités." Paris 1814. 8 ) W e i n b e r g e r: a. a. O. S. 13/14. 8 ) B u f f o n : „Essai c'arithmétique morale."
21 den V o r t e i l e n und L u s t g e f ü h l e n , welche es verschaffen kann, geschätzt werden 1 )." In ähnlichen Gedankengängen bewegen sich die Ausführungen von Q u e t e l e t ® ) und P o i s s o n ' ) : „Die physischen Güter, die wir besitzen (fortune physique), haben für uns als tote Massen keinen Wert und keine Bedeutung, sondern nur, sofern es äußere Mittel sind, eine Summe wertvoller Empfindungen (fortune morale), in uns zu erzeugen, bezüglich welcher sie dann die Stelle des Reizes einnehmen. Ein Taler hat in dieser Hinsicht viel weniger Wert für den Reichen als für den Armen, und wenn er einen Bettler einen Tag lang glücklich macht, so wird er als Zuwachs zum Vermögen eines Millionärs gar nicht merklich von ihm gespürt 4 )." Auguste W a l r a s 5 ) sollte es vorbehalten bleiben, den Zirkel zu lösen, in dem sich v o r allem die Ausführungen der „klassischen T h e o r i e " insofern befanden, als sie den „ W e r t " der P r o d u k t e durch die auf sie verwendete Arbeitsmenge bzw. Produktionskosten (in umfassenderem Sinne) bestimmt wissen wollten, ohne den „ W e r t " der Arbeit und der übrigen Produktionsfaktoren — soweit sie nicht in Arbeit aufgelöst werden — zu erklären. Durch seine logische Folgerichtigkeit und seinen „ s u b j e k t i v e n " Ausgangspunkt v e r m o c h t e er einen bestimmenden Einfluß auf die nachfolgende nationalökonomische Theorie auszuüben. E s sei deswegen g e s t a t t e t , die Gedanken dieses Schriftstellers ausführlicher darzustellen, abgesehen von der Bedeutung, die diese Ausführungen für unseren Vergleich der Grundlagen des L i e f m a n n sehen Systems m i t seinen Vorgängern haben. „Der Begriff des Wertes ist ein zusammengesetzter, weil er die Existenz von Dingen verschiedener Art und die Möglichkeit ihres T a u s c h e s voraussetzt; so daß im Tausche däs wahre Kriterium, ob ein Gegenstand einen Wert überhaupt und ob er einen größeren oder kleineren besitzt, zu erblicken ist. Der Begriff des Tausches setzt wieder denjenigen des E i g e n t u m s und dieser den Begriff der B e g r e n z t h e i t (limitation) aller Dinge, welche man sich aneignen kann und welche man im Tauschwege hinzugeben oder zu empfangen bereit ist, voraus. Denn wer vom .Eigentum' spricht, spricht damit zugleich vom Ausschlüsse anderer (nämlich von diesem bestimmten Eigentum) und dieser Ausschluß beruht eben auf der Begrenztheit der eigentümlich gehörenden Dinge. Wer vom Tausch spricht, spricht von einem Opfer, und dieses Opfer ist wieder auf die Schwierigkeit, i) W e i n b e r g e r : a . a . O . S. 15/16. Die italienischen Zitate entstammen der italienischen Übersetzung der Werke B u f f o n s . Venedig 1820. ») Q u e t e l e t : „Lettres à S. A. R. le Duc régnant de SaxeCobourg et Gotha sur la théorie des probabilités, appliquée aux sciences morales et politiques. Bruxelles 1846. ») W e i n b e r g e r : a . a . O . S. 24. 4) P o i s s o n : „Recherches sur la probabilité des jugements en matière criminelle et en matière civile." Paris 1837. valeur." Paris 1851.
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welche mit der Erlangung des begehrten Gegenstandes verbunden ist, gegründet; diese Schwierigkeit geht aber offenbar auf die natürliche Begrenztheit der Menge des betreffenden Gegenstandes zurück. Denn wären alle Gegenstände, die wir begehrten, in unbegrenzter Menge vorhanden, so würden sie alle Menschen in gleichem Maße besitzen, keiner wäre von ihrem Genüsse ausgeschlossen, es gäbe kein Eigentum, es fände kein Tausch statt. Diese Erwägungen führen uns geradeaus auf den Ursprung des Wertes hin. Darüber bestehen zwei weitverbreitete Meinungen. Die eine führt den Ursprung des Wertes auf die Nützlichkeit (utilité), die andere auf die Arbeit oder die Produktionskosten zurück, die ersten hat die meisten Anhänger in Frankreich gefunden, während die zweite von den hervorragendsten englischen Volkswirten geteilt wird. Aber wenn es wahr wäre, was die Schule S a y s behauptet, nämlich, daß die N ü t z l i c h k e i t die Ursache des Wertes sei, dann müßte es überall, wo es Nützlichkeit gäbe, zugleich auch Wert geben. Das ist aber unrichtig, wie man sich leicht durch Beispiele überzeugen kann. Die atmosphärische Luft, das Sonnenlicht, sind nützlich, haben aber keinen Wert, keinen Preis, und werden nicht getauscht. Man wird zwar einwenden, und S a y hat dies bereits getan, daß diese Gegenstände von einer unendlich großen Nützlichkeit und demzufolge auch von unendlich großem Wert wären. Das ist ein Irrtum. Was an diesen Gegenständen, unter dem Gesichtspunkte der Unendlichkeit, bemerkenswert ist, das ist nicht ihre Nützlichkeit, sondern ihre M e n g e . Wenn man ihnen einen unbegrenzten Wert beilegen wollte, täuschte man sich; denn statt unendlich groß zu sein, ist der Wert unendlich klein, d. h. überhaupt Null". Zu der Menge kommt noch die D a u e r der Gegenstände als begrenzendes Moment. „Aus dem natürlichen Mißverhältnisse zwischen der Summe der der Menge nach begrenzten Güter, gleichgültig ob sie nun unverbrauchbar, oder nach einer mehr oder weniger langen Dauer verbrauchbar sind, und der Summe der nach ihrem Besitz verlangenden Bedürfnisse entspringt die S e l t e n h e i t (rareté) dieser Güter und in ihr ist die Ursache ihres Wertes zu erblicken. Damit ist nicht gesagt, daß nicht auch die Nützlichkeit eine notwendige Bedingung des Wertes wäre, aber diese Nützlichkeit allein genügt nicht, um die Werteigenschaft zu begründen: Il faut y joindre la limitation ou le rareté de la chose utile. Der Wert ist nur scheinbar der Nützlichkeit, in Wirklichkeit aber der Seltenheit verhältnisgleich, weil mit der zunehmenden Verbreitung (extension) des Bedürfnisses die Zahl der nach dem betreffenden Gute Begehrenden und damit auch die Seltenheit im Verhältnisse zur Vermehrung der Bedürfnisse zunimmt. Unrichtig ist weiter die Auffassung, welche in der A r b e i t oder in den P r o d u k t i o n s k o s t e n die Ursache des Werts erblickt, sei es, ob man mit einzelnen Schriftstellern annimmt, daß die Erzeugungskosten lediglich aus Arbeit bestehen, oder mit anderen, daß neben der Arbeit noch andere Bestandteile in ihnen enthalten sind. Auch wenn man annähme, daß alle Güter (richesses) das Ergebnis eines Produktionsprozesses wären oder alle menschlicher Arbeit ihren Ursprung verdankten, so wäre es nicht weniger wahr, daß der Wert, von der Seltenheit herrührt. Wenn nämlich die Produktionskosten die wahre Ursache des Wertes der Produkte sind, so folgt daraus, daß der Preis aller wertbesitzenden Gegenstände den Preis der von den Produzenten geleisteten Anstrengungen vergilt, d. h. den Preis der von den Arbeitern aufgewendeten Zeit und Arbeit. Aber warum hätte die Arbeit einen Wert, wenn sie nicht nützlich und zugleich selten
23 wäre ? Jede Arbeit kann nur im Verlaufe der Zeit und unter bestimmten Bedingungen vollführt werden. Die Zeit ist kein unbegrenztes Gut, unser Leben ist kurz, unsere Tage sind gezählt. Die Zeit ist für jeden •eine wertvolle Sache, weil sie selten ist. Und weil sich eben die A r b e i t nur in der Zeit und nur unter mehr oder weniger schwierigen Bedingungen leisten läßt, so folgt daraus, daß sie einen W e r t hat. Man kann Adam S m i t h ohne weiteres zugeben, daß ein Biber einen doppelt so großen Wert haben wird wie ein Damhirsch, wenn es eine zweimal so große Mühe kostet, einen Biber als einen Damhirsch zu erlegen. Aber es handelt sich bei uns nicht darum, das relative Wertverhältnis der Güter auf dem Markte zu untersuchen, wir fragen vielmehr, warum der Biber und der Damhirsch überhaupt einen Wert, gleichgültig welchen, besitzen, warum ein Tag, eine Stunde Arbeit einen Wert besitzen. Und wenn ein Tag, eine Stunde Arbeit einen Wert haben, so haben sie ihn, weil sie gleichfalls begrenzte Güter sind. Den Kernpunkt der Frage hat S m i t h übersehen und sein Werk hat eine bemerkenswerte Lücke. Was von der Arbeit gilt, gilt auch von den K a p i t a l und B o d e n l e i s t u n g e n . Sie werden bezahlt, weil sie s e l t e n sind, und wäre ihre Menge unbegrenzt, so würden ihre Leistungen keinen Käufer finden, w e s h a l b ü b e r h a u p t d e r W e r t d e r P r o d u k t e selbst vom Wert und der S e l t e n h e i t der sie e r z e u g e n d e n P r o d u k t i o n s l e i s t u n g e n abh ä n g t . Auch die Lehre R i c a r d o s , nach welcher die Güter in solche zerfallen, welche durch menschlichen Fleiß vermehrt, und solche, welche durch sie nicht vermehrt werden können, und nach welcher sich der Wert bei jenen nach ihrer Seltenheit und der Nachfrage der Kauflustigen, bei diesen aber nach der Menge der in ihnen enthaltenen Arbeit richtet, ist nicht haltbar. Sie stellt einen wissenschaftlich unzulässigen Gegensatz zwischen Seltenheit (rareté) und Überfluß (abondance) auf, verkennt, daß es sich dabei nur um die gleiche Erscheinung, aber unter verschiedenen Namen, wie Größe und Kleinheit, Schnelligkeit und Langsamkeit, Schwere und Leichtheit handelt. Betrachtet man aber die Sache genauer, so stimmt die hier vorgetragene Lehre mit jener R i c a r d o s im Grund überein. Denn die Eigenschaft der Seltenheit spricht R i c a r d o den vermehrbaren Gütern ab. Ist aber diese Fähigkeit, vermehrt werden zu können und wirklich vermehrt zu werden, nicht der schlagendste Beweis ihrer Begrenztheit und Seltenheit? Nur seltene Dinge werden vermehrt. Und warum vermehrt man sie, wenn nicht deshalb, weil sie selten sind ? Wer über das Schicksal des Menschen hier auf Erden nachdenkt, wird leicht finden, daß die Arbeit nur ein erklärter Krieg, ein offener und dauernder Kampf gegen die Kargheit der Natur ist. Wer sagt, daß der Wert der Produkte vom Werte der Arbeit herrührt, erklärt nicht, woher der Wert der Arbeit selbst stammt, warum sie einen Wert hat, eine Frage, die R i c a r d o weder gelöst, noch überhaupt zur Erörterung gestellt hat, die aber trotzdem besteht und nur mit Hilfe des Begriffs der Seltenheit gelöst wird. ,.Et, en effet, si le travail a de la valeur, c'est parce qu'il est rare; et si les produits valent quelquechose, c'est parce qu'ils représentent la valeur et le rareté du travail qui les a produits.'Was endlich die Lehre betrifft, nach welcher die Preise sich nach A n g e b o t und N a c h f r a g e richten, so ist auch das gegenseitige Verhältnis von Angebot und Nachfrage nichts anderes als der hier entwickelte Begriff der Seltenheit und kann auch nichts anderes sein. Nur muß man unter Angebot nicht das wirkliche (offre reélle, effective) verstehen, sondern das a b s o l u t e Angebot und die a b s o l u t e Nachfrage. Die absolute Nachfrage ist der Ausdruck sämtlicher vereinigten, zu jeder Zeit und allerorts, wenn auch stillschweigend, aber
24 deswegen nicht weniger fühlbar, geltend gemachten Bedürfnisse nach allen seltenen, das menschliche Wohl befriedigenden Dingen und zwar seitens aller jener, welche imstande sind, den durch sie verschafften Genuß zu kennen und zu schätzen, abgesehen davon, ob sie auch übnr die Mittel zu ihrer Verschaffung verfügen ; das absolute Angebot nichts anderes als der Ausdruck der zu allen Zeiten und in allen Ländern den Menschen verfügbaren Menge an seltenen oder begrenzten Gütern, abgesehen von den Mitteln, welche einzelne unter ihnen in Stand setzen, sich sie zu verschaffen, und abgesehen von der Not, welche die meisten Menschen zwingt, auf sie zu verzichten. Während sich t a t s ä c h l i c h e s Angebot und Nachfrage im Gleichgewichte befindet oder einander gegenseitig überschreiten können, gilt das nicht vom absoluten Angebot und der absoluten Nachfrage. Jenes bleibt vielmehr stets hinter diesem zurück, kann diesem niemals gleich oder noch weniger größer sein. Es ist, soweit es überhaupt begrenzte Güter (biens limités) gibt, unmöglich, daß die Summe dieser Güter zur Deckung der nach ihnen fragenden Bedürfnisse hinreichte. Es gibt niemanden, der alles hat, was er verlangt, und von jener Güterart, die er besitzt, soviel hat als er wollte. Und dieser Ü b e r s c h u ß der absoluten Nachfrage über das absolute Angebot begründet die S e l t e n h e i t und verursacht den W e r t , welcher um so größer ist, je größer die Seltenheit oder das Mehr ist, um welches die absolute Nachfrage das absolute Angebot übersteigt 1 )".
Auguste W a l r a s war es gelungen, den „Wert" des äußeren Gutes aus e i n e m Grunde heraus zu erklären: aus der relativen Seltenheit der Arbeit einschließlich der Kapitalund Bodenleistungen. In seinen Ansichten war der G r e n z gedanke bereits enthalten, wenn auch noch nicht so bewußt herausgearbeitet 2 ). Die Aufgabe, das Grundprinzip schärfer zu fassen und die Bestimmung des „Wertes" der Güter einer „verfeinerten" Analyse zu unterziehen, setzten sich H. H. G o s s e n und seine wissenschaftlichen Nachfahren. Sehen wir zu, wie sie ihre Aufgabe gelöst haben. Auguste W a l r a s hat die Seltenheit und damit den „Wert" der Arbeit aus der kurzen Zeitspanne des Lebens jedes einzelnen heraus erklärt. Daß Z e i t moment ist das Grundelement der G o s s e n sehen Lehre, die L i e f m a n n als den eigentlichen Vorläufer seiner ökonomischen Theorie darstellt. *) W e i n b e r g e r : a. a. O. S. 48/54. ') Daß der „Grenzgedanke" sich gleichfalls bei den Klassikern vorfand, insofern als der „Wert" der „beliebig vermehrbaren" Güter sich nach den Kosten der zur Befriedigung des Bedarfes noch notwendigen Arbeitsmenge richtet, mag nur angedeutet werden; dem „klassischen System" fehlte, wie bereits erwähnt, der e i n h e i t l i c h e A n g e 1 p u n k t , um den sich das ganze System gleichsam „drehte". Daß der unausgesprochene „Grenzgedanke" der Klassiker sich logisch auf einer anderen, gleichsam h ö h e r e n Ebene der Erkenntnis bewegt, ist bekannt; leider wird dieser „Standpunkt" vielfach so aufgefaßt, als wenn er dem „subjektiven Standpunkt" durchaus widers p r i c h t , daß „objektive" und „subjektive" Grundlagen der Systeme sich ausschließende Gegensätze wären.
25 Aus der Erkenntnis der begrenzten Zeit und aus seiner teleologischen Einstellung erwächst für G o s s e n das Maximumprinzip: „Der Mensch richte seine Handlungen so ein, daß die Summe seines Lebensgenusses ein Größtes werde 1)". Um diesen dem Menschen von dem Schöpfer gestellten Lebenszweck zu erreichen, hat der Mensch zu bedenken, daß jedes Bedürfnis mit zunehmender Sättigung abnimmt, damit auch der „Wert" des in Frage stehenden Gutes, unter Berücksichtigung des Umstandes, einer fortlaufenden oder in Abständen wiederholten Befriedigung und der Möglichkeit einer Steigerung des Genusses durch Übung. Doch der Lebenszweck strebt erst dann seiner vollen Erreichung zu, wenn der Mensch nicht erst mit der Sättigung eines Bedürfnisses dann aufhört, wenn es sich der Grenze, wo das Bedürfnis in Widerwillen umzuschlagen beginnt, nähert, sondern der Mensch hat v o r dem Beginn der Bedürfnisbefriedigung die verschiedenen erstrebten Genüsse miteinander zu vergleichen und danach zu trachten, daß die letzte Genußeinheit, d. h. die vor dem Übergange zu der Erzielung eines anderen Genusses, bei allen Genüssen gleich groß ist. G o s s e n hat diese Erkenntnis in zwei „Gesetzen" kausalen und teleologischen Charakters formuliert:
1. „Bei jedem einzelnen Genuß gibt es eine Art und Weise zu genießen, die hauptsächlich von der häufigeren oder minder häufigen Wiederholung des Genusses abhängt, durch welche die Summe des Genusses für den Menschen ein Größtes wird. Ist dieses Größte erreicht, so wird die Summe des Genusses sowohl durch eine häufigere, wie durch eine minder häufige Wiederholung vermindert." 2. „Der Mensch, dem die Wahl zwischen mehreren Genüssen freisteht, dessen Zeit aber nicht ausreicht, alle vollaus sich zu bereiten, muß, wie verschieden auch die absolute Größe der einzelnen Genüsse sein mag, um die Summe seines Genusses zum Größten zu bringen, bevor er auch nur den größten sich vollaus bereitet, sie alle teilweise bereiten, und zwar in einem solchen Verhältnis, d a ß d i e G r ö ß e e i n e s j e d e n G e n u s s e s in d e m A u g e n b l i c k , in w e l c h e m s e i n e B e r e i tung a b g e b r o c h e n wird, bei allen noch die gleiche bleibt4)".
Während wir das erste „Gesetz" bereits in den früheren Lehren enthalten fanden 3), war die Aufstellung des zweiten i) H. H. G o s s e n : „Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln". 3. Aufl. Berlin 1927, S. 3. l ) Ebenda S. 11/12. *) Außer den bereits erwähnten Schriftstellern wären u. a. noch A r i s t o t e l e s und B e n t h a m zu nennen. Die Bedeutung dieser beiden Männer für die Theorie unseres Fachgebietes hat insbesondere O. K r a u s in „Die Aristotelische Werttheorie in ihren Beziehungen zu den Lehren der modernen Psychologenschule" in Zeitschr. f. d. ges.
26 „Gesetzes" ein neuer Gedanke, der den Z u s a m m e n h a n g des menschlichen Handelns deutlich erkennen läßt; ein Gedanke, der die eigentliche Begründung einer „neuen" Wirtschaftstheorie: der Grenznutzentheorie bedeutete und in dem gleichfalls der Grundgedanke des L i e i m a n n schen Systems enthalten ist r G o s s e n beweist seine gewonnenen Lehrsätze auf dem mathematischen Wege. Die Beweisführung des ersten „Gesetzes" möge der Leser in dem Werke G o s s e n s selbst auffinden (a. a. O. S. 8/10), wir werden auf dieses Problem noch einmal bei der Aufzeigung der Bedeutung der experimentellen Psychologie für die Wirtschaftstheorie auf Grund unserer Ergebnisse zurückkommen. Bedeutung für unsere Analyse hat vor allem die Beweisführung des zweiten „Gesetzes", das aus dem ersten, dem „Gesetze" der Abnahme der Genüsse, folgt:
„Gesetzt, es stelle a, b, c das Bild der Größe eines Genusses A dar, a' b' c' das eines zweiten B, so wird nun der Mensch, um die Summe des Genusses zum Größten zu bringen, mit Bereitung des Genusses zunächst beginnen müssen, der anfangs der g r ö ß t e (von mir gesperrt) ist, hier also mit A, und mit Fig. 1. dessen Bereitung solange fortzufahren haben, bis er so sehr gesunken ist, bis er nunmehr dem Genüsse B bei dessen Beginnen gleichkommt. Hier also bis d, wenn d e = a' c'. Er wird also, wenn ihm nur die Zeit a d zur Bereitung dieser Genüsse vergönnt ist, sie ganz und gar auf den Genuß A verwenden müssen. Hat er aber mehr Zeit zu seiner Verfügung, etwa bis f, und wollte nun die ganze Zeit a f zur Bereitung des Genusses A verwenden, so würde er offenbar nicht die größte Summe des Genusses erlangen. Denn bestimmt man den Punkt d' derart, daß a' d' Staatsw. 61. Jhrg. 1905 und „Zur Theorie des Wertes. Eine BenthamStudie", Halle 1901 gewürdigt. Zur Ergänzung des „Autorenregisters" möge ebenfalls noch die Schrift von R. Z u c k e r k a n d l : „Zur Theorie des Preises mit besonderer Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung der Lehre", Wien 1889 herangezogen werden; ferner die Arbeit von R. K a u l l a : „Die geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien", Tübingen 1906. Eine andere Frage ist es, w i e die Gedanken G o s s e n s ausgewertet wurden. Wenn wir dagegen einen Blick auf die sich entwickelnde „objektive" Theorie werfen, so ist der Gedanke nur bedingt „neu" — im Hinblick auf die „subjektive" Theorie, denn auch Karl M a r x spricht stets von der „ P r o p o r t i o n a l i t ä t " der Bedürfnisbefriedigung.
27 = f g und d' e' = g h wird, was immer geschehen kann, weil sich die Linien c b und c' b' fortwährend den Geraden a b und a' b* nähern, und hier zustande zu bringen ist, wenn man a' f' = f k, < a' f' e' = •
Doch einmal meint L i e f m a n n , sich des Wortes „Wert" L i e f m a n n : a . a . O . S. 93/94. Ebenda S. 248. ) Ebenda S. 254. *) Ebenda S. 265. 2 ) 3
118 bedienen zu müssen, bei der Schätzung der dauerbaren Kostengüter: „Aber diese Geldschätzung von Kostengütern nach ihrem Ertrage ist doch nach ihrem Zweck und ihrem Zustandekommen — sie vollzieht sich ganz innerhalb der Wirtschaft, wenn auch nicht ohne Beziehung zu, so doch nicht auf Grund von Tauschvorgängen — von den bisher betrachteten Kostengüterschätzungen so verschieden, daß für sie ein besonderer Ausdruck neben den Begriffen Kosten und Preis zweckmäßig erscheint. Bs ist hier der Punkt, wo wir, dem Sprachgebrauch folgend, den bisher vermiedenen, so viel mißbrauchten Ausdruck W e r t nicht gut durch einen anderen ersetzen können. Wir wollen daher bei einer solchen Schätzung dauerbarer Kostengüter in Geld nach dem Geldertrage vom E r t r a g s w e r t sprechen 1 )."
Damit dürfte L i e f m a n n kaum das Wertproblem erschöpft haben. Unter Hinweis auf unseren unkritischen Vergleich der Grundelemente des L i e f m a n n sehen Systems mit denen früherer Theorien können wir L i e f m a n n s Kritik gegen jene Art Werttheorie zustimmen 2). Wenn dagegen L i e f m a n n meint, mit seiner Kritik gegen die österreichische Grenznutzentheorie den „Wert" aus der nationalökonomischen Theorie verbannt und mit der Aufstellung seines Ertragsbegriffes die Möglichkeit einer „wertfreien" Theorie nachgewiesen zu haben, so vermögen wir die Ansicht nicht kritiklos hinzunehmen. In folgenden Zeilen soll kurz das Wertproblem herausgestellt werden, da es für die solide Fundierung des L i e f m a n n sehen Gebäudes notwendig erscheint. Es kann sich keineswegs darum handeln, eine erschöpfende Betrachtung zu geben, denn das hieße, zu dem gesamten „Wertstreit" Stellung zu nehmen. Nur eine notdürftige Skizze soll versucht werden, soweit nicht schon unsere früheren Ausführungen über das Hinüberleiten aus den rein psychischen Erwägungen in die „objektivierte" Zahlenwelt einige Klärung gebracht haben. Die Erkenntnis, daß die Geisteswissenschaften durch die verstehende Psychologie im Gegensatz zu der empirischen Experimentalpsychologie unterbaut werden müssen, um wirklich klärende Ordnung in das soziale Geschehen zu bringen, bricht ständig mehr durch. Ebenda S. 513/14; s. außerdem ebenda S. 5, 33, 37, 95, 101, 162, 247, 249, 250, 253, 258, 266, 281—83, 383, 441, 463, 511, 515 ff. 2 ) Doch. dürfte aus der Literatur der Grenznutzentheorie u. a. immerhin die Schrift von F. v. W i e s e r : „Der natürliche Wert , Wien 1889 L i e f m a n n einigen Aufschluß (insbes. S. 37, 60—72, 96: Problem der Zurechnung) über die Bedeutung des „Wertes innerhalb der nationalökonomischen Theorie gegeben haben; auch im Hinblick auf die wirklich mangelhaften Auslegungen mancher Grenznutzentheoretiker.
119 U. a. schreibt H u s s e r l : „Die ungeheure Fülle zeitlich, morphologisch, induktiv oder unter praktischen Gesichtspunkten geordneten Tatsachen bleibt in ihnen (cf. den Geisteswissenschaften) ohne jedes Band prinzipieller Rationalität. Hier fehlt eben die Parallele apriorische Wissenschaft, sozusagen die Mathesis des Geistes und der Humanität, es fehlt das wissenschaftlich entfaltete System der rein rationalen, der im ,Wesen' des Menschen wurzelnden .apriorischen' Wahrheiten, die als der reine logos der Methode in die geisteswissenschaftliche Empirie in einem ähnlichen Sinne theoretische Rationalität hineinbrächte und in einem ähnlichen Sinne rationale Erklärung empirischer Tatsachen möglich machte, wie die reine Mathematik der Natur empirische Naturwissenschaft als mathematisch-theoretische und sonst rational erklärende möglich gemacht h a t 1 ) . "
Im Sinne der verstehenden Psychologie, als der Wesenswissenschaft vom menschlichen Seelenleben, ist auch jeder Versuch zu verstehen, das Wirtschaften aus dem gesamten Wertungszusammenhang heraus zu erklären. Was ist aber Wirtschaften anderes als ein Teil des allgemeinen Wertungszusammenhanges, insofern als mit dem Vergleichen des Verhältnisses von Nutzen und Kosten im Hinblick auf die gesamte Bedürfnisskala eine Vielheit von Wertungen vorgenommen wird ? Diesen Grundtatbestand hätte sich L i e f m a n n klar machen müssen; aus jenem leitet sich dann der „Wert" des Schätzungsobjektes her.
Josef B a c k schreibt ganz richtig: „Die Grundlagen für sein System gewinnt L i e f m a n n nämlich so, daß er den Wertbegriff in seine .Elemente' zerlegt; aus .Nutzen' und .Kosten', den .Elementen des Wertbegriffes', sucht L i e f m a n n nämlich das wirtschaftliche Geschehen zu erklären. Dasjenige, was man bislang in der Wertlehre zusammengefaßt erklärt hat, wird in L i e f m a n n s System nicht eliminiert, sondern weiter entfaltet und auseinander gelegt')."
*) H u s s e r l : „Erneuerung. Ihr Problem und ihre Methode" in der japanischen Zeitschr. „Kaito", S. 89 zit. n. J. B a c k : „Der Streit um die nationalökonomische Wertlehre mit bes. Berücksichtigung Gottls", Jena 1926, S. 92. *) B a c k: a. a. O. S. 44. Es ist deshalb nicht glücklich ausgedrückt, nur die „Behauptung" L i e f m a n n s erfassend, wenn D i e h 1 sagt: „Mit dem Wertbegriff, erklärt L i e f m a n n , könne man die wirtschaftlichen Vorgänge nicht erklären. L. stellt seinerseits eine Preistheorie (!) auf, wobei er von den psychologischen Erwägungen des einzelnen Wirtschafters ausgeht, die von den früheren Theorien völlig vernachlässigt worden seien. Der Wertbegriff sei vollkommen überflüssig; nicht irgendein Wert der Güter, sondern der Ertrag bestimme alles wirtschaftliche Handeln," in „Von der sterbenden Wertlehre", in Schmollers Jahrb. 1925, S. 1289 u. weiter: „Wie stellt sich L., der nur eine Preistheorie, aber keine Wertlehre aufstellt, zur Frage des Geldwertes?" Ebenda S. 1290. — Richtig ist D i e h l s Bemerkung, daß „die Art und Weise der Ablehnung der Wertlehre von Seiten L i e f m a n n s gänzlich verschieden ist von der G o t t l s " (ebenda S. 1291). Ob und inwiefern die Richtigkeit auch für den Ausspruch: „Gerade wegen seiner individualwirtschaftlichen Betrachtungsweise, wegen seines Ausgehens vom wirtschaftlichen Prinzip und von einem
120 Die rein psychischen, besonders gearteten Erwägungen, in denen L i e f m a n n das Wirtschaften sieht, sind nichts anderes als „geteilte" Wertschätzungen, die in der oben dargelegten Weise zu rechenhaften Wertungen werden, und so die Brücke zu den „objektiven", (relativ) allgemeingültigen „Werten" bilden 2). homo oeconomicus fällt L. selbst unter d i e Theoretiker, die G o 111 ablehnt (cf. meine [Diehls] Kritik der L.schen Theorie im I. Bd. meiner Theoretischen Nationalökonomie)" (ebenda S. 1291), zutrifft, haben wir teilweise bereits festgestellt und wird noch eingehender erörtert werden. 1 ) Andreas V o i g t nimmt neuerdings in seinem auch in unser Kapitel über die logische Spaltung des Identitätsprinzips der psychisch fundierten Theorie einschlagenden Aufsatz: „Werturteile, Wertbegriffe und Werttheorien" i. Ztschr. f. d. ges. Staatswiss, 84. Bd., Heft 1, 1928, zu dem Wertproblem Stellung. Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser Abhandlung über diesen grundlegenden Aufsatz zu referieren. Nur zwei Stellen, die in gewisser Hinsicht Widerspruch erzeugen, mögen hervorgehoben werden. V o i g t sagt: „Es werden doch in der Volkswirtschaft nicht alle Güter, welche gleich viel kosten, auch wirklich mit gleichem wirtschaftlichen Rechte auch produziert, sondern die einen werden es, weil nach ihnen eine hinreichende Nachfrage besteht, die anderen nicht, weil sie nicht verlangt werden. Denn eben, nicht weil die Güter etwas kosten, haben sie Wert, sondern weil sie Wert haben, läßt man sie sich etwas kosten. Der Kostenwert ist daher, wie gesagt, allem Anschein zuwider eine Bewertung des Zweckes, für den die Kosten aufgewendet werden. So Wie die Sonne sich nicht um die Erde bewegt, sondern die Erde um die Sonne, werden die Werte nicht von den notwendigen Kosten, sondern die Kosten von dem Wert der Güter bestimmt, für die sie wirtschaftlicherweise aufgewendet werden. Solange der E h r e n f e l s sehe Grundsatz, daß die Dinge nicht begehrt werden, weil sie Wert haben, sondern Wert haben, weil sie begehrt werden, für die Volkswirtschaft nicht allgemein anerkannt ist, hat es überhaupt keinen Sinn, über wirtschaftliche Werte, seien es Nutz- oder Kostenwerte, zu reden," S. 68. Dagegen halte man v. G o t t l : „Die wirtschaftliche Dimension", S. 276. Der Leser möge sich im Hinblick auf unsere Ausführungen die Antwort selbst geben. Der zweite Ausspruch V o i g t s : „Die Abneigung der Meisten gegen die Wertbegriffe und Werttheorie rührt daher, daß sie keine psychologischen Betrachtungen anstellen mögen, welche allerdings dabei unerläßlich sind. Aber auch diejenigen, welche wie L i e f m a n n erkannt haben, daß Wirtschaften ein geistiger und kein mechanischer Vorgang ist, gehen nicht weit genug, wenn sie die wirtschaftlichen Urteile für Seinsurteile über Nutzen und Kosten halten. Denn das Wirtschaften hängt nicht ab von dem, was ist, sondern von der Meinung der Menschen über das, was sein solle, daher sind nicht Nutzen und Kosten, sondern die Nutz w e r t e und die Kosten w e r t ei für sie maßgebend. Um Nutzen und Kosten miteinander vergleichbar zu machen, betrachtet L i e f m a n n , nach dem Vorgange G o s s e n s , als Nutzen die Lust des Genusses und als Kosten die Unlust der Arbeit und bildet durch Subtraktion dieser Kosten von dem Nutzen den Ertrag als das Ziel der Wirtschaft. Das ginge, wenn alle Güter Genußgüter wären, und wenn immer derjenige, welcher die Unlust der Arbeit auf sich nimmt, auch den Genuß vom Produkt der Arbeit
121 Erst durch die Erkenntnis dieser Verkettungen vermag das „objektive" Geschehen geklärt zu werden. Das Eindringen in das Wesenhafte menschlichen Lebens durch eine „geläuterte" Wertforschung wird auch, herausstellen, ob und wie die naturalistisch anklingenden Begriffspaare „Lust — Unlust" durch das Wesen des Zusammenhanges klarer deutende Formulierungen zu ersetzen sind hätte. Doch in der kommerziellen Wirtschaft liegen zwischen der Produktion durch Arbeit und dem Genuß der Produkte so viele Zwischenglieder und die Unlust der ersteren und der Genuß der letzteren trifft so verschiedene Menschen, daß es unmöglich ist, beides zueinander in Beziehung zu bringen. Als Kosten der Produktion muß daher eine ganz andere Größe betrachtet werden als die Unlust der arbeitenden Produzenten usw." (S. 73/74). Andreas V o i g t läßt das Problem der logischen Spaltung außer acht, das auch nicht mit der Benennung „Nutz w e r t " und „Kostenw e r t " für a l l e „Gütergrade" behoben ist. Darüber und über das Problem Kosten = „Unlust", „Lust" siehe unsere früheren und nachfolgenden Ausführungen. *) Von den neuesten, das Wertproblem behandelnden Schriften ist u. a. insbesondere die Arbeit von F. W i 1 k e n: „Grundzüge einer personalistischen Werttheorie unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Wertprobleme", Jena 1924 zu nennen. Wie aus dem Titel ersichtlich ist, versucht W i 1 k e n sich mit dem u m f a s s e n d e n Wertproblem auseinander zu setzen, und schält den „wirtschaftlichen Wert" aus diesem Problemkreis heraus, in dem Sinne, wie wir auf S. 128 kurz andeuteten. Dabei unternimmt es W i 1 k e n auch, sich mit dem Begriffspaar „Lust — Unlust" eingehender auseinander zu setzen; Ausführungen, auf die infolge unseres beschränkten Raumes und unserer Themastellung gleichsam als tieferer Ergänzung zu unseren kurzen Andeutungen über das Wertproblem verwiesen werden muß, zumal W i 1 k e n das Problem des Gebrauchswertes in dem erweiterten Sinne behandelt, wie er unserer umfassenderen, nicht allein an dem „ S a c h gut" orientierten Wirtschaftsauffassung entspricht. — Desgleichen sei hier auf die Schrift von W. K e i 1 h a u : „Die Wertungslehre. Versuch einer exakten Beschreibung der ökonomischen Grundbeziehungen", Jena 1923 aufmerksam gemacht. Auch dieser Autor, für den „nicht die Wertlehre, sondern die Wertungslehre der Grundpfeiler der exakten Ökonomik ist" (ebenda S. 187), unternimmt den dankenswerten Versuch, das ökonomische Wertproblem aus dem gesamten Wertungszusammenhang heraus zu erklären. Erwähnenswert ist dabei seine Stellungnahme zu dem von uns bemängelten Begriffspaare „Lust — Unlust" und zu der Fiktion des homo oeconomicus. — L i e f m a n n erwähnt in seinen „Grundsätzen" selbst u. a. W i n d e 1 b a n d. Auch bei ihm („Einleitung in die Philosophie", Tübingen 1914) hätte er einen tieferen Einblick in den fraglichen Tatbestand finden können, eine der vielen Schriften, die ihn hätten bewegen sollen, das Wertproblem nicht so schnell und scharf aus seiner Theorie zu verbannen. Wie wenig es L i e f m a n n gelungen ist, die Werttheorie aus seinem vorwiegend die Verkehrswirtschaft analysierenden Systemauszuschließen, erhellt besonders aus seiner Preistheorie. Daß L i e f m a n n s Preiserklärung keine Theorie von der E n t s t e h u n g des
122 5. Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge als „schärfste Formulierung des wirtschaftlichen Prinzips" und „wichtigster Satz der öhonomischen Theorie".
a) D e r B e g r i f f d e s G e s e t z e s . Es kann sich im Rahmen dieser Arbeit nicht darum handeln, eingehend zu dem Begriff des „Gesetzes" und dem Preises, also der Erklärung darüber, wie es von den individuellen Wertungen zu den objektiven Geldausdrücken kommt, ist, geht aus unseren bisherigen, das Preisproblem streifenden Ausführungen und aus L i e f m a n n s „Grundsätzen" deutlich hervor, wo er das Wesen s e i n e r Preiserklärung an einer Stelle selbst kurz mit folgenden Worten kennzeichnet: „Aufgabe der Preistheorie ist, den Zusammenhang der Preise mit den Bedürfnissen zu erklären, und das ist in meiner ganzen Wirtschaftstheorie geleistet, die zwar natürlich nicht für jeden einzelnen Preis, aber für ein ganzes Preissystem erklärt, wie der Preis jedes Gutes innerhalb dieses Systems mit den individuellen Nutzenund Kostenvergleichungen, hinter denen die Bedürfnisse stehen, zusammenhängt. Daß dabei die tauschwirtschaftlichen Grenzerträge eines gegebenen Momentes mit früheren Preisen zusammenhängen, ist selbstverständlich. Richtiger wäre daher zu sagen, ich erklärte die Preisbildung aus früheren Preisen. Das ist aber auch kein Einwand gegen das, was hier mit der Zurückführung der Preisbildungen auf subjektive Bedürfnisse geleistet werden soll. Denn wie es überhaupt zur Bildung des Phänomens Preis kommt, das hat die Geldtheorie zu erklären, und wir haben das dort getan, indem wir zeigten, wie Geldausdrücke, Preise schon an die Gewichtseinheiten allgemein gebrauchter Tauschmittel anknüpfen und wie sich solche allmählich entwickelt haben. Nachdem das E n t s t e h e n von Geld und damit von Preisen in unserem Sinn erklärt ist, hat die P r e i s theorie dann nur noch das Funktionieren der Preise im tauschwirtschaftlichen Mechanismus, das fortgesetzte Neubilden von Preisen zu erklären, das, wie gesagt, naturgemäß auf die Bedürfnisse als den fortgesetzten Anlaß zur weiteren Wirtschaftsführung zurückgeführt werden muß" (in „Grundsätze" II, S. 258/59). In Ergänzung unserer Argumentation möge noch eine Stelle aus L i e f m a n n s Gedankenführung wiedergegeben werden: ,,. . . ich möchte aber namentlich die jungen theoretisch interessierten National Ökonomen warnen, sich zu sehr oder zu einseitig mit den gewiß interessanten, aber für die wissenschaftliche Hauptaufgabe, die Erklärung der Tauschverkehrsvorgänge wenig wichtigen Untersuchungen über die wirtschaftlichen Erwägungen der Konsumwirtschaften zu befassen. Die Bedeutung des Ausgleichs der Grenzerträge oder wie man das wirtschaftliche Prinzip formulieren will, liegt in der Anwendung a u f d e n T a u s c h v e r k e h r , dessen Erklärung Hauptaufgabe der ökonomischen Theorie ist." Nicht zuletzt sei hier auf den bereits erwähnten Aufsatz von H. M o e 11 e r verwiesen, den ich erst kurz vor der Drucklegung dieser Schrift lesen konnte und der den dargelegten Tatbestand bestätigt. L i e f m a n n hätte im Hinblick auf das Wertproblem manche Anregung in der Schrift von O. C o n r a d: „Die Lehre vom Subjektiven Wert als Grundlage der Preistheorie", Leipzig-Wien 1912 ziehen können, zumal dieser Autor — wie er ebenda S. 6 bemerkt — „erheblich von L i e f m a n n beeinflußt" worden und auf Grund dieser Gedankengänge zu seinen Ergebnissen gelangt ist.
123 Streit um die heuristische Bedeutung dieses Erkenntnismittels Stellung zu nehmen. Der Leser sei auf die einschlägige Im Hinblick auf das im Rahmen dieser Abhandlung nicht weiter zu behandelnde, aber an das erörterte Problem wirtschaftlichen Wertens sich anschließende Problem der wirtschaftlichen Zurechnung möge u. a. auf C. L a n d a u e r s Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Auffassung L i e f m a n n s hingewiesen werden. L a n d a u e r s Verfechtung der W e r t Zurechnung im Gegensatz zu der als unmöglich erkannten „physikalischen oder sachlichen" und „ethischen" Zurechnung innerhalb der Wirtschaftssphäre und unter Berücksichtigung seiner Ansicht, daß „für den, der in der Wertfrage auf dem Boden der Kostentheorie steht, das Zurechnungsproblem überhaupt nicht besteht", S. 187, gleichfalls seiner Meinung, daß „die Zurechnung als solche keine Eigentümlichkeit eines bestimmten Wirtschaftstyps, sondern ein Phänomen der reinen Wirtschaft ist", S. 253, erhellt zugleich, ob und inwieweit L i e f m a n n s System in seinem weiteren Ausbau mit der Grenznutzentheorie wesensgleich oder verwandt ist oder nicht. Das Nähere siehe inC. L a n d a u e r s Schrift: „Grundprobleme der funktionellen Verteilung des wirtschaftlichen Wertes", Jena 1923; ferner in seinem Aufsatz „Wert, Preis und Zurechnung" in Schmollers Jahrb., 49. Jhrg., als Entgegnung L i e f m a n n:„Nutzen und Kosten, Wert und Preis", ebenda; endlich in C. L a n d a u e r s neuestem Aufsatz: „Theorie der Verteilung" in „Die Wirtschaftstheorie der Gegenwart", III. Bd. Einkommensbildung, Wien 1928. Gegen die Möglichkeit einer Wertzurechnung äußert sich neuerdings wiederum O. E n g l ä n d e r : ,,Kapitalzins und wirtschaftliche Entwicklung. Kritisches zur Lehre Joseph Schumpeters" i. Zeitsch. f. d. ges. Staatsw. Bd. 84; auch sei auf die erwähnte Schrift von O. C o n r a d S. 80 ff. verwiesen, wo er sich auf Grund seiner Erkenntnis mit dem Problem der Möglichkeit einer Wert- und Preiszurechnung auseinandersetzt. Den letzten Aufsatz über das Zurechnungsproblem mit einer Kritik gegen O. C o n r a d hat Lilly K a t s e r , vgl. oben S. 111, geschrieben. S t o l z m a n n dürfte es nicht leicht werden, b e w e i s k r ä f t i g folgende „Forderung" darzutun: „Welche Verkennung der Gesetze dieses sozialen Gefüges, so fragte ich, sie als Resultate der einzelnen Kauf-, Tausch- und aller übrigen Akte der sozialen Produktion und Verteilung zu behandeln und den Sachverhalt dadurch auf den Kopf zu stellen, daß man, statt die Betrachtung mit dem Nachweis des funktionellen Zusammenhanges des Ganzen und seiner Glieder zu beginnen und d a r a u s erst den Ursprung alles wirtschaftlichen Handelns zu erklären, das Abgeleitete, das Bedingte mit ihrem sie bedingenden Grund zu verwechseln oder gar, mit L i e f m a n n , statt sie aus dem Wesen der Volkswirtschaft zu ergründen, sie seinerseits die Volkswirtschaft .organisieren' zu lassen I Demgemäß habe ich denn auch den Wert und Preis als bloßen letzten A u s d r u c k aller sozialorganischen Funktionen der Volkswirtschaft dargestellt. Eine S o z i a 1 Ökonomie, die diesen ihren Namen verdienen will, darf ihr System nicht mit der Wertlehre beginnen, vielmehr kommt dieser ihre Stelle erst am Ende zu. O h n e die Kenntnis des sozialen Gebildes, in dem die Wertfunktion ihre Rolle spielt, bleibt alles Mühen um die Lösung des vielumstrittenen Wertproblems umsonst, m i t jener Kenntnis, wenn sie gelingt, muß uns der Schlüssel aller Welträtsel von selbst in den Schoß fallen. Nur die Totalitätsbetrachtung kann hier zum Ziele führen. Hierzu vgl. u. a. .Zweck', S. 737, 203, 209, .Grundzüge', S. 201 ff., .Wesen und Ziele', S. 40 ff., " in „Die Krisis in der heutigen Nationalökonomie", Jena 1925, S. 41.
124 Literatur, insbesondere auf die erkenntniskritischen Arbeiten v. G o 111 s und Max W e b e r s verwiesen. Wir erkennen das „Gesetz" als erkenntnistheoretisches Hilfsmittel in dem Sinne einer „Tendenz" an. Der Nachweis zweckmäßig verlaufender Naturvorgänge ist durch die Naturwissenschaft zur Genüge erbracht worden und wird durch die tägliche Erfahrung bestätigt. Auch bei dem Naturgesetz als „der Formel für einen empirisch beobachteten Funktionalzusammenhang" einer „Differenzialgleichung" 2) handelt es sich nur um eine relative Allgemeingültigkeit, um einen Partialgedanken im Verhältnis zum Gesamtablauf, dessen erkenntnistheoretische Wurzel im Prinzip des kleinsten Kraftmaßes ruht, wenn auch in den meisten Fällen von weit größerer Dauer als viele Partialgesetze sozialen Geschehens. Z. B. würde das N e w t o n sehe Fallgesetz als Folge der Adhäsionskraft der Erde: daß beim freien Fall jeder Körper in der Zeiteinheit eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung hat — und zwar haben a l l e Körper dieselbe Geschwindigkeit im luftleeren Raum, dagegen im lufterfüllten eine wegen des Reibungswiderstandes verschiedene —, nur dann eine Negierung erfahren, wenn im Weltensystem irgendeine Änderung eintreten würde. Wesentlich hypothetischeren Charakter haben die individualpsychologischen und sozialen Gesetze; letztere mehr in der zusammengesetzten Form als Erkenntnis der Tendenz zukünftigen Gesamtgeschehens als in der Aufzeigung von Teilerscheinungen. Trotz der zunehmenden Erkenntnis der „Subjektivität" des menschlichen Handelns wurde die Fragestellung vielfach verschoben. Anstatt das „Gesetz" als das E r g e b n i s des Erwägens und Handelns des Menschen anzusehen, betrachtete man das Handeln des Menschen als ein Handeln n a c h einem „Gesetz", zum Unterschied von dem Handeln nach einem Prinzip, z. B. dem kategorischen Imperativ K a n t s oder dem Prinzip des kleinsten Mittels. Die sich an zahllosen verschiedenartigen Objekten orientierenden Erwägungen des Einzelnen können sich in der jeZusammengefaßt in dem Sammelwerk: „Wirtschaft als Leben", Jena 1925; von der neueren Literatur über das vorliegende Problem orientiert die Schrift von W. W e d d i g e n : „Theorie des Ertrages", Jena 1927, die mir erst „kurz vor Toresschluß" auf den Schreibtisch kommt; ebenfalls die „Einführung in die Methodenlehre der Nationalökonomie", Wien-Leipzig 1925 von R. K e r s c h a g l und die Arbeit von J. D o b r e t s b e r g e r : „Die Gesetzmäßigkeit in der Wirtschaft", Wien 1927. s ) P o i n c a r é : zit. nach W. S o m b a r t : „Der proletarische Sozialismus", Bd. I, Jena 1924, S. 203.
125 weiligen Zielsetzung widerstreiten, sich ergänzen, sich veristärken, sich aufheben usw.; einige, bestimmt gerichtete, dauernd wiederkehrende Erwägungen können eine „Gesetzmäßigkeit" in der Art des Vorgehens ergeben, aber von rein „subjektivem" Charakter. In diesem Zusatz ist die ganze Problematik psychisch-subjektiver „Gesetze" enthalten. Wir wollen den folgenden Untersuchungen nicht vorgreifen und enthalten uns allgemeiner Erläuterungen. Während man den p s y c h i s c h e n Erwägungen in ihrem besonders gearteten Verlaufe stets nur einen recht bedingten Gesetzescharakter zuzuerkennen vermag, liegt das Problem bei der Berücksichtigung der in die Außenwelt projizierten Handlungen der Einzelnen und der sich aus den Einzelhandlungen ergebenden zwischenmenschlichen Beziehungen wesentlich bestimmter. Aus den rein psychischen „Gesetzen", die selbstverständlich sozial determiniert sein können, ergeben sich aus den verschiedenartigen zwischenmenschlichen Beziehungen die sozialen „Gesetze" in der ü b e r t r a g e n e n Bedeutung, wie wir sie bei der Analyse des Wesens der Erwägungen der Individual(Konsum-)Wirtschafter und der Erwerbswirtschafter (im eigentlichen Sinne) kennen gelernt haben. Die Menschen sind ihrem Triebleben unterworfen und reagieren unter denselben Bedingungen auf Reize in gleicher Weise, doch wie die Pflanzen- und Tierwelt durch Klima und Raumgebundenheit in Gruppen zerteilt. Doch sind Körper als biologisch-physiologische Substanz und Seele unzertrennlich miteinander verbunden. Somit und im Hinblick auf das Seelenleben allein entbehrt der Gesetzesverlauf durch den vielgliederigen Funktionalzusammenhang psychischer Erscheinungen eines mechanischen Charakters. So ist es nur möglich, gemäß der begrifflichen Analyse des Daseins aus dem Identitätsprinzip der einzelnen Wissenschaften heraus Teilgesetze zu formulieren, doch ohne in Abstraktionen wie z. B. die eines homo oeconomicus oder sociologicus zu verfallen, geschweige sich der so beliebten Gestalt eines Robinson zu bedienen, die für die Begründung einer Wissenschaft anschauungsmäßig ganz zweckmäßig sein mag, aber nunmehr der Kinderfibel zu überlassen ist, als einer Verbindung induktiven und deduktiven Verfahrens, um den W i r k l i c h k e i t s menschen und seine Umwelt zu erfassen zu vermögen. Erst durch diese Methode können wir die Gesamttendenz geschichtlichen Ablaufes begreifen. Dadurch, daß der bis zu einem gewissen Grade mit freiem Willen ausgestattete Mensch zu anderen Menschen notwendigerweise in Beziehung tritt und bleiben muß, die Faktoren
126 eines vielverschlungenen Prozesses sind, wird der freie Wille in Bahnen gelenkt, die ihn gewissermaßen in der Gesamtbewegung als aktives Teilchen derselben untertauchen lassen. Gewohnheitsmäßig orientiert der einzelne sich z. B. an der Preisbildung, begrenzt in seinen Wertschätzungen und Entschlüssen durch das aus derselben resultierende Einkommen, an dem herrschenden Rechte, an der Religion als Dogma, der herrschenden Kunst, die sämtlich ihrerseits Ausflüsse menschlicher Beziehungen sind. Diese Richtschnuren menschlichen Handelns ergeben den Prozeß als M a s s e n b e w e g u n g , m der die Partialgesetze als Ausdruck psychischer Erwägungen eine verschiedene Bedeutung im Hinblick auf die Gesamtrichtung der Bewegung einnehmen, worin der Zwiespalt zwischen der Willensfreiheit und der bewußten oder unbewußten Anpassung an den sozialen Verlauf infolge Eingliederung in eine überindividuelle Zusammenfassung (Gruppe, Gemeinschaft, Gesellschaft) eine relativ geringe Rolle spielt. Qualitative Unterschiede werden verwischt und werden gleichsam zu Quantitäten 1 ). b) D a s
Gesetz
des A u s g l e i c h s der G r e n z erträge. Der Mensch geht in der Erwägung über die Befriedigung seiner Bedürfnisse im Verhältnis zu seinem beschränkten Arbeits- oder Fassungsvermögen so vor, daß er einer möglichst großen Anzahl von Bedürfnissen gerecht zu werden vermag. Die Art der Bedürfnisskala ist ein ethnologischsoziologisches Problem. Die Erfahrung lehrt den Menschen, daß er sein Ziel nicht erreicht, wenn er der Befriedigung e i n e s Bedürfnisses relativ viel Vermögensmacht (in umMit dem Begriff „Gesetz" in dem von uns anerkannten Sinne ist keineswegs die Freiheit des „menschlichen Willens und Handelns an sich" verneint. Dabei ist aber das Problem der A u s w i r k u n g s m ö g l i c h k e i t dieser „Freiheit" zu beachten. Bs ist nicht richtig, wenn u. a. K. M u h s : „Allgemeine Volkswirtschaftslehre" in Die Handelshochschule. Lehrbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. 2, Kap. 5, Berlin 1928, S. 570 in ihrer Absolutheit die Worte ausspricht: „Anerkennt man die Geltung ökonomischer und sozialer Gesetze, so bedeutet das, daß die Freiheit des menschlichen Handelns verneint wird, denn Gesetz und Willensfreiheit schließen einander aus". Soweit unsere diesbezüglichen Darlegungen Karl M u h s evtl. nicht überzeugen sollten, sei u. a. auf die kleine, vom allgemein-erkenntnistheoretischen Standpunkt aus verfaßte Studie von R. D r i l l : „Nationalökonomie und Willensfreiheit" in der Festschrift für Lujo B r ei n t a n o zum 70. Geburtstag, München-Leipzig 1916 verwiesen, lediglich — neben den bereits hier und teilweise im Literaturverzeichnis erwähnten Schriften — als kleiner Fingerzeig auf die tiefere Problematik des besagten Sachverhaltes.
127 fassendem Sinne) widmet. Er wird sich „ausrechnen", wann er die Befriedigung eines Bedürfnisses abbrechen muß, um zu der Befriedigung eines anderen überzugehen. Das Erkennen der rein „subjektiven" Notwendigkeit des Abbrechens der Bedürfnisse gewinnt „Gesetzes"charakter, insofern als der Mensch dann stets der gewonnenen Erkenntnis gemäß — mehr oder weniger bewußt — erwägen und handeln wird. Das „Gesetz" ist nicht Richtschnur für die Erwägungen, sondern eine F o l g e derselben. In der Aufstellung des Wirtschaftsplanes ist bereits der Grenzgedanke enthalten, hier im Sinne des G r e n z e r trages. Wirtschaften heißt: Nutzen und Kosten im Zusammenhang mit der gesamten Bedürfnisskala vergleichen und entsprechend handeln. Das bedeutet nichts anderes, als daß der Nutzen im Verhältnis zu den Kosten im Hinblick auf die Befriedigung eines Bedürfnisses nicht geringer sein kann als der Nutzen relativ zu den Kosten bei der vorgestellten oder tatsächlichen Befriedigung eines anderen, verschiedenartigen Bedürfnisses. Die psychischen Grenzerträge im Hinblick auf die verschiedenen Bedürfnisse müssen einander ausgleichen. Im Sinne der Ertragstheorie gesprochen, ist Wirtschaften gleichbedeutend mit dem Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge 1). Oben bemerkten wir das Wesen des Überganges individual-(konsum-)wirtschaftlicher Erwägungen in die Sozialwirtschaftssphäre. Der Preis als sozialpsychisches Phänomen ist das äußere Objekt der Erwägungen. Es ergibt sich die Linie: früherer Preis (als Anknüpfungspunkt) — roher Preis (als Ausdruck des Sich-Einspielens der Marktparteien) — tatsächlich gezahlter Preis (als Ergebnis der Wertungen). Durch den erwähnten Übergang wird das „Werten" in eine höhere Ebene verlegt. Man kann sich das so vorstellen, daß diese Ebene, in der sich die Marktwertungen vollziehen, der Ebene überlagert ist, in der die unvergleichbaren, rein psychischen Erwägungen, das in jedem einzelnen Wirtschafter ruhende Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge vor sich gehen. Der einzelne Konsumwirtschafter sucht in der Befriedigung seiner Marktbedarfsskala (als Teil seiner gesamten Bedürfnisskala) im Hinblick auf j e d e s Befriedigungsmittel den höchstmöglichen Ertrag zu erzielen. Es entsteht ein % ) Dieser Satz wird im Verlaufe der Untersuchung, insbesondere im Schlußkapitel klarer werden.
128 Konkurrenzkampf der einzelnen Konsumwirtschafter untereinander, der ein Gegenspiel der untereinander konkurrierenden Erwerbswirtschafter auslöst. Das Ergebnis ist, daß gerade noch ein Konsumwirtschafter bei einem bestimmten Preise den höchstmöglichen Konsumertrag erzielen wird, andererseits ein Erwerbswirtschafter zu diesem Preise noch in der Lage ist, das betreffende Gut herzugeben. Der rohe Preis ist zum tatsächlichen Preis geworden. Während in der besagten, unteren Ebene der Grenzkonsumertrag eine bei j e d e m Wirtschaftssubjekt vorkommende Erscheinung ist, wird das „Bild" in der Marktsphäre verändert. Dort wird der Grenzkonsumertrag des Grenzkonsumwirtschafters im Hinblick auf e i n Bedarfsbefriedigungsmittel zugleich tauschwirtschaftlicher Grenzertrag. So bilden sich in der Marktsphäre so viele tauschwirtschaftliche Grenzerträge wie Bedürfniskategorien „angemeldet" sind. Entsprechend ergeben sich Grenzerwerbswirtschafter, die gerade noch eben einen Austausch von Gütern oder Geld im Hinblick auf die Höhe ihres Geldertrages zulassen können. Dadurch daß jeder Konsumwirtschafter im Verhältnis zu seiner Kaufkraft eine möglichst große Menge jedes nach der Dringlichkeit gewerteten Bedürfnisbefriedigungsmittels erhalten möchte, jeder Erwerbswirtschafter die relativ zu der Dringlichkeitsskala bestmögliche Verwendung der Kapitalmenge oder Produktionsmittel, also einen möglichst hohen Gesamtgeldertrag durch Erhöhung des Preises der Einheit oder durch eine vermittels Senkung der Produktionskosten ermöglichte Vermehrung der verkauften Einheiten erstrebt, ergibt sich eine Notwendigkeit, die die Käufer wie Verkäufer zwingt, die Bedürfnisbefriedigung bzw. Ermöglichung derselben so zu gestalten, daß die psychischen bzw. rechenmäßigen Grenzerträge jeder Bedarfskategorie ungefähr einander gleich sind, d. h. e i n G e s e t z d e s A u s g l e i c h s d e r G r e n z e r t r ä g e 1 ) , als exaktester Ausdruck wirtschaftlichen Erwägens und Handelns im Hinblick auf die gesamte Bedürfnisskala der Konsum-(Individual-)Wirtschaft bzw. der sich darauf einstellenden Erwerbswirtschaft. Das rein psychische Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge erweitert sich zu dem w e s e n s v e r s c h i e d e n e n Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge der Marktsphäre. Zu der Wesensverschiedenheit kommt das Moment, daß es sich bei dem rechenmäßigen Ausgleich der Grenzerträge in !) L i e f m a n n : „Grundsätze der Volkswirtschaftslehre", Bd. I und II.
129 der Erwerbawirtschaftsspbäre nur um den G e s a m t e r t r a g (oder -gewinn) des Grenzerwerbswirtschafters eines Erwerbszweiges handeln kann. Denn der Risikoausgleich i n n e r h a 1 b der Unternehmung bleibt der Initiative des Erwerbswirtschafters überlassen. Der tauschwirtschaftliche Grenzertrag wird von a l l e n Wirtschaftssubjekten v e r s c h i e d e n gewertet. Die auf Grund des L i e f m a n n sehen Ertragsbegriffs dargetanen Ausführungen sind (rein sachlich gemeint) unabhängig von den diesbezüglichen Gedankengängen L i e f m a n n s 1 ) erarbeitet worden, um in der Sichtweite klarer die logischen Folgerungen des psychischen Ertragsbegriffes zu erkennen *)• Wie verschiedentlich erwähnt, ist L i e f m a n n der Ansicht, daß das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge identisch ist mit dem ökonomischen Prinzip. Um zu diesem Problem Stellung nehmen zu können, müssen wir zunächst an L i e f m a n n s Beweisführung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge und die verschiedenen Kritiken herantreten. Vorher mag noch kurz eine Streitfrage erledigt werden. L i e f m a n n hat sich durch die verschiedentlich falsche Anwendung des „Gleichgewichtsgedankens" (z. B. in bezug auf Angebot und Nachfrage) und in seiner Abneigung gegen jede mathematische Formulierung psychisch-dynamischer Vorgänge dazu verleiten lassen, den Gedanken des „wirtschaftlichen Gleichgewichts" aus der nationalökonomischen Theorie zu verbannen. Diese Frage ist nur dann zu klären, wenn man die Grundauffassung bezüglich des Problems „Wirtschaften" bei den einzelnen Lehren berücksichtigt. Während die subjektiv-psychisch fundierte Theorie notwendigerweise in dem Sinne zu verstehen ist, wie es aus unseren bisherigen Ausführungen hervorgeht und die nachfolgenden Gedankengänge unter Klarstellung des Wesens des psychischen Erwägens darzulegen versuchen, sieht z. B. Joseph S c h u m p e t e r das Wesen des Wirtschaftens lediglich in dem Funktionalzusammenhang der Gütermengen, wenn wir nur die Theorie der Statik ins Auge fassen: (Über den grundlegenden Tatbestand der „Entwicklungstheorie siehe L i e f m a n n : „Grundsätze" Bd. II, u. a. S. 222 ff. ) Der Leser möge bedenken, daß es sich im Rahmen dieser Arbeit nur um die G r u n d gedanken des L i e f m a n n sehen Systems handelt. Die vollkommene Würdigung kann erst durch das Eingehen auf die Preistheorie erfolgen. 9 K l u g , Ausgleich der Grenzerträge. a
130 "wird an gegebenem Orte noch eine kurze, aber wesentliche Bemerkung gemacht werden.) Dieser Standpunkt ermöglicht es S c h u m p e t e r , das Marktgetriebe gleichsam von oben aus zu betrachten; hinter den Veränderungen der Güterquantitäten steht die Größe des Angebotes und der Nachfrage, die nicht weiter zerlegt werden. Demnach ist r e i n ä u ß e r l i c h der Tatbestand des „wirtschaftlichen Gleichgewichts" gleichbedeutend mit dem „Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge". Über den inneren Tatbestand beider Formulierungen orientieren unsere fraglichen, obigen und nachfolgenden Bemerkungen. Es ist also nicht richtig, wenn L i e f m a n n bei dem Problem des Gleichgewichtszustandes ohne weiteres von einer t e c h n i s c h e n Erscheinung spricht. Andererseits ist es notwendig, bei der Behandlung der herausgestellten Unterscheidungen sich der Wesensverschiedenheit der Phänomene bewußt zu sein, um so mehr wenn das Problem der „quantitativen Geldrechnung der Erwerbswirtschafter" so gesehen werden muß, wie wir es oben zu klären versucht haben. Wenn man das Teilsystem S c h u m p e t e r s mit den Ausführungen B a r o n e s 1 ) vergleicht, so tritt die Verwandtschaft beider Meinungen über das fragliche Problem und seine Identität mit dem „Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge" in dem vorgetragenen Sinne klarer hervor. Dabei ist selbstverständlich stets der Verschiedenartigkeit in der Grundauffassung vom Tatbestand des Wirtschaftens zu gedenken. E. B a r o n e - Staehle: „Grundzüge der Theoretischen Nationalökonomie", Bonn 1927.
II.
Besonderer
Teil.
C. Darstellung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge. In dem vorliegenden Abschnitt haben wir nun darzustellen, wie Robert L i e f m a n n den Beweis für die Richtigkeit des „wichtigsten Satzes der ökonomischen Theorie" erbringt; dieses „Gesetz" zum Unterschiede von dem G o s s e n sehen „Gesetz des Ausgleichs der Grenzgenüsse" und dem „Gesetz vom Ausgleich des Grenznutzenniveaus" der Grenznutzentheorie, unter Berücksichtigung des eben erwähnten Problems des „wirtschaftlichen Gleichgewichts" auf dem Markte. Es ist oben kurz auf die Bedeutung des „Gesetzes"begriffes hingewiesen worden, auch im Hinblick auf den Sinn, den L i e f m a n n dem besagten „Gesetze" beimißt. Bedingung für die Aufstellung eines solchen ist das a l l g e m e i n g ü l t i g e Verhalten des Wirtschaftssubjektes •— ohne „wenn" und „aber" — erst recht dann, wenn die Theorie den homo oeconomicus voraussetzt, wie es auch bei L i e f m a n n in Verkennung seiner ganzen P r o b l e m stellung der Fall ist 1 ). Das Abwägen von Nutzen und Kosten im Hinblick auf die gesamte Bedürfnisskala und das entsprechende Handeln sind a l l g e m e i n g ü l t i g , sie sind eine dem Menschen inhärente Eigenschaft. Der G r a d der Differenziertheit der Bedürfnisskala und der Ausbildung der Vernunft sind ein historisch-ethnologisches Phänomen, das die ökonomische Theorie nicht interessiert. Das sich aus dem wirtschaftlichen Ertragsstreben des Einzelnen ergebende „Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge" ist rein „ s u b j e k t i v " aufzufassen, eine „objekt i v e " Bedeutung erhält es in dem Marktverkehr durch das sich an dem P r e i s orientierende Ertragsstreben. Das Grenzertragsgesetz innerhalb des Tauschmechanismus' als geldrechenmäßiges „Gesetz" ist ein T e i l des rein x ) Gerade bei der Beweisführung des „wichtigsten Satzes der ökonomischen Theorie" argumentiert L i e f m a n n mit dieser Figur: „Dabei ist eine genaue Befolgung des wirtschaftlichen Prinzips natürlich keineswegs bei jeder in den Tauschverkehr verflochtenen Wirtschaft vorausgesetzt. Wenn wir hier das Handeln (?) eines homo oeconomicus untersuchen, um uns über die Natur der wirtschaftlichen Erwägungen (I) Klarheit zu verschaffen, so besagt das nicht, daß wir nun im Tauschverkehr a l l e Menschen als streng in dieser Weise handelnd (?) voraussetzen. Wir betrachten später ja überhaupt nicht mehr die einzelnen Menschen sondern die eigenartigen B e z i e h u n g e n zwischen ihnen. Natürlich muß auch dabei, wie in jeder Wissenschaft, abstrahiert und typisiert werden". A . a. O. Bd.I. S. 401, Anm.l. 9*
132 p s y c h i s c h e n Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge und hat als solches lediglich h i s t o r i s c h e Gültigkeit, wenn es auch in dieser Form infolge der Allpreisgebundenheit mehr auf den Namen „Gesetz" Anspruch erheben kann als das nichtpreisgebundene psychische „Gesetz". Im Hinblick auf die Allgemeingültigkeit des letzteren sei auf unser Beispiel: Wirtschaften als P r o b l e m zu sehen, hingewiesen, wie es sich mit Notwendigkeit aus der psychischen Grundlegung des Wirtschaftens ergibt. Es ist deswegen auch falsch, wenn L i e f m a n n in der A b s o l u t h e i t die Worte ausspricht: „Wenn ich eine Fahrt auf der Trambahn machen will, frage ich mich doch nicht erst, ob der Ertrag, das Verhältnis von Nutzen und Kosten hier günstiger ist, als wenn ich mir eine Zeitung oder eine Zigarre kaufe. Und wenn ich einen Theaterplatz für 5 Mark kaufe, überlege ich nicht erst (?), ob ich nicht in irgend einer anderen Weise im Verhältnis zu diesen Kosten einen höheren Nutzen erzielen könnte, ob ich nicht statt dessen eine Krawatte, eine Flasche Wein, ein Buch, ein Paar Handschuhe oder tausend andere Dinge mit größerem Ertrage kaufen könnte. Daraus ist zu sagen: Eine einzelne solche Ausgabe spielt im Verhältnis zu meinem Einkommen eine so geringe Rolle, daß ich hier in der Tat nicht den höchsten Ertrag genau abzuwägen brauche ( ? ) . Ich weiß, daß die Kosten für alle wichtigen Bedürfnisse durch mein Einkommen sichergestellt sind, so daß ich solche kleinen Ausgaben von Zeit zu Zeit ohne eine scharfe Vergleichung mit den Erträgen, die ich bei irgendwelcher anderen Verwendung der Summe erzielen könnte, vornehmen kann. Ich überlege mir hier nicht lange die Intensität dieses Bedürfnisses, sondern ich folge einem momentanen Impulse beim Einkauf, weil ich weiß, daß diese Ausgaben meine Bedarfsversorgung nicht beeinträchtigen. Sie werden nur insofern überhaupt in den Rahmen meines Wirtschaftsplanes hineingestellt, als ich mich vorher vergewissern muß, daß für meine wichtigsten Bedürfnisse noch genügend Mittel reserviert sind. Daß das aber möglich ist, hat vor allen Dingen darin seinen Grund, daß einerseits u ns er e w ich t igs t e n Bedürfnisse selbst, andererseits aber die Aufwendungen d a f ü r , d i e K o s t e n , s e h r s t a b i l zu s e i n p f l e g e n . So ist das Wirtschaften heute zu einem großen Teil eine Sache der E r f a h r u n g . Der weitaus größte Teil aller Bedürfnisse wiederholt sich ja immer wieder; nicht nur längere Wirtschaftsperioden in Betracht gezogen, sondern auch bei der kürzesten, dem Tage, kehrt eines der wichtigsten Bedürfnisse, das Nahrungsbedürfnis, immer wieder. Vor allem aber sind schon in der Naturalwirtschaft, besonders aber in der Geldwirtschaft auch die K o s t e n verhältnismäßig stabil 1 )." „Bei den w i r t s c h a f t l i c h e n Erwägungen handelt es sich nur um vorgestellte, erfahrungsgemäße Bedürfnisse, die schon in eine L i e f m a n n : a . a . O . S. 398/99.
133 Rangordnung gebracht werden nach Maßgabe der in sehr verschiedener Weise wachsenden Dringlichkeit, mit der sie bei Nichtbefriedigung empfunden werden. Bei dieser Rangordnung sind aber die erfahrungsgemäßen Kosten ebenfalls schon mit in Betracht gezogen. Man weiß z. B., daß das Nahrungsbedürfnis dasjenige ist, das, wenn es nur eine kurze Zeit unbefriedigt bleibt, sehr rasch an Dringlichkeit gewaltig wächst. Deswegen braucht es aber in der Rangordnung der Bedürfnisse nicht unbedingt an erster Stelle zu stehen (? ), sondern man weiß, daß man es in normalen (? ) Zeiten mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand von Mitteln ziemlich vollkommen befriedigen kann, und diese erfahrungsgemäßen Kosten werden bei den nur vorgestellten Bedürfnissen gewissermaßen gleich mitempfunden. Das mag der wirkliche Kern sein, der zugrunde liegt, wenn man neben den Bedürfnissen noch einen besonderen B e d a r f unterscheiden will. Dennoch ist es natürlich durchaus verkehrt, wie es die bisherige Anwendung dieses Begriffes tat, darunter eine zahlenmäßige und quantitativ gegebene Nachfrage zu verstehen. Vielmehr gilt auch für die erfahrungsgemäßen, bloß vorgestellten und schon mit Rücksicht auf die aufzuwendenden Mittel kalkulierten Bedürfnisse, also den Bedarf in diesem Sinne, das Gesetz des abnehmenden Nutzens. Der Umfang, in dem nun Bedürfnisse befriedigt, Nutzen erzielt werden, steht noch nicht fest. Ich weiß nur, daß ich erfahrungsgemäß mein Nahrungsbedürfnis so befriedigen kann, daß ich nicht alle meine Aufwendungen dafür zu machen brauche, sondern auch an die Befriedigung verschiedener anderer Bedürfnisse denken kann. In welchem Umfange nun tatsächlich Kosten aufgewendet und auf die verschiedenen Bedürfnisse verteilt werden, das bleibt trotz aller Erfahrung immer noch die zu lösende wirtschaftliche Aufgabe 1 )." Andererseits betonte ich schon, daß für ganz kleine Ausgaben eine scharfe Kalkulation, ein genaues Feststellen der Erträge nicht nötig ist, weil selbst ein Irrtum über die Intensität solcher Bedürfnisse unsere Wohlfahrt nicht wesentlich beeinflußt. Daher werden solche Handlungen gar nicht in unseren eigentlichen Wirtschaftsplan hineingezogen (?), ich stelle in der Regel keine wirtschaftlichen Erwägungen an, wenn ich mich entschließe, auf der Trambahn zu fahren. Nichtsdestoweniger kann das bei Leuten mit sehr geringem Einkommen (? ) erforderlich sein. Die wirtschaftlichen Überlegungen, das scharfe Kalkulieren, die genaue Vergleichung von Nutzen und Kosten treten erst ein sozusagen a n d e n R ä n d e r n d e r B e d a r f s b e f r i e d i g u n g 2 )." *) L i e f m a n n : a . a . O . S. 400/01. 2 ) Ebenda S. 404. Es ist eine nicht allzu unbekannte Tatsache, daß gerade in kleinen Dingen die bessergestellten Einkommensbezieher beginnen zu „rechnen", außerdem ist v o r h e r bereits überlegt, welcher Teil des Einkommens für die „Kleinigkeiten" des täglichen Lebens verbleibt. So wirtschaftet z. B. der jeweilige Fürst von Albanien, wenn er nach dem Regierungsantritt auf einem Maulesel mit Gefolge auf „goldbeladenen" Maultieren durch das Land reist und unter seine Untertanen Dukaten verstreuen läßt, nicht, aber er hat v o r h e r überlegt, welchen Teil seines Vermögens und Einkommens er dieser Sitte opfern kann. Diese Handlung als Teil eines Wirtschaftsplanes mag für ihn zugleich eine sportliche Belustigung oder die Stärkung seines Herrschergefühles und seiner Fürstenmacht sein, die wohl auch ehemaliges Motiv dieser Sitte gewesen ist.
134 „Infolge der Stabilität der Kosten im heutigen Tauschverkehr, wenigstens vor dem Kriege, weiß ein Arbeiter, daß er 300 Mark von seinem Einkommen auf eine Wohnung für sich und seine Familie verwenden muß und im Rahmen aller seiner Bedürfnisse auch verwenden kann. E r weiß, daß eine Wohnung das dringendste ( ? ) Bedürfnis ist, auf das er 300 Mark von seinem Einkommen verwenden kann, dasjenige, welches ihm, verglichen mit den Kosten, den größten Nutzen, also den höchsten Ertrag liefert." „ E s kommt beim wirtschaftlichen Handeln (I ) auf die 1 e t z t e n Kostenaufwendungen an, die für jedes einzelne Bedürfnis aufgewandt werden können, und die E r t r ä g e , der Überschuß an Nutzen, den man m i t d i e s e n l e t z t e n Kostenaufw e n d u n g e n erzielt, verglichen werden. D i e s e n E r t r a g d e r letzten Kosteneinheit, die auf jedes Bedürfnis v e r w e n d e t wird, nennen wir den Grenzertrag, und wir sind jetzt schon zu einem Ergebnis gelangt, das für das wirtschaftliche Handeln überhaupt und dann insbesondere für die Erklärung der Preisbildung von der allergrößten Bedeutung i s t : der Ertrag, und zwar der G r e n z e r t r a g , b e s t i m m t d i e Kosten, die als l e t z t e auf die B e f r i e d i g u n g eines jeden Bedürfnisses verwendet werden können. Ich erinnere hier schon daran, daß die Frage in der bisherigen Theorie, ob der , W e r t ' oder Preis durch die Kosten bestimmt werde, oder ob umgekehrt die Kosten den , W e r t ' oder den Preis bestimmen, eine der Hauptstreitpunkte war, an den der Gegensatz von objektiver und subjektiver .Wertlehre' vor allem anknüpft. E s sei hier schon betont, daß unser Ergebnis, wonach der E r t r a g , d. h. der G r e n z e r t r a g , der mit der letzten aufgewandten Kosteneinheit erzielt werden kann, die Aufwendung der Kosten bestimmt, schon zeigt, daß beide unrecht haben. Die Kosten sind nicht von vornherein gegeben, können daher auch nicht den , W e r t ' oder Preis bestimmen, sondern in welchem Umfange sie aufgewendet werden, das wird eben durch den E r t r a g , den Überschuß von Nutzen über die Kosten, bestimmt. Das gilt nun auch für den Tauschverkehr und ist hier die Erklärung der Preisbildung, ohne daß Nutzen und Kosten, dort Nachfrage und Angebot genannt, als fix und gegeben angenommen werden x ) . "
Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge beweist L i e f m a n n folgendermaßen; in dem Bewußtsein, daß Zahlenbeispiele die psychische Grundlegung der Theorie Mißverständnissen auszusetzen geeignet sind. Um das Problem zu vereinfachen, erscheinen die Kosten zunächst nicht als Geldsumme, sondern als A r b e i t s m ü h e . „Unsere Zahlen werden weniger leicht mißverstanden werden, wenn wir betonen, daß sie auf beiden Seiten rein psychische, niemals zahlenmäßig erfaßte Vorgänge nur versinnbildlichen sollen. Wenn wir also sowohl die Bedürfnisse als auch die zu ihrer Befriedigung erforderlichen Arbeitsanstrengungen in Zahlen ausdrücken, so ist dabei zu beachten, daß in Wirklichkeit sich die Unlustempfindungen auf beiden Seiten, die verglichen werden, nicht zahlenmäßig erfassen lassen. Der L i e f m a n n : a . a . O . S. 406.
135 Wirtschafter kommt über allerdings sehr fein ausgebildete Empfindungen von Gradunterschieden in der Stärke der verschiedenen Bedürfnisse und der aufzuwendenden Anstrengungen nicht hinaus. Aber diese Empfindungen ermöglichen doch eine sehr genaue, natürlich rein gefühlsmäßig bleibende Erfassung des Verhältnisses bzw. des Überschusses von Nutzen und Kosten, der Erträge. Nehmen wir also an, jemand habe drei Bedürfnisse A, B, C, die er mit Gütern befriedigt, die man in Einheiten zerlegen kann und von denen er Bedarf nach mehreren Einheiten hat, also z. B. Äpfel, Birnen und Zitronen. Nach dem Gesetz des abnehmenden Nutzens bei zunehmender Bedürfnissättigung schätzt er jede folgende Einheit jedes Gutes geringer als die vorhergehende. Wenn wir nun für die Bedürfnisse und ihre abnehmende Stärke Ziffern einsetzen, so bringen sie zum Ausdruck, daß einmal das Bedürfnis für die erste Einheit bei allen dreien verschieden stark ist, und daß andererseits die Abnahme der Stärke in sehr verschiedener Weise, unter Umständen auch ganz sprunghaft, erfolgen kann. Das Gleiche gilt natürlich umgekehrt von den K o s t e n . Wir nehmen als solche Arbeitsmühe, damit deutlich hervortritt, daß sie als U n l u s t e m p f i n d u n g e n mit Aufwendung jeder weiteren Einheit, einer Arbeitsstunde, an Stärke zunehmen. (Bei einer Geldsumme als Kostengut würde, aus Gründen, die wir im Abschnitt über die Kosten vorführen werden, jede Einheit gleich geschätzt werden.) Für die drei Bedürfnisse wollen wir also pro Einheit folgende abnehmende Nutzenskala aufstellen: A 10 8 6 4 0
B 8
c
5
4
4
2 1 0
0
3
Diese Bedarfsempfindungen oder Nutzenschätzungen sollen nun befriedigt werden können in der Weise, daß A und B je z w e i Arbeitsstunden pro Einheit erfordert, C aber e i n e Arbeitsstunde. Wir sagten e r f o r d e r t und nicht k o s t e t , denn zwei Arbeitsstunden bzw. eine Arbeitsstunde sind n i c h t d i e K o s t e n i m w i r t s c h a f t l i c h e n S i n n e . Sie sind die K o s t e n f a k t o r e n bzw. die Einheit des Kostenfaktors, das Substrat, an das die Kostenschätzungen anknüpfen. Hier tritt, um es nochmals zu betonen, einer der Fundamentalfehler der bisherigen Theorien zutage, die die Kosten immer q u a n t i t a t i v auffassen. Zwei Arbeitsstunden sind nur technisch das Mittel, eine Einheit des Gutes A oder B herzustellen. Für die w i r t s c h a f t l i c h e Aufgabe, die aber nicht in der H e r s t e l l u n g eines Gutes besteht, wie die bisherige Theorie es auffaßt, sondern in der rationellsten Leistung der Handlungen, in Nutzen- und Kostenvergleichungen,sind nichtzwei Arbeitsstundendie Kosten, sondern die S c h ä t z u n g von zwei Arbeitsstunden, die B e w e r t u n g der damit verbundenen Unlustgefühle. Diese sind aber hinsichtlich ihrer Stärke nicht absolut gegeben, sondern sind schwankend und haben nur das
136 Charakteristische, daß sie mit weiterer Aufwendung an Stärke zunehmen. (Hier ist die tiefste Begründung dafür, daß es unmöglich ist, was alle bisherigen Theorien versuchten, einen einerseits vom Nutzen, andererseits vom Preis verschiedenen allgemeinen , W e r t der Güter' feststellen zu können.) Um diese verschiedene Schätzung der Kosteneinheit hervortreten zu lassen, wollen wir annehmen, daß der Wirtschafter die erste Stunde Arbeit am niedrigsten, nämlich = 1 schätzt, jede folgende Arbeitsstunde um 1 höher. Es sind also die Kosten der ersten Arbeitsstunde = 1, die Kosten der zwei ersten Arbeitsstunden = 3 (nämlich 1 + 2), die Kosten von drei Arbeitsstunden = 6 (nämlich 1 + 2 + 3), von vier Arbeitsstunden = 10 usw. Ich mache nun hier schon darauf aufmerksam, daß die K o s t e n des einzelnen Gutes in unserem Beispiel n i c h t i m g e r i n g s t e n g e g e b e n s i n d . Nur die t e c h n i s c h e n M i t t e l der Güterbeschaffung sind bekannt: eine Arbeitsstunde für ein Gut von C, zwei Arbeitsstunden für ein Gut von A oder B. O b a b e r d e r W i r t s c h a f t e r nun s e i n e A r b e i t s m ü h e auf d i e s e s oder j e n e s G u t w i r k l i c h v e r w e n d e t u n d in w e l c h e m U m f a n g e , das steht ganz in seinem Belieben. D a s z u e n t scheiden ist eben die w i r t s c h a f t l i c h e Aufg a b e . Es ist von der größten Bedeutung für das Verständnis dessen, was unsere Theorie leistet, dies hier schon zu betonen, weil auch in der T a u s c h w i r t s c h a f t , bei Erklärung des P r e i s e s , eben dieses Problem vorliegt. Auch dort sind die Kosten, die von den Erwerbswirtschaften auf jedes Gut verwendet werden, das A n g e b o t , n i c h t v o n v o r n h e r e i n g e g e b e n , wie die bisherige Theorie immer annehmen mußte, sondern in der Erklärung, wieviel Kosten aufgewendet werden, in welchem Umfange es für jedes Gut zu einem Angebot kommt, besteht die Hauptaufgabe der Preistheorie. Wenn wir nun die Kosten, also wiederum nicht die Arbeitsstunden, sondern ihre S c h ä t z u n g , den Nutzenschätzungen gegenüberstellen, so kommen wir zur Frage: wie wird der wirtschaftende Mensch handeln ? Er wird, wie wir wissen, d e n zu e r z i e l e n d e n N u t z e n m i t d e n in K a u f zu n e h m e n d e n K o s t e n v e r g l e i c h e n und seine Tätigkeit da beginnen, w o d a s V e r h ä l t n i s b e i d e r , d e r E r t r a g , am g ü n s t i g s t e n ist. Er wird also zuerst sich C, beschaffen, das ihm einen Nutzen von Stärke 5 bringt, ihm aber nur Kosten von Höhe 1 verursacht. Sein Ertrag ist also 5 pro Einheit. Auch daraus geht wieder hervor, was nach unserer Definition des Wirtschaftlichen eigentlich selbstverständlich ist, daß d e r M e n s c h n i c h t u n t e r a l l e n U m s t ä n d e n das s t ä r k s t e B e d ü r f n i s z u e r s t , ja ü b e r h a u p t b e f r i e d i g t , wie die bisherige Theorie immer meinte, s o n d e r n eben die B e d ü r f n i s s e v e r g l i c h e n mit den Kosten, d i e j e n i g e n , die verglichen mit den Kosten das günstigste Verhältnis zwischen beiden zeigen, d. h. d e n g r ö ß t e n E r t r a g l i e f e r n (von mir gesperrt). Nicht Ax wird zuerst beschafft, das der Wirtschafter am höchsten = 10 schätzt, sondern das nur halb so hoch geschätzte C, weil die Kosten, die bei A, in
137 2, bei C, in einer Arbeitsstunde b e s t e h e n , bei A] = 3, bei C, nur 1 b e t r a g e n . (Die heutige Theorie und der gewöhnliche Sprachgebrauch, die eben technische M i t t e l und wirtschaftliche K o s t e n verwechseln, würden einfach sagen: weil die Kosten bei Aj 2 und bei Bj nur eine Arbeitsstunde . b e t r a g e n ' . Wir wissen jetzt, daß das falsch ist, denn wäre es richtig, so könnte man ebensogut Aj zuerst herstellen.) Aber, wird man sagen, könnte der Wirtschafter nicht gerade so gut oder sogar richtiger Aj herstellen, daß er sehr viel höher als Cj schätzt und daß nur zwei Stunden Arbeit erfordert ? Ja, wenn der Wirtschafter die zweite Stunde Arbeit nur gerade so als Unlustgefühl bewertete wie die erste, hätte er zwischen Aj und C] die Wahl. Denn Aj schätzt er 10, es kostete ihn dann 2, sein Nutzen ist also auch wiederum 5 pro Kosteneinheit. Aber er empfindet eben die zweite Arbeitsstunde schon stärker als Unlustgefühl als die erste, nämlich = 2, die b e i d e n ersten Arbeitsstunden erzeugen ihm also ein Unlustgefühl = 3, und das Verhältnis von Nutzen und Kosten ist daher bei A, wie 10 : 3, der Ertrag also, der Überschuß von Nutzen über Kosten = 3VS pro Kosteneinheit. (Ich betone nochmals, daß wir mit unseren Zahlen die erste Arbeitsstunde = 1 angenommen haben, während der wirtschaftende Mensch natürlich keinen Ausdruck für seine Unlustempfindungen hat. Es genügt für ihn aber, seine Unlustempfindungen, also die Last jeder einzelnen Arbeitsstunde in i h r e r V e r h ä l t n i s m ä ß i g k e i t zueinander und zu den Bedürfnissen feststellen zu können, und da es das Verhältnis 5 : 1 offenbar günstiger als 10 : 3). Denn die Kosteneinheit ist eben nicht die Arbeitsstunde, sondern die S c h ä t z u n g dieser Arbeitsstunde ; die ist aber für jede Arbeitsstunde verschieden. Will man nun die Erträge nicht als bloßes Verhältnis ausdrücken, also z. B. 10 : 3, 5 : 1, 4 : 2, 8 : 3 usw., sondern in e i n e r Ziffer, wie wir es hier zur Veranschaulichung tun, so muß man sie natürlich auf die ziffernmäßige Einheit bringen. Der wirtschaftende Mensch aber begnügt sich mit seiner Empfindung des Verhältnisses von Nutzen und Kosten, er weiß, daß er zwar das Gut Ax sehr viel höher schätzt als das Gut C t , daß aber seine Kosten für das erstere verhältnismäßig noch höher sind, so daß er das zweite Gut, hier Cj, vorzieht. Wenn der Wirtschafter sich also zuerst mit Aufwand e i n e r Arbeitsstunde und den Kosten von 1 einen Nutzen von 5 verschafft hat, während er bei A1 zwar einen Nutzen von 10, aber mit Kosten von 3 erzielt hätte, wie setzt er nun seine Tätigkeit fort? Woraus wendet er die zweite und eventuell die dritte Arbeitsstunde, die er jede für sich = 2 bzw. 3, zusammen also = 5 schätzt? Bei Cj beträgt der zu erzielende Nutzen 4, die Kosten sind 2, der Nutzen beträgt also = 2 pro Kosteneinheit. Bei Aj beträgt der zu erzielende Nutzen = 10, die Kosten sind 5, der Nutzen ist also auch = 2 pro Kosteneinheit. Er könnte also sowohl C, als Aj mit gleichem Ertrage an zweiter Stelle herstellen. Vielleicht würde er Cj vorziehen, daß ihm j a s c h o n n a c h e i n e r weiteren Stunde einen Nutzen gewährt, während er bei Aj ihn erst nach zwei Stunden erhält. Aber er wird finden, daß, wenn er sich an zweiter Stelle A, beschafft, er in der vierten Stunde überhaupt kein Gut mehr hat, das ihm die Kosten, die mit der vierten Arbeits-
138 stunde verbunden sind, deckt. Stellt er sich aber in der zweiten Stunde Cj her, so kann er in der dritten und vierten Arbeitsstunde immer noch wirtschaftlicherweise sich Aj beschaffen. Der Nutzen von A, ist nämlich = 10, die Kosten der Herstellung sind in der dritten und vierten Arbeitsstunde = 3 + 4 = 7, der Nutzen pro Kosteneinheit, der Ertrag, also 1 s / 7 . Damit ist aber dann die wirtschaftliche Tätigkeit beendet. Denn jede folgende Arbeitsstunde würde dem Wirtschafter bei keinem der drei Güter mehr einen die Kosten übersteigenden Nutzen liefern. Entscheidend für das wirtschaftliche Handeln ist also der E r t r a g . Er gibt ihm die Richtschnur. Der Wirtschafter muß die Befriedigung seiner Bedürfnisse in der Weise vornehmen, daß er den absteigenden Erträgen folgt. Dann erzielt er in jedem Augenblick im Verhältnis zu seinen Kosten — und nichts anderes bedeutet ja der Ertragsbegriff — das höchste Maß von Bedarfsbefriedigung. Statt vom Ertrag könnte man auch von r e l a t i v e m Nutzen sprechen. Aber der Ertragsbegriff ist zweckmäßiger, weil er dann in den Erwerbswirtschaften wiederkehrt." „Die Konsumwirtschaften e r s t r e b e n aber keinen Ertrag (? ). Ertrag ist nicht ihr Ziel (? ), selbstverständlich nicht, denn Ertrag ist ja nur ein Ausdruck für eine Relation (?). Das Ziel ist auch bei den Inhabern besonderer Erwerbswirtschaften Bedarfsbefriedig u n g , Nutzen. Aber nicht der absolute Nutzen, sondern der r e l a t i v e N u t z e n , und den nennen wir eben E r t r a g . Wir geben ihm einen besonderen Namen nur mit Rücksicht auf die Vorgänge bei den Erwerbswirtschaften, wo als absoluter Nutzen und häufig, nicht immer, auch als Kosten Geldsummen auftreten und der relative Nutzen oder Ertrag als Geldreinertrag eine große Rolle spielt, nicht nur als Grundlage der dahinterstehenden Konsumwirtschaften, die damit als ihrem Einkommen rechnen, sondern auch als der entscheidende Faktor für das Angebot im Tauschverkehr 1 )." „Daß die Erwerbswirtschaften bei derrein quantitativen Betrachtung der G e l d g e w i n n e stehen bleiben, darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese doch von den Inhabern der Erwerbswirtschaften als Einkommen subjektiv (auch sonst: siehe unsere obigen diesbezüglichen Ausführungen, der Verf.) bewertet werden und daß auch dann die Geldsumme nur in Wirklichkeit ein Relationsausdruck ist. Der Ertrag kann als ein Relationsbegriff nicht das Ziel der Wirtschaftssubjekte sein. Aber höchster Ertrag, möglichst großer Nutzen, verglichen mit den Kosten, ist die R i c h t s c h n u r für das wirtschaftliche Handeln und damit, wie wir im 2. Band zeigen werden, auch zugleich das Organisationsprinzip des Tauschverkehrs. Hier wollen wir zunächst die früher L i e f m a n n: a. a. O. S. 406—11. Die letzten mit ?? geschmückten Sätze sind im Hinblick auf die Klarheit bedenklich. Der Widersinn muß sofort in die Augen springen. Bedarfsbefriedigung ist das Ziel a l l e s menschlichen Handelns. Ins Wirtschaften schlägt sie aber erst durch die Kostenvorstellung in bezug auf die gesamte Bedürfnisskala ein. Hierfür ist a l l e i n das wirtschaftliche Ertragsstreben das Ziel. N u r dieses interessiert die fachliche Theorie. Das Endziel: Bedarfsbefriedigung ist eine außerwirtschaftliche Handlung. Zu dieser Unkorrektheit hätte L. erst recht nicht kommen dürfen, da bei ihm das. Wirtschaften in dem E r w ä g e n , d. h. Ertragsstreben begründet 1 iegt
139 betonte Tatsache, daß die Ertragsfeststellung nur an den Grenzen der Bedarfsbefriedigung erforderlich ist und vorgenommen wird, noch in einem theoretischen Satze schärfer formulieren, der uns später mit einem Schlage das Organisationsprinzip des Tauschverkehrs enthüllt. Wir kommen zum G e s e t z d e s A u s g l e i c h s d e r Grenzerträge1)." „Wir haben festgestellt, daß die Größe der E r t r ä g e entscheidend ist für das wirtschaftliche Handeln; der Wirtschafter muß seine Bedürfnisse in der Reihenfolge der mit jeder Kostenaufwendung zu erzielenden Nutzenüberschüsse, der Erträge befriedigen. Dann erzielt er in jedem Augenblick, in dem er die weitere Aufwendung von Kosten abbrechen muß, größtmögliche Bedarfsbefriedigung. Man erkennt aber leicht, daß die Befolgung dieses Prinzips schon in der Praxis kaum durchführbar sein wird. Der Wirtschafter könnte sich, um das an einem einfachen Beispiel zu erläutern, vielleicht nicht drei Stücke des Gutes A hintereinander herstellen, weil nach dem ersten oder zweiten Stück möglicherweise andere Bedürfnisse mit größerem Ertrage befriedigt werden können, und erst nach deren Versorgung dürfte er sich weiter der Beschaffung des Gutes A zuwenden, um nach einiger Zeit wieder durch das Bedürfnis nach einem anderen Gut unterbrochen zu werden. Mit anderen Worten, der Wirtschafter braucht einen W i r t s c h a f t s p l a n , eine Übersicht ü b e r seine gesamten K o s t e n a u f w e n d u n g e n . Diese ist natürlich am vollkommensten vorhanden, wenn er von einer g e g e b e n e n K o s t e n g ü t e r m e n g e , vor allem natürlich, wenn er von einer gegebenen G e l d m e n g e ausgehen kann. Hierin besteht eben die innerwirtschaftliche Funktion des Geldes, Kosteneinheit, Generalnenner der Nutzen- und Kostenvergleichungen zu sein. Aber wenn seine Kosten in Arbeitsmühe bestehen, lehrt ihn doch die Erfahrung, wieviel Kosten er im großen und ganzen auf das einzelne Bedürfnis verwenden kann. In der Geldwirtschaft, wo er mit einem bestimmten E i n k o m m e n und mit ziemlich genau bekannten Preisen rechnen kann, ist das natürlich noch viel mehr der Fall. Unter solchen Umständen, die im Wirtschaftsleben regelmäßig vorliegen, braucht der Wirtschafter seine auf die Beschaffung eines Gutes gerichtete technische Tätigkeit nicht in jedem Augenblick durch die Besorgung eines anderen Gutes zu unterbrechen, von dem eine Einheit gerade höheren Ertrag liefert, sondern er kann seine auf die Beschaffung von Quantitäten eines Gutes gerichtete Tätigkeit bis zu einer gewissen Grenze ungestört fortsetzen, sich dann erst der Befriedigung eines anderen Bedürfnisses zuwenden und sofort, also ohne in jedem Moment seine Tätigkeit wechseln zu müssen. Für diese G r e n z e , b i s z u der der W i r t s c h a f t e r jedes B e d ü r f n i s befried i g e n , d. h. a l s o a u f d i e B e s c h a f f u n g v o n G ü t e r n einer bestimmten Art Kosten aufwenden kann, läßt sich nun ein allgemeiner Satz aufstellen, der also die rationellste Verteilung der Kosten in der Konsumwirtschaft zum Inhalt hat, bei der sie den größtmöglichen Nutzen erzielt. Dieser Satz lautet: Größtmög!) L i e f m a n n : a. a. O. S. 412.
140 liehe Bedarfsbefriedigung wird dann erreicht, und das wirtschaftliche Prinzip dann gewahrt sein, w e n n d i e l e t z t e n Erträge, also das V e r h ä l t n i s des N u t z e n s der letzten E i n h e i t j e d e s G u t e s zu i h r e n K o s t e n , b e i a l l e n G ü t e r n g l e i c h g r o ß s i n d . Nennen wir diese letzten Erträge, also das Verhältnis des Nutzens zu den Kosten b e i d e r a u f j e d e Bedürfnisart zuletzt aufgewendeten Kostene i n h e i t d i e G r e n z e r t r ä g e , so gilt also für das wirtschaftliche Handeln ein G e s e t z d e s A u s g l e i c h s d e r G r e n z e r t r ä g e . D i e G r e n z e r t r ä g e müssen sich ausgleichen: das ist die schärfste theoretische Formulierung des wirtschaftlichen Prinzips bei den Nutzen- und Kostenvergleichungen, in denen das Wesen der Wirtschaft besteht. Ertrag ist dabei nur ein Name für das Verhältnis von Nutzen und Kosten, der Überschuß jener über diese, und G r e n z e r t r a g bedeutet den g e r i n g s t e n Überschuß von Nutzen über die Kosten, auf den hin man wirtschaftlicherweise noch Kosten aufwenden darf. Er muß bei allen Bedürfnisarten gleich sein. Also nicht ein Ausgleich der Grenz g e n ü s s e , der Nutzen absolut betrachtet, gilt beim wirtschaftlichen Handeln, sondern der Nutzen v e r g l i c h e n m i t d e n K o s t e n . Die letzten Bedürfnisse, die man befriedigt, können sehr verschieden intensiv empfunden werden, weil eben auch die Kosten, um ihre Befriedigung zu erlangen, sehr verschieden sind. Zwar bin ich bereit, für ein stärkeres Bedürfnis auch höhere Kosten aufzuwenden, aber eben doch nur in dem Grade, als die Intensität dieses Bedürfnisses im Vergleich zu anderen stärker empfunden wird als die der verschiedenen, mit den Kostenaufwendungen verbundenen Unlustgefühle. Eine solche Vergleichung der Grenzerträge machen tatsächlich alle wirtschaftenden Menschen, natürlich ohne sich dessen bewußt zu werden. Fast alle Leute haben z. B. ein sehr intensives Bedürfnis, ihre Wohnung zu verbessern, z. B. ein Zimmer mehr zu bewohnen. Eine Arbeiterfamilie mit 1000 Mk. Einkommen würde z. B., wenn sie 100 Mk. Einkommen mehr hätte, den größten Teil davon für Miete einer größeren Wohnung verwenden. Jetzt verwendet sie 300 Mk. für Wohnung, 400 Mk. für Nahrung, 200 Mk. für Kleidung, 100 Mk. für Verschiedenes. Man kann nun nicht sagen, daß sie ihr Wohnungs-, ihr Kleidungsund ihr Nahrungsbedürfnis bis zur gleichen Grenze befriedigt: Ausgleich der Grenz g e n ü s s e. Wenn sie von einer Einkommensteigerung von 100 Mk. mehr als 30% für das Wohnungsbedürfnis verwendet, so ergibt sich daraus klar, daß das nicht der Fall ist, daß ein größeres Wohnungsbedürfnis noch unbefriedigt war. Man kann nur soviel sagen, daß der Wirtschafter zu jeder Zeit bestrebt ist, im Vergleich mit den aufzuwendenden Kosten ein Maximum von Gesamtbedarfsbefriedigung zu erzielen und das geschieht noch nicht, wenn die Grenzgenüsse sich ausgleichen, sondern nur, wenn man die G r e n z e r t r ä g e berücksichtigt, das V e r h ä l t n i s v o n N u t z e n u n d K o s t e n bei der l e t z t e n auf j e d e B e d ü r f n i s a r t verwendeten Kosteneinheit1)." „Die Nutzen- und Kostenvergleichungen, die Empfindungen eines *) L i e f m a n n : a . a . O . S. 412/14.
141 größeren oder geringeren Überschusses erfolgen rein psychisch. Es darf also kein Bedürfnis bis zu einem solchen Grade befriedigt werden, daß der Nutzen der mit der zuletzt aufgewendeten Kosteneinheit erzielt wird, i m V e r h ä l t n i s z u d e n K o s t e n dieser Bedarfsbefriedigung erheblich geringer ist als bei allen anderen Bedürfnissen im Verhältnis zu den dort aufgewendeten Kosten. Diesen l e t z t e n N u t z e n , d. h. diejenige Stärke des Genusses, die nach dem Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge g e r a d e n o c h b e f r i e d i g t w i r d , bei der also d i e w e i t e r e B e f r i e d i g u n g dieses Bedürfnisses a b g e b r o c h e n w i r d , nennen wir den G r e n z n u t z e n . Grenznutzen ist also der letzte Nutzen für den noch Kosten aufgewendet, Unlustgefühle in Kauf genommen werden. Diese l e t z t e n K o s t e n , die für die letzte Nutzeneinheit noch aufgewendet werden, nennen wir G r e n z k o s t e n . Aber weder sind die Grenznutzen bei allen Bedürfnissen gleich, noch sind es die Grenzkosten. Die letzte Nutzeneinheit ist bei jedem einzelnen Bedürfnis verschieden, und auch die letzte Kosteneinheit, die auf jedes aufgewendet wird, ist nicht bei allen Bedürfnisarten gleich groß. G l e i c h g r o ß a b e r i s t d a s V e r h ä l t n i s z w i s c h e n N u t z e n und K o s t e n bei a l l e n z u l e t z t befried i g t e n B e d ü r f n i s e i n h e i t e n , g l e i c h g r o ß sind die Grenzerträge. Daraus ergibt sich wieder, daß nur die Erträge und nicht Nutzen oder Kosten allein die Richtschnur für das wirtschaftliche Handeln abgeben, und daß man unter keinen Umständen von Ausgleich der Grenznutzen sprechen kann, wie es viele Kritiker tun, um nur ja unsere Bezeichnung: Ausgleich der Grenzerträge, zu vermeiden. Schließlich wird ja doch alles Sträuben aller meiner Kritiker nichts helfen: , Grenznutzlehre' und .Grenzproduktivitätslehre' werden vor der G r e n z e r t r a g s l e h r e , d. h. der p s y c h i s c h e n Wirtschaftstheorie kapitulieren müssen. Die Grenzertragslehre ist die schärfste theoretische Formulierung für das wirtschaftliche Prinzip, für das Grundprinzip, nach dem das wirtschaftliche Handeln erfolgt. Die Grenze, bei der die weitere Befriedigung eines Bedürfnisses aufhört, - w i r d n i c h t b e s t i m m t d u r c h d e n N u t z e n , auch nicht d u r c h d i e K o s t e n , sondern e i n z i g u n d a l l e i n d u r c h d e n E r t r a g , der bei allen Bedürfnissen für die letzte befriedigte Einheit gleich hoch sein muß. Dieser Grenzertrag b e s t i m m t e r s t d e n G r e n z n u t z e n , d. h. b e i w e l c h e r N u t z e n h ö h e die weitere B e d a r f s b e f r i e d i g u n g abgebrochen wird, das wird für alle B e d ü r f n i s s e durch das G e s e t z des A u s g l e i c h s der G r e n z e r t r ä g e bestimmt. Was wir hier für das wirtschaftliche Handeln des einzelnen ausgeführt haben, das gilt nun, wie wir noch sehen werden, ganz ebenso in der T a u s c h w i r t s c h a f t für den P r e i s . Dort bestimmt das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge, und zwar jetzt auch bei den Erwerbswirtschaften, den Preis, der für eine der Erwerbswirtschaften, die letzte, die noch zum Angebot kommt, den Grenznutzen für eine der Konsumwirtschaften, die letzte, die noch kaufen kann,
142 die Grenzkosten, bedeutet. So wird die früher schon betonte Tatsache, daß das Streben nach Gewinn bei den Erwerbswirtschaften Organisationsprinzip des Tauschverkehrs ist, mit den Grundprinzipien alles Wirtschaftens verknüpft und damit jene Organisation auf die wirtschaftlichen Erwägungen der einzelnen Menschen zurückgeführt. Aus diesem Grunde behaupte ich, daß das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge der wichtigste Satz der ökonomischen Theorie ist. Unser ganzes theoretisches System, das ja die Aufgabe hat, die Einheitlichkeit und Gleichartigkeit des wirtschaftlichen Prinzips sowohl in der Einzelwirtschaft wie auch im Tauschverkehr nachzuweisen, und zu erklären, wie die wirtschaftlichen Bestrebungen und Handlungen der einzelnen Menschen den ganzen tauschwirtschaftlichen Mechanismus in Gang setzen, beruht auf diesem Satz. Er ist die schärfste Formulierung des wirtschaftlichen Prinzips schlechthin 1 )." L i e f m a n n: a. a. O., S. 415/16. Über das Problem der „Einheitlichkeit und Gleichartigkeit" orientieren unsere Ausführungen über die logische Spaltung des Identitätsprinzips der psychisch-fundierten Theorie.
143 D. Die Kritiker des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge und unsere Würdigung der Kritik. Gegen die Formulierung eines Grenzertraggesetzes als des exaktesten Ausdruckes für das Wirtschaften der Einzelwesen und — in der übertragenen Bedeutung — für das Organisationsprinzip einer auf freier Bedürfnisbefriedigungswahl aufgebauten Tauschwirtschaft ist teilweise mit nicht geringer Heftigkeit „Sturm gelaufen" worden. Eingedenk unserer kritischen Aufgabe (in weiterem Sinne) werden wir sämtliche Kritiker selbst mit ihren Einwendungen gegen das besagte „Gesetz" zu Worte kommen lassen. Durch Einschlagen des besagten Weges wird am ehesten eine unparteiische Stellungnahme, für die nur die Waffe: Logik Gültigkeit besitzt, ermöglicht; zugleich dürfte dieser Weg zur Reinigung der „Atmosphäre" beitragen; ob für die Autoren der hier vertretenen Meinungen ebenfalls, ist eine andere Frage x ); zumal im Hinblick auf eine Reihe von Einwendungen, von denen jeder der besagten Autoren die Überzeugung hat, daß sie unwiderlegbar sind. Das beweisen die in zeitlichen Abständen erschienenen Aufsätze einiger dieser Schriftsteller und die persönliche Note, die sie ihren Ausdrücken verleihen, — teilweise aus sich heraus, teilweise als Erwiderung auf die persönlichen Bemerkungen Liefmanns. Um unsere gesamte Kritik möglichst durchgreifend und den Stoff flüssiger zu gestalten, wird sich unsere diesbezügliche Kritik unmittelbar an die jedes angeführten Autors anschließen. Der Leser wird aber gebeten, am Schlüsse dieses Abschnittes den gesamten Fragenkomplex und die vorherigen Abschnitte noch einmal zu überdenken, da die Teilkritiken als sich ergänzend dargestellt und somit Wiederholungen vermieden werden. J. S t e i n b e r g 2 ) äußert sich über L i e f m a n n s Grenzertragstheorie folgendermaßen: „ Z u dem Beispiele, welches L i e f m a n n zur Erläuterung seiner Ertragsfeststellung gibt, ist zunächst zu bemerken, daß es ganz ausgeschlossen ist, von Unlustgefühlen als Kosten e i n h e i t e n zu !) Dabei wird aus methodischen Gründen von der zeitlichen Reihenfolge des Erscheinens der Aufsätze abgewichen. Das Einschlagen des aufgezeigten Weges wird unterstützt durch die verschiedenen gegenseitigen Vorwürfe des Anführens „von aus dem Zusammenhang gerissenen Sätzen" usw. *) S t e i n b e r g : „Zur Kritik der psychologischen Theorie von Liefmann", i. Arch. f. Sozw. u. Sozp., Bd. 49, 1922.
144 sprechen und den Ertrag pro Kosteneinheit feststellen zu wollen. Zum Begriff der Einheit gehört der Begriff der gleichen Größen, während bei L i e f m a n n die Vergrößerung des Unlustgefühls während der zweiten Arbeitsstunde eine V e r s c h i e d e n a r t i g k e i t unseres Empfindens überhaupt angibt, so daß man zwar von Wachsen oder Abnehmen unserer Lust- oder Unlustgefühle, nicht aber von Einheiten sprechen darf. Ebenso wie Wärmegrade nicht Empfindungseinheiten darstellen und erst durch eine künstliche Einteilung der Skala des Thermometers gebildet werden, so können auch die bei der Bedürfnisbefriedigung auftretenden Empfindungen i h r e r N a t u r n a c h nicht in gleiche Einheiten zerlegt werden. Die Kosteneinheit stellt jedenfalls etwas durchaus irreales dar: L i e f m a n n , der seine ganze Theorie auf Empfindungen aufbauen will, geht bei dieser Theorie von einer Einheit aus, die noch von niemandem empfunden worden ist. Durch diese Feststellung wird die Beweiskraft des Beispiels jedoch noch nicht aufgehoben. Durch sein Beispiel will L i e f m a n n beweisen, daß der Mensch nicht unter allen Umständen das stärkste Bedürfnis zuerst befriedigt, sondern dasjenige, bei dessen Befriedigung er den größten Ertrag erzielt. In diesem Falle wäre es C, weil hier die Kosten in e i n e r , bei A dagegen in 2 Arbeitsstunden bestehen, bei G somit 1, bei A dagegen 3 betragen. Bei C ist das Verhältnis zwischen Nutzen und Kosten also = 5 : 1 , bei A = 10 : 3. Was bei diesem L i e f m a a n s e h e n Beispiele ganz willkürlich ist, ist die Fixierung der Arbeitszeit auf 2 Stunden bei Befriedigung einer Einheit des ersten Bedürfnisses und auf 1 Stunde bei Befriedigung einer Einheit des zweiten Bedürfnisses. Wenn L i e f m a n n nur 2 Skalen sieht, von denen die eine, die der Bedarfsempfindungen, allmählich abnimmt, während die zweite, die der Kostenempfindungen, allmählich wächst, so müßte er unbedingt eine g l e i c h m ä ß i g e Abstufung seiner Berechnung zugrunde legen (wie beim Thermometer). Wir haben jedenfalls in der psychischen Natur dieser Erscheinungen keine Begründung dafür, daß das erste Bedürfnis mit 2, das zweite mit 1 Stunde Arbeit getätigt werden müßte. Würde L i e f m a n n konsequent vorgehen und nur mit einzelnen Arbeitsstunden (Kosteneinheiten) operieren und die Bedürfnisse in solche Intensitätsgrade zerlegen, bei denen jeder Grad durch eine Stunde Arbeit befriedigt wird, dann müßte er zu dem einfachen Schluß kommen, daß die Bedürfnisse lediglich nach dem Grade ihrer Intensität befriedigt werden; zuerst würde A 10 befriedigt werden (Ertrag 10/i), dann A, (Ertrag ®/2) usw., C5 würde erst nach A a evtl. nach A 5 befriedigt werden, weil erst dann der Vergleich 5/B eine ebenso hohe Relation ergeben würde, wie bei dem Bedürfnisse A5. Um diesen einfachen elementaren Vorgang zu verdecken, führt Liefmann in sein Beispiel ein ganz neues Element ein, das keineswegs in den psychischen Erwägungen begründet ist und das vielmehr in der Verschiedenheit der Zeit, die die Befriedigung einzelner Bedürfnisse pro Einheit erfordert, besteht. Daß die Einheit des Bedürfnisses A mit 2 Stunden Arbeitszeit, die des Bedürfnisses G mit 1 Stunde befriedigt wird, liegt an etwas Objektivem, außerhalb
145 der Lust- und Unlustgefühle Stehendem — daran nämlich, daß die Befriedigung nur durch die Vermittlung gewisser Gegenstände geschieht, und daß diese Gegenstände sich nicht so teilen lassen, wie die Bedürfnisse nach ihren Intensitätsgraden; dort, wo die Befriedigung durch Leistungen geschieht, wäre vielleicht eine derartige Zerlegung möglich, doch bezieht sich L i e f m a n n s Beispiel nur auf Sachen. Eine Theorie, die mit einer derartigen Verachtung von allem Materiellen spricht, die sich rein psychologisch nennt, dürfte nicht in dieses einzige Beispiel, das die Ertragsfeststellung erläutern soll, ein rein materielles Element hineinbringen. Die Tatsache, daß eine Bedürfniseinheit durch Gegenstände befriedigt wird, die verschieden große Arbeitszeit erfordern, darf nicht unsere Erwägungen beeinflussen. Andernfalls liegt nur der Beweis vor, daß rein äußere Momente unsere Erwägungen bestimmen. Aus diesem Beispiele müßte ferner sich die den Tatsachen vollständig widersprechende Folgerung ergeben, daß diejenigen Bedürfnisse am ehesten befriedigt werden, die ein Minimum an Arbeit erfordern; dies würde dazu führen, daß die wichtigsten Bedürfnisse, die einen sehr großen Aufwand verlangen, wie Wohnungen, überhaupt unbefriedigt bleiben. Daran" hat z. T. auch schon A. A m o n n hingewiesen (Arch. f. Sozw. u. Sozp.,'46. Bd.). Als Resultat unserer bisherigen Untersuchung können wir somit feststellen, daß, wenn wir in unsere psychologischen Nutzen- und Kostenvergleichungen keine rein materiellen Faktoren hineinnehmen, nur gegebene Reihen von Empfindungen bestehen, — die der abnehmenden Nutzenempfindungen und die der zunehmenden Kostenempfindungen. Das Vergleichen zwischen einzelnen Kosten und Nutzen ist nichts anderes als die nachträgliche Konstatierung, daß bei der gegebenen Intensität des Bedürfnisses X ihm gewisse Kosten entsprechen. Im voraus verschiedene Bedürfnisse mit ihren Kosten zu vergleichen, um einen Wirtschaftsplan aufzustellen, wie L i e f m a n n es tut, ist unmöglich. Damit verliert aber das Vergleichen jeglichen Sinn für die Theorie. Der ganze komplizierte psychologische Tatbestand wird auf die elementare Wahrheit reduziert, daß die Bedürfnisse nach ihren abnehmenden Intensitätsgraden befriedigt werden. Dieses elementare Prinzip, das die Bedürfnisse nach ihrer abnehmenden Intensität befriedigt werden, welches sich allein aus den langen Ausführungen L i e f m a n n s herausschälen läßt, entspricht keineswegs der Realität des Wirtschaftslebens. Hier werden die Bedürfnisse nie ihrer abnehmenden Intensität nach gestillt, indem jeder neue Intensitätsgrad durch die nächste Kosteneinheit befriedigt wird, sondern es wird zuerst eine Reihe von Kosteneinheiten auf die Befriedigung a l l e r Grade eines Bedürfnisses verwandt, und dann die Befriedigung des zweiten vorgenommen. So beschafft der Wirtschafter zuerst die Eßwaren und dann das Heizmaterial. Dabei ist es unvermeidlich, daß oft entferntere Grade des Bedürfnisses B befriedigt "werden und es kann also vorkommen, daß ein geringerer Nutzengrad (1) mit einem stärkeren Kostengrade (5) erzielt wird, der Ertrag also negativ wird. Die Verausgabung von Kosteneinheiten richtet sich gar nicht nach den abnehmenden Graden der Bedürfnisse, sondern K l u g , Ausgleich der Grenzerträge.
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146 Bach einem rein objektiven Momente der Art der Güter, mit denen der Wirtschafter seine Bedürfnisse befriedigt und dem Verfahren ihrer Herstellung. Das Wirtschaften des Menschen besteht eben n i c h t darin, daß er die Bedürfnisse ihrer auftretenden Intensität nach befriedigt, sondern darin, daß er zuerst eine Art von Gegenständen verfertigt, dann eine zweite usw. Der Mensch würde höchst u n w i r t s c h a f t l i c h verfahren, wenn er gleichmäßig die Bedürfnisse in der Reihenfolge ihrer auftretenden Intensität befriedigen würde, denn dann müßte er sich von einer Beschäftigung auf die andere werfen, was ein ganz unwirtschaftliches Resultat seiner Tätigkeit zur Folge hätte. Bin Mensch, der einfach nach der Stärke des jeweils auftretenden Bedürfnisses handelt, wird höchst unökonomisch verfahren, was wir bei allen auf einer niedrigen Kulturstufe stehenden Völkern beobachten. So ergibt es sich, daß ein vorhergehendes Vergleichen von Nutzen und Kosten w e d e r p s y c h i s c h m ö g l i c h i s t , n o c h t a t sächlich z u s t a n d e kommen kann. L i e f m a n n scheint übrigens auch stellenweise ein ähnliches Gefühl zu haben. Das Gefühl für das Tatsächliche ist bei ihm stark entwickelt, und wir finden in seinem Werke Stellen, wo er es plötzlich für nötig hält, seine irreelle Theorie in einem gewissen Einklang mit dem realen Leben zu bringen, selbst im Falle der Preisgabe seiner Grundanschauung. Nachdem er ausführlich die Theorie der Vergleichungen entwickelt hat, stellt er plötzlich fest, daß das genaue Vergleichen bei wichtigsten Bedürfnissen überhaupt nicht stattzufinden brauche; das genaue Vergleichen träte nur an den Rändern der Bedarfsbefriedigung ein. Er hat das richtige Empfinden, daß die wichtigsten Bedürfnisse in ihrer natürlichen Reihenfolge befriedigt werden, und daß nur an den Grenzen, dort, wo die Arbeitsmühe sich schon dem Maximum nähert, die Frage gestellt werden kann, ob es sich noch zu arbeiten lohnt. So z. B. werden sich der Akkordarbeiter, der Dienstmann, fragen, ob sie noch diese oder jene zuschüssige Arbeit ausführen sollen (S. 497); so wird ein Arbeiter, der noch 10 Mk. übrig hat, es sich überlegen, ob er sie für die Vergrößerung seiner Wohnung ausgeben soll oder für etwas anderes (S. 403). Ebenso wird ein reicher Mann sich überlegen, ob er 1. oder 2. Klasse, mit dem Auto oder mit der Droschke, fahren soll (S. 437) usw. Es kommt also nach L i e f m a n n nur auf die letzten Kostenaufwendungen an (S. 404), und nur die Erträge, die man mit diesen letzten Kostenaufwendungen erzielt, werden verglichen. Diese Erträge nennt L i e f m a n n Grenzerträge, und sie bestimmen die Kosten, die auf jedes Bedürfnis verwendet werden können (S. 404, auch S. 441/42). Diese Grenzerträge sind bei den verschiedenen Bedürfnissen verschieden (S. 445), jedoch muß die Spannung zwischen der Nutzen- und Kostenkurve (die sich auf den entsprechenden Grenzertrag bezieht), bei allen gleich sein (S. 445); die wirtschaftliche Aufgabe besteht demnach für L i e f m a n n in der Ermittlung dieses Grenzertrages, der denn auch die Grenzkosten bestimme. Demgegenüber muß jedoch festgestellt werden, daß der Grenzertrag für ein Bedürfnis erst durch die letzten Kosten, die wir noch für seine Befriedigung verwenden können, bestimmt wird. Erst nachdem wir die Kosten auf die verschiedenen Bedürfnisse verteilt haben, können wir
147 sagen, bis zu welcher Grenze wir sie auf die einzelnen Bedürfnisse verwenden dürfen (S. 442). Die Kosten können wir aber nach L i e f m a n n nur verteilen, wenn wir die allgemeinen Kosten- und Nutzenvergleichungen vorgenommen haben. Ob sich dabei diese Vergleichungen auf alle Bedürfnisse erstrecken, oder ob sie die wichtigsten ausschalten und nur an den Rändern der Bedürfnisbefriedigung vorgenommen werden, ändert nichts an der Tatsache, daß sich der Grenzertrag (die Größe des Grenzertrages wird bei unbegrenzten Kosten sich Null nähern, bei gegebenen um so höher sein, als die Kosten geringer sind) jedenfalls nur auf Grund der Nutzen- und Kostenvergleichungen ergeben kann, und da wir bewiesen haben, daß diese letzten nicht zur Aufstellung eines Wirtschaftsplanes führen können, so kann ein Wirtschaftsplan durch den Grenzertrag um so weniger aufgestellt werden. — Denn er stellt bloß eine R e s u l t a n t e der allgemeinen Nutzen- und Kostenvergleichungen dar. Die Aufstellung eines solchen Planes ist überhaupt unmöglich, solange die Kosten nicht gegeben sind. Die Verteilung der Kosten auf verschiedene Bedürfnisse, in denen ja das Wirtschaften des einzelnen Menschen besteht, setzt ein Gegebensein der Kosten voraus. Gegenüber L i e f m a n n , der behauptet, daß die Kosten nicht gegeben sind und erst durch psychische Erwägungen bestimmt werden, muß hier mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß ein Wirtschaften u n m ö g l i c h wird, wenn die K o s t e n n i c h t g e g e b e n sind1)." „Unsere Auffassung unterscheidet sich von der L i e f m a n n s dadurch, daß, während er auf Grund von Vergleichungen erst die Grenze feststellen will, bis zu welcher unsere Arbeit ertragbringend sein kann, wir diese Grenze als gegeben annehmen und dann die Frage aufwerfen, wie bei gegebener Arbeitsmasse diese so verteilt werden soll, daß ein Maximum von Genuß durch sie h e r a u s g e w i r t s c h a f t e t wird
Die Äußerung S t e i n b e r g s in bezug auf das Problem: „Unlustgefühle als Kosten e i n h e i t e n " hat L i e f m a n n in der 3. Auflage seiner „Grundsätze" richtig damit zurückgewiesen, daß es sich selbstverständlich nur um die t e c h n i s c h e Einheit: den Zeitraum handeln kann, der bei den einzelnen Menschen und zu verschiedenen Zeiten und notwendigerweise auch im Hinblick auf die Verschiedenartigkeit der Bedürfnisse als M ü h e a u f w a n d (psychisch) verschieden empfunden oder als empfunden vorgestellt wird. Aus der Verwechslung von Zeitraum, innerhalb dessen die Beschaffung eines Gutes oder die Erreichung eines Zieles (z. B. wissenschaftlicher Aibeit usw.) möglich ist, und Mühe sind dann auch die anderen Argumente S t e i n b e r g s zu ver stehen. S t e i n b e r g glaubt in seiner Analogie zum Thermometer die Bedarfs- und KostenempfinS t e i n b e r g : a . a . O . S. 803/07. ) Ebenda S. 809; die zitierten Seiten beziehen sich auf die 2. Ausgabe von L i e f m a n n s „Grundsätzen", Bd. 1, 1920. 2
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148 düngen einem m e c h a n i s c h e n Gesetze unterwerfen zu dürfen, und kommt so einfach zu der Schlußfolgerung, daß zuerst A10, dann A 9 usw. befriedigt werden. Er nimmt eine k o n t i n u i e r l i c h e Bedürfnisskala an, der gegenüber sich die Arbeitsaufwendungen e b e n s o k o n t i n u i e r l i c h aufrechnen; der verschiedenen Dringlichkeit der Bedürfnisse, der Änderung jener bei Befriedigung eines der und Ausfall anderer Bedürfnisse — um nur einiges herauszuheben —, mit anderen Worten, der Differenziertheit des Problems wird überhaupt keine Beachtung geschenkt. Auch die Bemerkung über das Hineintragen materieller Elemente in die rein psychische Theorie L i e f m a n n s verstößt nicht nur gegen die innere Logik dieses Systems, sondern ebenso gegen die aller seiner Vorläufer, gegen die Anfangsgründe der subjektiven Wertlehre. Darüber mögen die Abschnitte A und B dieser Arbeit näheren Aufschluß geben. Wenn S t e i n b e r g auf seinen falschen Beweis hin glaubt, daß „der Wirtschafter zuerst die Eßwaren und dann das Heizmaterial" beschafft, so ist das in der A b s o l u t h e i t nicht richtig. Ein Mensch kann ein sehr großes Bedürfnis nach etwas Eßbarem und nach Wärme verspüren, und wenn er das erstere glücklich erlangt hat, kann es sein, daß sein Körper infolge des noch länger empfundenen Mangels an Wärme erschöpft ist, daß die aufgenommene Speise nicht mehr der „Trägheit" des Magens usw. abzuhelfen vermag und der Mensch stirbt. Ganz falsch ist der weitere Einwand, daß der Ertrag infolge objektiver Gegebenheiten unter Umständen „negativ" sein kann, wenn „wirtschaftlich" verfahren werden soll. Wenn „oft entferntere Grade des Bedürfnisses A v o r stärkeren Graden des Bedürfnisses B" befriedigt werden, so kann man nur dann von einem wirtschaftlichen Erwägen und Handeln sprechen, sobald das Befriedigungsmittel deB Bedürfnisses A t e c h n i s c h nur in einer „Quantität", z. B. von 4 Bedürfnisgraden hergestellt werden kann. Damit kann bei dem erstmaligen, probeweisen Aufstellen der Bedürfnisskala das Bedürfnis Bx stärker sein als der Grad A, (und somit auch A4). Da aber nur die t e c h n i s c h e Möglichkeit besteht, entweder das Bedarfsbefriedigungsmittel für die Bedürfnisgrade Ax + A2 + A s + A4 herzustellen oder auf die Befriedigung des Bedürfnisses A zu verzichten, wird die Empfindung der aufzuwendenden Kosten immer noch geringer sein als der Nutzen des damit erreichten Mittels. Das Verhältnis beider, der Ertrag kann, wenn nicht unwirtschaftlich verfahren wird, n i e m a l s n e g a t i v sein;
149 daß er die Tendenz hat, Null zu werden, ist eine Frage, die teilweise schon behandelt wurde und später noch einmal zur Erörterung kommen wird. Diese Überlegungen werden durchsichtiger, wenn man auch die geistige und physische Arbeit als mögliches O b j e k t des Wirtschaftens betrachtet. Mit dem Hinweis darauf werden die Einwendungen S t e i n b e r g s sofort widerlegt. S t e i n b e r g s Bemerkung über das richtige Empfinden L i e f m a n n s , „daß die wichtigsten Bedürfnisse in ihrer natürlichen Reihenfolge befriedigt werden", unter „Preisgabe seiner Grundanschauung", daß nicht immer das stärkste Bedürfnis zuerst befriedigt wird, trägt einen berechtigten Kern in sich. Wir haben bereits oben L i e f m a n n s Sprache in ihrer A b s o l u t h e i t bemängelt. Wenn L i e f m a n n u. a. sagt: „Die Folge davon ist, daß bei dem größten Teil seiner Wirtschaftstätigkeit der Mensch überhaupt nicht Nutzen und Kosten zu vergleichen braucht. Der größte Teil seines Wirtschaftens erfolgt ohne viel Überlegung, gewohnheitsmäßig, schematisch 1 )",
so ist das eine wirklich nicht klare Ausdrucksweise, die aber immerhin nicht so zu verstehen ist, daß das Wirtschaften erst „an den Rändern der Bedarfsbefriedigung" der einzelnen Bedarfskategorien b e g i n n t . Falsch ist es allerdings, wenn L i e f m a n n bei der Aufstellung seines G r e n z e r t r a g s g e s e t z e s einen Unterschied machen zu dürfen glaubt zwischen „gewohnheitsmäßigem" und „scharfem" Kalkulieren, eben „an den Rändern der Bedarfsbefriedigung". Dadurch schleicht sich die von S t e i n b e r g bemängelte Vorstellung ein, bestärkt durch die Worte L i e f m a n n s : „Alle Wirtschafter wissen, daß sie für gewisse Bedürfnisse, deren Befriedigung bei den meisten Menschen den Hauptinhalt ihrer Wirtschaftstätigkeit ausmacht, den weitaus größten Teil ihrer Kosten aufwenden müssen, daß diese Bedürfnisse, der notwendige Lebensunterhalt, so dringend sind, daß sie sie unter allen Umständen befriedigen müssen, so daß der Vergleich des Nutzens mit den Kosten hier unbedingt einen Überschuß an Nutzen, einen Ertrag bedeutet 2 )."
Wenn L i e f m a n n ein G e s e t z des Ausgleichs der Grenzerträge aufstellt, so ist es selbstverständlich, daß das „G e s e t z" von Anfang an gilt, und nicht erst, wenn ich einen größeren Teil des lebenswichtigen Bedarfs befriedigt L i e f m a n n a. a. O. S. 404. *) Ebenda, S. 404.
150 habe. Wenn ich von der Befriedigung eines Bedürfnisses zu der Befriedigung des nächstfolgenden Bedürfnisses — tatsächlich oder in der Vorstellung — übergehe, so tritt das „Gesetz" bereits damit in Kraft, da es keine Norm, wie man sich z. B. den kategorischen Imperativ oder das sog. wirtschaftliche Prinzip vorstellt, sondern rein „subjektiv" aufzufassen ist. Die „subjektive" Vorschrift, wie ich den Ausgleich der Grenzerträge zwischen den einzelnen Bedarfskategorien herstelle, d. h. ob ich evtl. die ersten Bedürfnisse in winzigen „Quantitäten" befriedige, um anderen gegenüber großzügiger zu verfahren, liegt in der Art der Bedarfsskala der Einzelnen begründet. Wenn ich viele Bedürfnisse „gewohnheitsmäßig" befriedige, so verfahre ich dabei keineswegs nicht „genauer" als bei irgendwelchen Randbedürfnissen. „Gewohnheitsmäßig" ist dann gleichsam „unbewußt genau". Ein Trapezkünstler ist eben erst ein Trapez k ü n s t l e r , wenn er seine Figuren mathematisch genau, „gewohnheitsmäßig", mit selbstverständlicher Eleganz ausführt, anstatt sich immer wieder seine vorherigen Berechnungen vor Augen zu halten. In beiden Fällen: eine nicht genaue Bewegung und er bezahlt schlimmstenfalles seinen Fehler mit dem Leben. Voraussetzung für die „gewohnheitsmäßig genaue" Ausführung seiner Übungen ist die Er kenntnis der physikalischen Gesetze seitens des Trapezkünstlers; das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge als „subjektives" Phänomen ist mit der bewußten Aufstellung oder der eingelebten Ausführung des Wirtschaftsplanes gegeben. Das Grenzausgleichsgesetz bedeutet aber nach L i e f m a n n , daß „der M e n s c h n i c h t u n t e r a l l e n U m s t ä n d e n das s t ä r k s t e B e d ü r f n i s zue r s t , j a ü b e r h a u p t b e f r i e d i g t , wie die bisherige Theorie immer meinte, s o n d e r n e b e n d i e B e d ü r f n i s s e v e r g l i c h e n mit den K o s t e n , diejenigen die verglichen mit den Kosten das günstigste Verhältnis zwischen beiden zeigen, d. h. den größten Ertrag liefern" (von mir gesperrt) Mit unseren Darlegungen werden der „Beweis" S t e i n b e r g s , „daß die Nutzen- und Kostenvergleichungen nicht zur Aufstellung eines Wirtschaftsplanes führen können, um so weniger der Grenzertrag", und seine Auffassung S. 809 und 817 entkräftet 2). l ) s
L i e f m a n n a. a. O. S. 408/09; siehe auch oben S. 136ff. ) Siehe auch die Verteidigung L i e f m a n n s : a. a. O. S. 397/99.
151 Auf die Vermeidung von „Wirtschaften", dem Gegebensein „sozialer Verhältnisse" und „technischer Zweckmäßigkeit" seitens S t e i n b e r g s brauchen wir nicht weiter einzugehen. Unsere Ausführungen im Abschnitt B 1—2 stellen den fraglichen Sachverhalt dar. Wenn wir überhaupt S t e i n b e r g eingehender berücksichtigt haben, so geschah es, um der Pflicht des Kritikers zu genügen, ganz davon abgesehen, daß vielfach aus dem „Hintergrunde" vieler falscher Gedanken erst der logisch haltbare Gedanke „plastisch" hervortritt. Hieran mögen sich die Ausführungen von E. K e l l e n b e r g e r 1 ) reihen. „Kurzum, ich kaufe in solcher Menge oder Qualität von jedem Gute, bis der Nutzen, den mir die verbleibenden Geldstücke verschaffen würden, wenn ich mir eine zusätzliche Teilmenge oder eine bessere Qualität erstünde, anfängt geringer zu werden als der Nutzen, den mir jene Geldstücke bei anderer Verwendung sichern würden. M. a. W.: i c h h ö r e d a n n a u f zu k a u f e n , w e n n d e r G r e n z nutzen minus den Kosten, also der G r e n z e r t r a g L.s, g l e i c h N u l l g e w o r d e n i s t ! Es ist ganz klar: ich verwende mein Einkommen so, daß ich damit nach meiner Ansicht den größten Nutzen oder, um mit L. zu sprechen, den größten Ertrag erziele. Das geschieht nur dann, wenn die verschiedenen Grenzbedürfnisse, die Befriedigung erlangen, gleich intensiv sind. Es hat also einen Sinn, von einem Ausgleich der Grenznutzen und von einer Grenznutzenebene zu sprechen, weil man, solange Kosten aufgewendet werden müssen, nie zur Sättigung und zum Grenznutzen Null gelangt; es hat aber nicht viel Sinn, von gleich hohen Grenzerträgen und von einem , Ausgleich der Grenzerträge' zu sprechen, wenn man eine verblüffend einfache und unzweideutige Formel zur Verfügung hat, die lautet: d i e G r e n z e r t r ä g e h a b e n d a s B e s t r e b e n , N u l l zu w e r d e n ! Greifen wir einen beliebigen Augenblick aus dem Wirtschaftsleben heraus, so werden wir gewahr, daß viele Leute gerade alle ihre Einkäufe erledigt und jenen Betrag, den sie zur Befriedigung ihres Sparbedürfnisses bestimmten, zur Bank getragen haben. Das sind jene, deren Bedürfnisregungen sich in diesem Augenblicke zu einer Ebene nivelliert haben. Dann beobachten wir andere Leute, die im Begriffe stehen, zum Markt und zur Sparkasse zu gehen, deren Grenznutzen sich also noch nicht ausgeglichen haben, deren Grenzerträge noch nicht Null geworden sind. Und endlich werden wir auch solche Leute antreffen, die es bereits bereuen, einige Augenblicke oder Stunden oder Tage zuvor diese oder jene Güter gekauft oder einen zu großen Betrag für die Zukunft bestimmt zu haben. Das sind jene, die unbesonnen gehandelt, die sich über ihr Einkommen oder über ihre Bedürfnisse nicht genügend Rechenschaft abgelegt haben und sich nun enttäuscht fühlen. Auch bei diesen stehen l
) E. K e l l e n b e r g e r : „Gibt es ein Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge?" i. Arch. f. Sozw. u. Sozp. Bd. 42, 1916/17.
152 die Grenznutzen nicht auf der gleichen Ebene, vielmehr sind einige Grenznutzen unter das Niveau hinuntergesunken, sind also einige Grenzerträge zu n e g a t i v e n G r ö ß e n geworden. Wie alle übrigen Wirtschafter, so werden auch diese Enttäuschten in Zukunft bestrebt sein, ihr Einkommen derart zu verteilen, daß wieder alle ihre Grenzerträge gleich Null sein werden. Weit entfernt davon, p o s i t i v e Größen zu sein, sind die tatsächlichen G r e n z k o n s u m e r t r ä g e im Gegenteil n e g a t i v e G r ö ß e n 1)."
K e l l e n b e r g e r dürfte sich seine Argumentation etwas leicht gemacht haben. Soweit es nicht bereits aus unseren früheren Erläuterungen klar geworden ist, daß „die verschiedenen Grenzbedürfnisse nicht gleich intensiv" zu sein brauchen, wenn der größtmögliche Ertrag erzielt werden soll, mag der Sachverhalt kurz angedeutet werden. Wenn ich mehrere Bedürfnisse von g l e i c h e r Intensität habe — gleichgültig, ob dieselben bereits in einer oder mehreren Einheiten befriedigt worden sind oder nicht, — und die Erlangung der Bedürfnisbefriedigungsmittel oder (bei geistiger Arbeit) die Zielerreichung v e r s c h i e d e n e Kosten erfordern, so werde ich offenbar das Bedürfnis zuerst befriedigen, das ich mit dem relativ günstigsten Verhältnisse von Nutzen und Kosten von allen anderen gleich intensiven Bedürfnissen den größtmöglichen Nutzen oder Ertrag, zu befriedigen vermag; ganz davon abgesehen, daß die Verschiedenartigkeit der Kosten die gleiche Intensität der verschiedenen Bedürfnisse beeinflußt. K e l l e n b e r g e r glaubt damit von einem „Ausgleich der Grenznutzen" und von einer „Grenznutzenebene" sprechen zu können; er übersieht indessen, daß er die Intensität der Bedürfnisse mit dem Nutzen eines entsprechenden Befriedigungsmittels identifiziert. Zur Erhellung dieses Tatbestandes möge folgendes Beispiel dienen: wenn ich das Bedürfnis habe, ein mir empfohlenes Buch zu lesen und das Bedürfnis, eine weekendPartie zu machen, und die absoluten Kosten betragen 20 Mk., so wird man anerkennen, daß die Schätzung der 20 Mk. in einem bestimmten Verhältnis zu der Dringlichkeit des Bedürfnisses steht, und daß der Nutzen des Buches gleich sein kann dem Nutzen der weekend-Partie, aber man wird keineswegs damit zugestehen, daß die besagten Bedürfnisse von gleicher Intensität sind bzw. zu sein brauchen. Wenn K e l l e n b e r g e r weiterhin die Ansicht vertritt, — unter Berücksichtigung seiner Beispiele (a. a. O. x
) K e l l e n b e r g e r : a.a.O. S. 124—26.
153 S. 124/5), — daß ich aufhöre zu kaufen, wenn „der Grenzertrag gleich Null geworden ist", so wird man dem nicht zustimmen können. „Jedermann kauft von einem Gute in solcher Menge, bis er den Nutzen, den ihm eine weitere noch zu kaufende Teilquantität verschaffen würde, nicht mehr höher schätzt als den Nutzen, den ihm eine andere Verwendung des Kaufpreises gewähren würde 1 )", heißt nicht, daß der „Grenzertrag gleich Null geworden ist", sondern, daß der Nutzen im Verhältnis zu seinen Kosten geringer ist als der Nutzen, der mit denselben Kosten als Schätzungsbegriff erzielt zu werden vermag. Dem steht die richtige Meinung nicht entgegen, daß die „Grenzerträge die Tendenz haben, Null zu werden". Und wenn K e l l e n b e r g e r von einer „Nivellierung" der Bedürfnisse spricht, so kann sein Beispiel so aufgefaßt werden, als ob er die Bedürfnisregungen der Sparer auf eine Ebene nivelliert denkt. Eine Vergleichbarkeit der Bedürfnisse verschiedener Einzelwesen ist aber nicht möglich. Würde K e l l e n b e r g e r diese Auslegung für falsch ansehen und einwenden, daß er selbstverständlich nur an die „Nivellierung" der Bedürfnisse jedes Einzelnen für sich gedacht hätte, so wird man den Gegeneinwand machen können, daß das Sparbedürfnis e i n e s unter den anderen Bedürfnissen des Wirtschaftssubjektes darstellt und in dieser Eigenschaft dem Ertragsstreben gleichfalls unterliegt. K e l l e n b e r g e r sagt selbst, daß e i n i g e Grenzerträge infolge „nicht genügender Rechenschaftsablegung" zu „negativen Größen" geworden seien. Wie kann er seine zitierte Folgerung in ihrer Allgemeingültigkeit ziehen 2 ) ? In dieser Absolutheit fällt auch K e l l e n b e r g e r sein Urteil über das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerwerbserträge, das er auf Grund der angeführten Statistik 3 ) nicht anzuerkennen vermag. L i e f m a n n hat darauf richtig erwidert 4), so daß wir uns ein Eingehen auf die Gedanken*) K e l l e n b e r g e r : a . a . O . S. 124. «) S. auch seine Bemerkung: „Soviel ist also sicher für L., daß der Grenzkonsumertrag jedes Wirtschafters, mathematisch ausgedrückt, eine p o s i t i v e G r ö ß e ist. Daß dies ein großer Irrtum ist, wollen wir sogleich erweisen" a. a. O. S. 124. s) K e l l e n b e r g e r : a . a . O . S. 134. «) L i e f m a n n : „Grundsätze", Bd. II, 2. Aufl., S. 247. Unter Berücksichtigung der Ansicht G. L a n d a u e r s , „daß in der Regel nur bei Annahme allseitigen rationellen Handelns theoretische Aussagen möglich sind", womit L a n d a u e r die Vorstellung des „ a b s o l u t Rationalen" verbindet, kritisiert er sehr richtig K e l l e n b e r g e r s Äußerungen mit den Worten: „Das Gesetz des Ausgleichs
154 gänge K e l l e n b e r g e r s über den „Zusammenhang zwischen Kosten und Preis" ersparen können. Aus den zahlreichen Gegenargumenten E s s 1 e n s 1 ), die wir bereits oben kennen gelernt haben, mögen an dieser Stelle einige sich auf das vorliegende Problem beziehende Einwendungen vorgetragen werden:
„Auch die Tendenz zum Ausgleich der Grenzerträge dürfen wir durchaus zugeben; wir müssen aber hinzufügen, daß außer dem Bestreben, sich auszugleichen, die Grenzerträge die Neigung aufweisen, zu verschwinden. In der als entwicklungslos vorausgesetzten, dersog. statischen Wirtschaft wird der Ausgleich der Grenzerträge in der Weise verwirklicht, daß sie alle gleich Null sind. Wieso es in der in der Entwicklung fortschreitenden, der sog. dynamischen Wirtschaft tatsächlich zu Grenzerträgen kommt, das ist eine Frage, die L i e f m a n n nicht einmal als solche erkannt hat, viel weniger, daß er den Versuch, sie zu lösen, unternommen hätte. Wer die theoretischen Bestrebungen der letzten 15—20 Jahre aufmerksam verfolgt hat, dem dürfte mit diesem Urteil kaum etwas Neues gesagt sein; trotzdem ist es vielleicht zweckmäßig, es näher zu begründen.
Wie die sog. Grenznutzenlehre schon seit langem dargetan hat, schätzen wir jedes beliebige einzelne Stück eines Gütervorrates nach der Dringlichkeit jener letzten Bedürfnisregung, zu der wirtschaftlicherweise noch eines derselben verwendet werden darf. Das gilt nicht nur von Sachgütern, sondern Kräfte (z. B. bestimmte Elektrizitätsmengen) der Grenzerträge unter Berufung auf die Existenz unrationell arbeitender Betriebe kritisieren, heißt natürlich ganz dasselbe tun, wie wenn man gegen die Formeln für die Fallgeschwindigkeit der Kugel den Einwand bringen wollte, sie werden gewiß nicht stimmen, wenn von unten her ein recht starker Wind weht" i. „Grundprobleme der funktionellen Verteilung des wirtschaftlichen Wertes", Jena 1923, S. 96. — Bemerkt sei noch, daß sich L a n d a u e r in seiner Auseinandersetzung mit D a v e n p o r t (ebenda S. 231) bewußt ist, daß man auf dem Gebiete der Theorie auch von der Fiktion eines economical man — in dem Sinne, „daß a l l e Wirtschaftspersonen und folglich auch alle Unternehmer den höchsten Grad wirtschaftlicher Tüchtigkeit aufweisen" — absehen kann. Wie dann die Probleme zu lösen sind, erhellt zum Teil aus der vorliegenden Abhandlung. x ) J . B. E ß l e n : „Nutzen und Kosten als Grundlage der reinen Wirtschaftstheorie" i. Schmollers Jahrb. 42. Jahrg. 1918. Daß E ß 1 e n in seiner Argumentation „Wirtschaften" und „Wirtschaft" ohne weiteres zusammenwirft und das Wesen des Wirtschaftens und die Bedingungen, unter denen „Wirtschaft" möglich ist, nicht unterscheidet, mag nur nebenbei erwähnt werden (ebenda S. 253 ff.). E ß 1 e n s Ausführungen entspringen der Gedankenwelt der herkömmlichen „Güterlehre" und sind nicht dem damaligen Stande erkenntnistheoretischer Forschung angepaßt. Daher auch sein Nicht-Auseinanderhalten von „reiner Ökonomie" und Soziologie. Dagegen tragen E ß 1 e n s Bemerkungen über den „Wert' und S c h u m p e t e r (ebenda S. 286/7) einen berechtigten Kern in sich, während E ß l e n mit der Identifizierung von „Nutzen" und „ W e r t " den eben erwähnten Einwand wiederum herabmindert.
155 und eigene und fremde Arbeitsleistungen gehören ebenso dazu. Soweit wir nun mit einzelnen, nach diesem Maßstab geschätzten Stücken eines solchen Gütervorrates dringendere Bedürfnisregungen befriedigen, als die an der Grenze zwischen Befriedigung und Nichtbefriedigung stehenden, erzielen wir einen Überschuß an Nutzen über den die Wertschätzung jedes einzelnen Stückes des Gütervorrates bestimmenden Grenznutzen hinaus. Das ist das, was L i e f m a n n den Ertrag nennt. In der Naturalwirtschaft besteht dieser Ertrag in einer reinen Gefühlsgröße, in dem Überschuß der Lust, die man durch den tatsächlichen Verbrauch «ines Gutes erlangt, über die Lust hinaus, auf die es zu verzichten gilt, weil eben das betreffende Gut der Befriedigung einer Bedürfnisregung von höherer Dringlichkeit zugeführt und eben dadurch der Befriedigung der an der Grenze stehenden Regung entzogen wird. In der alle Werte durch Geldsummen ausdrückenden Wirtschaft läßt auch dieser Ertrag sich in Geld veranschaulichen: er ist der Unterschied zwischen dem Preis, der für eine bestimmte Einheit eines Verbrauchsgutes schlimmstenfalls bezahlt würde, und dem niedrigeren Preis, der auf Grund der Marktlage tatsächlich dafür bezahlt wird. Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß man für jedes weiter erworbene Stück ein und derselben Güterart nur einen immer geringer werdenden Preis schlimmstenfalls zu zahlen bereit wäre, bis, wenn die Kurve des betreffenden Bedürfnisses sich stetig, d. h. ohne Sprünge senkt, mit dem letzten noch erworbenen Stück der Indifferenzpunkt erreicht ist: es fallen hier höchster Preis, den man also schlimmstenfalls für dieses Stück zu zahlen noch bereit wäre, und tatsächlich gezahlter, d. h. Marktpreis, zusammen. Ganz ähnliches gilt in der auf sich selbst gestellten Eigenwirtschaft: die Wertschätzung des letzten, noch zur Befriedigung eines Bedürfnisses verwendeten Stückes wird durch die Dringlichkeit eben der damit befriedigten Bedürfnisregung selbst bestimmt, da man auf sie verzichten müßte, wenn man das Stück verlöre. Oder: um es mit der B ö h m - B a w e r k sehen Bezeichnung auszudrücken: hier fallen Ersatzwert und Eigenwert zusammen. Grenzrohertrag und Grenzkosten halten einander die Wage; der Grenzreinertrag ist gleich Null*)."
Die hierauf folgenden Ausführungen E ß 1 e n s sind für die Kritik gegenstandslos geworden, da L i e f m a n n in der 3. Auflage seiner „Grundsätze" sich bemüht hat, seinen Gedanken eine schärfere Formulierung zu geben. Den Abschluß der Einwendungen E ß 1 e n s bilden die Worte: „In seinem Aufsatz ,Die Entstehung des Preises' hatte L. in einer viel ernster zu nehmenden Weise das Dasein dieses Grenzertrages darzutun versucht, freilich auch nicht so, daß der Gedankengang jedem Einwand standhielte. Hier behauptet er nämlich (a. a. O. S. 46), Grenzkonsumertrag und Grenzertrag der Erwerbswirtschaften beeinflußten einander in der Art, daß der einzelne Wirtschafter vor die Wahl gestellt sei, einen beliebigen Teil seines Einkommens entweder zu verzehren oder zu ersparen und Kapital werden zu lassen. Mit welchem Teil das eiLe oder das andere geschehe, das werde durch das Gesetz des Ausgleichs E ß l e n : a . a . O . S. 277/78.
156 der Grenzerträge bestimmt: sobald nämlich der Kapitalertrag den Grenzertrag in der Verbrauchswirtschaft übersteige, werde das Einkommen nicht verzehrt, sondern erspart und umgekehrt. Gegen diese Annahme ist nun aber einzuwenden, daß dieses Abwägen zwischen den Vorteilen der Aufzehrung und der Kapitalisierung eintreten kann, wie gering der angenommene Ertrag auch werde, wie sehr er sich auch der Null nähere. Das tatsächliche Vorhandensein eines Grenzertrages wird dadurch in keiner Weise dargetan. Selbst wenn überhaupt kein Zins für die Überlassung von Kapital bezahlt würde, brauchte darum die Vermögensbildung noch keineswegs ganz aufzuhören, da nicht nur die Aussicht auf einen Ertrag, sondern mindestens ebensosehr andere Beweggründe, wie die Vorsorge für die Zukunft, die Rücksicht auf das gesellschaftliche Ansehen, das der Reichtum verleiht, und die mit ihm verbundene Macht, auch die Betätigungsmöglichkeit, die er gewährt, die Menschen zur Kapitalersparung veranlassen. Gibt es somit keinen Grenzertrag im L i e f m a n n sehen Sinne, so fallen auch alle Folgerungen dahin, die er namentlich in seinem genannten Aufsatz für die Einkommensbildung aus dieser Annahme gezogen hat. Namentlich die Entstehung des Kapitalzinses, die L i e f m a n n mit Hilfe des Grenzertrages zu erklären versuchte, ist denn doch schon vor ihm ebenfalls auf subjektiver Grundlage, aber in sehr viel tiefer eindringender Weise von S c h u m p e t e r 1 ) , besonders aber von C a s s e l 2 ) dargetan worden s )."
Wenn E ß l e n im Anschluß an die (österreichische) Grenznutzentheorie von einem g e g e b e n e n Gütervorrat ausgeht, um auf diese Weise zu L i e f m a n n s Grenzertragstheorie Stellung nehmen zu können, so ist das im Prinzip bedeutungslos, insofern als man die Notwendigkeit des Wirtschaftens nicht in dem „knappen Gütervorrat" gegeben erachtet und da L i e f m a n n s Theorie den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt und somit für gegebene und nicht gegebene Mengen gelten muß. E ß 1 e n begeht bei dem Vergleich einen logischen Fehler, der so häufig bei den Anhängern der Grenznutzentheorie vorliegt und der L i e f m a n n zu seiner schroffen Ablehnung der Grenznutzentheorie noch mehr verleitet hat. E ß 1 e n bestimmt zunächst das „Maß des Güterwertes" eines Vorrates nach der Dringlichkeit des letzten noch notwendigerweise zu befriedigenden Bedürfnisses. E ß 1 e n geht also richtig bei der „Wert"bestimmung vom Individuum aus. Wenn er nun in dem von ihm konstruierten Falle meint, daß der „Überschuß an Nutzen über den die Wertschätzung jedes einzelnen Stückes des Gütervorrates S c h u m p e t e r : „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" 19122 (2. Aufl. 1926). ) C a s s e l : „The nature and necessity of interest", 1903. a ) E ß l e n : a . a . O . S. 279—80.
157 bestimmenden G r e n z nutzen" gleichbedeutend mit dem L i e f m a n n sehen E r t r a g ist, so dürfte die Ansicht falsch sein. Der G r e n z nutzenbegriff kann nur verglichen werden mit dem G r e n z ertragsbegriff. Wie dieser sich ableitet, haben wir oben eingehend erörtert. Was E ß 1 e n hier vorschwebt, ist der Begriff der Differenzialrente, die sich ebenso bei der Annahme des Grenznutzen- wie des Grenzertragsprinzips ergibt. Bestätigt wird unsere Behauptung durch E ß 1 e n s Verhältnissetzung des „schlimmstenfalls" zu bezahlenden und des „tatsächlich" gezahlten Preises. Dieser Fall deutet aber das Phänomen der Konsumentenrente (consumers rent nach M a r s h a l l ) an, die w e s e n s v e r s c h i e d e n von dem L i e f m a n n sehen Ertrag geschweige Grenzertrag ist 1 ). Daß sich der „Wert", den man einem „Gute" beimißt, nicht in „Geld veranschaulichen" läßt, dürften die Grundlagen der subjektiven Wertlehre in ihrer logisch einwandfreien Fassung lehren und es dürfte durch die bisherigen und nachfolgenden Ausführungen nochmals bestätigt werden. Auf die Gedankengänge E ß 1 e n s inbezug auf die Kapitalbildung brauchen wir nicht näher einzugehen, da auch ihnen dieselbe falsche, eben kritisierte Auffassung von dem p s y c h i s c h e n Grenzertragsbegriffe L i e f m a n n s zugrunde liegt. E ß 1 e n wird einsehen müssen, daß er L i e f m a n n s Auffassung vom Grenzertrag rein logisch nicht getroffen hat, zumal er gegen die Grundgedanken der Grenznutzentheorie, der er nahesteht, verstößt. Uns interessiert im Rahmen dieser Abhandlung lediglich die innere Logik des Grenzertragsgesetzes, in der „Abwehr" L i e f m a n n s und der darauffolgenden „Erwiderung" E ß 1 e n s möge der Leser die übrigen Streitfragen nachlesen, *) Wir dürfen auf unsere früheren Ausführungen und die Kritiken von O s w a l t , H e y n und v. Z w i e d i n e c k i n bezug auf L i e f m a n n s frühere (1912) Fassung des Ertragsbegriffes verweisen. Zur Ergänzung der obigen Bemerkungen möge M a r s h a l l selbst zitiert werden: „Der Überschuß des Preises, den er höchstens zahlen will, über den, welchen er in Wirklichkeit zahlt, bildet den wirtschaftlichen Maßstab dieses Mehrwertes an Befriedigung. Man kann hier eine Analogie zur Rente sehen, aber vielleicht sagen wir am einfachsten: K o n s u m e n t e n g e w i n n " i. „Handbuch der Volkswirtschaftslehre" Bd. I, 1905, Stuttgart u. Berlin, S. 165 (deutsche Ausgabe). Daß L i e f m a n n über seinen Ertragsbegriff 1912 noch nicht die Klarheit hatte, wie bei der Ausführung seiner „Grundsätze", beweisen seine eigenen Worte über M a r s h a l l s „gelegentliche Erwähnung der consumers surplus" und seine Kritik i. „Die Entstehung des Preises aus subjektiven Wertschätzungen" i. Arch. f. Sozw. u. Sozp. Bd. 34, 1912, S. 27.
158 die zum großen Teil bereits durch unsere früheren Darlegungen aufgehellt worden sind v. Z w i e d i n e c k - S ü d e n h o r s t hat verschiedentlich mit L i e f m a n n in lebhaftem Wortwechsel gestanden, der vielleicht noch seinen Fortgang nehmen wird. Z w i e d i n e c k sagt in bezug auf das Grenzertragsausgleichsgesetz: „Ich sehe davon ab, hier auf die Anwendung des Ertragsgedankens bei A. S m i t h (z. B. in der theoretischen Analyse zur Würdigung des Methuenvertrages) näher einzugehen, stelle aber allgemein fest, daß, was L i e f m a n n als Ertrag bezeichnet, nichts anderes ist, als was in der Literatur im Anschluß an den Sprachgebrauch als .Gewinn' oder .Reinertrag' bezeichnet zu werden pflegt, sofern tauschwirtschaftliche Vorgänge in Frage kommen und insbesondere sofern die Spannung zwischen dem zur Erwerbung oder Beschaffung eines Gutes erforderlichen Aufwendungen und dem höchsten tatsächlich dafür beim Verkauf erreichten Geldbetrage gemeint ist. Es ist der maßgebende Gedankengang: was muß ich verkehrswirtschaftlich ausgeben und was erreiche ich wieder dagegen. Das, was gegenüber dem überwiegenden Teil der älteren Literatur als eigenartig und neu an diesem Ertragsgedanken anerkannt werden kann, ist die Ausdehnung dieseis Ertragsbegriffes vom erwerbswirtschaftlichen Raisonnement in das Gebiet des K o n s u m wirtschaftlichen. L i e f m a n n verallgemeinert den (wenn auch unter anderem Namen) vorhandenen Ertragsbegriff, indem er einen .Konsumertrag' in gleicher Weise entstehen läßt wie den .Erwerbsertrag'. Allerdings das originäre oder primäre Phänomen ist für L. der Konsumertrag, wohl schon aus dem Grunde, weil, wie L. hervorhebt, in der tauschlosen Wirtschaft eine Schwierigkeit wegfällt, die in der Verkehrswirtschaft offenbar auch von ihm zugestanden wird: die Unkenntnis der Kosten: d. h. also hier (seil, in der Verkehrswirtschaft) der Preise. Die Ertragsermittlung werde also mit dem Verkehr schwieriger. Diese Schwierigkeit fehle in der tauschlosen Wirtschaft, weil in dieser alle Kosten auf Arbeit zugeführt werden können, so daß doch das Wirtschaftssubjekt immer seinen Konsumertrag feststellen könne. Die Merkwürdigkeit bei dem Fundamentalbegriff .Konsumertrag' steigert sich, wenn man weiter liest (S. 37): daß beim Erwerbsertrag ganz klar die Differenz zwischen dem auf das Tauschgut verwendeten K o s t e n i n G e l d und dem G e l d e r l ö s vorliege, dagegen ,beim Konsumertrag die eine Komponente der äußerlich nicht feststellbare Nutzen (Genuß)' sei. Da drängt sich wahrlich die Frage auf, welches denn dann die festen Grundlagen sind, aus denen das Wirtschaftssubjekt seinen Konsumertrag rechnerisch genau ermittelt? Einerseits k e n n t e s d i e K o s t e n n i c h t — selbstverständlich, denn L. will doch die Preise als Wirkung der subjektiven Ertragsvorstellung aufgefaßt sehen, und da der Preis die Kosten bildet, sind diese danach die Unbekannte —andererseits ist aber auch der N u t z e n ä u ß e r l i c h n i c h t f e s t s t e l l b a r ! Nun, wie L. '] L i e f m a n n: „Zur Abwehr" i. Schmollers Jahrb. 1920, S. 299 ff. E ß l e n : „Erwiderung", ebenda, S. 304.
159 dann doch zu Ziffern für die Zwecke der Subtraktionsoperation gelangt, wird noch zu betrachten sein. Ich wiederhole also, es handelt sich um die längst erfaßte Differenz und betone, daß der ,neue' Ertragsgedanke, soweit er den Erwerbsertrag mitumfaßt, schon so alt ist, daß sozusagen eine Reihe bedeutender Lehrsätze der klassischen Theoretiker der Nationalökonomie ohne diesen Begriff, der aber natürlich bei ihnen den Namen .Gewinn' führt, nicht Bestand hätte. L. lese doch einmal dazu irgendein einschlägiges Kapitel aus R i c a r d o s .Principles', so gleich das erste Hauptstück vom Wert, dann das vierte, sechste, siebente, neunzehnte, dreiunddreißigste Hauptstück mit Sorgfalt und überzeuge sich, welche Rolle die Voraussetzungdes höchsten Reinertragsstrebens in diesen Syllogismen spielt 1 )." „Ich habe oben von einem Verdienst L.s gesprochen (S. 13), weil er den Ertragsgedanken sozusagen als das ordnende Prinzip für jeden G e s a m t wirtschaftsplan darstellt, so daß jedes Wirtschaftssubjekt die Reihenfolge des Gütererwerbes nach der Differenz zwischen Nutzen und Kosten einrichtet. Das Verdienst gilt aber nicht in dem Sinne, daß man die Übertragung des Gewinn- oder Reinertragsprinzipes auf das individualwirtschaftliche Überlegen an sich schon für ein Novum anerkennen könnte. Denn D i e t z e l hat in seiner theoretischen Sozialökonomik eben diesen Überlegungen Raum gegeben. Er hat bei der Darstellung des .Verlaufes der Wirtschaft' im Sinne sowohl der reinen Ökonomik als auch (? ) der verkehrswirtschaftlichen 2) alle jene Überlegungen analysiert, aus denen sich die Schlußkette des Sparprinzips oder ökonomischen Prinzips zusammensetzt. In diesem Streben nach dem Maximum von Nutzen für das Minimum von Kosten entscheidet in letzter Linie allerdings das Ergebnis einer vergleichenden Nutzenschätzung —, aber ohne Kenntnis der Kostengröße dürfen die Nutzengrößen nicht bilanziert werden'. So D i e t z e l schon 1895, ohne daß L i e f m a n n dies zu wissen scheint. Es liegt mir fern, hier auf die D i e t z e l sehen Darlegungen näher einzugehen, aber ich behaupte, daß sie im Wesen dem L i e f m a n n schen Gedankengang über den Begriff des Konsumertrages geradezu gleichartig zu nennen sind. Jedenfalls so sehr, daß man die Behauptung L i e f m a n n s von der Neuheit des Ertragsbegriffes (nb. nicht auch des Grenzertrages) nur mit der Unkenntnis des betreffenden Abschnittes in dem D i e t z e l sehen Buche zu erklären vermag. Ein Unterschied besteht scheinbar in der Exaktheit, insofern L. mit großer Bestimmtheit Zahlengrößen für Nutzen und Kosten einführt, durch die eine Präzision in den Gedankengang des Wirtschaftssubjektes kommt, die bei D i e t z e l nicht erreicht wird. Betrachtet man sich die Z i f f e r n , mit denen L. operiert, etwas genauer, so ist das Ergebnis recht überraschend. Er erläutert sie selbst (S. 31) 3 ): .Wir schätzen das erste Stück von A = 10, heißt: es gibt 1 ) v. Z w i e d i n e c k - S ü d e n h o r s t : „Über den Subjektivismus2 in der Preislehre" i. Arch. f. Sozw. u. Sozp. Bd. 38, 1914, S. 32/33. ) Gemeint kann nur sein: individualwirtschaftlichen als auch der verkehrswirtschaftlichen Theorie; beide Begriffe gehören der r e i 3n e n Ökonomik an. ) Die Ziffern beziehen sich auf L i e f m a n n s Aufsatz: „Die Entstehung des Preises" usw. i. Arch. f. Sozw. u. Sozp., Bd. 34, zu dem v. Z w i e d i n e c k Stellung nimmt.
160 uns einen Nutzen, für dessen Erlangung wir äußerstenfalls 10 Arbeitsstunden oder 10 Mark aufwenden würden'. Und nun folgt das Wesentliche: ,Wir setzen also 1 Mark oder 1 Arbeitsstunde = 1, d. h. wir würden sie gerade noch zur Befriedigung eines Bedürfnisses aufwenden, das in der Skala unserer Bedürfnisempfindungen die Stärke 1 aufweist.' Offenbar bedeuten diese Ziffern also nur eine Verhältnismäßigkeit zwischen den Nutzenleistungen, den physiologisch-psychologischen Wirkungswerten der verschiedenen Güter. Dagegen ist gewiß nichts einzuwenden, aber irgend einen Zusammenhang mit der Geltung der Arbeitsstunde oder der Mark hat diese Verhältnismäßigkeit natürlich nicht. Die absolute W i l l k ü r l i c h k e i t , unsere schwächste Bedürfnisempfindung, der wir die Skalastelle 1 anweisen, gleichzusetzen 1 Mark oder 1 Arbeitsstunde liegt auf der Hand. Er wendet diese Verhältnismäßigkeitsziffern auch gar nicht einmal in diesem beschränkten Verstände als Maß der Nutzempfindungen an, sondern für ihn gewinnen sie noch sozusagen in einem Atem den Charakter eines Maximalpreises. Aber er muß ja allerdings so vorgehen, um seinem Ertrag eine Ziffer geben zu können, denn diese Verhältnismäßigkeitsziffer ist ja das einzig greifbare Element für eine Rechnung. Er subtrahiert also die tatsächlich verausgabenden Kosten, also den Preis des Gutes, von dieser Verhältnismäßigkeitsziffer. Das ist beiläufig gleich gedacht, als wenn ich einen Numerus von dem Logarithmus einer anderen Zahl subtrahiere 1 )." „Ist es also auch gleichwohl ganz richtig, wenn L. schreibt: Wenn ich Kosten auf die Beschaffung eines bestimmten Gutes verwende, so geschieht das, weil dieses das höchst geschätzte Genußgut ist, das ich mir mit diesen Kosten beschaffen kann: So braucht man doch nicht seine gekünstelte Zahlenrechnung mitzumachen, um zu demselben Resultat zu kommen wie er 2 )."
Hieran schließen sich Z w i e d i n e c k s Bemerkungen über L i e f m a n n s falsche Fassung des Ertragsbegriffes im Hinblick auf die Worte „äußerstenfalls", die wir bereits oben berücksichtigt haben. „Daß Menschen, die für sich die Qualität des homo oeconomicus in Anspruch nehmen, in solcher Weise überlegen, will ich nicht bestreiten, L. gehört offenbar zu ihnen. Allein ebensowohl Selbstbeobachtung als auch Nachfrage bei anderen als rationell wirtschaftend anzusprechenden Subjekten bestimmen mich zu behaupten, daß das Verfahren, um bei solcher Situation zu einem Entschluß zu kommen, mindestens ü b e r w i e g e n d ein anderes ist, und zwar jenes, das D i e t z e l schildert (a. a. O. S. 194). Wenn man sich eine Ausgabe von bestimmter Höhe für ein Gut A überlegt, fragt man sich, ob die mit derselben Ausgabe zu erreichenden nächst h ö c h s t e n Nutzempfindungen noch unter dem Nutzen, den einem A verschafft, zurückbleiben. Man vergleicht also den höchsten mit dem oder den nächsthöchsten Nutzen, um die Rechtfertigung oder die Verurteilung *) Z w i e d i n e c k: a. a. O., S. 35—37. j Ebenda S. 38.
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161 der Ausgabe für den höchsten Nutzen mit bestimmter Ausgabe zu gewinnen. Ich bestreite aber hier nochmals ausdrücklich (vgl. oben S. 36), daß die Nutzendifferenz, die aus der Alternative zwischen dem Genuß von zwei oder mehr verschiedenen Gütern pro foro interno empfunden wird, mit einer bestimmten Zahl richtig erfaßt werden kann. Der normale Wirtschaftsmensch wird die Frage, um wieviel ihm der Genuß eines Schnitzels lieber ist als der eines Roastbeefs oder einer Portion Kaviar, wenn alle diese dasselbe kosten, nicht mit einem Zahlenausdruck (wie L. sagt mit einer Formel) beantworten können (ähnlich O s w a 11 : Der Ertragsgedanke a. a. O., S. 302 ff.). So steht m. E. auch seiner Ermittlung oder Entstehung nach der Konsumertrag als Ziffer auf einer unhaltbaren Grundlage. Man wird über diese Bedenken gegen L.s Ertragsbegriff nicht allzu leicht hinwegkommen und damit auch nicht über die spezielle Form des G r e n z e r t r a g e s . Auch dieser Begriff trägt alle Schwächen des L. sehen Ertragsbegriffes an sich. Grenzertrag nennt L. den Ertrag, der mit der letzten erworbenen Quantität eines jeden Gutes erzielt wird (L. S. 31). Ja, man muß geradezu sagen, hier steigert sich sogar noch eine Schwäche des einfachen Ertragsbegriffes, die ich bisher noch nicht hervorgehoben habe, weil sie dem Begriff nicht an sich, sondern nur im Hinblick auf seine Verwendung für die Zwecke der Preiserklärung anhaftet. Denn diese ist nach L. gegeben mit der These, daß jedes Wirtschaftssubjekt dem G e s e t z d e r A u s g l e i c h u n g d e r G r e n z e r t r ä g e folgt. Voraussetzung für die Geltung dieser Theorie ist doch wohl, daß die beiden Elemente, aus denen die Ertragsvorstellung entstehen soll, überhaupt bestehen. Der Ertrag ist die Differenz aus zwei Zahlen, aus Nutzen- und Kostenziffern. Folglich müssen die Fragen beantwortet werden: 1. Kann immer und in allen Fällen, in denen eine Ertragsvorstellung die Grundlage für die ökonomische Entschließung zu bilden hat, die Nutzenvorstellung zu einer bestimmten ziffernmäßigen Größe gebracht werden? 2. Wenn dies der Fall ist, wenn also nicht nur das Opfermaximum, sondern der wirkliche Nutzen ziffernmäßig feststeht, welche Größe kommt dann als Kostenziffer in Betracht, wenn nicht der tatsächliche Preis, mit dem die Verkehrshandlung zur Durchführung kommen soll? Die erste Frage ist nach all dem, was ich ausgeführt, n i c h t b e j a h b a r. Es kommt nur noch in Frage, ob mit der besonderen Form des Grenzertrages dieser Mangel, daß die Nutzenziffer nicht genau feststellbar ist, nicht vielleicht an Tragweite verliert, ob man nicht etwa darüber hinwegkommt. Zur zweiten Frage aber gibt es durch die Konstruktion des Ertragsbegriffes bedingt nur eine Antwort: der Ertragsbegriff ist von der tatsächlichen Preisziffer, von dem Geldbetrag, der bei dem Verkehrakt tatsächlich zu zahlen ist, nicht zu trennen. D a s W i r t s c h a f t s s u b j e k t m u ß , um seine Ertragsvorstellung zu gewinnen, d e n P r e i s , zu d e m s i c h d e r K a u f o d e r V e r k a u f a b K l u g , Ausgleich der Grenzerträge.
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162 w i c k e l n wird, als schon r e a l i s i e r t a n t i z i p i e r e n . Oder anders ausgedrückt: wenn der Preis, der auf dem Markt tatsächlich zustande kommt, sich nicht deckt mit dem Kostenbetrag, den das Wirtschaftssubjekt in seine Rechnung eingestellt hat, dann fällt diese zusammen, sie ist falsch, der Ertrag des fraglichen Gutes ist ein anderer als angenommen 1 )." „Auch wenn man L.s eingehende ziffernmäßige Ertragsbeurteilung durch die Massen der Konsumenten nicht anerkennt, kann man folgenden sehr wichtigen Satz seiner Ausführungen unter der Voraussetzung gelten lassen, daß man den Ertragsbegriff im Sinne des .Gewinnes' der bisherigen Lehre versteht. Er sagt S. 40: ,Das Streben nach Ertrag wirkt nun in der Weise auf den Preis ein, daß ein gewisses Mindestmaß an Ertrag, eben der tauschwirtschaftliche Grenzertrag, erzielt werden muß, damit ein Wirtschafter wenigstens auf die Dauer ein bestimmtes Gut anbietet. Wird er nicht erzielt, so wird der teuerste Anbieter schließlich ausscheiden, oder wenn die Nachfrage dringender wird, werden die Konsumenten schließlich einen höheren Preis bezahlen müssen, bei welchem er den volkswirtschaftlichen Grenzertrag noch erzielt. Dieser Grenzertrag ist . . . die Differenz der Kosten und den Erlös in Geld . . . der teuersten Anbieter in allen Erwerbszweigen. Durch die allgemeine Ausgleichstendenz wird also der Grenzertrag zu einer allgemein festen Größe, wird zum volkswirtschaftlichen Grenzertrag und wird so Bestimmungsgrund aller Konkurrenzpreise, oder noch einfacher (S. 43) der Preis = den Kosten des Anbieters, der noch den volkswirtschaftlichen Grenzertrag erzielt, -1- diesem Grenzertrag.' Man sollte meinen, daß mit dieser Formulierung klipp und klar gesagt ist, daß der Erwerbsertrag einer bestimmten Produzentenkategorie für die Preishöhe maßgebend ist. Dieser volkswirtschaftliche Grenzertrag, der bei dem teuersten Anbieter in jedem Erwerbszweige in die Erscheinung tritt, ist zwar m. E. wieder nichts anderes als der Durchschnittsgewinn, der noch erreicht werden muß, damit sich Kapital und Unternehmungsgeist einem Erwerbszweig zuwenden, derjenige durchschnittlich erreichbare Gewinn, der idealtypisch gedacht auch der Maßstab ist, an dem die Fortsetzungswürdigkeit einer Unternehmung geprüft wird, der daher auch die Ausscheidung jener ungünstiger (mit höheren Kosten als andere) produzierenden Unternehmungen aus der Reihe der Anbieter bewirkt, die nur einen niedrigeren Gewinn abwerfen. Also wieder eine in der Theorie nicht so sehr neue Größe. Aber so einfach ist die Sache nach L. eben nicht, er begnügt sich nicht damit. Der volkswirtschaftliche Grenzertrag bezeichnet den Punkt, bis zu welchem die Nachfrage noch befriedigt wird. Das wäre wohl einzusehen. Aber L. fährt fort: Für die letzten Konsumenten, die noch befriedigt werden, ist das letzte Produkt nun ,offenbar' Grenzprodukt, d. h. dasjenige, das sie mit dem geringsten Konsumertrag erwerben. Dieses .offenbar' muß ich meinerseits mit einem großen Fragezeichen versehen. Dieses Zusammentreffen des Grenzerwerbsertrages des teuersten Anbieters in dessen Ware, mit dem Grenz k o n s u m ertrag des letzten Konsumenten, so daß des teuersten Anbieters Ware x
) Z w i e d i n e c k : a . a . O . S. 40—42.
163 gleichzeitig das Grenzprodukt des letzten Konsumenten sein muß, k a n n ja zufällig eintreten, aber irgendeinen Anhaltspunkt für eine Notwendigkeit vermag ich aus L.s Darstellung nicht zu entnehmen. Ebenso unmotiviert ist der Satz: .Mindestens gelte für Massengüter, die von vielen Produzenten angeboten, von vielen Konsumenten gekauft werden, daß der Preis, den alle bezahlen, für den letzten seinen Grenzkonsumertrag bedeute.' Der Grenzkonsumertrag des letzten Konsumenten bei Massengütern muß doch überhaupt gar nicht bei diesem Artikel in Erscheinung treten. Der letzte zum Zug kommende Käufer A einer Ware, die in 100 000 Einheiten verkauft wurde, kann ihm einen Ertrag von 30 bringen, während sein Ertrag für ein anderes Gut vielleicht nur auf 5 steht. Nun sagt allerdings L.: das gibt es nicht, denn der v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e G r e n z e r t r a g muß ja bei allen Waren auf beiden Marktseiten, Nachfrage wie Angebot, gleich sein. Und er sei ja auch die g e g e b e n e G r ö ß e , von der das Angebot, das wirklich abgesetzte Güterquantum und die .wirklich befriedigte Nachfrage' ihrem Umfange nach bestimmt werden (S. 40). Dieser letzte Satz ist bezüglich des Erwerbsertrages und des Angebotes ganz annehmbar, bezüglich des Konsumertrages und seiner Einwirkung auf die ,befriedigte' Nachfrage einfach unverständlich und steht in keinem Zusammenhang mit der Suprematie der subjektiven Bedarfsempfindung. Nur von der imaginären Überhöhung des vermuteten Preises (der Kosten) durch die maximale Opferwilligkeit (in dem , ä u ß e r s t e n F a l l ' ) für ein Gut hängt die Ertragshöhe des Individuums ab. Erfahrungsgemäß ist aber die Budgetierung elastisch. Der A hat z. B. noch 30 Mk. Einkommen zur Verfügung und reiht ein Paar neue Winterschuhe und 10 Zentner Kohle für die Winterfeuerung mit je 15 Mk. auf Grund der bekannten letzten Preise ins Budget. Nun tritt durch was immer für Gründe bedingt eine Steigerung des Kohlenpreises ein. Die Folge wird sein, daß er 20 Mk. für die Heizung hingibt und für die Schuhe nur 10 Mk. verausgaben kann. Solche Vorgänge, in denen unverkennbar unter dem Einflüsse der tatsächlichen Marktgestaltung die effektiven Ertragsgrößen der Wirtschaftssubjekte Änderungen erfahren — denn hier sinkt ja der Kohleertrag, wächst der Schuhertrag — kann es nach L.s Theorie nicht geben, denn jedes Subjekt weiß ja den tatsächlichen Preis voraus, muß ihn voraus wissen, sonst könnte, wie wir sahen, die Ertragsgröße nicht gerechnet werden, könnte der volkswirtschaftliche Grenzertrag nicht entstehen, nicht gegeben sein, und alle Angebots- und Nachfragebestimmung hinge in der Luft „Was L. (S. 39) im Auge hat, wenn er von dem Anpassungsvorgang spricht, der sich solange vollzieht, bis die Grenzerträge sich ausgleichen, das ist der . n a t ü r l i c h e ' P r e i s i n d e r T e r m i n o l o g i e R i c a r d o s und was er uns über ihn aussagt, ist pur et simple d i e v e r f e m t e o b j e k t i v e P r e i s l e h r e R i c a r d o s mit der Einkleidung in den teilweise richtigen greifbaren, insofern aber auch nicht neuen Ertragsgedanken 2 )." v. Z w 1 e d i n e c k: a. a. O. S. 47/49. ») Ebenda S. 51/52.
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164 „Ich gehe aber in der Bestreitung der Originalität der L i e f m a n n sehen Theorie, wie schon angedeutet, noch weiter. Auch der Grundgedanke dieser Marktmengentheorie ist nicht neu. Ich räume ein, daß L.s Theorie — natürlich immer unter der oben hervorgehobenen Voraussetzung — eine beachtenswerte Verfeinerung gegenüber der alten Lehre darstellt, eine durchgearbeitete Theorie gegenüber einem elementaren Gedanken. Aber im Grunde hat der Inhalt der Theorie auch R i c a r d o gedacht. Dessen ist sich L. jedenfalls am wenigsten bewußt, wie sehr seine ,subjektivistische' Theorie von der Herrschaft des Ertragsgedankens in den letzten Konsequenzen mit der R i c a r d o schen .objektiven' Kostentheorie nicht nur nicht in Gegensatz, sondern in vollstem Einklang und in Verbindung steht 1 )."
Einige Jahre später äußert sich v. Z w i e d i n e c k in einer Besprechung der L i e f m a n n s e h e n „Grundsätze" dahin: ,,L. schließt den diese .Gegebenheit der Mittel' bekämpfenden Abschnitt (I, 315 ff.) mit den Worten: .Jedenfalls besteht die primäre Aufgabe der W i r t s c h a f t . . . darin, zu erwägen, wie viele an sich nicht gegebene Kosten, im letzten Grunde Arbeitsmühe, auf die Befriedigung an sich unbeschränkter Bedürfnisse . . . verwandt werden sollen. Das ist das letzte eigentliche Problem der W i r t s c h a f t . . . ' . Sofern dieser Satz universalwirtschaftlich gedacht ist, lasse ich ihn gelten, aber gerade für den absolut atomistisch-individualistischen Charakter der ganzen Auffassung und Problemstellung L.s ist er mir und namentlich im Zusammenhang mit L.s eigenen Äußerungen unverständlich. Gleichviel, ob gegeben oder nicht gegeben, das, was L. damit erreichen will und erreichen zu können meint, den Aufbau des ganzen Wirtschaftslebens ohne Größen- oder Mengenvorstellungen zu erklären, das ist nicht zu erreichen. Es ist die stärkste Selbsttäuschung, wenn L. glaubt, daß er als Individuum — und das ist ja sein Ausgangspunkt — ohne quantitative Vorstellungen wirtschaften kann. Das Verhalten der Individuen auf dem Markte ist aber ganz gewiß ohne solche nicht zu denken. Und L. selbst schreibt sie den Erwerbswirtschaftern zu. Der tauschwirtschaftliche Grenzertrag oder Grenzerwerbsertrag, d. h. der Ertrag, den der teuerste, die höchsten Kosten aufwendende Anbieter in j e d e m Erwerbszweig erzielt, der für alle Erwerbszweige .ungefähr' gleich groß ist, kann nach dieser Formulierung nur eine Quantität sein. Mit dieser Idee von der Ausgleichung der Grenzerträge untergräbt L. aber selbst die absolute Subjektivität seines Systems. Denn danach müßte derselbe Ertrag für verschiedene Individuen auch dieselbe Bedeutung haben. Jeder Ertrag aber kommt, wenn Wirtschaften wirklich etwas absolut Psychisches sein soll, als psychisches Phänomen, Moment oder Energie in Betracht, und solche lassen sich bei verschiedenen Individuen nicht vergleichen, oder einander gleichstellen und damit fällt die gesamte Grenzertragstheorie hinsichtlich ihrer individualpsychischen Grundlage wenigstens für die Erklärung der *) v. Z w i e d i n e c k a. a. O. S. 53.
165 Marktvorgänge. Der Ertrag, insbesondere (?) der Grenzertrag als psychisches Element, hat nur für das Individuum pro foro interno Geltung. Solange der Konsumertrag, dieses psychische Element des Grenzkonsumenten, sich nicht zu einer bestimmten Ziffer, einer bestimmten Quantität verdichtet, gibt es für ihn auf dem Markte keine Resonnanz.1)
Zum Schluß möge der jüngste, zu der vorliegenden Frage Stellung nehmende Aufsatz Z w i e d i n e c k s Beachtung finden: „Die subjektive Preistheorie, die sich begnügt, mit einem G r e n z b e g r i f f der psychologistisch fundamentierten Personalökonomik eine Erklärung der sozialwirtschaftlichen Preisbildungsvorgänge zu geben, kann immer nur eine Beschreibung des Preisbildungsergebnisses sein. Wenn sie z. B. sagt, bei freier Konkurrenz sei der Preis . b e s t i m m t d u r c h ' den tauschwirtschaftlichen Grenzertrag und die Kosten des Anbieters, der diesen Grenzertrag noch erzielt, so ist das . E r k l ä r u n g s p r o b l e m ' zunächst nur verschoben. Denn nun gilt es die Frage, wodurch ist denn dieser tauschwirtschaftliche Grenzertrag und wodurch der Anbieter, der ihn noch erzielt, v o r dem den Preis zur Entstehung bringenden Marktvorgang gekennzeichnet? Und wie kann etwas ,den Preis bestimmen', das mit dem Preise erst entsteht? Denn jenes Angebot, das zu dem des Grenzerwerbsertrages wird, ergibt sich ja erst aus der Struktur, aus dem Aufbau der gegenüberstehenden Nachfrage und ebenso ist natürlich dieser den Grenzerwerbsertrag erzielende Anbieter nicht ein Datum für die Preistheorie, sondern ein Ergebnis des zu erklärenden vollzogenen Preisbildungsvorganges. Im gleichen Sinne sind die angeblich die Preisbildung bestimmenden Grenzpaare der B ö h m - B a w e r k s e h e n Preistheorie n i c h t k o n s t i t u t i v e Elemente, sondern a b g e l e i t e t e , sie sind ein sekundäres Faktum gegenüber der Preisbildung. Irgendein Grenzbegriff, sei es der des Grenzkäufers oder Grenzverkäufers, des Grenzkonsum- oder Grenzerwerbsertrages kann nie eine andere Rolle spielen, als Element in einer B e s c h r e i b u n g zu sein. Eine Grenztheorie hat also nicht kausalen Inhalt und kann ihn nicht haben. Kein Mensch kann, ehe die Fülle des Angebotes und der Nachfrage geordnet und gesichtet ist, den Grenzkäufer oder den Grenzverkäufer bezeichnen, niemand weiß also von vornherein, welches unter den Angebots- und Nachfragedaten das bestimmende, ,das' Grenzoffert sein wird, erst der Marktverlauf bringt die Entscheidung. Erst wenn die ganze Masse der Marktdaten geordnet und probiert ist, stellt sich heraus, welche von den Angeboten und den Nachfragen als unbefriedigbar ausscheiden und erst nach diesem Ausscheiden bleiben erkennbar die angeblich .bestimmenden' Grenzgrößen zurück, die den Preis nicht bestimmen, aber dann allerdings eine für die Charakterisierung der durch die Preisbildung geschaffenen Sachlage geeignete x ) v. Z w i e d i n e c k: „Liefmann, Robert: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre", 2 Bde. i. Ztschr. f. d. ges. Staatswiss. 1920, 75. Jahrg. S. 519. Z. kritisiert die erste Ausgabe Bd. I 1917; die Stelle, wo das von uns gesetzte ? sich befindet, ist in der 3. Ausgabe Bd. 1,1923, S. 321.
166 Begriffskategorie abgeben. Diese Grenzgrößen sind also terminologisch ein speziell für die Zwecke der Beschreibung ganz geeignetes Element, aber ,die H ö h e der Wertziffer, ihre eigentliche Absicht, erklärt die Grenzkombination nicht'. Will eine Analyse die Preisphänomene erschöpfend erfassen, dann darf sie nicht daran vorübergehen, das Aufkommen der Ziffer eines Preises in die Erklärung einzubeziehen. Daran aber fehlt es allenthalben. Sollte das daran liegen, daß schon die subjektiven Wertschätzungen überhaupt nicht quantifizierbar sind, oder liegt es in dem Verkennen der Unmöglichkeit, durch ,ein Schema entgegengesetzt orientierter Zahlenreihen' der Gegenparteien dem Bedürfnis nach solcher Erklärung zu genügen, womit sich die Grenznutzenschule begnügte 1) ?"
Wenn v. Z w i e d i n e c k glaubt, den „Gewinn" oder „Reinertrag" der klassischen Theorie dem „Ertrag" L i e f m a n n s , „sofern tauschwirtschaftliche Vorgänge in Frage kommen", ohne Unterscheidung des inneren und äußeren Sachverhaltes (siehe u. a. S. 108 ff.), gleichsetzen zu dürfen, so hat ihn zweifellos die „Herrschaft des Wortes" dazu verleitet. Die klassische Theorie ist eine „Abbildtheorie" in dem Sinne, wie sie nach unseren obigen Ausführungen zu verstehen ist, während das System L i e f m a n n s aus den Gedankengängen der „subjektiven" Wertlehre hervorgegangen ist. In diesen Worten ist bereits die W e s e n s Verschiedenheit der fraglichen Begriffe enthalten. Unter Hinweis auf den dargestellten „Boden" und unsere Auseinandersetzung mit L i e f m a n n s Ertragsbegriff gehen wir zu den weiteren Einwendungen Z w i e d i n e c k s über, zumal wir auf die bemängelte Verwechslung noch einmal zurückkommen werden 2). *) Z w i e d i n e c k : „Preislehre und Konjunkturforschung", i. Zeitschr. f. d. ges. Staatsw., 82. Bd., 1927, S. 269/71. 2 ) Nicht zuletzt trägt zu der Verkennung dieses Problems der Umstand bei, daß Z w i e d i n e c k bei dem Versuch, L i e f m a n n s Auffassung vom Wesen des Wirtschaftens zu charakterisieren, ganz plötzlich abbricht und bemerkt: „Ich nehme aber keinen Anstand, im Anschluß an A m o n n diese Feststellung des Begriffs des Wirtschaftlichen überhaupt für überflüssig für die Zwecke der theoretischen Nationalökonomie anzusehen. Denn diese interessiert als Objekt nicht das Wirtschaftliche an den Tatsachen, sondern eine ganz bestimmte Form sozialer Erscheinungen, eine eigenartige, in sich einheitliche, aber von anderen unterschiedene Kategorie von Sozialphänomenen. Denn das Wirtschaftliche als solches ist nicht faßbar." i. „Über den Subjektivismus in der Preislehre", i. Arch. f. Sozw. und Sozp. Bd. 38, S. 11. — Daß Z w i e d i n e c k mit dieser Art „immanenter" Kritik nicht zum Ziele kommen kann, d. h. die logische Folgerichtigkeit des besagten Systems zu prüfen und den Autor von seinen Argumenten zu überzeugen, dürfte selbstverständlich sein.
167 Z w i e d i n e c k s Kritik an dem L i e f m a n n sehen Konsumertrag rührt das Problem an, wie aus der Wertschätzung des Einzelnen ein zahlenmäßiger Ausdruck entstehen kann x). Mit seiner r o h geordneten Bedürfnisskala tritt der Einzelne in bezug auf die auf dem Markte zu befriedigenden Bedürfnisse an denselben heran, seine psychischen Erwägungen über das durch ein von ihm zu erlangendes Gut 2) verursachte „Lustgefühl" im Verhältnis zu dem „Lustgefühl", was ihm mit derselben Arbeits- oder Kaufkraft ein anderes Gut gewähren würde, oder über das „Unlustgefühl" der aufzuwendenden Kosten 3) im Verhältnis zu dem „Unlustgefühl" der Nichtbefriedigung des mit demselben genügenden Bedürfnisses beziehen sich auf Geldeinheiten und werden durch dieses Vergleichungsmittel zu Preisen, ohne daß für j e d e n Wirtschafter die Möglichkeit besteht, seine psychischen Schätzungen mit den Zahlenausdrücken der jeweiligen Bedürfniskategorien für gleichwertig (identisch) zu erklären. Der Preis ist nur eine rohe, verdichtete Objektivation für die verschiedenen Vorstellungen und Empfindungen der Einzelwesen, die niemals auf einen Generalnenner zu bringen sind, in ihr ist die unvollkommene Brücke ersichtlich, die aus der Welt psychischer Vorgänge in diejenige äußerer Erscheinungen (Beziehungen) hinüberführt 4). Der tatsächliche Nutzen des einzelnen Wirtschaftsobjektes iBt niemals „ ä u ß e r l i c h f e s t s t e l l b a r " ; das ist der grundsätzliche Unterschied aller p s y c h i s c h e n Theorien von der klassischen Lehrmeinung. Und wenn Z w i e d i n e c k meint, „daß der ,neue' Ertragsgedanke, soweit er den Erwerbsertrag mitumfaßt, schon so alt ist, daß . . . " , so mögen ihm folgende Worte entgegengehalten werden: Ob sich die psychischen Theorien der Begriffe „Erwerbsertrag", „(Grenz-) Nutzen" im erwerbswirtschaftlichen Sinne, — „Profit" oder x) Von der falschen Meinung Z w i e d i n e c k s , daß der „Ertragsgedanke" wegen der „Ausdehnung vom erwerbswirtschaftlichen Räsonnement in das Gebiet des k o n s u m wirtschaftlichen „eigenartig und neu" sei, sehe ich ab. Es sei auch hier auf die Grundlagen der subjektiven Wertlehre verwiesen. 2) Daß das Wirtschaften sich nicht nur auf Güter zu beziehen braucht, haben wir oben erörtert. Für den Marktbedarf kommen indessen nur Dinge und Leistungen in Betracht. *) Daß Kosten nicht „Unlustgefühl" zu sein brauchen, haben wir oben gezeigt. *) Hier liegt das Problem der tieferen Erklärung des Preises aus den individuellen psychischen Wertschätzungen heraus; auch das Problem, inwieweit die mathematische Methode zur Erklärung der Preisbildung beitragen kann.
168 „Gewinn" in Analogie zu der überlieferten klassischen Theorie bedienen, ist ganz gleichgültig. Alle sind h i s t o r i s c h e Phänomene, die aber ihrem W e s e n nach voneinander v e r s c h i e d e n sind Wir haben oben darauf hingewiesen, daß uns innerhalb dieser Abhandlung eine Stellungnahme zu den Ansprüchen von „Neuheit" nicht interessieren darf, somit erübrigt sich eine Untersuchung über den Hinweis Z w i e d i n e c k s auf D i e t z e l . Wie kann man aber in dem Streit um die „Neuheit" den Ertragsbegriff von dem Grenzertragsbegriff trennen* dem Z w i e d i n e c k die „Neuheit" zuerkennt. Der Grenzgedanke ist so alt und selbstverständlich, daß man ihn gar nicht weiter zu diskutieren braucht. Die Grenze ergibt sich beim Übergehen von der Befriedigung eines Bedürfnisses zu der eines anderen. Die gerügte „Willkürlichkeit" L i e f m a n n s bei dem Ziffernansatz, der nur s y m b o l i s c h e Bedeutung hat und die weitere Bemängelung seitens v. Z w i e d i n e c k dürfte nicht weiter zu besprechen sein 2 ); die Einwände erledigen sich durch den Hinweis auf die Anfangsgründe der subjektiven Wertlehre und die einschlägigen Bemerkungen dieser Arbeit. Das gilt auch für Z w i e d i n e c k s Bemerkungen S. 40/44 (Arch. f. Sozw. und Sozp. Bd. 38), von denen wir absichtlich nur S. 40/42 zitierten. Wenn Z w i e d i n e c k meint, daß das Wirtschaftssubjekt bei der Aufstellung seines Wirtschaftsplanes für die Marktgüter an frühere Preise anknüpft und damit den Preis als Kostenfaktor seiner Erwägungen gleichsam „antizipiert", dieser realisiert gedachte Preis tatsächlich aber nicht zustande kommt und dadurch eine Änderung des vorweg gedachten Ertrages eintritt, so wird jeder diese bekannte Regel anerkennen. Die Zustimmung wird Z w i e d i n e c k aber versagt bleiben, wenn er annimmt, daß er damit eine „unhaltbare Grundlage" für die Ertrags- oder Grenzertragstheorie L i e f m a n n s aufgewiesen hat. Z w i e d i n e c k steht bei seiner Kritik zu sehr im Banne des „objektivierten" Preismechanismus', in dem die Wertschätzungen der einzelnen gleichsam in Ziffern erstarrt eri) o b und inwiefern die ersten beiden Begriffe wesensverschieden sind, kann unserer Aufgabe gemäß, erst nach der Würdigung des ganzen L i e f m a n n sehen Systems entschieden werden. *) Damit erübrigt sich auch das, .nochmals ausdrückliche Bestreiten" Z w i e d i n e c k s , „daß die Nutzendifferenz, die aus der Alternative zwischen dem Genuß von zwei oder mehr verschiedenen Gütern pro foro interno empfunden wird, mit einer bestimmten Zahl richtig erfaßt werden kann" i. Arch. f. Sozw. u. Sozp. Bd. 38, S. 40.
169 scheinen, die aber niemals den psychischen Tatbestand genau anzugeben vermögen. Abgesehen davon, daß der Ertragsbegriff nicht „im Sinne des ,Gewinnes' der bisherigen Lehre" — [nach den ganzen Ausführungen muß die „klassische" gemeint sein] — zu verstehen ist, wie wir gleich nochmals feststellen werden, ist die logische Folgerung, „daß der Grenz k o n s u m ertrag des letzten Konsumenten mit dem Grenzerwerbsertrag des teuersten Anbieters" n o t w e n d i g zusammenfallen müsse, „so daß des tuersten Anbieters Ware gleichzeitig das Grenzprodukt des letzten Konsumenten sein muß", wohl kaum ernst zu nehmen; ebensowenig die folgenden Bemerkungen, daß der volkswirtschaftliche Grenzertrag keine Änderung der tatsächlichen Marktlage gegenüber der PreisvorStellung zuläßt, weil er sonst in der Luft hinge. Ist dann nicht der Begriff „Gewinn" gleichfalls negiert, wenn eine durch irgendwelche Umstände falsch gewordene Kalkulation die erwartete Höhe nicht eintreten läßt ? Z w i e d i n e c k glaubt aber doch selbst, daß der L i e f m a n n sehe Ertrag „pur et simple" eine Verfeinerung der Theorie R i c a r d o s ist. Dann stünde also nur die „Neuheit" des Ertragsgedankens in Frage ? Die Antwort geben unsere bisherigen und folgenden Ausführungen 1). Gibt auch v. Z w i e d i n e c k entgegen den eben kritisierten Gedankengängen in seiner sechs Jahre später erscheinenden Besprechung der L i e f m a n n sehen „Grundsätze" das Bestehen eines „Ertrages, insbesondere (!) des Grenzertrages" in L i e f m a n n s Sinne zu, so dürfte der Aufsatz *) Daß die „objektive" und ,,subjektive" Preislehre keine sich ausschließenden Gegensätze sind, habe ich wiederholt hervorgehoben. So brauchen auch die ä u ß e r e n Ergebnisse ihrer Preiserklärungen keine grundlegende Verschiedenheit aufzuweisen. W e s e n s verschieden sind diese Theorien nur in ihrem Ausgangspunkt und damit in ihrer i n n e r e n Struktur. Deswegen ist es eben so verkehrt, wenn L i e f m a n n eine Unvereinbarkeit seiner Theorie mit Ergebnissen der „klassischen" abstreiten wollte, wie die Bemerkung A m o n n s: „Hier stehen wir wirklich, wie Z w i e d i n e c k sagt, ,pur et simple', vor der von ,L i e f m a n n verfemten objektiven Preislehre R i c a r d o s , i. „Stand der reinen Theorie" i. Lujo Brentano Festgabe zum 80. Geburtstag S. 302, wenn er damit einen inneren Widerspruch in dem L i e f m a n n sehen System herauszustellen vermeint. Verkehrt ist es daher — unter Berücksichtigung unserer obigen Argumentation gegen L i e f m a n n —, wenn Z w i e d i n e c k in Anlehnung an A m o n n meint, daß „zwischen dem L i e f m a n n sehen Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge in den verschiedenen Produktionszweigen und dem O p p e n h e i m e r sehen Prinzip einer Tendenz zur Ausgleichung der Einkommen im W e s e n kein Unterschied zu erkennen sei," i. „Preislehre und Konjunkturforschung" S. 263.
170 keinen wesentlichen Fortschritt gegenüber den früheren in die Diskussion getragenen Gesichtspunkten bedeuten1). In unserer obigen Kritik (S. 1ndern nur G, und A t herstellt. Dam[i ergibt sich: AbHerstellung soluter des Gutes Nutzen
c»
A, zusammen
5 10 15
Arbeitsstunden
erste zweite und dritte 3
Subjektive Kosten 1 5 6
Verhältnis Ab- des soluter z. d. Nutzen» subjekt. Ertrag Kosten 4 5 9
5 2 2,5
Der a)¡»solute ! irtrag, also die pc>sitive Ve rschiebui ig der Lustund Unlus tgefühle ist in beiden Fäll«;n gleich groß (9 Intensitäten). Aber der absolute Ertrag ist nicht entscheidend, sondern das Verhältnis von Nutzen zu den Kosten (mit welchem auch das Verhältnis des Ertrages zu den Kosten parallel geht). Nun zeigt sich, daß bei der ersten Eventualität ein Nutzen von 19 mit Kosten von 10 erkauft wurde. Das Verhältnis von Nutzen zu den Kosten ist daher 19 : 1 0 ; der relative Nutzen der Kosteneinheit ist also 1,9. Bei der zweiten Eventualität ist der absolute Nutzen nur 15, aber die Kosten sind verhältnismäßig noch geringer, nämlich 6; darum ergibt sich ein Verhältnis des Nutzens zu den Kosten: 15 : 6, daher ist der relative Nutzen der Kosteneinheit 2,5, also bedeutend höher als im ersteren Falle. Es kann keine Frage sein, daß das Wirtschaftssubjekt nicht den L.schen, sondern den a n d e r e n Weg einschlagen würde. Denn das Schlußergebnis, der wahre Ertrag, der Überschuß des Nutzens über die Kosten, die positive Verschiebung der Lust- und Unlustgefühle ist in beiden Fällen gleich groß, nämlich 9. Dieses Ergebnis wurde aber im ersteren Falle für 10, im zweiten Falle nur für 6 Kosteneinheiten erreicht. Der L.sche Gedankengang kann also nicht richtig sein, wo ist der Fehler ?"
E n g 1 i s entwickelt dann im Anschluß an L i e f m a n n seine Auffassung von der Abnahme des relativen Nutzens x ) E n g l i S: „Das Liefmannsche Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge in der Konsumwirtschaft" i. Jahrb. f. Nat. u. Stat. III. F. Bd. 54, 1917, S. 411/12; E n g l i S zitiert nach dem Aufsatz von L.: „Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge" i. dens. Jahrb. III. F. Bd. 53, 1916.
205 des Geldes und der Zunahme des Arbeitsleides, die wir nicht weiter zu zitieren brauchen, zumal sie im Prinzip auf die bereits im „Boden" dargestellten Gedankengänge hinauslaufen. Wir fahren daher fort: „Aus demselben (cf. dem Beispiel L i e f m a n n s ) ergibt sich die folgende Reihe des relativen Nutzens der einzelnen Güter, bezogen auf die technische Arbeitseinheit: Absoluter Nutzen Arbeitsstunden Relativer Nutzen pro Arbeitsstunde Arbeitsleid Arbeitsleid pro Stunde . . . .
C,
K
5 1
10 2
4 1
5 1 1
5 5
4 4 4
2%
A» 8 2
Bi usw. 8 2
4 11
4 15
5%
?y2
Bei diesem Gedankengang kann der Wirtschafter in keinem Zweife sein, ob er A3 oder C2 herstellen soll, wie er es nach L. ist, oder gar sich zur Herstellung von A,, Cj und C2 entschließen, zu welchem unrichtigen Ergebnis, wie nachgewiesen wurde, L. gelangt. Unser Gedankengang führt zu dem von L. postulierten Ergebnis, n ä m l i c h zu d e m g ü n s t i g s t e n V e r h ä l t n i s v o n N u t z e n zu den K o s t e n , ein Beweis, daß dieser G e d a n k e n g a n g r i c h t i g i s t . Worin fehlt nun L.? Ist etwa nicht sein Lehrsatz richtig, daß der Wirtschafter sowohl bei einzelner als auch bei seiner gesamten Arbeitsverwendung das günstigste Verhältnis von Nutzen zu den subjektiven Kosten sucht? Im GegenteilI Unser Gedankengang bestätigt das L.sche Prinzip der Arbeitsanwendung voll. A b e r z u r F e s t s t e l l u n g d i e s e s günstigsten V e r h ä l t n i s s e s b e d a r f d e r W i r t s c h a f t e r (wie der Theoretiker) d i e t e c h n i s c h e A r b e i t s e i n h e i t , a u f d i e von einer Seite der N u t z e n des Arbeitsprod u k t e s und von a n d e r e r S e i t e die Kosten des bezogen werden. Dieses unerläßliche Arbeitsleides Hilfsglied hat L. vernachlässigt. Bei der Anwendung der Arbeitsmühe in der Konsumwirtschaft behält daher L. mit seinem Ertragsgedanken und folglich auch mit seinem Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge "voll recht, nur seine methodische Begründung bedarf einer Korrektur. Aber noch in einer anderen Beziehung sind die diesbezüglichen Ausführungen L.s von Interesse und Wichtigkeit. Ich brauche 3 Güter A, B und C, deren erstes einen Nutzen von 10, das zweite einen Nutzen von 9 und das dritte einen Nutzen von verspricht. Alle Güter erfordern je 2 Stunden Arbeit. Das Arbeitsleid der ersten Arbeitsstunde ist gleich 1, und steigt mit jeder folgenden Arbeitsstunde um 1 Intensität. In diesem Falle ist es ganz offenbar, daß ich zuerst das Gut A und dann das Gut B herstellen werde, die zusammen 4 Stunden, daher Kosten von 10 Intensitäten beanspruchen, und daß ich das Gut C nicht mehr herstellen werde, weil die 5. und 6. Arbeitsstunde subjektive Kosten von 11 verursachen, aber einen Nutzen von nur
206 7 y2 einbringen würde. Darum handelt es sich aber nicht. W a s s i n d j e d o c h d i e s u b j e k t i v e n K o s t e n d e s G u t e s A? Die 3 Arbeitsintensitäten! W a r u m a b e r n i c h t a u c h d e r g e o p f e r t e N u t z e n d e s G u t e s C, der für die 2 Stunden Arbeit und die damit verbundenen subjektiven Kosten erzielt werden konnte, wenn der Wirtschafter auf das Gut A verzichtete, und der daher geradeso geopfert wurde wie bei der Geldverwendung der höchste ungedeckte Nutzen? Derselbe logische Grund, der den .geopferten Nutzen' im letzteren Falle als Kosten erscheinen ließ, müßte ihm auch im ersteren Falle als Kosten erscheinen lassen. Denn man stelle sich nur vor, daß der Wirtschafter die Güter nicht unmittelbar herstellt, sondern kauft, daß er das Geld verdient und zwar pro Stunde eine Geldeinheit, und daß die Güter je 2 Geldeinheiten kosten. Der Wirtschafter wird nur 4 Stunden arbeiten, weil ihm der weitere Verdienst keinen das Arbeitsleid überwiegenden Nutzen verspricht. Die ersten 2 Stunden hat er für das Gut A (wäre er z. B. nach 2 Stunden verhindert worden, weiter zu arbeiten, so hätte er für die verdienten 2 Mark das Gut A gekauft), und die anderen 2 Stunden für das Gut B gearbeitet. Was sind die Kosten des Gutes A? Das Leid der 3 Arbeitsstunden (3 Intensitäten) oder der geopferte Nutzen des Gutes C (iy 2 Intensitäten) ? Um die Frage richtig zu beantworten, muß man die gesamten gekauften Güter, den gesamten Geldverdienst und die gesamte Arbeitsleistung ins Auge fassen. Was ist hier Nutzen und was Kosten? Nutzen sind die durch die Güter bewirkten Lustgefühle, Kosten ist das Arbeitsleid. Das Geld ist nur das technische Zwischenglied. Wenn auch die Hingabe des Geldes als Kosten aufgefaßt würde, so würden sich die Kosten mehr als verdoppeln (im Hinblick darauf, daß das Arbeitsleid der Arbeitseinheit höchstens so groß sein kann wie der relative Nutzen des der Arbeitseinheit entsprechenden Lohnes). Außerdem erscheint als Kosten bei allen Käufen fast immer derselbe ungedeckte Höchstnutzen. D a r a u s e r g i b t s i c h , d a ß m a n b e i d e r r e i n e n G e l d v e r w e n d u n g (ohne R ü c k s i c h t n a h m e auf das Arbeitsleid) ü b e r h a u p t von keinen s u b j e k t i v e n Kosten und daher auch von keinem s u b j e k t i v e n E r t r a g r e d e n k a n n . Es handelt sich nur um eine A u s w a h l d e r r e l a t i v n ü t z l i c h s t e n Güter. Es ist richtig, daß das Motiv des Kaufes A in dem auf S. 400 angeführten Beispiel durch die Differenz des Nutzens der Güter A und C gegeben ist, aber der Nutzen des Gutes C repräsentiert keine Kosten. Habe ich das verdiente Geld in der Tasche, so habe ich keine subjektiven Kosten, ob ich schon das Gut A oder das Gut G kaufe. Wenn ich also frage: warum kaufe ich das Gut A und nicht C ?, so lautet die Antwort: weil der Nutzen A größer ist (und beide kann ich nicht kaufen). Diese Erwägung erhärtet aber noch unsere frühere Behauptung, daß in der Konsumwirtschaft das Geld n i c h t n a c h d e m E r trage, und auch nicht nach dem r e l a t i v e n N u t z e n der K o s t e n e i n h e i t , s o n d e r n nach dem r e l a t i v e n N u t z e n d e r P r e i s e i n h e i t verwendet wird, und daß sich hierbei bei verschiedenen Bedürfnissen nicht das G e s e t z d e s A u s gleichs der Grenzerträge, sondern das Gesetz
207 des A u s g l e i c h s der r e l a t i v e n M i n d e s t n u t z e n der P r e i s e i n h e i t g e l t e n d m a c h t . Dagegen behält L. bei der Verwendung der Arbeitsmühe recht, nur seine methodische Begründung und Terminologie (relativer Nutzen — Ertrag) bedarf einer Ergänzung 1 )-"
In zwei weiteren Arbeiten hat E n g 1 i s die Vorgänge der Bedürfnisbefriedigung eingehend erörtert, von denen wir der Einfachheit halber nur die eine berücksichtigen können: „Ich kann verschiedene Güter, die verschiedenen Nutzen versprechen und verschiedenen Arbeitsaufwand verlangen, produzieren. Meine Arbeitszeit ist beschränkt. Ich will in der verfügbaren Arbeitszeit die größtmögliche positive Wohlfahrtsverschiebung erreichen. Will ich das, so muß mir jede Zeiteinheit die größtmögliche Wohlfahrtsverschiebung bringen. Ich muß daher sowohl den Nutzen als auch die Kosten jeder Produktionseventualität auf die Zeiteinheit reduzieren, also n a c h d e m r e l a t i v e n N u t z e n u n d d e n r e l a t i v e n K o s t e n d e r Z e i t e i n h e i t f r a g e n . So erfahre ich z. B.: Für die Produktion den relativen Nutzen der Zeiteinheit . . . . die relativen Kosten der Zeiteinheit . . . die positive Wohlfahrtsverschiebung der Zeiteinheit
A 20 15
B 15 5
C 12 3
D 5 1
5
10
9
4
Ich werde zunächst B, dann C, dann A und zuletzt D produzieren. Wieviel von jedem Gut hängt ab: von der gebrauchten Gütermenge, von der erforderlichen Arbeitszeit und von der verfügbaren Arbeitszeit des Subjektes. Auch dieses Beispiel zeigt, daß d e r W i r t s c h a f t e r n i c h t u n m i t t e l b a r d e n s u b j e k t i v e n N u t z e n zu der psychischen Kosteneinheit in Relation b r i n g e n k a n n , s o n d e r n d a ß er i m m e r n u r in d e r Lage ist, die a b s o l u t e Größe des N u t z e n s mit d e r a b s o l u t e n G r ö ß e d e r s u b j e k t i v e n K o s t e n zu v e r g l e i c h e n und, wo er den Nutzen und die Kosten verschiedener Verwendungsarten vergleichen will, um das erträglichere zu wählen, m u ß er s o w o h l d e n N u t z e n a l s a u c h d i e K o s t e n auf eine g e m e i n s a m e t e c h n i s c h e E i n h e i t r e d u z i e r e n , um dann die Größe des relativen Nutzens dieser technischen Einheit mit der Größe der relativen Kosten derselben technischen Einheit zu vergleichen, was psychisch wieder möglich ist. Weil für L. der subjektivistische Ausgangspunkt nicht eine Betrachtungsweise der äußeren Objekte und deren Veränderungen ist, sondern ihn dazu verleitet hat, das Wirtschaften in rein psychischen Vorgängen zu erblicken, so h a t L. d e n s u b j e k t i v e n N u t z e n z u d e n s u b j e k t i v e n K o s t e n , bzw. d e r e n E i n h e i t u n m i t t e l b a r in B e z i e h u n g g e b r a c h t u n d d a b e i Englis a. a. O. S. 414/16.
208 d i e ä u ß e r e t e c h n i s c h e E i n h e i t (der Menge, des Gewichtes, der Zeit, des Raumes usw.) v ö l l i g v e r n a c h l ä s s i g t . Er kommt schon in seinen Beispielen zu falschen Resultaten, wie ich an einem anderen Orte nachgewiesen habe 1 )."
Ohne Zweifel ist die Kritik Karl E n g 1 i s' die von allen bisher betrachteten Kritikern sachlich eingehendste, wenn wir unserem Vorsatze gemäß von der persönlichen Art vollkommen absehen. Erst recht verstehbar ist die Tatsache aus der Verwandtschaft der Gedankengänge beider Autoren: L i e f m a n n und E n g 1 i s. Das zwingt uns, auf die Auseinandersetzung des letzteren noch einmal einzugehen, auch auf die Gefahr hin, daß dem Leser zuweilen unsere Berücksichtigung der verschiedenen Kritiken und unsere anschließende Kritik zu langatmig erscheinen möge. Dann sei auf unseren in der Einleitung dargestellten mehrfachen Zweck dieser Abhandlung hingewiesen. Das Wesen des Ertragsbegriffes ist eingehend von uns gewürdigt worden. Karl E n g 1 i s bedient sich in seinem Gegenbeispiel d e s s e l b e n Z i f f e r n a n s a t z e s wie L i e f m a n n . Wenn wir dieses Problem herausstellen, ohne es zunächst weiter zu untersuchen, so dürfen wir E n g 1 i s in seiner Argumentation zustimmen, soweit es sich darum handelt, daß Q unter diesen Umständen nicht befriedigt wird. Betrachten wir die nähere Begründung von E n g 1 i s. — Nicht pedantisch, sondern wichtig ist es zu bemerken, daß in dem ersten von E n g 1 i s bemängelten Beispiel der Wirtschafter nach L i e f m a n n C1? C2 und A2 befriedigen wird (nicht in der umgekehrten Reihenfolge wie E n g 1 i s schreibt). — Nach E n g 1 i s wird analog zu L i e f m a n n zuerst das Bedürfnis Cj befriedigt. Doch wird bei E n g 1 i s der Beweis so geführt, daß der Wirtschafter gar nicht im Zweifel sein kann, wie er vorzugehen hat, während es bei L i e f m a n n der Fall ist in bezug auf Ax und Q. Das Zwingende an dem Beweis meint E n g 1 i s in der Berücksichtigung der „technischen Arbeits e i n h e i t " gefunden zu haben. Stellen wir •auch dieses Problem zunächst heraus. Wenn nun E n g 1 i § im Anschluß an seine früheren Ausführungen über das Problem des Ertrages bei der Geldverwendung nicht das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge, sondern das Gesetz des Ausgleichs der relativen Mindestnutzen der Preiseinheit gilt, so können wir ihm nicht E n g l i S : „Die wirtschaftliche Theorie des Geldes" i. Arch. f. Sozw. u. Sozp. Bd. 47, 1920/21, S. 286/87; s. ferner v. dems. Verf.: „Grundlagen des wirtschaftlichen Denkens", Brünn 1925, S. 116ff., worin E n g 1 i ä zu denselben Ergebnissen gelangt.
209 zustimmen. Ob Geld, ob Arbeitsmühe, ob Sachgut als Kosten aufgewendet werden, stets unterliegen dieselben einer „subjektiven Wertung", die zu dem Nutzen in ein Verhältnis gesetzt werden. Um Wiederholungen zu vermeiden, dürfen wir auf die einschlägigen Stellen dieser Abhandlung verweisen. Den Abschluß in der Reihe der Kritiker des L i e f m a n n schen Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge bildet Oskar E n g l ä n d e r , der merkwürdigerweise bei L i e f m a n n gar keine Erwähnung findet. E n g l ä n d e r , der neben E n g 1 i § die umfassendste Kritik geübt hat, legt das S c h u m p e t e r sehe Gesetz des Grenznutzenniveaus seiner Untersuchung zugrunde, um durch einen Vergleich desselben mit dem L i e f m a n n schen Grenzausgleichsgesetz die Ähnlichkeit beider Systeme darzulegen und seine Beweisführung treffender zu gestalten. Entgegen der Behauptung L i e f m a n n s vertritt E n g l ä n d e r den Standpunkt, daß das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge nicht identisch mit dem „wirtschaftlichen Prinzip" ist 1 ). Er steht auf dem Standpunkt der herkömmlichen Auffassung über die Abgrenzung des Wirtschaftens von dem übrigen menschlichen Tun durch das Beziehen der Bedürfnisse auf die „Beschaffung von Befriedigungsmitteln, sekundären Gütern". Nur für die so abgegrenzten wirtschaftlichen Handlungen gilt das „wirtschaftliche Prinzip", und unterscheidet sich durch die Bezugnahme auf das Sachding von dem allgemeinen Rationalpi inzip. „Wir werden es nicht als Anwendung des wirtschaftlichen Prinzips betrachten, wenn jemand den bequemsten Weg wählt, um zu einem Aussichtspunkt zu gelangen, oder wenn jemand, um zu einer Erkenntnis zu gelangen, lieber ein Buch in der Muttersprache, als in einer fremden, schwerer verständlichen Sprache liest. In diesen beiden Fällen strebt man nach einem motivierenden reinen Erfolg, und zwar nach möglichstem Überwiegen des (Roh-)Erfolges über die Kosten. Weil aber nur primäre Werte und Unwerte — Freude an der Aussicht, Unlust des Weges, Wert der Erkenntnis, Mühe des Verständnisses — in Betracht kommen, nicht aber sekundäre Güter, mit deren Hilfe die primären Werte erst verwirklicht werden, sprechen wir in diesen Fällen nicht von Wirtschaften und nicht vom wirtschaftlichen Prinzip. {Vgl. hierzu E l s t e r : „Zur Analyse des Geldproblems" Conrads Jahrb., III. F. 54. Bd., S. 265.)" 2) „Danach wäre also das wirtschaftliche Prinzip das Streben des Wirtschaftssubjektes, bei Beschaffung und Verwendung von Befrie*) S. darüber bereits unsere Erörterungen in Teil C und dem Schlußabschnitt unserer Untersuchung. 2 ) E n g l ä n d e r : „Gleichförmigkeit von Preis und Nutzen" i. Schmollers Jahrb. 44. Jahrg. 1920, S. 406. K l u g , Ausgleich der Grenzerträge.
14
210 digungsmitteln (1. Determination) für die eigene oder anvertraute Wirtschaft (2. Determination) eine, und zwar eine möglichst hohe Vorzüglichkeit des Erfolges vor den Kosten zu erzielen. Es entsteht nun die Frage, wie sich das wirtschaftliche Prinzip zum Satze L.s von der Ausgleichung der Grenzerträge verhält. Identisch oder äquivalent sind beide Sätze, jener vom wirtschaftlichen Prinzip und jener vom Ausgleich der Grenzerträge, offenbar nicht. Es kann sich also nur darum handeln, ob der zweite Satz vom Ausgleich der Grenzerträge notwendig aus dem ersten Satze vom wirtschaftlichen Prinzip folgt. In dieser Beziehung wäre zu bemerken: das wirtschaftliche Prinzip bezieht sich auf die einzelnen wirtschaftlichen Handlungen, nicht auf die Gesamtheit der wirtschaftlichen Handlungen. Es ist kein Streben nach möglichst hohem Gesamtreinertrag der Wirtschaft, sondern zunächst Streben nach motivierendem Reinertrag bei jeder einzelnen wirtschaftlichen Handlung 1 )."
Nach E n g l ä n d e r besteht nicht nur nicht eine Identität zwischen den beiden besagten Sätzen, sondern er negiert auch irgend ein Streben nach Ausgleich der Grenzerträge seitens des Wirtschaftssubjektes. „Zum Zwecke des Gegebenseins, daß die Voraussetzungen, die eine Gleichheit von Grenzreinerträgen zugleich mit dem Wirken des wirtschaftlichen Prinzips herbeiführen könnten, allgemein nicht zutreffen, und daß sich daher der von L. behauptete Ausgleich tatsächlich nicht ergibt, wollen wir zunächst eine Handlung wählen, die zwar keine wirtschaftliche Handlung ist, im übrigen aber gewisse, für die Entscheidung unserer Frage maßgebende Merkmale zeigt. Jemand hätte im Rahmen eines Wettspieles die Aufgabe, vier Pflöcke innerhalb einer Stunde so tief wie möglich in den Boden einzurammen. Je tiefer die einzelnen Pflöcke eingeschlagen werden, um so größer die Ehre. Die Pflöcke stehen im Erdreich verschiedener Beschaffenheit, das dem Eintreiben der Pflöcke verschiedenen Widerstand entgegensetzt. Der Spieler hat nun folgende Leitsätze für sein Verhalten. Er will auf das Einrammen keine Anstrengung aufwenden, die nicht durch den Erfolg — Zuwachs an Ehre — überboten würde, — Streben nach Reinertrag der einzelnen Handlung. Er will ferner bei jedem Einrammen im Hinblick auf die aufgewendete Arbeit einen größtmöglichen Erfolg erzielen, — Streben nach möglichst hohem Reinertrag bei der einzelnen Handlung. Er wird schließlich nicht Arbeit auf das weitere Einschlagen eines Pflockes verwenden, wenn er annimmt, daß er im Verhältnis zu der aufgewendeten Arbeit bei einem anderen Pflocke einen größeren Fortschritt erzielen kann, — vermeiden eines Reinertrages, der nur durch Verzicht auf einen höheren Reinertrag erlangt werden könnte. Es fragt sich nun, wie tief der Spieler die einzelnen Pflöcke einschlagen wird. Da ist es nun klar, daß er nicht darauf ausgehen wird, etwa alle Pflöcke gleich tief einzuschlagen, — kein Interesse an der Ausgleichung der Gesamtroherträge. Ferner wird der Spieler kein Gewicht darauf legen, daß der letzte Fortschritt bei allen Pflöcken der gleiche sei. Also auch die Grenzroherträge brauchen nicht die gleichen zu sein. E n g l ä n d e r : a . a . O . S. 407.
211 Der Spieler wird aber auch — und das ist jetzt das Entscheidende — in keiner Weise ein Gewicht darauf legen, daß der letzte Fortschritt bei allen vier Pflöcken im gleichen Verhältnis zur aufgewendeten Mühe stehe, daß sich die Grenzreinerträge in diesem Sinne ausgleichen. D a s wäre L.s Ansicht, und hier ergibt sich der Widerspruch gegen sie. Entgegen der Ansicht L.s ist es dem Spieler ganz gleichgültig, ob die Grenzroherträge beim Einschlagen der vier Pflöcke in dem gleichen Verhältnisse zu der, auf die Grenzroherträge aufgewendeten Arbeit stehen oder nicht, ob er auf eine letzte aufgewendete Einheit Arbeitsunlust bei allen Pflöcken den gleichen Fortschritt erzielt. Er wird nur darauf achten, daß er, wie erwähnt, nicht auf einen Pflock noch Arbeit aufwende, wenn er bei einem anderen Pflock verhältnismäßig mehr erzielen kann. Daß aber das Verhältnis zwischen Erfolg und Kosten hinsichtlich aller Pflöcke beim letzten Fortschritt dasselbe sei, daran ist dem Spieler gar nichts gelegen. Es wird wohl möglich seiii, daß ein Spieler zufällig bei allen vier Pflöcken im Verhältnis zur aufgewendeten Arbeitsunlust den gleichen letzten Erfolg erzielt. Allein das wäre eben nur ein Zufall, bewirkt durch eine besondere Gestaltung der Umstände, die diese Gleichheit voraus bestimmt, ebenso wie eis der Zufall — vollkommen gleicher Widerstand des Erdbodens — mit sich bringen kann, daß alle vier Pflöcke überhaupt gleich tief eingeschlagen werden. Wir sehen die Voraussetzungen, die in einzelnen Fällen die verhältnismäßige Gleichheit der reinen Grenzerfolge der einzelnen Handlungen von vornherein bedingen, sind in gar keiner Weise notwendig für alle Fälle gegeben, vielmehr, soweit sie im besonderen Falle gegeben sind, als rein zufällig anzusehen. Liegen diese besonderen Voraussetzungen nicht vor, so werden die Enderfolge im Verhältnis zu den Endkosten ganz verschieden sein. E s ließe sich z. B. der erste Pflock zunächst sehr leicht und dann, weil er auf Felsen stößt, überhaupt nicht weiter einschlagen, der zweite Pflock ließe sich zunächst leicht, dann schwer, zwei andere Pflöcke zunächst ziemlich schwer und dann sehr schwer einschlagen. Dann wird der Spieler zunächst — nicht der Zeit nach, sondern der Reihenfolge der Überlegung nach — den ersten Pflock in dem sehr leichten Teil, dann den zweiten Pflock in dem leichten Teil, dann die zwei übrigen Pflöcke in den ziemlich schweren und schließlich noch den zweiten Pflock in den schweren Teil einschlagen und dann aufhören, weil er einen Reinertrag nicht mehr erwartet. Irgend eine Ausgleichung der Grenzreinerträge findet weder statt, noch auch ist sie beabsichtigt. Nun könnte L. einwenden, wir hätten das Beispiel ungünstig gewählt. Allein demgegenüber müßte er nachweisen, daß die Verhältnisse stets gerade so liegen, daß der von ihm erwünschte Erfolg eines Ausgleiches sich zeigt. Dieser Beweis kann ihm aber nicht gelingen. Auch dies wird sich sogleich zeigen. Wir sehen, wie das angebliche Gesetz vom Ausgleich der Grenzerträge für Handlungen, die sich nach dem wirtschaftlichen Prinzip richten, nur daß sie nichtwirtschaftliche Handlungen im engeren Sinne darstellen, jedenfalls nicht gilt. Wir wollen dies nun für wirtschaftliche Handlungen im eigentlichen Sinne zeigen. Dabei nehmen wir zunächst ein Beispiel aus einer geschlossenen Wirtschaft. Solche Beispiele sind freilich nicht ungefährlich. Allein einerseits kommen wir dabei L.,
14*
212 wie wir gleich sehen werden, entgegen, und ferner wollen wir sodann gleich auf die in die verkehrswirtschaftliche Organisation eingereihte Wirtschaft eingehen. Wir nehmen also eine Wirtschaft, die lediglich mit Hilfe ihrer Arbeitskraft für sich allein, ohne jeden Verkehr mit anderen Wirtschaften, Güter zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse beschafft, und wollen untersuchen, ob etwa eine solche Wirtschaft nach dem Grundsatze der Ausgleichung der Grenzerträge vorgeht, oder ob auch nur etwa ihr wirtschaftliches Verhalten einen Ausgleich der Grenzerträge ohne unmittelbar darauf gerichtete Absicht herbeiführt 1 )." „Da ergibt sich nun folgendes: Zunächst ist jedenfalls der Rohertrag an Genuß bei der Erzeugung der einzelnen Güterarten ebenso wie der Genuß der einzelnen Stücke der einzelnen Güterarten ein verschiedener. Der Genuß des überhaupt erzeugten Brotes im ganzen ist wichtiger als der des berauschenden Getränkes, und ebenso ist die früher erzeugte Einheit Brotes wichtiger als die spätere. Ferner wird auch der Grenznutzen, der Nutzen der letzten erzeugten Einheit der einzelnen Güterarten, bei den verschiedenen Güterarten ein verschiedener sein. Wir sind durch nichts gezwungen oder berechtigt, anzunehmen, daß der Wirtschafter bei der Erzeugung der verschiedenen Güterarten bei allen gerade bis zum gleichen Grenznutzen gehen wird, daß er die Erzeugung so einrichten wird, daß die letzte erzeugte Einheit Brot für ihn dieselbe Bedeutung hat, wie die letzte erzeugte Einheit des berauschenden Getränkes. Die Wirtschaft hat an dieser Gleichheit der Grenznutzen gar kein Interesse, das wirtschaftliche Prinzip verlangt sie nicht, und auch sonst sind keine Voraussetzungen gegeben, die diese Gleichheit herführen würden. Die eigentliche Frage ist nun die, ob, wenn in einer geschlossenen Wirtschaft die Grenznutzen, also die Grenzroherträge verschieden sind, doch etwa die Grenzreinerträge sich dadurch notwendig gleichstellen, daß die Grenznutzen der einzelnen Güterarten zueinander in demselben Verhältnis stehen müssen, wie das auf die Grenzstücke der Güterarten aufgewendete Arbeitsleid. Diese Frage nun müssen wir entschieden verneinen. Ebenso wie es keine Notwendigkeit einer Ausgleichung der Gesamtroherträge (Artnutzen), der einzelnen Roherträge (Einzelnutzen) und der Grenzroherträge (Grenznutzen) gibt, gibt es auch keine Ausgleichung der Grenzreinerträge. Wieder ist dem Wirtschaftssubjekt an dieser Ausgleichung nichts gelegen, das wirtschaftliche Prinzip verlangt sie nicht, und es sind auch keine äußeren Umstände gegeben, die diese Gleichheit außerhalb einer unmittelbar hierauf gerichteten Absicht des Wirtschaftssubjektes bedingen würden. Dies können wir uns an folgendem Beispiel klarmachen. Wir hätten drei Güterarten A, B, C, deren einzelne Stücke folgende Nutzen geben, Arbeitsunlust erfordern und somit verhältnismäßige Reinerträge im Sinne L.s liefern: A. Reinertrag Nutzen Kosten in Arbeitsleidder Einheiten einheiten 18 At 36 2 10 Aj 30 3 4 A3 16 16 4 ') E n g l ä n d e r : a. a. O. S. 40 9/11.
213 Nutzen der Lusteinheiten
B. Kosten in Arbeitsleideinheiten 3 4 5
Reinertrag 17 7 5
C. 1 15 15 C, 2 6 12 C, 1 3 3 C, Nehmen wir an, der Wirtschafter arbeitet nur so lange, als ihm eine Unlusteinheit 6 Lusteinheiten verschafft. In diesem Falle wird er Ax und A2, Bj und B2, Cx und C2 erzeugen. Die Grenzerträge sind dann 10 bei der Güterart A, 7 bei der Güterart B, 6 bei der Güterart G. Sie sind ganz verschieden. Von einer Ausgleichung findet sich keine Spur. Will man nun dieses Beispiel etwas der Wirklichkeit anpassen, gerät man in gewisse Verlegenheit. Die Lust- und Unlueteinheiten sind nämlich, wie noch zu zeigen sein wird, tatsächlich ganz unzulässige Fiktionen und wurden von uns nur verwendet, um dem Gedankengange L.s möglichst entgegen zu kommen. Indes können wir das Beispiel doch auf konkrete Verhältnisse übertragen, ohne die Fiktion der Lustund Unlusteinheiten verwenden zu müssen. Wir nehmen also an, die geschlossene Wirtschaft erzeuge eine Gewichtseinheit Brot in 2 Stunden und eine Raumeinheit Wein in 6 Stunden. Soll nun der Ausgleich der Grenzerträge im Sinne L.s zutreffen, müßte die letzte Einheit Wein einen dreimal so hohen Nutzen geben wie die letzte Einheit Brot. Wird ein solches Verhältnis tatsächlich zutreffen? Die Antwort muß jedenfalls verneinend lauten. Wir können uns ohne weiteres vorstellen, und es wird dies der Wirklichkeit, soweit wir von einer solchen bei dem konstruierten Beispiel der geschlossenen Wirtschaft sprechen können, am nächsten kommen, daß die Wirtschaft Brot so lange erzeugt, bis ihr Bedarf an Brot überhaupt gedeckt ist, und daß sie erst dann überhaupt an die Erzeugung von Wein schreitet. In diesem Falle wird der Grenznutzen des Brotes für die betreffende Wirtschaft größer sein als der des Weines, trotzdem die Grenzkosten des Weines größer sind als die des Brotes. Die Grenzreinerträge gleichen sich also nicht nur nicht aus, sondern der Unterschied wird nur noch größer, wenn wir statt der an sich verschiedenen Grenznutzen der beiden Arten auch noch die Grenzkosten in Betracht ziehen 1 )." „Die Annahme einer Ausgleichung der Grenzerträge in einer Wirtschaft, die als Unwert geschätzte Arbeit auf Befriedigung von Bedürfnissen mit der Absicht verwendet, einen möglichst großen Überschuß des Wertes des Erfolges über den Unwert der Kosten zu erzielen, ist also vollkommen unbegründet. Weder ist irgendwie die Absicht einer solchen Wirtschaft auf Ausgleichung der Grenzerträge gerichtet — die Wirtschaft hat an einer Ausgleichung der Grenzerträge *) E n g l ä n d e r : a. a. O. S. 413/15.
214 nicht das mindeste Interesse, — noch auch ergibt sich die Ausgleichung als Folge sonstiger wirtschaftlicher Erwägungen oder Verhältnisse *)." „Die Anordnung, die uns die III. Tabelle (siehe nächste Seite) zeigt, ist die der abwechselnden, springenden und abbrechenden Bedürfnisse nach den einzelnen Güterarten. Güter Notwendige Nahrung (Brot) Wohnung Kleidung Feinkost Bücher
. . .
. . . . . . . . .
Vorzugsskalen: a | b | c | . | a | b | . | . | e a | . | c | | e | d | . f | e f
Eine Abwechslung liegt vor, wo Bedürfnisse nach Gütern verschiedener Arten den gleichen Rang aufweisen, so daß im gegebenen Fall, sobald der betreffende Grad des einen Bedürfnisses befriedigt ist, nunmehr der gleiche Grad des Bedürfnisses nach einem Gute der anderen Art an die Reihe kommt, wobei die Reihenfolge, ob das Bedürfnis nach dem einen oder dem anderen Gute befriedigt werden soll, von vornherein nicht feststeht. Wenn jemand nach Befriedigung des Bedürfnisgrades d bei allen Bedürfnissen, bei denen dieser Grad vorkommt, nunmehr Bedürfnisse mit dem Range e zu befriedigen in die Lage kommt, wird er diesen Bedürfnisgrad entweder bei der Wohnung oder bei der Kleidung oder bei Büchern befriedigen. Die Reihenfolge bleibt zunächst vollkommen unbestimmt. Jedenfalls aber wird er — von der Ausnahme des Aufwiegens des Ranges abgesehen, auf die wir gleich zu sprechen kommen werden — nach Befriedigung des Bedürfnisgrades e bei Kleidung nicht weitere Kleidung mit dem Range f anschaffen, so lange nicht bei Büchern der Bedürfnisgrad e gleichfalls gedeckt ist. Unterbrochene oder springende Bedürfnisgrade liegen dort vor, wo ein gewisser Bedürfnisgrad bei einer bestimmten Güterart nicht gegeben ist. Nach Befriedigung der wichtigsten Grade bei Brot, Wohnung und Kleidung werde ich bessere Kost mit dem Range d vor Büchern, weiteren Wohnräumen, weiterer Kleidung anschaffen. Wenn ich bessere Kost mit dem Range d angeschafft habe, werde ich weitere Mittel nicht für weitere bessere Kost, sondern für Bücher, Kleidung, Wohnung mit dem Range e aufwenden. Der Rang d der Feinkost hat vor dem Range e bei Büchern usw., dieser aber, der bei Feinkost nicht vertreten ist, vor dem bei Feinkost weiter folgenden Range f den Vorzug. Abbrechende Bedürfnisse endlich sind jene, die, wie oben gezeigt, sobald sie einen gewissen Grad erreicht haben, dem Begehren nach anderen Güterarten endgültig Platz machen. Verhält sich nun das Bedürfnis nach den einzelnen Stücken der verschiedenen Güterarten in dieser Weise, so ist damit auch die Möglichkeit beseitigt, bei den verschiedenen Güterarten im Verhältnis zur aufgewendeten Arbeit stets die gleichen Erträge an Nutzen und somit schließlich auch bei allen angeschafften Güterarten gleiche Grenzerträge zu erzielen. Das ergibt folgende Erwägung. Wir wollen nur das Springen des Grenznutzens berücksichtigen. Das Springen de» E n g l ä n d e r : a . a . O . S. 416.
>215 Grenznutzens kann ein absolutes sein in dem Sinne, daß sich ein bestimmter höherer Grad der Bedürfnisbefriedigung bei einer Güterart durch Summierung von Stücken geringerer Grade einer anderen Güterart überhaupt nicht aufwiegen läßt, während bei einem nächsten Stücke das umgekehrte Verhältnis gegeben ist. Es wäre z. B. ein bestimmtes Kleidungsstück mit dem Range c durch Summierung von Stücken Feinkost mit dem Range d e f überhaupt nicht aufzuwiegen und andererseits dann wieder ein Stück Feinkost mit dem Range d nicht durch mehrere Kleidungsstücke mit dem Range e f g . In diesem Falle ist ein Ausgleich der Grenzerträge überhaupt ausgeschlossen. Der betreffende Wirtschafter wird ohne jede Rücksicht auf das Arbeitserfordernis Arbeit zunächst auf das Kleidungsstück mit dem Range c, dann auf Feinkost mit dem Range d, dann wieder auf ein Kleidungsstück mit dem Range e aufwenden. Für einen Ausgleich der Grenzerträge ergibt sich überhaupt keine Möglichkeit. Das Springen der Grenznutzen der verschiedenen Güterarten ist nun aber häufig insofern kein absolutes, als ein bestimmter Bedürfnisgrad eines Gutes durch Summierung von Bedürfnisgraden eines anderen Gutes, die jeder für sich geringer sind, aufgewogen werden kann. In diesem Falle zeigt sich uns diskontinuierliche gegenseitige Substituierung. Je eine Mengeneinheit eines Gutes bestimmter Art wiegt je nach dem Stand der Bedürfnisbefriedigung jeweils verschieden viele Stücke mit unstetigen Abständen eines Gutes anderer Art auf. Auch in diesem Falle ist ein Ausgleich der Grenzerträge — von einem zufälligen Zusammentreffen abgesehen — ausgeschlossen *)."
Auf die Erwerbswirtschaft bezogen, meint E n g l ä n d e r : „ . . . daß sich die Reinerträge der Erwerbshandlungen, die das einzelne Wirtschaftssubjekt vornimmt, wohl ausgleichen können, aber nicht ausgleichen müssen. In dieser Beziehung ist wieder darauf hinzuweisen, daß das Wirtschaftssubjekt an der Ausgleichung der Reinerfolge der einzelnen Erwerbshandlungen kein wie immer geartetes Interesse besitzt. Das Wirtschaftssubjekt hat nur das Interesse^ keine günstigere Erwerbsgelegenheit zu gunsten einer minder günstigen aufzugeben. Daß sich hieraus nicht etwa von selbst Ausgleichung der Reinerträge ergibt, haben wir bei den Konsumerträgen nachgewiesen.-^ Nun finden wir aber im Gegensatz zu den Konsumerträgen bei den Erwerbserträgen tatsächlich einen Ausgleich oder wenigstens eineq annähernden Ausgleich in sehr weitem Umfange. Wir müssen dabei nur die einzelnen Erwerbsgattungen auseinander halten. Ein einheitlicher Reinertrag aller Erwerbsarten auch nur als Grenzertrag ist von vornherein unmöglich, da es sich um Größen handelt, die untereinander überhaupt nicht vergleichbar sind. Der Reinertrag einer Arbeitsleistung, das ist der Vorzug des Wertes des Arbeitslohnes vor der Unlust det Arbeitsplage, ist mit einem Kapitalzins überhaupt unvergleichbar,, es sind dies ganz inkommensurable Größen. Was die Rente anbelangt, ist sie, soweit sie Differenzialrente ist, gerade das Gegenteil von einem? Ausgleich. Soweit sie Seltenheitsrente ist, ergibt sich ein Ausgleich nur im Bereiche der eben in Betracht kommenden Güterart. Wir *) E n g l ä n d e r : a. a. O. S. 421/23.
216 werden daher von einem Ausgleiche der Reinerträge nur innerhalb der einzelnen Erwerbsgattungen zu sprechen haben. Es gleichen sich die Arbeitslöhne in gewissem Umfange aus, ebenso die Seltenheitsrenten innerhalb der betreffenden Güterarten, und am reinsten ergibt sich die Ausgleichung wohl beimKapitalzins 1)."
Wir können von der zu engen Auffassung E n g l ä n d e r s vom Wirtschaften absehen, da dieselbe ein „Fall" des Wirtschaftens im erweiterten Sinne, des Wirtschaftens als Problem gesehen, darstellt, und sofort zu der Prüfung der Begründung von E n g l ä n d e r s Anschauung übergehen. Hierbei ist es auch gleichgültig, ob wir das gewählte Beispiel des Spieles tatsächlich als Spiel im Sinne der herkömmlichen Theorie oder es zugleich als wirtschaftliches Phänomen betrachten. Denn die Erwägungen des Spielers sind rein psychischer Art und beziehen sich auf rein psychische Objekte: Ehre und Arbeitsunlust (daher nach E n g l ä n d e r eine nichtwirtschaftliche Handlung). Hält E n g l ä n d e r den Ansatz konsequent für seine Beweisführung fest ? — Offenbar nicht. Anstatt den Zuwachs an Ehre und die Zunahme an Arbeitsleid bei dem Einschlagen des einzelnen Pflockes miteinander zu vergleichen und dann die einzelnen r e i n p s y c h i s c h e n Erträge, schiebt E n g l ä n d e r ein t e c h n i s c h e s Moment, den äußeren Erfolg des Einschlagens der Pflöcke, in den Gedankengang ein. Selbstverständlich hat der Spieler „kein Interesse an einer Ausgleichung der Gesamtroherträge, d. h. alle Pflöcke gleich tief einzuschlagen", oder der Grenzroherträge, in dem Sinne, „daß der letzte Fortschritt bei allen Pflöcken der gleiche ist". Das sind rein ä u ß e r e Vorgänge. Die Devise des Spieles heißt zwar: „ J e tiefer die einzelnen Pflöcke eingeschlagen werden, um so größer die Ehre". Dieser ä u ß e r e , technische Erfolg ist aber von den eben zitierten äußeren Vorgängen dadurch zu unterscheiden, daß er das Mittel zum Zweck: Ehre ist. Die Ehre erreicht aber nur dann einen möglichst hohen Grad, wenn die Kraft nicht unüberlegt auf den einen, dann auf den anderen Pflock aufgewendet wird, sondern wenn die Kraft in ein Verhältnis gesetzt wird zur Ehre. Dieser r e i n p s y c h i s c h e Ertrag ist das wesentliche, somit auch der rein p s y c h i s c h e Grenzertrag. Die Pflöcke sind nur äußerer Maßstab, Vermittler für das Wohlgefühl der Ehre, relativ zu dem Unlustgefühl der Anstrengung. Analog: nicht das ä u ß e r e Gut ist der Nutzen selbst, *) E n g l ä n d e r : a. a. O. S. 738; siehe auch die Kritik E n g l ä n d e r s an der Auffassung von E n g 1 i g und E ß 1 e n , S. 727 ff.
217 sondern es ist Stifter des Nutzens, der auf die zu seiner Erlangung erforderlichen Kosten bezogen wird, wenn der Ertrag ein möglichst großer sein soll. Daß das Gut Nutzen zu stiften imstande ist, liegt in seiner Eigenschaft begründet. Aus demselben Grunde wählt man zu dem vorliegenden Wettspiel Holzpflöcke und nicht Strohhalme als t e c h n i s c h e s Mittel zur Erzielung des relativ größten Wohlbehagens aus der von den Mitspielern anerkannten Ehre. So kann es zwar „Zufall" sein, wenn „ein Spieler bei allen vier Pflöcken im Verhältnis zur aufgewendeten Arbeitsunlust den gleichen letzten Erfolg erzielt oder daß alle vier Pflöcke überhaupt gleich tief eingeschlagen werden", — „bewirkt durch eine besondere Gestaltung der Umstände, z. B. vollkommen gleicher Widerstand des Erdbodens"; aber k e i n „Zufall" kann in dem Verhältnis Ehre: Arbeitsunlust eintreten, da dieses eben v o r h e r e r w o g e n wird, woraus als „ z u f ä l l i g e" Folge der erwähnte t e c h n i s c h e Erfolg eintreten kann. Der Beweis E n g l ä n d e r s ist mißglückt, weil er logisch nicht folgerichtig vorgeht: Einmal ist der Erfolg = Ehre, — ein p s y c h i s c h e r Tatbestand, — dann ist der Erfolg = der Grad der Tiefe des Pflöckeeinschlagens, — ein ä u ß e r e r , t e c h n i s c h e r Tatbestand. Ebenso wenig zwingend ist E n g l ä n d e r s Behauptung, daß der Spieler unter den angenommenen Umständen „den ersten Pflock in dem s e h r l e i c h t e n Teil (von mir gesperrt), dann den zweiten Pflock in den leichten Teil usw. einschlagen wird." Wie der Spieler vorgehen wird, ist eine Tatfrage, die nicht allein von den äußeren „angenommenen Umständen" abhängen wird, sondern auch von der Konstitution des Spielers selbst. Wahrscheinlicher ist das Gegenteil der Annahme E n g l ä n d e r s . Mit frischer Kraft wird man wohl zunächst die schwierigeren Widerstände zu überwinden trachten, und sich dann mit dem schwächeren Aufwand der leichteren Aufgabe widmen 1 ). Den an einer nichtwirtschaftlichen Handlung dargestellten Beweis, daß das „wirtschaftliche Prinzip" und das Gesetz i) Neuerdings hat E n g l ä n d e r : „Kapitalzins und wirtschaftliche Entwicklung" in Zeitschr. f. d. ges. Staatsw., 84. Bd., 1928, S. 108 in seiner Kritik gegen S c h u m p e t e r e i n dem Wesen nach gleiches Beispiel angeführt. Auch mit diesem nicht glücklich gewählten, technische und psychologische (wirtschaftliche) Phänomene verwechselndem Beispiel des „gleichhohe Bäumefällens" glaubt E n g l ä n d e r die Unmöglichkeit des Ausgleichs der Grenznutzen dargetan zu haben.
218 des Ausgleichs der Grenzerträge nicht identisch sind und daß irgendeine Ausgleichung der Grenzerträge (oder Grenzreinerträge in dem festgestellten Sinne) nicht stattfindet, sucht nun E n g l ä n d e r an einer wirtschaftlichen Handlung zu erhärten. Auch E n g l ä n d e r huldigt der herkömmlichen Lehre, daß das Wirtschaftssubjekt n a c h dem Ausgleichsgesetz handelt, das gleichsam als eine ü b e r dem Menschen schwebende „Richttafel" erscheint. Daß L i e f m a n n auch diese Meinung vertritt, nur mit dem Unterschied, daß bei ihm das „wirtschaftliche Prinzip" und das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge identisch sind, haben wir erwähnt. Auflösen wird sich das Problem in unserer Schlußbetrachtung. Sehen wir von der Absolutheit ab, mit der E n g l ä n d e r die Ansicht ausspricht, daß das Brot wichtiger ist als das Fleisch, und der allzu schnellen Negierung eines Grenzausgleichsgesetzes analog zu seinem früheren Ergebnis und betrachten uns das Beispiel. Auffallend ist der Ziffernansatz bei den Kosten in Arbeits1 e i d einheiten im Verhältnis zu der verschiedenen Dringlichkeit der Bedürfnisse. Schaut man den gesamten Ziffernansatz näher an, so erweckt das „gerade Aufgehen" der Verhältnisse den Anschein der Willkürlichkeit. Befremdend mutet ferner an, daß förmlich von „draußen" her, die Annahme gesetzt wird, daß „der Wirtschafter nur so lange arbeitet, als ihm eine Unlusteinheit sechs Lusteinheiten verschafft". Stellen wir aus bald ersichtlichen Gründen die Vermutungen heraus, bis wir in der Lage sein werden, dieselben aufzuhellen. In bezug auf die dargestellten „Lust- und Unlusteinheiten" spricht E n g l ä n d e r selbst von Fiktionen und sucht daher ohne sie das Beispiel der Wirklichkeit anzupassen. Ist es richtig, „eine Gewichtseinheit Brot zu zwei Stunden und eine Raumeinheit Wein zu sechs Stunden" und dann wiederum ihre Ergebnisse als t e c h n i s c h e Größen zueinander in Beziehung zu setzen, wenn man zu p s y c h i s c h e n Verhältnissen Stellung nehmen will ? Offenbar nicht. Nutzen und Kosten sind als S c h ä t z u n g s begriffe aufzufassen und sind demgemäß nicht mit Gewichts-, Raumund Zeitmaßen zu verwechseln. Damit wird nicht bestritten, daß diese t e c h n i s c h e n Größen auf die p s y c h i s c h e n Verhältnisse beeinflussend wirken. Wenn dann E n g l ä n d e r zur Bekräftigung seiner (verfehlten) Argumentation meint, daß „wir uns ohne weiteres vorstellen können, daß die Wirtschaft so lange Brot erzeugt,
219 Ms ihr Bedarf an Brot überhaupt gedeckt ist, und daß sie erst dann überhaupt an die Erzeugung von Wein schreitet", so ist die „Ohne-weiteres-Vorstellung" kein Gegenbeweis zu der Gültigkeit des Grenzertragsausgleichsgesetzes. Auch bei dieser Formulierung des Wirtschaftens geht der Wirtschafter so vor, daß er nach der Bedarfsdeckung an Brot zur Bedarfsdeckung an Wein übergeht. Wann er aber die erste Bedarfsdeckung abbricht, steht zur Erörterung. Bis jetz vermögen wir — lediglich auf Grund logischer Erwägungen — E n g l ä n d e r s Ansicht nicht zu teilen. In den folgenden Zeilen geht E n g l ä n d e r in seinem Erläutern des Wirtschaftens genau so vor, wie L i e f m a n n und andere Schriftsteller es darstellen. Der Wirtschafter trägt den angestellten Erwägungen Rechnung und „springt" unter Berücksichtigung der oben erwähnten technischen Umstände von der Befriedigung eines Bedürfnisgrades zu der eines anderen. Wenn trotzdem E n g l ä n d e r auf Gründl dieser Erwägungen die Ansicht vertritt, daß „damit auch die Möglichkeit beseitigt ist, bei den verschiedenen Güterarten im Verhältnis zur aufgewendeten Arbeit stets die gleichen Erträge an Nutzen und somit schließlich auch bei allen angeschafften Güterarten gleiche Grenzerträge zu erzielen", so hat er sich auch hier durch die ä u ß e r e n Vorgänge zu der logisch falsch begründeten Schlußfolgerung verleiten lassen. In denselben logischen Irrtum — um mich nicht schärfer auszudrücken — verfällt E n g l ä n d e r bei seiner Negierung des Ausgleichs der Grenzerträge in der Erwerbswirtschaft. Zunächst läßt er das Problem der logischen Spaltung des Identitätsprinzips außer acht, was bei seiner Verwechslung von technischen und psychischen Vorgängen begreiflich ist. Es handelt sich bei E n g l ä n d e r nur um die Unvergleichbarkeit der „Reinerträge" einer Arbeitsleistung mit einem „Kapitalzins". Wird das Problem p s y c h i s c h betrachtet, so ist eine Vergleichbarkeit der beiden Phänomene tatsächlich möglich. Insofern als ich erwägen kann, ob ich lieber durch Arbeit mein Geld verdiene und mich in der aufgewendeten Mühe durch behagliche Lebensführung in den Mußestunden entschädige oder ob ich lieber nichts tue und von den Zinsen meines Vermögens ein bescheideneres Dasein führe ? Daß die Differenzialrente sich niemals ausgleichen kann, dürfte aus dem Worte zu ersehen sein. Dasselbe gilt für die Seltenheitsrente. E n g l ä n d e r vermengt bei dieser Ansicht zwei Probleme. Die Preise der einzelnen Gütergattungen haben die Tendenz, um die Produktionskosten des letzten,
220 zur Bedarfsbefriedigung noch, notwendigen Erwerbszweiges zu oszillieren, damit besteht eine Tendenz zur Ausgleichung der auf Grund bestimmter Momente verschiedenen Profitraten. Wenn auch an sich, ohne Mitwirkung der Marktparteien, eine Differenzialrente z. B. infolge besonderen Standortes gegeben sein kann, so ist doch der Tatbestand einer wirkungsvollen und bestimmt hohen Differexizialrente erst ein E r g e b n i s des Preisbildungsvorganges. Die Grenzerwerbserträge der einzelnen Erwerbszweige haben die Tendenz sich auszugleichen bzw. können sich ausgleichen, niemals aber die Differenzialrenten innerhalb d e s s e l b e n Erwerbszweiges. Daß sich die v e r s c h i e d e n e n Differenzialrenten der v e r s c h i e d e n e n Erwerbszweige untereinander ausgleichen können, ist nur die logische Folgerung des von E n g l ä n d e r bestrittenen „Gesetzes des Ausgleiches der Grenzerwerbserträge". Sollte dieser Tatbestand von E n g l ä n d e r gemeint sein, so ist er nur eine Problemverschiebung und kein Gegenargument gegen das eben erwähnte „Gesetz" einschl. seiner erweiterten Fassung. Für die Arbeitslöhne und den Geldkapitalzins wird der Ausgleich zugegeben, doch fehlt jede nähere Begründung. Besonders in der Hinsicht, wie der ä u ß e r e Ausgleich der Geldgrenzerträge mit dem i n n e r e n Ausgleich der Grenzkonsumerträge in Verbindung steht, aus dem sich jener ableitet 1 ). 1 ) In Ergänzung der bisherigen Kritiken möge noch kurz in der Anmerkung die Ansicht E. S a 1 i n s über das Grenzertragausgleichsgesetz wiedergegeben werden. S a l i n meint: „Die Annahme der Ertragsschätzung besagt für L i e f m a n n , daß ein Wirtschafter dort seine Tätigkeit beginnen wird, wo das Verhältnis des zu erzielenden Nutzens mit den in Kauf zu nehmenden Kosten, der Ertrag, am günstigsten ist (vgl. das Beispiel I, S. 409 ff.). Wir halten hier einen Augenblick inne und befragen unsere Erfahrung nach der Richtigkeit dieses Satzes. Es leuchtet sofort ein, daß er für die Erwerbswirtschaft (aber dort nur als Geld-, nicht als .psychischer' Schätzungsbegriff unbestreitbar ist — von dort stammt ja der ganze Ertragsgedanke. Aber für die Konsumwirtschaft? Wir setzen einen einfachen Fall: Jemand hat Hunger und Durst, und zwar sei sein Eßbedürfnis viermal so stark als sein Durst; zur Stillung des Hungers ist ein vier Stunden langer Gang nach einem Ort A erforderlich, zur Stillung des Durstes ein halbstündiger Gang nach einem entgegengesetzt liegenden Ort B. Der .Ertrag' ist also am günstigsten bei B; aber wir fragen: Wer glaubt, daß wirklich dieses günstigen .Ertrages' wegen zuerst der Durst gestillt wird ? Oder wenn jemand vor einer Speisekarte sitzt, hat da schon je eine ,Ertrags'schätzung sein Verhalten bestimmt? Oder wenn jemand sehr dringend einen Mantel braucht, wird er dann wegen günstigeren .Ertrages' einen weniger dringend benötigten Spazierstock zuerst kaufen ? Die Beispiele lassen sich beliebig stellen — ich sehe, sobald man L i e f m a n n s Zahlen konkret benennt, keinen Fall außerhalb der Erwerbswirtschaft, bei dem
221 E. Konnten die Kritiker Liefmann treffen bzw. haben sie ihn getroffen? Wenn wir einen Blick auf den Gesamtkomplex der Kritik und Antikritik bezüglich des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge zurückwerfen, so dürfen wir gestehen, daß viel Gedankenarbeit für die Kritik des besagten „Gesetzes" aufgewandt worden ist, aber ebenfalls, daß der Geistesaufwand nicht ausreicht, um die Grundfesten des L i e f m a n n sehen Gebäudes und damit das Gebäude selbst zu erschüttern, wie die Kritiker überwiegend meinen. Der Angriffspunkt war für jeden der Kritiker der psychische Ertrag, dessen Unmöglichkeit oder Neuheit darzutun oder anzuzweifeln versucht wurde. Aus dem Gesamtergebnis der Kritiken/haben wir einige Punkte bei A m o n n , E n g l i s , E n g l ä n d e r herausgestellt, von denen insbesondere der erste die innere Verwandtschaft der L i e f m a n n sehen Lehre mit der Grenznutzentheorie aufzeigen zu können vermeinte. — G o s s e n wird von L i e f m a n n selbst als sein eigentlicher Vorläufer angesehen. Bis auf diesen Vergleich werden die herausgestellten Punkte in dem folgenden Abschnitt aufgeklärt werden. tatsächlich der , Ertrag' bestimmend eingreift und ich habe bei vielen versuchsmäßigen Fragen niemand gefunden, der zu Hause oder vor der Speisekarte eine ,Ertrags'schätzung vornimmt. Wäre alle Wirtschaft Bedarfswirtschaft, so bliebe daher unseres Erachtens keine andere Möglichkeit, als L i e f m a n n s Ertragsgedanken als positiv unrichtig (nicht nur als untauglich) abzulehnen. ,Der Wirtschafter muß die Befriedigung seiner Bedürfnisse in der Weise vornehmen, daß er den absteigenden Erträgen folgt' (I, S. 412), dieser Satz L i e f m a n n s ist ein Postulat, das mit keiner Wirklichkeit der .Konsumwirtschaft' etwas zu tun hat", i. „Die volkswirtschaftliche Theorie im 20. Jahrhundert" i. Schweizerische Zeitschr. f. Stat. u. Volksw., 57. Jahrg., 1921, S. 108. Aus unseren gesamten Ausführungen ist ersichtlich, daß S a l i n mit seiner Argumentation nicht in den Kern der Problemstellung eingedrungen ist. Wenn S a l i n meint, daß der „Ertrag" bei B günstiger ist als wenn der „Jemand" seinen Hunger stillen würde, so ist er zu diesem Ergebnis auf Grund seines Ziffernansatzes gekommen. Behalten wir denselben bei, so ist keineswegs gesagt, daß der „Jemand" den von S a l i n angenommenen Weg einschlagen wird oder muß. Die rein t e c h n i s c h e Gegebenheit — in diesem Falle der 4- bzw. V2 stündige Gang — wirkt modifizierend auf die rein subjektive Schätzung von Nutzen und Kosten ein. Wenn der „Jemand" nach S a l i n seinen Durst stillt, so gibt er damit zu verstehen, daß zwar an sich, ohne Berücksichtigung der Kosten, der Durst nur % des Hungers beträgt, daß aber unter Hinzuziehung des Kostenmoments die rein subjektive Einschätzung des Verhältnisses von Nutzen und Kosten bei der Durststillung doch günstiger ist.
222 Zum nicht geringen Teil trägt an dem Ergebnis der Umstand bei, daß einige Kritiker bei dem Ansätze ihrer Kritik unbewußt und im Laufe derselben bewußt die Grundsteine i h r e r e i g e n e n Gebäude in die Betrachtung hineinziehen. Dieses Verhalten ist auch einer der Beweggründe gewesen, warum wir bei der Untersuchung der inneren Logik der L i e f m a n n sehen Auffassung vom Wirtschaften von der Grundlegung anderer Systeme ausgingen. Nur auf diese Weise kann dargestellt werden, wie die verschiedenen „Systeme" einander ergänzen bzw. sich überschneiden, nicht zuletzt, von welchem Standpunkt aus die Kritik der Autoren geführt wird und wie sie gewürdigt werden muß. Andererseits ist zu würdigen, daß L i e f m a n n zu der dargestellten Aufnahme seiner Lehre durch seine teilweise unklare und widerspruchsvolle Gedankenführung beigesteuert hat. Wir mußten wiederholt die mangelnde erkenntnistheoretische Grundlage seines Systems bemerken. Dadurch, daß L i e f m a n n von dem Versuch, den T a u s c h v e r k e h r zu erklären, zur Grundlegung seines nach ihm allgemein gültigen Systems gelangt, erscheint der Versuch teilweise gewaltsam durchgeführt, wenn wir von den in der Einleitung dieser Abhandlung zitierten, in Frage stehenden Bemerkungen L i e f m a n n s absehen, die nicht geeignet sind, sein System als d a s System, das ist eben das allgemeingültige, anzuerkennen1). So tritt die Unterscheidung zwischen dem Zum anderen. Bevor jemand in ein Restaurant geht, weiß er bereits ob ihm die möglichst große Gesamtbedarfsbefriedigung aller Bedürfnisse das Eintreten und Bestellen einer Speise erlaubt. S a l i n behandelt die i s o l i e r t e „Ertrags"schätzung. Auch diese ist möglich und Wirklichkeit. Gar oft wird sich der Student überlegen, ob er außer seinem unter anderen Speisen ausgewählten Menu noch ein Bier trinken darf oder ob er sich statt dessen die „Illustrierte Zeitung" kauft, — eine „Ertragsschätzung", die allerdings weniger für den schon mehr bemittelten Dozenten in Frage kommt. Auch bei dem letzten Beispiel läßt sich S a 1 i n zu seiner Argumentation durch den teilweise ä u ß e r e n Tatbestand, den geringeren Preis des Spazierstockes gegenüber dem Mantel verleiten. Das Wesen des Ertrages im L i e f m a n n sehen Sinne ist mit S a 1 i n s Ausführungen nicht gekennzeichnet. Und wie sich die „Befriedigung nach absteigenden Erträgen" zum „Postulat" verhält, wird aus unseren nachfolgenden Ausführungen hervorgehen. ') Diesen Tatbestand drückt L i e f m a n n selbst in seiner Entgegnung gegen A m o n n aus: „Einigermaßen sachgemäß erörtert A. allein die Frage, wie das Nutzen- und Kostenvergleichen stattfindet, also die psychischen Vorgänge in der Konsumwirtschaft. Ich habe offen zugestanden, daß ich diese Dinge nur nebenbei behandelt habe, weil es sich für meine Aufgabe, die Erklärung der Tauschverkehrsvorgänge, dabei nur um Vorarbeiten handelte. Es würde sich auch an meiner Lösung jener, dem Ausgleich der Grenzerträge als Grundlage der Preis- und Einkommensbildung, nichts ändern, selbst wenn nach-
223 W i r t s c h a f t e n s c h l e c h t h i n und dem Mittel, als welches auch das h i s t o r i s c h e Phänomen: die Erwerbswirtschaft anzusehen ist, nicht hervor bzw. ist überhaupt nicht ins Bewußtsein gekommen, wenn L i e f m a n n sagt: „Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge ist der wichtigste Satz der ökonomischen Theorie. Unser ganzes theoretisches System, das ja die Aufgabe hat, die E i n h e i t l i c h k e i t und G l e i c h a r t i g k e i t des wirtschaftlichen Prinzips sowohl in der Einzelwirtschaft als auch im Tauschverkehr nachzuweisen, und zu erklären, wie die wirtschaftlichen Bestrebungen und Handlungen der einzelnen Menschen des ganzen tauschwirtschaftlichen Mechanismus in Gang setzen, beruht auf diesem Satz. Er ist die schärfste Formulierung des wirtschaftlichen Prinzips schlechthin 1 ) . " Abgesehen von der logischen Spaltung des Identitätsprinzips ist für die hier ausgesprochene Ansicht L i e f m a n n s auch sein n a c h h e r i g e s Eingehen auf das P r o b l e m Wirtschaften bestimmend gewesen. Die Logik des Grenzertragsgesetzes haben die Kritiker nicht getroffen. Ist damit gesagt, daß die inhaltliche Darstellung des Grenzertragsgesetzes von L i e f m a n n zwingend durchgeführt ist ? Darüber möge der folgende Abschnitt handeln. Die Bitte sei hier wiederholt, daß der Leser sich noch einmal den Gedankenkomplex, insbesondere für die folgenden Zeilen die L i e f m a n n sehe Beweisführung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge, vor Augen führen möge. gewiesen werden könnte, daß der Grenzertragsgedanke in der Konsumwirtschaft keine Rolle spiele", i. Arch. f. Sozw. u. Sozp., Bd. 47,1920/21, S. 513. *) L i e f m a n n : „ G r u n d s ä t z e " I, S. 416; die Sperrungen sind von mir.
224 F. Unsere Kritik und Beweisführung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge. Wir sehen von der Tatsache ab, daß Kosten nicht nur „Unlustempfindungen" zu sein brauchen, auch davon, daß das „Unlustgefühl" bei der Aufwendung weiterer Arbeitsstunden im Verhältnis zu dem vorhergehenden nicht immer stärker zu sein braucht. Ist es nicht sehr oft der Fall, daß die erste Stunde oder ersten Stunden einen besonderen Müheaufwand, dagegen die weiteren infolge der Einarbeitung in die Materie eine geringere Last bedeuten bis zu dem Grade, wo dann wiederum das durch die Dauer des Leistungsaufwandes hervorgerufene Abspannungsgefühl auftritt ? L i e f m a n n geht von einer s t a t i s c h e n Bedürfnisskala aus, die t e c h n i s c h e n Mittel zur Erlangung der Befriedigungsmittel sind gegeben und wir bleiben bei der Annahme, daß die Aufwendung von Kosten in diesem Falle eine „ U n l u s t empf indung'' in der menschlichen Psyche verursacht. In seinem Ertragsstreben wird nach L i e f m a n n s Ansicht der Wirtschafter nicht das dringendere Bedürfnis Alf sondern das weniger dringende C2 befriedigen. Wird die p s y c h i s c h e G l e i c h s e t z u n g der ersten Arbeitsstunde für die Beschaffung einer Teilquantität von Ax dem wirklichen Wirtschaftsleben gerecht ? Wenn der Wirtschafter sich zunächst das Gut C x beschaffen würde, so würde der Müheaufwand für die Beschaffung dieses Gutes ihn bei der doppelten Dringlichkeit des Bedürfnisses A x infolge gesteigerten Mangelgefühles solche Qual bereiten müssen, daß die „Unlustempfindung" bei der Beschaffung des Gutes C a der „Unlustempfindung" der ersten Arbeitsstunde für die Erlangung einer Teilquantität des Gutes A x in keiner Weise gleichzusetzen wäre, m. a. W. die Differenz der „Unlustempfindung" bei der Beschaffung des Gutes C j würde eine so geringe Spanne zu der bei Nichtbefriedigung des Bedürfnisses C x aufweisen, die „Unlustempfindung" bei der Beschaffung des Gutes A x würde in einem wesentlich geringeren Mißverhältnis zu der Dringlichkeit des Bedürfnisses A x und der gesteigerten „Unlustempfindung" bei Ausbleiben der Bedürfnisbefriedigung von A x stehen, — zumal die „Unlustempfindung" bei der zweiten Arbeitsstunde für die Erlangung von A l keineswegs die doppelte Höhe der in der ersten Arbeitsstunde gespürten (Arbeits-)„Unlustempfindung" haben würde —, daß das Wenn auch wir von „doppelter" Höhe sprechen, so möge der Leser auf das Problem der Schätzung von „Unlustempfindungen" zurückblicken, wie wir es bereits bei der Kritik von A m o n n betrachtet haben.
225 Ertragsverhältnis bei der Beschaffung von Ax größer sein würde üs bei der Beschaffung von C v Die Technik als ein vom Wirtschaften in ihrer Entwicklung unabhängiger Faktor mag gegeben sein, aber das S c h ä t z e n des durch sie bestimmten Arbeitsaufwandes ist für das wirtschaftliche Ertragsstreben das wesentliche Moment. Ein noch günstigeres Ertragsverhältnis bei der Beschaffung des Gutes A x würde eintreten, wenn 4er Wirtschafter die zweite Arbeitsstunde nicht zur Bedürfnisbefriedigung von C j, sondern eben von A 1 verwenden würde. Wenn L i e f m a n n in seiner zahlenmäßigen Darstellung psychischer Vorgänge annimmt, daß das Ertragsverhältnis 5 : 1 günstiger ist als dasjenige 10 : 3, so unterliegt er folgenden Irrtümern: 1. setzt er die durch die Arbeitsstunden hervorgerufene , , U n l u s t e m p f i n d u n g " bei der Güterbeschaffung für v e r s c h i e d e n d r i n g l i c h e Bedürfnisse p s y c h i s c h einander gleich, 2. nimmt er eine e i n s e i t i g e Veränderung in der B e w e r t u n g der „Unlustempfindung" der nächstfolgenden Arbeitsstunden an, ohne die Veränderlichkeit der D r i n g l i c h k e i t und B e w e r t u n g (Schätzung) der Bedürfnisse und somit der „Unlustempfindung" bei A u s b l e i b e n der Befriedigung zu berücksichtigen: ein Verstoß gegen das Gesetz der Logik 2). Hierbei ist zu beachten, daß L i e f m a n n durch die Aufwendung der Arbeitsstunde und die damit ermöglichte Befriedigung eines Bedürfnisses von der Statik gleichsam in eine „negative komparative Statik" übergeht. Ein solches Vorgehen würde keinem Einwände unterliegen. L i e f m a n n geht aber sofort in eine „negative Dynamik" über, indem er bei der Ermöglichung der Befriedigung des nächsten Bedürfnisses die Arbeits u n 1 u s t in dem dargestellten Sinne zunehmen läßt, o h n e eine Zunahme des „Unlustgefühles" bei dem A u s b l e i b e n der Befriedigung eines Bedürfnisses anzunehmen. Damit wird seine Beweisführung dem obigen Einwände ausgesetzt. *) Die in diesem Falle sekundäre Rolle der Technik als dem wirtschaftlichen Ertragsstreben u n t e r w o r f e n ist zu unterscheiden von dem Einfluß der Technik als o b j e k t i v e r Faktor auf die Preisbestimmung. 2 ) In dieser dauernden Beobachtung der Veränderlichkeit der Bedürfnisskala und entsprechenden Anpassung der wirtschaftlichen Erwägungen und Handlungen liegt e i n e der Hauptlirsachen der Krisenerscheinungen einer auf freier BedürfnisbefriediguAgswahl basierenden Wirtschaftsordnung. K l u g , Ausgleich der Grenzerträge.
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226 3. Ist bei der Veranschaulichung wirtschaftlicher Erwägungen die Unterscheidung zwischen e x i s t e n z n o t w e n d i g e n E l e m e n t a r - und den nachfolgenden, weniger dringlichen Bedürfnissen zu machen. Wenn A z. B. ein Elementarbedürfnis und C ein Bedürfnis geringerer Wichtigkeit darstellen, der Wirtschafter in seiner zahlenmäßigen Schätzung das Ertragsverhältnis 5 : 1 gegen 10 : 3 günstiger finden würde, so könnte der Wirtschafter nach einer % Stunde Arbeitsaufwendung zur Erlangung des Gutes C 2 infolge der Nichtbefriedigung von A t derart erschöpft sein, daß er keine weitere Viertelstunde aufzuwenden vermag; er hätte also weder das Bedürfnis C x noch A 1 befriedigt. Nehmen wir den weniger krassen Fall der Erlangung des Gutes C x an, so würde das „Lustgefühl" nach A t und der Wille, dieses Bedürfnis zu befriedigen, so groß sein, daß die Schätzung des „Unlustgefühles" der dafür aufzuwendenden Kosten wesentlich geringer als zu Beginn der wirtschaftlichen Erwägung erscheint, die Kraft aber nicht mehr zu der zweiten und dritten Arbeitsstunde ausreichen würde, um A x zu befriedigen; oder die durch die Erschlaffung hervorgerufene Apathie würde jede weitere Bedürfnisbefriedigung, mag sie auch noch so dringlich sein — als Beispiel: den in der Wüste erschöpft liegenden Wanderer, nur noch einige 100 Meter von der durststillenden Quelle entfernt —, für unnütz erscheinen lassen. Der Wirtschafter würde — die Beschaffung des Gutes G 2 in der zweiten Arbeitsstunde verstärkt den Tatbestand — die Bedürfnisbefriedigung C x mit der Gefahr des Verhungerns (oder Verdurstens) eintauschen 1). Beginnt der Wirtschafter aber sofort mit der Beschaffung von A x, so würde ihn der Arbeitsaufwand von technisch notwendigen zwei Stunden in der „Unlustempfindung" nicht so mühevoll erscheinen, der Wille und die Notwendigkeit würden ihn seine Kräfte zu*) Diese Ausführungen sind ein weiterer Beweis, eine Ergänzung zu unserer obigen Fesstellung (S. 85), daß die psychischen bzw. psychophysischen Auswirkungsmöglichkeiten während der wirtschaftlichen Handlung in den Bereich der wirtschaftlichen Erwägung einbezogen werden müssen, daß aus der wirtschaftlichen H a n d l u n g (wohlgemerkt : nicht zu verwechseln mit dem außerwirtschaftlichen Moment der Bedürfnisbefriedigung und der Technik) erst ersehen werden kann, ob die Erwägung tatsächlich den N o t w e n d i g k e i t e n — zum Unterschied von der reinen Initiativhandlung — des Lebens entspricht. Ansonst wird das „Wirtschaften" zum „Mißwirtschaften". Gerade, wo L i e f m a n n als das „eigentliche" Wirtschaften das Erwägen über „nichtgegebene" Mittel ansieht, muß er sich gezwungen sehen, das Handeln — nicht zu verwechseln mit dem technischen Moment — als Kriterium des Wirtschaftens anzuerkennen. Bei der Diskontinuität der Bedürfnisskala ist es unmöglich, die Kosten allein durch die einmaligen Erwägungen entsprechend zu verteilen.
227 sammenreißen lassen, zumal die bei der Beschaffung des Gutes G 1 aufkommende Niedergeschlagenheit, daß er erst nach drei bzw. vier Stunden A 1 befriedigen kann, die zu der vorzeitigen Erschöpfung ( % Stunde) der Kräfte beigetragen hat, in Fortfall kommen würde. Wenn wir uns G gleichfalls als Elementarbedürfnis vorstellen, so ist für die wirtschaftliche Erwägung und Handlung die psychische und physische Erhaltungsmöglichkeit der Bedürfnisbefriedigungsmittel für den Wirtschafter das Entscheidende. Bei aller Durchdringung willensmäßiger Entscheidungen duich rationale Erwägungen kann das physiologische Moment als Einbruch in das Reich zweckrationaler Gestaltung in seiner Bedeutung für die Anordnung der Bedürfnisskala nicht ausgeschaltet werden, das Instinktleben wird mit der „zunehmenden Distance vom animalischen Zustand", wie Ferdinand T ö n n i e s den „Fortschritt" bezeichnet 1 ), zwar mehr und mehr abgeschwächt, aber niemals vollständig rationalem Handeln unterworfen: ein weiterer Beweis für die v e r s c h i e d e n e Schätzung g l e i c h e r gegebener technischer Mittel zur Befriedigung v e r s c h i e d e n e r Bedürfnisse. Dadurch, daß Robert L i e f m a n n sein Ertragsgesetz durch z i f f e r n m ä ß i g e Nutzen- und Kostenvergleichungen beweist, aber in seiner an sich richtigen Auffassung vom S c h ä t z e n technischer Mittel (usw.) eine differenziertere psychische Fundierung unterläßt und in die erwähnten Irrtümer verfällt, kommt er zu einer dem tatsächlichen Verhalten der Wirtschafter widersprechenden Beweisführung und bietet damit seinen Kritikern Gelegenheit, dem so bewiesenen Ertragsgesetz nur beschränkte bzw. überhaupt keine Gültigkeit einzuräumen. Das s t ä r k s t e Bedürfnis, (in den meisten Fällen) das Nahrungsbedürfnis, darauf die übrigen, die menschliche Erhaltung fördernden, triebhaften Urbedürfnisse werden z u e r s t befriedigt, und wenn auch nur in der geringst notwendigen Teilquantität, dann die anderen der Dringlichkeit nach abgestuften Bedürfnisse. In der Auswahl der verschiedenen Mittel für die Befriedigung der einzelnen Bedürfniskategorien herrscht das Prinzip des kleinsten Mittels vor. Damit ist aber nicht gesagt, daß sämtliche Bedürfnisse nach i h r e r D r i n g l i c h k e i t ohne Rücksicht auf die Kosten befriedigt werden. Der Wirtschafter geht vor jeder wirtschaftlichen Handlung nutzen- und kostenvergleichend vor, in der Weise, wie wir es *•) F. T ö n n i e s : ,,Begriff und Gesetze des menschlichen Fortschritts" i. Arch. f. Sozw. und Sozp., Bd. 53.
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228 seit Anbeginn unserer Aufhellung des Problems: „Wirtschaften" gesehen haben; die technischen Mittel nicht absolut, sondern in Beziehung zum G r a d e der Dringlichkeit der Bedürfniskategorien s c h ä t z e n d , Nutzen und Kosten vergleichend unbewußt 2) auch für die ersten Teilquantitäten der Elementarbedürfnisse, da keine Kosten im Regelfalle dem Wirtschafter zu hoch erscheinen, um die äußerste Lebensnotdurft aufrecht zu erhalten. In dem Bestreben, das Kostenmoment äußerlich ebenso hervorzukehren wie das Nutzenmoment, hat L i e f m a n n sich zu den oben gekennzeichneten Fehlern verleiten lassen. Die Kosten treten bei den dringendsten Bedürfnissen nur nicht so bewußt in den Vordergrund, sie „hinken" scheinbar hinterher, während sie es bei der A m o n n sehen Argumentation tatsächlich tun. In der Berücksichtigung der Kosten im Hinblick auf die gesamte Bedürfnisskala liegt das Problem des Wirtschaftens. Der Wirtschafter geht Nutzen und Kosten vergleichend vor: als Individual-(Konsum-)wirtschafter im Hinblick auf die Gesamtbedürfnisskala (als Teil derselben: die Marktbedarfsskala), als Erwerbswirtschafter im Hinblick auf die Gesamtmarktbedarfsskala. Beider Streben ist gleichbedeutend mit dem Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge in dem eigentlichen und übertragenen Sinne. Mit unserer Beweisführung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge sind auch die noch strittigen Punkte in den Kritiken von A m o n n , E n g l i s und E n g l ä n d e r geklärt. A m o n n s „Behauptung", daß A 1 zuerst befriedigt wird, auf Grund seiner falschen Vorstellung von der Bedürfnisskala und seines falschen Ziffernansatzes, ist zum Beweis geworden. Wenn die technischen Umstände die Möglichkeit des „Wechseins in der Güterbeschaffung" nicht zulassen, so wirkt sich der Umstand auf die wirtschaftlichen Erwägungen aus. Keineswegs wird dadurch das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge negiert, da es ein psychisches Phänomen ist. Bei dieser Argumentation erscheint A m o n n im Anschluß an L i e f m a n n s Auffassung das Grenzausgleichsgesetz als „Richtschnur" für das Wirtschaften. Derselbe Einwand, den wir gegen L i e f m a n n in bezug auf den Kostenziffernansatz gemacht haben, trifft auch E ng1i Und zwar gilt unser Einwand, daß das s t ä r k s t e Bedürfnis unter der angedeuteten Berücksichtigung der x ) Das Unbewußte, auch Gewohnheitsmäßige in der Beschaffung der Befriedigungsmittel steht zu der Dringlichkeit in gleichem Verhältnis.
229 Kosten z u e r s t befriedigt wird, auch für E n g 1 i s ' System selbst x ). Ebenfalls ist aufgeklärt worden, daß das Moment der „technischen Arbeitseinheit" für das p s y c h i s c h e Ertragsverhältnis des Wirtschafters von nur modifizierender Bedeutung sein kann 2). Damit dürfte auch die Unmöglichkeit des E n g l ä n d e r schen Kostenziffernansatzes aufgezeigt sein und, daß es nicht „gleichgültig ist, ob wir die Arbeitsunlust a l l e r Arbeitse i n h e i t e n g l e i c h nehmen oder damit rechnen, daß die Arbeitsunlust der Arbeitseinheit mit zuwachsender Arbeit immer größer wird 3 )". *) E n g l i ä : „Grundlagen des wirtschaftlichen Denkens", Brünn 1925. 2 ) Es sei auf unsere früheren Ausführungen verwiesen. 8 ) E n g l ä n d e r : a . a . O. S. 413; die Sperrungen sind von mir.
230 G. Die Bedeutung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge und die Tragweite der Kritik. 1, Wirtschaftstheorie und Psychologie. W i r t s c h a f t e n h e i ß t : N u t z e n u n d K o s t e n vergleichen i m Z u s a m m e n h a n g m i t der g e s a m t e n Bedürfnisskala u n d entsprechend handeln. I m Sinne der p s y c h i s c h f u n d i e r t e n Theorie sind „ N u t z e n " u n d „ K o s t e n " Schätzungsbegriffe, die a n kein b e s t i m m t e s Substrat der S c h ä t z u n g g e b u n d e n sind, u m „ W i r t s c h a f t e n " v o n anderen P h ä n o m e n e n abzugrenzen x ). Die p s y c h i s c h e Theorie argumentiert m i t den Begriffen „ L u s t — U n l u s t " , die aber nicht rein psychologisch, sondern v e r s t e h e n d psychologisch aufzufassen sind 2 ). A u c h w e n n das 1 ) Daß es uns bei derartiger Erfassung des Problems „Wirtschaften" möglich ist, Wirtschaftstheorie und Soziologie (im weiteren und engeren Sinne) auseinanderzuhalten, werde ich in m e i n e r angezeigten Schrift eingehender darzulegen versuchen. 2 ) Wenn z. B. L i e f m a n n seine Theorie als eine „rein-psychischrealistische" bezeichnet, so ist er bei zahlreichen Nichterkenntnistheoretikern dem Vorwurfe des haltlosen „Psychologismus" ausgesetzt. Josef B a c k hat in Fortführung seiner bisherigen, erwähnten Veröffentlichungen und kritischer Zusammenfassung der Ansichten anderer Autoren zu dem Problem Wirtschaftstheorie und Psychologie in seinem Aufsatz: „Zum Verhältnis der neueren Wirtschaftstheorie zur Psychologie" i. Jahrb. f. Nat. u. Stat., 129. Bd., III. F., 1928 dahin Stellung genommen, daß er im Anschluß an K a n t das „Wirtschaften" als ein Ergebnis „praktischer Vernunft" ansieht. Ob sich diese Ausdeutung von dem „verstehend Psychologischen", wie wir es darzutun versucht haben, unterscheidet, möge der Leser selbst beantworten. Daß z. B. W. W e d d i g e n in seinem umfassenden Versuch einer „Theorie des Ertrages" das Wesen des Psychischen in dem von uns erläuterten Problem „Wirtschaften" nicht klar zu deuten vermag, geht u. a. insbesondere aus S. 86/87 hervor. W e d d i g e n verwechselt in seiner Verwerfung der nach seiner Ansicht bisher einseitig berücksichtigten „materiell-technischen Erscheinungen und psychologischen Vorgänge" das Gut an sich (im Sinne der herrschenden Auffassung) und die sich mit ihm vollziehenden, äußeren Veränderungen mit seiner Eigenschaft als Substrat der Schätzung, welche Rolle es bei den Theoretikern, die nicht „Wirtschaften" mit,,Produzieren' gleichsetzten, eingenommen hat. Auf der anderen Seite verwechselt W e d d i g e n den inneren, rein psychischen Vorgang bei den „dispositiven Erwägungen nach dem Rationalprinzip" mit der besonderen Art derselben, dem Planmäßigen im Hinblick auf die gesamte Bedürfnisskala, ohne jede Analyse des psychologisch-physiologischen Vorganges, eben in der von uns herausgestellten Auffassung vom Wesen des Wirtschaftens. Diese Verwechslungen und die Nichtberücksichtigung des besonders gearteten P l a n m ä ß i g e n im Erwägen und Handeln führten W e d d i g e n zu dem neuen Versuch gegenüber der Hilflosigkeit, das „Wirtschaften" problembewußt zu bestimmen, insofern als er das „Wirtschaften" in der „Beschaffung von Gütern als M i t t e l zur Bedürfnisbefriedigung" angesehen wissen will. „Wirtschaften ist der Inbegriff vernünftigen, auf Güter-
231 Erwägen sich nicht nur auf Vorstellungen zukünftiger, derartiger Empfindungen erstreckt, sondern auch auf gegenwärtig auftretende Empfindungen, so haben dieselben nicht an sich Interesse für die psychische Theorie; die Empfindungen sind lediglich Vorstellungsinhalte der Schätzungen. Wenn in der psychischen Theorie z. B. von Arbeitsleid gesprochen wird, so ist dieses Phänomen ein psychophysisch geartetes, das mit dem Faktor Kosten als Schätzungsbegriff nicht identifiziert werden darf. Ein Moment, das nicht immer die notwendige Beachtung findet. Auch bei L i e f m a n n wird das besagte Problem nicht scharf genug herausgestellt, wenn er sich häufig der Redewendung bedient, „letzten Endes sind die Kosten auf Arbeitsmühe zurückzuführen", und im Hinblick d a r a u f von Kosten als „Unlustgefühl" spricht1). Durch Vermengung der logisch auseinander zu haltenden Inhalte: Kosten als „Unlust- oder Lustgefühl" und Kosten als Schätzungsbegriff im verstehend psychologischen Sinne erscheint auch L i e f m a n n s Theorie vielfach naturalistisch gefärbt und der Vorwurf des „Verfallens in einen ganz unhaltbaren widerspruchsvollen Psychologismus, wo L i e f m a n n doch den Materialismus der überkommenen Nationalökonomie entgehen wollte", wie er neuerdings von B a c k 2 ) gegen L i e f m a n n erhoben worden ist, entbehrt — unter Berücksichtigung der zwei in diesem Vorwurfe enthaltenen Probleme — nicht der Berechtigung. Der Vorwurf hebt aber auch nicht das System L i e f m a n n s aus den Angeln, wenn L i e f m a n n sich bemüht, seine Theorie im Sinne der verstehenden Psychologie, wie sie in dieser Arbeit anzudeuten versucht wurde, zu läutern. Die psychisch fundierte Wirtschaftstheorie hat es nicht mit M o t i v e n der Erwägung und des Handelns, oder mit G e f ü h l e n zu tun, die bei dem Handeln aufkommen 3). beschaffung gerichteten menschlichen Handelns und der ihm dienenden Veranstaltungen und Einrichtungen" (ebenda S. 86). Dabei ist aber das Bemühen W e d d i g e n s zu berücksichtigen, den Begriff des „Gutes" über das rein Materielle hinauszudehnen. Im Hinblick auf den Rahmen unserer Abhandlung, keineswegs aus geringerer Wertung des Versuches von W e d d i g e n , dürfen wir auf unsere logisch zweckmäßige Lösung des Problems „Wirtschaften" verweisen und bemerken, daß W e d d i g e n s Theorie im Grundprinzip nicht über die subjektiv-psychisch orientierte „Güterlehre" hinauskommt und lediglich den Begriff des „Gutes" als M i t t e l erweitert. Bei dieser Bemerkung sehen wir selbstverständlich von seiner dankenswerten Analyse des „Kostenphänomens" u. a. ab. Dasselbe gilt z. B. von J e v o n s , W a l r a s usw. usw. 2 ) B a c k : „Der Streit um die nationalökonomische Wertlehre", S. 47. s ) Das scheint auch neuerdings u. a. Arno W i n t e r : a. a. O. S. 36/37 zu übersehen, wenn er gegen L i e f m a n n und überhaupt —
232 Um den dargestellten Zwiespalt naturalistischer und verstehend-psychologischer Phänomene zu beheben, erscheint es zweckmäßig, „Nutzen" und „Kosten" ihres naturalistischen Charakters, den sie bei L i e f m a n n (z. T.) gefunden haben, zu entkleiden und dem Rahmen einer neuen Wesensforschung — ein Name, mit dem in der Tat viel Mißbrauch getrieben wird — anzupassen. Wenn die psychisch fundierte Wirtschaftstheorie nichts mit der Experimentalpsychologie gemein hat, so ist damit nicht gesagt, daß die Erkenntnisse jener ohne die Erkenntnisse der Fachpsychologie (im weiteren Sinne) auszukommen vermag. Einen bescheidenen Beitrag zu diesem Tatbestand bildet das Ergebnis unserer Kritik der L i e f m a n n sehen Beweisführung des Gesetzes des Ausgleichs der Grenzerträge. Hier wurde deutlich, daß allgemeingültig, auf Grund zahlreicher Experimente *) oder der Annahme eines homo oeconomicus nichts bestimmtes darüber ausgesagt werden kann, wie (nicht im technisch rationalen Sinne gemeint) die wirtschaftlichen Erwägungen des einzelnen vor sich gehen werden. Andererseits ist offenbar geworden, daß das Wirtschaften nicht über den psychophysischen Grundtatbestand hinwegzugehen vermag. im Anschluß an G o 111 — gegen die psychisch fundierte Theorie polemisiert: „In der Folge brachte es uns, besonders in seiner ,rein psychischen' Auffassung, so manche belustigende Bereicherung unseres .nationalökonomischen Museums'. Unter anderen tritt auch ein verschwenderischer Selbstmörder auf, der in einem Jahre sein ganzes Vermögen durchbringt und dennoch zweifellos wirtschaftlich handelt, weil er krankheitshalber nur noch ein Jahr zu leben hat oder lebensmüde ist: denn er vergleicht genau Nutzen und Kosten im Hiblick auf seine Gesamtbedarfsbefriedigung gemäß jenem Prinzip (cf. ökonomischen)." — Vgl. dazu L. „Grundsätze", Bd. I, S. 306. *) S. z. B. die Versuche, die ökonomische Theorie mit der Experimentalpsychologie unmittelbar in Verbindung zu bringen. Namen wie W e b e r , F e c h n e r , L. B r e n t a n o , F. A. L a n g e seien hier genannt; s. auch unsere Ausführungen über B e r n o u i l l i , Lap l a c e , P o i s s o n ; ferner u. a. die Gegenschrift von Max W e b e r : „Die Grenznutzenlehre und das psycho-physische Grundgesetz" i. Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922. Auch K. D i e h l hat in seinem Aufsatz: „Zur Kritik der Kapitalzinstheorie von Böhm-Bawerk" i. Jahrb. f. Nat. u. Stat. III. F., 50. Bd., S. 595 ff. auf die logische Unmöglichkeit hingewiesen, psychophysische Tatbestände als W e s e n s bestandteil der Wirtschaftstheorie zu betrachten. — Das schließt selbstverständlich nicht aus, daß bei der erkenntniskritischen Begründung des „Wirtschaftens" auf die erwähnten, erfahrungsmäßig festgestellten Tatbestände Rücksicht genommen werden muß, soll die Theorie nicht in Widerspruch mit der Wirklichkeit geraten.
233 2. Das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge und das „wirtschaftliche Prinzip".
a) D a s „ w i r t s c h a f t l i c h e P r i n z i p " a l s k o n stitutives Element der Theoretischen N a t i o n a l ö k o n o m i e oder Wirtschaftstheorie? In anderer Hinsicht ergibt sich noch eine Folgerung aus unserer kritischen Würdigung der Grundlagen des L i e f m a n n sehen Systems, die nunmehr klargestellt werden mag. Das Problem wurde bereits im Verlaufe unserer Kritik aufgezeigt. Das „wirtschaftliche Prinzip" ist dasjenige Problem, über das scheinbar mehr Einhelligkeit in den Meinungen besteht, als über die meisten anderen Wesensbegriffe der Theoretischen Nationalökonomie oder Wirtschaftstheorie. Wir sind in der glücklichen Lage, auf die neueste Schrift über die Problematik des „wirtschaftlichen Prinzips" von Arno W i n t e r : „Das wirtschaftliche Prinzip, ein verhülltes Dogma der Nationalökonomie" verweisen zu können, so daß wir uns eine umfassende Kritik über die verschiedenen, vorgetragenen Meinungen über das besagte Prinzip ersparen können. W i n t e r unternimmt es im Anschluß an G o 111 s Kritik an den Grundbegriffen unseres Fachgebietes die Unhaltbar keit der Anschauung nachzuweisen, daß das „wirtschaftliche Prinzip" ein konstitutives Element für die Begründung einer selbständigen Wissenschaft von dem Wirtschaftsleben ist. In unserem obigen kritischen Vergleich der Lehre G o 111 s und der L i e f m a n n s wurde der Unterschied beider Auffassungen offenbar. L i e f m a n n glaubte in seiner psychischen Wirtschaftstheorie das besagte Prinzip beibehalten zu können. Für ihn ist das „wirtschaftliche Prinzip" d a s Grundprinzip der Wirtschaftstheorie. „Das wirtschaftliche Prinzip im eigentlichen, nicht übertragenen, ökonomischen Sinne ist also nicht möglichst großer Erfolg mit möglichst geringen Mitteln, sondern m ö g l i c h s t g r o ß e r G e n u ß , N u t zen mit möglichst geringen Kosten, Anstreng u n g e n u n d A u f w e n d u n g e n . Und wo d i e s e s wirtschaftliche Prinzip gewahrt ist, da kann man, unter noch zu erwähnenden Umständen, vom wirtschaftlichen Handeln sprechen 1 )." „Nutzen und Kosten, Lust- und Unlustgefühle vergleichen nach dem ökonomischen Prinzip bei dem Streben nach Bedarfsbefriedigung, oder möglichst großen Nutzen oder Genuß mit möglichst geringen Kosten zu erlangen suchen, das ist die wirtschaftliche Aufgabe. Aber bei ») L i e f m a n n : „Grundsätze", Bd. I., S. 278.
234 näherer Betrachtung zeigt sich, daß auch diese Definition noch zu weit ist i)." Aber: „Das Wirtschaften bezieht sich immer auf eine M e h r h e i t von Bedürfnissen. Von einer e i n z e l n e n i s o l i e r t e n Handlung kann ich nicht sagen, ob sie wirtschaftlich ist, als solche charakterisiert sie sich immer nur in Beziehung zu, durch Vergleich mit anderen Handlungen, im Rahmen eines ganzen W i r t s c h a f t s p l a n e s . Nicht einzelne isolierte Bedürfnisse zu befriedigen ist die wirtschaftliche Aufgabe. Daher ist auch nicht jedes wahlweise Vorgehen, nicht jedes Disponieren Wirtschaften 2 )." Und noch einmal der verschiedentlich zitierte Satz: „Aus diesem Grunde behaupte ich, daß das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge der wichtigste Satz der ökonomischen Theorie ist. Unser ganzes theoretisches System, das ja die Aufgabe hat, die Einheitlichkeit und Gleichartigkeit des wirtschaftlichen Prinzips sowohl in der Einzelwirtschaft als auch im Tauschverkehr nachzuweisen, und zu erklären, wie die wirtschaftlichen Bestrebungen und Handlungen der einzelnen Menschen den ganzen tauschwirtschaftlichen Mechanismus in Gang setzen, beruht auf diesem Satz. Er ist die schärfste Formulierung des wirtschaftlichen Prinzips schlechthin 3 )." „Auch scheint mir, daß das Ertragsstreben als regelndes Prinzip aller Wirtschaft mindestens ebenso einfach ist, viel mehr alle Hilfskonstruktionen und falschen Voraussetzungen vermeidet, außerdem viel mehr erklärt und wirklich das logisch selbstverständliche Identitätsprinzip der Wissenschaft, eben das richtig verstandene w i r t s c h a f t l i c h e P r i n z i p , enthält 4 )." Ist die vielfache, nicht scharfe Scheidung v o n „Wirtschaft e n " und „wirtschaftlichem Prinzip" seitens L i e f m a n n für das wirkliche Erkennen des Grundgehaltes seiner Lehre nicht gerade zweckdienlich gewesen, so mußte die Identifizierung v o n „wirtschaftlichem Prinzip" und „Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge" noch mehr zu diesem U m s t a n d beitragen. b) D a s w a h r e V e r h ä l t n i s d e s G e s e t z e s d e s A u s g l e i c h s der G r e n z e r t r ä g e u n d des sog. „wirtschaftlichen Prinzips". Entgegen der Auffassung v o n dem „wirtschaftlichen Prinzip" i m Sinne einer Voraussagbarkeit wirtschaftlichen Handelns unter bestimmten Umständen, wie sie z. B. H a i b e r s t a e d t e r 4 ) vertritt, hat L i e f m a n n die „BeobL i e f m a n n : a . a . O . S. 282/83. Ebenda S. 284. Ebenda S. 416. ) Derselbe: „Subjektivismus und Objektivismus in der neueren Wirtschaftstheorie" i. Ztschr. f. d. ges. Staatswiss., 80. Jahrg. 1925/26, S. 234. ') H a l b e r s t a e d t e r : „Die Problematik des wirtschaftlichen Prinzips", Berl. u. Lpz. 1925. 2 ) a ) 4
235 achtung" dazu geführt, daß der wirtschaftende Mensch an den E n d e n der Bedürfniskategorien „genauer" seinen Wirtschaftsplan überschlägt und n a c h dem „wirtschaftlichen Prinzip" oder — in der Fassung der psychischen Theorie — n a c h dem „Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge" erwägt und handelt. Im Verlaufe unserer Kritik, insbesondere im Hinblick auf das Problem „genau", „gewohnheitsmäßig" Erwägen und Handeln (S. 149ff.), wurde ersichtlich, wie L i e f m a n n sich in Widerspruch zu seiner psychisch-subjektiven Wirtschaftsauffassung stellt, insofern als er dem Wirtschaftssubjekt gleichsam eine „Richtschnur" zuerkennt, n a c h der die wirtschaftlichen Erwägungen und Handlungen vor sich gehen. Zu dieser Anschauung hat auch L i e f m a n n das Beibehalten des homo oeconomicus verleitet, der auch in seiner Theorie die Rolle des „schwarzen Mannes" einnimmt. Wirtschaften ist gleichbedeutend mit dem Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge. Nicht n a c h dem „Gesetz" erwägt der Wirtschafter, sondern sein Erwägen und Handeln über Nutzen und Kosten im Hinblick auf die gesamte Bedürfnisskala nimmt die Form einer „Gesetzmäßigkeit" in dem dargelegten Sinne, als F o 1 g e seines Tuns, an. Dieses „Gesetz" ist kein Idealgesetz, sondern eine wirkliche Erscheinung. So aufgefaßt hat das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge einen lebensgetreuen Inhalt und ist logisch aus der psychischen Fundierung herauszufolgern 1). Daß das Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge noch viel x ) Damit wird auch die jüngste Kritik D i e h l s an L i e f m a n n s Grundauffassung hinfällig: „Die allgemeine Preistheorie hat die wichtige Aufgabe, die allgemeinen Zusammenhänge aufzuzeigen. Bei der Erklärung der kapitalistischen Preisbildung wird sie gewiß — darin stimme ich L. zu — den subjektiven Charakter der Preisbildung, die Unmöglichkeit der Zurückführung der Preise auf die Produktionskosten usw. hervorheben müssen. Aber die ganze weitere detaillierte Ausführung eines Idealzustandes (I), wie sich die Lust- und Unlustgefühle in normaler (! ) Weise zu bestimmten (! ) Grenzerträgen und damit zu bestimmten Preisen ausgestalten müßten, scheint mir verfehlt. Gerade der subjektive Charakter der Preisbildung deutet darauf hin, daß hier eine gewisse Willkür stattfindet, daß man aufhören soll, nach sog. exakten Preisgesetzen zu suchen. Wichtiger scheint mir, die Tendenzen für die Preisbildung bestimmter Warengrößen aufzuzeigen, also z. B. für die Bodenprodukte und die Grundstücke, die Fabrikate, dann wieder zu unterscheiden die Konkurrenzpreise und die gebundenen Preise, kurz, eine mehr auf das Konkrete gerichtete realistisch-empirische Betrachtung statt der kühnen Gedankengebäude, die auf mehr oder minder schwankendem Boden errichtet sind, i. „Von der sterbenden Wertlehre" i. SchmoUers Jahrb., 49. Jahrg., 1925, S. 64/65. (Die ! ! sind von mir.)
236 weniger in der Markt Sphäre mit dem „wirtschaftlichen Prinzip" identisch sein kann, erhellt folgende Überlegung. Die Erwerbswirtschafter haben das Streben nach dem größtmöglichen Gesamtgeldertrag. A u s diesem Streben und aus der Beschaffenheit der Nachfrage e r g e b e n sich die G r e n z erwerbswirtschafter jedes Erwerbszweiges und damit als notwendige F o l g e der Ausgleich (oder die Tendenz zu einem solchen) der Gesamtgeldgrenzerträge der einzelnen Erwerbszweige. Die einzelnen Erwerbswirtschafter haben nur ein Interesse an der Erhaltung bzw. Erhöhung ihres Gesamtgeldertrages, aber nicht an der Ausgleichung desselben in den einzelnen Erwerbszweigen. Die Erwerbswirtschafter können nicht n a c h dem Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge als der „schärfsten Formulierung des wirtschaftlichen Prinzips" in dem eben erläuterten Sinne erwägen und handeln. Hiervon ist selbstverständlich ihr Erwägen und Handeln im Hinblick auf ihren Gesamtwertungsplan innerhalb der einzelnen Unternehmung zu unterscheiden; bezüglich dieses Problemes sei auf unsere früheren Ausführungen verwiesen. Dasselbe trifft auch für die auf dem Markte sich ergebenden zahlenmäßigen Konsumerträge zum Unterschied von den unvergleichbaren, rein psychischen Konsumerträgen zu 1). Damit löst sich der Zwiespalt auf, in dem sich die Grundlagen der L i e f m a n n sehen Lehre befinden. Das vermeintliche „wirtschaftliche Prinzip" wird zum Prinzip der „technischen Vernunft", insofern als der einzelne Wirtschafter bei seinem Erwägen und Handeln im Hinblick auf die gesamte Bedürfnisskala danach trachten wird, möglichst exakt vorzugehen. Das ist aber etwas anderes als „Erwägen und Handeln nach dem wirtschaftlichen Prinzip o d e r nach dem Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge". Dieser Tatbestand vermag nicht schlichter und tiefgründiger formuliert zu werden, als wie es G o 111 unter Berücksichtigung seiner besonderen Auffassung vom Wirtschaften getan hat. Unter Berücksichtigung des Problems „Grenzertrag" und „Gleichgewichtspreis" schreibt K. E n g l i S bezüglich des letzteren ganz richtig: „Es ist richtig ferner, daß der Gleichgewichtspreis, als markantestes Symptom der Tauschgemeinschaft, keine planvolle Schöpfung ist, aber es ist ein Mittelprodukt, welches durch parallele Verfolgung der subjektiven Ziele der wirtschaftenden Subjekte auf dem Mittel- und Zweckwege ihres Bestrebens n e b e n b e i (von mir gesperrt) herausfällt", i. „Probleme des wirtschaftlichen Denkens" i. Zeitschr. f. d. ges. Staatsw., Bd. 84, S. 585. E n g l i S ' Auffassung über die Bedeutung des „Wertes" für die Preiserklärung (ebenda S. 587/89) steht in einem eigenartigen Widerspruch zu seiner oben erwähnten Theorie vom Relativnutzen.
237 „Mithin lebt in. Wirtschaft und in Technik einheitlich als ihr Grundgedanke: die B e f r e i u n g v o m Z u f a l l . Die Wirtschaft, wenn sie die Deckung des Bedarfs zu regeln sucht, die Technik, wenn sie den Vollzug der einzelnen Handlungen zu regeln sucht, sie trachten einhellig nach der segensvollen Verneinung des Zufalls: nach O r d n u n g . Ihrer Idee nach ist demnach Wirtschaft die Ordnung in den Handlungen der Bedarfsdeckung, Technik die Ordnung im Vollzuge dieses Handelns V 1 ) v. G o t t l - O t t l i l i e n f e l d : „Wirtschaft und Technik" i. G. d. S. II. Abt. 2. Teil, 1923, S. 10. Mit seiner Kritik „Grundsätze", Bd. I, S. 330 hat L i e f m a n n G o t t l nicht getroffen. In diesem Sinne sprach sich schon 1913 K. D i e h l : „Privatwirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre, Weltwirtschaftslehre" i. Jahrb. f. Nat. u. Stat. III. F., 46. Bd., S. 439 aus: ,,. . . Ich bestreite, daß dieses sogenannte ö k o n o m i s c h e P r i n z i p der notwendige Ausgangspunkt für nationalökonomische Erkenntnisse sein müsse. Dieses sogenannte ökonomische Prinzip ist ein technisch-privatwirtschaftliches, aber kein nationalökonomisches Prinzip. Es ist neuerdings wieder von V o i g t (,Technische Ökonomik', in .Wirtschaft und Recht der Gegenwart', Tübingen 1912, S. 223) darauf hingewiesen worden, daß dieses ökonomische Prinzip a u c h ein technisches sei, daß auch die technischen Aufgaben dem ökonomischen Prinzip unterstehen. Ich behaupte, daß es n u r ein technisches Prinzip ist, daß es ferner auch eine Nützlichkeitsmaxime für das einzelne Wirtschaftssubjekt bedeuten mag, nicht aber die Maxime, auf welcher eine allgemeine wirtschaftliche Theorie aufgebaut werden kann", nicht ganz so exakt i. „Theoretische Nationalökonomie", Bd. I, Jena 1916, S. 8. Ähnlich auch H. M a y e r in seinem Aufsatz: „Untersuchung zu dem Grundgesetz der wirtschaftlichen Wertrechnung" i. Zeitschr. f. Volksw. u. Sozialpol. N. F. Bd. 2,1922, S. 6, welche Stelle — ebenso wie die zitierten Bemerkungen D i e h 1 s — Arno W i n t e r in seiner Kritik der herkömmlichen Auffassungen vom sog. „wirtschaftlichen Prinzip" nicht berücksichtigt hat. Hiermit löst sich auch der Zweifel, wie ihn neuerdings W. W e d d i g e n : „Theorie des Ertrages", Jena 1927, S. 76/77, 81 usw. hegt, daß eine Abgrenzung des „Wirtschaftens" von dem „allgemeinen Rationalprinzip" und der Psychologie und der Technik in dem von W e d d i g e n verstandenen Sinne möglich ist. Dieser Autor klammert sich in seiner „Theorie des Ertrages" trotz seines Bemühens, über die herrschende „Güterlehre" hinauszukommen, von vornherein an ein formales Faktum, seinen besonders konstruierten „Gutsbegriff", und engt damit vorzeitig das Problem „Wirtschaften" ein bzw. faßt das Problem „Wirtschaften" zu weit, wenn er in seiner an sich richtigen Einstellung zu dem Moment Arbeitsmühe und -freude, worüber indessen noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, sagt: „Der Sport als Bedürfnisbefriedigung, als Verwendung persönlicher Güter, hat nichts mit Wirtschaft und Arbeit zu tun; die auf M i t t e l b e s c h a f f u n g (von mir gesperrt), nämlich auf Beschaffung persönlicher Güter gerichtete Tätigkeit auch des Sportsmannes dagegen ist Wirtschaft, bedeutet Arbeit, auch wenn sie ihm nicht Unlust, sondern Freude verursacht"; (ebenda S. 142); Mittelbeschaffung in dem Sinne, „wenn und insoweit es ihm dabei um die Erhaltung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit, seiner Arbeitskraft usw. geht" (ebenda S. 141).
238 Ausblick. Wir nähern uns in unserer kritischen Analyse der Grundgedanken des L i e f m a n n sehen Systems dem Ende. Wir fühlen uns nicht veranlaßt, das Ergebnis unserer Kritik nochmals kurz herauszustellen. Nur zwei Punkte, die nach unserer Absicht in der vorliegenden Schrift keine eingehende Berücksichtigung finden konnten, seien hervorgehoben: der Anschluß unserer erkenntnistheoretischen Untersuchungen an den gesamtwissenschaftlich-methodologischen Fragenkomplex und die logischen Folgerungen, die L i e f m a n n aus seinem Grundprinzip zu ziehen sich bemüht hat, unter Berücksichtigung des Umstandes, daß L i e f m a n n in der Erkenntnis des Problemkreises „von oben nach unten" vorgegangen ist. Der Gang der Untersuchung hat aufgezeigt, wie dringend notwendig eine erkenntnistheoretische Fundierung unseres engeren Fachgebietes ist. Nur durch die Erfüllung dieser Nach unserer Beweisführung kann nicht deswegen der Sport oder eine sonstige lustbetonte Handlung ins Wirtschaften einschlagen, weil er oder sie ein „mittelbeschaffendes" Faktum enthält, — wozu wird denn Sport getrieben ? — sondern weil im Hinblick auf die möglichst große Befriedigung a l l e r Bedürfnisse evtl. der Tatbestand der Kosten Berücksichtigung erheischt; in dem Sinne wie wir es oben S. 85ff. ausführten. Auch übersieht W e d d i g e n wieviele andere Schriftsteller die Relativität dieses Problems, insofern als er den Begriff des „Normalen" in der Fassung des homo oeconomicus in seine Theorie eingeführt hat und das „Wirtschaften gewisser Geisteskranker" — als Problem der „Psychiatrie" — aus seiner „normalen" Wirtschaftstheorie ausschaltet. Allen diesen Versuchen gegenüber ist nochmals zu betonen, daß damit der Versuch einer rein logischen Bestimmung des Problems „Wirtschaften" mit einem von außen her wertenden Gesichtspunkte vermengt wird. Bin Wirtschafter kann gerade deswegen von seinen Mitbürgern für „geisteskrank" erklärt werden, weil er in der Aufstellung seines Wirtschaftsplanes- so „exakt" vorgeht, immer und immer wieder von neuem abwägt und entsprechend handelt, im Gegensatz zu dem gewohnheitsmäßigen, vielfach unbewußten Erwägen und Handeln seiner Mitmenschen. Die Theorie käme dann zu dem Ergebnis, daß der große Durchschnitt der Wirtschafter zu den „Normalen" gehört, der differenziertere Teil der Wirtschaftssubjekte zu den „Anormalen", worunter dann auch die „Typen" fallen, von denen eine besondere Veränderung des äußeren Wirtschaftslebens herrührt. Tatsächlich ist dann auch die Fiktion eines „normalen homo oeconomicus", z. B. von J. S c h u m p e t e r bei seiner Erklärung des Zinses, des Konjunkturwechsels fallen gelassen worden. Wo fängt der Begriff des „Normalen" bei dem Wirtschaften in dem von uns verstandenen, erweiterten Sinne an, von wo aus erst eine grundlegende Bestimmung des besagten Problems ermöglicht wird ? Die sich auf die Gültigkeit des sog. wirtschaftlichen Prinzips beziehenden Ausführungen F. H u b e r s: „Das Verhältnis der Nationalökonomie zur Psychologie", Basel 1923 schlagen fehl; doch ist bezüglich der Behandlung des durch den besagten Titel ausgedrückten Problems auf H u b e r s Schrift zu verweisen.
239 wissenschaftlichen Forderung, die keine Geschmacksache bedeutet, wird der in das besagte Gebiet eingewurzelte Skeptizismus überwunden werden können, und für diejenigen, die sich der Mühe hingeben, ein „ S y s t e m " zu errichten, wird die Möglichkeit mehr als jetzt gegeben sein, sich über die tatsächliche „Leistungsfähigkeit" ihres „Systems" in der Erkenntnis des sozialen Geschehens zu orientieren und damit allmählich der Zustand des „Nebeneinanderlaufens" sein Ende finden x ). Erst dann wird man sich auch über das „Etikett", das eine Wissenschaft ä u ß e r l i c h kennzeichnet, einigen können. I n n e r l i c h besagt der Name einer Wissenschaft nichts 2). Eine unserer wesentlichen Aufgaben bei der Kritik des L i e f m a n n sehen Systems war die Reinigung der „Atmosphäre". Soweit uns das gelungen ist, wird ein kurzer Überblick über den gesamten in dieser Abhandlung erörterten Problemkreis das Wesentliche des fraglichen Systems klarer hervortreten lassen. Ein abschließendes Urteil über die Bedeutung dieses Gedankengebäudes wird erst dann gegeben werden können, wenn die hier vorgetragene Art von Wirtschaftstheorie zu den neuesten Erkenntnissen in der Philosophie — soweit sie für unser Fachgebiet in Frage kommt — in Beziehung gesetzt wird und von der anderen Seite her die aus dem Grundprinzip gezogenen Folgerungen einer eingehenden Analyse unter Vergleichung mit dem entsprechenden, d. h. sich logisch auf der gleichen Ebene befindenden Stand der Theorie unterzogen werden. Die diesbezüglichen, wenig wissenschaftlichen Bemerkungen Ad. W e b e r s „Allgemeine Volkswirtschaftslehre. Eine Einführung", Mchn.-Lpzg. 1928, S. 18 ff. vermögen die besagte Notwendigkeit nicht zu negieren, ganz davon abgesehen, daß dieser Autor in dem nächsten § 2 sich selbst Rechenschaft über die Möglichkeit sozialwissenschaftlicher und nationalökonomischer Erkenntnis gibt, geben muß, — eben auf Grund methodologischer Besinnung. Wenn dann Adolf W e b e r sich ohne eigentliche, tiefere Beweisführung auf den Standpunkt der Klassiker stellt — W e b e r ist D i e t z e l schüler —, so wird man diese Ansicht auf Grund unserer Ausführungen nicht für allgemeingültig betrachten können. 2) Bezüglich des L i e f m a n n sehen Systems halte-ich den Namen wie „Grundsätze der V o l k s w i r t s c h a f t s l e h r e " für ungeeignet, wie aus unserer Analyse hervorgeht, auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß L i e f m a n n es als die Hauptaufgabe betrachtet, den Tausch und Preismechanismus, also ein historisches Phänomen, zu erklären.
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Druck von Julius Bettz in Langensalza.