Rituale und Spiritualität in der Psychotherapie 9783666403798, 9783647403793, 9783525403792


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Rituale und Spiritualität in der Psychotherapie
 9783666403798, 9783647403793, 9783525403792

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Martin Brentrup / Gaby Kupitz

Rituale und Spiritualität in der Psychotherapie

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit 6 Abbildungen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ­http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-647-40379-3 Umschlagabbildung und Bilder im Innenteil: Gaby Kupitz/www.spirituelle-gemälde.de © 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, 37073 Göttingen /  Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Produced in Germany. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Wozu Spiritualität in Psychotherapien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Theoretische Perspektiven und Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 (Therapeutische) Rituale – Merkmale, Struktur und Funktionen 22 Rituale und ihre veränderte Rolle im Alltag – Religion und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Therapie als Heilritual und Rituale als Methoden in der Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Definition: Therapeutische Rituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Rituale als Technik in einer spezifischen Beziehung . . . . . . . 25 Rituale im Vergleich mit anderen Interventionen . . . . . . . . . 26 Merkmale von Ritualen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Hauptfunktionen von Ritualen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Auffassungen von Spiritualität, ihr Nutzen für den Bereich der Psychotherapie und die therapeutische Arbeit mit Ritualen . . . 28 Psychologie und Spiritualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Transpersonale Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Passung zu verschiedenen Therapieansätzen . . . . . . . . . . . . . 30 Haltung: die Vielfalt nutzen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Spirituelle Modelle, Strömungen und Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Was bedeutet Spiritualität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Heilkraft buddhistischer Psychologie (Thich Nhat Hanh) . 42 Anwendungsformen von Ritualen in spirituellen Praktiken . 48 Schamanen – die alten Heiler und ihr schamanisches Weltbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Die hawaiianische Lehre von Huna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

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Was ist Aberglaube? – Spiritualität und das Risiko der Verirrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundannahmen zur Wirkungsweise von Ritualen . . . . . . . Psychologische Forschungsergebnisse über Rituale . . . . . . . . Veränderung – eine systemtheoretische Perspektive . . . . . . . Das Konzept Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rollen von Helfern und Psychotherapeuten im Veränderungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rituale und Spiritualität: ein erweiternder Rahmen für Veränderungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychologische Untersuchungsergebnisse zur Wirkung von Intuition und Selbstheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Begriffe und Bedeutungen aus einer spirituellen Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktische Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Hinweise zur Durchführung der Rituale und Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinweise für Psychotherapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinweise für Klienten bzw. Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführende Einstimmung und Entspannung als Beginn des Rituals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie . . . . . . . . Rituale sowie Übungen für die Selbstzuwendung (Achtsamkeit) und Selbstentwicklung (sich auf sich einlassen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stabilisierung und Selbstzentrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung und Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stärke aus der Herkunftsfamilie ziehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musterunterbrechung und Musteränderung . . . . . . . . . . . . . Verletzung und Kränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andauernde Schuldgefühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angstbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ambivalenz und Entscheidungsprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . Hartnäckige (psycho-)somatische Beschwerden . . . . . . . . . . Abschied, Verlust, Trennung und Tod versus Loslassen und Neubeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Inhalt

52 59 61 63 64 65 66 70 73 77 77 79 80 81 86 86 104 107 109 111 120 126 129 133 136 141

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beziehungspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ambivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dauerhafte Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Muster verabschieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nähe und Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spannung und Anziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitlöser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 159 162 164 167 167 173 180 183

Woran wir glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Code für Downloadmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

Inhalt

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Dank Wir verdanken viele Ideen und Erfahrungen der Zusammenarbeit mit besonderen Menschen, unter anderem: ȤȤ den Kollegen, Patienten und Klienten, die sich mit uns über solche Themen ausgetauscht haben und uns Einblicke in ihre Haltung zur Spiritualität gegeben haben; ȤȤ den Begegnungen und dem Austausch mit Dr. Monika Müller (Osnabrück), die in ihrer psychotherapeutischen Praxis spirituell orientiert arbeitet.

Hinweise Wir haben dieses Buch für Therapeuten als praxisorientiertes Angebot gedacht. Da wir hoffen, dass die Materialien und Übungen leicht in der therapeutischen Arbeit einsetzbar sind, auch indem sie als Hausaufgabe weitergegeben werden können, wollen wir trotz der verwendeten Sorgfalt darauf hinweisen, dass sich die Anregungen nicht auf jede individuelle Situation übertragen lassen. Für professionelle Helfer ist die Reflexion der Beziehung und Haltung in einer Superversion unerlässlich. Die Arbeit mit manchen Ritualen erfordert psychische Stabilität und eine relativ hohe Motivation, um sie durchzuführen (bei der Anwendung wird meist Motivierendes erlebt). Deswegen sollten diese Rituale nicht einfach als Hausaufgaben aufgegeben oder durchgeführt werden. Dies gilt insbesondere für Menschen, die Gewalterfahrungen gemacht haben bzw. noch in Gewaltbeziehungen leben. Einige der Rituale haben keinen spirituellen Bezug. Wir haben sie eingefügt, weil sie sowohl gut zur Problematik passen als auch andere Wege aufzeigen.

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»Wir sind Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen.« Bernhard von Chartres1 »›Woran arbeiten Sie?‹, wird Herr Keuner gefragt. Er antwortet: ›Ich habe viel Mühe, ich bereite meinen nächsten Irrtum vor!‹« Bertolt Brecht

Wozu Spiritualität in Psychotherapien? Dieses Buch will interessieren und informieren. Es werden psychologische Erklärungen für eine Annäherung an das Phänomen der Spiritualität gegeben. Ausgewählte spirituelle Modelle werden vorgestellt und so beschrieben, dass Psychotherapeuten sich mit den Hintergründen von Glaubenssystemen ihrer Patienten beschäftigen können. Den Lesern wird abverlangt, sich selbst eine Meinung dazu zu machen. Die Autoren stellen hilfreiche und nützliche Ansätze vor, ohne dass für den Leser2 eine Übernahme von Überzeugungen erforderlich ist. Allerdings wird ausdrücklich angeregt, mit einer Haltung der toleranten Neugierde an die spirituellen Themen von Ratsuchenden heranzugehen. Es wird auch auf Risiken eingegangen, die sich aus einer unkritischen Anwendung und aus Weltfluchttendenzen entwickeln könnten. Mit der Darstellung von konkreten Übungen sollen Anregungen und Impulse für die psychotherapeutische Arbeit gegeben werden. Die Autoren hoffen, dass dadurch die Wahrnehmung für spirituelle Glaubenssysteme bei Patienten geschärft wird. Auf diese Weise können kreative Suchprozesse für Veränderungen wirkungsvoll gefördert und bei Interventionen mit einbezogen werden. Die Autoren vertreten ein Verständnis von Spiritualität, das sich auf die unterschiedlichsten individuellen Grundannahmen von Menschen bezieht. Dazu können ebenso religiöse Weltanschauungen wie humanistische Grundhaltungen gehören. Spiritualität ist 1 Das Zitat ist durch Johannes von Salisbury überliefert, er zitiert Bernhard in seinem »Metalogicon« (3, 4, 46–50). 2 Wir verwenden der besseren Lesbarkeit wegen die männliche Form für Personen beiderlei Geschlechts.

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sowohl ein Bedürfnis als auch eine Fähigkeit. Gemäß unserer hier zugrunde gelegten Definition umfasst sie alles, woran ein Mensch glaubt und was zu seiner Konstruktion von Identität, seinen Entwicklungsmöglichkeiten und -grenzen beiträgt: Grundannahmen über das eigene und das Leben allgemein, über ihn hinausgehende Erklärungen von Ereignissen, von Verhaltensmustern, Optionen, Sinnhaftigkeit, Stärkendes hinsichtlich der Endlichkeit und bezüglich der Werthaltungen. Die Problematik und Notwendigkeit der Sensibilisierung für Werte- und Glaubenshaltungen ist auch darin erkennbar, dass im amerikanischen Diagnosemanual DSM-IV und DSM-5 (APA, 2013) stärkere Berücksichtigung kultureller und religiöser Wertvorstellungen bei der Diagnostik gefordert wird. Zur Spiritualität gehört, dass sie auf einer der jeweiligen Glaubenshaltung entsprechenden, subjektiven Bedeutung beruht: meist ein Erleben von Stimmigkeit, Aufgehobensein, Trost und Orientierung. Mit seiner spirituellen Seite beschäftigt sich ein Mensch, wenn er das Vorhandensein überindividueller Phänomene bemerkt. Diese Beschäftigung hilft, individuelle Bedürfnisse zu überschreiten. Das kann schon bei der sozialen Zugehörigkeit und einem Naturerlebnis beginnen. Diese Erfahrungen können eine spirituelle Lebensansicht prägen, ohne dass sie fest in einem eigenen religiösen oder spirituellen Ansatz verankert sind. Esoterik grenzen wir von unserer Auffassung von Spiritualität ab, weil mit dem Begriff Esoterik zumeist ausschließlich ein Wissen beschrieben wird, das nur ausgesuchten Kreisen zugänglich ist. Im Extrem kann dies bedeuten, dass in diesen Kreisen Widersprüche ausgeschlossen werden, so dass ihre magischen Praktiken den Hintergrund von einfachen Heilsversprechungen liefern. Spirituell interessierte und beunruhigte Menschen finden darin häufig keinen auf Dauer befriedigenden, persönlichen Sinn. Durch Anschläge wie in Paris im Januar 2015 wird jede Beschäftigung mit und Annäherung an spirituell-religiöse Glaubenssysteme überschattet von der Radikalität und Zerstörungskraft fundamentalistischer Auslegungen und absoluter Überzeugungen. Die Intention dieses Buches ist es umso mehr, Abwehrhaltungen und pauschale Abgrenzungen durch Toleranz zu überwinden. Es geht zum einen darum, neugierig auf das zu machen, woran Menschen glauben, und zum anderen um die Frage, welche Konzepte auf die Entstehung und Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

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Veränderung von Problemen positiven Einfluss haben. Dazu gehört auch, die dem Glauben und den Konzepten zugehörigen Grundannahmen respektvoll hinterfragen zu können. Dies ist wichtiger Bestandteil sowohl eines gesellschaftspolitischen als auch eines psychotherapeutischen Diskurses. Wenn eine tragfähige therapeutische Beziehung entsteht, blockiert der Therapeut nicht mit seinen eigenen Überzeugungen, sondern findet einen Zugang zur Bedeutungswelt seiner Patienten. Das bedeutet nicht, dasselbe glauben zu müssen, sondern ein spürbares Interesse zu entwickeln. Das Unerklärliche beschäftigt Menschen seit jeher. Angesichts der Begrenztheit unseres Wissens, unserer Erfahrung und unserer Vorstellungsmöglichkeiten sind wir häufig überfordert mit dem Leben. Wir üben uns in Voraussagen, Anpassungen, stärken unsere Fähigkeiten, lernen dazu, hoffen, vertrauen und lassen uns überraschen. Die Kräfte, die das Vertrauen, die Zuversicht und Geborgenheit fördern, uns Krisen durchstehen helfen, dem Leben Sinn verleihen, liegen oft außerhalb des logischen Bereiches. Uns beschäftigt, wie wir sie für die menschliche Veränderung in Psychotherapien nutzbar machen können. Um beispielhaft unsere unterschiedlichen Ausgangspunkte darzustellen, führen wir folgenden Dialog: Frage: Was ist deine erste Assoziation zu Spiritualität? Brentrup: Opium für das Volk! Die alte marxistische Warnung vor einer mystischen Verklärung und Entmündigung durch Vertröstung und Unterwerfung. Mir macht die neu aufkeimende Sinnsuche in Religionen und pseudo-therapeutischen Heilsversprechen Angst. Kupitz: Liebe! Besinnung auf mehr als das eigene Leben. Die Göttlichkeit in allem erkennen und spüren. Das hat viel mit Sinnhaftigkeit zu tun. Frage: Was hilft Menschen mehr: Vernunft oder Glaube? Brentrup: Ich halte die Fähigkeit, verstehen und reflektieren zu können, für eine große Gabe des menschlichen Bewusstseins. Eine Voraussetzung für das Streben nach Entwicklung, Meinungsfreiheit und individueller Freiheit. Aber Vernunft hilft nicht allein! In Therapien sind emotional korrigierende Erfahrungen das Wichtigste. Kupitz: Vernunft kann nicht alles erklären. An ihr (das heißt, an den 12

Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

Fakten) kann man sich aber leicht festhalten. Glauben zu können ist eine tiefere Verankerung. Wir brauchen eine Ausgewogenheit zwischen beidem. Frage: Was ist zentral für dich, wenn du an Spiritualität denkst? Brentrup: Einen Schritt zurückzutreten! Die eigene Begrenztheit zu akzeptieren, damit nicht allein zu sein, Gemeinschaft, Fürsorge, Streben nach liebevoller Verbundenheit mit sich, anderen Menschen und der Natur. Kupitz: Verbundenheit zu spüren, mich aufgehoben zu fühlen, daraus Kraft für das Leben zu ziehen. Frage: Was denkst du über Hoffnung? Brentrup: Enttäuschungen sind nötige und unausweichliche Erfahrungen. Aber sie sind sinnlos und schädlich, wenn man daraus nicht etwas Positives lernt. Wir fallen hin, um das Wiederaufstehen zu lernen. Hoffnung kann trügerisch sein. Und sie bringt uns weiter. Kupitz: Vertrauen ins Leben und zu mir selbst. Es ist für mich gesorgt. Egal was passiert, es kommt eine Lösung. Frage: Wann und wieso verirrt man sich im Glauben? Was kann ein Therapeut deshalb tun? Brentrup: Das Problem ist das Streben nach Überlegenheit und Unangreifbarkeit! Ein Therapeut sollte eine Haltung anstreben, aus der heraus er respektvoll und neugierig sein kann. Den Mut behalten, etwas offen und unerklärbar zu lassen. Kupitz: Die Suche nach Halt und Zugehörigkeit als alleinige Stabilität führt zu Einengung. Wenn ich mir den Halt nicht selbst gebe, werde ich abhängig von Vorgegebenem, was ich nicht mehr hinterfrage. Ein hilfreicher Glaube macht frei und weit! Ein Therapeut soll ein Modell für Toleranz sein, Sichtweisen erweitern und öffnen können für andere Weltanschauungen. Frage: Warum findest du Rituale besonders interessant für die therapeutische Arbeit? Brentrup: Rituale sind ein hoffnungsfördernder Kontext, wie die Therapie selbst es sein kann. Sie bieten Struktur für Kontrolle und Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

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Zulassen gleichermaßen. Sie helfen bei der Regulierung von starken Gefühlen und der Angst davor. Kupitz: Rituale sind eingängiger, weil sie fühlbar machen und mit Visualisierungen verbunden sind, weil eine Wiederholung möglich ist, weil sie helfen, Ressourcen zu erkennen und zu nutzen. Und sie geben eine Struktur in schwierigen Zeiten. Frage: Wie stehst du zu Göttlichkeit? Brentrup: Ich glaube nicht an einen Gott. Für mich ist Göttlichkeit ein Moment, in dem ich mich wundere und staune über das Leben, die Menschen und die Natur. Kupitz: Göttlichkeit ist in jedem Menschen enthalten, wie ein göttlicher Funke.

Mit unserem Buch wollen wir zum Überbrücken einer Distanz zwischen Psychotherapie und spiritueller Arbeit beitragen. Dieses Ziel wollen wir praxisorientiert verfolgen und mit ihm fortsetzen, was andere mit Überblicksarbeiten, Studien und auf spezifische Therapieschulen bezogen begonnen haben (siehe vor allem Bucher, 2007; Utsch, Bonelli u. Pfeiffer, 2014; Quekelberghe, 2007). Die Integration von psychologischen, psychodynamischen und spirituellen (transpersonellen) Aspekten könnte nach unserem Ermessen zu einem vollständigeren, ganzheitlicheren Verständnis von Menschen und ihren Krisen führen. Insbesondere im Sinne einer positiven Psychologie lassen sich durch das Nutzen von spirituellen Themen die Probleme von Patienten neu verstehen und Ansatzstellen für das Stärken von positiven Erwartungen und von Selbstheilungskräften finden. In den letzten Jahrzehnten wurden in der orthodoxen Psychotherapie im Zusammenhang mit Spiritualität oder Religiosität zumeist nur pathologieverursachende Wirkungen untersucht, sowohl bei Therapeuten als auch bei Patienten (vgl. Utsch et al., 2014). Die psychologischen Menschenbilder waren geprägt von der Vorstellung, dass es als aufgeklärter Mensch richtig sei, unabhängig von etwas »Größerem« zu sein, das dem menschlichen Verstehen nicht zugänglich, ihm übergeordnet ist. Inzwischen hat sich die Psychotherapielandschaft sehr gewandelt. Akzeptanz, Achtsamkeit und innere 14

Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

Weisheit sind zentrale Begriffe in verschiedenen Therapieschulen geworden. In unseren Diskussionen über die Bedeutung von Spiritualität für die Überwindung von persönlichen Krisen und Weiterentwicklungen näherten wir uns dem Thema von recht unterschiedlichen Positionen an. Auf der einen Seite: ein Psychologischer Psychotherapeut, der im Gesundheitssystem als Therapeut und Ausbilder von Richtlinien-Psychotherapie (Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologie) tätig ist. Auf der anderen Seite: eine Sozialpädagogin, die aufgrund ihrer schamanischen Ausbildung und praktischen Erfahrung auf die Heilkraft von aus altem Wissen abgeleiteten Übungen mindestens genauso vertraut wie auf die Heilkraft der Schulmedizin. Wir merkten, dass es nötig war, gewohnte Denkmuster und Grundannahmen zu hinterfragen, um die Thematik gemeinsam anzugehen. Unsere Auseinandersetzung durchlief verschiedene Stadien, in denen wir uns selbst mit Vorurteilen und Berührungsängsten beschäftigen mussten. Wir stellten uns dabei auch Fragen, bei denen wir uns über die Wirklichkeitsauffassungen nicht mehr einigen konnten, wenn sie dogmatisch angewendet wurden. Gegenseitig forderten wir eine selbstkritische Definition von Sorgfalt, Verantwortung und Ethik. Wir gehen im Folgenden näher darauf ein und lassen unsere Diskussionsergebnisse dann in unsere weiteren Ausführungen einfließen. Zunächst ein Beispiel aus Walch (2011b): »[…] ich hatte kein Vertrauen mehr und ein Schatten legte sich über mein Gemüt […] wie viel Kraft habe ich noch, wie lange werde ich noch leben […] ich hatte keine Kraft mehr, gut für mich zu sorgen […] dann hörte ich einer ruhigen Musik zu, achtete nur auf meinen Atem, die Gedanken wurden stiller […] plötzlich fühlte ich mich von etwas Größerem getragen […] und liebevoll mit der Welt verbunden […] einfach etwas innehalten, etwas tiefer atmen, und die Öffnung nach Innen geschehen lassen […] ich kann auf etwas stets vertrauen, was mir Heimat gibt, mein inneres Wesen«.

Wir haben den Austausch vor allem auch im Hinblick auf die Praxis gesucht. Dabei stellten wir meistens fest, dass wir unsere Erfahrungen und unser Tun im Konkreten viel leichter verstehen und billigen Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

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konnten – auch wenn sich unsere persönlichen Bedeutungsgebungen bei den Erfahrungen unterschieden. Infolge unserer Diskussionen haben wir eine Basis für dieses Buch gefunden, die unserer Absicht erkenntnistheoretisch, ethisch und anwendungsorientiert entspricht: Wir zweifeln beide an endgültigen Aussagen. Es geht uns nicht um das Aufstellen von allgemeinen Theorien und Heilungswegen, sondern um den Überblick über Ansätze, um Möglichkeiten, sie zu nutzen und auf Problembereiche in Psychotherapien anwendbar zu machen. Die subjektive Wahrheit und die Passung zum jeweiligen Klienten erscheinen uns wichtiger als eine auf unsere eigenen Überzeugungen abgestimmte Vorgabe. Wir betrachten jede Form der therapeutischen Einflussnahme als in höchstem Maße verantwortliches Tun und erwarten, dass diese entsprechend hinterfragt, reflektiert und ausgebildet wird. Spiritualität wollen wir vor allem dann einbeziehen, wenn es darum geht, hilfreiche Veränderungsprozesse zu entwickeln. Denn wir erkennen, dass dem Bereich der Spiritualität eine große Bedeutung im Hinblick auf Veränderungen zukommt. Das Ansprechen von spirituellen Aspekten kann eine sinnvolle Perspektiverweiterung für Patienten sein. Es kann Konflikte und Belastungen klarer werden, aber auch Ansatzstellen für Hoffnung, Stabilisierung und das Nutzen von Selbstheilungskräften finden lassen. Es ist mit dem Sich-Öffnen für Erfahrungen und Entwicklungen verbunden, die Menschen darin unterstützen, einengende Vorstellungen, zu hohe Ansprüche an die eigene Kontrolle über das Leben und die Angst vor Neuem zu überwinden. Interessant erscheint uns die Parallele mit anderen Therapieformen (vor allem der Systemischen Therapie), die über Imaginationen und Fragetechniken einen Möglichkeitsraum kreieren. Kreativität, Intuition, Vertrauen auf vorhandene Kompetenzen und auf das, was kommen könnte, können sich neu entfalten. Wir haben uns auf folgende Grundhypothesen einigen können: ȤȤ Spiritualität kann sowohl eine wesentliche Bereicherung der allgemeinen Lebenserfahrung als auch eine Ebene für hilfreiche Prozesse bzw. ein Zugang zu hilfreichen Prozessen in Psychotherapien sein. ȤȤ Ob die Spiritualität als hilfreich und bereichernd empfunden wird, hängt vom Nutzen und der Passung für den Klienten ab. 16

Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

ȤȤ Für viele günstige Veränderungsprozesse sind die Förderung von Fühlen, Erspüren, Vertrauen in Intuition sowie ein größerer Rahmen für Entwicklung nötig. Wir hoffen, mit der Verbindung von Ritualen und Spiritualität auf einen Bedarf zu reagieren. Vielfach wird auf die gestiegene Bedeutung von Religiösem und Spirituellem hingewiesen. In der in Deutschland geregelten Angebotsstruktur von Psychotherapie ist bisher wenig Platz für den Umgang mit Menschen und »ihrer spirituellen Seite« (Bucher, 2007). Menschen ganzheitlich zu verstehen und zu behandeln ist zwar eine relativ oft geäußerte Absicht, aber wichtige mit ihrer inneren Welt im Zusammenhang stehende Phänomene wie Hoffnung, Glaube und die Erfahrung überindividueller Kräfte – siehe nachfolgendes Fallbeispiel aus meiner (M. B.) Praxis – werden noch wenig und selten offen einbezogen, wenn nicht sogar ausgeblendet bzw. ausgegrenzt. Einem Klienten wird die Frage gestellt: »Wenn Sie so viele Anstrengungen in Ihrem aktuellen Leben bewältigen müssen, wie und wobei tanken Sie auf?« Er antwortet: »Was mir jetzt spontan dazu einfällt, war ein Moment, als ich etwas über ein frühes Buch eines bekannten Autors las. Ich war so berührt davon, ergriffen geradezu. So etwas wie Ehrfurcht vor den Fähigkeiten dieses Menschen. Und darüber, was Menschen alles können. Das ermutigt mich, in das Leben wieder mehr Vertrauen zu setzen.«

Bezogen auf die therapeutische Praxis und die mit ihr verbundenen therapeutischen Prozesse erweist sich Spiritualität durch ihren Einfluss auf den gesamten Kontext als eine relevante Ebene, diesbezüglich begreifbar: ȤȤ als ein Bündel von Grundannahmen über den Anteil der subjektiven Beeinflussbarkeit des eigenen Lebens, ȤȤ als Erwartungshorizont für Möglichkeiten und Grenzen der Freiheit des Einzelnen, ȤȤ als Ressource für Phasen der Irritation, Betroffenheit durch Angst und Niedergeschlagenheit, ȤȤ als Impuls für Suchprozesse, die Achtsamkeit und Akzeptanz fördern sollen, Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

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ȤȤ als Angebot für einen sinnstiftenden Rahmen für Wandlungsprozesse, ȤȤ als Trost und Ermutigung bei individueller Überforderung und Verwirrung, ȤȤ als ergänzende Einladung zum entlastenden und berührenden Empfinden von Dankbarkeit. Therapeutische Übungen werden zu Ritualen, wenn ein Klient sie als solche auffasst und dem Tun somit eine zeremonielle Struktur verleiht, die für die Veränderung des Problems einen subjektiv relevanten Rahmen bietet. Rituale und spirituelle Heilverfahren haben viel gemeinsam. Diese Gemeinsamkeiten beziehen sich auf die strukturierte Durchführung und die Suche nach hilfreichen Ressourcen und Kräften. Zudem wird die Durchführung bei beiden Verfahren meist mit einer Veränderung von Aktivierungs- und Bewusstseinszuständen verknüpft: ȤȤ Zulassen und Akzeptanz des Leids, ȤȤ Unterstützung und Förderung einer mehr gefühlsmäßig als vernunftmäßig wahrnehmenden (erspürenden) Haltung, ȤȤ Hinwendung zu einer achtsamen und differenzierten Wahrnehmung von sich selbst, ȤȤ Öffnung für einen Möglichkeitsraum, in dem Veränderungen nicht gemacht werden, sondern sich entwickeln dürfen. Wir wollen im Folgenden themenzentriert und anwendungsnah Rituale darstellen, die auch spirituelle Zugänge nutzen. Eine Verwendung von solchen Ritualen setzt mehr noch als sonst eine Passung mit den Glaubenssystemen von Nutzern voraus. Dann aber ermöglichen sie wirksame Perspektivveränderungen und sinnstiftende Verarbeitungen. In unserer therapeutischen Arbeit haben wir die Erfahrung gemacht, dass Veränderungsprozesse meist nicht planmäßig und vorhersagbar verlaufen. Stattdessen scheinen bestimmte und unbestimmte Faktoren günstige Auswirkungen auf die Prozesse zu haben. Positive Entwicklungen werden in einem therapeutischen Raum und durch das Suchen und Nutzen von Kräften gefördert, die als Ressourcen vorhanden sind, aber oft erst wieder angeregt werden müssen. Diese Kräfte leiten sich aus den Welt- und Eigenansichten 18

Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

der Hilfesuchenden ab, sie koppeln sich an die bestehenden Erklärungskonzepte an. Wir sind der Auffassung, dass in Psychotherapien und insbesondere bei der Anwendung psychotherapeutischer Rituale folgende Faktoren zur Entfaltung kommen, die sich inhaltlich mit spirituellen Arbeitsansätzen (über den Einzelnen hinausgehende hilfreiche Kraft/Energie) gut verbinden lassen: ȤȤ Förderung von Hoffnung, ȤȤ Finden von Sinnhaftigkeit, ȤȤ Entwicklung einer positiven Veränderungserwartung, ȤȤ Eigenaktivierung. Rituale und spirituelle Themen haben eine Geschichte und Traditionen. Menschen scheinen ihr Leben schon immer mit Ritualen strukturiert zu haben. Diese akzentuieren Bedeutungen, schärfen die Wahrnehmung des Moments, schaffen besondere Stimmungen und Zugänge zur Wirklichkeit. Wie alle therapeutischen Interventionen unterliegt die Arbeit mit spirituellen Ansätzen und Ritualen spezifischen Regeln der Fürsorge, Verantwortlichkeit, ethischen Vertretbarkeit und Hinterfragbarkeit. Wir vertreten eine Herangehensweise, die sorgsame Zweifel für erwünscht und notwendig hält. Rituale sind demnach für uns Angebote, die passen müssen, das heißt, deren Wirkung von ihrer Passung zu den Selbstorganisationskräften des Ratsuchenden abhängt, und die hinterfragbar bleiben. Die Akzentuierung durch das Ritual und die Anleitung im Ritual beinhalten eine Betonung und gewissermaßen auch eine Überhöhung des Einflusses eines Heilers bzw. Therapeuten. Das sollte im Rahmen der Gestaltung der therapeutischen Beziehung mit reflektiert und relativiert werden. Auch wenn sich die Wirkungen des Rituals oft erst im Kontext der therapeutischen Beziehung entfalten können, sollte darauf geachtet werden, dass sie nicht einem vermeintlichen Wissen oder den Fähigkeiten des Therapeuten zugeschrieben werden. Die Beziehung zwischen Therapeut und Klient schafft einen Raum, in dem es möglich wird, Gewohntes zu hinterfragen, alte durch neue Sichtweisen zu erweitern, das bisherige Eigene zu einem neuen Eigenen umzuwandeln. Die therapeutische Beziehung und der durch sie Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

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ermöglichte Freiraum scheinen vor allem eine Ausrichtung auf eine Wirklichkeit mit mehr Hoffnung und Zuversicht zu bewirken. Therapie betrachten wir als (Heil-)Ritual (mit alten Traditionen), bei dem Rollen und kommunikative Kompetenzen genutzt werden, um autonome Kräfte zu fördern und anzustoßen. Unsere Darstellung der Rituale und Spiritualität in der Psychotherapie umfasst einen Theorie- und einen Praxisteil. In unseren theoretischen Betrachtungen versuchen wir Spiritualität, die unserer Ansicht nach den Begriff Religiosität mit umfasst, aus verschiedenen Perspektiven zu beschreiben. Psychologische Ansätze und Konzepte wie auch relevante Hauptströmungen in spirituellen Heilansätzen/Modellen werden dargestellt (vor allem im Kapitel: »Auffassungen zur Spiritualität, ihr Nutzen für den Bereich der Psychotherapie und die therapeutische Arbeit mit Ritualen«). Anhand von vier Symbolen stellen wir Querbezüge zwischen vier von uns dargestellten, wesentlichen Quellen/Hauptströmungen für spirituelle Heilansätze und den von uns aufgeführten Ritualen her: Rituale, die der buddhistischen Psychologie entstammen  ituale, die unterschiedlichen spirituell orientierten Sichtweisen R und Praktiken entstammen Rituale, die dem Schamanismus entstammen Rituale, die der hawaiianischen Lehre (Huna) entstammen Rituale werden definiert, ihre Funktion und therapeutische Einsetzbarkeit werden erörtert (siehe das sich diesem anschließende Kapitel zu Merkmalen, Struktur und Funktionen der Rituale sowie das Kapitel zu den Grundannahmen zur Wirkungsweise von Ritualen). Für die praktische Umsetzung haben wir uns auf verschiedene Anwendungsgebiete und therapeutische Rituale, die diesen entsprechen, konzentriert, zunächst in Bezug auf die Einzeltherapie und dann in Bezug auf die Paartherapie (siehe das Kapitel: »Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie« und das Kapitel: »Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie«). Aus den Übungen sind jeweils Haltungen und Zugänge ableitbar, die für gesprächsorientierte The20

Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

rapieformen zur Hypothesenbildung und Therapieplanung genutzt werden können. Natürlich sind unsere Ritualvorschläge so gemeint, dass sie umgewandelt und angepasst werden können. Manche Rituale müssen und können wiederholt werden. Wir versuchen solche Möglichkeiten und Erfordernisse in den Anleitungen zu berücksichtigen.

Wozu Spiritualität in Psychotherapien?

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Theoretische Perspektiven und Modelle

(Therapeutische) Rituale – Merkmale, Struktur und Funktionen »Eine obskure Kraft, die unser Dasein bestimmt.« Fred Langer

Um ein Ritual von Gewohnheiten, Aufgaben und Traditionen zu unterscheiden, ist zunächst wesentlich, ob der Handlung die subjektive Bedeutung eines Rituals zugeschrieben wird. Dazu kommt, dass ein Ritual eine nach vorgegebenen Regeln ablaufende, feierlichfestliche Handlung mit hohem Symbolgehalt ist. Rituale sind allgemeine Phänomene des Alltags und stellen eine kommunikative Handlung dar. Diese Handlungen sind zum einen Bestandteil des individuellen Verhaltens (als persönliche Rituale, aber auch als Symptome von sogenannten Störungen, wie es bei autistischen Ritualen oder Zwangshandlungen der Fall ist), zum anderen gehören sie zum menschlichen Miteinander (als Rituale im Familienleben, geregelte Kommunikationsabläufe, Feste, gesellschaftliche Veranstaltungen, Gepflogenheiten, Konventionen, religiöse Riten und Zeremonien). Ein Ritual bekommt seine Bedeutung durch die kulturelle Einbindung. Es wird damit strukturiert, um die Bedeutung einer Handlung sichtbar oder nachvollziehbar zu machen. Damit werden über deren profane Alltagsbedeutung hinausweisende Bedeutungs- oder Sinnzusammenhänge symbolisch dargestellt bzw. auf sie verwiesen. Rituale bilden vorgefertigte Handlungsabläufe und nutzen altbekannte Symbole, womit sie Halt und Orientierung geben. Das Ritual vereinfacht die Bewältigung komplexer lebensweltlicher Situationen, indem es durch Wiederholung krisenhafte Ereignisse in routinierte Abläufe verwandelt. Auf diese Weise erleichtern Rituale den Umgang mit der Welt, das Treffen von Entscheidungen und die 22

Kommunikation. Durch den gemeinschaftlichen Vollzug besitzen viele Rituale auch einheitsstiftenden und einbindenden Charakter, fördern den Gruppenzusammenhalt und die intersubjektive Verständigung. Rituale dienen insbesondere der Rhythmisierung zeitlicher und sozialer Abläufe. So gibt es: ȤȤ zyklische Rituale, die dem tageszeitlichen, wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen Kalender folgen (wie das Weckritual, die Sonnenwendfeier usw.); ȤȤ lebenszyklische Rituale, zum Beispiel Initiationsrituale (bei Geburt, Mannbarkeit usw.); ȤȤ ereignisbezogene Rituale, zum Beispiel auf bestimmte Krisen (wie Todesfälle, Notlagen usw.) oder auf Feiertage bezogen; ȤȤ Interaktionsrituale, wie zum Beispiel Gruß- und Wunschrituale (bei Ankunft, Abschied, Essen, Trinken usw.). Rituale ermöglichen die symbolische Auseinandersetzung mit Grundfragen der menschlichen Existenz, etwa mit dem Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Beziehung, dem Streben nach Sicherheit und Ordnung, dem Wissen um die eigene Sterblichkeit oder dem Glauben an eine transzendente Wirklichkeit (z. B. Freundschaftsrituale, Staatsrituale, Begräbnisrituale, Grabbeigaben). Manchmal verkehren sich ihre Wirkungen aber auch ins Negative, Rituale werden als abgegriffen, überholt, sinnentleert oder aufgesetzt empfunden und einer Kritik unterzogen. Rituale und ihre veränderte Rolle im Alltag – Religion und Gesellschaft Rituale gehören zum Alltag und haben geschichtliche und kulturelle Wurzeln. Soziologische Analysen beschreiben ihre Funktion und Veränderung innerhalb der gesellschaftlichen Entwicklung sowie ihre Einbindung in Religion und Religiosität. Da Präsenz und Einbindung in Kirchen und überhaupt Religiosität in der westlichen Welt auf dem Rückzug sind, scheinen Psychotherapie und Spiritualität – angesichts dieser Verlusterfahrung und aufgrund einer zunehmenden Unübersichtlichkeit des Lebens, in der dieser Verlust umso mehr spürbar wird – größere Bedeutung bekommen zu haben. (Therapeutische) Rituale – Merkmale, Struktur und Funktionen

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In den letzten Jahrzehnten findet eine gesellschaftliche Umbewertung von Ritualen statt: Rituale wurden im 20. Jahrhundert aus einer aufklärerischen Perspektive als irrationaler Ausdruck von kultischen Mysterien und als starre Stereotypen betrachtet. Inzwischen werden viel öfter ihre zwischen Individuum, Gruppe und Gesellschaft kompensierende Kraft und ihre stärkende, kulturelle Identität bzw. Zugehörigkeit sichernde Wirkung betont. Rituale werden allmählich wieder gesucht und gebraucht. Therapie als Heilritual und Rituale als Methoden in der Therapie Aus einer (therapie-)schulenübergreifenden Perspektive und im Hinblick auf (therapie-)schulenübergreifende Arbeitsweisen sind Rituale wirksamer Bestandteil von Therapien und Veränderungsprozessen. Therapeutisches Handeln und ausgelöste Prozesse lassen sich insgesamt als ein Heilritual verstehen und reflektieren: Rituelle Vorgaben im Setting und in der Begegnung strukturieren die Erwartungen, Hoffnungen und Suchprozesse; dabei korrespondieren die Art der Vereinbarungen, die jeweilige Einladung des Therapeuten, dessen bevorzugte Fragen, Vorgehensweisen und Settings, die angestrebte und für sinnvoll gehaltene Frequenz der Sitzungen mit den Erwartungen zur Dauer und zum Ablauf von Prozessen. Das heißt: Das jeweilige Heilritual strukturiert und füllt den Therapieprozess und fördert Bedeutungen und Erlebnisse. Die Interventionen – Verarbeitungshilfen, Strukturierungshilfen, Kontexte für neue Suchprozesse – können als rituelle Handlungen mit einem Bedeutungsrahmen und das therapeutische Gespräch als ein Heilritual für sich angesehen werden. Definition: Therapeutische Rituale »Rituale sind Verdichtungen von Abläufen, die sich im Sinne einer komprimierten, kollektiven und symbolischen Handlung wiederholen. Die Schlussintervention [ein abschließender Kommentar oder eine Aufgabe; Anm. der Verf.] und Rituale gehören in die Traditionen aller Kulturen und stellen vielleicht die älteste Form der Psychotherapie dar« (Gilligan, 1995, S. 26). Sie werden in der Forschung als vorgeschriebene rituelle Handlungen definiert, die auf 24

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eine bestimmte Art und Weise, in einer bestimmten Reihenfolge und mit viel Engagement ausgeführt werden (vgl. van der Hart, 1982; Imber-Black, Roberts Whiting, 1988), und bieten einen methodischen Rahmen, in dem ein Übergang von einem alten oder problematischen Zustand in einen neuen, möglichst problemfreien Zustand ermöglicht werden soll. Psychotherapieforscher haben herausgefunden, dass zur therapeutischen Wirksamkeit die gelungene Ritualisierung (»glaubhafte Inszenierung eines heilsamen Vorgehens«, so Frank, 1961) gehört. Ihre Betrachtungen und Ergebnisse (siehe z. B. Frank u. Frank, 1991) legen nahe, dass der Kontext von Psychotherapie ein mit Hoffnung und positiver Erwartung verknüpfter Raum ist. Sowohl die Beziehungsgestaltung als auch die Überzeugungen von Therapeuten wie Patienten in bestimmte Vorgehensweisen, gehören zu diesem kulturell, gesellschaftlich und historisch eingebundenen Bereich. Es geht um einen Raum für die Gestaltung eines Überganges, von Veränderung, von Verabschiedung, von Identitätswandel, Sinnfindung usw. Rituale als Technik in einer spezifischen Beziehung Wie bereits erwähnt wurde, kann Psychotherapie im Ganzen als Heilritual betrachtet werden. Wenn wir im Folgenden einzelne Rituale und ihre Anwendungsgebiete beschreiben, dann verstehen wir sie jedoch als rituelle Methoden. Die Psychotherapieforschung hat belegt (siehe z. B. Berns, 2004; Frank u. Frank, 1991; Wampold, 2001), dass Methoden für sich genommen nur einen relativ kleinen Anteil am Gesamteffekt der Therapie haben. Therapeutische Rituale, das heißt, die vom Therapeuten angewendeten rituellen Methoden, entfalten ihre Wirkung innerhalb des einzelnen und jeweils spezifischen therapeutischen Kontexts und der diesem zugehörigen therapeutischen Beziehung. Günstigenfalls wird durch eine Übereinstimmung zwischen Klient und Therapeut (Passung) und durch nichtwertendes sowie wertschätzendes Interesse ein Prozess für Selbstveränderungskräfte gestartet. Rituale sollen innerhalb und außerhalb einer Sitzung helfen, emotional bedeutungsvolle Prozesse zu gestalten. Wenn sie passen, dann geben sie eine Struktur und wecken Erwartungen an die (Therapeutische) Rituale – Merkmale, Struktur und Funktionen

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Wirkung. Sie erleichtern einen Transfer von Erfahrung auch außerhalb des direkten Kontaktes (durch Übungen, Aufgaben, Verschreibungen). Rituale im Vergleich mit anderen Interventionen Die Methode Ritual ähnelt anderen Interventionen: der sogenannten Schlussintervention (einem abschließenden Kommentar oder einer abschließenden Aufgabe in der Systemischen Therapie zum Problem des Klienten, in der Funktion der Einleitung eines möglichen Weges zur Veränderung), (Haus-)Aufgaben, (paradoxen oder anderen) Verschreibungen, sogenannten Ordeals. Diese Interventionen unterscheiden sich durch den Grad der Transparenz, der zum Einsatz kommenden Direktheit der Therapeuten und der strategischen oder klientenzentrierten Anwendungsweise. Das Ritual arbeitet mit vielfältigen Bedeutungen auf Verhaltens-, kognitiven und affektiven Ebenen und benutzt Symbole und symbolische Handlungen. Die Aufgabe betont demgegenüber das konkrete Verhalten. Das Ritual beinhaltet sowohl offene als auch geschlossene Teile und gibt die Möglichkeit zur Improvisation; die Aufgabe oder Verschreibung ist hingegen an die genaue Ausführung der Methode geknüpft. Eine spezielle Form von Ritualen wird mit dem Begriff Ordeal beschrieben (siehe Haley, 2014). Ins Deutsche übersetzt bedeutet Ordeal Rosskur, Feuer- und Nagelprobe oder Tortur. Dem Klienten wird eine von ihm als passend und nicht entwürdigend empfundene Aufgabe auferlegt, die eine Qual hervorruft, die genauso groß oder größer ist als die vom Problem verursachte. Es wird dabei davon ausgegangen, dass das Symptom zwar als unangenehm und unfreiwillig empfunden wird, jedoch auch einen Gewinn mit sich bringt. Merkmale von Ritualen Folgende Merkmale kennzeichnen ein Ritual bzw. eine kollektive Zeremonie (Rappaport, 1971; vgl. Imber-Black et al., 1988, S. 21): ȤȤ die Wiederholung in Bezug auf Handlung, Inhalt und Form, ȤȤ die Betonung des Tuns, statt etwas nur zu denken oder zu sagen, ȤȤ ein gefordertes Verhalten, das sich vom gewöhnlichen Verhalten im Alltag abhebt, 26

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ȤȤ eine Ordnung, einen erkennbaren Anfang, ein definiertes Ende und definierte Regeln, die jedoch Raum für Spontaneität lassen, ȤȤ die Beteiligung aller Sinne: Die Inszenierung und Präsentationsform sprechen möglichst alle fünf Sinne (visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch, gustatorisch) an und fördern einen besonders aufmerksamen und offenen Bewusstseinszustand – Dreesen (1995) schreibt: »Wenn all unsere Sinne beteiligt sind, erleben wir das in der Regel als ›sinnvoll‹ und fühlen uns als ›ganze Menschen‹ angesprochen« (S. 58), ȤȤ Kollektivität: Indem die recht intensiven und prägenden Erlebnisse mit anderen geteilt werden, wird soziale Bedeutung erzeugt, ȤȤ zudem eventuell Geheimhaltung gegenüber Außenstehenden, um die Wirkung und das Gruppenbewusstsein zu verstärken (Boscolo u. Bertrando, 1994, S. 338). Hauptfunktionen von Ritualen Boscolo und Bertrando (1994, S. 277 ff.) unterscheiden zwei Arten von Ritualen: 1. Diskontinuitätsrituale haben eine klare Funktion für Veränderungen. Sie bewirken und markieren einen einmaligen Übergang in einen neuen Zustand. Dieser Übergang ist irreversibel. Hierzu zählen beispielsweise Übergangsriten von der Adoleszenz ins Erwachsenenalter, die eine neue Identität bzw. einen neuen gesellschaftlichen Status, ein verändertes Rollenbewusstsein, neue Traditionen und Strukturen erzeugen sollen. Auch Heilungsriten (z. B. schamanische Rituale) gehören zu den Diskontinuitätsritualen. Sie sind auf die individuellen Krankheitssymptome einer Person zugeschnitten und ermöglichen einen Übergang vom Krankheits- zum Gesundheitszustand. Diskontinuitätsrituale sind verbunden mit einer »Suspendierung der Zeit« (S. 278); das bedeutet, dass die Zeit während des Rituals ausgelöscht und die Vergangenheit aufgelöst wird, dass neue Zukünfte eröffnet und möglich werden, dass auf Prozesse eingewirkt werden kann, um Veränderungen und neue Verhaltensweisen zu ermöglichen. 2. Kontinuitätsrituale haben eine Funktion des Bewahrens und basieren auf regelmäßiger Wiederholung kollektiver Aktivitä(Therapeutische) Rituale – Merkmale, Struktur und Funktionen

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ten. Intensivierungsriten – hierzu zählen im betrieblichen Kontext beispielsweise das monatliche Arbeitsessen oder die alljährliche, feucht-fröhliche Weihnachtsfeier – zielen darauf ab, den Gruppenzusammenhalt zu stärken. Einen ähnlichen Zweck erfüllen sogenannte teletische Rituale, welche die Aufnahme in eine Gruppe sowie den Austritt einer Person markieren. Kontinuitätsrituale erhalten Ordnung und Struktur aufrecht, strukturieren die Zeit und geben Sicherheit, fördern soziales Zusammenleben und stellen ein Mittel dar, um starke Emotionen auszuhalten. Das folgende Fallbeispiel aus meiner (M. B.) Praxis zeigt, wie eine Klientin ihr persönliches Kontinuitätsritual entwickelt hat: Auf die Frage, was ihr helfe, wenn sie in Selbstzweifel und -anklage gerate, sagt die Teilnehmerin einer Gruppentherapie: »Ich habe da inzwischen nicht nur den inneren Kritiker, sondern auch hilfreiche Geister. Die erinnern mich an das, was ich kann, und sprechen mir Mut zu. Ich kann sie rufen und sie kommen auch von allein. Jeden Morgen rufe ich sie zu mir, dann umschwirren sie mich, wie ein Haufen lustiger Kobolde.«

Auffassungen von Spiritualität, ihr Nutzen für den Bereich der Psychotherapie und die therapeutische Arbeit mit Ritualen Therapeut: »Welche Rolle spielt bei Ihnen denn der Glaube?« Klient: »Bei mir ist Glauben sogar ganz entscheidend, aber vor allem erst mal dabei, ob ich an mich glaube oder nicht. Das habe ich oft genug nicht getan. Die Kirche gibt mir da nicht mehr viel, aber für mich ist es wichtig, ob ich mich als Teil eines Ganzen fühlen kann, so etwas wie Zugehörigkeit, das erlebe ich zum Beispiel in einem Telefonat mit einer schwerkranken Freundin, die auch so einen schönen schwarzen Humor hat – ich bin nicht allein.«

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Das diesem Kapitel vorangestellte Fallbeispiel meiner (M. B.) Praxis verdeutlicht, dass der Glaube im Leben eines Menschen eine große Rolle spielen kann, ohne dass diesbezüglich eine Bindung an die Institution Kirche besteht. Psychologie und Spiritualität Eine Intention dieses Buches ist, für den Bereich des Glaubens zu sensibilisieren und über wesentliche Auffassungen und Annahmen bezüglich des Phänomens Spiritualität zu informieren, so dass psychotherapeutisch relevante Ansatzstellen gefunden werden können. Historisch betrachtet begegnete, wie bereits erwähnt, die Psychologie des 20. Jahrhunderts der Spiritualität skeptisch. Auf dem Hintergrund von Aufklärung und Säkularisierung wurden Religiöses und Spirituelles vor allem unter Gesichtspunkten wie Entmündigung, Anpassung und Belastung untersucht. Enttraditionalisierung und Individualisierung in der westlichen, durchrationalisierten Gesellschaftsform taten ihr Übriges dazu (Bucher, 2007, S. 13). Das ändert sich gerade, seit Ende des 20. Jahrhunderts werden die positiven Effekte von Spiritualität auf Gesundheit und Wohlbefinden populärer (Meditation, Selbstverwirklichung, Achtsamkeit, Stressreduktion usw.) und korrigierende oder ergänzende Sichtweisen zunehmend in spirituellen Themen gefunden. Dabei spielen offenbar auch die Suche nach Alternativen zu materialistischen Ausrichtungen sowie die Einsicht in die Grenzen rationalistischer Erklärungssysteme eine wesentliche Rolle (siehe in diesem Zusammenhang z. B. die Reden und das Wirken des Dalai Lamas, die Ergebnisse der Quantenphysik, das Engagement von Wissenschaftlern für soziale Projekte). Im Folgenden werden ausgewählte spirituelle Themen, Begriffe und Ansätze beleuchtet. Ziel ist dabei nicht, sie nach Konsistenz, Überzeugungskraft oder gar Wahrheitsgehalt zu beurteilen. Wenn in Therapien von Sinn, Verbundenheit, Energien, dem Großen und Ganzen, hilfreichen Kräften gesprochen wird, werden diese stärkenden und Hoffnung gebenden Zugänge oft individuell erfahren und mit den verschiedenen spirituellen Modellen verknüpft.

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Transpersonale Psychologie Die Erforschung von Bewusstseinszuständen, Gefühlen der Einheit, mystischen Erlebnissen, schöpferischen und intuitiven Erfahrungen, Erlebnissen der Überschreitung von Raum und Zeit hat sich (angefangen mit der Humanistischen Psychologie) vor allem die sogenannte Transpersonale Psychologie zum Ziel gesetzt (Wilber, 1987): »In welchen Momenten ist der Anstoß, ist die Befriedigung am größten? Was sind die großen Augenblicke? Was sind die lohnendsten Momente, die Leben und Arbeit der Mühe wert machen? […] Der […] Mensch, der unter bestmöglichen Bedingungen arbeitet, ist tendenziell durch Werte motiviert, die sein Selbst transzendieren. Sie sind nicht länger egoistisch im alten Sinne des Wortes. Schönheit findet sich nicht in der eigenen Haut, genauso wenig wie Gerechtigkeit und Ordnung. Sie ist gleichermaßen innen und außen, sie hat die räumlichen Grenzen des Selbst transzendiert« (Maslow, 1996, zit. nach Assagioli, 2004, S. 25 f.).

Zunächst schien es den Vertretern dieser Psychotherapieschule, als sei ein bestimmendes Merkmal dieser Phänomene, dass sie spontan auftreten und wieder abflauen und sich somit dem willent­ lichen Zugriff entziehen würden. Durch die Hinzuziehung, Nutzung und Schulung spiritueller Traditionen und meditativer sowie hypnotischer Techniken änderte sich diese Auffassung (Assagioli, 2004). Der spirituelle Ansatz der Transpersonalen Psychologie verfolgt das Ziel, auf diesem Weg eine Ebene hinzuzugewinnen, die aus ihrer Sicht zur Gesundheit und Lebensbewältigung nötig ist. Sie lassen die Frage offen, ob es diese Kräfte und Welten gebe oder ob sie Bestandteil von spezifischen, vielleicht sogar manchmal schädlichen Bewusstseinszuständen und Lebenseinstellungen seien. Passung zu verschiedenen Therapieansätzen Uns erscheint Spiritualität leicht verbindbar mit folgenden Ansätzen in der modernen Psychotherapie: ȤȤ Die Ressourcenorientierung ist inzwischen in allen Verfahren zur Stabilisierung und Motivierung (verschiedene Traumatherapien, 30

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vor allem Reddemann, 2014) akzeptiert und wird dort eingesetzt. Damit korrespondierende Resilienz- und Salutogenese-Ansätze (z. B. Kéré Wellensiek, 2012; Antonovsky, 1997) wie die kultursensible Einbeziehung des Wertesystems von Patienten haben die Bedeutung von Religiosität und Spiritualität in Psychotherapien wieder mehr in den Vordergrund gerückt. In der Logotherapie geht es explizit um Sinn und Sinnfindung im therapeutischen Prozess (Frankl, 1948). In tiefenpsychologischen Ansätzen findet vor allem die Jungianische Therapie Anwendung (»der Zugang zum Numinosen ist die eigentliche Therapie«, C. G. Jung, 1972, S. 465). Die Daseinsanalyse nach Binswanger, die auf den phänomenologischen Ansatz von Heidegger zurückgeht, berücksichtigt die Glaubensorientierung und allgemeine Annahmen über die Existenz in der Arbeit mit den Patienten. Die Existenzielle Psychotherapie von Yalom (2010) hat Tod, Freiheit, Sinnlosigkeit und Isolation als Hauptthemen. Die Systemische Therapie (z. B. von Schlippe u. Schweitzer, 2013) hat insbesondere mit ihrem konstruktivistischen Ansatz das Ziel, Perspektiven zu erweitern und Impulse in einen Möglichkeitsraum hineinzugeben, um neue Lösungen zu ermöglichen. Dabei kann »Gott auch zu einem Co-Therapeuten« werden. Therapeuten sollen eine möglichst lösungsneutrale Einstellung behalten. Hypnosystemische Ansätze nutzen Ressourcen und haben einen Teile-Ansatz hervorgebracht (Ego-State-Therapy, z. B. Fritsche u. Hartmann, 2014), der die Perspektive der Psychotherapie um die Vielgestaltigkeit des Selbst und das Nutzen von hilfreichen Einflüssen erweitert. In der Transpersonalen Psychotherapie nach Maslow (1977) und Wilber (1987) wird über die Untersuchung der Zugänge zu unterschiedlichen Bewusstseinszuständen eine Hilfe für den ganzheitlichen Menschen angestrebt (siehe oben). In der Humanistischen Psychotherapie (nach Rogers, Perls u. a.) wird mit dem Hauptziel einer therapeutischen Beziehung, in die humanistische Werte und Ziele einfließen sollen, daran gearbeitet, Selbstentfaltungskräfte freizusetzen. Die Positive Psychologie, die auf Seligman (2012) zurückgeht, Auffassungen von Spiritualität

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grenzt sich von der Defizitorientierung ab und konzentriert sich auf stärkende Faktoren für den Lebenswert (Aumann, 2008). ȤȤ In den Achtsamkeitsbasierten Ansätzen wird versucht, die Bewältigungsmöglichkeiten zu verstärken, indem zum Beispiel eine innere Distanz zu belastenden Denkmustern und das Vertrauen in die gegenwärtige Wahrnehmung gefördert werden (für neurowissenschaftliche Befunde siehe Ott, 2010). Menschenbilder, davon abgeleitete Grundkonzepte und Überzeugungen von Psychotherapeuten fließen an vielen Stellen implizit in ihre Angebote ein. Die Ziele der Therapien lauten nicht nur ganz unterschiedlich, sie beziehen sich auch auf verschiedene Modelle von Veränderungsmöglichkeiten. Hinsichtlich der Auffassungen von erreichbaren Zielen in Psychotherapie und Beratung ergeben sich bedeutsame implizite Botschaften durch die Grundannahmen der Therapeuten und Therapieschulen. Oft wird ein mit dem Patienten vorhandenes bzw. ein dem Patienten nahezulegendes Paradigma der Möglichkeiten vorausgesetzt. Das Potenzial des Nutzens solcher Grundannahmen kann durchaus über den eventuell zu eng gefassten Rahmen eines Therapieansatzes hinausreichen. Was kann heil werden? Was durch Aufarbeitung besser verarbeitet werden? Auf welcher Ebene erwartet der Patient für ihn hilfreiche bzw. nützliche Erfahrungen, die neue Entwicklungen möglich machen? Der medizinische Krankheitsbegriff basiert auf einer direkten Kausalitätsvorstellung von Krankheit, Diagnose, Behandlung und Heilung. Für viele Krankheitsbilder gibt es allerdings Einschränkungen der Heilungserwartung. Dem entspringen andere Begriffe, wie Genesung, Linderung und Symptombesserung. Mit derartigen Begriffen werden abgestufte Erwartungen und prozessorientierte Auffassungen erfasst. Aus Erkenntnissen der Psychopathologie werden je nach Stand der Wissenschaft auch Einschränkungen bei manchen Krankheitsbildern definiert, so zum Beispiel bei Psychosen, bei denen Residuen als »übriggebliebene Resteinschränkungen« der mentalen Gesundheit definiert sind. In den Psychotherapie-Richtlinien wird der Heilungsbegriff zumeist mit einer Wiederherstellung der psychischen Gesundheit gleichgesetzt. Die Zielsetzungen und Vorstellungen davon variieren 32

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jedoch theorieabhängig stark. Freud sprach von Liebes- und Arbeitsfähigkeit als Ziel. Für andere Therapieauffassungen gelten Begriffe wie Alltagsfunktionalität, Problemlösungskompetenz, Verlernen maladaptiver Verhaltensweisen und Erlernen neuer funktionalerer Strategien, Stärke des positiven inneren Erlebens, Ich-Stärke usw. Aus einer soziologischen oder sozialpsychologischen Perspektive betrachtet, bedeutet Heilung, dass der Patient sich wieder zutraut, sein Leben selbst zu organisieren. Der Hilfebedarf ist nicht mehr vorhanden. Um die unterschiedliche Verwendung des Begriffes Heilung in Psychotherapiemodellen und spirituellen Verfahren zu erklären, ist es wichtig, dass in der Psychotherapie der Begriff der Heilung eng mit dem Begriff der Psyche verbunden ist, wogegen spirituelle Traditionen ihren Fokus auf den Begriff der Seele legen. Studien belegen die Bedeutung von spirituellen Überzeugungen und Bewältigungsstrategien für den Erhalt von psychischer Gesundheit. Es wird untersucht, ob und wie spirituelle Inhalte und Methoden Heilungsprozesse unterstützen können (vgl. Grom, 2012). Derartige Forschungsergebnisse, die die Wirksamkeit spiritueller Phänomene aufzeigen, ergänzen Betrachtungsweisen, bei denen spirituelle Phänomene als pathogene Faktoren gelten, so vermutete zum Beispiel Freud (1948) in der Religiosität einen illusionären Wunsch nach dem Schutz eines allmächtigen Vaters (S. 373). Belastungen können auf der einen Seite durchaus aus rigiden Auffassungen von einem Gott als Richter oder Strafinstanz entstehen oder aus angstinduzierenden religiösen bzw. spirituellen Auffassungen, die die eigene Freiheit und Fähigkeit in der Lebensführung zu stark einschränken. Gesundheitsforscher fanden auf der anderen Seite heraus, dass Menschen mit einem positiven, unterstützendem und akzeptierenden Gottesbild über mehr Lebenszufriedenheit, Glücklichsein, Hoffnung, Sinnorientierung und andere positive Gefühle berichten. Religiosität bzw. Spiritualität scheint, abhängig vom jeweiligen Gottesbild, somit auch ein Schutz- und Stabilisierungsfaktor zu sein. Wer jedoch von einer durchgehenden göttlichen Lenkung ausgeht, wird durch die Belastungen im Leben massiv enttäuscht und in seinem Glauben herausgefordert. Interessant ist in Psychotherapien auch, den jeweiligen lebensgeschichtlichen Hintergrund der spirituellen Auffassungen von KlienAuffassungen von Spiritualität

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ten zu erfassen. Kinder haben ihren eigenen Zugang und werden von den Praktiken in ihrer Umgebung inspiriert (von Gontard, 2012): »Mein Großvater war ein sehr naturliebender Mensch. Er schien für mich in der Arbeit und dem Aufenthalt in der Natur aufzugehen […] ich erinnere mich, wie er mir mit geheimnisvoller Stimme davon erzählte, welche Heilkräfte vom Mond ausgingen […] mit dem Blick auf den strahlenden Mond am Nachthimmel schien er diese Kräfte mit seinen Händen greifen zu können […] und sie auf meine schmerzende Warze an meiner Hand zu richten […] ich weiß nicht, ob ich das wirklich glaubte, aber es war eine schöne, magische Stimmung, zu der wir auch lachen konnten […] die Warze verschwand jedenfalls« (eigene Erinnerung von M. B.).

Spiritualität mit einem nicht allmächtigen Gottesbild ist mit dem Potenzial verbunden, mit kritischen Lebensereignissen günstig umzugehen. In diesem positiven religiösen Coping lässt sich der Sinn, der gesucht wird, mit Gott zusammen finden, indem man ihn um Kraft für die eigene Problemlösung bittet oder ihm die zukünftige Entwicklung vertrauensvoll überlässt. Dies scheint mit allgemeinen Kompetenzen und Strategien wie Selbstermutigung und der Fähigkeit zur Neubewertung zusammenzuhängen. Derartige Potenziale und Ressourcen zu aktivieren und zu nutzen, ist auch in der Behandlung von psychischen Störungen sinnvoll. Hierbei ist zwischen den spirituellen Anregungen, die die Patienten von sich aus in den Therapieprozess einbringen, und denen, die als Intervention in eine Psychotherapie integriert werden können, zu unterscheiden. Erstere Anregungen können genutzt werden, wenn das dazu führt, dass sich die Klienten zum einen mit Vertrauen in die Obhut einer Macht begeben, die größer ist als sie selbst, und zum anderen das eigene Leben sowohl gelassen der Fürsorge dieser Macht anvertrauen als auch aufgrund dieser Ermutigung aktiv gestalten. Letztere Anregungen können direktiv integriert werden, um den therapeutischen Kontext um eine Sichtweise zu erweitern (unsere Selbstannahme und unser Selbstwert gehen nicht verloren oder werden gemindert, wenn wir scheitern) und als Anstoß zu einem eigenen Suchprozess. Diese spirituellen Anstöße zur Selbstexploration und -veränderung erfor34

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dern ein besonderes Maß an Reflexion und Sorgfalt, sollen sie doch keinem eigenen Missionierungsdrang entstammen, ergänzend und passend zu den bewährten Maßnahmen sein und keine schmerzlichen Einsichten und Aufgaben überdecken. Insgesamt birgt die spirituelle Intervention die Gefahr, den Therapeuten zum geistigen Begleiter/Lehrer zu erheben, der das Potenzial der Intervention überschätzt und eine zu mühelose Heilung verspricht (Grom, 2012). Empirische Befunde beziehen sich vor allem auf die Wirksamkeit von sogenannten unspezifischen Faktoren als »Induktion positiver Erwartung« (nach Grawe, 2000), Anteilnahme und Ermutigung zur Geduld. Das heißt: Ein Ritual und Spiritualität haben nicht an sich eine Wirkung, sondern die Wirkung entsteht entsprechend übergreifender Wirkfaktoren wie über das Wecken von Hoffnung oder die Förderung eines veränderten Verstehens und Begreifens. Zunehmend wird in der aktuellen Literatur, vor allem studienbasiert, der Notwendigkeit einer Hinwendung zu spirituellen Themen und den Chancen einer spirituell orientierten Haltung für Therapeuten nachgegangen. Dies geschieht teilweise mit einem Fokus auf Störungskonzepte, auf die Heilkraft einzelner Lehren oder auf Konflikte mit einer verinnerlichten Morallehre. Für weiterführende und ergänzende Aspekte des Themenbereiches Spiritualität als Wirkfaktor und Ressource für Psychotherapie weisen wir auf folgende Veröffentlichungen hin: ȤȤ Utsch, Bonelli und Pfeiffer (2014) haben ein aktuelles Grundlagenwerk über die Bedeutung von Spiritualität für die Psychotherapie vorgelegt, in dem der Stand der amerikanischen Forschung und Tendenzen in der beraterischen Praxis dargelegt werden. Es wird auf den therapeutischen Umgang mit Sinn- und existenziellen Fragen, mit Sehnsüchten und mit der Suche nach tragfähigen Werten eingegangen. Den drei Grundfragen nach Sinn (Wozu?), Schuld (Warum?) und Tod (Wohin?) dürfe sich Psychotherapie nicht entziehen. Insbesondere auf achtsamkeitsbasierte und meditative Verfahren lenken die Autoren ihr Augenmerk, aber auch die Einbindung spiritueller Methoden aus anderen Kulturen sei ein wichtiges Ziel. Das Thema Schuld wird hinsichtlich spiritueller Wirkungen im Hinblick auf Reue bzw. Sühne gesondert dargestellt und diesbeAuffassungen von Spiritualität

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züglich auch die Wirkung einer religiösen Beichte untersucht. Interessant ist auch, wie Spiritualität im Zusammenhang mit verschiedenen Störungsbildern (z. B. Depressionen, Neurosen, Zwangsstörungen, Traumata, religiösem Wahn) und der Persönlichkeitsentwicklung eingeschätzt wird. Darüber hinaus geht es den Autoren um die Beschreibung einer spirituellen Haltung als therapeutisches Basisverhalten. Es wird ein Modell für eine »neurotische« Verarbeitung von religiösen Fragen vorgestellt. Als Hauptkonflikte werden Familienloyalität, Ungerechtigkeiten, (religiöse) Ideale und Lebensrealität, erhöhte Ängstlichkeit, Schuldgefühle, die Auseinandersetzung mit persönlicher Verantwortung und dem Wunsch nach göttlicher Führung sowie Konflikte mit kirchlicher Morallehre und dem Streben nach persönlicher Freiheit beschrieben. ȤȤ Bucher (2007) belegt, dass das Interesse an individuell erlebter Spiritualität wächst, während eine institutionalisierte Religiosität an Bedeutung verliert. Demgegenüber beklagt er, dass man noch immer Psychologie studieren könne, ohne je mit dem Themenbereich in Berührung zu kommen. Es bestehe eine Lücke, weil die »Wissenschaft von der Seele« die Seele weitgehend aus dem Blick verloren habe. Damit werde ein ganzheitlicher Blick auf den Menschen vertan. Die Integration von Spiritualität sei nicht nur auf die Entwicklung von Störungen hin zu reduzieren, sondern Spiritualität biete eine Vielfalt von konstruktiven Zugangsmöglichkeiten zum Leben und zum Bearbeiten von Problemen und Störungen. Bucher beschäftigt sich mit Fowlers »Stufen des Glaubens« und deren Potenzial zur Erhöhung von Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden. Er thematisiert auch die schädlichen Seiten spirituellen Erlebens und spirituellen Missbrauch (z. B. in totalitären Gruppen). Praktische Ansätze werden am Beispiel der Arbeit mit Alkoholabhängigen dargestellt. ȤȤ Wilber (2007) ist sicher einer der bedeutendsten Vertreter und Denker der sogenannten Transpersonalen Psychologie. In seinem Buch »Die integrale Spiritualität« stellt er seine grundsätzliche Theorie und die daraus entstandene Landkarte des Lebens vor (Integrales Betriebssystem, IBS). Dieses komplexe Modell hat er 36

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über viele Jahre entwickelt. Er beschreibt in ihm spirituelle Themen und mit diesen zusammenhängende Bewusstseinszustände, Ebenen, Erfahrungen. Er betrachtet viele wissenschaftliche, philosophische und spirituelle Betrachtungsweisen als zu einseitig, weil sie vergessen, dass wir unsere Welt aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten können, die sich gegenseitig ergänzen (sein Modell umfasst vier Quadranten, die er als Ich, Es, Wir und Sie definiert). Das menschliche Bewusstsein habe verschiedene Ebenen, so dass sich jeder Mensch auf unterschiedlichen bewegen könne. So lassen sich auch Religionen mit unterschiedlichen Gottesbegriffen verstehen und nebeneinander akzeptieren. Er verwendet den Begriff spirituell auch in der Bedeutung von Schatten (abgespaltene Persönlichkeitsanteile, wie beispielsweise Wut). ȤȤ Auch Quekelberghe (2007) hat ein Überblicksbuch geschrieben: »Grundzüge der spirituellen Psychotherapie«. Themen sind religiöses Coping, spirituelle Einheitserfahrungen und Resilienz sowie therapeutische Zugänge zur spirituellen Erlebensdimension von Patienten. Modellhaft werden Verbindungen zwischen der Psychotherapie und Meditativer Achtsamkeit, Zen-Psychoanalyse sowie der Buddhistischen Verhaltenstherapie erläutert. Der Autor stellt ein Pyramidenmodell der Bewusstseinszustände vor. Interessant sind die Anwendungen spiritueller Therapieansätze bei unterschiedlichster religiöser Weltanschauung und bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen. ȤȤ Die Beiträge in »Spiritualität transdisziplinär«, herausgegeben von Büssing und Kohls (2011), zeigen auf, wie viele Studien in den Gesundheitswissenschaften vor allem im angloamerikanischen Raum den Zusammenhang von Spiritualität, Religiosität und Achtsamkeit mit Lebensqualität und Gesundheit belegen. Sie verdeutlichen die Relevanz von Spiritualität nicht nur innerhalb der Palliativ- und Schmerzmedizin, sondern auch im Rahmen der Gesundheitspsychologie, Lebensqualitäts- und Versorgungsforschung. ȤȤ Pertner (2008) bringt das Grundbedürfnis von Menschen nach Sinn, Geborgenheit und Orientierung mit der Gestalttherapie in Verbindung. Er ermutigt zur Entwicklung einer spirituellen Lebenshaltung in Therapie und Alltag. Auffassungen von Spiritualität

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ȤȤ Auch in dem Buch von Steinmann (2008) geht es um Studien, die die Erweiterung der Dimensionen für physische, psychische und soziale Gesundheit um die der Spiritualität nahelegen. Für die medizinisch orientierten Gesundheitswissenschaften sieht er einen Handlungsbedarf. ȤȤ Huppertz (2009) verbindet den Begriff der Achtsamkeit mit dem der Spiritualität. Die Einübung achtsamkeitsbasierter Spiritualität sei kein Weg, der zu einem reinen, unveränderlichen Bewusstsein oder einer unmittelbaren oder absoluten Wahrheit führe. Ziel sei eine veränderte Lebenshaltung. ȤȤ Wie die Lebenskraft (Qi) durch Üben (Gong) gestärkt werden kann, beschreiben Fischer und Schwarze (2010). Qigong ist eine über 3000 Jahre alte Heilmethode in der chinesischen Medizin und fördert Entspannung, Gelassenheit und innere Kraft, um auf diese Weise die körperlichen und seelischen Selbstregulationskräfte zu unterstützen. Bewegung, Atemführung, Imagination und Achtsamkeit werden in den Qigong-Übungen verbunden. ȤȤ Beaumont (2008) legt dar, dass es Krankheiten gibt, die einen ganzheitlichen Ansatz benötigen und nicht durch Medikation oder sachliche Eingriffe allein geheilt werden können. Das Ziel sei gerade bei der Behandlung komplexer Krankheiten, mit der Seele in Kontakt und auf diese Weise zu dem, was sei, zu kommen und die heilenden Kräfte mitwirken zu lassen. ȤȤ Walch (2011a, 2011b) beschäftigt sich auf der Basis seines Gestaltund transpersonalen Hintergrundes mit den Grundlinien eines spirituellen Menschenbildes. Er entwickelt einen spirituellen Stufenweg mit krisenhaften Phasen. Er unterscheidet das Ego vom Ich und dem Finden des persönlichen Friedens in einem universellen Selbst. Haltung: die Vielfalt nutzen! In unseren Diskussionen über allgemeine Wirkmechanismen in Psychotherapie und Beratung stießen wir immer wieder auf die Bedeutung von Hoffnung, Sinn, Intuition und Mitgefühl bei Veränderungsprozessen. Dazu passen Ansätze, die ressourcenorientiert vorgehen und die Wirkung von Imagination und Selbstorganisation nutzen.

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Hier bewegen wir Autoren dieses Buches uns zwischen verschiedenen Auffassungen aufeinander zu: ȤȤ Kupitz: Ich glaube, dass es das gibt! Spiritualität kann erlebt werden und so zu einer subjektiven Wirklichkeit werden. ȤȤ Brentrup: Ich glaube, dass manchen Menschen die Vorstellung, dass es Spiritualität gibt, hilft! Spiritualität kann auch als ein Ergebnis von Konstruktionsprozessen betrachtet werden. Wir sind davon überzeugt, dass bei aller Skepsis und Vorsicht Deutungsspielräume bleiben sollten und gebraucht werden, um Kreativität und Handlungsfreiheit zu schützen (vgl. Jacobi, Poldrack u. Hoyer, 2001).

Spirituelle Modelle, Strömungen und Praxis Es gibt einen nahezu unüberschaubaren Markt für spirituelle Ansätze, Ratgeber und Erfahrungsberichte. Es wird, schaut man sich auf diesem Markt um, zum einen deutlich, dass eine spirituelle Orientierung zunächst immer ein individueller und subjektiver Prozess ist. Zum anderen sind die Ansätze häufig ähnlich und werden selten konsistent aufeinander aufbauend dargestellt. An der Trennlinie zur Esoterik befinden sich viele Angebote der Lebenshilfe, die auf uns sehr stark vereinfachend und teilweise missionarisch wirken. Im Folgenden sollen einige der wesentlichen Quellen spiritueller Heilansätze im deutschsprachigen Raum vorgestellt werden. Vorweg zunächst ein Fallbeispiel aus meiner (M. B.) Praxis, das die Relevanz verdeutlicht, die dem spirituellen Erleben als Ressource und Ansatzpunkt für ein Modell des Heilens zukommt; ein Klient schilderte mir folgende Erfahrung: »Auf einer Bergwanderung mit Freunden in den Alpen hatte ich eine bewegende Erfahrung. Während ich zunehmend Angst davor bekam, dass ich die Herausforderungen körperlich nicht schaffen könnte, musste ich mich dem Berg und meinem Körper beugen. Ich stellte fest, dass ich ständig ein für meine Kondition zu hohes Tempo wählte. Die Schritte waren zu schnell und groß für mich. Ich konnte mich in den nötigen Pausen kaum noch erholen. Mit einer Spirituelle Modelle, Strömungen und Praxis

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Mischung aus Angst, Scham und Kapitulation vor der eigenen Überforderung passte ich mich neu an: dem Berg und dem mir Möglichen an Anstrengung. Nach einiger Zeit bemerkte ich eine starke Veränderung. Ich befand mich nicht mehr im Kampf gegen den Berg. Es schien fast so, als wäre ich mit ihm eins geworden. Eine Beruhigung und später tiefe Freude überkamen mich. So verbunden schienen meine Kraft und meine Zuversicht zu wachsen. Statt Erschöpfung und Angst spürte ich Freude und Begeisterung. Plötzlich war es ein pures Erlebnis von Natur und Zusammenhängen, die mir auf vielen Ebenen Sinn machten.«

Was bedeutet Spiritualität? Oft werden Religiosität und Spiritualität synonym verwendet. Daher ist es nötig, beide voneinander abzugrenzen. Wer religiös und fromm ist, glaubt an eine bestimmte religiöse Praxis, an eine bestimmte Religion. Die fünf Weltreligionen (Hinduismus, Judentum, Islam, Christentum, Buddhismus) bieten kulturell verwurzelte Wege an, mit existenziellen Fragen und Ängsten, vor allem mit Tod und Trauer umzugehen, und haben Rituale der Gemeinschaft und des Trostes geschaffen. Spiritualität bedeutet Geistigkeit und kann sowohl eine auf Geistiges aller Art als auch im engeren Sinn auf Geistliches in spezifisch religiösem Sinn ausgerichtete Haltung meinen. Spiritualität im spezifisch religiösen Sinn steht immer auch für die Vorstellung einer Verbindung zum Transzendenten, zum Jenseits oder zu der Unendlichkeit. Spiritualität kann aber ebenso als eine Beschäftigung mit Sinn- und Wertfragen definiert werden, als eine Auseinandersetzung damit, wie der Mensch in seinem Dasein in der Welt und in Beziehung zu anderen Menschen empfindet. Es ist nicht notwendigerweise eine religiöse Lebenseinstellung mit Spiritualität verbunden, auch wenn sie sich auf transzendente und höhere, das heißt, mit dem Verstand nicht erfassbare Wirklichkeiten bezieht. Es geht meist um nichtpersonale Rahmenbedingungen des Lebens, immaterielle Faktoren, die erfahr- und erahnbar sind. Diese Erfahrungen und Einstellungen dienen der Lebensgestaltung als Orientierung. In der Ausdifferenzierung der verschiedenen spirituellen Ansätze und der subjektiven Aneignung dieser Ansätze kann man eine suchende 40

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und eine glaubend annehmende bzw. eine wissend erkennende Haltung unterscheiden. Auch zum Begriff des Bewusstseins gibt es keine allgemeingültige Definition. Im weitesten Sinne bedeutet Bewusstsein ein Erleben mentaler Zustände und Prozesse. Wie auf einer Art Metaebene kann ein Mensch darüber hinaus sich seiner selbst bewusst sein. Hier knüpft die Erfahrung, beseelt zu sein, an, also ein Bewusstsein von einer metaphysischen Qualität. Es wird zudem zwischen einem persönlichen und einem erweiterten Bewusstsein unterschieden. In den östlichen Philosophien wird das erweiterte Bewusstsein als ein Zustand jenseits von Zeit und Raum, Veränderung und Störung verstanden, ein Seinszustand der Leere und der Glückseligkeit. Zur Verdeutlichung dessen, was der Begriff eines erweiterten Bewusstseins zu fassen versucht, hier drei Beispiele außergewöhnlicher Erlebnisse aus meinem (G. K.) Leben: 1. Eine Aussage meiner Tochter: Sie berichtete, dass für sie das Reiten mit einem Gefühl der Freiheit, des Einsseins mit allem verbunden sei. Woraus die Idee oder ihr Wunsch entstand: »Auf dem Rücken des Pferdes möchte ich sterben.« 2. Die Geburt meiner Tochter: Es war für mich ein unbeschreibliches, außergewöhnliches, schönes Erlebnis. Das winzige Wesen, noch schmierig und schön warm auf meinem Bauch zu spüren. Ich hatte das Gefühl, in etwas Großes, Göttliches eingehüllt zu sein und einzutauchen – das Gefühl von Innigkeit, Verbundenheit und Allsein, das Gefühl, mit dem großen Ganzen verbunden und in ihm aufgehoben zu sein, ein Wunder, pures Glück und pure Liebe zu erleben. 3. Ein Naturerlebnis: Ich bin in Nordamerika und besuche den Bryan Canyon, kaum stehe ich am oberen Rand des Canyons, laufen mir Tränen die Wangen herunter. Ich bin tief berührt, stehe und staune angesichts dieser Einzigartigkeit der Natur. Der Anblick bewegt mich, Demut und ein Gefühl der Vollkommenheit, der Berührbarkeit und Zugehörigkeit überkommen mich. Das Göttliche erscheint ganz nah – überall.

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Heilkraft buddhistischer Psychologie (Thich Nhat Hanh) Neben dem Dalai Lama ist Thich Nhat Hanh hierzulande der profilierteste Vertreter der buddhistischen Lehre. Insbesondere die Achtsamkeitspraxis erleichtert aus westlichen Kulturen Stammenden die Annäherung an die ethischen Richtlinien, die nicht als dogmatische Gebote zu verstehen sind (Achtung vor dem Leben, Gewaltfreiheit, Großzügigkeit, Solidarität und Sozialbewusstsein, Respekt und Liebe, aufmerksames Zuhören und mitfühlendes Sprechen, achtsamer Konsum, Entschlossenheit zur bewussten Lebensweise). Jack Kornfield (2008) hat aus der buddhistischen Psychologie universelle Prinzipien abgeleitet. Er definiert Grundhaltungen: 1. Erkenne den inneren edlen Kern und die Schönheit in jedem Menschen. 2. Unsere innerste Natur ist Mitgefühl. Es entsteht aus unserer Verbundenheit mit allen Dingen. 3. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit von der Erfahrung auf den Raum des Bewusstseins lenken, in dem sie stattfindet, entsteht Weisheit. 4. Erkenne die geistigen Zustände, welche das Bewusstsein füllen. Wandle unheilsame in heilsame um. 5. Unsere Vorstellungen von einem Selbst entstehen durch Identifikationen. Je weniger wir an Ideen von einem Selbst festhalten, desto freier und glücklicher werden wir sein. Wichtigstes Ziel buddhistischer Psychologie ist: den Blick hinter die Schutzschicht zu eröffnen, die auch die Buddha-Natur genannt wird, die unsere ursprüngliche Seite zum Vorschein bringt. Mitgefühl ist im Hinblick auf die Grundhaltung einer Lösung vom Selbst von großer Bedeutung: »Mitgefühl verleiht uns die Fähigkeit, uns ohne Panzer dem Leben zu stellen.« Der Dichter Rainer M. Rilke drückt es in einem Brief so aus: »Leben hat Verwundbarkeit zur Voraussetzung« (zit. nach Kornfield, 2008, S. 51). In den buddhistischen Lehren ist häufig von Mitgefühl für alle Wesen die Rede. 6. Unser Leben hat sowohl eine universelle als auch eine persönliche Dimension. Beide müssen respektiert werden, wenn wir frei und glücklich sein wollen. 7. Wenn wir unserer Erfahrung achtsame Aufmerksamkeit ent42

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gegenbringen, wirkt dies befreiend (siehe dazu die Achtsamkeitsübungen im Kapitel »Merkmale für die Konstruktion von Ritualen«). Achtsamkeit schenkt uns Überblick, Ausgeglichenheit und Freiheit (Prinzipien der Wandlung: Erkennen, Akzeptieren, Erforschen; die vier Grundlagen oder Bereiche der Achtsamkeit: Körper, Gefühle, Geist und Dharma, wobei mit Dharma in diesem buddhistischen Zusammenhang die wahre Natur der Dinge gemeint ist). 8. Die Achtsamkeit des Körpers (z. B. eine Gehmeditation) erlaubt uns, unser Leben zu leben. Sie schenkt uns Heilung, Weisheit und Freiheit. Achtsamkeitsrituale können behilflich sein, uns und unsere Umwelt/unser Umfeld anders wahrzunehmen. 9. Weisheit erlaubt uns, zu erkennen, welche Gefühle präsent sind, ohne uns in ihnen zu verlieren. 10. Gedanken sind oft einseitig und falsch. Lernen Sie, sich Ihrer Gedanken bewusst zu sein, statt sich darin zu verlieren. 11. Es gibt das persönliche und das universelle Unbewusstsein. Das Unbewusstsein mit Gewahrsein zu durchdringen, bringt Einsicht und Freiheit. 12. Die unheilsamen Aspekte unserer Persönlichkeit können erkannt und umgewandelt werden, so dass unser natürliches Temperament heilsamen Ausdruck findet. 13. Es gibt heilsame und unheilsame Wünsche. Lernen Sie den Unterschied kennen und finden Sie inmitten Ihrer Wünsche Frieden. 14. Wenn wir an Ärger oder Hass haften, werden wir leiden. Eine von Hass freie, kraftvolle, weise und mitfühlende Reaktion ist durchaus möglich. 15. Unwissenheit begreift die Welt nicht und vergisst, wer wir wirklich sind. Sie liegt allen unheilsamen Geisteszuständen zugrunde. Befreien Sie sich von der Unwissenheit und sehen Sie mit der Weisheit. 16. Schmerz ist unvermeidlich, Leiden nicht. Leiden entsteht aus Anhaftung. Lerne loszulassen und befreie dich vom Leid. 17. Achte auf deine Motivation. Motivation und Absicht sind die Samen, aus denen unsere Zukunft entsteht. Spirituelle Modelle, Strömungen und Praxis

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18. Was wir immer wieder visualisieren, verändert unseren Körper und unser Bewusstsein. Stellen Sie sich Freiheit und Mitgefühl vor. 19. Was wir immer und immer wieder denken, formt unsere Welt. Es ist ein Gebot des Mitgefühls, dass wir unheilsame Gedanken durch heilsame ersetzen. 20. Die Macht der Konzentration kann durch innere Übungen geschult werden. Konzentration öffnet das Bewusstsein für die tiefreichenden Dimensionen von Heilung und Einsicht. 21. Tugend und Integrität sind unabdingbare Voraussetzungen für wahres Glück. Daher sollten wir auf unsere Integrität besonders achten. 22. Vergebung ist sowohl nötig als auch möglich. Es ist nie zu spät, Vergebung zu finden und von vorne zu beginnen. 23. Es gibt keine Trennung zwischen Innen und Außen, Selbst und anderen. Wenn wir uns unserer selbst annehmen, nehmen wir uns der Welt an. Wenn wir uns um die Welt kümmern, kümmern wir uns um uns selbst. 24. Der Mittlere Weg verläuft zwischen den Gegensätzen. Bleib in der Mitte, und du wirst dich wohlfühlen, wo immer du bist. 25. Verabschiede dich von deinen Meinungen. Befreie dich von deinen festen Ansichten. Öffne dich für das Mysterium. 26. Aus einem friedvollen Herzen entsteht Liebe. Trifft Liebe auf Leid, wird daraus Mitgefühl. Trifft sie auf Glück, wird daraus Freude. In vielfältigen Formen finden buddhistische Heiltraditionen im modernen Achtsamkeits- und Geistestraining Anwendung (Anderssen-Reuster, Meibert u. Meck, 2013). Vielen Menschen erscheinen sie eine hilfreiche Ergänzung und eine Möglichkeit zu sein, sich aus einer westlichen Haltung, die nach Leistung strebt und eine Wachstumslogik verfolgt, zu befreien. Andere suchen nach einem Weg, in unserem System nach anderen Regeln zu leben. Alles hängt mit allem zusammen – auch über unsere begrenzten Wahrnehmungs- oder Denkpotenziale hinaus (Quantenweltsicht).

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Viele wissenschaftliche Erkenntnisse werfen dadurch, dass sie über bisheriges Wissen hinausgehen, neue Fragen auf. Schon der Lehrsatz der Kybernetik und Systemwissenschaft, nachdem das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile (Emergenz genannt), verweist auf den komplexen Zusammenhang zwischen den Einzelfaktoren und dem spezifischen Wirken als System. Dies gilt insbesondere für sogenannte offene und lebende Systeme, in denen Veränderungen nicht steuer- und vorhersagbar erscheinen. Entsprechende Einsichten lassen sich in vielen Wissenschaften finden: der Biologie, Philosophie, (Astro-)Physik. Auf der Suche nach letzten Erklärungen schien es immer wieder möglich, Gott überflüssig zu machen. Die mathematische Suche nach einem Anfang des Universums; die Entdeckung der kleinsten Teilchen, die alles bilden sollten; die Suche nach einer Erklärung des Nichts (schwarze Löcher und sogenannte Quantenfluktuation) führten aber nicht zu diesen letzten Erklärungen. Stattdessen bewegen sich die Wissenschaften in derart abstrakten Bereichen, dass die Forscher selbst darüber klagen, dass die Erkenntnisse, die als gesichert gelten könnten, nichts mehr für das menschliche Vorstellungsvermögen seien (Gaßner u. Lesch, 2012). Die Grundidee der Quantenmechanik ist, dass alles und jedes (Teilchen, Licht oder eine Kraft) letztlich ungewiss ist. Teilchen können sich nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort aufhalten. Licht kann sowohl hier als auch gleichzeitig woanders sein. Selbst das Vakuum ist erfüllt von Teilchen und Wellen. Diese verschwommene und ungenaue Welt verwandelt sich in die gewohnte, festgefügte Welt, wenn sie gemessen wird. Die Wirklichkeit, die erfasst wird, ist abhängig von der Art der Messung. Um die Welt der Quantenphysik so zu messen, dass sie erfasst wird, müssen Messinstrumente verwendet werden, die nicht den Gesetzen der klassischen Physik folgen. In der Physik ist das gelungen. So ließ sich zeigen, dass sich die physikalischen Gesetze ändern: Je größer das betrachtete System und je länger der Zeitabstand zwischen Messungen ist, desto mehr gilt die klassische Physik. Im erlebbaren makrophysikalischen Alltag begegnen wir der Quantenphysik also nicht. Einstein und Bohr haben einen langen wissenschaftlichen Streit darüber geführt, ob es das Grundprinzip der Welt sei, unbestimmt zu sein (Bohr), oder ob es noch sogenannte verborgene Spirituelle Modelle, Strömungen und Praxis

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Variablen (Einstein) gebe. Wechselwirkungen zwischen Teilchen (Informationsaustausch), die nicht entsprechend der Relativitätstheorie erklärt werden können, könnten durch solche unbekannten Variablen erklärt werden. Entsprechend der Quantenphysik ist es jedoch wahrscheinlicher, dass im Weltall alles mit allem verbunden ist, weil alle Atome oder Teilchen irgendwann einmal mit anderen in Wechselwirkung standen. Heisenberg meinte dazu, dass man über das, was man nicht beobachten könne, auch keine Aussagen machen könne. Andere Forscher sind mutiger. Bohm meint zum Beispiel, dass das, was wir als getrennte Teilchen sehen, gar nicht getrennt ist, sondern zu einem »tieferen Realitätsbereich« gehöre (zit. nach Röthlein, 1999, S. 72). Dieses Weltbild ist ein völlig anderes als das der Alltagslogik (so besteht »ein Konflikt zwischen der Realität und dem Gefühl, was Realität sein soll«; Feynman, zit. nach Röthlein, S. 73). Einige spirituelle Modelle beziehen sich auf diese Erkenntnisse der Quantenphysik, wenn sie von der Göttlichkeit im Großen und Ganzen, von verbindenden und aufeinander einwirkenden Energien, einem übergeordneten System Seele (Geist), der energetischen Unvergänglichkeit und geistigen Einflussmöglichkeit der Göttlichkeit/Spiritualität ausgehen. Der Quantenphysik wird entlehnt, dass das materielle Universum nichts anderes als eine Form von Energie ist. So kommt es zur Vorstellung von Energieströmen, die von einer einzigen schöpferischen Quelle ausgehen. Erkenntnisse wie beispielsweise die von Bohr, Einstein und Heisenberg, dass eine objektive Betrachtung der physischen Welt falsch ist, scheinen ein Beleg für das Vorhandensein eines größeren Bewusstseins zu sein. Die Dinge da draußen scheinen einer Realität zu entsprechen, gleichzeitig ist eine Wirklichkeit nicht beweisbar, die vom Beobachter unabhängig ist. Die physikalische Bezogenheit aller Elemente, die Relationen (alles ist mit allem verbunden), der sogenannte Schmetterlingseffekt (kleine Ursachen haben unerwartet große Effekte) korrespondieren mit spirituellen Modellen. Daraus folgen spirituelle Auffassungen: ȤȤ Weisheitsüberlieferungen, die von einem unbegrenzten körperlichen und spirituellen Potenzial ausgehen, sind gültig. ȤȤ Jede Weltanschauung erzeugt ihre eigene Welt. ȤȤ Wir sind mehr als unser Körper, Ego und unsere Persönlichkeit. ȤȤ Auf tiefster Ebene ist der Körper alterslos, der Geist zeitlos. 46

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Es sind also zwei unterschiedliche Betrachtungsweisen möglich: Die Körper bestehen aus Materie, die durch Raum und Zeit voneinander getrennt ist, oder die Körper bestehen in ihrer Essenz aus Energie und Informationen und nicht aus fester Materie – Geist und Körper sind voneinander getrennt und existieren unabhängig voneinander oder Geist und Körper sind untrennbar eins, zwei Erfahrungsströme, die sich auf einer tieferen Ebene begegnen, einer Quelle entstammen. Die zweite Betrachtungsweise geht davon aus, dass der Mensch die Quelle seiner eigenen Kraft ist: Der Körper ist nicht nur ein biologisch physischer Ort, sondern verbunden mit der Kraft des Göttlichen und der Weite des All-in-Einem. In jedem Menschen gibt es den göttlichen Funken, die Göttlichkeit. In den spirituellen Lehren wird diese Kraft oft als kosmische Energie bezeichnet, östliche Philosophien sprechen von Tao, das Christentum von Gott und die moderne Physik von Nullpunktenergie. Der Kern der Quantenphysik besagt, dass die Realität keine Ansammlung von Tatsachen, sondern ein stets im Wandel begriffener Prozess mit vielen Möglichkeiten ist. Verborgene Variablen, uns nicht bekannte höhere Dimensionen und einiges mehr beeinflussen unsere Alltagsrealität. Der Physiker Dürr (2009) beschreibt diese neue Auffassung der Physik: »Die Sinnhaftigkeit steckt in dem System als Ganzem von Anfang an: Die Sinnhaftigkeit ergibt sich aus der Beziehung des Einzelnen, des nur konstruiert Abgetrennten, in Bezug auf den Hintergrund. In der Erfahrung dieser Beziehung begegnen wir dem Religiösen« (S. 164). Aus der Quantenphysik resultieren also Überlegungen, die von höheren Dimensionen ausgehen, mit denen die Existenz kreativ, sinnvoll, wahrhaftig verbunden und in die sie eingebettet ist. Danach ist das menschliche Bewusstsein in der Lage, sich mit universellen Kräften (Energien) zu verbinden und diese auch zu Heilwirkungen zu nutzen. »Die Allverbundenheit, die wir auch Liebe nennen können, ist in uns und in allen anderen von Grund auf angelegt und sprießt aus der Lebendigkeit« (Dürr, 2009, S. 167). Aus dieser Art zu denken ergeben sich viele Verbindungen zu alten spirituellen Traditionen und Praktiken: das Aufgehobensein in einem großen Ganzen, das wir nicht verstehen, die Verbindung mit allem, was um uns existiert, die Relativität von Zeit und (Un-)Endlichkeit. In den weiter Spirituelle Modelle, Strömungen und Praxis

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unten von uns dargestellten Ritualen sind deshalb Überschneidungen zwischen indianischen, schamanischen, religiösen und moderneren spirituellen Ansätzen vorhanden. Anwendungsformen von Ritualen in spirituellen Praktiken Aus spirituell orientierter Sicht ist bereits das Angebot eines Rituals verbunden mit einem Übergang ins Spirituelle. Wir suchen eine Anknüpfung an Überzeugungen, Quellen der Zuversicht, einen Glauben (an sich und übergeordnete Kräfte) und Hoffnung Schaffendes. Ein Glaube lässt sich nicht beweisen, nach wissenschaftlichen Kriterien nicht belegen, dennoch wirkt er sich massiv auf die Lebensführung und die Problembewältigungsfähigkeiten aus. Er ist erfahrbar als tiefes inneres Gefühl, manchmal als ein tiefes inneres Wissen, dass es mehr gibt, als wir wissen, kontrollieren, beweisen und belegen können – und müssen. Der Glaube, dass wir alles in uns tragen bzw. mit allem, mit einem großen Ganzen verbunden sind, bietet Ansatzstellen für das Wahrnehmen einer Kraft in uns, die wir zur Heilung hinzuziehen können. Ob wir diese Kraft das gemeinsame Bewusstsein nennen oder das Göttliche in jedem von uns oder die Erfahrung, dass alles eins ist, ist nebensächlich. Das Wissen um diese Kraft fördert eine zuversichtliche Haltung dem Leben gegenüber: Wir ziehen daraus, dass es etwas Größeres gibt, etwas, das alles umfasst und das uns trägt, Stärke, Energie, Gelassenheit, Vertrauen, Zuversicht und damit auch Heilung. Aus dieser Kraft können uns somit Energie und Mut zur Veränderung zufließen. Häufige Ausdrucksformen der Spiritualität (siehe z. B. Grün, 2008) sind: das Gebet (Gottvertrauen und Geborgenheit), Einsicht (Erkenntnis, Weisheit, Wissen), Transzendenz (Überschreitbarkeit der endlichen Erfahrungswelt, Bewusstseinszustand, der göttliches Sein erlebt), Mitgefühl (Toleranz), achtsamer Umgang mit sich, anderen und der Umwelt, Ehrfurcht (Dankbarkeit) und Gleichmut (Meditation). Der spirituell Suchende macht sich bewusst, dass der Mensch und die Welt göttlichen Ursprungs sind (z. B. Gott, Allah, Tao, Brahman, Prajna, All-Eines u. a.). Auf dieser Basis spürt er oder stellt er eine Verbundenheit mit anderen, mit der Natur, mit dem Göttlichen usw. 48

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her. Die Suche nach dem Heiligen ist eine Abkehr vom egozentrierten Blick und meist eingebettet in Gruppenphänomene der Zugehörigkeit. Spiritualität kommt aber auch ohne Gottes- oder Transzendenzbezug aus. Auch Haltungen, die auf Güte, Freundlichkeit, liebevoller Hinwendung, Gerechtigkeit, Mitgefühl, Dankbarkeit, Liebe und Menschenrechten basieren (also auf Werten eines Humanismus), können Menschen vereinen. Derartige Glaubenssysteme sind von Erkenntnisprozessen geprägt, die sich als nichttheoretisch, nichtlogisch, nichtgedanklich und nichtkommunikativ vermittelbar begreifen (Glauben heißt, nicht beweisen wollen). In den Hauptreligionen kommen unterschiedliche Auffassungen zum Ausdruck. Das Christentum fördert eine gelebte Frömmigkeit und die Vervollkommnung in bestimmten Handlungen (Vertiefung, Lesen der Bibel, Gebet, Nächstenliebe u. a.). Aus dem Buddhismus kommt die Vorstellung einer Erleuchtung als Ziel des Praktizierenden. Wege dahin haben mit Meditation und absichtslosem Gewahrsein im Hier und Jetzt zu tun. Im Hinduismus sind die Gottesvorstellungen und Lehren sehr unterschiedlich. Die meisten Gläubigen gehen aber davon aus, dass Leben und Tod ein sich ständig wiederholender Kreislauf seien (Reinkarnation). Im Islam ist Spiritualität eine Art geistiger Brücke zwischen Menschen und Gott (in Form der heiligen Schriften, in denen er sich offenbart habe). In sogenannten Pazifischen Religionen besteht Spiritualität in der Befreiung von unerwünschten, vorwiegend zwischenmenschlichen Umständen. Es werden höhere Wesen (Naturgeister) angerufen, die als Mithilfe gebraucht werden. Traditionell wurde die Kulthandlung der Befreiung, bei der alle an einem Problem beteiligten Personen anwesend waren (im Geiste auch die Ahnen) und die aus verschiedenen Ritualen und Gebeten bestand, durch einen Heilpriester (ähnlich einem Schamanen) geleitet. Schamanen – die alten Heiler und ihr schamanisches Weltbild Schamanen gab und gibt es auf der ganzen Welt (Peru, Nepal, Mongolei, die Inuit in der Arktis, Afrika, Sibirien, China, frühere Völker der Olmeken und Maya). Aus historischer Sicht reicht der Schamanismus circa 30.000 Jahre zurück (Ryan, 2002). Spirituelle Modelle, Strömungen und Praxis

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Der Schamanismus will ein Angebot machen, das bereichernd und stärkend wirksam sein kann und für alles offen ist. Es gibt kein Dogma, niemand ist gezwungen, irgendetwas zu glauben, was er nicht nachvollziehen kann. Jeder Mensch für sich oder in Begleitung (im therapeutischen Kontext) kann mit den schamanischen Ritualen und Methoden Erfahrungen machen. Im Schamanismus geht es um Erfahrungen im Hier und Jetzt. So hat die Lehre der Sufis, einer schamanischen Strömung im Islam, einen Spruch zum Jetzt, den der persische Dichter Rumi kommentiert: »Der Sufi ist das Kind der Gegenwart. Rumi: Vergangenheit und Zukunft verbergen Gott vor unserer Sicht, verbrenne beide mit Feuer« (zit. nach Kleeberg, 2013, S. 29).

Der Schamanismus ist sowohl eine Philosophie als auch ein Angebot zur Heilung. Er bezieht sich nicht nur auf den Körper und die Materie. Sein Ziel ist, einen ganzheitlichen Ansatz anzubieten. Wichtig sind die Erkenntnisse und die Erfahrungen, die der Mensch individuell macht. Es geht darum, menschliche Entwicklungen zu begleiten. Nach der Auffassung der Schamanen ist alles beseelt, was im Universum existiert, alles hat einen eigenen Geist (Spirit), und alles, was existiert, ist über ein Energiefeld miteinander verbunden bzw. miteinander vernetzt. Es besteht somit eine Verbundenheit mit einem größeren Ganzen (Gott, Universum, …). Alles, was existiert, ist außerdem lebendig und hat einen Geist. Aktualität hat dieser Ansatz unter anderem auch deswegen bekommen, weil diese Auffassung mit der moderner Physiker (siehe die Ausführungen zu den Erkenntnissen der Quantenphysik, S. 45 ff.) übereinstimmt. Auch Zen-Buddhisten teilen diese Ansicht. Die geistige Welt des Schamanismus ist von Krafttieren, geistigen Lehrern, alten Seelen usw. bevölkert. Der Schamane wird deshalb häufig als der Wanderer zwischen den Welten bezeichnet. Es geht im Schamanismus darum, einen Zugang zur schöpferischen Kraft der geistigen Welt zu finden (Kontakt zur sogenannten feinstofflichen Urmaterie des Seins). Aus der Sicht der Schamanen besitzt jedes Tier, jede Pflanze usw. einen Geist und eine eigene Medizin. 50

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Der dem einzelnen Wesen innewohnende Geist kann uns Menschen behilflich sein. Zum Beispiel wird dem Adler die Kraft des weitsichtigen Beraters zugesprochen, der uns in Notlagen beistehen kann. Im schamanischen Weltbild geht man bei einem Problem von einem seelischen Hintergrund aus. Die Harmonie ist gestört, das heißt, jene Kräfte, die zwischen Mensch und Kosmos zusammenwirken (z. B. traumatische Erlebnisse, Tod, emotionale Verletzungen), sind beeinträchtigt, was zu inneren Blockaden führen kann, wodurch die Lebensenergie vermindert oder blockiert werden kann. Wichtigste Methode: Schamanische Reise: Zu den bekanntesten Methoden zählt die schamanische Reise. Schamanische Reisen sind Rituale, um die – nichtalltägliche –Wirklichkeit zu erreichen und eine Kommunikation zwischen der sogenannten alltäglichen Wirklichkeit und der sogenannten Geisterwelt herzustellen. Es wird davon ausgegangen, dass wir auf diesem Weg zu Informationen gelangen, die uns stärken und auf dem Weg zu mehr Ganzheitlichkeit unterstützen. Der Schamane ist dabei behilflich und verwandelt dafür seinen eigenen Bewusstseinszustand (oft durch Trance). Die hawaiianische Lehre von Huna Der Kerngedanke der Huna-Philosophie besagt, dass jeder von uns seine eigene persönliche Erfahrung der Realität durch seinen Glauben, seine Interpretationen, Handlungen und Reaktionen sowie durch seine Gedanken und Gefühle selbst erzeugt (King, 2004). Er definiert einen Schamanen als Heiler von Beziehungen. Es gehe um die Beziehungen von Geist und Körper, zwischen Menschen und ihren Lebensumständen, zwischen den Menschen untereinander, zwischen Mensch und Natur sowie zwischen Materie und Geist (King, 2004). Die Grundprinzipien sind: 1. Die Welt ist so, wie du glaubst, dass sie ist. 2. Es gibt keine Grenzen. 3. Die Energie fließt dahin, wohin die Aufmerksamkeit geht. 4. Jetzt ist der Moment der Macht (damit ist das Handeln in der Gegenwart gemeint). 5. Lieben heißt glücklich damit sein. 6. Alle Macht kommt von innen. Spirituelle Modelle, Strömungen und Praxis

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7. Effektivität ist das Maß der Wahrheit (damit ist gemeint, dass es keine absolute Wahrheit gibt). Auffällig sind die Ähnlichkeiten zwischen der buddhistischen und der Huna-Philosophie.

Was ist Aberglaube? – Spiritualität und das Risiko der Verirrung »Der Glaube kann Berge versetzen.« Redensart nach der Bibel3 »Der Glaube kann zwar keine Berge versetzen, aber er vermag Berge dorthin zu setzen, wo es keine gab.« Friedrich Nietzsche, 1879

Ein Klient klopft dreimal auf den Holztisch. Der Therapeut fragt: »Was bedeutet das?« Der Klient antwortet: »Dann glaube ich, dass ich kein Pech habe!« Therapeut: »Ach, das ist Ihr persönlicher Mutmacher.« »So kann man das sehen.«

Das vorangestellte Fallbeispiel aus meiner (M. B.) Praxis zeigt meine Therapeutenreaktion auf eine abergläubische Handlung des Klienten. Eng mit der Frage verbunden, ob es einen Zugewinn für die Psychotherapie und die Patienten gibt, wenn sich Therapeuten auch auf spirituelle Sichtweisen einlassen, oder ob dadurch nicht auch das Risiko der Verirrung und der Unterstützung abergläubischer Sichtweisen wächst, ist das Verständnis von Wahrheit und Wirklichkeit. Erkenntnisse, Theorien und Auffassungen sind vorläufig, temporär und perspektivabhängig. Nach Kuhn (1967) sind auch die Forschungsergebnisse immer abhängig vom Forscher(-Interesse) und den verwendeten Untersuchungsmethoden. Die einfließenden Grundannahmen bilden als Paradigma einen Rahmen der jeweiligen Wissenschaftsauffassung. Im Themenfeld der Psychotherapie, in dem subjektive Bedeutungsgebungen erfragt und gewollt sind (siehe Kategorie der weichen Realität, vgl. Simon u. Stierlin, 1984, S. 41 f.), 3 Siehe Hiob 9,5; Matth. 17,20; Mark. 11,23 u. a.

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führt das zu andauernden Auseinandersetzungen über die Gültigkeit von stark reduzierten Forschungssettings einerseits oder von zu weichen Faktoren andererseits. Konstruktivistisch betrachtet ergibt sich das Grundproblem aufgrund der Selbstbezüglichkeit aller Erkenntnis. Herzog meint dazu (1984, S. 91 f.): »Der Gegenstand der Psychologie [kann] nicht ›gefunden‹ oder ›entdeckt‹ werden, […] er [muss] vielmehr geschaffen werden.« Um unsere Psyche verstehen zu können, müssen wir sie erst konstruieren (Begriffe und Sprache dafür finden; vgl. von Schlippe, 2002). Viele Autoren diskutieren, dass es zur Wissenschaftlichkeit von Psychotherapie verschiedene Perspektiven gibt. Kriz (2000) mahnt zum Beispiel an, dass es bei vielen Forschungen zu einer viel zu engen und einfachen Auslegung kommt. Was genau Wirksamkeit ist und welche Prozesse überhaupt erfasst werden, wenn Effekte gemessen werden, ist sehr strittig. In der Psychotherapieforschung werden deshalb methodenspezifische und auch allgemeine und sogenannte unspezifische Wirkprinzipien differenziert (z. B. Huber, 2000, S. 291 ff.; Grawe, 2000, S. 314 ff.). Psychotherapie ist wie ihr Gegenstand (die Psyche bzw. der Mensch in seiner Geschichte und seinen Beziehungen) nicht in einem Modell vollständig abbildbar. Eine Über- oder Metalehre gibt es (bisher) nicht; sie scheitert am Komplexitätsgrad bzw. an der Vereinfachung. Wir vertreten die Ansicht: Die Vielfalt der Perspektiven und Ansätze ist nicht der Fehler, sondern die Lösung bei der Komplexität und Subjektivität in lebenden Systemen. »Eklektizistische und integrationistische Bewegungen reflektieren die Anstrengungen vieler PraktikerInnen, in ihrer Arbeit mit dem KlientInnen flexibel zu sein« (Lambert, 2004, S. 7). Denn offenkundig gibt es viele Wege und man kann/sollte von mehreren Meistern lernen (vgl. Orlinsky, 1994). Orlinsky, Rønnestad und Willutzki (2004) fassen den Stand ihrer Analyse der Psychotherapie-Prozessforschung dementsprechend so zusammen: »Effektive Psychotherapie ist eindeutig mehr als ein Set von Techniken, aber sie ist auch mehr als eine warme, unterstützende Beziehung […] Psychotherapie ist mehr als das, was PsychotherapeutInnen tun, mit Absicht oder sonst wie; alles in allem ist sie [die Psychotherapie] die ErfahWas ist Aberglaube? – Spiritualität und das Risiko der Verirrung

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rung der PatientInnen. Aber was die TherapeutInnen in der Therapie tun, macht eindeutig einen Unterschied in dem, was die PatientInnen erfahren und lernen. Das Ergebnis scheint am besten zu verstehen zu sein als ein synergistisches Resultat der Probleme und Ressourcen der PatientInnen, in Verbindung mit den Fertigkeiten und Begrenzungen der TherapeutInnen« (S. 363). Eng am sogenannten medizinischen Krankheitsbegriff Orientierte bewegen sich unseres Erachtens deshalb auch in einem Dilemma. Durch das (naturwissenschaftliche) Streben nach Kontrolle und Vorhersage von Ereignissen ergibt sich ein Gegensatz zwischen therapeutischen Kontrollansprüchen und der generellen und ethisch gebotenen Unkontrollierbarkeit von Menschen. Ob ein »kontrollierter Kontrollverzicht« aus dem Dilemma helfe, fragt deshalb Lieb schon 1992 (S. 116). Sowohl die Methode Ritual, angewendet als Struktur und Rahmen für unkontrollierte Prozesse, als auch die Einbeziehung spiritueller Themen öffnen einen »Raum für diesen ›kontrollierten Kontrollverzicht‹«. Ritualen als spezifische Methoden kommt nicht nur in Therapien eine besondere Funktion bei der Einstimmung, Rahmung und Bereitstellung von Energien für die erhoffte und angestrebte Wandlung zu. Historisch, kulturell und alltagspsychologisch erkennen wir in rituellen Verhaltensweisen Strukturierungsversuche, die Sicherheit und Erlebnisaktivierung zugleich bieten. Unsere moderne Lebenswelt zeichnet sich durch Vielfalt aus. Es scheint heute alles möglich, erreichbar und gleichgültig zu sein. So auch im Bereich des Religiös-Spirituellen. Es gibt eine unüberblickbare Anzahl von Ansätzen und Angeboten, die Sinn, Heil und Lebenshilfe versprechen. Es ist nicht leicht, Seriöses von Fragwürdigem und sogar Gefährlichem zu unterscheiden. Die Kontroversen um eine Einschätzung von Nutzen und Schaden zeigen oft ein zentrales Merkmal: Die Festigkeit von Überzeugungen grenzt aus. Wenn keine Zweifel und damit auch keine freiwillige Wahl zugelassen werden, ist das aus unserer Sicht ein ernster Hinweis auf die Fragwürdigkeit des Angebotes. Damit Freiwilligkeit möglich wird, sollte die erkennbare Absicht vorhanden sein, dass niemand gedrängt oder in seiner Unsicherheit oder Abhängigkeit überredet wird. Doch diese Einschätzung hängt wiederum von vorhandenen Grundannahmen ab. Wer legt wie fest, was real ist? Und wie beurteilt ein Psychothe54

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rapeut, ob die spirituelle Haltung für einen Patienten hilfreich ist oder ob sie eine wichtige Auseinandersetzung mit Frustrationen und Grenzen im Leben behindert? Auch den revolutionärsten Erkenntnissen droht die Relativierung, weil immer noch die Einbeziehung eines größeren Kontextes fehlt. Beispielhaft lässt sich das an der Hirnforschung beobachten. Das naturalistische Menschenbild schien alle Phänomene auf Prozesse im Nervensystem zurückführbar machen zu können. Das griff gewissermaßen die Menschenwürde an, weil der freie Wille oder die Existenz eines Ich nicht mehr zu existieren schien (die Existenz einer unsterblichen Seele sowieso nicht). Dadurch, dass sich auf Dauer kaum belastbare Ergebnisse produzieren ließen, wurde deutlich, dass es an einem Verständnis für die komplexen Zusammenhänge im ganzen Gehirn mangelte. Diese Art der Hirnforschung hat die übergroßen Erwartungen enttäuscht und gilt nicht mehr als Leitdisziplin mit Deutungsmacht (Slaby, 2014). Der Hirnscanner erschien wie eine Objektivitätsmaschine mit überwältigender Evidenz. Auch mittels Marktdynamiken schaukeln sich solch grandiose Hoffnungen auf, bis sie wieder relativiert und eingeordnet werden. Sichere wie unsichere Menschen tendieren dazu, bei Kontrollverlust, Ungewissheit und Abhängigkeiten von äußeren Faktoren zu Haltegriffen für die Seele zu greifen. Mit dem Wunsch, wieder etwas mehr Kontrolle zu bekommen, ist meist auch eine Abgabe von Verantwortung (an eine höhere Macht) verbunden. Das klassische Experiment dazu hat Skinner (1947) durchgeführt, als er Tauben nach einem Zufallsprinzip mit Futter belohnte. Auch sie entwickelten kuriose Hypothesen und Bewegungsmuster, mit denen sie die Belohnung beeinflussen wollten. Aus zeitlichen werden ursächliche Zusammenhänge gemacht, und Pseudo-Kausalketten entstehen. »Wann glauben Sie an Horoskope?« »Wenn es mir in den Kram passt« – diese Nützlichkeitseinschätzung ist pragmatisch und weit verbreitet. Die Aussage: »Wenn es hilft«, kann also auch eine zulässige Indikationslogik für Psychotherapeuten sein. Zudem es wenige gesicherte Prognosemöglichkeiten in diesem Berufsfeld gibt. Reflexionsangebote über die Stärkung des Selbstvertrauens und die Bereitschaft, sich mit Frustrationen auseinanderzusetzen, sollten diese Haltung ergänzen. Im Einzelfall kann dies erfolgen, indem hinterfragt Was ist Aberglaube? – Spiritualität und das Risiko der Verirrung

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wird, ob persönliche Grenzen negiert werden. Denn dann wird nicht gelernt, wie wichtig es ist, Prioritäten zu setzen und ein Scheitern als wichtige Erfahrung für realistische Erwartungen zu nutzen. Das Risiko einer Realitätsverweigerung und Steigerung von Wunscherfüllungsgarantien ist gegeben. Generell legt eine Ressourcenorientierung eine größere Gewichtung auf Stabilisierung, im Vertrauen darauf, dass derart gestärkte Menschen sich kompetent mit dem Unterschied auseinandersetzen, was sie ändern können und was nicht. Sicher teilen viele Menschen die Ansicht, dass Selbstbeschränkung und Verzicht zu einem gelingenden Leben dazugehören, in dem sich individuelle Wünsche und Wirklichkeit annähern. Für Psychotherapeuten muss das aus unserer Sicht aber nicht bedeuten, dass sie entscheiden müssten oder könnten, wann welche Prozesse drohen (supportive versus konfrontative Therapie). Auch hier geht es wieder mehr um persönliche Toleranz und Distanzierungsfähigkeit im Reflexionsangebot. Kein Glaube sichert einem zu, dass man das Recht hätte, unversehrt durch das Leben zu kommen bzw. von Härten verschont zu bleiben. Es bleibt ein Spannungsverhältnis zwischen spirituellen Heilmethoden und sogenannter Richtlinien-Psychotherapie bestehen. Die in Deutschland geltenden Psychotherapie-Richtlinien, ihre politische Umsetzung durch das Psychotherapiegesetz und die Prüfung und Definition von Effektivität setzen relativ feste Grenzen in der Praxis. Aus den zutreffenden Diagnosestellungen sollen spezifische Therapieplanungen und typische Behandlungsschritte abgeleitet werden. Diese dem medizinischen Krankheitsmodell angepasste Norm kann dazu führen, dass spirituelle Themen in einen privaten Beratungsbereich abgeschoben werden. Es droht zudem, dass blinde Flecken entstehen, weil Therapeuten nicht mehr auf die angebotenen Themen und Dynamiken eingehen. Der ungeregelte private Beratungsmarkt, in dem alternative und spirituelle Ansätze angeboten werden, ist für Nutzer unüberschaubar und durch die privatwirtschaftliche Struktur eventuell tendenziell »werbungs- und verkaufsorientiert«. Durch die bisher weitgehend fehlende wissenschaftliche Vernetzung mit traditionellen Therapieschulen gibt es wenig konstruktive Diskussion zur Nutzung spiritueller Ansätze in Psychotherapien bzw. zur Reflexion der Behandlerrolle. 56

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Den Vorteilen der Einbeziehung von Glaubenshintergründen stehen auch Risiken gegenüber. Spiritualität könnte zu einer Mode werden. Modeströmungen zeigen zwar oft auf bisher zu wenig Beachtetes hin, tragen aber auch das Risiko in sich, kritiklos zu sein. Sogenannte ganzheitliche Ansätze zielen auf eine Vollständigkeit ab, die unseres Erachtens gar nicht möglich ist. »Wir einigen uns im Nicht-Wissen, ein wenig unterscheiden wir uns im Wissen« (Popper, zit. nachWalch, 2011b). Der Mensch kann sich wohl nur fragmentarisch erfassen. »Die Bedingungen des Erkennens können nie ganz transzendiert werden« (Kant, zit. nach Walch, 2011b). Unser Wissen bleibt nur subjektiv, bruchstückhaft und vorläufig, auch wenn wir von einem größeren Ganzen sprechen (Walch, 2011b). Wenn an die Vollständigkeit geglaubt wird, liegt dogmatische Verengung nah. Die Sehnsucht, genau zu wissen, macht anfällig. Es ist Menschen wohl überhaupt unmöglich, das Ganze im Blick zu haben. Eine Folge ist die Neigung, von dem eigenen Ansatz wegen der empfundenen Schlüssigkeit ein Wahrheitsmonopol abzuleiten. Heilungshoffnungen können auch übertrieben sein und geschürt werden. Im Sinne einer Leidbefreiung kann so getan werden, als würden Krankheiten, Behinderungen und das Sterben nicht zum Leben dazugehören. Überhöhte Erwartungen können zu idealisierten Auffassungen von sich oder der spirituellen Welt führen und zu einer Spaltung zwischen der realen und idealen Welt beitragen. Selbstverwirklichung und Erleuchtung sind Ziele, denen man sich annähern kann. »Es ist weniger schädlich, vollkommen zu sein und es nicht zu merken, als umgekehrt« (Walch, 2011b). Es ist wie bei anderen psychotherapeutischen Ansätzen problematisch, klare Kontraindikationen oder gar einen Beipackzettel für spirituelle Ansätze zu entwerfen. Die Gefahren für die persönliche Entwicklung durch weltflüchtige Idealisierungen und Projektionen lassen sich nicht durch solche Warnungen oder Ratschläge verringern. Walch (2011a; 2011b) vertritt die Auffassung, dass spirituelle Arbeit und Praxis Psychotherapie nicht überflüssig machen kann. Wenn das Selbst beschädigt ist (sogenannte frühe Störungen), gibt es basale Defizite in der Geborgenheit und beim Aufbau unterstütWas ist Aberglaube? – Spiritualität und das Risiko der Verirrung

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zender Selbstrepräsentanzen. Es kann also in einem ungünstigen Fall dazu kommen, dass sich in der Beschäftigung mit spirituellen Inhalten und den entsprechenden Gruppen ein falsches Selbst auf die beschädigten Anteile wie eine Art Fassade aufbaut: um sich zu schützen, anstatt zu wachsen. Die Welt wird dann als abweisend und feindlich erlebt, die Betroffenen fühlen sich enttäuscht und abgeschnitten, ihr falsches Selbst wird in einer Parallelwelt aufrechterhalten. Vermutlich sind schon aufgrund der unterschiedlichen Motive und Anliegen spirituelle Themen in verschiedenen psychosozialen Kontexten zu finden. Wir plädieren auch nicht für eine generelle Verbindung. Die Normen und Vorstellungen sind einander sicher oft zu fremd. Glaube lässt sich nicht einfach psychologisch erfassen oder gar messen. Problematisch wird die Debatte, wenn vom Anspruch auf den Besitz einer allein gültigen Wahrheit und Richtigkeit ausgegangen wird. Stattdessen fragen wir pragmatisch: Wann und bei wem ist ein Zugang zur Spiritualität vielleicht sogar für eine gesunde Entwicklung notwendig? Genauso wie: Wann schadet die spirituelle Überzeugung dem aktiv angenommenen Leben? Woran erkennt man, dass eine Glaubenslehre doktrinär ist und Menschen entmündigt sind? Woran glaubt der, der vorgibt, zu wissen? Was kann ein Mensch überhaupt wissen und wann sind die Phasen, in denen er fest überzeugt ist, letztlich nur Übergänge zu neuen Fragen und Ungewissheiten? Auch eine streng nach spezifischen Wissenschaftlichkeitsvorstellungen geregelte Fassung der Psychotherapie ist unseres Erachtens eine Glaubenshaltung, die sogar Erlebnisbereiche und Veränderungserfahrungen von vielen Menschen ausblendet, weil sie nicht an sie glaubt. Am Bereich spiritueller Themen in Psychotherapien wird noch einmal besonders deutlich, wie wichtig ein reflexiver Umgang mit dem Thema Beeinflussung in Psychotherapien ist. Auch spirituelle Heiler sollten bereit sein, sich hinterfragen zu lassen. Auch wenn sie dadurch manchmal an hilfreicher Magie verlören, wie der Arzt, der Zweifel an seiner Behandlung einräumt. Es ist für Psychotherapeuten nicht nötig, das zu glauben, was der Patient annimmt, glaubt und anwendet. Man darf aber als Psychotherapeut auch dann zu seinem Glauben stehen, wenn man ihn nicht zur gültigen Vorgabe macht. 58

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Ein weiteres, noch zu erschließendes Feld ist die Vermittlung kultursensibler Umgangsformen für Therapeuten im Umgang mit der spirituellen Unterschiedlichkeit in dem Einwanderungsland Deutschland. Was ist Aberglaube? Psychologisch betrachtet ist Aberglaube eine kausale Erklärung, die ein zeitliches Zusammentreffen verknüpft und überbewertet, ohne die Verknüpfung noch einmal zu überprüfen. Magisches Denken und selbsterfüllende Prophezeiungen sind Folgen solcher Fehleinschätzungen. Mit der Beschäftigung mit spirituellen Überzeugungen und Gefühlen ist allerdings zwingend verbunden, für einen subjektiven Bereich des nicht Belegbaren Toleranz aufzubringen. Für Therapeuten geht es dabei um Sensibilität und Sorgfaltspflicht, es geht darum, ihre Patienten zugleich zu verstehen und angemessen zu hinterfragen. Da aller Glaube von der individuellen Sichtweise abhängt, so gilt dies auch für den Aberglauben. Im Bereich des Glaubens Seriöses von Fragwürdigem zu trennen, ist, wie gesagt, oftmals schwierig, und den Vorteilen, die die Einbeziehung dessen, woran der Klient glaubt, mit sich bringt, stehen auch Risiken gegenüber. Dies ist zu bedenken und zu reflektieren und verantwortungsvoll in die Kommunikation mit dem Klienten einzubringen. Wie bereits das Eingangsbeispiel zeigt, erweist sich die Überlegung und das Angebot: »Wenn es hilft« – und das, was als Aberglaube erscheint, zum Beispiel als Mutmacher und Stärkung fungiert – in Psychotherapien durchaus als zulässig.

Grundannahmen zur Wirkungsweise von Ritualen »Was genau da wirkt: ein Geheimnis nach wie vor.« Fred Langer

Rituale stellen seit jeher einen wesentlichen Einfluss bei der Konstruktion individueller und sozialer Wirklichkeit dar. Eine psychologische Funktion von Ritualen besteht darin, in der Unsicherheit von Übergängen im Leben sowie in der Unüberschaubarkeit sozialer Interaktionen eine stabilisierende Handlungsebene zu finden. Rituale können helfen, mit der Unvorhersagbarkeit und der Komplexität von Ereignissen umzugehen und stellen ein Mittel zur Erhaltung des Gleichgewichts von Stabilität und Instabilität dar, welches Voraussetzung für Lernen und Entwicklung ist (Kruse u. Dreesen, 1995, S. 2). Grundannahmen zur Wirkungsweise von Ritualen

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Rituale können also effektiv in der therapeutischen Veränderungsarbeit sein: sie ermöglichen die Wandlung von Identität und die Auflösung unerwünschter Symptome. Rituale sind nichtrationale Ereignisse, die dem Individuum Zugang zu tiefen inneren Ressourcen verschaffen und stärkend wirken können (Gilligan, 1995, S. 38). Es kommen mehrere Komponenten zusammen, die die Wirkung der Rituale fördern: ȤȤ Stärkung eines Zuganges zu einem unkontrolliert(er)en Modus und Wahrnehmung von Affekten und Fantasien, ȤȤ Hinzuziehen von nicht-rationalen Impulsen, ȤȤ Abgabe von Kontrolle und Umgehen innerer Ansprüche, Gebote, Normen, ȤȤ Abgrenzung einer konzentrierten Beschäftigung mit dem Thema unter der Bedingung einer Entwicklungsperspektive von Zeiten ohne diese Beschäftigung, ȤȤ Kreieren eines neuen Sinnzusammenhanges, ȤȤ Erweiterung der Selbst- und Weltsicht, ȤȤ Erlaubnis zur Weiterentwicklung durch die Verbindung des Alten mit dem Neuen, ȤȤ Erlebnisaktivierung, ȤȤ Aktivierung auf der Verhaltensebene, ȤȤ Zuversicht aufgrund der Imagination von Selbstwirksamkeit, ȤȤ Ergänzung des Schemas, Veränderung könne allein durch Willenskraft erreicht werden, um das Prinzip des Geschehen-Lassens. Neurobiologen haben festgestellt, dass Rituale biochemische Prozesse in Gang bringen, zu diesen Prozessen gehören eine Veränderung der Hauttemperatur, Muskelspannung, die Ausschüttung von Adrenalin und die Aktivierung von spezifischen Gehirnregionen. Die rituelle Wiederholung von Sinnesreizen verstärkt die gespeicherten Erfahrungen. Das Ritual prägt sich ein (vgl. Langer, 2014, S. 125). Whitehouse (siehe Langer, 2014) untersucht die sozialen Verbundkräfte in Ritualen. Er unterscheidet sogenannte imagistische (bildhaft-kraftvolle) von sogenannten doktrinären Modi (im Alltag gebrauchte). Die imagistischen sollen der frühen menschlichen Daseinsform entstammen, in der es um das physische Überleben gegangen sei. Die doktrinären gingen mit der Zeit und seien somit 60

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eine zivilisatorische Leistung. Whitehouses Modell betont die Wandlungsfähigkeit und kulturelle Anpassung von Ritualen. Sie würden immer wieder neu erschaffen und zu den gesellschaftlichen Bedingungen passend gemacht. Gleich blieben die Zwecke: Sie weckten Emotionen und steuerten sie. Und dieser Vorgang scheine immer wieder neu das Erfahren von Verbundenheit mit dem großen Ganzen (Gruppe, Masse, Nation, Natur, Kosmos) zu fördern. Psychologische Forschungsergebnisse über Rituale Bielefeld (2015) stellt dar, dass Rituale vor allem in mehrdeutigen und stress- und angstauslösenden Situationen Verwendung finden. Monat, Averill und Lazarus (1972) fanden diesbezüglich heraus, dass sich Rituale und Ängstlichkeit in Momenten großer Ungewissheit gegenseitig zu bedingen scheinen. Whitson und Galinsky (2008) folgern, dass Rituale aus der menschlichen Unsicherheit entstünden. Sie erklären sich das so, dass Menschen in Situationen der Unkontrollierbarkeit dazu neigen würden, eher abergläubische Erklärungen anzunehmen. Eine Vielzahl von Studien legt nahe, dass Rituale ein starkes Instrument zur Veränderung psychologischer und physiologischer Erregungszustände sind. So können Rituale beim Umgang mit Verlusten helfen, indem sie die wahrgenommene Kontrolle steigern (Norton u. Gino, 2014). Ein neu erlerntes Ritual scheint generell ein stärkeres Kontrollierbarkeitsgefühl auszulösen. In stressauslösenden Situationen wird der Stress nach einem absolvierten Ritual gemindert (Rachmann u. Hodgson, 1980; Reuven-Mangril, Dar u. Libermann, 2008). Eysenck und Eysenck hatten schon 1977 festgestellt, dass Angst vor oder während Leistungsabrufungen die Kapazitäten des Arbeitsgedächtnisses und das subjektive Selbstbewusstsein reduziert, was einen negativen Einfluss auf die Leistung hat. Man stellte fest, dass die kognitiven Ressourcen zum Grübeln und Nachdenken verwendet werden, anstatt sich adäquat auf die Aufgabe zu konzentrieren. In diesem Kontext konnte früh aufgezeigt werden, dass Rituale wirkungsvoller zur Angstreduzierung beitragen als beispielsweise direkte Beruhigungsversuche. Brooks et al. fanden 2014 heraus, dass selbst ein von der Aufgabe unabhängiges Ritual vor einer angstauslösenden Aufgabe die wahrgenommene Angst reduziert und die Leistung verbessert. Dies ließ sich auch auf die körperliche Spannung Grundannahmen zur Wirkungsweise von Ritualen

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beziehen und es zeigte sich, dass Rituale das Arousal reduzieren können, selbst wenn konventionelle Beruhigungsversuche effektlos sind. Diese Ergebnisse konnten Brooks et al. in mehreren Anwendungen wiederholt belegen und sie waren zudem von Geschlecht und Alter, aber auch von der Überzeugung bezüglich einer Beeinflussung durch ein Ritual unabhängig. Angenommen wird deshalb, dass Rituale nicht unbedingt eine explizit affektive Komponente bzw. den Glauben an dessen Wirkung benötigen, um ihren Effekt zu entwickeln. Ein minimaler symbolischer Rahmen, wie zum Beispiel das bloße Betiteln einer Handlung als Ritual, konnte die Leistung positiv beeinflussen. Es zeigt sich also, dass Rituale sehr einflussreich auf den Zustand der Angst und die Leistung sein können. Das körperliche Arousal kann wirkungsvoll reduziert werden, was vor und während einer Aufgabe tatsächlich häufig gar nicht anders als durch ein Ritual gelingt. Am besten scheinen Rituale zu wirken, wenn es eine (subjektive) symbolische Verbindung zur Aufgabe gibt. Spike W. S. Lee und Norbert Schwarz untersuchten 2011 insbesondere die Wirkung von Ritualen auf die menschliche Moralwahrnehmung. Rituales Waschen schwächt beispielsweise die Bewertung eigener moralischer Verfehlungen ab und konnte selbst den Effekt von kognitiver Dissonanz aufheben (siehe auch Zhong u. Liljenquist, 2006; Schnall, Benton u. Harvey, 2008). Auch der Einfluss vergangener Entscheidungen, die einen Rechtfertigungsdrang hervorriefen, oder die Wirkung von wahrgenommenem Unglück ließ sich durch Rituale reduzieren. Lee und Schwarz konnten experimentell zeigen, dass moralische Verfehlungen den Drang des ritualen Waschens hervorrufen konnten und das Waschen der jeweiligen Körperteile von dem Ausgangsorgan der moralischen Verschmutzung abhängig ist. Wenn also beispielsweise Lügen erzählt wurden, bezog sich das Waschbedürfnis vor allem auf den Mund. Wenn man die Lüge aber aufgeschrieben hatte, fokussierten sich die Probanden auf das Waschen der eigenen Hände. Dies lässt wiederum vermuten, dass Rituale vor allem in Verbindung mit der jeweiligen Handlung wirksam sind. Lee und Schwarz werteten die Ergebnisse allerdings dahingehend aus, dass unmoralisches Handeln mit einer tatsächlichen Verschmutzung konnotiert werde und somit ein Waschdrang entstehe (siehe auch Bielefeld, 2015). 62

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Tomlinson (2004) hat bei seiner Untersuchung von Ritualen auf den Fidschi-Inseln eine interessante Theorie zur Wirkung von Ritualen aufgestellt: Konfrontiert mit übermächtigen Naturgewalten, seien Menschen auf der Suche nach Gegenmächten. Wenden sie sich den gefundenen Gegenkräften zu, kann eine Dissonanz entstehen, die dazu führt, dass diese Praktik noch stärker gerechtfertigt wird. Insgesamt wird ein Einflussvermögen wiedergefunden, was die Bewältigung der bedrohlichen Situation unterstützt. Veränderung – eine systemtheoretische Perspektive Mit der Einbindung psychotherapeutisch wirksamer Rituale und hilfreicher Aspekte aus sogenannten spirituellen Ansätzen und Methoden in die Psychotherapie bewegen wir uns in einem Feld von Therapieansätzen, die sich geradezu dadurch definieren, dass sie nicht alles kontrollieren und erklären wollen. Diese Verfahren setzen darauf, dass Überzeugtheit, Hoffnung und Vertrauen anzustreben seien, weil sie die Möglichkeit der Veränderung vergrößern. Systemtherapeutische Verfahren leiten sich aus Konzepten der Systemtheorie und Kybernetik ab, mit denen komplexe Wechselwirkungen zwischen Systemen und Subsystemen erfasst und zugänglich gemacht werden sollen. Eine Grundannahme ist unter anderem, dass Verhalten im relevanten System-Kontext einen Sinn ergibt, wobei mit dem Begriff System sowohl äußere als auch innere Systeme gemeint sind (Familie, Denkmuster, Gefühle, körperliche Phänomene usw.). Die Systeme haben eine gewisse Autonomie, sind aber über unterschiedliche Wege in der Lage sich zu beeinflussen (z. B. über Rückkopplungen, Kommunikation). Relevante Veränderungen wirken sich auf die anderen Bereiche, die wie Umwelten für die anderen fungieren, aus. Kein einzelnes System kann direkt und gezielt eine angestrebte Wirkung im anderen erzeugen. Lebende Systeme sind kreativ, nicht trivial und nicht komplett vorhersagbar (vgl. z. B. Lieb, 1992). In der Systemtheorie wird nicht mehr am klassisch-naturwissenschaftlichen Ursache-Wirkung- bzw. Wirkvariablen-Modell, demzufolge A kausal zu B führt, festgehalten. Stattdessen werden therapeutische Bedingungen formuliert, die es wahrscheinlich machen, dass ein System mit einer kleinen oder großen Veränderung reagieren wird. Grundannahmen zur Wirkungsweise von Ritualen

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Das Konzept Veränderung »Hast du schon überlegt, wer du später werden willst?« »Wieso kann ich dann nicht mehr der sein, der ich bin?« Aus dem Film »Forrest Gump«

Veränderung ist beobachterabhängig, das heißt nicht objektivierbar. Während ein Außenstehender eine Veränderung wahrnimmt, kann der Betroffene meinen, dass er so geblieben sei, wie er war. Das Bewerten und Wahrnehmen von Veränderungen sind eigenständige Prozesse und nicht unmittelbar ein Teil von Veränderungen. Ein rationaler Widerspruch ergibt sich aus der Notwendigkeit von Veränderung allein durch das Erleben und die Zeit (siehe vorangestelltes Zitat aus dem Film »Forrest Gump«). Außerdem dienen Veränderungen zum Erhalt (Bewahren) eines Systems. So kann Veränderung als Anpassung an veränderte Umwelten zum Bewahren des alten Systems beitragen. Gute Zeiten im Sinne von günstigen Bedingungen für Veränderungen von Systemen sind labile Phasen oder Krisenzeiten. Aufgrund innerer oder äußerer Prozesse kann ein System in einen labilen Zustand oder in eine Krise geraten, in der es eine neue Organisationsstruktur braucht. Der Versuch, das Alte zu erhalten, führt häufig zu Verzögerungen und starkem Veränderungsbedarf. In solchen labilen Phasen haben sogar kleine Interventionen häufig eine große Wirkung, in stabilen haben starke Interventionen oft kaum eine Wirkung. Das Hauptmerkmal jedes Therapie-/Hilfeangebotes ist, bei anderen Veränderungen zu bewirken (oder zumindest die Erwartung zu wecken, als könne es das). Die dabei erwünschten Ziele können sein: ȤȤ etwas Positives zu erreichen, ȤȤ etwas Negatives zu beenden, ȤȤ etwas zukünftig Negatives zu verhindern. Wenn sich nach Interventionen nichts ändert, kann man also schließen, dass die Intervention entweder zu vertraut (nichts Neues) oder zu fremd war, so dass das System gar nicht darauf reagiert, also die Intervention ignoriert. In systemisch orientierten Therapien wird deshalb auch danach gefragt, welche Erklärungen das System selbst 64

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für die Entstehung der Probleme und für diesbezügliche Veränderungsmöglichkeiten hat. Es werden oft Schuldzuschreibungen genannt. Verändern heißt dann, ein System oder einzelne Personen direkt oder indirekt dazu einzuladen, das Problem dadurch aus der Welt zu schaffen, dass man etwas Neues tut oder etwas unterlässt. Da die meisten Menschen ihre Veränderungsstrategien aus ihren Erklärungstheorien ableiten, ist es vielversprechend, sich deren Erklärungsmodelle im Therapieprozess zunutze zu machen bzw. Impulse zu geben, die ihr Repertoire an Erklärungen erweitern. Die Mehrheit von Veränderungen entsteht nicht, weil sie durch einzelne Interventionen in Psychotherapien ausgelöst wurde, sondern zum Beispiel im Sinne einer sich psychisch wie körperlich vollziehenden Reifung (Selbstorganisationsprozesse). Es gibt aber auch von außen aufgezwungene Veränderungen, manchmal im Sinne einer guten Herausforderung und manchmal von Überforderung oder sogar Trauma. Es gibt Veränderungen, die von gesellschaftlichen Entwicklungen ausgelöst werden. Rollen von Helfern und Psychotherapeuten im Veränderungsprozess Schamanen heilen aufgrund des ihnen zugeschriebenen, persönlichen Zugangs zu einem höheren Wissen und aufgrund des Vertrauens, das ihnen Patienten entgegenbringen. Was in diesem Zusammenhang heilsam ist und wie das zu erklären ist, ist nicht unbedingt Gegenstand von Prüfungen und Ausbildungen (eine Berufung wird unterstellt). Psychotherapeuten stehen in der Tradition der medizinischen Heilkunst: In dieser Tradition sind Heiler Experten, die über ein prinzipiell allen, die das lernen wollen, zugängliches Wissen über die Entstehung und Heilung von Krankheiten verfügen – ein Wissen, das Gegenstand vorheriger Prüfungen und Ausbildungen ist (Beruf). In der klassischen Medizin bleibt der Patient in einer passiven Rolle. Viele Patienten schreiben daher bereits von sich aus dem Psychotherapeuten die aktive Expertenrolle zu. In der klassischen Verhaltenstherapie und Psychoanalyse wird jedoch von dieser Rollenauslegung abgewichen. Es ist geradezu das Ziel (auch im Sinne der Wirksamkeitsforschung), Patienten zu aktivieren. Es wird außerGrundannahmen zur Wirkungsweise von Ritualen

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dem nicht (mehr) nach einer richtigen Intervention gesucht, auch die Überzeugung in eine wahre Diagnose und festgelegte Behandlung ist einem kooperativen Ko-Konstruktionsprozess gewichen. Auch aus systemischer Sicht ist die Feststellung einer Pathologie nicht wahr, sondern eine mehr oder weniger nützliche kommunikative Handlung. Ein System kann nicht krank sein, es erhält sich autonom aufrecht, damit es nicht zerfällt. Ein systemischer Therapeut hat nun die Aufgabe, diese Eigendynamik wertschätzend zu verstehen und angemessen Ungewöhnliches hinzuzufügen. Das bedeutet: Systemische Therapeuten betrachten Veränderung als etwas, was aus der Würdigung der bisherigen Lösungsversuche entspringt, und bleiben idealerweise gleichzeitig neugierig für das, was das System an Neuem gebrauchen kann. Für besonders wirksam wird eine Veränderung auf der Verhaltens- und der Kommunikationsebene gehalten. Veränderungen auf dieser Ebene haben besonders große Auswirkungen in Systemen, weil sie von allen Beteiligten wahrgenommen werden können. Eine musterunterbrechende Wirkung wird durch verschiedene Interventionen angeregt: ȤȤ durch eine neuartige Bewertung  – meistens etwas Positives, manchmal auch etwas Negatives, was bisher noch nicht gesagt wurde, wie ein Wunsch, eine Sehnsucht, ȤȤ durch ungewöhnliche Fragen, ȤȤ durch eine Anregung zu einer Verhaltensänderung (anstatt anderer Reaktionen), ȤȤ durch das Ansprechen und Erlauben anderer (primärer) Gefühle (hinter sogenannten sekundären Gefühlen – zum Beispiel Zorn statt Traurigkeit oder Sarkasmus statt Schmerz und Angst). ȤȤ dadurch, dass etwas ausprobiert werden soll, zum Beispiel, was passiert, wenn man nichts mehr tut (vor allem, um aus dem gewohnten Reden und Denken herauszukommen). Rituale und Spiritualität: ein erweiternder Rahmen für Veränderungsprozesse Wir gehen davon aus, dass vor allem folgende Punkte für die Gestaltung einer wirksamen therapeutischen Beziehung und Haltung wichtig sind: ȤȤ eine wertschätzende und respektvolle Zusammenarbeit, 66

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ȤȤ eine gelingende Ankoppelung an vorhandene Kompetenzen und Vorstellungen, ȤȤ positive Erlebnisse, ȤȤ Aktivierung, ȤȤ hilfreich erlebte neue Sichtweisen, ȤȤ eine Hoffnung verleihende Perspektive, ȤȤ Impulse für eine andere Herangehensweise an die Probleme und beteiligten Emotionen. Das Hinzuziehen und Berücksichtigen spiritueller Aspekte kann hilfreich sein, wenn sie dazu beitragen, Vertrauen in sich und die Welt wiederzufinden, Hoffnung für die Lebensbewältigung fördern und etwas für die Sinnfindung beisteuern. Spiritualität kann helfen, Ressourcen besser zu nutzen und den Fokus auf Bewusstseinsprozesse, auf Achtsamkeitsförderung, auf Werte- und Sinnfragen, auf einen Blick für das größere Ganze und das Verbindende auszuweiten. Insofern ist Spiritualität manchmal eine wertvolle, ja wesentliche Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten, einen passenden, hilfreichen Rahmen für Erwartungen und Veränderungen zu kreieren. Das, was Psychotherapeuten beisteuern und wie sie den therapeutischen Prozess und die therapeutische Beziehung (Welter-Enderlin u. Hildenbrand, 1998) emotional rahmen, entspricht unseres Erachtens einem wertschätzenden Anregen und einer Einladung. Diese können beim Hilfesuchenden eine von Hoffnung getragene Aktivierung, ein Vertrauen in eigene Kompetenzen und Entwicklungspotenziale sowie eine Akzeptanz gegenüber Lebensabläufen und ihre Eingebundenheit bewirken. Das Wecken und Stärken von förderlichen Einstellungen und Herangehensweisen wirken auf viele innerpsychische Kräfte, die zur Selbstorganisation, Selbstaktualisierung und Selbstwirksamkeitserfahrung beitragen. Im Folgenden wollen wir einige angestrebte und hilfreiche Fähigkeiten und Zustände beschreiben: ȤȤ Inspiration verdanken wir Eingebungen, wie einem unerwarteten Einfall oder einem kreativen Impuls. Es fasziniert uns Menschen, wenn intuitiv Entscheidungen klar werden, wenn sich unsere vorherigen Sichtweisen ändern, ohne dass wir richtig erklären können, wie wir zu den Entscheidungen und veränderten Sichtweisen Grundannahmen zur Wirkungsweise von Ritualen

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gekommen sind. Wenn Menschen auf ihre intuitiven Fähigkeiten vertrauen können, fühlen sie sich sicherer und kompetenter in ihrer Lebensbewältigung. ȤȤ In einer Meditation wird ein ruhiger Selbstbezug gesucht. In vielen Religionen und Kulturen gehört sie zur spirituellen Praxis. Durch Achtsamkeits- oder Konzentrationsübungen soll sich der Geist beruhigen und sammeln. Die angestrebten Bewusstseinszustände werden als bewusstseinserweiternde Erfahrung erlebt und dann mit Begriffen wie Stille, Leere, Panorama-Bewusstheit, Einssein, als Im-Hier-und-Jetzt-Sein oder Frei-von-GedankenSein beschrieben. Durch Meditationstechniken wird ein vom Alltagsbewusstsein unterschiedener Bewusstseinszustand angestrebt, in dem das gegenwärtige Erleben im Vordergrund steht, frei von gewohntem Denken, vor allem von Bewertungen und von der subjektiven Bedeutung der Vergangenheit (Erinnerungen) und der Zukunft (Pläne, Ängste usw.). ȤȤ Trance ist der Begriff für einen wachen, aber schlafähnlichen und konzentrierten Bewusstseinszustand, bei dem eine Person sich intensiv mit einer Thematik im Kontakt befindet. Die Trance ist keine ins Weite gehende, panoramaartige Achtsamkeit, sondern eine fokussierte und begrenzte Aufmerksamkeit. Die verstärkte Fokussierung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte des Erlebens ist bei den verschiedenen Trance-Praktiken mit einer unterschiedlich stark herabgesetzten Wachheit verbunden. Insbesondere der hypnotherapeutische Ansatz nutzt, dass die Informationsverarbeitung in diesem Zustand anders verläuft. Es sollen auch die Bestandteile des psychischen Geschehens genutzt werden, die nicht mitteilbares und nicht explizites Wissen darstellen. ȤȤ Flow ist ein Begriff für einen Zustand der völligen Vertiefung und des vollständigen Aufgehens in einer Tätigkeit. Flow ist eine Form von Glück, auf die man Einfluss hat. Der Wille ist zentriert und konzentriert, ohne dass etwas erzwungen werden soll. Aufmerksamkeit, Motivation und die Umgebung kommen harmonisch zusammen. Um einen Flow zu erleben, muss einem die Tätigkeit gefallen und sollte die Anforderung so hoch sein, dass sie die volle Konzentration erfordert. Sie darf jedoch nicht so hoch sein, dass man überfordert ist, damit Mühelosigkeit erlebt wird. 68

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ȤȤ Intuition umschreibt die Fähigkeit, Einsichten und eine subjektive Stimmigkeit von Entscheidungen zu entwickeln, ohne viel darüber nachzudenken. Intuition ist eine menschliche Kompetenz, die Informationsverarbeitung bei großer Komplexität ermöglicht. ȤȤ Kreativität ist eine Eigenschaft, die die Plastizität des Gehirns beschreibt. Das Gehirn organisiert sich während eines ständigen kreativen Austausches mit der Umwelt selbst. Kreativität entwickelt sich in einem Zusammenspiel von Begabungen, Wissen, Können, Motivation, Persönlichkeitseigenschaften und unterstützenden Umgebungsbedingungen. Für Kreativität ist flüssiges Denken und Assoziationsfreude sowie die Fähigkeit zum Perspektivwechsel und zur Grenzüberschreitung prägend. Kreative Menschen akzeptieren auch unfertige Entwürfe und haben eine höhere Akzeptanz für mehrdeutige Situationen. Sie halten verwickelte, widersprüchliche und unsichere Situation besser aus, wodurch sie an deren Bewältigung arbeiten können. Kreative Menschen werden von Ambivalenz, Widersprüchen, Unklarheiten und Komplexität nicht eingeschüchtert, sondern stimuliert. Komplexität trägt dazu bei, das mehrdimensionale Denken zu entwickeln. ȤȤ Selbstheilungskräfte werden in vielen Studien belegt. Der Körper entwickelt oft abweichend von medizinischen Lehrmeinungen auch ohne Behandlung positive Veränderung. Diese Selbstheilungskräfte werden offenbar durch psychische Faktoren beeinflusst. ȤȤ Placebo-Effekte sind positive Veränderungen des subjektiven Befindens und von objektiv messbaren körperlichen Funktionen, die der symbolischen Bedeutung einer Behandlung zugeschrieben werden. Die Placebo-Antwort beschreibt eine individuelle Reaktion auf eine Behandlung, die aufgrund von psychosozialen Faktoren, wie Suggestion/Erwartungshaltung und Konditionierung ausgelöst wird. ȤȤ Die Begriffe Seele (Psyche) und Unbewusstes gründen auf der Problematik, menschliches Verhalten und das Sein in seiner Gesamtheit kaum erfassen zu können. Beide Ausdrücke erweitern somit den Bereich des schwer Beschreibbaren. Seele beschreibt ein zusammenhängendes Wirken, von dem angeGrundannahmen zur Wirkungsweise von Ritualen

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nommen wird, dass es ordnet und auch körperliche Vorgänge herbeiführt oder beeinflusst. Darüber hinaus kann Seele auch ein immaterielles Prinzip beschreiben, das als Träger des Lebens eines Individuums und seiner durch die Zeit hindurch beständigen Identität aufgefasst wird. Oft ist damit die Annahme verbunden, die Seele existiere vom Körper unabhängig und sei auch vom physischen Tod nicht betroffen. Mit dem Begriff des Unbewussten ist die Auffassung von einer Seele insofern eng verbunden, indem beide Auffassungen davon ausgehen, dass es mehr als das gibt, was uns bewusst zugänglich ist. In allen Gebieten der Psychotherapie und Beratung ist es von großer Bedeutung, welche Einstellung zur Existenz, Transzendenz, Verbundenheit und zeitlichen Begrenztheit Menschen haben. Die Vorstellungen einer Überschreitung unserer realen Grenzen und einer sinnhaften Verknüpfung mit Hintergründigem wirken sich oft positiv auf Bewältigungsverhalten aus. Allerdings werden sie im ungünstigen Fall auch als Schuld und Begrenzung der Selbstverantwortung aufgefasst. Da Menschen nur innerhalb der eigenen Subjektivität ihre Existenz reflektieren können, erscheint uns eine Begleitung (»Beisteuerung«) solcher Suchprozesse sinnvoll und verantwortlich, wenn sie Nutzen und Konsequenzen mit reflektiert. Psychologische Untersuchungsergebnisse4 zur Wirkung von Intuition und Selbstheilung In vielen Studien werden die Wirksamkeit und der Nutzen auch sogenannter unbewusster, intuitiver Denkvorgänge belegt (siehe z. B. Dijksterhuis Studie, 2004). In Untersuchungen von Höchstleistungen zeigt sich, dass die bewusste, planerische Kontrolle zugunsten von automatisierten bzw. intuitiven Verarbeitungsverläufen eingeschränkt wird. Bei komplexen Bewegungsabläufen, zum Beispiel bei Hochleistungssportlern, wird die Hirnaktivität reduziert, im Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten werden so Kapazitäten gespart und für automatisierte bzw. schnelle Reaktionen freigesetzt. 4 Für ihre Hinweise und Recherche in Bezug auf die Befunde danken wir den Psychologie-Studenten Lukas und Moritz Bielefeld.

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Theoretische Perspektiven und Modelle

Bewältigungsstile haben bei Erkrankungen eine große Auswirkung auf den Verlauf, die Einordnung der Erkrankung sowie darauf, welche Bedeutung ihr gegeben wird. Brandstätter (1996) unterscheidet zwischen assimilativer und akkomodativer Bewältigung. Unter assimilativen Prozessen versteht er aktive Verhaltensweisen, die dazu dienen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, um angestrebte Ziele zu erreichen, zum Beispiel die aktive: ȤȤ Suche nach den Ursachen des Problems, ȤȤ Suche nach Lösungsoptionen, ȤȤ Aneignung neuer Fertigkeiten, ȤȤ Suche nach sozialer Unterstützung oder professioneller Hilfe. Assimilative Prozesse sind vor allem dann günstig, wenn eigene Kompetenzen und Ressourcen zur Problemlösung nützlich und ausreichend sind. Akkomodative Prozesse werden als Anpassung des Sollzustands an die aktuellen Bedingungen definiert, zum Beispiel durch die: ȤȤ Neuordnung von Prioritäten, ȤȤ Abwertung blockierter Ziele, ȤȤ Veränderung eigener Ansprüche, ȤȤ sinnstiftende Interpretation von Verlusten. Akkomodative Prozesse sind vor allem dann günstig, wenn keine effektiven Handlungsmöglichkeiten zur Situationskontrolle vorliegen. Untersuchungen haben belegt, dass erhöhte Werte auf den Skalen gedankliche Weiterbeschäftigung, Resignation und Selbstbeschuldigung mit einer Verstärkung der Stressbelastung assoziiert sind. In prospektiven Längsschnittstudien vor allem zu Brustkrebs hat sich eine positive Korrelation zwischen aktiver/kämpferischer Bewältigung (Fighting Spirit) und Überlebenszeit gezeigt. Prognostisch ungünstig seien Vermeidung, Verleugnung und sozialer Rückzug. Fighting Spirit und soziale Unterstützung sind beste Prädiktoren positiver Erkrankungsverläufe (Janke u. Erdmann, 1985). Sinnforschung beschäftigt sich mit dem Antrieb und den Möglichkeiten, Krisen durch Sinnstiftendes zu bewältigen. Ein Beispiel ist das Pilgern. Wenn in unserer beschleunigten Gesellschaft eine rituaGrundannahmen zur Wirkungsweise von Ritualen

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lisierte Auszeit benötigt wird, um sich neu zu besinnen, scheint das Pilgern hilfreich zu sein. Ein Weg, der die Wanderer meist wochenlang dem Alltag entreißt. Obwohl es sich um ein Jahrhunderte altes christliches Ritual handelt, ist die Motivation heute meist nicht explizit religiös. Die meisten Wanderer erhoffen sich Klärung. Der Weg bietet Zeit für Fragen, Begegnungen und tiefe Erfahrungen. Die Studie von Schnell und Pali (2013) belegt, dass das Pilgern zu einem beträchtlichen Anstieg der Sinnerfüllung und zur Lösung von Sinnkrisen beiträgt. Forschungen zum persönlichen Stil hinsichtlich Religiosität bzw. Spiritualität zeigen interessante Auswirkungen. Sogenannte existenziell indifferente Menschen (gleichmütige Haltung gegenüber dem eigenen Lebenssinn) weisen in Bezug auf alles, was dem Leben Bedeutung gibt, niedrigere Werte auf als sinnerfüllte Menschen. Das wurde besonders stark beobachtet im Hinblick auf: ȤȤ Generativität (Tun oder Erschaffen von Dingen mit bleibendem Wert), ȤȤ bewusstem Erleben (Achtsamkeit und Rituale), ȤȤ Harmonie (Ausgewogenheit und Gleichklang mit sich selbst und anderen), ȤȤ Entwicklung (Zielstrebigkeit und Wachstum). Und sie haben im Hinblick auf folgende Lebensaspekte sogar niedrigere Werte als Menschen in einer Sinnkrise: ȤȤ Selbsterkenntnis (Suche nach und Auseinandersetzung mit dem Selbst), ȤȤ Spiritualität (Orientierung an anderer Wirklichkeit und Schicksalsglaube), ȤȤ explizite Religiosität (persönliche Gottesbeziehung), ȤȤ Generativität (Tun oder Erschaffen von Dingen mit bleibendem Wert). Diese niedrigen Werte gehen mit einer geringen Motivation einher, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Existenziell Indifferente kennen ihre eigenen Stärken und Schwächen weniger als sinnerfüllte Menschen; ihnen liegt jedoch auch nichts daran, sich selbst zu überschreiten (Schnell, 2010). 72

Theoretische Perspektiven und Modelle

Schlussfolgerung: Das Nutzen von Ein- und Vorstellungen über innere Kräfte, Kompetenzen und die Einbeziehung von größeren Zusammenhängen und Sinnstiftendem können eine aktive Bewältigung des Lebens in sehr hohem Maße unterstützen.

Wichtige Begriffe und Bedeutungen aus einer spirituellen Sicht Spirituelle Sichtweisen auf das Leben nutzen psychische Prozesse, die unspezifisch auf die Überwindung von Problemen und Symptomen einwirken. Im Folgenden wollen wir einige wichtige, mit dieser Betrachtungsweise zusammenhängende Begriffe nennen und erläutern sowie Zusammenhänge zur traditionellen Psychotherapie ermöglichen, bevor wir dann zum praktischen Teil dieses Buches und damit in die Anwendung von Ritualen und Spiritualität in der Psychotherapie wechseln. Folgende Begriffe und Vorstellungen bilden aus spiritueller Perspektive den Hintergrund für die Überwindung von Problemen und Symptomen: ȤȤ Das Wort Achtsamkeit ist inzwischen fast ein Modewort in der psychosozialen Szene geworden. Aus spiritueller Sicht ist Achtsamkeit eine Hilfe, um mit sich selbst nachsichtiger zu sein und umzugehen. Die Übungen sind ein Weg, aus belastenden Gedanken und Bewertungen auszusteigen, Ruhe zu finden und Stress abzubauen. Es wird auf die bewusste Wahrnehmung des Momentes, und zwar sowohl mit den Gefühlen als auch mit den Gedanken und Körperempfindungen, fokussiert. Dadurch wird eine Bestandsaufnahme dieses Momentes (nahezu) ohne Wertungen, eine wertfreie Wahrnehmung ermöglicht. Die Wurzeln der Achtsamkeit liegen im Buddhismus. Mit ihrem buddhistischen Ursprung ist ein höheres Ziel verbunden: sich von der Hektik, der Schnelligkeit und den Tendenzen der Gedanken zu lösen, sich frei zu machen und eine entsprechende (achtsame) Haltung im Leben zu verwirklichen. Da es nicht um eine zu schaffende Leistung geht, ist die Praxis von Achtsamkeitsübungen vielmehr als das Zulassen einer besonderen Art der Wahrnehmung zu verstehen: Was tue ich gerade? Tue ich es mit Aufmerksamkeit und Wachheit? Bin ich noch gegenwärtig oder Wichtige Begriffe und Bedeutungen

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schon flüchtig mit Gedanken und Erwartungen beschäftigt? Rituale können hilfreich sein, dieses bewusste Wahrnehmen zu fördern. ȤȤ Nach der Einbindung der einzelnen Existenz in einem großen Bewusstsein oder nach dem großen Ganzen zu suchen, ist Teil spiritueller Praxis. Aus vielen alten Kulturen ist bekannt, dass sich Menschen mit der Erde, dem Himmel, dem gesamten Universum verbunden fühlen konnten. Dass sie eine energetische Wechselwirkung zwischen Tieren, Pflanzen, Mineralien und Menschen annahmen. Dieser Glaube ist in erster Linie ein Menschen (auch in rituellen Zeremonien) verbindendes Konzept. Ob es eine sinnliche Erfahrung werden kann oder nur ein Gedanke bleibt, ist vom Zugang des einzelnen Menschen abhängig. »Wissenschaft kann die letzten Rätsel der Natur nicht lösen. Sie kann es deswegen nicht, weil wir selbst ein Teil der Natur und damit auch ein Teil des Rätsels sind, das wir lösen wollen« (Max Planck, zit. nach Braden, 2009, S. 31). Menschen sind auf unterschiedlichen Feldern (Wissenschaft, Poesie, Religion, Traditionen …) auf der Suche nach einem reinen Bewusstsein gewesen, nach einer Art Urgrund der Wahrnehmung, der andere Zusammenhänge erkennbar macht. Die Veden sprechen zum Beispiel von einem vereinten Feld des reinen Bewusstseins, das die gesamte Schöpfung umhüllt und durchdringt (Braden, 2009). »Es ist alles, was ist – das Gefäß aller Erfahrungen und die Erfahrung selbst. Das Tao gilt als vollkommen, wie die große Leere, ohne Mangel, ohne Überfluss«, heißt es im HsinHsin Ming aus dem 6. Jahrhundert (zit. n. Braden, 2009, S. 18 f.). Sich diese Eingebundenheit bewusst zu machen, kann sich sehr positiv auswirken: Gelassenheit, Energie, Vertrauen, Verantwortungsgefühl und Sinnerfahrung werden beeinflusst. ȤȤ An ein Schicksal zu glauben, sich einem Schicksal zu fügen, kann in vielen existenziellen Erfahrungen bei der Bewältigung von Krisen helfen. Was der Entscheidungsfreiheit von Menschen entzogen ist, kann als vorherbestimmt aufgefasst werden: Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Diese Auffassung steht meist einer aktiveren Sicht (das Schicksal in die eigenen Hände nehmen) gegenüber. Eine Ergebenheit kann einen Menschen davor bewahren, 74

Theoretische Perspektiven und Modelle

Vorkommnisse als kausal mit dem eigenen Handeln verknüpft zu begreifen. Eine derartige Einstellung betont die Unausweichlichkeit der Realität, kann aber auch zu einer fatalistischen Haltung führen, die einen nicht mehr nach Selbstbestimmung und Veränderung streben lässt. Insofern ist therapeutisch abzuwägen, ob eine Schicksalsgläubigkeit hilfreich und von positivem Nutzen ist. Meist ist es sinnvoll, diejenigen Ereignisse akzeptieren zu helfen, die nicht zu ändern sind, und gleichzeitig nach Bedeutungen für die weitere individuelle Gestaltung der Folgen zu suchen. Akzeptieren zu lernen, kann zudem als eine aktive Bewältigung erlebt werden, die aus der Ohnmacht heraushilft und einen aktiven Umgang ermöglicht. ȤȤ Karma bedeutet die Auffassung, dass alle Handlungen und Gedanken Folgen und für das weitere Existieren der Seele über das konkrete Leben hinaus Bedeutung haben. Dies geschieht nicht direkt als Strafe oder Gnade, sondern im Sinne einer Aufgabe. Auch hierbei erscheint es wichtig, als Therapeut auf deterministische Verkürzungen, meist im Sinne von Schuldattribuierungen und Straferwartungen, einzugehen. ȤȤ Aus therapeutischer Sicht ist der Gottesbegriff ein nutzbarer Bezugsrahmen und Akteur auf der inneren spirituellen Bühne. Die Auffassung von Gott beeinflusst die individuell vorgenommenen Bewertungen und relativiert die negativen Erwartungen. Der Mensch als begrenztes Wesen kann nach christlicher Vorstellung Gott und dessen Freiheit in Bezug auf Grenzen und Dimensionen nicht wie andere Dinge begreifen. Zudem wird er zumeist nicht als kausaler Verursacher von Leid betrachtet, sondern als tröstender Halt angesichts der Schwierigkeiten, die zum Leben gehören. Moderne Biophilosophen untersuchen die Anteile von Kultur und Ökologie bei der Entstehung der Religionen. Botero et al. (2014) haben dargelegt, dass Menschen an strengere Götter glaubten und glauben, wenn die Umweltbedingungen hart sind; weitere Faktoren sind: politisch komplexe, hierarchische Gesellschaften, knappe Verfügbarkeit von Ressourcen, unberechenbare klimatische Verhältnisse usw. Die soziale Funktion des Gottesglaubens in Hinsicht auf das Befolgen von Regeln und auf die Kooperation begünstigte Erfolge bei Landwirtschaft und TierWichtige Begriffe und Bedeutungen

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haltung und schaffte somit Vorteile. Uns ist wichtig, auch auf die Interessen von Mächtigen am Stabilisieren von Strukturen und von sozialen Stellungen hinzuweisen. Religion muss man insofern auch ein großes Potenzial nachsagen, mit dem Menschen manipuliert wurden und sich manipulieren ließen. ȤȤ Engel und Schutzkräfte sind für gläubige Menschen Verbindungen zu und Boten von Gott. In sie wird Vertrauen gesetzt, sie geben Orientierung und können helfen, sich wieder aufzurichten, wenn die eigene Kraft nicht mehr auszureichen scheint. Sie können die konstruktiven Anteile fördern und dabei beistehen, nach anderen Lösungen zu suchen, als sie der derzeitige Zustand ohne Unterstützung erlaubt. ȤȤ Energie ist eine fundamentale physikalische Größe. Sie wird als Wirken und Kraft beschrieben. Spirituell ist Energie eine Auffassung über Verbundenheit und Aufgehobensein. Es kann tröstlich sein, sich nicht nur emotional mit einem Verstorbenen verbunden zu fühlen, sondern auch energetisch. Die Betrachtung unserer Lebensform als eine zeitlich befristete Materialisierung, die aus überdauernder Energie besteht, kann Menschen Sinn und Trost geben. Es ist die sogenannte transpersonale Psychologie, die sich mit Erfahrungen, die die personale Wahrnehmung überschreiten, beschäftigt.

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Theoretische Perspektiven und Modelle

Praktische Anwendung

Allgemeine Hinweise zur Durchführung der Rituale und Übungen In diesem Buch wollen wir professionellen Helfern bzw. Psychotherapeuten konkrete Anregungen für ihre Arbeit geben. Die Ritualbeispiele und spirituellen Vorstellungen, die wir hier im praktischen Teil vorstellen, können das Repertoire in der Psychotherapie sinnvoll erweitern. Sie können alle Übungen und Rituale downloaden und separat ausdrucken.5 Vorweg sei noch einmal betont: Rituale müssen passen! Sie dürfen und können angepasst werden. Manchmal müssen Worte, Orte, Verfahren für das persönliche Glaubenssystem verändert werden. Selbstnutzer möchten wir darauf hinweisen, dass wir generell empfehlen, die Rituale als Ablaufmuster oder Textvorschlag erst einmal eine Zeitlang auf sich wirken zu lassen. Manches muss erst überprüft werden, diese Vorarbeit ist als eine Art Bahnung für mögliche und gewünschte Effekte aufzufassen. Des Weiteren legen wir nahe, mit vertrauten Personen über kritische Punkte in unseren Vorschlägen zu sprechen. Manche der genannten Rituale sind nicht für Menschen mit Gewalterfahrungen geeignet. Hier raten wir zur engen Zusammenarbeit mit einem Therapeuten, um sich im Austausch eine Rückmeldung zu holen bzw. besser zu verstehen, worum es bei der Anpassung des Rituals an die eigenen Bedürfnisse geht. Die Durchführung eines Rituals setzt ein relativ hohes Maß an Motivation voraus. Es kann sein, dass zuvor andere Schritte nötig sind.

5 www.v-r.de/rituale-und-spiritualitaet Code: gDyzKgaJ

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Wenn man sich mit den Wirkungsmöglichkeiten von therapeutischen Ritualen auseinandersetzt, dann kann man mehrere Einsatzgebiete unterscheiden: ȤȤ Energiebereitstellung, ȤȤ Unterbrechen von hinderlichen inneren Prozessen, ȤȤ Finden einer hoffnungs- und sinnstiftenden Rahmengeschichte für den angestrebten Wandel, ȤȤ Vertrauen fördern in die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, ȤȤ Verbinden von Rationalität, kausalem Denken mit Imagination und Intuition, ȤȤ Beenden und Öffnen (Loslassen und Neubeginn). An diesen Einsatzgebieten orientiert haben wir zu häufigen Themen bzw. Anwendungsgebieten Rituale gesammelt und weiterentwickelt, die wir im Folgenden darstellen. Auf ähnliche Vorgehensweisen oder vertiefende Literatur verweisen wir. Die Entwicklung von therapeutischen Ritualen findet im besten Fall als kreativer, gemeinsamer Prozess in der Therapie statt. Intuition ist unerlässlich, allerdings gibt es auch einige hilfreiche Vorschläge: ȤȤ Zentrale, symbolische Wörter oder Gegenstände, die eine Veränderung von Überzeugungen, Beziehungen oder der Bedeutung von Ereignissen ermöglichen, sind einzubauen; ȤȤ verwendete Symbole müssen zum Klienten passen (entweder von ihm selbst ausgewählt oder durch den Therapeuten sorgfältig vorgeschlagen), Symbole können auch dem Sprachgebrauch des Klienten entstammen; ȤȤ ein Ritual sollte sowohl Raum für Improvisation und Spontaneität lassen (offen sein) als sich auch zur Strukturgebung eignen (geschlossen sein); ȤȤ Zeit und Raum für ein Ritual sind zu klären und zu gestalten (wann das Ritual durchgeführt werden soll und wo es stattfindet); ȤȤ die Erfahrung mit dem Ritual soll sich vom Gewohnten und Alltäglichen unterscheiden – das kann ein Gefühl von Freiheit vermitteln und die Erlaubnis geben, anders zu denken oder zu handeln.

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Praktische Anwendung

Hinweise für Psychotherapeuten Die folgenden Übungen sind nur teilweise reine Rituale. Sie enthalten zudem Elemente wie Aufgaben, Konzentrations-, Entspannungsmethoden, Imaginationen, Körperübungen und Affirmationen. Damit sie zu Ritualen werden, unterstützen Sie bitte Ihre Patienten darin, eine entsprechende Rahmung zu schaffen, wenn sie die Übungen allein durchführen (Zeit, Ort, Ein-Stimmung, neugierig-entspannte Haltung, Wiederholung). Wenn Sie die Übung in Ihrer Praxis durchführen wollen, können Sie dies ähnlich handhaben. Die Rituale an sich sind oft nur gute Ideen, eine erhoffte Wirkung können sie erst entfalten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Fragen Sie nach, ob Sie Ihren Klienten mit seinem Leid und mit seiner Suche richtig verstehen. Erklären Sie, warum Ihnen das Ritual eingefallen ist. Machen Sie es als Vorschlag. Beschreiben Sie die Durchführung, damit sich der Klient sicher entscheiden kann. Überprüfen Sie, ob die Worte, die Richtung, die Vorstellung passen. Suchen Sie nach der passenden Form. Lassen Sie dem Klienten dafür und für eventuelle Vorbereitungen Zeit. Planen Sie gemeinsam die Durchführung: Welche Teile sollen innerhalb der Therapiesitzungen, welche außerhalb stattfinden? Welche Art der Unterstützung wäre gut? (Sitzposition; Vorbereitungen, die Sicherheit geben; Erreichbarkeit nach der Durchführung und Ähnliches). Auswertung: Lassen Sie sich die ausgelösten Emotionen und Gedanken schildern. Halten Sie sich bitte mit Wertungen und Deutungen zunächst zurück. Fragen Sie nach der Bedeutung für den Klienten. Oft ist es wichtig, diese Erfahrung erst einmal stehen und wirken zu lassen. Wenn der Klient unbefriedigende Erlebnisse schildert, überprüfen Sie mit ihm vorsichtig, inwiefern seine Bewertungen zu einem alten Muster gehören. Manchmal ist es auch hilfreich, darauf hinzuweisen, dass jede Entwicklung auch so etwas wie den richtigen Zeitpunkt braucht. Was könnte dazu noch fehlen? Was bedeutet dann diese Lernerfahrung? Würde eine Wiederholung helfen?

Allgemeine Hinweise zur Durchführung der Rituale und Übungen

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Hinweise für Klienten bzw. Patienten Machen Sie ein Ritual aus der Übung! Sorgen Sie also dafür, dass das, was Sie für sich tun, sich deutlich von Ihrem Alltag abhebt, eine besondere Zeit für Sie wird, dass Sie sich an einem Ort aufhalten, der angenehm ist, und dass Sie ungestört bleiben (Zeichen und Verabredung mit der Familie; Telefon abschalten usw.). Als Einleitung jeder Übung hat sich eine Einstimmung bzw. eine kurze Entspannung als hilfreich und unterstützend erwiesen: der Blick in die Weite mit einigen tiefen Atemzügen, das achtsame Anzünden einer Kerze, der bewusste Genuss einer Tasse Tee oder eine kleine Entspannungsübung fördern eine mentale Offenheit und Bewusstheit. Wir werden den vorgeschlagenen Ritualen einige Beispiele für solche Einstimmungen hinzufügen, die jeweils auf die anderen Rituale übertragbar sind (siehe Seite 81, 87, 91). Anhand der vier Symbole sind diejenigen Rituale zu erkennen, die von den vier aufgeführten spirituellen Hauptströmungen/Heilansätzen und Verfahren beeinflusst und ihnen zuzuordnen sind:

Rituale, die der buddhistischen Psychologie entstammen  ituale, die unterschiedlichen spirituell orientierten Sichtweisen R und Praktiken entstammen Rituale, die dem Schamanismus entstammen Rituale, die der hawaiianischen Lehre (Huna) entstammen Bitte berücksichtigen Sie, dass Sie sich vermutlich in einer komplexen inneren Verfassung befinden. Sorgen Sie dafür, dass Sie nicht allein bleiben mit Ihren Gedanken und Gefühlen! Wir wollen ein paar Anregungen geben, die die Anwendung leichter und für Sie passender machen können: ȤȤ Fokussieren Sie sich auf Ihr Ziel: Was möchte ich erreichen? Was suche ich? ȤȤ Lesen Sie das vom Therapeuten vorgeschlagene oder ausgesuchte Ritual und lassen Sie es wirken. Passen die verwendeten Worte? Haben Sie andere? 80

Praktische Anwendung

ȤȤ Welche Emotionen und Gedanken löst die Beschäftigung mit dem Ziel und dem Ritual bei Ihnen aus? Fühlen Sie sich vorbereitet, bereit, diesen Schritt zu gehen? ȤȤ Wäre es gut, einen Begleiter oder Zeugen dabei zu haben? ȤȤ Sie können die Texte der Vorstellungsübungen auf einen Tonträger aufnehmen und sich vorspielen, damit Sie sich in dem Ablauf des Rituals/der Übung dann ganz auf die Durchführung einlassen können. ȤȤ Gestalten Sie bitte eine stimmungsvolle, geschützte Situation (Zeit für Sie selbst) und Zeremonie; stimmen Sie sich darauf ein, dass Sie die Wirkung nicht machen, sondern dass etwas kommen und passieren wird. Lassen Sie sich Zeit mit der Bewertung und Einordnung des Erlebnisses, häufig sind die Wendungen nicht vorhersehbar und wir ordnen sie leicht in einer alten, gewohnten Weise ein. Einführende Einstimmung und Entspannung als Beginn des Rituals Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung, schließen Sie die Augen und erlauben Sie Ihrem Körper, sich zu entspannen und wohlzufühlen. Gehen Sie zurück zu Ihrem Atem und stellen Sie sich beim Einatmen vor, etwas vom Himmel mit einzuatmen, was erfrischend, wohltuend, weitend ist. Schicken Sie Ihren Atem durch Ihren Körper in jede Zelle und füllen Sie ihn mit diesen Qualitäten. Beim Ausatmen stellen Sie sich vor, alles Alte, Verbrauchte, alle Anstrengungen, alles, was Sie nicht mehr benötigen, auszuatmen und loszulassen, lassen Sie sich dafür so viel Zeit, wie Sie benötigen und gut für Sie ist.

Allgemeine Hinweise zur Durchführung der Rituale und Übungen

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Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie Die Rituale und Übungen für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie, die wir in diesem Kapitel zusammengestellt haben, sind folgenden Anwendungsgebieten zugeordnet: Selbstzuwendung (Achtsamkeit) und Selbstentwicklung, Stabilisierung und Selbstzentrierung, Abgrenzung und Schutz, Stärke aus der Herkunftsfamilie, Musterunterbrechung und Musteränderung, Verletzung und Kränkung, andauernde Schuldgefühle, Angstbewältigung, Ambivalenz und Entscheidungsprobleme, hartnäckige (psycho-)somatische Beschwerden, Abschied, Verlust, Trennung und Tod versus Loslassen und Neubeginn. Rituale sowie Übungen für die Selbstzuwendung (Achtsamkeit) und Selbstentwicklung (sich auf sich einlassen) Die folgenden Rituale leben davon, dass Sie einen wohltuenden Rahmen für sie schaffen: Zeit für sich! Der Ort sollte angenehm sein, die Zeit frei und ungestört sein, vielleicht gefällt es Ihnen, leise Musik während des jeweiligen Rituals zu hören, eine Kerze anzuzünden, sich in die Sonne zu setzen, angenehme Kleidung zu tragen, sich zuzudecken … Oft ist es hilfreich, ein Ritual regelmäßig und nach gleichem, bewährtem Ablauf zu wiederholen. In den Ritualen dieses Kapitels finden Sie Ansätze wieder, die wir im theoretischen Teil unter der Frage »Wozu Spiritualität in Psychotherapien?« und im Kapitel zu den Auffassungen zur Spiritualität dargestellt haben. Es sind vor allem Achtsamkeits-, Imaginationsund an die sogenannte Positive Psychologie angelehnte Übungen. Die Übungsanleitungen können Sie, wie bereits erwähnt wurde, wenn Sie wollen, auch aufnehmen (das heißt, während Sie sie laut lesen, auf einen Tonträger aufzeichnen) und der Wiedergabe dessen, was sie aufgenommen haben, dann einfach zuhören, während Sie die Übung/das Ritual wiederholt ausüben.

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Praktische Anwendung

Vorbereitende Übung (als Einstimmung für fast alle Rituale empfohlen) Um mit seinem Selbst gut in Kontakt zu kommen, ist es hilfreich, sich entsprechend einzustimmen und einzuladen. Die im Laufe dieser Vorübung eintretende Ruhe, Sammlung und Entspannung sind eine gute Vorbereitung für ein nachfolgendes Ritual bzw. eine nachfolgende Übung. Anleitung

Bitte sorgen Sie für eine ungestörte Zeit an einem angenehmen Ort (ca. 20 Minuten). Setzen oder legen Sie sich bequem hin – wenn es Ihnen gut tut, dann schließen Sie bitte Ihre Augen. Wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit in den nächsten Minuten Ihrem Körper zu. Nehmen Sie Ablenkungen, Gedanken, Geräusche möglichst nur wahr, beschäftigen Sie sich nicht mit ihnen und kehren Sie sofort wieder zur Wahrnehmung Ihres Körpers zurück. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit für ein paar Minuten wie das Licht einer Taschenlampe (oder das der Sonne) auf Ihren Körper, und zwar zunächst auf Ihre Füße. Nehmen Sie genau wahr, was sie in Ihren Füßen spüren: Wärme, Kälte, Kribbeln, den Druck durch das Aufliegen auf der Unterlage – möglichst ohne diese Empfindungen zu bewerten. Wandern Sie mit Ihrer Wahrnehmung nun langsam Körperteil für Körperteil Ihren Körper hinauf, bis zu ihren Schultern und weiter bis zu Ihrem Kopf. Nehmen Sie sich dafür etwas Zeit, ganz Ihrem Tempo entsprechend.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Ein Weg nach innen Anleitung Stellen Sie sich vor, dass es einen weisen Menschen gäbe, der die Fähigkeiten hätte, Ihnen weiterzuhelfen, ob bei Ihren Fragen oder Problemen oder einfach, indem er weiß, was in dieser Phase Ihres Lebens für Sie wichtig ist. Um mit diesem Menschen in Kontakt zu kommen, würden Sie sicher einiges auf sich nehmen, richtig? Jetzt können Sie es sich leichter machen. Denn dieser weise Mensch ist ein Teil von Ihnen. Dieser Teil weiß, um was es für Sie geht, auch wenn Sie manchmal daran zweifeln. Sie können sich nun auf eine innere Reise zu diesem Teil von Ihnen begeben. Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, wie diese innere Reise aussieht: Betreten Sie Treppen oder durchschreiten Sie ein Tor, eine Landschaft oder eine Stadt? Nehmen Sie Ihre erste Fantasie und Eingebung und folgen ihr, bis Sie zu dieser inneren weisen Instanz kommen. Lassen Sie sich davon überraschen, wie Sie erscheint und in welcher Gestalt. Sie haben nun drei Fragen frei (auch falls dieses Mal keine Begegnung möglich ist). Welche Fragen möchten Sie stellen? Vielleicht kommen auch Antworten, vielleicht ist die Zeit dafür aber auch noch nicht reif. Kommen Sie nun in Ihrem Tempo aus dieser Imagination wieder zurück, indem Sie sich sanft strecken und dehnen, allmählich wieder wahrnehmen, was um sie herum ist und vor sich geht, die Augen wieder öffnen. Auswertung

Was und wer ist Ihnen begegnet? Wo? Vielleicht möchten Sie die Szene malen oder aufschreiben. Welche Fragen tauchten auf? Welche Antworten gab es? Lassen Sie die Antworten und die Fragen wirken? Welche Dinge und Bedeutungen fallen Ihnen jetzt dazu ein? Das ruhige Schreiben kann helfen, dass Ihnen mehr einfällt als beim angestrengten Nachdenken – auch wenn Sie später noch einmal daran gehen.

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Praktische Anwendung

Quelle/Literatur Assagioli, R. (2004). Handbuch der Psychosynthese. Zürich: Nawo. – Roberto Assagioli entwickelte die sogenannte Psychosynthese. Grün, A., Robben, M.-M. (2001). Finde Deine Lebensspur. Freiburg: Herder. S. 79 f.

Wellen Anleitung Bitte machen Sie sich bewusst, dass Sie sich jetzt Zeit für sich nehmen. Nehmen Sie wahr, an welchem Ort Sie sich befinden, und vielleicht beginnen Sie bereits zu genießen. Schließen Sie, wenn möglich, die Augen und lenken Sie ihre Aufmerksamkeit sanft auf Ihren Körper. Suchen Sie nun den Punkt in Ihrem Körper, an dem Sie sich gerade am wohlsten fühlen. Das kann auch ein überraschender Körperteil sein. Nehmen Sie nun wahr, wie sich das Wohlfühlen an diesem Punkt ausdrückt. Was spüren Sie dort genau? Folgen Sie nun mit Ihrer Aufmerksamkeit Ihrem Atem. Achten Sie darauf, dass Sie ihrem Atem einfach folgen können, dass er einund ausströmt, ohne dass Sie etwas kontrollieren oder steuern müssen. Ihr Körper nimmt Ihnen das ab. Achten Sie auf den Rhythmus des Atems, folgen Sie Ihrer Intuition und vergleichen Sie ihn mit anderen Rhythmen, vielleicht dem des Meeres, vielleicht fällt Ihnen auch etwas anderes ein … Welche Bilder kommen? Lassen Sie sie auf sich wirken. Machen Sie nun fünf bewusste, tiefe Atemzüge und kommen Sie mit jedem wieder mehr in Ihrer Umgebung an. Öffnen Sie dann Ihre Augen und seien Sie wieder ganz wach. Auswertung

Wie war das? Was habe ich empfunden? Was für Bilder hatte ich? Was könnte das bedeuten für mich? Kann ich daraus etwas lernen?

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Stärkendes nutzen Rituale haben eine große Bedeutung für die Vergegenwärtigung von Ereignissen aus unserer Vergangenheit, die für uns von Bedeutung sind und mit denen wir uns immer wieder verbinden wollen, damit sie positiv in unsere weitere Geschichte, in unsere Zukunft hineinwirken. Anleitung

Welche Ereignisse und Erlebnisse fallen Ihnen ein, wenn Sie sich fragen, was Sie gestärkt hat? Welche Personen, welche Tiere? Konzentrieren Sie sich auf ein Ereignis, ein Erlebnis, eine Person oder ein Tier. Lässt sich dieses Ereignis, Erlebnis, diese Person, dieses Tier mit einem Symbol verbinden? Haben Sie Fotos davon? Ein Foto, das Sie besonders anspricht? Nehmen Sie sich jeden Tag etwas Zeit an einem Ort, den Sie sich vorgeben, um das Symbol/Bild zu betrachten und sich zu erinnern. Nehmen Sie Ihre Gefühle und Empfindungen dabei wahr. Bewahren Sie das Angenehme davon in sich auf. Quelle/Literatur Brentrup, M., Geupel, B. (2014). Familien – Leben – Stärken. Aus Erziehung Beziehung werden lassen. Impulse für eine beziehungsorientierte Familienkultur. Dortmund: Borgmann Media.

Eine gute Tat für mich pro Tag In alltäglichen Ritualen sind wir alle gewohnt, Dinge und Abläufe zu strukturieren. Im Sinne einer aktiven Selbstfürsorge kann eine aktive Herangehensweise gefördert werden, indem eine gute Tat/ gute Taten empfohlen wird/werden. Anleitung

Das Vorgehen kann so gestaltet werden: ȤȤ Sammlung von Einfällen zu einer guten Tat, ȤȤ ergänzende Ideen vom Therapeuten und von Freunden, ȤȤ Aufschreiben auf einer Liste, mit der Aufgabe, diese weiterzuführen, ȤȤ an gute Vorbilder denken. 90

Praktische Anwendung

Führen Sie zunächst eine gute Tat pro Woche durch, dann für einen festgelegten Zeitraum, zum Beispiel zwei Wochen lang jeden Tag, Protokoll der Erlebnisse und Beobachtungen. Protokollieren Sie die Durchführung der guten Tat, indem Sie über Ihre Erlebnisse, Beobachtungen und Probleme berichten. Quelle/Literatur Geupel, B. (mündliche Mitteilung).

Bild vom eigenen Selbst (der eigenen Seele) Entspannungsübung zur Einstimmung Zur Vorbereitung kann folgende Atemübung im Sitzen oder im Liegen durchgeführt werden: Mit dem Atem ein gutes Gefühl im Körper sich ausbreiten lassen; mit der Einatmung breitet sich dieses Gefühl immer mehr aus, mit der Ausatmung weicht die Anspannung. Anleitung

Stellen Sie sich folgende Fragen: ȤȤ Welche Vorstellung vom eigenen Selbst haben Sie? Welches innere Bild vom Selbst entsteht in Ihnen, wenn Sie sich Ihr Selbst vorstellen sollen? ȤȤ Welche Empfindung ist mit diesem Bild, mit Ihrer Vorstellung vom Selbst verbunden? ȤȤ Wo im Körper wird das Selbst gefühlt? ȤȤ Kann das Selbst in Ihnen noch besser geschützt werden? Wie? ȤȤ Braucht es mehr Raum? Wie kann es den bekommen? ȤȤ Wie können Sie dem Selbst, das Sie sich vorstellen, gut tun? – Indem Sie sich Ihr Selbst wie eine Person vorstellen, können Sie sich damit beschäftigen, was Ihrem Selbst gut täte. Übernehmen Sie diese intuitiven Einfälle für Ihren Alltag. ȤȤ Welchen eigenen Namen geben Sie dem Selbst? Wenn Sie Ihrem Selbst einen Namen gegeben haben, können Sie sich vorübergehend verabschieden. Malen Sie nun ein Bild zu Ihrem Selbst. Entwickeln Sie eine Idee, wie Sie sich mit dem Selbst regelmäßig verabreden können. Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Auswertung

Was hat die Übung ausgelöst? Was hat sich während der Übung verändert? Hat sich das Bild, das Sie vom Selbst haben, während der/durch die Übung verändert? Was bedeutet das für Sie und Ihr Selbst? Quelle/Literatur Signer-Fischer, S., Gysin, T., Stein, U. (2011). Der kleine Lederbeutel mit allem drin: Hypnose mit Kindern und Jugendlichen. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.

Der eigene Kraftkreis Dies ist eine Übung, die im Aufrechtstehen (Füße hüftbreit auseinander, in den Knien leicht federnd) ausgeübt wird. Anleitung

Stellen Sie sich aufrecht hin, die Füße hüftbreit auseinander. Vergegenwärtigen Sie sich ein Ereignis, mit dem Sie viel Zufriedenheit und vielleicht sogar Stolz verbinden. Sie konnten bei diesem Ereignis Ihre innere Kraft spüren und Ihre Fähigkeiten anwenden. Konzentrieren Sie sich jetzt noch einmal auf dieses positive Gefühl der inneren Kraft. Federn Sie dabei und im weiteren Verlauf dieser Übung leicht in den Knien. Atmen Sie ein paar Mal tief ein und stellen Sie sich vor, wie sich das Gefühl der Kraft dabei in Ihrem Körper immer mehr ausbreitet – genießen Sie dieses Empfinden. Finden Sie ein passendes Wort für die Kraft, die Sie spüren – welches Wort ist es, das am besten zu Ihrem Empfinden passt? Welche Farben passen zu Ihrem Empfinden? Stellen Sie sich vor, dass Sie in einem Kreis stehen, der diese Farben hat – wenn Sie in diesem Kreis stehen, können Sie sich in Ihren Gedanken auf alles, was vor Ihnen liegt, sehr gut vorbereiten. Drei Varianten

1. Nehmen Sie eine vor Ihnen liegende Anforderung und stellen Sie sich diese vor Ihrem inneren Auge so vor, als stünde sie plastisch vor Ihnen. 92

Praktische Anwendung

 ehmen Sie noch einmal Ihre Kraft in Ihrem Kreis stehend wahr – N jetzt machen Sie einen Schritt auf die Anforderung zu – spüren Sie, wie es ist, ihr mit Ihrer ganzen Kraft zu begegnen. 2. Malen Sie den Kraftkreis, den Sie sich vorstellen. 3. Üben Sie mit dem gemalten Bild des Kreises zu Hause, sich mit innerer Kraft aufzuladen. Auswertung

Wie verlief die Übung? Ist es Ihnen gelungen, sich etwas vorzustellen? Wenn ja, dann was? Welchen Namen hat die Kraft bekommen? Welche Farben passten? Wie war für Sie die Erfahrung mit der Übung insgesamt? Quelle/Literatur Geupel, B. (mündliche Mitteilung).

Besondere Orte und Momente Anleitung Wo und wann fühlen Sie sich besonders aufgehoben, verbunden mit der Natur, als Teil eines Ganzen (unter dem blauen Himmel, am Meer, in den Bergen, im Wald, in der Kirche, bei bestimmter Musik …)? Stellen Sie sich diese Momente einmal am Tag vor (inneres Bild und Gefühl). Schaffen Sie sich dafür einen entsprechenden Ort oder entsprechende Anregungen (Fotos, Postkarten, Symbole). Suchen Sie sich für die Anregungen einen Platz, an dem sie Ihnen immer wieder aufs Neue ins Auge fallen. Auswertung

Was ist das Wohltuende für Sie an den besonderen Momenten und Orten? Was gibt Ihnen die Beschäftigung mit ihnen, was gibt sie Ihnen für Ihre eigene Existenz?

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Innerlich einen Schritt zurücktreten Insbesondere im Stress und im Alltag ist es hilfreich, die eigenen Bemühungen für einen Moment ruhen zu lassen. Anleitung Treten Sie innerlich einen Schritt zurück und lassen Sie zu, dass Sie sich in Ihrem Leben für einen Moment selbst zusehen. Nehmen Sie wahr, wofür Sie sich gerade besonders anstrengen. Was treibt Sie an? Überprüfen Sie, ob Sie sich auch dem Lauf der Dinge wieder mehr anvertrauen könnten. Worauf haben Sie wirklich Einfluss? Könnten Sie etwas davon haben, sich dem Leben mehr zu überlassen. Wie wäre das, wenn es gelänge? Wenn Sie es laufen lassen würden? Wann gelingt Ihnen das bereits? Wie fühlt es sich an? Gibt es positive Erfahrungen damit, sich dem Lauf der Dinge anzuvertrauen? Wie nennen Sie die Kräfte, die Ihr Leben beeinflussen? Können Sie Vertrauen und Zuversicht empfinden, wenn Sie sich bewusst machen, dass so viel, was Ihr Leben formt, außerhalb Ihrer Verantwortung liegt? Vorschläge

Das angenehme Körpergefühl beim Abgeben von Verantwortung und Einflussnahme spüren und speichern. Ein Symbol dafür finden. Einen passenden Satz aussprechen, zum Beispiel: »Ich lasse los!« oder »Ich lasse das auf mich zukommen.« Einen Wunsch formulieren und aussprechen. Das Loslassen-Können in ein Gebet einschließen (wenn ein Gebet für Sie passt). Auswertung

Wie geht es Ihnen mit dem Abgebendürfen? Melden sich Ängste oder drängende Gedanken? Überprüfen Sie, ob Sie sich etwas Beruhigendes und Entspannendes, wie ein guter Freund, sagen können und mögen. 94

Praktische Anwendung

Zeit erleben Anleitung Nehmen Sie sich für folgende Fragen Zeit: ȤȤ Wann und wo haben Sie zuletzt den Zeitverlauf im großen Zusammenhang erlebt (Jahreszeiten in der Natur, Ebbe und Flut, wiedersehen mit einem Freund nach langer Zeit, …)? ȤȤ Was hat sich im Vergleich zu vor fünf Jahren verändert in Ihrem Leben? Ein Gespräch mit Gott Für manche Menschen ist es hilfreich, ihr Gottesverständnis für die eigene Stärkung zu nutzen. Es kann sinnvoll sein, sich daran zu erinnern, wie es ist, das Leben über das, was konkret und begrenzt erfassbar ist, hinaus wahrzunehmen. Anleitung

Vielleicht ist das für Sie ungewohnt, aber auch dann können Sie versuchen, sich einmal vorzustellen, wie Sie zu Gott und mit ihm sprechen könnten. Was möchten Sie ihm sagen? Wie sagen Sie es ihm? Beobachten Sie, was es bei Ihnen auslöst, wenn Sie sich das vorstellen. Wenn möglich, erwarten Sie keine sprachliche Botschaft oder Antwort. Es kann aber sein, dass sich etwas an Ihrer eigenen Einstellung durch diese Gottesperspektive verändert hat.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Eine hilfreiche Kraft rufen Wie steht es mit Ihrer Erfahrung mit unerwarteten Hilfen oder Kraftressourcen? Woran denken Sie manchmal, wenn Sie sich Mut machen wollen? Wenn Sie sich wieder zuversichtlicher fühlen wollen? Können Sie sich vorstellen, dass Ihre Seele ein Reservoir für solche Erfahrungen bereithält? Oder dass es spirituelle Kräfte gibt, die Ihnen zu Hilfe kommen können, wenn Sie sie rufen? Entspannungsübung zur Einstimmung

Schließen Sie, wenn möglich, die Augen, entspannen Sie sich, indem Sie eine Weile Ihren Atem beobachten. Anleitung

Denken Sie im direkten Anschluss an die Entspannungsübung an ein Ereignis, bei dem sich etwas überraschend ganz zum Positiven wendete. Sie können sich jetzt von Ihrer Fantasie/Seele ein Bild von einer Figur schicken lassen, die solch eine überraschende Wende zum Positiven symbolisiert – manche Menschen denken an konkrete Personen, andere an Fantasiegestalten oder Engel oder Feen – überprüfen Sie, was für Sie passt. Wenn kein Bild kommt, dann können Sie auch an ein Wort denken, das für diese Art der Unterstützung passt, sie ausdrückt. Sie können auch eine Frage an diese Figur stellen. Beachten Sie jedoch, dass diese Ihnen nicht unbedingt mit Worten antwortet. Wenn es Ihnen hilft, können Sie von dieser Figur ein Bild malen, ein Symbol für sie finden. Und sich dann, wann immer Sie wollen, diesem Bild oder Symbol zuwenden und sich mit der Figur in Verbindung setzen.

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Praktische Anwendung

Das große Ganze »Wer ein Wofür im Leben hat, der kann fast jedes Wie ertragen!« Friedrich Nietzsche, 1889

Insbesondere in Lebenssituationen, in denen uns die Dinge über den Kopf wachsen, ist es hilfreich, sich das Leben als langen Prozess vorzustellen. Anleitung

Stellen Sie sich folgende Fragen: ȤȤ Wo will das Leben mit Ihnen hin? Wo wollen Sie mit dem Leben hin? ȤȤ Was ist Ihr Beitrag zum großen Ganzen? ȤȤ Welche Aufgabe spüren Sie in Ihrem Leben? Wozu möchten Sie beitragen? ȤȤ Welche Vision haben Sie aktuell von dem, wozu Ihr eigenes Leben im günstigsten Fall führen kann? Nehmen Sie sich einmal pro Monat eine Auszeit für diese Fragen. Fragen Sie wohlwollende Personen zu deren Ideen zu den Fragen, zum großen Ganzen Ihres Lebens. Befragen Sie Ihr Inneres dazu. Ein Moment, in dem ich ganz sicher war Anleitung Gab es in Ihrem Leben Momente, in denen Sie ganz sicher waren? Vergegenwärtigen Sie sich einen solchen Moment. Stellen Sie sich dann folgende Fragen: ȤȤ Woher kam oder bezogen Sie Ihre Sicherheit? ȤȤ Wie würden Sie diesen Vorgang beschreiben und nennen? ȤȤ Können Sie sich an das Empfinden in Ihnen damals erinnern? ȤȤ Wie fühlte sich Ihr Körper damals an? Wo konnten Sie die Sicherheit spüren? ȤȤ Wie war die Verbindung zu dieser Sicherheit zustande gekommen?

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Heimat Anleitung Nehmen Sie sich Zeit und stellen Sie sich die folgenden Fragen: ȤȤ Wo fühlen Sie sich zu Hause? ȤȤ Woran spüren Sie, dass Sie sich an diesem Ort, in diesem Zusammenhang zu Hause fühlen? ȤȤ Haben Sie noch Kontakt zu diesem Ort, diesem Kontext? ȤȤ Können Sie sich an diese Erfahrung, sich zu Hause zu fühlen, gut erinnern? Oder haben Sie das Gefühl, sich nach einer solchen Heimat zu sehnen? Wie sähe diese Sehnsucht in Ihrer Fantasie aus? Was möchte ich weitergeben? Anleitung Nehmen Sie sich Zeit für folgende Fragen: ȤȤ Welche Erfahrungen betrachten Sie aktuell als Ihre Ressourcen/ stärkende Erlebnisse? ȤȤ Was davon möchten Sie weitergeben? ȤȤ Wie könnte das aussehen?

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Praktische Anwendung

Schamanisches Ritual Möchten Sie lernen, schöne, freudige Momente des Tages wahrzunehmen? Vielleicht möchten Sie aber auch zum Beispiel lernen, Nein zu sagen, oder Sie möchten aufhören zu rauchen? Hier ist ein schamanisches Ritual der Achtsamkeit, das Sie über den Tag hinweg begleitet und Ihnen dabei helfen kann, und zwar indem es Sie dabei unterstützt, schöne und positive Momente des Tages bewusst zu erleben. Durch die Wahrnehmung positiver Erfahrungen kann sich dieses Ritual insgesamt positiv auf Ihre Stimmung auswirken. Anleitung

Sie benötigen kleine Gegenstände, zum Beispiel Nüsse, Steine, Murmeln, Taler, Bonbons … Diese Gegenstände sollten Sie immer bei sich haben: Sie können die kleinen Gegenstände, die Sie für sich ausgewählt haben, zum Beispiel leicht in der Hosentasche mit sich tragen. Nun nehmen Sie sich etwas vor, zum Beispiel: schöne Momente bewusst mitzubekommen; zu lernen, Nein zu sagen; mit dem Rauchen aufzuhören … Nehmen Sie sich immer dann ein Teil aus der Tasche, wenn das passiert, was Sie sich vorgenommen haben, und stecken Sie es in die andere Hosentasche. Oder Sie belohnen sich mit dem kleinen Gegenstand, wenn es ein Bonbon oder etwas Ähnliches ist, direkt. Bei regelmäßiger Übung werden Sie den Tag bewusster wahrnehmen. Quelle/Literatur Angaangaq, A., Babel, A. (2012). Schamanische Weisheit für ein glückliches ­Leben. München: Gräfe und Unzer.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Achtsamkeit In diesem Ritual können Sie Achtsamkeit und Respekt gegenüber allen Dingen des Lebens einüben. Anleitung

Beispielvarianten: ȤȤ Variante 1: Nehmen Sie sich eine Mahlzeit am Tag vor, während der Sie ganz bewusst essen, die Nahrung ganz bewusst aufnehmen, ob Fleisch, Gemüse oder Obst. Bedanken Sie sich nach der Mahlzeit dafür. ȤȤ Variante 2: Nehmen Sie sich einen Teil des Tages oder auch eine noch längere Zeit vor, sich das Leben bewusst zu machen und es im Hier und Jetzt zu erleben. Lassen Sie aus diesen Bewusstseinsübungen ein Ritual werden, das Sie täglich begleitet und das Sie je nach Wunsch und Vorstellung verändern können. Am Morgen: Liebevoller Umgang mit sich selbst Anleitung Stellen Sie sich morgens hüftbreit hin und strecken Sie Ihre Arme nach vorne, Ihre Handflächen einander zugewandt. Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, Ihr Herz zu öffnen, und legen Sie dabei Ihre Arme wie Flügel ausgebreitet. Spüren Sie sich, nur Sie sind jetzt wichtig, einzigartig. Spüren Sie Ihre Haut, die Wärme in Ihrem Körper. Sie können mit Ihren Händen über Ihre Haut streicheln. Beenden Sie das Ritual, wenn Sie das Gefühl haben, jetzt ist es genug – und bedanken Sie sich bei sich selbst. Auswertung

Kann Ihnen das Ritual dabei helfen, sich selbst für alles, was Sie sind, wertzuschätzen? Kann es Ihnen dabei helfen, sich die Erlaubnis zu erteilen, freie Entscheidungen zu treffen und frei in der Gestaltung Ihres Lebens zu sein? 100

Praktische Anwendung

Am Morgen: Herz öffnen Anleitung Schließen Sie die Augen und gehen Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit zu Ihrem Herzen. Lassen Sie sich Zeit, um Ihr Herz zu spüren und wahrzunehmen. Zur Unterstützung können Sie Ihre Hand aufs Herz legen. Öffnen Sie Ihr Herz und lassen Sie aus dieser Öffnung ein Lächeln entstehen (es gibt kein Richtig oder Falsch). Spüren Sie in Ruhe hin und beginnen Sie dann nach Ihrem Tempo Ihren Tag. Einen Loslass-Satz finden Entspannungsübung zur Einstimmung Schaffen Sie sich einen angenehmen Rahmen mit Zeit für sich. Stimmen Sie sich auf die Übung ein, indem Sie das Ritual mit einer Entspannungsübung eigener Wahl beginnen. Anleitung

Finden Sie nun mit Hilfe oder für sich allein heraus, was Sie loslassen möchten. Worum geht es Ihnen genau? Wichtig ist, dass Sie spüren können, um was es geht. Vielleicht geht es um Schmerzen, belastende Gefühle, Unsicherheiten, Selbstverurteilungen, fehlendes Selbstvertrauen, Ängste … Benennen Sie, worum es Ihnen geht. Sprechen Sie es aus. Finden Sie jetzt den für Sie passenden Satz, indem Sie formulieren, wovon Sie loslassen wollen. Sprechen Sie ihn laut aus. Überprüfen Sie noch einmal ganz bewusst, ob es stimmt, dass Sie wirklich ganz davon loslassen wollen. Wenn ja, dann sprechen Sie den Satz noch einmal feierlich und ernst aus. Finden Sie eine für Sie passende Formulierung, mit der Sie Ihre Absicht ausdrücken. Sprechen Sie danach diese Formel laut aus. Hier ein Beispiel für eine solche Formel: Ich lasse vollkommen los, aus meinem Körper, Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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aus meinem Geist, aus meiner Seele und meinem Zellgedächtnis. Auswertung

Spüren Sie noch einmal genau hin, was hat sich verändert? Was fehlt noch? Was fällt Ihnen dazu noch ein? Wenn noch etwas fehlt, Ihnen noch etwas einfällt, dann wiederholen Sie damit die Übung. Ändern Sie dafür die Sätze. Wenn Sie bemerkt haben sollten, dass Sie etwas hindert, wirklich loslassen zu wollen, beschäftigen Sie sich vor der weiteren Durchführung dieser Übung mit den Vor- und Nachteilen des ins Auge gefassten Loslassens. Zum Schluss können Sie sich für die Veränderung öffnen und stärken, indem Sie affirmative Sätze formulieren wie: »Ich öffne mich für die Möglichkeit, dass …«, »Ich akzeptiere und liebe mich, so wie ich bin.« Diese Sätze können Sie sich auch aufschreiben, an einem geeigneten Platz ablegen, um sich oft an sie zu erinnern, sie sich oft laut vorzusprechen. Quelle/Literatur Angelehnt an die sogenannte Releasing-Methode von E. E. Isa und Ruth Yolanda Lindwall (siehe: http://www.ub-releasing.de/lindwall-releasing.html); Langholf, Ch. (2001). Ich lasse los. Freiburg: Bauer.

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Praktische Anwendung

Schreiben und danken Gut geeignet als Abendritual. Dieses Ritual kann behilflich sein, Ihren Tag gut abzuschließen, und es kann zu einer Wertschätzung und Bewusstmachung des eigenen Tuns führen. Anleitung

Was Sie benötigen: Stift und Papier. Setzen Sie sich an einen ruhigen, ungestörten Ort (zünden Sie eine Kerze an) und lassen Sie Ihren Tag Revue passieren. Erinnern Sie sich: ȤȤ an Dinge, die Sie erfolgreich gemeistert haben, ȤȤ an angenehme, schöne Erlebnisse ȤȤ an Dinge, die Sie gelernt haben, … Schreiben Sie dazu alles auf, was Ihnen einfällt. Zum Abschluss bedanken Sie sich bei sich selbst für die gelungenen Dinge oder schönen Erlebnisse.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Stabilisierung und Selbstzentrierung Zur Stabilisierung und Fokussierung können Übungen helfen, die Patienten erlauben, sich zeitweise (vielleicht zunächst nur 15 Minuten) von belastenden Mechanismen zu distanzieren. Auf diese Weise können Sie sich für eine kurze Zeit mal wieder ganz bei sich fühlen.

Fokussieren Um sich besser zu fokussieren, sind manche Konzentrationsübungen hilfreich. Anleitung

Suchen Sie sich einen angenehmen Platz im Raum aus. Beginnen Sie damit, langsam die Augen zu rollen, erst im Uhrzeigersinn, dann andersherum. Dann rechnen Sie eine Zeitlang rückwärts 1000–7= …–7= … Schauen Sie sich um und suchen Sie Gegenstände mit der Farbe Rot, dann Blau … Probieren Sie aus, welcher Ton (welches Summen) zu Ihrer aktuellen Befindlichkeit passt … Auswertung Welchen Vorher-Nachher-Effekt beobachten Sie? Wiederholen Sie diese Übung am besten eine Zeitlang regelmäßig.

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Praktische Anwendung

Haltungen wechseln Bei dieser Übung ist es unerlässlich, einen therapeutischen Begleiter bei sich zu haben, der unterstützt, dass man sich behutsam ausprobieren kann. Entspannungsübung zur Einstimmung Zur Einstimmung ist es gut, eine Entspannungsübung eigener Wahl durchzuführen und sich im Raum einen angenehmen Platz zu suchen, wo Sie starten können. Anleitung

Es werden zwei Stühle gebraucht. Wenn ich ein Problem habe, wie gehe ich mit mir um? Stellen Sie sich das vor, versuchen Sie das auch durch eine Körperhaltung und einen dazu passenden Summlaut auszudrücken. Eventuell ist es hilfreich, ein Symbol für diesen Zustand auszusuchen (oder aufzumalen). Haben Sie eine Vorstellung oder Erinnerung daran, wie es in Ihnen aussieht oder aussah, wie Ihr innerer Zustand ist oder war, wenn Sie sich sicher, kompetent, wach, frei, zuversichtlich fühlen oder gefühlt haben? Bitte nehmen Sie auch dazu eine Körperhaltung ein und versuchen Sie einen Ton zu finden, der dazu passt. Stellen Sie sich vor, es gibt eine Problem- und eine Nicht-Problemseite. Probieren Sie aus, ob es für Sie möglich ist, das Problem und damit die Problemseite in Ihrer inneren Vorstellung für eine kurze Zeit auf einen Platz (oder Stuhl) zu stellen (dafür eventuell das Symbol/Bild dort tatsächlich platzieren). Wo müsste das Problem sein, damit Sie für eine kurze Zeit die andere, die Nicht-Problem-Seite ganz entfalten könnten? Wählen Sie sich jetzt einen Platz (innerlich und körperlich), an dem Sie die sichere Seite ganz und gar zulassen können, und begeben Sie sich dorthin. Stellen Sie sich eine schützende Hülle vor, in die nichts hineinkommt, was Sie nicht wollen. Wie viel Raum brauchen Sie (mit den Händen darstellen), um sich hier ganz entfalten zu können? Probieren Sie noch einmal den dazu passenden Ton aus.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Auswertung

Wie haben Sie das Sich-Distanzieren vom Problemzustand empfunden? Was war das Besondere am Ausprobieren der anderen Haltung? Können Sie sich vorstellen, diese Erfahrung innerlich verankern zu können? Quelle/Literatur Schmidt, G. (2013). Liebesaffären zwischen Problem und Lösung. Hypnosystemisches Arbeiten in schwierigen Kontexten. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.

Rezitation eines Mantras Dies ist eine alte tibetische Technik, die Sie für sich als regelmäßiges Ritual durchführen können. Das Ritual ist hilfreich, wenn der Geist sehr unruhig ist, wenn Sie nervös sind, desorientiert oder sich emotional instabil fühlen. Anleitung

Ein Mantra kann gesungen oder auch gemalt werden. Rinpoche (2006) empfiehlt als Mantra: OM AH HUM VAJRA GURU PADMA SIDDHI HUM Es hilft, sich den Text aufzuschreiben und nicht streng mit der Aussprache zu sein. Wer interessiert ist, kann das gesungene Mantra auch bei YouTube im Internet finden (und mitsingen). Es ist auch möglich, einen eigenen kurzen Text zu einem Mantra zu machen. Zum Beispiel: »Ich schaffe es!« oder »Ich fühle mich, sicher, kraftvoll und frei!« Wir schlagen vor, das Mantra leise und mit großer Aufmerksamkeit zu sprechen. Immer wieder. Achten Sie darauf, wie Sie dabei atmen – und wie Sie allmählich in einen Rhythmus kommen. Überlassen Sie sich diesem Rhythmus so lange, wie es Ihnen angenehm ist. Quelle/Literatur Rinpoche, S. (2006). Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben. Frankfurt a. M.: Fischer.

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Praktische Anwendung

Abgrenzung und Schutz Für viele Menschen ist es schwierig, bei sich zu bleiben, sich abzugrenzen und sich vor der Bedürftigkeit, dem Leid und der Kritik anderer zu schützen. Dabei können die hier unter dem Stichwort Abgrenzung und Schutz zusammengestellten Rituale unterstützend wirken.

Schutzraum Es kann hilfreich sein, sich vor bestimmten Begegnungen oder auch alltäglich in einen persönlichen Schutzraum zu begeben. Anleitung

Stellen Sie sich einen Sie umgebenden Schutzschirm vor (einen Umhang aus Licht, eine Art Kuppel oder Ähnliches). In diesen Schutzraum kommt nur, was Sie wollen. Er lässt das raus und rein, was Sie wollen, und bewahrt Sie vor dem, was Sie angreift. Sie können sich diesen Schutz in Ihrer Fantasie ausmalen: Sie können ihn mit der Bewegung Ihrer Arme hochziehen und abschließen – den Schutzraum um sich herum mit Ihren Händen ertasten und ihn spüren. Bleiben Sie eine Zeitlang in diesem inneren Bild und nehmen Sie die Auswirkungen auf sich selbst wahr.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Abschütteln Es kann hilfreich sein – und zwar auch im Vorhinein – die wahrgenommenen Erwartungen und Bedürftigkeiten anderer von sich abzuschütteln. Anleitung

Streifen Sie im Stehen Ansprüche anderer, die Sie an sich haften spüren, wie Erwartungen und Bedürftigkeiten, von sich ab, indem Sie am Körper herunterstreichen, und lassen Sie sie los, indem Sie Arme und Hände ausschütteln und die Ansprüche anderer von sich wegschütteln. Kleidung als Selbstschutz Anleitung Wählen Sie bewusst Kleidung aus, die Ihren Selbstschutz unterstützt: Welche Farbe tut mir gut? Welche Kleidungsstücke tun mir gut, welche Stoffe, welche Eigenschaften der Materialien (zum Beispiel weiche, seidene Unterwäsche)? Innere Distanzierung Anleitung In Ihrer Vorstellung können Sie alles Belastende/Störende in eine schwere Truhe packen. Stellen Sie sich diese Truhe in einem Abstand von circa drei Metern vor Ihrem inneren Auge stehend vor. Stellen Sie sich vor, dass Sie sie mit der Kraft Ihrer Vorstellung leicht bewegen können. Holen Sie sie ein bisschen näher zu sich heran, um sich zu überzeugen, dass das, was Sie hineingepackt haben, wirklich drin ist. Dann bringen Sie sie in einzelnen Schritten auf Abstand – 5 Meter – 10 Meter – 50/100/1000 Meter – bis Sie sie im All verschwinden sehen.

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Praktische Anwendung

Stärke aus der Herkunftsfamilie ziehen Es kann einerseits zur Unterstützung eigener Kräfte beitragen, wenn man sich an diejenigen Personen, Erfahrungen und Erinnerungen aus der Herkunftsfamilie hält, die mit positiv-stärkenden Energien verbunden sind. Andererseits kann es ebenso viel Kraft geben, wenn man sich vor Augen hält, welche Belastungen der Kindheit man bewältigt hat.

Das Stärkende auswählen Anleitung Allein die Entscheidung, sich auf das Stärkende der eigenen Herkunftsfamilie zu fokussieren, kann sehr entscheidend sein. Die Personen, die Ihnen wichtig sind oder waren, die Ihnen in bestimmten Phasen beigestanden oder einen positiven Einfluss auf Sie haben, können Sie würdigen, indem Sie Bilder von ihnen aufstellen, ein Regal für Erinnerungsstücke an sie schaffen oder Ähnliches. Die Vorstellung, dass diese Personen an Ihrer Seite bzw. hinter Ihnen stehen, kann Sie stärken und Ihnen Ihre eigenen Stärken bewusst machen. Die störenden Personen bzw. die, mit denen Sie belastende Erfahrungen verbinden, können Sie in Zeiten, in denen Sie Unterstützung brauchen, außen vor lassen. Die Vergegenwärtigung der Personen kann leichter fallen, wenn Sie sich zunächst Platzhalter für sie (Stühle, Symbole) nehmen, die Sie dort hinstellen, wo Sie sie als angenehm empfinden. Sie können ausprobieren, wie es ist, wenn Sie den vorgestellten Personen auch in einem persönlichen Satz für das danken, was Sie von ihnen bekommen haben. Wenn Ihnen Geschichten über Ihre Vorfahren bekannt sind, die Sie beeindrucken, können Sie sich auch vorstellen, wie diese Vorfahren zu dem vorgestellten Personenkreis hinzukommen. Wie eine Art Sippe, an deren Spitze Sie stehen. Spüren Sie einige Momente (möglichst mit geschlossenen Augen) der Wirkung einer solchen Aufstellung bzw. Imagination in sich nach.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Stärkende Krisen Anleitung Sammeln Sie Erfahrungen und Erlebnisse, die Ihre Kindheit belastet haben (Trennungen, Verluste, abwesende Elternteile, strafende oder unzuverlässige Elternteile usw.). Beschäftigen Sie sich mit der Vorstellung, dass sich diese Belastungen meist als Fundament für besondere Stärken erwiesen haben. In welche Ihrer Verhaltens- und Umgangsweisen, in welche Ihrer Standpunkte und Wesenszüge sind die belastenden und harten Erfahrungen eingeflossen? Welche Einstellungen, Haltungen, Motive, leitenden Ideale usw. sind daraus geworden? Welche dieser aus den Belastungen erwachsenen Eigenarten betrachten Sie bereits als Ihre Stärke? Holen Sie sich Rückmeldungen von Freunden. Was finden die, was Sie aus Ihren belastenden Erfahrungen und Erlebnissen gemacht haben?

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Praktische Anwendung

Musterunterbrechung und Musteränderung Um eine Veränderung zu erwirken, müssen sich meist gewohnte Bewertungen und Denkschemata ändern, von alten muss man sich trennen, obwohl sie vertraut und hilfreich waren, neue finden, die oft zunächst verunsichernd sind. Das Gleiche gilt für Verhaltensweisen und Gefühle. Oft wirkt sich ein Impuls auf einer dieser Ebenen erst allmählich auf die anderen aus. Aus einer (hypno-)systemischen Sicht ist eine Musterunterbrechung eine Aufmerksamkeitsumfokussierung. Bei dieser wird nicht gegen ein Symptom, sondern mit ihm gearbeitet. Kleine Variationen in der Abfolge im Muster hinsichtlich Zeit und Ort, Humor und Umdeutungen sollen Selbstwirksamkeitserwartungen steigern (O’Hanlon, 1994; Trenkle, 2014).

Eine hilfreiche neue Perspektive finden Diese Übung sollte mit einem Psychotherapeuten zusammen durchgeführt werden. Anleitung

Stellen Sie sich einmal probeweise folgende Fragen: ȤȤ Ändert es etwas positiv, wenn ich es so sehe, dass das Leben mir mit der eingetretenen Situation eine sinnvolle Aufgabe stellt? ȤȤ Vielleicht hat sich meine Seele diese Aufgabe sogar gesucht? ȤȤ Für welche Entwicklung könnte das wichtig sein? ȤȤ Könnte diese schwierige Erfahrung auch eine positive Veränderung bewirken? Wenn Sie sich mit dieser veränderten Perspektive, mit der Sie nun auf Ihre Situation schauen, wohlfühlen, können Sie sich mit den Fragen eine Zeitlang intensiv beschäftigen. Sie können sich einen Platz suchen, der für die veränderte Perspektive steht (zum Beispiel einen Sessel). Auf diesen setzen Sie sich jede Woche für eine halbe Stunde und denken über die Situation und die mit ihr verbundenen, sinnvollen Aufgaben nach – wie aus einer anderen Warte heraus.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Auswertung

Was hat sich durch die Fragen und die Beschäftigung mit ihnen getan? Welche Empfindungen, Gefühle und Gedanken waren bemerkenswert? Grübelstuhl Zum Phänomen von träger Weiterentwicklung oder gar Stagnation gehört oft das Grübeln, das Im-Kreis-Denken. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie mit Ihrem Denken nicht mehr weiterkommen und dass Sie mittels Ihres Denkens bzw. Grübelns die Zusammenhänge Ihres Lebens keineswegs zunehmend besser und tiefer verstehen, dann ist es sinnvoll, das Denken bzw. Grübeln zu strukturieren, ihm einen Ort zu geben. Anleitung

Suchen Sie sich einen Stuhl, der zu Ihrem Grübelstuhl wird. Jeden Tag denken Sie dort nun für zehn Minuten an Ihre Grübeleien und nichts anderes.

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Praktische Anwendung

Mehr desselben Durch ritualisierte Muster- und Symptomverschreibungen kann man versuchen, hartnäckige, rigide Verhaltensweisen zu verändern. Es ist irritierend, etwas zu tun, bei dem man davon ausgeht, dass es nicht hilfreich oder gesund ist – etwas, das das unerwünschte Muster aufgreift, anstatt es zu verhindern. Manchmal löst gerade dies aber die Spannung oder wir können das Symptom, jetzt, da wir es wie ein Ritual ausführen, auf einmal mit Humor erleben. Die Bedeutung des sogenannten Symptoms und der Beziehung zu ihm kann sich dadurch verändern. Anleitung

Bitte nehmen Sie sich vor, das von Ihnen unerwünschte Verhalten zu bestimmten Zeiten/Tagen (je nachdem, worum es geht) und auf eine festgelegte Dauer (zum Beispiel eine Woche) ganz bewusst zu tun. Erlauben Sie sich dabei keine Abschwächung oder Ausnahme. Beobachten Sie aufmerksam, wie es Ihnen bei dem mit Absicht ausgeübten Verhalten geht. Auswertung

Was ist anders als sonst? Quelle/Literatur Imber-Black, E., Roberts, J., Whiting, R. A. (1988). Rituals in Families and Family Therapy. New York: Norton & Company. Watzlawick, P. (2013). Lösungen. Bern: Huber.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Vertrag schließen Es kann hilfreich sein, wenn Partner sich darauf verständigen können, einen Vertrag über unerwünschtes Verhalten eventuell auch förmlich vor einem Zeugen zu schließen. Anleitung

Schließen Sie einen Vertrag, in dem festgehalten wird, was Sie bereit sind, nicht mehr zu tun (nicht mehr zu provozieren, zu schreien, andere zu beschimpfen usw.), und was Sie bereit sind, zu tun, um dem anderen Verständnis entgegenzubringen (nachzufragen vom anderen Gesagtes oder Getanes so stehenzulassen, die Meinung des anderen zu akzeptieren usw.). Schließen Sie diesen Vertrag schriftlich, in einer Zeremonie und möglichst mit Zeugen. Auswertung

Hat es bereits geholfen? Wann? In welchen Situationen und zu welchen Zeiten? Was ist seither anders? Quelle/Literatur Imber-Black, E., Roberts, J., Whiting, R. A. (1988). Rituals in Families and Family Therapy. New York: Norton & Company.

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Praktische Anwendung

Schmerzen und Muster, die einem immer wieder begegnen … Anleitung Finden Sie ein Symbol/Bild für den Schmerzszustand oder das Problem, mit dem oder an dem Sie arbeiten möchten. Stellen Sie es sich bitte bildlich,vor Ihrem inneren Auge, als Gegenüber vor. Benennen Sie circa vier Gefühle, die Sie mit diesem Gegenüber verbinden. Stellen Sie sich vor, dass Sie zwischen sich, dem Problem und dem Gefühl eine Verbindung herstellen können, zum Beispiel mit einem Seil, einem Tau, einem Bindfaden). Beginnen Sie mit dem stärksten Gefühl und wählen Sie ein dickes Material dafür aus. Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich Ihr gewähltes Symbol in einem für Sie passenden Abstand vor Ihrem inneren Auge vor. Verbinden Sie das Gefühl nun zum einen mit sich selbst und zum anderen mit Ihrem Symbol. Wiederholen Sie dies auch mit den weiteren Gefühlen. Haben Sie zwischen den Gefühlen, sich und den Symbolen eine Verbindung hergestellt, drehen Sie den Kopf nach links und stellen Sie sich vor, dass Sie diese Gefühle ihrer Stärke nach alle nacheinander in einem Atemzug einatmen. Dann halten Sie die Luft an, drehen den Kopf nach rechts und atmen die Gefühle der Reihe nach aus. Durchtrennen Sie jetzt die Verbindung zwischen dem stärksten Gefühl, sich und dem Symbol, indem Sie Ihren Kopf nach links drehen, sich dort die Verbindung einer Machete mit Ihrer Stirn vorstellen, den Atem anhalten, den Kopf danach nach rechts bewegen und leicht neigen, so als würden Sie mit dieser Bewegung die Verbindung durchtrennen. Danach führen Sie den Kopf wieder in die Mitte zurück. Atmen Sie erst jetzt wieder ein. Betrachten Sie das Bild/Symbol nun erneut. Wiederholen Sie das Vorgehen mit den weiteren Gefühlen, und zwar immer das nächststärkste Gefühl und das nächststärkste Material wählend. Wiederholen Sie dann die gesamte Übung so oft, wie Sie noch unangenehme Gefühle mit dem jeweiligen Symbol als Gegenüber Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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verbinden oder bis die Symbole sich so verändert haben, dass Sie sie so stehen lassen können oder sie ganz verschwunden sind. Quelle/Literatur Olbricht, I. (2003). Traumatherapie und TRIMB. Prävention – Zeitschrift des Bundesverbandes zur Prävention von sexuellem Missbrauch, 6 (1), S. 19–25.

Klopfübung Anleitung Wählen Sie einen Aspekt (ein Verhaltensmuster, ein Problem) aus, den Sie verändern, von dem Sie sich lösen, den Sie loslassen möchten. Führen Sie Ihre Hände zusammen, so dass die Finger leicht gespreizt sind und sich sanft berühren. Sagen Sie Ihrem Aspekt: »Ich möchte, dass … sich ändert/löst.« Klopfen Sie jeweils siebenmal mit zwei Fingern folgende Stellen: ȤȤ Thymus (im Bereich des Brustbeins), ȤȤ den Bereich zwischen Daumen und Zeigefinger an beiden Händen, ȤȤ Atlas (oberster Wirbelkörper am Genick). Atmen Sie mit der Aufmerksamkeit auf die höchste Stelle Ihres Körpers und dann auf die unterste Stelle Ihres Körpers und lösen Sie sich vom Verhaltensmuster/Problem – lassen Sie es ziehen – lassen Sie es los. Diese Übung kann und soll wiederholt angewendet werden. Es ist gut möglich, in diese Übung die Vorstellung eines Wohlfühlortes zu integrieren. Quelle/Literatur King, S. K. (2004). Die Dynamind-Technik. Stuttgart: Lüchow Verlag.

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Praktische Anwendung

Visualisierungsritual zur Musterauflösung Mit diesem Ritual können Sie daran arbeiten, alte, wiederkehrende Muster aufzulösen, von ihnen loszulassen und sie umzuwandeln. Voraussetzung: Auswahl eines unerwünschten Musters Wenn Sie ein Muster erkannt haben, dann formulieren Sie es als Satz in Ich-Form (zum Beispiel: »Ich fühle mich andauernd traurig/wütend/ schuldig …«). Entscheiden Sie, ob Sie das wirklich verändern wollen. Wenn Sie entschieden haben, dann sprechen Sie es noch einmal laut aus. Entspannungsübung zur Einstimmung

Stimmen Sie sich nun mit einer Entspannungsübung Ihrer Wahl auf die nachfolgende Imaginationsübung ein. Anleitung zur Imaginationsübung

Nehmen Sie die Worte oder einzelnen Buchstaben des Musters und stellen Sie sich vor, sie aus den betroffenen Bereichen Ihres Körpers herauszunehmen und von sich zu werfen. Machen Sie dazu entsprechende Handbewegungen. Sammeln Sie nun alle Teile wieder ein und zerstören Sie sie auf eine Weise vollständig bis in die kleinstmögliche Form, die für Sie passt. Füllen Sie die Reste in eine Schale. Stellen Sie sich jetzt vor, dass Sie diese Schale tragen und mit ihr durch ein Tor gehen. Sie landen in einem angenehm lichtdurchfluteten Raum. Wenn es für Sie passt, nehmen Sie sich nun ein Geistwesen zur Hilfe (eine Fee, einen Engel …). Lassen Sie sich von dem Licht durchströmen, bis in jede Zelle Ihres Körpers hinein. Wenn Sie bereit sind, dann halten Sie die Schale und die Überreste in das Licht. Bitten Sie um Umwandlung. Warten Sie in Ruhe ab, was geschieht. Mit dem, was jetzt in Ihren Händen oder vor Ihnen aufgetaucht ist, gehen Sie in Ihrer Vorstellung an einen Ort in der Natur, an dem Sie sich wohlfühlen. Schauen Sie sich diesen Ort genau an. Lassen Sie sich eine Idee einfallen, wie Sie das Mitgebrachte an die Natur übergeben wollen Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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(in einen Fluss schütten, begraben, freilassen …). Jetzt warten Sie noch einmal ab, was geschieht und was sich verwandelt. Zum Schluss spüren Sie noch einmal, welche neuen Gefühle Sie jetzt haben. Nehmen Sie sie ganz in sich auf, in tiefen Atemzügen. Um den Unterschied zu spüren, können Sie jetzt zum Ausgangspunkt, das heißt zum Muster zurückkehren. Wenden Sie jetzt Ihre Aufmerksamkeit wieder der Realität und dem Raum um Sie herum zu. Sie können im Anschluss ein Bild malen, um das Erlebte auszudrücken, oder etwas aufschreiben. Eine Gewohnheit ändern – loswerden Wenn Sie sich entschieden haben, etwas an Ihrer Lebensführung, eine Gewohnheit, die Ihnen nicht gefällt, zu ändern (Alkohol, Rauchen, Ernährung, Inaktivität …), hilft es, sich zu stärken und zu strukturieren. Sobald Ambivalenzen auftauchen, nehmen Sie diese bitte ernst (was spricht wirklich dagegen?). Anleitung

Phase 1: Was habe ich von der Gewohnheit, die ich ändern will, bisher gehabt? Schreiben Sie eine Woche lang auf, was Ihnen einfällt. Phase 2: Was fällt Ihnen an Alternativen zu dem, was Ihnen die Gewohnheit bisher gebracht hat, ein? Was könnte es Ihnen erleichtern, die alte Gewohnheit nicht mehr zu brauchen? Phase 3: Finden Sie ein Symbol für die Gewohnheit, die Sie loswerden wollen. Phase 4: Finden Sie ein Symbol für das, was Sie gewinnen werden, wenn Sie die Gewohnheit los sind. Phase 5: Machen Sie einen Stuhl in der Wohnung zum Stuhl des Fürsprechers. Nutzen Sie eine Woche lang täglich diesen Stuhl für circa 15 Minuten dafür, sich nur mit den Vorteilen der Veränderung, die das Loswerden der Gewohnheit bedeuten würde, zu beschäftigen. Was wäre der Gewinn? Phase 6: Lassen Sie sich eine Zeremonie des Loslassens einfallen (Reste entsorgen; einen Brief an sich schreiben, in dem Sie sich 118

Praktische Anwendung

Mut machen und ausmalen, was Sie davon haben, die Gewohnheit loszuwerden). Phase 7: Gönnen Sie sich für die ersten vier Wochen regelmäßig kleine Belohnungen für das Geschaffte. Beispiel: Füllen Sie kleine Steine in Ihre linke Hosen- oder Jackentasche und packen Sie jedes Mal, wenn Sie es schaffen, der alten Gewohnheit nicht zu folgen, einen Stein von der linken in die rechte Tasche. Abends können Sie sich über die Anzahl an Steinen in der rechten Tasche freuen, nach einiger Zeit darüber, dass es immer weniger Rückfälle gibt. Kilogramm für Kilogramm abnehmen Anleitung Packen Sie für das von Ihnen angestrebte Ziel Gegenstände in einen Rucksack (zum Beispiel Holzscheite, Briketts, Steine), die an Kilogramm dem Gewicht entsprechen, das Sie für das Ziel abnehmen müssen. Tragen Sie diesen Rucksack täglich, wann immer es Ihnen möglich ist. Für jedes Kilo, das Sie für das Ziel abgenommen haben, können Sie einen Gegenstand aus dem Rucksack entnehmen. Entsorgen Sie ihn feierlich (im Kamin, im Wald …). Feiern Sie Ihren Erfolg mit Freunden, wenn Sie es geschafft haben. Quelle/Literatur Retzer, A. (2015). Weiterbildung in systemischer Therapie und Beratung. Aufbaukurs. Zugriff am 18.05.2015 unter http://www.arnretzer.de/?Weiterbildung_in_systemischer_Therapie_und_Beratung/Aufbaukurs

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Verletzung und Kränkung »Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.« Gelassenheitsgebet6

Es gibt verschiedene Gründe, warum psychische Verletzungen nicht so schnell verheilen: ȤȤ Sie waren tief und schlimm und haben das Vertrauen in sich selbst und andere Menschen erschüttert. ȤȤ Sie haben die eigene Welt- und Selbstsicht so radikal in Frage gestellt, dass man noch nicht bereit ist, sich von der dadurch verursachten Haltung zu lösen. ȤȤ Man versteht noch nicht, was man für sich selbst tun kann, damit die Wunde besser verheilt – oder dieser nächster Schritt verlangt etwas von einem, was man noch nicht schafft. ȤȤ Man braucht die Verletzung noch, weil sie einem in der Folge etwas erlaubt, was man sich ohne sie nicht so leicht erlauben würde bzw. sie sichert einem eine Zuwendung, die man nicht verlieren möchte. Trotzdem kann es hilfreich sein, zu überprüfen, ob sich das Leben nicht doch besser anfühlt, wenn man Frieden mit dem, was die Verletzungen verursacht hat, schließt.

6 Die Urheberschaft ist umstritten. Vermutlich hat Reinhold Niebuhr das Gebet verfasst.

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Praktische Anwendung

Wie eine körperliche Wunde Anleitung Stellen Sie sich vor, der seelische Schmerz wäre ein körperlicher. Wo am oder im Körper würden Sie ihn spüren und sehen. Was bräuchte es, diese Wunde heilen zu lassen? Was müssten Sie dafür tun? Was lassen? Was wäre heilsam? Was würde dem entsprechen, was Sie seelisch mit der Verletzung gewohnt sind zu tun? Auswertung Was ergibt sich Neues aus dieser Perspektivänderung? Was lässt sich übertragen?

Frieden schließen Dieses Ritual fußt auf diversen Ansätzen und lässt bewusst Raum für individuelle Auffassungen und individuellen Glauben. Es setzt allein voraus, dass jemand sich entschlossen hat, sich von seinem Zorn, seiner Wut oder seiner Kränkung über etwas, was geschehen ist, zu lösen. Der Prozess lässt sich meist am intensivsten erleben, wenn der Betroffene sich auf alle aufeinander folgenden Phasen einlässt. Anleitung

1. Phase: Die Ohnmacht akzeptieren, um durch sie neue Kraft zu finden In dieser Phase (wir schlagen als Dauer eine Woche vor) suchen Sie sich einen für Sie günstigen Kontext zum nochmaligen Durchleben des Kerns einer Verletzung aus, die Sie erlitten haben (zum Beispiel jeden Tag eine halbe Stunde mit sich allein). Die Frage dabei lautet: Warum ärgere ich mich so? Wogegen sträube ich mich? Die Aufgabe besteht darin, zu beobachten, was aus der Ohnmacht wird, wenn man sie zulässt und als gemachte Erfahrung akzeptiert. Um das Erfahrene besser verarbeiten zu können, kann es sinnvoll sein, ein Symbol oder ein Bild zur Wut und zur Ohnmacht zu malen bzw. zu finden.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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2. Phase: Verwandlung vom Opfer zum Handelnden Solange gegen das eingetretene Ereignis angekämpft wird, wird Hilflosigkeit immer wieder neu produziert. In der Not wird das Unabänderliche abgewehrt, so als könnte man den Strom der Ereignisse aufhalten oder gar umkehren. Sie machen sich zum erneuten Opfer. Um dies zu ändern, sollen Sie sich in dieser Phase damit beschäftigen, inwiefern Sie mit dem Ereignis in Verbindung stehen. Das Lösen von Schuldfragen schafft neue Möglichkeiten. Die Bereitschaft, herauszufinden und zu akzeptieren, dass Sie selbst beteiligt waren (etwa durch eine zeitliche oder örtliche Anwesenheit, emotionale Nähe und Verbundenheit) macht Sie unabhängiger. Stellen Sie auf einem großen Blatt Papier die Zusammenhänge zwischen dem Ereignis, den Beteiligten und dem Betroffenen mit Linien dar und beschriften Sie sie kurz (kann als Hausaufgabe im Therapiekontext geschehen/aufgegeben werden). 3. Phase: Sinnsuche Als Nächstes sollen Sie in der Erinnerung an früheren Erlebnissen ähnlicher Qualität (Ohnmacht, Wut, Schuldgefühle) mit der Frage arbeiten: Wozu hat das bei mir geführt? Was habe ich daraus gemacht? Es ist in manchen Fällen sinnvoll und zumutbar, regelrecht eine Landkarte der persönlichen Entwicklungsschritte anhand von Krisen herzustellen. Es ist nicht notwendig, dass Sie dabei ausschließlich nach positiven Wertungen der Entwicklung suchen (bzw. suchen lassen). Es kann allerdings helfen, wenn Sie nach dem Erlebnis fragen, das Sie im Nachhinein aufgrund seiner positiven Folgen am meisten beeindruckt hat. Ein Teilschritt in dieser Phase kann folgende orientalische Geschichte über den Bauern und das Pferd sein: Einem Bauern läuft ein Pferd zu, was als großes Glück gilt, und er bekommt Besuch von Nachbarn und Verwandten, die ihn überschwänglich beglückwünschen. Doch sagt er zu deren Verwunderung nur: »Wer weiß, wofür es gut ist.« Als sein einziger Sohn bei der Ernte ausfällt, weil er beim Reiten von diesem Pferd stürzt und sich den Arm bricht, sagt der Bauer wieder: »Wer weiß, wofür es 122

Praktische Anwendung

gut ist.« Kurze Zeit danach werden vom Kalifen alle wehrtauglichen Söhne für den Krieg eingezogen, als einziger bleibt der Sohn des Bauern im Dorf. Wer weiß, wofür es gut ist …

Eine Geschichte, die Anlass dazu geben kann, über die Relativität unserer Auffassungen und Bewertungen nachzudenken (auch wenn es sehr schön ist, sich spontan über etwas freuen zu können). Vielleicht gehören Sie auch zu den Menschen, bei denen die Frage nach Schicksal, Plan, Bestimmung, Gott usw. auftaucht. Dann besteht die Möglichkeit, dass Sie sich durch Ihre Fähigkeit, zu glauben und zu vertrauen, mit Vertrauen und Zuversicht weiterhelfen können. Stellen Sie sich die Frage: Macht es für mich einen Sinn, davon auszugehen, dass alles zusammengehört und mich weiterbringen wird bzw. es meine Aufgabe ist, mit dem, was geschehen ist, umzugehen? Vielleicht taucht bei Ihnen auch die Frage auf, welche neue Sicht auf das Leben nötig ist, damit dieses Erlebnis von Ihnen konstruktiv angenommen werden kann. Was wäre eine Sicht auf das Leben, die Ihnen dies erlauben würde, ohne dass sie Ihnen persönlich langfristig zu schaden vermöchte? Was ist Ihre spontane Eingebung zu der Frage, was Sie ändern müssten, damit eine neue Auffassung vom Leben und Ihrer Rolle in ihm entstehen könnte? Eine Hausaufgabe könnte in dieser Phase darin bestehen, mit Freunden über all diese Fragen zu diskutieren. Sie können außerdem Bilder malen, um nicht nur kognitiv am Thema zu arbeiten. Die Bilder können Sie zu inneren Bewegungen und Suchprozessen anregen (zum Beispiel im Hinblick auf folgende mit der Loslösung von dem Gefühl der Wut und Kränkung verbundenen Themen: alter und veränderter, neuer Lebenssinn; die eigenen Überzeugungen; der Übergang zu etwas Neuem; Schicksal; Lebensplan; die Vorstellung eines göttlichen Zusammenhangs; das Große und Ganze; das Vorher und Nachher dessen, was geschieht …). 4. Phase: die neu entstandene Situation akzeptieren und die ganze Energie darauf verwenden, nach vorne zu leben Wenn die Bereitschaft vorhanden ist, das Leben mit der eingetretenen Situation zu akzeptieren – und das möglichst mit einer Ahnung, einer Idee oder einem Gefühl dafür, dass das Leben zwar anders, aber Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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gut weitergeht –, wird Energie frei. In einem weiteren Sinne gibt es dadurch eine Versöhnung mit dem oder Vergebung gegenüber dem Leben. Durch die Hingabe an die aktuelle Lebenssituation wird diejenige Kraft wieder freigesetzt, die Sie für das Leben brauchen und Sie finden Ihren Frieden wieder. Beantworten Sie folgende Fragen: ȤȤ Frage 1: Bin ich inzwischen dazu bereit, meine Wut loszulassen? Wovon (von welcher Täuschung, Überzeugung, Erwartung) möchte ich gleichzeitig loslassen? Schreiben Sie Ihre Antworten bitte auf. ȤȤ Frage 2: In welchem Sinne glaube bzw. spüre ich, dass ich dazugewonnen habe? Schreiben Sie Ihre Antworten bitte auf. ȤȤ Frage 3: Was passt am besten als Symbol für das, was sich als neuer innerer Frieden wahrnehmen lässt bzw. Ihrem Empfinden von Loslassen und Freiwerden? Finden Sie bitte ein Symbol. Tun Sie alles Aufgeschriebene in einen Briefumschlag und lesen Sie es in drei Monaten noch einmal durch. Wenn Sie möchten, können Sie es im Anschluss verbrennen. Berühren und betrachten Sie das Symbol täglich. Auswertung

Spätestens mit dem Durchlesen des Aufgeschriebenen, das heißt nach Phase 4 bzw. nachdem drei Monate seit dem Aufschreiben der Antworten der Phase 4 vergangen sind, sollte bilanziert werden. In einem therapeutisch unterstützten Prozess sollte auf die individuellen Gründe eingegangen werden, die einer Veränderung entgegenstehen. Diese Anteile sollten exploriert werden, damit ihre Funktion verstanden und wertgeschätzt werden kann. Es kann eine Konferenz der inneren Für- und Widersprecher einberufen werden, um Optionen für eine Veränderung auszuhandeln. Quelle/Literatur Tipping, C. C., Schossig, M. (2004). Ich vergebe: der radikale Abschied vom Opferdasein. Bielefeld: Kamphausen.

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Praktische Anwendung

In Ausgleich mit sich kommen Bei diesem Ritual geht es darum, zwei Aspekte (Seiten) von Ihnen miteinander sprechen zu lassen. Entspannungsübung zur Einstimmung Beginnen Sie mit dem Schaffen eines angenehmen rituellen Rahmens für sich. Führen Sie eine kleine Meditation durch, bei der Sie sich auf Ihren Atem konzentrieren. Anleitung

Finden Sie die zwei Aspekte von sich, die miteinander sprechen sollen, indem Sie diese beiden Aspekte in A und B aufteilen: A ist Ihr wohlwollender, liebevoller Teil, der Ihnen beisteht, offen und tolerant ist. Ein guter Freund, der keine Schuldzuweisungen macht, sondern Verständnis aufbringt. B ist Ihr verletzter, zorniger, trauriger, verbitterter Teil, der sich missverstanden fühlt und leidet. Atmen Sie mehrmals tief und ruhig ein und stellen Sie sich dann beim Einatmen vor, wie A sein Herz ganz weit öffnet, Liebe und Mitgefühl empfindet und ausstrahlt. A nimmt B (mit den Empfindungen, die ihn nach dem Einatmen charakterisieren) in sein Herz wie in einer Umarmung auf. Aller Schmerz und alles Leid werden in dieser Umarmung aufgelöst (wie Schnee, der in der Sonne schmilzt). Wenn Sie ausatmen, stellen Sie sich vor, dass A mit seiner Warmherzigkeit und heilenden Liebe, seinem Vertrauen und seiner Freude am Leben B dazu verhilft, das festgehaltene Leid endlich loszulassen, abzustreifen, abfließen zu lassen.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Andauernde Schuldgefühle Zum Anwendungsgebiet andauernder Schuldgefühle passen auch einige Übungen des Anwendungsgebiets Musterunterbrechung und Musterveränderung. Andauernde Schuldgefühle können mehrere Gründe haben. Normen geben uns Halt und Orientierung; wenn wir sie brechen, kann das nicht nur ein Zeichen für eine Verfehlung, sondern auch für die Enge der bisherigen Selbstkontrolle sein. Die Haltung der Selbstkontrolle und damit zusammenhängende andauernde Schuldgefühle können zu überhöhten Idealen und Identitätsauffassungen gehören.

Geben Sie sich eine Chance?! Anleitung Beschriften Sie Zettel mit den Hauptvorwürfen, die Sie gegen sich erheben und wegen denen Sie Schuldgefühle haben. Legen Sie die Zettel vor sich auf den Boden. Nehmen Sie nun eine Außenperspektive ein und fragen Sie sich, ob es auch Erklärungen, Ängste, mutige Aspekte, Sehnsüchte etc. gibt, die das scheinbar verwerfliche Verhalten notwendig gemacht haben. Beschriften Sie Zettel mit diesen Motiven und legen Sie sie zu den jeweils passenden Zetteln mit den Vorwürfen. Auswertung

Wenn es Ihnen schwerfällt, diese Zusammenführung von Vorwürfen und Motiven zu ertragen, nehmen Sie etwas Abstand. Überlegen Sie, was ein wohlwollender Freund sagen würde.

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Praktische Anwendung

Von Schuld zur Verantwortung Anleitung Wenn Sie etwas wirklich bereuen, belassen Sie es nicht einfach bei Schuldvorwürfen, Gram und Selbstbestrafung, überlegen Sie sich stattdessen: Was könnte ich als Ausgleichshandlung für das, was ich bereue, anerkennen? Beachten Sie: Diese Ausgleichshandlung darf keine schädliche Wirkung haben, sondern muss eine positive Aktion darstellen. Nehmen Sie sich die Ausgleichshandlung vor und führen Sie sie durch. Beglückwünschen Sie sich im Anschluss in einer Zeremonie für die gelungene Wiedergutmachung. Himmel und Erde In dieser Meditation geht es um eine innere Stärkung und Reinigung (um das Sich-Lösen von belastenden Gefühlen, Bewertungen und Haltungen). Die Übung wird zu einem Ritual, wenn Sie sich einen zeremoniellen Rahmen für sie schaffen: Zeit für sich, innere Fokussierung auf einen Wunsch (eventuell, indem Sie sich zunächst auf einen Zettel schreiben, was Sie ändern möchten). Entspannungsübung zur Einstimmung

Beginnen Sie mit einer Entspannungsübung eigener Wahl. Anleitung Teil 1

Gehen Sie im ersten Teil der Übung mit Ihrer Vorstellungskraft zum Element Erde – stellen Sie sich die Kraft der Erde, ihre Energie vor und lassen Sie diese Energie in sich aufsteigen. Stellen Sie sich vor, wie die Energie der Erde zunächst durch Ihre Füße, Ihre Beine, Ihr Becken, Ihren Rücken, Ihre Arme bis in Ihren Kopf steigt und dann in Ihr Herz. Nehmen Sie die Energie der Erde einatmend auf und atmen Sie alles, was Sie nicht mehr benötigen mit jeder Ausatmung aus, und zwar so lange, wie es Ihnen nötig erscheint. Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Im Anschluss nehmen Sie die Energie der Erde bei der Einatmung auf und schicken sie nun zu den Körperstellen, die schmerzen oder besonders viel Kraft und Energie brauchen. Auch hier wiederholen Sie den Vorgang so lange mit weiteren Ein- und Ausatmungen, wie es Ihnen notwendig erscheint. Anleitung Teil 2

Gehen Sie im zweiten Teil der Übung mit Ihrer Aufmerksamkeit zum Element Himmel und wiederholen Sie die Anleitung des ersten Teils nun in Bezug auf das Element Himmel. Auswertung

Sie können nach der Meditation den eventuell beschriebenen Zettel verbrennen und auf einen neuen Zettel schreiben, was sich anstelle der Missempfindungen (zum Beispiel der Schuldgefühle) bei Ihnen eingestellt hat. Mit Hilfe des Atems meditieren und bitten Entspannungsübung zur Einstimmung Suchen Sie sich einen ruhigen ungestörten Raum und lassen Sie ihre Gedanken zur Ruhe kommen. Schließen Sie die Augen, wenn Ihnen das angenehm ist. Sobald Sie ruhig und bei sich sind, beginnen Sie mit der Übung. Anleitung

Stellen Sie sich die Situation, an die sich Ihr Schuld- oder Schamgefühl bindet, noch einmal genau vor. Bitten Sie sich innerlich von ganzem Herzen um Verzeihung und atmen Sie dabei ganz bewusst aus. Atmen Sie ebenso bewusst wieder ein und bitten Sie sich dabei um Verständnis, Versöhnung und Vergebung. Atmen Sie in diesem Rhythmus weiter. Beenden Sie die Übung, wenn Sie so weit sind.

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Praktische Anwendung

Angstbewältigung Ängste erfordern häufig eine Anwendung von Verfahren, die mit verschiedenen Aspekten des körperlichen und psychischen Wohlbefindens verbunden sind. In Psychotherapien wird deshalb oft empfohlen, Bewegung, Sport, Beruhigungs- bzw. Entspannungsverfahren mit dem Aufbau von Selbstfürsorge (das heißt dem Aufbau von Selbstakzeptanz, einer Wahrnehmung eigener Grenzen und Bedürfnisse und einer Selbststärkung), der Veränderung angstaufrechterhaltender innerer Muster und dem Vorhaben zu kombinieren, sich mit gemiedenen Situationen zu konfrontieren. Wir raten dazu, bei Angst Achtsamkeits-, Zentrierungs- und musterändernde Rituale anzuwenden. Im Folgenden wird dieser Rat um einige spezifische Rituale der Angstbewältigung ergänzt.

Lichtimagination Dieses Ritual ist auch bei körperlichen Beschwerden und Kränkungen hilfreich. Entspannungsübung zur Einstimmung

Beginnen Sie mit einer Zeremonie der Konzentration und Entspannung eigener Wahl. Anleitung

Stellen Sie sich ein Licht vor, das sich von oben (vom Himmel) den Weg zu Ihrem Herzen sucht. Es scheint zunächst auf Ihren Kopf, durchdringt ihn dann angenehm wärmend und sammelt sich in Ihrem Herzen. Von dort aus verteilt es sich durch Ihren ganzen Körper, bis in die Fingerspitzen und Zehen hinein. Stellen Sie sich vor, dass dieses Licht reinigt sowie Anspannung und Angst verdrängt. Sie können diese Vorstellung noch verstärken, indem Sie sich vorstellen, wie Sie das reinigende Licht einatmen. Beim Ausatmen entweicht alles, was Sie loslassen und abbauen wollen. Bei körperlichen Beschwerden schicken Sie das Licht zu den betroffenen Körperstellen. Mit dem Einatmen des Lichtes können Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Sie die Wirkung noch verstärken. Beim Ausatmen lassen Sie dann von allem Belastenden los, indem Sie es mit dem Atem aus Ihrem Körper hinausbefördern. Auswertung

Nehmen Sie sich etwas Zeit, um die kleinsten Unterschiede vor und nach dieser Meditation wahrzunehmen. Haben sich Missempfindungen verändert? Wie? Hat sich Ihre Wahrnehmung verändert? Mut-Tier Entspannungsübung zur Einstimmung Schaffen Sie sich eine angenehme und ungestörte Atmosphäre. Entspannen Sie sich auf eine Weise, die es zulässt, dass Sie sich auf eine Vorstellung dessen, was Angst macht, einlassen können. Anleitung

Stellen Sie sich vor, wovor Sie Angst haben. Für den Mut, den Sie brauchen, lassen Sie sich ein aktuell passendes Tier einfallen. Lassen Sie auf sich wirken, welches Tier auftaucht, wofür es steht, wie es den Mut zeigt. Sie können das Tier bitten, sich Ihnen als Unterstützung zur Seite zu stellen. Vielleicht ist es auch möglich, sich für eine kurze Zeit vorzustellen, Sie wären selbst das Tier. Nehmen Sie wahr, wie sich das anfühlt. Auswertung

Was hat sich geändert?

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Praktische Anwendung

Sich mit der Kraft der Angst verbinden Anleitung Finden Sie ein Symbol der Angst, das verbrennbar ist (ein Foto, ein Bild, eine getrocknete Pflanze etc.). Machen Sie sich klar, welche Energie in diesem Symbol steckt. Verbrennen Sie dieses Symbol nun. Beim Verbrennen fächeln Sie sich den Rauch zu, um ihn einzuatmen. Stellen Sie sich dabei vor, wie Sie Kraft aufnehmen (das heißt, sich mit der Kraft der Angst verbinden, indem Sie sie aufnehmen). Müllentsorgung Diese Übung sollte mit einem Psychotherapeuten zusammen durchgeführt werden. Entspannungsübung zur Einstimmung Beginnen Sie mit einer Einstimmung und Entspannungsübung eigener Wahl. Anleitung

Suchen Sie sich einen ruhigen Ort und konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung. Stellen Sie sich Situationen oder Momente der Angst bzw. Panik mit Ihrem inneren Auge vor. Was trug zu Ihrer Belastung und zu Ihrem Unbehagen bei? Was fällt Ihnen alles dazu ein? Lassen Sie alle Aspekte zu, möglichst ohne sie innerlich zu bewerten. Stellen Sie sich eine schöne Kiste oder Box vor, in der Sie nun all das, was Sie in vergangenen Angstsituationen belastet und Ihnen Unbehagen verursacht hat, hineinlegen, wie Gegenstände, die Sie wegräumen. Wenn Sie nichts mehr hinzufügen möchten, schließen Sie die Kiste. Bringen und stellen Sie die Kiste an einen Ort, der für Sie geeignet ist, ganz davon loszulassen. Sie können sich nun vorstellen, an diesem Ort alles zu verbrennen. Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Variante

Sie können den letzten Teil des Rituals auch praktisch durchführen: Bauen oder besorgen Sie sich eine geeignete Kiste und legen Sie das, was Ihnen eingefallen ist, als Symbol oder aufgeschrieben auf einem Zettel, hinein. Begraben oder verbrennen Sie die Kiste samt Inhalt. Befreiung Dieses Ritual erfordert genügend Ruhe für die mit ihm verbundene innere Auseinandersetzung. Vielleicht benötigen Sie auch Stift und Papier zum Aufschreiben sowie Pausen zwischen den einzelnen Fragen bzw. Aufforderungen. Anleitung

Setzen Sie sich mit folgenden Fragen/Aufforderungen auseinander, schreiben Sie Ihre Antworten, wenn Sie möchten, auf: ȤȤ Wann ist Angst gut, notwendig und hilfreich (weil sie zum Beispiel der Vorsicht oder auch der Bereitschaft zu Kampf oder Flucht dient)? ȤȤ Wann vermeide ich etwas aufgrund der Angst? Kann ich mir das, was ich vermeide, wenigstens zeitweilig zugestehen? ȤȤ Wann darf ich die Angst als Stütze bzw. Krücke benutzen? ȤȤ Geben Sie sich innerlich eine Erlaubnis: »Ich muss nichts durchhalten!«, »Ich darf jede Entscheidung, jede Situation, die mich überfordert, wieder verändern!« oder mit einem passenden persönlichen Satz. ȤȤ Was betrachte ich als Schwäche bei mir? Warum? Könnte diese vermeintliche Schwäche auch ein Hinweis sein, sich weniger perfektionistisch zu bewerten und anzutreiben? – Finden Sie ein Symbol und eine typische Aussage für Ihren Perfektionismus.

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Praktische Anwendung

Ambivalenz und Entscheidungsprobleme Entscheidungen bringen mit sich, dass man sich meist mit der Entscheidung für etwas auch gegen etwas anderes entscheiden muss. Ambivalenz und Unsicherheit gehören also mit zu dem, was Entscheidungen kennzeichnet. Ein inneres Pendeln zwischen den Möglichkeiten kann als Probehandeln verstanden werden. Das langwierige Abwägen, Nachdenken und Beraten führt aber auch zu einer andauernden Verunsicherung. Es fällt dann sogar oft zunehmend schwer, ein deutliches Kriterium für eine Entscheidung zu finden. Wenn andauernde Entscheidungsprobleme entstehen, sind meist zudem Ängste und Selbstverurteilungsmechanismen die Folge und somit am weiteren Entscheidungsprozess beteiligt. Die folgenden Rituale können helfen, einen Entscheidungsprozess zu fördern und aus mit Entscheidungsprozessen verbundenen Dilemmata herauszufinden. Und sie können dazu beitragen, dass sowohl kognitive als auch emotionale Aspekte in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Spaltentechnik Führen Sie diese Technik wiederholt durch (Vorschlag: 1 x wöchentlich). Anleitung Auf einem Blatt Papier teilen Sie die Entscheidungsoptionen in zwei durch einen Strich getrennte Spalten, eine linke und eine rechte, auf. Sie können jetzt auf beiden Seiten unsortiert notieren, welche Vor- und Nachteile beide Optionen haben. Wenn Ihnen keine neuen Einschätzungen mehr einfallen, suchen Sie sich einen Platz im Zimmer, der für die eine Option steht. Nehmen Sie diesen Platz ein und stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn Sie so entschieden hätten. Achten Sie sowohl auf Ihre Gefühle als auch auf Ihre Gedanken. Suchen Sie danach einen Platz für die alternative Option. Versetzen Sie sich auch in diese hinein, indem Sie sich auf den Platz stellen als hätten Sie sich bereits für diese Option entschieden. Achten Sie auch dieses Mal auf Ihre Gefühle und Gedanken. Danach können Sie die Plätze noch ein- oder zweimal wechseln. Auswertung Was ist Ihnen aufgefallen? Gibt es aktuell eine Tendenz?

Tetralemma Bei dieser Übung empfehlen wir die Unterstützung durch den anwesenden Psychotherapeuten. Die Technik dieser Übung unterstützt das kreative Hinterfragen und produziert oft neue Sichtweisen. Anleitung

Sie brauchen etwas Platz und fünf Zettel oder Karten. Auf diese schreiben Sie Folgendes: 1. »das eine«, 2. »das andere«, 3. »beides«, 4. »keins von beiden«, 5. »dies nicht und auch das nicht«. 134

Praktische Anwendung

Sie legen die Karten über Kreuz mit etwas Abstand zueinander auf den Boden. Die fünfte Karte (»dies nicht und auch das nicht«) legen Sie außerhalb des Kreuzes in einer Entfernung von etwa einem Meter aus. Treten Sie nun an die erste Karte heran, sprechen Sie die Alternative aus und ein Stichwort dafür. Machen Sie das auch in der Nähe der zweiten Karte so. Treten Sie nun noch einmal an die erste Karte heran. Treten Sie einen Schritt zurück, sprechen Sie die Option und das Stichwort aus. Schauen Sie die Karte dabei an. Achten Sie aufmerksam auf alle Reaktionen Ihres Körpers. Mit der dritten Karte, auf der »beides« steht, geht es weiter. Versuchen Sie hier nicht nachzudenken (alles ist irgendwie möglich!). Wechseln Sie jetzt von der dritten zur vierten Karte. Danach ist noch die fünfte Karte an der Reihe. Auswertung

Was ist Ihnen aufgefallen? Gab es deutliche körperliche Zeichen? Quelle/Literatur Varga von Kibéd, M., Sparrer, I. (2005). Ganz im Gegenteil. Tetralemma-Arbeit und andere Grundformen Systemischer Strukturaufstellungen. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.

Einen Pakt fürs Nachhinein mit sich schließen Die Angst vor einer nachträglichen Verurteilung der eigenen Entscheidung und damit verbundenen Selbstverurteilung lähmt. Deshalb kann es hilfreich sein, wenn Sie vor der Entscheidung einen Vertrag mit sich verfassen. Anleitung Verfassen Sie einen Vertrag, in dem Sie sich versprechen, dass Sie sich nach der von Ihnen zu treffenden Entscheidung nicht verurteilen, sondern stattdessen loben werden. Halten Sie in Ihrem Vertrag schriftlich fest, dass Sie sich im Nachhinein sagen werden, dass Sie mutig waren. Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Hartnäckige (psycho-)somatische Beschwerden Im Zusammenspiel zwischen Körper und Psyche kann es zu hartnäckigen Beschwerden kommen. Die folgenden Rituale bzw. Übungen richten sich spezifisch an diesem Phänomen aus.

Freundschaft mit dem eigenen Körper schließen Nehmen Sie sich Zeit, um mit dieser Übung begleitend und regelmäßig Ihre Beziehung zu Ihrem Körper zu verbessern. Anleitung

Nehmen Sie sich zwei Stühle, einen für Ihren Körper, einen für Ihr Ich. Wechseln Sie laufend die Stühle und damit zwischen Körper und Ich hin und her. Sprechen Sie dabei zunächst jeweils als Körper und Ich nur darüber, wofür Sie dem jeweils anderen danken wollen. Was tut das Ich für den Körper, was der Körper für das Ich? Interessieren Sie sich dafür, was das jeweilige Gegenüber braucht. Lassen Sie sich überraschen, was Ihnen auf dem jeweiligen Stuhl einfällt. Quelle/Literatur Seemann, H. (2005). Freundschaft mit dem eigenen Körper schließen. Stuttgart: Pfeiffer. Phillips, M. (2013). Chronische Schmerzen behutsam überwinden. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.

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Praktische Anwendung

Kommen und gehen lassen Mit dieser Übung können Sie aus einem gewohnten, aber für Ihren Körper ungünstigen Umgang der Kontrolle und kontrollierenden Selbstbeobachtung in Bezug auf die Symptome, die Ihr Körper zeigt, herauskommen, damit sich natürliche Abläufe Ihres Körpers wieder einstellen können. Bei vielen Symptomen (Schlafstörungen, Tinnitus und Ähnlichem) entsteht ein Teufelskreis zwischen Beschwerden, gesteigerter Aufmerksamkeit, Bemühen um Kontrolle und Unterdrückung und der Steigerung der Intensität des Symptoms. Es geht also in diesem Ritual darum, neue Erfahrungen im Umgang mit dem Symptom zuzulassen, etwas abzulegen und etwas kommen zu lassen. Anleitung

Finden Sie ein Symbol für Ihre Kontrollbemühungen im Hinblick auf das Symptom. Finden Sie außerdem ein Symbol für das, was Sie sich wünschen, was entstehen und kommen soll (Ruhe, Entspannung, angenehme Müdigkeit …). Verwahren Sie beide Symbole in einem Raum Ihrer Wahl. Stellen Sie ein Ritual auf, indem Sie jeden Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt (nicht direkt vor dem Zubettgehen) das Symbol für die Kontrolle in einen anderen Raum bringen, zurückkehren in den Raum Ihrer Wahl, dort das Symbol für das Erhoffte in die Hand nehmen und sich nur darauf konzentrieren, mit Ihrer Hand zu erspüren, was das Symbol in sich trägt, Ihnen vermittelt. Auswertung

Was ist anders?

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Arbeit mit Tieren Diese Übung kann auch zur Stärkung, im Hinblick auf Entscheidungsfragen oder als eine Technik der Selbstzuwendung eingesetzt werden. Die Tiere stellen Selbstaspekte von uns dar und können uns daher helfen, diese Aspekte besser und leichter zu verstehen, zu integrieren. Sie können uns auf diese Weise behilflich bei einer Heilung von Symptomen, die unser Körper zeigt, sein. Tiere sollten respektvoll und achtend von uns behandelt werden. Für die Indianer symbolisiert jede Eigenschaft des menschlichen Körpers ein Tier (Totem). Auch jedem Chakra (Energiezentrum) können Tiere zugeordnet werden. In dieser Funktion bzw. Zuordnung können die Tiere uns helfen, uns begleiten, Krankheiten heilen und uns darin unterstützen, Ziele zu erreichen. Anleitung

Entspannen Sie sich zunächst. Stellen Sie sich vor, dass Sie sich in dieser Entspannung hilfreiche Bilder schicken lassen können. Rufen Sie in Ihrer Vorstellung ein Tier und bitten Sie es, zu Ihnen zu kommen. Erscheint ein Tier, begrüßen Sie es und fragen Sie, was das Tier von Ihnen braucht (zum Beispiel etwas zu trinken, eine Versorgung, weil es verletzt ist …). Sie können dem Tier Fragen stellen: ȤȤ Was hast du mir mitgebracht? ȤȤ Hast du eine Botschaft für mich? ȤȤ Wie geht es weiter? (Gehen Sie eine innerliche Unterhaltung mit dem Tier ein). ȤȤ Darf ich in dich hineinschlüpfen? ȤȤ Gibt es noch weitere Schritte, die ich bezüglich meiner dir bekannten Beschwerden bzw. meiner dir bekannten Problematik tun kann? Falls keine sprachliche Kommunikation in Ihrer Vorstellung zu­ stande kommt, beobachten Sie, was das Tier ohne Worte ausdrückt. Bedanken Sie sich für das Kommen und verabschieden Sie sich. Das Treffen mit einem Krafttier kann dabei helfen, herauszufinden, was gut tut. 138

Praktische Anwendung

Variante

Diese Übung kann auch so durchgeführt werden, dass Sie sich das Symptom als Tier vorstellen. Wenn es möglich ist, schaffen Sie damit auch etwas Distanz zum Symptom. Beschäftigen Sie sich in dieser Vorstellungsübung damit, was das Tier braucht, um sich zu beruhigen, zu entspannen und sich zurückzuziehen. Sie können das Tier auch danach fragen. Quelle/Literatur Gallegos, E. S.(1991). Indianisches Chakra-Heilen. München: Erd.

Ruhiger Schlaf Anleitung Stellen Sie sich vor, dass ein lieber Mensch Ihnen belastende Gedanken, belastende Träume von den Haaren abpflückt (kann ein Helfer simulieren). Variante

Stellen Sie sich vor, dass Sie Träume in Flaschen abfüllen können. Welche möchten Sie lagern, welche möchten Sie abholen lassen, welche möchten Sie heute Nacht öffnen …? Das Ganze können Sie real mit einem Zettel umsetzen, auf den Sie Ihren Wunschtraum schreiben, und mit einer Flasche, auf die Sie diesen Zettel kleben (die also Ihren Wunschtraum enthält), und die Sie probeweise neben Ihr Bett stellen.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Die Sippe zusammentrommeln Diese Methode stammt aus familien- und sozialtherapeutischen Ansätzen in den USA (Speck u. Attneave, 1972), die in Einwanderungsfamilien die Tradition der Hilfe aus der Gemeinschaft nutzten. Es ist auch möglich, diese Methode bei Angst oder Krisen einzusetzen. Anleitung

Rufen Sie die Personen aus Ihrem Bekanntenkreis und Familienkreis zusammen, die hilfreich sein können. Lassen Sie die Organisation des Treffens am besten einen Freund übernehmen. Für einen Tag kommen dann alle zusammen. Sorgen Sie dafür, dass ein gemeinsames Essen organisiert wird. Setzen Sie sich, bevor alle gemeinsam essen, mit den anderen zusammen. Schildern Sie vor allen Ihr Leiden. Lassen Sie sich im Anschluss in zwei Runden die Reaktionen der anderen schildern, wobei sich deren Darstellungen an folgenden Vorgaben orientieren: 1. Runde: Anteilnahme, Mitgefühl, Verständnis. 2. Runde: Umgang der Beteiligten mit selbst erlebten Erfahrungen. Quelle/Literatur Speck, R. V., Attneave, C. (1972). Family Networks. New York: Pantheon.

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Praktische Anwendung

Abschied, Verlust, Trennung und Tod versus Loslassen und Neubeginn »Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst. Wir müssen einem Leben Lebewohl sagen, bevor wir in ein anderes eintreten können.« Anatole France

Durch den Vergleich mit anderen Kulturen können wir erfassen, dass uns für viele der überindividuell erfolgenden Wechsel in den verschiedenen Lebensphasen und -stufen die Rituale abhanden gekommen sind (zum Beispiel für den Eintritt ins Schulalter, das Schuljahresende, die Jahreswenden, den Schulwechsel, den Eintritt ins Erwachsenenalter, Auszüge, Umzüge, Trennungen). Bei solchen Lebensereignissen geht es um das Verabschieden einer Phase und das Sich-Einlassen auf eine neue Phase, also um einen Übergang. Solche Veränderungsprozesse wurden und werden in anderen Kulturen oft hilfreich mit Naturrhythmen synchronisiert (zum Beispiel mit Mondphasen). Derartige Beobachtungen weisen uns darauf hin, wie hilfreich eine betonte Würdigung dessen, was bei Übergängen geschieht, und entsprechende Zeremonien sein können. Übertragen wir daher die traditionellen Muster auf unsere Lebensweise und überlegen uns entsprechende Rituale, können wir den Übergang, können wir Abschied und Neuanfang mittels ritueller Handlungen bewusster gestalten und besser bewältigen. Abschiedsmöglichkeiten

Beim Abschied können einzelne Handlungen als wiederholtes oder singuläres Ritual eingesetzt werden und demjenigen, der Abschied nimmt, helfen, von etwas Belastendem loszulassen. Im Folgenden sind beispielhaft einige solcher hilfreichen Abschiedsrituale zusammengestellt: ȤȤ einen Abschiedsbrief schreiben (siehe Übung dazu), ȤȤ eine Botschaft übergeben (zum Beispiel an einen Baum heften), ȤȤ sich einen Raum für die eigene Wut zugestehen und einen Ort und eine Handlung für sie finden (schreien, boxen, stampfen …), ȤȤ etwas in einen imaginierten Tresor legen, Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ

eine Kerze in einer Kirche entzünden, Steine, Blumen, Botschaften ans Grab legen, einen Erinnerungsplatz gestalten, eine Erinnerungsfeier organisieren und gestalten, eine Geschichte über den Abschied schreiben.

Trauerarbeit, Versöhnungsritual und Rollenspiel

Durch Rituale werden alte Verbindungen wiederhergestellt und neue Gemeinschaft erlebbar. Tote können in einem Ritual einbezogen werden. Das kann zum Beispiel sinnvoll sein, wenn jemand unter seiner eigenen Wut auf seine verstorbenen Eltern leidet. In einer (Therapie-)Gruppe können diese Personen in einem Ritual von Mitgliedern repräsentiert werden. Der Unversöhnte tritt ihnen (als Rollenspieler) gegenüber und spricht vorher festgelegte Sätze, die er passend zu seinen Gefühlen gefunden hat, aus. Dies kann dazu führen, dass der alte Groll überwunden werden kann, so dass der Betroffene sich nicht mehr zu sehr an die Vergangenheit bindet. Jellouschek (1999) berichtet von Ritualen mit Paaren, die ihre Trauer um ein verstorbenes Kind (Tot- oder Fehlgeburten, Schwangerschaftsabbruch) noch nicht ausdrücken konnten. In einer (Therapie-)Gruppe wurde ein Gruppenmitglied zwischen die beiden als Rollenspieler für das verlorene Kind gesetzt. Die Eltern sollten beide dem repräsentierten toten Kind die Hand auf den Kopf legen. Die durch diese erlebnisaktivierende Vorgehensweise ermöglichte Trauer kann dazu führen, dass sich die Partner wieder begegnen und eine gemeinsame Trauer empfunden werden kann, bei der die Wut das Akzeptieren und Loslassen nicht mehr länger blockiert. Drei Phasen eines Übergangs

Es lassen sich drei Phasen eines Übergangs nach einer Trennung benennen: In der ersten Phase wird die Trennung von etwas Vertrauten erlebt bzw. erlitten, zum Beispiel von der Familie, vom üblichen Lebensraum oder von gewohnten Handlungsabläufen. In der zweiten Phase geht es darum, in eine andere Welt, eine Welt ohne das Vertraute, hineinzufinden. Diese Phase stellt den Zeit-

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Praktische Anwendung

raum für eine besondere Erfahrung. Zu ihr gehören Gefühle der Verwirrung, der Orientierungslosigkeit und der Angst. In der dritten Phase hilft die bewusste rituelle Gestaltung des Übergangs, die bewusste Planung eines Ausnahmezustands oder einer Auszeit, die Gefühle der Verwirrung, Orientierungslosigkeit und Angst zu bewältigen. Hier setzt die erste Übung dieses Anwendungsgebiets an, die Übung »Begleitung eines Übergangs«.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Begleitung eines Übergangs Anleitung Zunächst müssen Sie eine bewusste Trennung vom Vertrauten planen: Was gehört dazu? Wo und wodurch kann ich mich intensiv auf meine Gefühle einlassen: an welchem Ort; indem ich mir eine Auszeit nehme; durch eine Reise, eine Wanderung? Finden Sie hilfreiche Begleiter (einen inneren Freund, eine weise Stimme, die Lebenskraft) für den bewusst geplanten Ausnahmezustand (die Trennung vom Vertrauten, die Auszeit). Da Sie während des Ausnahmezustands (der Auszeit, Reise, Wanderung …) in einem Zwischenreich zwischen Altem und noch unklarem Neuem ankommen, kann es zu einer Orientierungslosigkeit kommen. Diese gehört dann dazu und sollte angenommen werden. Es ist hilfreich, während dieser Zeit auf Gewohntes zu verzichten (Handy, Fernsehen, Uhr, Zeitungen, Reden, Essen – gut vorbereitetes Fasten kann sinnvoll sein …). Die hilfreichen Begleiter, die Sie gefunden haben, dürfen Sie in dieser Zeit rituell rufen und befragen, so oft Ihnen danach ist. Achten Sie darauf, dass der Ausnahmezustand nicht überfordernd und quälend werden sollte. Sie können das in dieser Zeit Gefundene (das neue Empfinden für sich selbst; die Bedeutung des Verlustes für die eigene Entwicklung; die Wahrnehmung dessen, was hilfreich ist; das Begreifen der eigenen Stärke …) in Form eines Symboles verdichten. Die Rückkehr in den gewohnten Lebensraum sollten Sie vorbereiten und strukturieren (Absprachen, Ankündigung, eine Feier). Sie sollten eine Verbindlichkeit gegenüber dem Erlebten und Gefundenen anstreben, dafür sorgen, dass es im neuen Leben berücksichtigt bzw. gewürdigt wird. Diese kann in einer Art Danksagung allen Hilfen und Helfern gegenüber geschehen.

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Praktische Anwendung

Abschiedsbrief Wenn Sie Schwierigkeiten haben, sich emotional nach einer Trennung zu lösen, kann Ihnen das Schreiben eines Abschiedsbriefes helfen. Anleitung

Bitte schreiben Sie über mindestens vier Wochen hinweg (einmal pro Woche, maximal 45 Minuten) einen Abschiedsbrief. Er soll nicht abgeschickt werden, sondern Sie können, wenn Sie das Gefühl haben, alles mitgeteilt zu haben, den Brief in einer Zeremonie der Natur übergeben (zum Beispiel ans Meer fahren, um ihn dort ins Wasser zu werfen). Schreibritual fürs Abschiednehmen Anleitung Ziehen Sie sich täglich zur gleichen Zeit für eine bestimmte Zeit (Vorschlag: eine bis maximal eineinhalb Stunden) an einen Ort zurück. Schreiben Sie an ungeraden Tagen alle guten und bösen Erinnerungen an das Zusammensein mit dem Partner auf (auch, wenn Sie Sätze wiederholen müssen). Lesen Sie an den geraden Tagen das, was Sie aufgeschrieben haben, und verbrennen Sie es anschließend. Lassen Sie nicht zu, dass Sie zu anderen Zeiten über die Thematik lange nachdenken (Gedankenstopp – eine mit einem Psychotherapeuten zu erlernende Technik). Literatur Shazer, S. de (1992). Mara Selvinis Revolutionen. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Räuchern Dieses Ritual kann zur innerlichen Ruhe und zur Klarheit beitragen. Anleitung

Sie benötigen Räucherwerk, zum Beispiel getrocknete Salbeiblätter, ein Gefäß und Streichhölzer. Entzünden Sie die Blätter im Gefäß und lassen Sie sie ein paar Minuten brennen. Schauen Sie ruhig und entspannt den Flammen zu. Blasen Sie nun die Flammen aus und beobachten Sie, wie der Rauch aufsteigt. Formulieren Sie Ihren Loslass-Satz, zum Beispiel: »Ich übergebe dem Rauch meine Angst vor …« Oder möchten Sie sich mit dem Rauch einer inneren und äußerlichen Reinigung unterziehen? Strecken Sie Ihre Hände über den Rauch und reiben Sie sie aneinander (als wenn Sie sie waschen würden). Auch hierbei können Sie einen Wunsch hinsichtlich dessen formulieren, wovon Sie sich lösen/reinigen möchten. Oder Sie fächern sich den Rauch zu, um Ihren gesamten Körper zu reinigen. Möchten Sie das Räuchern beenden, bleiben Sie so lange entspannt sitzen, wie Sie es benötigen. Lassen Sie die Salbeiblätter verglühen oder ersticken Sie den Rauch.

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Praktische Anwendung

Abschied mit Hilfe eines Geistwesens nehmen Dieses Ritual sollte im Beisein und durch Anleitung eines Therapeuten durchgeführt werden. Entspannungsübung zur Einstimmung

Stimmen Sie sich mit einer Entspannungsübung eigener Wahl auf das Ritual ein. Anleitung

Visualisieren Sie vor Ihrem inneren Auge ein hilfreiches Geistwesen (zum Beispiel Gott, Buddha). Spüren Sie die Kraft, die dieses Wesen ausstrahlt und die Sie umgibt. Stellen Sie sich die Verbindung zu diesem Wesen mit Lichtstrahlen vor. Die Lichtstrahlen stellen die Liebe und das Mitgefühl dar, die dieses Wesen ausstrahlt. Lassen Sie sich Zeit, dies zu spüren. Gehen Sie nun mit Ihrer Aufmerksamkeit zu Ihrem Schmerz, Ihrer Trauer, Ihrem Verlust. Öffnen Sie Ihr Herz und bringen Sie Ihre Verletztheit, Ihren Zorn, Ihre Schuld, eben all das, was Sie bewegt, zum Ausdruck – ist es ein Mensch, von dem Sie Abschied nehmen, drücken Sie all das aus, was Sie dem Menschen, von dem Sie sich trennen, jetzt noch mitteilen wollen. Bitten Sie um Verzeihung für das, was Sie bedauern, und vergeben Sie den Schmerz und das Leid, was Ihnen zugefügt wurde. Spüren Sie mit Ihrem ganzen Körper und Ihrer Seele, dass Ihnen vergeben wird – dass Sie liebenswert sind – spüren Sie, wie sich Ihre Trauer verändert und auflöst – wie Sie bereit werden, den anderen Menschen gehen zu lassen. Stellen Sie sich vor, wie sich der andere Mensch umdreht, Ihnen den Rücken kehrt und geht. Auswertung

Gönnen Sie sich Fürsorge und nehmen Sie sich Zeit, das Erlebte zu verarbeiten.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Einen Wunsch oder eine Bitte dem Feuer überlassen Bei diesem Ritual geht es ums Loslassen, zum Beispiel von Trauer (Tränen), Wut, Ängsten usw. Sie benötigen für dieses Ritual eine Feuerstelle (draußen oder auch einen Kamin, eine Feuerschale …). Dieses Ritual kann Erleichterung, Zufriedenheit und Freude bringen. Anleitung

Entscheiden Sie sich zunächst, was Sie loslassen oder um was Sie bitten möchten. Bereiten Sie die Feuerstelle so weit vor, dass Sie das Feuer nur noch zu entfachen brauchen. Bevor Sie das Feuer nun, zum Beispiel mit Holz, entfachen, schreiben Sie Ihren Loslass-Satz (oder Ihre Bitte) auf ein Blatt Papier. Entzünden Sie Ihr Feuer und beobachten Sie es so lange, bis es zu einem ruhigen Feuer geworden ist, nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie benötigen. Wenn Sie so weit sind, loslassen oder bitten zu wollen, dann übergeben Sie Ihren Zettel mit Ihrem Wunsch oder der Bitte dem Feuer, damit er sich im Rauch auflösen kann. Spüren Sie, wenn Sie möchten noch eine Weile die Wärme des Feuers.

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Praktische Anwendung

Tränen sammeln und dem Feuer übergeben Dieses Ritual eignet sich gut bei Trauer, Schmerz, Leid, Kummer, um Altes hinter sich zu lassen und Energien neu auszurichten. Sie können es für sich allein durchführen oder in einer Gruppe. Es geht darum, Ihren Tränen freien Lauf zu lassen, sie in einem Taschentuch (oder mehreren) zu sammeln und zu verbrennen. Anleitung

Sie benötigen: ein feuerfestes Gefäß, Streichhölzer, Taschentücher. Sie können Taschentücher mit Ihren Tränen über längere Zeit sammeln und alle zusammen dann erst später in einem Ritual verbrennen oder das Ritual bereits mit dem Weinen in ein Taschentuch beginnen. Wichtig ist Ihre Entscheidung, den Schmerz oder die Trauer loslassen zu wollen. Begeben Sie sich an einen ruhigen Ort, an dem Sie ungestört sind und an dem sich das feuerfeste Gefäß befindet. Geben Sie Ihrem Schmerz, Ihrer Trauer, Ihrem Leid genug Zeit und Raum und sammeln Sie Ihre Tränen in einem Taschentuch oder bringen Sie Ihre bereits gesammelten Taschentücher zu dem ruhigen Ort. Verbrennen Sie nun Ihr Taschentuch/Ihre Taschentücher in Ihrem Gefäß. Sie können sich dabei vorstellen, wie Ihr Schmerz sich im Feuer auflöst. Lassen Sie sich genügend Zeit und beenden Sie dann das Ritual. Quelle/Literatur Angaangaq, A., Babel, A. (2012). Schamanische Weisheit für ein glückliches Leben. München: Gräfe und Unzer.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Unerledigtes Nachholen Bei unerledigten Angelegenheiten (zum Beispiel in der Beziehung mit Verstorbenen oder unerreichbaren Personen) kann es sehr erleichternd und lösend wirken, einen Brief zu schreiben und auf diese Weise das, was nicht getan, nicht gesagt wurde, nachzuholen. Anleitung

Schreiben Sie zu einem Zeitpunkt, der sich für Sie als der richtige anfühlt, derjenigen Person, mit der etwas unerledigt geblieben ist, über das, was zwischen Ihnen noch offen ist bzw. keinen Abschluss gefunden hat. Holen Sie in einem Brief nach, was Ihnen nicht mehr möglich war. Verbrennen Sie diesen Brief oder begraben Sie ihn in der Nähe des Grabes des Verstorbenen. Quelle/Literatur Jellouschek, H. (1999). Wie Partnerschaft gelingt. Spielregeln der Liebe. Freiburg: Herder.

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Praktische Anwendung

Therapeutisch begleitetes Abschiednehmen in fünf Phasen Van der Hart (1982) unterscheidet fünf Phasen bei der Gestaltung und Durchführung von Abschiedsritualen. Dieses Fünf-PhasenModell eignet sich, um eine Klientin bzw. einen Klienten beim Abschiednehmen therapeutisch zu begleiten. Bei Menschen mit Gewalterfahrung sollten die Abschiedsrituale dieses Fünf-Phasen-Modells nicht ohne Vorbereitung in einer Therapie durchgeführt werden. Anleitung 1. Vorbereitungsphase Im Gespräch mit der Klientin/dem Klienten ist zunächst folgende Frage zu klären: Welche rituellen Erfahrungen und Traditionen sind im persönlichen und familiären Lebenskontext der Klientin/ des Klienten vorhanden? Außerdem ist wesentlich, dass der Klientin/dem Klienten vorab Informationen darüber, wie Rituale in kreativer und effektiver Weise entwickelt und durchgeführt werden können, vermittelt werden.

2. Neuordnungsphase In dieser Phase werden mit der Klientin/dem Klienten Ideen ausgetauscht und Aufgaben erarbeitet, die den inneren Verarbeitungsprozess stimulieren bzw. in Gang halten. Während dieser Phase kann die Klientin/der Klient Gegenstände herstellen, wie zum Beispiel Zeichnungen, Bilder, Geschichten, einen Abschiedsbrief schreiben und/oder Symbole sammeln, die die emotionale Verbindung zur Person oder Sache, von der die Klientin/der Klient Abschied nimmt, thematisieren. Der fortlaufende Brief hat sich dabei oft gut bewährt. 3. Abrundungsphase, das Abschiedsritual Hier führen die Klientinnen/Klienten das Abschiedsritual, das zuvor gemeinsam mit dem Therapeuten/der Therapeutin erarbeitet wurde, durch. So feiern sie zum Beispiel den Abschied von jemandem mit ausgewählten Objekten und Symbolen. Dies geschieht beispielsweise in Form von Verbrennung, Begräbnis; indem das Objekt/Symbol ins Wasser geworfen, der Luft übergeben wird etc. Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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4. Reinigung Nach dem Abschiedsritual findet eine symbolische Reinigung statt, wie zum Beispiel: die Hände waschen, duschen, die Kleidung wechseln. 5. Integration Am Ende des Fünf-Phasen-Prozesses wird der vollzogene Übergang gewürdigt und integriert. Dies kann zum Beispiel durch ein gemeinsames Essen mit Freunden oder den Besuch einer Tanzveranstaltung geschehen. Es soll ein Signal dafür sein, dass die Klientin/der Klient sich wieder in neuer Weise dem Leben zuwenden kann. Quelle/Literatur Hart, O. van der (1982). Abschiedsrituale in der Psychotherapie. München: Pfeiffer. Vogt, M., Dreesen, H. (Hrsg.) (2008). Rituale, Externalisieren und Lösungen. Dortmund: Bergmann.

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Praktische Anwendung

Schenken und beschenkt werden Bei einer Trennung kann man mit Hilfe von Geschenken eine Brücke zwischen einer vergangenen Beziehung und einer neuen Lebensphase bauen. Indem ein Symbol für das gefunden wird, was an der Beziehung bereichernd und angenehm war, kann in der sensiblen Phase des Übergangs die Wertschätzung des Vergangenen ausgedrückt werden. Über das Anerkennen dessen, was einem durch die Beziehung gegeben und durch die Trennung genommen wurde, kann das Loslassen weniger schmerzhaft verlaufen. Anleitung

Bitte suchen Sie sich ein Symbol, einen Gegenstand, der für Sie ausdrückt, was Sie aus der Beziehung an Positivem mitnehmen. Und bitten Sie auch Ihren alten Partner, sich ein Symbol zu suchen. Vereinbaren Sie dann mit Ihrem alten Partner einen Termin und einen Ort, an dem Sie sich gegenseitig diese Symbole schenken und erklären. Dieser Termin sollte zeitlich begrenzt sein (Vorschlag: maximal 45 Minuten) und nicht bei Ihnen zu Hause stattfinden. Quelle/Literatur Imber-Black, E. (Hrsg.) (1993). Secrets in Families and Family Therapy. New York: Norton & Company, S. 140.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Loslassen und ankommen Diese Übung umfasst ein Verabschiedungs- und ein Ankunftsritual und bezieht sich somit auf zwei verschiedene Phasen/zwei verschiedene Schritte des Prozesses nach einem Verlust: Erst wenn das Alte verabschiedet, das heißt losgelassen worden ist, und diese Phase somit hinter dem Trauernden liegt, ist es möglich, im Neuen anzukommen und diese Phase mit einem Ritual zu begrüßen. Anleitung

Wählen Sie Symbole der alten Zeit/Identität aus und sammeln Sie diese (Fotos, Geschenke, Kleidungsstücke, Briefe …) – auf diese Weise bekommt zunächst Ihre Trauer um die gute, alte Zeit den Raum, der ihr zusteht. Verabschieden Sie sich dann in einer eigenen, von Ihnen ausgesuchten Zeremonie (durch Verbrennen, Eingraben, ins Wasserwerfen der Symbole) von dem, was war. Nun können Sie in der neuen Zeit ankommen: Überlegen Sie sich zunächst einen passenden Rahmen für eine Feier, in der sich die Vorfreude und die neue Freiheit ausdrücken, die Sie gefunden haben. Organisieren Sie diese Feier und lassen Sie sie dann auch stattfinden. Quelle/Literatur Imber-Black, E., Roberts, J., Whiting, R. A. (1988). Rituals in Families and Family Therapy. New York: Norton & Company, S. 133 f.

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Praktische Anwendung

Den Abschiedsschmerz verwandeln Anleitung Bitte richten Sie nach Ihrem Verlust (Person, Plan, …) einen Ort in Ihrer Wohnung so ein, dass Sie dort an das Verlorene denken können (Foto, Symbol …). Zünden Sie an diesem Ort regelmäßig eine Kerze an, die Sie zu Ende brennen lassen können. Auswertung

Bitte beobachten Sie, wie sich Ihr Schmerz verändert. Was wird anders, was kommt hinzu? Sich auf etwas Neues einstellen Anleitung Denken Sie sich eine Handlung, eine Veränderung aus, mit der Sie sich auf etwas Neues einstellen können, zum Beispiel: ȤȤ Klettern Sie durch einen engen Zwischenraum hindurch, ȤȤ überschreiten Sie eine besondere Schwelle bewusst und langsam, ȤȤ waschen Sie sich an einem Bach und trinken Sie frisches Wasser, ȤȤ feiern Sie ein Fest, ȤȤ tragen Sie neue Kleidung, ȤȤ lassen Sie sich einen neuen Haarschnitt schneiden, ȤȤ verändern Sie Ihre Einrichtung ȤȤ streichen Sie die Wände in einer neuen Farbe, ȤȤ machen Sie eine Reise … Auswertung

Beobachten Sie Ihre Empfindungen und Fantasien/Träume. Finden Sie heraus, was Sie jetzt reizt bzw. worauf Sie Lust bekommen.

Rituale für den Einzelnen bzw. in der Einzeltherapie

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Altes verabschieden und Neues einladen Anleitung Denken Sie sich eine Handlung aus, mit der Sie das Alte verabschieden und das Neue einladen können, zum Beispiel: Reinigen Sie sich, um sich von alten Einflüssen zu trennen, bewusst: Nehmen Sie zum Beispiel ein Bad mit Salz oder waschen Sie sich die Hände mit Zitronensaft. Verbrennen Sie Salbei. Berühren Sie sich sanft mit Wasser, Ölen, Cremes, stimmen Sie dabei dem Übergang zu, akzeptieren Sie ihn und bedanken Sie sich für das, was war. Fokussieren Sie sich auf das, was Sie loslassen wollen und überlegen Sie sich, was Sie dafür an Neuem einladen wollen, das heißt, wünschen Sie sich konkret, was Sie fühlen wollen, wie Sie sein wollen …).

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Praktische Anwendung

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie Aus spirituellem Blickwinkel werden Paarbeziehungen als eingebettet und von positiver Energie gespeist angesehen; es wird eine Seelenverwandtschaft angenommen, die der Begegnung ihren Sinn gibt: voneinander angezogen, verbunden und eine Herausforderung füreinander sein. Das Gemeinsame und die individuelle Wechselwirkung in der Beziehung werden als eine Chance für die eigene Weiterentwicklung betrachtet. Die Energie der Liebe fließt in dem Einzelnen und durch den Einzelnen hindurch zum anderen. Diese Energie kann man nutzen und genießen, man kann ihr aber auch dankbar sein und versuchen, ihr zu dienen. Diese Haltung kann sich durch die Relativierung individueller Bedürfnisse positiv auswirken. Die Bedeutung einer harmonischen Übereinstimmung besteht aus spiritueller Sicht in einem Streben nach Achtsamkeit im Umgang mit sich und dem anderen, darin, in Kontakt mit sich und bei sich zu sein. Aus dieser Haltung heraus kann es leichter gelingen, den anderen zu lassen, wie er ist. Auch wenn man sich als Partner aneinander reiben muss, um herauszufinden, ob man wirklich und immer noch zusammenpasst. Die (unbewusste) Suche nach einer Ergänzung zum eigenen Wachstum findet im anderen ihre Entsprechung. Der andere verkörpert das, was ich brauche bzw. meine, zu brauchen. Aus einer ressourcenorientierten Sicht ergeben sich daraus eine Haltung der Verantwortungsübernahme für das Leid und eine Wertschätzung für die gemeinsame Suche. Die Liebesbeziehung ist die Chance, sich auf das Lieben einzulassen und hinderliche Erfahrungen (Ängste und Kränkungen) zu überwinden. Es gilt, die Beziehung anzunehmen und sich in ihr zu verwirklichen, so dass man mit dem anderen zusammen mehr zu sich kommen kann. Idealerweise kann man sich so wie den anderen auf diese Weise besser akzeptieren und sich letztlich ohne Erwartungen genießen und freigeben. Dies Ideal ist ein Ziel und kann in Momenten erlebt werden, die die Orientierung in Richtung auf die Idealvorstellung verstärken. Hierbei ist der Weg das Ziel. Das Belastende und Konflikthafte kann als Impuls für die Weiterentwicklung jedes Einzelnen entgegengenommen und verziehen Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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werden. Zufriedenheit, ein Gleichgewicht und guter Kontakt mit sich sind in einer Paarbeziehung aus spiritueller Perspektive dementsprechend prinzipiell möglich; Probleme, Schwierigkeiten und Schwächen können in jedem Einzelnen integriert werden, ohne sie am anderen auszulassen oder festzumachen. Folgende Frage und Antwort entsprechen dieser Sichtweise: Wie kann es sein, dass mich der andere noch aus dem Gleichgewicht bringen kann? Ich bin auch für diesen Impuls dankbar, denn ich kann durch ihn weiterkommen. Der Sinn einer Beziehung stellt sich also aus einem spirituellen Blickwinkel anders als ohne einen solchen dar: Es soll nicht mehr heißen: Ich liebe dich, weil ich dich brauche, sondern: Ich brauche dich, weil ich dich liebe.

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Praktische Anwendung

Beziehungspflege Damit eine Paarbeziehung sich positiv weiterentwickelt und als zufrieden, harmonisch und im Gleichgewicht empfinden kann, ist es wichtig, sie zu pflegen. Die im Folgenden zusammengestellten Rituale und Übungen unterstützen Paare daher dabei, sich ihrer Beziehung zu widmen, sich um sie zu kümmern und sie zu fördern.

Schreibritual Anleitung Sie benötigen beide Papier und Stifte. Vereinbaren Sie miteinander eine feste, gemeinsame Zeit (Vorschlag: 45 Minuten) pro Woche, in der Sie ungestört sind. Setzen Sie sich an einem ruhigen Ort zusammen. Zünden Sie eine Kerze an, machen Sie sich etwas Angenehmes zum Trinken. Lassen Sie jeweils für sich Ihren Tag Revue passieren. Erinnern Sie sich an Dinge, die Sie erfolgreich gemeistert haben, an angenehme, schöne Erlebnisse, an Dinge, die Sie gelernt haben … Schreiben Sie jeweils für sich auf, was Ihnen dazu alles einfällt und bedanken Sie sich zum Abschluss bei sich und Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin für die gelungenen Dinge, Ihr Engagement und die schönen Erlebnisse. Lesen Sie sich gegenseitig vor, was Sie aufgeschrieben haben. Hören Sie zu, wertschätzen Sie mit dem anderen, was er erlebt hat. Auswertung

Dieses Ritual kann dabei behilflich sein, dass Sie Ihren Tag gut abschließen. Und es ist vor allem dazu da, diesen guten Tagesabschluss mit dem Partner bzw. der Partnerin zu teilen. Sie können sich selbst und dem anderen, wenn Sie möchten, zudem Rückmeldungen geben: Was hat mich überrascht? Was vermisse ich noch in der Aufzählung?

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Dankbarkeit Eine besonders günstige Wirkung kommt in glücklichen Beziehungen der bewussten Würdigung des Glücks und der Gemeinsamkeiten zu. Ein besonderer Anlass dazu kann das Überstehen einer schweren Zeit, die Gesundung nach einer Krankheit oder Ähnliches sein. Anleitung

Um Ihr Beziehungsglück und Ihre Gemeinsamkeiten zu würdigen und Ihre Dankbarkeit auszudrücken, können Sie sich zum Beispiel zu einem besonderen Essen und Trinken verabreden oder dazu auch noch andere einladen. – Nach einer überstandenen schwierigen Zeit, zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung, gibt ein gemeinsames Essen genug Zeit dafür, dass Sie als betroffenes Paar und eventuell auch mit eingeladenen Freunden und Verwandten über das Erlebte und Überstandene reden können. Ein Essen gibt grundsätzlich genug Zeit, um einander Geschichten zu erzählen und auf diese Weise das Miteinander zu schätzen. Manchmal eignet sich aber auch eine ganz andere Art von Aktion gut, um die Beziehung zu ehren, zum Beispiel ist es möglich, dass Sie etwas Kaputtes (wie zum Beispiel eine Tasse …) gemeinsam wieder reparieren. Vielleicht haben Sie ja die eine oder andere eigene Idee, womit Sie Ihr Glück und Ihre Gemeinsamkeiten würdigen oder für etwas danken können, das die Beziehung glücklich überstanden hat. Quelle/Literatur Jellouschek, H. (1999). Wie Partnerschaft gelingt. Spielregeln der Liebe. Freiburg: Herder.

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Praktische Anwendung

Zusammengehörigkeit Rituale werden oft intuitiv eingesetzt, wenn es um das Thema Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft geht, also wenn zum Beispiel ein neues Familienmitglied hinzukommt, jemand Abschied nimmt und aus einer Gemeinschaft ausscheidet, Gruppen sich wieder oder erstmals zusammenschließen oder wenn es um den Zusammenhang und Zusammenhalt der Generationen geht. Anleitung

Zeigen Sie sich als Paar in angenehmen und bestätigenden Ritualen eigener Wahl, dass sie sich darüber freuen, zusammen zu sein, und/ oder vollziehen Sie Lebensabschnitte gemeinsam nach (zum Beispiel: Lieblingsessen kochen, Urlaubsziele, Dia- oder Fotoabende am Laptop, Fotobücher, bestimmte Wanderungen …).

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Ambivalenz Ambivalenz als Gefühl im Hinblick auf eine Paarbeziehung, das heißt eine verunsicherte Überprüfung des Beziehungsstatus, kann als weniger bedrohlich und verletzend aufgefasst werden, wenn wir in der Ambivalenz eine nötige Dynamik für Weiterentwicklung sehen: Wie ist es mit dem Partner? Was war gut, was war nötig, was ist es nun nicht mehr? Was fehlt? Was ist der eigene Impuls, dies zu ändern? Um nicht dauerhaft in ambivalenten und indifferenten Gefühlen dem Partner bzw. der Partnerin gegenüber stecken zu bleiben, ist es sinnvoll, die Hintergründe dieser Ambivalenz und Indifferenz zu verstehen und daran zu arbeiten, wie sie überwunden werden können.

Überwinden alter, hinderlicher Reste Häufig verbindet sich mit dem Beobachten einer stagnierenden Entwicklung und Ambivalenz gegenüber dem Partner bzw. der Partnerin das Gefühl der Ohnmacht, zum Beispiel nach Ereignissen, die in der Gegenwart nachwirken oder bei sogenannten unerledigten Angelegenheiten. Wenn das bei Ihnen als Paar der Fall ist und Sie trotzdem neu miteinander anfangen wollen, hilft Ihnen dieses Ritual dabei, die Reste dessen, was zur Ambivalenz geführt hat, zur Sprache zu bringen, über sie zu verhandeln und sie dadurch zu überwinden. Anleitung

Suchen Sie gemeinsam dicke Steine oder Hölzer und legen Sie sie auf einen Haufen. Geben Sie diesem Brocken einen Namen und entscheiden Sie konkret, über welche der den Brocken bildenden Steine oder Hölzer noch verhandelt werden muss. Werfen bzw. bringen Sie die anderen Hölzer und Steine in einen See (Wald oder etwas Ähnliches). Quelle/Literatur Jellouschek, H. (1999). Wie Partnerschaft gelingt. Spielregeln der Liebe. Freiburg: Herder.

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Praktische Anwendung

Aussprechen In Partnerschaften und damit auch in Paartherapien gibt es immer wieder ambivalente Situationen. Die Partner beklagen einerseits zwar den eingetretenen Zustand, der zudem nur noch wenig Energie für Veränderungen aufweist, es gibt aber andererseits auch die Angst vor dem Schritt der Trennung. Anleitung

1. Nehmen Sie, Partner A, und Sie, Partner B einander gegenüber Platz. 2. Sprechen Sie, Partner A, zunächst für die eine Seite: 3. »Ich will dich! Ich sage JA zu dir! Komm lass es uns gemeinsam schaffen!« 4. – Pause – 5. Nach der Pause sprechen Sie, Partner B, ebenfalls diese Sätze: 6. »Ich will dich! Ich sage JA zu dir! Komm lass es uns gemeinsam schaffen!« 7. – Pause – 8. Sprechen nun, nach der Pause, wieder Sie, Partner A, aber dieses Mal für die andere Seite: 9. »Ich will nicht mehr! Ich sage NEIN! Kann sein, dass es zu Ende ist.« 10. – Pause – 11. Auch Sie, Partner B, sprechen nun diese Sätze: 12. »Ich will nicht mehr! Ich sage NEIN! Kann sein, dass es zu Ende ist.« 13. Tauschen Sie sich schließlich darüber aus, wie Sie beide die Übung erlebt haben (was aktivieren die Sätze in mir?). Quelle/Literatur Jellouschek, H. (1999). Wie Partnerschaft gelingt. Spielregeln der Liebe. Freiburg: Herder.

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Trennung7 Trennungsrituale für Paare sind entwickelt worden, damit sich das Paar in der Trennungssituation das Vergangene nochmals anschauen kann. Solche Rituale in einer Therapiesituation sorgen dafür, Worte für Unausgedrücktes oder Vermiedenes zu finden.

Würdigung im Abschied Dieses Ritual eignet sich zum einen, wenn Sie sich als Paar einig darin sind, dass Sie es für richtig oder unumgänglich halten, sich zu trennen, zugleich aber deutlich spüren, wie wichtig die gemeinsame Zeit war und dass Sie sich das erhalten wollen, und zum anderen, wenn Sie für eine gemeinsame Elternschaft sorgen wollen. Anleitung

Sagen Sie einander den nachfolgenden, vorgegebenen Text in einer dafür miteinander ausgemachten Zeremonie vor: »Ich danke dir für das, was ich von dir bekommen habe. Es war viel und es bedeutet mir viel. Ich werde immer dafür dankbar sein und mich daran erinnern. Für das Belastende und Störende in unserer Beziehung übernehme ich meinen Teil der Verantwortung und überlasse dir deinen Teil.« Nehmen Sie dann mit den folgenden Worten bewusst Abschied voneinander: »Ich verabschiede mich von dir. Ich gehe jetzt meinen Weg und lasse dich deinen Weg gehen.« Quelle/Literatur Jellouschek, H. (1999). Wie Partnerschaft gelingt. Spielregeln der Liebe. Freiburg: Herder.

7 Siehe zum Thema Trennung auch die Übungen, die wir für die Anwendung in der Einzeltherapie vorschlagen, und zwar in dem Abschnitt: »Abschied, Verlust, Trennung und Tod versus Loslassen und Neubeginn«, Seite 141 ff.

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Praktische Anwendung

Trennungsritual Dieses Ritual soll den Prozess des Sich-Trennens und des Auseinander-Gehens fördern. Es besteht aus drei Schritten und einer Textvorgabe für das Abschiedsritual (Lebewohl-Sagen) am Ende des dritten, das heißt letzten Schrittes. Es sollte mit einem Therapeuten durchgeführt werden. Anleitung

1. Schritt Beginnen Sie als Paar, das sich voneinander trennt, mit einer gemeinsamen Vorbesprechung des Trennungsrituals, das Sie gemeinsam durchführen wollen. Lesen Sie sich dann die Textvorgabe für das Abschiedsritual aufmerksam durch (siehe weiter unten) und formulieren Sie sie gemeinsam entsprechend Ihrer eigenen Trennungssituation um. Sammeln Sie Symbole, die sowohl wichtig für das sind, was für Sie die Beziehung wertvoll und gut, als auch für das, was sie für Sie schwer und schließlich nicht weiter fortführbar gemacht hat. 2. Schritt Sehen Sie Ihre im ersten Schritt gemeinsam ausgewählten Formulierungen für das Trennungsritual noch einmal durch (hinterfragen Sie eventuell mit Ihrem Therapeuten noch einmal Täter-Opfer-Muster). Das Ziel des Rituals ist, einen Weg zur Befreiung und Erleichterung zu finden und zu beschreiten. Überlegen Sie sich einen Rahmen für das Ritual, den Sie für passend halten und der Ihnen beiden zusagt (zum Beispiel Dinge, die eine passende Atmosphäre schaffen, wie Kerzen oder Blumen; eine zusätzliche Zeremonie, wie die Rückgabe der Eheringe). 3. Schritt Sagen Sie einander zunächst mit Ihren eigenen Worten anhand der von Ihnen gesammelten Symbole: ȤȤ Was war wertvoll, gut und wichtig? ȤȤ Was habe ich mitgenommen? ȤȤ Was war auch schwer? ȤȤ Was hat es unmöglich gemacht, die Beziehung fortzusetzen? Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Dann sprechen Sie nacheinander den von Ihnen gemeinsam umformulierten Text. Sie können den Text anschließend auch noch gegenseitig (eventuell mit dem Therapeuten als Zeugen) unterschreiben. Außerdem können Sie zusätzlich Karten an die Angehörigen entwerfen und verschicken. Textvorgabe für das Abschiedsritual

»…, ich nehme, was du mir gegeben hast. Es war eine ganze Menge. Ich danke dir dafür, und ich will es in Ehren halten. Und auch du kannst nehmen, was ich dir gegeben habe. Ich habe es gerne getan. An dem, was zwischen uns schiefgegangen ist, trage ich meinen Teil der Verantwortung, und ich lasse dir deinen Teil dieser Verantwortung. Ich würdige dich als Mutter/Vater unserer Kinder, und ich will, soweit es an mir liegt, weiter zu ihrem Wohl mit dir zusammenarbeiten. Als Partner/Partnerin verabschiede ich mich jetzt von dir. Ich wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Weg. Ich gehe meinen Weg jetzt weiter ohne dich. Leb wohl!« (Die drei Pünktchen zu Beginn der Textvorlage stehen für den Namen des Partners bzw. der Partnerin, von dem bzw. von der Sie sich trennen.) Der vorgegebene Abschiedstext betont bewusst die Anerkennung des Guten und den Charakter der Klärung. Hellinger (1995) beschreibt, dass diese beiden Aspekte es den Partnern erleichtern, auseinanderzugehen. Die Trauer kann und muss dabei noch einmal viel Raum und Zeit bekommen. Das Trennungsritual wird so zu einem (auch moralischen) Gegengewicht zur Eheschließung. Quelle/Literatur Hellinger, B. (1995). Ordnungen der Liebe. Heidelberg: Carl-Auer Verlag. Jellouschek, H. (1999). Wie Partnerschaft gelingt. Spielregeln der Liebe. Freiburg: Herder.

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Praktische Anwendung

Dauerhafte Muster Mit dauerhaften Mustern sind wiederholte, hartnäckige Interaktionen gemeint. Sie sind oft schwer zu verändern, selbst wenn man erkennt, dass auch die eigenen Reaktionen, beteiligten Emotionen und Handlungsweisen nicht hilfreich sind. In Paarbeziehungen wird häufig empfunden, dass das eigene Verhalten durch das des anderen ausgelöst wurde. So ergibt sich eine Wechselwirkung, die der Einzelne nicht leicht durchbrechen kann. Muster verabschieden Ein Zustand A soll beendet werden, ein Zustand B wird jedoch nicht erreicht, weil eine schwer zu überschreitende Schwelle besteht. Was tun? Wie können Rituale und Spiritualität in diesem Fall weiterhelfen? Zum einen eignet sich in derartigen Situationen die Verwendung eines Symbols oder einer symbolischen Handlung als eine (spirituelle) Lösung jenseits der Sprache, mit der sich die bestehenden Muster verabschieden lassen. Ein Symbol, das für den Zustand A steht, ermöglicht ein (neues) Handeln in einer Situation, in der man sich sonst ohnmächtig fühlt. So umgeht man mit dem Symbol die bisherigen Muster. Es ist in solchen Fällen eventuell sinnvoll, das Symbol eine Zeitlang zu behalten, um sich mit dem Zustand A noch einmal gründlich (innerlich) zu befassen. Zum anderen ermöglicht die Schaffung eines besonderen Rahmens die Verabschiedung eines Musters. Bereits Feierlichkeit setzt einen neuen Rahmen. Aber auch Sprechhilfen durch vorgegebene Worte oder die Bildung einer neuen Gemeinschaftlichkeit stellen einen neuen Rahmen her. Solch bewusst geschaffene besondere Rahmen erleichtern das Loslassen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass beide Partner eine einigermaßen übereinstimmende Sicht im Hinblick auf den neuen Rahmen und die damit verbundenen Abläufe (Rituale) teilen. Erst dann ist zum Beispiel eine Symmetrie der Vorgänge (als gemeinsames Tun oder in dem Sinne: erst der eine, dann der andere) möglich. Das heißt: Es ist hilfreich, das Ritual gemeinsam zu schaffen, aber es soll schließlich einen festen Ablauf haben (Regie). Manchmal ist es notwendig, beiden Partnern noch Zeit zu lassen, bis schließlich beide bereit sind, ein Ritual durchzuführen (es Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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muss vorher zwar nicht alles gelöst sein, aber manchmal sind die Kränkungen noch zu frisch, ist das Rachebedürfnis noch zu groß). Nachfolgend werden einige Rituale und Übungen zur Verabschiedung dauerhafter Muster vorgeschlagen. Alte Muster überwinden – ein Schreibritual Sie benötigen beide Papier und Stifte für diese Übung. Anleitung

Schaffen Sie sich zunächst für das Miteinander eine ruhige, besinnliche und konzentrierte Situation. Eventuell ist dafür ein Zusammentreffen auf neutralem Boden hilfreich. Beantworten Sie jeder für sich folgende Fragen und schreiben Sie Ihre Antworten auf: ȤȤ Was hindert mich daran, von alten Lasten, Verletzungen und Enttäuschungen loszulassen (sie hinter mir zu lassen)? ȤȤ Was davon brauche ich noch? Wofür? (Was ginge womöglich verloren, wenn ich damit abschließen, es loslassen würde?) ȤȤ Was ist mein Anteil daran, dass sich bei uns immer wieder die gleichen eingefahrenen Abläufe einstellen? Welche Rolle spielt dabei das, wovon ich nicht loslassen kann? Überlegen Sie sich ein Symbol für den Rest, den Sie noch nicht loslassen können. Teilen Sie miteinander, was Sie davon mitteilen wollen (es ist nicht nötig, bereits jetzt über alles zu reden). Tragen Sie eine Woche das von Ihnen gewählte Symbol täglich mit sich herum. Nehmen Sie sich nach dieser Woche erneut etwas gemeinsame Zeit für die Fragen und Ihre Antworten. Auswertung

Was hat sich geändert? Was möchten Sie jetzt?

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Praktische Anwendung

Spiel der gewohnten Gedanken Anleitung Schaffen Sie sich fürs Miteinander eine angenehme, ruhige Stimmung und setzen Sie sich zusammen. Überlegen Sie jeder für sich im Stillen, in welchen Lebensbereichen Schwierigkeiten und Konflikte auftauchen. Nehmen Sie sich Zeit und machen Sie sich bewusst, welche Überzeugungen Sie in Bezug auf diese Schwierigkeiten und Konflikte in sich tragen: Wovon gehen Sie aus (eigene Interpretationen)? Überprüfen Sie Ihre Annahme. Sind Sie sicher, dass sie stimmt? Kann nicht auch etwas anderes stimmen? Was führt bei Ihnen selbst zu dieser Interpretation der Schwierigkeiten und Konflikte in der Beziehung? Wie würde es sich auswirken, wenn Sie diese Überzeugung loslassen könnten? Stellen Sie sich vor, was sich dann verändern würde. Wie fühlt es sich an, wie ändert sich durch diese Vorstellung Ihr Denken? Wie würde sich Ihr verändertes Denken auf die Situationen, in denen die Schwierigkeiten und Konflikte auftauchen, auswirken? Auswertung

Erzählen Sie nun einander, worauf Sie gestoßen sind. Hören Sie genau zu. Versuchen Sie nicht zu diskutieren und zu kommentieren. Wie wirkt das auf Sie, wenn Sie das vom Partner hören? Quelle/Literatur Kornfield, J. (2008). Das weise Herz. München: Random House.

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Tausch festgefahrener Rollen Wenn Sie in Ihrer Paarbeziehung an festgefahrenen Rollen (aktivpassiv, versorgend-empfangend, autonom-anhänglich, sicher-ängstlich, stark-schwach, stark-stark) etwas verändern wollen, können Sie sich für Neues öffnen, indem Sie sich diese Rollen klarmachen. Die Übung ermöglicht dies mit Hilfe eines Rollentausches. Anleitung

Phase 1 Stellen Sie und Ihr Partner sich folgende zwei Fragen: ȤȤ Wie geht es dem anderen mit seiner Rolle? ȤȤ Was betrachte ich als Vor- und Nachteile seiner Rolle? Sprechen Sie miteinander darüber. Phase 2 Vereinbaren Sie einen Probetag, an dem Sie Ihre Rollen tauschen. Versuchen Sie an diesem Tag, sich in die Rolle des anderen zu versetzen und durchweg das andere zu tun. Bleiben Sie humorvoll und neugierig. Besprechen Sie Ihre Erfahrungen. Phase 3 Stellen Sie und Ihr Partner sich folgende zwei Fragen: ȤȤ Wofür brauche ich den anderen so? ȤȤ Was verschafft mir der andere mit seiner einseitig gewordenen Haltung? Besprechen Sie Ihre Antworten auf diese Fragen. Phase 4 Wechseln Sie Ihre Rollen über eine Woche und wählen Sie für diesen Wechsel gerade und ungerade Tage aus: Nehmen Sie an geraden Tagen die Rollen wie gewohnt ein und an ungeraden Tagen genau andersherum.

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Praktische Anwendung

Aussteigen aus Machtkämpfen Jellouschek (2001) vergleicht in seinem Vortrag Paare, bei denen fast jedes Thema zu einem neuen Ausgangspunkt für einen Streit werden kann, mit »zwei verletzten Kindern, die vom anderen versorgt werden wollen«. Beide verlangen diese Versorgung vom anderen und sind wütend, wenn Ihre Bedürftigkeit vom anderen nicht befriedigt wird. Das Ritual schafft einen Schutz (eine gutartige Symmetrie), der erlaubt, dass Sie sich als Paar in Ihrer Bedürftigkeit begegnen. Die eingespielte, bösartige Symmetrie schafft hingegen negative Wiederholungen, weil jeder Angst vor der Aggression des anderen haben muss. Anleitung

Nehmen Sie einander gegenüber Platz und wechseln Sie einander beim Sprechen und Zuhören ab: Zunächst spricht Partner A folgenden Satz: »Mein sehnlichster Wunsch an dich ist …« Er wiederholt seinen Satz dreimal. Dann wechseln Sie die Rollen (Sprecher/Zuhörer) und Partner B spricht folgenden Satz: »Mein sehnlichster Wunsch an dich ist …« Er wiederholt seinen Satz ebenfalls dreimal. Jeder macht sich in den folgenden Tagen den Satz des Partners einmal am Tag bewusst. Quelle/Literatur Jellouschek, H. (2001). Rituale in der Paar- und Ehetherapie. Vortrag, CD 1149. Müllheim-Baden: Auditorium Netzwerk.

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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An geraden Tagen habe ich Recht, an ungeraden der andere Wenn Konflikte in Paarbeziehungen dauerhaft symmetrisch eskalieren (keiner gibt nach) und Überzeugungen gegensätzlich bleiben, kann dieses Ritual helfen, ein besseres Verständnis für die Einstellung des anderen zu entwickeln. Anleitung

Vereinbaren Sie für sechs, zwölf oder 18 Tage, dass alle zwei Tage der andere Recht hat – der eine also an allen geraden und der andere an allen ungeraden Tagen. Entscheiden Sie per Münzwurf, wer anfangen soll. Leben Sie Ihr Leben/Ihren Alltag in der verabredeten Zeit entsprechend dieser Vorstellung (Haltung). Auswertung

Nach den vereinbarten Tagen wird ausgewertet, was dieses Experiment an Erfahrungen gebracht hat. Was war wie erwartet? Was war anders? Die Auswertung sollte zu keiner Abmachung führen und ohne ein festes Ergebnis, zu dem Sie kommen, bleiben. Lassen Sie sich überraschen, wie sich die Übung auswirkt. Quelle/Literatur Boscolo, L., Bertrando, P. (1994). Die Zeiten der Zeit. Eine neue Perspektive in systemischer Therapie und Konsultation. Heidelberg: Carl-Auer Verlag.

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Praktische Anwendung

Nähe und Distanz Das richtige Maß an Nähe (Intimität) und Distanz (Grenzsetzungen) in einer Paarbeziehung zu finden, gehört zu den Dingen, die schwierig, aber für ein zufriedenes, harmonisch-ausgeglichenes Miteinander notwendig sind. Die zu diesem Anwendungsgebiet vorgeschlagenen Übungen und Rituale ermöglichen es zum einen, in einer Paarbeziehung Nähe zu schaffen und die Beziehung auf diese Weise zu fördern und zu pflegen, zum anderen wird zur Setzung von Grenzen ermutigt.

Mit(einander)schwingen Es geht in diesem Paarritual darum, sich gemeinsam zu erleben und einander Rückmeldungen zu geben. Anleitung Vorbesprechung Verabreden Sie zunächst eine Zeit und einen Ort für Ihr Ritual. Verständigen Sie sich außerdem vorab auf eine Musik, die Sie beide mögen und gemeinsam beim Ritual hören möchten – alternativ wäre auch vorstellbar, dass Sie gemeinsam Bilder oder Fotos betrachten und sich vorab auf diese verständigen.

Phase 1 des Rituals Ihre Aufgabe ist, sich zur Musik, die Sie gemeinsam hören, zu bewegen, aber jeder für sich. Jeder tut dies für sich, ohne ein Wort. Bitte lassen Sie auf sich wirken, wie das wirkt. Phase 2 des Rituals Vereinbaren Sie nun, dass Sie unterschiedliche Rollen übernehmen: Partner A ist der Vortänzer und B versucht sich auf die Bewegungen des anderen einzustellen. Machen Sie vor der nächsten Phase eine Pause: Was ist Ihnen aufgefallen (bei sich und beim anderen)? Wie war es für A die Führung zu übernehmen, für B sich anzupassen?

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Phase 3 des Rituals Im direkten Anschluss an Phase 2 werden die Rollen getauscht. Partner B ist jetzt der Vortänzer und A versucht sich auf die Bewegungen des anderen einzustellen. Sprechen Sie über folgende Fragen: Was war anders? Was fiel leichter oder schwerer? Warum? Wann empfanden Sie sich nahe, wann entfernt? Was ermutigte zur Annäherung? Wie ist es, sich dem anderen so zu zeigen? Wie ist es, die eigene Stimmung zu zeigen? Wie ist es, sich auf die Stimmung des anderen einzulassen? Wechselspiel von Nähe und Distanz Grenzen zu haben und zu setzen, ist ein wesentlicher Teil von uns. Die Grenzen drücken aus, wer wir sind, sie unterscheiden uns von anderen. Grenzen spürt man, wenn es darum geht, wie nahe uns jemand kommen darf, wo wir uns berühren lassen wollen, wie wir behandelt werden wollen. Diese Grenzen sind situations- und stimmungsabhängig. Es geht dabei nicht um richtig und falsch. Bei dieser Paarübung ist es hilfreich, sich zunächst einen stimmungsvollen Rahmen zu schaffen (Ruhe, Ungestörtheit). Es wird etwas Raum benötigt, um sich gemäß der Vorgaben bewegen zu können. Anleitung

Legen Sie eine Reihenfolge fest, wer anfangen darf. A lässt B langsam auf sich zugehen. Er sagt dann stopp, wenn B ihm zu nahe kommt. Besprechen Sie die Erfahrung. Wann haben Sie, A, stopp gesagt? Wie hat B das Stopp wahrgenommen? War es klar und deutlich? Erneuter Durchgang: dieses Mal mit langsameren Schritten und vorzeitigem Stopp, danach B näher kommen lassen. Besprechen Sie, was anders war.

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Praktische Anwendung

Danach wechseln Sie die Rollen: B lässt A langsam auf sich zugehen. B sagt dann stopp, wenn A ihm zu nahe kommt. Besprechen Sie die Erfahrung. Wann haben Sie, B, stopp gesagt? Wie hat A das Stopp wahrgenommen? War es klar und deutlich? Erneuter Durchgang: dieses Mal mit langsameren Schritten und vorzeitigem Stopp, danach A näher kommen lassen. Besprechen Sie, was anders war. Auswertung Was bedeutet die Erfahrung dieser Übung für Sie? Was bedeuten Ihnen Ihre Grenzsetzung und das erlebte Wechselspiel von Nähe und Distanz? Wo sehen Sie Ähnlichkeiten zum Alltag, dazu, wie Sie in diesem Grenzen setzen bzw. zu spät oder undeutlich setzen? Quelle/Literatur Louden, J. (1998). Tut Euch gut! Das Wohlfühlbuch für Paare. Freiburg: Bauer.

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Fußmassage Das Massieren der Füße kann eine sehr entspannende, wohltuende Fürsorge sein. Anleitung Verabreden Sie sich zur gegenseitigen Fußmassage. Besorgen Sie sich Öl, machen Sie den Raum warm, decken Sie den Massierten nach der Massage mit einer warmen Decke zu. Die Massage kann bei gedämpftem Licht und/oder angenehmer Musik erfolgen. Die empfohlene Zeit liegt zwischen fünf und dreißig Minuten. Dabei soll möglichst wenig gesprochen werden. Sie sollten sich als Masseur bequem an die Füße desjenigen, den sie massieren, setzen können. Sie dürfen nach eigenem Empfinden streichen, drücken und reiben, sollten sich aber versichern, ob der Massierte bei zu sanfter Berührung vielleicht das Kitzeln nicht mag bzw. bei starkem Druck auf schmerzhafte Stellen eine weniger starke Massage wünscht. Auswertung

Was war angenehm, was unangenehm? Wie ist es, sich massieren zu lassen bzw. zu massieren (gebend oder empfangend zu sein)? Was löst es an Gefühlen aus?

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Praktische Anwendung

Mein Rückzug – ein Schreibritual Dieses Ritual unterstützt Sie als Paar darin, sich damit auseinanderzusetzen, wann und warum sich der eine jeweils vom anderen zurückzieht. Sie benötigen Papier und Stifte. Anleitung

Schaffen Sie sich als Paar eine ruhige, besinnliche und konzentrierte Situation. Eventuell ist dafür ein Zusammentreffen auf neutralem Boden hilfreich. Beantworten Sie in einem ersten Schritt jeder für sich schriftlich folgende Fragen: 1. Wodurch wird mein Rückzug ausgelöst? Wann reagiere ich mit Rückzug? Warum bleibe ich nicht aktiv, offen, im Kontakt mit dir und spreche das aus, was ich denke und fühle? 2. Wie kann ich mir selbst wieder in den Kontakt mit dir zurückhelfen? Was stärkt mich, meinen Mut, mein Vertrauen? 3. Was von dir ist hilfreich, um im Kontakt mit dir zu bleiben oder in den Kontakt zurückzufinden? 4. Was beobachte/vermute ich, was dich dazu bringt, dich von mir zurückzuziehen? Stimmen meine Vermutungen? 5. Was lösen meine Vermutungen über deine Gründe für den Rückzug bei mir aus? Woher kenne ich diese Reaktion? In einem zweiten Schritt wählen Sie nun aus, was Sie dem anderen von dem, was Sie aufgeschrieben haben, mitteilen möchten. Begrenzen Sie das Gespräch von vornherein (Vorschlag: zwanzig Minuten, wobei erst der eine zehn Minuten redet, der andere nur zuhört und sich dann die nächsten zehn Minuten abgewechselt wird).

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Gemeinsames Dieses Ritual unterstützt Sie als Paar darin, sich damit zu beschäftigen, was es an gemeinsamen Interessen, Unternehmungen und Freuden früher einmal gab und was daraus inzwischen geworden ist. Anleitung

Schaffen Sie sich eine ruhige, besinnliche und konzentrierte Situation. Eventuell ist dafür ein Zusammentreffen auf neutralem Boden hilfreich. Sprechen Sie über alte gemeinsame Interessen, Unternehmungen, Freuden (möglichst ohne Vorwurf, aufzählend). Was ist daraus geworden? Warum? Überlegen Sie, was Ihr Anteil daran ist. Welche Gründe haben Sie, an neuen Interessen Ihres Partners nicht teilnehmen zu wollen? Wobei wünschten Sie, dass Ihr Partner dabei wäre, dass er ebenfalls Freude und Interesse daran hätte?

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Praktische Anwendung

Ohne Worte Anleitung Schaffen Sie sich eine ruhige, besinnliche und konzentrierte Situation. Stellen Sie sich darauf ein, sich mit den Händen zu berühren und dabei möglichst nicht zu reden. Setzen Sie sich einander gegenüber hin. Entscheiden Sie gemeinsam, wer anfängt. Wechseln Sie sich dann ab. Berühren Sie die Hände des anderen. Erkunden Sie sie. Sammeln Sie in Ihren Händen Energie, die Sie dann auf die Hände des anderen übertragen. Stehen Sie auf, drücken Sie mit Ihren Händen am Körper des anderen Ihr Mitgefühl und gegebenenfalls auch Trost aus. Jetzt drücken Sie mit Ihren Händen aus, wie Sie um Verzeihung bitten. Streifen Sie als Nächstes die Frustration und den Ärger des anderen an seinem Körper ab. Drücken Sie jetzt mit Ihren Händen aus, dass Sie ihm Schutz geben wollen. Wenn Sie etwas gemeinsam betrauern, drücken Sie das mit Ihren Händen aus. Auswertung

Was haben Sie empfunden? Was hat gut getan?

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Spannung und Anziehung In den Ritualen und Übungen dieses Anwendungsgebiets geht es darum, die Spannung und Anziehung in Partnerschaften zu fördern, die Paarbeziehung wieder energetisch aufzuladen oder neu zu entflammen (sozusagen in die Glut eines heruntergebrannten Feuers zu blasen). Auch die Rituale und Übungen des vorherigen Anwendungsgebiets, die der Förderung der Nähe dienen, können zu einem guten Teil die Spannung und Anziehung in einer Paarbeziehung fördern (siehe »Mit(einander)schwingen«, »Fußmassage«, »Ohne Worte«).

Die Faust öffnen Diese Übung können Sie, wenn Sie wollen, zu einem öfter wiederholten Ritual werden lassen. Auf diese Weise ist es Ihnen möglich, zu verfolgen, wie sich die Dynamik und die Muster beim Aufeinander-Eingehen mit der Zeit entwickeln. Anleitung

Setzen Sie sich einander gegenüber hin. Verabreden Sie, während der Übung nicht zu reden und die Aufmerksamkeit auf die eigenen Empfindungen und Impulse zu lenken. Es geht darum, nicht erwartungsgemäß zu handeln, sondern sich auf die aktuell naheliegenden Reaktionen einzulassen. Sie, Partner A, ballen eine feste Faust und legen den Arm auf dem Knie ab. Sie, Partner B, haben die Aufgabe, die Faust von A zur Öffnung zu bewegen. Es soll keine schmerzhafte Erfahrung werden, eine kraftvolle Auseinandersetzung hingegen ist erlaubt. Falls die Dynamik still stehen bleibt, sollte nach fünf Minuten abgebrochen werden. Im Anschluss wechseln Sie die Rollen: Nun ballen Sie, Partner B, eine feste Faust und legen den Arm auf dem Knie ab, und Sie, Partner A, haben die Aufgabe, die Faust von B zur Öffnung zu bewegen.

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Praktische Anwendung

Auswertung

Bitte überinterpretieren Sie nicht! Was war in dieser Situation los? Wozu hat die Aufgabe geführt? Wie haben Sie sich beide gefühlt, was hat Sie veranlasst, so zu handeln? Was davon kennen Sie aus anderen Situationen (miteinander und auch außerhalb der Beziehung)? Was hätte die Faust gebraucht, sich zu öffnen, bzw. was hat sie geöffnet? Was bedeutet das für Ihre Ansprechbarkeit und füreinander? Wünsche erfüllen Partner können sehr davon profitieren, wenn sie sich erlauben, offen über ihre Wünsche und Sehnsüchte zu sprechen. Wenn es gelingt, diese Äußerungen sensibel aufzunehmen, als Kompliment zu betrachten und aus ihnen keine Vorwürfe oder Forderungen zu machen, ist es möglich, sich darüber klar zu werden, was möglich ist. Dazu kann gehören, dass sich die Partner klar darüber werden, welche Rollenverteilung sich entwickelt hat. Ist einer mehr der Gebende, der andere mehr der Nehmende geworden. Warum? Ist diese Rollenaufteilung befriedigend? Anleitung

Verabreden Sie, dass jeder von Ihnen innerhalb der nächsten vier Wochen an diskreten Orten Zettel deponiert, die für den anderen bestimmt sind. Auf diese Zettel dürfen Sie schreiben, was Sie mit dem anderen erleben möchten. Der andere findet diese Zettel und wählt dann aus, welche Ihrer Wünsche tatsächlich realisiert werden. Das Ritual gestaltet sich eventuell freier, wenn Sie miteinander verabreden, erst nach den vier Wochen über Ihre Zettel und Wünsche zu reden.

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Auswertung

Im Austausch darf dann zunächst im Fokus stehen, worauf die Übung positiven Einfluss hatte. Dann kann es interessant werden, auch darüber zu sprechen, was nicht umgesetzt wurde, woran es lag bzw. was gehindert hat. Über sexuelle Wünsche reden (oder schreiben) Es kann ein erotisches Spiel werden, sich für eine gewisse Zeit vorzunehmen, sich aktuelle Lieblingsfantasien zu einer erotischen Begegnung zu schreiben oder zu erzählen. Anleitung

Erzählen oder schreiben Sie einander darüber, was Sie sich gerade in Bezug auf eine erotische Begegnung vorstellen, was diesbezüglich Ihre Lieblingsfantasien sind. Dies fällt Ihnen leichter, wenn es darum geht, einander auf diese Weise besser kennenzulernen und sich mit sexueller Energie zu füllen, Sie aber keine Erwartung damit verbinden, dass Ihre Fantasien genau umgesetzt werden sollen.

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Praktische Anwendung

Streitlöser Die nachfolgenden Rituale und Übungen unterstützen Paare darin, Streitsituationen zu entspannen, für bestehende Spannungen, Verwundungen, Kränkungen, Enttäuschungen oder Vorwürfe einen Ausgleich zu finden, sich miteinander zu versöhnen, anstatt immer wieder miteinander zu streiten.

Abstand für ein besseres Verständnis finden Wenn Paare in einen Streit geraten, der sich nicht unmittelbar lösen lässt bzw. zu wiederholten Missstimmungen führt, ist es sinnvoll, aus der gewohnten Interaktion auszusteigen. Anleitung

Die folgenden vier Schritte helfen Ihnen, sich aus einer Streitsituation zu lösen und das Thema, das den Streit ausgelöst hat, ruhiger anzugehen. 1. Schritt Vereinbaren Sie ein Signalwort für das Unterbrechen des Streitgesprächs. 2. Schritt Suchen Sie zusammen oder jeder für sich einen Ort der Ruhe auf (Kerze, Tee …), um sich zu beruhigen und zu zentrieren (bei sich anzukommen). 3. Schritt Beschäftigen Sie sich der Reihe nach in Ruhe mit folgenden Fragen: ȤȤ Worum geht es dem Partner bzw. was glaube ich, worum es ihm geht? ȤȤ Was regt mich so an der Reaktion des Partners auf? Wie wirkt sein Verhalten auf mich? Wieso halte ich dagegen? ȤȤ Was ist so wichtig an diesem Thema für mich? Worum geht es für mich? ȤȤ Kann ich meinen Ärger und meine Betroffenheit in einem Wunsch ausdrücken? Es kann hilfreich sein, sich Antworten auf die Fragen zu notieren.

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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4. Schritt Setzen Sie sich wieder zusammen, doch mit der Regel, dass jeder Zeit hat, seine Ergebnisse, Gefühle und Gedanken ohne Zwischenkommentare des anderen zu äußern (lassen Sie eventuell eine Münze entscheiden, wer anfangen darf). Sagen Sie zuerst, was man jetzt eventuell besser von sich oder dem anderen verstanden hat. Reden Sie dann darüber, wieso man selbst vorher so betroffen reagiert hat und was einem vom anderen dazu verhelfen würde, anders zu reagieren. Überprüfen Sie, ob man sich nun im Hinblick auf das Thema, das den Streit ausgelöst hat, nähergekommen ist oder ob man es noch einmal für ein späteres Gespräch ruhen lassen sollte. Einen Streit wirkungsvoll beenden Ältere, erfahrene Paare kennen Situationen, in denen sich Spannung und Reizbarkeit ungünstig hochschaukeln. Zwar fühlt sich jeder im Recht und möchte, dass richtig auf ihn eingegangen wird, aber beide wissen von vorherigen Streitereien, dass das Ganze zu nichts Produktivem führt und sie beide hinterher nicht mehr erklären können, was daran so wichtig gewesen sei. Wenn beide diese Erfahrung teilen, führt solch ein Streit meist zu einer traurigen Stimmung und der Bereitschaft, den Streit hinter sich zu lassen. Dieses Ritual hilft Ihnen dabei, dies auch tatsächlich zu tun. Anleitung

Suchen Sie sich ein passendes Symbol (Blume, Distel, Stein …), das mit einem Streit verbunden ist. Versenken Sie das Symbol bzw. malen Sie es auf und verbrennen Sie es gemeinsam. Danach könnten Sie beide Ihre Freude und Ihre Erfahrung bei einem Essen feiern. Quelle/Literatur Jellouschek, H. (1999). Wie Partnerschaft gelingt. Spielregeln der Liebe. Freiburg: Herder.

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Praktische Anwendung

In die eigene Mitte zurückfinden – ein Schreibritual Sie benötigen je drei Blätter Papier und Stifte für dieses Ritual. Anleitung

Schaffen Sie sich eine ruhige, besinnliche und konzentrierte Situation. Eventuell ist dafür ein Zusammentreffen auf neutralem Boden hilfreich. Im ersten Schritt beschreiben Sie jeder für sich die drei Blätter: Auf das erste Blatt schreiben Sie, was Sie stört, trifft, verletzt, enttäuscht … Auf das zweite Blatt schreiben Sie, was Sie aktuell sonst noch empfindsam, unsicher und gereizt macht (Gründe für Ihre Frustration und Selbstvernachlässigung). Auf das dritte Blatt schreiben Sie, was Sie an Ihrem Verhalten dem Partner gegenüber bedauern und was Sie sich von sich selbst und dem Partner wünschen. Im zweiten Schritt wählen Sie aus, was Sie von dem Geschriebenen dem anderen mitteilen möchten und reden dann miteinander. Begrenzen Sie das Gespräch von vornherein (Vorschlag: zwanzig Minuten, wobei erst der eine zehn Minuten redet, der andere nur zuhört und sich dann die nächsten zehn Minuten abgewechselt wird).

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Offene Rechnungen ausgleichen Sowohl in akuten und dauerhaften Streitsituationen als auch in stagnierenden Beziehungen können sogenannte offene Rechnungen dafür sorgen, dass die Beziehung nicht zur Ruhe kommt und als deskonstruktiv empfunden wird. Vorwürfe über Opfer, Wut über nicht überwundene Kränkungen, Enttäuschungen über nicht genügend gewürdigte Leistungen etc. wurden verinnerlicht und prägen nun dauerhaft die Haltung dem anderen gegenüber oder werden tatsächlich immer wieder aufgezählt. Die Schuld-, Gerechtigkeitsund Anspruchsvorstellungen können in diesen Fällen recht unterschiedlich sein. Die Metaphorik der offenen Rechnung ist nützlich, weil sie einen Ausgleich, eine Begleichung der Rechnung für möglich hält. Das Bedürfnis nach Gerechtigkeit und die Ideen, die die Streitenden davon haben, was eine gerechte Regelung der Angelegenheit sei, sind oft so stark, dass die Partner keine Lösung ohne eine höhere Instanz finden können. Der Vorgang der Mediation oder Rechtsprechung ist komplex, langwierig und oft sehr schmerzhaft. Hier zunächst die drei vertrauten Wege, die in Streitsituationen für einen Ausgleich sorgen: ȤȤ sich angemessen entschuldigen (eine ernstgemeinte Entschuldigung, die zeigt, dass der Beklagte bereut, reicht dem Klagenden als Gutmachung), ȤȤ Buße tun (eine Entschuldigung reicht dem Klagenden nicht mehr, es wird eine mühsame, aber berechenbare Handlung erforderlich, die der Beklagte aber selbst ausführen kann), ȤȤ für eine Entschädigung sorgen (ein Schadensausgleich durch eine finanzielle Investition entschädigt den Klagenden). Es ist die Aufgabe des Paares eventuell mit Hilfe eines Therapeuten über den Weg zu entscheiden, der angemessen erscheint, um einen Ausgleich zu schaffen und mit dem, was war, endlich ins Reine zu kommen und es endgültig ruhen lassen zu können. Manchmal treten Ambivalenzen im Hinblick auf die Funktion der offenen Rechnung auf. Schuldaufarbeitung ist nicht immer das vorrangige und überwiegende Ziel. Mit dem Aufrechterhalten von Schuld sind auch Beziehungsmuster verbunden, die den Betroffenen als Vorteile erscheinen 186

Praktische Anwendung

(zum Beispiel moralische Überlegenheit oder das Recht auf Gegenvorwürfe). Hier entscheidet die Gunst der Stunde oder, wann endlich die Nachteile des Nichtverzeihens für beide überwiegen. Wenn die Bereitschaft zum Verzeihen gewachsen ist, bietet ein Ausgleichsritual, wie es hier vorgeschlagen wird, denen eine Möglichkeit, die dazu bereit und in der Lage sind, nicht nur auf das eigene Recht zu pochen. Es ist sofort hilfreich, wenn die Partner auch dem jeweils anderen ein gleichberechtigtes Empfinden bzw. einen berechtigten Anspruch zubilligen können – auch weil sie wissen, dass dies nicht zum eigenen Verzicht zwingt. Jeder Ausgleich ist einseitig, da es sonst oft zu einer Art Blockade durch Aufrechnungen kommt (»ja, aber Du hast ….«). Aus dieser Stagnation hilft meist nur, wenn sich das Paar sorgfältig mit jedem Vorwurf einzeln beschäftigt. Verbindlichkeit und Erleichterung wird meist darüber erreicht, dass die Verhandlungen über einen Ausgleich konkret, begrenzt und nicht generell geführt werden. Vorteilhaft ist, wenn der Klagende den Vorschlag für einen Ausgleich machen möchte und kann. Im Folgenden wird ein Weg vorgestellt, offene Rechnungen zu begleichen, das heißt, eine beharrliche Streitsituation durch einen Ausgleich zu lösen. Es wird zuerst zu einer Ausgleichsvereinbarung in drei Schritten angeleitet und im Anschluss das Ausgleichsritual vorgestellt. Beide Vorgehensweisen können einzeln verwendet werden, hier sind sie als Fortsetzung gedacht, wenn sich das Lösen hartnäckig gestaltet. Anleitung zu einer Drei-Schritte-Ausgleichsvereinbarung 1. Schritt: Benennen Sie als Klagender Ihre Klage und die Schuld des anderen. 2. Schritt: Fragen Sie als Beklagter den Klagenden: Willst oder musst du die Vorwürfe dein Leben lang gegen mich erheben? Gibt es eine Aussicht oder einen Wunsch danach, mir die Schuld zu erlassen? Wenn das nicht weiterführt, gehen Sie zum nächsten, den dritten Schritt über. 3. Schritt: Fragen Sie als Beklagter den Klagenden: Auch wenn mir nicht verziehen würde, könnte ich etwas zum Abtragen meiner Schuld tun (um sie abzubüßen)? Was könnte das sein? Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Verabreden Sie mit Handschlag, dass und auf welche Weise der Beklagte seine Schuld abträgt! Anleitung zu einem Ausgleichsritual

Einigung auf einen Vorwurf Schaffen Sie die Voraussetzung für das Ritual, indem Sie sich zuerst einmal über den Vorwurf einigen! Fassen Sie den Vorwurf und die Schuld gemeinsam in kurze Worte, die Sie auf einen Bogen Papier schreiben. Lassen Sie den Bogen mit dem in Worte gefassten Vorwurf in einem Briefumschlag eine Woche liegen. Lesen Sie nach dieser Woche den Vorwurf gemeinsam, und erst wenn jetzt kein Aber und kein Und mehr auftaucht, kann es weiter gehen. Sonst ist die Zeit noch nicht reif. Vereinbarung eines Ausgleichs – Verhandlungsphase Im nächsten Schritt sollten Sie als Erstes versuchen, ob derjenige von Ihnen, der klagt, einen Vorschlag für einen Ausgleich machen möchte und kann. Wenn das nicht klappt, kann derjenige von Ihnen, der vom anderen beschuldigt wird, einen Vorschlag machen (Entschuldigung, Buße oder Schadensersatz? Siehe oben: die drei vertrauten Wege, die in Streitsituationen für einen Ausgleich sorgen. Umfang und Größe?). Legen Sie einen Zeitpunkt fest, zu dem ein Ausgleich verabredet sein und auf jede Art der Nachverhandlung verzichtet werden soll. Dieser Zeitpunkt markiert das Ende Ihrer Verhandlungsphase, Vorwurf und Ausgleich betreffend. Planung und Durchführung des Ausgleichsrituals Planen Sie nun das Ausgleichsritual, das heißt, die Durchführung oder Übergabe dessen, was den Vorwurf gemäß Ihrer ­Verhandlung ausgleicht. Legen Sie für dies Ausgleichsritual zeitlich einen Anfang, ein Ende und einen besonderen Ort fest. Die Durchführung oder Übergabe sollte in einem Durchlauf ohne Wiederholungen erfolgen. Sie beide verzichten beim Ausgleichsritual zudem ausdrücklich darauf, das mit dem nun abgeglichenen Vorwurf verbundene Thema 188

Praktische Anwendung

in Streitsituationen und bei späteren Verhandlungen einzusetzen. So geben Sie sich als Paar wirklich eine Chance. Quelle/Literatur Stierlin, H. (2007). Gerechtigkeit in nahen Beziehungen. Heidelberg: Carl-Auer Verlag. Clement, U. (2004). Offene Rechnungen. In R. Welter-Enderlin, B. Hildenbrand (Hrsg.), Rituale – Vielfalt in Alltag und Therapie (S. 122–138) (2. Aufl.). Heidelberg: Carl-Auer Verlag.

Anerkennung vergangener Verletzungen Der Umgang mit vergangenen Verletzungen (wie zum Beispiel Untreue, gebrochene Absprachen) schafft in Paarbeziehungen Probleme, weil die Vergangenheit nicht mehr verändert werden kann. Das, was immer wieder hochkommt, führt dann häufig zu immer wiederkehrendem Streit oder gegenseitigem Verstummen. Die Verletzungen müssen unter dem Teppich, unter den sie gekehrt wurden, hervorgeholt und es muss über sie verhandelt werden. Es gibt meistens viele Missverständnisse und noch nicht genutzte Möglichkeiten, etwas wiedergutzumachen. In dieser Übung bekommen Paare die Möglichkeit, über die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Interpretationen noch einmal zu verhandeln, so dass Missverständnisse gelöst werden und die Sichtweisen zum Ausgleich gebracht werden können. Das ist die Voraussetzung für die Anerkennung der Verletzung (»Ich verstehe, dass dich das verletzt hat!«) sowie für das Loslassen-Wollen (das heißt dafür, dass darauf verzichtet wird, die Verletzung gegen den anderen zu verwenden). Das Anerkennen und Übernehmen der Verantwortung für die Möglichkeit, den anderen verletzt zu haben, auch ohne es gewollt zu haben, kann den Kampf um die reine Weste beenden (siehe voluntaristisches Schuldverständnis: Schuld nur bei böser und freier Absicht; Jellouschek, 2001). Dies trifft bei vielen Missverständnissen zu, wobei die eigene Begrenztheit und Unvollkommenheit gewürdigt werden kann (zum Beispiel nicht so sein und fühlen zu können, wie der andere es braucht). Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Im Ritual werden vergangene Vorgänge vergegenständlicht (Zettel, Symbole wie Steine oder Ähnliches), was eine neue Handlungsmöglichkeit im Hinblick auf das Loslassen erschließt (vergraben, verbrennen, ins Wasser werfen). Hier sind es Zettel, die das Anerkennen und Loslassen ermöglichen. Vorgegebene Worte wirken der Hilflosigkeit gegenüber dem sprachlichen Ausdruck entgegen, bringen aber Vor- und Nachteile mit sich: Einerseits wirken sie aufgesetzt und unspontan, andererseits umgehen sie unsichere Formulierungen, machen die Gefühle zugänglich, geben ihnen eine Bahn und stellen zudem einen feierlichen Rahmen her. Die in diesem Ritual vorgegebenen Worte sollen dem Bedauern und Verzeihen im Hinblick auf einen Ausgleich gerecht werden, ohne allzu entwürdigend zu wirken. Anleitung

1. Phase Versuchen Sie in einer ersten Phase beide, die Verletzungen und die Bedeutungen, die diesen zukommt, zu verstehen. 2. Phase Versuchen Sie in einer zweiten Phase die Bedeutung Ihres Verhaltens vor Ihrem individuellen Lebenshintergrund zu verstehen. 3. Phase Herrschen trotz Ihrer Bemühungen um Verständnis weiterhin zwischen Ihnen Bitterkeit, eine Vorwurfshaltung und Distanz, dann stellen Sie sich folgende Aufgabe: Schreiben Sie jeder für sich allein zunächst alles, was noch immer zwischen Ihnen steht und was Sie dem anderen vorwerfen, auf Zettel. Prüfen Sie dann für sich allein, ob all das Aufgeschriebene wirklich immer noch eine Rolle spielt. Die Zettel, bei denen das nicht der Fall ist, sortieren Sie aus. All das, wobei das der Fall ist, bringen Sie zum nächsten, verabredeten Treffen mit. 4. Phase Einer von Ihnen übernimmt beim Treffen die Rolle von A, der andere die von B. Die drei Pünktchen stehen für den Namen des jeweils anderen von Ihnen: 190

Praktische Anwendung

A liest B seine Zettel vor. B hört zu und antwortet: »…, ich habe gehört, womit ich dich in der Vergangenheit verletzt habe. Ich erkenne an, dass ich dir damit wehgetan habe, auch in den Fällen, in denen ich es nicht bewusst gewollt habe. Es tut mir leid, und ich bedaure das.« A antwortet dann: »…, ich sehe und ich höre, dass du meine Verletzung anerkennst und dass es dir leid tut. Ich nehme das an. Die Sache ist damit für mich in Ordnung. Ich bin bereit, meine Verletztheit loszulassen. Ich werde in Zukunft auch in Auseinandersetzungen nicht mehr darauf zurückkommen. Lass uns, befreit von dieser Last, einen neuen Anfang machen.« Dann ist B mit seinen Zetteln dran. Mit den Zetteln können Sie dann noch gemeinsam ein Ritual durchführen (sie zum Beispiel im Kamin verbrennen). Quelle/Literatur Jellouschek, H. (2001). Rituale in der Paar- und Ehetherapie. Vortrag, CD 1149. Müllheim-Baden: Auditorium Netzwerk.

Rituale für Paare bzw. in der Paartherapie

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Versöhnung mit Zeugen Die Voraussetzung für diese Übung ist, dass Sie sich versöhnen wollen. Anleitung

Schaffen Sie sich eine ruhige, besinnliche und konzentrierte Situation. Schreiben Sie jeder für sich auf einen Zettel, was Sie verletzt hat. Das kann auch beinhalten, dass der scheinbar Verletzende seine eigene Verletzung und Enttäuschung herausfindet. Geben Sie sich gegenseitig Mitgefühl für das Erlittene und bitten Sie um Verzeihung. Vereinbaren Sie ein Treffen mit Zeugen (Freunden). Bringen Sie beide Ihre Zettel und jeweils ein Geschenk, das Sie dem anderen machen wollen, zu diesem Treffen mit. Übergeben Sie Ihren Zettel feierlich dem anderen. Sprechen Sie aus, dass Sie ihm verzeihen. Der Partner darf jetzt den Zettel verbrennen. Jetzt ist der andere dran. Überreichen Sie sich Ihre Geschenke. Auswertung

Besprechen Sie, was Sie berührt hat. Lassen Sie auch die Zeugen sagen, was Sie empfunden haben.

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Praktische Anwendung

Woran wir glauben

Alles hängt mit allem zusammen. Es gibt mehr, als wir glauben und uns vorstellen können.

Wir haben nach einem Weg gesucht, Spiritualität und spirituelle Methoden einer interessierten Fachöffentlichkeit von Psychotherapeuten zugänglich zu machen. Wir meinen, dass wir mit diesem Buch einen solchen gefunden haben. Dieser Weg folgt einer therapeutischen Haltung des Interesses und der Toleranz. Natürlich sind wir an Grenzen gestoßen, denn die spirituellen Themen sind nicht nur im Hinblick auf ihre subjektive Rezeption, sondern auch inhaltlich so vielschichtig, dass es in diesem Buch unmöglich war, auf alle Aspekte einzugehen. Wir halten es für wichtig, dass Psychotherapeuten die spirituelle Haltung und spirituellen Grundannahmen ihrer Patienten berücksichtigen. Und wir sind überzeugt, dass es für viele Psychotherapieprozesse nützlich ist, spirituelle Themen einzubeziehen, sogar unabhängig davon, ob der Therapeut diese Spiritualität teilt oder nur teilnehmend begleitet. Spiritualität lässt sich auf mehreren Ebenen in der Psychotherapie nutzen: ȤȤ als Dimension, die die Entwicklung und Auffassungswelt von Patienten besser verstehen lässt, ȤȤ als akzeptanzfördernder Zugang zu Patienten und ihrer Innenwelt (Überzeugungen betreffend, die einerseits zur Entstehung ihrer Probleme beigetragen haben können und andererseits für die Überwindung dieser Probleme ebenso wichtig sein können wie als Ressourcen, um diese zu überwinden), ȤȤ als Rahmen und unspezifischer Faktor für Resilienz und Entwicklung, ȤȤ als Hintergrund für gesprächs- und übungsorientierte Interventionen, 193

ȤȤ als sinnstiftender Rahmen für anstehende Entwicklungen, ȤȤ als Hilfe bei der Fokussierung des Patienten auf sich und als Erweiterung einengender Motive und egoistischer Einstellungen. Es ging uns darum, praktische Umgangsweisen mit spirituellen Erfahrungen und Methoden aufzuzeigen, die vor allem aus scha­ manistischen, humanistischen und systemtherapeutischen Quellen stammen. Als Medium nutzten wir therapeutische Rituale, weil wir diese aufgrund ihrer starken Verwurzelung in alten Heiltraditionen schätzen und sie sich unserer Ansicht nach gut dazu eignen, beispielhaft Aspekte und Methoden spirituell orientierter Interventionen abzubilden. Dort, wo sie eingesetzt werden, wird ein wirksamer Raum für Veränderung geschaffen. Es wird ein Rahmen kreiert, in dem Veränderungen zugelassen werden dürfen und können. Dies kann als ein Charakteristikum angesehen werden, das die unterschiedlichen Quellen verbindet. Wir selbst fanden heraus, dass sich unsere Menschenbilder und Erkenntnistheorien ähneln. Ein staunendes Wundern über die Vielfalt des Lebens, über Selbstheilungskräfte sowie die alte Tradition des Heilens und die Grenzen des Wissen-Könnens war uns gemeinsam: »Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Wissenschaft und Kunst steht. Wer es nicht kennt und sich nicht mehr wundern oder staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge ist erloschen« (Einstein, 2010, S. 12). Es blieben Unterschiede in unseren Überzeugungen gegenüber dem, was (erlebbar) existiert und was konstruiert ist, auch hinsichtlich der Einschätzung, wie bedeutsam eine spirituelle Seite in unserem Leben und dem therapeutischen Prozess ist: ob sie als grundsätzlich nötige und angestrebte Ergänzung, als sogenanntes höheres Bewusstsein zu gelten hat oder nur als eine zu nutzende Dimension, und das vor allem in den Fällen, in denen sie im therapeutischen Prozess auftaucht. Auch die impliziten Ziele der therapeutischen Haltung bzw. der Einstellung zum Leben ließen sich nicht immer miteinander in Deckung bringen. Das Ziel einer Selbstbemächtigung, also einer 194

Woran wir glauben

Stärkung in der Autonomie weicht im Einzelfall von einem vertrauensvollen Anvertrauen an Größeres ab, das nicht mehr hinterfragt werden muss: »Ich möchte nicht an mehr glauben als das, was ich brauche« versus »Das Göttliche ist in jedem von uns und diese Kraft sorgt für alles, was nötig ist«. Was gilt es wann zu akzeptieren und wann kann es selbst noch verändert werden? Geschieht die Veränderung wirklich durch eigene Bemühungen oder durch ein Sich-Einlassen auf Spiritualität? Was sinnvoller und nützlicher erscheint: sich mit der Endlichund Begrenztheit zu konfrontieren oder von übergeordneten Hilfen und einer Weiterexistenz in anderer Form auszugehen, erscheint uns nur im Kontakt und durch die Erörterung mit dem jeweiligen Patienten beantwortbar. Hier und auch in dem Potenzial esoterischer Vereinfachung und Weltflucht sehen wir beide Risiken für Kunstfehler. Wir sind uns außerdem darin einig, dass Psychotherapeuten auch innerhalb der Richtlinien nicht davor gefeit sind, ihre Patienten zu sehr an ihre Modelle anzupassen. Ähnlich denken wir hinsichtlich der Risiken, eine falsche Identität über das Sehnen nach Zugehörigkeit oder Unverletzlichkeit zu entwickeln, hinsichtlich der Einschätzung des Schadens (auf Konfliktebene oder als Wertesystem) von Gläubigkeit und hinsichtlich der Folgen von möglichen Vermeidungshaltungen. All das muss in der therapeutischen Arbeit herausgearbeitet werden. Nach der Durchsicht unserer Quellen waren wir beeindruckt von der langen Tradition spiritueller Ansätze zur Heilung. In uns tauchte die Frage auf, ob und welche Wurzeln den Ansätzen gemeinsam sind. Es scheint uns, als ob es ein generelles Bedürfnis gäbe, die Dinge zu durchdringen, Unerklärliches zu erklären, außer einem individuellen Bewusstsein auch überindividuelle Verbundenheiten zu nutzen und zu erleben. Spiritualität kann eine zusätzliche Dimension erschließen, die das alltägliche Denken, Fühlen und Spüren ergänzt, sinnstiftend bereichert und einen Weg aus existenziellen Krisen weist, und zwar über das hinaus, was ich im Moment selbst beeinflussen kann. Sie kann Hilfe, Trost, Begleitung und Stärkung angesichts des Leides, der Einsamkeit, Orientierungslosigkeit und Begrenztheit bieten. Woran wir glauben

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Ähnlichkeiten weisen wir somit in unserer Annahme auf, dass Spiritualität über hilfreiche, wohlwollende Kräfte, sinnvolle Zusammenhänge verfügt und bedeutsam für die Werte der Menschen und für ihre Freude am Leben ist. In der Symbolik tauchen in den verschiedenen Ansätzen vor allem angenehm durchdringendes Licht, umfassende und unendliche Energieströme, die Elemente Erde, Wasser, Luft (Himmel) und Feuer, die Gestirne und Tiere immer wieder auf. Sie dienen als Metaphern und Abbildungen für Liebe, Mitgefühl, Verbundenheit und Grenzüberschreitendes, Zeit und Wandel, Kraftquellen, Sich-Zentrieren und Zuversicht. Darüber hinaus scheint die spirituellen Ansätze zu verbinden, dass durch die Einordnung in oder unter etwas Größeres eine Haltung gefördert wird, die mit den Begriffen von Dankbarkeit, Demut, Sich-nicht-so-wichtig-Nehmen beschrieben werden. Faszinierend und erschreckend zugleich ist die zerstörerische Kraft in religiösen und spirituellen Überzeugungen, die Menschen zu Radikalität, Gewalt gegen sich und andere antreibt. Bedenklich und besorgniserregend ist, wenn aus der Art des Glaubens eine strafende Härte, eine Haltung der Überlegenheit, eine Verpflichtung zur Mission bzw. eine Bedrohung durch Andersgläubige abgeleitet wird. Dabei ist gerade Toleranz und Liebe eine durchgehend wiederzufindende Haltung in spirituellen Ansätzen. Wir wollen diese ausleitenden Worte wie die einleitenden mit einem Dialog beschließen: Frage: Was beschäftigt dich am Ende dieses Buches und was können Menschen deiner Ansicht nach in ihrem Alltag von einer Beschäftigung mit spirituellen Perspektiven haben? Kupitz: Für mich bedeutet Spiritualität den Glauben an und die Erfahrung von einer positiven Kraft, die uns alle verbindet (diese Energie ist für mich Liebe). Da wir letztlich aus dieser Energie bestehen, verleiht mir das eine positive Gestimmtheit. Selbstbesinnung in der Ruhe gehört für mich zum Leben dazu, damit ich offen bleibe für mehr als das effektive Streben nach etwas. Wenn ich rein ego-bezogene Bedürfnisse überwinde, klammere ich mich nicht mehr an das, was mir scheinbar Halt gibt. Ich vertraue mich dann Entwicklungen an, in die ich meine Bedürf196

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nisse einbringe. Die Fixierung auf lebenszeitlich zu erreichende Ziele löst sich auf (vielleicht geht das Leben in anderer Form weiter). Stattdessen bekommt das Leben des Momentes eine wichtige Bedeutung. Brentrup: Für mich ist mit der Beschäftigung mit Spiritualität vor allem eine Öffnung und Erweiterung meines Blickwinkels verbunden gewesen. Ich staune darüber, wie lange sich Menschen schon mit solchen Bewusstseinserweiterungen beschäftigen. Es scheint ein menschliches Bedürfnis nach Entgrenzung, Transzendenz und Überwindung der Individualität zu geben. Nicht nur für die Psychotherapie, sondern auch im gesellschaftlichen Alltag ist die Erkenntnis wichtig, dass es mehr gibt, als man denkt und fühlt. Denken und Fühlen sind nicht als voneinander unabhängige Größen, sondern als zwei Seiten einer Medaille (des Erkennens) zu betrachten. Und in den Emotionen auch das sogenannte Transrationale zu sehen schließt Ahnungen, Hoffnungen und das Gespür für die Verbundenheit mit dem, was uns umgibt, mit ein. Das führt zu Akzeptanz und Relativierung und kann durch diese Leid lindern, aber auch die Entwicklung von Werten entscheidend beeinflussen. Auf dieser Ebene scheinen Menschen nach Einheit und Verständigung zu streben. Selbstgestaltung steht über der rücksichtslosen Nutzung der Umwelt. Die Offenheit von Menschen anderen gegenüber und das Bewusstsein für langfristige Entwicklungen sensibilisieren für übergreifende Sinnzusammenhänge und die Bedeutung von sorgsamem Umgang, von Mitgefühl und Respekt. »Ich sollte wissen, was ich glaube, aber nicht glauben, dass ich weiß« (Redensart). »Alles, was ich habe, habe ich in mir« (Seneca, zit. nach Kleeberg, 2013, S. 65).

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