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German Pages 207 [208] Year 1876
RIG'S SPRÜCHE (RIGS
MAL)
und
DAS HYNDLA-LIED (HYNDLU
LIOD)
RIG'S S P R Ü C H E ( R Î G S MAL) UND
DAS H Y N D L A - L I E D ( H Y N D L U LIÔD)
Z W E I S O Z I A L - E T H I S C H E G E D I C H T E DER S £ I U N D S - E D D A kritisch hergestellt, übersetzt und erklärt TOD
Dr FRIEDRICH WILH. BERGMANN PROFESSOR
AN D E B P H I L 0 8 .
FACULTAT
IN
STRA8SBURQ
Textrestaoratlon und richtige interprétation der Edda-gedichte ist auch zugleich ihre litter&riache réhabilitation und die ehrenrettung der lange IrrgefUhrten philologie.
STRASSBURG V E R L A G V O N K A R L J. T R Ü B N E R . 1876.
8 T R A 8 8 B C R O , DRDCK TOH O. FI8CHBACH.
GEWIDMET DEM
ANDENKEN
AN DIE /ELTEREN
SKANDINAVISTEN
THORMOD TORFVESON +1719 'JND
ARNI MAGNUSEN + DEREN VERDIENSTE
I 7 3O
UM DIE NORRANISCHE
HEllTE NOCH MIT DANK
PHILOLOGIE
ANZUERKENNEN
SIND
UND
AN DIE NEUEREN
GESCHICHTSFORSCHER
FR. CHR. DAHLMANN UND
P. A. MÜNCH, WELCHE DIE NORDISCHEN SAGEN UND MIT SCHÄRFERER GESICHTET
KRITIK
HABEN.
GESCHICHTEN
"Vorwort. Ueber die methode zur litterarischen beartheilung der Edda-gedichte. 1 . Die Edda-gedichte sind ursprünglich b e s s e r , als ihr, auf ihren verderbten text erfolgter, l i t t e r a rischer ruf.
Es ist eben nicht i h r fehler, wenn
durch achthundertjährige unkritik ihr text barbarisch entstellt worden, wenn dadurch ihr richtiges verständniss
theils
erschwert,
theils unmöglich
wurde, wenn die Übersetzungen verdorbener texte auch nicht einmal die allergewöhnlichsten litterarischen eigenschaften der Verfasser konnten vermuthen noch durchblicken lassen. Die Manen der daran ganz unschuldigen Edda-dichter dürften desshalb mit recht darüber zürnen, dass, im urtheil über ihre zu Zerrbildern verwandelten werke, ihnen die ehre des gesunden denkens, des dichtervermögens, und des elementarischsten guten geschmacks abgeschnitten worden ist. Es liegt demnach der fall eines aus irrthum erfolgten litterarischen Unrechts vor, welches das richtigere und gerechtere wissen zu bessern und zu sühnen verpflichtet ist.
Denn so
vm
Vorwort.
wie es uns moralisch drängt, dem nebenmenschen, den wir misskannt oder verkannt haben, abbitte zu thun, eben so ist es auch eine schuldabtragende pflicht der Wissenschaft, historische und litterarische irrthümer zu bessern, und zur sühne restauration, rehabilitation, und salvation zu bewirken. Desshalb verlohnt essich auch mehrfach der mühe, durch kritik den verderbten text der Edda-gedichte wieder herzustellen, durch umsieht und gelehrsamkeit ihren sinn zu ergründen, und ihrengeist, treu und im entsprechenden geschmack, durch die Übersetzung auszudrücken. 2. Obiges ist selbstverständlich keineswegs weder im sinn noch zum zweck irgendeiner reklame ausgesprochen. Reklame wird ja bekanntlich nur für im leben zu erlangende vortheile in's werk gesetzt; wodurch könnte man aber der persönlichkeit der t o d t e n noch nützen? Sie können sich nicht mehr der zu spät erfolgten sühne erfreuen; für sie klingt das wort Iob's: « ich w e i s s , dass mein erlöser l e b t » wie eine bittere ironie des schicksals. Bedenken wir aber, dass, wenn posthume r e t t u n g e n der person der verstorbenen nicht mehr nützen können, und auch nicht mehr zu nützen brauchen, sie u n s l e b e n d e n einen moralischen und intellektuellen gewinn verschaffen, dadurch dass sie uns den köpf und das herz von irrthum und unrecht befreien, welche, wenn sie nicht in uns vertilgt wer-
Vorwort.
ix
den, stets neuen irrthum und neues unrecht fort e r zeugen. 3. Angenommen aber, es sei nun das bessere verständniss der Edda-gedichte erfolgt, so ist hiermit zwar wohl eine hauptsache, aber noch nicht a l l e s n ö t h i g e geschehen. Denn geistesprodukte, eben so sehr als handlungen, müssen nicht allein g e k a n n t , sondern auch b e u r t h e i l t werden. Urtheil steht sogar über erkenntniss, weil es dieselbe voraussetzt und vervollständigt; und rehabilitationen geistiger erzeugnisse bestehen nicht allein in der verbesserten erkenntniss derselben, sondern hauptsächlich in dem gebesserten u r t h e i 1 über dieselben. Welches verfahren, welche methode, und welche grundsätze sind aber nun zu befolgen, um die Eddischen gedichte richtig zu b e u r t h e i l e n ? k• Durch die beurtheilung soll überhaupt der volle werth, der ganze gehalt der beurtheilten sache richtig festgestellt werden Nun hat aber jedes litterarische produkt, als g e i s t i g e s erzeugniss, wie unvollkommen und unbedeutend es auch sein möge, zuerst irgend einen h i s t o r i s c h e n , dann irgend einen e t h i s c h e n , und endlich irgend einen ä s t h e t i s c h e n werth und gehalt. Der innere und äussere werth einer jeden sache wird aber am besten dadurch abgemessen , dass man erwägt, w a s uns oder unserer erkenntniss mangeln würde, wenn die sache überhaupt nicht, oder, w a s auf das-
x
Vorwort.
selbe herauskommt, wenn sie für unsere k e n n t n i s s nicht bestände. Bei beurtheilung des historischen, ethischen, und aesthetischen werthes der Edda-gedichte besteht also die natürliche methode darin, sich die frage zu beantworten, welche kenntnisse, welche anschauungen, und welche geistige bildungselemente, in der geschichte der menschheit fehlen würden, wenn diese litterarischen produkte nicht entstanden, oder wenn sie uns unbekannt geblieben wären? 5. Wissenschaft, im wahren vollständigen sinne, besteht nichtblos in der (historischen) k e n n t n i s s der sachbestände, sondern auch in der (philosophischen) e r k e n n t n i s s des grundes der erscheinungen, und der thatsachen. Deswegen beruht auch, speziell und zuerst, der h i s t o r i s c h e werth der Edda-gedichte nicht allein in der geschichtlichen kenntniss derjenigen kulturzustände, welche diese gedichte als damals bestehend beurkunden, sondern auch in der geschichtlichen erkenntniss des ethnogenealogischen hintergrundes, auf den diese culturz u s t ä n d e z u r ü c k w e i s e n . Diegoto-germanischen Stämme sind nämlich in Skandinavien und Germanien keine a u t o c h t h o n e n i m sinne des T a c i t u s und des I o r n a n d e s ; ihre spräche, religion, sitte, und tradition deuten auf ihre älteren wohnsitze im Südosten Europas, auf ihre frühere bruderschaft mit L i t v a - S l a v e n , auf ihre entfernte vetterschaft
Vorwort.
xi
mit Graeco-Italern, und auf ihre noch entferntere Verwandtschaft mit Indo-Ariern.
W i e könnte bei
solchen ethno-genealogischen beziehungen die h i storische erforschung des älter n und ursprünglichen culturzustandes
auf den
mannigfach zurückweisen,
die
Edda-lieder
ohne Wichtigkeit und
ohne grosses interesse sein ? 6.
Der
ethische
werth
der
Edda-lieder
ist nicht unbedeutender als der historische; er ist aber darum schwieriger zu bestimmen,
weil das
ethische, als psychologische Ursache der historischen erscheinungen,
mehr geistiger,
innerer natur ist,
und weniger zu tage liegt als die handgreiflicheren äussern fakten. Die Edda-gedichte beurkunden bei den
Nord-
männern eher wilde leidenschaftlichkeit als cultivirte sitte; dabei setzt uns aber bei ihnen die unbändige willensenergie und das in ihr gegründete unabhängigkeitsgefühl in s t a u n e n ; bei aller wildheit des gemüths bezeugen sie bisweilen ein fühend herz, und sogar hier und da, theoretisch, wie in D e s Hehren
Sprüche
(Hävamäl),
deren
erklärung
nächstens folgen soll, echte moralische i d e e n . Deswegen ermangeln auch die Edda-lieder nicht ganz uns manchmal ethisch zu heben und zu erbauen. Fügen wir bei, dass bekanntlich in sitte und r e ligion alle europäischen Völker unter dem einfluss des s e m i t i s c h e n geistes,
vermittelst der mosai-
in
Vorwort.
sehen, christlichen, und islamischendogmen stehen; die ethik und mythologie der heidnischen Nordländer aber sind von einem hiervon ganz unabhängigen geiste beseelt. Diese Völkerschaften liefern also auch argumentezurbeantwortung der interessanten frage, wie weit es der menschengeist in sitte und religion, ohne die hülfe und stütze der semitischen Offenbarungen, zu bringen vermag. 7. Was endlich den ä s t h e t i s c h e n werth der eddischen gedichte betrifft, so ist dieser bisher unklar beurtheilt und meistens geradezu als ganz unerheblich bezeichnet worden. Irgend ein urtheil hierüber lässt sich aber nicht von vornherein abweisen, weil, wie oben gesagt, jedes geistesprodukt auch i r g e n d e i n e n ä s t h e t i s c h e n werth hat, der nach seinem grade zu beurtheilen ist. Zudem bezieht sich das ä s t h e t i s c h e urtheil, wenn es vollständig ist, nicht blos auf die form oder den ausdruck, sondern auch auf das durch die form a u s g e d r ü c k t e , nämlich auf den g e h a l t , der gleichfalls vom ästhetischen gesichtspunkte aus abzuschätzen ist. Ueberhaupt lässt sich wohl, durch logische a b s t r a c t i o n , die form von ihrem inhalte ablösen, aber doch nicht ganz ohne denselben reell denken, so wenig als kraft ohne Stoff, oder stoff ohne irgend eine kraft denkbar sind. Wäre auch form ohne reellen oder vorausgesetzten inhalt d e n k b a r , so
Vorwort.
XIII
könnte sie wenigstens nicht, ohne denselben zu berücksichtigen, ä s t h e t i s c h , das heisst als g u t e und s c h ö n e form beurtheilt werden. Denn gutes und schönes, ganz a b s t r a k t gedacht, sagen wissenschaftlich gar nichtsaus, undhabennur sinn inbezug auf ihren conkreten inhalt, als gute oder schöne d i n g e , welcher art diese nun auch speziell sein mögen. Das litterarisch-ästhetischeurtheil umfasst demnach, wenn es v o l l s t ä n d i g ist, sowohl den vom ästhetischen gesichtspunkte zu betrachtenden i n h a l t , als die diesen inhalt ausdrückende f o r m . Nur im b e s c h r ä n k t e n sinne kann dies urtheil vom i n h a l t e logisch absehen, und vorzugsweise den mehr oder weniger ausgebildeten vollkommenen k u n s t a u s d r u c k , im vergleich zu andern kunstausdrucksweisen, in's auge fassen, um ihn als blosse f o r m , ohne dessen verhältniss zu seinem inhalt, zu betrachten und zu beurtheilen. Wenn wir die Edda-gedichte blos nach ihrer form, das heisst nach ihrer, mit irgend einem grad von kunst und bewusstsein gewählten ausdrucksw e i s e beurtheilen, so finden wir sie noch auf einer p r i m i t i v e n untern stufe. Sie sind noch im ganzen blos ursprünglicher, naturwüchsiger, noch wenig k ü n s t l i c h ausgebildeter ausdruck, welcher aber gerade, wegen seiner ursprünglichkeit und o r i g i -
xrv
Vorwort.
n a l i t ä t , uns w i e alles native anzusprechen und zu gefallen v e r m a g . Unter O r i g i n a l i t ä t ist hier, dem ursprünglichen w o r t s i n n nach, die eigenthümlichkeit zu verstehen, w o d u r c h e t w a s dem p r i m i t i v e n g r a d seiner entw i c k l u n g am nächsten steht,
im gegensatz zu der,
vom ursprünglichen naturzustand immer mehr entfernenden c u l t u r - e n t w i c k e l u n g .
Bei culturvölkern,
bei denen das ursprüngliche sich durch die historische cultur bereits schon v e r w i s c h t hat, k a n n nicht mehr v o n a b s o l u t e r Originalität,
sondern
nur in
analogem sinne, von relativer individueller e i g e n t h ü m l i c h k e i t die rede sein; denn das individuum, w i e talentvoll u n d genial es auch sein m a g , dankt seine bildung und ausbildung dein
ver-
cultur-
s t a n d seiner z e i t , der j a nicht mehr ursprünglich geblieben ist. Der umsichtige litterar-historiker w e i s s daher so ziemlich g e n a u , ein S h a k e s p e a r ,
w o h e r zum beispiel ein
Dante,
ein G o e t h e die elemente ihrer
dichtkunst entnommen haben. D e s w e g e n b e w u n d e r t er mit recht an ihnen w e n i g e r ihre Originalität als ihre g e n i a l i t ä t ,
das heisst die individuelle künst-
lerische k r a f t , w o d u r c h sie die, in ihrer zeit und Vorzeit bereits v o r h a n d e n e n , elemente mit e i g e n t h ü m lichem g e n i e , gleichsam als w ä r e n sie neu und u r s p r ü n g l i c h , gestaltet haben. In diesem sinn steht die Originalität dieser dichter unter der der E d d a -
Vorwort.
gedichte,
bei denen
aber von g e n i a l i t ä t
nicht
w o h l die rede sein k a n n ; denn man fühlt., dass, um solche gedichte zu erzeugen, ein bloss jagendliches noch unausgebildetes talent hinreichte, welches von dem, durch cultur gestärkten, genie noch ziemlich w e i t entfernt ist. Alle neuern culturvölker Europas, so w i e sie e i nerseits e t h i s c h , in sitteund religion, vom semitischen geist beeinflusst w o r d e n sind, so stehen sie auch andererseits 1 i t t e r a r i s c h unter dem mehr oder weniger direkten einfluss der Griechen und Römer. Die ältere poesie und prosa der Nordländer ist aber davon ganz unabhängig, und zeigt deshalb so gut w i e die alte litteratur
der Chinesen,
der
Arier, und der Semiten, w i e weit es, aus eigenen mittein, die autorschaft eines volkes zu bringen v e r m a g , das nicht aus der schule der Griechen
und
Römer hervorgegangen ist. 8. Der im ganzeu für geschichte und philosophie richtige s a t z : d e r m e n s c h i s t d a s m a a s s dinge,
auf litteratur a n g e w a n d t , sagt aus.
aller dass
litterarische beurtheilung zuerst blos i n d i v i d u e ü s u b j e c t i f sein kann und darf, w i e w o h l sie aber immer mehr eine objektif-wissenschaftliche w e r d e n s o l l . F ü r sich hat jedermann das recht, so zu b e urtheilen, w i e es seiner individualität z u s a g t ;
von
diesem subjektiven Standpunkt aus ist die behauptung richtig: De gustibus non est disputandum.
Es
xvi
Vorwort.
ist erlaubt die Edda-gedichte zu lieben oder zu perhorresciren. Dieses blos subjektive urtheil hat aber keinen anspruch auf allgemeine gültigkeit, noch auf objektif wissenschaftlichen Werth zu m a chen. Zu einem objektiv gültigen urtheil bedarf es vor allem
eines allgemein gültigen maasstabes.
Dieser maasstab, nach dem man die litterarischen werke zu bemessen hat, muss i d e a l e r nätur sein, das heisst in dem bestehen, was man als nützlich, gut, schön, edel, und erhaben zu betrachten, und als musterbild
(ideal) aufstellen zu müssen glaubt.
Wenn aber geistesprodukte nach einem ideal zu beurtheilen sind, so erfordert die einfachste billig— keit, dass man sie zuerst nach dem ideal i h r e r zeit beurtheile. Denn trotz aller Originalität und genialität kann ein geistesprodukt nicht leicht
ausser
und ü b e r dem Zeitraum stehen, in dem es wurzelt, und dessen ausdruck es, seiner natur und seinen mitteln nach, sein soll und sein kann. Wenn auch ein wissenschaftliches oder philosophisches werk, manchmal, seiner zeit vorauseilt, so soll ein für allgemeines verständniss bestimmtes kunst- und litteratur-werk, blos das ideal für s e i n e Zeitgenossen bestmöglichst ausdrücken. Deswegen tragen auch stets die litterarischen produkte, trotz aller Originalität, gleich einem brief das datum ihrer zeit und den Stempel des orts ihrer abfassung. Zu begehren dass ein werk nicht blos das ideal s e i n e r
zeit,
Vorwort.
sondern das
XVII
einer später erfolgten culturepocbe
ausdrücke, w ä r e eine unrichtige und ungerechte anforderung, weil ultra naturam nemo tenetur.
Die
beurtheilung eines geistesprodukts der vorzeit und der jetztzeit muss also nach dem ideal, das s e i n e zeit aufzustellen vermochte, eingehalten
werden.
Was unter dem besten, oder unter dem ideal, seiner zeit steht, ist objektif als ungenügend, und jedenfalls als miltelmässig anzusehen.
Es w ü r d e aber
zu einer vollständigen beurtheilung der definitive schlussstein fehlen, wenn nicht, zur bemessung der werke nach dem ideal i h r e r zeit, auch noch die beurtheilung des ideals dieser vergangenen zeiten, nach dem höhern ideale u n s e r e r epoche, hinzukäme. Denn da die Vergangenheit für u n s besteht, und w i r nicht für s i e geschaffen sind, so hat der l e b e n d e allein recht über das vergangene, nach wissen und gewissen, zu urtheilen. Auch wir müssen aber gewärtig sein, dass unsere nachkommen sich das recht herausnehmen werden, unsere ideale und den ganzen culturzustand unserer zeit, nach i h r e m ideal und i h r e r cultur zu bemessen. 9 . Zur vollständigen richtigen beurtheilung ist die allererste bedingung die kenntniss und erkenntniss der zu b e u r t e i l e n d e n sache. Da nun aber die stets wachsende erkenntniss zu keiner zeit abgeschlossen ist und für alle zeiten genügt, so kann auch kein noch so objektif gefasstes urtheil für a 11 e
XVIII
Vorwort.
zeiten maassgebend und endgültig sein. Die Weltgeschichte beweist übrigens zur genüge, dass, w a s die menschen während langer zeit in religion, sitte, Wissenschaft, recht, undkunst, als Wahrheit und als ihr ideal angebetet, verehrt, und bewundert haben, die später folgenden zeiten als irrthümlich und u n zulänglich mit humor belächeln. Da d e r g e i s t , nicht allein im individuum, sondern auch in der gesammten menschheit eine sich e n t w i c k e l n d e ,
wach-
s e n d e krafl ist, so muss der umsichtige denker sich eingestehen, dass unsere beschränkte erkenntniss nur r e l a t i v e Wahrheit erlangen, und unser urtheil nie a b s o l u t e endgültigkeit beanspruchen könne.
Auch die litterarische beurtheilung ist der
bedingung und der möglichkeit unterworfen,
von
b e s s e r m wissen und gewissen cassirt und reformirt zu werden. Die methode und der werlh der litterarisch-ästhetischen kritik besteht also vorerst darin, dass wir, zum beispiel bei den Edda-gedichten, untersuchen und aussagen, l ) i n wie weit dieselben den historischen, ethischen, und ästhetischen idealen i h r e r zeit, in form und inhalt entsprechen, und 2 ) wie weit dieselben den idealen u n s e r e r zeit sich nähern oder davon abstehen, beides aber, ohne dass wir die anmassung hätten
zu glauben,
unser jetziges urtheil werde für das wissen und g e wissen aller künftigen zeiten endgültig sein.
Vorwort.
xix
Da die bessere erkenntniss auch zur richtigeren beurtheilung führt,
so ist
zur beurtheilung der
Edda-gedichte das genaue verständniss derselben erforderlich. Dies ist aber nicht immer ein leichtes. Man darf wohl sagen, dass, neben der altern wortkargen lyrik der Chinesen, den mythisch-philosophischen Gàthas, den mystischen Vedas, und den altarabischen Dîvân- und Hamâsa-gedichten,
im
ganzen gebiet der litteratur, es keine geistesprodukte gibt,
die dem genauen philologischen ver-
ständniss grössere Schwierigkeiten als die meisten der Edda-gedichte darbieten. Es ist aber gerade eine ehrensache für die philologie unserer tage,
diese
Schwierigkeiten
wird
zu bewältigen.
Deswegen
man aus obiger erörterung auch nun deutlicher das motto verstehen,
welches gegenwärtiger a r -
beit auf die Stirn geschrieben worden ist: restauration
und
der Edda-gedichte
richtige ist auch
zugleich
l i t t e r a r i s c h e r e h a b i l i t a t i o n u n d die r e t t u n g d e r lang i r r g e f ü h r t e n
Text-
interpretation ihre
ehren-
philologie.
Strassburg, den 9 . februar 1 8 7 6 . F. W. B.
INHALT. Seite 1
Allgemeine Einleitung.
A. RIG'S
SPRÜCHE.
I. E i n l e i t u n g : 1. historische entstchung der socialzustände der Sklaven, der F r e i e n , und der Edlen 2. D e r Gott Rig der gemeinschaftliche Vater der S k l a v e n , der F r e i e n , und der Edlen und der F ü r s t e n 3. Rigs> fahrt auf der E r d e 4. Rig e r z e u g t , in aufsteigender l i n i e , den Ursklaven, den Ur-Freien, und den Ur-Edlen 5 . T i t e l , abfassungszeit, und integritftt des gedichts H. T e x t
5 10 14 17 22 26
III. T e x t k r i t i k und worterklftrung
37
I V . Uebersetzung
73
V . E r k l ä r u n g e n zur Uebersetzung
83
B. D A S H Y N D L A - L I ED. I. E i n l e i t u n g : 1. Entwurf des gedichts 2. P o e t i s c h e gestaltung des gedichts 3. D e r poetisch gefassto historische grund des g e dichts . . . 4. Integrität des gedichts. Interpolirte theile aus der Kurzen Völu spfi . . ' n . Text I I I . T e x t k r i t i k und Worterklärung . . . . . . . . . I V . Uebersetzung V . E r k l ä r u n g e n zur Uebersetzung
Register erklärter Wörter und Namen
107 111 113 119 123 134 153 165
183
ALLGESEIIE EIILEITUIG. 1. Die zwei gedichte R i g s S p r ü c h e und Das H y n d l a - l i e d sind hier zusammengestellt, weil sie einen ähnlichen g r u n d k a r a k t e r und analogen zweck mit einander gemein haben. Dieser g r u n d k a r a k t e r ist als ein s o z i a l - e t h i s c h e r und e t h i s c h - p o l i t i s c h e r zu bezeichnen. Die zwei gedichte nämlich, haben, wie die meisten Edda-lieder, einen d i d a k t i s c h e n z w e c k ; sie sollen, in concreter poetischer form, durch eine e r z ä h l u n g , eine a n s i e h t , eine idee, ein ideal d a r l e g e n , beweisen, und lehren. Diese bel e h r u n g i s t , in ihnen, s o z i a l e t h i s c h e r n a t u r , das heisst, sie bezieht sich theoretisch und praktisch auf s i t t l i c h e zustände, die in der damaligen gesellschaft u n d im Staate bestehen, und entweder als tadclswerth oder als lobwürdig dargestellt werden. Diesen sozialethischen k a r a k t e r haben wir vorerst an den zwei g e d i c h t e n , im allgemeinen, k u r z nachzuweisen. D a s gedieht R i g s S p r u e h e hat zum z w e c k , durch eine erzählung, f a k t i s c h , darzuthun: 1. dass der unterschied der sozialen s t ä n d e , der sklaven, der freien, und der edlen, nicht, wie man gewöhnlich an-
2
Allgemeine Einleitung,
nahm, auf dem unterschied des mehr oder weniger edlen bl u ts beruhe, sondern dass alle stände, ohne unterschied, von demselben v a t e r , demRig, stammen; 2. dass fiirsten und könige sich über die Oligarchie der adelsfamilien erhoben haben, nicht, wie man vorgab , durch ihre edlere abstammung, sondern durch ihren, im k r i e g erlangten, grösseren besitz von adelhöfen und ländereien, und dass nunmehr zu befürchten sei, dass die fürsten sich immer mehr zu Vikingszügen und auswärtigen raub-expeditionen verleiten lassen werden. Der Verfasser stellt also in diesem gedieht eine neue ansieht oder theorie auf über den u r s p r u n g der drei stände und den der monarchie; und obgleich er keine praktischen folgerungen aus dieser theorie andeutet, so ist diese doch von grosser bedeutung und Wichtigkeit für die kenntniss dessen was man, in damaligen e t h i s c h e n und allgemein - so z i a l e n Verhältnissen und zuständen des Nordens, als politisches ideal betrachtete und wünschte. Das gedieht H y n d l a - l i e d hat zum zweck, an einem h i s t o r i s c h e n beispielnachzuweisen, dass, in denNordlanden,derbisherigepoliti8ch-sozialezustand, schicksalsgemäss, bestimmt ist, in eine krisis und revoluzion einzutreten, dadurch dass die adelige Oligarchie, aus der die patriarchalen kleinkönige hervorgegangen, von den k r i e g e r i s c h e n u n t e r k ö n i g e n überboten, und von der sich allmählich bildenden absoluten mon a r c h i e aufgezehrt werden wird. Bisher waren die edeln, welche mit den berühmtesten alten adels- und
Allgemeine Einleitung.
3
heldenfamilien verschwägert waren, und unter sich eine patriarchalische oligarchie bildeten, vorzugsweise zu kleinkönigen g e w ä h l t , und erhielten sich durch reichen besitz in macht und ansehen, selbst wenn sie sich nicht durch k r i e g e r i s c h e thaten besonders auszeichneten. Nun aber reichen reichthum und adel nicht mehr h i n , um dadurch das kleinkönigthum zu erlangen und zu bewahren, sondern die zeit tritt ein, wo das schicksal immer mehr dahin gehen wird, dass die friedlichen kleinkönige von den k r i e g e r i s c h e n verdrängt werden, und wo diese letztern sich zur herrschaft, als u n t e r k ö n i g e unter der Oberherrschaft der sich bildenden grosskönige und m o n a r c h e n (alleinkönige), aufschwingen werden. Der dichter, obgleich bei diesen politischen fragen nicht direkt betheiligt, hat doch entschieden Vorliebe für die alte patriarchalische oligarchie und das friedliche kleinkönigthum ; er sieht aber die historische nothwendigkeit der eingetretenen krisis und revoluzion ein, und beurtheilt sie unbefangen von seinem ethischen Standpunkt aus. Es ist daher in seinem gedieht, wiewohl verdeckt, der s o z i a l - p o l i t i s c h e karakter und zweck nicht zu verkennen. Nachdem so der s o z i a l - p o l i t i s c h e grundkarakter der zwei gedichte, der R î g s S p r ü c h e und des H y n d l a l i e d s , angezeigt worden ist, bleibt dienähero auseinandersetzung des inhalts und Z w e c k e s jedes dieser gedichte, den Specialeinleitungen zu denselben vorbehalten.
RIGS SPRUCHE. I. EINLEITUNG. I. Historische entstehung der sozialstände der Sklaven, der Freien, und der Edlen. Wie in der allgemeinen einleitung gezeigt worden ist, geht der zweck der R i g s S p r ü c h e dahin darzuthun : 1) dass die Sklaven, die Freien, und die Edlen dieselbe gemeinschaftliche abstammung haben; 2) dass das königthum sich über die oligarchischen adelsfamilien durch grössern b e s i t z , durch grössere e i n s i e h t , und besonders vermittelst des k r i e g e s und der gewalt, erhoben hat. Geschichtlich ist die stände-verschiedenheit der Sklaven, Freien, und Edlen v o r h i s t o r i s c h , das heisst sie bestand schon, traditionnell, bevor die vorfahren der Skandinaven aus dem sud-osten Europas, in ihren nördlichen Wohnsitzen sich niedergelassen. Diese Verschiedenheit war entstanden nicht aus idee und recht, sondern aus n a t ü r l i c h e r sozialer entwickelung; denn in der bildungsgeschichte der
6
Riga Sprüche,
menschheit, besonders in ihren anfangen, wirken n a t ü r l i c h e anlagen kräftiger als g e i s t i g e principien. Die Natur, um bei der beschränktheit endlicher wesen die grösstmöglichste summe von eigenschaften zu erzeugen, hat es darauf abgesehen auch die wesen derselben art v e r s c h i e d e n t l i c h auszustatten, so dass es in der natur keine zwei individúen gibt die sich absolut völlig g l e i c h wären (s. Mésumé d'Études, p. 20). Deswegen besteht auch jede bildung und entwickelung in der d i f f e r e n z i r u n g physischer und geistiger kräfte. Indem sich also die menschlichen gesellschaften entwickelten, traten die individúen nothwendig aus ihrer ursprünglichen thierischen gleichmässigkeit immer mehr in gegensätzliche unterschiede zu einander.
Da
nun die
Natur, zur
grösstmöglichsten differenzirung der endlichen wesen, es so eingerichtet hat, dass fast jedes individuum, vor andern, mit irgend einer physischen und geistigen qualität ausgestattet ist, so hätten die menschen, wenn sie schon intelligent oder verständig gewesen wären, die qualitäten des einzelnen, die sich unter einander beistehen und vervollständigen sollten, erkannt und anerkannt; sie hätten jeder seine individuelle Überlegenheit behauptet, aber, bei der Überlegenheit eines andern, sich ihm freiwillig untergeordnet, und ihre vortheile
mit
einander
gegenseitig
ausgetauscht
(s. Resume d'Études, p. 83). Da aber die sozialen Verhältnisse sich in zeitenbildeten, wo die menschen intellektuell und moralisch noch gar tief stunden , so sind daraus zustände entstanden, und haben sich
I. Einleitung.
7
fortgepflanzt, die, nach der philosophie des seiend e n , zwar ganz n a t ü r l i c h , aber, nach der höhern philosophie des s e i n s o l l e n d e n , dem bessern w i s s e n und g e w i s s e n mannigfach zuwiderlaufen. Denn anstatt, nach den verschiedenen geistigen und physischen qualitäten der individúen, die soziale arbeit als gleich geltend zu schätzen, und sie zum privat- und sozialnutzen durch gleichheit, reciprocität, und mutualität (den einzigen grundlagen alles rechts und aller wahren freiheit) zu verwerthen, machte sich eine a r b i t r ä r e , egoistische, s t ä t i g e Unterordnung geltend, wodurch einige individúen ihre Überlegenheit in gewissen dingen dazu benutzten, um auch den vorrang in a l l e n a n d e r n dingen sicli zu vindiciren. Anstatt nämlich dass, zum beispiel, ein individuum, das sich durch tapferkeit auszeichnete, sich damit begnügt hätte, seinen vorrang für den k r i e g zu beanspruchen, und sich, in andern dingen, wozu es keine besondere qualitäten besass, begabteren unterzuordnen, wollte es auch in d i e s e n dingen, wie in allen stücken und in allen sozialen geschäften und beziehungen, das e r s t e und bevorzugte sein. Wäre nun das angcmässte privilcgium nur dem e i n z e l n e n concedirt worden, so wäre es, mitdemabgang desselben , wieder verschwunden, und leicht an einen andern, aus irgend einer familie oder einem stamme, übergegangen. Familien - privilegien und ständeunterschied hätten somit noch nicht entstehen können. Da aber die vom individuum für sich beanspruchten bevorzugungen von ihm auch auf seine familie als
g
Riga Sprüche,
erbstück übertragen wurden, so ward dadurch die möglichkeit gegeben, dass stände-unterschiede sich bilden konnten. Weil eB aber nicht leicht geschah dass, ein volk, in dessen mitte tüchtige individúen jeder art sich vorfinden mussten, f r e i w i l l i g einer familie e r b l i c h e und stätige privilegien zuerkannt hätte, so ist anzunehmen, dass gewisse familienhäupter und gewisse familien sich mit einander verbanden, um die übrigen familien und stamme zur anerkennung dieser bevorzugungen mit g e w a l t zu zwingen. Krieg und gewalt ist daher das hauptmittel gewesen, um die Btändeverschiedenheit, sozial, zu gründen, und der so durch gewalt gewonnene vorrang erzeugte dann den grössern besitz, die grössere macht, und das grössere ansehen, wodurch die angemássten privilegien nochmals gestützt und gestärkt wurden. Auf diese weise gewannen die Freien die oberhand über die knechte,und b i l d e t e n d e n F r e i e n s t a n d , im sozialen gegensatz zum S k l a v e n s t a n d . So auch gewannen einige familien der Freien die oberhand über die übrigen Freien, und bildeten den A d e l s t a n d , im sozialen gegensatz zu dem Freienstand. Auf gleiche weise erhoben sich einige familien des adels über die übrigen edlen, und gelangten zu f ü r s ten- und k ö n i g s - r a n g . Da die Unterordnung der sozialen stände nicht ohne gewalt vor sich ging, so erzeugten sie reibungen, Uneinigkeit, kleinere oder grössere sozialkriege und revoluzionen, von denen die geschichte aller Völker und zeiten voll ist. Dass aber nichts desto weniger der stände-unterschied sich lange
I. Einleitung.
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zeit erhielt, und friedlich und rechtlich sich forterbte , das erklärt sich aus verschiedenen gründen : 1) daraus dass die menschen die mächte, die sie nicht ä n d e r n können, als schicksalsmächte betrachten, unter die sie sich, kampfesmüde, fügen und resigniren; 2) daraus dass der mensch, als gewohnheitsthier, sich mit der zeit an alles gewöhnt, und die gewohnheit, sich wie gesetz und sitte, friedlich forterbt; 3) dadurch dass die klassen sich über ihre Unterordnung darum trösteten, weil sie die einen wohl ü b e r sich, aber auch die andern u n t e r sich sahen; 4) daraus dass der stände-unterschied, wiewohl noch ein unausgebildeter und roher anfang, zur gesellschaftlichen differenzirten a r b e i t s t h e i l u n g führte, und somit einen guten theil wahrer sozialer berechtigung und wohlthat in sich enthielt; 5) daraus dass der mensch in folge seiner ästhetischen anlage, alle sozialen Verhältnisse, auch die rohen und gemeinen, v e r s c h ö n e r t , und sie d a d u r c h annehmbar macht, dass er mit ihnen schöne begriffe und gefühle verbindet, so dass er, zum beispiel, den herrn, der ihn geknechtet, als den s t a r k e n gebieter ehrt, den krieger, der ihn besiegt, als den t a p f e r n bewundert, den reichthum und das gold, wodurch er andern untergeordnet worden, verblendet anstaunt, die gewalt, macht und pracht der fürsten als übermenschliche göttliche kraft verehrt; 6) daraus, endlich, dass der mensch, als vernünftiges wesen, sich die bestehenden nicht zu ändernden Verhältnisse, als zu r e c h t b e s t e h e n d zu legitimiren sucht: demnach
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Kgs Sprüche,
spricht er von der berechtigung und dem recht des k r i e g e s , wiewohl er dadurch besiegt, von der berechtigung und dem recht des r e i c h t h u m s , wiewohl er durch denselben herabgedrückt worden; und, da der stände-unterschied durch die e r b s c h a f t festgestellt und fortgepflanzt worden ist, so kommt der mensch auch dahin von dem rccht und der berechtigung des b l u t s zu sprechen , indem er diesem besondern saft eine besondere mystische kraft beilegt, wodurch, wie er glaubt und wie er andere überredet, es ganz natürlich ist: 1) dassdie s k l a v e n den freien, mit recht, unterworfen seien, weil sie vom gemeinsten blute entstammen; dass 2) die f r e i e n den edlen untergeordnet seien, weil sie kein so edles blut wie diese haben, und dass 3) die fürsten , mit recht, über dem a d e l stehen, weil sie vom alleredelsten blute entsprossen sind. Auf diese weise ist der soziale ständeunterschied der sklaven, freien, eillen und fürsten, in der sitte und religion der Nordländer, schliesslich, als durch das b l u t geheiligt und legitimirt, betrachtet worden. 2. Der Gott Rlg der gemeinschaftliche vater der Skiaven, der Freien, und der Edlen nnd Fürsten. Der allgemeinen annahme, dass die berechtigung der drei sozialstände auf dem mehr oder weniger gemeinen oder edlen blut beruhe, setzt der Verfasser der R i g s - S p r ü c h e seine ansieht entgegen : 1) dass die d r e i stände d i e s e l b e abstammung haben, und
¡.Einleitung.
-M
2) dass die f ü r s t e n durch besitzthümer und krieg sich zur macht über
alle
stände
aufgeschwungen
haben. D a die poesie, in jener zeit, noch das einzige mittheilung8mittel war und noch das ganze intellektuelle und moralische gebiet umfasste, so warder dichter darauf angewiesen seine philosophische oder sozialethische ansieht in einem g e d i e h t auszudrücken, und d i d a k t i s c h vorzutragen. D a aber die poesie, selbst die abstrakten philosophischen gegenstände c o n k r e t zu behandeln hat, und die frühern dichter, mehr als die der neuzeit, jeden abstrakten gegenständ von vorn herein conkret aufzufassen und in historischer form darzustellen pflegten, so hat der Verfasser der RigsSprüche seine sozial-ethische ansieht von dem gemeinschaftlichen urprung der stände, in seinem gedieht, f a k t i s c h - c o n k r e t so ausgedrückt, dass er zeigt wie der gott R i g der gemeinschaftliche v a t e r des ersten Sklaven, des ersten F r e i e n , und des ersten Edlen geworden ist. W i e kam es aber, dass der dichter, unter den göttern, gerade den gott R i g zum vater und Urheber der sozialstände gemacht hat? D e r grund ist der dass R i g als sohnder alles ins leben rufenden Sonne, der tradition nach, der repräsentant des anfangs und des entstehens w a r , und somit am besten auch als der urheber s o z i a l e r
zustände und Verhältnisse
ange-
sehen wurde. Die sonne nämlich, als ursprüngliche zeugungskraft, wurde am frühesten und am allgemeinsten in der weit, als eine g o t t h e i t verehrt; wie alle ursprünglichen gottheiten, wurde sie zuerst als ein gött-
-12 Rigs Sprache, liches thier, zoomorphisch, aufgefasst, und wegen ihrer hitze und zeugungskraft als ein männliches und brünstiges thier gedacht (s. Fascinat. deGvlß, p. 204). Die vorfahren der Goto-germanen stellten sich den gott Sonne, unter andern männlichen brünstigen thieren, auch als E b e r vor, und benannten ihn folglich auch mit diesem namcn (got. ¡ f ü r s , norr. i ö f u r r , d. e b e r ) . Später wurde die sonne zu einer anthropomorphischen gottheit, und das gestirn , im gegensatz zum männlichen (früher weiblichen) mond, wurde unter die leitung einer weiblichen gottheit, Sol (Sonne) genannt, gestellt. Der frühere Sonnengott E b e r sank, dadurch, in der Verehrung und in der mythischen tradition, um einen grad herunter; er wurde zum göttersohn und heros, und seine frühern göttlichen attribute wurden unter einige, gleichfalls aus der differenzirung des alten sonnengottes entstandenen, sonnensöhne vertheilt. So entstand einerseits der gott E b e r - s o h n (Sonnen-sohn), und wurde somitbei den Goto-germanen I v r - u n g r (Ivr-ingr, Ir-ing) genannt, und aus diesem epithetischen namen entstanden bei den Nordländern die namen V r - i n g r (R-ingr) und R i g r . Da, andererseits, der frühere Sonnengott, weil man die W o h n s i t z e und Wohnungen nach der sonne eintheilte und ihr weihte, auch als gründer und herr des Wohnsitzes betrachtet, und symbolisch durch einen bäum (stamm, pfähl, säule) dargestellt war, so ging dieses attribut auf einen sonnensohn über, der bei den Goten den namen W e l t f i c h t e (Heimdall), und, bei den Germanen, den na-
I. Einleitung.
-13
men S o n n e n - s ä u l e (Irmin-sül, Ehrwlirdigen-säule) erhielt. Obgleich nun Heimdall, als sonnen-sohn, speziell zum gott des m o r g e n s t e r n s und des morg e n s , so wie zum symbol des a n f a n g s , und zum Wächter des Götter-wohnsitzes wurde, so vermischte man ihn doch mit dem andern sonnensohn R i g r , so dass dieser gleichfalls, wie Heimdall, als symbol des a n f a n g s , und somit auch als der Urheb e r der sozialen stände aufgefasst werden konnte. Daher kam es, dass unser dichter den gott R i g , als d e n v a t e r der Sklaven, der Freien, und der Edlen, in seinem gedieht, faktisch dargestellt hat. Als erzählung einer einem gott zugeschriebenen t h a t , ist der gegenständ des gedichtes R i g s S p r ü c h e ein eigentlicher m y t h u s geworden; denn m y t h en sind , im allgemeinen, die mehr oder weniger ausführlichen epischen erzählungen irgend einer einem gotte oder einem göttersohne traditionnell beigelegten handlung. Solche erzählungen sind ursprünglich ganz kurz gefasst, und haben sich gleichsam aus einem einfachen satze entwickelt. So hat sich der satz S k i r n i r f ä h r t , im g e d i e h t . S k i r n i s F a h r t (Skirnis für), zu einem ausführlich erzählten mythus gestaltet (s. G r a u b a r t s l i e d , s. 8). Der satz : Rig ist der vater der drei Stände und hat dem Adelichen (Konr) die mittel, um zum königthum zu gelangen, gezeigt und gelehrt, hat sich, im g e d i c h t R i g s - S p r ü c h e , zu einem epischen mythus ausgebildet. Der Rig-mythus unterscheidet sich von den andern nordischen mythen durch nichts, ausser dass e r , weil er vom dichter
ßigs-Sprüche.
14
nicht andern nacherzählt, sondern direkt
gebildet
worden, o r i g i n a l und n e u ist. Der beweis, dass dieser mythus vor dem gedieht Rigs Sprüche nicht vorhanden war, liegt darin, dass auf diesen mythus früher nirgends anderswo angespielt wird, noch dessen erwähnung geschieht \ in der mythischen tradition wird nämlich nirgends gesagt R i g sei der v a t c r der Sklaven , der Freien, und der Edlen. Zwar befindet sich eine einzige aber bestimmte anspielung hierauf in der V ö l u s p ä (s. W e g g e w o h n t s l i c d , etc., s. 241) wo, durch
die g r ö s s e r n
und k l e i n e r n söhne
des
H e i m d a l i , deutlich die drei stände bezeichnet sind. Aber es ist zu bemerken, dass diese bezeichnung vom Verfasser der V ö l u s p ä doch wohl aus seiner kenntniss der R t g s - S p r ü c h e entsprungen ist, was um so wahrscheinlicher, da der Völuspä-dichter, im ganzen genommen, dieselben
sozialen ansichten mit dem
Verfasser der R i g s - S p r ü c h e theilte, und nur kurze zeit nach ihm gelebt haben kann. W i r haben nun die hauptbestandtheile anzugeben, aus denen unser dichter die epische erzählung des von ihm erfundenen mythus,
in dem gedieht
R i g s - S p r ü c h e , zusammen aufgebaut hat.
3. Rigs fahrt auf der Erde. Obgleich er es nicht explicit aussagt, so ist doch anzunehmen, dass unser dichter sich vorerst die fahrt Rigs auf der erde, um daselbst die stände zu gründen, ganz so vorgestellt hat, und darstellen will, wie
I. Einleitung.
J5
das nordische alterthum allgemein sich das wirken auf erden der vom himmel herabgestiegenen götter zu denken pflegte. Das alterthum glaubte, dass die gottheiten zu gewissen zeiten, u n b e k a n n t auf der erde erscheinen, um daselbst segen zu verbreiten. Deswegen war es auch sitte, dass man, zu festlichen zeiten, besonders weibliche gottheiten, welche in ihren tempeln verborgen wohnten, in verdeckten wagen im land herumführte, damit sie, auf dieser fahrt, land und leute segnen möchten (vgl. die ausfahrt der N e r t h u s ) . Da sich späterhin die forsten für göttersöhne ausgaben, und sich die attribute der götter beizulegen suchten, so war es, in den gotogermanischen landen, gebräuchlich dass der fürst, gleich nach antritt seiner regicrung, wie ein Sonnengott, von morgen nach abend und von Süden nach norden, in sein land hinausritt (fr. chevaucMe du roi), oder im wagen herum fuhr, um dem reichsland den frieden und den segen zu inauguriren, und die rechtsame der unterthanen zu bestätigen. Es war dies offenbar eine verblasste nachahmung einer ursprünglichen ausfahrt des Sonnengottes auf dem heiligen k r e u z w e g ( s k y t h . v e g - s a m a ; cf. heksam-vaihus, s. Les Gctes, p.184), welcher das land durchschnitt, und sich, im kleinen, in jedem dorfe wiederholte. Es ist also höchst wahrscheinlich, dass die lligsfahrt (Rigs ganga) eine verblichene reminiscenz der ursprünglichen Sonnenausfahrtwar. Esistsogar, nach einer andeutung J. Grimms (s. D. Myth, s. 334), wahrscheinlich, dass die schwedische königsausfahrt auf dem E r i c h - w e g (Eriks
46
Riga Sprache,
gata) ursprünglich der R i g s a u s f a h r t (Riga ganga) nachgeahmt war. Allerdings hat der königsname E r i k (Eirikr, f. ev-rikrgesetz-reich; cf. ei fürsevi) mit dem göttlichen sonnen-sohn R i g r (Ebersohn) etymologisch nichts gemein: aber es ist gar wohl möglich, dass der ursprüngliche namen I v r i g r und die I v r i g s g a t a , wegen des später gebräuchlichen königsnamens E r f k r , durch Verwechslung,zu E r i k u n d E r i k s g a t a geworden ist, zumal da der, unter dem namen Ericus, in der Vita Anskarii bezeichnete könig, der nicht blos in die Valhöll, wie andere könige, sondern in die zahl der g ö t t e r aufgenommen werden soll, doch bestimmt eher auf den gott R i g als auf einen k ö n i g E r i k hindeutet. Unser dichter nimmt ferner an, dass der gott Rig ausfährt vom himmel auf die erde : 1) im f r ü h l i n g oder hochsommer, wenn die wege g r ü n sind; 2) dass er auf k r e u z w e g e n fährt, zuerst auf d i r e k t e m wege, von ost nach west, und dann auf dem m i t t e l w e g , der zwischenost und west liegt, oder der den direkten weg, von sud nach nord durchkreuzt; 3) dass der gott, als einfacher Wanderer, auf der erde nicht zu wagen , noch zu pferd, sondern zu f u s s reist, und deswegen den beinamen g a n g a n d i (Fussgänger), wie später der Göngu-Hrölfr (Gang-Rolf), erhalten hat. 4. Rig erzeugt,
in aufsteigender linie,
den Ur-
Sklaven, den Ur-Freien, und den Ur-Edeln. Nach des dichters absieht, soll Rig nicht die menschheit zeugen, sondern in der bereits bestehenden
I. Einleitung.
y l i a (eine Jjula halten). E s g e s c h a h daher, d a s s der allgemeine a u s d r u c k r e d e (mal), in der f o l g e , bisweilen durch den specielleren a u s d r u c k J j u l a ersetzt w u r d e , so dass a u c h , an die stelle d e s authentischen titels R i g s m ä l ,
s p ä t e r , wie z. b . in den
Orms
E d d u b r o t (s. E d d a S n o r r . S t u r l . , I I , p. 2 9 6 ) , der titcl R i g s J i u l a getreten ist. Z u r ermittlung der a b f a s s u n g s z e i t d e r eddischen gedichte ist v o r d e r h a n d keine andere methode möglich, als vorerst dahin zu trachten, d a s r e l a t i v e alter dieser gedichte zu einander bestmöglichst zu bestimmen. Diese relative Zeitbestimmung i s t , bei m a n g e l der ä u s s e r e n , nach denjenigen i n n e r n kennzeichen dieser gedichte vorzunehmen, welche ich, schon früher (s. Le Message de SJcirnir, p . 177), g e n a u e r a n z u g e b e n versucht habe. D i e s e n kennzeichen zufolge wird es wahrscheinlich, d a s s die R i g s m ä l älter s i n d , als die Völuspä,
zumal d a wir oben g e s e h e n ,
Verfasser der V ö l u s p ä den a u s d r u c k
dass
der
Heimdals
g r ö s s e r e u n d k l e i n e r e s ö h n e , wahrscheinlich in b e z u g a u f den im R i g s m ä l zuerst aufgestellten m y thus g e b r a u c h t hat. D a die dichter der
Rigsmäl,
d e s H y n d l u - l i o d s , und der V ö l u s p ä , g a n z ähnliche sozial-politische ansichtcn hatten, so ist auch anzunehmen, d a s s alle drei in derselben zeitperiode lebten, ungefähr um die zeit als die altern oligarchischen zustände in ¡Skandinavien in eine krise eintraten,
die
durch
die
grosse
monarchie
Haralds
S c h ö n h a a r , wenn nicht zum endlichen, doch z u m
21
Riga Sprüche,
zeitweiligen abschluss gelangte. Die Rigsmäl wären diesem nach kurz vor dieser krise, ohngefähr zu anfang des 9. Jahrhunderts, abgefasst. Ueber die person des dichters ist vorderhand nichts weiteres zu errathen, als dass er wahrscheinlich ein Ost-Norweger gewesen; was sich daraus schliessen lässt, 1) dass die krisis der sozial-politischen zustände sich besonders in Norwegen fühlbar machte, und daher einen norwegischen dichter besonders berühren musste; 2) dass der vergleich der ausfahrt des Rigs mit der schwedischen Eiriks gata (s. s. 16), auf einen mit dem schwedischen königsgebrauch näher bekannten Ost-Norweger hinzudeuten scheint; 3) dass unser dichter, wie alle dichter des alterthums, nur für einh e i m i s c h e dinge sich interessirte, und er deswegen den jungen Adelung (Konr) als seinen l a n d s m a n n sich denkt. Da nun aber die böse Krähe dem K o n r den verderblichen rath gibt, die dänischen und halbdänischen Vikinger nachzuahmen, so ist es klar, dass K o n r selbst, und somit der dichter kein däne und kein lialbdäne war, folglich K o n r als schwedischer oder norwegischer gote dargestellt ist, und dass also der dichter, als landsmann des K o n r , wahrscheinlich als ein, gegen Schweden zu wohnender, norwegischer edler zu betrachten sein wird. Der überlieferte text der R i g s m a l ist als volls t ä n d i g anzusehen, das heisst, dass alle theile des gedichtes zu anfang, in der mitte, und am ende, vollständig uns erhalten sind. Was die i n t e g r i t ä t oder Unversehrtheit des
I. Einleitung.
25
überlieferten textes in bezug auf die ursprüngliche richtige abfassung betrifft, so ist erstens zu bemerken, dass sich, zu anfang, eine einleitung in prosa befindet, welche eine spätere interpolation zu sein scheint. I m allgemeinen können zwar solche prosaische einleitungen der Eddalieder füglich a u t h e n t i s c h sein, das heisst, von dem Verfasser selbst herrühren, der, ehe er sein gedieht vortrug, einige einleitende und erklärende worte in prosa voranschickte. Solche prosa-einleitungen sind aber offenbar, auch wenn sie authentisch waren, bei nachmaligen vortragen des gedichts, mannigfach abgeändert worden, da die ursprüngliche fassung nicht, wie bei der gebundenen rede des gedichts, eben so genau konnte festgehalten werden. E s sind also diese prosa-einleitungen bei den Eddaliedern in der regel nicht g a n z authentisch, was schon daraus hervorgeht, dass sie meistens ungeschickt und verfehlt abgefasst sind, und schlecht zu dengedichten passen. W a s die prosa-einleitungzu R i g s - S p r ü c h e n betrifft, so scheint sie s p ä t e r e r abfassung zu sein, denn 1) können die worte : in a l t e n s a g e n nicht wohl vom dichter herrühren, und 2) braucht doch dieser seinen zuhörern nicht zu sagen, dass Rtg oder Heimdali einer der Ansen war. Indessen da diese einleitung, wiewohl unächt, in dem gedieht überliefert worden ist, so haben wir sie darin beibehalten, aber zwischen klammern eingesetzt. Neben dieser interpolation kommen im texte nur an drei stellen auslassungen von versen vor (s. stroph . 4 . 8 . 1 9 ) . Dass sich aber im übrigen, aus unkritik und missverständniss, manche falsche
26
Riga Sprüche,
und corrupte lesarten in den text dieses gedichtes, ebenso sehr wie in den der übrigen Eddalieder, eingeschlichen und eingenistet haben, braucht nicht erst besonders bemerkt zu werden. Die falschen lesarten sind im text gebessert worden, und die gründe zu diesen emendationen werden unten, in der Textkritik, angegeben werden.
II. T E X T . Rigs m à i (Rigs |iula) (Svà segia menn ì fornum sogum, at cinnhverr af Asum sa er Heimdallr hèt fòr feròar sinnar, ok framm me5 siovar strondu nokkurri. Kom at cinum husabce ok nefndisk Rigr. Eptir Jjcirri sogu er kvse&i Jjetta:) 1 Ar kvaSu gnnga,, grcennar brautar, óflgan ok oldinn ^is kunnigan, ramman ok riiskvan Rig stiganda ; gékk hann meir, at-Jjat, »}/5rar brautar. 2.
Kom hann at hiisi ; hurò var a gaetti ; inn nam at ganga ; eldr var ;ì /zolfi ; hiòn sàtu J>ar har af arni, Ai ok jEdda aldin falda. -Rigr kunni J>eim ràÒ at segia; settisk hann m«òra fletia, enn a hliò hvàra hión sal-kynna. meir
28
Riga Sprache.
4. Ja tok .Edda ökkvinnan hleif j>?ingan ok Jji/kkan Jwwnginn sä5um; bar hon meir at-Jmt wmni skutla; (skyr varibolla, setti ä borö.) 5. Bigr kunni Jjcina ruh at segia; reis hann upp ])aöan, reösk at sofna meir lagöisk hann «»örar rekkiu, enn ä Mi 5 hvära Ii ton sal-kynna. 6.
Jyar var hann at-J)at ]>nar noetr saman 5 gekk hann meir at Jjat mibrar brautar; liöu meir at-j)at »H«nuör niu. 7. lob 61 .Edda; «osu vatni höfbi svartan; enn he tu Jjrsel; hann nam at t'aksa ok vel dafna. 8. Var Jjar ä Aöndum /¿rokkit hans skinn, Äropnir fcwwar, [ok hie fi inikill], /ingir diggrir, fülügt andlit, tri var hryggr, Zangir hselar. 9. Näm hann meir at-J»t magna at kosta, Jost at 6mda, fryröar giörva ; bar hann heim. at-])at hria görstan dag.
H. Text. 10.
J » r k o m at garòi
or v a r â í7ium,
^engilbeina ;
armr s ô l - b r u n n i n n ;
m ö r b i u g t è r nef;
«efndisk Jjyr. 11.
Mib r a
fletia
s a t hiâ henni rœddu
meir s e t t i s k h o n ; s o a r Äwsavess ;
ok ryndu ;
J>au \ r œ 11 o k j j ^ r
r e k k i u giörÖu JwMngin d œ g u r .
12.
Biuggxi o k s e r u n d u ; iörn ô l u J)au ; hé ti Hrcimr, F i h ô s n i r , Klûrr, o k K7eggi, ¿Tefsir, F û l n i r , Drumhr, D z g r a l d i , D r ö t t r , o k H ö s v i r ,
Äygg-ek at
13. i û t r , ok ieggialdi;
ZögÖu g a r ó a ,
akra töddu,
wnnu at s v î n u m ,
geita. ^ œ t t u ,
ok grò fu torf. 14.
Doettr
v â r u Jwer
Okkvin-kâlfa,
D r w m b a , ok K u m b a , ok ^4rin-nefia,
Fsia, ok vlmbâtt, Tò'trug-hypia,
Ekin-tiasna,
ok IVönu-beina ;
Jxiöan e r u k o r o n a r Jwccla set t i r .
29
Biga SprSche.
30
15. G è k k Higr at-Jrat réttrar brautar ; kom liann at 7ÌO1IU ; hurò var à skìdi ; inn nàm at ganga ; eldr var à gòlfi ; hión sàtu J)ar, 7ieldu a syslu ; ./Iti ok i i n m a attu hollu. 16. telgòi ])ar me ih til ritiar; var .sÀapat, shor firir enni, sfci/rta JivengiaS, sfc/kkia var a gólfi. Maòv
skegg
17. J>ar kona', sveigòi r o k k i , tm'ddi faòmi, bìó til và5ar : sveigr var à hòfdi, smokkr var a bringu, rfiikr var à halsi, livergar à òkslum. Sat
18. kunni Jjeim ràò at segia ; meir settisk hann miòra fletia, cnn à Miò hvàra hión sal-kynna.
Rigr
19. J)a tòk vlmma ókvinnan hleif, Jjwngan ok Jw/kkan JwMnginn saSum ; bar hon meir at-Jjat »¿¿óra skutla ; so5 var ! bolla, setti fi bor5 ; var kalii so 5 inn Icràaa betistr.
H. Text.
3!
20. Mîgr kunni Jjeim re i s frâ borÔi, meir
rub at segia ; rè 5 at sofna ;
lagôisk hann
enn â hiiô h v â r a
miòrar
rekkiu,
Ilion sal-kynna. 21.
Jxir v a r hann at J>at
}>n'âr naetr saman ;
g ê k k hann me ir at-Jiat liôu me ir at-j)at
Wi/Örar brautar ;
««anuör nîu.
22. lob ôl i m m a ;
«osu v a t n i ;
/rülluöu Karl • fama sveip ripti raziöan ok »7Üöan ;
ribuöu
augu.
23. H a n n nâm a t v a k s a , öksn nâm at t e m i a , hits at t i m b r a ,
ok ve\ dafna-, « r ô r at g i ö r v a ,
ok AZööur smîfta,
Zíirta at giörva ,
ok keyra, plôg. 24.
Heim ôku Jdí
/¿angin-luklu,
//Cîta-kyrtlu ;
grcptu K a r l i ;
Snör heitir sii ; biuggu fcraddu
hiôn ; UœiuT,
settisk undir ripti ; banga
deildu ;
ok bú giôrÔu.
32
Riga Spriiche. 25.
Biuggu o k Mtn Haìr, Breiòr, o k Bùi,
ser u n d u ,
òórn ó l u J)au :
ok Drengr, Vitandi,
ok .Bordi,
i f ò l d r , J)egn, o k S m ì S r , ifiindin-skeggi,
2?ratt-skeggr, ok S e g g r . 2G.
E n n iinnur h è t u s v à ,
óSruin ndfnuin,
Snót, Flióò,
Svarri, S p r a k k i , Fcima, o k R i s t i l l
Bruòr,
Svernili,
Sprund, ok Vìf,
j j a ò a n e r u Z:omnar
¿Tarla settir. 27.
Gèkk
Rigr
J)a5an,
suòr h o r f 5 u d y r ; hringr v a r i gaetti •
k o m hann at sai,
hurò
var
hnigin
rùttrar b r a u t a r ;
;
28. Gèkk
h a n n i n n at-J>at;
s d t u Jjar h i o n ; Faòir
gólf
v a r stràad ;
sawsk ì a u g u
ok Mo5ir,
/"ingrum at l e i k a . 29.
Sat
husgumi,
o k snèri
à l m of b e n d i , e n n Awskona
strauk.
streng,
orvar skepti ; hugòi
of ripti,
at ò r k u m ;
sierkti c r m a r ; 30.
¿Teisti f a l d i ;
/tinga var à bringu ;
siòar slceòur ; serkr blà-fàinn ; brùn v a r biartari, briosi l i o s a r a , ha\s
o k /(«¿tari
/¿ranni miollu.
;
II. Text. o^l1. Bigi kunni })oim fàò at segia ; meir settiskhann mòra fletia, enn a Miò livàra hiòn sal-kynna. 32. j);ì tòk Mòòir iHerktan duk, Jivitun af7ióVvi; ole huldi bio5; Jion t5k, at-|>at, hìeiia. Jmnna , /¿«ita af hveiti, ok huìài duk. 33. Fmmm bar hon, at-joat, /Villa skutla, Si7fri var5a ; setti a bio5 flàn, ok fleski, ok fligia, steikta; VÌIÌ var ì konnu, varòìv- vàru kalkar ; iZntkku ok cioèm5u; (lagr var à sinnum. 34. liìgr kunni J)eim ràò at segia; ras hann at-J)at ; rekkiu gerSi ; \xit~ var hann, at-|)at, jpnar nsetr saman gèkk hann meir, at-]3at, miòrar brautar ; liòu meir, at-J)at, manuòr nìu. 35. Svein ol M65ir ; sillti vafòi ; iós u vatni ; Jarl lètu heita -, Ueikt var hans bar, iiartiv vangar; otul vàru ciMgu ; sem i/rmlingi.
34
Rìgs Sprüche. 36. t/pp-öks, at-Jiat, Jori ä fletium ; lind näm at skelfa, leggia strengi, alm at beygia, örvar skepta, flein at ßeygia., /rökkur dyia, Aestum riöa, /¿wndum verpa, sreröum bregóa, ok swnd fremia. 37. Kom Jjar or rwnni Rigr gangandi ; Rigr gangandi ninar kendi ; sitt gaf heiti, son kvaö ok eiga ; Jjann baö hann eignask óòal-vollu , oÖal-völlu, aldnar bygÖir. 38. Reiö hann meir, at-Jjat, wyrkan ä vi5 , /¿clug ä fiöll, nndst at /töllu kom ; sÄapt nam at dyia, sfcelfbi lindi, lichìey\)\\, ok hiiirvi brà ; vig nam at vekia, voli nàm at rio5a, tal näm at fella i va til landa. 39.
Rè5 hann einn, at-j)at, «iian buum ; auò näm skipta, öllum veita »¡cornar, ok «¡«Ima, ?wara svang-rifia; /inngum hreytti ; hió sundr bauga.
II. Text.
35
40. Oku maerir ar (dort), eingerückt werden, um zu sagen sie sassen dort (auf dem golf). 4. Statt des einsilbigen s ä s k (sie sehen sich), ist zweisilbig s ä u s k (sie sahen sich) zu lesen. In der nordischen epischen spräche bedeutet siä i a u g u (in die äugen sehen; zweierlei: entweder einen g e n a u beobachten, um zu erkennen, welcher n a t u r er ist, und welche a b s i e h t er hat, oder einem mit Wohlgefallen und l i e b e v o l l ins auge sehen, im gegensatz von at a u g a b r a g ö i h a f a (den blick gleichgültig und verächtlich von einem abwenden). Hier ist von dem wohlgefälligen, liebevollen anblicken die rede. Dies Wohlgefallen ist so innig und die liebe so heftig, dass, wie hier gesagt wird, die finger davon schlottern (at fingrum leika). 5. Der ausdruck f i n g r u m at l e i k a bezieht sich
58
Rigs Sprache,
nicht, wie man glauben könnte, auf das f i n g ers p i e l , welches die Römer m i c a r e d i g i t i s , und die späteren Italiäner la m o r a nennen; es ist ein e p i scher ausdruck, um zu sagen, dass eine gemüthsbewegung so heftig ist, dass sie bis in die fingerspitzen fährt, oder die finger in nervöses zittern versetzet (at tingrum spila oder leika); es entspricht ohngefahr dem was der I n d e r , so häufig, durch h a r s c h a n a (haarsträubung) ausdrückt, um zu sagen dass, vor freude oder lust, alle haare am leibe sich sträuben. L e i k i n n (Lokasenna 19) bedeutet a u f g e r e g t , aus lust und wollust. L e i k a lausum hala (Lokas. 49) heisst, wie ein brünstiges pferd, den schweif frei hin und her schwenken. Strophe 29. 1. Statt ö r m u m (ärmen) ist offenbar ö r k u m (arche n kisten, kästen) zu lesen. 2. s t r a u k (strich) heisst hier noch nicht b ü g e l n , sondern blos g l a tt streichen, g l a t t legen. Strophe 30. 1. k e i s t i (hochtrug, aufthürmte) ist hier mit dem instrumental f a l d i (statt fald)zu construircn. 2. k i n g a , steht für älteres kringa, wie d. s c h a n k für s c h r a n k ; es bezeichnet einen haken, dann ein anhängsei oder münze (medaillon oder bracteat), das frauen auf der brüst trugen. 3. Statt des acc. s e r k ist dernom. s e r k r zu lesen; s e r k r (anschliessend) bezeichnet hier ein an den oberleib sich anschliessendes gevvand, hemd, tunica, rüstkleid, bündel; das wort gehört zur wortsippe
III. Textkritik und Worterklärung.
50
s e r v (schliessen, wahren), gr. s e r (binden, schliessen), lat. s e r v u s (angeschlossener, sklav), s e r a (verschluss), norr. s ö r v i (anband, rüstung), sörii (f. sarvila), kleiner panzer. 4. Statt des zweisilbigen b l ä f ä n ist dreisilbig bläf ä i n n zu lesen; fäinn (f. fahinn)gehört zur Wortsippe f a h , sansc. p a 9 (fassen, passen), got. f a g r s (passend, schön), altdr. v ä r (passend, schön), f e g e n (schön machen, poliren); hier hat fäinn (gefasst) die bedeutung von g e s ä u m t oder von g e s t r e i f t (gefacht). 5. Nach b r ü n ist v a r (war) einzusetzen, 1) weil der satz ein Zeitwort erfordert; 2) damit nicht zwei alliterirende silben neben einander stehen. G. Nach h a l s ist ok einzusetzen, lim die alliterirenden silben zu trennen. Strophe 31. 32. 1. m e r k t a n (mit marken, bildern, versehen) bedeutet mit bildern g e s t i c k t , dann mit tiguren g e w e b t , damascirt, g e b i l d e t . In Strassburg sagt man g ' b i l d t ' s (gebildetes) für damascirtes feines leinzeug. Strophe 33. 1. Statt f r a m m s e t t i h o n ist wohl richtiger und vollständiger f r a m b a r h o n a t J)at zu lesen, weil j a zuerst vom a u f t r a g e n (fram bar) die rede sein muss, ehe das a u f s e t z e n auf den tisch zu erwähnen ist. 2. Da die accusative f l ä n o k f l e s k i nothwendig ein zeitwort voraussetzen, so ist im zweiten halbvers s e t t i ä b i o ö anzusetzen.
60
Riga SprQche.
3. Statt des corrupten f ä n ist, schon wegen der alliteration mit f l e s k i , nothwendig f l ä n zu lesen; aus f l ä t r (f. flahtr, flach; lat. p l a n u s f. placnus) bildete sich f l ä Ö m r (f. f l a h ö m r , verflachte sache, fladen), dem ein altd. f l ä d o m (lat. p l a c e n t a , gr. p l a k o u s f. p l a k o u n t s ) entspricht. Aus dem altdeutschen fladoni »lammt, bei Venantius Fortunatus (ende des6. jahrh.), das neu-lat. fladoncs(fladen). Dieses ist, im altfr., regelmässig (s. Cours de Linguist iqur, s. 24) zu f l a o n (altengl. flawn) umgeändert, und später, fr. f l a n ausgesprochen worden (vgl. Laon, faon). Auf gleiche weise, aber ganz unabhängig davon, hat sich, vom altnordischen f l ä ö m r , zuerst fläÖnr (vgl. d. b o d e n , gaden, aus bodem, gadem)und dann regelrecht f l ä n n (f. flänr; vgl. got. majjl, norr. mal) gebildet. Fügen wir hier bei, dass so wie f l ä ö m r sich aus flah-ö-mr (vgl. faömr aus fah-5-mr), so im griechischen p o r t h m o s (überfahrt) aus por-th-mos, und im gothischen b a g m s (bäum) aus b a g j n n s gebildet h a t : b ä g (sansc. bhädj f. bhradj) bedeutet t h e i l u n g , brechung; bäg})ms bezeichnet demnach eine zertheilte sache, wie ein in äste (sansc. bäha, arm) zertheilter b ä u m . Aus b ä g j ) m s entstand im gothischen bag({D)ms, im altnordischen bä(g)Smr; aus b a g m s bildete sich altsächs. b ä m , und später b ö m , und im mitteld. b o u m , woraus hochd. b ä u m wurde; diese erklär ung habe ich, in meinem Cours desanscrit, vor 20 jähren gegeben. Auf gleiche weise sind dievon G r i m m (Gramm. 2, s. 240) angeführten Wörter, mit-a d u m abgeleitet, zu erklären.
III. Textkritik und WorterklUrung.
61
Strophe 34. 35. 1. Es wäre möglich, dasssveinn, das ich ( G r a u b a r t s l i e d , s. 79) anders erklärt habe, aus älterem s v a g i n s (schwankend) entstanden sei, und ursprünglich einen h e r u m s c h w e i f e n d e n knaben oder burschen bezeichnete; s v e i n n verhielte sich alsdann zu s v a g i n s (schwankend, schwach) wie s e i n n zu lat. s e g n i s , und f l e i n n zu fleginn. 2. m o ö i r ist kein begriffloses lallwort, wie m a m a , sondern steht für m a g ó i r (machende) von m a g a (können, zeugen, machen), und bezeichnet die mutter als die gebärerin. 3. s i l k i (n. serisches, sc. gewebe; lat. sericum, sc. textum) hat mit s e r k r (anschliessendes, str. 29) sprachlich nichts gemein; es entspricht dem lat. s e r i c u m (vgl. ital. s a r g i a , fürsariga, fr. s e r g e , aus serica), und bezeichnet ein baumwoll-seidenes zeug, das von den S e r e n , einem sudwestlichen sinesischen Volksstamme, nach Europa kam. Obgleich die jetzige phonologie der sinesischen spräche kein r mehr hat, sondern es in l verwandelte, und wiewohl in der Schriftsprache (kou-wen) die zweisilbigen Wörter zu monosyllabischen verkürzt sind, so scheint doch das sinesische wort s s e , welches heute eine art seidenzeug bezeichnet, doch u r s p r ü n g l i c h s s e r gelautet zu haben, wie es noch in der südwestlichen Volkssprache lautet (s. Résumé d'études, etc., p. 274). 4. l a r i gehört zur sippe a r (schnell; sanse, a r a ; norr. ö r r , fürarv-r); ar bezeichnete den schnellen ä r (adel-ar) und den schnellen b o t e n (norr. a r r ; got.
62
Riga Sprüche,
airus); a r (adler), vielleicht durch slavischen einfluss, erweiterte sich zu ara-1 (f. ara-r, wie karl für kara-r), und zu arl (sl. orel, lith. errelis; vgl. d . a r l e s beere; Vor-arl-bcrg). Die ursprüngliche nordische form für arl war i r l , welches mit furtivem a , iarl ausgesprochen wurde. I a r l bedeutete also ursprünglich a d l e r . So wie die meisten und ältesten götter ursprünglich z o o m o r p h i s c h aufgcfasst waren, ehe sie später anthropomorphosirt wurden, so wurden, im altertlmm, auch könige und helden mit furchtbaren oder edlen thieren verglichen. Namen wie d r a c h e (chin. lung) sind gewöhnliche bezeichnungen des chinesischen H i m m e l s - s o h n s (tien-tsö); bezeichnungen für fürsten wie n a r a - s i n h a (männer-löwe), n a r a - £ a r d u l a (männer-panther), n a r a - v i a g h r a (männer-tiger) finden sich, zu dutzenden, im Maliäbharata. Der griechische name heros (heros, held) bedeutete Ursprünglich e b e r (sanscr. varähas, lat. verres). Die Goto-germanen nannten E b e r den Sonnengott (s. oben, s. 12) und I o f r a r (kampfeber) alle kämpfenden fürsten (s. Fascinat. deGulfi, p. 184). Es ist möglich, dass sich bei dem namen I a r l eine dunkle erinnerung an dessen u r s p r ü n g l i c h e bedeutung von a d l e r , noch später bewahrt hat. Da nun mythologisch der adler der böte des Odin wie des Zevs war, so konnte man auch später die I a r l a r als die boten (lat. missi dominici) des königs betrachten. 4. Statt des einsilbigen b l e i k t ist zweisilbig bleikit, particip von b l e i k i a (bleichen), zu lesen, oder aber eine silbe (hans) in den halbvers einzusetzen.
III. Textkritik und Worterklärung.
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Strophe 36. 1. Statt des einsilbigen J)ar ist das zweisilbige atj>at zu lesen, welches richtiger ist, da ä f l e t i u m die bezeichnung J>ar j a überflüssig und unnöthig macht. 2. näm (aufnam) hat hier die bedeutung von lernte. 3. Da die Schilde gewöhnlich aus einem gefleclit von lindenholz oder lindenbast gemacht wurden, so bezeichnet 1 i n d hier den linden-schild. 4. f r ä k k a (f. frav-inga; angels. f r a n c a ) ; d:i f r a n k aus fravink (abkömmliug des he r r n , oder speziell des gottes F r o oder Freyr) sich gebildet (s. Dt Voriginc du nom de Frank, p. 22), so kann franca nicht wohl etwas anderes bedeuten als den speer wie ihn die Franken (abkömmlinge des Freyr) führten; f r a k k a entspricht dem rom. f r a n c i s c a (fränkisch). 5. verpa (werfen) bedeutet auch gegen etwas loslassen (fr. lancer); h u n d u m v e r p a bedeutet die hunde anhetzen, anschlagen lassen. Deswegen ist V a f t h r u d n i s m a l , 7 , statt e r v e r p o m k o r ä i a , zu lesen er v e r p r m i k o r ö i ä, der gegenmich (ä mikl mit worten loslässt, mich mit worten angreift. 6. S t a t t s u n d at f r e m i a ist ok s u n d f r e m i a ( u n d im schwimmen wetteifern oder sich hervorthun) zu esen. Strophe 37. 38. 1. g a n g a n d i (fussgänger) ist epithetischcr name des Rigr, in bezug auf die obige bezeichnung stig a n d i (str. 1).
(¡4
Rigs Sprüche.
2. Statt k v e ö z ist zu lesen k v a 5 o k (er sprach auch). 3. Zur Wortsippe a v i , afi (s. oben), lat. a v u s , heb. a b , gehörenangels. aeve, alth. e w a , d. e h e ( a l t v ä t e r l i c h e sitte, gesetz, ehe), norr. auÖr (altväterlicher
besitz,
familienbesitz,
avitus), ööal (zum
reichthum, (cf.
auör gehöriges,
lat.
stammbesitz);
o ö a l - v e l l i r sind die landstrecken die zum stammbesitz gehören. 4. Statt des dreisilbigen h e l u g f i ö l l muss v i e r - ) silbig h e l u g ä f i ö l l gelesen werden. 5. n ä m bedeutet hier nicht wie oben (str. 36) l e r n t e , sondern u n t e r n a h m , d r a n - g i e n g . Strophe 39. 1. m e i ä m r (got. mai|>ms), abgeleitet von m e i ä a (abhauen, theilen) bedeutet ursprünglich t h e i l , dann geschenk,
tribut, und, allgemein,
werthschaft*
2. Statt des corrupten m ö s m a ist m ä l m a (accus, plur.) zu lesen; m ä l m r (zermalmter, sc. stein) bedeutet zerstossenes p o c h e r z , dann, allgemein, met a l l , und dann, speziell, eisen; eisen ist aber hier der bildliche ausdruck für s c h w e r d t . 3. s v a n g - r i f i a (schmacht-rippige) bezeichnet hier schlank-rippige t r a b e r (mara). 4. h r e y t a (herumwerfen; vgl. hriota, hrinda) bedeutet hier verschwenderisch um sich werfen. 5. Um die ursprünglichen vier silben des halbverses herzustellen, muss b a u g a statt b a u g gelesen werden.
n i . Textkritik und WorterUämng.
65
Strophe 40. 1. Da die eine handschrift blos aerir (boten), die andere blos maerir (erlauchte) enthält, so ist beides zusammen in den text aufzunehmen. 2. Statt des zweisilbigen widersinnigen maetti (begegnete), ist dreisilbig und sinngemäss m e y ä t t i zu lesen. 3. Statt m i o f i n g r a ö a ist miovingeröa (schmalgegtirtete) zu lesen. 4. Die comparative h v i t r i und h o r s k r i drücken aus dass, unter den töchtern des hersir, oder unter den landestöchtern, E r n a die weisshäutigere und klügere war. 5. E r n u ist der accus, von E r n a , welches der abgekürzte hypokoristische namen ist für E r m u n a . I r m u n (sansc. a r y a m a n Ehrwürdig) ist der epithetische namen des sonnengottes; der name E r n f r i d ist gleichfalls abgekürzt aus Ermunfrid. Strophe 41. 42. 1. Da b ü a einen bau gründen bedeutet, so sagt saman biuggu (sie zusammenwohnten) aus, dass sie einen e h e l i c h e n hausstand gründeten. 2. B u r r (geborner) bezeichnet den söhn eines gottes, oderkönigs, oder edlen (vgl. pers. p a k - p u r ; LcsGctcs, p. 183). 3. Da das neut. b a r n (gebornes) hier nicht, wie gewöhnlich, als gemeinname für kind, sondern als e i g e n n a m e steht, so muss auch, statt a n n a t , das 5
66
Kigs Sprüche.
masc. a n n a r r (der andere, zweite söhn, in bezug auf hinn eldsti und auf hin yngsti) gelesen werden. 4. i ö 5 (n. heimisches) ist oben (s. str. 6) sprachliche rklärt. 5. a ö a l (adel) gehört, wie ö ö a l , zu der Wortsippe lat. a^vitus (altväterlich), altd. eht (echt, natif), äöal (echt, natif), adel ( e d l e , echte natur). 6. a r f i (ergreifer, erbe) gehört zur Wortsippe sansc. rabh, gr. l a b (ergreifen). 7. m ö g r (mögend) gehört, wie m o 5 i r (s. s. 61) zu m a g a (können),
und bezeichnet
einen jungen
z e u g u n g s f ä h i g e n , aber unverheiratheten mann. 8. n i ä i (abkomme), sansc. n i t i a (abkömmling); stammt von, der partikel ni (hinunter, ab). 9. n i ö i u n g r (abkommen-nachkomme) bezeichnet im allgemeinen jeden j ü n g e r n nachkommen. 10. sonr (söhn) ist ein altes part. pass. von su (schüttlen, streuen, säen) und bedeutet, ursprünglich, gesäet. 11. Um den 3. halbvers vollständig zu machen, ist statt des einsilbigen s v e i n n , das hier passende zweisilbige diminutif s v e i n k i zu lesen; desgleichen ist, im 2. halbvers, statt des einsilbigen s u n d , der zweisilbige instrumental s u n d i su setzen. 12. s u n d i o k t a f l (im wettschwimmen und wettschiessen); diese beiden Übungen und' Wettspiele sind auch anderswo zusammengestellt, z. ex. F o r n m . s ö g . 2 , 272, wo Olaf sich mit Eindridi darin versucht. Ich habe schon früher ( W e g g e w o h n t s l i e d , s. 202) gez e i g t , dass t a f l (zugerichtetes) oder t a f l a , mit dem
III. Textkritik und Worterklärung.
67
lat. a t b u l a nichts gemein hat, sondern jeden gegenständ bezeichnet der aufgestellt oder aufgelegt wird, um im spiel, mit einer gere , oder lanze, oder pfeil, getroffen und abgeschossen zu werden; dieser gegenständ, als schiess- und stoss-ziel, konnte ein pflock sein, wie der welcher auf den köpf des knaben Eindridis gesetzt wird, oder eine h a s e l n u s s , wie die welche Heming vom köpfe seines bruders Biörn herabschiessen soll, oder ein a p f e l , den Egill, wie Teil, vom haupt des sohnes abschoss, oder eine g e l d m ü n z e , wie der denar den Puncher vom köpfe des kindes wegschoss, oder eine p e r s o n , wie Baldr, auf den man mit geren schoss, oder ein g e r ü s t mit maurenkopf (tablado), gegen das die spanischen ritter buhurdirten, oder ein k e g e l , den man umwirft, oder eine f i g u r im schachbret, die manschlägt; demnach konnte fast jedes derartiges spiel später t a f l genannt werden. 13. K u n d r (besippt) bezeichnet hier den söhn, in so fern er zur k y n (kuni, sippe) gehört; nach h e t ist die silbe ok einzusetzen, um die vier silben zu restituiren. 14. K o n r (geschlechtiger) bezeichnet den jungen adeligen der ein g e s c h l e c h t , stamm, gründen kann, so wie das feminin k o n a , das stammweib, elieweib bezeichnet. Strophe 43. 1. s k e y t i (geschosse), bezeichnet hier die geschoss-schäfte, oder bolzen. Das bis jetzt dunkle lat.
68
Rigs Sprüche,
s a g i t t a könnte man allenfalls sur sippe s k y t a (schiessen), angels. s k y t i l (sagitta) rechnen; ich halte es aber für ein lygisches (kimrisches) wort, und stelle es zur Wortsippe s c h a d e n , vgl. sansc. k c h a y a s , (schaden), gadli. s g a d (schaden), s g a d t h a (beschädigung). 2. Um eine silbe zu restituiren ist statt K o n r u n g r , dreisilbig, K o n r y n g s t i zu lesen. 3. s e f i n - r ü n a r (ewige runen) sind runen, die bewirken, dass etwasewig daure; a l d r - r ü n a r (alter runen) sind solche, die bewirken, dass einer l a n g e , bis ins hohe a l t e r , lebe. Strophe 44. 1. Statt klök n a m ist klök n e m a zu lesen, da dieser infinitif von k u n n i abhängt. 2. kyrra (kürren) ist abgeleitet vom adjectif k v i r r (kiur, got. kvairrus), k ü r r e (zahm, abgelebt), und bedeutet s t i l l e n , b e s c h w i c h t i g e n (sansc. d j a r , altern). 3. Statt des Zeitworts saefa (einschläfern) ist s e f a (accus, von s e f i , neigung, muth, zorn) zu setzen. 4. e l i u n (aufregung, eifer) bezeichnet hier die charakter-energie. 5. Statt u t t a (acht) ist e t i a (anreizen, anspornen) zu lesen. Strophe 45. 1. I a r l ; — von ar (böte) bildete sich das diminutiv a r l , (kleinbote) welches, wie lat. aneus, den b u b e n bezeichnete, der botendienst versieht (altsächß. e r l ) ;
III. Textkritik und Worterklärung.
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späterda man a r l (irl) als k l e i n a d l e r deutete, nannte man I a r l den k ö n i g s b o t e n ; und endlich wurde I a r l der titel für abgesandter, Statthalter, p r ä f e k t des königs (missus dominicus); s. s. 61. 2. Statt r ü n a r ist r ü n u m zu lesen; d e i l a r ü n u m vi6 R i g (gegen Rig in runen kämpfen) heisst, mit Rig in der runenkenntniss rivalisiren, sich messen. 3. b e i t t i b r ö g ä u m (beizte in kunstgriffen) heisst: verfolgte ihn, wie ein nachstellender jäger, mit kunstgriffen. 4. eöla&isk (adelte sich) heisst: kam zu höherem ansehen. Strophe 46. 47. 1. Statt K o n r u n g r ist hier (wie oben st. 42) K o n r y n g s t i zu lesen. 2. Um die ausgefallene silbe zu restituiren, ist statt s k ö g , s k ö g ä ( i n d e n b u s c h u n d i n denwald) zu lesen. 3. k ö l f r , (kolben) bedeutet hier bolzen, geschoss für die armbrust. 4. k y r r a (aufschreien machen) ist unverwandt mit k y r r a (kirre machen, str. 43); es entspricht dem deutschen k e r r e n (zum schreien bringen), welches abgeleitet ist von k i r r e n (schreien; sansc. g a r , lat. g a r r i r e ; gr. g e r a n o s schreier, kranich.) 5. rnsetti Jjer (lat. tibi conveniret), passte, schickte sich für dich. Strophe 48. 1. D a ä , wenn vorangestellt, den accent hätte und folglich auch hätte alliteriren müssen, so ist es nicht zu anfang sondern ans ende des halbverses zu setzen.
70
Rigs Sprüche.
2. D e r name D ä n r , (Tag-sohn) steht f ü r d e n altern D a g a n r (Dagans, b, lat. D a c h e n u s ) welcher abgeleitet ist von d a g r ( g o t . d a g s , tag). D a g r (früher dägr) ist selbst contrahirt aus D a v a g r (licht-begabt, 11. lat. D ä c u s ) , u n d abgeleitet von d a v u s , t a v u s (erl e u c h t e t ) , welches zur Wortsippe d a v (schlagend, leuchtend) gehört (s. Les Gitcs, p. 41). 3. D e r gegen die phonetik d e r germano-gotischen sprachen gebildete nainen D ä n p r , lautete ursprünglich D ä n a p r . Dieser name hat sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, zuerst im fremden S l a v e n l a n d e , auf dem meeresufer, zwischen der m ü n d u n g der E l b e und d e r O d e r , gebildet, u n d bezeichnete den abkömmling eines danen u n d einer slavischen mutter, also ohngefälir d a s , was m a n durch h a l f d ä n r (halbdänc), im gegensatz zu a l l - d ä n r (ganz-däne) oder a l d - d ä n e (alt-däne), bezeichnete. Slavisch hiess ein solcher halbdänc D ä n - a v a , indem man regelrecht, um die abstamniung u n d das genitiv-verhältniss a u s z u d r ü c k e n , d i e p a r t i k e l a v a ( 8 a n s c . a v a , a p a , d. a b ) a n das nomen a n f ü g t e ; ex. v o l c h - o v (wölfischer, des wolfs); scyth. v r i s k - a v a (widderischer, des widders), s. L e s S c y t l i e s , p. V I I I . D i e D ä n e n u n d Nordländer im Slavenlande g e b r a u c h t e n den nainen D a n a v a , in der form von D ä n - a f r , um so williger, da, im altnordischen, die schwache form a f i , ( a b k ö m m l i n g , söhn), welche einer starken form a f r entsprach, gebräuchlich w a r . D a m a n aber, in gewissen theilen Scandinaviens, das harte p dem aspirirten f , eustomisch vorzog, (opt f ü r o f t ; a p t a n f. aftan e t c . ) , so w u r d e auch D a n a f r
III. Textkritik und Worterklärung.
7i
in D ä n - a p r , und später, als man die form gar nicht mehr verstund, in D a n p r umgesetzt. Ein anderer name, der an die Dänen erinnert, und vielleicht beweist, dass die bezeichnung d a n a v a (danafr) in der gegend des alten Dantzig aufgekommen sein mag, ist der slavische name D ä n - t - i s k o für Dantzig. Das t entspricht der patronymisclien partikel, dem gr. i d , dem got. ida (ex. K n i v - i d a ) , dem slav. it-, iz-, itz (ex. Carlov-iz); an diese partikel hat man noch die im germanischen und slavischen gebräuchliche endung i s k angehängt, sowie an die derivat-partikel o v gleichfalls noch die patronymische partikel itz (Carl-ov-itz, tzar-ov-itsch) angehängt worden ist. Der name Dantisco bezeichnete demnach eine d ä n i s c h e oder h a i d ä n i s c h e see-station (poln. (jrdansk). 4. er steht hier für J>6r (ihr); vergl. d. ihr. 5. k e n n a e g g , (schneide kennen machen) für die schneide fühlen lassen.
IV. ÜBERSETZUNG. R I G S
S P R Ü C H E .
(Rigs-Rede.) (In alten sagen erzählt man so, dass einer von den Ansen, der Heimdall hiess, seine fahrten fuhr, und voran, längs einem meeresstrande. E r kam zu einem bewohnten bau, und nannte sich Rig. Nach dieser sage ist dieses gedieht.) 1. Früh erzählte man, dass g r ü n e strasse gewandelt der kräft'ge, und ehrwürd'ge, kundige Anse, der starke und rasche, zu fuss schreitende Rig. Hierauf gieng er weiter die mittlere strass'. 2. Zu einem haus er kam; hürde am zugang war; einzutreten er unternahm; feuer war auf dem g a n g ; da sassen die ehleut', von arbeit ergraut, U r g r o 8 s v a t e r , und U r g r o s s m u t t e r mit altem falt.
3. Rig ihnen rath zu ertheilen verstund; ferner er sich setzte auf mittlere bank, und, zu beider seit, die ehleut' des wohnsaals.
74
Riga Sprüche.
4.
Urgrossmutter da nahm einen klumpigen laib, der schwer und dick, und mit Saatkorn gedrängt; dann kleinere schusseln sie brachte herbei; Sauermilch im napf war; den stellt sie aufs brett. 5
Rig ihnen rath zu ertheilen verstund; er erhob sich von da, zum schlafen er aufbrach; ferner er sich legte auf s mittlere bett, und, zu beider seit', die ehleut' des wohnsaals. 6 Drauf er dort blieb drei nachte zusammt; hierauf gieng er weiter die mittlere strass'; weiter vergiengen neun monden hierauf. 7.
Urgrossmutter ein kind gebar; mit wasser begoss man den schwarzkopf, und sie nannten ihn Dräl. Er zu wachsen begann, und wohl zu gedeihen. 8.
Da ward ihm, an händen, schwielig die haut, die knöchel gedunsen, und mächtig die faust, die finger dicke, das antlitz schmutzig, gebeugter der rücken, lange die fersen. 9.
Hierauf begann er weiter, seine kraft zu versuchen, bast-stricke zu winden, reis-bündel zu machen; heim trug er dann reiser, den ganzen tag durch.
IV. Uebersetzung.
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10. Zum gehäg' kam dahin eine gangbeinige, an fuss-sohlen schwielig, sonn-verbrannt am arm, ihre nas' gekrümmt; sie nannte sich B o t i n . 11.
Auf mittlere bank, hierauf, sie sich setzte; des hauswesens söhn sich setzte zu ihr; sie schwatzten und raunten ; es machten ihr bett beid', Dräl und Dirne, viele tage hindurch. 12.
Sie beiwohnten und liebten sich; sie kinder erzeugten, die hiessen, ich entsinn mich, L ä r m e r , V i e h s t a 11 e r, R a u , und R o s s m ü c k , K e b s e r , S t i n k e r , Sc h mu t z ig, D i c k w ü c h s i g , K e i n n u t z , G r a u wo lf, 13.
K r u m m r ü c k , L a n g s c h e n k e l ; sie gehäg anlegten, misteten äcker, schweine besorgten, hüteten geisen, und gruben torf. 14.
Töchter waren diese: S c h m u t z i g , G e s c h i r r , K l u m p k ä l b i n , und K ü c h e n s c h n a u f e , U s e l , und E n t b o t ' n e , E i c h e n s t a n g e , Z a z z e l j u p p e , und K r a n i c h b e i n i g e . Davon sind die Dräl-geschlechter entstammt.
76
Rigs Sprüche.
15.
Hierauf gieng Rig die g e r a d e strasse; kam zu einer hall' ; bürde war am scheit-zaun'; einzutreten er unternahm; feuer war auf dem gang; da sassen die ehleut', ans geschäft sich haltend; G r o s s v a t e r und G r o s s m u t t e r d i e s e halle besassen. 16. H i e r schnitzte d e r m a n n z u m Spinnstock d e n z w e i g ;
sein bart war geschahen, haar-schur an der stirn; umgürtet die bluse; der mantel am boden lag. 17.
Dabei säss die ehfrau, den rocken umwand; den faden ausholte, für's weben zurichtete; die haub' auf dem köpf; auf dem busen der brustlatz; ein tuch war am hals; zwerg-heftlen an den achseln. 18.
Rig ihnen rath zu ertheilen verstund; hierauf er sich setzt' auf die mittlere bank, und, zu beider seit', die ehleut' des haushalts. 19.
G r o s s m u t t e r drauf nahm einen klumpigen laib, einen schweren und dicken, mit Saatkorn gedrängt; weiter sie auftrug dann m i t t l e r e schusseln; brüh' war im napf, den setzt sie a u f s brett; gesott'nes kalbfleisch war der leckerbis'sen bester.
IV. Uebersetzung.
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20. Rig ihnen rath zu ertheilen verstund; er erhob sich vom tisch, zum schlafen sich rüstete; weiter er sich legt' aufs mittlere bett, und, zu beider seit', die ehleut' des haushalts. 21.
Da blieb er hierauf drei nächte zusammt; weiter gieng er hierauf die m i t t l e r e strass'; weiter vergiengen neun monden hierauf. 22.
Grrossmutter ein kindgebar; sie begossen's mit wasnannten es K a r l ; die ehfrau in lein wickelt' [ser, denrothhä'rgen, rothfarb'nen; ihm blitzten die äugen. 23.
Zu wachsen er begann, und wohl zu gedeihen; er begann rinder zu zähmen, pflüge zu fertigen, häuser zu zimmern, Scheunen aufzuschlagen, hängwagen zu fertigen, und den pflüg zu treiben. 24.
Da fuhr man in's haus die schlüsselbehang'ne, mit der geisenfelljacke; man übergab sie dem K a r l ; S c h n u r heisset dieselbe; sie setzt sich unters leintuch; als ehleut' sie wohnten; sie ringe austauschten; sie bettlacken breiteten, ein hauswesen machten.
78
Rigs Spräche.
25. Sie beiwohnten und liebten sich, sie zeugten kinder, die hiessen A c h t b a r , S c h ä r l e r , H a l t e r , D e g e n , W e r k e r , B r e i t l i n g , und B a u e n d , B a n d b ä r t i g e r , Bauer, u n d F u r c h n e r , B a c k e n b a r t , undFreibot'. 26.
Die andern aber hiessen mit verschied'nen namen: Putzig, Bräutlich, Schwanig, Trotzig, Sprühe, H a s t i g , S p r u d e l , W e i f e , R a s c h e , und A u f r e i z . Davon sind entstammt der Karle geschlechtcr. 27. Rig von da weggieng die g e r a d e strasse; zum säl er kam dess thür gen sud war gekehrt, zugelehnt die hürd; ein ring war am gang-thor. 28. Drauf hinein er gieng; der gang war bestreut; die e h l e u t ' da sassen, V a t e r und M u t t e r ; in die äugen sie sich sah'n, dass die finger erbebten. 29. Der hausherr da sass, und stränge drehte, besehnte den bogen, pfeile beschaftetc; die hausfrau aber die archen bedachte, strich glatt das linnen, die ärmel stärkte.
IV. Uebersetzung.
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30. Den falt sie aufthürmte; am busen war ein schaustück; die schleppen waren lang, das hembd blau getupft; die brauen waren leuchtender, heller die brüst, und weisser der hals, als reiner mehl-schnee. 31. Rig ihnen rath zu ertheilen verstund; hierauf er sich setzt' auf die mittlere bank, und, zu beider seit', die ehleut des haushalts. 32. M u t t e r da nam ein gebildetes tuch, von linnen weiss, und bedeckte den tisch ; hierauf sie da nam dünnliche laibe, weisse, von weizen, und belegte das tuch. 33. Hierauf sie herbeitrug ganz volle schüsseln, mit silber gerandet; sie setzt' auf den tisch fladen und schweinenes, und gebratene vögel; in der kanne war wein; die kelch' waren berandet; sie tranken und schwatzten, bis der tag war im anzug. 34. Rig ihnen rath zu ertheilen verstund; er erhob sich hierauf, bereitet' das lager; da blieb er, hierauf, drei nachte zusammt. Hierauf gieng er weiter die m i t t l e r e strass'; weiter vergiengen neun monden hierauf.
«o
Rige Sprüche.
35. M u t t e r ein knäblein gebar; in seid' sie es wickelt'; man begoss es mit wasser, Hess J a r l es heissen; sein haar war blass, die wangen glänzend, blitzend die äugen, wie die eines schlängleins. 36. Hierauf Jarl aufwuchs auf den hausfluren; er lernte schild führen, stränge schnüren, bogen spannen, pfeile Schäften, Speere werfen, die franke schütteln, pferde antreiben, hund' anhetzen, Schwerter schwingen, sich im schwimmen hervorthun. 37. Aus gebüsch kam Rig daher gegangen ; Rig, angekommen, ihn lehrte die runcn, [soll haben; ihm gab seinen namen, den, sagt' er, der söhn auch er fordert ihn auf sich stamm land anzueignen, stamm-land, und alte familien-wohnsitze. 38. Hierauf dieser aus-ritt zum dunkeln wald, durch frostig gebirg, bis zur hall' er k a m ; er begann scliaft zu schwingen, schild zu schütteln, ross zu sprengen, sclnverdt zu ziehen; er begann kämpf zu weckcn; er begann feld zu röthen; er begann wähl zu fällen; er erkämpfte sich lande.
IV. Uebersetzung.
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39. E r allein, hierauf, waltet' über achtzehn Wohnsitze; er begann stamm-gut zu vertheilen, alle zu beschenken mit kleinoden, schwerdtern, schlank-rippigen mähren; er mit ringen herumwarf, und bauge zertheilte. 40. Auf feuchter strass' fuhren erlauchte gesandte zur hall sie kamen, wo der bezirksherr wohnte; ein fräulein er hatte, die schmal gegürtet, vor allen weisshäutig, und k l u g ; man Erna sie nannte. 41. Sie baten um sie; sie führten sie heim, dem Jarl sie verlobten; unter's leintuch sie t r a t ; beid' wohnten zusammen, und gefielen einander; die geschlechter sie mehrten, und genossen des alters. 42. Der ält'ste war G r e b o r n e r , G e b o r n e s der zweite, H a u s s p r o s s , und E c h t e r , E r b e , und M a n n b a r , A b k o m m ' , A b k ö m m l i n g , S o h n , und K l e i n k n a b ' , (sie lernten Wettspielen im schwimmen und schiessen), S i p p s c h a f t e r hiess einer, A d l i g der jüngste war. 43. Aufwuchsen daselbst die dem Jarl gebornen; sie rosse zähmten, schilde beriemten, geschosse schabten, lanzen schüttelten; aber A d l i g , der jüngste, verstund sich auf rfinen, auf dauer-rünen und auf alter-runen. ü
82
K g 8 Sprüche. 44.
Ferner, verstund er männer zu bergen, schneiden zu stumpfen, meer zu besänft'gen, zu deuten vogelsprach', feuer zu stillen, zorn einzuschläfern, kummer beizulegen, männer zu eifer und kraft anzuspornen. 45.
Mit R i g dem J a r l er in rünen sich mass, mit kniffen ihm zusetzt', und sie besser verstund; da stieg er im anselin, und erlangt', als ihm eigen, zu heissen der Rig, der r ü n e n k u n d ' g e . 46.
Durch gebüsch und durch wald rittA d Ii g der jüngste, er bolzen Hess fliegen, vögel aufschreckte ; da sprach diess die Kräh', die einsam aufm ast sSss : 47.
„Was sollst du, junger Edler, vögel aufschrecken? „besser dir ziemte, schlachtrosse zu reiten, „schwerdter zu schwingen, und heere zu fällen! 48.
„DerDän' und derHalbdän' prächt'ge hallen besitzen, „erbgüter bessere, als ihr sie habt; „sie wohl es verstunden, kiele zu reiten, „schwerdtschneide zu prüfen, wunden zu reissen".
Y. ERKLÄRUNGEN ZUR ÜBERSETZUNG. Ueber die bedeutung der titel R i g s
Sprüche
und R i g s R e d e , so wie über die authentie der prosaischen Einleitung, s. oben s. 23 und s. 25. Strophe 1. 1. Der dichter, in dem er sagt dass, schon in alten zeiten, man f r ü h erzählte von den ausfahrten des R i g , will damit anzeigen, dass er sich auch die ausfahrt, von der nun die rede ist, als schon im h o h e n alterthum stattgefunden habend, denkt. 2. In alten zeiten, wo, bei g e b a h n t e n
strässen,
man sich auf das notwendigste beschränkte, gab es, imwald und in der ebene, nur zwei bahnen oder Strassen, welche man d u r c h b r ü c h e
(brautir) nannte,
weil sie durch wald und fels mussten durchgebrochen werden. Die eine strässe gieng, wie die sonne, von ost nach west, und hiess desshalb die r e c h t e oder g e r a d e strässe;
die andere hiess
die
mittlere
strässe, weil sie, rechtwinkelig, die gerade strässe, von nord nacli sud, durchschnitt, und deswegen in der m i t t e zwischen ost und west lag. 3. Die strässe auf der der gott Rig voranschreitet, wird hier als g r ü n bezeichnet, um anzudeuten, dass
84
Riga Sprüche,
die ausfahrt und reise des gottes in der schönen jahreszeit, zu anfang des frühlings oder im sommer, stattfand, wo die wald- und ebenen-wege noch grün bewachsen sind. Diese bezeichnung ist auch ein beweis , dass der dichter sich die fahrt ala durch das b i n n e n l a n d gehend denkt, und nicht, wie die prosaische cinlcitung aussagt, längs der sandigen und morastigen m e e r e s k ü s t e . 4. Rtg heisst der k r ä f t i g e , weil er der söhn von neun kräftigen Jotnenjungfirauen war, der a l t e , weil er im anfang der weit f r ü h geboren wurde, der k u n d i g e , weil, ausser dem jotnischen mutterwitz, er auch, als l i c h t g o t t , die einsieht des alfengeschlechts besass, und, als himmelswächter alles überwachend und scharf beobachtend, von allen ereignissen der weit künde hatte, der s t a r k e und r a s c h e , weil er, obgleich früh geboren, damals im anfang der weit zu den noch jungen, starken, und raschcn Ansen zählte. 5. R t g wird dargestellt als ein wandernder f u s s g ä n g e r . Götter erscheinen bei den menschen entweder, wie öfters Odin, als u n b e k a n n t e wanderer, oder, bei festlichem einzug, in verdeckten nomadenwagen, wie die göttin Nerthus. Solche festliche besuche geschahen um das land zu segnen, und sie wurden deswegen später nachgeahmt von den könig e n , die das land r e i t e n d , von ost nach west und von sud nach nord , durchzogen (s. oben s. 15). Die fahrt des Rig geschieht aber hier nicht zu wagen oder zu ross, sondern der gott geht als einfacher
V. Erklärungen zur Uebereetzung.
85
Wanderer zu fuss, und erhielt deswegen den epithetischen namen Rig der f u s s g ä n g e r ; vgl. G ö n g u H r o l f (Gang Rudolf). Strophe 2. 1. Nach dem Rig, vom himmel herabgestiegen, während des morgens, die haupt-oder r e c h t e strässe gewandelt war, kam er, nach mittag, an einen kreuzweg (skyth. v e g - s a m a , weg-Zusammenkunft), wo die r e c h t e strässe durch eine m i t t e l s t r ä s s e durchschnitten war. Solche kreuzwege befanden sich auch in den dörfern. Häuser baute man nicht a n die strässe, sondern blos die einzäunungen der höfe zogen sich längs der kreuzwege; man zog vor, die Zugänge zu den zerstreut liegenden häusern in die s e i t e n s t r ä s sen zu verlegen. Deswegen , um zu häusern zu gelangen, beugt Rig vom r e c h t e n weg a b , in dieseitenoder mittelsträsse; er beugt in die s ü d l i c h e strässe ein, weil er von osten nach westen zieht, und der Süden ursprünglich zum westen gerechnet wurde, so wie der norden zum osten. Hier in der südlichen seitensträsse, aber n a h e a n derselben (weil kein grosser vorhof da ist), steht das einfache, ärmliche haus von U r - G r o s s v a t e r und U r - G r o s s m u t t e r . 2. U r g r o s s v a t e r und U r g r o s s m u t t e r tragen diese namen blos deswegen, weil sie die ä l t e s t e l e b e n s a r t darstellen oder dieselbe b e w a h r t haben. Sie sind nicht älter als andere, dem lebensalter nach, aber a l t f r ä n k i s c h e r als andere, der lebensweise nach; sie sind zwar vor der zeit e r g r a u t , durch die
86
Riga Sprüche,
mühe und arbeit des ärmlichen lebens, aber nicht so abgelebt, dass nicht Urgrossmütterchen noch
ein
knäblein gebären könnte. 3. E s zeugt, bei unserm dichter, von einem richtigen historischen sinn, dass er die entstehung der sozialen abstufungen, durch einen aufsteigenden klimax ausdrückt, welcher sich in der physischen art, in der bchausung, in der handthierung, in der kleidung, und in der nahrung der sklaven, der freien, und der adlichen, kund gibt. Das haus von
Urgross-
v a t e r ist höchst bescheiden; es ist durch kein gehäge von der strässe getrennt; da es keinen hofraum hat, so hat es auch keine g a r t e n t h ü r e , die zur hausthiire führt. Die hausthüre besteht nicht aus einem hölzernen thürflügel, sondern ist blos eine angelehnte, nicht beschlüssige, geflochtene b ü r d e . Hier ist keine von der wohnstube getrennte küche (eldhus), sondern das feuer brennt auf dem gang, in der mitte der wohnstube. Die eheleute haben ärmliche kleidung. Die hausfrau trägt, statt der haube, eine gefaltete um den köpf geschlagene leinwand, die man f a l t nannte. Da zur zeit des dichters dieser kopfputz schon altfränkisch war, so nennt er den falt der frau den alten falt. Strophe 3. 1. Jeder anständige fremde suchte, gleich beim eintritt ins haus und noch ehe er platz nahm, durch die art seiner begrüssung und dann durch sein geöpräch, sich als einen verständigen mann auszu-
V. Erklärungen zur Uebersetzung.
87
weisen (s. V a f t h r u d n i s m . str. 9). R i g beweist, bei seiner ankunft bei U r g r o s s v a t e r , dass er im stände ist trefflichen und höhern rath zu ertheilen. 2. D a in dem ärmlichen haus nur e i n e bank vorhanden , so setzt sich Rig auf den mittleren theil derselben, zwischen den hausherrn und die hausfrau, und unterhält sich mit diesen, den nachmittag über, bis zur zeit des abendbrods. Strophe 4. 1. Das abendessen war einfach und höchst mässig. Die hausfrau brachte zuerst einen dicken l a i b (sl. chleb) aus hafermusz, mit abgekochten haferkörnern gepfropft, eine art primitiven pumpernikel;
dann
bringt sie kleinere, nicht einmal zur hälfte gefüllte schüsseln, mit saurer geisenmilch oder flüssigem Ziegenkäse (syr), weil die eheleute keinen viehstand, also auch keine kuhmilch hatten, und weil das hausvieh
im alterthum
zuerst
aus z i e g e n
und
S c h w e i n e n bestand, die noch, wie wildes gethier, in wald und auf der haide sich nährten. 2. Da der ursprüngliche tisch nur aus einem einfachen, auf stützenden stollen ruhenden b r e t t bestand, so trägt er auch vorerst den namen b r e t t (bord). Strophe 5. 6. 1. Während des frugalen mals, benutzt Rig das gespräch dazu den ehleuten rath und gute lehren, die sich auf ihre läge und Verhältnisse bezogen, zu ertheilen, und sich dadurch als einen rathenden und sorgenden g o t t (Ansen) erkennen zu geben.
Auf
88 Rigs Sprüche, diese und die folgenden rathschläge und Unterhaltungen bezieht sich, speziell, der titel des gedichts, Rigs Sprüche. 2. Als g ö t t l i c h e r gast war Rig berechtigt, nach dem abendessen, sich ins ehebett zu legen, und zwar zwischen die beiden ehlichen, ohne wie Siegfried bei Brunhilde gethan, sein schwerdt, als symbolisch und magisch scheidendes, abtrennendes mittel, zwischen sich und U r g r o s s m u t t e r zu legen. Dass im alterthum den g ö t t e r n , wie noch heute, bei manchen naturvölkern, d e n g ä s t e n das recht zuerkannt war, mit stillschweigendem consens des eheherrn, in dessen Privilegium zeitweilig einzutreten, das ist durch indische , griechische , und andere mythologien genugsam erwiesen. Dass dann später fürsten und herrn, selbst geistliche, sich dieses g ö t t l i c h e recht, gegen ihre sklavischen oder ihnen untergebenen eheleute, gleichfalls vindicirten (praelibation, fr. marquette) ist eben nur dann begreiflich wenn man bedenkt, dass der mensch überall das gute oder schlechte beispiel seiner götter stets als h e i l i g für sich in ansprach nimmt (ego homuncio hoc non facerem!). Was in den d r e i nachten, welche Rig im ehebette des Urgrossvater zugebracht hat, vorgefallen, zeigt der dichter mit discretion, aber mit hinlänglicher deutlichkeit, dadurch an, dass er hierauf 1) kurz erzählt wie, nach diesen 3 nächten, n e u n monate erfolgt, und dass er 2) in der erzählung diesen nun folgenden neun monaten dadurch v o r g r e i f t , um unmittelbar gleich das zu erzählen, was dem dichter die h a u p t s a c h e
V. Erklärungen zur Uebersetzung.
89
war, nämlich die niederkunft derUrgrossmutter, oder die geburt des eponymen repräsentanten des sklavenstandes im Nordland. Strophe 7. 1. Um den knaben den U r g r o s s m u t t e r gebar, zu bezeichnen, gebraucht der dichter den speziellen ansdruck h e i m l i n g , um dadurch das kind als ein l e g i t i m e s , im heim und für das heim gebornes, zu kennzeichnen. 2. Auf die legitimität des knaben bezieht sich auch der umstand, dass man ihn mit wasser begoss, was durchaus nicht die symbolische bedeutung einer religiösen t a u f e hatte, sondern blos anzeigte, dass man den knaben, dem putativen vater, nach brauch, g e w a s c h e n vorlegte, und dieser ihn als legitimen h ä u s l i n g o d e r h e i m l i n g anerkannte. Illegitime, oder mönstrose kinder, die man nicht anerkennen wollte, wurden, nach ihrer geburt, nicht einmal gewaschen, sondern ohne waschung sogleich entfernt. 3. Nach der absieht des dichters soll die bezeichnung s c h w a r z k o p f , das heisst schwarzes haar tragend, durchaus nicht eine fremde, untergeordnete, etwa finnische oder keltische abkunft anzeigen, sondern blos ausdrücken, dass der knabe gemeinere, weniger schöne haarfarbe hatte, weil dem goto-germanen das bei ihm seltener vorkommende s c h w a r z e haar für nicht so vornehm und adelich galt, als das hellere r ö t h l i c h e haar.
90
Riga Spruche. 4 . D e r knabe hatte zum putati v-vater den U r g r o s s -
vater,
zum natürlichen vater den gott R i g ,
zur
mutter die Urgroasmutter; er war bestimmt später der Stammvater und eponyme symbolische repräsentant des s k l a v e n - s t a n d e s zu werden. E r erhielt desshalb den namen D r ä l ,
dessen
eigentliche
bedeutung
(s. s. 4 3 ) der dichter so wenig als seine Zeitgenossen kannte, der aber traditionell gebräuchlich war, um einen als einen unfreien oder sklaven zu bezeichnen. Strophe 8. 9. 1. Der dichter will den gottessohn,
den jungen
D r ä l , nicht, von g e b u r t a n , als körperlich häszlicher und gemeiner darstellen, sondern aussagen dass, erst mit den j ä h r e n , durch grobe, gemeine, übermässige arbeit, die hände des knaben schwielig, seine faust plump, seine finger dick,
sein rücken gebeugter,
seine fersen hackig wurden. 2 . Die arbeit des Dräl war eine blos k ö r p e r l i c h e , somit gemeinere; die geistige arbeit, auf die a l l g e m e i n e n interessen der gesellschaft und der kultur gerichtet,
ist billig als eine h ö h e r e , aber darum
nicht allein v e r d i e n s t l i c h e anzusehen. Der arbeiter, der durch seine geburt und stand nun einmal meistens, eher durch's schicksal als mit freier wähl, zu einer körperlichen arbeit hingewiesen ist, hat doch wohl kein recht bei der gesellschaft darüber zu k l a g e n ; es steht ihm frei, wenn er k a n n , eine andere wähl zu treffen, und, wenn er es nicht kann, so steht ihm frei, wenn er will, bei Gott und der natur (die doch
V. Erklärungen zur Uebersetzung.
91
eher als der schwache, klägliche wille, das menschliche schicksal bestimmen) klage zu führen. E r hat nur dann recht die m e n s c h e n anzuklagen, wenn er beweist, dasa er h ö h e r e geistigere arbeit verrichten will und k a n n , dass man ihn von h ö h e r e r arbeit, mit gewalt, a b g e h a l t e n , und ihn, mit gewalt, zu niederer arbeit g e z w u n g e n hat, dass seinarbeitslohn in gar keinem b i l l i g e n vorhältniss zum lohne anderer nicht verdienstvollerer arbeiten stehet, und dass endlich das ü b e r m ä s s i g e gemessen anderer, ohne geleistete körperliche oder geistige produetion, nicht allein ihn gleichfalls verleitet zum arbeitslosen thierischen genuss, sondern ihm auch eine grössere, übermässige arbeit auferlegt; denn durch den übermässigen verbrauch in der gesellschaft, wird der mässige lebensunterhalt für den ärmern nothwendig vertheuert, und der ärmere kann die vertheuerung, nicht wie die reichern, durch grössere ausgaben von ihrem tiberfluss, sondern muss sie, durch grössere persönliche arbeit, bestreiten. 3. Der dichter denkt nicht daran den sklavenstand durch religion zu sauetioniren; er betrachtet ihn als einen natürlich gegebenen, was er auch, unter gewissen bedingungen, in der that ist. Wiewohl der Dräl in den Nordlanden, wie anderswo, von der rohheit und gefühllosigkeit der mehrzahl der herren schweres mag zu dulden gehabt haben, so war er doch, im ganzen, aus verschiedenen gründen , mit seiner läge versöhnt; zuerst weil der mensch sich in das u n a b ä n d e r l i c h e , gewohnheitsmässig, schickt und
92
Riga Sprüche,
fügt, dann weil, in dem einfachem, ärmlicheren gesellschaftszustand, die reichern und mächtigeren ihre genüssc mit e i g n e r arbeit und p e r s ö n l i c h e m opfer bezahlten, und nicht, wie bei den heutigen kulturvölkcrn, ihre gelüste mit der arbeit und der haut der sklavisch untergebenen, sich mühelos erkauften. In jeder läge und jedem verhältniss, besteht für den menschen das ihm so selten und so kärglich zugemessene glück, in der sich beschränkenden z u f r i ed e n h e i t . Glücklicher demnach ist, was man auch sagen mag, eine gesellschaft bei allgemeiner Vermögensbeschränktheit, als bei übermässigem reichthum und bestialischer genusssucht. Eine verthierende afterphilosophie, die das glück und den etwaigen zweck des lebens in den thierischen genuss setzt, führt die gesellschaft, durch kämpf und krieg, am schnellsten zum tod, welcher den kulturvölkern, über kurz oder lang, eben so u n f e h l b a r , wie dem einzelnen individuum, bevorsteht. Strophe 10. 1. Bei den Goto-germanen, wie bei den andern Völkern, war die ehe kein r e l i g i ö s e s Sakrament, sondern ein blosser vertrag zwischen mann und weib, beruhend gegenseitig auf mitgift, auf morgengabe, und auf gemeinschaftlichem vermögens-genuss. Dieservertrag hiess ehe ( a i v a , ewig, gesetz) obgleich er eben so wenig wie alle gesetze und Verträge des einzelnen und der Staaten, e w i g und unverbrüchlich war.
V. Erklärungen zur Uebersetzung.
93
2 . W o , wie bei dem sklavenstand, kein eigentlicher b e s i t z
sich
vorfand,
brauchte auch
kein
vertrag hierüber zwischen mann und frau statt zu h a b e n ; die ehe war eine vertragslose, somit auch, ohne ceremonie und ohne Symbolik, vollzogene. Als der Dräl heirathsfähig war, erschien im hause seiner eitern ein g a n g b o i n i g e s ,
das heisst, wandorndes
mädchen, von fremdem, wahrscheinlich s l a v i s c h e m stamme, wie ihr gesichts-typus, die gegen den mund herabgebeugte nase, anzudeuten scheint; sie nannte sich d i u (doinige, s. s. 45).
Sie setzte sich als gast,
wie d e r g o t t R i g gethan, auf die einzige bank des hauses, zwischen die beiden alten. Als es abend wurde, setzte sich der von der arbeit gekommene haus-sohn D r ä l , zu ihr auf die b a n k , wo sie miteinander bald laut schwatzten, bald heimlich raunten. Als die nacht k a m , theilte, ungenirt, das mädchen das lager des haussohns; sie wohnten sofort zusammen wie eheleute; sie waren n a t ü r l i c h verheirathet, nach art der indischen G a n d h a r v e r - e h e .
Sie bekamen
natür-
l i c h e kinder, söhne und tüchter, und, mit diesen söhnen und tüchtern , war von nun an der sklavenstand gegründet, und pflanzte sich e r b l i c h f o r t . D e r sklavenstand ist also, als der dem
ursprünglichen
natur-zustande am n ä c h s t e n stehende, zuerst, v o r dem freienstande und dem adelstand , gegründet. D a aber der dichter einsieht, dass sklaven, freie, edle, c o r r e l a t i v e Verhältnisse ausdrücken, und also der sklave, als solcher, nicht v o r dem freien, so wenig wie der vater, als solcher, v o r dem söhne besteht, so
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Rigs Sprüche.
nimmt er an, dass der D r ä l nur 4 tage älter ist als der K a r l , und 8 tage älter als der Adeling. Strophe 11. 12. 13. 14. 1. D a die vom dichter den söhnen und töchtern des Dräl gegebenen namen gerade keine, für diese, schmeichelhafte bedeutung haben , so ist wohl anzunehmen , dass er dieselben theilweise den spott- und Spitznamen entlehnte, welche, zu seiner zeit, für die sklaven und Sklavinnen, gebräuchlich waren. Ueber die sprachliche und soziale bedeutung dieser namen, siehe oben, s. 4 6 — 4 8 . Strophe 15. 16. 17. 1. Nachdem der dichter, in seiner erzählung, das resultat des ersten besuchs des R i g ,
vorweg als
hauptsache erzählt hat, kehrt er zur weiteren reisegeschichte des gottes zurück. Dieser hatte, wie schon gesagt, das haus der eitern des Dräl verlassen, und hatte, den Seitenweg verfolgend, haupt-strässe wieder gewonnen.
die gerade oder
E r ging dann diese
hauptsträsse weiter abwärts, bis zu einem zweiten k r e u z w e g , beugte da wiederum südwärts in den mittleren oder seiten-weg ein, und stand, am vierten tag seit seiner abreise aus dem himmel, kurz nach mittag, vor einem scheit-zaun oder palissaden-hof, der zu einer halle oder einem grössern erdgeschosssaal führte. 2. Die zugelehnte thür aus geflochtener hürde befand sich, nicht, wie bei der ersten wohnung, als
V. Erklärungen z u Uebersetzung.
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eingang des hauses, sondern als eingang zum scheitzaune. Das feuer brannte auch hier auf dem gang der halle, aber blos um das erdgeschoss zu erwärmen, nicht um daran zu kochen. Die besitzer der halle waren G r o s s v a t e r und G r o s s m u t t e r ; sie trugen diese namen blos deswegen, weil sie die lebensart darstellten und bewahrten, welche aus der altern lebensweise, die durch U r g r o s s v a t e r und Urgrossmutter dargestellt ist, entstanden, und somit einen grad jünger als jene war. Grossvater und Grossmutter waren nicht vom alter gebrochen, denn beide arbeiteten anh a l t e n d an ihrem geschäft, und Grossmütterchen war noch im frauenalter wo sie ein knäblein gebären konnte. 3. Der dichter bekundet, mit verstand und geschick, durch die von G r o s s v a t e r und G r o s s m u t t e r geleistete arbeiten, bei diesen eheleuten, eine ausgebildetere industrie, und einen höhern culturzustand, als der war den die blos körperlichen arbeiten von U r g r o s s v a t e r und U r g r o s s m u t t e r und ihrer nachkommen darstellten. Die eheleute des grossen erdgeschosses stehen in ihrer äussern haltung und kleidungüber den voreitern von denen d i e D r ä l e stammen; sie sind eben die familie aus der K a r l der Freie hervorgehen soll. Strophe 18. 19. 20. 21. 1. ßig benimmt sich und verfährt, in diesem wohlhäbigeren hause des G r o s s v a t e r , wie in der ärmlicheren wohnung des U r g r o s s v a t e r . Er setzt sich
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Riga Sprüche,
zwischen die eheleute auf die bank die hier nicht, wie in der ersten wohnung, die einzige bank im hause war, sondern als fremden-bank an der langwand des saales stand. Die rathschläge, die er den eheleuten ertheilt, bezogen sich auf die lebensart der freien, und bestätigten oder heiligten ihre sozialen rechtsverliältnisse.
2. In alten zeiten, wie noch jetzt, hatte man nicht verschiedene sorten von brod ; man unterschied blos, wie wir heute sagen, s c h w a r z e s und w e i s s e s brod. Der drälund der f r e i e oder b a u e r assen s c h w a r z e s brot; w e i s s brod kam blos unter die zähne der adel i c h e n . Statt der k l e i n e r e n schusseln, wie im ersten haus, stellt hier G r o s s m u t t e r m i t t l e r e schüsseln auf, welche nicht mit g e i s e n m i l c h , sondern, da man hier viehstand hatte, mit kuhmilch, über die mitte hinaus, gefüllt waren. Der viehstand gibt fleisch; deswegen wird auch fleischbrühe im napf, und gesottenes kalbfleisch aufgetischt. 3. Durch seine reden, besonders während des abendmals, gab Rig sich auch jetzt als einen gott zu erkennen; er nahm sich hierauf, wie bei U r g r o s s v a t e r und Urgrossmutter, mit G r o s s m u t t e r das eherecht heraus, ohne dass der eheherr einspräche dagegen erhob. Dies recht war also nicht ein, blos gegen die schwächern, ärmeren dräle, mit gewalt, angemasstes, sondern ein, auch von freien männern zugestandenes, und für heilig gehaltenes recht. Wir wollen diess dem gläubigen heidnischen G r o s s v a t e r gerne zu gute halten, da wir ja wissen, dass auch im christ-
V. Erklärungen zur Uebersetzung.
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liehen mittelalter, und vielleicht noch heutzutage, der freie bauer und bürgersmann sich bisweilen geehrt fühlen, wenn ein gnädiger, vornehmer herr ihre frau gar liebenswürdig findet. Strophe 22. 23. 24. 25. 26. 1. Der söhn, den G r o s s m a m a gebirt, hiess Karl, welcher name ursprünglich k r i e g e r (s. G r a u b a r t s l i e d , s. 80) bedeutete, später aber allgemeiner den kräftigen, tüchtigen mann bezeichnete. Der junge hat, statt des unliebsamen schwarzen haars, das beliebtere röthliehe. Als echter bauernsohn macht sich der junge K a r l bald an alle geschäfte die ein industriöser bauer noch heut zu tage versteht, und die sich auf viehstand und landwirthschaft beziehen. 2. Als K a r l heirathsfähig und heirathslustig ist, sorgen seine eitern und andere geschäftige leut' dafür, ihm eine hausfrau zu verschaffen. Als wolilhäbiger bauersohn bekommt er bald seine würdige ehehälfte. Seine künftige braut kommt aber zu ihm nicht so, wie die D i r n , als wandernde botin, zu fuss zum D r ä l gekommen war; sie kommt im wagen angefahren, bei dem gehöft. Da sie im elterlichen haus als wohlhäbige bäuerin ihre kisten und kästen zu verschliessen hatte, so trägt sie am gürtel den schlüsselbund. Sie hat als reisekleid einen Überwurf aus zartem ziegenfeil. Sie wird von ihren eitern oder deren repräsentanten förmlich und ceremoniell durch die mitgift als ehefrau anverlobt, und von den eitern des Karl als dessen hausfrau angenommen. Mannimmt, 7
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Eîgg Sprüche,
hierauf bei der Vermählung, die noch heute in vielen herrenländern gebräuchliche ceremonie vor, nämlich über sie ein leinlaken (fr. poêle) zu halten, um so symbolisch auszudrücken, dass sie, von nun an, unter eine decke kommen sollen. Die richtigen eheleut', K a r l und S c h n u r , werden vom gott Freyr und der göttin Freyia reichlich mit kindern gesegnet, mit zwölf knaben und zehn mägdelein. Die namen dieser zahlreichen kinder drücken symbolisch ihren bäuerlichen karakter, ihre lebensweise, und ihre beschäftigungaus, und einige darunter sind nicht ganz ohne ironie, spott und bosheit, gewählt. Der bauerstand wird viel bespöttelt; doch ist er, wenigstens imNorden, der f r e i e stand aus dem sich später einerseits der handwerks- und kaufmannsstand, andererseits der adel herausspezialisirt haben. Die söhne und töchter des K a r l stellen symbolisch die klasse der Freien, im gegensatz zu der klasse der Sklaven und 4er der Edlen, dar. Die klasse der f r e i e n ist als solche, nicht n a c h der klasse der sklaven noch vor der klasse der edlen entstanden, aber, ihrer lebensweise nach, ist sie jünger als die der sklaven, und älter als die der edlen. Ihr repräsentant K a r l ist drei tage n a c h Drâl, und drei tage vor J a r l gezeugt. Strophe 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 1. Nach dem der dichter die hauptsache, das résultat des dreinächtigen aufenthaltes des R î g bei Grrossmutter dargelegt, kommt er auf diesen gott zurück, um zu erzählen, wie dieser, nachdem er
V. Erklärungen zur Uebersetzung.
9g
den hof des G r o s s v a t e r verlassen, auf dem mittelweg zum g e r a d e n weg gelangt, und diesen abwärts gegen west verfolgend, bis er einen dritten kreuzweg trifft, dessen Seitenweg er südwärts einschlägt, und hierauf nachmittag zu einem vorhof gelangt, welcher zu einem saale führte, der grösser und schöner ist als die halle die er am morgen verlassen. Der eingang zum vorhof, der zum saal, und im saal, zu dem an der rückseite stehenden hochsitz führt, war gegen s u d , der wärmeren temperatur wegen, gekehrt. Die hürde oder die gatter-thür am eingang zum hof war blos zugelehnt, aber am eingang des saales war ein hölzerner thürflügel, mit einem thürring, als k l o p f e r , versehen. Die besitzer dieser wohnung hiessen V a t e r und M u t t e r , weil sie das ehepaar waren, welches die jüngste lebensart und die jüngste soziale klasse symbolisch darstellte, die aus der klasse der freien, wie diese aus der klasse der sklaven, hervorgegangen war. 2. V a t e r hatte keine zum lebensunterhalf unumgänglich nöthige beschäftigung; da er reich war, befasste er sich, wie zum Zeitvertreib, mit ökonomisch improduetiven dingen, die sich auf jagd und krieg bezogen. Die hausfrau besorgte die aufbewahrung der zeuge im getüch- und kleiderkasten. Sie trug, wie noch heute die Normandinen und Pikardinen, einen hochaufgethürmten, damals für edelfrauen gebräuchlichen kopfwickel, anstatt des neumodischen falt der freien, und des altfränkischen falt der Sklavinnen. Sie trug eine münze, wahrscheinlich einen brakteat als schaustück (medaillon), am busen. Da sie nicht
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Rigs Sprüche,
auszugehen noch zu arbeiten brauchte, trug sie die unbequemen widersinnigen schleppen, womit heutzu tage äffische bürgerdirnen sogar den gassenkoth auffegen. Das äussere der edelfrau war vornehm; ihr haar war nicht hässlich hochroth, sondern nobel hellb l o n d ; und ihre brauen, ihre hautfarbc waren heller als der frischgefallene mehlähnliche schnee. 2. Rig wurde, in dieser edelhalle, ausgezeichneter, als im drälhaus und in dem baurensaal, zu tisch bewirthet. Hier zuerst war der tisch mit einem weissen linnenen, und zwar damascirten oder gebildeten, tischtuch bedeckt. Das brod war nicht schwarz, klebrig, klumpig, und körnig, wie grober pumpernickel und' soldatenbrod, sondern in dünnen laiben von weissem waitzenmehl. Die schusseln waren nicht blos halbgefüllt, sondern voll bis zum rand. Die Edelfrau trug auf: 1) fladen mit butter oder honig, 2) schweinenes oder schinken; und da der edelmann volles jagdrecht übte, auch 3) wilde gebratene vögel. Man trank aus schön-geränderten kelchen den wein, wahrscheinlich griechischen oder frankländischen wein, der reichlich aus einer zinnernen kanne ausgeschenkt wurde. Man trank mehr und länger als gewöhnlich, und unterhielt sich bis zu mitternacht, wo, in jener jahreszeit, der tag schon im osten zu bleichen anfing. Obgleich es der dichter aus discretion nicht geradezu ausplaudert, so wissen wir es doch, dass der gott Rig sich mit der edelfrau M u t t e r , im ehebett, gerade so benahm wie mit G r o s s m a m a und U r g r o s s mama. Wäre sein anrecht nicht ein ganz probates
V. Erklärungen zur Uebersetzung.
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gewesen, so hätte der edelmann dagegen protestirt, und weil er die macht dazu gehabt, es abgeschafft. Denn missbräuche bestehen, in der geschichte, nur gegen die schwachen; der starke macht ihnen baldmöglichst den garaus. Abstellung von missbräuchen, durch die adeligen, zu gunsten ihrer töchter bewirkt, sind später dem ganzen schönen geschlechte aller stände zu gute gekommen. Deswegen, möchte man fast glauben, dass die frauen darum stets, mehr als die männer, tendenz und verlangen besitzen, Vornehmheit, reichthum, und macht zu erheirathen, weil sie instinktmässig fühlen, dass ihre rechte besser erlangt und gewahrt werden durch die m a c h t des eheherrn, als durch dessen innige liebe, moralität, und geistesreichthum. Strophe 35. 36. 37. 38. 39. M u t t e r , die edelfrau, gebar einen edelknaben, der den vorbedeutungsvollen namen J a r l (s. s. 62.) erhielt, weil er zur h e r r s c h a f t , unter dem ftirstentitel J a r l , gelangen sollte. E r wuchs auf am väterlichen hof, und lernte, als edler, keine andere handthierung als das was sich auf j a g d , krieg, schiessen , reiten, und schwimmen bezog. E r sollte aber noch eine höhere belehrung erhalten ; der gott Rig nahm sich seiner persönlich an. Als der knabe erwachsen war, kam der gott, zum zweiten mal, als fahrender gast, an den hof des V a t e r , und lehrte dem jungen Jarl die geheimnisse der r u n e n . Als seinem besondern gtinstling gab er ihm seinen eigenen göttlichen namen
.(02
Rigs Sprüche.
R ! g ; indem er sich blos den beinamen F u s s g ä n g e r (gangandi) vorbehielt; er v e r k ü n d i g t e ihm sogar dass auch sein k ü n f t i g e r söhn später den n a m e n R i g führen solle, wodurch d e r , obgleich seltene, gebrauch eingeführt und sanctionnirt wurde, dass fürsten, von göttlichem geschlecht, sich auch nach dem namen ihres göttlichen Stammvaters nannten. D e r gott llig leitete den Jarl-Rig zur herrschaft und regierung an. Z u r herrschaft gelangte man aber durch grössere macht, zu grösserer macht durch grösseren familienbesitz, lind zu grösserem besitz durch kämpf und krieg. Deswegen gibt Rig dem J a r l den rath, seinen erbbesitz, im k r i e g , durch aneignung anderer adelsgüter, zu vergrössern. Diesen rath befolgend erwarb sich Jarl-Rig, durch e r o b e r u n g , 9 adelshöfe, so dass e r , mit den 9 die er geerbt, 18 adelsgüter besäss. 2. Zu macht u n d herrschaft gelangt, benimmt sich nun J a r l - R i g wie ein f ü r s t ; er vertheilt ländereien an lehnsmänner, macht j e d e r m a n n , edlen und freien, reiche geschenke, wirft verschwenderisch um sich mit geld und gut. E r sinnt darauf seine macht und herrschaft in seiner familie fortzuvererben; er will eine dynasten-familie g r ü n d e n . Strophe 40. 41. 42. 1. Jarl-Rig erhielt k ü n d e d a v o n , dass in fernem Nordland, wohin man n u r auf feuchten moorwegen gelangen k a n n , ein bezirksherr (hersir) wohne, der eine schöne tochter h a t t e , die vornehm weisshäutiger, und einsichtsvoller, als ihre schwestern oder als
V. Erklärungen zur Uebersetzung.
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andere edelfräulein, war. Diese, welche den schönen namen S o n n i g e (Ermuna, Erna) trug, liess er durch abgesandte, welche erlauchte edelinge waren, für sich zur gemalin begehren. Die abgesandten brachten Erna zu wagen an den hof des Jarl-Rig, verlobten sie demselben, und feierten die vermälung mit den gebräuchlichen cercmonien und festen. 2. Rig-Jarl und seine gemalin E r n a , des Hersen tochter, bekamen 12 söhne, aber k e i n e töchter, was anzeigen soll, dass der adel der fürstenfamilien nur in der männlichen schwerdt-linie, nicht in der weiblichen spindel-linie, besteht, geltung hat, und sich fortzuerben braucht. Die fürstenfamilien erhoben sich über den adel, unter anderm dadurch, dass sie sich für e d l e r als die übrigen adeligen ausgaben. Adel (angezeugtes) schrieb man ursprünglich und besonders bei den Gotogermanen, dem edlen samen des vaters, nicht dem blute der mutter zu; das kind ist edel durch den vater, nicht durch die mutter, und der edele und fürst kann, ohne zu derogiren, durch heirath, sogar die unadelige adelig machen. Weil der adel sich auf die vom v a t e r angezeugte vortrefflichkeit bezog, so brauchte Rig-Jarl, um seinen fürsten-adel fortzupflanzen und zu vererben, nur adelsöhne, keine adeltöchter; und diese seine 12 söhne trugen alle solche namen welche sich auf die m ä n n l i c h e abstammung, erbschaft, und qualität beziehen. Der jüngste dieser söhne, der, wie es öfters in der sage vorkommt, der liebling des vaters und der begabteste unter den briidern ist (vgl. heb. Benjamin), bezeichnet am deut-
Wt
Rigs Sprüche.
liebsten durch seinen namen K o n r (adelig) den staminadel der fiirstenfamilie des Rig-Jarl. Nach der absieht des dichters sollen diese 12 söhne die Stammväter der adelfamilien symbolisch darstellen, und da sie die enkel des gottes R i g sind, so hat damit der dichter nun faktisch dargethan dass die edelleute, als sozialer stand, ganz d e n s e l b e n ursprung haben als die freien und als die sklaven. Der dichter hat ausserdem noch gezeigt, wie die f i i r s t e n aus dem adelstand hervorgegangen sind, und wodurch sie sich über ihn gestellt haben. Strophe 43. 44. 45. 46. 47. 28. 1. Der dichter ist f ü r das adelige fürstenthum, so wie es sich im Norden aus der patriarchalischen Oligarchie heraus entwickelt hat, und wie er es durch den gott R i g anrathen liess; er ist aber g e g e n das permanent kriegerische königthum, so wie es sich später bei den landkönigen und seekönigen ausgebildet, und einerseits in das Vikingerthum umschlug, andererseits in absolute monarchie sich zu verkehren drohte. Diese seine m i s s b i l l i g e n d e ansieht, die auch der Verfasser des H y n d l a l i e d s ausgedrückt hat, legt er im letzten theil seines gedichts folgendermaassen dar. 2. Die 12 söhne des Jarl-Rig hatten alle die kriegerische natur ihres vaters; der jüngste übertraf noch seinen vater in der kenntniss der runen, die dieser vom gott Rig gelernt hatte. A d e l i g (Konr) erlernte : l ) d a u e r - r u n e n (magische mittel um alles was er
V . Erklärungen zur Uebersetzung.
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wollte dauernd und e w i g zu machen), 2) a l t e r - r u n e n (um sein leben ins höchste alter hinaufzuführen), 3) s c h u t z - r u n e n (um seine mannen und giinstlinge vor schaden zu wahren), 4) a b s t u m p f - r u n e n (um die schneiden feindlicher schwerdter stumpf zu machen), 5) s e e - r u n e n (um das ungestüme meer zu stillen), 6) v o g c l s p r a c h - r u n e n (um die spräche, das latein, fr. le patois, le ramage, der vögel zu verstehen), 7) f e u e r - r u n e n
(um ausgebrochenes feuer zu lö-
schen), 8) l e i d e n s c h a f t s - r u n e n (um zorn und neid zu besänftigen), 9) s c h m e r z - r u n e n (um kummer beizulegen), 10) k r a f t - r u n e n (um männern eifer und kraft cinzuflössen). A d e l i g begnügte sich nicht mit der wohlthätigen runenweisheit, welche gott Rig gelehrt ; er erlernte noch die kunstgriffe und kniffe der schädlichen m a g i s c h e n runen, wodurch er seinen vater Jarl-Rig zu überbieten vermochte, dadurch im ansehen stieg, und den, halb ehrenden halb unliebsamen beinahmen R i g der R u n e n k u n d i g e , erhielt, im gegensatz zu seinem vater R i g d e r J a r l , und zu seinem grossvater R i g der F u s s g ä n g e r . 3. D u r c h seine magischen runen erregt, wuchs dem Rig dem Runenkundigen, sein stolz, sein ehrgeiz, und seine habsucht. E r w a r als fürst neuen Versuchungen und Verführungen ausgesetzt. D e r Versucher trat bald an ihn heran in gestalt einer k r ä h e , die, als schwarzer unglücksvogel,
Unglück b e w i r k t , und
liche rathschläge ertheilt.
verderb-
A l s er einst auf der vogel-
j a g d war, tadelte ihn, von einem bäum herunter, eine krähe.
Sie that dies, nicht wie der waldgeist und
-IOC
Kigs Sprüche,
v o g e l k ö n i g (sansc. mrga-radja) in der indischen epik, um ihre unschuldigen unterthanen, die vögel, vor verderben zu verwahren, oder wie die Undine im märchen, um die fischlein auf wohligem gründe zu schützen. Sie tadelt die vogeljagd als unter der würde eines k ö n i g s , und rätli ihm, als k ö n i g , heere in den kämpf zu führen. D a die könige (konungar) diesen ihren titel davon bekamen, dass sie die a b k o m m e n eines a d e l i g e n (kon-ungar) waren, so räth die krähe, vermittelst eines Wortspiels, dem j u n g e n a d e l i g e n (konr ungr) sich als k ö n i g (kon-ungr) zu benehmen. Damals hausten auf der seeküste, zwischen der m ü n d u n g der E l b e und der Oder, mehrere Kleinkönige, von dänischer und halbdänischer a b k u n f t (s. s. 70), welche als Vikinger mit zahlreichen schiffen ausfuhren, und see- und land-räuberei trieben. Die krähe rathet dem jungen R i g sich zum see- und l a n d - k ö n i g e zu machen, u n d , wie d e r D ä n e u n d H a l b d ä n e , das vikingerthum mit dem königthum zu vereinen. D e r dichter lässt e r r a t h e n , d a s s R i g d e r R u n e n k u n d i g e dieser Versuchung und Verführung nicht wohl widerstehen wird. Das gedieht, das nun abgeschlossen und vollständig ist, zeigt also, zum schluss, dass das V i k i n g e r t h u m , welches der dichter zu sehen gelegenheit h a t t e , im Norden immer mehr um sich zu greifen d r o h t , und dass das k ö n i g t h u m , über k u r z oder lang, zur mon a r c h i e übergehen wird, was unter H a r a l d S c h ö n h a a r wirklich erfolgte, was aber der dichter, der es voraussah, schwerlich selbst erlebt haben mag.
DAS HYNDLA-LIED. I. E I N L E I T U N G . 1. Entwurf des gedichts. D a , wie oben gesagt (s. s. 2), das H y n d l a l i e d faktisch zu zeigen bezweckt, dass die patriarchalische Oligarchie und die geburtsadelherrschaft dem k r i e g e r i s c h e n kleinkönigthum zu weichen, schicksalsgemäss, verurtheilt ist, so mag es hier, zur einleitung, am platze sein, die sozial-politische läge, in welcher der gegenständ des gedichtes sich bewegt, und zugleich die frühere und die spätere ansieht der zeit über g e b u r t s a d e l und k ö n i g s w a h l , in der kürze, darzulegen. In den Nordlanden hatte sich aus dem Freienstande der A d e l herausgebildet (s. s. 8). Die Edlen erhoben sich über die Freien, ursprünglich weniger durch gewaltsmittel als durch ihren grösseren reichthum an angeerbtem v ä t e r l i c h e n besitz ( a u d r ; vgl. lat. avit u s ) , und an beweglichem gut ( l a u s a f e , loses gut).
-108 Das Hyndla-Lied. Reichthum gab dem Adel macht, und macht gab ihm die politisch-soziale Überlegenheit, und seine mannigfachen Privilegien. Der mensch hatte zu allen zeiten das bedürfniss, alles von der natur und der geschichte gegebene durch i d e a l e anschauung derartig zu vergeistigen und zu vercdlen, dass er an das natürliche und zufällige, s c h ö n e , wiewohl selten richtige, i d e e n und g e f ü h l e anheftete. Die ganze kulturgeschichte der menschheit besteht aus diesen ideen und gefühlen, ohne welche die geschichte überhaupt eine gar klägliche tragödie, und eine noch weniger erbauliche komödie darstellen würde. Deswegen, obgleich der Adel hauptsächlich durch den materiellen besitz entstand und sich darauf stützte, so suchte man ihn alsbald, sowohl aus politik als aus sesthetischem bedürfniss, g e i s t i g e r zu betrachten, als ein durch b e s s e r e s blut berechtigtes Privilegium. So wurde das blut der Edlen moralisch und sesthetisch zu einem ganz besondern saft, der ihnen eine edlere n a t u r (aöal) und somit eine höhere w ü r d e verlieh. Die Edlen bildeten im Norden eine Oligarchie, welche, trotz aller reibungen und rivalitäten der adelfamilien untereinander, doch lange zeit ihren ursprünglich patriarchalischen karakter beibehielt. Da die Edlen ihre auszeichnung und würde dem grössern besitz, und, wie man glaubte, dem bessern blut verdankten, so brauchten sie anfangs ihre Privilegien durch keine besondern gewaltsmittel und kriegerische thaten zu erwerben und zu bewahren; die adelige Oligarchie war
I. Einleitung.
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ursprünglich und im ganzen genommen eine patriarchalisch-friedliche. Sie stellte sich, religiös, eher unter den schütz der gottheiten des besitzes und der blutverwandtschaft (Freyr und Freyia), als unter den des später immer mehr als kriegsgott verehrten O d i n . Mit der zeit mussten aber die Adeligen sich thätiger auf den krieg legen, theils um sich und ihren besitz gegen angrifFe zu schützen, theils um ihrem abnehmenden besitz wieder aufzuhelfen, oder ihren reichthum habsüchtig zu vergrössern; denn diebsgelüst, raubsucht, und ökonomische Verlegenheit sind bekanntlich in der Weltgeschichte eines der hauptmotive zu dem, ästhetisch und moralisch verschönerten oder idealisirten, k r i e g gewesen. Aus dem oligarchischen, theils friedlichen theils kriegerischen, adel traten zuerst die f ü r st en (Hersar, Jarlar), und dann alle die unruhigeren habsüchtigeren unter den k l e i n k ö n i g e n (konungar) heraus, und suchten sich hervor zu thun. Mehrere Edelinge gelangten auch durch offene gewaltthat zur herrschaft; die meisten wurden aber durch w a h 1 von den g u t e n männern (fr. bons hommes) auf den sc-hild erhoben.
Bei
dieser unter den Edlen des landes vorgenommenen königswahl wurde besonders, als grösserer berechtigungsanspruch, das b e s s e r e blut und die e r l a u c h t e n Verwandtschaften in anschlag gebracht, und in betracht gezogen. Unter den durch w ä h l zu königen bezeichneten Edelingen durften die einen ihre herrschaft auf ihre nachkommen v e r e r b e n , die andern behielten dieselbe nur lebenslänglich; und nach ihrem tode
110
Das Hyndla-Lied.
mussten sich ihre nachkommen, gleich den andern competitoren, der W a h l b e s p r e c h u n g (mal) und der effektiven wähl unterwerfen. Wenn anfangs, bei der königswahl, besonders das blut und die Verwandtschaft berücksichtigt wurde, so trat später eine Umänderung in der anschauung des königthums derart ein, dass competitoren, die sich durch k r i e g e r i s c h e talente (welche man ursprünglich nur von h e e r f ü h r e r n begehrte) auszeichneten, denjenigen, als zu wählende k ö n i g e , vorgezogen wurden, welche blos hohen adel und glänzende sippschaft aufzuweisen hatten. Ohngefähr seit dem 8. jahrhundert trat diese Umänderung in der sozialpolitischen anschauung des königthums immer entschiedener zu tage. Der dichter des H y n d l a l i e d s lebte in einer zeit, wo der gegensatz zwischen der alten ansieht und der neuen praxis bestimmter gefühlt wurde. Da dieser dichter, wie der im gedichf herrschende ton beweist, bei diesen sozial-politischen fragen keineswegs p e r s ö n l i c h betheiligt war, so konnte er dieselbe kaltblütiger und vorurteilsfreier beurtheilen. Im gründe aber war er der ansieht, dass, dem prineip nach, das patriarchalische herrscher- und königthum, als dem wohle des Volkes zuträglicher, bei der königswahl den Vorzug verdiene. Dabei sah er aber ein, dass die Zeitumstände derartig sich gestaltet hatten, dass das friedliche königthum dem kriegerischen, und dieses der sich vorbereitenden m o n a r c h i e , über kurz oder lang , zu w e i c h e n durch's schicksal bestimmt seien. Diese sich ändernde Sachlage und eintretende sozial-
I. Einleitung.
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politische revolution sucht nun der dichter ganz objektif und faktisch, an einem h i s t o r i s c h e n beispiel, konkret nachzuweisen, und zu diesem zwecke verfasste er sein gedieht das H y n d l a l i e d . 2. Poetische gestaltung des gedichts. Sozial-politische fragen, wie die welche das H y n d l a l i e d bespricht, wurden im alterthum und im mittelalter mit eben so viel interesse debattirt, aber in and e r e r f o r m , als es heute durch die publicistik, den journalismus, und den Parlamentarismus zu geschehen pflegt, abgehandelt. Da früher die religion und die poesie alle geistigen und sozialen interessen umfassten, so behandelte die religiöse poesie auch politische gegenstände; und da die poetische form litterarisch v o r der prosaform bestand, so war es der d i c h t e r , öfterer als der r e d n e r , der die politischen zeitfragen besprach. Selbst bei den politischen rednern der Israeliten, den sogenannten S p r e c h e r n ( n e b i i m , propheten) herrschte in ihrer eloquenz immer noch die p o e t i s c h e form vor. Die sozial-politischen zeitfragen, wiewohl sie p r a k tischen zweck haben, können immerhin rein t h e o r e t i s c h besprochen werden. Aber dasalterthum und das mittelalter hatten dabei meistens blos einen p r a k t i s c h e n zweck, zumal da der Sprecher oder dichter sich damals mit diesen fragen nur deswegen befasste, weil es drängende zeitfragen waren, bei denen er mehr oder weniger p e r s ö n l i c h betheiligt war, und sich für die eine oder andere partei entscheiden musste.
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Das Hyndla-Lied.
War der dichter nun bei diesen controversen und parteien entweder durch sein persönliches interesse, seine leidenschaft, sein gewissen und seine pflicht, so oder so psychisch gestimmt, so erhielt auch seine rede oder sein gedieht einen besondern ton und eine verschiedene form. Bei grosser freude über erlangten politischen sieg, wurde das gedieht l y r i s c h , wie z. b. in der Ode H a r m o d i o s und A r i s t o g i t o n ; war der politische kämpf noch unentschieden, so galt es fortzukämpfen in der form einer s a t i r e oder i n v e k t i v e, wie z. b. in den provenzalischen s i r v e n t e s (dienstmannsgedichten), wodurch der dichter, als dienstmann, pflichtgemäss nicht blos durch die t h a t , sondern auch durch das w o r t , in ernsten oder satirischen versen, die partei oder sache seines h e r r n zu verfechten gehalten war. Befand sich der dichter unter den besiegten, so rächte er sich am sieger durch f l u c h - s p r ü c h e wie in einigen stellen der hebräischen propheten, oder er vertröstete seine partei auf die zukunft, durch prop h e z e i u n g des Untergangs der sieger, wie zum beispiel in den M e r l i n i s c h e n Weissagungen über könig Arthur und in den prophetien des Calabresen G i o a c h i n o , unter den Hohenstaufen. War der dichter zugleich politiker, philosoph und idealist, so stellte er seiner zeit sein politisch-religiöses ideal in poetischdidaktischer form dar, wie z. b. D a n t e in seiner Com e d i a (s. V i e l g e w a n d t s s p r ü c h e , s. 6), oder wie, bei viel beschränkterem gesichtskreis, gegenständ, und poetischem genie, unser dichter in dem H y n d 1 alied.
I. Einleitung.
3. Der poetisch gefasste historische grund des gedichts. Wir haben oben gesehen, dass unser dichter an einem h i s t o r i s c h e n exempel faktisch zeigen will, dass, in zukunft, der zu wählende könig nicht, wie bisher, durch rücksicht auf dessen blut und Verwandtschaft, sondern in betracht seiner kriegerischen talente, bezeichnet werden wird. Das von ihm vorgeführte historische exempel besteht in der vorzunehmenden königswahl, zwischen den beiden, von einander verschiedentlich begabten compctitoren, A n g a n t y r und O t t a r dem jungen. Dass aber dieses exempel ein reell h i s t o r i s c h e s war, das geht daraus hervor, 1) dass überhaupt die ältere dichtkunst selten den stoff rein erdichtet, sondern vielmehr, den durch die realität gegebenen, blos poetisch umdichtet; 2) aus der bezeichnung saga (historische sage), welche der dichter im gedichte selbst (s. str. 24) für seinen gegenständ gebrauchte; 3) aus dem titel H y n d l u - 1 i o 5 , wo der ausdruck liöö für söguliöS (sagenlied) steht, und demnach aussagt, dass das gedieht ein h i s t o r i sches ist, wiewohl in ihm mythologische personell, wie F r e y i a und H y n d l a , vorkommen. Dieses historische exempel hat der dichter der geschichte seines volks entnommen, weil überhaupt die ältern autoren sich ja nur mit den angelegenheiten i h r e s volks befassten, und fremdes entweder nicht kannten oder nicht beachteten. Diesesaus dernational-geschichte 8
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Das Hyndla-Lied.
als exempel vom dichter gewählte ereigniss, war aber weder ein ihm c o n t e m p o r a n e s , noch ein zu des dichters zeit noch nicht zum abschluss gekommenes: denn wäre es ein ihm contemporanes und zu seiner zeit noch unentschiedenes gewesen, so hätte der dabei betheiligte dichter sich leidenschaftlicher für die eine oder die andere partci ausgesprochen. Diese geschichte war ferner keine aus ganz a l t e r , zeit, sondern eine vor kurzem erst zur entscheidung gekommene, weil sonst der dichter sie nicht als so b e k a n n t hätte voraussetzen, und auch nicht, wäre der ausgang noch unentschieden gewesen, diesen so bestimmt, in form einer p r o p h e z e i u n g , als einen schicksalsausspruch, poetisch, darstellen können. Da alle poesie das recht hat, jeden reellen stoff, nach den bedürfnissen der dichtkunst, mit erdichtetem zu mengen und zu versetzen, so ist auch hier dichtung und historische Wahrheit zusammengestellt. Es wäre unnöthig, die hier vermischten elemente von einander scheiden und genau trennen zu wollen. In(less kann der mit mythisch-epischem versetzte historische Sachverhalt von einem kritischen auge noch unschwer erkannt und ausgesondert werden; diesen kann man in folgendem kurz zusammenfassen. Der friedsame patriarchalische I n n s t e i n , der, wegen seines adels und seiner Verwandtschaft mit den alten edlen geschlechtern, zum kleinkönig erwählt worden war, ohne dass seine nachkommen schon als erben rechtsanspriiehe zur regierungsnachfolge hatten, ist mit tod abgegangen. Eine Vorbesprechung zur kö-
I. Einleitung.
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nigswahl soll von den heermannen, die von den ansehnlichsten freien (frä gööum) des bezirks abstammen, in drei tagen, vorgenommen werden. Der junge O t t a r , der söhn und erbe I n n s t e i n s , will auch zum regierungsnachfolger seines vaters durch wähl erhoben werden, und stützt, nach hergebrachter ansieht, seine bevorzugung dabei, auf seinen angestammten adel, und auf seine Verwandtschaft mit den edelsten geschlechtern der vorzeit. Da die durch die heermannen vorzunehmende wähl gleichsam nur eine irdische Vorwahl oder b e s p r e c h u n g (mal) ist, und durch das schicksal oder den willen der himmlischen götter bestätigt werden muss, so verlässt sich O t t a r auf die Schutzgottheiten der friedlichen familien, a u f F r e y r und hauptsächlich auf F r e y i a , deren verehrerund Schützling er ist. A n g a n t y r , der competitor des Ottar, gehört nicht zu dessen Verwandtschaft; sonst könnte er j a , wie dieser, dieselbe bevorzugung zur wähl beanspruchen ; er gehört einer ganz andern,
wahr-
scheinlich weniger edlen familie an; auch beruft er sich nicht auf seine Verwandtschaft mit den alten adelfamilien; vielmehr stützt er sein anspruchsrecht auf seine befähigung zum krieg, und stellt sich desswegen unter den schütz O d i n s , der mit der zeit immer mehr als kriegsgott angesehen wurde. Da F r e y i a , welche unter anderm die göttin der familienverwandtschaften (sifiar) war, den Vorzug Ihres günstlings O t t a r hauptsächlich in dessen verwandtschaftsadel setzt, so will sie dass, bei der wahlbesprechung, die in drei tagen stattfinden soll, Ottar
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Das Hyndla-Licd.
die glänzenden Verwandtschaften seiner familie vor den heermannen geltend mache; damit er diess aber vollständig könne, so will sie (da sie selbst nicht alle alten Verwandtschaften genau kennt) dass eine vielwissende jotnische weissagefrau, H y n d l a , den O t t a r in diesen genealogien eigends unterrichte. Sie veranstaltet es daher so, dass, drei tage vor der Wahlbesprechung, die H y n d l a , gleichsam zufällig mit O t t a r , in einem der F r e y i a geheiligten tempel, zusammentreffe, und ihm hier seine Verwandtschaften alle einzeln auseinander setze. D a s gedieht erzählt daher, im e r s t e n theil, wie F r e y i a es durcli list dahin bringt, die H y n d l a durch Versprechungen zu bewegen, ihr auf dem wege zum tempel, wohin sie den O t t a r bestellt hat, zu folgen. D a , nach F r e y i a ' s ansieht, der hauptanspruch des O t t a r zur günstigen wähl sich auf die darlegung seiner genealogischen Vorzüge beziehen soll, so besteht auch der zweite theil, als h a u p t t h e i l des gedichtes, in der speziellen auseinandersetzung dieser genealogischen Verhältnisse. H y n d l a gibt h i e r ü b e r , wahrheitsgemäss und gewissenhaft, die gewünschte auskunft. Da aber F r e y i a und O t t a r auch die entfernteren genealogien zu kennen begehren, so ist H y n d l a genöthigt selbst diejenigen Verwandtschaften anzugeben, die u n h e i l b r i n g e n d e Vorbedeutungen erwecken. Aus besorgniss sucht daher F r e y i a , im dritten und letzten theile des gediclits, diese weitere erörterung der Verwandtschaft zu unterbrechen und einzustellen, und begehrt nun dass H y n d l a , zur günstigen Vorbedeutung für den glücklichen ausgang
I. Einleitung.
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der wähl, wie gebräuchlich, auf das wohl des O t t a r trinke, uncl somit, durch magische Wirkung des trinkspruchs, die schicksalsentscheidung, die durch die wähl erfolgen wird, prophezeie und zum voraus bestätige . H y n d 1 a, als weissage weib, weiss aber bestimmt dass, nach dem schicksalsbeschluss, Ottar n i c h t zum kleinkönig auf friedlichem wege erwählt werden wird, sondern dass es zwischen ihm und A n g a n t y r zu einem krieg kommt, in dem der zum kämpf befähigtere gegner zuletzt sieger bleiben wird. Deswegen weigert s i c h H y n d l a , durch magisches zutrinken auf das wohl O t t a r s , diesem, gegen ihr wissen und gewissen, glück zu prophezeien. Vielmehr, ungeachtet der zornreden und drohungen der F r e y ia, und des schweigengebietens derselben, verkündet nun die jotnische völva, nicht ohne eine gewisse Schadenfreude, dass das la.nd durch feuer und schwort gesengt und verheert werden wird, und lässt somit deutlich durchblicken, dass die hohen Verwandtschaften des O t t a r s ihm bei der wähl nichts nützen werden, dass vielmehr A n g a n t y r zum sieg und zum kleinkönigthum, selbst ohne königswahl, schicksalsgemäss, gelangen wird. Somit hat der dichter an dem von ihm gewählten exempel, seinem zwecke zufolge, gezeigt, dass, dem zeitgeiste n a c h , künftighin nicht mehr wie bisher, patriarchalischer sinn und glänzende Verwandtschaften, bei der wähl zum kleinkönigthum , maassgebend sein werden, sondern dass, nach der bestimmung des schicksals, die gewaltthätigen die herrschaft erlangen werden.
Das Hyndla-Lied.
Ii. Verfasser, abfassungszeit, und titel des gedichts. Der Verfasser des H y n d l a l i e d s , wie die fast aller Eddischen gedichte, ist bis jetzt unbekannt, und wird es wahrscheinlich immer bleiben; nur einige historische bezüge auf seine persönlichkeit können aus seinem gedieht deducirt werden. Der dichter niuss in einem lande gelebt haben, wo die sage über O t t a r und A n g a n t y r volksthümlich und bekannt war, und da Ottar und Angantyr vorzüglich n o r w e g i s c h e namen sind, so ist auch mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der dichter in einem distrikt von Norwegen gelebt und gedichtet hat. Der Verfasser kann nicht allzulang nach dem ausgang des kampfes zwischen O t t a r und A n g a n t y r gelebt haben (s. s. 114), und da die krisis, welche das norwegische kleinkönigthum in kriegerische monarchien umzuändern anfieng, in die zeit vor H a r a l d dem Haarschönen fällt, so ist davon abzunehmen, dass der norwegische dichter v o r der durch diesen könig bewirkten politischsozialen revolution gelebt hat (s. s. 106). Der einzige ä c h t e titel des gedichts ist H y n d l a lied, welcher aussagt, nicht dass H y n d l a dieses sagenlied gesungen oder verfasst, sondern dass in diesem historischen lied die mythische Weissagerin H y n d l a die hauptperson ist. Man hat behauptet (s. I n t r o d . ed. Hafniae), dass dies Hyndlalied auch noch den titel: D i e k u r z e V ö l u s p ä (Völuspa hin skamma) trage. Dies beruht aber auf einem irrthum der kritik. Man hat nämlich fragmente aus dem spätem gedieht
I.Einleitung. -H9 D i e k u r z e V ö l u s p ä , welche in das H y n d l a l i e d hinein interpolirt worden sind, als zu diesem liede gehörend angesehen, und demnach den titel K u r z e V ö l u s p ä , welcher allein den interpolirten fragmenten zukommt, auch irrthümlich auf unser gedieht übergetragen und demselben fälschlich angeheftet. 5. Integrität des gedichts. Interpolirte theile aus der kurzen Völuspä. Der uns in der Flateyiarbök überkommene text des H y n d l a l i e d s ist vollständig und integral, das heisst es findet sich in ihm keine lücke noch ausfall, und er enthält alles, was der Verfasser ursprünglich in seinem gedieht, als einem vollständigen , zum ausdruck gebracht hat. Darum ist aber dieser text weder u n v e r s e h r t , noch überall in den lesarten r i c h t i g geblieben. Zuerst durch die m ü n d l i c h e Überlieferung des gedichtes, das man frühe schon missverstund, sind ged ä c h t n i s s f e h l e r in den versen, und t r a n s p o s i t i o nen in den Strophen entstanden, die beide gebessert werden müssen. Dann ist die rhythmische richtigkeit der verse dadurch bisweilen verderbt worden, dass man die älteren sprachformen durch die später gebräuchlichen ersetzte, und somit die endungen mancher Wörter theils abänderte, theils abstreifte. Hauptsächlich hat aber die s c h r i f t l i c h e abfassung und transmission des gedichtes zu interpolirten z u s ä t z e n darin veranlassung gegeben. Bei der mündlichen tradition nämlich sind auslassungen viel häufiger als zusatze; bei der schriftlichen transmission aber sind
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Das Hyndla-Lied.
zusätze in gedichten und büchern eben so häufig wie auslassungen, und zwar sind einschiebel im H y n d a l i e d auf folgende weise entstanden. Ein besitzer einer älteren membrane dieses gedichts glaubte irrthümlich der z w e c k unseres dichters sei gewesen die götterund heroen-genealogien aufzuzählen; da n u n , überdiess, im alterthum und im mittelaltcr, man die wenigen bücher, die man besass, öfters zu collectaneen und als repertorien benutzte, und deshalb öfters an den rand der texte fremdes bcischrieb, so hat auch jener frühere besitzer der membrane des H y n d l a l i e d s , aus dem spätem gedieht V ö l u s p ü h i n s k a m m a , ähnliche götter- und heroen-genealogien in dieselbe hineingeschrieben, welche dann von dem rand in den text geriethen, und auf diese weise in die Fläteyiarbök fälschlich als echt aufgenommen wurden. Da ferner der oder jener besitzereiner membrane, am ende des H y n d l a l i e d s eine vision der G ö t t e r d ä m m e r u n g zu finden glaubte, so schrieb er aus der K u r z e n V ö l u s p ä , ausser den obigen genealogien, auch die Strophen über die Götterdämmerung heraus, und setzte die letzteren zwischen das ende der genealogien und den anfang der prophezeiung im H y n d l a l i e d . Durch diese interpolirten einschiebsei, die man später für ächt hielt, wurde das verständniss unseres gedichtes gestört und vollständig verwirrt. Dass diese fremden einschiebsei nicht zum ursprünglichen text des H y n d l a l i e d s gehört haben können, hätte die textkritik schon längst erkennen und sie, nach der vermuthung Bugge's, bestimmt als unächt, aus folgenden gründen, ansehen sollen:
I. Einleitung.
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1) Das in den einschiebsein gesagte gehört, im allgemeinen, gar nicht zum inhalt des H y n d l a l i e d s , und passt, im einzelnen, gar nicht zur einheit dieses gedichts; 2) in diesen einschiebsein werden dinge vorgetragen, welche H y n d l a unmöglich, als seien sie der F r e y i a und dem O t t a r unbekannt, ihnen vorzutragen sich herbeilassen konnte; 3) in diesen einschiebsein, welche aus dem spätem christlichen gedieht V ö l u s p ä hin s k a m m a entnommen sind, ist die nordische mythologieals etwas v e r g a n g e n e s , nicht mehr bestehendes dargestellt, während ja das H y n d l a l i e d doch offenbar noch ganz iiuf heidnischem boden sich bewegt, und die mythen als noch bestehende und geglaubte darstellt ; 4) in den einschiebsein stehen die zeitwörter in der ersten person p l u r a l i s , wie: s e g i u m , v ö r u m s k , während, in dem H y n d l a l i e d , die correspondirenden zeitwörter stets in der ersten person s i n g u l a r i s stehen, wie f r o m t e l e k , k u n n a e k , v a r S i r a t , etc. 5) bei ausscheidung, dieser der K u r z e n V ö l u s p ä entlehnten interpolationen, aus dem text des H y n d l a l i e d s , geht diesem gedieht, von seinem integralen ganzen, durchaus nichts verloren, während, mit beibehaltung dieser einschiebsei, als seien sie integrirende theile des gedichts, eine sonderbar monströse superfötation darin entsteht, die das gesammtverständniss des H y n d l a l i e d s rein unmöglich gemacht hat. Ich habe daher die fragmente der V ö l u s p ä h i n s k a m m a
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D a s Hyndla-Lied.
als interpolationen aus dem texte des H y n d l a l i e d s wieder ausgeschieden, um sie, abgesondert vom inhalt unseres gedichts, für sich zusammengestellt sprachlich und sachlich zu erklären.
II. T E X T . Hyndlu
lidd.
l. (Freyia kva5 :) „Vaki meyla. nicer I, vaki mín vina, „Zfyndla sjstir!, er i Aelli byr; j,nu er tekr rokkva, n5a vit skulum „til Falhallar, ok til vess heilags; 2.
„biSium l/eriafo3ur i /¿wgum sitia ; „hann ^¿ldir ok gcir gu\\ verSugum; „gaf hann Hermoói /«¿aim ok bryniu, „enn Sigmundi sveri at J>iggia; 3. „gefr hann sigur sonum, en sumum aura, „»kelsku morgum, ok manvit firum; „byrl gefr ¿rognum, enn brag skaldum; „gefr hann wann-semi wiorgum rekki. 4.
„Jjor mun Hon Wota; }>ess mun Hon biiia, „at hann « vi5 Jiik emharSt láti, „l>o er honum ótíSt vi5 Jotuns bru5ir.
Das Hyndla-Lied.
J24
O. „Nu taktu u\f J)inu c/nn af stalli ! „làttu hann renna meò runa, mìnum! — (Hyndla kvaò rìòandi :) „Seinn er g'óItr {jìnn Goò-veg troòa ! n
(Freyia kvaò rìòandi :) Vii ek mar le minn meetann hleòa ! 6.
(Hyndla kvaò rìòandi :) ,,FUI ertu, Frcyia. !, er J)fl /Ve/star min ; „mar joù augura a oss Jjannig „er J)u hefir ver J)ìnn 1 wa5an (Edlinga, Jjaòan Fylfinga, „jDaòari holò borit, JiaÒan hers borit, „manna vai mest und MiògarSi. 17. „Var //¿ldigunn /iennar mo5ir „Svdvu. borin ok &ekonungi ; „allt er J)at ORtt Jjìn Ottar heimski ! — „varòi at viti svà ! — vii tu enn lengra ? 18. „Dagr atti Jjoru Drengia moSur; „ólusk ì (Stt Jjar (Bitstir kappar „.FràòvaÈLT, ok GryrSr, ok i^rekar baòir, „ J.mr, ok Jòsurmar, .Alfr inn gamli.
II. Text.
19. „JEctill hèt vinr Aappa Klype, arfjjegi ; „var hann twoSur-faóir wwSur Ninnar ; „J»r var Fròbì ; fyrrì enn Kàri ; j,hinn eZdri var Alir um-getinn. 20. „.Nanna var ÌKBst })ar i^óckva dottir ; „var mogr hennar màgr Jjins foóur; nfyrnb er su msegS ; fram tel-ek lengra 21. „Jsolfr, ok ylsolfr ; vara ÒlnióSs synir „ok /Sfcwrhildar S&ekils dòttur; „stai J)ar telia statua merkra : „CrMnnarr inn balkr, ok Grimr aróskafi, „¿arnskioldr jjorir, ZTlfr gìnandi, 22. ,Stii, ok Granii, Barri, ok Reifnir, T/ndr, ok Ti/rfingr, tveir Haddingiar, , ok Orni 5 vara bornir ^rngrims synir ok Eyfuru, 23. òrokun .Berserkia bòls margskoaar , ¿and um ok lug sem logi fseri ; — alt er J>at eett J>in, Ottar heimski ! varÓi at viti svà ! — viltu enn lengra ?
Das Hvndla-Lied.
12$
24. „ K u n n a ck bàÒa
Urodd o k Hcirvi ;
„halir Jicir ì hirò
Hro\h ins gamia,
„rtZlir bornir
fra /¿¡rmunreki
„ S i g u r ò a r màgi — lilyò-Jaù sogu mirini — „ / b l k u m grimms
JJCSS
cr F n h ù va • 25.
„ S a v a r visir
fra F ó l s u n g i ,
„ o k v a r Hiór dìs „ e n n /valimi
fra //»-oóungi,
fra ffiblingum ;
„alt er J)at ceti Jjln,
Ottar heimski!
26. „(xwnnarr ok H o g n i „ G u ó r u n it sa ma „eigi v a r Guòormr „jx> v a r hann òruóir „alt er }jat eirra; Giuka
settar;
Reggia Jjeirra ; Ottar heimski ! 27.
„//araldi- M d i t o n n
v a r Ureereki b o r i n n
„sióngvan bauga ;
sonr v a r hann A u 5 a r ;
„ Aitàr diupauòga
Ivars v a r dGttir ;
„enn Jiaóbarór var
JZandvers faóir ;
„Jieir v a r u gumn&r
¿róòum signaòir ;
„alt er J)at « t t J)in,
Ottar heimski !
II. Text.
28. (Freyia kvaö :) „Ber J)u minnis-öl mmum gildi !, „svä hann ¿»11 munì orò at tìna „Jjessa rseöu, à J>ra'5ia morni, „J»ä-er J)eir-^lnganJ)yr rettir rekia! 29. (Hyndla kvaö :) „Hyr se ek brenna, enn hauòr Ioga ! „veröa flestir /iörlausn J)ola ! „her J)ù Ottari bior at hendi „citri blandinn miök illu heilli ! 30. (Freyia kvaÖ:) „Snü Jjü braut hè5an ! snaia, lystir mik „/ter Jjü fätt af mèr friòra kosta ! „hleypr J)ü, eöl-vina! wti ä nättum! „sem meö Aöfrum Heiòrun fari! 31. (Hyndla kvaö :) „Raent er at cebi ! ; cei Jjreyandi slcyrtu. fyrir! nskiotask J)eir fleiri und (Freyia kvaö :) „Hleypr |>ù, eöl-vina ! Mti ä nàttum! „sem meö Aöfrum HeiÒrun fari !
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Das Hyndla-Lied.
32. af JviSiu, n E k sise eldi „sva at J)ü eigi kemst, ofbruS !, hé&an „hleypr J)u, ¿51-vina! «ti á náttum! „sera me5 /¡ófrum Heibmn fari! 33. „OrSheill ?11 Jnn skal engu ra5a ! „Ijottu, britbr Iotuns! bülvi heitir „liann skal r/rekka dyrar veigar! óll gó6 duga! n bi5 ek Ottari
Vidbaetir. Vólu spà hin skamma. Brot. *
1. Vàru eZlifu talSir, _B«ldr er hnè vi5 6ana Jmfu -, jjess lètsk Vali ver ór at hefna ; sÌQ8 JróSur slò hann òrandi bana. 2. Var Haldavs faóir Burs arf-J)egi ; Freyr atti Gcròì ; hon var Gymis dottir Jotna tettar, ok ^.iirboòu ; Jx5 var piassi Jjei'rra fraendi, ,s£ra;