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German Pages 358 [359] Year 2002
Markus Kremers
Risikoübernahme in Industrieunternehmen
...I : •
TECHNISCHE U NIVERSITÄT
KAISERSLA UTERN
Risikoübernahme in Industrieunternehmen
Schriftenreihe Finanzmanagement Herausgeber: Prof. Dr. Reinhold Hölscher
Band 7
Markus Kremers
Risikoübernahme in Industrieunternehmen Der Value-at-Risk als Steuerungsgröße für das industrielle Risikomanagement, dargestellt am Beispiel des Investitionsrisikos
V erlag Wissenschaft & Praxis
fot
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme
Kremers, Markus : Risikoübernahme in Industrieuntemehmen. Der Value-at-Risk als Steuerungsgröße für das industrielle Risikomanagement, dargestellt am Beispiel des Investitionsrisikos I Markus Kremers. - Sternenfels : Verl. Wiss. und Praxis, 2002 (Schriftenreihe Finanzmanagement ; Bd. 7) Zugl.: Kaiserslautern, Univ., Diss., 2002 ISBN 3-89673-162-9
D386 ISBN 3-89673-162-9 © Verlag Wissenschaft & Praxis
Dr. Brauner GmbH 2001 D-75447 Stemenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094
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Geleitwort Das Risikomanagement der Unternehmen wird derzeit wieder intensiv diskutiert. Die Ursachen hierfür liegen in der gewandelten Risikostruktur der Unternehmen und - als Folge daraus - in den veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen. Insbesondere die durch das KonTraG für Aktiengesellschaften eingeführte Notwendigkeit, Risikomanagement zu betreiben, hat die Frage nach einer zweckmäßigen Gestaltung von Risikomanagementsystemen wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Die wesentliche Schwäche der bislang für den Industriesektor vorgeschlagenen Ansätze besteht darin, dass kein konsistentes System der Risikomessung existiert, das eine quantitative Steuerung der Risikoübernahme zulässt. In dieser Beziehung ist die Entwicklung im Bankensektor schon deutlich weiter fortgeschritten. An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an. Der Verfasser entwickelt ein Konzept zur Risikobewertung, das auf der im Bankensektor verbreiteten Valueat-Risk-Methodik beruht, jedoch an die für ein Industrieunternehmen gültigen Rahmenbedingungen angepasst wurde. Die Vorgehensweise wird dabei anband eines typischen industriellen Risikos, dem Investitionsrisiko, verdeutlicht. Des Weiteren wird auf der Grundlage der Value-at-Risk-basierten Risikomessung ein innovativer Ansatz fiir die quantitative Risikosteuerung entwickelt, der sowohl die dauerhafte Sicherung des Unternehmensfortbestands als auch eine Einschätzung der Risikoperformance erlaubt. Durch diese Betrachtungsweise lässt sich der vorgeschlagene Ansatz zum einen gut mit den Anforderungen des KonTraG Einklang bringen, und zum anderen wird auch den betriebswirtschaftliehen Notwendigkeiten Rechnung getragen, indem ein Ansatzpunkt für die Risikoselektion geboten wird. Der Verfasser hat sich mit einem gleichermaßen aktuellen wie komplexen Problemfeld befasst und bereichert die Diskussion über die Risikosteuerung in Industrieunternehmen um einen vielversprechenden Ansatz. Ich wünsche der Arbeit daher, dass sie sowohl der Wissenschaft als auch der Praxis neue Impulse vermitteln und damit zum einen als Grundlage für weitere Forschungsanstrengungen dienen und zum anderen auch einen Ansatzpunkt für die quantitative Risikosteuerung in der Praxis eröffuen wird. Kaiserslautern, im April 2002 Reinhold Hälseher
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Vorwort Fragen des Risikomanagements werden zwar schon seit mehreren Jahrzehnten in der betriebswirtschaftliehen Forschung diskutiert, sie haben jedoch nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Dies liegt vor allem daran, dass seit dem In-KraftTreten des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) für die Vorstände von Aktiengesellschaften eine gesetzliche Verpflichtung besteht, ein Risikomanagementsystem einzurichten. Den für Industrieunternehmen vorgeschlagenen Risikomanagementansätzen mangelt es dabei jedoch an geeigneten Methoden zur Bewertung von Risiken, die den Aufbau eines in sich schlüssigen, quantitativen Steuerungssystems für die Risikoübernahme ermöglichen würden. Die Beurteilung von Risiken konzentriert sich i.d.R auf eine mehr oder weniger qualitative Bewertung, etwa durch eine Risk-Map, oder auf die Ermittlung kaum verwendbarer Kennzahlen, wie z.B. dem Erwartungswert. In bestimmten Teilgebieten des Risikomanagements, insbesondere im Bereich der finanzwirtschaftliehen Risiken, existieren im Gegensatz zum industriellen Bereich geeignete Methoden. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Risikomaßgröße "Value-at-Risk" zu nennen, die sich im Bankensektor bereits für die Messung von Marktpreisrisiken aus Wertpapierpositionen etabliert hat. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden der Versuch unternommen, die Risikomessung mithilfe des Value-at-Risk auf Industrieunternehmen zu übertragen. Die Betrachtung erfolgt dabei am Beispiel des Investitionsrisikos, bei dem es sich um ein typisches industrielles Risiko handelt. Des Weiteren wird ein Konzept für eine quantitative Steuerung der Risikoübernahme entwickelt. Eine Nebenbedingung, die das Konzept zu erfüllen hat, besteht in der Vereinbarkeit mit den Anforderungen des KonTraG. Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzdienstleistungen und Finanzmanagement der Universität Kaiserslautern und wurde im Wintersemester 2001/2002 vom Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften als Dissertation angenommen. An dieser Stelle möchte ichalldenjenigen danken, die zum Gelingen dieses Projektes beigetragen haben. Ein besonderer Dank richtet sich an meinen geschätzten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Reinhold Hölscher, der mich während meiner Zeit an seinem Lehrstuhl unterstützt und gefördert, die Arbeit betreut und nicht zuletzt auch die notwendige Geduld bis zu ihrer Vollendung aufgebracht hat. Herrn Prof. Dr. Klaus J. Zink danke ich herzlich für die Übernahme (und die schnelle Fertigstellung) des Zweitgutachtens.
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Vorwort
Äußerst hilfreich im Zuge der Entstehung dieser Arbeit war das angenehme und sehr freundschaftliche Arbeitsklima im engeren Kollegenkreis, für das ich Herrn Dr. Christian K.alhöfer und Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Rainer Bonn ausdrücklich danken möchte. Beide standen stets für hilfreiche Diskussionen zur Verfügung und haben während der ,,heißen Phase" sowohl für eine gewisse Arbeitsentlastung als auch für die mitunter dringend erforderliche Motivation gesorgt. Nicht unerwähnt bleiben darf des Weiteren mein ehemaliger Kollege, Herr Dr. UweChristian Rücker, dem das Verdienst zukommt, mein Interesse für das Themengebiet des Risikomanagements überhaupt erst geweckt zu haben. Auch das private Umfeld kann einem Großprojekt wie der Anfertigung einer Dissertation sehr zuträglich sein. In diesem Zusammenhang möchte ich Annemarie und Albert Wirtz, auf deren Unterstützung ich mich immer verlassen konnte, meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Herrn Dipl.-Wirtsch.-Ing. Karl Bücheler und seiner Lebensabschnittspartnerin Christine danke ich (im Allgemeinen) für ihre Freundschaft, die mir sehr viel bedeutet, und (im Speziellen) für die gelegentlichen Ablenkungen von der zeitweise doch etwas eintönigen Schreibtischarbeit. Abschließend ist es mir ein besonderes Bedür.fuis, meinen Eltern zu danken, die mich trotz - oder vielleicht gerade wegen - zahlreicher erlittener Rückschläge jederzeit und vorbehaltlos unterstützt haben. Ihnen ist diese Arbeit, die ohne einen solchen Rückhalt möglicherweise niemals entstanden wäre, gewidmet. Kaiserslautern, im April 2002 Markus Kremers
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Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... 15 Abkürzungs- und Symbolverzeichnis ............................................................... 19
Einleitung ............................................................................................................ 23
1. TEIL: RISIKOMESSUNG ALS PROBLEMSTELLUNG DES INDUSTRIELLEN RISIKOMANAGEMENTS ••••••••••••••••••••••••••••••• 27
A. Der Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements ••••••••••••••••••••••••••••• 28 I. Die gewandelte Risikosituation von Indus1rieunternehmen .................... 28 1. Technologische Einflussfaktoren....................................................... 28 2. Wirtschaftliche Einflussfaktoren ....................................................... 30 3. Rechtliche Einflussfaktoren ............................................................... 33 II. Der Begriff des Risikos ........................................................................... 35 1. Charakterisierung des Risikos ........................................................... 35 2. Bestimmungsgrößen des Risikos ....................................................... 40 3. Kategorien der Unsicherheit .............................................................. 42 III. Formen industrieller Risiken ................................................................... 44 1. Kriterien zur Unterscheidung der Risiken eines lndustrieunternehmens ....................................................................... 44 2. Kategorisierung industrieller Risiken ............................................... .47 3. Unterscheidung von Risiken nach dem Aggregationsgrad ................ 52
B. Die Struktur eines integrativen Risikomanagementsystems ••••••••••••••••••••• 56 I. Die Vorgaben des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich für das Risikomanagement .................................. 56 1. Zielsetzung des KonTraG .................................................................. 56 2. Systemelemente des Risikomanagements gemäß KonTraG .............. 60 3. Vorschriften für die Rechnungslegung und die erweiterten Aufgaben des Abschlussprüfers ........................................................ 63 II. Risikoorientierte Unternehmenskultur .................................................... 69 1. Schaffung einer risikobezogenen Unternehmensphilosophie ............ 69 2. Risikopolitische Zielbildung .............................................................. 72
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Inhaltsverzeichnis
III. Die Prozessdimension des Risikomanagements ...................................... 76 1. Ablauf des Risikomanagementprozesses ........................................... 76 2. Risikoanalyse ..................................................................................... 78 3. Risikobewältigung ............................................................................. 84 4. Prozessbegleitende Kontrollen und Risikonachbereitung .................. 93 IV. Aufbauorganisation des Risikomanagements ......................................... 95 1. Grundlegende Gestaltungsformen ..................................................... 95 2. Aufgaben und organisatorische Einbindung einer zentralen Risikomanagementinstitution ............................................................ 98 3. Das Interne Überwachungssystem und seine Abgrenzung zum Risikocontrolling ............................................................................. 102 C. Die Problematik der Bewertung von Risiken ........................................... 107
I. Traditionelle Instrumente zur Beurteilung der Risikodringlichkeit... .... 107 1. Grundsätzliche Problemstellung ...................................................... 107 2. Erwartungswert und Risikoportfolio ............................................... 109 3. Schwächen der traditionellen Methoden zur Risikobewertung ....... 114 II. Anforderungen an eine Methode zur Risikomessung ........................... 117 2. TEIL: DER V ALUE-AT-RISK ALS MASSGRÖSSE FÜR DIE RISIK.OOOERNAIIl\fE .................................................................... 119
A. Messung des Marktpreisrisikos von Wertpapierportfolios •••••••••••••••••••• 120 I. Der Value-at-Risk: als Risik.omaß .......................................................... 120 1. Entwicklung des Value-at-Risk ....................................................... 120 2. Die Kennzahl des Value-at-Risk ..................................................... 122 3. Ablauf der Value-at-Risk-Berechnung ............................................ 127 4. Eingangsparameter der Value-at-Risk:-Berechnung ........................ 129 5. Grundlegende Berechnungsmethoden ............................................. 132 II. Der Varianz-Kovarianz-Ansatz zur Berechnung des Value-at-Risk ..... 135 1. Auswahl von Risikoparametern und deren Beschreibung durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen..................................................... 13 5 2. Value-at-Risk eines einzelnen Wertpapiers ..................................... 142 3. Erfassung von Risikoverbundeffekten ............................................. 146 III. Ermittlung des Value-at-Risk mit Simulationsverfahren ...................... 151 1. Historische Simulation .................................................................... 151 2. Monte-Carlo-Simulation .................................................................. 157
Inhaltsverzeichnis
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IV. Kritische Würdigung und Anwendungsgebiete der Verfahren zur Berechnung des Value-at-Risk von Marktpreisrisiken .......................... 163 1. Vergleich der Methoden zur Berechnung des Value-at-Risk .......... 163 2. Problematik der Aggregation von Risiken....................................... 170 3. Anwendungsmöglichkeiten in einem Industrieuntemebmen........... 171
B. Ansätze zur Bewertung von Investitionsobjekten und zur Erfassung des Investitionsrisikos ................................................................................. 174 I. Investitionen und ihre Bewertung ......................................................... 174 1. Das Wesen von Investitionen .......................................................... 174 2. Wirkungen von Investitionsentscheidungen .................................... 177 3. Die Kapitalwertmethode als Grundform der dynamischen Investitionsbewertung ...................................................................... 180 4. Marktzinsorientierte Beurteilung von lnvestitionsvorhaben............ 186
li. Beurteilung von Investitionen bei Unsicherheit .................................... 195 1. Methoden zur Berücksichtigung der Unsicherheit im Rahmen der Investitionsentscheidung ................................................................. 195 2. Auswahl der für Zwecke des Risikomanagements geeignetsten Methode ........................................................................................... 199 III. Risikoanalyse bei Investitionsobjekten ................................................. 202 1. Auswahl der relevanten Inputgrößen und Ermittlung ihrer Wahrscheinlichkeitsverteilungen..................................................... 202 2. Berücksichtigung von Abhängigkeiten zwischen den Inputgrößen.208 3. Eignung analytischer Verfahren für die Ermittlung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Kapitalwerte ............................. 210 4. Daten des Beispielsfalls ................................................................... 214 5. Ermittlung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Kapitalwerte durch Bildung von Szenarien........................................................... 216
C. Messung des Investitionsrisikos mit dem Value-at-Risk ......................... 227 I. Ermittlung des Value-at-Risk aus der simulierten Wahrscheinlichkeitsverteilung von Kapitalwerten................................ 227 li. Die Haltedauer als Eingangsparameter der Value-at-Risk-Ermittlung .. 231 1. Die Haltedauer einer Investition und ihre Beziehung zur Nutzungsdauer ................................................................................. 231 2. Ermittlung des Value-at-Risk bei verkürzter Haltedauer................. 232
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Inhaltsverzeichnis
III. Beurteilung des Verfahrens ................................................................... 237 1. Eignung der Risikoanalyse als Grundlage ....................................... 237 2. Der marktzinsorientierte Kapitalwert als Bewertungsmaßstab für Investitionen .................................................................................... 239 3. Aussagekraft des Value-at-Risk eines Investitionsobjekts für das unternehmerische Risikomanagement ............................................. 241
3. TEIL: VALUE-AT-RISK-BASIERTE STEUERUNG DER RISIK.O'ÜBERNAIIME •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 243
A. Prüfung der Tragfähigkeit einer zusätzlichen Risikoübernahme •••••••••• 244 I. Grundprinzip der Abstimmung von Risikopotenzialen und Risikodeckungsmassen ......................................................................... 244 1. Das Wesen der Risikotragfähigkeit ................................................. 244 2. Problemstellung der Ennittlung des Gesamt-Risikovolumens ........ 246 3. Die G Ieichgewichtsbedingung der Risikotrag!ahigkeit ................... 249 4. Problematik einer Beurteilung der Risikotrag!ahigkeit mithilfe einer Barwertgröße .......................................................................... 253 II. Die finanzwirtschaftliche Dimension der Risikotragfähigkeit .............. 256 1. Ableitung einer Maßgröße für die liquiditätsorientierte Risikotrag!ahigkeit .......................................................................... 25 6 2. Finanzielle Risikodeckungsmassen ................................................. 259 3. Abgleich der Risikopotenziale und der Deckungsmassen ............... 261 III. Die erfolgsrechnerische Dimension der Risikotragfähigkeit ................ 266 1. Risikomessung in erfolgsrechnerischer Hinsicht ............................. 266 2. Abgrenzung erfolgsrechnerischer Risikodeckungsmassen .............. 271 3. Abstimmung von Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen ...... 275 IV. Der Risikotragfähigkeitskalkül als Grundlage für ein Risikolimitierungssystem ...................................................................... 278
B. Sicherstellung eines angemessenen Risiko-Chancen-Profds •.•.•.•.•.•.••••••• 281 I. Zusammenhänge zwischen der Risikoübernahme und dem Chancenaspekt ...................................................................................... 281 II. Grundstrategien im Risiko-Chancen-Management ............................... 283 III. Ansatzpunkte für ein quantitatives Risiko-Chancen-Management ....... 285 1. Kapitalmarkttheoretischer Ansatz ................................................... 285 2. Kennzahlen für das Risiko-Rendite-Verhältnis ............................... 289
Inhaltsverzeichnis
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C. Beurteilung der value-at-Risk-basierten Messung und Steuerung des Risikopoten.zials .......................................................................................... 292 I. Grundsätze der Risikoübernahme und die verwendeten Kennzahlen ... 292
II. Kritische Würdigung des konzipierten Systems .................................... 294 III. Weiterer Forschungsbedarf ................................................................... 296
Zusammenfassung ............................................................................................ 299 Anhang .............................................................................••••••••••••••••••••••••••••••••• 307 Angenommene Aktienkurse im Beobachtungszeitraum und historische Simulation..........••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• 307
Monte-Cario-Simulation .......................................................................... 312 Zuordnungsvorschriften der Ausprägungen der unsicheren Inputgrößen zu den Zufallszahlen ........................................................... 317 Literaturverzeichnis ......................................................................................... 321
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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Unterscheidung von Risiken im Hinblick aufihre Wirkung ....... 38
Abbildung 2:
Kategorisierung des Begriffs der Unsicherheit .......................... .43
Abbildung 3:
Risikomatrix eines Industrieunternehmens ................................. 51
Abbildung 4:
Aggregationsebenen am Beispiel des Sachrisikos ....................... 53
Abbildung 5:
Dreidimensionale Risikokategorisierung .................................... 55
Abbildung 6:
Funktionen des Wirtschaftsprüfers .............................................. 64
Abbildung 7:
Risikoziele als Teil der Unternehmensziele ................................ 75
Abbildung 8:
Prozessstruktur des Risikomanagements ..................................... 78
Abbildung 9:
Strategien der Risikobewältigung ............................................... 85
Abbildung 10: Instrumentarium der Risikofinanzierung ..................................... 90 Abbildung 11: Einbindung einer zentralen Risikomanagementstelle in eine funktions- oder spartenorientierte Aufbauorganisation ............. 100 Abbildung 12: Abgrenzung des Risikocontrollings vom Internen Überwachungssystem................................................................ 105 Abbildung 13: Dringlichkeitsklassen von Risiken ............................................ l08 Abbildung 14: Risikoportfolio .......................................................................... 110 Abbildung 15: Nicht akzeptable Risiken im Risikoportfolio ............................ 112 Abbildung 16: Wirkung von Risikominderung und Risikodiversifikation im Risikoportfolio .......................................................................... 113 Abbildung 17: Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Risikotragweiten ........... 114 Abbildung 18: MPL und PML in unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen .............................................. 116 Abbildung 19: Wahrscheinlichkeitsverteilung der Portfoliowertänderungen ... 124 Abbildung 20: Dichte- und Verteilungsfunktion der Marktwertänderungen .... 125 Abbildung 21: Value-at-Risk bei positivem Schwellenwert ............................. 126 Abbildung 22: Ablauf der Value-at-Risk-Berechnung ...................................... 127 Abbildung 23: Grundmethoden zur Ableitung der Wahrscheinlichkeitsverteilung von Marktpreisveränderungen ................................. 133
16
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 24: Angenommene Aktienkurse im Beispielsfall............................. 139 Abbildung 25: Zusammenhang zwischen Länge des Beobachtungszeitrawns, Haltedauer und Anzahl der Renditen ........................................ 140 Abbildung 26: Angenommene Aktienkurse im Beispielsfall... ......................... 140 Abbildung 27: Z-Werte der Standardnormalverteilung..................................... l43 Abbildung 28: Kursszenarien im Beispielsfall... ............................................... l53 Abbildung 29: Bewertung der Szenarien .......................................................... 154 Abbildung 30: Value-at-Risks bei historischer Simulation für verschiedene Konfidenzniveaus ...................................................................... l55 Abbildung 31: Transformation der rechteckverteilten in normalverteilte Zufallszahlen mittels der Verteilungsfunktion .......................... 159 Abbildung 32: Ermittlung der stetigen Renditen der Portfoliowertänderungen 161 Abbildung 33: Monte-Cario-Simulation von Portfoliowertänderungen ............ l62 Abbildung 34: Value-at-Risks bei Monte-Cario-Simulation für verschiedene Konfidenzniveaus ...................................................................... l62 Abbildung 35: Zusammenfassende Gegenüberstellung der Verfahren ............. 168 Abbildung 36: Interpretationen des Investitionsbegriffs ................................... 175 Abbildung 37: Verfahren der Investitionsrechnung .......................................... 181 Abbildung 38: Ausgangsdaten des Beispielsfalls.............................................. l83 Abbildung 39: Arten von Zinsstrukturen .......................................................... 187 Abbildung 40: Zinsstruktur am Geld- und Kapitalmarkt im Beispielsfall ........ l89 Abbildung 41: Ermittlung des marktzinsorientierten Barwertes einer Investition mittels retrograder Abzinsung ................................. 191 Abbildung 42: Berechnung des 2-Jahres-Zerobond-Abzinsfaktors ................... l93 Abbildung 43: 3-, 4- und 5-Jahres-Zerobond-Abzinsfak.toren für den Beispielsfall .................................................................................... 194 Abbildung 44: Berechnung des marktzinsorientierten Kapitalwerts mit Zerobond-Abzinsfaktoren ......................................................... 194 Abbildung 45: Verfahren zur Investitionsentscheidung unter Unsicherheit...... l96 Abbildung 46: Vergehensweise bei bedingten Wahrscheinlichkeitsverteilungen ............................................................................... 209 Abbildung 47: Mögliche Anschaffungsauszahlungen im Beispielsfal1............. 214
Abbildungsverzeichnis
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Abbildung 48: Dichte- und Verteilungsfunktion der Anschaffungsauszahlung im Beispielsfall.......................................................................... 215 Abbildung 49: Wahrscheinlichkeitsverteilung fiir die Auszahlung in t=3 ........ 216 Abbildung 50: Risikoparameter und deren Wahrscheinlichkeitsverteilungen .. 217 Abbildung 51: Ermittlung der Ausprägung der Inputgröße aus einer Zufallszahl ............................................................................................ 219 Abbildung 52: Zuordnung der Zufallszahlen zu den Ausprägungen der Anschaffilngsauszahlung ........................................................... 220 Abbildung 53: Ermittlung eines Szenarios ........................................................ 221 Abbildung 54: Berechnung des Kapitalwertes für ein Szenario ........................ 222 Abbildung 55: Kapitalwerte der simulierten Szenarien .................................... 224 Abbildung 56: Wahrscheinlichkeitsdichte der simulierten Verteilung .............. 224 Abbildung 57: Verteilungsfunktion der simulierten Häufigkeitsverteilung ...... 226 Abbildung 58: In aufsteigender Reihenfolge geordnete Kapitalwerte .............. 228 Abbildung 59: Ermittlung des Value-at-Risk. der Investition ............................ 231 Abbildung 60: Wahrscheinlichkeitsverteilung fiir den Liquidationserlös bei vorzeitiger Beendigung der Investition ..................................... 233 Abbildung 61: Beispiel für ein Szenario bei einer Haltedauer von zwei Jahren ........................................................................................ 233 Abbildung 62: Wahrscheinlichkeitsdichte der simulierten Kapitalwerte bei verkürzter Haltedauer ................................................................ 234 Abbildung 63: Verteilungsfunktion der simulierten Kapitalwerte bei verkürzter Haltedauer ................................................................................. 235 Abbildung 64: Value-at-Risk. der Investition bei einer Haltedauer von zwei Jahren ........................................................................................ 236 Abbildung 65: Prinzip der Ermittlung des Ist-Risikopotenzials ........................ 247 Abbildung 66: Gleichgewichtsbedingung im Risikotragfah.igk.eitskalkül ......... 249 Abbildung 67: Szenarien für Risikobelastungsfalle .......................................... 253 Abbildung 68: Ermittlung der Cashflow-at-Risks für ein Investitionsvorhaben ......................................................................................... 257 Abbildung 69: Wahrscheinlichkeitsverteilung der Abweichungen der Periodencash:flows vom Erwartungswert .................................. 258
18
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 70: Ermittlung des Cashflow-at-Risk der Investition für das Jahr t=l ...................................................................................... 259 Abbildung 71: Abgrenzung finanzieller Risikodeck:ungsmassen ...................... 259 Abbildung 72: Verknüpfung von Belastungsfällen und Risikodeckungsmassen ....................................................................................... 263 Abbildung 73: Prüfung der Risikotragfähigkeit bei zusätzlicher Risikoübernahme ........................................................................................ 265 Abbildung 74: Ermittlung der Earnings-at-Risk für ein Investitionsobjekt ...... 269 Abbildung 75: Wahrscheinlichkeitsverteilung der Abweichung des Investitionsgewinns vom erwarteten Gewinn ........................... 270 Abbildung 76: Earnings-at-Risk des Investitionsobjekts im ersten Jahr bei verschiedenen Konfidenzniveaus .............................................. 271 Abbildung 77: Abgrenzung verschiedener Eigenkapitaldefinitionen ................ 272 Abbildung 78: Stufenweise Abgrenzung von Risikodeckungsmassen.............. 273 Abbildung 79: Prüfung der erfolgsrechnerischen Risikotragfähigkeit bei zusätzlicher Risikoübemahme ................................................... 277 Abbildung 80: Grundstrategien im Risiko-Chancen-Management ................... 284 Abbildung 81: Risikogerechter Ertrag .............................................................. 286 Abbildung 82: Maßgrößen im Risikomanagement ........................................... 293
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Abkürzungs- und Symbolverzeichnis Konfidenzniveau
a
Beobachtungswert
At
Auszahlungen in der Planungsperiode t
Abs.
Absatz
AF
Abzinsfaktor
AktG
Aktiengesetz
ARF
Alternative Risikofinanzierung
ART
Alternativer Risikotransfer
B
Beobachtungszeitraum
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
bzw.
beziehungsweise
Co
Kapitalwert einer Investition
CAPM
Capital Asset Pricing Model
CFt
Cashflow in der Planungsperiode t
CFaR
Cashflow-at-Risk
c.p.
ceteris paribus
d.h.
das heißt
DCF
Discounted-Cashflow
DIN
Deutsche Industrienorm
e
EULER 'sehe Zahl
&
Einzahlungen in der Planungsperiode t
EaR
Earnings-at-Risk
EDV
Elektronische Datenverarbeitung
EN
Europäische Norm
EU
Europäische Union
EUR
Euro
GE
Geldeinheiten
20
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
ggf.
gegebenenfalls
GKM
Geld- und Kapitalmarkt
H
Haltedauer
HGB
Handelsgesetzbuch
Hrsg.
Herausgeber
Io
Investitionsausgabe
i.d.R.
in der Regel
i.e.s.
im engeren Sinne
incl.
inklusive
ISG
Individuelle Schadengrenze
kv,t
Variable Stückkosten in der Planungsperiode t
KF,t
Fixkosten in der Planungsperiode t
KonTraG
Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich
L
Liquidationserlös
In
Natürlicher Logarithmus
~
Erwartungswert
Mio.
Millionen
MPL
Maximum Possible Loss
Mrd.
Milliarden
MW
Marktwert
tJ..M.W
Marktwertveränderung
Nr.
Nummer
p
Absatzpreis
PML
Probable Maximum Loss
ProdHaftG
Produkthaftungsgesetz
ProdSG
Produktsicherheitsgesetz
p
Korrelationskoeffizient
r
Rendite
R
Risikomesszahl Risikodeckungsnruassen
RD
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Rdnr.
Randnummer
RF
Risikofaktor
resp.
respektive
RORAC
Return on Risk adjusted Capital
cr
Standardabweichung
cl
Varianz
S.
Seite
Sp.
Spalte
TGE
Tausend Geldeinheiten
u.a.
unter anderem
UmweltHG
Umwelthaftungsgesetz
USD
OS-Dollar
u.U.
unter Umständen
VaR
Value-at-Risk
V gl.
Vergleiche
z1 ~
Quantil der Standardnormalverteilung für ein Wahrscheinlich-
z.B.
zum Beispiel
ZBAF
Zerobond-Abzinsfaktor
keitsniveau a.
21
23
Einleitung Jede wirtschaftliche Betätigung ist untrennbar mit dem Eingehen von Risiken verbunden. Die Entscheidung über die Übernahme von Risiken stellt somit einen integralen Bestandteil der Aktivitäten eines Unternehmens dar. Der Umgang mit den Risiken kann dabei bewusst oder auch unbewusst erfolgen. Es liegt auf der Hand, dass ausschließlich die bewusste Auseinandersetzung mit den vorhandenen Risiken die Möglichkeit eröffnet, die Risikolage eines Unternehmens systematisch zu steuern. Hierin besteht eine zentrale Aufgabe des Risikomanagements. Das Risikomanagement stellt schon seit Jahrzehnten einen Gegenstand derbetriebswirtschaftlichen Forschung dar. Dabei haben sich zunächst verschiedene Disziplinen losgelöst voneinander mit dem Risikomanagement befasst. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Management von finanzwirtschaftliehen Risiken und von versicherbaren Risiken zu nennen. Erst in der jüngeren Vergangenheit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass nur ein ganzheitliches Risikomanagement, das letztlich sämtliche Risiken eines Unternehmens berücksichtigt, zu einem effizienten Umgang mit den Risiken führen kann. Ein weiterer Entwicklungsschritt folgte, als es in den frühen 90er-Jahren zu verschiedenen spektakulären Unternehmensschieflagen kam. In diesem Zusammenhang können beispielsweise die Metallgesellschaft und der Balsam-Skandal angeführt werden. Der deutsche Gesetzgeber sah die Notwendigkeit, den Vorstand großer Aktiengesellschaften, bei denen Unternehmenskrisen größere Auswirkungen auch auf die Gesamtwirtschaft hätten, zur Einrichtung eines Risikomanagements zu verpflichten. Diese Bemühungen mündeten in die Verabschiedung des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), dessen Vorgaben für das Risikomanagement zwar eher allgemein gehalten sind, das aber dennoch bestimmte Vorschriften bezüglich der Struktur des Risikomanagements beinhaltet. Das KonTraG steht unter dem Leitbild der Existenzsicherung, d.h. das primäre Ziel des Risikomanagements soll nach Auffassung des Gesetzgebers in der dauerhaften Sicherung des Fortbestands des Unternehmens bestehen. Bestandsgefährdend wirken insbesondere eine Zahlungsunfiihigkeit oder eine Überschuldung, bei denen es sich um Insolvenztatbestände handelt. Die Vermeidung beider Zustände stellt somit eine wesentliche Aufgabe des Risikomanagements dar. Beide zu vermeidenden Szenarien, nämlich ein unzureichendes Eigenkapital und eine Zahlungsmittelunterdeckung, können durch schlagend werdende Risiken hervorgerufen werden. Wenn dem erfolgreich entgegengewirkt werden soll, dann
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Einleitung
ist eine zutreffende RisikomesslUlg lUlabdingbar. Bevor Maßnahmen ergriffen werden können, muss bekannt sein, in welchem Ausmaß mit Verlusten durch Risikoeintritte oder mit Liquiditätsengpässen zu rechnen ist. Eine möglichst exakte Risikobewertung ist auch noch aus einem anderen Grund erforderlich, denn neben der Beurteilung, ob sich ein Unternehmen die Übernahme bestimmter Risiken leisten kann, muss festgestellt werden, ob die Akzeptanz eines Risikos überhaupt der Erreichung der Unternehmensziele dient, d.h. nicht jedes prinzipiell tragbare Risiko sollte auch tatsächlich übernommen werden. Stattdessen ist bei jeder unternehrnerischen Entscheidung zwischen dem erreichbaren Erfolgspotenzial und den damit verbundenen Risiken abzuwägen. In erster Linie gilt dieser Grundsatz natürlich für Investitionsrisiken, denn erst durch Investitionen schafft ein Unternehmen die Grundlage für den künftigen ökonomischen Erfolg und damit die Erreichung der Untemehmensziele. Aus diesem Grund richtet sich die Darstellung im Rahmen der vorliegenden Arbeit am Beispiel des Risikos von Investitionen aus. Daraus folgt, dass im Fokus der Betrachtungen die Frage steht, wie eine Entscheidung über die Durchführung einer Investition, die mit der Übernahme eines zusätzlichen Risikos verblUlden ist, getroffen werden muss. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, die Struktur eines KonTraGkonformen Risikomanagementsystems aufzuzeigen und einen Ansatz für die quantitative Steuerung der Risikoübernahme auf der Basis einer einheitlichen Risikobewertung zu entwickeln. Die Betrachtungen sollen sich dabei - sofern es sich nicht um allgemein gültige Ausführungen handelt - auf ein Industrieunternehmen beziehen. Dazu werden im ersten Teil der Arbeit die erforderlichen Grundlagen gelegt. Eine Betrachtung, die die Bewertung von Risiken zum Gegenstand hat, muss zunächst einen geeigneten Risikobegriff definieren. Des Weiteren wird untersucht, wie die industriellen Risiken kategorisiert werden können.
Am Anfang der Überlegungen zur Struktur eines Risikomanagementsystems im Abschnitt B des ersten Teils steht die Darstellung der gesetzlichen Vorgaben des KonTraG, da diese die in jedem Fall zu erfüllenden Mindestanforderungen an das Risikomanagement darstellen. Auf dieser Basis wird ein Risikomanagement konzipiert, das zum einen den betriebswirtschaftliehen Erfordernissen genügt, das sich aber zum anderen auch mit den Forderungen des Gesetzgebers vereinbaren lässt. Zum Abschluss des ersten Teils geht es um die Problemstellung einer geeigneten Steuerungsgröße für ein Risikomanagementsystem. Hierzu werden die Schwächen der traditionellen Instrumente zur Risikobewertung, die in der zahlreich verfügbaren Literatur vorgeschlagen werden, herausgearbeitet und anschließend Anforderungen, die an eine Risikomaßgröße zu stellen sind, erarbeitet.
Einleitung
25
Der zweite Teil widmet sich der Bewertung von Risiken mithilfe der Kennzahl des Value-at-Risk. Zur Verdeutlichung der Methodik wird dabei zunächst auf die ursprüngliche Anwendungsform. die Messung des Marktpreisrisikos von W ertpapieren, eingegangen. Aus der Fokussierung des KonTraG auf die dauerhafte Existenzsicherung eines Unternehmens folgt, dass der Gesetzgeber in erster Linie auf die großen, bestandsgefährdenden Risiken abzielt. In diese Kategorie fallen in erster Linie die mit einer Investition einhergehenden Risiken. Aus diesem Grund wird die Darstellung der Risikobewertung in einem Industrieunternehmen am Beispiel des Investitionsrisikos verdeutlicht. Der dritte Teil dieser Arbeit demonstriert, wie die im zweiten Teil erarbeitete Form der Risikomessung im Rahmen der Risikosteuerung eingesetzt werden kann. Die Darstellung orientiert sich dabei zunächst an der Fragestellung, in welcher Weise beurteilt werden kann, ob sich ein Unternehmen eine zusätzliche Risikoübernahme leisten kann und sollte. Diese Analyse wird wiederum am Beispiel des Investitionsrisikos verdeutlicht. Insbesondere wird untersucht, wie die grundlegende Forderung des KonTraG nach einer dauerhaften Existenzsicherung erfüllt werden kann. Dies gewährleistet der aus dem Bereich des Bankcontrollings bekannte Risikotragfähigkeitskalkül, der besagt, dass einem potenziellen Verlust aus schlagend werdenden Risiken ausreichendes Eigenkapital gegenüberstehen muss. Um die Gegebenheiten in einem Industrieunternehmen besser abbilden zu können und darüber hinaus die KonTraG-Konformität sicherzustellen, ist diese Ausrichtung an einer Größe der Erolgsrechnung um eine finanzielle, d.h. zahlungsstromorientierte Betrachtungsweise zu erweitern. Da offensichtlich die Risikoübernahme durch die Knappheit der Risikodeckungsmassen begrenzt wird, stellt sich die Frage, in welcher Weise dieses knappe Risikokapital zu verwenden ist. Diese Problemstellung ist Gegenstand des Gliederungspunktes B im dritten Teil, der sich mit der Sicherstellung eines angemessenen Risiko-Chancen-Profils befasst. Die Arbeit schließt mit einer kritischen Würdigung der zuvor konzipierten Value-at-Risk-basierten Risikomessung und -steuerung.
1. Teil:
Risikomessung als Problemstellung des industriellen Risikomanagements Im Fokus der vorliegenden Arbeit steht die Konzeption eines Systems zur Risikobewertung, mit dessen Hilfe die Risikoübernahme in einem Industrieunternehmen gesteuert werden kann. Bevor jedoch auf die Bewertung von Risiken eingegangen werden kann, muss zunächst geklärt werden, was unter einem Risiko zu verstehen ist Die Definition des Risikobegriffs wird- im Anschluss an eine kurze Begründung der Notwendigkeit des Risikomanagements - Gegenstand des Abschnitts A im folgenden ersten Teil der Arbeit sein. An die Begriffsbestimmung schließt sich eine Kategorisierung der industriellen Risiken an. Im Mittelpunkt des Abschnitts B steht die Struktur eines Risikomanagementsystems in einem Industrieunternehmen. Da seit dem In-Kraft-Treten des KonTraG von Seiten des Gesetzgebers bestimmte Vorgaben für das Risikomanagement gemacht werden, ist zunächst zu klären, welche Anforderungen ein Risikomanagementsystem zu erfüllen hat. Aufbauend auf diesen Mindestbedingungen kann dann ein Risikomanagementsystem konzipiert werden, das auch den betriebswirtschaftlichen Anforderungen genügt. Das Risikomanagement besitzt zum einen eine Prozessstruktur, d.h. Risikomanagement besteht aus einer bestimmten Abfolge von Teilphasen. Zum anderen muss das Risikomanagement aber auch eine gewisse aufbauorganisatorische Struktur aufweisen. Der Abschnitt C des ersten Teils widmet sich der besonderen Problemstellung der Risikobewertung. In diesem Zusammenhang werden zunächst die in der Literatur vielfach vorgeschlagenen Instrumente zur Bewertung von Risiken untersucht. Dabei wird sich zeigen, dass diese Methoden den Anforderungen, die an die Risikobewertung zu stellen sind, nicht gerecht werden.
28
1. Teil: Risikomessung als Problemstellung des industriellen Risikomanagements
A. DER BETRACHTUNGSGEGENSTAND DES RISIKOMANAGEMENTS I.
Die gewandelte Risikosituation von Industrieunternehmen
Das Umfeld von WirtschaftsWltemehmen ist heutzutage durch eine zunehmende Dynamik und Komplexität gekennzeichnet. 1 Davon betroffen sind insbesondere auch Industrieunternehmen. Es sind vor allem • technologische Faktoren, • wirtschaftliche Faktoren und • rechtliche Faktoren, die die Risikosituation eines Industrieunternehmens beeinflussen.2
1.
Technologische Einflussfaktoren
Die Technologie hat eine rasante EntwicklWlg genommen. Für zahlreiche Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, wird es immer schwieriger, die immer komplexer werdenden Technologien in der erforderlichen Breite zu beherrschen.3 Dies ist aber erforderlich, um Produkte entwickeln und herstellen zu können, die dem aktuellen technischen Stand entsprechen. Auch auf der Seite der Produktion und Verwaltung stellt der technologische Fortschritt die Unternehmen vor neue Herausforderungen, denn neue Technologien besitzen einen unmittelbaren Einfluss auf die Arbeitswelt. 4 Dies gilt vor allem im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung und der Telekommunikation. Die rasante Entwicklung in diesem Bereich erleichtert und beschleunigt den weltweiten Informationsaustausch. s In der Verwaltung eines Unternehmens existieren kaum noch Aufgaben, die ohne Computerunterstützung erledigt werden. Informationen werden in Datenbanken und nicht mehr in Karteien gespeichert, und auch die unternehmensinterne und -externe Kommunikation wird häufig mittels neuer elektronischer Medien, z.B. über das Internet, abgewickelt. Durch derartige Ent1 2 3
4 5
Vgl. LOCK, W. (Interne Revision, 2000), S. 3; RUUD, T.F./BODHNMANN, J.M. (Corporate Governance, 2001), S. 526. Vgl. HOLSCHHR, R. (Gestaltungsformen, 1999), S. 297-298. Vgl. THE ST. PAUL COMPANIES (E-Neuland, 2001); STEFFEN, M.IFITZE, R.IK.oBLER, A (RisikoManagement, 1999), S. 11. V gl. Z1NK, K.J. (Technologien, 1985), S. 1. Vgl. STEFFEN, M.!FrrZE, R.IK.oBLER, A (Risiko-Management, 1999), S. 4.
A. Der Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements
29
wicklungen werden zwar viele Prozesse in einem Unternehmen effizienter, jedoch wächst auch die Abhängigkeit von der dafür erforderlichen technischen Ausstattung, deren unerwarteter Ausfall erhebliche Konsequenzen für ein Unternehmen mit sich bringen kann. In zahlreichen Unternehmen ist man sich dieser Risiken nicht vollständig bewusst6 Ähnliches gilt für die industrielle Produktion, denn auch hier schreitet die technologische Entwicklung voran.7 Die verstärkte Verwendung von rechnergesteuerten Produktionsanlagen ermöglicht zum einen den Einsatz neuer Produktionsverfahren und sorgt zum anderen für einen stetig zunehmenden Automatisierungsgrad, denn personelle Kapazitäten werden immer mehr durch maschinelle Kapazitäten ersetzt.8 In Bezug auf das Risiko von Investitionen in moderne Produktionsanlagen ist dadurch zum einen eine risikomindernde Wirkung festzustellen, denn der Mensch wird als Fehlerquelle immer mehr ausgeschlossen. Auch ist heutzutagenicht zuletzt als Folge des technologischen Fortschritts und der damit verbundenen verbesserten technischen Qualität der Anlagen - die Störanfälligkeit von Maschinen tendenziell geringer als in der Vergangenheit, d.h. Schäden treten in einer geringeren Häufigkeit als in der Vergangenheit auf. 9 Zum anderen sind moderne Produktionsanlagen jedoch weitaus komplexer als herkömmliche Anlagen. Dies führt im Schadenfall zu einem erhöhten potenziellen Schadenausmaß, das dazu geeignet ist, die Verringerung der Schadenhäufigkeit zu überkompensieren. 10 Dies liegt auch daran, dass häufig ein kleiner Schaden schon für den Stillstand der gesamten Produktion sorgen kann. Durch die dann entstehende Betriebsunterbrechung wächst das Schadenausmaß zusätzlich an. 11 Dabei ist der Aspekt zu beachten, dass es sich z.B. bei hochautomatisierten industriellen Fertigungsstraßen häufig um individuell entworfene Einzelstücke handelt, bei denen eine Neubeschaffung im Falle eines Totalschadens nicht, zumindest aber nicht kurzfristig möglich ist. 12 Des Weiteren führt die Entwicklung im Bereich der Fertigungstechnik dazu, dass für Maschinen und Anlagen erheblich mehr an Kapital zu investieren ist. Das Investitionsrisiko gewinnt folglich besonders für ein Industrieunternehmen erheblich an Bedeutung. 13
~
Vgl. THE ST. PAUL COMPANIES (E-Neuland, 2001). Vgl. JANNOTI, HK (Fortschritt, 1991), S. 635-636. 1 Vgl. HOLSCHHR, R. (Gestaltungsformen, 1999), S. 298. 9 Vgl.IIALl.ER. M. (Risiko-Management, 1981), S. 66. 10 Vgl. HERTEL, A. (Praxis, 1991), S. 60; HALLER, M./PBTIN, J. (Umbrüche, 1994), S. 157; HAR.TIC:ORBN, E.P. (Strategie, 1995), S. 85-86; HALLER, M. (Risikoprob1eme, 1996), S. 334. 11 Vgl. WBNDELSTADT, D. (Perspektiven, 1981), S. 54; LEoPOW,l (RisikoprofiJ. 1994), S. 12. 12 Vgl. BRÜHWil.l!R. B. (Industrieversicherung, 1994), S. 40. 13 Vgl. STBFFEN, M.!FrrZB, R./KoBLER, A. (Risiko-Management, 1999), S. 11. 7
30
1. Teil: Risikomessung als Problemstellung des industriellen Risikomanagements
Es ist unbestritten, dass moderne Produktionstechnologie präziser arbeitet, als dies in der Vergangenheit möglich war. Dies führt wiederum zu einer Verringerung der Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken, die auf fehlerhaften Produkten beruhen. Je höher der Automatisierungsgrad ist, desto weniger kann jedoch die Möglichkeit von Serienschäden auf Grund systematischer Fehler ausgeschlossen werden. In einer automatisierten Fertigung werden derartige Fehler häufig erst spät entdeckt. Diese Problematik wird noch verschärft durch den Umstand, dass eine Produktion mit einem hohen Automatisierungsgrad i.d.R durch hohe Chargengrößen gekennzeichnet ist. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass auch diesbezüglich bei sinkender Häufigkeit von Schäden das Schadenpotenzial 14 tendenziell anwächst. Zusätzlich bringen neue Technologien häufig auch ein erhöhtes Brandrisiko mit sich, weil mit dem Automatisierungsgrad auch der Bedarf an elektrischer Energie ansteigt. Störungen in elektrischen Einrichtungen 15 stellen die zweithäufigste Ursache für Brandschäden dar.
2.
Wirtschaftliche Einflussfaktoren
Auch Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenparameter spielen in Bezug auf die Risiken, denen ein Unternehmen unterliegt, eine wichtige Rolle. Die zunehmende Internationalisierong der Wirtschaft stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Nicht nur die Bedeutung von Export und Import nehmen zu, sondern nationale Unternehmen entwickeln sich zu multinationalen Unternehmen.16 Eine Ursache hierfür besteht im vermehrten Wegfall von Handelshemmnissen und Wettbewerbsbeschränkungen. 17 Um auch in der Zukunft erfolgreich zu sein, können sich die meisten Unternehmen der Internationalisierung nicht widersetzen. Unternehmen, die lediglich auf einem enger werdenden inländischen Markt agieren, werden tendenziell schrumpfen.18 Während die multinationalen Konzerne der 50er- oder 60er-Jahre durch ausländische Tochtergesellschaften mit relativ hoher Eigenständigkeit gekennzeichnet waren, werden moderne multinationale Unternehmen integriert gesteuert. Die lokalen Aktivitäten werden aufeinander abgestimmt und mit der globalen, gesamtunternehmensbezogenen Strategie in Einklang gebracht. 19 Es können dadurch weltweite Netzwerke von untereinander abhängigen Unternehmen entste14 15
16 17 18 19
Vgl. HERTEL, A. (Praxis, 1991), S. 62. Vgl. ILLNER, M. (Industrie, 1993), S. 215; PETER, F. (Auswirkungen, 1986), S. 34. V gl. LIEBER, B. (Untemebmenskultur, 1995), S. 64; HOLSCHER, R./KREMHRs, M./ROCKER, U.-C. (Industrieversicherungen, 1996), S. 23; HAHN, D. (Konzepte, 1998), S. 564. Vgl. STEFFEN, M.IFITZE, RIK.oBLER, A (Risiko-Management, 1997), S. 4. Vgl. HIRSCH-KREINSEN, H. (Globalisierung, 1997), S. 487. Vgl. HIRSCH-KREINSEN, H. (Globalisierung, 1997), S. 488.
A. Der Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements
31
hen.20 Dies wurde überhaupt erst durch den Fortschritt bei den Informations- und Kommunikationstechnologien möglich. Die Internationalisierung kann aus verschiedenen Gründen fiir ein Unternehmen problematisch sein. So benötigt die Unternehmensleitung fundiertes Wissen über ausländische Rechtssysteme sowie über fremde Kulturen, Mentalitäten und Unternehmensphilosophien. Auch die Möglichkeiten zur Handhabung von Risiken können sich international unterscheiden, z.B. in Bezug auf die jeweils lokal verfügbaren Versicherungsdeckungen.21 Darüber hinaus sind international tätige Unternehmen tendenziell größer und in ihrer Struktur komplexer als Gesellschaften, die nur auf ihrem angestammten Heimatmarkt agieren. Mit zunehmender Größe werden die Unternehmen jedoch auch unübersichtlicher und schwieriger 22 zu steuem. Die zunehmende Größe und Komplexität der Unternehmen wird auch vorangetrieben durch die seit Längerem zu beobachtende Tendenz zu Unternehmenskonzentrationen.23 Komplexer werdende Unternehmensstrukturen erschweren es der Untemehmensleitung, die Risikostruktur zu steuern. Es werden Instrumente benötigt, mithilfe derer die Risiken des Gesamtunternehmens unter Berücksichtigung bestehender Interdependenzen erfasst werden können. Als weiterer Entwicklungstrend ist eine verstärkte Fragmentierong der Märkte zu konstatieren. Kunden erwarten von ihren Lieferanten in kürzeren Abständen neue Angebote sowie innovative und kostenoptimierte Lösungen. Dies führt zu kürzeren Produktlebenszyklen und damit auch zu kürzeren Entwick:lungszeiten, was letztlich erhöhte Investitionsrisiken mit sich bringt.24 In allen Bereichen der Wirtschaft werden - beispielsweise unter dem populären Schlagwort des ,,Business Reengineering.. - Rationalisierongslwnzepte durchgesetzt, die zum einen eine durch den technologischen Fortschritt ermöglichte verstärkte Automatisierung der Abläufe in einem Unternehmen beinhalten und zum anderen die Organisationsstruktur vereinfachen und verkleinern. Derartige Maßnahmen können die Effizienz einer Organisation zweifellos erhöhen, jedoch sind auch nachteilige Auswirkungen auf die Risikostruktur eines Unternehmens festzustellen. Beispielsweise stellt die vor allem im Bereich der Automobilindustrie weit verbreitete Just-in-Time-Produktion die Zulieferer vor die Alternativen, entweder eine umfangreiche Lagerhaltung zu installieren, oder die Zwischenpro-
20
Vgl. FINK, B. (Bedarf, 1990), S. 13; WILDEN, W. (Jndustrieversicherungen, 1998), S. 658.
21 Vgl. BRÜHWILHR, B. (Versicherungsprogramm, 1986, S. 97-98. 22
23
24
Vgl. LEoPOLD, I. (Risikoprofil, 1994), S. 12; LOCK, W. (Interne Revision, 2000), S. 4-5. Vgl. WENDELSTADT, D. (Perspektiven, 1981), S. 54. Vgl. STEFFEN, M.!FrrzE, R.!KoBLER, A (Risiko-Management, 2000), S. 4; MILD, T. (Techno1ogien, 1998), s. 295.
32
1. Teil: Risikomessung als Problemstellung des industriellen Risikomanagements
dukte termingerecht herzustellen.Z5 Aus erstgenannter Möglichkeit erwachsen die typischen, mit einer Lagerhaltung verbundenen Risiken, wie z.B. das Brandrisiko, die somit vom Abnehmer auf den Zulieferer transferiert werden. Bei letztgenannter Alternative wächst der aus einer möglichen Betriebsunterbrechung entstehende Schaden an, weil der Abnehmer u.U. nicht termingerecht beliefert werden kann. Dies kann zunächst zu Konventionalstrafen führen. Möglicherweise hat der Abnehmer keine Möglichkeit der Ersatzbeschaffung, sodass es auch bei ihm zu einer Betriebsunterbrechung kommt, für die der Zulieferer in Regress genommen wird. Mittel- bis langfristig kann die nicht termingerechte Lieferung dazu führen, dass sich der Abnehmer anderen Lieferanten zuwendet. Die ursprüngliche Kundenbeziehung kann häufig nur mit erheblichen Verkaufsanstrengungen und finanziellen Zugeständnissen wieder hergestellt werden.26 Ein weiterer Problembereich ist in der zunehmenden Verbreitung innovativer Finanzprodukte oder von Instrumenten der alternativen Risikofinanzierung zu sehen. Zwar sind solche Instrumente durchaus zur Steuerung und Bewältigung bestimmter Risiken geeignet,27 jedoch darf nicht die Problematik verkannt werden, dass durch die Verwendung derartiger Instrumente das Gegenparteirisiko, d.h. die Gefahr, dass ein Geschäftspartner seinen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkommt, anwächst.28 Schließlich ist im Zusammenhang mit den ökonomischen Einflussgrößen auf die Risikolage eines Unternehmens auch die Hinwendung zu einer verstärkten Ausrichtung der Aktivitäten an den Interessen der Unternehmenseigentümer zu nennen, die zumindest die Großunternehmen inzwischen vollzogen haben. Die Erhöhung des Shareholder-Value als wesentliches Unternehmensziel setzt eine wertorientierte Managementkonzeption voraus, deren Zielsystem neben Wachstumsund Rentabilitätszielen insbesondere auch die Relevanz von Risikoaspekten betont. Dabei können insbesondere Rentabilitäts- und Risikoaspekte nicht separiert werden, denn das Eingehen eines Risikos kann nur über einen adäquaten Rentabilitätsbeitrag gerechtfertigt werden. Neben dieser Abstimmung von Chancen- und Risikogesichtspunkten ist die Risikoübernahme auch an der Risikotragfähigkeit eines Unternehmens auszurichten. 29 Ein Unternehmen hat somit zunächst zu prüfen, welches zusätzliche Risikopotenzial überhaupt getragen werden kann. Erst in einem nächsten Schritt sollte das Risiko-Chancen-Verhältnis eingeschätzt 25
Vgl. HOLSCHER. R. (Gestaltungsformen, 1999), S. 298. Vgl. WENDELSTADT, D. (Perspektiven, 1981), S. 55. n Auf diesen Zusammenhang wird an späterer Stelle noch einzugehen sein, vgl Abschnitt B.m3. in
26
28 29
diesem Teil
Vgl. SCHWEIZERISCHE ROCKVERSICHERUNGSGESELLSCHAFI' (Kapital, 1999), S. 31. Vgl. SCHIERENBECK, H.ILISTER, M. (Value Controlling, 2000), S. 11-12.
A. Der Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements
33
werden. 30 Die Etablierung einer wertorientierten Unternehmensführung führt somit zu einer Verschiebung von der finanziellen, funktions-, vergangenheitsund kostenorientierten Sichtweise von Risiken, wie sie traditionell vorherrscht, in Richtung einer operationellen, zukunfts-und wertorientierten Perspektive. 31
3.
Rechtliche Einnussfaktoren
Der dritte wesentliche Einflussfaktor, der die Risikolage eines Unternehmens determiniert, ist in den Vorgaben des Gesetzgebers zu sehen. 32 Die industriellen Risiken unterliegen somit auch der Einflussnahme von Seiten des Staates. Unmittelbare Auswirkungen auf das Risikomanagement in den Unternehmen hat dabei das In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraGi3 genommen, das durch eine Änderung des Aktiengesetzes für bestimmte Unternehmensformen das Vorhandensein eines Risikomanagementsystems fordert. Der Gesetzgeber verpflichtet die betroffenen Unternehmen somit, Risikomanagement zu betreiben. Die das Risikomanagement betreffenden Vorschriften des KonTraG und die Möglichkeiten zur Ausgestaltung eines KonTraG-k.onform.en Risikomanagements werden an späterer Stelle vertiefend betrachtet. 34 Weitere wesentliche Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen sind 35 auf erhebliche Verschärfungen im Haftpflichtbereich zurückzufiihren. Sowohl für die Produkt- als auch für die Umwelthaftung hat der Gesetzgeber mit dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) und dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) bzw. mit dem Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG) eine verschuldensunabhängige Haftung eingeführt. Ein Unternehmen haftet somit u. U. auch ohne eigenes Verschulden für Schäden durch fehlerhafte Produkte sowie für Beeinträchtigun36 gen der Umwelt.
30
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33 34
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36
Vgl. ZIMMERMANN, H. (Fundierung, 1997), S. 54. Vgl. Ruun, T.F./BODENMANN,J.M. (Corporate Governance, 2001), S. 526. Vgl. HARTKOREN, E.P. (Strategie, 1995), S. 86; JANNOIT, H.K. (Fortschritt, 1991), S. 635. Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl. I vom 30.4.1998, S. 786 ff. Vgl. Abschnitt B.l in diesem TeiL Vgl. ROHDE-LIEBENAU, W. (Haftpflicbtversicbenmgsscbutz, 1997), S. 519; KLINGM'OLLER, E. (Haftungsrecbt, 1996), S. 15; O.V. (Industrie-Risiken, 1996); MORSBACH, A. (Jndustrieversicberung, 1991 ), S. 209-210. Für einen Überblick über die bistorisehe Entwicklung der Haftpflichtregelungen türIndustrieunternehmen vgl. SCHLECH'I'RIBM, P. (Haftung, 1991). Vgl. HOLSCHER. R. (Gestaltungsformen, 1999), S. 298. Dieser Zusammenhang wird auch als ,,Prinzip der Gefährdungsbaftung" bezeichnet, vgl. DEurSCH, E. (Gefäbrdungsbaftung, 1992), S. 73-74.
34
1. Teil: Risikomessung als Problemstellung des industriellen Risikomanagements
Als Produkthaftung wird die Haftung für Folgeschäden durch Produktfehler bezeichnet.37 Traditionell können sich Ansprüche auf Grund des Fehlens zugesicherter Eigenschaften auf vertragsrechtliche Vorschriften oder als Folge eines schuldhaften rechtswidrigen Handeins auf § 823 BGB stützen. Gemäß der allgemein anerkannten Interpretation dieser Norm entstehen Haftpflichtansprüche dann, wenn der Hersteller eines Produktes bestimmte Sorgfaltspflichten verletzt hat.38 Der Betroffene kann sich entlasten, indem er nachweist, dass er seine Sorgfaltspflichten erfüllt hat und ihn somit kein Verschulden trifft.39 Im Gegensatz dazu sieht das ProdHaftG eine so genannte Kausalhaftung vor, die kein Verschulden des Produzenten erfordert.40 Ein Produktfehler liegt vielmehr dann vor, wenn ein Produkt ,,nicht die Sicherheit bietet, die berechtigterweise erwartet werden kann". 41 Dabei wird die Sicherheitserwartung der Allgemeinheit zu Grunde gelegt.42 Von der Haftung kann sich der Produzent nur dann befreien, wenn er nachweisen kann, dass sich das Produkt auf dem Stand von Wissenschaft und Technik befindet.43 Dies bedeutet letztlich, dass innerhalb eines Unternehmens alle erforderlichen Einrichtungen und Abläufe zu schaffen sind, damit sichergestellt ist, dass nur ausreichend sichere Produkte in den Verkehr gebracht 44 werden. Das ProdHaftG hat zwar nicht zu "amerikanischen Verhältnissen" mit leicht durchsetzbaren Ansprüchen und sehr hohen Schadenersatzleistungen gefuhrt, aber dennoch ist das Produkthaftungsrisiko angewachsen. 45 Zudem ergeben sich für deutsche Unternehmen im Zuge der Internationalisierung zunehmende Risiken in Bezug auf die internationale Produkthaftung.46 Eine ähnliche Situation herrscht im Zusammenhang mit dem Risiko von Umweltbeeinträchtigungen vor. In der Gesellschaft hat sich in der jüngeren Vergangenheit ein ausgeprägtes Bewusstsein für die natürliche Umwelt entwickelt. Dies hat dazu geführt, dass die Bewältigung von Umweltrisiken zu einer der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben geworden ist. Vor diesem Hintergrund wurde die Haftung für Beeinträchtigungen der Umwelt in ähnlicher Weise wie die Produkt-
37
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39 40 41 42
43 44 45 46
Vgl. BAUER, C.-O.IHINSCH, C.IEIDAM, GJOrro, G. (Produkthaftung, 1994), S. 12. Vgl. MlscHKE, W. (Produktfehler, 1997), S. 1494-1495; BAUER, C.-O.IHINSCH, C.IEIDAM, GJ Orro, G. (Produkthaftung, 1994), S. 24; SCHMIDT-SALZER, J. (Produkthaftung, 1994), S. 1305. Vgl. ERMERT, F.-1. (Produkthaflpflicht, 1990), S. 20. Vgl. BAUER, C.-O.IHINSCH, C.IEIDAM, GJOrro, G. (Produkthaftung, 1994), S. 83. § 3 ProdHaftG. Vgl. NICKEL, F.G.IKAUFMANN, L. (Produzentenhaftung, 1998), S. 948. Vgl. BAUER, C.-O.IHINSCH, C./EIDAM, GJOrro, G. (Produkthaflung. 1994), S. 91. Vgl. Zink, K.I. (Total QualityManagement, 1994), S. 14. Vgl. HOLSCHER, R.IKREMERS, MJRüCKER. U.-C. (Industrieversicherungen, 1996), S. 26. Vgl. SCHERER, J./BUIT, M.IRmMERTSHOFER, J. (Produkthaftung. 1999), S. 469; SCHWARZE, R.. (Störfallvorsorge 1998), S. 1346.
A. Der Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements
35
haftung verschärft.47 Betreiber von Anlagen, die der Gesetzgeber als besonders gefährlich einstuft,48 haften für jeden von der betreffenden Anlage verursachten Personen- oder Sachschaden, auch wenn sich die Anlage im störungsfreien und behördlich genehmigten Normalbetrieb befunden hat. 49 Eine Verpflichtung zum Schadenersatz kann somit auch dann entstehen, wenn zum Zeitpunkt der Umweltbeeinträchtigung die Schädlichkeit eines Stoffes noch nicht bekannt war oder noch kein Verfahren zur Messung der Umweltbelastung durch Emissionen exis50 tiert hat. Die vorangegangenen Ausführungen haben die Dynamik und die Komplexität der Risikosituation eines Industrieunternehmens verdeutlicht. Es leuchtet ein, dass sich ein Unternehmen systematisch mit seinen Risiken auseinandersetzen muss. Bevor ein Risikomanagementsystem konzipiert werden kann. ist es zunächst erforderlich, eine Eingrenzung des Risikobegriffs und eine Systematisierung der industriellen Risiken vorzunehmen.
II. Der Begriff des Risikos 1.
Charakterisierung des Risikos
Das Risiko stellt schon seit längerem einen Betrachtungsgegenstand verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, so auch der Wirtschaftswissenschaften dar. 51 Dabei ist eine Fülle unterschiedlicher Definitionen anzutreffen, da der Risikobegriff jeweils vor dem Hintergrund einer konkreten Problemstellung bestimmt wird. 52 Im Allgemeinen ist der Begriff des Risikos negativ belegt, d.h. ein Risiko wird als die Möglichkeit ungünstiger künftiger Entwicklungen interpretiert.53 In der umgangssprachlichen Verwendung wird der Terminus ,,Risiko" auch im Sinne von ,.Gefahr'' oder ,.Wagnis" benutzt, um dem subjektiven Gefühl, nicht
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Vgl. HOLSCHER. R.IKRHMERs, M./ROCICBR. U.-C. (Industrieversicherungen, 19%), S. 27. Vgl. auch die Beispiele zur Entscheidungspraxis bei SAUE, P. (UmweltHG, 1998). Diese Anlagen werden in Anhang 1 des UmweltHG genannt. Vgl. SCHIMIK.OWSKI, P. (Umwelthaftpflichtversicherung, 1999), S. 416. Vgl. HOLSCHER. R.!KREMERS, M./ROCICBR. U.-C. (Industrieversicherungen. 19%), S. 27-28. Vgl. BRAUN, H. (Risik:omanagement. 1984), S. 22; HöLSCHER, R. (Risikokosten-Management, 1987), S. 4; Vgl. auch die Übersicht über die Entwicklung des Risikobegriffs in der Betriebswirtschaftslehre bei BUSSMANN, K.F. (Risiko, 1955), S. 11-15. Vgl. RüCICBR. U.-C. (Finanzierung, 1999), S. 29. Vgl. EooEMANN, G.IK.oNRADT, T. (Risik:omanagement, 2000), S. 504; LJNSI, AC.S. (Inteme Revision. 2000), S. 724-725.
36
1. Teil: Risikomessung als Problemstellung des industriellen Risikomanagements
alle künftigen Entwicklungen beherrschen zu können, Ausdruck zu verleihen.54 Im Rahmen ökonomischer Anwendungen herrschte lange Zeit die Interpretation des Risikos als Schadens- oder Verlustgefahr vor, d.h. es dominierte der Aspekt der potenziellen Vermögensminderung. 55 In einer ersten Eingrenzung können ursachen-und wirkungsbezogene Auffassun56 gen des Risikobegriffs unterschieden werden. Der ursachenbezogene Risikobegriff ergibt sich dabei aus dem Umstand, dass sämtliche in einem Unternehmen zu treffende Entscheidungen in die Zukunft gerichtet sind.57 Durch diesen Zukunftsbezug unterliegen die Wirkungen einer Entscheidung einer gewissen Unsicherheit,58 da zukünftige Entwicklungen nahezu immer mehrdeutig sind. Dies bedeutet, dass eine Menge möglicher Ereignisse in der Zukunft existiert, wobei jedes dieser Ereignisse jeweils mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten kann. 59 Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem Entscheidungsträger diese Wahrscheinlichkeiten bekannt sein müssen. Durch die Mehrdeutigkeit der künftigen Entwicklung ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht bekannt, welches Ereignis tatsächlich eintreten wird.60 Vor diesem Hintergrund kann das Risiko als eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der möglichen künftigen Entwicklungen verstanden werden. Der Entscheidungsträger verfügt somit nur über einen unvollkommenen Informationsstand, denn selbst wenn die Wahrscheinlichkeitsverteilung der möglichen Entwicklungen bekannt ist, kann nicht im Voraus festgestellt werden, welche der möglichen künftigen Entwicklungen sich letztendlich realisieren wird.61 Der wirkungsbezogene Risikobegriff rückt die mit einem Risiko verbundenen Konsequenzen in den Mittelpunkt. Allgemein könnte ein Risiko in diesem Zusammenhang als die Gefahr einer ungünstigen Entwicklung verstanden werden.62
54
Vgl. BRAUN, H. (Risiken, 1987), S. 145-146; HÜRLIMANN, W. (Risiko, 1993), S, 85; SCHNEIDER, D. (Investition, 1992), S. 35; HRIBAL, L. (Risikokomnwnikation, 1999), S. 33. ss Schon ÜBERPARLEITER definierte das Risiko als .,Gefahr des Mißlingens einer Leistung'' mit der Folge des ,,Ausbleibens des angestrebten Gewinnes", vgl. ÜPERPARLEITER, K. (Risikenlehre, 1925), S. 1. ZumRisiko als Verlustgefahrvgl. auch WOOD, O.G. (Evolution, 1964), S.83; FROHUNO, 0. (Control.l.i.ng. 2000), S. 63. 56 Vgl. HOLSCHER, R. (Risikok.osten-Management, 1987), S. 4; KAPLAN, S./GARRICK. B.J. (Risiko, 1993), s. 95-96. 57 Vgl.IIAHN,D. (Risiko-Management, 1987), S. 137-138; BRÜHWILER, B. (Industrieversicherung, 1994), s. 3-5. 58 Vgl. nmn., M. (Stand, 1996), S. 207. 59 Vgl. FARNY, D. (Versicherungsbetriebslehre, 2000), S. 26-27. 60 Vgl. BAMBERO, G./COENENBERO, AG. (Entscbeidungslehre, 2000), S. 30. 61 Vgl. FARNY, D. (Grundfragen, 1978), S. 13; BAMBERG, G./COENENBERG, A.G. (Entscheidungslebre, 2000), S. 30; ROCKER, U.-C. (Finanzierung, 1999), S. 30. 62 Vgl. EooEMANN, G.IK.ONRADT, T. (Risikomanagement, 2000), S. 504.
A. Der Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements
37
Hierbei ist jedoch zu konkretisieren, was unter einer "ungünstigen Entwicklung" zu verstehen ist. Vor dem Hintergrund des Treffens von Entscheidungen besteht eine ungünstige Entwicklung darin, dass sich ex post herausstellt, dass eine Entscheidung nicht zum gewünschten Ergebnis geführt hat, d.h. unter dem wirkungsbezogenen Blickwinkel besteht das Risiko in der Möglichkeit einer Zielverfehlung.63 Bei Zielen handelt es sich um als erstrebenswert erachtete Zustände in der Zukunft, die durch Handlungen bzw. das Treffen von Entscheidungen realisiert werden sollen. 64 Vor diesem Hintergrund manifestiert sich ein Risiko dadurch, dass der erwartete Zustand nicht erreicht wird. 65 Dieses Risikoverständnis setzt zielorientiertes Handeln voraus. 66 Die Ziele müssen jedoch nicht ausdrücklich formuliert werden, es kann sich auch um unbewusste Erwartungen handeln.67 Als Bewertungsmaßstab für die wirkungsbezogene Komponente eines Risikos fungiert folglich der Grad der Abweichung von den gesetzten Zielen.68 Eine Zielverfehlung kann sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht erfolgen. Eine positive Abweichung besteht dabei in einer Übererfiillung der ursprünglichen Erwartungen, d.h. es handelt sich um einen erwünschten Zustand. Eine negative Zielverfehlung resultiert dagegen aus einer unerwünschten Nichter69 füllung der Zielsetzungen. In diesem Zusammenhang können zwei Arten von Risiken unterschieden werden. Zum einen existieren Risiken, die sich ausschließlich negativ auf die Zielerreichung auswirken können. Solche Risiken werden häufig auch als reine Risiken oder asymmetrische Risiken bezeichnet. Zum anderen gibt es auch Risiken, die sich sowohl positiv als auch negativ auswirken können.70 Derartige Risiken werden auch mit dem Begriff des spekulativen Risikos oder des ,,Business Risk" belegt. 71 Alternativ könnte auch der Begriff des symmetrischen Risikos Verwendung finden. 72 Dabei bringt das Begriffspaar des 63
61 65
66
(f/
61 69
70 71
72
Vgl. STREMITZER, H. (Risikopolitik, 1977), S. 23; HALLER, M. (Risiko-Management, 1978), S. 484; KRmG, W. (Risikobewältigung, 1978), S. 533; ROCKER, U.-C. (Finanzierung, 1999), S. 30; WEYEL, W. (Risikomanagement, 1999), S. 77. Vgl. CORSTEN, H. (Zielbildung, 1988), S. 337. Vgl. BROLL, U.!Mn.DE, H. (Risikomanagement, 1999), S. 516; HÖLSCHER, R (Gestaltungsformen, 1999), s. 299. Vgl. MICHAELS, B. (Risiko, 1999), S. 237; BUMBACHER, R-J.IHODEL, B. (Interne Revision, 2000), S. 1053; SAUERWEIN, E/I'HURNER, M. (Risik:o-Management-Prozeß, 1998), S. 35. Vgl.IIALLHR, M. (Risiko-Management, 1978), S. 7; HöLSCHER, R (Gestaltungsformen, 1999), S. 299; HUMMLER, K. (Risiko, 1997), S. 21. Vgl. HELTHN,E./BriTL,A/LIHBWEIN,P. (Versichenmg, 2000), S. 157. Vgl. HOFFMANN, K. (Risk Management, 1985), S. 10; ROCKER, U.-C. (Finanzierung, 1999), S. 30. Vgl. WEYBL, W. (Risikomanagement, 1999), S. 77. Vgl. Woon, O.G. (Evolution, 1964), S. 85; HoFFMANN, K. (Risk Management, 1985), S. 10-11; HORLIMANN, W. (Risiko, 1993), S. 85; HOLSCHER, R (Gestaltungsformen, 1999), S. 299-300; FRöiH.ING, 0. (Controlling, 2000), S. 63. Vgl. WEBER, J.!WEißENBERGER, B.EiLIEKWEG, A. (Risk Tracking, 1999), S. 15.
38
1. Teil: Risikomessung als Problemstellung des industriellen Risikomanagements
symmetrischen bzw. des asymmetrischen Risikos den jeweiligen Charakter der Risikoart (einseitige bzw. beidseitige Abweichungen von der durch die Zielsetzung determinierten ,,Nulllinie") besser zum Ausdruck und soll daher im Folgenden verwendet werden. Das Risikomanagement verfolgt das Ziel, sinnvoll mit möglichen ungünstigen Entwicklungen umzugehen. Insofern konzentriert sich die Analyse auf negative Abweichungen von den Zielvorstellungen,73 d.h. der Chancenaspekt positiver Abweichungen stellt keinen unmittelbaren Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements dar. Folglich werden die asymmetrischen Risiken und die ,,negative Seite" der symmetrischen Risiken analysiert. 74 Die asymmetrischen Risiken und die unerwünschten Auswirkungen symmetrischer Risiken können unter dem Begriff des Risikos im engeren Sinne zusammengefasst werden. Die Risiken im engeren Sinne bilden gemeinsam mit den positiven Abweichungen der symmetrischen Risiken die Risiken im weiteren Sinne. 75 Abbildung 1 verdeutlicht diesen Zusammenhang.
Asymme1risches Risiko
Symmetrisches Risiko
Negative Zielverfehlung
Riliko im eageren Sinne
Risiko im weiterea SiDae
Abbildung 1: Unterscheidung von Risiken im Hinblick aufihre Wirkung
73 Vgl. BLANKENBURG, J. (Risikomanagement, 1978), S. 329; FARNY, D. (Grundfragen, 1978), S. 16. 74
75
Vgl. MÜLLER, W. (Risk Management, 1978), S. 71; HOLSCHER, R. (Risikokosten-Management, 1987), S. 6; HOLSCHER, R.. (Gestaltungsformen, 1999), S. 300; ROCKER, U.-C. (Finanzierung, 1999), S. 31; WEYBL, W. (Risikomanagement, 1999), S. 78. Vgl. LOCK, W. (Managementrisiken, 2000), S. 315; FROHLING, 0. (Controlling, 2000), S. 63.
A. Der Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements
39
Die ursachen- und die wirkungsbezogene Sichtweise des Risikos schließen sich nicht gegenseitig aus. Ein Risiko kann im Sinne einer Ursache-WirkungsBeziehung vielmehr als eine Kombination der beiden Interpretationen verstanden werden. 76 Eine spezielle Ausprägung dieser Kombination ist im mathematischen Risikobegriff zu finden, der sich auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung (Ursache) der möglichen Konsequenzen von Entscheidungen (Wirkung) bezieht. Auf der Grundlage einer solchen Wahrscheinlichkeitsverteilung lassen sich verschiedene mathematische bzw. statistische Kennziffern - so genannte Streuungsmaße berechnen, die darüber informieren, in welchem Ausmaß die verschiedenen möglichen Ergebnisse einer Entscheidung um einen Mittelwert streuen. 77 Typische Streuungsmaße sind z.B. die Varianz oder die Standardabweichung. Ein solches, eher mathematisch orientiertes Risikoverständnis findet sich beispielsweise im Bereich der Versicherungsmathematik78 oder der Kapitalmarkttheorie79• Die gängigen statistischen Streuungsmaße zeichnen sich dadurch aus, dass beidseitige Abweichungen von einem Mittelwert betrachtet werden, d.h. im Rahmen statistischer Methoden wird i.d.R das Risiko im weiteren Sinne analysiert. Es ist somit festzuhalten, dass ein Risiko in der Gefahr einer negativen Abweichung der tatsächlich eintretenden Wirkung einer Entscheidung vom erwarteten Ergebnis zu sehen ist.80 Ein Risiko besitzt, bedingt durch einen unzureichenden Informationsstand, eine ursachenbezogene Komponente, da nicht bekannt ist, welche der möglichen künftigen Entwicklungen sich realisieren wird. Die grundsätzlich möglichen Ereignisse, für die eine - dem Entscheidungsträger möglicherweise nicht bekannte- Wahrscheinlichkeitsverteilung existiert,81 beinhalten die Möglichkeit einer Zielverfehlung. Die wirkungsbezogene Komponente des Risikos äußert sich in Form der Bewertung der Zielverfehlung. 82 Das Ergebnis dieser Bewertung ist damit immer anhängig vom zu Grunde liegenden Ziel.83
16 11
78 79
80
81 82
83
Vgl. ROCKER. U.-C. (Finanzierung, 1999), S. 30; HllLTEN, E.IBIITL, AILIEBWEIN, P. (Versicherung,2000),S. 159. Vgl. BARTRAM, S.M. (Risiko, 2000), S. 242; SCHNEIDER, T. (Risikomanagemcnt, 1999), S. 113. Vgl. FARNY, D. (Versicherungsbetriebslehre, 2000), S. 30; BRÜHWILER, B. (Industrieversicherung, 1994), s. 21. Vgl. ZIMMERMANN, H. (Fundienmg, 1997), S. 27; REICHLING, P. (Risikomessung, 1999), S. 225; SCHRÖDHR, M. (Marktrisiko, 1999), S. 383. Beispielsweise handelt es sich bei der häufig verwendeten Risikomaßgröße der Volatilität um eine Standardabweichung, vgl. PERRIDON, L./STE1NER, M. (Finanzwirtschaft, 1999), S. 327-328. Vgl.IIALl.ER. M. (Versicherung, 1975), S. 26; HöLSCHER, R. (Risikokosten-Management, 1987), S. 4-5; LISTHR, M. (Ergebnismessung, 1997), S. 6; ScHIERENBECK, H./LISTER, M. (Value Controlling, 2000), S. 311; KLINOENBECK, M. (Management, 1996), S. 7-9. Vgl. GUTiiOFF, A.IPFINOSTEN, A./WOll', J. (Begrenzung, 1998), S. 114 Vgl. IIARTHRICH. S. (Handhabung, 1989), S. 3. Vgl. ROCKER. U.-C. (Finanzierung, 1998), S. 34.
40
1. Teil: Risikomessung als Problemstellung des industriellen Risikomanagements
Grundsätzlich besitzt diese Risikodefinition bei allen Arten von Zielen Gültigkeit. Ebenso wie die allgemeinen Unternehmensziele beschränken sich Risiken nicht auf die finanzielle Sphäre. Kann eine Zielverfehlung nicht bzw. nicht unmittelbar in Geldeinheiten gemessen werden, so handelt es sich bei Möglichkeit einer negativen Abweichung aber dennoch um ein Risiko. 84 So könnte beispielsweise eine Zielsetzung eines Unternehmens in der Gewährleistung einer hohen Arbeitssicherheit bestehen. Kommt es häufig zu Arbeitsunfällen, stellt dies eine Verletzung der nicht-monetären Zielsetzung und damit ein Risiko dar. Im Rahmen der Bewertung von Risiken ist mit der zeitlichen Perspektive ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen. Damit Unternehmensziele hinreichend operational sind, müssen sie einen konkreten Zeitbezug aufweisen. Die Zielerreichung ist nur dann überprüfbar, wenn die Ziele für einen bestimmten Zeitraum fixiert werden. 85 Zwar existieren gewisse dauerhaft gültige Ziele, z.B. das Rentabilitätsziel; dennoch ist das angestrebte Zielausmaß mit einem konkreten Zeitbezug zu 86 versehen (beispielsweise ein Geschäftsjahr). Wenn aber die untemehmerischen Zielsetzungen einen bestimmten Zeitbezug aufzuweisen haben, dann gilt dies auch für die Risiken. Damit hängt das Ausmaß eines Risikos auch vom Zeitbezug der zu Grunde liegenden Zielsetzung ab, denn je weiter sich der betrachtete Zeitraum in die Zukunft erstreckt, desto größer wird tendenziell die mögliche Zielabweichung.87 Daneben wachsen mit länger werdendem Bezugszeitraum sowohl die Unsicherheit der künftigen Entwicklung als auch die Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung an, d.h. das ohnehin schon vorhandene Informationsdefizit wird weiter vergrößert.88
2.
Bestimmungsgrößen des Risikos
An die Definition des Risikobegriffs schließt sich automatisch die Frage nach der Bewertung von Risiken an, denn ein sinnvolles Management von Risiken ist nur dann möglich, wenn die Risiken hinsichtlich der von ihnen ausgehenden Bedrohung für ein Unternehmen beurteilt werden können. Der Grad der Bedrohung durch ein Risiko soll im Folgenden als Risikodringlichkeit bezeichnet werden. 89 Ausgehend von der zweidimensionalen Natur eines Risikos mit einer ursachen84 85
86 87 88 89
Vgl. 11ALLER. M. (Risiko-Management, 1978), S. 484; STREMITZER, H. (Risikopolitik, 1977), S. 23; HOLSCHER, R. (Gestaltungsformen, 1999), S. 299. Vgl. SCHIER.ENBECK, H. (Grundzüge, 2000), S. 81. Vgl. BRAUN, H. (Risikomanagement, 1984), S. 40. Vgl. BRAUN,H. (Risikomanagement, 1984), S. 41. Vgl. IIELTEN, E. (Erfassung, 1984), S. 21. Vgl. HOLSCHHR. R.IKRHMER.s, M./ROCKBR. U.-C. (Industrieversicherungen, 1996), S. 3-4; HOLSCHER, R. (Gestaltungsformen, 1999), S. 304-305.
A. Der Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements
41
und einer wirkungsbezogenen Komponente kann festgestellt werden, dass die Dringlichkeit eines Risikos dW'Ch zwei Einflussgrößen bestimmt wird.90 • Zum einen wirkt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit auf die Dringlichkeit eines Risikos aus. Die Sonderfälle einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 0% und 100% stellen keine Risiken dar, weil es sich im ersten Fall um ein unmögliches Ereignis und in letztgenanntem Fall um ein sicheres Ereignis handelt, wodurch in beiden Fällen keine Unsicherheit bezüglich der künftigen Ereignisse besteht. Die Eintrittswahrscheinlichkeit bildet die ursachenbezogene Dimension des Risikos ab und kann demzufolge i.d.R. nicht dW'Ch eine eindeutige Wahrscheinlichkeit, sondern nur dW'Ch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der künftigen Ereignisse beschrieben werden. • Zum anderen existiert mit der Tragweite eine wirkungsbezogene Einflussgröße auf die Risikodringlichkeit Die Tragweite beschreibt das Schadenausmaß im Form der Zielverfehlung, das sich bei einem Risikoeintritf 1 ergeben würde. Meist wird die Risikotragweite als monetäre Größe formuliert und somit in Geldeinheiten gemessen. Bezieht sich ein Risiko jedoch auf nicht-monetäre Zielsetzungen, kann die Tragweite jedoch auch mittels anderer Bewertungsgrößen ausgedrückt werden. 92 Zur korrekten Einschätzung eines Risikos reicht es somit nicht aus, lediglich den Grad der Zielverfehlung zu quantifizieren, denn auch die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Ereignisse eintreten, ist letztlich im Rahmen einer Einschätzung der von einem Risiko ausgehenden Bedrohung zu berücksichtigen. Die Dringlichkeit eines Risikos ist umso höher, je größer seine Eintrittswahrscheinlichkeit und seine Tragweite werden. Probleme bei der praktischen Umsetzung ergeben sich dW'Ch den bereits erörterten Umstand, dass i.d.R. keine eindeutige Risikotragweite existiert. Bei mehreren Eintritten des gleichen Risikos können sich sehr stark unterschiedliche Tragweiten ergeben. Es ist im Rahmen der Risikobewertung folglich die Wahrscheinlichkeitsverteilungder Risikotragweiten abzubilden.93 Es erscheint zudem nicht sinnvoll, eine Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos und eine Wahrscheinlichkeitsverteilung von Risikotragweiten jeweils isoliert zu betrachten, da dW'Ch eine solche Vorgehensweise in zweifacher Hinsicht Wahrscheinlichkeitsaspekte wirksam
90 91
92
93
Vgl. BRAUN, H. (Risik:omanagement. 1984), S. 31; HOFFMANN, K. (Risk Management, 1985), S. 31; HAHN, D. (Risiko-Management, 1987), S, 137. Unter einem Risikoeintritt ist zu verstehen, dass sich die latente Bedrohung durch ein Risiko tatsächlich realisiert. Vgl. HOLSCHHR. R. (Gestaltungsformen, 1999), S. 304. Vgl. HOLSCHHR. R. (Gestaltungsformen, 1999), S. 304; 1HEIL, M. (Stand, 1996), S. 214-215.
42
1. Teil: Risikomessung als Problemstellung des industriellen Risikomanagements
werden würden. Es bietet sich vielmehr an, eine einzige Wahrscheinlichkeitsverteilung der Risikotragweiten zu betrachten, in der auch die Möglichkeit des Nichteintritts des Risikos (mit einer Tmgweite von Null) enthalten ist. Diese Überlegung ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Feststellung, dass die Risikodringlichkeit durch eine wahrscheinlichkeitsbasierte und eine schadenbasierte Komponente beschrieben wird. Durch die Betrachtung ganzer Wahrscheinlichkeitsverteilungen anstelle der Wahrscheinlichkeit eines einzelnen Ereignisses ergeben sich praktische Probleme in Bezug auf die Bewertung von Risiken. Die unzureichende Abbildung der Wahrscheinlichkeitsverteilung von Risikotragweiten stellt die wesentliche Schwäche der traditionellen Instrumente der Risikobewertung dar, wie an späterer Stelle noch zu zeigen sein wird. 94
3.
Kategorien der Unsicherheit
Im vorangegangenen Abschnitt wurde deutlich gemacht, dass zur Beurteilung der Dringlichkeit eines Risikos eine Wahrscheinlichkeitsverteilung von Risikotragweiten zu erfassen ist. Dabei stellt sich die Fmge, inwieweit diese Wahrscheinlichkeitsverteilung überhaupt im Vorhinein ermittelbar ist. Es besteht somit eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf die unterstellte Wahrscheinlichkeitsverteilung. Die Spannweite reicht damit von der vagen Vermutung des Vorhandenseins einer Bedrohung bis hin zur konkreten Kenntnis der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Tmgweiten.95 Diese Unsicherheit bezüglich der Wahrscheinlichkeiten ist folglich nicht bei allen Risiken gleich groß. Je weniger Wissen über künftige Vorgänge und Ereignisse vorhanden ist, desto größer wird die Intensität der Unsicherheit. Zur Unterscheidung können die in Abbildung 2 dargestellten Unsicherheitskategorien herangezogen werden. 96 Zur Unsicherheit der ersten Ordnung zählen künftige Umweltzustände, deren Wahrscheinlichkeiten objektiv bekannt sind. Hierzu ist es erforderlich, dass Datenmaterial in einem hinreichenden Umfang für statistische Auswertungen zur V erfiigung steht, aus dem Prognosen für die kiinftige Entwicklung abgeleitet werden können. 97 Dies trifft u.a. auf zahlreiche versicherbare Risiken zu, 98 da aus der versicherungsmathematischen Analyse zahlreicher Schadenfiille verlässliche W ahrscheinlichkeiten abgeleitet werden können. Des Weiteren fallen zahlreiche 94 95 96