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German Pages 483 [484]
Hartmut Wicke · Respondeat Superior
Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte Herausgegeben von Prof. Dr. Reiner Schulze, Münster, Prof. Dr. Elmar Wadle, Saarbrücken Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, Regensburg
Band 32
Respondeat Superior Haftung für Verrichtungsgehilfen im römischen, römisch-holländischen, englischen und südafrikanischen Recht
Von
Hartmut Wicke
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Wicke, Hartmut: Respondeat Superior : Haftung für Verrichtungsgehilfen im römischen, römisch-holländischen, englischen und südafrikanischen Recht / Hartmut Wicke. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte ; Bd. 32) Zugl.: Regensburg, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10139-1
Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-3365 ISBN 3-428-10139-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1999 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhard Zimmermann LL.D., der die Fertigstellung der Arbeit mit großem Engagement begleitet und mich während meines gesamten Studiums fachlich und persönlich gefördert hat. Die Tätigkeit am Lehrstuhl habe ich als sehr bereichernd empfunden. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Henrich danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens, Herrn Markus Sichert für die gründliche Durchsicht des Manuskripts. Für die Betreuung meiner Forschungsarbeiten in Stellenbosch möchte ich Herrn Prof. Dr. Max Loubser meinen Dank aussprechen. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner der Studienstiftung des Deutschen Volkes für die Gewährung eines Promotionsstipendiums sowie der ZEITStiftung für die Finanzierung meines Studienaufenthalts in Südafrika. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich für die großzügige Bewilligung einer Druckbeihilfe. Meinen Eltern möchte ich für die jahrelange Unterstützung und das andauernde Interesse an meiner Ausbildung nachdrücklich danken. Nicht zuletzt gilt meiner Frau Julia herzlicher Dank für die vielfachen Aufmunterungen. Regensburg, im August 1999
Hartmut Wicke
Inhaltsübersicht § 1 Einführung I. II. III. IV. V.
Rechtspolitischer Hintergrund der Haftung für Verrichtungsgehilfen . Die funktional begrenzte Gehilfenhaftung als europäisches Strukturprinzip Der Exkulpationsbeweis in § 831 BGB als Eigenheit des deutschen Deliktsrechts Der Forschungsrahmen: Renaissance eines europaweiten ius commune Thema und Gang der Untersuchung
23 23 24 25 32 38
§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht - Die antiken Grundlagen 42 I. Noxalhaftung 42 II. Haftung für Hilfspersonen im Rahmen von Sonderverbindungen . . . . 49 III. Prätorische Sondertatbestände 80 IV. Zusammenfassung 106 § 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht Rechtsfortbildung durch Generalisierung I. Bedeutung des römisch-holländischen Rechts in Geschichte und Gegenwart II. Die römisch-holländischen Grundsätze der Haftung für Hilfspersonen III. Zusammenfassung § 4 Haftung für Verrichtungsgehilfen in der englischen Rechtsgeschichte Geburt eines fest etablierten common law Prinzips I. Einführung II. Frühe Zeugnisse der angelsächsischen Periode III. Entstehung des common law IV. Das vielschichtige Bild der Haftung für fremdes Handeln von der Entstehungsphase des common law bis zum Vorabend der industriellen Revolution V. Durchbruch der modernen Lehre VI. Zusammenfassung
110 110 117 152 155 155 157 158
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§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht - Bild einer strikten Haftung für Verrichtungsgehilfen 216 I. Die Sprache des Fallrechts 216 II. Haftung für employees 220
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Inhaltsübersicht
III. IV. V. VI.
Haftung für independent contractors Haftung des principal für torts seines agent Rechtfertigung einer alten Lehre in moderner Zeit Zusammenfassung
§ 6 Vicarious liability (middellike aanspreeklikheid) im südafrikanischen Recht - Begegnung zweier Rechtsfamilien I. Die Bedeutung des südafrikanischen Privatrechts für Europa II. Das Deliktsrecht zwischen common law und civil law III. Von den lokalen Anfängen zum Einheitsrecht: Modifiziertes englisches Recht auf gemeineuropäischer Grundlage IV. Nebenwirkungen der Anglisierung: Rechtsunsicherheiten zwischen vicarious liability und dem Vertragsrecht V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen südafrikanischen Recht VI. Zusammenfassung § 7 Zusammenfassung I. Europa und das ius commune II. Das Prinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung III. Die antiken Grundlagen der modernen Haftungsregelungen IV. Rechtsfortbildung durch Generalisierung im römisch-holländischen Recht V. Haftung für Verrichtungsgehilfen in der Geschichte des common law: Richterliche Rechtsfortbildung auf der Grundlage des ius commune VI. Vicarious liability im modernen englischen Recht VII. Pragmatische Eintracht von civil law und common law in Südafrika VIII. Schluß
270 289 307 316 320 320 321 323 335 348 411 416 416 417 418 423
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Literaturverzeichnis
441
Entscheidungsregister
467
Sachwortverzeichnis
477
Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung I. Rechtspolitischer Hintergrund der Haftung für Verrichtungsgehilfen . II. Die funktional begrenzte Gehilfenhaftung als europäisches Strukturprinzip III. Der Exkulpationsbeweis in § 831 BGB als Eigenheit des deutschen Deliktsrechts 1. Wege zur Umgehung der Entlastungsmöglichkeit 2. Die Reformdiskussion IV. Der Forschungsrahmen: Renaissance eines europaweiten ius commune 1. Nutzen der historisch-komparativen Methode 2. England und das römische Recht 3. Haftung für Verrichtungsgehilfen und modernes Europarecht . . . . V. Thema und Gang der Untersuchung § 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht - Die antiken Grundlagen I. Noxalhaftung 1. Die geschichtliche Entwicklung der Noxalhaftung 2. Noxa caput sequitur 3. Noxale und persönliche Haftung 4. Zusammenfassung II. Haftung für Hilfspersonen im Rahmen von Sonderverbindungen . . . . 1. Dominus sciens 2. Culpa a) Negotium gestum b) Locatio conducilo rei aa) Culpa in eligendo bb) Von der deliktischen Haftung zur „culpa in habendo" . . . cc) Drei Fragen, eine Antwort dd) Kontroverse und Entwicklung c) Mandatum 3. Vertragsklauseln und Vertragsbruch 4. Gehilfenhaftung und custodia a) Locatio conductio operis aa) Diebstahlhaftung des Wäschereibesitzers (fullo) und des Schneiders (sarcinator)
23 23 24 25 27 30 32 36 37 37 38 42 42 43 45 47 49 49 53 54 54 55 56 56 58 60 61 63 64 68 68
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nsverzeichnis
III.
IV.
bb) Sachbeschädigung cc) Säulentransport: Gai. D. 19, 2, 25, 7 dd) Seetransport nach Minturnae b) Commodatum und inspiciendum dare aa) D. 13, 6, 20 bb) D. 19, 5, 20, 2 cc) D. 13, 6, 10, 1 - D . 13, 6, 12, 1 Prätorische Sondertatbestände 1. Nauta, caupo, stabularius a) Actio de recepto aa) Receptum-Haftung und custodia bb) Ratio legis cc) Begriff des receptum b) Actio furti/damni in factum adversus nautas, caupones, stabularios aa) Die pönale Natur der Klagen bb) Culpa als Zurechnung cc) Quasideliktische Haftung c) Zum Nebeneinander von receptum-Haftung und den quasideliktischen Klagen d) Actio exercitoria und actio institoria 2. Effusum vel deiectum a) Sozialer Hintergrund b) Rechtsfolgen der actio de effusis vel deiectis c) Haftung für fremdes Handeln d) Strikte Verantwortlichkeit des Bewohners e) Haftung für fremde Schuld? f) Quasideliktische Haftung g) Positum vel suspensum 3. Haftung der publicani a) Von der statusgebundenen Noxalhaftung zur Verantwortlichkeit für Hilfspersonen b) Der Gedanke der funktionalen Haftungsbegrenzung Zusammenfassung
§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht Rechtsfortbildung durch Generalisierung I. Bedeutung des römisch-holländischen Rechts in Geschichte und Gegenwart 1. Die niederländische Schule 2. Das zweite Leben des römisch-holländischen Rechts am Kap der guten Hoffnung a) Die Zeit der Ostindischen Kompanie b) Die Britische Ära
68 69 71 73 74 74 76 80 81 81 81 83 84 85 86 87 90 91 93 96 96 97 97 98 99 100 100 101 102 104 106 110 110 110 111 111 112
nsverzeichnis
II.
III.
c) Römisch-holländisches Recht bis heute Die römisch-holländischen Grundsätze der Haftung für Hilfspersonen 1. Die römischen Sondertatbestände im holländischen Gewand . . . . a) Nauta, caupo, stabularius aa) Receptum-Haftung und die actiones furti und damni in factum adversus nautas bb) Systematischer Standort cc) Die Quasidelikte im römisch-holländischen Recht dd) Unwiderlegliche Verschuldensvermutung ee) Actiones exercitoria und institoria b) Effusum vel deiectum aa) Bedeutung ungeachtet gewandelter sozialer Umstände in den Niederlanden? bb) Eigen verschulden des habitator? cc) Veränderungen in den Rechtsfolgen dd) Positum vel suspensum c) Haftung der publicani d) Zusammenfassung 2. Niederländische Sonderbestimmungen 3. Die Problematik der Gehilfenhaftung im allgemeinen a) Lohnhaftung b) Keine Haftung des Herrn für Delikte seiner Bediensteten in Abwesenheit eigenen Verschuldens aa) Ulrich Huber bb) Johannes van der Linden c) Unbeschränkte Gehilfenhaftung („in solidum") bei Delikten in Ausführung der Arbeitspflichten aa) Johannes Voet (1) Unwiderlegliche Verschuldens Vermutung (2) Drei Voraussetzungen (3) Entstehung eines neuen Grundsatzes bb) Weitere römisch-holländische Befürworter der Haftung „in solidum" cc) Die Position Pothiers d) Zur Anwendbarkeit des Grundsatzes „communis error facit ius" Zusammenfassung
114 117 119 119 120 121 121 124 125 126 127 127 128 130 131 132 134 136 137 140 140 141 143 143 143 144 144 147 148 150 152
§ 4 Haftung für Verrichtungsgehilfen in der englischen Rechtsgeschichte Geburt eines fest etablierten common law Prinzips 155 I. Einführung 155 II. Frühe Zeugnisse der angelsächsischen Periode 157 III. Entstehung des common law 158
12
nsverzeichnis
IV.
V.
VI.
1. Zu den Reformen Heinrichs II 2. Writs: trespass und case Das vielschichtige Bild der Haftung für fremdes Handeln von der Entstehungsphase des common law bis zum Vorabend der industriellen Revolution 1. Haftung des Herrn für seine Hausangehörigen auf lokaler Ebene . 2. Die Rechtslage nach Bracton: felony und novel disseisin a) Felony: Auslieferungspflicht unter Strafandrohung b) Novel disseisin: Freiwillige Abhilfe oder Klage gegen den dominus 3. Rechtsprechung der königlichen Gerichte seit der Regierungszeit Edwards I.: Befehl oder Kenntnis als Zurechnungsgrund 4. Ausnahmefälle strikter Verantwortlichkeit a) Gesetzliche Haftung bestimmter Beamter b) Haftung für Brandschäden durch Hausangehörige und Gäste . c) Action of assumpsit und common callings d) Lex mercatoria aa) Entstehung eines europäischen Handelsrechts bb) Haftung für Hilfspersonen im Anwendungsbereich der lex mercatoria (1) Verantwortlichkeit des nauta (2) Die Haftung von Kaufleuten für ihre Gehilfen e) Doctor and Student aa) Die zweite Schicht des englischen Rechts: Equity bb) St. Germain und equity cc) Haftung für Hilfspersonen in Doctor and Student Durchbruch der modernen Lehre 1. Die frühen Entscheidungen Lord Holts a) Boson ν. Sandford (1691) b) Turberville ν. Stampe (1698) 2. Verfestigung des Grundgerüsts 3. Blackstone 4. Agency und vicarious liability 5. Herausbildung einer elementaren Unterscheidung: servant und independent contractor 6. Course of employment 7. Trespass oder case? 8. The great principle of social duty 9. Common employment Zusammenfassung
158 160
163 165 166 167 168 169 172 172 173 174 176 176 180 180 182 184 184 186 187 188 190 191 193 196 199 202 203 206 208 209 211 213
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht - Bild einer strikten Haftung für Verrichtungsgehilfen 216 I. Die Sprache des Fallrechts 216
nsverzeichnis
II.
III.
1. Master und servant 2. Employer und employee 3. Pricipal und agent Haftung für employees 1. Die Unterscheidung zwischen employee und independent contractor im allgemeinen a) Contract of service/contract for services b) Der „control test" c) Grenzen des control test: professionelle Angestellte d) Die moderne Auffassung: typologischer Ansatz e) Zwischenergebnis 2. Sonderfälle einer employer-employee relationship a) Der ausgeliehene Gehilfe b) Juristische Personen als Geschäftsherren c) „The Crown" 3. Der funktionale Haftungszusammenhang: in the course of employment a) Die Flut von Entscheidungen b) Die Voraussetzung im allgemeinen c) Wichtige Indizien für den Haftungszusammenhang aa) Weisung oder Erlaubnis des Geschäftsherrn bb) Verbot des Geschäftsherrn cc) Absichten des Gehilfen dd) Zeit und Ort der Arbeit ee) Eigentumsverhältnisse ff) Interessen des Geschäftsherrn gg) Natur der Arbeit hh) Fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten des Gehilfen . . d) Zusammenfassung 4. Employee's tort a) Die rechtliche Grundlage der vicarious liability b) Die Problematik des innerbetrieblichen Schadensausgleichs und die Anrechnung des Mitverschuldens Haftung für independent contractors 1. Haftung des employer bei eigenem Verschulden 2. Begriff der „non-delegable duty" 3. Vertrags- und Gefährdungshaftung 4. Fallgruppen strenger Haftung des employer für das Verhalten eines independent contractor a) Arbeiten auf Straßen und öffentlich zugänglichen Orten; „public nuisance" b) Beeinträchtigung von Nachbargrundstücken; „private nuisance" c) Gefährliche Arbeiten
216 218 219 220 220 220 221 223 228 235 235 235 238 241 243 243 245 248 248 249 250 251 255 256 259 260 264 265 265 268 270 271 272 274 276 276 278 280
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IV.
V.
VI.
d) „Statutory duties" e) Bestehen einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Beziehung aa) Non-delegable duty des Arbeitgebers im Hinblick auf die Sicherheit seiner Arbeitnehmer bb) Haftung von Krankenhäusern gegenüber ihren Patienten . cc) Haftung für minicabs: Rogers v. Night Riders 5. Collateral negligence 6. Zusammenfassung Haftung des principal für torts seines agent 1. Die Problematik im allgemeinen 2. Grundfall I: Haftung für Arglist eines agent im technischen Sinne 3. Erweiterungen a) Haftung für Fahrlässigkeit eines agent im technischen Sinne . b) Haftung für Vermittler c) Haftung für diffamierende Äußerungen 4. Grundfall II: Haftung des Kfz-Halters für den Fahrer a) Historische Entwicklung b) Das moderne Recht c) Ansätze einer Erweiterung 5. Haftung von Partnern 6. Zusammenfassung Rechtfertigung einer alten Lehre in moderner Zeit 1. Respondeat superior und qui facit per alium, facit per se 2. Culpa in eligendo und Beweisfragen 3. Kontrolle und Unfallverhütung 4. Risiko und Vorteil 5. Deep pocket und loss distribution Zusammenfassung
§ 6 Vicarious liability (middellike aanspreeklikheid) im südafrikanischen Recht - Begegnung zweier Rechtsfamilien I. Die Bedeutung des südafrikanischen Privatrechts für Europa II. Das Deliktsrecht zwischen common law und civil law III. Von den lokalen Anfängen zum Einheitsrecht: Modifiziertes englisches Recht auf gemeineuropäischer Grundlage 1. Eigenständig kritische Vorgehens weise: Die Lehre vom common employment im südafrikanischen Privatrecht 2. Die stillprägende Kraft der Sprache und der Entwicklungsvorsprung des englischen Rechts a) Agency-Terminologie b) Der Begriff des independent contractor 3. Das Placet der Appellate Division
281 282 282 284 285 286 287 289 289 293 295 295 295 296 297 298 301 304 305 306 307 308 309 309 310 311 316 320 320 321 323 326 329 330 332 333
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IV.
V.
Nebenwirkungen der Anglisierung: Rechtsunsicherheiten zwischen vicarious liability und dem Vertragsrecht 1. Locatio conductio operarum und locatio conductio operis Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald 2. Das Verhältnis der deliktischen employer-employee relationship zum Dienstvertrag im allgemeinen 3. Kontrolle in Abwesenheit eines Vertrages? Rodrigues and Others v. Alves and Others 4. Bezahlung als Voraussetzung eines Dienstvertrages? Gibbins v. Williams, Muller Wright & Mostert Ingelyf en Andere 5. Independent contractor, conductor operis, mandatary und agent . . Die Grundsätze der vicarious liability im modernen südafrikanischen Recht 1. Haftung für employees a) Abgrenzung zwischen employee und independent contractor . aa) Einführung des „dominant impression test" in das südafrikanische Recht - Smit v. Workmen's Compensation Commissioner bb) Der typologische Ansatz im Rahmen der vicarious liability cc) Der ausgeliehene Gehilfe dd) Master and servant relationship in Abwesenheit eines förmlichen Dienstvertrages ee) Juristische Personen als Geschäftsherren ff) Staatshaftung (1) Keine Haftung bei Ausübung gesetzlicher Pflichten British South African Company v. Crickmore (2) Ausnahme bei Pflicht zu unabhängigem Handeln Union Government (Minister of Justice) v. Thorne . (3) Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze - Minister van Polisie v. Gamble en 'η Ander b) Der funktionale Haftungszusammenhang aa) Weisung, Erlaubnis oder Verbot des Geschäftsherrn bb) Absicht des Gehilfen cc) Zeit und Ort der Arbeit (1) Zeit und Ort bei Abweichung von einer vorgegebenen Wegstrecke - Feldman (Pty) Ltd v. Mall (2) Abweichung in zeitlicher und räumlicher Hinsicht als abstrakter Test - Viljoen v. Smith dd) Eigentum und Interessen des Geschäftsherrn ee) Die Natur der Arbeit und die Frage, ob der Gehilfe vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat ff) Die Schaffung eines Risikos als Test für die Haftung? . . (1) Minister of Police v. Rabie (2) Minister of Law and Order v. Ngobo
335 336 339 341 343 345 348 348 348
349 351 353 356 357 360 361 361 362 364 365 367 368 369 373 374 375 377 379 381
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VI.
c) Die Verwirklichung eines Delikts durch den Gehilfen und das Verhältnis zur Haftung des Geschäftsherrn d) Dogmatische Grundlage der Haftung des Geschäftsherrn . . . . aa) Deliktische Haftung? (1) Verursachung durch positives Handeln (2) Verursachung durch Unterlassen bb) Risikohaftung? (1) Der Ansatz von Scott (2) Kritik cc) Quasideliktische Haftung 2. Haftung für independent contractors a) Rückblick b) Rechtslage seit Langley Fox Building Partnership (Pty) Ltd v. De Valence 3. Vicarious liability für agents a) Haftung für Stellvertreter im technischen Sinne b) Haftung des principal bei Fehlen einer Vertretungsmacht . . . . 4. Haftung des Kfz-Halters a) „A new head of vicarious liability?" b) Die positiven Haftungsvoraussetzungen aa) Erlaubnis des Halters bb) Kontrolle des Halters cc) Das Interesse des Halters dd) Multilateral Motor Vehicle Accidents Fund 5. Haftung von Partnern Zusammenfassung
383 385 386 387 388 389 389 391 393 394 394 396 399 399 402 404 404 406 407 407 409 410 411 411
§ 7 Zusammenfassung I. Europa und das ius commune II. Das Prinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung III. Die antiken Grundlagen der modernen Haftungsregelungen IV. Rechtsfortbildung durch Generalisierung im römisch-holländischen Recht V. Haftung für Verrichtungsgehilfen in der Geschichte des common law: Richterliche Rechtsfortbildung auf der Grundlage des ius commune VI. Vicarious liability im modernen englischen Recht VII. Pragmatische Eintracht von civil law und common law in Südafrika . VIII. Schluß
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Literaturverzeichnis
441
Entscheidungsregister
467
Sachwortverzeichnis
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427 429 433 439
Abkürzungsverzeichnis A a. A. ABGB ABl. EG Abs. AC AcP AD ADHGB A.J.A. ad ed. Ad. & E. Afr. Alf. All ER All ER Rep All SA AmJCompL AmJLH App. Cas. ArchpraktRW B. BAG BB BGB BGH BGHZ B. & Aid. Β. & C. Β. & S. BinnSchG Black.W. Bos. & Pul. Bpk. Buch Burr. 2 Wicke
Appellate Division anderer Ansicht Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Law Reports, Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis Appellate Division Reports Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Acting Judge of Appeal ad edictum Adolphus & Ellis' Reports Africanus Alfenus All England Law Reports All England Law Reports Reprint All South African Law Reports American Journal of Comparative Law American Journal of Legal History Law Reports Appeal Cases, House of Lords, 1875-1890 Archiv für praktische Rechtswissenschaft aus dem Gebiet des Civilrechts, des Civilprozesses und des Criminalrechts Baron Bundesarbeitsgericht Der Betriebs-Berater Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Barnewall & Alderson's King's Bench Reports Barnewall & Cresswell's King's Bench Reports Best & Smith's Queen's Bench Reports Binnenschiffahrtsgesetz Sir William Blackstone's King's Bench Reports Bosanquet & Puller's Common Pleas Reports Beperk (= Limited) Buchanan's Reports, Cape Supreme Court Burrow's King's Bench Reports
18 bzw. C C. C.B. C.B. C. Β. N. S. CILSA C.J. CLR CLY CPD Car. & P. Carth. Cas.t.Hard Cels. Ch. ChD Cl. & F. Co Coll. Comb. Corp Cowper Cr. & M. D D. d.h. DLR Diss. EDC EDL E.R. EU EWG E. & Β. East Ed Edms etc. EuGH EuZW Exch. f.
Abkürzungsverzeichnis beziehungsweise Cape Provincial Division Codex Iustinianus Chief Baron Common Bench Reports Common Bench Reports The Comparative and International Law Journal of Southern Africa Chief Justice Common Wealth Law Reports Current Law Year Book Reports of the Cape Provincial Division Carrington & Paine's Nisi Prius Reports Carthew's King's Bench Reports Cases tempore Hardwicke, Lee's King's Bench Reports Celsus Law Reports, Chancery Division, seit 1890 Law Reports, Chancery Division, 1875-1890 Clark & Finnelly's House of Lords Cases Company Mosaicarum et Romanorum legum collatio Comberbach's King's Bench Reports Corporation Cowper's King's Bench Reports Crompton & Meeson's Exchequer Reports Durban and Coast Local Division Digesten das heißt Dominion Law Reports Dissertation Reports of the Eastern Districts Courts Reports of the Eastern Districts Local Division English Reports Europäische Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Ellis & Blackburn's Queens's Bench Reports East's Term Reports, King's Bench Edward Eiendoms (= Proprietary) et cetera Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Exchequer Reports folgende Seite
nsverzeichnis
ff. FamRZ
LQR LR LR Exch LR HL LR QB LT Lab.
folgende Seiten Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht. Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fußnote Gaius Germanistische Abteilung Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart H. Blackstone's Common Pleas Reports Handelsgesetzbuch House of Lords Huriston & Coltman's Exchequer Reports Haftpflichtgesetz Sir John Holt's Reports, King's Bench Industrial Cases Reports im einzelnen Interpretatio zu den Paulussentenzen Industrial Relations Law Reports insbesondere Institutiones Iulianus Judge Justice Juristische Arbeitsblätter Judge of Appeal Judge President Juristische Schulung Juristenzeitung Law Reports, King's Bench Division Knight's Industrial Reports The Law of South Africa Lord Chancellor Lord Justice Law Journal Reports, Magistrates' Cases Das Nachschlagwerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring Law Quarterly Review Law Reports Law Reports, Exchequer, 1865-1875 Law Reports, English and Irish Appeals, 1866-75 Law Reports, Queen's Bench, 1865-1875 Law Times Reports Labeo
Ld. Raym.
Lord Raymond's King's Bench Reports
Fußn. Gai. Germ Abt GrünhZ H. Bl. HGB HL H. & C. HaftpflG Holt ICR i.e. IP IRLR insbes. Inst. lui. J. JA J.A. J.P. JuS JZ KB KIR LAWSA L.C. L.J. LJMC LM
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20
Leo. Lev. Liv. Lloyd's Rep Ltd MLR M.R. m. w. N. M. & Rob. M. &. W. Menz Minn. Mod. Moo.K.B. MüKo Ν NC NJW NJW-RR NLJ NLR NPD Ner. Ο OLG OPD OR PH PIQR PS Pap. Paul. Pomp. Pop. pr. Prot. prov. Pty Pvt QB Q. B. QBD R
Abkürzungsverzeichnis
Leonard's Reports Levinz's King's Bench and Common Pleas Reports Livius Lloyd's List Law Reports Limited Modern Law Review Master of the Rolls mit weiteren Nachweisen Moody & Robinson's Nisi Prius Reports Meeson & Welsby's Exchequer Reports Menzie's Reports, Cape Supreme Court Minnesota Supreme Court Reports Modern Reports Moore's King's Bench Reports Münchener Kommentar Natal Provincial Division Northern Cape Division Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht New Law Journal Natal Law Reports Reports of the Natal Provincial Division Neratius Orange Free State Provincial Division Oberlandesgericht Reports of the Orange Free State Provincial Division Official Reports, High Court of the South African Republic Prentice Hall Weekly Reports Personal Injuries and Quantum Reports Pauli Sententiae Papinianus Paulus Pomponius Popham's King's Bench Reports principium Protokolle provinciale Proprietary Private Law Reports, Queens' Bench, 1891-1901, seit 1952 Queen's Bench Reports (Adolphus & Ellis, New Series) Law Reports Queen's Bench Division, 1875-1890 Rex (King)
Abkürzungsverzeichnis
RGRK RGZ RIDA ROHG RabelsZ Rep Rly. Rn. S. s. o. s.u. SA SAJHR SALJ SAR & H SC SC SCA SECL SLT SWA SZ Sab. Salk. Skin. St. Τ TH THRHR TLR TPD TR T. R. TS TSAR Try ph. UCLA LRev Ulp. v. V.-C.
Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, Kommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revue internationale des droits de l'antiquité Reichsoberhandelsgericht, Entscheidungssammlung Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Reports Railway Randnummer Seite siehe oben siehe unten South African Law Reports South African Journal on Human Rights South African Law Journal South African Railways and Harbours Reports of the Cape Supreme Court Session Cases Supreme Court of Appeal South Eastern Cape Local Division Scots Law Times Supreme Court of South West Africa Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (romanistische Abteilung) Sabinus Salkeld's King's Bench Reports Skinner's King's Bench Reports Statute Transvaal Provincial Division Reports of the Witwatersrand High Court Tydskrif vir Hedendaagse Romeins-Hollandse Reg Times Law Reports Reports of the Transvaal Provincial Division Tijdschrift voor rechtsgeschiedenis Durnford & East's Term Reports Reports of the Transvaal Supreme Court Tydskrif vir die Suid-Afrikaanse Reg Tryphoninus University of California at Los Angeles Law Review Ulpianus versus Vice-Chancellor
22 Vaugh. VersR vgl. W WLD WLR z.B. ZEuP ZfBR ZfRV ZHC ZHR ZIP ZRP z.T.
Abkürzungsverzeichnis Vaughan's Common Pleas Reports Versicherungsrecht vergleiche Witwatersrand Local Division Reports of the Witwatersrand Local Division Weekly Law Reports zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zimbabwe High Court Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil
§ 1 Einführung I. Rechtspolitischer Hintergrund der Haftung für Verrichtungsgehilfen Im Zuge der Industrialisierung kam es in den europäischen Staaten zu einer Vergrößerung der Produktions Stätten, die zu einem sprunghaften Anstieg arbeitsteiligen Handelns führte. Als Folge dieser Entwicklung sind in den modernen Rechtsordnungen besondere schadensrechtliche Vorschriften notwendig geworden, die einen erhöhten Schutz außenstehender Dritter vor den spezifischen Gefahren begründen, die sich aus dem vermehrten Einsatz abhängiger Arbeitskräfte ergeben. Kraft der Verwendung von Maschinen und technischen Geräten können erfahrungsgemäß selbst bei geringen individuellen Fehlleistungen Schadensbeträge in einem Ausmaß entstehen, das die finanziellen Kapazitäten eines normalen Beschäftigten bei weitem übersteigt. Da ein Ersatzanspruch gegen den unmittelbar schadensursächlichen Gehilfen in vielen Fällen wirtschaftlich wertlos wäre, besteht ein rechtspolitisches Bedürfnis nach einer Verantwortlichkeit des regelmäßig solventeren Geschäftsherrn: „Respondeat superior." Eine solche Haftung rechtfertigt sich in erster Linie durch die Überlegung, daß der Arbeitgeber aufgrund der Beschäftigung von Hilfspersonen seinen Aktionsradius erweitern kann und als Kehrseite der Vorteile, die er aus der Arbeitsteilung zieht, auch für die damit verbundenen erhöhten Risiken für Unbeteiligte aufkommen muß. 1 Die Belastung mit der Verantwortlichkeit bedeutet für ihn im allgemeinen keine unverhältnismäßige Härte, da er sich gegen den Schadensfall versichern kann und der überschaubare finanzielle Aufwand für die erforderlichen Prämien bei Wirtschaftsbetrieben sogar üblicherweise in Form erhöhter Preise der angebotenen Waren und Dienstleistungen weitergeleitet wird. Die Problematik der außervertraglichen Gehilfenhaftung hat im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch ihren Standort bekanntlich in § 831. „Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt", ist danach zum Ersatz des Schadens verpflichtet, „den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt." Die Einstandspflicht ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl, Ausrüstung, Anweisung und Beaufsichtigung des Gehilfen die 1
Vgl. zu diesem Nutzen-Risiko-Prinzip schon Ulp. D. 50, 17, 149: „Ex qua persona quis lucrum capit, eius factum praestare debet."
§ 1 Einführung
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verkehrserforderliche Sorgfalt angewandt hat oder wenn sein Verschulden für den Schadenseintritt nicht ursächlich war.
I I . Die funktional begrenzte Gehilfenhaftung als europäisches Strukturprinzip Der Gedanke einer Haftung für fremdes Fehlverhalten ist als solcher freilich nicht neu. Im römischen Recht traf entsprechend der damaligen Wirtschafts- und Gesellschaftsverfassung den pater familias eine strikte Verantwortlichkeit für sämtliche Delikte seiner Hauskinder und Sklaven. 2 Die Wurzeln dieser sogenannten „Noxalhaftung" sind ihrerseits im Racherecht der frührömischen Gemeinschaft begründet, in dem die Zufügung eines Unrechts zu einer kollektiven Konfrontation zwischen der Sippe des Täters und des Verletzten geführt hatte. Ausgehend von der Verantwortlichkeit des Hausvaters für sein Gesinde hatten die römischen Juristen in Teilbereichen jedoch ansatzweise bereits so etwas wie eine moderne Gehilfenhaftung entwickelt, die auf der Bestellung eines Bediensteten zu einer Verrichtung beruht und in ihrem Umfang durch den Rahmen des Arbeitsverhältnisses beschränkt ist. So waren beispielsweise Schiffer, Wirte und Stallhalter (nautae, caupones, stabularli) für Diebstähle und Sachbeschädigungen verantwortlich, die von ihren Angestellten - Sklaven, aber auch freien Personen - innerhalb ihrer räumlichen Herrschaftssphäre verübt worden waren. 3 Aus diesen und anderen Anfängen haben spätere Generationen rechtsfortbildend den Gedanken herauskristallisiert, daß nicht die Statusverbindung zwischen Herrn und Gesinde, sondern die Übertragung einer Aufgabe auf eine andere Person für die Annahme der Haftung entscheidend ist. So erklärt es sich, daß als Folge einer langwährenden Entwicklung im modernen Recht das Handeln des angestellten Gehilfen nach § 831 BGB „in Ausführung der Verrichtung" liegen muß, um die Haftung des Geschäftsherrn herbeizuführen. Neben dem BGB finden sich vergleichbare Ansätze auch in den anderen europäischen Privatrechtssystemen: Nach den Grundsätzen der englischen „vicarious liability" haftet der „employer" für die „torts" seines „employee", die dieser „in the course of his employment" verübt hat. Gemäß Artikel 1384 Abs. 5 Code Civil müssen „préposés" „dans les fonctions auxquelles ils les ont employés" gehandelt haben, um eine Einstandspflicht ihrer „commettants" zu begründen, und schließlich ist, in etwas abgewandelter Form, nach Artikel 6:170 des neuen niederländischen Burgerlijk Wetboek ein Geschäftsherr für den Schaden verantwortlich, den der „ondergeschikte" verursacht hat „indien de kans op de fout door de 2 3
Käser, RPr I, 163 ff., 630 ff. Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 260.
III. Der Exkulpationsbeweis in § 831 BGB
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opdracht tot het verrichten van deze taak is vergroot." 4 Die Figur der funktional begrenzten Gehilfenhaftung zählt zu den gesicherten Strukturprinzipien des gemeineuropäischen Privatrechts der Gegenwart und erscheint aus heutiger Sicht geradezu als eine Selbstverständlichkeit. Historisch läßt sich die Entwicklung von der Noxalhaftung hin zu den Regelungen der modernen Rechtsordnungen im Sinne des berühmten dictum von Henry Sumner Maine begreifen: ,,[W]e may say that the movement of the progressive societies has hitherto been a movement from Status to Contract" 5
I I I . Der Exkulpationsbeweis in § 831 BGB als Eigenheit des deutschen Deliktsrechts Im Hinblick auf das deutsche Recht sind diese Zusammenhänge von besonderer Bedeutung, da § 831 BGB im Verhältnis zu anderen europäischen Regelungen trotz der offensichtlichen Gemeinsamkeiten in einem wesentlichen Aspekt eine Sonderstellung einnimmt. Die Verantwortlichkeit ist nach § 831 I 2 BGB nämlich anders als in den meisten anderen Ländern ausgeschlossen, wenn der Geschäftsherr „bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde." 6 Schon zum Zeitpunkt des Erlasses der Vorschrift war die Legitimation der Entlastungsmöglichkeit des Arbeitgebers heftig umstritten. 7 „ M i t Unrecht 4 So Absatz 1 der Vorschrift. Wenn der „ondergeschikte" im Dienst einer natürlichen Person stand und er nicht für einen Beruf oder ein Gewerbe dieser Person gearbeitet hat, haftet diese nach Absatz 2 nur dann, „indien die ondergeschikte bij het begaan van de fout handelde ter vervulling van de hem opgedragen taak." Besondere Regelungen finden sich ferner in Art. 6:171, sowie in Art. 6:172 im Hinblick auf die Haftung für unabhängige Unternehmer und Vertreter. Zu den unterschiedlichen europäischen Bestimmungen im einzelnen vgl. von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 189ff.; derselbe, Vicarious Liability, 431 ff.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 632 ff. 5 Maine, Ancient Law, 141. Siehe auch S. 140f.: „Thus the status of the Slave has disappeared - it has been superseded by the contractual relation of the servant to his master ... So too the status of the Son under Power has no true place in the law of modern European societies." 6 Neben Deutschland scheint sich eine entsprechende Exkulpationsmöglichkeit in Europa nur in Artikel 55 des Schweizer Obligationenrechts sowie in § 1315 des Österreichischen ABGB zu finden, vgl. van Maanen, Vicarious Liability in a European Civil Code, 306. Siehe ferner Magnus, Elemente eines europäischen Deliktsrechts, ZEuP 1998, 602, 614. 7 Vgl. im einzelnen Seiler, Die deliktische Gehilfenhaftung in historischer Sicht, JZ 1967, 525; Fritsch, Gehilfenhaftung, insbesondere S. 127ff.; Zweigert/Kötz,
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§ 1 Einführung
berufe sich die Minderheit zur Vertheidigung ihrer Anträge auf die ausländischen Gesetzgebungen und Gewohnheiten" argumentierten die Verfasser des BGB; „dem deutschen Rechtsbewußtsein, auf das es allein ankomme, liege der Rechtssatz, welchen der code civil aufstelle, ganz fern." 8 Man räumte zwar ein, daß die Gegenauffassungen insofern „ein berechtigtes Element" enthielten, „als sie auf dem Gedanken beruhten, daß derjenige, der die Vortheile eines Unternehmens genieße, auch für die Schäden, welche für Dritte daraus entstünden, aufzukommen habe." Dieser Gesichtspunkt sollte jedoch nur für bestimmte Unternehmenstypen im Wege der Spezialgesetzgebung und unter gleichzeitiger Einführung eines Versicherungszwangs realisiert werden. Im übrigen wurde bezweifelt, ob „manche der Schonung bedürfenden industriellen Zweige sowie die kleine Landwirtschaft" die schwere Belastung einer Haftung unabhängig von einem persönlichen Verschulden des Geschäftsherrn ertragen könnten.9 Die Vorschrift des § 831 I 2 BGB ist Ausdruck der individualistischen und liberalistischen Epoche des vorigen Jahrhunderts, an deren Ende sie stand. Der einzelne Bürger sollte nur dann mit Schadensersatzpflichten belastet und damit in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, wenn er als selbstverantwortlich handelndes Individuum auf vorwerfbare Weise allgemeine Sorgfaltsgebote verletzt hatte. Namentlich Rudolph v. Jhering hatte das Schuldprinzip praktisch in den Status eines naturgesetzlichen Axioms erhoben, mit seiner sprichwörtlich gewordenen Formulierung: „Nicht der Schaden verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld - ein einfacher Satz, ebenso einfach wie derjenige des Chemikers, daß nicht das Licht brennt, sondern der Sauerstoff der L u f t . " 1 0 Die Nachklänge dieser Auffassung waren offensichtlich noch zu laut, um in der Gehilfenproblematik eine Regelung im Einklang mit den anderen europäischen Rechtsordnungen zu erreichen. Das Ethos des sozialen Rechtsstaates führte in Deutschland bekanntermaßen erst gegen Mitte des 20. Jahrhunderts dazu, daß der Gedanke der Gefährdungshaftung nach Eroberung weiter Anwendungsbereiche des Alltagslebens
Rechtsvergleichung, 633f.; Zimmermann, Obligations, 1124ff.; von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 194. 8 Vgl. allgemein zur Haltung des Β GB-Gesetzgebers gegenüber dem französischen Recht von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 367: „Sein Deliktsrecht (und nicht nur dieses) haben die Verfasser des BGB zu guten Teilen geradezu als einen „Anti-Code-civil" geschrieben, eine Grundeinstellung, die bis heute vielerlei Folgen zeitigt und bedeutet, daß nicht etwa die Integration des common Law, sondern die Versöhnung des französischen und des deutschen Rechts das Hauptproblem der haftungsrechtlichen Rechtsangleichung in Europa ist." Siehe ferner Zimmermann, Civil Code and Civil Law, 1 Columbia Journal of European Law (1994/95), 63, 87 f. 9 Prot. II S. 603. 10 Das Schuldmoment im römischen Privatrecht, 40.
III. Der Exkulpationsbeweis in § 831 BGB
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auch in der Theorie als eigenständige Zurechnungsmaxime Anerkennung fand. 11
1. Wege zur Umgehung der Entlastungsmöglichkeit Obgleich § 831 „eine der wichtigsten Vorschriften des bürgerlichen Rechts" ist, handelt es sich aufgrund der Entlastungsmöglichkeit des Geschäftsherrn nur um eine „stumpfe Waffe" 1 2 , die zu einem „ständigen Ärgernis der Praxis" 13 geworden ist und wiederholt als „rechtspolitisch mißglückt" 1 4 bezeichnet wurde. Verfehlte gesetzliche Grundwertungen werden freilich von einer selbstbewußten Justiz nicht auf Dauer hingenommen 1 5 , und so ist seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches durch die Rechtsprechung „viel Scharfsinn" 16 darauf verwendet worden, Lösungen zum Ausgleich der konzeptionellen Schwäche des § 831 BGB zu entwickeln und den als unbefriedigend empfundenen Exkulpationsbeweis zu umgehen. Seinem Wortlaut nach brachte § 831 I BGB nur eine Verantwortlichkeit für ein (vermutetes) Awswö/z/verschulden sowie einen betont engen Tatbestand der Haftung für schuldhaftes Unterlassen. Das Reichsgericht wandte die Vorschrift freilich schon bald auf die fehlerhafte Überwachung von Gehilfen mit der Begründung an, daß „nur ein wohl beaufsichtigtes Personal als wohl ausgewählt erachtet werden kann." 1 7 Daneben wurden die Aufsichtspflichten so sehr intensiviert, daß es in vielen Fällen praktisch zu einer quasi objektiven Haftung des Geschäftsherrn kam. 1 8 Ein weiteres Ventil, durch das die Rechtsprechung den von § 831 BGB erzeugten Druck entweichen ließ, war das Vertragsrecht. Die (heute vorwiegend zum Schutz primärer Vermögensinteressen verwandten) Figuren der culpa in contrahendo und des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter waren ursprünglich zumindest partiell in dem Bestreben eingeführt worden, die für bereits bestehende Schuldverhältnisse konzipierte unbedingte Haftung nach § 278 BGB anwendbar zu machen. Gleichzeitig wurde im Anwendungsbereich dieser Vorschrift damit freilich über weisungsabhän-
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Vgl. Esser, Die Zweispurigkeit unseres Haftpflichtrechts, JZ 1953, 129; Kötz, Haftung für besondere Gefahr, 170 AcP (1970), 1. 12 Fikentscher, Schuldrecht, 793. 13 So Bundesrichter Hauss in seinem Referat auf dem 43. Deutschen Juristentag, vgl. Verhandlungen Band II C, S. 43. 14 Kötz, Deliktsrecht, 116. 15 Von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 189. 16 Referentenentwurf II, S. 11. 17 RGZ 87, 1, 4. 18 Kötz, Deliktsrecht, 113f.; MüKo/Stein, § 831, Rn. 9ff. m.w.N.
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§ 1 Einführung
gige Verrichtungsgehilfen hinausgehend eine Verantwortlichkeit für selbständige Unternehmer („independent contractors") erreicht. 19 Noch wichtiger war als Instrument zur Umgehung des § 831 BGB in der Retrospektive die Lehre von den Verkehrspflichten, insbesondere in Form der Organisationspflichten, mit deren Hilfe eine Haftung des Geschäftsherrn für das Verhalten seiner Leute unmittelbar aus § 823 I BGB hergeleitet wurde. 20 Ein Arbeitgeber ist danach grundsätzlich verpflichtet, den Ablauf der Betriebsvorgänge und die Tätigkeit des Personals durch geeignete organisatorische Vorkehrungen so einzurichten und zu überwachen, wie dies zur Vermeidung von Schädigungen Dritter nach der Sachlage geboten ist. 2 1 Obgleich die Rechtsprechung formal an dem Erfordernis eigenen Verschuldens auf Seiten des Geschäftsherrn festgehalten hat, führten Überstrapazierungen der Verhaltensanforderungen an die Organisationsleitung der Sache nach häufig zu einer „Garantiehaftung" für Sorgfaltsverstöße durch Verrichtungsgehilfen. 22 In der Literatur wird darüber hinausgehend die Möglichkeit einer haftungsbefreienden Delegation von Verkehrspflichten auf andere 19
Vgl. RGZ 78, 239 („Linoleumrollenfall"); RGZ 127, 218 (Gasuhr); BGH NJW 1962, 31 (Bananenschale im Kaufhaus); BGH JZ 1976, 776 (Bananenschale); siehe allerdings auch von Bar, Vertragliche Schadensersatzpflichten ohne Vertrag?, JuS 1982, 637, 644f.: „Das Problem der Gehilfenhaftung, genauer: des Entlastungsbeweises nach § 831 12 war ohne Zweifel der Geburtshelfer für die postkodifikatorische culpa in contrahendo oder den drittwirkenden Vertragschutz. Die Aufgabe dieser Institute, den § 831 zu umgehen, dürfen wir heute indes ohne Zaudern der Rechtsgeschichte zuweisen. Das Deliktsrecht hat sich selber zu helfen gewußt und mußte es tun, weil nur es die entscheidende Schwäche der Vertragsanprüche ohne Vertrag - die Unmöglichkeit, Schmerzensgeldansprüche gewähren zu können überwinden konnte. Das dazu notwendige Instrumentarium - eine über § 831 BGB hinausgehende Haftung nach § 823 - hat es sich durch die Entwicklung von umfassenden Verkehrspflichten geschaffen, die die von Personen ausgehenden Gefahren steuern sollen." 20 Vgl. Kötz, Deliktsrecht, 97f., 116f.; Erman/Schiemann, § 823 Rn. 83ff., § 831 Rn. 3 f. Die Vorschrift des § 831 BGB wird heute selbst als Fall der Verkehrspflichtverletzung angesehen, MüKo/Stein, § 831 Rn. 1. Zur tatbestandlichen Abgrenzung von § 831 und § 823 BGB siehe eingehend Staudinger Kommentar/ Belling/Eberl-Borges, § 831 BGB Rn. 9ff.; dort Rn. 118ff. auch zum Zusammenhang des Organisationsverschuldens mit der Lehre vom dezentralisierten Entlastungsbeweis. 21 Kötz, Deliktsrecht, 116. 22 Brüggemeier, Deliktsrecht Rn. 127; ferner RGRK/Steffen, § 831 Rn. 55, der von einer „Fiktionshaftung" spricht, die sicherstellen soll, daß „es für die juristische Person oder das Großunternehmen ... keine Verantwortungslücke" gibt. Vgl. aber auch Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 304f.: „Weil sich jene »allgemeinen' Aufsichts- und Organisationspflichten gerade als situationsspezifische Konkretisierungen einer schon unabhängig vom Gehilfeneinsatz bestehenden Verkehrspflicht erklären, stellen sie keine , Umgehung4 des § 831 BGB und seiner Exkulpationsmöglichkeit zugunsten des Geschäftsherrn dar. Die in § 831 BGB normierten Pflichtenkreise des Geschäftsherrn einerseits und jene des Verkehrspflicht-
III. Der Exkulpationsbeweis in § 831 BGB
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Leute offen abgelehnt mit der Konsequenz, daß auch nach Übertragung einer Aufgabe auf eine sorgfältig ausgewählte und überwachte Hilfsperson 23 deren Versagen dem primär Sicherungspflichtigen im gleichen Umfang zugerechnet wird wie eigenes Fehlverhalten. 24 Handelt es sich bei dem Geschäftsherrn um eine juristische Person, so haftet sie nach §§ 31, 89 BGB ohne jede Entlastungsmöglichkeit für diejenigen Schäden, die ein Mitglied des Vorstands oder andere „verfassungsmäßig berufene Vertreter" durch sorgfaltswidriges Verhalten Dritten zugefügt haben. „Logisch einigermaßen kühn" 2 5 wurde durch die Rechtsprechung ein Organisationsverschulden nach §§ 823 I, 31 BGB dabei unter dem Gesichtspunkt angenommen, daß ein verantwortlicher Vertreter für den Bereich der in Frage kommenden deliktischen Verantwortlichkeit fehlte. 26 Das Anwendungsspektrum des § 831 BGB wurde weiterhin dadurch eingeengt, daß der Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters auf Kosten des Verrichtungsgehilfen extensiv ausgelegt27 oder die Vorschrift des § 31 BGB auf andere als juristische Personen angewandt wurde. 28 Selbst wenn dem Arbeitgeber unter außergewöhnlichen Umständen die Exkulpation aus § 831 BGB einmal gelingen sollte, kann ihn schließlich noch im Innenverhältnis gegenüber seinem Arbeitnehmer eine Schadensersatzpflicht treffen, dem regelmäßig ein Freistellungsanspruch nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zusteht. 29 In Anbetracht der langen Liste der aufgeführten Umgehungswege scheint der Verdacht daher nicht unbegründet, daß die Entlastungsmöglichkeit des Geschäftsherrn „heute praktisch nur noch auf dem Papier steht." 30
trägers andererseits haben vielmehr konzeptionell unterschiedliche Ansätze mit jeweils eigenständigen Intentionen." 23 Die nicht Verrichtungsgehilfe sein muß, sondern sich auch in einer unabhängigen Stellung befinden kann. 24 Vgl. von Bar, Verkehrspflichten, 269ff.; Vollmer, Haftungsbefreiende Übertragung von Verkehrssicherungspflichten, JZ 1977, 371; Brüggemeier, Deliktsrecht Rn. 129; MüKo/Mertens, § 823 Rn. 205; MüKo/Stein, § 831 Rn. 8 (unter Anwendung von § 278 BGB auf Verkehrspflichten); kritisch Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II, 420. 25 Esser/Weyers, Schuldrecht BT, 593. 26 BGH NJW 1980, 2810. 27 Näher Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II, 483. 28 Leßmann, Haftung für schädigendes Drittverhalten, JA 1980, 193, 198. 29 Vgl. BAG NJW 1995, 210; BGH NJW 1994, 856; BAG NJW 1993, 1732. 30 Von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 189.
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2. Die Reformdiskussion Das grundsätzliche Bedürfnis nach einer Neuregelung des § 831 BGB wird heute kaum noch bezweifelt. 31 Dementsprechend ist auch eine intensive Reformdebatte nicht ausgeblieben, die ihren Höhepunkt in einem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Neugestaltung des Schadensersatzrechts von 1967 fand. 32 Der Änderungsvorschlag knüpfte an den bestehenden Wortlaut des § 831 BGB an mit dem wesentlichen Unterschied, daß anstelle des vermuteten Eigenverschuldens des Geschäftsherrn eine vorsätzlich oder fahrlässig begangene unerlaubte Handlung des Verrichtungsgehilfen verlangt wurde. 33 Neben dem Anliegen internationaler Rechtsvereinheitlichung sowie dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtswahrheit wurde der Entwurf vor allem damit begründet, daß die Entlastungsmöglichkeit des § 831 BGB in der praktischen Rechtsanwendung nicht zum Tragen gekommen sei und die Vorschrift darüber hinaus zu sachlich unangemessenen und sozial bedenklichen Beweisthemen Anlaß gäbe, indem anstelle des eigentlichen Schadensgeschehens das Vorleben des jeweiligen Verrichtungsgehilfen in den Mittelpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung gerückt würde. 34 Die Kritiker des Vorschlages machten demgegenüber geltend, daß die neue Regelung abgesehen von Beweisschwierigkeiten zu Härten für private Arbeitgeber, kleinere und mittlere Unternehmen sowie für Familienbetriebe führen könnte. 35 Vom dogmatischen Standpunkt aus 31 In diesem Sinne vgl. von Bar, Gutachten, 1776; Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II, 484. 32 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrechtlicher Vorschriften. Zur Reformdiskussion siehe jüngst Staudinger Kommentar/Belling/Eberl-Borges, § 831 BGB Rn. 124ff. Vgl. auch den Vorschlag von von Bar, Gutachten, 1761 f. mit Begründung, 1706f., 1758f., 1776f. 33 Der Wortlaut des geltenden § 831 BGB stellt demgegenüber auf ein widerrechtliches, nicht schuldhaftes Verhalten des Gehilfen ab. Absatz zwei des § 831 BGB sollte nach dem Entwurf ersatzlos wegfallen. Die vorgeschlagene Fassung lautete im Wortlaut wie folgt: „Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist, wenn der andere in Ausführung der Verrichtung durch eine vorsätzlich oder fahrlässig begangene unerlaubte Handlung einem Dritten einen Schaden zufügt, neben dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet" (Referentenentwurf I, 4). 34 Vgl. Referentenentwurf II, S. lOff., 77ff. Nach der Erfahrung der gerichtlichen Praxis versuchten die Beklagten auch dann, wenn es auf die Exkulpation im wirtschaftlichen Ergebnis nicht ankam häufig allein aus Prestigegründen die Verschuldensvermutung zu widerlegen. 35 In diesem Sinne siehe etwa Diederichsen, Zum Entlastungsbeweis für Verrichtungsgehilfen, ZRP 1968, 60; Helm, Rechtsfortbildung und Reform bei der Haftung für Verrichtungsgehilfen, 166 AcP (1966), 389; Schmidt, Zur Dogmatik des § 278 BGB, 170 AcP (1970), 502, 520ff.; dagegen jedoch zutreffend von Bar, Gutachten, 1777; von Caemmerer, Reformprobleme der Haftung für Hilfspersonen, 14 ZfRV (1973), 241, 252 f.
III. Der Exkulpationsbeweis in § 831 BGB
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wurde ferner bemängelt, daß die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers in der geänderten Fassung ein prinzipienlos abgegrenztes Novum sei, das sich weder der Verschuldens- noch der Gefährdungshaftung zurechnen läßt. 36 Einer näheren Betrachtung bedarf der wiederholt geäußerte Einwand, daß mit der angestrebten RückVerlagerung der Geschäftsherrnhaftung in die Vorschrift des § 831 BGB die aktuellen Probleme der Rechtsanwendung möglicherweise noch nicht gelöst wären. Als Beispiel wird die in dem Entwurf offen gelassene Frage angeführt, welche Bestellung zu einer Verrichtung tatbestandsmäßig ist. 3 7 Es erscheint in der Tat nicht einfach, in dieser Hinsicht eine dogmatisch klare Linie der Rechtsprechung herauszuarbeiten. Für die Abgrenzung des Gehilfenbegriffs wurde häufig auf das Merkmal der Weisungsgebundenheit abgestellt. 38 Daß dieses Kriterium allein nicht ausreichend ist, zeigt jedoch das Beispiel des Taxifahrers, der von dem Fahrgast Instruktionen bezüglich der Wegstrecke erhält, aber unbestrittenermaßen dadurch nicht zum Verrichtungsgehilfen seines Kunden wird. Die Grenze wurde daher bisweilen zwischen einem abhängigen Dienstvertrag und einem selbständigen Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrag gezogen und gleichzeitig eine organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers vorausgesetzt. 39 Ungelöst blieb dabei jedoch der Fall des Rechtsanwalts, der sich in einer eigenverantwortlichen Position befindet, von den Gerichten aber als Verrichtungsgehilfe seines Mandanten qualifiziert wird. 4 0 Ähnliches gilt für die Einordnung des minderjährigen Führerscheininhabers, der dadurch zur Hilfsperson im Sinne der deliktischen Haftung wurde, daß ihm während einer Urlaubsfahrt von seinem Stiefvater das Steuer überlassen worden war. 41 Selbst wenn eine genaue begriffliche Abgrenzung gelingen sollte, wäre es ferner nach Veränderung der Rechtslage nicht ausgeschlossen, daß die Rechtsprechung in problematischen Fällen doch wieder an § 831 BGB vorbei über die bisherigen Grundsätze der Verkehrspflichten 42 oder durch die Annahme einer vertragsähnlichen 36
Siehe jedoch auch § 3 HaftpflG, §§ 3, 4, 114 BinnSchG, §§ 485, 510 HGB. Zum Verhältnis des § 831 BGB zu anderen Vorschriften außerhalb des BGB vgl. Staudinger Kommentar/Belling/Eberl-Borges, § 831 BGB Rn. 44 ff. 37 Kupisch, Die Haftung für Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB), JuS 1984, 250, 256. 38 Vgl. etwa BGHZ 45, 311, 313; Palandt/Thomas, § 831 Rn. 6; Jauernig/Teichmann, § 831 Anm. 2 a aa. 39 Von Caemmerer, Haftung des Mandanten für seinen Anwalt, 271. 40 RGZ 96, 177; BGH LM § 823 (Hb) Nr. 5; OLG Koblenz NJW-RR 1989, 363; kritisch etwa RGRK/Steffen § 831 Rn. 21; bei Gelingen des Entlastungsbeweises kommt die Rechtsprechung häufig auch über § 278 BGB zur Annahme einer Haftung für den Rechtsanwalt, vgl. etwa BGHZ 58, 207, 212; 74, 281, 287. 41 BGH FamRZ 1964, 84; siehe ferner BGH VersR 1965, 290. 42 Vgl. BGHZ 103, 298.
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Sonderbeziehung in Verbindung mit § 278 BGB zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Haftung des Geschäftsherrn gelangt, beispielsweise für die unerlaubte Handlung eines unabhängigen Unternehmers 43 oder das Fehlverhalten eines Gehilfen, das nicht mehr im Rahmen der Verrichtung liegt. 4 4 Der Nutzen des Reformvorhabens wäre mit anderen Worten von vornherein beschränkt, wenn die Neuregelung für die Lösung gegenwärtiger und zukünftiger Problemfälle keinen Raum lassen würde und daher doch wieder der Rückgriff auf die alten Umgehungswege notwendig wäre.
IV. Der Forschungsrahmen: Renaissance eines europaweiten ius commune Zu den treibenden Motiven der Verfasser des Referentenentwurfs zählte neben der Systembereinigung des deutschen Haftpflichtrechts ausdrücklich das Bestreben nach einer Harmonisierung der europäischen Rechtsordnungen. 45 Unter diesem Gesichtspunkt hat die Reformproblematik des § 831 BGB in den letzten Jahren eine neue, besondere Aktualität gewonnen. Im Zuge der Errichtung des einheitlichen Binnenmarktes, der die verschiedenen Handelsgebiete der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf der Grundlage eines freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs zu einem einheitlichen Organismus verschmolzen hat 4 6 , kam es in Europa zu einem regelrechten „Konvergenzschub" 47 rechtsangleichender Maßnahmen, die der Freizügigkeit, dem Freihandel sowie dem unverfälschten Wettbewerb dienen und damit eine gemeinschaftsweit bestehende Privatautonomie zum Ziel haben. 48 Unterdessen gibt es eine ganze Reihe von marktrelevan43
Schlechtriem, Gutachten, 1616; von Bar, Gutachten, 1761, sieht in seinem Reformvorschlag daher eine erweiterte Leute-Haftung im Anwendungsbereich der Verkehrspflichten vor, die auch eine unbedingte Haftung für selbständige Unternehmer einschließen kann. Siehe aber jetzt auch denselben, Vicarious Liability, 447: „Liability for sub-contractors should be limited to precisely defined exceptional cases." 44 BGHZ 11, 151. Denkbar wäre auch, über die Verletzung einer Organisationspflicht zu einer Verantwortlichkeit für schuldloses Verhalten eines Gehilfen zu gelangen. 45 Referentenentwurf II, S. 13, 105 f. 46 Dazu Bangemann, Privatrechtsangleichung in der Europäischen Union, ZEuP 1994, 377. 47 Blaurock, Europäisches Privatrecht, JZ 1994, 270. 48 Schwartz, Perspektiven der Angleichung des Privatrechts in der Europäischen Gemeinschaft, ZEuP 1994, 559. Vgl. auch Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 10 mit dem Hinweis, daß der EWG-Vertrag seit Anbeginn zuallererst auf die den Gemeinsamen Markt eröffnenden Grundfreiheiten und damit auf die kontakterschließenden und verbindenden Kräfte der grenzüberschreitend initiativen Privatautonomie im Wirschaftsieben setzt. Damit wird die Erfahrung genutzt, „daß sich Handel und wirtschaftlicher Austausch seit altersher als
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ten Gebieten des Privatrechts, in denen die EU mehr und mehr federführend wird und in denen die originäre Gesetzgebungskompetenz der nationalen Parlamente folglich in den Hintergrund tritt. 4 9 Neben dem Handels-, Gesellschafts-, Arbeits-, Banken- und Versicherungsrecht sind hiervon in zunehmendem Maße auch Bereiche des klassischen Schuldrechts, wie Haftungs- und Verbraucherschutzrecht betroffen. 50 Nach einer Schätzung werden in Deutschland 80% aller neueren Gesetzgebungsakte im Sektor des wirtschaftsnahen Privatrechts in irgendeiner Weise durch die EU initiiert oder zumindest beeinflußt. 51 Daran angeschlossen hat sich eine international geführte Diskussion über den Nutzen oder die Notwendigkeit einer umfassenden Kodifikation des Europäischen Privatrechts oder zumindest wichtiger Teilbereiche. 52 Allen voran hat sich das Europäische Parlament schon im Jahre 1989 für die Schaffung eines einheitlichen Zivilgesetzbuches ausgesprochen 53 und die Kommission in einem Beschluß vom 6. 5. 1994 54 dazu aufgefordert, die erforderlichen Arbeiten in Angriff zu nehmen. 55 Deutet man die Stimmungslage richtig, scheint sich in der Rechtsliteratur jedoch eine gewisse Skepsis und Zurückhaltung gegenüber legislatorischen Wege zur Herstellung grenzüberschreitender Verbindungen erwiesen haben und daß der offen zugängliche Markt eine traditionsreiche Ausdrucks- und Funktionsform des privatautonom gewollten und verantworteten Tausches und Grundes sozialer Beziehungen darstellt." 49 Blaurock, Europäisches Privatrecht, JZ 1994, 270. 50 Überblick etwa bei Schwartz, Perspektiven der Angleichung des Privatrechts in der Europäischen Gemeinschaft, ZEuP 1994, 559; Müller-Graff, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Privatrecht, NJW 1993, 13; derselbe, Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 7 ff.; Ulmer, Vom deutschen zum europäischen Privatrecht?, JZ 1992, 1; Remien, Illusion und Realität eines europäischen Privatrechts, JZ 1992, 277; Hommelhoff, Zivilrecht unter dem Einfluß europäischer Rechtsangleichung, 192 AcP (1992), 71. Speziell zur Vereinheitlichung und Angleichung des Haftungsrechts vgl. von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 362 ff. 51 Blaurock, Europäisches Privatrecht, JZ 1994, 270. Vgl. auch die jüngst erschienene Abhandlung Paschke/Iliopoulos, Europäisches Privatrecht - Ein Studienbuch zum Privatrecht der Europäischen Gemeinschaft. 52 Vgl. dazu etwa Habersack, Die Akzessorietät - Strukturprinzip der europäischen Zivilrechte, JZ 1997, 857, 858f.; Armbrüster, Ein Schuldvertragsrecht für Europa?, 60 RabelsZ (1996), 72 ff., jeweils m. w.N. 53 ABl. EG C 158/400. Abgedruckt auch in ZEuP 1993, 613. 54 Abgedruckt in ZEuP 1995, 669. Dazu vgl. Tilmann, Zweiter Kodifikationsbeschluß des Europäischen Parlaments, ZEuP 1995, 534. 55 In der Literatur befürwortend etwa Tilmann, Kodifikation des Privatrechts in der Gemeinschaft, 437; für den Bereich des Vertragsrecht vgl. etwa Landò, Principles of European Contract Law, 56 RabelsZ (1992) 261; deutlich ablehnend Legrand, Against a European Civil Code, 60 MLR (1997), 44: „The question is: should the idea of a European Civil Code be supported? My answer is, emphatically: no, it should not." 3 Wicke
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§ 1 Einführung
Vereinheitlichungsprojekten zu verbreiten. 56 An den bisherigen Einzelmaßnahmen der EU wird vor allem ihr fragmentarischer Charakter kritisiert, der dazu geführt habe, daß das Recht in bestimmten Gebieten wie ein juristischer Flickenteppich bestehend aus nationalen und europäischen Stücken wirkt, der nicht selten mangels einheitlicher Wertungen, deutlicher Abgrenzungen und eines klaren systematischen Bezugspunkts die Rechtsanwendung erschwert. 57 Im Hinblick auf großflächige Vereinheitlichungsvorhaben nach Art einer Kodifikation wird demgegenüber - häufig unter Bezugnahme auf Friedrich Carl v. Savigny 58 - eingewandt, daß (unabhängig von der Frage des politischen Willens und den kompetenzrechtlichen Voraussetzungen) ein solches Projekt ohne ausreichende wissenschaftliche Vorarbeit an Qualität und an Akzeptanz hinter den nationalen Rechtsordnungen zurückbleiben müßte. 59 Statt dessen gewinnt zunehmend die Einsicht an Boden, daß sich Rechtseinheit auf breiter Basis sinnvoll nur nach einer längeren Phase der „Europäisierung" von Rechtswissenschaft, Lehre und Ausbildung erreichen läßt. 60 Von zentraler Bedeutung ist dabei die Erkenntnis, daß vom späteren Mittelalter bis in das 18. Jahrhundert zwischen den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen schon einmal eine intellektuelle Einheit bestanden hat: Unter der Herrschaft des römisch-kanonischen ius commune, das gegenüber den örtlichen Gewohnheitsrechten als ratio scripta subsidiäre Geltung beanspruchte und an allen Universitäten gelehrt wurde, war in Mittel- und Westeuropa ein gemeinschaftliches Fundament zivilrechtlichen Gedankenguts geschaffen worden, das auch mit dem Aufkommen der Kodifikationsidee und der damit einhergehenden nationalstaatlichen Verengung des juristischen Gesichtsfeldes nicht verloren gegangen ist. 6 1 In Anlehnung an das 56
Vgl. etwa Ulmer, Vom deutschen zum europäischen Privatrecht?, JZ 1992, 1, 4; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 27 ff. m.w.N. 57 Vgl. schon Kötz, Gemeineuropäisches Zivilrecht, 484. 58 Vgl. etwa Zimmermann, Savigny's Legacy, 112 LQR (1996), 576; Sonnenberger, Der Ruf unserer Zeit nach einer europäischen Ordnung des Zivilrechts, JZ 1998, 982. Die Positionen von Savignys, Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, sowie von seinem wissenschaftlichen Gegenspieler, Thibaut, Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland, sind in einer modernen Ausgabe von Hattenhauer, Thibaut und Savigny - Ihre programmatischen Schriften, von 1973 abgedruckt. 59 Zimmermann, Savigny's Legacy, 112 LQR (1996), 576; Kötz, Gemeineuropäisches Zivilrecht, 481; Schulze, Allgemeine Rechtsgrundsätze und europäisches Privatrecht, ZEuP 1993, 442, 473; vgl. auch Ulmer, Vom deutschen zum europäischen Privatrecht?, JZ 1992, 1, 2, mit dem Hinweis, daß es nach der Herstellung der Wirtschaftseinheit durch den deutschen Zollverein 1833 rund 70 Jahre, nach der Reichsgründung von 1871 immerhin noch 30 Jahre bis zur Herstellung der Rechtseinheit im bürgerlichen Recht durch Inkrafttreten des BGB am 1. 1. 1900 gedauert hat, nachdem die Vereinheitlichung des Handelsrechts durch das ADHGB von 1861 vorangegangen war. 60 Vgl. Coing, Europäisierung der Rechtswissenschaft, NJW 1990, 937.
IV. Der Forschungsrahmen
35
Leitbild dieser Tradition ergibt sich als eine Gegenwartsaufgabe privatrechtlicher Grundlagenforschung, durch das Zusammenwirken von Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung ein einheitliches wissenschaftliches Vorverständnis wiederzugewinnen, um neben dem vorhandenen legislativen Gemeinschafts- oder Konventionsprivatrecht 62 eine europäische „Rechtsgrammatik" 63 grundlegender Normen, Prinzipien und Argumentationsmuster zu erarbeiten, die eine übergreifende Einheit in der nationalen Vielheit aufzeigt und die unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Rechtsordnungen gleichsam als lokale Variationen desselben Themas erscheinen läßt. 64 In einem zweiten Schritt könnte sich alsdann über die Rechtsprechung der verschiedenen Obergerichte 65 eine allmähliche Annäherung der Rechtssysteme ergeben, die im Idealfall aufgrund des Wettbewerbs unterschiedlicher Lösungsmöglichkeiten gerechtere Entscheidungen zur Folge hat, indem sie zu einer Verlagerung der Aufmerksamkeit von den konzeptionellen Schwächen der eigenen Dogmatik auf die zugrundeliegenden Sachfragen führt. 6 6 61
Schon seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert werden Gesetzbücher in Europa nur nach vorangegangener intensiver Rechtsvergleichung entworfen, vgl. von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 367. 62 Zu den Begriffen vgl. Müller-Graff, Gemeinsames Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, 14 ff. 63 Zimmermann, Savigny's Legacy, 112 LQR (1996), 576, 605. 64 Basedow, Rechtssicherheit im europäischen Wirtschaftsrecht, ZEuP 1996, 570 spricht vom „Postpositivismus in der europäischen Rechtswissenschaft." Seit 1993 werden zwei Zeitschriften herausgegeben, die ausdrücklich die Entwicklung des gemeineuropäischen Zivilrechts zum Ziel haben (neben der Zeitschrift für Europäisches Privatrecht die European Review of Private Law). In diesem Zusammenhang ist auch die Beratung und Verabschiedung gesetzesähnlicher Regeln zum Vertragsrecht zu sehen: Zum einen die UNIDROIT-Grundsätze über internationale Handelsverträge, abgedruckt und kommentiert bei Bonell, An International Restatement of Contract Law; dazu auch Wichard, Die Anwendung der UNIDROIT-Prinzipien für internationale Handelsverträge durch Schiedsgerichte und staatliche Gerichte, 60 RabelsZ (1996), 269. Zum anderen die von der sogenannten Lando-Kommission ausgearbeiteten Grundsätze des europäischen Vertragsrechts, abgedruckt in ZEuP 1995, 564; siehe dazu ferner Zimmermann, Konturen eines europäischen Vertragsrechts, JZ 1995, 477. Im Jahr 1996 sind darüber hinaus zwei Lehrbücher zum Gemeineuropäischen Zivilrecht erschienen, vgl. Kötz/Flessner, Europäisches Vertragsrecht sowie von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht. Als weiteres Modell einer supranationalen Rechtswissenschaft wird neben dem ius commune häufig auf das amerikanische common law verwiesen, vgl. Coing, Europäisierung der Rechtswissenschaften, NJW 1990, 937, 939 f. Speziell zu den amerikanischen „restatements" siehe auch Schindler, Die Restatements und ihre Bedeutung für das amerikanische Privatrecht, ZEuP 1998, 277 ff. Zur Problematik vgl. ferner Berger, Einheitliche Rechtsstrukturen und außergesetzliche Rechtsvereinheitlichung, JZ 1999, 369 ff. 65 Unterstützt durch die einheitsstiftende Jurisdiktion des EuGH, dessen Zuständigkeit zum jetzigen Zeitpunkt freilich noch sehr begrenzt ist. 66 Vgl. von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 399: „Man muß ,sein4 Recht geradezu dem Wettbewerb der Ideen aussetzen, wenn man sich nicht in erster Linie 3*
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§ 1 Einführung
Wenn sich im Fortgang der Entwicklung darüber hinaus ein Bedürfnis und ein Konsens für die Angleichung weiterer Rechtsmaterien ergibt, wäre ein begriffliches Instrumentarium und ein systematischer Gesamtzusammenhang gemeineuropäischer Rechtsprinzipien geschaffen, mit deren Hilfe sich die betreffenden Einzelmaßnahmen organisch und einheitlich in die nationalen Rechtsordnungen einfügen ließen. 67
1. Nutzen der historisch-komparativen Methode Die allmähliche Europäisierung der rechtswissenschaftlichen Arbeit ist freilich ein forschungstechnisches Großprojekt, bei dem es nicht nur darum geht, staatliche Grenzen und sprachliche Barrieren zu überwinden, sondern auch Demarkationslinien zwischen traditionell getrennten juristischen Teildisziplinen zu überschreiten oder bisweilen sogar unberührte Territorien neu zu betreten. Während das Interesse der romanistischen Forschung bislang vor allem dem antiken Recht gegolten hat 6 8 , ist der „Brückenschlag zwischen antikem und geltendem Recht" 6 9 dabei in heutiger Zeit „eines der größten und wichtigsten Desiderate." 70 Erforderlich sind daher europäisch orientierte dogmengeschichtliche Untersuchungen, die den vorhandenen Bestand gemeinsamen Gedankenguts erfassen, mögliche Unterschiede aufgrund genauer Analyse der historischen Gegebenheiten erklären und somit eine Grundlage für rationale Kritik und organische Fortentwicklung legen. 71 Das Zurückgehen auf den Ursprung der Abweichungen von der gemeinsamen Tradition rückt die maßgebenden Grundgedanken deutlicher ins Licht und läßt die unterschiedlichen Rechtsordnungen nicht nur in ihrer Verschiedenheit als Ergebnis nationaler Rechtsfortbildung, sondern auch in ihrem zeitlichen Abstand, als Ausdruck einer bestimmten Entwicklungsstufe der Rechtswissenschaft in Europa erscheinen. 72 Die Erkenntnisse der rechtshistorischen Forschung sind freilich nicht präskriptiv auf die Lösung moderner Fragestellungen zu übertragen, sondern dienen vielmehr einem grundleihm, sondern der Gerechtigkeit verpflichtet weiß.'4 Siehe ferner Schlechtriem, Rechtsvereinheitlichung in Europa und Schuldrechtsreform in Deutschland, ZEuP 1993 217, 218. 67 Schulze, Allgemeine Rechtsgrundsätze und europäisches Privatrecht, ZEuP 1993, 442, 473 f. 68 Coing, Bedeutung der Europäischen Rechtsgeschichte für die Rechtsvergleichung, 32 RabelsZ (1968), 1, 7. 69 Käser, Nachwort, 210. 70 Käser, Nachwort, 206. 71 Zimmermann, Max Käser und das moderne Privatrecht, SZ 115 (1998), 107 f. 72 Coing, Bedeutung der Europäischen Rechtsgeschichte für die Rechtsvergleichung, 32 RabelsZ (1968), 1,9, 14, der in diesem Zusammenhang von einem „historischen Stufenvergleich 4' spricht.
IV. Der Forschungsrahmen
37
genden Verständnis des gegenwärtigen Rechtszustandes, indem sie erst deutlich machen, wie es zu den heutigen Verhältnissen gekommen ist. 7 3
2. England und das römische Recht Eine gewisse Sonderstellung nimmt in diesem Rahmen freilich das englische „common law" ein, das „für den Juristen des europäischen Kontinents ... schon immer etwas besonders Fremdartiges und Wundersames" gewesen i s t " 7 4 und sich nach herkömmlicher Auffassung unbeeinflußt durch die römisch-kanonische Rechtstradition in „nobler Isolation" herausgebildet hat. 75 Die Überbrückung des für fundamental gehaltenen Grabens zwischen „civil law" und „common law" scheint sich in Anbetracht dieser Sichtweise als eine der schwierigsten Aufgaben der europäischen Rechtswissenschaft darzustellen. In jüngerer Zeit mehren sich freilich die Stimmen, die neben den zweifellos bestehenden Unterschieden den Blick zunehmend auf die Gemeinsamkeiten lenken und dabei betonen, daß es in der Rechtsentwicklung zu jeder Zeit auch Verbindungslinien zwischen England und dem Festland gegeben hat. 7 6 Daß beide Rechtsfamilien nicht durch unversöhnliche Gegensätzlichkeiten geprägt sind, zeigen dabei die Erfahrungen der Mischrechtsordnungen, in denen civil law und common law bedingt durch historische Zufälligkeiten schon einmal eine Symbiose eingegangen sind und die aus diesem Grund für Europa von besonderem Interesse sind. Neben den Privatrechtssystemen von Louisiana, Quebec und Schottland zählt hierzu auch das römisch-holländische Recht in Südafrika. 77
3. Haftung für Verrichtungsgehilfen und modernes Europarecht Betrachtet man die Problematik der Haftung für Hilfspersonen vor dem Hintergrund der geschilderten Entwicklungen, so erscheint es keineswegs ausgeschlossen, daß die Vorschrift des § 831 BGB mittelfristig von einem 73
Zu diesem Gesichtspunkt siehe auch Cockrell, Studying Legal History in South Africa, ZEuP 1997, 436 ff. 74 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 177. 75 Vgl. die allgemeine Charakterisierung der Geschichte des englischen common law durch Baker, History, 35: „And so English law flourished in noble isolation from Europe." 76 Dazu vgl. etwa Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4; Gordley, Common law und civil law: eine überholte Unterscheidung, ZEuP 1993, 498. 77 Zimmermann, Europäisches Privatrecht und Europa, ZEuP 1993, 439, 441.
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§ 1 Einführung
erneuten „Konvergenzschub" europäischer Gesetzgebung erfaßt werden könnte. Die erforderliche Marktrelevanz dürfte anzunehmen sein, da Schadensersatzansprüche für das Verhalten von Angestellten Teil der Produktionskosten eines Unternehmens sind, die Strenge der Haftungsregeln sich in Form erhöhter Preise der angebotenen Waren und Dienstleistungen niederschlagen kann und im Fall divergierender nationaler Grundsätze zumindest geringfügige Wettbewerbsverzerrungen daher nicht ausgeschlossen sind. 78 Für die Aktualität der Fragestellung spricht weiterhin das Beispiel der mit § 831 BGB verwandten 79 Produzentenhaftung, deren Angleichung schon vor einigen Jahren betrieben worden ist. Wenn die EU ferner einen Richtlinienvorschlag im Hinblick auf die Haftung für Dienstleistungen diskutiert hat 8 0 , ist es nicht unwahrscheinlich, daß in absehbarer Zeit auch über eine Vereinheitlichung der Verantwortlichkeit für Bedienstete nachgedacht werden könnte. Unabhängig von der Frage einer legislativen Umsetzung ist unter dem Blickwinkel der europäischen Rechtswissenschaft jedoch entscheidend, daß im jetzigen Stadium in Gestalt der funktional begrenzten Gehilfenhaftung offensichtlich bereits ein gemeineuropäisches Strukturprinzip vorhanden ist, das als Bestandteil der europäischen Rechtsgrammatik eine genauere Betrachtung verdient. Da dieser Grundsatz im BGB aufgrund der Entlastungsmöglichkeit des Geschäftsherrn nur unvollständig verwirklicht ist, besteht aus deutscher Perspektive ein Interesse, einerseits die geschichtlichen Wurzeln dieser Haftungsform genauer zu ergründen, sowie andererseits zu untersuchen, wie die Problematik - über die Vogelperspektive hinaus - in anderen Rechtsordnungen geregelt ist.
V. Thema und Gang der Untersuchung Vor dem Hintergrund der Europäisierung der Rechtswissenschaften und in Anbetracht der Schwäche des § 831 BGB ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit eine rechtshistorische und rechtsvergleichende Untersuchung der (außervertraglichen) Haftung für Verrichtungsgehilfen unter Einbeziehung des römischen, römisch-holländischen, englischen und südafrikanischen Rechts. Wie bereits angedeutet, kannte das klassische römische Recht noch keine allgemeine Gehilfenhaftung im modernen Sinne. Der zentrale Tatbestand einer Verantwortlichkeit für Leute, die im Interessenkreis eines anderen 78
310.
79
Vgl. auch van Maanen, Vicarious Liability in a European Civil Code, 301,
Vgl. MüKo/Stein, § 831 BGB Rn. 5. Vgl. ABl. EG 1991 Nr. C 12, S. 1. Kritisch hierzu bereits Heinemann, Auf dem Weg zur europäischen Dienstleistungshaftung, ZIP 1991, 1193; ferner Basedow, Haftung für Dienstleistungen: die Denkpause nutzen, ZEuP 1995, 1. 80
V. Thema und Gang der Untersuchung
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tätig werden, war die statusgebundene Noxalhaftung des pater familias in bezug auf das Verhalten von Sklaven und Hauskindern. Die Idee einer Einstandspflicht für fremde „culpa" war daneben freilich im Rahmen einiger Sondertatbestände fortgebildet worden, die im einzelnen zu untersuchen sein werden. Bei der Analyse des klassischen römischen Rechts verdienen zwei Fragestellungen besondere Beachtung: Unter dem Gesichtspunkt der dogmengeschichtlichen Entwicklung gilt es zum einen herauszuarbeiten, ob oder inwieweit der Gedanke der funktionalen Haftungsbegrenzung in den verschiedenen Sondertatbeständen bereits angelegt war. Im Hinblick auf § 831 BGB ist zum anderen zu ermitteln, welcher Stellenwert dem eigenen Verschulden des Haus- oder Geschäftsherrn in diesem Zusammenhang beigemessen wurde (nachfolgend § 2). 8 1 Um eine Brücke zwischen antikem und modernem Recht zu schlagen, wird die Problematik der außervertraglichen Haftung für Hilfspersonen anschließend im Kontext des römisch-holländischen Rechts des 17. und 18. Jahrhunderts erörtert (§ 3). Die Untersuchung wird beginnen mit einigen einleitenden Ausführungen zur Bedeutung der niederländischen Schule in Geschichte und Gegenwart. Als Epoche auf der Schwelle zur Kodifikationsbewegung handelt es sich dabei um einen für die gesamteuropäische Rechtsentwicklung besonders bedeutsamen und lehrreichen Zweig des ius commune, dem gerade das deutsche Recht viel verdankt. Nach einem Wort von Wieacker hat Holland die Fackel der großen Rechtswissenschaft unserem Lande weitergereicht, die einst in Italien entzündet worden und von dort nach Frankreich und weiter nach den Niederlanden gewandert sei. 82 In bezug auf die Gehilfenhaftung kann das römisch-holländische Recht geradezu als „ein getreues Paradigma der charakteristischen Eigenschaften" 83 des gemeinen Rechts angesehen werden: Mit der Abschaffung der Sklaverei und dem Wegfall der Noxalhaftung hatte sich eine Lücke in der Anwendung des römischen Haftungsrechts ergeben, die unter den niederländischen Autoren zu einer entwicklungsgeschichtlich aufschlußreichen Debatte geführt hat, in deren Verlauf die verschiedenen Lösungsansätze des ius commune diskutiert wurden.
81
Eine umfassende Erörterung der Gehilfenhaftung im römischen Recht scheint bislang noch nicht vorzuliegen. Die zentrale Untersuchung von Knütel, Die Haftung für Hilfspersonen im römischen Recht, SZ 100 (1983), 340ff. legt den Schwerpunkt auf die vertragliche Gehilfenhaftung und hat die besonderen prätorischen Klagen, die auf eine spezielle Regelung der Gehilfenhaftung abzielten, im wesentlichen ausgeklammert, vgl. S. 358 und den Überblick auf S. 35Iff. Gerade diese Klagen sind jedoch dogmengeschichtlich für das Problem der außervertraglichen Verantwortlichkeit für Hilfspersonen von herausragender Bedeutung. 82 Privatrechtsgeschichte, 169. 83 Zimmermann, Das römisch-holländische Recht und seine Bedeutung für Europa, JZ 1990, 825, 837.
§ 1 Einführung
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Die Anfänge der englischen vicarious liability liegen auf der Schwelle zum 18. Jahrhundert und fallen zeitlich damit interessanterweise in die Hochblüte der niederländischen Schule. Zwischen den Positionen einiger römisch-holländischer Autoren und der Haftung des „master" für die „torts" seiner „servants" sind darüber hinaus wichtige Übereinstimmungen sichtbar. Angefangen bei den frühen Quellen der angelsächsischen Periode wird daher der Frage nachzugehen sein, ob das Prinzip „respondeat superior" historisch möglicherweise unter Beeinflussung durch die römisch-kanonische Rechtstradition entstanden ist, oder ob es sich um das Produkt einer Parallelentwicklung handelt, die sich angesichts vergleichbarer gesellschaftlicher Veränderungsprozesse selbständig in juristischer Abgeschiedenheit ereignet hat (§ 4). Die Untersuchungen zum common law Englands sind freilich nicht auf die geschichtlichen Zusammenhänge beschränkt, sondern erstrecken sich auch auf das moderne Recht (§ 5). Mit Rücksicht auf die Reformdiskussion des § 831 BGB ist besondere Aufmerksamkeit auf die Frage zu richten, für welche Personengruppen nach den Regeln der vicarious liability eine Einstandspflicht anerkannt ist: Gibt es für das englische Pendant des Verrichtungsgehilfen einen einheitlichen Begriff mit einem klaren Abgrenzungskriterium (wie etwa die Weisungsbefugnis des Geschäftsherrn) oder haben sich möglicherweise mehrere Kategorien mit unterschiedlichen Voraussetzungen herausgebildet? Des weiteren wird zu untersuchen sein, welches die spezifischen Schwierigkeiten einer strikt ausgestalteten Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn sind und ob sich ungeachtet der Abweichung in der Verschuldensfrage Bezugspunkte oder Parallelen zum deutschen Recht feststellen lassen. Neben der dogmatischen Einordnung bedürfen ferner die Sachgesichtspunkte einer eingehenden Betrachtung, die die unbedingte Haftung für Gehilfenverschulden rechtfertigen und über die „in der anglo-amerikanischen Literatur besonders gründlich nachgedacht worden" 8 4 ist. Ein Schwerpunkt der Darstellung liegt schließlich in der genaueren Analyse einiger relevanter Begriffe, deren Verständnis nicht nur für die wissenschaftliche Kommunikation in Europa von Interesse ist 8 5 , sondern auch einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Rechtsentwicklung in Südafrika liefert. Die Bedeutung des südafrikanischen Privatrechts ( § 6 ) für die vorliegende Untersuchung erklärt sich zunächst daraus, daß das ius commune in 84
Von Caemmerer, Reformprobleme der Haftung für Hilfspersonen, 14 ZfRV (1973), 241, 246. 85 Als gravierender Mangel hat sich bei der grenzüberschreitenden juristischen Kommunikation das Fehlen einer europäischen Wissenschaftssprache ausgewirkt. Zum Sprachenproblem siehe beispielsweise Weir, Die Sprachen des europäischen Rechts - eine skeptische Betrachtung, ZEuP 1995, 368; Luttermann, Juristische Übersetzung als Rechtspolitik im Europa der Sprachen, EuZW 1998, 151 ff.; derselbe, Der Sinn für das Europäische Recht, JZ 1998, 880.
V. Thema und Gang der Untersuchung
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seiner römisch-holländischen Gestalt am Kap der guten Hoffnung noch unmittelbar, unkodifiziert und angepaßt an die modernen Verhältnisse lebendig ist. 8 6 Im Hinblick auf die Haftung für Hilfspersonen läßt sich eine direkte Linie von den römischen Quellen bis in die moderne Zeit nachzeichnen. Dem südafrikanischen Privatrecht kommt zudem für Europa ein gewisser Modellcharakter zu, da die gemeinrechtliche Tradition hier mit dem englischen common law eine fruchtbare Symbiose eingegangen ist. 8 7 Wie sich im einzelnen zeigen wird, ist gerade in der Problematik der vicarious liability oder „middellike aanspreeklikheid" angelsächsischer Einfluß deutlich spürbar geworden. Neben den spezifischen Rezeptionsmechanismen, die zur Übernahme bestimmter Regelungen geführt haben, wird im Rahmen der Untersuchung als besonderes Phänomen Berücksichtigung finden, wie juristische Begriffe, wenn sie einmal in einem Bereich implementiert worden sind, Fernwirkungen in anderen rechtlichen Zusammenhängen nach sich ziehen können. Die Darstellung der einzelnen Haftungsregeln der südafrikanischen vicarious liability erfolgt grundsätzlich in Anlehnung an die Fragestellungen, die sich schon im Rahmen der englischen Mutterrechtsordnung ergeben haben. In Rechtsprechung und Literatur haben sich gerade in jüngerer Zeit jedoch einige wichtige eigenständige Entwicklungen abgezeichnet, die als Charakteristika des südafrikanischen „law of delict" einer eingehenderen Betrachtung bedürfen.
86
Vgl. Käser, Das römische Recht in Südafrika, 81 SZ (1964), lf. Vgl. eingehend, Zimmermann/Visser, Southern Cross, Iff.; siehe auch schon von Bar, Südafrikanisches Haftungsrecht, 42 RabelsZ (1978), 87, 114. 87
§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht Die antiken Grundlagen Römisch-rechtlicher Einfluß äußert sich nicht nur in der Übernahme konkret-sachlicher Regelungen. Häufig sind es die zugrundeliegenden Rechtsgedanken, die, nachdem sie von den späteren Epochen uminterpretiert und den praktischen Bedürfnissen der sich wandelnden Zeit angepaßt wurden, in modifizierter Form Wirkungskraft erlangen. In der Tradition des europäischen ius commune sind zahlreiche neue Rechtsfiguren geschaffen worden, indem - häufig im Wege des „kreativen Mißverständnisses" - einzelne Aussagen aus den antiken Quellen herausgegriffen und verallgemeinert oder auf veränderte soziale Umstände zugeschnitten wurden. 1 Das moderne Prinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung hatte sich unter den gesellschaftlichen Bedingungen in Rom noch nicht in allgemeiner Form herausgebildet. Im Corpus Iuris Civilis findet sich vielmehr eine Reihe spezieller Tatbestände, die eine Verantwortlichkeit für Hilfspersonen begründen, in ihren Voraussetzungen aber variieren und auf durchaus unterschiedliche Grundgedanken zurückgehen. Historisch kommt diesen Fallgruppen jedoch eine wichtige Bedeutung zu, da in ihnen bereits das gedankliche Material angelegt war, aus dem nachfolgende Generationen das Grundgerüst der modernen Gehilfenhaftung schmieden konnten. Die verschiedenen Konstellationen, in denen eine Einstandspflicht für fremdes Handeln im römischen Recht anerkannt war, sollen in diesem Kapitel als Ausgangspunkt der dogmengeschichtlichen Untersuchung analysiert werden.
I. Noxalhaftung Der zentrale Tatbestand einer Haftung für Leute war in Rom entsprechend der damaligen Wirtschafts- und Gesellschaftsverfassung die Verantwortlichkeit des pater familias für die Delikte seiner Sklaven und Hauskinder. Wenn eine gewaltunterworfene Person einem Dritten Unrecht zufügte, wurde der Hausvater vor die Wahl zwischen zwei eigentümlichen Haftungsalternativen gestellt: Das Klagebegehren des Verletzten konnte er dadurch befriedigen, daß er entweder eine bestimmte Bußzahlung erbrachte oder 1
Knütel, Rechtseinheit in Europa und römisches Recht, ZEuP 1994, 244, 246.
I. Noxalhaftung
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den unmittelbaren Schädiger auslieferte. In Anlehnung an die Preisgabe des Täters, „noxae deditio" 2 , spricht man von Noxalhaftung. 3 Die Einstandspflicht des Hausvaters beruhte auf der Hausgewalt über die Angehörigen seiner Familie, zu denen neben seinen Nachkommen auch das gesamte Gesinde zählte. Da die Verantwortlichkeit somit ihre Grundlage in dem Statusverhältnis zwischen pater familias und den Mitgliedern des Hausverbandes fand, war die Haftung nicht durch den Umfang einer übertragenen Aufgabe beschränkt, sondern erstreckte sich auf sämtliche Delikte. Der Hausherr konnte sich von der Bußzahlungspflicht allerdings durch Auslieferung des Täters befreien und haftete so gesehen maximal in Höhe des Wertes des Schadensverursachers. 4 Im Rahmen der römischen Sozialordnung erfüllte die Noxalhaftung dennoch zu einem großen Teil ähnliche Funktionen wie die Gehilfenhaftung im modernen Recht. Während arbeitsteiliges Handeln in heutiger Zeit auf der Basis vertraglicher Beschäftigung von Gehilfen erfolgt, bildete in Rom die Sklavenarbeit die entscheidende Wirtschaftsgrundlage. 5 Im praktischen Ergebnis kam die Noxalhaftung daher vielfach einer Verantwortlichkeit für Angestellte gleich, die im Interesse des Geschäftsherrn tätig werden. Solange die Sklavenarbeit dominierend war, wird sich aus diesem Grund ein dringendes Bedürfnis für eine allgemeine Gehilfenhaftung im modernen Sinne nicht ergeben haben.
1. Die geschichtliche Entwicklung der Noxalhaftung Das Wesen der Noxalhaftung mit der ihr eigentümlichen Wahl zwischen zwei Haftungsalternativen erschließt sich aus ihrer historischen Entwicklung, die eng verknüpft ist mit der Geschichte deliktischer und privatrechtlicher Haftung im allgemeinen.6 Wie der Aufbau der frührömischen 2 Es ist umstritten, ob noxae als Genitiv (Auslieferung wegen einer Schuld oder eines Vergehens) oder als Dativ (Übergabe auf den Schaden) zu deuten ist. Für Genitiv z.B. Lisowski, RE Suppl. VII, 602; für Dativ beispielsweise Käser, Altrömisches ius, 223. 3 Zu Literaturangaben vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 381 Fußn. 1. Hinsichtlich der völkerrechtlichen noxae deditio vgl. Käser, Altrömisches ius, 185 f. Die Grundsätze der Noxalhaftung galten auch für Schäden, die durch Tiere verursacht wurden, vgl. etwa Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, S. 383 f. 4 Vgl. Inst. 4, 8, 2: „namque erat iniquum nequitiam eorum ultra ipsorum corpora dominis damnosam esse." Die Ersatzpflicht war, wie dargestellt, in der späteren Entwicklung auf Delikte von Sklaven beschränkt, die als Vermögensobjekte galten; ferner Gai. 4, 75; vgl. dazu Johnston, Limiting Liability, 70 Chicago Kent Law Review (1995), 1515, 1525. 5 Vgl. Dulckeit/Schwarz/Waldstein, RR, 63, 113. Auch in der Agrargemeinschaft der römischen Frühzeit waren die Sklaven und Hauskinder beim Ackerbau Hilfspersonen des pater familias. 6 Dazu Käser, Altrömisches ius, 179ff.; derselbe, RPr I, 146ff.
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
Gemeinschaft nahelegt, in der größere, aus mehreren Familien bestehende Verbände („gentes") eine zentrale politische Rolle spielten7, wird die Zufügung eines Unrechts ursprünglich zu einer kollektiven Auseinandersetzung zwischen der Sippe des Täters und der des Verletzten geführt haben.8 Nachdem die gentes jedoch mit dem Erstarken der Staatsgewalt an Bedeutung verloren hatten, bildete sich ein individuelles Recht des Verletzten zur Rache an dem Täter heraus. 9 Im Interesse der Allgemeinheit wurden die Vergeltungsmaßnahmen freilich bald unter staatliche Aufsicht gestellt und konnten durch eine Sühneabgabe abgelöst werden. 10 Die Leistung einer Bußzahlung trat im Laufe der Zeit mehr und mehr in den Vordergrund und entwickelte sich von einem Mittel zur Abwehr der privaten Eigenmacht mit deren Abklingen zu einer selbständigen Form der Bestrafung, die im Zivilprozeß zu erzwingen war. 1 1 Das private Deliktsrecht diente daher anders als heute nicht lediglich dem Ausgleich des Schadens, sondern hatte einen pönalen Charakter. Wenn ein Hauskind oder Sklave das Unrecht verübt hatte, so konnte es ursprünglich zu einem Konflikt zwischen dem Racherecht des Verletzten und der Hausgewalt des pater familias kommen, der in diesen Fällen gehalten war, den Täter auszuliefern. Stellte er sich dem Zugriff jedoch in den Weg, wurde die Haftung auf ihn als Oberhaupt und Schützer des Hausverbandes umgeleitet. 12 Als im Laufe der Zeit die Ablösung des Racherechts möglich wurde, bürgerte sich vermutlich eine Praxis der Sühnevereinbarung ein, bei der neben der Zahlung einer Buße die Preisgabe des Täters zur Wahl stand, der nach wie vor als primär verantwortlich angesehen wurde. 13 Beide Haftungsalternativen verfestigten sich allmählich jedoch zu einer Rechtspflicht 14 , bis man schließlich davon ausging, daß der Gewalthaber grundsätzlich für die Tat des Gewaltunterworfenen durch Leistung der festgesetzten Geldsumme einstehen müsse, sich aber von seiner Haftung durch Auslieferung des Schädigers befreien könne. 15 Das Verhältnis zwischen Preisgabe des Täters und Verantwortlichkeit des pater familias wurde folglich im Bewußtsein der jüngeren Zeit umgekehrt: 16 Während die Einstands7
Vgl. etwa Wieacker, RR, 195 ff.; Käser, RPr I, 53. Zur kollektiven Blutrache vgl. Mitteis, Römisches Privatrecht, 94f.; Käser/ Hackl Prozeßrecht, 26. 9 Käser, RPr I, 147 f. 10 Käser, Altrömisches ius, 183. 11 Vgl. zu den Ursprüngen des römischen Deliktsrechts auch Zimmermann, Obligations, 914 f. 12 Dazu De Visscher, Le régime romain de la noxalité, 25 ff. 13 Käser, Altrömisches ius, 229. 14 Käser, RPr I, 632. Die Bußzahlungspflicht trifft den Gewalthaber, da er im Regelfall der alleinige Träger der Vermögensrechte ist, vgl. Käser, RPr I, 343. 15 Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 382; Thomas, Textbook of Roman Law, 381. 8
I. Noxalhaftung
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pflicht des Hausherrn ursprünglich nur dann in Betracht kam, wenn dieser sich weigerte, den unmittelbaren Delinquenten auszuliefern, wurde die noxae datio in klassischer Zeit als ein Weg angesehen, um die primär bestehende Bußzahlungspflicht zu umgehen. Aus dem Racherecht an dem Täter hatte sich auf diese Weise eine persönliche Verantwortlichkeit des Gewalthabers entwickelt. 17
2. Noxa caput sequitur Die ursprüngliche Position läßt sich nach wie vor aus dem elementaren Grundprinzip „noxa caput sequitur" erkennen. 18 Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß die Haftung dem Täter nachfolgt. 19 Wenn daher beispielsweise der pater familias die Hausgewalt über den Schädiger auf einen anderen überträgt, geht (sofern er sich nicht dadurch seiner Einstandspflicht bewußt entledigen will) die Haftung mit über. 20 Als weitere Folge bleibt die noxale Verantwortlichkeit an dem Täter, solange er lebt, haften 21 , erlischt erst mit seinem Tod und richtet sich selbst dann noch auf den toten Körper. 22 Auch ein Statuswechsel wirkt sich nicht zu seinen Gunsten aus, die Klage des Verletzten verändert vielmehr ihre Zielrichtung und wendet sich gegen den freigelassenen Sklaven oder emanzipierten Haussohn, die selbst zur Verantwortung gezogen werden können. 23 16
Vgl. Gai. 4, 75: „erat enim iniquum nequitiam eorum ultra ipsorum corpora parentibus dominisve damnosam esse." 17 Dies wird bestritten von Biondi, Actiones noxales, 235 ff. und De Visscher, Le régime romain de la noxalité, 384ff., 420ff., der eine Haftung erst aus der „litis contestatio" entstehen läßt; gegen beide siehe Pugliese, St. Albertario I, 233 ff. 18 Paul. D. 47, 2, 18. 19 Vgl. Schmidlin, Die römischen Rechtsregeln, 95; siehe auch Daube, Nocere and Noxa, 7 Cambridge Law Journal (1939), 23 ff. 20 Paul. D. 9, 4, 12; siehe auch Paul. D. 9, 4, 22, 4; Paul. D. 47, 2, 42, 1. 21 Ulp. D. 47, 2, 41, 2. 22 Gai. 4, 81. 23 Gai. 4, 77; Paul. D. 47, 2, 42 pr.; Inst. 4, 8, 6. Besondere Schwierigkeiten bereitete die Frage, wer zu klassischer Zeit im Noxalverfahren passivlegitimiert war. Hinsichtlich der Sklavendelikte reicht das heutige Meinungsspektrum vom Eigentümer, über den Besitzer, bis hin zum Inhaber der „potestas." Die Passivlegitimation des gutgläubigen Besitzers ist in mehreren Fragmenten des Corpus Iuris Civilis bezeugt, vgl. etwa Ulp. D. 9, 4, 11; Paul. D. 9, 4, 12; Gai. D. 9, 4, 13; Ulp. D. 47, 2, 17, 3. Während sich in den Digesten darüber hinaus eine Noxalhaftung des bösgläubigen Besitzers findet (Gai. D. 9, 4, 13.), trafen den Nießbraucher (Pomp. D. 9, 4, 18) und den Pfandgläubiger (Paul. D. 9, 4, 22, 1) sowie den Verwahrer und den Entleiher (Paul. D. 9, 4, 22 pr.) keine Verantwortlichkeit (Käser, RPr I, 631 Fußn. 11 hält freilich eine Haftung von Nießbraucher und Pfandgläubiger für möglich; siehe auch Kaser/Hackl, Prozeßrecht, 254 Fußn. 17). Nach justinianischem Recht (zumindest) wurde der passivlegitimierte Gewalthaber daher nicht in einem
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
Nach römischem Recht sind sowohl Hauskinder als auch Sklaven deliktsfähig. 24 Aus dem von ihnen verübten Unrecht können sie zivilrechtlich allerdings nicht selbst zur Verantwortung gezogen werden, weil die Hausgewalt des pater familias, der für den eigentlichen Täter (und in dessen Namen) haftet, einem direkten Zugriff entgegensteht.25 Mittelbar richten sich die Noxalklagen jedoch zugleich gegen den Gewaltunterworfenen, da die Möglichkeit besteht, daß er dem Täter ausgeliefert wird. 2 6 Die Preisgabe des Täters soll den Verletzten in die Lage versetzen, den Täter so zu strafen, wie er es von Anfang an gedurft hätte, wenn er damals schon sein Gewalthaber gewesen wäre. 27 Während in älterer Zeit Ziel der Privatrache die Tötung des überantworteten Täters war, rückt mit der Verwirtschaftlichung der Deliktshaftung die Ausnutzung seiner Arbeitskraft in den Vordergrund. 28 Bei Hauskindern erzwingt der Prätor im Laufe der Entwicklung darüber hinaus die Freilassung, wenn die Schuld abgearbeitet ist. 2 9 In nachklassischer Z e i t 3 0 kommt die Noxalhaftung für Delikte von Hauskindern mit der Rückbildung der väterlichen Hausgewalt („patria potestas") allmählich ganz außer Übung. 31 Zwar besteht sie im Hinblick auf Sklaven fort, auch insoweit ergibt sich jedoch nach Abarbeiten der Schuld eine Rückgabepflicht des Klägers. 32
streng zivilrechtlichen, sondern in einem mehr wirtschaftlich-faktischen Sinne verstanden, vgl. Wacke, Zur Aktiv- und Passivlegitimation des gutgläubigen Sklavenbesitzers, 179, 205. Die Haftung des Eigentümers für Delikte des flüchtigen Sklaven war unter den klassischen Juristen umstritten, siehe Ulp. D. 9, 2, 27, 3. Besondere Komplikationen entstanden, wenn der Sklave im Miteigentum mehrerer Herren stand, vgl. D. 9, 4, 5, pr./l. Dazu siehe von Lübtow, Lex Aquilia, S. 50ff. 24 Zur Deliktsfähigkeit des Hauskindes vgl. Käser, RPr I, 83 ff., 275 ff. Hinsichtlich der Deliktsobligation des Sklaven vgl. Ulp. D. 44, 7, 14. 25 S. o., § 2 I 1. 26 Vgl. Kariowa, RR II, 107. 27 Levy, Nachträge, S. 80f. 28 Käser, Altrömisches ius, 231. Im Verfahren der „actio iniuriarum noxalis" konnte der Beklagte sich (nach richterlichem Ermessen) vor dem Endurteil auch dadurch befreien, daß er den Schuldigen dem Verletzten zur Prügelung anbot, vgl. Käser, RPr I, 632. 29 Pap. Coli. 2, 3, 1; dazu Käser, RPr I, 293, 302; derselbe, Zur altrömischen Hausgewalt, SZ 67 (1950), 474, 475 Fußn. 6. 30 Dazu Käser, RPr II, S. 202ff. 31 Justinian hat die Noxalhaftung für Hauskinder planmäßig aus den Quellen beseitigt, vgl. auch Inst. 4, 8, 7. Hauskinder konnten direkt verklagt werden. 32 Anstelle der Noxalhaftung des Herrn kam es im Osten wie im Westen vor, daß der Täter dem Richter überantwortet wurde, damit er bestraft und nach dem Vollzug seinem Herrn zurückgegeben wurde. Allgemein zur nachklassischen Entwicklung vgl. Levy, Vulgarrecht, 342ff.; Käser, RPr II, 430ff.
I. Noxalhaftung
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3. Noxale und persönliche Haftung Aus der Sicht des pater familias erscheint die Noxalhaftung als eine strikte Einstandspflicht für das deliktische Verhalten einer anderen Person. In dieser Form ist sie schon für die X I I Tafeln (12, 2) belegt. 33 Der sinnlich naiven Anschauung der damaligen Zeit entsprechend stellte das Gesetz jedoch allein auf den äußeren Sachverhalt der Unrechtsbegehung durch den unmittelbaren Täter ab. 3 4 Ob der Gewalthaber möglicherweise persönlich Anlaß zu der Tat gegeben hatte, scheint im älteren Rechtszustand noch keine Rolle gespielt zu haben. In jüngerer Zeit findet demgegenüber auch die subjektive Seite Berücksichtigung. Die lex Aquilia aus dem Jahre 286 v. Chr. 3 5 trifft eine Unterscheidung danach, ob der Gewalthaber von der Tat gewußt oder gar die Begehung angeordnet hatte. Wenn der pater familias von dem Vorhaben des Gewaltunterworfenen Kenntnis hatte und die Ausführung dennoch nicht verhinderte, haftete er so, wie wenn er das Delikt selbst begangen hätte, gleichgültig, ob er die Gewalt über den Täter behielt oder nicht. 36 Nach der herrschenden Meinung unter den Klassikern führte das Mitwissen des Herrn allerdings nicht notwendigerweise zur Entlastung des Sklaven: Dem Kläger stand es weiterhin offen, nicht den Gewalthaber direkt zu belangen, sondern im Wege der actio noxalis vorzugehen, die zu einer Übertragung des unmittelbaren Täters führen konnte. Anders verhielt es sich, wenn dem Hauskind oder Sklaven die Ausführung der Tat befohlen worden war. Während nach dem Recht der X I I Tafeln auch in diesem Fall ausschließlich eine Noxalhaftung in Betracht kam, führte der Befehl in klassischer Zeit zur alleinigen Verantwortlichkeit des Hausherrn, ohne Befreiungsmöglichkeit durch Preisgabe des Täters. Der Gewaltunterworfene wurde durch die Anordnung gleichsam zum bloßen Werkzeug und war für die Tat selbst nicht verantwortlich 37 : „Is damnum dat, qui iubet dare: eius vero nulla culpa est, cui parere necesse est" 3 8 , wie der Spätklassiker Paulus formulierte. Da sich die Kenntnis des Gewalthabers sowie der Befehl zur Tatbegehung nach klassischem Recht 33 Vgl. Ulp. D. 9, 4, 2, 1. Dazu siehe Hägerström, Der römische Obligationsbegriff, 229; Käser, Altrömisches ius, S. 222 Fußn. 19; derselbe, RPr I, 163. 34 Siehe von Lübtow, Lex Aquilia, 44. 35 Zur Datierung vgl. Käser, RPr I, 161; Zimmermann, Obligations, 955 f. 36 Dazu und zur Kontroverse zwischen Celsus und Julian in Ulp. D. 9, 4, 2, 1 (nach Celsus gibt es neben der direkten Klage „ex lege Aquiliae" keine noxale Klage, wohingegen Julian beide Klagen nebeneinander zuläßt) vgl. von Lübtow, Lex Aquilia, 44ff.; Kariowa, RR II, 109; Levy, Konkurrenz I, 158ff. 37 Von Lübtow, Lex Aquilia, 46 f. Anders führt bei schweren Vergehen der Befehl des Herrn in byzantinischer Zeit nicht notwendigerweise zur Entlastung des Sklaven, vgl. dazu auch Levy, Konkurrenz I, 289 Fußn. 6. 38 D. 50, 17, 169.
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
auf die Verantwortlichkeit der Beteiligten auswirkte 39 , war im Ansatz damit die moderne Unterscheidung zwischen persönlicher Haftung des Herrn, die auf Eigenverschulden beruht, und strikter Haftung für unerlaubte Handlungen anderer Personen angelegt. 40 39
Darüber hinaus gibt es Anhaltspunkte für eine weitergehende deliktische Haftung des Herrn bei einfachem Verschulden in der Spätklassik, vgl. das umstrittene Fragment Ulp. D. 9, 2, 27, 11; dazu Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 392 ff., insbesondere 399; MacCormack, Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525, 536 ff. 40 Die Verflechtung der Haftung von Täter und Gewalthaber führte zu einigen Besonderheiten im Verfahren, vgl. i.e. Kaser/Hackl, Prozeßrecht, insbesondere 88f., 254 ff., 278 f., 342f. m.w.N. Nach der Ladung des Gewalthabers vor Gericht („in ius vocatio") ermächtigte der Prätor den Kläger zu zweierlei „interrogationes in iure" oder einer Doppelfrage darüber, ob sich der Beklagte als Gewalthaber bekenne und ob der Beklagte den Täter in seiner tatsächlichen Gewalt habe, vgl. Lenel, EP, 159 ff. Die Rechtsfolgen unterschieden sich danach, ob der Gewaltunterworfene und der Gewalthaber vor Gericht („in iure)" erschienen. Im Idealfall waren beide anwesend. Die Deliktsklagen wurden gegen den Gewalthaber mit besonderer Formelgestaltung gewährt, die sich alternativ auf Bußzahlung oder noxae deditio richtet (zu den „actiones noxales" siehe Kaser/Hackl, Prozeßrecht, 342 f.). Da die Unrechtsbegehung des Gewaltunterworfenen zu einer persönlichen Verpflichtung des Gewalthabers führte, nahmen die Klagen die Form der sogenannten „actiones personales" an, die eine Defensionspflicht des Beklagten zur Folge hatten. Dies entspricht der von Lenel, Actiones noxales, SZ 47 (1927), Iff. erfolgreich gegen Biondi, Actiones noxales, verteidigten Ansicht, die heute allgemeine Meinung ist. Wiederum z.T. anders De Visscher, Le régime romain de la noxalité, 349 ff. Sofern der Gewalthaber die Einlassung auf die Klage verweigerte, drohte ihm daher die Vollstreckung im Wege der Personal- oder Vermögensexekution („ductio" oder „missio in bona"). Allerdings konnte er sich von vornherein von dem Verteidigungszwang befreien, indem er die noxae deditio vollzog. Der Prätor konnte in diesem Fall den Gewaltunterworfenen dem Beklagten durch „addictio" zusprechen, was einer „in iure cessio" gleichkam, vgl. Käser, RPr I, 164 sowie Kaser/Hackl, Zivilprozeßrecht, 89. Femer konnte sich der Kläger damit zufrieden geben, daß ihn der Prätor ermächtigte, den Täter ohne weiteres wegzuführen. Zu dieser „ductio" vgl. Paul. D. 2, 9, 2, 1; Afr. D. 9, 4, 28. Nahm der Gewalthaber die Verteidigung auf sich und unterlag er im Rechtsstreit, wurde er zu Bußzahlung oder noxae deditio verurteilt. Die Gewalt über den Täter wurde durch den römischen Geschäftsakt der Manzipation (Gai. 4, 79) oder im Falle des Sklaven auch durch die „in iure cessio" übertragen. Nach einer Auffassung in der modernen Literatur war in dieser Hinsicht sogar die „traditio" ausreichend, vgl. Benöhr, Zur Haftung für Sklavendelikte, SZ 97 (1980), 273, 284 f. Bei Abwesenheit des Gewaltunterworfenen traf den pater familias die Verpflichtung, entweder die Verteidigung trotz mangelnder Präsenz zu übernehmen oder ihn vor Gericht zu führen (Paul. D. 9, 4, 22, 3; Paul. D. 2, 9, 2, 1.). Wenn er hingegen von vornherein bestritt, die tatsächliche Gewalt über Sklaven oder Hauskind zu besitzen, mußte er schwören, daß er die Gewalt nicht hatte, bzw. nicht arglistig aufgegeben hatte, oder (je nach Wahl des Klägers) mit einer Klage ohne Möglichkeit der noxae deditio rechnen (Ulp. D. 9, 4, 21, 2.). Gleiches scheint bei Verneinung der Eigentümerstellung gegolten zu haben (analog der „actio de pauperie", vgl. Ulp. D. 9, 1, 1, 15). Wiederum anders stellte sich die Situation dar, wenn der Gewalthaber selbst nicht erschienen war. Sofern niemand anders bereit war, die Verteidigung zu über-
II. Haftung für Hilfspersonen
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4. Zusammenfassung Die Noxalhaftung ist die älteste römische Form einer strikten Haftung für Delikte anderer Personen und damit gleichsam der europäische Urtyp einer Verantwortlichkeit für fremdes Handeln. Sie ist untrennbar verknüpft mit den sozialen Verhältnissen ihrer Zeit, für die Sklaverei ebenso kennzeichnend ist wie die beherrschende Rolle des Familienvaters über seine Hauskinder. Die Haftungsalternativen Bußzahlung und Preisgabe des Täters waren historisch aus der Kollision zwischen Racherecht des Verletzten und der Hausgewalt des pater familias entstanden und hatten sich bis in die klassische Zeit zum Gegenstand einer Rechtspflicht entwickelt. Da die Noxalhaftung auf einem Statusverhältnis zwischen dem Familienoberhaupt und den Mitgliedern des Hausverbandes beruhte, war die Einstandspflicht nicht durch den Umfang einer übertragenen Aufgabe beschränkt, sondern erstreckte sich auf sämtliche Delikte. Die Sklavenarbeit bildete in Rom jedoch die entscheidende Wirtschaftsgrundlage, so daß die Noxalhaftung im praktischen Ergebnis vielfach einer Verantwortlichkeit für Angestellte gleich kam und zu einem großen Teil ähnliche Funktionen wie die Gehilfenhaftung im modernen Recht erfüllte. Der Hausherr konnte sich von der Bußzahlungspflicht allerdings durch Auslieferung des Täters befreien und haftete so gesehen maximal in Höhe des Wertes des Schadensverursachers. Mit der Preisgabe des Delinquenten als Haftungsalternative richtete sich die actio noxalis mittelbar zugleich gegen den primär verantwortlichen Sklaven oder Haussohn.
I I . Haftung für Hilfspersonen im Rahmen von Sonderverbindungen Außerhalb der Noxalhaftung sind die Römer davon ausgegangen, daß prinzipiell niemandem das Verhalten eines anderen zum Nachteil gereichen dürfe: „Neque enim debet nocere factum alterius ei qui nihil fecit", wie Ulpian beispielsweise formulierte. 41 Zu diesem Grundsatz bildeten sich jedoch einige Ausnahmefälle heraus, in deren Rahmen sich eine Verantnehmen, wurde der Kläger ermächtigt, den Täter wegzuführen („duci iubere", vgl. Paul. D. 2, 9, 2, 1; 6, 2, 6). Wenn ein Hauskind nicht verteidigt wurde, konnte es auch selbst den Prozeß übernehmen, vgl. Pomp. 9, 4, 33; lui. D. 9, 4, 34; ferner Ulp. D. 5, 1, 57. War neben dem Beklagten auch der Täter abwesend, konnte dessen Präsenz im Klageweg erreicht werden, mittels der sogenannten „actio ad exhibendum", vgl. Ulp. D. 10, 4, 3, 7; 2, 7, 3 pr. 41 Ulp. D. 39, 1, 5, 5. Hinweise auf diesen Grundsatz finden sich in zahlreichen Quellen aus verschiedenen sachlichen Zusammenhängen, vgl. beispielsweise Paul. D. 2, 10, 2; Cels. D. 8, 6, 6, 1 c, d; Alf. D. 28, 5, 45; Ner. D. 44, 4, 11 pr.; Ulp. D. 44, 4, 4, 17. 4 Wicke
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
wortlichkeit für Hilfspersonen ergeben konnte. Die Gehilfenhaftung wurde dabei freilich nicht als abstrakt-systematisches Problem, sondern einzelfallbezogen behandelt mit der Folge, daß sich in dieser Frage keine klaren und allgemein gültigen Grundsätze herausbildeten. Von zentraler Bedeutung für die spätere geschichtliche Entwicklung wurde eine Reihe von Sondertatbeständen des prätorischen Edikts, die ihrer Zweckbestimmung nach ausdrücklich auch eine Verantwortlichkeit für fremdes verbotenes Handeln einschlossen und denen daher besondere Aufmerksamkeit zu widmen sein wird (unten IV). Daneben wurde die Frage nach einer Einstandspflicht für Hilfspersonen von den römischen Juristen wiederholt im Rahmen von Sachverhaltskonstellationen diskutiert, in denen zum Zeitpunkt der schadenstiftenden Handlung bereits ein vertragliches (oder sonstiges) Schuldverhältnis zwischen den Parteien vorhanden war. Obgleich die Gehilfenhaftung bei bestehender Sonderverbindung über den anvisierten Untersuchungsgegenstand hinausgeht, sind vor der Analyse der erwähnten prätorischen Sondertatbestände einige zentrale Fragmente aus diesem Themenkreis zu erörtern, um das Gesamtbild des römischen Rechtsgedankenmaterials zu gewinnen, das die späteren Generationen bei Erschaffung der modernen Haftungsgrundsätze vor Augen hatten (III). Die Problematik wurde im 19. Jahrhundert zu den „meistbestrittenen" 42 gerechnet und war seit dieser Zeit wiederholt das Thema von umfangreichen Aufsätzen und Monographien. 43 Während die wissenschaftliche Diskussion vor der Jahrhundertwende durch praktische Rücksichten auf die Anwendbarkeit des Corpus Iuris Civilis in mancher Hinsicht gefesselt war, hat sich das Schrifttum nach Erlaß des BGB stärker um eine historische Behandlung der Quellen bemüht 44 , ist dabei aber in der Annahme von text42
Vgl. Mugdan II 16. Zahlreiche Spezialabhandlungen wurden allein in Deutschland zum Thema veröffentlicht, siehe beispielsweise Burchardi, Ueber die Verantwortlichkeit des Schuldners für seine Gehülfen bei der Erfüllung von Obligationen - eine civilistische Abhandlung (1861); Conradi, Die Haftung für Gehilfen und Substituten (1896); Rang, Die Haftung des Schuldners für Dritte nach gemeinem Recht (1886); Wäntig, Über die Haftung für fremde unerlaubte Handlungen nach römischem, gemeinem, königlich sächsischem und neuerem deutschen Reichsrechte (1875); von Wyß, Die Haftung für fremde Culpa nach römischem Recht (1867); ferner Goldschmidt, Das receptum nautarum, cauponum, stabulariorum, ZHR 3 (1860), 58 ff. und 331 ff.; derselbe Über die Verantwortlichkeit des Schuldners für seine Gehülfen, ZHR 16 (1871), 287 ff., 321 ff.; Ubbelohde, Über die Haftung des Geschäftsherrn aus der Verschuldung der in seinem Geschäft angestellten Personen bei der Erfüllung übernommener Verbindlichkeiten, ArchpraktRW 7 (1860), 229ff.; derselbe, Wie weit haftet nach gemeinem Recht der Schuldner als solcher für diejenigen Personen, deren er sich zum Zwecke der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient, ZHR 7 (1864), 199 ff. Einen Überblick über die verschiedenen Positionen im 19. Jahrhundert gibt Niethammer, Entwicklung der Haftung für Gehilfenhandeln. 43 Vgl. die Übersicht bei Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 341 Fußn. 1.
II. Haftung für Hilfspersonen
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kritischen Interpolationsvermutungen nach heutiger Auffassung sehr weit gegangen.45 Max Käser bemerkte daher noch 1971 in dem ersten Band seines römischen Privatrechts, daß der Gegenstand weiterer Klärung harre 46 , bevor zwölf Jahre später Rolf Knütel in einer umfangreichen Abhandlung eine ausführliche Quellenanalyse betrieb. 47 Neben der großen Menge von Sekundärliteratur ist die Durchdringung des Stoffes dadurch erschwert, daß einige der zahlreichen Fragmente zur Problematik unzweifelhaft von Eingriffen der Kompilatoren in die ursprüngliche Substanz betroffen sind. 48 Da im justinianischen Recht freilich auch „klassisches Gedankengut in nachklassischem Gewände" 49 anzutreffen ist, muß mit formalen Unebenheiten und Unvollkommenheiten nicht notwendig auch eine inhaltliche Veränderung der ursprünglichen Rechtslage verbunden sein. Auf dieser Grundlage besteht (ungeachtet der allgemeinen byzantinischen Vorliebe für subjektive Tatbestände50) vor allem Anlaß zu Zweifeln an der wiederholt geäußerten Auffassung 51 , wonach erst Justinian zahlreichen Konstellationen einer strikten Einstandspflicht für fremdes Handeln ein persönliches Auswahlverschulden (culpa in eligendo) unterlegt haben soll, um auf diese Weise ein einheitliches Verschuldenskonzept in der Problematik der Gehilfenhaftung zu begründen. 52 Die Quellen zur vertraglichen Verantwortlichkeit für Hilfspersonen präsentieren vielmehr ein vielschichtiges und kontroversenreiches Bild, dem sich differenzierte Abstufungen nach den Interessenlagen entnehmen lassen, das jedoch einen abstrakten allgemeingültigen Ansatz nicht erkennen läßt. Da die nachfolgende Untersuchung in sehr spezielle und komplizierte Fallkonstellationen des römischen Rechts führen wird, sind der Analyse zur Erleichterung des Verständnisses einige kurze zusammenfassende Beobachtungen voranzustellen: Aus den Quellen spricht für die Klassik eine schritt44
So ausdrücklich Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9. 45 Den heutigen Stand der textkritischen Forschung repräsentieren vor allem die Abhandlungen von Käser, Methodologie und Wieacker, Textkritik und Sachforschung, SZ 91 (1974), Iff. (siehe auch derselbe, RR, 154ff.). Ein kurzer Überblick findet sich ferner bei Dulckeit/Schwarz/Waldstein, RR, 315 ff. 46 Käser, RPr I, 513 Fußn. 78. 47 Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340. 48 Zugunsten einer wissenschaftlich fundierten Darstellung der Problematik nimmt die Untersuchung daher zwangsläufig einen größeren Raum ein, als ihrer entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung im Hinblick auf die Verrichtungsgehilfenhaftung im modernen Recht zukommt. 49 Dulckeit/Schwarz/Waldstein, RR, 317. 50 Vgl. Käser, RPr II, 346 ff. 51 Siehe etwa Fritz Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9; Fritsch, Gehilfenhaftung, 9ff. 52 Vgl. schon MacCormack, Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525. 4'
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
weise Entwicklung, die zu einer Ausdehnung der Gehilfenhaftung tendierte. Nach einigen überlieferten Entscheidungen der römischen Juristen ging die Verantwortlichkeit für Hilfspersonen auch bei Bestehen eines Vertragsverhältnisses nicht über die deliktische (Noxal-) Haftung hinaus. Um eine unbeschränkte Einstandspflicht des Hausherrn zu erreichen, mußte der Gläubiger daher (entsprechend den obigen Ausführungen 53 ) dessen positive Kenntnis von dem unerlaubten Verhalten einer gewaltunterworfenen Person nachweisen. Demgegenüber scheint allmählich jedoch die Auffassung an Boden gewonnen zu haben, daß der Schuldner bei eigenem Verschulden, das in dem schadenstiftenden Verhalten des anderen - Sklaven oder Freien - zum Ausdruck kam, grundsätzlich in voller Höhe Ersatz leisten mußte. Der angelegte Schuldmaßstab konnte dabei freilich je nach den Umständen des Einzelfalls variieren und war nicht auf den Begriff der culpa in eligendo festgelegt. 54 In bestimmten Ausnahmesituationen konnte es ferner auch ohne persönliches Verschulden des Hausherrn zu einer (unbegrenzten) Gehilfenhaftung kommen. Neben Konstellationen einer vertraglichen Risikoübernahme, die kraft Auslegung Drittverschulden einschloß, kam dies etwa in Betracht, wenn das Einschalten einer anderen Person in die Erfüllung von Verbindlichkeiten eine Pflichtverletzung des Schuldners bedeutete. Nach hier vertretener Auffassung läßt sich allerdings (entgegen der herrschenden Literaturmeinung) aus einer sogenannten „custodia-Pflicht" 55 , die hinsichtlich übergebener Sachen eine Verantwortlichkeit bis zur Schwelle der höheren Gewalt begründete und damit auch den von Dritten begangenen Diebstahl erfaßte, nicht notwendig eine Haftung für eigene Leute ableiten, da das Konzept der custodia, wie sich zeigen wird, auf Eingriffe zugeschnitten ist, die von außen auf einen anvertrauten Gegenstand ausgehen.56 53
Vgl. § 2 I 3. Das klassische römische Recht kannte auch sonst im vertraglichen Bereich keine absoluten Haftungsgrundsätze. Die subjektiven Maßstäbe wurden, ausgehend von einer reichhaltigen Kasuistik, für die verschiedenen Arten von Obligationen unterschiedlich behandelt, was zu einer vielfältigen, nach der Interessenlage abgestuften Differenzierung führte, vgl. Käser, RPr I, 505 ff. Zur nachklassischen Entwicklung vgl. Käser, RPr II, 346 ff. 55 Dazu s.u., § 2 II 4. 56 Im Schrifttum findet die hier vertretene Auffassung eine Stütze lediglich in der folgenden (beiläufigen) Auffassung von Wolfgang Kunkel, Diligentia, SZ 45 (1925), 266, 277: „Custodia bedeutet auch in technischer Verwendung immer noch »Bewachung*. Durch Bewachung aber kann immer nur ein von außen kommender Angriff auf die anvertraute Sache abgewehrt werden, nicht auch ein im Innern des Betriebs entstandener Schaden." Nach der konträren Auffassung von Fritz Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, bildeten die Fälle der custodia-Haftung einen von zwei Bereichen, in denen sich eine strikte Einstandspflicht des Schuldners für Gehilfenhandeln ergab, vgl. S. 10: ,,[I]m klassischen Rechte steht der Herr in zwei Gruppen von Fällen für das Verschulden seiner Angestellten unbedingt ein, ohne eigenes Verschulden; die eine Gruppe bilden eben die Fälle der 54
II. Haftung für Hilfspersonen
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1. Dominus sciens Das erste zu behandelnde Fragment führt in den Kontext der „cautio vadimonium sisti", ein Strafversprechen, durch das sich der Kläger bei Vertagung der Verhandlung das Wiedererscheinen des Beklagten vor dem Prätor zusichern ließ. Strafversprechen wurden im römischen Recht durch das Formalgeschäft der „stipulatio" begründet. Dabei handelte es sich um ein mündliches Leistungsversprechen, das aufgrund seiner vielseitigen Verwendbarkeit im römischen Rechtsleben von großer praktischer Bedeutung war. 5 7 Aus der Strafstipulation wurde eine Klage strengen Rechts („stricti iuris" 5 8 ) gewährt, die auf ein „certum", also einen feststehenden Betrag lautete und damit dem Richter geringen Ermessensspielraum ließ. 5 9 Der Beklagte, der entgegen der cautio vadimonium sisti nicht erschien, konnte sich von der Haftung nur durch bestimmte ediktale Einreden befreien. 60 Eine dieser Einreden war anwendbar, wenn der Kläger durch Arglist die Anwesenheit verhindert hatte.
custodia-Haftung, denn für den custodia-Pflichtigen ist das Verschulden seiner Leute niederer Zufall, für den er aufzukommen hat ... Außerhalb dieser beiden Gruppen haftet man, abgesehen von der widerrechtlichen Verwendung von Gehülfen, nur für culpa in eligendo, ein Satz, der freilich im entwickelten klassischen Recht nur eine geringe Rolle spielt, da die praktisch wichtigsten Fälle eben durch die custodia-Haftung gedeckt sind ... Als Justinian die custodia-Haftung strich und sie in eine culpa-Haftung abmilderte, mußte er auch die in der custodia gelegene unbedingte Haftung für die Angestellten in eine Haftung für Verschulden des Herrn verändern." Einschränkend jedoch bereits Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 357: „Wir müssen zur custodia-Haftung mithin nach Gegenstand (Grundstück/Mobilie), Schadensereignis (Diebstahl, Sklavenflucht, Sachbeschädigung) und Juristen unterscheiden - und schon deshalb ist kaum glaubhaft, daß die custodia Haftung das Hauptanwendungsfeld der Einstandspflicht für Hilfspersonen gewesen sei." In Wirklichkeit findet sich (außer einem besonders gelagerten Einzelfall im Rahmen des receptum nautarum, cauponum, stabulariorum) in den Quellen kein einziges Fragment, in dem eine Haftung des Schuldners für seine Hilfspersonen ausdrücklich mit seiner custodia-Pflicht begründet wurde. Sofern man die einschlägigen Fragmente nicht sämtlich für inhaltlich manipuliert erachten will, bleibt als plausible Erklärung übrig, daß die custodia-Pflicht auf den von außen kommenden Angriff beschränkt war und die Gehilfenproblematik davon unabhängig beurteilt wurde. Dazu siehe i.e. unten § 2 II 4. 57 Dazu beispielsweise Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 106ff., 294ff.; Zimmermann, Obligations, 95 ff. 58 Zur Unterscheidung zwischen strengeren Klagen und den „bonae fidei iudicia" siehe beispielsweise Käser, RPr I, 485 ff. 59 Unsicher ist, ob die einschlägige Klage die „actio certi ex stipulati" oder die „condictio certae creditae pecuniae" war, siehe Knütel, Stipulatio poenae, 22; Käser, RPr I, 542. 60 Vgl. Lenel, EP, 501 f.
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
Der Jurist Paulus behandelt den Fall, daß nicht der Kläger selbst, sondern sein Sklave das Erscheinen des Beklagten vereitelt hat, und trifft eine Unterscheidung, die von der Noxalhaftung her bereits geläufig ist 6 1 : Wenn der Kläger von dem Verhalten seines Sklaven gewußt und, obgleich er dazu in der Lage war, es nicht verhindert hat, steht dem Beklagten die erwähnte Einrede 62 zu. Andernfalls verfällt die Strafe, wie Paulus im Anschluß an den Frühklassiker Sabinus entscheidet. Dem Beklagten wird lediglich eine besondere Klage mit Noxalklausel eingeräumt, die jedoch maximal zu einer Haftung in Höhe des Wertes des Sklaven führt. 63 Zur Begründung seiner Entscheidung führt Paulus aus, daß der Kläger selbst kein Unrecht begangen hat („quando ipse nihil deliquit"). Eine Zurechnung erfolgt daher nur bei positivem Wissen, einfaches Verschulden reicht nicht. Namentlich der Begriff der culpa in eligendo ist für das Urteil offensichtlich irrelevant. Das Beispiel der cautio vadimonium sisti läßt vermuten, daß die Römer im Bereich der Stipulation die Frage der Gehilfenhaftung restriktiv beurteilten. 64
2. Culpa a) Negotium gestum In einer Vielzahl von Quellen wird freilich eine Haftung angenommen, wenn sich persönliches Verschulden des Beklagten in dem schadensstiftenden Verhalten eines Angestellten manifestiert. Der Gedanke des Auswahl61
Paul. D. 2, 10, 2: „Si actoris servus domino sciente et cum possit non prohibente dolo fecerit, quo minus in iudicio sistam, Ofilius dandam mihi exceptionem adversus dominum ait, ne ex dolo servi dominus lucretur. Si vero sine voluntate domini servus hoc fecerit, Sabinus noxale iudicium dandum ait nec factum servi domino obesse debere nisi hactenus, ut ipso careat: quando ipse nihil deliquit." 62 Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 368. 63 Zu dieser „actio in factum" siehe beispielsweise lui. D. 2, 10, 3 pr./2. 64 Vgl. Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 369: „Mit aller Klarheit wird daran deutlich, daß der Frühklassiker Sabinus, dem noch Paulus folgt, das Handeln des Sklaven dem kenntnislosen Dominus jedenfalls bei der Stipulation nicht zurechnete." Im Ergebnis ähnlich ist die Entscheidung zur strengrechtlichen „actio ex testamento" (die der actio ex stipulatione nahestand, vgl. Käser, RPr I, 743), überliefert in Pomp. D. 30, 48, pr.: „Si heredis servus rem legatam ignorante domino subtraxisset et vendidisset, Atilicinus in factum dandam actionem, ut vel noxae servum dederet dominus vel ex peculio praestaret, quod ex venditione eius rei haberet." Ein Sklave hat ohne Wissen seines Herrn eine durch Damnationslegat vermachte Sache weggenommen und verkauft. Nach der Auffassung von Atilicinus, der Pomponius folgt, ist dem Vermächtnisnehmer gegen den Erben eine actio in factum zu gewähren, die entweder durch Noxalklausel oder auf den Wert des Gegenstandes beschränkt ist, der durch die Veräußerung erlangt wurde. Im übrigen wird der Eigentümer des Sklaven, der von der Tat des Sklaven keine Kenntnis hatte, von der Vermächtnisverbindlichkeit frei.
II. Haftung für Hilfspersonen
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Verschuldens findet sich beispielsweise in einem Fragment zur Geschäftsführung ohne Auftrag („negotium gestum"). 65 Der Kläger hatte die Besorgung eines Geschäfts für den Beklagten übernommen, die Durchführung jedoch Lucius Titius übertragen, der seinerseits die Aufgabe mangelhaft erfüllte. Da Lucius Titius in den Pflichtenkreis des Geschäftsführers eingeschaltet wurde, wäre er als Erfüllungsgehilfe im modernen Sinne des § 278 BGB anzusehen. Paulus unterscheidet: Bei fehlendem eigenen Verschulden muß der Geschäftsführer nur seine Klagen gegen Lucius Titius abtreten. Wenn er ihn dagegen nicht sorgfältig ausgewählt hat („quod imprudenter eum elegeris" 66 ), muß er den vollen Schaden ersetzen, der durch die Nachlässigkeit von Lucius Titius entstanden ist.
b) Locatio conducilo rei Wie eine Reihe von Fragmenten zur Miete oder Pacht („locatio conducilo rei' 4) von Häusern deutlich zeigt, konnte der Schuldvorwurf gegen den Hausherrn auch andere Formen als Auswahlverschulden annehmen. Im römischen Recht haftete der Mieter oder Pächter von Immobilien für dolus und culpa. 67 Ob sich bei Nachweis von persönlichem Verschulden auch eine Haftung des „conductor" für fremdes Handeln ergeben konnte, war unter den klassischen Juristen freilich umstritten. Für die vorliegende Fragestellung ist diese Kontroverse von besonderem Interesse, da sie eine stufenweise Entwicklung widerspiegelt, die sich auf vergleichbare Weise auch im Rahmen anderer Vertragstypen ereignet haben könnte. 68 Das einschlägige Quellenmaterial ist daher einer ausführlicheren Analyse zu unterziehen. Ein 65
Paul. D. 3, 5, 20, (21,) 3: „Mandatu tuo negotia mea Lucius Titius gessit: quod is non recte gessit, tu mihi actione negotiorum gestorum teneris non in hoc tantum, ut actiones tuas praestes, sed etiam quod imprudenter eum elegeris, ut quidquid detrimenti neglegentia eius fecit, tu mihi praestes.44 66 Seiler, Der Tatbestand der negotiorum gestio, 118 Fußn. 6, geht von einer interpolierten Verschuldensfiktion aus. Vgl. ferner Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 345 ff., der Echtheit annimmt, das „quod44 allerdings auch bei wörtlicher Übersetzung im konkreten Textzusammenhang nicht kausal, sondern konditional begreift. 67 A. a. Hoffmann-Riem, Die Custodia-Haftung des Sachmieters untersucht an Alf./Paul. D. 19, 2, 30, 2, SZ 86 (1969), 394, insbes. 398, der von einer custodiaHaftung auch des Mieters oder Pächters von unbeweglichen Sachen ausgeht. Wie hier jedoch Frier, Tenant's Liability, SZ 95 (1978), 232, 234, 245 mit dem zutreffenden Hinweis, daß „custodire44 in Alf. D. 19, 2, 29 untechnisch zu begreifen ist; ferner Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 234. Die Frage nach dem Verhältnis von custodia und strikter Einstandspflicht für fremdes Handeln stellt sich an dieser Stelle daher nicht, dazu s.u., § 2 II 4. 68 Vgl. Frier, Tenant's Liability, SZ 95 (1978), 232, 256ff.
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
gewöhnlicher Fall von Auswahlverschulden läßt sich zunächst der folgenden Doppelüberlieferung entnehmen: aa) Culpa in eligendo Coll. 12, 7, 7: „Si forte servus, qui idem conductor est, coloni ad fornacem obdormisset et villa fuerit exusta, Neratius scribit ex locato conventum praestare debere, si neglegens in eligendis ministeriis fuit ..
Ulp. 18 ad ed. D. 9, 2, 27, 9: „Si fornicarius servus coloni ad fornacem obdormisset et villa fuerit exusta, Neratius scribit ex locato conventum praestare debere, si neglegens in eligendis ministeriis fuit ..
Ein Sklave des Pächters ist an der Feuerstelle eingeschlafen und das gepachtete Landhaus daher abgebrannt. Nach Auffassung von Neratius haftet der Pächter aus Vertrag, sofern er bei der Auswahl seiner Diener fahrlässig gehandelt hat. Der Text ist nicht in seiner ursprünglichen Form überliefert. 69 Während früher die Voraussetzung des Auswahlverschuldens („si neglegens in eligendis ministeriis fuit 4 ') vielfach für unecht gehalten wurde 70 , besteht heute über die Authentizität der inhaltlichen Aussage weitgehend Einigkeit. 71 Das Verschulden des Pächters hat einen konkreten Bezug zum schadensstiftenden Verhalten des Sklaven. Ihm ist vorzuwerfen, daß er die Überwachung des Feuers auf den schläfrigen Sklaven übertragen hat. Auf diesen Fall paßt daher wiederum der geläufige Terminus der culpa in eligendo. 72 bb) Von der deliktischen Haftung zur „culpa in habendo" Anders stellt sich die Lage in der nachstehenden Doppelüberlieferung dar, die einen Meinungsstreit unter den klassischen Juristen bezeugt. Während nach der einen Auffassung eine Verantwortlichkeit für fremde Schuld auf vertraglicher Grundlage vollständig abzulehnen ist, nimmt die Gegenmeinung einen weitgefaßten culpa-Begriff zum Ansatz für die Gehilfenhaftung: 69
Vgl. Frier, Tenant's Liability, SZ 95 (1978), 232, 256f. mit weiteren Literaturhinweisen. Auch die (hier nicht interessierende) Fortsetzung des Textes ist Gegenstand einer Meinungsauseinandersetzung. 70 Vgl. beispielsweise Kunkel, Diligentia, SZ 45 (1925), 266, 331. 71 Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 399 ff. m.w.N. 72 Die Formulierung der Äußerung („si neglegens ...") deutet ferner darauf hin, das Verschuldenserfordernis entgegen Krückmann (Periculum emptoris, SZ 60 (1940), 1, 20; Versicherungshaftung im römischen Recht, SZ 63 (1943), 1, 19 f.) nicht im Sinne einer bloßen Fiktion zu begreifen.
II. Haftung für Hilfspersonen
Ulp. Coli. 12, 7, 9: „Sed et si qui servi inquilini insulam exusserint, libro X Urseius refert Sabinum respondisse lege Aquilia servorum nomine dominum noxali iudicio conveniendum: ex locato autem dominum teneri negat. Proculus autem respondit, cum coloni servi villam exusserint, colonum vel ex locato vel lege Aquilia teneri, ita ut colonus servos posset noxae dedere, et si uno iudicio res esset iudicata, altero amplius non agendum."
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Ulp. 18 ad ed. D. 9, 2, 27, 11: „Proculus ait, cum coloni servi villam exussissent, colonum vel ex locato vel lege Aquilia teneri, ita ut colonus possit servos noxae dedere, et si uno iudicio res esset iudicata, altero amplius non agendum, sed haec ita, si culpa colonus careret: ceterum si noxios servos habuit, damni eum iniuria teneri, cur tales habuit. idem servandum et circa inquilinorum insulae personas scribit: quae sententia habet rationem."
In dem links angeführten Text aus der Collatio referiert Urseius eine Äußerung des Sabinus, wonach ein Mieter, dessen Sklaven das Mietshaus haben abbrennen lassen, aufgrund einer deliktischen Noxalklage belangt werden könne („actio legis Aquiliae"). Ergänzend fügt Urseius die Bemerkung hinzu, daß eine zusätzliche Haftung aus Vertrag („actio locati") nicht in Betracht käme. Demgegenüber entscheidet Proculus in einem vergleichbaren Fall, in dem Sklaven des Pächters das gepachtete Landhaus in Brand gesetzt haben, daß der Beklagte sowohl aus Vertrag als auch aus Delikt hafte. Beide Klagen seien jedoch noxal beschränkt, so daß der Beklagte sich durch Auslieferung des Täters von seiner Verantwortlichkeit befreien könne. 73 Wenn über die eine Klage rechtskräftig entschieden worden sei, komme die andere nicht mehr zur Anwendung. 74 Nach der Quellenlage hat der Mieter oder Pächter zunächst selbst nicht schuldhaft gehandelt. 75 Während Urseius und Sabinus lediglich eine deliktische Klage befürworten, dehnt Proculus die Haftung auf den vertraglichen Bereich aus. Die (rechts abgedruckte) von Ulpian überlieferte Digestenstelle enthält in dieser Beziehung nun eine wesentliche Ergänzung. Die noxale Begrenzung kommt demzufolge nur dann zum Tragen, wenn der Beklagte selbst ohne Verschulden handelte („si culpa colonus careret"). Im übrigen 73
Die Möglichkeit einer noxal beschränkten Vertragsklage wird für das klassische Recht vielfach abgelehnt, vgl. beispielsweise Stein, Fault in the Formation of Contract, 147; von Lübtow, Lex Aquilia, 72 Fußn. 202; auch durch andere Quellen scheint die noxale Beschränkung nichtdeliktischer Klagen jedoch gesichert, vgl. Ofilius D. 10, 2. 16, 6; Paul. D. 17, 26, 7. Die noxale Vertragsklage ist auch nicht wertlos, da es nicht zur Auslieferung des Sklaven kommen mußte und die Schadensberechnung in diesem Fall zu einem anderen Ergebnis führen konnte als bei der deliktischen Klage, vgl. Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 393. 74 Lediglich aufgrund einer deliktischen Noxalklage haftet nach Paul. D. 19, 2, 45 pr. auch der Vermieter für die Schäden, die seine Sklaven dem Mieter zugefügt haben. 75 Vgl. jedoch Mayer-Maly, Locatio Conductio, 200: „Keinesfalls konnte Proculus den conductor als von culpa frei angesehen haben."
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sei er einer unbeschränkten deliktischen Haftung 76 ausgesetzt, weil er unzuverlässige Sklaven in seiner Gewalt habe („ceterum si noxios servos habuit, damni eum iniuria teneri, cur tales habuit"). Somit wird der einfache Besitz von Sklaven, deren Unrechtsbegehung hätte verhindert werden können, zum Anknüpfungspunkt einer weitgehenden Verantwortlichkeit genommen. Der Schuldner haftet gleichsam für „culpa in habendo." Diese Ergänzung wird, da nicht in der Collatio enthalten, vielfach für interpoliert gehalten. 77 Selbst wenn sprachliche Bedenken an der Echtheit der Formulierung gerechtfertigt sind, besteht jedoch kein überzeugender Grund, die klassische Substanz des Fragments in Frage zu stellen. Die A c l Konstruktion („damni eum iniuria teneri") deutet eher auf die Wiedergabe einer originalen Äußerung als auf eine justinianische Neuschöpfung. 78 Die eigentümlich anmutende culpa in habendo, die das Halten unzuverlässiger Sklaven zur Grundlage der Haftung nimmt, knüpft an die konkreten Umstände des Sachverhaltes an, wie es für das klassische Recht typisch ist. 7 9 Ulpian scheint dabei von Verschulden im technischen Sinne ausgegangen zu sein und nicht von einer strikten Einstandspflicht des Schuldners. 80 Dieser Haftungsansatz findet eine Parallele in einem anderen Ulpian-Fragment, das ebenfalls aus dem Kontext der locatio conducilo rei stammt und im folgenden zu besprechen ist:
cc) Drei Fragen, eine Antwort Ulp. 32 ad ed. D. 19, 2, 11 pr.: „Videamus, an et servorum culpam et quoscumque induxerit praestare conductor debeat? et quatenus praestat, utrum ut servos noxae dedat an vero suo nomine teneatur? et adversus eos quos induxerit utrum praestabit tantum actiones, an quasi ob propriam culpam tenebitur? mihi ita placet, ut culpam etiam eorum quos induxit praestat suo nomine, etsi nihil convenit, si tarnen culpam in inducendis admittit, quod tales habuerit vel suos vel hospites: et ita Pomponius libro sexagesimo tertio ad edictum probat." 76
Die Formulierung „damni eum iniuria teneri" deutet auf eine deliktische Haftung nach der lex Aquilia. Nach MacCormack war daneben vermutlich auch eine vertragliche Klage anwendbar, vgl. Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525, 536. 77 Vgl. vor allem Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 32f.; Levy, Konkurrenz II, 70f.; siehe auch Wieacker, Textstufen klassischer Juristen, 246; Pernice, Zur Lehre von den Sachbeschädigungen nach römischem Rechte, 215 Fußn. 3. 78 Siehe auch MacCormack, Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525, 539. 79 Vgl. auch Zimmermann, Obligations, 377: „Here it is not so convenient to refer to culpa in eligendo because to bring both his family and his servants onto the estate is not really a matter of choice for the tenant." Der culpa-Begriff des klassischen römischen Rechts war im allgemeinen noch konkret-kasuistisch, vgl. Honseil/ Mayer-Maly/Selb, RR, 231. 80 So auch beispielsweise Frier, Tenant's Liability, SZ 95 (1978), 232, 266.
II. Haftung für Hilfspersonen
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In der Passage werden drei Fragen aufgeworfen. Danach soll zunächst festgestellt werden, ob der Pächter überhaupt, in irgendeiner Form, für das Verschulden seiner Sklaven oder anderer (freier) Personen einzustehen hat, denen er Zutritt auf das gepachtete Gut gewährt hat („quoscumque induxerit").81 Im Hinblick auf seine Sklaven wird weiter gefragt, ob der Pächter noxal beschränkt haftet oder im eigenen Namen und damit ohne Befreiungsmöglichkeit durch Preisgabe des Täters. Bezüglich der anderen Gäste wird ferner erwogen, ob der Pächter lediglich seine Klagen gegen den unmittelbaren Schädiger abtreten muß oder ob ihn eine Verantwortlichkeit wie für eigenes Verschulden trifft. Die von Pomponius gebilligte Antwort erfolgt in einem etwas zusammengestückelt klingenden Satz: Sofern nichts anderes vereinbart wurde, hat der Pächter im eigenen Namen auch für die Besucher einzustehen, wenn er doch, als er sie hereinließ, schuldhaft handelte, weil er nämlich solche Gäste oder Sklaven hatte („si tarnen culpam in inducendis admittit, quod tales habuerit vel suos vel hospites"). Auffällig ist, daß die Antwort nicht alle in den vorstehenden Fragen aufgeworfenen Aspekte aufnimmt. 82 Von Kürzungen muß daher ausgegangen werden. 83 Davon abgesehen fügt der Text sich jedoch nahtlos in das Bild ein, das sich auch aus dem zuvor erörterten Ulpian-Fragment ergeben hat. Wiederum wird ein weiter Begriff der culpa zugrunde gelegt, der an den Besitz von Sklaven bzw. an die Gewährung von Zutritt anknüpft (culpa in habendo vel inducendo) und den Gegebenheiten des konkreten Sachverhalts damit Rechnung trägt. 84 Wenn sich die Klassizität der Satzabfolge auch in beiden Fällen bezweifeln läßt, scheinen die hieraus vielfach gezogenen Zweifel an dem sachlichen Gehalt der Äußerung Ulpians jedoch hier wie dort nicht gerechtfertigt.
81
Nach Ansicht einiger Autoren bezieht sich das Fragment allein auf Sklaven, vgl. Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 33 ff.; Pernice, Labeo 2. 2. 1, 257 Fußn. 2; ferner Haymann, Textkritische Studien zum römischen Obligationenrecht, SZ 40 (1919), 252. Dagegen spricht jedoch die Möglichkeit der Klageabtretung im weiteren Verlauf des Textes, sowie die Alternative „vel suos vel hospites." Siehe auch Mayer-Maly, Locatio Conductio, 201. 82 Vgl. Mayer-Maly, Locatio Conductio, 201. 83 Literaturübersicht zu dem Fragment bei Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 403 Fußn. 257. 84 Eine ähnlicher culpa-Begriff, der freilich nicht im Sinne von technischem Verschulden zu verstehen ist, findet sich auch in dem Ulpian-Fragment D. 4, 9, 7, 4: „Hac actione autem suo nomine exercitor tenetur, culpae scilicet suae qui tales adhibuit."
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dd) Kontroverse und Entwicklung Angesichts der formalen Mängel, die in den aufgeführten Quellen sichtbar sind, lassen sich Aussagen über die genauen Positionen der verschiedenen Juristen nicht mit absoluter Gewißheit treffen. Sicher ist jedoch, daß über den Zeitraum des klassischen römischen Rechts keine einheitliche Auffassung zur Haftung des Mieters oder Pächters für das Verhalten anderer Personen vorherrschte. Vor diesem Hintergrund verliert auch der oben erwähnte Ansatz an Überzeugungskraft, wonach erst in nachklassischer Zeit eine geschlossene Doktrin zur Haftung für fremde Schuld, aufbauend auf dem Begriff der culpa in eligendo, entwickelt und alsdann in das Corpus Iuris Civilis aufgenommen wurde 85 : Denn gerade das uneinheitliche Bild, das sich aus den Digesten ergibt, spricht nicht für eine allgemeingültige Lehre. Auf der Grundlage der soeben behandelten Quellen lassen sich im wesentlichen vier Modelle zur Haftung des Pächters oder Mieters für das Verhalten anderer Personen entnehmen: eine rein deliktische Haftung (1); eine Haftung wahlweise aus Vertrag oder Delikt, die jedoch noxal beschränkt ist (2); eine darüber hinausgehende Haftung ohne noxale Begrenzung bei Auswahlverschulden des Beklagten (3); und eine Haftung, die hinsichtlich des Schuldvorwurfs an den einfachen Besitz von Sklaven bzw., im Fall von freien Personen, an die Gewährung von Zugang zu dem Miet- oder Pachtobjekt anknüpft (4). Dabei ist jedoch zu vermuten, daß die unterschiedlichen Positionen nicht einfach zusammenhanglos nebeneinander standen. Wahrscheinlich ist eher, daß sie in einer zeitlichen Abfolge vertreten wurden und daher aufeinander aufbauen. Die Kontroverse ließe sich in diesem Fall als Ausdruck einer stufenweisen Entwicklung deuten, die sich in etwa folgendermaßen dargestellt haben könnte 86 : In einem ersten Stadium haftete der Pächter oder Mieter lediglich deliktisch nach den normalen Grundsätzen der Noxalhaftung. Diese Position ist für Urseius und Sabinus übermittelt (Ulp. Coli. 12, 7, 9). Allmählich wurde jedoch ein Bewußtsein dafür geschaffen, daß dem Verhältnis der Parteien eine vertragliche Basis zugrunde liegt, die für die Verantwortlichkeit des Schuldners relevant sein könnte. Namentlich Proculus vollzog den nächsten Entwicklungsschritt und dehnte die Haftung für das schadenstiftende Verhalten des Sklaven vorsichtig auf den vertraglichen Bereich aus. Der Beklagte konnte sich jedoch nach wie vor durch Auslieferung des Täters von seiner Einstandspflicht befreien (Ulp. Collatio 12, 7, 9; Ulp. D. 9, 2, 27, 11). 85
Dazu vgl. MacCormack, Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525 f. Vgl. das Vier-Stufen-Modell von Frier, Tenant's Liability, SZ 95 (1978), 232, 262 ff. 86
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Brandschäden an Häusern können zu hohen Einbußen führen. Da der Pächter oder Mieter die Obhut über den überlassenen Gegenstand ausübt und den Nutzen daraus zieht, ist mit dem Bedürfnis zu rechnen, ihn für sämtliche Nachteile aufkommen zu lassen, die von seinen Leuten herbeigeführt werden. Von einem Schuldner kann zumindest erwartet werden, daß er Quellen erhöhter Gefahren, wie eine Feuerstelle, nicht von unzuverlässigen Personen bewachen läßt. Vor diesem Hintergrund führt der Jurist Neraz die Entwicklung fort: Wenn der Beklagte unsorgfältigen Sklaven die Überwachung des Risikoherdes anvertraut hat, kann sein Auswahlverschulden zu einer Einstandspflicht für den gesamten Schadensbetrag führen (Ulp. D. 9, 2, 27, 9; Coli. 12, 7, 7). Die culpa in eligendo bezieht sich dabei auf ein konkretes schadenstiftendes Ereignis. In einem letzten Schritt weicht Ulpian das Verschuldenserfordernis auf. Der Besitz von Sklaven bzw. der Einlaß von Personen, die gleichsam zur Schadensverursachung disponiert sind, ist zur Begründung der Verantwortlichkeit des Beklagten ausreichend (culpa in habendo vel inducendo). Wahrscheinlich handelt es sich insoweit noch um technisches Verschulden. Der Schuldvorwurf läge darin, daß der Kläger unzuverlässigen Leuten Zugang zu dem (ihm nicht gehörenden) Gut gewährt hat, und knüpft nicht an eine spezielle Aufgabenzuweisung an.
d) Mandat um Eine ähnliche, von Kontroversen begleitete Entwicklungsgeschichte läßt sich für das Auftragsrecht vermuten, wie die Diskussion eines aus moderner Sicht ungewöhnlichen Sachverhalts in den Quellen nahelegt: Der Kläger hatte den Auftrag erhalten, für eine andere Person einen Sklaven zu kaufen. Nach Abschluß des Kaufvertrages wurde er von dem erworbenen Sklaven bestohlen. Einer Überlieferung des Paulus zufolge hat Neraz sich für eine vertragliche Klage gegen den Auftraggeber ausgesprochen („actio mandati'4), die allerdings noxal beschränkt war. Wie Neraz seiner Rechtsäußerung ergänzend hinzufügte, sollte diese Haftungsbegrenzung nur bei mangelndem Verschulden des Beklagten zur Anwendung kommen. Wenn er dagegen Kenntnis von der Schadensgeneigtheit des Sklaven hatte, ging die Haftung auf das volle Interesse: Paul. 32 ad ed. D. 17, 1, 26, 7: „Sed cum servus, quem mandatu meo emeras, furtum tibi fecisset, Neratius ait mandati actione te consecuturum, ut servus tibi noxae dedatur, si tarnen sine culpa tua id acciderit: quod si ego scissem talem esse servum nec praedixissem, ut possis praecavere, tunc quanti tua intersit, tantum tibi praestari oportet." Das Fragment läßt sich als Zeugnis der dritten Entwicklungsstufe deuten, die für Neraz auch im Zusammenhang der locatio conductio rei zu beob-
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achten war. Der frühere Rechtszustand (lediglich noxal beschränkte Haftung) ist aus der angeführten Passage noch erkennbar. Ein persönlicher Schuldverstoß wird zum Kern einer unbeschränkten Vertragshaftung des Auftragnehmers. Doch ist mit dieser Rechtslage noch nicht das letzte Stadium erreicht. In einem anderen Fragment gelangt der Hochklassiker Julian, der dafür bekannt war, im geeigneten Fall „aus Gerechtigkeitserwägungen dogmatische Grenzen zu überschreiten 4 ' 87 , aus Billigkeitsgründen zu einer strikten Einstandspflicht des Schuldners für den gesamten Schadensbetrag. 88 Denn, so lautet seine Argumentation, wenn es auch gerecht ist, daß niemand durch einen Sklaven mehr Schaden erleiden soll, als der Sklave wert ist („aequum videatur non oportere cuiquam plus damni per servum evenire quam quanti ipse servus est"), erscheint es doch um noch viel billiger, daß niemandem ein Geschäft zum Nachteil gereichen darf, das er ausschließlich im Interesse des Vertragspartners übernommen hat („multo tarnen aequius esse nemini officium suum, quod eius, cum quo contraxerit, non etiam sui commodi causa susceperit damnosum esse"). Der Gedankengang erinnert an das sogenannte Utilitätsprinzip, auf das die Haftungsmaßstäbe des römischen Rechts vor allem in nachklassischer Zeit zurückgeführt wurden: Demgemäß muß die an einem Rechtsverhältnis weniger interessierte Partei grundsätzlich nur für Vorsatz aufkommen, während die stärker interessierte Partei auch eine Einstandspflicht für Fahrlässigkeit oder sogar eine weitergehende Verantwortlichkeit trifft. 8 9 Wie die Rechtsauffassung Julians nahelegt, können im Einzelfall daher übergeordnete Gerechtigkeitserwägungen das Verschuldenserfordernis überwinden und eine strikte, unbegrenzte Haftung für fremde Schuld nach sich ziehen. 90 87
Hausmaninger/Selb, Römisches Privatrecht, 86. Afr. D. 47, 2, 62, 5: „Quod vero ad mandati actionem attinet, dubitare se ait, num aeque dicendum sit omni modo damnum praestari debere, et quidem hoc amplius quam in superioribus causis servandum, ut, etiamsi ignoraverit is, qui certum hominem emi mandaverit, furem esse, nihilo minus tarnen damnum decidere cogatur. iustissime enim procuratorem allegare non fuisse se id damnum passurum, si id mandatum non suscepisset: idque evidentius in causa depositi apparere. Nam licet alioquin aequum videatur non oportere cuiquam plus damni per servum evenire, quam quanti ipse servus sit, multo tamen aequius esse nemini officium suum, quod eius, cum quo contraxerit, non etiam sui commodi causa susceperit, damnosum esse." 89 Käser, RPr I, 512. Demonstrieren läßt sich dieses Prinzip z.B. anhand der Leihe: Der Entleiher, der den Nutzen aus dem Vertrag zieht, haftet für culpa und custodia (dazu unten), der Verleiher nur für wissentliches und treuwidriges Verhalten, vgl. i.e. Zimmermann, Obligations, 192ff., 202ff. 90 Zu weiteren Fällen einer Haftung für fremdes Handeln, die auf Eigenverschulden des Beklagten gründen, vgl. Paul. D. 6, 1, 16, 1 (Fragment aus dem Bereich der „rei vindicatio", bei dem der Gedanke der culpa in eligendo mitspielt: „Culpa non intellegitur ... nisi si minus idoneis hominibus earn commisit."); Pomp. D. 10, 2, 45, 1 (Erbe setzt Sklave zur Verwaltung oder Pflege der Erbsache ein; wiederum 88
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3. Vertragsklauseln und Vertragsbruch Die frühesten Zeugnisse einer strengen Haftung des Schuldners für das Verhalten seiner Leute betreffen Situationen, in denen die Auslegung vertraglicher Klauseln eine Einstandspflicht für fremdes Handeln ergab. In einem Fragment hatte der Pächter ein Haus mit der Maßgabe übernommen, daß er es unbeschädigt zurückgebe, vorbehaltlich Verschlechterungen aufgrund von Gewalt oder Abnutzung („ut incorruptam redderet praeter vim et vetustatem"). 91 Durch Verschulden seines Sklaven wurde das Haus in Brand gesetzt. Nach der Entscheidung von Servius waren durch die Vereinbarung der Parteien lediglich externe Gefahren, nicht das von eigenen Leuten des Pächters erzeugte Risiko von der Haftung ausgenommen. Eine ähnlich extensive Interpretation wurde für eine Vertragsbedingung angenommen, wonach ein gemietetes Maultier nur bis zu einer maximalen Belastungsgrenze beladen werden durfte. 92 Die mietvertragliche Klage führte nach Servius auch dann zum Erfolg, wenn das verletzte Maultier nicht von dem Mieter selbst, sondern von einem Dritten überladen worden war („lege Aquilia tantum cum eo agi posse, qui tum mulas agitasset, ex locato etiam si alius earn rupisset"). Eine Vertragspartei, die, wie man es in zahlreichen Quellen vorfindet 93 , Verantwortlichkeit für jegliches Risiko („omne periculum") übernommen hat, haftet zugleich für Schäden, die von einer anderen Person verursacht worden sind. Bei der Stipulation konnte durch die Verwendung bestimmter Formulierungen eine Haftung für Dritte erreicht werden. War ein Unterlassen versprochen, ließ sich durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder durch Hinzufügung der Klausel, „quanti ea res erit" eine Verantwortlichkeit auch bei Störung durch eine andere Person bewerkstelligen. Soweit die Stipulation auf ein aktives Tun des Schuldners abzielte, mußte er sein Versprechen in passivischer Form abgeben („fieri"), wenn gleichgültig sein sollte, ob er
Gedanke der culpa in eligendo: „Dolus, quem servus heredis admisit, in iudicium familiae erciscundae non venit, nisi si domini culpa in hoc erat, quod non idoneum servum rei communi applicuerit"); Ulp. D. 11, 6, 1, 2 und Paul. D. 11, 6, 2, pr. (Haftung des „agrimensor"); Alf. D. 18, 6, 12 (11) (das verkaufte Haus ist vor Übergabe abgebrannt; der Verkäufer haftet, auch wenn der Brand durch Unachtsamkeit seiner Sklaven verursacht wurde, nur, wenn ihn persönlich ein Verschulden bei der Überwachung des Hauses trifft; der Text ist sehr umstritten, vgl. jedoch Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 348 ff.); Labeo D. 19, 2, 60, 7 (Sklave wird als Maultiertreiber vermietet, durch sein Verschulden stirbt das Maultier, Vermieter des Sklaven haftet bei Verschulden [dolus malus oder culpa]). 91 Alf.-Paul. D. 19, 2, 30, 4. 92 Alf.-Paul. D. 19, 2, 30, 2. 93 Vgl. beispielsweise Ulp. D. 2, 14, 7, 15 („depositum"); Ulp. 13, 6, 5, 2 („commodatum").
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oder ein Dritter tätig wird. Seine Haftung trat (abgesehen von unverschuldeter Unmöglichkeit) ein, wenn die vereinbarte Leistung ausblieb. 94 Im Einzelfall konnte die Anstellung einer Hilfsperson eine Vertragsverletzung bedeuten, die zu einer strikten Einstandspflicht des Beklagten führte. Ein deutliches Beispiel findet sich im Kontext des Gesellschaftsvertrages. Aufgrund der höchstpersönlichen Natur des Rechtsverhältnisses entscheiden die Gesellschafter selbst, mit wem sie sich zusammenschließen möchten. Rhetorisch eingängig formulierte Ulpian: „socii mei socius meus socius non est" 9 5 , der Mitgesellschafter meines Mitgesellschafters ist nicht auch mein Mitgesellschafter. Bedient sich nun ein Gesellschafter eigenmächtig der Hilfe einer anderen Person, so treffen ihn allein die Folgen dieser Tätigkeit, im positiven wie im negativen Sinne. Für die Schäden, die der andere dabei verursacht, ist er seinen Mitgesellschaftern persönlich verantwortlich. 96 Die Vorteile, die der andere erzielt, teilt er mit ihm allein und kann sie nicht einmal gegen die von jenem herbeigeführten Nachteile aufrechnen. 97 Unterschiedlich wurde die Frage beantwortet, ob der Gesellschafter, der einen schadenstiftenden Gehilfen engagiert hat, seiner Verpflichtung gegenüber den Mitgesellschaftern durch Abtretung der Ansprüche gegen den Gehilfen nachkommt oder ob er aus eigener Tasche Schadensersatz leisten muß. Ulpian entscheidet sich für letztere Möglichkeit. Die Begründung im Originaltext lautet: „quia difficile est negare culpa ipsius admissum." 98 Wörtlich ließe sich übersetzen, „weil man schwerlich bestreiten kann, daß er durch Schuld seiner selbst zugelassen wurde." Der Begriff der culpa ist dabei freilich nicht im Sinne eines Sorgfaltsverstoßes bei der Auswahl des anderen zu interpretieren, sondern als eine Verletzung des Gesellschaftsvertrages, die eine strenge Haftung für das Verhalten des eigenmächtig hinzugezogenen Mitarbeiters nach sich zieht. 99
4. Gehilfenhaftung und custodia Ein wichtiges Anwendungsfeld strikter Gehilfenhaftung liegt nach traditioneller Auffassung in Schuldverhältnissen, in denen eine der beiden Par94 I. e. vgl. Käser, Die Stipulationsklausel „quanti ea res erit", SZ 90 (1973), 184, 192ff.; ferner Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 365. 95 Ulp. D. 17, 2, 20. 96 Ulp. D. 17, 2, 21. 97 Ulp. D. 17, 2, 23, 1. 98 Ulp. D. 17, 2, 23 pr. 99 I. e. vgl. Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 423 ff. Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 54 hält jedoch eine Interpolation für möglich; z.T. wird auch von einer culpa-Fiktion ausgegangen, vgl. etwa Krückmann, Versicherungshaftung im römischen Recht, SZ 63 (1943), 1, 38.
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teien eine „custodia"-Pflicht trifft. 1 0 0 Das römische Recht kannte eine solche Haftung für custodia in einer Anzahl von Situationen, in denen der Schuldner vorübergehend und im eigenen Interesse Gegenstände aus dem Vermögen des Gläubigers an sich genommen hatte. Als Folge mußte er die empfangenen Sachen vor allem gegen Diebstahl bewachen und hatte für ihr Abhandenkommen sowie für andere Nachteile aufzukommen, wenn er sich nicht auf bestimmte typische Entlastungsgründe berufen konnte, die man schon in klassischer Zeit unter der Bezeichnung „vis major" zusammenfaßte. 101 Ihrem Wesen nach war die custodia vornehmlich eine Vertragspflicht, die eine Bewachung des übertragenen Gegenstandes zum Inhalt hatte („custodiam praestare"). Für den Bewachungserfolg mußte der Schuldner jedoch ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden einstehen. Man kann daher von einer Garantiehaftung sprechen, die freilich nicht absolut galt, sondern nur gegenüber Gefahren, die typischerweise durch eine nach den Umständen erforderliche Bewachung zu vermeiden waren, Verschlechterungen durch niederen Zufall Inbegriffen. 102 In dieser Gestalt ließ sich die custodia auch als ein Haftungsmaßstab begreifen, der neben dolus und culpa stand 1 0 3 , behielt aber in klassischer Zeit noch den Charakter einer Vertragspflicht mit Erfolgshaftung. 104 Eine custodia-Haftung ist beispielsweise überliefert für den Entleiher, für bestimmte Werkunternehmer, vor allem den Wäscher („fullo") und den Flickschneider („sarcinator") 105 , ferner für den Mieter einer beweglichen Sache 106 , den Faustpfandgläubi100
Vgl. vor allem Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9; ferner Wüstendorfer, § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuches im Lichte des Römischen Rechts; nach Krückmann ist die Dritthaftung „zwar nicht der gewürdigte aber eigentliche und hauptsächlichste Kern der herrschenden Kustodiatheorie und ihre wesentliche Grundlage", vgl. Custodia, SZ 64, (1944), 1, 46. Einschränkend demgegenüber Levy, Vulgarrecht, 85 Fußn. 309; Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, insbesondere 357. Siehe bereits oben § 2 I. 101 Dazu Zimmermann, Obligations, 194 f.: „These limitations of custodia, as has already been pointed out, came to be characterized as cases of vis major, but were always conceived in a casuistic manner." Vgl. auch Käser, Die actio furti des Verkäufers, SZ 96 (1979), 89, 101: „Die Wendung Haftung auch für ,niederen Zufall 4 ist zwar der römischen Rechtsentwicklung nicht ganz angemessen, vermag aber das praktische Ergebnis ungefähr zu veranschaulichen." 102 So die herrschende Meinung, vgl. Cannata, Responsabilità contrattuale, 129ff.; Käser, Die actio furti des Verkäufers, SZ 96 (1979), 89, 99ff.; derselbe, RPr I, 506ff.; Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 233ff; Zimmermann, Obligations, insbesondere 193ff.; a.A. MacCormack, Custodia and Culpa, SZ 89 (1972), 149ff.; Van den Bergh, Custodiam praestare, 43 TR (1975), 59 ff. Die Garantie wurde ursprünglich vermutlich ausdrücklich übernommen und später bestimmten Schuldverhältnissen unterlegt. 103 Zimmermann, Obligations, 194. 104 Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 356. 105 Gai. 3, 205. 5 Wicke
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ger 1 0 7 , den Nießbraucher 108 sowie für den Schiffer, Gastwirt und Stallwirt (nauta, caupo, stabularius) hinsichtlich der von ihnen übernommenen Sachen. 109 Als typische Befreiungsgründe galten: Feuer, Überschwemmung, Schiffbruch, Gebäudeeinsturz, Aufruhr, Plünderung durch Feinde oder Räuberbanden sowie der Tod des Objekts (im Fall von Sklaven oder V i e h ) . 1 1 0 Der genaue klassische Anwendungsbereich ist freilich verdeckt, da die custodia-Haftung in nachklassischer Zeit in eine reine Verschuldenshaftung umgewandelt wurde und vor allem in den Digesten entsprechende Textveränderungen vorgenommen worden sind. 1 1 1 Der gedankliche Brückenschlag zwischen der Gehilfenproblematik und den Anwendungsfällen der custodia wurde in der wissenschaftlichen Literatur dadurch bewerkstelligt, daß man in ihr eine Verantwortlichkeit sah, die nur durch Ereignisse höherer Gewalt ausgeschlossen wurde und damit ein unterhalb dieser Schwelle liegendes Fehlverhalten von Hilfspersonen ohne weiteres erfaßte: ,,[D]enn für den custodia-Pflichtigen ist das Verschulden seiner Leute niederer Zufall, für den er aufzukommen hat", wie Fritz Schulz formulierte, dessen 1911 abgefaßte Abhandlung lange Zeit die wichtigste Untersuchung zu dem vorliegenden Fragenkreis bildete. 1 1 2 In dieser pauschalen Allgemeinheit wird die Schlußfolgerung von der custodia-Haftung für Tatbestände unterhalb der vis major hin zu einer generellen Einstandspflicht für das Verhalten von Angestellten heutzutage freilich überwiegend abgelehnt, da sie nicht mit der dargestellten modernen Sichtweise von der custodia als einer Bewachungspflicht zu vereinbaren ist. 1 1 3 Obgleich man in der custodia eine Garantiehaftung sehen kann, die regelmäßig bis zur Grenze der höheren Gewalt reicht, bleibt im Einzelfall immer noch die Frage zu klären, welche Bewachungstätigkeit vom Schuldner zu verlangen ist, die je nach den besonderen Umständen möglicherweise unterschiedlich beantwortet werden konnte. In den Quellen erscheint der Begriff der custodia daher auch nicht als einheitlicher juristischer terminus technicus. 114 Der genaue Umfang der Einstandspflicht war im klassischen Recht ferner nicht abschließend geklärt: So war zweifelhaft geblieben, inwieweit die custodia-Haftung sich auf Immobilien erstreckte. 115 Erst
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Inst. 3, 24, 5. Ulp. D. 13, 7, 13, 1. 108 Paul. D. 7, 9, 2. 109 Dazu s.u., § 2 III 1 a aa. 110 Gai. D. 13, 6, 18 pr.; Gai. D. 44, 7, 1, 4; Ulp. D. 50, 17, 23; Inst. 3, 14, 2. 111 Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 234; Käser, RPr II, 352 ff. 112 Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 10. 1.3 Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 356f.; Levy, Vulgarrecht, 85 Fußn. 309; ferner MacCormack, Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525, 533, 535. 1.4 Zimmermann, Obligations, 194 107
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für die Hochklassik ist eine Kontroverse überliefert, ob der custodia-Pflichtige für die von Dritten begangenen Sachbeschädigungen einstehen mußte. Entgegen der Auffassung von Julian haben sich Marcellus und Ulpian für eine Verantwortlichkeit ausgesprochen. 116 Über die genannten Vorbehalte hinaus erscheint es außerdem jedoch fraglich, ob sich aus dem Begriff der custodia überhaupt eine Haftung für Hilfspersonen herleiten ließ oder ob beide Problemkreise von den klassischen Juristen nicht vielmehr selbständig beurteilt wurden. Denkt man an den Diebstahl als den Hauptanwendungsfall der custodia, ist vielmehr der Gedanke nicht ausgeschlossen, daß die Bewachungspflicht sich auf Angriffe beschränkte, die von außen auf den anvertrauten Gegenstand ausgingen, und interne Beeinträchtigungen daher nicht erfaßte. 117 Eine sachliche Grundlage scheint dieser Ansatz vor allem aber aufgrund der Quellenlage zu gewinnen: Von einer Ausnahme abgesehen, wird in keinem überlieferten Fragment die Verantwortlichkeit des Schuldners für das Fehlverhalten seiner Angestellten ausdrücklich anhand einer custodia-Pflicht begründet. Die einzige Ausnahme betrifft die speziell gelagerte receptum-Haftung von nauta, caupo und stabularius unter dem prätorischen Edikt, deren Bewachungspflicht nach eindeutiger Zweckbestimmung jedoch gerade vor Eingriffen aus der Sphäre des Schuldners schützen sollte. 1 1 8 Von diesem Sonderfall abgesehen läßt sich die begriffliche Deduktion von der custodiaPflicht auf eine Verantwortlichkeit für Hilfspersonen nur aufrechterhalten, wenn man davon ausgeht, daß die einschlägigen Fragmente zu einem überwiegenden Teil nachklassisch und interpoliert oder zumindest an entscheidender Stelle lückenhaft sind, eine Sichtweise, die nur in Ermangelung einer anderen überzeugenden Deutung dieser Stellen plausibel erscheinen würde. Im folgenden soll daher anhand einiger Textauszüge aus dem Werkund Leihvertrag, für die eine custodia-Haftung in großem Umfang gesichert ist, das Verhältnis von custodia-Pflicht und (strikter) Verantwortlichkeit für Hilfspersonen genauer untersucht werden. Da manche dieser Quellen in späterer Zeit zum Ausgangspunkt für umfassende Verallgemeinerungen zur vertraglichen Gehilfenhaftung genommen wurden, sind sie über die konkrete Frage nach dem Verhältnis zur custodia hinaus im vorliegenden Zusammenhang von weitergehendem Interesse. 119 115
Vgl. Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 357. Ulp. D. 19, 2, 41; lui. D. 13, 6, 19. 1.7 Kunkel, Diligentia, SZ 45 (1925), 266, 277; vgl. im Ansatz auch Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 358 mit der Bemerkung, „daß die custodia-Haftung keine Verschuldens-, sondern eine Garantiehaftung ist, die ihren Ursprung bei der Haftung gegenüber Eingriffen von außen genommen hat." 1.8 Dazu s.u., § 2 III 1 a. 1.9 Dies gilt insbesondere für das berühmte „Säulentransport"-Fragment Gai. D. 19, 2, 25, 7, auf dem die moderne Regelung des § 278 BGB aufbaut. 116
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a) Locatio conductio operis aa) Diebstahlhaftung des Wäschereibesitzers (fullo) und des Schneiders (sarcinator) Zur Veranschaulichung der custodia-Haftung soll an erster Stelle auf einen klaren Anwendungsfall aus dem Bereich des Werkvertrages („locatio conductio operis") eingegangen werden, der durch Gaius überliefert i s t . 1 2 0 Wenn ein Wäschereibesitzer („fullo") oder ein Schneider („sarcinator") Kleidungsstücke zur Bearbeitung entgegennahm, die nach Empfang sodann entwendet wurden, stand die Klage wegen Diebstahls regelmäßig ihnen zu und nicht dem Eigentümer, der durch die Entwendung seiner Sachen keinen Verlust erlitten hatte. Als Folge der Wegnahme konnte er sich gegenüber fullo oder sarcinator auf die werkvertragliche „actio locati" berufen. Aus der custodia-Pflicht von Wäschereibesitzer und Schneider ergab sich daher eine Haftung für den von dritter Seite begangenen Diebstahl. Dabei ist fraglich, ob fullo und sarcinator von Gaius lediglich als Beispiele aufgeführt wurden, oder ob die Ausführungen auch für andere Werkunternehmer galten. Unabhängig davon handelt es sich bei der custodia-Haftung für Diebstahl um einen klaren Fall strikter Verantwortlichkeit für fremdes Handeln, der freilich mit der Gehilfenproblematik nichts zu tun hat. 1 2 1 bb) Sachbeschädigung Wie bereits angedeutet, war die Anwendbarkeit der custodia-Haftung unsicher, wenn die entgegengenommene Sache von einer anderen Person beschädigt wurde. In einem Fragment zur entgeltlichen Verwahrung, die sich im römischen Recht als Werkvertrag darstellen konnte, hat Julian eine entsprechende Einstandspflicht abgelehnt. „Durch welche Bewachung", so fragte er, „können wir erreichen, daß uns nicht ein anderer widerrechtlich
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Vgl. Gai. 3, 205-206: „Item, si fullo polienda curandave aut sarcinator sarcienda vestimenta mercede certa acceperit eaque furto amiserit, ipse furti habet actionem, non dominus, quia domini nihil interest ea non periisse, cum iudicio locati a fullone aut sarcinatore suum sequi possit, si modo is fullo aut sarcinator rei prae-
standae sufficiat; nam si solvendo non est, tunc quia ab eo dominus suum consequi non potest, ipsi furti actio competit, quia hoc casu ipsius interest rem salvam esse. Quae de fullone aut sarcinatore diximus, eadem transferemus et ad eum cui rem commodavimus. nam ut illi mercedem capiendo custodiam praestant , ita hic quoque
utendi commodum percipiendo similiter necesse habet custodiam praestare" (meine Hervorhebung). 121 Im Hinblick auf den Diebstahl durch eigene Leute des Schuldners vgl. Lab.Ulp. D. 14, 3, 5, 10; Paul. D. 47, 2, 54, (53,) 2.
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Schaden zufügt?" 1 2 2 Seine Auffassung blieb aber nicht ohne Widerspruch, wie sich dem folgenden Auszug entnehmen läßt: Ulp. 5 ad ed. 19, 2, 41: „Sed de damno ab alio dato agi cum eo non posse Iulianus ait: qua enim custodia consequi potuit, ne damnum iniuria ab alio dari possit? Sed Marcellus interdum esse posse ait, sive custodiri potuit, ne damnum daretur, sive ipse custos damnum dedit: quae sententia Marcelli probanda est." Marcellus, dem Ulpian folgt, dehnt die custodia-Haftung vorsichtig auch auf die Beschädigung von Sachen aus. Bisweilen kann die Sachbeschädigung seiner Meinung nach verhindert werden, sei es durch entsprechende Beaufsichtigung, sei es, daß der angestellte Wächter selbst den Schaden verursacht hat. Dabei ist nicht eindeutig zu ermitteln, ob die Juristen in dem Verhalten des Wächters gleichzeitig eine Verletzung der custodiaPflicht des Schuldners sahen, oder nicht vielmehr beide Fragen selbständig beurteilten. Die Satzabfolge („sive ... sive ...") läßt vermuten, daß zwischen der Sachbeschädigung durch den Aufseher, dem die Überwachung anvertraut war, und durch außenstehende Dritte unterschieden wurde. Nur im letzteren Fall scheint Marcellus von einer custodia-Haftung ausgegangen zu sein („sive custodiri potuit, ne damnum daretur, sive ipse custos damnum dedit" 1 2 3 ). Andernfalls wäre der zweite Teilsatz zumindest überflüssig. Unbestreitbar haben Marcellus und Ulpian daher die custodiaPflicht auf die Sachbeschädigung durch außenstehende Dritte erweitert. Ob sie auch die verschuldensunabhängige Verantwortlichkeit für Hilfspersonen als Fall der custodia-Haftung ansahen, erscheint demgegenüber jedoch fraglieh. 1 2 4 cc) Säulentransport: Gai. D. 19, 2, 25, 7 Als Ausfluß der custodia-Pflicht des Werkunternehmers wurde in der Literatur häufig die Einstandspflicht des Schuldners in dem folgenden Gaius Fragment beurteilt. Die Textstelle ist für den vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse, da sie im Mittelpunkt der gemeinrechtlichen Diskussion um die vertragliche Gehilfenhaftung stand 1 2 5 und die
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Vgl. lui. D. 13, 6, 19: „Ad eos, qui servandum aliquid conducunt aut utendum aeeipiunt, damnum iniuria ab alio datum non pertinere procul dubio est: qua enim cura aut diligentia consequi possumus, ne aliquis damnum nobis iniuria det." „Cura aut diligentia" ist nach ganz herrschender Meinung interpoliert für custodia, wie der Vergleich mit Ulp. 19, 2, 41 sicher zeigt. Zu den Streitfragen, die sich zu den beiden Fragmenten i.e. ergeben, vgl. Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 410ff. m.w.N. 123 Meine Hervorhebung. 124 A.A. insoweit Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 415. 125 Windscheid/Kipp, Pandekten II, § 401 Fußn. 5.
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moderne Regelung in § 278 BGB in wesentlicher Hinsicht auf sie zurückgeht 1 2 6 : Gai. 10 ad ed. prov. D. 19, 2, 25, 7: „Qui columnam transportandam conduxit, si ea, dum tollitur aut portatur aut reponitur, fracta sit, ita id periculum praestat, si qua ipsius eorumque, quorum opera uteretur, culpa accident: culpa autem abest, si omnia facta sunt, quae diligentissimus quisque observaturus fuisset. idem scilicet intellegemus et si dolia vel tignum transportandum aliquis conduxerit: idemque etiam ad ceteras res transferri potest." Der Schuldner hatte sich durch Werkvertrag verpflichtet, eine Säule zu transportieren. Während sie hochgehoben, getragen oder umgestellt wurde, zerbrach sie. Nach der Auffassung von Gaius war der Schuldner zunächst für das Risiko verantwortlich, wenn der Schaden durch seine eigene Schuld entstanden war. Fraglich ist jedoch, inwieweit das Verschulden derjenigen Personen, deren Hilfe er sich bediente („eorumque, quorum opera uteretur"), seine Einstandspflicht beeinflußte. Die Antwort ist davon abhängig, ob das „que" von „eorumque" kopulativ oder disjunktiv zu begreifen ist. Im ersteren Fall würde die Haftung Eigenverschulden und Verschulden der Hilfspersonen voraussetzen („... durch eigene Schuld und die Schuld derer ..."), im anderen Fall wäre Verschulden allein des Gehilfen ausreichend („... durch eigene Schuld oder die Schuld derer ..."). Unabhängig davon kann jedoch nur die äußerste Sorgfalt den Schuldner von der Haftung befreien („si omnia facta sunt, quae diligentissimus quisque observaturus fuisset"). 127 Die gleichen Grundsätze gelten laut Gaius auch für den Transport von Fässern und Balken sowie anderen Gegenständen. Nach vorzugswürdiger Auffassung ist die Partikel „que" disjunktiv zu verstehen mit der Folge einer unbedingten Einstandspflicht des Schuldners für seine Hilfspersonen. 128 Andernfalls würde der Schuldner sogar für eine eigene Pflichtwidrigkeit, die sich in dem schädigenden Drittverhalten äußert, nicht einstehen müssen, wenn nicht gleichzeitig Verschulden des Gehilfen feststellbar wäre. Ferner wäre der sich anschließende Satz unverständlich, wonach culpa nicht vorliegt, wenn alles getan wurde, was jeder einzelne bei höchster Umsicht („diligentissimus quisque") beachtet hätte. Die Formulierung quisque deutet auf das Erfordernis gleichzeitiger Sorgfalt aller am Transport Beteiligten h i n . 1 2 9 Der disjunktive
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Vgl. Zimmermann, Obligations, 400. Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 422 f. sieht in der negativen Formulierung („culpa autem abest, si ...") eine Beweislastverteilung zu Lasten des Unternehmers. 128 So auch die heute herrschende Auffassung, vgl. Käser, RPr I, 513 Fußn. 81; Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 422; Zimmermann, Obligations, 399 f. Zum Meinungsstand im vorigen Jahrhundert vgl. Fritsch, Gehilfenhaftung, 48 ff. 129 Insoweit vgl. Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 422. 127
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Gebrauch der Partikel que ist durch Gaius im übrigen auch an anderer Stelle überliefert. 130 Das Fragment ist das einzige zur Thematik, das in seiner Formulierung in allgemeiner Weise auf das Verhalten von Hilfspersonen abstellt. 131 In diesem Gesichtspunkt liegt möglicherweise die Ursache für seine Bekanntheit und Bedeutung. Der Wortlaut des § 278 BGB („deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient") lehnt sich erkennbar an die Sequenz „quorum opera uteretur" an. In der Literatur wurde die strikte Haftung des Schuldners für das Verhalten seiner Angestellten wiederholt auf eine custodia-Pflicht zurückgeführt, die ihn als Werkunternehmer treffe. 1 3 2 Da der Begriff der custodia in dem Fragment nicht aufgeführt ist, erscheint dieser Ansatz freilich über bloße Vermutungen hinaus nicht begründet. Vielmehr lassen sich wiederum Argumente geltend machen, die gegen eine Ableitung der Verantwortlichkeit aus einer custodia-Pflicht sprechen. Wie dargestellt, ist es zunächst nicht sicher, ob die custodia-Pflicht überhaupt auf alle Werkunternehmer zur Anwendung kam. Des weiteren war in klassischer Zeit umstritten, ob die custodia-Haftung Sachbeschädigung durch Dritte erfaßte. 133 Die befürwortende Auffassung hat dies möglicherweise nur für außenstehende Dritte und nicht für Hilfspersonen des Schuldners bejaht. Der Terminus der custodia, der auch in technischer Verwendung immer noch „Bewachung" bedeutet, spricht eher dafür, das Gehilfenhandeln in dem aufgeführten Text selbständig zu beurteilen: Denn durch Bewachung kann regelmäßig „nur ein von außen kommender Angriff auf die anvertraute Sache abgewehrt werden, nicht auch ein im Innern des Betriebs entstandener Schaden." 134 Die strenge Verantwortlichkeit des Beklagten für das Verhalten seiner Angestellten scheint sich daher aus den besonderen Umständen des zugrundeliegenden Sachverhalts zu erklären und nicht aus seiner custodia-Pflicht. Möglicher Ansatzpunkt wäre die Erwägung, daß der Transport der wertvollen Säulen besondere Fachkunde erforderte. 135
dd) Seetransport nach Minturnae Ein Fragment ist zur locatio conductio operis überliefert, in dem die Haftung von persönlichem Verschulden des Unternehmers abhängig gemacht 130
Gai. D. 26, 8, 11: „voluntatem tutoris curatorisque spectari debere placuit." „... eorumque, quorum opera uteretur." 132 Vgl. etwa Zimmermann, Obligations, 400. Wie hier Käser, RPr II, 354 Fußn. 52. 133 S. o., § 2 II 4. 134 So Kunkel, Diligentia, SZ 45 (1925), 266, 277 in seiner Besprechung von Gai. D. 19, 2, 25, 7. 135 Auf diesen Aspekt weist Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 421 hin. 131
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wurde und das daher nur aufgrund von Interpolationsannahmen als ein Fall der custodia-Haftung angesehen werden kann: Ulp. 32 ad ed. D. 19, 2, 13, 1: „Si navicularius onus Minturnas vehendum conduxerit et, cum flumen Minturnense navis ea subire non posset, in aliam navem merces transtulerit eaque navis in ostio fluminis perierit, tenetur primus navicularius? Labeo, si culpa caret, non teneri ait: ceterum si vel invito domino fecit vel quo non debuit tempore aut si minus idoneae navi, tunc ex locato agendum." Ein Frachtschiffer hatte sich durch Werkvertrag verpflichtet, einen Schiffstransport nach Minturnae zu übernehmen. Da sein eigener Frachter nicht die Strecke flußaufwärts fahren konnte, ließ er die Ladung auf ein anderes Schiff verbringen, das jedoch in einer Flußmündung unterging. Labeo verneinte die Haftung des Unternehmers, wenn ihn kein Verschulden dadurch trifft, daß er die Übertragung gegen den Willen des Eigentümers oder zu unpassender Zeit vorgenommen, oder die Fracht einem ungeeigneten Transporteur anvertraut hat. 1 3 6 Im letzteren Fall ist der Vorwurf im Auswahlverschulden (culpa in eligendo) des Unternehmers zu suchen. 137 Obwohl eine dritte Person in die Erfüllung werkvertraglicher Pflichten eingeschaltet wurde, ist der Anknüpfungspunkt für die Haftung des Unternehmers nicht die custodia-Pflicht, sondern seine eigene Nachlässigkeit. Auf die Umstände des Sachverhalts würde die custodia auch nicht wirklich passen: Mit der Übertragung auf das andere Schiff hat der Frachter die Ladung aus den Händen gegeben und kann daher eine „Bewachung" nicht mehr erbringen. Selbst wenn man von einer generellen custodia-Pflicht des Werkunternehmers ausgeht, scheint die Haftung sich nach anderen Kriterien zu richten, wenn der Schuldner den Gegenstand freiwillig einer anderen Person übergeben hat. Ob den Schuldner alsdann eine strikte Einstandspflicht oder eine Verschuldenshaftung trifft, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Im Hinblick auf den Werkvertrag läßt sich daher zusammenfassend festhalten: Die custodia-Pflicht des Unternehmers führt zur Haftung für Diebstahl, nach umstrittener Auffassung daneben für Sachbeschädigung durch Dritte. Das untersuchte Quellenmaterial deutet jedoch darauf hin, daß dies lediglich in bezug auf außenstehende Personen galt. Die Haftung für Angestellte war daher nicht von der custodia-Pflicht des Schuldners umfaßt, son136 Nach Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 417 hatte Labeo aufgrund der negativen Formulierung („si culpa caret, non tenetur") zugleich die Beweislastverteilung im Auge: Der Verfrachter wird von der Haftung nur dann befreit, wenn er nachweist, daß er von culpa frei ist. 137 Der Text wird insoweit für interpoliert erachtet, vgl. etwa Mayer-Maly, Locatio Conductio, 33. Der „aut si" Satz ist in der Tat gestört. Doch wird eher an den Wegfall des Verbes („imposuit") als an eine nachklassische Interpolation zu denken sein, vgl. Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 418; auch Käser RPr I, 513 Fußn. 82.
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dem wurde selbständig beurteilt. Dabei erscheint es möglich, daß die Interessenerwägungen, die zu einer custodia-Pflicht des Schuldners führten, regelmäßig auch eine strikte Haftung für Gehilfenhandeln begünstigten. In einer Entscheidung wurde allerdings auch nach Einschaltung einer Hilfsperson maßgeblich auf persönliches Verschulden des Werkunternehmers abgestellt. b) Commodatum und inspiciendum dare Wie dargestellt, kam die custodia-Haftung regelmäßig zur Anwendung, wenn der Schuldner vorübergehend und im eigenen Interesse Gegenstände aus dem Vermögen des Gläubigers empfangen hatte. 1 3 8 Ein wichtiger Anwendungsfall war daher die Leihe („commodatum"), die begrifflich die unentgeltliche Überlassung einer Sache zum Gebrauch voraussetzt. 139 Daß der Entleiher aufgrund seiner custodia-Pflicht für Diebstahl haftete, ist durch Gaius sicher überliefert. 140 Zu einer Verantwortlichkeit des Entleihers kam es ferner, wenn der Sklave des Verleihers den geliehenen Gegenstand entwendet hatte. Sofern der Verleiher jedoch (im Wege der „actio commodati") Ersatz verlangte, war er seinerseits der (noxal beschränkten) Diebstahlsklage ausgesetzt. 141 Wie aus einem weiteren Fragment hervorgeht, traf den Entleiher darüber hinaus eine Einstandspflicht, wenn sein eigener Sklave die Sache gestohlen hatte: „Quod si servus tuus rem tibi commodatam subripuerit, furti tecum actio non est, quia tuo periculo res sit, sed tantum commodati." 1 4 2 Ein Zusammenhang mit der custodia-Pflicht des Entleihers ist jedoch aus dem Wortlaut der Quelle nicht erkennbar. 143 Eine Reihe von (zum Teil sehr umstrittenen) Textausschnitten betrifft die Frage, ob der Entleiher für den Verlust der Sache aufkommen mußte, wenn er sie nach Gebrauch einem Boten zum Rücktransport übergeben hatte. Die Haftung wurde dabei in keinem einzigen Fall ausdrücklich durch die Annahme einer custodia-Pflicht begründet. Im Gegenteil wird die Verant138
S. o., § 2 II 4. Im Einzelfall konnte die Gebrauchsüberlassung im Interesse des Verleihers oder beider Vertragsparteien liegen. Der Entleiher haftete (dem Utilitätsprinzip entsprechend) dann nur für dolus oder culpa, vgl. Ulp. D. 13, 6, 5, 10; Ulp. D. 13, 6, 10, 1; Gai. D. 13, 6, 18 pr. Dazu auch Zimmermann, Obligations, 198 f. 140 Gai. 3, 205-206. 141 Zu Einzelheiten vgl. Paul. D. 47, 2, 54, (53,) 1: „Si servus commodatoris rem subripuerit et solvendo sit is cui subreptum est, Sabinus ait posse et commodati agi cum eo et contra dominum furti servi nomine: sed si pecuniam, quam dominus exegit, reddat, evanescere furti actionem: idem et si remittat commodati actionem." 142 Paul. D. 47, 2, 54, (53,) 2. 143 Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 381 erklärt die Haftung des Entleihers freilich mit dessen custodia-Pflicht. 139
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wortlichkeit des Entleihers häufig von eigenem Verschulden abhängig gemacht, wie das folgende Fragment zeigt:
aa) D. 13, 6, 20 Iulian. 3 ad Urs. Fer.: „Argentum commodatum si tarn idoneo servo meo tradidissem ad te perferendum, ut non debuerit quis aestimare futurum, ut a quibusdam malis hominibus deciperetur, tuum, non meum detrimentum erit, si id mali homines intercepissent." Der Entleiher hat das geliehene Silber nach Gebrauch seinem Sklaven überreicht, der es dem Verleiher zurückbringen sollte. Auf dem Weg dorthin wird ihm das Silber durch ein Täuschungsmanöver entwendet. Wenn aufgrund der Eignung des Sklaven für die Aufgabe niemand erwartet hätte, daß er sich hinters Licht führen lassen würde („deciperetur"), muß der Verleiher für den Verlust aufkommen. Der Entleiher haftet daher nur bei eigenem (Auswahl-) Verschulden, wobei ein strenger Maßstab zugrunde gelegt wird. Von custodia ist in diesem Zusammenhang keine Rede. Die Formulierung des Textes bietet auch keinen Anhaltspunkt für eine justinianische Versubjektivierung strengerer klassischer Haftungsmaßstäbe. 144 Die Verantwortlichkeit des Entleihers gründet sich auf seine eigene culpa. Ähnlich wie es beim Werkvertrag zu beobachten war, scheint das Verhalten von Gehilfen, denen der Schuldner den Gegenstand überlassen hat, nicht über die custodia-Pflicht beurteilt zu werden. Eine strikte Einstandspflicht für den Boten ergibt sich aus dem folgenden, ähnlich gelagerten Fragment:
bb) D. 19, 5, 20, 2 Ulpianus 32 ad ed. D. 19, 5, 20, 2: „Si, cum emere argentum velles, vascularius ad te detulerit et reliquerit et, cum displicuisset tibi, servo tuo referendum dedisti et sine dolo malo et culpa tua perierit, vascularii esse detrimentum, quia eius quoque causa sit missum. certe culpam eorum, quibus custodiendum perferendumve dederis, praestare te oportere Labeo ait, et puto praescriptis verbis actionem in hoc competere." Ein Silberschmied hatte einem potentiellen Käufer Silber zur Erprobung überlassen. Da es ihm nicht gefiel, beauftragte dieser seinen Sklaven zum Rücktransport. Auf dem Weg wurde das Silber ohne Verschulden des Kaufinteressenten zerstört. Ulpian entscheidet, daß der Verlust zu Lasten des Schmiedes geht („vascularii esse detrimentum"), da die Übermittlung auch 144
Anders freilich Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 16f.; wie hier beispielsweise MacCormack, Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525, 53If. Dort auch zu den linguistischen Schwierigkeiten, die sich beim Lesen des Fragments ergeben.
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in seinem Interesse erfolgt sei. Nach der Auffassung von Labeo hat der Kaufinteressent in jedem Fall für das Verschulden der Personen, denen er das Silber zur Überwachung oder Übertragung gegeben hat, einzustehen („certe culpam eorum, quibus custodiendum perferendumve dederis, praestare te oportere"). Da der Silberschmied das in seinem Eigentum stehende Silber dem Kaufanwärter vorübergehend zur Ansicht übertragen hat, handelt es sich um einen Fall des „inspiciendum dare" 1 4 5 , für das ähnliche Grundsätze gelten wie für den Leihvertrag. Der Umfang der Verantwortlichkeit des Inspektors richtet sich nach dem Utilitätsgedanken: Erfolgt die Übertragung zum Vorteil des Eigentümers, haftet er lediglich für dolus, liegt sie dagegen in seinem eigenen Interesse, für custodia, 146 bei beiderseitigem Nutzen wohl für dolus und culpa. 1 4 7 Den Kaufinteressenten traf im vorliegenden Fall während der eigentlichen Untersuchungszeit möglicherweise eine custodiaPflicht. 1 4 8 Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist auch die Einstandspflicht für das Verhalten des angestellten Sklaven beim Rücktransport Ausfluß seiner custodia-Haftung. 149 Dieser Ansatz läßt sich jedoch nur unter Annahme weitgehender Interpolationen aufrechterhalten, für die keine Anhaltspunkte bestehen. Von einer custodia-Pflicht des Kaufanwärters fehlt in dem Text jede Spur. Im Gegenteil gibt es handfeste Hinweise dafür, daß die Juristen die Rücksendung anders als die eigentliche Untersuchungszeit beurteilt haben: Ulpian begründet seine Entscheidung damit, daß der Sklave auch zum Vorteil des Silberschmiedes gesandt wurde („quia eius quoque causa sit missum") und stellt damit gerade auf die Interessenlage beim
145
Vgl. Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 386 m.w.N. Ulp. D. 13, 6, 10, 1. 147 Ulp. D. 19, 5, 17, 2: „Si cui inspiciendum dedi sive ipsius causa sive utriusque, et dolum et culpam mihi praestandum esse dico propter utilitatem, periculum non: si vero mei dumtaxat causa datum est, dolum solum." Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 19 freilich streicht „periculum non" und setzt „custodiam" für „culpam" ein, was nicht überzeugt. 148 Vgl. Ulp. D. 19, 5, 17, 4: „Si, cum mihi vestimenta venderes, rogavero, ut ea apud me relinquas, ut peritioribus ostenderem, mox haec perierint vi ignis aut alia maiore, periculum me minime praestaturum: ex quo apparet utique custodiam ad me pertinere." 149 Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 20f.: „... auch ist nicht wahrscheinlich, daß Labeo die custodia-Haftung, um die es sich ja der Sache nach auch im überlieferten Text handelt, nicht mit dem entscheidenden Namen genannt haben sollte. Hernach möchte ich annehmen, daß die Kompilatoren auch hier wie oft das Wort custodia gestrichen haben, in der Interpolation aber anders, weil flüchtiger als in den bisher betrachteten Stellen, verfahren sind. Sie haben nicht die custodia-Haftung in eine culpa in eligendo abgemildert, sondern einfach das Wort custodia gestrichen und dafür das Wort culpa eingesetzt." 146
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Transport ab. Die Utilitätserwägungen deuten auf eine gewöhnliche Haftung des Inspektors für culpa und dolus h i n . 1 5 0 Nach der eingeflochtenen Äußerung Labeos haftet der Kaufinteressent sicher („certe") für das Verschulden der Personen, denen das Silber zur Überwachung und Übertragung gegeben wurde. Aus dem Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz läßt sich folgern, daß die Haftung bei fehlendem Verschulden des Angestellten entfiel: Denn dort war die Einstandspflicht des Inspektors für den Verlust bei der Übermittlung abgelehnt worden. Diese Differenzierung wäre aus einer custodia-Haftung für jegliche Form niederen Zufalls nicht erklärlich. Die Formulierung läßt vielmehr vermuten, daß custodia-Pflicht und Haftung für fremde Schuld aus der Sicht Labeos nicht notgedrungen zusammenhängende Fragestellungen sind. In keinem Fall läßt der Text Raum für die Ableitung der strengen Gehilfenhaftung aus der custodia-Pflicht.
cc) D. 13, 6, 10, 1 - D. 13, 6, 12, 1 Die folgende Reihe von Fragmenten, die ebenfalls die Rücksendung von Sachen nach Gebrauch durch den Entleiher oder Inspektor behandelt, scheint den Befund zu bestätigen: Ulp. 29 ad Sab. D. 13, 6, 10, 1: „Si rem inspectori dedi, an similis sit ei cui commodata res est, quaeritur. et si quidem mea causa dedi, dum volo pretium exquirere, dolum mihi tantum praestabit: si sui, et custodiam: et ideo furti habebit actionem, sed et si dum refertur periit, si quidem ego mandaveram per quem remitteret, periculum meum erit: si vero ipse cui voluit commisit, aeque culpam mihi praestabit, si sui causa accepit", Paul 5 ad Sab. D. 13, 6, 11: „qui non tarn idoneum hominem elegerit, ut recte id perferri possit": Ulp. 29 ad Sab. D. 13, 6, 12 pr.: „si mei causa, dolum tantum. (1) Commodatam rem missus qui repeteret cum recepisset, aufugit. si dominus ei dari iusserat, domino périt: si commonendi causa miserai, ut referretur res commodata, ei qui commodatus est." Der Text liest sich nicht wie ein geschlossener Gesamtzusammenhang, sondern präsentiert sich als eine Abfolge unterschiedlicher Fragmente zu dem Fragenkreis, die auch in sich Kürzungen vermuten lassen. In dem ersten Abschnitt (D. 13, 6, 10, 1) untersucht Ulpian, ob die Überlassung einer Sache an einen Inspektor der Leihe vergleichbar ist, und trifft die bereits erwähnte Unterscheidung nach dem Utilitätsprinzip: Erfolgt die 150
Vgl. insoweit Wieacker, Haftungsformen des römischen Gesellschaftsrechts, SZ 54 (1934), 35, 64; Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 387.
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Übergabe zum Vorteil des Eigentümers, haftet der Inspektor nur für dolus, liegt sie dagegen in seinem eigenen Interesse, für custodia. Hinsichtlich des Untergangs der Sache beim Rücktransport setzt Ulpian neu an und differenziert danach, wer die Lieferung in Auftrag gegeben hat und in wessen Interesse die Untersuchung erfolgt war. Hat der Eigentümer des Gegenstandes die Sendung veranlaßt, ist er für den Untergang verantwortlich („periculum meum erit"). Wenn dagegen der Inspektor die Sache einer Person seiner Wahl anvertraut hat und sie im eigenen Interesse untersucht hat, haftet er für culpa. Das Adverb „aeque" („in gleicher Weise für culpa") scheint an eine schon einmal, unmittelbar zuvor erwähnte culpa anzuknüpfen, die man jedoch erst nach einem größeren Abstand in dem vorausgehenden Fragment finden kann. 1 5 1 Wahrscheinlich ist daher eine Lücke, die sich allerdings nicht sicher rekonstruieren läßt. Möglicherweise ergibt sich aus dem fehlenden Textmaterial neben der (eigenen) culpa auch eine Haftung für Gehilfenverschulden. 152 Das nachfolgende, von den Kompilatoren eingeflochtene Paulus-Fragment (D. 13, 6, 11) stellt eindeutig auf persönliches Verschulden des Inspektors ab, das in der mangelhaften Auswahl des Boten liegt („qui non tarn idoneum hominem elegerit, ut recte id perferri possit"). Denkbar ist insoweit freilich eine Kontroverse unter den Juristen. Lag die Übertragung im Interesse des Eigentümers, haftet der Inspektor, wie sich aus D. 13, 6, 12 ergibt, nur für dolus. Eine große Anzahl von Autoren setzt für die erwähnte (problematische) culpa den Begriff der custodia ein. 1 5 3 Aus dem Utilitätsgedanken hat Ulpian, wie dargestellt, eine Haftung des Inspektors für custodia hergeleitet, wenn die Untersuchung in seinem Interesse erfolgte. In dem einschlägigen Fall („si vero ipse ... accepit") hatte der Schuldner den Gegenstand aus eigennützigen Gründen entgegengenommen und anschließend einer Person seiner Wahl (zwecks Rücksendung) übertragen. Da der Inspektor bei Eigeninteresse grundsätzlich für custodia einzustehen hat, müsse auch die Haftung für das Verhalten des Gehilfen, das sich ja gleichsam als „niederer Zufall" darstellt, über die custodia zu beurteilen sein. Wie die bisherigen Untersuchungen ergeben haben, wird die Haftung für Gehilfenhandeln in keiner zum Werk- oder Leihvertrag überlieferten Textstelle ausdrücklich mit der custodia-Pflicht des Schuldners begründet. Der Ansatz läßt sich daher nur aufrechterhalten, wenn man in dieser Frage von 151
Vgl. Ulp. D. 13, 6, 10 pr. In diesem Sinne Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 381 ff. Dort auch zu weiteren Literaturnachweisen. 153 Die Auffassung wurde zuerst von Baron geäußert, vgl. Die Haftung bis zur höheren Gewalt, 78 AcP (1892), 203, 262; siehe ferner Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 11 ff.; Nörr, Die Entwicklung des Utilitätsgedanken im römischen Haftungsrecht, SZ 73 (1956), 68, 78 Fußn. 39. 152
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erheblichen Eingriffen in die klassische Textsubstanz ausgeht. 154 Demgegenüber scheint jedoch die Erklärung nahezuliegen, daß eine begriffliche Deduktion von der custodia-Haftung „bis zur höheren Gewalt" auf die Einstandspflicht für das Verschulden von Angestellten nicht möglich ist. Die Quellensituation spricht eher dafür, daß der Schaden oder Verlust, der durch das Verhalten einer Hilfsperson verursacht wurde, nicht von der Bewachungspflicht des Schuldners im Sinne der custodia umfaßt ist. Infolgedessen wird in dem aufgeführten Fragment von der Echtheit der culpa auszugehen sein. Auch in dem letzten Abschnitt der aufgeführten Fragmentreihe (D. 13, 6, 12), das von der Leihe handelt, wird die Risikoverteilung nicht mit der custodia-Pflicht des Entleihers begründet. Der Eigentümer beauftragt einen Gehilfen, die verliehene Sache zurückzuholen, der jedoch nach Entgegennahme damit flieht. Nach der Entscheidung Ulpians trägt er selbst das Risiko. Hierbei handelt es sich wohl um einen einfachen Fall der Sachgefahr: Mit der Aushändigung der Sache an die Hilfsperson des Verleihers hat der Entleiher seine Rückgabepflicht erfüllt. 1 5 5 Anders verhält es sich dagegen, wenn der Eigentümer den Entleiher lediglich an seine Rückgabepflicht erinnern wollte. Sofern der Entleiher dem Boten den geliehenen Gegenstand gleich mit auf den Weg gegeben hat, muß er für den Verlust aufkommen. 1 5 6 In diesem Fall trägt er folglich die Sachgefahr. Ein Zusammenhang mit seiner custodia-Pflicht ist nicht ersichtlich. 157 Im Hinblick auf den Rücktransport lassen sich beim commodatum und inspiciendum dare anhand der aufgeführten Fragmente unterschiedliche Haftungsansätze beobachten. Während den Entleiher oder Inspektor teilweise nur bei eigenem Verschulden eine Einstandspflicht t r i f f t 1 5 8 , ergibt 154
Siehe jedoch auch Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, insbesondere 387 ff., der den Rücktransport selbständig beurteilt, im übrigen jedoch auch von der custodia-Pflicht auf die Haftung für Gehilfenverschulden schließt. In seiner Anmerkung zu Ulp. D. 14, 3, 5, 10 führt Knütel aus (S. 409 f.): „Aus dem Werkvertrag haftet der fullo für den Diebstahl durch seinen eigenen Lehrling. Dies beruht nicht auf einer Garantieübernahme, sondern ist ein zweifelsfreier Anwendungsfall der custodia-Haftung, welcher der fullo als Vertragspartner des Ego unterliegt (Gai. 3, 206)." Auch in Ulp. D. 14, 3, 5, 10 wird der Begriff der custodia jedoch nicht erwähnt. 155 Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 388 f. 156 Der Text ist auch an dieser Stelle nicht ganz einwandfrei. Statt „ei qui commodatus est" wird es „ei cui commodata est" geheißen haben. In der Substanz wird das Fragment überwiegend für echt gehalten. So auch Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 11 f.; anders freilich Haymann, Textkritische Studien zum römischen Obligationenrecht, SZ 40 (1919), 44, 176 Fußn. 6. 157 A.A. Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 12. 158 lui. D. 13, 6, 20; Paul. D. 13, 6, 11.
II. Haftung für Hilfspersonen
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sich bisweilen auch eine strikte Verantwortlichkeit für das Verschulden von Hilfspersonen. 159 Wichtige Faktoren zur Bestimmung der Haftung sind der Utilitätsgedanke und die Frage, wer die Übermittlung des betreffenden Gegenstandes in Auftrag gegeben hatte. In keinem überlieferten Fragment wurde jedoch die Einstandspflicht des Inspektors oder Entleihers für das Verhalten eines Angestellten mit seiner custodia-Pflicht begründet. Die Quellen zum Leihvertrag verfestigen daher den Eindruck, der schon bei der Untersuchung des Werkvertrages gewonnen wurde, daß die custodia-Haftung des Schuldners nicht das Fehlverhalten seiner Gehilfen einschloß. Beide Problemkreise wurden von den klassischen Juristen vielmehr separat behandelt. Auffällig ist zwar, daß die klassischen Juristen im Rahmen von Schuldverhältnissen, für die eine custodia-Pflicht überliefert ist, häufig auch zu einer strikten Verantwortlichkeit für Gehilfenhandeln gekommen sind. Es scheinen daher regelmäßig ähnliche Interessenerwägungen wie diejenigen, die zu einer custodia-Pflicht des Schuldners führten, auch eine Haftung für Hilfspersonen begünstigt zu haben. Die Verantwortlichkeit für das Verhalten von Angestellten wurde vereinzelt jedoch auch von persönlichem Verschulden des Schuldners abhängig gemacht und nie ausdrücklich auf seine custodia-Pflicht gestützt, so daß ein direkter Zusammenhang zwischen beiden Fragen sehr unwahrscheinlich i s t . 1 6 0 159
Ulp. D. 19, 5, 20, 2; vielleicht auch Ulp. D. 13, 6, 10, 1. Eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht für eine andere Person ergibt sich ferner aus Ulp. D. 26, 7, 5, 3, einem Fragment zur Vormundschaft („tutela"): „Quod si quis tutelam mandaverit gerendam gestaque fuerit ab eo cui mandatum est, locus erit tutelae actioni: videtur enim gessisse qui per alium gessit, quod si non accessit is cui mandatum est, utili actione convenitur." Der Vormund hat einen anderen mit der Führung der vormundschaftlichen Geschäfte beauftragt. Sofern der Beauftragte tätig geworden ist, steht dem Mündel gegen den Vormund, obwohl er nicht persönlich gehandelt hat, die sogenannte „actio tutelae" zu, eine besondere Geschäftsführungsklage, die sich auf Erstattung all dessen richtete, was dem Mündel nach Treu und Glauben gebührte (Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 427; zur Formel vgl. Lenel, EP, 318). Der Vormund trägt daher das Risiko, das mit der Übertragung seiner Pflichten verbunden ist, ohne daß er sich durch gewissenhafte Auswahl eines Vertreters seiner Verantwortung entziehen könnte. Das Verhalten seines Vertreters wird ihm offenbar einschränkungslos zugerechnet (vgl. auch Seiler, Der Tatbestand der negotiorum gestio, 133 Fußn. 9; nach Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 434 erklärt sich dies aus dem fehlenden Recht des Vormunds, sein Amt zu übertragen; dazu Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 421, 424). Mit der Übertragung der Geschäfte auf den anderen befreit er sich allerdings gleichzeitig von der Haftung aus einer sogenannten „actio utilis" (dazu Käser, RPr I, 366), auf die der Mündel sich bei schlichter Untätigkeit des Vormundes berufen konnte. Im Handeln des Beauftragen liegt daher zumindest eine Aufnahme der vormundschaftlichen Pflichten. Dies wird in dem Fragment in einer Formel zum Ausdruck gebracht, die für die vorliegende Untersuchung bedeutsam ist, da sie später zu folgenreichen Verallgemeinerungen Anlaß gegeben hat: „videtur enim gessisse qui per alium gessit." Rechtlich wird davon ausgegangen, daß auch derjenige die vormundschaftlichen Aufgaben 160
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I I I . Prätorische Sondertatbestände Das römische Recht setzte sich im Unterschied zu den homogenen und einheitlichen Rechtsordnungen der meisten modernen Staaten aus verschiedenen Rechtsschichten zusammen, die sich voneinander nach Entstehungsgrund, Anwendungsbereich oder Geltungskraft unterschieden. 161 Von großer Bedeutung für die Privatrechtsentwicklung war die Entstehung des Amtsrechts der Magistrate („ius honorarium"), das seit der jüngeren Republik das traditionelle, auf Gesetzes- und Gewohnheitsrecht beruhende ius civile fortbildete und ergänzte. 162 Für diesen Prozeß war die Jurisdiktionsgewalt des Prätors wesentlich, der zwar grundsätzlich an das bestehende Recht gebunden war, in der Praxis aber durch Gewährung neuer Rechtsmittel das Recht den veränderten wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen der sich wandelnden Zeit anpaßte. Zu Beginn seines Amtsjahres verkündete er in einem Edikt das beabsichtigte Prozeßprogramm mit den zulässigen Rechtsbehelfen, das von seinem Nachfolger im wesentlichen unverändert übernommen wurde. Auf diese Weise stabilisierte sich ein gewisser Bestand von honorarrechtlichen Klagen und Jurisdiktionsmaßnahmen, der sich in der Folgezeit zu einer eigenständigen Rechtsschicht verfestigte. 163 Vor allem die vorherrschende rechtspolitische Tendenz des Amtsrechts, das sich in weitem Umfang von dem Traditionalismus des älteren ius civile emanzipierte und sich stärker der Lösung sozialer, politischer und moralischer wahrgenommen hat, der sie durch einen anderen geführt hat. „Qui facit per alium, facit per se" - wer vermittels eines anderen handelt, handelt selbst - , ist eine der allgemeinen Maximen, die im Mittelalter aus der Quelle abgeleitet wurden (dazu Liebs, Lateinische Rechtsregeln, 172 f.) In der modernen englischen und südafrikanischen Literatur und Rechtsprechung wurde der Grundsatz wiederholt als mögliche Rechtfertigung für die Lehre von der vicarious liability angeführt, was von der heute herrschenden Meinung jedoch abgelehnt wird (vgl. etwa. Atiyah, Vicarious Liability, 19; Neethling/Potgieter/Visser, Deliktereg, 363; Colonial Mutual Life Assurance Ltd v. MacDonald 1931 AD 412, 429; Barkett v. SA National Trust & Assurance Co Ltd 1951 (2) SA 353 (A) 361; Staveley Iron and Chemical Co Ltd v. Jones [1956] AC 627, 643, dazu s.u., § 5 V 1). Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, daß der römische Ursprung der Maxime in einem Spezialtatbestand aus dem Vormundschaftsrecht liegt: Mit der actio tutelae kann der Mündel von dem Vormund verlangen, was ihm aus der Geschäftsführung gebührt. Eine Geschäftsführung im Sinne der Klageformel ist auch dann gegeben, wenn die vormundschaftlichen Aufgaben durch einen Beauftragten wahrgenommen wurden. Mit vicarious liability hat dies nur in einem entfernten Sinn etwas zu tun. Kontutoren traf ebenfalls eine strikte Haftung für das Verhalten anderer Kontutoren, vgl. Tryph. D. 26, 7, 55 pr.; Ulp. D. 26, 7, 3, 8; doch sind Auflockerungen hin zum Verschuldensprinzip wahrnehmbar, vgl. Paul. D. 26, 7, 14; Paul. 26, 7, 46, 6 (siehe auch Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 434 f.). 161 Dazu vgl. etwa Wieacker, RR, 488 ff.; Käser, RPr I, 198 ff. 162 Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 13f. 163 Käser, RPr I, 206 f.
III. Prätorische Sondertatbestände
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Konflikte zuwandte, übte nachhaltigen Einfluß auf die römische Rechtsord164 nung aus.
1. Nauta, caupo, stabular ius a) Actio de recepto Unter den prätorischen Neuerungen gab es einige Tatbestände, die ihrer Zweckbestimmung nach ausdrücklich auch eine Verantwortlichkeit für fremdes verbotenes Handeln einschlossen und denen für die spätere Herausbildung der modernen Gehilfenhaftung zentrale Bedeutung zukommt. Wie sich aus den Quellen ergibt, bestand ein besonderes Schutzbedürfnis im Hinblick auf Gegenstände, die auf einem Schiff, in einem Wirtshaus oder Stall beschädigt oder gestohlen wurden. Der Prätor führte gleich mehrere Rechtsmittel gegen Schiffer, Gast- und Stallwirt ein, die nicht nur Anwendung fanden, wenn sie selbst, sondern ebenso, wenn Angestellte das Unrecht verübt hatten. Im Unterschied zur statusgebundenen Noxalhaftung konnte es dabei auch zu einer Verantwortlichkeit für das Verhalten freier Personen kommen. Zu einer weitreichenden Einstandspflicht führte namentlich das „receptum nautarum, cauponum, stabulariorum." Wenn Angehörige der genannten Berufsgruppen Sachen ihrer Kunden mit der formlosen Abrede 1 6 5 entgegennahmen, daß sie unversehrt zurückgegeben würden, interpretierte der Prätor dies als eine wirksame Haftungsübernahme und gewährte daraus eine besondere Klage, untechnisch „actio de recepto" genannt 166 : „Nautae, caupones, stabularli quod cuiusque salvum fore receperint nisi restituent, in eos iudicium dabo." 1 6 7
aa) Receptum-Haftung und custodia Ursprünglich begründete diese Garantiezusage eine Einstandspflicht für jeglichen Verlust oder Schaden an den eingebrachten Gegenständen, unab164
Wieacker, RR, 475. Anders als in moderner Zeit waren im römischen Recht formlose Vereinbarungen grundsätzlich nicht einklagbar: „nuda pactio obligationem non parit", wie Ulpian beispielsweise formuliert hat (D. 2, 14, 7), vgl. Schmidlin, Die römischen Rechtsregeln, 97ff.; Zimmermann, Obligations, 508. 166 Aus der umfangreichen Spezialliteratur vgl. Meyer-Termeer, Die Haftung der Schiffer im griechischen und römischen Recht; Brecht, Zur Haftung der Schiffer im antiken Recht; Thomas, Carriage by Sea, RIDA 7 (1960), 489ff.; van Oven, Actio de recepto et actio locati, TR 24 (1956), 137ff.; De Robertis, Receptum nautarum, Annali Bari 12 (1953), 5 ff.; Goldschmidt, Das receptum nautarum, cauponum, stabulariorum, ZHR 3 (1859, 1860), 58 ff. 167 Ulp. D. 4, 9, 1, pr. 165
6 Wicke
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hängig von der Art der Entstehung. 168 Der Schuldner war daher gleichsam in der Position eines Versicherers. 169 Labeo schränkte die Haftung des nauta jedoch ein, indem er eine Einrede („exceptio") gewährte, wenn die unversehrte Rückgabe wegen Schiffbruchs oder Piraterie unmöglich wurde. 1 7 0 Der Überlieferung zufolge hat Ulpian diese Einrede auf andere Fälle der höheren Gewalt („vis major") erstreckt und sie gleichzeitig dem caupo und dem stabularius zugänglich gemacht. 171 Noch unter den klassischen Juristen setzte sich schließlich die Auffassung durch, daß den nauta, caupo oder stabularius aufgrund der Übernahme eine custodia-Pflicht traf. 1 7 2 Von der custodia umfaßt war zweifellos eine Haftung für Diebstahl durch außenstehende Personen. Die Bewachungspflicht scheint man jedoch extensiver als in den übrigen Anwendungsfällen der custodia ausgelegt zu haben. Der Schuldner mußte für ein bestimmtes Resultat, die Integrität der überlassenen Gegenstände, aufkommen, für das er mit „besonderer Strenge" 173 haftete. So ergibt sich aus den Quellen der Eindruck, daß die Verantwortlichkeit sich ohne weiteres auf Sachbeschädigungen durch Dritte erstreckte. 174 Im Gegensatz zu anderen Schuldverhältnissen war die custodia-Haftung gerade auch auf das Verhalten von Bediensteten des Schuldners gerichtet. Nach Ulpian haftete der nauta ausdrücklich für die Delikte der angestellten Matrosen und der Passagiere: „et puto omnium eum recipere custodiam, quae in navem illatae sunt, et factum non solum nautarum praestare debere, sed et vectorum." 1 7 5
168 Ulp. D. 4, 9, 3, 1: „at hoc edicto omnimodo qui recepit, tenetur, etiamsi sine culpa eius res periit vel damnum datum est" (meine Hervorhebung). 169 Lenel, Kritisches und Antikritisches, SZ 49 (1929), 1, 5. 170 Die Gewährung einer förmlichen exceptio war notwendig, da es sich bei der actio de recepto um eine strengrechtliche Klage handelte, vgl. Lenel, EP, 131. 171 Nach Meyer-Termeer, Die Haftung der Schiffer, 197 f., 218 war die exceptio zur Zeit von Gaius und Ulpian noch nicht zu einer allgemeinen Ausnahme für alle Formen höherer Gewalt ausgedehnt worden. Gegen die Formulierung „idem erit dicendum et si in stabulo aut in caupona vis major contigerit" in D. 4, 9, 3, 1 bestehen jedoch keine Bedenken, vgl. auch Käser, Aktivlegitimation zur actio furti, 294 Fußn. 18. 172 Vgl. Ulp. D. 4, 9, 1, 8; Ulp. D. 47, 5, 1, 4; Gai. D. 4, 9, 5 pr./l. 173 Windscheid/Kipp, Pandekten II, § 384. 174 Gai. D. 4, 9, 5, 1: „Quaecumque de furto diximus, eadem et de damno debent intellegi: non enim dubitali oportet, quin is, qui salvum fore recipit, non solum a furto, sed etiam a damno recipere videatur." 175 Ulp. D. 4, 9, 1, 8; vgl. weiterhin Gai. D. 4, 9, 2; Ulp. D. 4, 9, 3 pr.
III. Prätorische Sondertatbestände
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bb) Ratio legis Der Unterschied im Umfang der Verantwortlichkeit (gegenüber anderen Fällen einer custodia-Pflicht) wird damit zusammenhängen, daß dem Schiffer, Herbergs- und Stallwirt die betreffenden Gegenstände regelmäßig zur sicheren Aufbewahrung übergeben werden und nach dem Vertragsinhalt in einem abgeschlossenen und kontrollierbaren Raum verbleiben sollen. 1 7 6 Nach der Zweckbestimmung, die in den Digesten dem receptum nautarum, cauponum, stabulariorum vorangestellt wurde, richtete sich das Edikt gegen unrechtmäßige Aktivitäten des Beklagten im Verbund mit anderen Personen, die seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen waren. Die Dritthaftung bildete daher einen zentralen Gesichtspunkt bei Erlaß der Regelung. 177 Das Edikt sei von größtem Nutzen, so schrieb Ulpian der Überlieferung zufolge, da man den betreffenden Leuten vertrauen und sein Eigentum ihrem Einflußbereich überlassen müsse. Ohne diese Regelung aber würde ihnen die Möglichkeit eröffnet, sich mit Dieben gegen ihre Kunden zu verbünden, wo sie schon jetzt nicht von solcherlei Machenschaften abließen. 1 7 8 Offensichtlich standen nautae, caupones und stabularli in keinem guten Ruf. Die Entwicklung hat ihren Ausgang vermutlich bei den (in den Quel176 Ähnlich in dieser Beziehung Pflüger, Zur Lehre von der Haftung des Schuldners nach römischem Recht, SZ 65 (1947), 121, 203 f.: „Übersehe man doch nicht, daß die ihnen [den nautae, caupones oder stabularli] übergebenen Sachen ihnen nicht zum Gebrauch, sondern zur sicheren Aufbewahrung übergeben werden, und daß zur Aufbewahrung übergebene Sachen mit denselben Mitteln und ebenso sicher vor Beschädigungen behütet werden können wie vor Diebstahl. Das Schiff ist ein verschließbarer Raum und enthält verschließbare Räume. Liegt es im Hafen, ist auch immer eine Wache da. Auch der Stall ist ein verschließbarer Raum. Es wird auch immer jemand, zum mindesten ein wachsamer Hund in der Nähe sein. Und das Gasthaus? Man glaube doch nicht, daß je ein solches ohne einen zur Aufbewahrung von Sachen der Reisenden bestimmten verschließbaren Raum gewesen sei. Man denke an die reisenden Kaufleute, die nicht mit Musterkoffern, sondern ihre Tragtiere hochbeladen dahergezogen kamen, und sicherlich weitergezogen wären, wenn sie einen solchen Raum nicht vorfanden." 177 A. a. Goldschmidt, Das receptum nautarum, cauponum, stabulariorum, ZHR 3 (1860), 58, 71 f.: „Es soll für ein gewisses Resultat (Integrität der Ladung) aufgekommen werden, was allerdings indirekt zugleich eine Haftung für Delicte gewisser Personen involvirt." 178 Ulp. D. 4, 9, 1, 1: „Maxima utilitas est huius edicti, quia necesse est plerumque eorum fidem sequi et res custodiae eorum committere. ne quisquam putet graviter hoc adversus eos constitutum: nam est in ipsorum arbitrio, ne quem recipiant, et nisi hoc esset statutum, materia daretur, cum furibus adversus eos quos recipiunt coeundi, cum ne nunc quidem abstineant huiusmodi fraudi." Vgl. auch Ulp. D. 4, 9, 3, 1: „miratur igitur, cur honoraria actio sit indicta, cum sint civiles: nisi forte, inquit, ideo, ut innotesceret praetor curam agere reprimendae improbitatis hoc genus hominum."
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len am häufigsten erwähnten) Schiffern genommen, die aus Gründen des ständigen Ortswechsels unbeaufsichtigt waren und denen sich vermutlich deshalb ein besonderer Anreiz zu kriminellem Verhalten darbot. Noch zu klassischer Zeit wird ein weiteres Edikt die receptum-Haftung auf den caupo und den stabularius ausgedehnt haben. 179 Die repressive Haltung gegenüber dem Gastwirt erklärt sich daraus, daß der römischen „caupona" gewöhnlich ein Hotelbetrieb angegliedert war, in dem häufig Prostitution betrieben wurde. 1 8 0 Allen Berufsgruppen war mithin gemeinsam, daß ihre Tätigkeit in besonderem Maße eine Gefahr des Mißbrauchs mit sich brachte, da ihre Kunden darauf angewiesen waren, Sachen unbesehen in ihrem Einflußbereich zu belassen. 181 Im Corpus Iuris Civilis werden sie daher abfällig als „hoc genus hominum" (diese Sorte Menschen) zusammengefaßt. 182 cc) Begriff des receptum Das receptum nautarum, cauponum, stabulariorum kann man daher gewissermaßen als „ordnungsrechtliche Maßregel·4 bezeichnen, die sich allerdings im privatrechtlichen Verhältnis der Parteien auswirkte. 183 Technisch ließ sich die erstrebte Schutzwirkung erreichen, indem informellen Zusicherungen, daß das Eigentum sicher aufgehoben sei („rem salvam fore 44), bindende Kraft beigemessen wurde. Den Begriff „recipere 44 wird man ursprünglich als „Übernahme 44 der Haftung und damit als Garantiezusage verstanden haben, die nach umstrittener Auffassung jedoch in späterer Zeit regelmäßig mit dem faktischen Übernehmen der eingebrachten Gegenstände als stillschweigend erteilt galt. 1 8 4 Die Quellen sprechen dafür, daß 179 Die Frage, ob die Haftung aller drei Berufsgruppen in ein und demselben Edikt begründet wurde oder ob es sich ursprünglich um zwei verschiedene Edikte handelte, die durch Julian oder erst durch die Kompilatoren zusammengestellt wurden, ist umstritten. Als gesichert erscheint es demgegenüber heute, daß es schon zu klassischer Zeit eine receptum-Haftung auch des caupo und des stabularius gab, die vom Rechtscharakter und Haftungsumfang identisch mit dem receptum nautarum war. Zu der Problematik vgl. Meyer-Termeer, Die Haftung der Schiffer, 217 f., 222 Fußn. 1-5; Käser, Aktivlegitimation zur actio furti, 293 Fußn. 16. 180 Vgl. Kariowa, RR II, 1316. Kritisch Pernice, Parerga, SZ 20 (1899), 127, 133 ff. 181 Zimmermann, Obligations, 516. 182 Ulp. D. 4, 9, 3, 1. 183 Nach Hochstein, Obligationes quasi ex delicto, 19 ist ratio legis die „erzieherische Prophylaxe mittels repressiver Maßnahmen." 184 Vgl. Brecht, Zur Haftung der Schiffer, 112ff. m.w.N., der selbst von einer nachklassischen Entwicklung ausgeht. Gegen eine solche Entwicklung Meyer-Termeer, Die Haftung der Schiffer, 201 ff.; siehe ferner Zimmermann, Obligations, 520; Käser, Aktivlegitimation zur actio furti, 295 Fußn. 22.
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eine solche Entwicklung zwar nicht in klassischer 185 , wohl aber in nachklassischer Zeit stattgefunden hat, da das Verb recipere an mehreren Stellen im Sinne einer buchstäblichen, körperlichen Aufnahme verstanden w i r d . 1 8 6 Möglicherweise knüpft das Edikt an eine klassische Gewohnheit an, wonach eine Garantiezusage „rem salvam fore" (daß die Sache unbeschädigt sein wird) üblicherweise als Nebenabrede des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien erteilt wurde. 1 8 7 Nach dem Abflauen dieser Gepflogenheit sah man die faktische Entgegennahme, sofern nicht im Einzelfall ausdrücklich etwas anderes vereinbart w a r 1 8 8 , als konkludente Zusicherung an und interpretierte in diesem Sinne auch die klassischen Schriften. 189
b) Actio furti /damni in factum adversus nautas, caupones, stabularios Die actio de recepto war nicht das einzige Rechtsmittel, das der Prätor den Kunden von nauta, caupo und stabularius gewährte. Daneben kannte das römische Recht zwei besondere prätorische Deliktsklagen für den Fall, daß Gegenstände, die sich auf dem Schiff, im Wirtshaus oder im Stall befanden, beschädigt oder gestohlen wurden: die „actio furti in factum adversus nautas etc." (Diebstahl) und die „actio damni in factum adversus nautas etc." (Sachbeschädigung). 190 Beide Klagen hatten nicht zur Voraus185 Gegen eine solche Entwicklung in klassischer Zeit spricht Ulp. D. 47, 5, 1,4, wonach dem caupo oder nauta selbst die actio furti gegen den Dieb nur dann zusteht, wenn er es „übernommen" hat, daß die Gegenstände unversehrt sein würden: „Quod si receperit salvum fore caupo vel nauta, furti actionem non dominus rei subreptae, sed ipse habet." 186
Ulp. D. 4, 9, 1, 1; Ulp. D. 4, 9, 1, 6; Ulp. D. 4, 9, 1, 8. Eine mögliche Auslassung des salvam fore (vgl. etwa Meyer-Termeer, Die Haftung der Schiffer, 204 f., 212 Fußn. 27) kann gerade Ausdruck der Entwicklung sein. 187 Je nach dem Inhalt ihrer Abmachungen konnten die Parteien Verträge unterschiedlichen Inhalts miteinander schließen. Neben dem depositum kamen Mietvertrag (D. 4, 9, 3, 1), Auftrag (Windscheid/Kipp, Pandekten II, § 384 Fußn. 7; Kariowa, Römisches Recht II, 1318) und vor allem der Werkvertrag („locatio conductio operis") in Betracht. Die actio de recepto beruhte daher nicht auf einem selbständigen Vertrag sui generis, sondern gründete auf einer Nebenabrede, die in Ergänzung zu den üblichen Vereinbarungen getroffen wurde (so die ganz herrschende Meinung, vgl. Meyer-Termeer, Die Haftung der Schiffer, 185, 191 Fußn. 2 m.w.N.). 188 Eine vertraglicher Ausschluß der receptum-Haftung scheint möglich gewesen zu sein, vgl. Windscheid/Kipp, Pandekten II, § 384 (S. 622). Ulp. D. 4, 9, 7 pr. sieht einen vertraglichen Haftungsausschluß vor, betrifft aber streng genommen nicht die actio de recepto, sondern die „actio damni in factum adversus nautas", die im folgenden behandelt wird. 189 In Anbetracht der lückenhaften Überlieferung lassen sich zu der Problematik allerdings keine absolut gesicherten Aussagen ohne jedes Element einer Spekulation treffen.
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Setzung, daß der nauta 1 9 1 , caupo oder stabularius selbst die Tat verübt hatte, sondern kamen ebenso zur Anwendung, wenn ein Angestellter (oder im Fall des Gastwirts auch ein Dauergast 192 ) das Unrecht verwirklicht hatte, gleich ob er Sklave oder frei war. Einige Aspekte der beiden Rechtsbehelfe, die entwicklungsgeschichtlich von wesentlicher Bedeutung sind, sollen im folgenden genauer unter die Lupe genommen werden. Hierzu zählt der Strafcharakter der Klagen (aa), die Problematik des Eigenverschuldens von nauta, caupo, stabularius (bb), sowie der systematische Standort der Haftung (cc). aa) Die pönale Natur der Klagen Bei den actiones furti/damni in factum adversus nautas, caupones, stabularios handelte es sich um Pönalklagen. Ihr Zweck war nicht in erster Linie die Wiederherstellung des vorigen Zustandes, sondern Bestrafung des Verantwortlichen und Genugtuung für den Verletzten. 193 Das römische Recht nahm in dieser Beziehung Funktionen wahr, die nach moderner Vorstellung eher dem Strafrecht zuzuordnen sind. 1 9 4 Der pönale Charakter der 190
Paul. D. 4, 9, 6, Iff.; Ulp. D. 47, 5, 1 pr.ff.; Lenel, EP, 205f., 333f. Nach dem natürlichen Wortsinn konnte „nauta" unterschiedliches bedeuten, u.a. einfach Seemann oder Matrose. Im Kontext der receptum-Haftung und der beiden quasideliktischen Klagen war mit dem Begriff des nauta jedoch allein der „exercitor navis", d.h. der Reeder, gemeint. Dies geht deutlich aus Ulp. D. 4, 9, 1, 2 hervor: „Qui sunt igitur, qui teneantur, videndum est. Ait praetor ,nautae\ Nautam accipere debemus eum qui navem exercet: quamvis nautae appellantur omnes, qui navis navigandae causa in nave sint: sed de exercitore solummodo praetor sentit." Einige einschlägige Quellen verwenden daher von vornherein den Begriff des exercitor anstelle des nauta, vgl. etwa Gai. D. 44, 7, 5, 6. 192 Mitglieder des Personals und Dauergäste im Gegensatz zu vorübergehenden Besuchern, vgl. Ulp. D. 47, 5, 1,6: „Caupo praestat factum eorum, qui in ea caupona eius cauponae exercendae causa ibi sunt, item eorum, qui habitandi causa ibi sunt: viatorum autem factum non praestat"; Ähnlich Paul. D. 4, 9, 6, 3: „In factum actione caupo tenetur pro his, qui habitandi causa in caupona sunt: hoc autem non pertinet ad eum, qui hospitio repentino recipitur, veluti viator." Nach Käser, RPr I, 586 haftet der nauta im Rahmen der Deliktsklagen auch für das Verhalten von Mitreisenden. Dagegen wird jedoch in Paul. D. 4, 9, 7 pr. lediglich eine Haftung für Mitglieder der Besatzung angenommen („Debet exercitor omnium nautarum suorum, sive liberi sint sive servi, factum praestare: nec immerito factum eorum praestat, cum ipse eos suo periculo adhibuerit"), ebenso in Ulp. D. 47, 5, 1 („hoc est nautas"), wohingegen die Haftung für Passagiere ausdrücklich abgelehnt wird in Ulp. D. 47, 5, 6: „In navi quoque vectorum factum non praestatur." Im Ergebnis wie hier auch Kariowa, RR II, 1321; Goldschmidt, Das receptum nautarum, cauponum, stabulariorum, ZHR 3 (1860), 58, 71. Eine Haftung für Mitreisende konnte sich freilich auf der Grundlage der receptum-Haftung ergeben, vgl. Pomp.-Ulp. D. 4, 9, 1, 8; 3 pr. 193 Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 225. 191
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beiden prätorischen Klagen zeigt sich deutlich im Umfang der Ersatzpflicht. Der nauta, caupo oder stabularius haftete in Höhe des doppelten Schadensbetrages („in duplum" 1 9 5 ). bb) Culpa als Zurechnung Die beiden prätorischen Deliktsklagen führten zu einer strikten Einstandspflicht für fremdes Handeln. Aus den Quellen läßt sich sicher entnehmen, daß die Haftung von nauta, caupo und stabularius unabhängig von persönlichem Verschulden eintrat. Zu besonderen Schwierigkeiten in der Interpretation der einschlägigen Fragmente hat freilich die Tatsache Anlaß gegeben, daß die Verantwortlichkeit im Corpus Iuris Civilis anhand von culpa-Erwägungen rationalisiert wurde, wie die folgende Passage zeigt: Gai. 3 aur. D. 44, 7, 5, 6: „Item exercitor navis aut cauponae aut stabuli de damno aut furto, quod in nave aut caupona aut stabulo factum sit, quasi ex maleficio teneri videtur, si modo ipsius nullum est maleficium, sed alicuius eorum, quorum opera navem aut cauponam aut stabulam exerceret: cum enim neque ex contractu sit adversus eum constituta haec actio et aliquatenus culpae reus est, quod opera malorum hominum uteretur ideo quasi ex maleficio teneri videtur." 196 Der Text handelt von den beiden erwähnten prätorischen Deliktsklagen. Sofern auf dem Schiff, in der Gastwirtschaft oder im Stall eine Sachbeschädigung oder ein Diebstahl verübt wurde, ist der Betreiber verantwortlich, auch wenn einer der Angestellten die Tat begangen hat, mit deren Hilfe er das Schiff, die Gastwirtschaft oder den Stall führt. Aus heutiger Sicht bemerkenswert erscheint die dogmatische Einordnung der Haftung: Den nauta, caupo oder stabularius trifft eine quasideliktische Verantwortlichkeit für das Verhalten seiner Gehilfen, wenn er selbst kein Unrecht begangen hat („quasi ex maleficio teneri videtur, si modo ipsius nullum est maleficium"). Etwas überraschend ist sodann die Begründung des Fragments: Da nicht eine vertragliche Klage gegen den Beklagten begründet ist und er „gewissermaßen schuldhaft" handelte („aliquatenus culpae reus est"), indem er sich der Hilfe unzuverlässiger Menschen bediente, scheint er quasideliktisch zu haften. Wenn in der Verantwortlichkeit des Beklagten „gewissermaßen eine Art Verschuldenshaftung" gesehen wird, könnte dies, entsprechend der justinianischen Tendenz zur Betonung subjektiver Haftungselemente, als nachklassischer Zusatz einzustufen sein. 1 9 7 Der Begriff der culpa scheint in dem Fragment jedoch nicht als technisches Verschulden verstanden worden zu 194 195 196
Zimmermann, Effusum vel deiectum, 305. Ulp. D. 4, 9, 7, 1. Allgemein zu den „actiones poenales", Käser, RPr I, 61 Iff. Vgl. auch Inst. 4, 5, 3; Ulp. D. 4, 9, 7, 4.
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sein, da (abgesehen von dem abschwächenden „aliquatenus") gleichzeitig klargestellt wird, daß der Beklagte selbst kein Unrecht begangen hat („si modo ipsius nullum est maleficium"). Sofern das Fragment einer anderen plausiblen und in sich stimmigen Interpretation zugänglich wäre, ist die Annahme einer solchen, durch die Interpolatoren eingefügten offensichtlichen Widersprüchlichkeit vielmehr auszuschließen. Möglich wäre aufgrund der Formulierung „mali homines4' ausnahmsweise die Annahme einer Verschuldensfiktion bzw. einer unwiderleglichen Schuldvermutung, wie es von einigen Autoren in späterer Zeit vertreten wurde. 1 9 8 Passender erscheint es jedoch, culpa im Sinne einer objektiven Zurechnung zu begreifen, die daran anknüpft, daß der Beklagte den unmittelbaren Täter als Hilfsperson angestellt hat. 1 9 9 Mit dem Akt der Anstellung ist dabei freilich kein buchstäblicher Schuldvorwurf verbunden. Vielmehr wird zum Ausdruck gebracht, daß ein nauta, caupo oder stabularius, der sich bewußt und gewollt der Hilfe anderer Personen bedient, auch die damit verbundenen Gefahren, die sich aus der Schädigung außenstehender Dritter ergeben können, in Kauf nehmen muß. Anhand eben dieser Risikoerwägung wird die Haftung des nauta in einem anderen einschlägigen Fragment begründet: „Debet exercitor omnium nautarum suorum sive liberi sint sive servi factum praestare: nec immerito factum eorum praestat, cum ipse eos suo periculo adhibuerit." 200 Der Betreiber eines Schiffes muß für das Verhalten aller seiner Matrosen einstehen, gleich ob es sich um Freie oder um Sklaven handelt: Und er muß nicht zu Unrecht für ihre Taten einstehen, da er sie selbst auf eigene Gefahr hinzugezogen hat. Im Unterschied zur Noxalhaftung erstreckten sich die beiden prätorischen Klagen nicht auf sämtliche Delikte der Angestellten, sondern waren in ihrem Anwendungsbereich räumlich begrenzt: Der nauta, caupo oder stab197
Siehe Käser, RPr II, 346ff., 408; Zimmermann, Obligations, 17; ferner Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 44. Zur Problematik siehe bereits oben § 2 II. 198 Vgl. etwa Voet, Commentarius, D. 4, 9, 6: „[Rjegulariter culpa eius adscribatur, si malignorum opera atque ministerio usus sit." 199 Ähnlich versteht auch MacCormack culpa hier nicht im Sinne technischen Verschuldens, sondern im Sinne einer Verletzung des prätorischen Edikts, vgl. Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525, 550: „Theft by a member of the crew could be treated as fault on the part of the nauta in the sense that conditions which entail liability under the edict have been fulfilled. Loosely the fault can be said to lie in the infringement of the edict. In order to link the fault more closely with the conduct of the person made liable Gaius states that he has employed mali homines." Der Begriff der culpa wurde in den Quellen allgemein in klassischer Zeit je nach kasuistischem Zusammenhang auch in einem objektiv-typischen Sinne verstanden. Hierzu und zur Mehrdeutigkeit des culpa-Begriffs vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 231 f.; Käser, RPr I, 511 f. 200 Ulp. D. 4, 9, 7 pr.
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ularius haftete für seine Angestellten nur dann, wenn sich das Unrecht auf dem Schiff, im Gasthaus oder im Stall ereignet hatte. 201 In dieser räumlichen Beschränkung läßt sich eine Vorstufe zur Ausbildung einer funktionalen Haftungsbegrenzung sehen. Unausgesprochen scheint den prätorischen Klagen der Gedanke einer generellen Kontrolle des Betreibers über seine Leute innerhalb eines räumlich abgesteckten Herrschaftsbereichs zugrunde zu liegen. 2 0 2 Aus diesem Gesichtspunkt heraus ließe sich die Erweiterung der Haftung des caupo auf Dauergäste begreifen: Im Hinblick auf permanente Bewohner der Gastwirtschaft bestehen im Gegensatz zu Durchreisenden erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten. Der Begriff der culpa wäre in Anbetracht dessen als Zurechnung der Haftung zu begreifen, die darauf gründet, daß der Betreiber aufgrund seiner prinzipiellen Kontrolle über bestimmte von ihm angestellte Personen auch die Gefahr daraus resultierender Schäden für außenstehende Dritte tragen muß. 2 0 3 Da mit formellen Eingriffen in die klassische Substanz des Fragments gerechnet werden muß, lassen sich Stellungnahmen mit absolutem Gültigkeitsanspruch zu der angeführten Passage freilich nicht treffen. Die hier vertretene Auffassung einer objektiven Interpretation des culpa-Begriffs scheint jedoch gerade auch mit Blick auf das moderne Recht einleuchtend: Während die Exkulpationsmöglichkeit des Geschäftsherrn in § 831 BGB angesichts unerfüllbarer Sorgfaltsanforderungen in vielen Fällen praktisch nicht zum Tragen kommt, werden anerkanntermaßen strikte Haftungstatbestände im englischen Recht häufig mit dem Bruch einer „non-delegableduty" des employer und damit durch die Annahme einer persönlichen Pflichtverletzung des Arbeitgebers begründet. Es zeigt sich darin das Bestreben, Tatbestände einer strikten Haftung für Hilfspersonen zumindest 201
Neben Gai. D. 44, 7, 5, 6 vgl. Ulp. D. 4, 9, 7 pr.: „sed non alias praestat, quam si in ipsa nave damnum datum sit: ceterum si extra navem licet a nautis, non praestabit." 202 Dabei ist freilich nicht entscheidend, ob der Haftpflichtige auch im Einzelfall das Geschehen beherrscht hat, da es auf die Kontrollmöglichkeit im allgemeinen ankommt. Es haftet daher etwa der Reeder, selbst wenn er nicht auf dem Schiff anwesend war. Vgl. auch Hochstein, Obligationes quasi ex delicto, 29 ff. 203 Für Schäden der Angestellten untereinander haftet der nauta, caupo oder stabularius offensichtlich nicht, vgl. Ulp. D. 4, 9, 7, 2: „Sed si quid nautae inter se damni dederint, hoc ad exercitorem non pertinet." Eine interessante Parallele findet sich in der modernen englischen Doktrin des „common employment", siehe Atiyah, Vicarious Liability, 415: „At common law the doctrine of vicarious liability was subject to a peculiar exception whereby an employer was not vicariously liable to one servant for the negligence of another." Hierzu s. u, § 4 V 9, sowie § 6 III 1. Der nauta, caupo oder stabularius haftete auch, wenn ein Sklave des Matrosen das Unrecht verwirklicht hat, Ulp. D. 4, 9, 7, 3; zur vergleichbaren Problematik des „sub-servant" im modernen englischen und südafrikanischen Recht s.u., § 6 V 1 a cc.
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äußerlich auf eine persönliche Fehlleistung des Geschäftsherrn zu stützen. Ähnliche Motivationen könnten auch die klassischen Juristen dazu bewegt haben, die Verantwortlichkeit von nauta, caupo und stabularius mit dem Begriff der culpa in Beziehung zu setzen. cc) Quasideliktische Haftung Neben dem culpa-Erfordernis sticht als weiterer bemerkenswerter Aspekt in dem angeführten Fragment die Klassifizierung der Haftung als quasideliktisch hervor („quasi ex maleficio"). Im Corpus Iuris Civilis findet sich ein Obligationensystem mit vier Unterkategorien: Vertrag, Delikt, Quasivertrag und Quasidelikt. 204 Unter der Rubrik des Quasidelikts waren bestimmte Haftungstatbestände eingeordnet, die, wie der Name sagt, dem Delikt ähnlich sind, denen aber gleichzeitig wesentliche Merkmale deliktischer Verantwortlichkeit fehlten. 205 Die actiones furti und damni in factum adversus nautas sind gekennzeichnet durch die Abwesenheit von eigenem Fehlverhalten des Beklagten. Der entscheidende Zurechnungsgesichtspunkt scheint bei den Quasidelikten vielmehr der Gedanke einer generellen Kontrolle des Ersatzpflichtigen über eine Quelle erhöhter Gefahr gewesen zu sein. 2 0 6 Im Fall der prätorischen Klagen gegen nauta, caupo und stabularius ergab sich ein gesteigertes Risiko aus der Möglichkeit einer Unrechtsbegehung durch Angestellte innerhalb eines räumlichen Herrschaftsbereichs. Die Kategorie der Quasidelikte lebte im gemeinen Recht fort, büßte aber in den meisten Regionen allmählich ihre klaren Konturen im Verhältnis zur deliktischen Haftung ein und wurde aus diesem Grund nicht in das BGB übernommen.
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204 Inst. 3, 13, 2: „Sequens divisio [obligationum] in quattuor species diducitur: aut enim ex contractu sunt aut quasi ex contractu aut ex maleficio aut quasi ex maleficio." Dazu und zur Entwicklung der Kategorie der Quasidelikte in moderner Zeit vgl. Zimmermann, Obligations, 14ff. und 1126ff. 205 Neben dem „furtum vel damnum in navi aut caupone aut stabulo" fielen unter die Quasidelikte der Fall des „positum vel suspensum" (s.u., § 2 III 2 g), des „iudex qui litem suam fecit" (vgl. Kelly, Roman Litigation, 102ff.) und des „deiectum vel effusum" (s.u., § 2 III 2). 206 Vgl. allgemein Zimmermann, Obligations, 17 f.; Hochstein, Obligationes quasi ex delicto, 26ff.; Stein, The Nature of Quasi-Delictual Obligations in Roman Law, RIDA 5 (1958), 563ff.; vgl. auch Birks, The Problem of Quasi-Delict, 22 Current Legal Problems (1969), 164, 174: „The key to quasi-delict may then lie in this possibility of liability without misfeasance from which flows the need for the assumption of a special position"; siehe auch denselben, A New Argument for a Narrow View of Litem suam facere, TR 52 (1984), 373 ff. Dabei ist freilich zu beachten, daß dieser Gesichtspunkt in den Quellen selbst noch nicht aufgeführt ist, sondern vielmehr das Ergebnis von wissenschaftlichen Begründungsversuchen des 20. Jahrhunderts ist.
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c) Zum Nebeneinander von receptum-Haftung und den quasideliktischen Klagen Einer kurzen Stellungnahme bedarf ferner die Frage nach dem Nebeneinander von receptum-Haftung und den quasideliktischen Klagen. Wie dargestellt, richtete sich das receptum nautarum, cauponum, stabulariorum (der in den Digesten angegebenen ratio legis zufolge) primär gegen unrechtmäßige Aktivitäten des Beklagten im Verbund mit anderen Personen. Ähnlich war von den actiones furti und damni in factum adversus nautas eine Haftung nicht nur für das Verhalten des Beklagten selbst, sondern auch seiner Angestellten erfaßt. Zwar war das receptum in der Beziehung weiter, daß es für jeglichen Nachteil bis zur Grenze der höheren Gewalt galt, im besonderen auch für das Verhalten außenstehender Dritter. 2 0 8 Dennoch gab es in großem Umfang Überschneidungen zwischen beiden Rechtsbehelfen. Nach herrschender Meinung sind die quasideliktischen Klagen wahrscheinlich die älteren und fanden lediglich in speziellen Situationen Anwendung, die von der späteren receptum-Haftung weitgehend eingeschlossen waren. 2 0 9 In späterer Zeit war die praktische Bedeutung der actiones furti und damni in factum adversus nautas vor allem darin begründet, daß sie im Gegensatz zu der actio de recepto auf den doppelten Schadensersatzbetrag („in duplum") gingen. 2 1 0 Ein möglicher Grund für die Einführung der quasideliktischen 207
Coing, Europäisches Privatrecht I, 395f.; derselbe, Europäisches Privatrecht II, 520; Zimmermann, Obligations, 1128 ff. 208 Die Haftung aufgrund der quasideliktischen Klagen war auch insofern enger, als es bei Delikten eigener Sklaven eine noxale Begrenzung gab, vgl. Ulp. D. 47, 5, 1, 5. 209 Zimmermann, Obligations, 517; Meyer-Termeer, Die Haftung der Schiffer, 186; unentschlossen Kariowa, RR II, 1322; vgl. auch Thomas, Carriage by Sea, RIDA 7 (1960), 489, 498, nach dessen Auffassung sich der Anwendungsbereich der unterschiedlichen Rechtsbehelfe nach den allgemeinen vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien richtet: „But it is my submission that actio furti and actio damni in factum were introduced in relation to locatio of space on a navis, while receptum was introduced to achieve similar aims in association with conductio rerum vehendarum; and that their different origins explains both the separate development of each and also why the liabilities of the locator of ship-space in respect of cargo were apparently specific as against the general receptum responsibility of the nauta-conductor." 210 Ulp. D. 4, 9, 7, 1. Die actio de recepto war sachverfolgender (Meyer-Termeer, Die Haftung der Schiffer, 215), die actiones furti und damni in factum adversus nautas auch pönaler Natur (dazu Käser, RPr I, 501 f.). Zum Teil wird in der Literatur die Auffassung vertreten, daß die actio de recepto im Gegensatz zu den quasideliktischen Klagen nicht alle auf dem Schiff vorhandenen Gegenstände erfaßte (nach Brecht, Zur Haftung der Schiffer, 99 ff. galt die receptum-Haftung etwa nur für das persönliche Reisegepäck von Passagieren im Gegensatz zu transportierten Waren); gegen derartige Differenzierungen siehe jedoch zu Recht Meyer-Termeer, Die Haftung der Schiffer, 188.
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Rechtsbehelfe könnte demgegenüber darin liegen, daß sie auch in Abwesenheit vertraglicher Beziehungen zwischen den Partien zur Anwendung kamen. Die receptum-Haftung setzte, wie dargelegt, zu klassischer Zeit noch eine Garantievereinbarung voraus („rem salvam fore"), die als Nebenabrede zu dem eigentlichen Vertrag zwischen den Parteien getroffen wurde. Die Regelung im prätorischen Edikt knüpft vermutlich an eine klassische Gewohnheit an, wonach eine solche Vereinbarung regelmäßig getroffen wurde. 2 1 1 Bei Abwesenheit eines Vertrages oder einer speziellen Haftungsübernahme ergaben sich Lücken in der Haftung. Um diese Lücken zu füllen, wurden vermutlich nachträglich die actiones furti und damni in factum adversus nautas eingeführt. Im Sinne dieser Deutung läßt sich ferner ein Fragment interpretieren, in dem betont wird, daß die actio damni in factum adversus nautas auch bei Unentgeltlichkeit gewährt wurde. 2 1 2 Sofern der nauta, caupo oder stabularius mit einem Kunden einen Vertrag geschlossen hat, wird dieser in aller Regel entgeltlich gewesen sein. 2 1 3 211
S. o, § 2 111 1 acc. Paul. D. 4, 9, 6 pr.: „Licet gratis navigaveris vel in caupona gratis deverteris, non tarnen in factum actiones tibi denegabuntur, si damnum iniuria passus es." 213 In Anbetracht der Tatsache, daß dem Geschädigten gegen nauta, caupo und stabularius schon nach ius civile vertragliche Rechtsbehelfe zur Verfügung standen, wird in den Digesten die Frage nach der praktischen Notwendigkeit der prätorischen receptum-Haftung im Verhältnis zu anderen vertraglichen Klagen aufgeworfen (vgl. D. 4, 9, 3, 1). Die Antwort auf die Problematik scheint sich aus den bisherigen Erörterungen zu ergeben: Den nauta, caupo oder stabularius trifft eine besonders weitgehende Haftung. Auf diesen Gesichtspunkt verweisen auch die Quellen: Während im allgemeinen der Schuldner nur für culpa oder dolus haftet, muß er im Falle des receptum grundsätzlich für jeglichen Verlust aufkommen (vgl. auch Ulp. D. 4, 9, 3, 1). An der Klassizität dieser Begründung wurden in der modernen Literatur wiederholt Zweifel geäußert (siehe Brecht, Zur Haftung der Schiffer, 92 ff. m.w.N.). Diese Zweifel stützen sich in erster Linie darauf, daß für den Werkvertrag, der gewöhnlich dem Verhältnis der Parteien zugrunde lag, eine custodia-Haftung überliefert ist. Daneben aber wäre die receptum-Haftung praktisch überflüssig, da ihr Umfang in klassischer Zeit ebenfalls von der custodia bestimmt war (Gai. D. 4, 9, 5 pr. verweist auf die parallele custodia-Haftung des fullo oder des sarcinator). Wie bereits erwähnt wurde, läßt sich nicht sicher ermitteln, ob alle Werkunternehmer nach römischem Recht eine custodia-Pflicht traf. Möglicherweise haftete der nauta, caupo oder stabularius in Abwesenheit eines receptum nur für culpa. In diesem Fall wäre das Nebeneinander verschiedener Rechtsbehelfe nicht verwunderlich. Aber auch wenn man in beiden Fällen eine custodia-Pflicht annehmen würde, wäre der Umfang der Haftung nicht zwingend identisch. Obwohl die custodia sich generell als eine Garantiehaftung bis zur Grenze der höheren Gewalt charakterisieren läßt, muß dennoch in der konkreten Situation untersucht werden, wie die Bewachungspflicht des Schuldners beschaffen ist. Die Antwort kann möglicherweise nach Art der vertraglichen Vereinbarungen unterschiedlich ausfallen: Der Begriff der custodia erscheint nicht als einheitlicher juristischer terminus technicus, der unter allen Umständen gleich bleibt. Die custodia-Pflicht aufgrund des receptum war vermutlich strenger ausgestaltet als in anderen Schuldverhältnissen. So mußten nauta, 212
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d) Actio exercitoria
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und actio institoria
In engem thematischen Zusammenhang mit den soeben behandelten Rechtsbehelfen stehen schließlich zwei weitere prätorische Klagen, die ursprünglich nicht die Problematik der deliktischen Gehilfenhaftung betrafen, für deren weitere Entwicklung aber interessanterweise Bedeutung erlangten. Die „actio exercitoria" kam zur Anwendung, wenn der Reeder (der lateinisch außer nauta auch „exercitor navis" genannt wurde) einen Sklaven oder Freien 2 1 4 als Schiffskapitän („magister navis") eingesetzt hatte und dieser im Rahmen der Einsetzung, „praepositio", Verbindlichkeiten eingegangen war. 2 1 5 Die praepositio war ein einseitiger Akt, der mit der faktischen Einweisung des Schiffskapitäns in seine Aufgaben erfolgte und gleichzeitig dessen Befugnis begründete, mit Dritten für Rechnung des Reeders Geschäfte abzuschließen. 216 Die actio exercitoria gehörte zur Gruppe der adjektizischen Klagen, da sie eine zusätzliche Verbindlichkeit neben der Obligation der unmittelbar handelnden Person erzeugte. 217 Ihre praktische Bedeutung erhielt sie aufgrund der Tatsache, daß dem römischen Recht ein allgemeines Institut der Stellvertretung noch nicht bekannt war. Der Reeder konnte einen Sklaven, aber auch einen freien Menschen als Schiffskapitän einsetzen. Die Rechtsbeziehung, die die Grundlage der Haftung bildete, beruhte daher nicht auf einem Statusverhältnis, sondern auf der Bestellung des magister navis zu der betreffenden Verrichtung. Gerechtfertigt wurde die Haftung mit der Überlegung, daß der Reeder von der Hilfe des Kapitäns profitiert, also mit Erwägungen von Nutzen und Risiko. 2 1 8 caupo und stabularius ohne weiteres für Sachbeschädigungen einstehen, was im übrigen umstritten war und nur in Grenzen bejaht wurde. Nach der hier vertretenen Auffassung umfaßte die custodia-Pflicht beim Leih- und Werkvertrag im Gegensatz zum receptum nicht das Verhalten von Hilfspersonen, denen der Schuldner den Gegenstand freiwillig übertragen oder die Einwirkung darauf gestattet hat. Da custodia nicht gleich custodia ist, behielte daher die receptum-Haftung auch dann ihre eigenständige praktische Bedeutung, wenn der Werkunternehmer ohnehin für custodia einstehen mußte. Zu einem ähnlichen Ansatz vgl. Käser, Aktivlegitimation zur actio furti, 294. 214 Ulp. D. 14, 1, 1, 4. 215 D. 14, 1; C. 4, 25. Allgemein dazu etwa Wacke, Die adjektizischen Klagen im Überblick, SZ 111 (1994), 280, 298 ff.; ferner Wiesmüller, RE Suppl. 12, 365 ff. 2.6 Der Umfang der durch die praepositio begründeten Vertretungsbefugnis konnte unterschiedlich weit sein. Im allgemeinen wird die Natur der Aufgaben des magister navis auch das Ausmaß seiner Vollmachten bestimmt haben, vgl. Ulp. D. 14, 1, 12: „Igitur praepositio certam legem dat contrahentibus." Es stand dem Reeder jedoch frei, die Aufgabenbereiche, denen der Kapitän vorstehen sollte, einschließlich der sich daraus ergebenden Befugnisse näher festzulegen (Kariowa, RR II, 1123). 2.7 Käser, RPr I, 605 ff. 2.8 Ulp. D. 14, 3, 1 pr.
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
Die praepositio führte in eingeschränktem Maße auch zu einer Erweiterung der Haftung des nauta für fremde Delikte: Wenn etwa der Kapitän das zur Schiffsausrüstung oder Reparatur erhaltene Darlehen zweckwidrig einsetzte, haftete der Reeder auf Rückzahlung. 219 Viel bedeutender für die Entwicklung der Gehilfenhaftung ist hingegen der Gedanke der praepositio als solcher. Der exercitor haftete nicht für sämtliche Geschäfte des magister navis, sondern nur für die Verbindlichkeiten, die dieser gleichsam „in Ausführung der Verrichtung" eingegangen ist, zu der er bestellt wurde. 2 2 0 Die Haftung des Reeders war daher funktional durch die Aufgaben seines Kapitäns beschränkt. 221 Aus den Quellen ergibt sich deutlich, daß grundsätzlich nur der magister navis, nicht auch der einfache angestellte Matrose Verbindlichkeiten des exercitor aufgrund einer praepositio erzeugen konnte. 2 2 2 Festzuhalten bleibt überdies, daß die praepositio sich auf vertragliche Verbindlichkeiten des Reeders bezog und mit dem Problem der Haftung für Verrichtungsgehilfen nur wenig zu tun hatte. Für die vorliegende Thematik ist die praepositio dennoch von großem Interesse, da sie zeigt, daß den Römern der Gedanke einer funktionalen Haftungsbegrenzung, die nicht auf einem Statusverhältnis beruht, sondern sich aus den Abmachungen der Parteien ergibt, nicht fremd war. Dieses im Rahmen der actio exercitoria anerkannte Haftungsprinzip wurde durch die „actio institoria" allgemein auf unternehmerische Aktivitäten erweitert. 223 Sofern ein Unternehmer, der gewerbsmäßig eine gewinnbringende Tätigkeit betrieb („negotiatio"), seinem Betrieb einen leitenden Angestellten („institor") voranstellte, haftete er für die von diesem eingegangenen Verbindlichkeiten gegenüber Drittkontrahenten auf den vollen Betrag. 2 2 4 Die actio institoria scheint generell auf gewerbsmäßige Unternehmen Anwendung gefunden zu haben. 225 Es ist daher davon auszugehen, daß auch der Gastwirt (caupo) einen leitenden Angestellten engagieren 219
Ulp. D. 14, 1, 1, 9. Ulp. D. 14, 1, 1, 12; siehe ferner Ulp. D. 14, 3, 5, 15; Ulp. D. 14, 3, 11, 5; C. 4, 25, 2. 221 Zur Natur dieser Beschränkung vgl. im einzelnen Johnston, Limiting Liability, 70 Chicago Kent Law Review (1995), 1515, 1517 ff. 222 Vgl. Ulp. D. 14, 1, 1, 2: „Sed si cum quolibet nautarum sit contractum, non datur actio in exercitorem, quamquam ex delicto cuiusvis eorum, qui navis navigandae causa in nave sint, detur actio in exercitorem: alia enim est contrahendi causa, alia delinquendi, si quidem qui magistrum praeponit, contraili cum eo curare debet." Der magister navis hat jedoch eine Substitutionsbefugnis dergestalt, daß er einen anderen mit gleicher Befugnis an seiner Stelle dem Geschäftskreis, für den er bestellt ist, voranstellen kann, siehe Ulp. D. 14, 1,5. 223 Wacke, Die adjektizischen Klagen im Überblick, SZ 111 (1994), 280, 311. 224 D. 14, 3; C. 4, 25. 225 Ulp. D. 14, 3, 5 pr.: „Cuicumque igitur negotio praepositus sit, institor recte appellabitur." 220
III. Prätorische Sondertatbestände
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konnte mit der Folge, daß er der actio institoria ausgesetzt war. Für den Stallbesitzer (stabularius) ergibt sich dies ausdrücklich aus den Quellen. 2 2 6 Voraussetzung war jedoch wiederum die sachliche Zugehörigkeit des Geschäfts zu dem Aufgabenkreis des Angestellten: Der institor mußte im Rahmen der praepositio gehandelt haben, um eine Verbindlichkeit des Unternehmers zu erzeugen. 227 Die actio institoria betraf ebenfalls in erster Linie die vertragliche Haftung und nicht die Problematik der deliktischen Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen. 228 Der Gedanke der funktionalen Haftungsbegrenzung erfuhr in ihrem Anwendungsbereich indessen eine erhebliche Erweiterung und war für die Römer daher nicht nur ein abgelegener Sonderfall. 229
226
Ulp. D. 14, 3, 5, 6: „Stabularli quoque loco institorum habendi sunt." Deutlich vor allem Ulp. D. 14, 3, 5, 11: „Non tarnen omne, quod cum institore geritur, obligat eum qui praeposuit, sed ita, si eius rei gratia, cui praepositus fuerit, contractum est, id est dumtaxat ad id quod eum praeposuit." 228 Mittels der actio institoria konnte gegen den Unternehmer jedoch auch wegen Unterschlagungen von Gegenständen des Drittkontrahenten durch den institor geklagt werden, Ulp. D. 14, 3, 5, 10. 229 Das römische Haftungsrecht unterlag, wie die Darstellung der receptum-Haftung im Zusammenhang mit den actiones exercitoria und institoria zeigt, in diesem Bereich sublimen Regelungen mit i.e. sehr feinen Ausdifferenzierungen. Es liegt nahe, daß spätere Epochen, die nicht mehr das intellektuelle Niveau ihrer klassischen Vorfahren erreichten, Mißverständnissen unterliegen mußten, die zu Verwirrungen und Abweichungen von den ursprünglichen Grundsätzen, damit aber gleichzeitig zu rechtlichen Neuschöpfungen führten. Im Vulgarrecht (zum Begriff vgl. Levy, Vulgarrecht, 1 ff.) wurde die Haftung des institor dergestalt umgedeutet, daß dieser nun seinerseits aus den Geschäften seiner Angestellten haftete (PS 2, 8, 3: „Quod cum discipulis eorum, qui officinis vel tabernis praesunt contractum est, in magistris vel institoribus tabernae in solidum actio datur"). Dabei kam es im allgemeinen nicht mehr darauf an, ob die Gehilfen im Rahmen ihrer Aufgaben handelten, für die sie bestellt waren (Levy, Vulgarrecht, 82). Der institor entwickelte sich daher zu einem stark verselbständigten Geschäftsführer (Käser, RPr II, 104). Demgegenüber finden sich allerdings andere Quellen, in denen der institor wie zuvor als Betriebsleiter erscheint und gleichzeitig die Haftungsbegrenzung aufgrund der praepositio anerkannt war (PS 2, 8, 2). Damit einher ging zum Teil eine Verwischung der Grenzen zwischen vertraglicher und deliktischer Verantwortlichkeit, so daß der Betriebsinhaber grundsätzlich für alle Delikte seines institors einstehen mußte, die dieser in Durchführung seiner Aufgaben verübte, vgl. IP 2, 8, 2: „Quicunque quamlibet personam aut ad exercendum negotium aut pro ratione culturae aut condendis vendendisque fructibus praeposuisse cognoscitur, si quid damni per eius actum accesserit, ad eum qui eum instituit, pertinebit, sive servus sive liber sit." Die aus Mißverständnissen erwachsenen Kombinationen von Haftungselementen aus unterschiedlichen Zusammenhängen führten auf diese Weise zu verschiedenen rechtlichen Neuschöpfungen. Ungeachtet der zahlreichen Kombinationen scheint sich jedoch auch im Vulgarrecht noch keine allgemeine funktional begrenzte Haftung für sämtliche Hilfspersonen (über die leitenden Angestellten hinaus) herausgebildet zu haben. 227
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
2. Effusum vel deiectum Im Interesse der öffentlichen Sicherheit erließ der Prätor ein Edikt, das eine Haftung des Hausbewohners („habitator") begründete, wenn Schäden oder Verletzungen dadurch entstanden, daß Gegenstände oder Flüssigkeiten aus dem Fenster geworfen („deiectum") oder gegossen („effusum") wurden auf einen Ort, wo gewöhnlich eine Straße entlang führte oder wo Leute zu stehen pflegten. 230 a) Sozialer Hintergrund Die Bestimmung erklärt sich aus den besonderen gesellschaftlichen Verhältnissen im alten Rom: Viele Menschen lebten in der Stadt auf knapp bemessenem Raum zusammen. Die Straßen waren eng und die Wohnungssituation in den mitunter hohen Häusern oftmals unzulänglich. 231 In Ermangelung eines hausinternen Müll- und Abwasserentsorgungssystems machte sich offenbar ein sozial unverträgliches Verfahren der Abfallbeseitigung breit: Was nicht mehr benötigt wurde, Scherben, Kehricht oder sonstiger Unrat, wurde ohne weiteres auf die Straßen befördert. „Von den Dächern stürzten Ziegel, aus den Fenstern der oberen Stockwerke wurden Becken ausgegossen oder schadhafte Gefäße herabgeworfen, die krachend auf dem Pflaster zerbrachen." 232 Der Dichter Iuvenal hielt es daher für groben Leichtsinn, zum Abendessen auszugehen, ohne vorher ein Testament verfaßt zu haben. 233 Das Ziel der „actio de effusis vel deiectis" war der Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren, die sich aus dem willkürlichen Herausfliegen von Gegenständen und Flüssigkeiten aus den Häusern ergab. 2 3 4 Modern gesprochen weist das Edikt daher einen gewissen polizeilichen Charakter auf. 2 3 5 Um seine Durchsetzungskraft zu verstärken, stand es jedem Bürger („quivis ex populo") offen, einen Verstoß geltend zu machen. 236 230
D. 9, 3; Inst. 4, 5, 1; Gai. D. 44, 7, 5, 5. Vgl. Zimmermann, Effusum vel deiectum, 301 ff. 232 Friedländer/Wissowa, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms, 22f.; siehe auch Paoli, Das Leben im alten Rom, 70f. 233 Satura III, 268 ff. 234 Ulp. D. 9, 3, 1, 1: „Summa cum utilitate id praetorem edixisse nemo est qui neget: publice enim utile est sine metu et periculo per itinera commeari." Daneben haben auch Beweisschwierigkeiten die Einführung des Edikts begünstigt, vgl. Gai. D. 9, 3, 2: „cum sane impossibile est scire, quis deiecisset vel effudisset." 235 Siehe auch Wittmann, Die Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht, 63. 236 Ulp. D. 9, 3, 5, 5. Zur Natur der actio de effusis vel deiectis als Popularklage vgl. Kariowa, RR II, 1356; Käser, RPr I, 610. 231
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III. Prätorische Sondertatbestände
b) Rechtsfolgen der actio de effusis
vel deiectis
Daß es in der Tat ein besonderes Bedürfnis für eine solche Regelung gab, läßt sich anhand der detaillierten Rechtsfolgebestimmungen in den justinianischen Quellen belegen. Im Fall des Todes eines freien Menschen stand den Erben des Opfers eine Klage auf einen Betrag in Höhe von 50 Golddenaren z u . 2 3 7 Ein freier Mensch, der eine Körperverletzung erlitten hatte, konnte eine billige Entschädigung einklagen („quantum ob eam rem aequum iudici videbitur"). Darin eingeschlossen waren Heilungskosten und Arbeitsausfall, bleibende Folgen wie Narben und Entstellungen wurden jedoch nicht berücksichtigt. 238 Der Grund dafür lag darin, daß der Körper eines Freien nach Auffassung der römischen Juristen einer finanziellen Bewertung nicht fähig sei. Bei Sachbeschädigungen wurde eine Klage auf den doppelten Wert des entstandenen Schadens gewährt („in duplum"). 2 3 9 Das gleiche galt, wenn ein vorübergehender Sklave getötet oder verletzt wurde. In der Schadensverdoppelung äußert sich der pönale Charakter der aus dem Edikt entspringenden actio de effusis vel deiectis. 240 Das römische Deliktsrecht nahm, wie dargestellt, insoweit Aufgaben wahr, die nach heutiger Vorstellung dem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrecht obliegen. 241 c) Haftung für fremdes Handeln Die actio de effusis vel deiectis umfaßte eine Haftung für fremdes Handeln: Für die Anwendbarkeit der Klage war es gleichgültig, ob der Wohnungsinhaber selbst oder eine andere Person die schadenstiftende Handlung vorgenommen hatte. Die Quellen lassen nicht zweifelsfrei erkennen, ob die Verantwortlichkeit sich auf einen bestimmten Personenkreis beschränkte. Aus zwei Fragmenten ergibt sich der Eindruck, daß der Wohnungsinhaber nur für das Verhalten von Familienmitgliedern haftete. 242 Dagegen findet sich an anderer Stelle ausdrücklich eine Haftung für den Gast 2 4 3 wie auch für Arbeiter und Lehrlinge. 2 4 4 Eine Einstandspflicht für Personen, die sich 237
Ulp. D. 9, 3, 1, 5. Vgl. Gai. D. 9, 3, 7 mit dem Hinweis auf den Grundsatz „liberum corpus nullam recipit aestimationem." Siehe dazu Wittmann, Die Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht, 66 ff. 239 Ulp. D. 9, 3, 1, 4. 240 Die actio de effusis vel deiectis war eine „actio mixta", die gleichzeitige strafende und sachverfolgende Funktionen wahrnahm, vgl. Zimmermann, Effusum vel deiectum, 305 Fußn. 20 m.w.N. 241 Zimmermann, Effusum vel deiectum, 305. 242 Paul. D. 9, 3, 6, 2; Gai. D. 44, 7, 5, 5. 243 Lab.-Ulp. D. 9, 3, 5, 4. 244 Ulp. D. 9, 3, 5, 3. 238
7 Wicke
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
ohne Einverständnis des Beklagten im Haus aufhielten, ist demgegenüber nicht überliefert. d) Strikte
Verantwortlichkeit
des Bewohners
Der Wohnungsinhaber ist nach dem Edikt für den Schaden unabhängig davon verantwortlich, ob eigenes Verschulden bei der Verursachung mitgespielt hat. Obgleich dies in der modernen Literatur unbestritten ist, tritt der Begriff der culpa im Zusammenhang der actio de effusis vel deiectis verschiedentlich in Erscheinung. Zu besonderen Schwierigkeiten der Interpretation hat insbesondere das folgende Fragment Anlaß gegeben: Ulp. 23 ad ed. D. 9, 3, 1, 4: „Haec in factum actio in eum datur, qui inhabitat, cum quid deiceretur vel effunderetur, non in dominum aedium: culpa enim penes eum est. nec adicitur culpae mentio vel infitiationis, ut in duplum detur actio, quamvis damni iniuriae utrumque exiget." Wenn etwas aus dem Haus geworfen oder gegossen wird, erhält der Verletzte eine Klage gegen den Bewohner und nicht gegen den Eigentümer. Die Einstandspflicht knüpft daher nicht an die rechtliche Beziehung zu dem Gebäude an, sondern an die tatsächliche Sachherrschaft. Scheinbar widersprüchlich mutet alsdann die nachfolgende Begründung an: Der Bewohner haftet, da die culpa auf seiner Seite ist („culpa enim penes eum est"). Im Edikt selbst wurde jedoch, wie Ulpian im unmittelbar anschließenden Satz feststellt, culpa nicht als Voraussetzung der Verantwortlichkeit erwähnt („nec adicitur culpae mentio"). Der Passus „culpa enim penes eum est" wird daher von einigen Autoren als nachklassischer Zusatz bewertet. 245 Abgesehen von der oben erwähnten allgemeinen Tendenz zur Subjektivierung der Haftungstatbestände gibt es jedoch keinen zwingenden Grund, den materiellen Bestand der unglücklich piazierten Äußerung nicht dem Spätklassiker Ulpian zuzuordnen. Vermutlich ist darin ein Versuch zu sehen, die Verantwortlichkeit des Bewohners aufgrund der actio de effusis vel deiectis nachträglich zu rationalisieren. Er und nicht der Eigentümer muß für die Schäden einstehen, da nur er in der Lage ist, den Haushalt so zu organisieren, daß nichts herausgeworfen oder -gegossen w i r d . 2 4 6 Entscheidendes Zurechnungskriterium ist die generelle Kontrolle über die Wohnung als Quelle erhöhter Gefahr für Leib, Leben oder Vermögen anderer. Folgerichtig wäre 245
Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 48f.; Stein, The Nature of Quasi-Delictual Obligations in Roman Law, RIDA 5 (1958), 563, 565; Wittmann, Die Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht, 64f.; Hochstein, Obligationes quasi ex delicto, 23; für Echtheit hingegen Krückmann, Versicherungshaftung im römischen Recht, SZ 63 (1943), 1, 41; MacCormack, Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525, 547 f. 246 Ähnlich MacCormack, Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525, 548.
III. Prätorische Sondertatbestände
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der Begriff der culpa - wie es auch im Kontext der quasideliktischen Klagen gegen nauta, caupo und stabularius zu beobachten war - in einem objektiven Sinn zu begreifen und nicht als technisches Verschulden. 247 e) Haftung für fremde Schuld? Fraglich ist jedoch, ob für die Anwendbarkeit der actio de deiectis vel effusis wenn schon nicht eigene, so doch wenigstens fremde Schuld erforderlich ist. Ein Paulus-Fragment weist in der Tat in diese Richtung: „Habitator suam suorumque culpam praestare debet." 2 4 8 Der Satz würde möglicherweise überspannt, wenn man darin ein zwingendes Verschuldenserfordernis erblicken würde. 2 4 9 Vielmehr ging Paulus vermutlich von der allgemeinen Lebenserfahrung aus, daß, wenn Unrat aus dem Fenster fliegt, in der Mehrzahl der Fälle auch schuldhaftes Verhalten irgendeiner Person im Spiel sein wird. Präziser erscheint daher eine Formulierung von Gaius: „quia plerumque ob alterius culpam tenetur aut servi aut l i b e r i " 2 5 0 , weil er meistens wegen der Schuld eines anderen, entweder eines Sklaven oder eines Kindes, haftet. 251 Dazu paßt ferner die Meinungsäußerung Ulpians, nach der das Edikt auch Anwendung findet, wenn etwas, das aufgehängt wurde, ausgelaufen ist, obwohl niemand es ausgegossen hat. 2 5 2
247
So im Ergebnis auch Käser, RPr I, 629 Fußn. 38. Möglicherweise haben die klassischen Juristen den Begriff der culpa daher wie eine strikte „duty" verstanden, um die Haftung zu rationalisieren. Wie dargelegt (§ 2 III 1 b bb) werden bis zum heutigen Tag Tatbestände strenger Haftung für fremdes Handeln äußerlich auf Verschuldensverstöße und Pflichtverletzungen gestützt. Wie sich im Laufe der Untersuchung zeigen wird, handelt es sich dabei um ein Phänomen, das die gesamte europäische Rechtsentwicklung durchzieht. Anstatt die damit einhergehenden Interpretationsschwierigkeiten aufzulösen, haben die Kompilatoren eine entsprechende klassische Passage in den Text miteingefügt, was in D. 9, 3, 1, 4 zu einem scheinbar widersprüchlichen Resultat geführt hat. Diese Interpretation der Quelle ist wahrscheinlicher als ein bewußte inhaltliche Manipulation, die einen offenbaren Widerspruch nicht beseitigt hat. 248 D. 9, 3, 6, 2. Käser, RPr I, 629 Fußn. 38 begreift culpa auch in diesem Fragment im Sinne von Zurechenbarkeit. 249 Insoweit auch Zimmermann, Effusum vel deiectum, 306. 250 j) 44f 5 ( m e i n e Hervorhebung). 251
Die Echtheit von „plerumque" wird freilich von einigen Autoren bezweifelt, vgl. Pernice, Labeo 2. 2. 1, S. 50 Fußn. 5; Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 49; Levy, Konkurrenz I, 329 Fußn. 1. 252 D. 9, 3, 1, 3: „Proinde et si quid pendens effusum sit, quam vis nemo hoc effuderit, edictum tarnen locum habere dicendum est." 7'
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
f) Quasideliktische
Haftung
Da die Einstandspflicht des habitator unabhängig von eigenem Fehlverhalten eintritt, gehört die actio de deiectis vel effusis, ebenso wie die oben behandelten actiones furti und damni in factum adversus nautas zur Gruppe der Quasidelikte. 253 Die Haftung des Hausbewohners und die Verantwortlichkeit von nauta, caupo und stabularius weisen auch darüber hinaus wichtige Parallelen auf. In beiden Konstellationen scheint die Zurechnung des eingetretenen Nachteils auf der prinzipiellen Kontrolle des Schuldners über bestimmte Personen oder über einen räumlich abgegrenzten Gefahrenbereich zu basieren. Die Einstandspflicht des Schiffers, Gast- oder Stallwirts knüpft an die Herrschaft über ihre Angestellten an, erstreckt sich aber lediglich auf Delikte, die auf dem Schiff, in der Gastwirtschaft oder im Hotel verübt wurden. Ähnlich scheint sich die Verantwortlichkeit des Hausbewohners aus einer generellen Kontrolle über den eigenen Wohnbereich zu erklären, bzw. über Personen, denen er Einlaß gewährt hat: In den meisten überlieferten Fragmenten ging das schadensverursachende Verhalten von dem pater familias untergeordneten Angehörigen aus, während ansonsten eine Haftung für Arbeiter und Lehrlinge, sowie den eingeladenen Gast, nicht jedoch für außenstehende Personen überliefert i s t . 2 5 4 g) Positum vel suspensum In einem gesonderten Teil desselben Edikts (effusum vel deiectum) gab es eine Spezialregelung für den Fall, daß der Eigentümer oder Bewohner des Hauses auf einem Wetterdach oder Vorbau oberhalb eines Ortes, auf dem sich gewöhnlich Menschen aufhalten, etwas aufgestellt oder aufgehängt hat („positum vel suspensum"), das jemandem Schaden zufügen konnte, wenn es herabfiele. 255 Eine Erweiterung der Haftung lag darin, daß es nicht zum Eintritt eines Nachteils gekommen sein mußte, um die Einstandspflicht in Höhe von zehn Goldmünzen 256 zu begründen. 257 Sanktioniert wurde daher die bloße Gefährdung. 258 Die Durchsetzungskraft der 253
Inst. 4, 5, 1; Gai. D. 44, 7, 5, 5. Im Fall von Sklaven ist die Klage noxal beschränkt, vgl. Ulp. D. 9, 3, 1 pr. 255 Vgl. Ulp. D. 9, 3, 5, 6ff. Dazu vgl. vor allem Watson, Liability in the Actio de Positis ac Suspensis, 379ff.; Birks, The Problem of Quasidelict, 22 Current Legal Problems (1969), 164, 171 f. 256 Vgl. Ulp. D. 9, 3, 5, 6. 257 Ulp. D. 9, 3, 5, 11: „nec spectamus ut noceat, sed omnino si nocere possit edicto locus sit.44 258 Schwierigkeiten bereitet die Haftungsfrage, wenn der aufgehängte Gegenstand heruntergefallen ist und Schäden verursacht hat, vgl. Ulp. D. 9, 3, 5, 12 (dazu etwa Glück, Pandecten, 402 ff.). 254
III. Prätorische Sondertatbestände
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Klage wurde zusätzlich durch ihre Ausgestaltung als actio popularis erhöht. 259 Jeder Bürger konnte einen Verstoß geltend machen und die festgesetzte Summe kassieren. 260 Die Bußzahlungspflicht traf regelmäßig den Eigentümer oder Bewohner des Hauses, der den Gegenstand aufgestellt hat. Dabei reichte es jedoch aus, wenn die betreffende Person zugelassen hatte, daß ein anderer den Gegenstand auf dem Vorbau oder Wetterdach positioniert hatte. 261 In diesem Rahmen konnte daher eine Haftung auch für fremdes Verhalten eintreten, die vermutlich jedoch nicht verschuldensunabhängig war, da der Ersatzpflichtige wohl von der Handlung des anderen gewußt haben mußte. 2 6 2 Justinian ordnete die „actio de positis vel suspensis" (zusammen mit der actio de effusis vel deiectis) unter die Quasidelikte ein. 2 6 3 Von deliktischer Verantwortlichkeit unterschied sich die Haftung nicht durch fehlendes Eigenverschulden, sondern vielmehr dadurch, daß es zum Schadenseintritt nicht gekommen sein mußte. Mit den anderen Quasidelikten hatte die actio de positis vel suspensis jedoch gemeinsam, daß der Ersatzpflichtige als Bewohner oder Eigentümer des Hauses in einer besonderen Position war, die ihm die Kontrolle über die mit dem Aufstellen verbundenen Gefahren verschaffte. 264
3. Haftung der publicani In der römischen Republik wurden Abgaben im allgemeinen nicht durch besoldete Steuerbeamte eingetrieben, sondern durch Privatpersonen, genannt „publicani", aufgrund eines besonderen Verfahrens 265 : Der Staat verpachtete ihnen die Abgaben gegen eine feste jährliche Summe und übertrug ihnen damit die Aufgabe der Einziehung, die sie selbständig ausführten. 266 Zu diesem Zweck wurden sie mit besonderen Zwangsbefugnissen ausgestattet. 2 6 7 Für den Staat hatte das Verfahren den Vorteil der Ersparnis von 259
Ulp. D. 9, 3, 5, 13. 260 Ygj z u Jen actiones populäres Käser, RPr I, 610. 261 Ulp. D. 9, 3, 5, 10. 262 Str., vgl. dazu Birks, The Problem of Quasidelict, 22 Current Legal Problems (1969), 164, 171 f. 263 Gai. D. 44, 7, 5, 5; Inst. 4, 5, 1. 264 Zimmermann, Obligations, 17 f. m.w.N. 265 Siehe dazu allgemein Cohn, Zum römischen Vereinsrecht, 186ff.; Dietrich, Beiträge zur Kenntnis des römischen Staatspächtersystems, 5 ff.; Marquardt, Römische Staatsverwaltung II, 298ff.; Kariowa, RR II, 18ff. Zum Begriff der publicani vgl. auch Ulp. D. 39, 4, 12, 3: „Publicani autem dicuntur, qui publica vectigalia habent conducta"; ferner Ulp. D. 39, 4, 1, 1. 266 Die Römer kannten jedoch auch ein Verfahren der direkten Steuererhebung, vgl. zum „tributum" Mommsen, Römisches Staatsrecht II, 434, Fußn. 3. 267 Kariowa, RR II, 21.
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
Kosten, die durch den Aufbau eines weitläufigen Verwaltungsapparates zur Einforderung der Abgaben entstanden wären. Der Gewinn für die publicani hing davon ab, ob es ihnen gelang, aus den Abgaben einen höheren als den an den Staat gezahlten Betrag zu erzielen. 268 Dieses System der Steuereintreibung, das sich nicht in erster Linie an gesetzlichen Maßstäben orientierte, sondern primär von der Profiterzielungsabsicht der Unternehmer bestimmt war, führte jedoch gleichzeitig zu Bedrückungen in der Bevölke269
rung. Der Prätor reagierte auf die Gefahren, die mit der privaten Einziehung von Abgaben verbunden waren, indem er besondere Klagen gegen die publicani wegen deliktischen Verhaltens in Ausübung ihrer Tätigkeit gewährte. 270 Die Haftung der publicani trat nicht nur ein, wenn sie selbst, sondern auch wenn ihre Leute, die Angehörigen ihrer JamiliaUnrecht begangen hatten. Vermutlich wurde die Verantwortlichkeit der publicani ursprünglich in verschiedenen Edikten geregelt, die später im Corpus Iuris Civilis verschmolzen sind. 2 7 1 Die Quellen vermitteln den Eindruck, daß es im klassischen Recht zwei spezifische Klagen gegen den publicanus gab, eine für Diebstahl oder Sachbeschädigung („damnum iniuria furtumve factum") 2 7 2 , eine andere für den Fall, daß der publicanus oder ein Gehilfe mit unberechtigter Gewaltanwendung etwas weggenommen hatten („vi adimere ) . 2 7 3 Die Klagen waren pönal motiviert und gingen auf den doppelten Betrag des erlittenen Schadens. 274 Den publicanus traf in beiden Fällen eine strikte Haftung für das Verhalten seiner Leute, unabhängig von eigenem Verschulden. 275
a) Won der status gebundenen Noxalhaftung zur Verantwortlichkeit für Hilfspersonen Es fragt sich jedoch, worin die Besonderheiten der prätorischen Verfügungen lagen, da im römischen Recht ohnehin eine Verantwortlichkeit für 268
Marquardt, Römische Staatsverwaltung II, 299. Vgl. Liv. 45, 18, 4: „ubi publicanus est, ibi aut ius publicum vanum aut libertatem sociis nullam esse." 270 Vgl. D. 39, 4. 271 Kariowa, RR II, 35 ff.; Cohn, Zum römischen Vereinsrecht, 187. 272 Ulp. D. 39, 4, 12 pr./l und Ulp. D. 39, 4, 1 pr.; Lenel, EP, 335f. 273 D. 39, 4, 1 pr.; Lenel, EP, 387 f. 274 Offensichtlich handelte es sich um gemischte Klagen, vgl. Gai. D. 39, 4, 5, 1. Nach Ablauf eines Jahres gingen die Klagen nur auf das Einfache des erlittenen Schadens, vgl. Ulp. D. 39, 4, 1, 1. 275 Der Begriff der culpa tritt in dem gesamten Digestenkapitel über die publicani nicht in Erscheinung. 269
III. Prätorische Sondertatbestände
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das deliktische Verhalten von Sklaven nach den Grundsätzen der Noxalhaftung anerkannt w a r . 2 7 6 Wahrscheinlich enthielten die ediktalen Regelungen im Hinblick auf die Haftung des publicanus für fremde Schuld zunächst lediglich eine Modifikation der allgemeinen Grundsätze. Wie sich aus mehreren Quellen ergibt, war der publicanus dazu verpflichtet, dem Kläger den unmittelbaren Täter vorzuführen. Kam er dieser Pflicht nicht nach, wurde ihm die Möglichkeit der Auslieferung des Sklaven anstelle des Schadensersatzes versperrt: „Si id ad quos ea res pertinebit non exhibebitur, in dominos sine noxae deditione iudicium dabo." 2 7 7 In diesem Ausschluß der noxae datio liegt vermutlich die ursprüngliche Bedeutung der prätorischen Anordnungen. 278 Die klassischen Juristen scheinen jedoch die Haftung der publicani in einer für den vorliegenden Zusammenhang außerordentlich interessanten Weise fortgebildet zu haben. Der Kreis der Personen, für deren Verhalten sich eine Verantwortlichkeit ergab, wurde in der weiteren Entwicklung einerseits ausgedehnt, andererseits im Hinblick auf die spezifischen Aufgaben des publicanus präzisiert, wie das folgende Fragment nahelegt: Ulp. 38 ad ed. D. 39, 4, 12, 2: „Familiae autem appellatone hic servilem familiam contineri sciendum est. Sed et si bona fide publicano alienus servus servit, aeque continebitur: Fortassis et mala fide, plerumque enim vagi servi et fugitivi in huiusmodi operis etiam a scientibus habentur. ergo et si homo liber serviat, hoc edictum locum habet." Unter die Bezeichnung „familia", deren Verhalten eine Haftung des publicanus begründet, fallen zunächst die eigenen Sklaven des publicanus. Gleiches gilt dem angeführten Text zufolge für einen fremden Sklaven, der dem Steuerpächter gutgläubig als Sklave dient. Mit dieser Ausdehnung der Verantwortlichkeit ergibt sich eine Akzentverschiebung von der rechtlichen Eigenschaft als Sklave zur Funktion des Sklaven, den der publicanus zur Wahrnehmung seiner Aufgaben angestellt hat. Vielleicht, so heißt es weiter, haftet der Steuerpächter auch für jemanden, der bösgläubig als Sklave dient, da umherstreifende und flüchtige Sklaven oftmals auch mit Wissen der Verantwortlichen zu dieser Art von Gewerbe herangezogen werden. Aufgrund dieser Erweiterung ist nicht mehr in erster Linie der Status als Sklave des Steuerpächters maßgeblich, sondern allein die Beschäftigung in seinem Aufgabenkreis. Konsequenterweise kann sogar eine Haftung des publicanus für freie Personen eintreten, solange sie für ihn arbeiten („ergo et si homo liber serviat, hoc edictum locum habet"). Aus einem anderen Fragment ergibt sich schließlich, daß die Eigenschaft als Sklave weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung der Verantwortlichkeit des 276 277 278
Vgl. auch Ulp. D. 39, 4, 1, 2. Ulp. D. 39, 4, 1, pr./6; Ulp. D. 39, 4, 12, 1. Vgl. auch MacCormack, Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525, 551.
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
publicanus ist: Der Steuerpächter haftet nach dem prätorischen Edikt nicht für den eigenen Sklaven, wenn dieser nicht mit der Einziehung der Abgaben betraut war. 2 7 9 Entscheidend ist mithin allein die Stellung als Hilfsperson des publicanus. Die prätorischen Verfügungen werden ursprünglich daher eine Einschränkung der Noxalbefugnis des Steuerpächters bezweckt haben, wenn dieser sich weigerte, den seiner familia angehörigen unmittelbaren Täter vorzuzeigen. Unter den klassischen Juristen hat sich ein Bewußtsein dafür entwickelt, daß die Verschärfung der Verantwortlichkeit sich aus der besonderen Funktion erklärt, mit der die publicani und ihre Leute betraut waren. 2 8 0 Folglich war für die Haftung ein Zusammenhang mit dieser Tätigkeit erforderlich. Allmählich hat sich eine Verschiebung des Begriffs des unmittelbaren Täters ergeben, vom Sklaven oder Haussohn hin zum Gehilfen. Die ursprüngliche Position zeigt sich noch in der Bezeichnung des relevanten Personenkreises als „familia" des publicanus. Im Rahmen der Verantwortlichkeit des publicanus hat im klassischen römischen Recht daher eine direkte Entwicklung der Gehilfenhaftung aus der statusgebundenen Noxalhaftung stattgefunden. b) Der Gedanke der funktionalen
Haftungsbegrenzung
Als Rechtfertigung der Verantwortlichkeit des publicanus findet sich in den Digesten der Gesichtspunkt der fehlerhaften Auswahl, ohne daß damit freilich ein buchstäblicher Schuldvorwurf verbunden wird: „Idcirco autem tarn dura condicio eorum effecta est, quia debent bonos servos ad hoc ministerium." 2 8 1 Der Grund für die auferlegte Härte liegt demzufolge darin, daß die publicani geeignete Sklaven für diesen Dienst auswählen müssen. Die 279
Vgl. Ulp. D. 39, 4, 1, 5: „Familiae nomen hic non tantum ad servos publicanorum referemus, verum et qui in numero familiarum sunt publicani, sive igitur liberi sint sive servi alieni, qui publicanis in eo vectigali ministrant, hoc continebuntur. proinde et si servus publicani rapuit, non tarnen in ea familia constitutus, quae publico vectigali ministrant, hoc edictum cessabit." Ulp. D. 50, 16, 195, 3: „Servitutium quoque solemus appellare familias, ut in edicto praetoris ostendimus sub titulo de furtis, ubi praetor loquitur de familia publicanorum. Sed ibi non omnes servi, sed corpus quoddam servorum demonstrate huius rei causa paratum, hoc est vectigalis causa." 280 Zur Bedeutung der klassischen Rechtsliteratur für die Rechtsentwicklung siehe beispielsweise Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 28 f. 281 Ulp. D. 39, 4, 3 pr. Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9, 49 f. hält den Passus für interpoliert. Gegen ihn Krückmann, Versicherungshaftung im römischen Recht, SZ 63 (1943), 1, 41. Siehe auch MacCormack, Culpa in eligendo, RIDA 18 (1971), 525, 551. Auf der gleichen Linie liegt Gai. D. 39, 4, 13, 2, wo die Verantwortlichkeit daran festgemacht wird, daß der Schuldner eine herrschsüchtige Familie hat: „Sive autem vendidit servum vel
III. Prätorische Sondertatbestände
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Haftung des Steuerpächters für das deliktische Verhalten eines anderen setzt daher den Nachweis voraus, daß dieser zur Einziehung der Abgaben angestellt war („qui publicanis in eo vectigali ministrant") 2 8 2 . Unbeantwortet ist nach wie vor jedoch die Frage, ob der unmittelbare Täter auch zum Zeitpunkt der Tat in Ausführung seiner Aufgaben gehandelt haben mußte oder ob die Gehilfeneigenschaft für sich genommen zur Begründung der Einstandspflicht ausreichend war. Während es im Hinblick auf die Diebstahlsund Sachbeschädigungsklage keine sicheren Anhaltspunkte gibt, ist die Haftungslage bei der Klage wegen unberechtigter Gewaltanwendung (vi adimere) eindeutig. Der publicanus oder seine familia müssen im Namen ihres öffentlichen Auftrages Zwang verübt haben, um die Verantwortlichkeit nach dem Edikt zu begründen. 283 Die Haftung des Steuerpächters für seine Leute setzte daher erstens voraus, daß die unmittelbar handelnde Person sein Gehilfe war, zweitens, daß der Gehilfe ein Delikt begangen hatte und drittens, daß der Gehilfe während der Deliktsverwirklichung in Ausführung seiner Aufgaben, der Einziehung von Abgaben, tätig geworden war. In einem aus heutiger Sicht abgelegenen Terrain des römischen Rechts war das moderne europäische Strukturprinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung daher mit seinen elementaren Voraussetzungen schon einmal vorformuliert worden. 2 8 4 manumisit vel etiam fugit servus, tenebitur servi nomine, qui tarn factiosam familiam habuit." 282 Ulp. D. 39, 4, 1, 5. 283 Vgl. Ulp. D. 39, 4, 1, pr.: „Quod publicanus eius publici nomine vi ademerit quodve familia publicanorum, si id restitutum non erit, in duplum, aut, si post annum agetur, in simplum iudicum dabo." 284 Eine Haftung des Beklagten für seine „ familia" findet sich auch im Rahmen anderer prätorischer Erlasse. Der Begriff scheint jedoch nicht funktional verstanden worden zu sein, sondern allgemein im Sinn von Angehörigen des Haushalts, worunter Sklaven wie auch Haussöhne fielen. Vgl. Ulp. D. 50, 16, 195, 3: „Alia autem parte edicti omnes servi continentur: ut de hominibus coactis et vi bonorum raptorum, item redibitoria, si deterior res reddatur emptoris opera aut familiae eius, et interdicto unde vi familiae appellatio omnes servos comprehendit. Sed et filii continentur." Nach dem Edikt „de vi et vi armata" haftete, wer einen anderen gewaltsam aus dem Besitz eines Grundstücks verdrängt hat, im Wege eines „interdictum" auf Restitution. Die Haftung des pater familias trat auch dann ein, wenn ein Angehöriger seiner familia im genannten Sinn den Kläger aus dem Besitz vertrieben hat, vgl. Ulp. D. 43, 16, 1, 11/17ff.; Ulp. D. 43, 16, 3, 11. Der Problemkreis ist für die Entwicklung der Haftung für Verrichtungsgehilfen ohne Bedeutung geblieben, siehe dazu jedoch Barlow, Vicarious Liability, 23. Gleiches gilt für die prätorische „actio vi bonorum raptorum" wegen Raubes durch den Beklagten oder eines Angehörigen seiner familia, vgl. Gai. 3, 209; D. 47, 8. Das Edikt der kurulischen Ädilen, denen die Marktgerichtsbarkeit oblag, enthielt umfangreiche Regelungen für die Wandlungsklage beim Kauf („actio redibitoria"), wenn der gekaufte Sklave vor Rückgabe an Körper oder Geist Schaden genommen hatte. Die Haftung des Käufers trat auch ein, wenn jemand aus seiner familia oder sein Prokurator den Sklaven verletzt
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§ 2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
IV. Zusammenfassung Der zentrale Tatbestand einer Verantwortlichkeit für fremde Schuld war im römischen Recht entsprechend der damaligen Wirtschafts- und Gesellschaftsverfassung die Noxalhaftung des pater familias für das deliktische Verhalten seiner Sklaven und Hauskinder. Das Klagebegehren eines verletzten Dritten konnte der Hausvater nach seiner Wahl dadurch befriedigen, daß er entweder die erforderliche Bußzahlung erbrachte oder den unmittelbaren Täter auslieferte (noxae deditio). Ursprünglich diente die Übergabe des Schädigers der Verwirklichung des Racherechts des Opfers, entwickelte sich aber in späterer Zeit neben dem Sühnegeld zu einer alternativen Rechtspflicht. Die Römer haben die strikte Noxalhaftung erst allmählich von einer persönlichen Verantwortlichkeit des Hausvaters für das Verhalten von gewaltunterworfenen Personen unterschieden: Wenn der pater familias von der Tat gewußt oder ihre Begehung angeordnet hatte, wurde ihm in klassischer Zeit die Befreiungsmöglichkeit durch Preisgabe des Täters versagt. Da die Noxalhaftung ihre Grundlage in dem Statusverhältnis zwischen Hausvater und den Mitgliedern des Hausverbandes fand, war die Verantwortlichkeit nicht durch den Umfang einer übertragenen Aufgabe beschränkt, sondern erstreckte sich auf sämtliche Delikte. Typisch für die Einstandspflicht des pater familias war demgegenüber jedoch eine wertmäßige Begrenzung, weil er sich seiner Zahlungspflicht notfalls durch Auslieferung des Täters entledigen konnte. Aufgrund der Noxalhaftung war im römischen Recht der Gedanke einer Haftung für fremde Schuld als solcher prinzipiell bekannt. Außerhalb der Verantwortlichkeit des pater familias für die Delikte seiner Angehörigen sind die Römer davon ausgegangen, daß grundsätzlich niemandem das Verhalten eines anderen zum Nachteil gereichen dürfe. Die klassischen Juristen haben die Verantwortlichkeit für Hilfspersonen jedoch - über die statusgebundene Noxalhaftung hinaus - im Rahmen einiger Ausnahmefallgruppen ansatzweise fortgebildet. Dabei konnte es auch zu einer Einstandspflicht für freie Personen kommen, sofern ihr unerlaubtes Verhalten einen räumlichen oder einen funktionalen Zusammenhang zu der jeweiligen gefahrbringenden Tätigkeit aufwies. Die Gehilfenhaftung wurde freilich nicht als abstrakt-systematisches Problem, sondern einzelfallbezogen behandelt mit der Folge, daß sich in dieser Frage keine klaren und allgemein gültigen Grundsätze herausbildeten. Obgleich der Begriff der culpa im Zusammenhang einiger Haftungstatbestände in Erscheinung trat, lassen die oder negativ beeinflußt hat (Ulp. D. 21, 1, 25, 1/2; Ulp. D. 21, 1, 31, 11/15). Von den Juristen wurde die Haftung auf das Verhalten des Tutors und des Kurators erstreckt (Ulp. D. 21, 1, 31, 14), vgl. Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 351 f.
IV. Zusammenfassung
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Quellen keine einheitliche Verschuldenslehre erkennen (etwa im Sinne der culpa in eligendo). Im Bereich der vertraglichen Gehilfenhaftung ergibt sich ein vielschichtiges und kontroversenreiches Bild, das von differenzierten Abstufungen nach den Interessenlagen bestimmt ist, gleichzeitig aber eine schrittweise Entwicklung hin zu einer Ausdehnung der Verantwortlichkeit vermuten läßt. Nach einigen überlieferten Entscheidungen der römischen Juristen ging die Verantwortlichkeit für Hilfspersonen auch bei Bestehen eines Vertragsverhältnisses nicht über die deliktische (Noxal-) Haftung hinaus. Demgegenüber scheint allmählich jedoch die Auffassung an Boden gewonnen zu haben, daß der Schuldner bei eigenem Verschulden, das in dem schadenstiftenden Verhalten einer anderen Person zum Ausdruck kam, in voller Höhe Ersatz leisten mußte. Der Begriff der culpa wurde dabei freilich kasuistisch gehandhabt und konnte je nach Umständen unterschiedliche Formen annehmen. Während in einigen Textstellen ein Auswahlverschulden zum Anknüpfungspunkt der Haftung genommen wurde, führte bei strengrechtlichen Klagen beispielsweise nur das positive Wissen von der Tat zu einer Verantwortlichkeit des Schuldners. Vereinzelt wurde ein sehr weitgehender Schuldmaßstab zugrunde gelegt, wenn allein der Besitz schadensgeneigter Sklaven für eine unbegrenzte Einstandspflicht ausreichend war. Die Grenze zu strikter Verantwortlichkeit war dabei offenbar fließend. In bestimmten Situationen konnte es ferner unabhängig von persönlichem Verschulden des Hausherrn zu einer Gehilfenhaftung kommen. Neben Konstellationen einer vertraglichen Risikoübernahme, die kraft Auslegung Drittverschulden einschloß, kam dies etwa in Betracht, wenn das Einschalten einer anderen Person in die Erfüllung von Verbindlichkeiten eine Pflichtverletzung des Schuldners bedeutete oder übergeordnete Billigkeitserwägungen eine Verantwortlichkeit erforderlich machten. Nach hier vertretener Auffassung läßt sich allerdings (entgegen der herrschenden Literaturmeinung) aus einer custodia-Pflicht (die hinsichtlich übergebener Sachen eine Verantwortlichkeit bis zur Schwelle der höheren Gewalt begründete und damit auch den von Dritten begangenen Diebstahl erfaßte) keine Haftung für eigene Leute ableiten, da das Konzept der custodia auf Eingriffe zugeschnitten ist, die von außen auf einen anvertrauten Gegenstand ausgehen. Von zentraler Bedeutung für die spätere geschichtliche Entwicklung der Haftung für Verrichtungsgehilfen wurde eine Reihe prätorischer Sondertatbestände', die ihrer Zweckbestimmung nach ausdrücklich auch eine Verantwortlichkeit für fremdes verbotenes Handeln einschlossen. Das Amtsrecht des Prätors ergänzte seit der jüngeren Republik das traditionelle, auf Gesetzes- und Gewohnheitsrecht beruhende ius civile und übte aufgrund seiner vorherrschenden rechtspolitischen Tendenz nachhaltigen Einfluß auf die römische Rechtsordnung aus. Obgleich die Einstandspflicht im Rahmen
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2 Haftung für Hilfspersonen im klassischen römischen Recht
dieser Fallgruppen unabhängig von persönlichem Verschulden des Geschäftsherrn oder pater familias eintrat, wurde sie von den klassischen Juristen wiederholt mit einem objektiv verstandenen culpa-Begriff rationalisiert. Wie sich aus den Quellen ergibt, bestand ein besonderes Schutzbedürfnis im Hinblick auf Gegenstände, die auf einem Schiff, in einem Wirtshaus oder Stall beschädigt oder gestohlen wurden. Der Prätor führte gleich mehrere Klagen gegen nauta, caupo und stabularius ein. Neben der receptum Haftung standen die beiden quasideliktischen actiones furti und damni in factum adversus nautas etc. Die einzelnen Rechtsbehelfe hatten nicht zur Voraussetzung, daß der Schiffer, Gast- oder Stallwirt selbst die Tat begangen hatte, sondern kamen ausdrücklich ebenso zur Anwendung, wenn ein Angestellter das Unrecht verübt hatte. Der Grund für die verschärfte Haftung lag darin, daß Kunden ihre Sachen gutgläubig dem Einflußbereich von nauta, caupo und stabularius überlassen mußten und die drei Berufsgruppen aufgrund häufigen Mißbrauchs in keinem guten Ruf standen. Zur Gruppe der römischen Quasidelikte gehörte ferner die Verantwortlichkeit des Hausbewohners, wenn Schäden oder Verletzungen dadurch entstanden, daß Flüssigkeiten oder Gegenstände aus dem Fenster auf einen öffentlich zugänglichen Ort gegossen oder geworfen wurden. Für die actio de effusis vel deiectis war es wiederum unerheblich, ob der Wohnungsinhaber selbst oder aber ein Angehöriger, Gehilfe oder Gast die schadenstiftende Handlung vorgenommen hatte. Den sozialen Hintergrund dieser prätorischen Sonderregelung bildete die Wohnungssituation im alten Rom mit seinen engen Straßen, wo mangels hausinterner Müll- und Abwasserentsorgungssysteme Abfall ohne weiteres aus dem Fenster befördert wurde. Entscheidend für den Erlaß des Edikts waren daher abermals präventive Gesichtspunkte. Der modernen Gehilfenhaftung am nächsten sind die Römer im Rahmen der Verantwortlichkeit des Steuerpächters für die Delikte seiner familia gekommen. In der römischen Republik wurden Abgaben im allgemeinen nicht durch besoldete Beamte eingetrieben, sondern durch Privatpersonen, genannt publicani. Der Staat verpachtete ihnen die Abgaben gegen eine feste jährliche Summe und übertrug ihnen damit die Aufgabe der Einziehung, die sie selbständig ausführten. Da dieses von der Profiterzielungsabsicht der Unternehmer bestimmte System der Steuereintreibung zu Bedrückungen in der Bevölkerung führte, gewährte der Prätor besondere Klagen gegen die publicani wegen deliktischen Verhaltens in Ausübung ihrer Tätigkeit, die auch zur Anwendung kamen, wenn die Angehörigen ihrer familia das Unrecht verübt hatten. Der Begriff der familia wurde im Laufe der Zeit dabei von den klassischen Juristen in einer für den vorliegenden Zusammenhang äußerst bedeutsamen Weise uminterpretiert. Entscheidend für die Haftung war nicht mehr der Status der handelnden
IV. Zusammenfassung
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Person, sondern vielmehr die Tätigkeit im Aufgabenkreis des Steuerpächters. Als Konsequenz konnte einerseits eine Einstandspflicht des publicanus für freie Personen eintreten, solange sie bei der Einziehung von Abgaben behilflich waren, andererseits aber eine Haftung für eigene Sklaven ausscheiden, wenn sie nicht im Pflichtenkreis des publicanus tätig wurden. In einem aus heutiger Sicht abgelegenen Gebiet hatte daher im römischen Recht eine Entwicklung von der Noxalhaftung hin zur Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen stattgefunden. Im Hinblick auf die spätere Entwicklung der Gehilfenhaftung sind schließlich noch zwei prätorische Vertragsklagen zu erwähnen, die deshalb besonderer Hervorhebung bedürfen, da der Gedanke der funktionalen Haftungsbegrenzung als solcher bei ihnen auf deutliche Weise zum Ausdruck gekommen war: Die actiones institoria und exercitoria gegen Geschäftsherrn oder Reeder waren anwendbar, wenn bestimmte leitende Unternehmensangestellte oder Schiffskapitäne im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben Verbindlichkeiten eingegangen waren. Den nachfolgenden Juristengenerationen lieferte das römische Recht daher reichliches Gedankenmaterial, aus dem sich durch Verallgemeinerung oder Kombination unterschiedlicher Bestandteile, sei es durch kreative Schöpferkraft oder aufgrund von bloßen Mißverständnissen, neue Rechtsfiguren formen ließen. In ihren Entscheidungen hatten sich die Römer dabei in erster Linie an der Interessenlage des konkreten Sachverhalts und der Gerechtigkeit des Einzelfalls orientiert, offenbar ohne ein Bewußtsein dafür zu entwickeln, daß aus einer wiederholten Urteilsbegründung in späterer Zeit ein allgemeingültiges Dogma oder aus einzelnen Sondertatbeständen ein umfassendes Haftungsprinzip mit eminenter praktischer Bedeutung abgeleitet werden könnte.
§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen i m römisch-holländischen Recht Rechtsfortbildung durch Generalisierung I. Bedeutung des römisch-holländischen Rechts in Geschichte und Gegenwart 1. Die niederländische Schule Im 17. Jahrhundert stieg die Republik der Vereinigten Niederlande politisch, wirtschaftlich und kulturell in den Kreis der führenden Nationen Europas auf. Zu den Ausprägungen und gleichzeitig den Triebfedern des Fortschritts zählte das sogenannte „römisch-holländische" Recht.1 Wie der Name bereits andeutet, handelte es sich dabei um ein Mischrecht, das sich einerseits aus dem einheimischen Recht der Niederlande, andererseits aber aus dem römisch-kanonischen ius commune zusammensetzte und daher europäischen Geist atmete.2 Entwicklungsgeschichtlich betrachtet übernahm die niederländische Schule das humanistisch-romanistische Erbe der französischen „eleganten" Jurisprudenz mit ihrer hochdifferenzierten antiquarischphilologischen Wissenschaftsmethode. 3 Das Kennzeichen der neuen Richtung und auch der Grund ihrer nachhaltigen Ausstrahlungswirkung war jedoch die Verbindung der Gelehrsamkeit des „mos Gallicus" mit einer Rückbesinnung auf die Notwendigkeiten der Praxis, durch die das römische Recht nachhaltig modernisiert werden konnte. 4 Die Praxisbezogenheit 1
Allgemein zum römisch-holländischen Recht vgl. Zimmermann, Fortschritte des Zivilrechts, 9ff.; derselbe, Das römisch-holländische Recht und seine Bedeutung für Europa, JZ 1990, 825 ff.; De Vos, Regsgeskiedenis, 126ff.; Van Zyl, RomeinsHollandse Reg, 290ff.; Hahlo/Kahn, Legal System, 514ff.; Wessels, History of the Roman-Dutch Law, 13ff.; ferner Stein, Römisches Recht und Europa, 160ff.; Walter, Actio iniuriarum, 64ff.; Schlosser, Grundzüge, 66; Wesenberg/Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 71 f.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 168f.; Koschaker, Europa und das römische Recht, 118. 2 Dazu Zimmermann, Das römisch-holländische Recht und seine Bedeutung für Europa, JZ 1990, 825, 836. 3 Schlosser, Grundzüge, 66. 4 Vgl. Stein, Römisches Recht und Europa, 161 f.: „Dieses Recht war eine Kombination der damals sogenannten »eleganten' mit der »praktischen4 Methode der Behandlung des Rechts. Auf diese Weise entstand eine ausgeglichene Mischung aus
I. Bedeutung des römisch-holländischen Rechts
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äußert sich nicht zuletzt in den Biographien ihrer bedeutenden Vertreter: Einige von ihnen, wie Hugo Grotius (1583-1645), Simon van Groenewegen (1613-1652) und Cornelius van Bynkershoek (1673-1743), hatten niemals einen Lehrstuhl inne, andere, wie Johannes Voet (1647-1713), waren vor ihrer akademischen Laufbahn als Advokaten tätig, und selbst eine Persönlichkeit wie Arnoldus Vinnius (1588-1657), der eine reine Gelehrtenkarriere eingeschlagen hatte, kam aufgrund seiner Gutachtertätigkeit, die alle Leidener Professoren ausübten, mit der Rechtsanwendung in Berührung. 5 Trotz dieser praktischen Färbung zog das römisch-holländische Recht seine Kraft aus einer jahrhundertelangen Tradition der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den römischen Rechtsquellen und war daher in der Lage, die im Laufe der Zeit maßgeblich gewordenen Entwicklungsstränge, einschließlich des soeben neuerwachten Naturrechts, in sich aufzunehmen. Für eine dogmengeschichtliche Untersuchung ist es von besonderem Interesse, da es „ein getreues Paradigma der charakteristischen Eigenschaften" des europäischen ius commune abgibt. 6 Im vorliegenden Zusammenhang erhält es eine doppelte Bedeutung dadurch, daß es, bedingt durch historische Zufälligkeiten, in unkodifizierter Form als „Roman-Dutch Law" im modernen südafrikanischen Recht fortlebt. 7
2. Das zweite Leben des römisch-holländischen Rechts am Kap der guten Hoffnung a) Die Zeit der Ostindischen Kompanie Die Blütezeit der Niederlande ging auf einen sprunghaften Aufschwung von Handel und Schiffahrt zurück. Eine Folge der wirtschaftlichen Expansion war die Besiedlung des Kaps der guten Hoffnung: Nachdem Jan van Riebeek im Jahre 1652 den Südzipfel Afrikas erreicht hatte, um im Auftrag der Ostindischen Kompanie („Vereenigde Geoctroyeerde Oost-Indische Compagnie": VOC) eine Versorgungsstation für den Handelsweg nach dem mos Gallicus und mos Italicus." Ein wichtiger Faktor für den Erfolg des römisch-holländischen Rechts lag in der Kontinuität gegenüber dem südniederländischen Recht des 16. Jahrhunderts, vgl. Zimmermann, Das römisch-holländische Recht und seine Bedeutung für Europa, JZ 1990, 825, 836. 5 Zu den Biographien der bedeutendsten Vertreter des römisch-holländischen Rechts vgl. Zimmermann, Fortschritte des Zivilrechts, 26ff. 6 Zimmermann, Das römisch-holländische Recht und seine Bedeutung für Europa, JZ 1990, 825, 837. Zur Bedeutung des römisch-holländischen Rechts für die Rechtsentwicklung in Deutschland vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, 169. 7 Neben Südafrika ist das römisch-holländische Recht heute noch in Sri Lanka anwendbar, vgl. Nadaraja, The Legal System of Ceylon in its Historical Setting.
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
Indien zu errichten, ergab sich bald eine Kolonialisierung des besetzten Landes. Bis zum Jahre 1795 lag die Verwaltung der Kapkolonie in den Händen der VOC, die ihrerseits dem „Staten Generaal" und damit dem höchsten gemeinschaftlichen Organ der Niederlande unterstellt war. Da es in den verschiedenen niederländischen Landesteilen kein einheitliches Rechtssystem gab, entschied man sich für die Einführung des Rechts der Kernprovinz Holland, die mit ihrem wissenschaftlichen Zentrum an der Universität Leiden und dem einzigen Appellationsgerichtshof, dem „Hooge Raad", auch juristisch am weitesten entwickelt war. 8 Seit den Anfängen der Kolonialzeit bildete daher das römisch-holländische Recht die Grundlage des südafrikanischen Privatrechts. 9 b) Die Britische Ära Die zweite Existenz des römisch-holländischen Rechts am Kap endete auch nicht mit der Kolonialisierung durch die Engländer, die im Jahre 1815 von der Völkergemeinschaft formell anerkannt worden war (nach einem ersten britischen Besiedlungsversuch 1795 und der dauerhaften Besetzung seit 1806). Im Gegenteil, sein Fortleben wurde durch den Übergang der Herrschaft und die Loslösung vom alten Mutterland zunächst gesichert: Beinahe gleichzeitig mit dem Verlust der Kapkolonie wurden die Niederlande von der europäischen Kodifikationsbewegung erfaßt, in deren Verlauf das bislang geltende ius commune 1811 vom französischen Code Civil abgelöst wurde. 10 Zudem blieb nach englischem Staatsrecht in eroberten Gebieten das einheimische Recht grundsätzlich weiterhin in Kraft, solange es nicht durch den neuen Herrscher geändert wurde. 11
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Zimmermann, Fortschritte des Zivilrechts, 2Iff. Ausdruck der Dominanz der Provinz Hollands ist auch die Bezeichnung römisch-„holländisches" Recht als pars pro toto für niederländisches Recht, vgl. Zimmermann, Das römisch-holländische Recht und seine Bedeutung für Europa, JZ 1990, 825, 826. 9 Zur Entwicklungsgeschichte des römisch-holländischen Rechts in Südafrika allgemein vgl. Fagan, Roman-Dutch Law, 33 ff.; De Vos, Regsgeskiedenis, 226ff.; Zimmermann, RHR, Iff.; Van Zyl, Romeins-Hollandse Reg, 420ff.; Hahlo/Kahn, Legal System, 567ff.; dieselben, Union, 2ff.; ferner Walter, Actio iniuriarum, 31 ff.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung 227ff.; Dannenbring, Heutiges römisch-holländisches Recht, ZfRV 6 (1965), 56ff.; von Bar, Südafrikanisches Haftungsrecht, 42 RabelsZ (1978), 89 ff. 10 Dazu Van Zyl, Romeins-Hollandse Reg, 416ff.; siehe auch Käser, Das römische Recht in Südafrika, SZ 81 (1964), 1, 2. 11 „The Laws of a conquered country continue in force, until they are altered by the conqueror44, Lord Mansfield, in: Campbell v. Hall (1774) 1 Cowper 204, 209; 98 E.R. 1045, 1047. Vgl. auch Hahlo/Kahn, Union, 17; Jung, Der Einfluß des englischen Rechts, 36f.; Zimmermann, RHR, 9.
I. Bedeutung des römisch-holländischen Rechts
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Nichtsdestoweniger trat während der britischen Ära (1795-1910) eine deutliche Anglisierung des Rechtswesens ein, in deren Verlauf das römischholländische Recht vom englischen common law überlagert wurde und die südafrikanische Rechtsordnung ihren eigentümlichen Mischcharakter erhielt. Ganze Rechtsgebiete wurden nach englischem Vorbild im Wege der Gesetzgebung umgestaltet, wie vor allem das Straf- und Zivilprozeßrecht einschließlich des Beweisrechts 12 und im materiellen Bereich das Handels-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht. 13 Weniger offensichtlich, aber darum nicht minder bedeutsam waren die Einflüsse, die sich - oftmals unbewußt im Wege der gerichtlichen Praxis ergaben 14 : Viele der Richter und Anwälte hatten vor allem zu Beginn der englischen Kolonialzeit in Großbritannien studiert. Der Zugriff auf die vertrauten englischen Entscheidungssammlungen und juristischen Abhandlungen war damit entschieden leichter als die Lektüre der Schriften des klassischen römisch-holländischen Rechts, die in Latein oder einem altertümlichen Holländisch verfaßt waren. Die Bezugnahme auf das moderne niederländische Recht war aufgrund seiner Kodifizierung problematisch. Mit der Einführung des Englischen als Gerichtssprache drangen häufig auch die damit verbundenen rechtlichen Konzepte in die Rechtsprechung ein, während die hinter den übersetzten römisch-holländischen Begriffen stehenden Bedeutungen in Vergessenheit gerieten. Eine wesentliche methodische Annäherung an das englische common law ergab sich durch die Übernahme der Doktrin des „stare decisis", d. h. des Prinzips der bindenden Präzedenzfälle, die in engem Zusammenhang mit der Einrichtung eines Rechtszuges vom Cape Supreme Court an den Privy Council in London zu sehen ist. 1 5 Freilich entwickelten sich schon frühzeitig Gegenströmungen gegen einen überwältigenden englischen Einfluß. So hielt regelmäßig zumindest einer der Richter des Kapstädter Supreme Court die Fahne des römisch-holländischen Rechts aufrecht. 16 Nachdem mit der englischen Herrschaft unzufriedene Buren im „Großen Treck" nach Norden gezogen waren, wurde in den neugegründeten Republiken Transvaal und Oranje Freistaat das holländische bzw. römisch-holländische Recht zur Grundlage der Rechtsprechung gemacht. Die Spuren englisch-rechtlicher Einwirkungen waren in diesen Territorien deutlich geringer als in Natal, das nach seiner Gründung schon bald von den Briten besetzt wurde. 17 12
Hahlo/Kahn, Union, 18 f., 205 ff. Hahlo/Kahn, Legal System, 576ff.; Zimmermann, RHR, 12. 14 Zimmermann, RHR, 13 ff. spricht von „verborgeneren Rezeptionsmechanismen"; siehe auch Hahlo/Kahn, Legal System, 578. 15 Van Zyl, Romeins-Hollandse Reg, 455. Zur Doktrin des stare decisis s.u., § 4 IV sowie § 4 V 1. 16 Zimmermann, RHR, 16. 13
8 Wicke
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht c) Römisch-holländisches Recht bis heute
Zum Durchbruch der gegenläufigen Strömungen kam es nach der endgültigen Abkoppelung Südafrikas von Großbritannien: Nachdem Transvaal und der Oranje-Freistaat ihre Selbständigkeit zunächst im Burenkrieg (1899— 1902) eingebüßt hatten, schlossen sie sich schon im Jahre 1910 mit den Kolonien Kap und Natal zur nunmehr unabhängigen „Union of South Africa" zusammen. 18 Neben den Bestrebungen zur Rechts Vereinheitlichung durch den Gesetzgeber 19 und die soeben ins Leben gerufene „Appellate Division" des „Supreme Court" 2 0 wandte sich die Aufmerksamkeit der juristischen Öffentlichkeit wesentlich dem römisch-holländischen Recht zu. Treibende Faktoren waren einerseits der Rechtsunterricht, der an den 1916 gegründeten Universitäten von Kapstadt und Stellenbosch auf eine sichere institutionelle Grundlage gestellt wurde, andererseits die (damit zusammenhängende) Entstehung einer eigenständigen Rechtsliteratur mit Standardwerken zum römisch-holländischen Recht. 21 Zum ersten Mal entflammte in dieser Zeit auf wissenschaftlicher und richterlicher Ebene ein Konflikt über den Stellenwert der romanistischen und anglistischen Seite des südafrikanischen Mischrechts. 22 Die Verfechter der strengen römisch-holländischen Richtung, die sogenannten „Puristen" gingen dabei so weit, eine Eliminierung von bereits eingedrungenem englischen Gedankengut zu erwägen. Derartige „Säuberungstendenzen" stießen, vor allem nachdem 1950 das Rechtsmittel zum Privy Council abgeschafft worden und 1961 Südafrika aus dem Commonwealth ausgeschieden war, auch in der Rechtsprechung auf Resonanz.23 ,,[D]it is een ding om 'n andere reg te ondersoek ten einde ons eie meer doeltreffend te kan hanteer, en 'η gans ander saak om 'n ander reg te benader asof dit 'η ingelyfde deel van ons erkende regsbronne i s " 2 4 , wie Chief Justice Steyn bezeichnenderweise auf Afrikaans formu-
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Vgl. i.e. Van Zyl, Romeins-Hollandse Reg, 459ff. Zum historischen Hintergrund vgl. Fisch, Geschichte Südafrikas, 217 ff., insbesondere 224. 19 Van Zyl, Romeins-Hollandse Reg, 494 f. 20 Hahlo/Kahn, Union, 249ff.; Zimmermann, RHR, 23ff. 21 Zimmermann, RHR, 17. Die 1937 zum ersten Mal erschienene „Tydskrif vir Hedendaagse Romeins-Hollandse Reg" (THRHR) hatte die Pflege des römisch-holländischen Rechts und die Entwicklung von Afrikaans als Rechtssprache zum erklärten Ziel, Van Zyl, Romeins-Hollandse Reg, 496. 22 Der Autor eines 1952 erschienenen Aufsatzes spricht von Puristen, die englische Einflüsse beseitigen wollten, „Besudeiern" (afrikaans: „besoedelaars, englisch: „pollutionists"), die sich mit der Einführung englischer Lehren einverstanden erklärten, und Pragmatikern, die zu einem praktischen Mittelweg tendierten, vgl. Mulligan, Bellum Juridicum (3): Purists, Pollutionists, Pragmatists, 1952 SALJ, 25 ff. 23 Zimmermann, RHR, 35 ff. 18
I. Bedeutung des römisch-holländischen Rechts
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lierte, das seit 1941 als zweite Gerichtssprache neben Englisch getreten war. 2 5 Mittlerweile haben sich die Wogen in dieser Auseinandersetzung weitgehend geglättet. Der Mischcharakter des südafrikanischen Privatrechts wird allgemein akzeptiert. Soweit es nicht bereits rezipiert ist, hat das englische Recht keine größere Bedeutung als andere Rechtsordnungen auch. Wo es dagegen feste Wurzeln geschlagen hat, wird es nicht ohne weiteres wieder herausgerissen. 26 Die sich daraus ergebende Notwendigkeit, das römischholländische Recht den modernen Umständen anzupassen und gegebenenfalls, bei unzeitgemäßen Regelungen, sogar außer Acht zu lassen, wird von den Gerichten deutlich gesehen.27 In der heutigen Literatur wird zur Bezeichnung des geltenden Rechts anstelle des früher gebräuchlichen Terminus „römisch-holländisch" dem Attribut „südafrikanisch" der Vorrang eingeräumt. 28 Unbeeinflußt von dem begrifflichen Wandel ist jedoch das Bewußtsein dafür erhalten geblieben, daß das römisch-kanonische ius commune in seiner spezifisch niederländischen Gestalt, ungebrochen durch Kodifikationszäsuren, im gegenwärtigen südafrikanischen Recht fortlebt. Bis heute wird das römisch-holländische Recht, soweit es nicht durch Veränderungen der sozialen Wirklichkeit überholt ist, als unmittelbar geltendes Recht angesehen.29 Darüber hinaus wird im Falle seines Schweigens oder 24 (Es ist eine Sache, ein anderes Recht mit dem Ziel zu untersuchen, unser eigenes Recht sachgerechter anwenden zu können und eine ganz andere Sache, sich einem anderen Recht anzunähern, als ob es sich um einen einverleibten Teil unserer eigenen anerkannten Rechtsquellen handelt), vgl. Trust Bank van Afrika Bpk. v. Eksteen 1964 (3) SA 402 (A) 411. 25 Zimmermann, RHR, 35. Sehr weitgehend formulierte schon 1937 Appellrichter Stratford in einem Urteil betreffend die Haftung für einen „independent contractor" (Dukes v. Marthinusen 1937 AD 12, 22 f.): „There are a few more South African cases dealing with this subject and a reference to the reports shows that the English law has been followed in all of them. This does not necessarily mean that this Court should do the same. If the decisions have disregarded the fundamental principles of our law, we might have to reassert those principles even at the cost of reversing judgments of long standing." 26 Zimmermann, RHR, 40. 27 Vgl. beispielsweise Holmes, J., Ex parte De Winnar 1959 (1) SA 837 (Ν) 839: „No doubt its roots are Roman Dutch, and splendid roots they are. But continuous development has come through adaptation to modern conditions, through case law, through statutes, and through the adoption of certain principles and features of English law, such as procedure, and the law of evidence. The original sources of the Roman-Dutch law are important, but exclusive preoccupation with them is like trying to return an oak tree to its acorn." 28 Hahlo/Kahn, Legal System, 586: „In summa, in its South African reincarnation Roman-Dutch law is the Roman-Dutch law of old, modified by three centuries of life in South Africa. We may as well call it South African law"; Van Zyl, Romeins-Hollandse Reg, 500.
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
zur Ermittlung seines Inhalts subsidiär auf das römische Recht zurückgegriffen, manchmal in seiner klassischen Gestalt, meist aber in der Form, die es durch das Corpus Iuris Civilis und die Schriften der Glossatoren und Kommentatoren erhalten hat. 3 0 Im folgenden soll die Problematik der Haftung für Hilfspersonen im römisch-holländischen Recht mit einer zweifachen Zielsetzung untersucht werden: Zum einen geht es darum, die Rechtslage zu ermitteln, die in Südafrika wenigstens bis zur britischen Besatzung, möglicherweise aber auch darüber hinaus gegolten hat. Zum anderen soll ein Bild von der Entwicklung der (zuvor behandelten) römischen Rechtsgrundsätze während der Zeit des ius commune gewonnen werden: Wie erwähnt, kann das römisch-holländische Recht gewissermaßen als Reflektor der maßgeblichen Leitgedanken der gemeineuropäischen Rechtswissenschaft angesehen werden, dem sich zuverlässige Schlußfolgerungen auf die allgemeine Diskussion auch über die räumlichen und zeitlichen Grenzen der niederländischen Jurisprudenz hinaus entnehmen lassen.
29
Eine Rechtsquellendebatte rankt sich um die Frage, was genau unter dem Begriff „Roman-Dutch law" bzw. „Romeins-Hollandse Reg" zu verstehen ist. Nach enger Auffassung kommt nur dem Recht der ehemaligen Provinz Holland unmittelbare Geltungskraft zu, vgl. etwa die Entscheidung in Tjollo Ateljees (Eins.) Bpk. v. Small 1949 (1) SA 856 (A) 865 f. In anderen Fällen haben die Gerichte ohne weiteres auch sonstige niederländische Autoren konsultiert, wie vor allem den Friesen Ulrich Huber. Eine weite Ansicht bezieht das gesamte europäische ius commune mit ein, vgl. etwa Van Zyl, Romeins-Hollandse Reg, 498. Zur Problematik siehe Fagan, Roman-Dutch Law, 41 ff.; Zimmermann, Roman Law in a Mixed Legal System: The South African Experience, 41, 62 ff. 30 „Roman law as corrupted by the Byzantines", Van den Heever, J.A., in Pahad v. Director of Food Supplies and Distribution 1949 (3) SA 695 (A) 710; Hahlo/ Kahn, Legal System, 581 f. Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle freilich die Tatsache, daß das südafrikanische Privatrecht in der Vergangenheit von seinem sozialen Kontext rassischer Unterdrückung nicht unberührt geblieben ist. Die in der neuen Verfassung verwirklichten gesellschaftlichen Vorstellungen werden sich in Zukunft ohne Frage auch im Rahmen des Privatrechts niederschlagen und möglicherweise ein Zurückdrängen des römisch-holländischen Rechts herbeiführen. Vgl. Zimmermann/Visser, Southern Cross, 5, 8 f. Die Problematik wird ungeachtet ihrer allgemeinen Bedeutung hier jedoch nicht weiter verfolgt, da die politischen und staatsrechtlichen Rahmenbedingungen sich in der Frage der vicarious liability (abgesehen vielleicht von dem Bereich der Staatshaftung) nicht bemerkbar gemacht haben und sich wohl auch nicht weiter auswirken werden. Zum Zusammenhang zwischen Deliktsrecht und dem Schutz der Menschen- und Bürgerrechte siehe Burchell, Beyond the Glass Bead Game: Human Dignity in the Law of Delict, 4 SAJHR (1988), 1.
II. Die Grundsätze der Haftung für Hilfspersonen
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II. Die römisch-holländischen Grundsätze der Haftung für Hilfspersonen Nach einer Äußerung des südafrikanischen Chief Justice De Villiers standen die römisch-holländischen Autoritäten hinsichtlich der Haftung für fremdes Handeln in einem „hoffnungslosen Konflikt" zueinander. 31 Kern der Auseinandersetzung war die Frage, ob ein Herr (dominus) unbeschränkt für Schäden haften mußte, die ein Gehilfe („famulus") in Ausführung seines Dienstverhältnisses („in officio aut ministerio") verursacht hatte. Es ging mit anderen Worten um die Anerkennung einer allgemeinen funktional begrenzten Gehilfenhaftung, wie man sie in den modernen Rechtsordnungen antrifft. Das römische Recht lieferte in diesem Streitpunkt keine unmittelbare Lösung. Wie dargestellt, gab es abstrakt-generelle Regelungen zur Verantwortlichkeit für fremdes Handeln nur in Gestalt der Noxalhaftung, die in nachklassischer Zeit auf Sklavendelikte beschränkt war. Die Sklaverei aber - und in diesem Punkt herrschte unter den Autoritäten Einigkeit war in den Niederlanden des 17. und 18. Jahrhunderts längst abgeschafft. 32 Bezüglich der Verantwortlichkeit für Personen, die im Interessenkreis des dominus tätig werden, ergab sich dadurch offenbar eine Lücke im Haftungssystem, die durch andere Regelungen geschlossen werden mußte. Ein weiterer Ansatz, der häufig vertreten wurde, zeigt auf den ersten Blick starke Ähnlichkeiten mit der römischen Noxalhaftung: Danach haftete der Dienstherr maximal in Höhe des Lohnes, den er seinem Bediensteten noch schuldig war. Die Verantwortlichkeit war daher wertmäßig begrenzt. Der Verpflichtete wurde zwar nicht durch Auslieferung des Delinquenten, aber gewissermaßen durch Aushändigung der Vergütung von der Verantwortlichkeit befreit. Diese „Lohnhaftung" wurde in späterer Zeit daher wiederholt auf das römische Noxalsystem zurückgeführt. Eine Reihe von Autoren ging jedoch einen Schritt weiter: Wenn das deliktische Verhalten des Gehilfen einen funktionalen Zusammenhang zu seiner Arbeit aufwies, mußte der Herr für den gesamten Schaden aufkommen. Die Haftung wurde dabei vielfach mit der Erwägung rationalisiert, daß der dominus zuverlässige Leute hätte beschäftigen können. Die Auswahlmöglichkeit bei der Anstellung wurde somit zum Anknüpfungspunkt seiner Verantwortlichkeit genommen. Nicht einheitlich beantwortet wurde dabei die Frage, ob der Dienstherr als Konsequenz auch nur bei eigenem 31
Mkize v. Martens 1914 AD 382, 386: „The Dutch authorities, hampered as they were by the Roman Law relating to noxal actions, were in hopeless conflict with each other." 32 Vgl. Grotius, Inleiding, 1, 4, 2; Groenewegen, De legibus abrogatis, Inst. 1, 8 und D. 15, 1; Vinnius, Institutiones, 4, 8, 7; Voet, Commentarius, D. 9, 4, 10; Schorer, Aanteekeningen, 3, 1, 34.
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
Verschulden im Zusammenhang mit der Einstellung des unmittelbaren Täters haftete oder ob ihn eine strikte Einstandspflicht traf. Unabhängig von der Problematik des persönlichen Verschuldens, erlebte dieser Ansatz einer funktional, aber nicht weitmäßig begrenzten Geschäftsheimhaftung in den nachfolgenden Jahrhunderten einen internationalen Siegeszug. Der Rang, der diesem Prinzip in den modernen Rechtsordnungen zukommt, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß seine praktische Relevanz im vorindustriellen Holland des 17. und 18. Jahrhunderts von viel eingeschränkterem Umfang war. Das Schadensrisiko, das für außenstehende Dritte aus der Einstellung eines famulus oder minister resultierte, war im Hinblick auf die Häufigkeit wie auch die Höhe der drohenden Vermögenseinbußen erheblich geringer als die Gefahren, die sich in der heutigen hochtechnologisierten und komplex strukturierten Arbeitswelt ergeben können. Darüber hinaus war die Haftung für fremde Schuld in zahlreichen Sondertatbeständen geregelt. Wichtig waren vor allem die oben behandelten römischen Haftungsgrundsätze aus dem prätorischen Edikt, die in modifizierter Form fortlebten. Daneben gab es einheimische (niederländische bzw. germanische) Regelungen, die bestimmten risikobehafteten Situationen Rechnung trugen. Zu hohen Verlusten konnte es beispielsweise durch Entzünden eines Feuers kommen. Für Brandschäden gab es daher eigene Vorschriften, die auch zur Anwendung kamen, wenn eine andere Person als der Ersatzpflichtige den Ausbruch der Flammen verursacht hatte. Zusammen genommen deckten die Sondertatbestände einen großen Bereich von Gefahren ab, die aus der Anstellung anderer Personen resultieren konnten. In der Summe kam ihnen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, die dadurch verstärkt wurde, daß über ihre Geltung weitgehendes Einvernehmen herrschte. 33 Eine Kernproblematik, die wiederholt zu Kontroversen führte, ergab sich lediglich aus der Frage, ob im Einzelfall Eigenverschulden für die Haftung des Ersatzpflichtigen erforderlich war. Um ein realistisches Gesamtbild von der Haftung für Hilfspersonen im römisch-holländischen Recht zu gewinnen, sollen diese Spezialtatbestände zunächst untersucht werden. Die einheimischen niederländischen Vorschriften, die entwicklungsgeschichtlich von geringerer Bedeutung sind, werden dabei nur überblicksmäßig behandelt. Im Anschluß wird dem erwähnten Konflikt über die generelle Gehilfenhaftung auf den Grund gegangen. Die wichtigsten Positionen in dieser Frage waren: Lohnhaftung; unbeschränkte Haftung bei Delikten des Gehilfen in Ausführung seiner Arbeit; keine Haftung des Geschäftsherrn außerhalb der Sondertatbestände. Hinsichtlich der vertraglichen Gehilfenhaftung haben sich im römisch-holländischen Recht 33
Entgegen der soeben angeführten Äußerung von Lord de Villiers bestand insoweit also kein „hopeless conflict.' 4
II. Die Grundsätze der Haftung für Hilfspersonen
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keine nennenswerten Entwicklungen ergeben, so daß sich eine besondere Untersuchung erübrigt. Die Quellen bieten ein kasuistisches Bild ohne Diskussion allgemeinerer Grundsätze. 34 Insbesondere die custodia-Haftung 35 , die schon im römischen Recht nichts mit der Verantwortlichkeit für das Verhalten von Angestellten zu tun hatte, blieb für die generelle Gehilfenhaftung ohne Relevanz. Die römischen Einzelfallentscheidungen zur vertraglichen Haftung für andere gewannen lediglich vereinzelt als Argumentationsstützen für die Herleitung der Grundsätze im außervertraglichen Bereich Bedeutung.
1. Die römischen Sondertatbestände im holländischen Gewand a) Nauta , caupo, stabularius „So ook een Schipper en Herbergier moet verantwoorden en instaan, voor de schade die de Reisende Luyden in het goed, dat sy in het Schip ofte Herberg hebben ingebracht, en by haar is aangenomen." 36 Auch nach römisch-holländischem Recht waren Schiffer und Gastwirte für den Schaden verantwortlich, der an eingebrachten Sachen ihrer Kunden entstanden war, wie die angeführte Äußerung des Advokaten Simon van Leeuwen aus seinem Werk „Het Rooms-Hollands-Regt" zeigt. 37 Daß die Haftung des 34
Vermutlich ist die abstrakt-generelle vertragliche Gehilfenhaftung als systematisches Problem eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts. Windscheid bezeichnete diese Frage als eine „in der neueren Zeit berühmt gewordene", vgl. Pandekten, § 401 Fußn. 5 (S. 746). Nach Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, 342 brachte Bluntschlis Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich von 1853/5 erstmals die Unterscheidung zwischen Verrichtungsgehilfen und den (später sogenannten) Erfüllungsgehilfen. 35 S. o., § 2 II 4. 36 (So sind auch der Schiffer und der Gastwirt verantwortlich und müssen einstehen für Schäden, die Reisende an Sachen erlitten haben, die sie in das Schiff oder die Herberge eingebracht haben und die von jenen angenommen worden sind). 37 4, 39, 3. Nach Van der Merwe, Verschuldensunabhängige Haftung, 464, mußten der nauta, caupo und stabularius auch für den „an Leib ... ihrer Kunden verursachten Schaden" einstehen. Aus den durch Van der Merwe angeführten Verweisen scheint sich dies jedoch nicht zu ergeben. Im Gegenteil formuliert beispielsweise auch Van der Keessel, „ut nautae, caupones, stabularli ex delictis ministrorum suorum adversus vectorum vel viatorum bona commissis conveniri possint" (meine Hervorhebung), vgl. Praelectiones, 3, 38, 9. Auf den ersten Blick scheint Grotius, Inleiding, 3, 38, 9, die Auffassung Van der Merwes zu unterstützen mit der Äußerung, daß die Schäden zu ersetzen sind, „die iemand lijf ofte goed hebbende in haer schip, huis ofte stai ... zoude mögen lijden" (die jemand, der Leib oder Güter auf ihrem Schiff, in ihrem Haus oder Stall hat, erlitten haben mag). Genauer betrachtet schreibt Grotius jedoch nicht, daß der Schaden an „lijf ofte goed" zu ersetzen ist, sondern, daß, wer Güter auf dem Schiff, im Wirtshaus oder Stall hat bzw. wer sich
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
Stallbesitzers in gleicher Weise rezipiert worden war, ergibt sich aus einer weiteren Schrift desselben Autors. 38 Die Einstandspflicht der drei Berufsgruppen umfaßte auch das Verhalten anderer Personen: Dies galt unzweifelhaft für ihre Bediensteten, die „schip-gezellen, huis-dienaars und stalknechts" (in den Worten von Hugo Grotius) 39 , nach umstrittener Auffassung ebenso für andere Gäste oder Passagiere. 40
aa) Receptum-Haftung und die actiones furti und damni in factum adversus nautas Das römische Recht kannte unterschiedliche Rechtsbehelfe gegen den nauta, caupo oder stabularius: Neben der receptum-Haftung, die auf einer (stillschweigenden) Garantiezusage beruhte, gab es zwei quasideliktische Klagen, die im Fall von Diebstahl oder Sachbeschädigung zur Anwendung kamen. 41 In einigen Schriften der römisch-holländischen Autoren findet sich diese Differenzierung n i c h t 4 2 Angesichts der Praxisbezogenheit der niederländischen Schule ist das Zusammenschmelzen der Rechtsbehelfe nicht verwunderlich: Der wichtigste Unterschied resultierte in der römischen Rechtsanwendung aus der pönalen Natur der actiones furti und damni in factum adversus nautas (im Gegensatz zur actio de recepto), die eine Haftung in Höhe des doppelten Schadensbetrags (in duplum) zur Folge hatte. Gerade in diesem Punkt aber hat sich im römisch-holländischen Recht die einzige erhebliche Veränderung gegenüber den byzantinischen Quellen ergeben: „Haec poena dupli exolevit", die Strafe auf das doppelte ist obsolet geworden, wie Simon van Groenewegen in seinem Buch über abgeschaffte Rechtsgrundsätze, De Legibus Abrogatis, formulierte. 43 Das dort persönlich aufhält, (im Hinblick auf die mitgebrachten Gegenstände) Kompensation verlangen kann. 38 ,,[I]n navi, caupona aut stabulo", vgl. Censura forensis I, 5, 30, 3. Im Anschluß an Leyser, Meditationes ad Pandectas I, 66, 3 erwägt Van der Linden, der letzte große niederländische Jurist vor der Kodifikation (vgl. Van Zyl, RomeinsHollandse Reg, 395), in seinem Supplementum ad Voet, D. 4, 9, 1 eine Ausdehnung der Haftung auf öffentliche Transport- und Postunternehmer. Diese Erweiterung findet sich jedoch nicht in den Schriften der anderen bedeutenden römisch-holländischen Autoren. Ein ähnlicher Ansatz wurde auch in Deutschland im 19. Jahrhundert erwogen, vgl. Ogorek, Gefährdungshaftung, 50. 39 Inleiding, 3, 38, 9; vgl. ferner Schorer, Aanteekeningen, 3, 38, 9; Van der Keessel, Praelectiones, 3, 38, 9. 40 Van Leeuwen, Rooms-Hollands-Regt, 4, 2, 10; Voet, Commentarius, D. 4, 9,
2. 4 1
S. o., § 2 III 1. So behandeln Grotius, Inleiding, 3, 38, 9 und Van der Keessel, Praelectiones, 3, 38, 9 die Haftung von nauta, caupo und stabularius unter der Kategorie der Quasidelikte, ohne die receptum-Haftung gesondert aufzuführen. 42
II. Die Grundsätze der Haftung für Hilfspersonen
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private Schadensrecht war in erster Linie auf den Ausgleich erlittener Vermögenseinbußen gerichtet. Das Verhängen von Strafen wegen Beeinträchtigungen des öffentlichen Interesses war demgegenüber grundsätzlich Sache der Obrigkeit. 44
bb) Systematischer Standort Die Nivellierung der Differenzierungen des römischen Haftungssystems ist jedoch nicht als Ausdruck einer Verflachung in dem Sinne zu begreifen, daß die holländischen Juristen nicht im Besitz der intellektuellen Kapazität zum Verständnis der verschiedenen Voraussetzungen gewesen wären. In den akademischer ausgerichteten Werken einiger Autoren wurden die Unterschiede zwischen receptum-Haftung und den quasideliktischen Klagen im einzelnen dargelegt. So zeigt sich beispielsweise die dogmatische Auseinandersetzung, ob die actio de recepto auf einer besonderen Zusicherung beruht 45 , in der unterschiedlichen Qualifizierung als vertraglich durch Van Leeuwen 46 und als quasivertraglich durch Johannes Voet. 47 Über die Einordnung der actiones furti und damni in factum adversus nautas unter die Quasidelikte herrschte demgegenüber Einigkeit. Auch in Abhandlungen, die auf eine getrennte Behandlung der römischen Rechtsbehelfe verzichteten, wurde die Haftung des nauta, caupo und stabularius für das Verhalten von Bediensteten als quasideliktisch klassifiziert. 48
cc) Die Quasidelikte im römisch-holländischen Recht Im ius commune herrschte freilich eine große Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Unterschiede zwischen Delikten und Quasidelikten. 49 Dieser Zustand spiegelte sich auch in den Schriften einiger niederländischer Autoren wider. So sprach Vinnius etwas vage von Verhaltensweisen, die einer Übeltat sehr ähnlich seien („quod maleficio est proximum"), ohne deutlich herauszustellen, durch welche Merkmale beide Kategorien voneinander abzugrenzen sind. 50 Nach der Auffassung Van Leeuwens unterschieden die 43
D. 4, 9. Groenewegen, De legibus abrogatis, C. 9, 47. 45 S. o., § 2 III 1 a cc. 46 Censura forensis I, 5, 30, 3. 47 Commentarius, D. 4, 9, 2; vgl. auch Vinnius, Institutiones, 4, 5, 3. 48 Van Leeuwen, Rooms-Hollands-Regt, 4, 39: „Van Verbintnis uit Saaks gelyk as Misdaad." 49 Vgl. dazu allgemein Coing, Europäisches Privatrecht I, 395 f.; Zimmermann, Obligations, 1125 ff.; Hochstein, Obligationes quasi ex delicto, insbesondere 35ff., 48 ff., 71 ff., 94ff., 129 ff. 44
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
Quasidelikte sich von den Delikten, da sie zwar nicht auf dolus beruhten, aber bei ihnen dennoch culpa hinzutrat. 51 In der Erörterung der einzelnen Anwendungsfälle scheint Van Leeuwen dabei jedoch kein persönliches Verschulden als Voraussetzung der Haftung verlangt zu haben. 52 Eine wesentliche Neuerung brachte demgegenüber der Ansatz, der von Hugo Grotius in seinem bedeutenden Einführungslehrbuch, der „Inleiding", entwickelt wurde und in der nachfolgenden Zeit zur herrschenden Auffassung im römisch-holländischen Recht avancierte. Vorbedingung für die systematische Fortbildung durch Grotius war zunächst ein klares Konzept von deliktischer Verantwortlichkeit. Auf der Grundlage naturrechtlicher Anschauungen erblickte er das zentrale Element seiner Haftungslehre in dem Begriff der culpa. Als Unrecht verstand Grotius abstrakt jeden schuldhaften Verstoß gegen allgemeine Verhaltensgebote. 53 Im Gegensatz hierzu erkannte er in den Quasidelikten als erster Jurist des ius commune objektive Haftungstatbestände 54 , die sich nicht aus dem Naturrecht herleiten ließen, sondern ihren Ursprung im ius civile als Ergebnis einer positivrechtlichen Zurechnung hatten: „Misdaed door wetduiding is wanneer de wet eenige uitkomste iemand toe-rekent tot misdaed." 55 Den Systembegriff des Quasidelikts 56 umschrieb Grotius daher konsequent als Unrecht aufgrund Gesetzesinterpretation, als „,misdaed deur wetduiding" 51. In seinen Anmerkungen zur Inlei-
50
Institutiones, 4, 5. Censura forensis I, 5, 30, 1: „Sed et ex quasi maleficio, id est ex omni facto quo quis non recte deliquisse dici potest, ut cui dolus nullus intervenerit, sed tamen quod propter culpam accedentem delieto proximum est." Außerhalb der Niederlande wurde dieser Ansatz vertreten durch Heineccius, Recitationes, 4, 5, § 1032; Lauterbach, Collegium theoretico-practicum, 47, 1, 8; Pothier, Traité des obligations, 116. 52 Vgl. Rooms-Hollands-Regt, 4, 39. 53 Vgl. De iure belli ac pacis, 2, 17, 1: „Maleficium hic appellamus culpam omnem, sive in faciendo, sive in non faciendo pugnantem cum eo quod aut homines communiter, aut pro ratione certae qualitatis facere debent. Ex tali culpa obligatio naturaliter oritur, si damnum datum est, nempe ut id resarciatur." Ferner Inleiding, 3, 32, 7; 9; 12. Die Gestaltung des Haftungsrechts im klassischen römischen Recht war demgegenüber nicht von einheitlichen Grundsätzen beherrscht, sondern spiegelt in ihrer Vielfältigkeit die Eigenart des klassischen Aktionensystems wider und kann nur aus den besonderen Bedingungen der einzelnen Rechtsverhältnisse erfaßt werden, vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 231. Zur weiteren Entwicklung des Haftungsrechts über Justinian bis in das ius commune vgl. im einzelnen Zimmermann, Obligations, 953 ff. 54 Vgl. auch Hochstein, Obligationes quasi ex delicto, 100. 55 Von einem Unrecht durch Gesetzesinterpretation spricht man, wenn das Recht irgendein Ereignis jemandem als Unrecht zurechnet, vgl. Inleiding, 3, 38, 1. 56 ,,[V]erbintenisse als off het waer door misdaed", vgl. Inleiding, 3, 32, 22. 57 Inleiding, 3, 32, 23; 3, 38, 1. In seinem Hauptwerk, De iure belli ac pacis, findet der Begriff des Quasidelikts keine Verwendung mehr. Verbindlichkeiten entstehen hiernach nur aus drei Gründen: Vertrag, Delikt oder Gesetz, vgl. 2, 17, 1. 51
II. Die Grundsätze der Haftung für Hilfspersonen
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ding fügte Van der Keessel klarstellend hinzu, daß eine misdaed deur wetduiding durch eine Handlung oder ein Geschehnis entsteht, welches jemandem aus einem Rechtsgrund wie ein Delikt zugerechnet wird, obwohl seinerseits weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit im Spiel war („quem lex ex iusta causa alicui imputât tamquam delictum, licet eius neque dolus neque culpa intervenit" 58 ). Beide Autoren waren sich darin einig, daß unter vernunftrechtlichen Gesichtspunkten eine solche verschuldensunabhängige Einstandspflicht nicht bestand, sofern sie nicht durch besondere Anordnung des ius civile begründet wurde. 59 Einen Rechtsgrund („wettelicke oorzacke") für die Auferlegung strikter Verantwortlichkeit sah Grotius dann als gegeben an, wenn Schaden aus oder durch etwas entstand, das dem Betroffenen gehörte (worin auch das Verhalten eines Bediensteten Inbegriffen war). 6 0 In dieser Hinsicht scheint freilich Van Leeuwen den Ansatz des römisch-holländischen Rechts präziser zum Ausdruck gebracht zu haben: „Verbintenis uit Saaks gelijk as Misdaad geschied of door het doen van de gene die wy in onse magt, of dienst hebben, of door schade die een ander uit en door ons goed komt te lijden." 6 1 Dem Haftpflichtigen wurden mit anderen Worten bestimmte Schadensfolgen nicht aufgrund eigenen Fehlverhaltens zugerechnet, sondern weil er sich in einem rechtlichen Herrschaftsverhältnis zu einer anderen Person oder einer dinglichen Sache befand, die für den Nachteil unmittelbar ursächlich geworden ist. Das gewandelte Grundverständnis von den Quasidelikten hatte Auswirkungen auch auf die Auswahl der Tatbestände, die Grotius und andere römisch-holländische Autoren dieser Kategorie zuordneten. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Tatsache, daß das voraussetzungsfreie, an der ratio orientierte Denken des Naturrechts in der Strukturierung und Ausgestaltung des Obligationensystems nicht an überkommene Begriffsinhalte und Termini gebunden war, wenn sie vor dem Forum der Vernunft keinen Bestand hatten oder durch höher bewertete, einem neu entworfenen Ansatz besser entsprechende Gliederungsgesichtspunkte ersetzt werden konnten. 62 Die Objektivierung des Haftungskonzepts hatte zur Folge, daß Grotius einerseits 58
Van der Keessel, Praelectiones, 3, 38, 1. Besonders deutlich in dieser Hinsicht Grotius, Inleiding, 3, 32, 22; Van der Keessel, Praelectiones, 3, 32, 22. 60 Inleiding, 3, 38, 1. Als Rechtfertigung für die Auferlegung der strikten Haftung führt Grotius den Gesichtspunkt der Beweisschwierigkeiten an, vgl. Inleiding, 3, 32, 22. 61 Quasideliktische Obligationen entstehen entweder durch das Handeln von Personen, die wir in unserer Gewalt oder in unserem Dienst haben oder aufgrund eines Schadens, den ein anderer durch unser Eigentum erlitten hat, vgl. Rooms-HollandsRegt, 4, 39, 1. 62 Vgl. auch Hochstein, Obligationes quasi ex delicto, 94, 125. 59
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
die Richterhaftung („iudex qui litem suam fecit" 6 3 ), die er nicht als verschuldensunabhängige Verantwortlichkeit ansah, aus den Quasidelikten herausnahm 64 , andererseits aber neue Tatbestände, die unabhängig von eigener culpa des Verantwortlichen zur Anwendung kamen, in die Gruppierung mit einbezog. Auf diese Weise wurden nicht nur die römische Tierhalterhaftung und bestimmte einheimische niederländische Sondertatbestände unter den Begriff der misdaed deur wetduiding gefaßt, sondern auch die allgemeine Gehilfenhaftung, wenngleich - wie sich zeigen wird - Grotius selbst in dieser Frage eine rückwärtsgewandte Position vertreten hat. dd) Unwiderlegliche Verschuldensvermutung Die Haftung von nauta, caupo und stabularius für ihre Angestellten trat entsprechend dem Konzept der misdaed deur wetduiding unabhängig von eigenem Verschulden ein. 6 5 Der römisch-holländische Ansatz entsprach insofern der Rechtslage im klassischen römischen Recht. Ähnlich wie es bei Ulpian zu beobachten war, wurde jedoch von einigen Autoren der Versuch unternommen, die Haftung anhand von culpa-Erwägungen zu rationalisieren. Dabei wurde der Begriff der culpa nicht offen im Sinne objektiver Zurechnung verwandt, sondern als eine unwiderlegliche Vermutung vorwerfbaren Verhaltens begriffen. ,,[R]egulariter culpa eius adscribatur, si malignorum opera atque ministerio usus sit": Regelmäßig wurde Verschulden zugeschrieben, wenn jemand den Dienst und die Hilfe böswilliger Menschen in Anspruch nahm, wie Johannes Voet sich ausdrückte. 66 Ohne culpa als konkrete Haftungsvoraussetzung zu verlangen, wurde damit unterstellt, daß ein schadenstiftender Angestellter seinem Wesen nach unzuverlässig ist. Da die Indienstnahme des Gehilfen auf der Grundlage dieser Argumentation automatisch ein vorwerfbares Verhalten des Dienstherrn darstellte, ließ sich die strikte Verantwortlichkeit konstruktiv dem Verschuldensprinzip zuordnen und die Objektivität der Haftungstatbestände sich auf diese Weise verdecken. Anders als in der modernen technisierten Arbeitswelt, in der es zahlreiche Tätigkeiten gibt, bei denen man typischerweise mit einem geringfügigen Nachlassen der Aufmerksamkeit rechnen 63
Vgl. Gai. D. 44, 7, 5, 4; D. 50, 13, 6; Ulp. D. 5, 1, 15, 1. Vgl. Inleiding, 3, 37, 9. Ob es sich bei der Verantwortlichkeit des Richters im klassischen Recht um eine verschuldensunabhängige Haftung handelte, ist freilich umstritten; siehe hierzu etwa Birks, A New Argument for a Narrow View of litem suam facere, 52 TR (1984), 373 ff. 65 Vgl. Grotius, De iure belli ac pacis, 2, 17, 20, 2; derselbe Inleiding, 3, 38, 8; Van der Keessel, Praelectiones, 3, 38, 8; Schorer, Aanteekeningen, 3, 38, 8; ferner auch Van Leeuwen, Rooms-Hollands-Regt, 4, 39, 4. 66 Commentarius, D. 4, 9, 6. 64
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muß, hatte sich offensichtlich noch kein Bewußtsein dafür entwickelt, daß auch einem sorgfältigen Beschäftigten Fehler unterlaufen können, die für sich allein betrachtet zwar jedesmal vermeidbar wären, mit denen aber angesichts der menschlichen Unzulänglichkeiten erfahrungsgemäß zu rechnen ist. Aufgrund der individuellen Überschaubarkeit des Verantwortungsbereichs galt die Unrechtsbegehung eines Gehilfen pauschal als Fehlleistung des dominus. Objektiv hat bei der Schadensverursachung regelmäßig ein Akt des Geschäftsherrn zumindest dadurch mitgespielt, daß er den unmittelbaren Täter ausgewählt und zu der Arbeit angestellt hat. ,,[E]t aliquatenus culpae reus est, qui hominum malorum opera utitur", wie Schorer formulierte. 67 Der Eintritt des Schadens ließ sich daher mittelbar auf einen Willensakt des dominus zurückführen. Sollte einmal die Einflußmöglichkeit bei der Einstellung entfallen - so etwa wenn der Bedienstete durch die Obrigkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingesetzt wurde 6 8 - mußte auch die Haftung für den anderen ausscheiden. Davon abgesehen wurde von den Befürwortern dieser Auffassung nicht erkannt oder zumindest nicht offen eingestanden, daß den nauta, caupo oder stabularius im Einzelfall kein Verschulden an dem schädigenden Verhalten des Delinquenten zu treffen brauchte. Die Grundlage der Einstandspflicht läßt sich daher am besten als unwiderlegliche Verschuldensvermutung charakterisieren. 69 ee) Actiones exercitoria und institoria In der Besprechung des römischen Rechts wurde auf die Bedeutung der sogenannten actiones exercitoria und institoria hingewiesen, die der Prätor gegen den nauta (exercitor) bzw. gegen Unternehmer wie den caupo oder stabularius gewährte. Die Klagen hatten zur Voraussetzung, daß ein Schiffskapitän oder leitender Angestellter (institor) dem Geschäftsbetrieb vorangestellt worden war, und dieser im Rahmen seiner Einsetzung (praepositio) Verbindlichkeiten gegenüber Dritten begründet hatte. 70 Obwohl dem römischen Recht ein allgemeines Institut der Stellvertretung unbekannt war, mußte der Schiffsreeder oder Unternehmer für die rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen einstehen. Darüber hinaus war in bestimmten Einzelfällen auch eine Haftung für Delikte anerkannt, die der Kapitän oder Geschäftslei67
Aanteekeningen, 3, 38, 9. Vgl. Van der Keessel, Praelectiones, 3, 38, 9. 69 Nach Vinnius war für die receptum-Haftung zumindest sehr leichtes Verschulden („culpa levissima") erforderlich, vgl. Institutiones, 3, 25, 5 und 2 (dazu siehe auch Zimmermann, Obligations, 525). Die Haftung aufgrund der actiones furti und damni in factum adversus nautas rechtfertigt Vinnius jedoch im Sinne einer unwiderleglichen Verschuldensvermutung, vgl. Institutiones, 4, 5, 3: „Ex quasi maleficio ideo esse dicitur, quia species culpa habetur, malorum hominum uti ministerio." 70 S. o., § 2 III 1 d. 68
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ter verübt hatte. In diesem Punkt ergab sich im römisch-holländischen Recht eine wichtige Erweiterung der actiones exercitoria und institoria und damit eine Ausdehnung der Haftung der nautae, caupones und stabularli: Der Unternehmer oder Reeder mußte für sämtliche unerlaubten Handlungen aufkommen, die der magister navis oder der institor in Ausführung der Aufgaben beging, zu denen er bestellt war (praepositus). 71 Der Sache nach handelte es sich um eine funktional begrenzte Haftung für Hilfspersonen, die freilich auf bestimmte Angestellte in leitender Position beschränkt war. Als solche scheint sie jedoch allgemein anerkannt gewesen zu sein. Beispielhaft schrieb Johannes Voet im Kontext der actio institoria: „Porro, ut institor contrahendo praeponentem obligat, ita et delinquendo in officio cui praepositus est." 7 2 b) Effusum
vel deiectum
Mit wenigen Änderungen ist die Haftung des Hausbewohners in das römisch-holländische Recht rezipiert worden, wenn Gegenstände oder Flüssigkeiten aus einem höheren Stockwerk auf die Straße geworfen oder gegossen wurden und Passanten als Folge Schäden erlitten. 73 Die Einstandspflicht umfaßte auch das Verhalten anderer Personen. 74 Wie im römischen Recht scheint dies für Familienangehörige bzw. Gäste des Hauses gegolten zu haben, nicht aber für Personen, die sich ohne Erlaubnis des Verantwortlichen in der Wohnung aufhielten. 75 Ebenfalls in Einklang mit den justinia-
71 Eine vergleichbare Regelung hatte sich zuvor schon einmal im Vulgarrecht ergeben, s. o., § 2 III 1 d. 72 Commentarius D. 14, 3, 4; zur actio exercitoria vgl. Commentarius, D. 14, 1, 7. Umstritten war, ob mehrere Reeder oder Unternehmer nur in Höhe ihres Anteils oder auf den vollen Schaden hafteten. Uneinigkeit herrschte auch darüber, ob sich der Reeder oder Unternehmer durch Abgabe seines Anteils an dem Schiff oder Geschäft von der Haftung befreien konnte. Dazu und zu weiteren Detailfragen vgl. Van Bynkershoek, Quaestiones iuris privati, 4, 23, (S. 709 ff.); Van der Keessel, Praelectiones, 3, 1, 31 und 32; Schorer, Aanteekeningen, 3, 31 und 32; Groenewegen, De legibus abrogatis, Inst. 4, 7, 2; D. 14, 3; Vinnius, Institutiones, 4, 7, 2; Van Leeuwen, Censura forensis I, 4, 3, 10; Grotius, Inleiding, 3, 1, 31 und 32. 73 Grotius, Inleiding, 3, 38, 3 und 4; Van der Keessel, Praelectiones, 3, 38, 3 und 4; Schorer, Aanteekeningen, 3, 38, 3; Voet, Commentarius, D. 9, 3; Vinnius, Institutiones, 4, 5; Van Leeuwen, Rooms-Hollands-Regt, 4, 39, 2; derselbe, Censura forensis I, 5, 30, 2; Groenewegen, De legibus abrogatis, D. 9, 3. 74 Vgl. beispielsweise Vinnius, Institutiones, 4, 5 („plerumque ob factum et culpam alterius tenetur"). 75 Van Leeuwen, Rooms-Hollands-Regt, 4, 39, 2 beschränkt die Haftung ausdrücklich auf Hausangehörige (, jemand van ons Huisgesin"); Vinnius, Institutiones, 4, 5 spricht von „domesticis." Deutlicher in diesem Sinne der deutsche Autor Stryk, Usus modernus pandectarum, 9, 3, § 1.
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nischen Quellen traf die Haftung nicht den Eigentümer, sondern den tatsächlichen Bewohner (habitator). 76 aa) Bedeutung ungeachtet gewandelter sozialer Umstände in den Niederlanden? Die ratio legis, die zum Erlaß der actio de effusis vel deiectis geführt hatte, war die Sicherheit auf öffentlichen Straßen. In der besonderen Wohnungssituation des alten Rom, wo viele Menschen auf engem Raum in zuweilen sehr hohen Häusern zusammenlebten, gab es ein besonderes Bedürfnis, die Allgemeinheit vor den Gefahren zu schützen, die aus dem Herauswerfen oder Ausgießen von Gegenständen und Flüssigkeiten resultieren konnten. 77 Von den römisch-holländischen Juristen wurde der soziale Hintergrund der prätorischen Regelung klar gesehen. So widmete Van der Linden den römischen Lebensverhältnissen in seinem Supplementum drei vollständige Absätze. 78 Hinsichtlich der Wohnungslage in den Niederlanden des 17. und 18. Jahrhundert finden sich demgegenüber keinerlei Ausführungen. Auch in den Schriften der anderen holländischen Juristen sucht man vergeblich nach entsprechenden Hinweisen. Die Frage scheint daher nahezuliegen, ob die Geltung des Tatbestandes angesichts veränderter gesellschaftlicher Verhältnisse weiterhin gerechtfertigt war. Von den meisten Autoren wurde die Anwendbarkeit jedoch nicht hinterfragt oder auch nur thematisiert. Lediglich Johannes Voet und Van der Linden begründeten die Übernahme der Haftung des Hausbewohners in das römisch-holländische Recht kurz mit dem Bedürfnis der allgemeinen Sicherheit auf öffentlichen Straßen. 79
bb) Eigenverschulden des habitator? Wie im römischen Recht qualifizierte man die Haftung des Hausbewohners als Quasidelikt bzw. als „misdaed deur wetduiding." Entsprechend trat die Haftung nach mehrheitlicher Auffassung unabhängig von einem persönlichen Fehlverhalten des Ersatzpflichtigen ein. 8 0 Die Verantwortlichkeit des habitator wurde allerdings wiederholt mit dem Gedanken gerechtfertigt, daß ihm die Sorge dafür oblag, das Herauswerfen von Gegenständen zu verhin76 Vgl. etwa Van Leeuwen, Censura forensis I, 5, 30, 2 („non competat adversus dominum ipsius aedificii aut cornaculi, sed adversus inhabitantem"). 77 S. o., § 2 III 2 a. 78 Vgl. D. 9, 3, 1. 79 Voet, Commentarius, D. 9, 3, 1; Van der Linden, Supplementum, D. 9, 3, 1. 80 Vgl. nur Grotius, Inleiding, 3, 38, 3; Van der Keessel, Praelectiones, 3, 38, 3 und 1; Schorer, Aanteekeningen, 3, 38, 3.
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dem. 8 1 Anders aber als im Kontext der actiones furti und damni in factum adversus nautas scheint dies zum Teil im Sinne echten Verschuldens verstanden worden zu sein und nicht als eine pauschale und deshalb unwiderlegliche Schuldvermutung. So erklärte Voet, daß die culpa des Ersatzpflichtigen nicht im Herauswerfen eines Gegenstandes liegt, sondern eher darin, daß er böswilligen oder nachlässigen Personen Zutritt in sein Haus oder seine Wohnung gewährt hat, obwohl er sie mit gutem Recht hätte vertreiben können. 82 Hinsichtlich der Schuldfrage gab es im römisch-holländischen Recht offenbar divergierende Auffassungen. In Anbetracht der römisch-rechtlichen Ausgangsregelungen ist dieser Zustand nicht überraschend. Wie oben ausführlich beschrieben, wurde in den Digesten in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen einerseits klargestellt, daß nach dem prätorischen Edikt den Hausbewohner keine Schuld an den Schäden von Passanten zu treffen brauchte, andererseits die Haftung damit begründet, daß die culpa auf seiner Seite ist. 8 3 Die gegensätzlichen Auffassungen im römisch-holländischen Recht sind daher unmittelbar auf die unklare Normierung im Corpus Iuris Civilis zurückzuführen. 84 cc) Veränderungen in den Rechtsfolgen Das Edikt de effusis vel deiectis enthielt umfangreiche Regelungen zu den Rechtsfolgen, wenn ein Passant durch Herauswerfen oder Ausgießen von Gegenständen und Flüssigkeiten Nachteile erlitten hatte. 85 In dieser 81 Deutlich in dieser Beziehung Vinnius, Institutiones, 4, 5: „Sed tarnen quoniam non creditur prospexisse et cavisse, quod prospicere et cavere debebat, ne quid a domesticis, quorum etiam culpam praestare debet ... dejiceretur, pecasse aliquid intellegitur." Ähnlich Van Leeuwen, Censura forensis I, 5, 30, 2. 82 Commentarius, D. 9, 3, 1: ,,[C]um culpa ipsius non in dejectione consistât, sed in eo potius, quod aut malignos, aut négligentes intra domus suae vel coenaculi septa receperit, quos jure suo repellere poterat."; siehe auch Van der Linden, Supplementum, D. 9, 3, 1. In Deutschland äußerte sich Lauterbach im Sinne einer culpa-Präsumption, vgl. Collegium theoretico-practicum, 9, 3, 4. Glück nahm demgegenüber eine verschuldensunabhängige Haftung an, vgl. Pandecten, 396. 83 Vgl. Ulp. D. 9, 3, 1, 4: „Haec in factum actio in eum datur, qui inhabitat, cum quid deiceretur vel effunderetur, non in dominum aedium: culpa enim penes eum est. nec adicitur culpae mentio vel infitiationis, ut in duplum detur actio, quamvis damni iniuriae utrumque exiget" (meine Hervorhebung). 84 Wie sich zeigte, ist die Sentenz „culpa enim penes eum est" vermutlich klassischen Ursprungs und wurde in einem objektiven Sinne verstanden. Die Unklarheiten ergeben sich daher nicht aus einer inhaltlichen Veränderung des klassischen Rechts, sondern aus der unglücklichen Zusammenstellung von Fragmenten unterschiedlicher Zusammenhänge ohne genauere Erläuterung der genauen Position Ulpians.
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Hinsicht ergaben sich im römisch-holländischen Recht zahlreiche Veränderungen. Im Todesfall war die Ersatzpflicht nicht auf einen bestimmten Betrag festgelegt, vielmehr konnten die Angehörigen des Verstorbenen Ersatz für den ihnen entgangenen Unterhalt verlangen, der nach dem hypothetischen künftigen Einkommen des Versorgers berechnet wurde. 86 Wer durch herunterfliegende Gegenstände oder Flüssigkeiten eine Körperverletzung erlitten hatte, konnte, im Einklang mit den justinianischen Regelungen, Heilungskosten und Verdienstausfall einklagen. Anders als im römischen Recht wurde ihm darüber hinaus ein immaterieller Schadensersatzanspruch wegen Narben, Entstellungen und physischen Schmerzen eingeräumt. 87 Im ius commune war Schmerzensgeld wegen Verunstaltungen zunächst nur Frauen gewährt worden, da sich Einbußen ihrer Schönheit aufgrund verminderter Heirats- und Versorgungsaussichten auch finanziell bemerkbar machen konnten. 88 Von den römisch-holländischen Juristen wurde die Einstandspflicht hinsichtlich körperlicher Deformationen auch auf Männer übertragen. 89 Das Ebenbild Gottes im Menschen bestünde nicht in der äußeren Erscheinung seines Körpers, sondern in der Gerechtigkeit und wahren Ehrwürdigkeit, so untermauerte Groenewegen seine Entscheidung mit einer theologischen Begründung. 90 Ähnlich, wie es für die actiones furti und damni in factum adversus nautas zu beobachten war, wurde schließlich der pönale Charakter des Anspruchs aufgehoben, so daß bei Sachbeschädigung anstelle der römischen Haftung in duplum nur einfacher Schadensersatz verlangt werden konnte. 91
85
S. o., § 2 III 2 b. Voet, Commentarius, D. 9, 3, 4; Vinnius, Institutiones, 4, 5; Paul Voet, Institutiones, 4, 5, 1, 2. 87 Vgl. allgemein Grotius, Inleiding, 3, 34, 2: „De smert ende ontciering van ,t lichaem, hoewel eighentlick niet en zijn vergoedelick, werden op geld geschat, soo wanneer sulcks versocht werd" (Schmerzen und körperliche Entstellungen, obwohl sie eigentlich nicht ersetzbar sind, werden in Geld geschätzt, sofern dies verlangt wird); ferner Groenewegen, De legibus abrogatis, D. 9, 3; Voet, Commentarius, 9, 2, 9; Vinnius, Institutiones, 4, 3, 13, 2. Siehe ferner Feenstra, Over de oorsprong van twee omstreden paragrafen uit de Inieidinge van Hugo de Groot (III, 33, 2 en III, 34, 2), 1958 Acta Juridica, 27ff.; Pauw, Aspects of the origin of the action for pain, suffering and disfigurement, TSAR 1977, 244ff.; zur deutschen Rechtsentwicklung vgl. Lauterbach, Collegium theoretico-practicum, 9, 2, 24; Glück, Pandecten, 388ff.; Windscheid/Kipp, Pandekten, § 455, 7; ferner Wieling, Interesse und Privatstrafe vom Mittelalter bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch, insbesondere 133 f., 147 f. 88 Vgl. Zimmermann, Effusum vel deiectum, 310. 89 Vgl. Groenewegen, De legibus abrogatis, D. 9, 3: ,,[N]ostris et Gallorum moribus propter injuriae atrocitatem in utroque sexu observatur." 90 De legibus abrogatis, D. 9, 3 und C. 9, 47, 17. 91 Vgl. Vinnius, Institutiones, 4, 5. 86
9 Wicke
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht dd) Positum vel suspensum
Als Teil des Edikts de effusis vel deiectis hatte der Prätor den Sonderfall geregelt, daß der Eigentümer oder Bewohner eines Hauses auf einem Wetterdach oder Vorbau oberhalb eines Ortes, über den gewöhnlich Menschen gehen, etwas aufgestellt oder aufgehängt hatte (positum vel suspensum), das jemandem Schaden zufügen konnte, wenn es herabfiel. 92 Die Anwendung dieses Sondertatbestandes war im römisch-holländischen Recht stark umstritten. Während die Haftung de posito vel suspenso zum Teil komplett abgelehnt wurde 93 , befürwortete die herrschende Meinung die Anwendung mit einer entscheidenden Modifikation, die jedoch den Kern der Regelung betraf. In dem einschlägigen Passus seiner Inleiding 9 4 schrieb Grotius, daß denjenigen eine besondere Verantwortlichkeit treffe, der über einem von Menschen bevölkerten Ort einen Gegenstand aufstellte oder -hängte, ,,'t welck vallende iemand heeft beschädigt": der herunterfiel und einem anderen Schaden zufügte. Die Haftung trat folglich nur dann ein, wenn es tatsächlich zur Schädigung eines Passanten gekommen war, die bloße Gefährdung war nicht ausreichend. Der römischen actio de posito vel suspenso wurde nach diesem Ansatz nicht nur das für sie typische Charakteristikum genommen, sondern darüber hinaus ihre praktische Relevanz: Denn der Fall, daß ein aufgestellter oder aufgehängter Gegenstand herunterfiel und Schäden verursachte, wurde schon von der actio de effusis vel deiectis erfaßt. 95 Es stellt sich die Frage, ob die Veränderung der Rechtslage das Ergebnis einer bewußten Rechtsfortbildung oder nicht vielmehr Produkt einer Fehlinterpretation der römischen Quellen war. In der Tat bezichtigte eine Reihe von niederländischen Autoren Grotius eines Mißverständnisses des justinianischen Rechts und sprach sich für eine Haftung auch bei Ausbleiben eines Schadens aus. 96 Ihnen trat jedoch Van der Keessel mit dem Hinweis entge92
S. o., § 2 III 2 g. Siehe Van Leeuwen, Censura forensis I, 5, 30, 1 („Sed nec illa [actio adversus eum qui ita quid positum habet] prius quam ceciderit, nec ulterius quam ad damnum datum competit hodie"); Groenewegen, De legibus abrogatis, D. 9, 3, 5, 6. Einige Autoren behandelten die römische actio de posito vel suspenso ohne die Anwendbarkeit im römisch-holländischen Recht zu problematisieren, vgl. etwa Vinnius, Institutiones, 4, 5; Paul Voet, Institutiones, 4, 5, 1, 3. 94 Vgl. 3, 38, 5. 95 Vgl. Ulp. D. 9, 3, 1,3 (s. o., § 2 III 2 e); ferner Johannes Voet, Commentarius, D. 9, 3, 6: „Quod si id, quod positum fuerat, ceciderit, actioni de dejectis et effusis utili contra inquilinum ... locus est." 96 Vgl. Rechtsgeleerde Observatien, 1, 98: „Alhier drukt de Groot zig min naauwkeurig uyt, dewyl het naar regten zeker is, dat de actio de periculose posito vel suspenso geen plaats heest, wanneer het uytstekende of hangende goed rees ge93
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gen, daß Grotius das römische Recht nicht in ursprünglicher Form, sondern in seiner zeitgenössischen Anwendung beschreiben wollte. 9 7 Auch Johannes Voet Schloß sich der Auffassung von Grotius an. Solange noch keine Schädigung erfolgt sei, könne die Klage als actio popularis nicht mehr anwendbar sein, da es nicht zu den Aufgaben von Privatleuten gehöre, Geldbußen einzutreiben. 98 Das Ziel der prätorischen actio de posito vel suspenso war der Schutz der Allgemeinheit vor den spezifischen Gefahren, die aus dem Aufstellen von Gegenständen auf einem Vorbau oder Wetterdach resultieren konnten. Derartige Aufgaben der Gefahrenabwehr aber wurden in den neuzeitlichen Staaten von der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen. 99 Beeinträchtigungen der allgemeinen Sicherheit wurden grundsätzlich durch die Obrigkeit mit Strafe geahndet. Die privatrechtliche Sanktionierung einer bloßen Verkehrsgefährdung paßte daher nicht mehr in das niederländische Rechtssystem des 17. und 18. Jahrhunderts. 100 c) Haftung der publicani Im römischen Recht gab es besondere Rechtsbehelfe für Diebstahl, Sachbeschädigung und Raub im Zusammenhang mit der Eintreibung von Steuern durch Steuerpächter (publicani). Von der Haftung war auch der Fall erfaßt, daß ein Angehöriger der familia des publicanus das Unrecht verwirklicht hatte. Der Begriff der familia bezeichnete zunächst die Hausangehörigen des Steuerpächters, wurde später aber funktional verstanden im Sinne derjenigen Personen, die bei der Einziehung der Abgaben behilflich waren. Man kann daher von einer Gehilfenhaftung im modernen Sinne
vallen is, maar alleenlyk wanneer het, by aldien het kwa te vallen, aan de voorbygaande zoude kunnen schade doen." 97 „Sed non animadverterunt Grotium id de industria fecisse, non ut ipsum lus Romanum hic enarraret, sed ut usum eius edicti hodiernum indicaret", vgl. Praelectiones, 3, 38, 5. 98 Observationes, 3, 38, 5: „Dicit hic Auetor prudenter, si positum aut suspensum cadendo nocuerit; ita subindicans actionem populärem de positis et suspensis, quae needum ceciderunt, nunc locum non habere quia privati ad poenas nunc non agunt, et ex sola suspensione needum quicquam alicui abest ex patrimonio; sed ne quid ponatur aut suspendatur, ad curam eorum, qui viis publicis praesunt, pertinet." Allgemein zur Auflösung der actiones populäres vgl. Groenewegen, De legibus abrogatis, D. 47, 23. 99 Für Deutschland vgl. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland I, 370 f. 100 Vgl. auch Glück, Pandecten, 411: „Hat Jemand etwas auf eine gefährliche Art aufgestellt oder ausgehängt, wo es leicht herunterfallen, und schaden kann; so findet heut zu Tage die actio in factum de posito vel suspenso nicht mehr Statt, sondern jeder kann es der Policen-Obrigkeit anzeigen, ohne daß es deshalb einer besonderen Klage bedarf."
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sprechen, die freilich auf eine spezielle Konstellation beschränkt war. Die Einführung der besonderen Verantwortlichkeit des publicanus durch den Prätor war eine Reaktion auf die Gefahren, die mit der privaten Steuereinziehung verbunden waren. Die Klagen waren pönal motiviert und gingen auf den zweifachen Betrag des erlittenen Schadens. 101 Die Steuerpacht war im Kontinentaleuropa des 17. und 18. Jahrhundert die vorherrschende Form, die großen Hauptsteuern einzubringen. Gegen einen pauschalen Betrag wurde Privatpersonen die Befugnis zur Einziehung bestimmter Abgaben verliehen, die sich ihrerseits, ausgestattet mit staatlicher Autorität, an der Bevölkerung schadlos zu halten suchten. 102 Dementsprechend waren sie in Stadt und Land verhaßt, und die Gründe, die zur Haftung der publicani unter dem prätorischen Edikt geführt hatten, erhielten neue Gültigkeit. Die Einstandspflicht des Steuerpächters für Delikte, die bei der Eintreibung von Steuern verübt wurden, findet sich daher auch in den Schriften der römisch-holländischen Autoren, freilich mit einigen Änderungen im Detail, die sich aus den Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse ergeben hatten. 103 Hervorzuheben ist wiederum die Aufhebung der pönalen Natur der Klagen, die nicht mehr auf Ersatz des doppelten Wertes des erlittenen Schadens gerichtet waren. 1 0 4 Von praktischer Bedeutung blieb die Haftung des publicanus für seine Leute aus diesem Grund nur dann, wenn man mit einem Teil des niederländischen Schrifttums die funktional begrenzte Gehilfenhaftung im allgemeinen ablehnte. 105
d) Zusammenfassung Die prätorischen Sondertatbestände, die eine Haftung für fremdes Handeln einschlossen, sind sämtlich in das römisch-holländische Recht übernommen worden. Einschneidende Veränderungen haben sich allgemein nur im Bereich der Rechtsfolgen ergeben. Die Erhöhung der Schadensersatzpflicht um ein Mehrfaches der Vermögenseinbußen, die im römischen Recht aufgrund der pönalen Natur der Klagen üblich war, wurde generell abgeschafft. Das niederländische Schadensrecht war primär auf den Ausgleich erlittener Nachteile gerichtet, Strafen wurden grundsätzlich nur von der Obrigkeit verhängt. Im Rahmen der actio de effusis vel deiectis konn101
S. o., § 2 III 3. Vgl. Stürmer, Hungriger Fiskus - Schwacher Staat, 175. Siehe auch die eingehenden Erörterungen durch Voet, Commentarius, D. 39, 4. 103 Vgl. Groenewegen, De legibus abrogatis, D. 39, 4; Voet, Commentarius, D. 39, 4, 19. 104 Allgemein zur Aufhebung der pönalen Natur der römischen Klagen vgl. Groenewegen, De legibus abrogatis, C. 9, 47. 105 Dazu s.u., § 3 II 3. 102
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ten anders als im römischen Recht auch immaterielle Schäden geltend gemacht werden. Auf die Darstellung feiner dogmatischer Differenzierungen wurde häufig verzichtet, soweit sie nicht von praktischer Relevanz waren. So wurde bei der Haftung des nauta, caupo oder stabularius der Unterschied zwischen dem receptum und den beiden quasideliktischen Klagen in einigen Schriften ignoriert. Eine bloße Verkehrsgefährdung, die von jedermann geltend gemacht werden kann, hatte ihren Platz im privatrechtlichen Haftungssystem verloren: Da Aufgaben der Gefahrabwehr in den Niederlanden der Neuzeit grundsätzlich von der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen wurden, setzte die actio de posito vel suspenso anders als im Corpus Juris Civilis nach herrschender Meinung den Eintritt eines Schadens voraus. Nachdem die Steuerpacht im Kontinentaleuropa des 17. und 18. Jahrhunderts wieder üblich geworden war, gab es ein neues Bedürfnis für die Gehilfenhaftung des publicanus. Ein weiterer Tatbestand funktional begrenzter Verantwortlichkeit für Hilfspersonen hatte sich durch Verallgemeinerung der römischen actiones exercitoria und institoria im Hinblick auf Schiffskapitäne und bestimmte leitende Unternehmensangestellte ergeben. Ihren systematischen Standort fand die Haftung für Hilfspersonen in der Kategorie der misdaed deur wetduiding. Darunter fielen neben den römischen Quasidelikten weitere Tatbestände, in denen der Ersatzpflichtige den Schaden zwar nicht persönlich herbeigeführt hatte, sich aber in einem rechtlichen Herrschaftsverhältnis zu einer anderen Person oder einer Sache befand, die für den Nachteil unmittelbar ursächlich geworden war. Obwohl der so erweiterte Systembegriff der Quasidelikte seiner Konzeption nach Fälle verschuldensunabhängiger Verantwortlichkeit umfaßte, wurde die Haftung des Ersatzpflichtigen wiederholt mit culpa-Erwägungen rationalisiert. Inhaltlich konnte damit durchaus unterschiedliches gemeint sein, eine pauschale und unwiderlegliche Verschuldensvermutung ebenso wie echte Schuld. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit ist jedoch unmittelbar auf die justinianische Kompilation zurückzuführen, in der verschuldensunabhängige Haftungstatbestände ohne größere Erläuterung der klassischen Positionen auf den Begriff der culpa gestützt wurden. 1 0 6
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Die Unklarheiten ergaben sich freilich nicht aus einer inhaltlichen Veränderung der klassischen Rechtslage, sondern aus einer unglücklichen Zusammensetzung verschiedener Fragmente unterschiedlicher Zusammenhänge, s. o., § 2 III 1 b bb sowie § 2 III 2 d.
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2. Niederländische Sonderbestimmungen Neben den prätorischen Bestimmungen fanden sich unter den römischholländischen Quasidelikten eine Reihe einheimischer Vorschriften, die mittelbar oder unmittelbar eine Einstandspflicht für fremdes Handeln begründen konnten und daher im folgenden kurz erwähnt werden sollen. Unter der Kategorie der misdaed deur wetduiding behandelte Grotius die Haftung des Hauseigentümers, wenn ein Feuer aus seinem Haus ausgebrochen war und auf das Nachbargrundstück übergegriffen hatte. 1 0 7 Die Verantwortlichkeit trat nach umstrittener Auffassung unabhängig von eigenem Verschulden e i n 1 0 8 und umfaßte daher auch die Konstellation, daß der Brand von einem Familienangehörigen oder Bediensteten des Hauseigentümers entzündet worden w a r . 1 0 9 Häufig diskutiert wurde unter den römisch-holländischen Juristen weiterhin der Fall, daß zwei Schiffe in einem Binnengewässer oder auf hoher See zusammenstießen. Die Schiffseigentümer mußten den Schaden je zur Hälfte tragen, wenn auf beiden Seiten kein Verschulden im Spiel war. Wenn aber ein Mitarbeiter der Mannschaft eines der Schiffe das Unglück verschuldet hatte, mußte dessen Eigentümer für den gesamten Schaden aufkommen. In diesem Rahmen war daher wiederum eine Haftung für fremde Schuld anerkannt. 110 Die Einstandspflicht der Schiffseigentümer beruhte auf „Plakaaten" Karls V. aus dem Jahre 1551 bzw. Philipps II. von 1563 und stand in engem Zusammenhang mit dem zeitgenössischen Seerecht. 1 1 1 Darüber hinaus gab es, wie sich den Erörterungen einiger Autoren entnehmen läßt, noch eine Reihe von Spezialtatbeständen, nach denen in bestimmten Situationen Lehrmeister für ihre Kinder, Lehrjungen und Bediensteten einstehen mußten. 112 Bei Voet und Van der Keessel findet sich als Beispiel die Verantwortlichkeit von Leinenbleichern für das Verhalten von Bediensteten im Widerspruch zu besonderen standesrechtlichen 107 Die Autoren der Rechtsgeleerde Observatien (2, 93) beriefen sich zur Herleitung der Haftung auf Keuren der Stadt Amsterdam vom 3. 9. 1616 und von Enkhuysen vom 30. 11. 1617. 108 Vgl. Grotius, Inleiding, 3, 38, 2; Rechtsgeleerde Observatien, 2, 93; a.A. beispielsweise Van der Keessel, Praelectiones, 3, 38, 2; Voet, Observationes, 3, 38, 2; Schorer, Aanteekeningen, 3, 38, 2. 109 Für Sachsen (wo offensichtlich ähnliche Grundsätze galten) in dieser Beziehung deutlich Carpzov, Respona iuris electoralia, 6, 10, 9: „Tenebitur ergo ad interesse et restitutionem damni is, cuius culpa incendium est exortum ... non solum modo si ipsius culpa propria; sed etiam si domesticorum, aut familiae suae negligentia factum fuerit incendium"; ferner Gaill, Practicae observationes, 2, 21. 110 Vgl. etwa Grotius, Inleiding, 3, 38, 16; Van der Keessel, Praelectiones, 3, 38, 16; Van Leeuwen, Rooms-Hollands-Regt, 4, 39, 7. 111 Van der Keessel, Praelectiones, 3, 38, 16. 112 Van der Keessel, Praelectiones, 3, 1, 34.
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Vorschriften. 113 Nach einem Plakaat von 1650 hafteten ferner Pächter von Dünen, wenn ihre Leute Gift auf den Dünen verstreuten oder die Hunde von Jägern, die zur Jagd in dem Gebiet berechtigt waren, erlegten. 114 Im Hinblick auf diese Fallgruppen entzündete sich eine dogmatische Diskussion, die im vorliegenden Zusammenhang von Interesse ist. Einig war man sich, daß die verschiedenen Sonderbestimmungen ihrem Wortlaut nach kein Eigenverschulden des Haftenden verlangten. Namentlich Hugo Grotius plädierte in einem verhältnismäßig unbedeutenden Werk jedoch dafür, ein ungeschriebenes culpa-Erfordernis in die Vorschriften hineinzulesen. Zur Begründung berief er sich einerseits auf das ius commune, andererseits auf die Vernunft: „Mos est in edictis magistratum poni, ut heri ex familiae facto teneantur, etiam nulla addita exceptione, quo major legi reverentia: sed et ratio et jus commune docent, edicta talia vim suam ita demum obtinere; si scientia aut lata culpa intervenerit." 115 Üblicherweise wird in den obrigkeitlichen Erlassen festgesetzt, daß die Herren aus dem Verhalten ihrer Familienangehörigen verpflichtet werden, ohne daß eine Ausnahmeregelung hinzugefügt wird, um die Anwendbarkeit des Gesetzes zu verstärken. Die Vernunft wie auch das gemeine Recht lehren indessen, daß solche Edikte ihre Wirksamkeit erst erlangen, wenn Wissen oder grobe Fahrlässigkeit nachweisbar ist. Während Grotius in der Inleiding die Quasidelikte noch als (naturrechtlich nicht geforderte) Schöpfungen des ius civile akzeptiert hatte, übte er in dem angeführten Auszug an den einheimischen Tatbeständen einer strikten Haftung für fremdes Handeln offene Kritik. Die Passage verdient vor allem deshalb besondere Hervorhebung, weil Grotius die Verschuldensfrage im Zusammenhang der Gehilfenproblematik allgemein und unter gleichzeitiger Berücksichtigung mehrerer Fallgruppen erörtert hat. Im Kontext des römischen Rechts war die Frage noch kasuistisch und uneinheitlich behandelt worden. In diesem Ansatz zeigt sich das naturrechtliche Element des Werkes von Hugo Grotius mit seiner abstrakt-systematischen Begrifflichkeit. Noch allgemeiner formulierte er in seiner wichtigsten Schrift, De jure belli ac pacis, daß der dominus, den selbst keine culpa trifft, für nichts einstehen müsse. 116 Damit fügte Grotius die Gehilfenhaftung in sein naturrechtliches Deliktskonzept 1,3
Voet, Commentarius, D. 9, 4, 10; Van der Keessel, Praelectiones, 3, 1, 34. Die Haftung ging auf ein Plakaat von 1610 zurück. 114 Schorer, Aanteekeningen, 3, 1, 34. 115 Apologeticus, Kapitel 19, Seite 336. Zur völkerrechtlichen Seite der Problematik vgl. De jure belli ac pacis, 2, 21. Siehe ferner Benöhr, Außervertragliche Schadensersatzpflicht ohne Verschulden?, SZ 93 (1976), 208, insbes. 209 ff. 116 De jure belli ac pacis, 2, 17, 21: „Nam dominus, qui in culpa non est, natura ad nihil tenetur."
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ein, für welches, wie sich gezeigt hat, Verschulden des Haftenden konstitutiv war. 1 1 7 Erst mit dieser Betrachtungsweise scheint die Entwicklung einer generellen culpa in eligendo Lehre ihren Anfang genommen zu haben, die sich von den Gegebenheiten konkreter Sachverhaltskonstellationen loslöste. Grotius hat mit seiner Auffassung ausdrückliche Zustimmung durch Van der Linden erfahren 118 , aber auch Widerspruch geerntet. 119 Van der Keessel kritisierte, daß die entsprechenden Bestimmungen allzu leicht umgangen werden könnten, wenn der Benachteiligte culpa oder scientia der Herrn oder Eltern des unmittelbaren Schädigers nachweisen müßte, und sprach sich daher für eine Verschuldensvermutung aus. 1 2 0 Für den Bereich der niederländischen Vorschriften zeigt sich daher eine moderne theoretische Diskussion über die Frage, ob den Haftenden persönliche Schuld an der Schadensverursachung durch den unmittelbaren Täter treffen muß.
3. Die Problematik der Gehilfenhaftung im allgemeinen Mit der Abschaffung der Sklaverei war nach einhelliger Auffassung der niederländischen Autoren auch die Noxalhaftung obsolet geworden. 121 Das römische Recht konnte folglich nicht unmittelbar als Vorlage für die Entwicklung einer generellen Gehilfenhaftung, über die soeben behandelten Spezialtatbestände hinaus, dienen. Im römisch-holländischen Recht entzündete sich daher eine facettenreiche Kontroverse zu der Frage, in welchem Umfang der Haus- oder Geschäftsherr im allgemeinen für das Verhalten von Personen einstehen mußte, die in seinem Interessenkreis tätig wurden. Aus den im einzelnen sehr unterschiedlichen Anschauungen lassen sich drei Hauptströmungen herauskristallisieren. Ein System, das von fast allen Autoren in bestimmtem Umfang anerkannt wurde, war die etwas eigentümliche, oben bereits erwähnte Lohnhaftung: Danach konnte der verletzte Dritte 117
S. o., § 3 II 1 a cc. us Vgl. v a n der Linden, Supplementum, D. 9, 4, 10: „Saepe tarnen accidit, ut provinciali quadam vel municipali lege caveatur, dominum ex famuli, patrem ex filii facto obligatum fore ... De harum autem legum interpretatione memoratu dignum est, quod scribit H. Grotius in Apolog. Cap. 19 pag. 336." Ebenso mit Beispielsfällen Rechtsgeleerde Observatien 1, 75. In Rechtsgeleerde Observatien 4 supplementum ad 75 werden aber selbst diese Fallgruppen im Sinne einer Lohnhaftung verstanden. 119 Van der Keessel, Praelectiones, 3, 1, 34. 120 „Cavendum tarnen puto, ne hanc limitationem sie aeeipiamus, quasi necesse haberet qui laesus est hanc scientiam vel latam culpam probare, quo posito leges istae facile eluderentur; ego malim leges sic intellegere, ut latam istam culpam saltern in parentibus praesumant, quorum certe est ita liberos educare, ut ab eiusmodi lascivia sibi temperent." 121 Vgl. beispielsweise Groenewegen, De legibus abrogatis, D. 9, 4; Voet, Commentarius, D. 9, 4, 10; Vinnius, Institutiones, 4, 8, 7.
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vom Dienstherrn die Vergütung verlangen, die dieser dem unmittelbaren Schädiger noch schuldig war. Demgegenüber lehnte eine Mindermeinung eine Einstandspflicht für Hilfspersonen grundsätzlich, oder doch zumindest in Ermangelung von persönlichem Verschulden des Verantwortlichen, ab. Eine beachtliche Gruppe unter den römisch-holländischen Autoritäten nahm über die Lohnhaftung hinaus eine unbegrenzte Verantwortlichkeit („in solidum") an, wenn der unmittelbare Delinquent in Ausübung seiner Arbeit tätig geworden war. Herkunft und Bedeutung der unterschiedlichen Ansätze sollen im folgenden untersucht werden. a) Lohnhaftung „Door der dienaers misdaed en werden de meesters ende vrouwen in 't ghemeen niet verbonden, dan zoo veel de onbetaelde huir mag bedrag e n " 1 2 2 , so formulierte Hugo Grotius in seiner Inleiding unter der Rubrik der misdaed deur wetduiding. Der Ansatz zeigt auf den ersten Blick starke Parallelen zur römischen Noxalhaftung. In beiden Fällen hatte der dominus das Eigentumsrecht an einer Sache: an dem Arbeitslohn des Bediensteten bzw. an dem Sklaven, der persona und res zugleich war. 1 2 3 In der einen wie der anderen Situation konnte er sich durch Übertragung seines Eigentums von der Verantwortlichkeit für den unmittelbaren Schädiger befreien. Es ist daher nicht überraschend, daß Chief Justice De Villiers die Lohnhaftung in einer südafrikanischen Entscheidung auf die Noxalklagen des römischen Rechts zurückgeführt hat. 1 2 4 Wenn Paul Voet kommentierte, daß etwas der Noxalhaftung ähnliches in den Niederlanden überlebt habe, kam er der Wahrheit freilich ein Stück näher. 125 Mittlerweile wird es nicht mehr bestritten, daß die Lohnhaftung germanischer Herkunft ist. Ihre Entstehungsgeschichte weist jedoch einige aus rechtsanthropologischer Sicht bemerkenswerte Gemeinsamkeit zu den Ursprüngen der römischen Entwicklung auf. Die Wurzeln der germanischen Haftung für andere liegen ebenfalls im Racherecht. Im Falle einer Missetat kam es in früher Zeit zum Kampf zwischen den Sippen des Täters und des Verletzten. 126 Der Konflikt konnte 122 (Durch das Unrecht ihrer Bediensteten werden Meister und Frauen im allgemeinen nicht gebunden, außer in der Höhe des unbezahlten Lohnes). Vgl. Inleiding, 3, 38, 8. 123 Käser, RPr 1, 285. 124 Mkize v. Martens, 1914 AD 382, 386f. 125 Vgl. Institutiones, 4, 8, 6, 3: „Aliquod tarnen remedium ei simile superesse videtur, quod dominus famulum delinquentem exhibere teneatur, vel damnum datum resarcire, ni malit ad mercedem servo a se debitam conveniri." 126 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte I, 47.
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allerdings durch den Abschluß eines Sühnevertrages beigelegt werden. Die Volksrechte enthielten umfangreiche Bußkataloge, die detailliert die Höhe der Sühneleistung festlegten, die im Einzelfall von dem Missetäter eingeklagt werden konnte. 1 2 7 Für das Unrecht des Gesindes war grundsätzlich der Herr verantwortlich, der selbst die Bußzahlung erbringen mußte. Ähnlich wie es bei den römischen Noxalklagen zu beobachten war, ist ihm frühzeitig gestattet worden, die Haftung durch Preisgabe des unmittelbaren Täters von sich abzuwälzen. 128 Je mehr jedoch der Statuscharakter des Verhältnisses zwischen Herrn und Bediensteten abnahm und sich ihre Beziehungen dafür zunehmend nach vertraglichen Abmachungen bestimmten, um so stärker bildete sich auch die Eigenhaftung des dominus für die Taten seiner Leute zurück. 1 2 9 Die Lohnhaftung ist Ausdruck dieser Entwicklung, indem sie die Verantwortlichkeit des Herrn auf die ausstehende Vergütung beschränkt. In dieser Form ist sie bereits im Sachsenspiegel überliefert: „Neman is pflichtich vor sinen knecht to antwordene vorbat den also sin Ion gheweret." 130 Die oben angeführte Äußerung von Hugo Grotius reflektiert diesen Rechtszustand. Es ließe sich argumentieren, daß die Lohnhaftung eine halbherzige Lösung der Gehilfenproblematik sei. Wenn der Herr nicht mehr aufgrund einer Statusbeziehung für sein Gesinde verantwortlich war, warum sollte seine Haftung für das fremde Tun dann nicht gänzlich entfallen? In diesem Sinne begründete Samuel Stryk in Deutschland sehr pointiert die Ablehnung der Verantwortlichkeit des dominus: „cum servi nostri sint liberi homines et hinc ipsi ex suis delictis, non autem Domini illorum conveniendi" 1 3 1 : weil unsere Bediensteten freie Menschen sind und sie infolgedessen selbst aus ihren Delikten haften müssen und nicht ihre Herrn. Andererseits könnte auch nach Auflösung der Statusverhältnisse das soziale Bedürfnis nach einer Haftung für Personen, die im Interesse eines anderen handeln, Fortbestand haben. Wenn Hilfspersonen indessen vermehrt auf der Grundlage (vertraglicher) Vereinbarungen für ihren Herrn tätig werden, könnte sich als Konsequenz eine Beschränkung der Verantwortlichkeit auf die Sphäre ergeben, die die Beteiligten durch ihre Abmachungen abgesteckt haben, mithin auf Delikte in Ausführung des Arbeitsverhältnisses. Nach welchen Kriterien sich diese Abgrenzung richten sollte, wäre unter Umständen eine nicht leicht zu beantwortende Frage, die sich aber im 127 Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, 89f.; Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte I, 226. 128 Brunner/Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte II, 723 f. 129 Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts III, 389 f. 130 Sachsenspiegel 2, 32. Siehe zum germanischen Recht auch Fritsch, Gehilfenhaftung, 17 ff. 131 Usus modernus pandectarum, 9, 4, § 2.
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einzelnen klären ließe, sofern nur erst die Idee der funktionalen Haftungsbegrenzung sich als solche Bahn gebrochen hätte. Bei Grotius findet sich die Unterscheidung zwischen Handlungen innerhalb und außerhalb des Arbeitsverhältnisses noch nicht. In den Werken späterer Autoren zeigen sich jedoch Versuche, durch interpretatorische Spitzfindigkeiten die Äußerungen Grotius' im Sinne der neuen Lehre nutzbar zu machen. Das oben angeführte Zitat, in dem Grotius die Lohnhaftung bestätigte, enthält eine kaum auffällige Beschränkung in dem Ausdruck „in 't ghemeenIm allgemeinen ist die Verantwortlichkeit auf die noch ausstehende Vergütung begrenzt. Voet 1 3 2 und Van Leeuwen 1 3 3 bezogen die Passage deshalb allein auf Handlungen des Gehilfen, die außerhalb seines Dienstverhältnisses vorgenommen worden sind. Für unrechtmäßiges Verhalten in Ausübung der übertragenen Tätigkeiten hafte der Herr demgegenüber unbeschränkt. Ihnen trat jedoch Van der Keessel mit dem Hinweis entgegen, daß mit der Anerkennung einer solchen allgemeinen Gehilfenhaftung die Existenz der zahlreichen Spezialtatbestände, wie die Haftung des nauta, caupo oder stabularius, unverständlich wäre. 1 3 4 Unter rechtstechnischen Gesichtspunkten ist diese Begründung einleuchtend. Sie wird auch am ehesten der Auffassung von Hugo Grotius gerecht: Aufgrund ihres systematischen Zusammenhangs, sowie aus einer anderen Passage der Inleiding läßt sich deutlich entnehmen, wie die einschränkende Äußerung „in 't ghemeen" gemeint war. Zu einer weitergehenden Haftung, über die geschuldete Vergütung hinaus, konnte es durch die Anwendung einer der anerkannten Sondervorschriften kommen: „Ouders en werden niet verbonden uit de daed haerder kinderen, nochte heeren ofte vrouwen van den huize uit de daed van hare dienaers, dan in zaken waer van zulcks by keuren uitdruckelik is belast." 1 3 5 132
Commentarius, D. 9, 4, 10; Observationes, 3, 38, 8. Censura forensis I, 2, 12, 3; Rooms-Hollands-Regt, 4, 39, 2. 134 Praelectiones, 3, 1, 34; vgl. auch Groenewegen, De legibus abrogatis, D. 15, 1. 135 (Eltern werden aus dem Handeln ihrer Kinder nicht verpflichtet und auch nicht Hausherrn oder Frauen aus dem Handeln ihrer Bediensteten, außer in solchen Angelegenheiten, für die ihnen eine solche Verpflichtung kraft örtlicher Rechtsvorschriften auferlegt wurde). Vgl. Inleiding, 3, 1, 34. Die beiden Passagen aus der Inleiding sind folglich im Zusammenhang zu lesen: Im allgemeinen haftet der Herr für die Delikte seiner Bediensteten in Höhe des ausstehenden Lohnes (3, 38, 8). Eine weitergehende Verantwortlichkeit kann sich jedoch ergeben, wenn dies im Einzelfall ausdrücklich festgesetzt wurde (3, 1, 34). In der oben erwähnten Passage aus dem Apologeticus plädiert Grotius schließlich dafür, daß auch in die speziellen einheimischen Fallgruppen ein Eigenverschulden des Herrn als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hineingelesen werden muß. Demgegenüber ist Barlow der Auffassung, daß Grotius in Inleiding 3, 1, 34 und 3, 38, 8 divergierende Regelungen unterschiedlicher holländischer Provinzen darstellen wollte, vgl. Vicarious Liability, 66 f. In den beiden Textstellen findet sich jedoch kein dahingehender Anhaltspunkt. Liest man sie im Zusammenhang, ergeben sie einen klaren Sinn, ohne daß man von ver133
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Nicht diskutiert wurde durch Van der Keessel jedoch die Frage, ob nicht möglicherweise aufgrund veränderter sozialer Gegebenheiten ein neues Haftungsprinzip notwendig geworden war, selbst auf die Gefahr hin, daß ältere Regelungen damit überflüssig würden. b) Keine Haftung des Herrn für Delikte seiner Bediensteten in Abwesenheit eigenen Verschuldens Auch im niederländischen Rechtskreis gab es Stimmen, die einer Haftung des dominus für seine Leute insgesamt skeptisch gegenüberstanden. Eine solche ablehnende Auffassung ließ sich, wie bereits angedeutet, dogmatisch durchaus konsequent vertreten. Mit der Auflösung statusgebundener Abhängigkeitsverhältnisse trat das freie Individuum im Rechtsverkehr in den Vordergrund, das grundsätzlich selbst für das eigene unrechtmäßige Tun einstehen mußte. Dieser Gedankengang wurde plastisch durch den Friesen Ulrich Huber in seinen Praelectiones zum Ausdruck gebracht: aa) Ulrich Huber „Pro famulis, quibus utimur, ingenuis, domini non tenentur, nullo jam potestatis vinculo, quod jure civili conciliât obligationem. Nec admitto exceptionem quam habet Groenewegius ... nomine famulorum, ait, hodie non tenemur: nisi quatenus eorum merces se extendit: actionem in dominos hodie dari ratione mercedis nullo modo dicendum est." 136 Für die Gehilfen, „derer wir uns heute bedienen" und die frei geboren sind, meint Huber, haften die Herrn nicht, denn es existiert kein Band der schiedenen, nebeneinander bestehenden Grundsätzen ausgehen müßte: Die Lohnhaftung wird in Inleiding 3, 1, 34 als Prinzip von genereller Anwendbarkeit vorausgesetzt. Vgl. in diesem Sinne auch Schorer, Aanteekeningen, 3, 1, 34; wie Barlow jedoch Kotzé, J.A., in Estate van der Byl v. Swanepoel 1927 AD, 141, 153. 136 Praelectiones, D. 15, 1, 4. Die Bedeutung Hubers für das moderne südafrikanische Recht ist nicht eindeutig geklärt, da er kein römisch-holländischer Jurist im engeren Sinne war. Richter van den Heever hat sich in einer Entscheidung ausdrücklich gegen die friesischen Autoren als unmittelbare Quelle des südafrikanischen Rechts ausgesprochen, vgl. Tjollo Ateljees (Eins.) Bpk v. Small 1949 (1) SA 856 (A), 865f.: „Since we observe the law of Holland we must exclude the Romanists of other countries as well as the pragmatists from neighbouring regions ... There is a special reason why we should ignore the Frisians. In Friesland the Roman law was received not merely in subsidio as ratio scripta but as a system which operated proprio vigore." In vielen Entscheidungen wird Huber jedoch zitiert, ohne daß seine Bedeutung für das südafrikanische Recht in Frage gestellt wird. Bezeichnenderweise hat auch van den Heever sich in anderen Entscheidungen auf südniederländische oder gar deutsche Autoren berufen ohne ihre bedingte Autorität zu thematisieren, vgl. zu allem Van Zyl, Romeins-Hollandse Reg, 490 ff.
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Herrschaft mehr, das nach ius civile die Obligation zustande bringen könne. Und, so fährt er fort, er räume auch nicht die Ausnahme ein, an der Groenewegen festhält, wenn er sagt, daß wir nicht im Namen unserer Bediensteten haften, außer, so weit sich ihr Lohn erstreckt. Daß es heutzutage eine Klage gegen den dominus in Höhe der Vergütung gebe, könne mitnichten gesagt werden. Mit der Aufhebung der Statusverhältnisse bestand nach Auffassung von Huber keine ausreichende Verbindung mehr zwischen den Beteiligten, die dem Herrn die Kontrolle über sein Gesinde verschaffen könnte, so daß die Haftung für fremdes Tun gerechtfertigt erschiene. Dies mußte zwangsläufig auch für die Verantwortlichkeit im Umfang des ausstehenden Lohnes gelten. Daß sich möglicherweise aufgrund der Vereinbarungen zwischen dominus und famulus eine entsprechende Einflußmöglichkeit ergeben könnte, wurde dabei nicht erwogen. Stillschweigend erkannte Huber die römischen Spezialtatbestände an, die eine Verantwortlichkeit für fremdes Handeln vorsahen. 137 Im übrigen kam eine Haftung des Herrn seiner Auffassung nach nur in Betracht, wenn das unrechtmäßige Verhalten des Bediensteten auf seinen Befehl zurückging, bzw. wenn er davon Kenntnis hatte und, obwohl er dazu in der Lage war, es nicht verhinderte. 138 Die Unterscheidung zwischen Handlungen innerhalb und außerhalb des Arbeitsverhältnisses war Huber nicht geläufig. bb) Johannes van der Linden Eine restriktive Haltung wurde in der Gehilfenhaftungsproblematik des weiteren von dem römisch-holländischen Juristen Johannes van der Linden eingenommen. Anders als Huber setzte er sich kritisch mit der Auffassung der Autoren auseinander, die eine unbeschränkte Haftung des Herrn für Delikte von Bediensteten in Ausführung ihrer Arbeit annahmen. Bei genauerem Hinsehen findet sich jedoch auch bei Van der Linden eine offenbar neue Form der Verantwortlichkeit für das Verhalten von Hilfspersonen: „Patremfamilias ex delicto famuli in expeditione negotii dominici commisso non obligari, convenit naturali rationi, quae delictum alienum innocenti, etsi is delicto illi, sine dolo tarnen vel culpa sua, occasionem dederit, non imputât." 139 Aus der natürlichen Vernunft ergebe sich, daß der pater familias aus dem Delikt eines Bediensteten, das in Ausübung einer ihm überantworteten 137 Vgl. zur Haftung des nauta, caupo, stabularius Praelectiones, D. 4, 9; zum Tatbestand des effusum vel deiectum siehe Praelectiones, D. 9, 3. 138 Praelectiones, D. 9, 4: „Hoc tarnen indictum, si domino sciente et non prohibente cum posset, servus deliquit, eum ad integram litis aestimationem, perinde ac si jussisset, obligari." 139 Supplementum, D. 9, 4, 10.
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Tätigkeit verübt wurde, nicht haftet, da ein fremdes Unrecht einem Unschuldigen nicht zugerechnet wird. Die Argumentation weist eine deutliche naturrechtliche Färbung auf. Wie bereits bemerkt, folgte Van der Linden der Argumentation von Hugo Grotius, daß Eigenverschulden des Verantwortlichen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal selbst in die besonderen niederländischen Bestimmungen hineinzulesen sei, die eine strikte Haftung für fremdes Handeln vorsahen. Ebenso wie Grotius legte er damit aufgrund einer abstrakt-systematischen Methode verschiedenen Sachverhaltslagen einen einheitlichen culpa-Begriff zugrunde. In dem angeführten Passus führte er diesen Ansatz nun weiter und bezog ihn auf die Gehilfenhaftung im allgemeinen. Dem pater familias wurde das Tun eines Bediensteten bei der Arbeit nicht zugerechnet, es sei denn, er hat durch dolus oder eigene culpa dazu Veranlassung gegeben („quae delictum alienum innocenti, etsi is delicto illi, sine dolo tarnen vel culpa sua, occasionem dederit, non imputât"). 1 4 0 In der Formulierung einer grundsätzlichen abstrakten culpa-Voraussetzung für die Gehilfenhaftung liegt eine beachtliche systematische Rechtsfortbildung gegenüber den einzelnen römischen Fallgruppen, die auf naturrechtlichen Einfluß zurückzuführen ist. Für Van der Linden war jedoch die Konstellation, daß der pater familias schuldhaft zu der Unrechtsbegehung Anlaß gegeben hat, ersichtlich eine Ausnahmesituation. Zusätzlich scheint er aber auch in diesem Sonderfall als einschränkende Haftungsbedingung verlangt zu haben, daß der famulus in Ausführung seiner Arbeit tätig geworden ist („in expeditione negotii dominici commisso"). Mit der Formulierung seiner Kritik an anderen Autoren wurde Van der Linden damit, gewollt oder ungewollt, im römisch-holländischen Recht zum einzigen Vertreter einer besonders gearteten Haftung für Hilfspersonen: Die Einstandspflicht hing seiner Auffassung nach davon ab, daß der Gehilfe im Rahmen seiner Aufgaben gehandelt hat und persönliche culpa oder dolus des Herrn mit im Spiel war. In der Sache ähnelt dieser Ansatz der modernen Vorschrift des § 831 BGB, die sich allerdings u.a. dadurch unterscheidet, daß Eigenverschulden des Geschäftsherrn vermutet wird. Unter diesem Gesichtspunkt verwundert es nicht, daß Van der Linden einen Teil der angeführten Passage aus einem 1742 erschienenen Werk des deutschen Autors Augustin von Leyser wörtlich übernommen hat. 1 4 1 140
Meine Hervorhebung. Vgl. Meditationes ad pandectas II, 113: „Dicemus saltern, nobis eorum sententiam meliorem videri, qui patremfamilias ex delicto famuli in expeditione negotii 141
dominici commisso non obligari dicunt. Convenit hoc primum naturali rationi, quae delictum alienum innocenti, etsi is delicto illi, sine dolo tarnen vel culpa sua, occa-
sionem dederit, non imputât " (meine Hervorhebung). In Deutschland scheint diese Position herrschende Meinung gewesen zu sein, vgl. Stryk, Usus modernus pandectarum, 9, 4, § 5: „Supersunt tarnen casus, in quibus ex facto servorum nostrorum obligatus dicitur dominus, quorsum principaliter refertur, si servus in officio sibi
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c) Unbeschränkte Gehilfenhaftung („in solidum") bei Delikten in Ausführung der Arbeitspflichten aa) Johannes Voet Eine Reihe römisch-holländischer Juristen vertrat einen weitergehenden Ansatz, der von nachhaltiger Ausstrahlungskraft war. Ihr wichtigster Vertreter, Johannes Voet, brachte den einschlägigen Grundsatz mit den folgenden, vielzitierten Worten zum Ausdruck: „Ac primo quidem admonendi sumus, dominos ac patres in solidum teneri ex delictis famulorum ac filiorum, etsi nulla aut longe minor merces famulo debita est, quoties illi deliquerunt in officio aut ministerio, cui a pâtre dominove fuerunt praepositi, cum his imputandum sit, quod negligentium aut malignorum operas ministerio certo aut officio addixerint." 142 Der dominus oder pater haftet in vollem Umfang aus den Delikten seiner Bediensteten und Söhne (auch wenn er keine oder eine bei weitem geringere Vergütung schuldig war), sofern jene im Rahmen der Pflichten oder der Geschäfte gehandelt haben, die ihnen übertragen worden sind. (1) Unwiderlegliche
Verschuldensvermutung
Voet begründete die Haftung damit, daß der Herr oder Vater sich zurechnen lassen müsse, die Arbeit nachlässiger und böswilliger Personen einer bestimmten Aufgabe „gewidmet" zu haben. Die Auswahl der Söhne oder Bediensteten zu der betreffenden Tätigkeit war der Anknüpfungspunkt für die Verantwortlichkeit. Ähnlich wie es bei der Haftung des nauta, caupo und des stabularius zu beobachten war, ist dies nicht als technische Schuld zu verstehen, sondern vielmehr im Sinne einer unwiderleglichen Verschuldensvermutung: Aufgrund der Überschaubarkeit des Verantwortungsbereichs wurde die Unrechtsbegehung des Gehilfen pauschal als Fehlleistung des dominus angesehen. Anders als in der modernen technisierten Arbeitswelt hatte sich noch kein allgemeines Bewußtsein dafür herausgebildet, daß auch bei einem zuverlässigen Angestellten angesichts menschlicher Unzulänglichkeiten im Einzelfall mit Ausfallerscheinungen gerechnet werden
commisso deliquerit: Dominus enim tali officio servum praeponendo, ad factum ejus se obligasse praesumitur ... adeo ut tali casu non tantum ratione mercedis residuae ... sed in solidum conveniri possit ... Verum hoc non aliter admittendum puto, quam si in eligendis famulis culpam commiserit dominus, hos negotiis suis adhibendo, quos scivit vel scire potuit, perditi ingenii homines esse"; ähnlich Glück, Pandecten, 418; im Sinne einer Verschuldensvermutung spricht sich Hoppius aus, siehe Institutiones, 4, 8, 5. 142 Commentarius, D. 9, 4, 10; vgl. auch Observationes, 3, 38, 8.
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muß und daher eine objektive Haftung des Herrn unter Umständen aufgrund rechtspolitischer Überlegungen gerechtfertigt sein könnte. (2) Drei Voraussetzungen Zerlegt man den Grundsatz in seine einzelnen Bestandteile, ergeben sich drei Voraussetzungen der Haftung: Zunächst war ein besonderes Rechtsverhältnis zwischen Haftendem und Delinquenten erforderlich, entweder eine „pater-filius-" oder eine „dominus-famulus-Beziehung." In beiden Fällen handelte es sich bei dem unmittelbaren Schadensverursacher um eine Person, die der Gewalt des Hausherrn unterlag. Die Beziehungen von Vater und Sohn beruhen auf einer besonderen Statusverbindung. Die Natur des Verhältnisses von Herrn und Bedienstetem wird nicht näher spezifiziert. Von einem förmlichen Vertrag, etwa in Form der römischen locatio conductio operarum, ist keine Rede. 1 4 3 Es ist davon auszugehen, daß der famulus auf der Grundlage bestimmter Vereinbarungen für seinen dominus tätig geworden ist. Der angeführte Passus liefert in dieser Hinsicht jedoch keinen sicheren Anhaltspunkt. Weiterhin war für die Haftung erforderlich, daß der Sohn oder Bedienstete ein Unrecht verübte, das einen Schaden zur Folge hatte. Die dritte Voraussetzung bringt schließlich eine bedeutsame Einschränkung der Einstandspflicht mit sich: Der Hausvater war nicht für jedes Delikt seiner Leute verantwortlich, sondern nur für Handlungen, die im Rahmen der Pflichten oder Geschäfte lagen, zu denen er sie bestellt hatte. Folglich war ein funktionaler Zusammenhang zwischen den Aufgaben des filius oder famulus und ihrem unrechtmäßigen Verhalten erforderlich. Das Verhältnis zwischen den Beteiligten allein vermochte die Haftung nicht zu begründen, vielmehr steckte die Bestellung zu einer bestimmten Tätigkeit den Rahmen der Verantwortlichkeit ab. (3) Entstehung eines neuen Grundsatzes Eine solche Differenzierung nach Handlungen innerhalb oder außerhalb bestimmter Pflichten war sowohl dem römischen, als auch dem germanischen Recht im allgemeinen fremd. Vielmehr haftete der Hausherr in beiden Systemen zunächst für sämtliche Unrechtstaten seines Gesindes und konnte sich nur dadurch von der Haftung befreien, daß er die Verbindung zu seinem Sklaven, Knecht oder Sohn vollständig aufgab. Auch für die Lohnhaftung war es irrelevant, unter welchen Umständen der famulus die 143
Vgl. jedoch Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald, 1931 AD 412, 433.
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Missetat verwirklicht hatte. Es stellt sich daher die Frage nach den Wurzeln dieses Haftungsprinzips. Johannes Voet selbst äußerte sich nicht zu der Herkunftsproblematik. Wichtige Anhaltspunkte ergeben sich jedoch aus den Verweisungen in seinem Commentarius, die einerseits zu anderen Autoren des ius commune, andererseits unmittelbar zu den Quellen des Corpus Iuris Civilis führen. Verfolgt man die Spuren in das gemeine Recht, stößt man auf regelrechte Verweisungsketten. So nimmt Johannes Voet beispielsweise Bezug auf seinen Vater, Paul Voet, der seinerseits auf Mornacius als Autorität für den Grundsatz verweist: ,,[C]enset teneri dominum famuli nomine, qui in officio, vel ministerio deliquit, cui ilium dominus praeposuerat." 144 Von Mornacius führt die Fährte weiter zurück zu Bartolus, der die generelle Gehilfenhaftung mit einem Hinweis auf die Quasidelikte unter der Rubrik der Steuerpächterhaftung behandelt: ,,[S]ed Veritas est ista, quando quis praeponit familiam ad officium, et ipsa deliquit circa officium sibi commissum, tunc tenetur." 145 Ferner fällt auf, daß manche Autoren, die Johannes Voet anführt, die funktional begrenzte Haftung für Hilfspersonen in einem spezielleren Zusammenhang vorformuliert haben, bevor sie sie in einem späteren Werk ausdehnten. 146 Aus den gemeinrechtlichen Verweisungen ergeben sich daher zwei wichtige Beobachtungen. Zum einen ist der Grundsatz tief in der Tradition des ius commune verankert. Er läßt sich zumindest bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Zum anderen scheint die Gehilfenhaftung in Ausführung von Arbeitspflichten ein Produkt der Verallgemeinerung von Spezialtatbeständen zu sein, sei es, daß ein Autor eine frühere konkrete Aussage später abstrahiert hat, sei es, daß das Prinzip in einem besonderen systematischen Zusammenhang in genereller Form zum Ausdruck gebracht wurde. In ihrer Argumentation nehmen die Autoren des gemeinen Rechts regelmäßig auch Bezug auf die justinianischen Quellen. Die Abhandlung von Johannes Voet ist dabei von besonderer Bedeutung, weil er sich um eine grundlegende und eigenständige Ableitung seiner Auffassung aus dem römischen Recht bemüht. Ein Blick auf seine Verweise ist aufschlußreich, da sie einen Eindruck von der Methodik der gemeinrechtlichen Rechtsschöpfung vermitteln. Unter den römischen Fragmenten, die Voet anführt, findet sich eine Reihe geläufiger Stellen: In D. 39, 4, 1, 1 wird die Haftung des Steuerpächters für die Delikte seiner familia behandelt, und D. 39, 4, 1, 5 spezifi144
Institutiones, 4, 8, 6. Commentarius, D. 39, 4, 1,5. 146 So handelte Carpzov in seinen Responsa iuris electoralia, 6, 57, 2 von 1642 lediglich von Brandschäden, bevor er die Haftung in den Definitiones forenses 4, 43, 7 von 1644 allgemein formulierte. Vgl. auch Gaill, Practicae observationes 2, 21 einerseits, sowie De Pignorationibus, 5, 4 und 5 andererseits. 145
10 Wicke
146
§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
ziert den Begriff der Familie im Hinblick auf die besondere Verantwortlichkeit des publicanus: Nicht der Status der handelnden Person ist entscheidend, sondern die Funktion, mit der jemand betraut war. In dieser Passage zeigte sich die unmittelbare Entwicklung einer Gehilfenhaftung aus der römischen Noxalhaftung heraus. 147 Das Fragment D. 9, 2, 27, 9 handelt von dem oben besprochenen Fall eines Hausbrandes, nachdem der Ofenheizersklave an der Feuerstelle eingeschlafen war. Es findet darin der Gedanke deutlichen Ausdruck, daß der dominus aufgrund der Auswahl des Sklaven im Hinblick auf die konkrete Aufgabe einen eigenen Beitrag zu dem Schadensereignis geleistet hat. 1 4 8 In zwei der angeführten Quellen geht es ferner um die quasideliktische Haftung des nauta, caupo oder stabularius für die Delikte ihrer Angestellten. Besondere Hervorhebung verdient dabei D. 4, 9, 7, wo die Haftung des Reeders für seine Leute - Freie wie auch Sklaven damit gerechtfertigt wird, daß er sie auf eigene Gefahr hin angestellt hat. 1 4 9 Von den prätorischen Sondertatbeständen, die eine Verantwortlichkeit für fremde Schuld vorsahen, läßt Voet lediglich die actio de effusis vel deiectis außer Acht, die freilich ihrer Zweckbestimmung nach nicht primär auf Gehilfenhandeln abzielte. Ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt ergibt sich aus der Formulierung des Haftungsprinzips durch Voet. Der dominus oder pater ist verantwortlich für Delikte seiner Angestellten in Ausführung eines Geschäftes, „cui a pâtre dominove fuerunt praepositi", zu welchem sie bestellt worden sind. Um den funktionalen Zusammenhang zwischen den Pflichten des Gehilfen und der Unrechtsbegehung zum Ausdruck zu bringen, bedient Voet sich einer Formulierung, die im römischen Recht aus einem vertraglichen Kontext stammte: Der Schiffskapitän oder Unternehmensangestellte hat in Wahrnehmung der Aufgaben, zu denen er bestellt war (praepositus), rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten des Reeders oder Geschäftseigentümers begründet. Voet hat, wie oben dargelegt, diese Haftung generell auf Delikte des magister navis oder institor ausgedehnt. In der angeführten Passage geht er nun einen Schritt weiter und überträgt die Idee der funktionalen Haftungsbegrenzung, ausgedrückt durch das Verb praeponere, allgemein aus dem vertraglichen Kontext der actiones exercitoria und institoria heraus, in den neuen Zusammenhang der allgemeinen Gehilfenhaftung hinein. 1 5 0 147
S. o., § 2 III 3 a. „Si fornicarius servus coloni ad fornacem obdormisset et villa fuerit exusta, Neratius scribit ex locato conventum praestare debere, si neglegens in eligendis ministeriis fuit .. 149 ,,[N]ec immerito factum eorum praestat, cum ipse eos suo periculo adhibuerit." 150 Vgl. zu diesem Aspekt Johnston, Limiting Liability, 70 Chicago Kent Law Review (1995), 1515, 1534: „In short, the notion of the praepositio, developed in a 148
II. Die Grundsätze der Haftung für Hilfspersonen
147
Das römische Recht war gleichsam der reichhaltige Steinbruch an Rechtsgedankenmaterial, dem sich genügend unterschiedliche Substanz entnehmen ließ, um die Gehilfenhaftung für eine spätere Epoche zu formulieren. Der Begriff des Gehilfen als einer Person, die mit bestimmten Aufgaben betraut ist, hatte sich im Rahmen der Steuerpächterhaftung aus dem Terminus der familia heraus entwickelt. Der Sache nach war damit bereits die Verbindung zwischen dem unrechtmäßigen Verhalten und der Verrichtung einer konkreten Tätigkeit hergestellt. Die richtige Formulierung zur Bezeichnung dieses funktionalen Zusammenhangs ließ sich den vertraglichen actiones exercitoria und institoria entnehmen: Der Bedienstete mußte zu bestimmten Pflichten bestellt worden sein, praepositus. Ferner lieferten die justinianischen Quellen auch die Rechtfertigung für die Verantwortlichkeit: Immerhin hat der dominus auf der Grundlage einer eigenverantwortlichen Auswahl den Gehilfen zur Erfüllung seiner Zwecke auf eigene Gefahr hin angestellt. Veranschaulichen ließ sich die Haftung schließlich anhand der Klagen gegen den nauta, caupo und stabularius wie auch durch andere konkrete Einzelfallentscheidungen. Dabei ist die Neuschöpfung dieser Gehilfenhaftung nicht das „Einmannwerk" eines einzelnen findigen Schriftstellers, sondern Produkt einer Rechtswissenschaft, die über mehrere Jahrhunderte hinweg einen fruchtbaren Diskurs führte. 151 Möglicherweise war der Grundsatz in der Theorie schon längere Zeit ausgebildet, bevor er allgemein in die praktische Rechtsanwendung umgesetzt wurde.
bb) Weitere römisch-holländische Befürworter der Haftung „in solidum" Unter den römisch-holländischen Autoren war Johannes Voet nicht der einzige Befürworter einer funktionalen, wertmäßig unbegrenzten Verantwortlichkeit für Hilfspersonen. Wie bereits erwähnt, findet sich der Grundsatz auch bei seinem Vater, Paul Voet. Auf der gleichen Linie liegt ferner Willem Schorer, der die Haftung, dem Ansatz von Johannes Voet ähnlich, aufgrund einer unwiderleglichen Verschuldensvermutung rationalisierte. 152 Als vierter Verfechter dieses Rechtsprinzips ist Simon van Leeuwen zu erwähnen. In seinem Werk Rooms-Hollands-Regt führte er die Gehilfenhaftung im Rahmen seiner Erörterung der actio de effusis vel deiectis (unter der Rubrik der Quasidelikte) auf. Daran ist bemerkenswert, daß die Verantwortlichkeit des Hausbewohners der einzige prätorische Sondertatbestand einer Haftung für fremdes Handeln war, den Johannes Voet in diesem Kontext nicht erwähnt hatte. Van Leeuwen sah die Einstandspflicht des habitanarrow context by the Roman jurists, had the capacity for a remarkable future in areas that they would never have thought to apply in." 151 Vgl. auch Wicke, Kontinuität durch Generalisierung, 165 ff. 152 Aanteekeningen, 3, 1, 34. 10-
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
tor als einen Anwendungsfall der allgemeinen Haftung für das „Hausgesinde" an, wie sich aus der folgenden Passage ergibt: „Door het doen van een ander werden wy verbonden, te vergoeden de schade die jemand aan sijn Lighaam, in sijn klederen of anders komt te lijden door het gene by jemand van ons Huisgesin, uit ons Huis werd uitgeworpen, of uitgegoten ... Om dat een yder voor het doen van sijn Huisgesin en die gene di hy in sijn dienst gebruik moet in staan, en het geen by haar in sijn dienst begaan werd." 15 Zu den Gegnern der funktionalen Gehilfenhaftung in solidum wird üblicherweise Van der Keessel gerechnet. 154 In Wirklichkeit war seine Position jedoch differenzierter als gemeinhin angenommen wird und bedarf daher einer kurzen Erörterung. Neben den römischen und niederländischen Sondertatbeständen erkannte Van der Keessel die oben behandelte Lohnhaftung an. Gerade umgekehrt als dies bei Johannes Voet und Simon van Leeuwen zu beobachten war, beschränkte er die Verantwortlichkeit in Höhe der ausstehenden Vergütung jedoch auf Handlungen innerhalb des Arbeitsverhältnisses. 155 Darüber hinaus haftete seiner Auffassung nach der Hausherr grundsätzlich auch, soweit er durch das Unrecht des Bediensteten bereichert wurde. 1 5 6 Eine unbeschränkte Einstandspflicht nahm Van der Keessel schließlich für das Verhalten von geschulten Arbeitern bzw. Handwerkern an, die er als Substitute des Dienstherrn ansah, für deren culpa dieser einschränkungslos einstehen mußte. 1 5 7
cc) Die Position Pothiers Als einziger Autor, der nicht der niederländischen Schule angehört, verdient der Franzose Robert-Josèphe Pothier im vorliegenden Zusammenhang Aufmerksamkeit, auf den die oben erwähnte Regelung in Artikel 1384 Abs. 5 Code Civil zurückgeht. 158 Pothier übte nachhaltigen Einfluß auf das römisch-holländische Recht aus. 1 5 9 In bemerkenswerter Weise kam seine Wertschätzung etwa darin zum Ausdruck, daß zahlreiche seiner Werke 153 ( W i r werden durch das Handeln eines anderen verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, den jemand an Leib, Kleidern oder an anderer Stelle erlitten hat durch etwas, das jemand von unserem Gesinde aus dem Haus geworfen oder gegossen hat ... Weil jeder einstehen muß für das Handeln seiner Hausangehörigen und derjenigen Personen, die in seinem Dienst stehen, und dabei für dasjenige, was im Dienst verübt wurde). Vgl. Rooms-Hollands-Regt, 4, 39, 2. 154 De Villiers C.J., in: Mkize v. Martens, 1914 AD 382, 387; Barlow, Vicarious Liability, 69f.; Jordaan, Employment Relations, 398. 155 Praelectiones, 3, 38, 8: „Quod ipsum tarnen puto restringendum esse ad ea delicta, quae famulus in ministerio comittit." 156 Vgl. Theses Selectae, 477. 157 Praelectiones, 3, 1, 34; Theses Selectae, 477. 158 S. o., § 1 II.
II. Die Grundsätze der Haftung für Hilfspersonen
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durch Johannes van der Linden ins Niederländische übersetzt wurden. 1 6 0 Auch in der südafrikanischen Rechtsprechung ist Pothier an verschiedenen Stellen in Erscheinung getreten. Zwar gelten seine Werke nicht als unmittelbare Rechtsquelle. Seine Rechtsäußerungen sind jedoch dann von besonderem Gewicht, wenn die niederländischen Autoren schweigen oder sich in einem Konflikt befinden. 161 Da in der Gehilfenhaftungsproblematik keine Einigkeit im römisch-holländischen Recht herrschte, hat die Position Pothiers in diesem Kontext Bedeutung gewonnen. 162 In seinem Traité des obligations sprach er sich für eine funktionale Gehilfenhaftung in solidum aus. Anders aber als Johannes Voet hat er sich bemüht, den Begriff des Delinquenten, der die Einstandspflicht begründen kann, näher zu präzisieren: „Ce n'est pas seulement en contractant que les préposés obligent leurs commettants. Quiconque a commis quelqu'un à quelque fonction est responsable des délits et quasi-délits que son préposé a commis dans l'exercice des fonctions auxquelles il étoit préposé." 163 Nicht nur durch den Abschluß von Verträgen binden préposés ihren commettant. Jeder, der einen anderen zu einer bestimmten Funktion bestellt, ist verantwortlich für die Delikte und Quasidelikte, die jener in Ausübung der Funktionen, zu denen er bestellt war, verübt hat. Der préposé ist derjenige, der gleichsam einer Tätigkeit vorangestellt wurde. Zwar ist der Ausdruck weit gefaßt und scheint daher konkretisierungsbedürftig. Im Gegensatz zu dem Begriffspaar dominus und famulus ist der Terminus nicht auf die Arbeitswelt einer bestimmten Epoche festgelegt. Indem der Akzent neutral auf die Verrichtung von Funktionen gelegt wird, ist das Konzept des préposé vorwärtsgewandt und im Hinblick auf veränderte gesellschaftliche Situationen anpassungsfähig. 164 Inspiriert wurde Pothier durch den Gedan159
Vgl. i.e. Zimmermann, Der Einfluß Pothiers auf das römisch-holländische Recht in Südafrika, SZ Germ Abt 115 (1985), 168. 160 Van Zyl, Romeins-Hollandse Reg, 222 f. 161 Ausdrücklich zu Pothier vgl. Van Heever in Gerber v. Wolson 1955 (1) SA 158 (A) 170f.: ,,[H]e is of course a great authority on the Civil law, but his authority is merely suasive, his works having weight only as ratio scripta. As an interpreter of the Roman law, our law in subsidio, on questions on which the Dutch jurists are silent, his opinions naturally carry much weight. On questions in regard to which the Dutch commentators are in irreconcilable conflict and a Court is bound to apply one or the other of the conflicting doctrines, his authority may be considerable. But it cannot prevail against the opinions of the accepted Dutch authorities." 162 Vgl. etwa Lewis v. The Salisbury Gold Mining Co 1 OR 1, 3; April v. Pretoria 1906 TS 824, 826; Mkize v. Martens, 1914 AD, 382, 390, 400; Estate van der Byl v. Swanepoel, 141, 147, 151. 163 Traité des obligations, 453. Siehe aber auch Traité des obligations, 456. 164 Zum Begriff des préposé in Artikel 1384 Abs. 5 Code Civil vgl. Zweigert/ Kötz, Rechtsvergleichung, 639 ff.
150
§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
ken der praepositio aus dem Kontext der römischen actio institoria, auf die er ausdrücklich verweist. 165 Zur Illustration führte Pothier das Beispiel eines Steuerpächters a n . 1 6 6 d) Zur Anwendbarkeit
des Grundsatzes „communis error facit
ius t(
In einer Pionierarbeit hat T. B. Barlow sich im Jahre 1939 zum ersten Mal umfassend mit der Problematik der vicarious liability im südafrikanischen Recht auseinandergesetzt. Am Ende seines Kapitels zur Rechtslage in den Niederlanden des 17. und 18. Jahrhunderts wendet er sich der Frage zu, wie das römisch-holländische Recht insgesamt richtig auszulegen sei. 1 6 7 Barlow kommt zu dem Ergebnis, daß die unbeschränkte Gehilfenhaftung in solidum, also die Position von Paul Voet, Simon van Leeuwen, Johannes Voet und Willem Schorer, geltendes Recht gewesen sei. Er begründet seinen Ansatz mit der Maxime „communis error facit ius": Ein gemeinschaftlicher Irrtum schafft neues Recht. In seiner Argumentation läßt sich Barlow von zwei Überlegungen leiten. Zum einen geht er davon aus, daß die Entwicklung der Verantwortlichkeit für Hilfspersonen durch die genannten Autoren das Ergebnis einer fehlerhaften Auslegung des römischen Rechts sei. Die römisch-holländischen Juristen wären - anders als die Romanistik des frühen 20. Jahrhunderts nicht in der Lage gewesen, die nachklassischen Interpolationen zu entlarven und damit das römische Recht in seiner ursprünglichen Form zu erkennen: ,,[T]hey lacked the power which modern research has given us of being able to draw a distinction between the true classical law and that law presented by the interpolators." 168 . Zum anderen behauptet Barlow, daß der Irrtum allgemein üblich und so weit verbreitet war, daß er zur Quelle neuen Rechts wurde: 165 In dem Fragment, auf das sich Pothier bezieht, geht es um den Sklaven eines Begräbnisunternehmers, der den Leichnam, den er für die Beerdigung vorbereiten sollte, gestohlen hat. Der Unternehmer haftet neben der actio furti und der actio iniuriarum aufgrund einer actio quasi institoria, vgl. Ulp. D. 14, 3, 5, 8. Interessanter Weise diskutiert De Villiers, C.J., in Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald, 1931 AD 412, 429 diesen Fall unter Verweis auf D. 14, 3, 5, 8 als frühes Beispiel verschuldensunabhängiger Haftung für andere. Zu Ulpian D. 14, 3, 5, 8 siehe auch Johnston, Limiting Liability, 70 Chicago Kent Law Review (1995), 1515, 1529f.; Benke, Actio ad exemplum institoriae actionis, SZ 105 (1988) 592, 604 ff. m.w.N. 166 Anders als Voet trifft Pothier in der Haftung eine Unterscheidung zwischen Dienern und Söhnen. Lediglich im Hinblick auf Angestellte trifft den Hausherrn eine strikte Einstandspflicht, die Verantwortlichkeit des Vaters ist grundsätzlich von persönlichem Verschulden abhängig, vgl. Traité des obligations, 454 und 456. 167 Vicarious Liability, 8Iff. 168 Vicarious Liability, 75.
II. Die Grundsätze der Haftung für Hilfspersonen
151
,,[W]e must ask ourselves what use have the Roman-Dutch writers made of the earlier text, and we can only conclude from the number of authorities adopting the rule of liability in solidum, that these writers by their very numerical strength have laid down the principle of liability in solidum as the rule of the RomanDutch law. 4 ' 169 Es stellt sich daher zunächst die Frage, ob die funktionale Gehilfenhaftung in solidum das Ergebnis eines Mißverständnisses oder nicht möglicherweise das Produkt einer bewußten Rechtsfortbildung war. Die Untersuchung der Position von Johannes Voet hat beispielhaft gezeigt, daß die römisch-holländischen Juristen die einzelnen römischen Fallgruppen, die eine Haftung für andere vorsahen, klar erkannten und deutlich voneinander abgrenzten. Die Entwicklung der Verantwortlichkeit für Hilfspersonen erfolgte unter Verweis auf die Meinungen anderer Autoritäten des ius commune. Man wußte daher, daß es sich nicht um die unmittelbare Übernahme eines römischen Grundsatzes handelte, sondern daß aus den justinianischen Quellen, die deutlich erkannt wurden, ein neues Rechtsprinzip abstrahiert wurde. Im übrigen waren die römisch-holländischen Autoren durchaus in der Lage, das klassische Recht von späteren Manipulationen zu unterscheiden. Wie oben dargelegt löste die niederländische Schule entwicklungsgeschichtlich den sogenannten mos Gallicus ab, der den Beginn der Interpolationsforschung markiert. Bereits die französischen Juristen des 15. und 16. Jahrhunderts hatten damit begonnen, die klassischen Schriften aus den nachklassischen Texten herauszulesen. Gleichzeitig wurde das römische Recht in seinem universalen Geltungsanspruch erschüttert, da sein Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Verhältnissen im antiken Rom erkannt wurde. 1 7 0 Das Corpus Iuris Civilis wurde nicht mehr als ratio scripta, als Verkünder einer unverbrüchlichen Wahrheit angesehen, dem man in jeder Hinsicht Folge leisten mußte, sondern vielmehr als Quelle rationaler und gerechter Lösungen zahlreicher zeitloser Rechtsfragen. Wo sich Veränderungen der sozialen Wirklichkeit ergeben hatten, konnte das römische Recht ohne weiteres über den eng gefaßten Buchstaben hinaus fortgebildet oder sogar außer Acht gelassen werden. Das römisch-holländische Recht hat seine epochale Bedeutung dadurch erlangt, daß seine Autoren die Erkenntnisse des französischen Humanismus mit den Bedürfnissen der praktischen Rechtsanwendung verbunden haben. 171 Vor diesem Hintergrund ist die zunehmende Befürwortung der funktionalen Gehilfenhaftung durch die niederländischen Juristen zu sehen: Sie waren sich bewußt, daß das 169
Vicarious Liability, 82. Stein, Römisches Recht und Europa, 125 ff. 171 S. o., § 3 I 1. Es finden sich zahlreiche Beispiele textkritischer Ansätze in den niederländischen Schriften. Fälle, die die vorliegende Thematik streifen, sind im Rahmen der actio de posito vel suspenso anzutreffen, vgl. Voet, Commentarius, D. 9, 3, 6; Van der Linden, Supplementum, D. 9, 3, 6. 170
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
römische Recht nicht in jeder Hinsicht bindend war, daß sich ihm jedoch zahlreiche Rechtsgedanken entnehmen ließen, die trotz gewandelter gesellschaftlicher Umstände für die Rechtspraxis nutzbar gemacht werden konnten. 1 7 2 Barlow folgte in seiner Darstellung des römischen Rechts der herrschenden Auffassung seiner Zeit, die in ihren Interpolationshypothesen nach heutiger Vorstellung sehr weit ging. 1 7 3 Von umfangreichen textkritischen Annahmen geleitet hat Barlow die Kenntnisse und Fähigkeiten der römisch-holländischen Jurisprudenz offensichtlich unterschätzt. Aber selbst wenn man (irrtümlich) von einer Fehlinterpretation der Quellen ausginge, so wäre die zweite Überlegung Barlows unzutreffend, daß die Vertreter der funktionalen Gehilfenhaftung wegen ihrer großen Anzahl auf der Grundlage eines gemeinschaftlichen Irrtums neues Recht geschaffen hätten. Van Leeuwen, Schorer, Paul und Johannes Voet stand eine ganze Reihe anderer bedeutender Autoren des römisch-holländischen Rechts gegenüber, die ihre Auffassung nicht teilten: Unter ihnen finden sich Namen wie Grotius, Groenewegen, Van der Keessel und Van der Linden. Schon 1914 hatte Chief Justice De Villiers, wie eingangs der Darstellung erwähnt wurde 1 7 4 , von einem „hoffnungslosen Konflikt" unter den niederländischen Juristen gesprochen. Die Annahme eines error communis wäre in Anbetracht dessen verfehlt. Aus den genannten Gründen verdient die Interpretation des römisch-holländischen Rechts durch Barlow keine Zustimmung.
I I I . Zusammenfassung Das römisch-holländische Recht kannte zahlreiche Fallgruppen einer Verantwortlichkeit für fremdes Handeln. Aus dem römischen Recht waren die besonderen prätorischen Tatbestände, die als Reaktion auf konkrete rechtspolitische Bedürfnisse eine Haftung für andere begründeten, mit geringen Modifikationen übernommen worden. Der nauta, caupo oder stabularius war für Diebstahl und Sachbeschädigung durch seine Leute verantwortlich; der Hausbewohner haftete, wenn aus dem Haus beförderte Gegenstände oder Flüssigkeiten Passanten verletzten (wenn von ihm auf einem Vorbau 172 Im Ergebnis wie hier Johnston, Limiting Liability, 70 Chicago Kent Law Review (1995), 1515, 1532: ,,[T]he fact that both Pothier and Voet argue for the same type of limitation of vicarious liability in delict strongly suggests a deliberate manipulation of the Roman sources to achieve ends thought to be socially and legally desirable." 173 In seiner Interpretation der römischen Quellen verweist Barlow wiederholt auf den Aufsatz von Fritz Schulz, Haftung für Verschulden der Angestellten, GrünhZ 38 (1911), 9 ff., dessen Ansatz heute überwiegend kritisiert wird, vgl. dazu oben § 2 sowie Knütel, Hilfspersonen, SZ 100 (1983), 340, insbes. 355 ff. 174 S. o., § 3 II.
III. Zusammenfassung
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piazierte Sachen herabfielen, mußte er anders als im römischen Recht nur dann einstehen, wenn es tatsächlich zu einem Schaden gekommen war); ein Steuerpächter wurde durch Delikte seiner Gehilfen im Rahmen der Einziehung von Abgaben zum Ersatz verpflichtet. Veränderungen ergaben sich hauptsächlich im Bereich der Rechtsfolgen. Die pönal motivierte Multiplikation der Kompensationspflicht um ein mehrfaches der Vermögenseinbußen war generell obsolet geworden, da das niederländische Schadensrecht primär auf den Ausgleich erlittener Nachteile gerichtet war und Strafen wegen Beeinträchtigungen des öffentlichen Interesses im allgemeinen von der Obrigkeit verhängt wurden. In ihrer Darstellung der römischen Fallgruppen übergingen die niederländischen Juristen teilweise dogmatische Feinheiten, wenn sie sich im praktischen Ergebnis nicht auswirkten. Für Unsicherheit sorgte als Folge der unklaren Normierung im Corpus Iuris Civilis die Frage, ob im Einzelfall Eigenverschulden für die Einstandspflicht erforderlich war. Neben den römischen Sondertatbeständen gab es im römisch-holländischen Recht eine Reihe von einheimischen Vorschriften, die eine Haftung für fremde Schuld begründeten. Um diese Bestimmungen rankte sich eine wissenschaftliche Diskussion, die gegenüber dem römischen Recht eine interessante Neuerung lieferte: Es ging in abstrakt genereller Weise um die Frage, ob Verschulden des Haftenden Voraussetzung der Ersatzpflicht sei. Demgegenüber war im römischen Recht die Schuldfrage im Kontext der Haftung für andere kasuistisch behandelt worden; an keiner Stelle hatten die Römer die Problematik allgemein thematisiert. Der besondere Aspekt der Auseinandersetzung unter den römisch-holländischen Juristen lag darin, daß unterschiedlichen Tatbeständen ein gemeinsamer culpa-Begriff zugrundegelegt wurde. In diesem Ansatz zeigte sich der Einfluß des wieder erwachten Naturrechts mit seiner abstrakt-systematischen Begrifflichkeit. In der Anwendung des römischen Rechts hatte sich aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Umstände eine tiefgehende Lücke ergeben: Mit der Abschaffung der Sklaverei war nach einhelliger Auffassung auch die Noxalhaftung obsolet geworden. Es entzündete sich daher eine kontroverse Diskussion zu der Frage, unter welchen Umständen der Haus- oder Geschäftsherr im allgemeinen für das Verhalten von Personen einstehen müsse, die in seinem Interesse tätig wurden. Nach einer weit verbreiteten Auffassung haftete der dominus entsprechend germanischem Gewohnheitsrecht generell in Höhe des ausstehenden Lohnes. Einzelne Autoren standen einer Verantwortlichkeit für fremdes Handeln grundsätzlich skeptisch gegenüber. Nach der naturrechtlich geprägten Position von Johannes van der Linden wurden Delikte in Ausführung eines Geschäfts nur dann zugerechnet, wenn eigene culpa des Herrn nachweisbar war.
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§ 3 Haftung für Verrichtungsgehilfen im römisch-holländischen Recht
Am ausstrahlungskräftigsten war jedoch der Ansatz, wonach der dominus oder pater familias streng für sämtliche Delikte einstehen mußte, die der Gehilfe oder Sohn in Ausführung der ihm übertragenen Arbeit verübte. Im Gegensatz zu der statusgebundenen Noxalhaftung war die Funktion, mit der der unmittelbare Delinquent betraut war, für die Haftung entscheidend. Als Hauptvertreter dieser Auffassung rationalisierte Johannes Voet die Haftung anhand einer unwiderleglichen Verschuldensvermutung. Das unrechtmäßige Verhalten des Gehilfen wurde aufgrund der Überschaubarkeit des Verantwortungsbereichs pauschal als Fehlleistung des dominus angesehen. Im Gegensatz zur modernen technisierten Arbeitswelt hatte sich noch kein allgemeines Bewußtsein dafür herausgebildet, daß auch einem zuverlässigen Gehilfen angesichts menschlicher Unzulänglichkeit im Einzelfall ein Fehler unterlaufen kann und daher eine objektive Haftung des Herrn unter Umständen aus rechtspolitischen Gründen gerechtfertigt sein könnte. Dieser Ansatz einer funktionalen Gehilfenhaftung in voller Höhe des erlittenen Schadens war eine Neuschöpfung des ius commune. Die Untersuchung der einschlägigen Passage bei Johannes Voet hat gezeigt, daß der Grundsatz durch bewußte systematische Verallgemeinerung der römischen Fallgruppen entwickelt wurde. Der Gedanke der funktionalen Haftungsbegrenzung, der bereits in einzelnen prätorischen Tatbeständen angelegt war, wurde mittels einer Formulierung aus dem Kontext der vertraglichen actiones exercitoria und institoria näher spezifiziert. Die methodische Vorgehensweise paßt gut in das Bild des römisch-holländischen Rechts als einer Epoche, die einerseits aufgrund textkritischer Analysen den Glauben an die Unfehlbarkeit des römischen Rechts verloren hatte und sich andererseits intensiv den Bedürfnissen der Rechtsanwendung widmete. Obwohl die Kontroverse um die Gehilfenhaftung aus heutiger Sicht von großem Interesse ist, darf ihre praktische Bedeutung im Rahmen des niederländischen Haftungssystem nicht überschätzt werden: Das Schadensrisiko, das für außenstehende Dritte aus der Einstellung eines famulus resultierte, war erheblich geringer als die Gefahren, die sich in der modernen hochtechnologisierten und komplex strukturierten Arbeitswelt ergeben können. Systematisch ordnete man die Verantwortlichkeit für fremdes Handeln im römisch-holländischen Recht unter die Quasidelikte ein. Im Anschluß an Grotius wurde der Begriff über die römischen Fallgruppen hinaus erweitert und erfaßte auch Tatbestände wie die Tierhalterhaftung und besondere niederländische Haftungsvorschriften. Den einzelnen Quasidelikten war gemeinsam, daß der Ersatzpflichtige den Schaden nicht persönlich verursacht haben mußte, sich aber in einem rechtlichen Herrschaftsverhältnis zu einer anderen Person oder einer Sache befand, die für den Nachteil unmittelbar ursächlich geworden ist.
§ 4 Haftung für Verrichtungsgehilfen in der englischen Rechtsgeschichte Geburt eines fest etablierten common law Prinzips I. Einführung Das Prinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung hat ähnlich wie in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen auch im Rahmen des englischen „common law" Ausdruck gefunden. Nach den Grundsätzen der „vicarious liability" ist ein „employer" für die Delikte seines „employee" verantwortlich, die dieser „in the course of his employment" verübt hat. 1 Einer Äußerung von Atiyah zufolge handelt es sich um eines der am sichersten etablierten Rechtsprinzipien der gesamten common law Welt. 2 In den nachfolgenden beiden Kapiteln sollen zunächst die Geschichte ( § 4 ) und anschließend die modernen Regelungen der vicarious liability im einzelnen untersucht werden (§5). Für den Gesamtzusammenhang der vorliegenden Arbeit ist das englische Recht aus mehreren Gründen von besonderem Interesse. Die Überbrückung des Grabens zwischen kontinentaleuropäischer und angelsächsischer Rechtstradition gehört zu den schwierigsten Aufgaben, denen sich die privatrechtliche Grundlagenforschung bei der Herausarbeitung einer gemeineuropäischen Rechtsgrammatik ausgesetzt sieht. Das Prinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung (das, wie sich zeigte, von der Wissenschaft des ius commune im Wege der „kollektiven Rechtsfindung" 3 aus den römischen Quellen heraus entwickelt wurde) bietet in dieser Hinsicht jedoch einen vielversprechenden Ansatzpunkt, da es in England eine strukturell ähnliche Ausprägung wie auf dem Kontinent erfahren hat. In Anbetracht der Vergleichbarkeit der Regelungen stellt sich aus rechtshistorischer Sicht die Frage, ob der Grundsatz des respondeat superior 4 das Produkt einer Parallelentwicklung ist, die sich angesichts analoger gesellschaftlicher Verände1
Vgl. etwa Jones, Textbook on Torts, 326. Vicarious Liability, 12: „Vicarious liability is one of the most firmly established legal principles throughout the common law world." Vgl. auch Fridman, Torts, 44: „This doctrine of vicarious liability or responsibility is deeply ingrained in the common law." Die wörtliche Übersetzung des Begriffs „vicarious liability", mittelbare oder indirekte Haftung, ist für das rechtliche Verständnis wenig aufschlußreich. 3 Berman, Recht und Revolution, 546. 2
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§ 4 Haftung in der englischen Rechtsgeschichte
rungsprozesse selbständig in „nobler Isolation" ereignet hat oder ob nicht möglicherweise Spuren einer Beeinflussung durch die römisch-kanonische Rechtstradition nachweisbar sind. Die geschichtliche Untersuchung beginnt in der angelsächsischen Periode, erstreckt sich über die Entstehungsphase des common law nach der normannischen Eroberung und das vorindustrielle Zeitalter, bis hinein in das 19. Jahrhundert, als wichtige Grundbegriffe der modernen vicarious liability geschaffen wurden. Die Haftung für Verrichtungsgehilfen kommt in England wie in den meisten anderen europäischen Ländern unabhängig von persönlichem Verschulden des Geschäftsherrn zur Anwendung. Vor dem Hintergrund der Reformdiskussion des § 831 BGB verdient daher die Frage besondere Aufmerksamkeit, welches die spezifischen Schwierigkeiten einer strikt ausgestalteten Einstandspflicht sind und ob sich ungeachtet der Abweichung in der Verschuldensfrage Bezugspunkte oder Parallelen zum deutschen Recht feststellen lassen. In diesem Rahmen wird insbesondere zu untersuchen sein, wie das englische Gegenstück zum Verrichtungsgehilfen beschaffen ist. 5 Nach der herrschenden Literaturauffassung gibt es, wie im einzelnen darzustellen sein wird, insoweit keinen einheitlichen Begriff, der sich durch eindeutige Abgrenzungskriterien bestimmen läßt. Das Konzept der vicarious liability umfaßt nach modernem Verständnis vielmehr unterschiedliche Kategorien, zu denen, abgesehen von der Verantwortlichkeit des employer für seine employees, etwa auch die Haftung des „principal" für die „torts" seines „agent" zählt, die dieser „in the scope of his authority" verwirklicht hat. Neben der dogmatischen Einordnung bedürfen ferner die Sachgesichtspunkte einer eingehenden Betrachtung, die die unbedingte Einstandspflicht für Gehilfenverschulden rechtfertigen und über die „in der anglo-amerikanischen Literatur besonders gründlich nachgedacht worden" 6 ist.
4 Der Begriff des „respondeat superior" begegnet in einer Reihe mittelalterlicher Gesetzestexte und scheint eine ganz spezifische, dem heutigen Recht fremde Bedeutung, gehabt zu haben: Dadurch wurde zum Ausdruck gebracht, daß eine Haftung des Herrn nur dann eintrat, wenn der Bedienstete zahlungsunfähig war, vgl. Pollock/Maitland, History II, 533. Im Rahmen der vicarious liability haften employer und employee demgegenüber nebeneinander. Ungeachtet dessen wird der Begriff des respondeat superior bis in die heutige Zeit zur Umschreibung der vicarious liability verwandt. Dazu s.u., § 5 V 1. 5 Die „liability of the employer for the torts of his employee committed in the course of his employment" wird im folgenden unter anderem als Haftung des Geschäftsherrn für das deliktische Verhalten seiner Verrichtungsgehilfen in Ausführung der Verrichtung übersetzt. Dabei ist freilich zu beachten, daß die verschiedenen Begriffe rechtliche Konzepte bezeichnen, deren Ausgestaltungen im einzelnen voneinander abweichen. Zur Problematik der Übersetzung von Rechtsbegriffen vgl. Grasmann/David, Einführung, 457.
II. Frühe Zeugnisse der angelsächsischen Periode
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Die Bedeutung des englischen common law für den Gesamtzusammenhang der vorliegenden Arbeit ergibt sich schließlich daraus, daß es mit dem römisch-holländischen Recht am Kap der guten Hoffnung eine im Hinblick auf Europa interessante Symbiose eingegangen ist, aus der das (im Anschluß zu behandelnde) südafrikanische Privatrecht hervorgegangen ist. Einige für Südafrika gleichermaßen relevante Fragestellungen der modernen vicarious liability werden daher bereits ausführlich im Rahmen des englischen Rechts behandelt. In der Untersuchung der angelsächsischen Mutterrechtsordnung wird ferner ein besonderer Akzent auf der Bestimmung einer Reihe zentraler Begriffe liegen, deren Verständnis im südafrikanischen Recht für Unsicherheiten nicht nur im Kontext der Haftung für Verrichtungsgehilfen, sondern darüber hinaus auch im Bereich des Vertragsrechts gesorgt hat.
I I . Frühe Zeugnisse der angelsächsischen Periode Soweit die englische Rechtsgeschichte sich in Form von schriftlichen Quellen zurückverfolgen läßt, gibt es auch eine Haftung für fremde Schuld. Im römischen wie auch im germanischen Recht lagen die Wurzeln der Verantwortlichkeit für andere Personen im Racherecht, aus dem sich im Laufe der Zeit die noxale Einstandspflicht für Sklaven bzw. Hausangehörige entwickelte, mit ihren eigentümlichen Alternativen der Zahlung einer Geldbuße oder der Auslieferung des unmittelbaren Delinquenten.7 Eben dieser Zustand spiegelt sich auch in den frühesten angelsächsischen Rechtsaufzeichnungen wider. Ein deutliches Zeugnis findet sich im ältesten überlieferten Gesetzbuch aus Wessex, dem Codex von König Ine (688-727), der in westsächsischer Sprache verfaßt war 8 : „Wenn ein unfreier Waliser einen Englischen Mann erschlägt, dann soll sein Eigentümer ihn an dessen Herrn und Verwandte ausliefern oder ihnen 60 Schilling für sein Leben zahlen." 9 Ähnliche Vorschriften sind auch in anderen Rechtsdokumenten überliefert. 10 In der Spätphase der angelsächsischen Periode bildete sich überdies 6
Von Caemmerer, Reformprobleme der Haftung für Hilfspersonen, 14 ZfRV (1973), 241, 246. 7 S. o., § 2 I 1 sowie § 3 II 3 a. 8 Vgl. Liebermann, Gesetze der Angelsachsen III, 63 f.; siehe ferner Maitland/ Montague, English Legal History, 7. 9 Vgl. Liebermann, Gesetze der Angelsachsen I, 121. 10 Vgl. beispielsweise in den Gesetzen von Aethelbert (601-604) Kapitel 23 (Liebermann, Gesetze der Angelsachsen I, 4); Withraed (695-696) Kapitel 27 (Liebermann, Gesetze der Angelsachsen I, 14); Hlothaere und Eadrik (640-664) Kapitel 1 und 2 (Liebermann, Gesetze der Angelsachsen I, 9); zur Haftung für andere in der angelsächsischen Periode vgl. auch Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 330 ff.; Holmes, Common Law, 3.
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§ 4 Haftung in der englischen Rechtsgeschichte
ein eigentümliches System gegenseitiger Bürgschaft, „frankpledge", als Mittel zur Verbrechensbekämpfung heraus: Die einzelnen Regionen wurden in Hundertschaften eingeteilt, deren Mitglieder unter Androhung einer Geldstrafe Verbrechen anzeigen und Täter aus ihrer Mitte ausliefern mußten. 11 Den Hausherrn traf dabei die Verantwortlichkeit für seine Familienangehörigen. 12 Detaillierte Aussagen über die Haftung für fremde Schuld während dieser Epoche lassen sich freilich nicht treffen, da die Gesetze, wie alle Volksrechte dieser Zeit, die sozialen Beziehungen der Bevölkerung nur in Ausschnitten regelten. 13 Der Geltungsumfang der meisten Regelungen war ferner lokal beschränkt, da das Land von unterschiedlichen Stämmen besiedelt war, die jeweils nach eigenen Grundsätzen lebten. Ein für ganz England geltendes einheitliches Recht beginnt sich erst nach der Ankunft von Wilhelm dem Eroberer im Jahre 1066 herauszubilden. 14
I I I . Entstehung des common law 1. Zu den Reformen Heinrichs II. Pollock und Maitland sprechen von der normannischen Eroberung als „a catastrophe which determines the whole future history of English law." 1 5 Grundlegende Veränderungen im Rechtswesen sollten sich vorerst jedoch nicht einstellen. 16 Wilhelm I. stützte seinen Herrschaftsanspruch nicht auf das Recht des Eroberers, sondern auf ein Erbrecht als Nachfolger König Eduards des Bekenners 17 und ordnete ausdrücklich die Weitergeltung des einheimischen Rechts an. 1 8 Dieser Schritt schien auch aus praktischen Gründen geboten, da die Normannen nicht auf eigene schriftliche Rechts11
Berman, Recht und Revolution, 692; die Ursprünge des frankpledge-Systems liegen vermutlich in den Gesetzen von Athelstan um das Jahr 939, vgl. Baker, History, 8; Pollock/Maitland, History II, 529 Fußn. 3. 12 Vgl. die Gesetze von Wilhelm I. (1090-1135) Kapitel 52 (Liebermann, Gesetze der Angelsachsen I, 519); siehe jedoch auch II Cnut (1027-1034) 20, 1 (Liebermann, Gesetze der Angelsachsen I, 323). Das Verhältnis von frankpledge und Hausherrenhaftung ist umstritten, vgl. Holmes, History of Agency, 379 ff. einerseits und Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 336 Fußn. 1 andererseits. 13 Vgl. Pollock/Maitland, History I, 25 f. 14 Grasmann/David, Einführung 438. 15 Vgl. History I, 79. 16 Baker, History, 14. 17 Grasmann/David, Einführung 439; Holdsworth, History I, 33. 18 Vgl. Kapitel 7 der Gesetze Williams (Liebermann, Gesetze der Angelsachsen I, 486).
III. Entstehung des common law
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quellen zurückgreifen konnten. 19 Es blieb daher zunächst bei der überlieferten Zersplitterung des Rechts, das nach wie vor an hunderten von unterschiedlichen lokalen Gerichten verschieden gehandhabt wurde. 20 Mit der Besetzung durch die Normannen wurden allerdings wichtige Voraussetzungen für die bevorstehende Vereinheitlichung geschaffen. Aufgrund der Stärke des normannischen Königtums, der straff organisierten Form des englischen Feudalismus sowie einer reich erprobten administrativen Erfahrung wurde eine Bündelung der zentrifugalen Kräfte erreicht. 21 Entscheidend für die „Geburt des englischen common l a w " 2 2 wurden die Reformen Heinrichs II. (1155-1189). 23 Heinrich veränderte das System der öffentlichen Verwaltung durch starke Erweiterung der Funktionen und Machtbefugnisse permanenter, spezialisierter Regierungsabteilungen. Aus der „Curia Regis", dem Staatsrat von König und seinen Ratgebern, gingen neben dem Kanzleramt („Chancery"), das die Arbeit der übrigen Departements koordinierte, drei ständige, professionell besetzte, auch ohne die königliche Anwesenheit funktionsfähige Zentralgerichte mit ständigem Sitz in Westminster hervor: der „Court of Exchequer" mit Schwerpunkt für Finanzfragen, der „Court of Common Pleas", der für „gewöhnliche Klagen" zwischen Privatpersonen zuständig war 2 4 und daneben als Rechtsmittelinstanz fungierte, sowie der „Court of King's Bench", vor dem hauptsächlich Sachen von besonderer politischer Bedeutung wie schwere Straftaten, die den Frieden des Landes berührten, verhandelt wurden. 25 Eine Reihe unterschiedlicher Faktoren führte zu einer ständigen Ausdehnung und einer damit einhergehenden qualitativen Veränderung der neu entstehenden Rechtsprechung, die 19 Dies räumen auch Pollock und Maitland ein, vgl. History I, 79: „Norman law does not exist in a portable, transplantable shape. English law will have this advantage in the struggle: - a good deal of it is in writing"; ferner S. 88: „We may safely say that William did not intend to sweep away English law and to put Norman law in its stead. On the contrary, he decreed that all men were to have and hold the law of King Edward - that is to say, the old English law - but with certain additions which he, William had made to it." 20 Vgl. Holdsworth, History I, 4: „The political dissension which enabled the Normans to conquer the country was reflected in the diversity of the laws and the courts by which it was governed. The immediate effect of the Norman Conquest was to increase rather than to diminish this confused mass of local customs"; Milsom, Historical Foundations, 13 ff .; Maitland/Montague, English Legal History, 30. 21 Pollock/Maitland, History I, 93 f.; Grasmann/David, Einführung, 439. 22 Vgl. den Titel des Werkes von van Caenegem, The Birth of the English Common Law. 23 Dazu allgemein Hogue, Origins of the Common Law, 32ff.; Plucknett, Concise History, 16ff.; Pollock/Maitland, History I, 136ff.; 24 Anfangs primär mit Bezug auf Grundeigentum und Boden. 25 Berman, Recht und Revolution, 681 ff.; Baker, History, 20ff.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 179 f.
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zunächst nur in Sonderfällen, „große Männer und große Angelegenheiten betreffend" 26 , ausgeübt worden war. Neben dem Interesse des Königs nach Ausweitung seiner Machtstellung als oberster Gerichtsherr zählte hierzu die Überlegenheit des königlichen Rechtsschutzes27, die sich zum Vorteil rechtsuchender Untertanen auswirken konnte, wie auch das Streben der Richter, ihre Einnahmen durch eine wachsende Zahl von Fällen zu erhöhen. Die für die Entstehung eines „common law" erforderliche landesweite Präsenz der Justiz wurde dabei durch systematisch herumreisende Richter erreicht 28 , die ihre Entscheidungen in einem rationalen Prozeß vielfach unter Mithilfe von Geschworenen aus der lokalen Bevölkerung trafen. 29
2. Writs: trespass und case Die technische Grundlage des mittelalterlichen Gerichtsverfahrens bildete das sogenannte „writ system" 30 , das dem königlichen Recht ein Gepräge von dauerhafter Gestalt verlieh. 31 Ursprünglich handelte es sich bei einem writ um eine spezifische Exekutivanweisung eines geistlichen oder weltlichen Fürsten. 32 Unter Heinrich II. entwickelte sich daraus eine Aufforderung des Königs an den Sheriff oder einen anderen zuständigen Justizbeamten, vor seinen Richtern eine Untersuchung zur Entscheidung eines bestimmten Streitgegenstandes einzuleiten. 33 Rechtsuchende mußten sich zum Kanzler begeben und dort gegen Entrichtung einer Gebühr an die Chancery die Ausstellung eines writ beantragen. 34 Die für den Einzelfall aufgestellten Prozeßprogramme erstarrten zu Blanketten, aus denen sich im Laufe der Zeit Formulare für eine Reihe typischer Tatbestände entwickelten. 35 Ähnlich wie das klassische römische Recht war das common law daher ein Aktionenrecht: Nur wenn in der konkreten Situation ein passen26
Pollock/Maitland, History I, 153. Grasmann/David, Einführung, 442. 28 Baker, History, 16 ff. 29 Die Jury war ursprünglich ein administratives Instrument zur Informationsgewinnung und wurde unter Heinrich II. zur strafrechtlichen Anklage und in zivilrechtlichen Streitigkeiten über Eigentum und Besitz von Land eingesetzt, vgl. Holdsworth, History I, 312ff.; Berman, Recht und Revolution, 689ff. 30 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 181. 31 Vgl. Pollock/Maitland, History I, 150 („ground-plan of all civil justice"); Holdsworth, History I, 47 („perhaps the most salient feature of the full grown common law"). 32 Writ bedeutet wörtlich das Geschriebene, die Schrift oder der Königsbrief und ist eine obsolete Partizip-Perfekt-Passiv-Form von to write, vgl. Blumenwitz, Einführung, 7. 33 Berman, Recht und Revolution, 687. 34 Henrich, Englisches Privatrecht, 3. 27
III. Entstehung des common law
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des writ vorhanden war, konnte der Kläger seine Rechte durchsetzen: „Ubi remedium, ibi ius." 3 6 Das common law entwickelte sich in seiner Entstehungsphase daher nicht anhand von abstrakten Prinzipien, sondern wuchs um eine begrenzte Anzahl schriftlich fixierter writs herum. 37 Bezeichnenderweise waren die ersten wissenschaftlichen Abhandlungen zu dem entstehenden einheitlichen Recht, der um 1190 erschienene und Sir Ranulf de Glanvill zugeschriebene „Tractatus de legibus et consuetudinibus regni Angliae" 3 8 , sowie das eine Generation später verfaßte, mit Henricus de Bracton assoziierte gleichnamige Werk 3 9 , im wesentlichen Bücher über die einzelnen writs und die mit ihnen verbundenen Verfahren. 40 Besonders bedeutsam für die spätere Rechtsentwicklung wurde das sogenannte „writ of trespass" 41 , von Pollock und Maitland als „fertile mother of actions" 42 bezeichnet. Um die Zuständigkeit der königlichen Rechtsprechung zu rechtfertigen, kam die trespass-Klage ursprünglich nur zur Anwendung, wenn jemand mit Gewalt oder unter Bruch des Landfriedens „vi et armis contra pacem Domini Regis" - einen anderen in seinem Besitz von Sachen oder in seiner körperlichen Unversehrtheit verletzt hatte. 43 Das Bedürfnis nach umfassendem Rechtsschutz führte jedoch allmählich zu einer Aufweichung der restriktiven vi et armis-Klausel, bis schließlich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Westminster offen eine analoge Klage ohne diese einschränkende Voraussetzung anerkannt wurde, die soge35
Zu den Klageformeln im einzelnen vgl. Maitland, The Forms of Actions at Common Law, Iff.; Baker, History, 63 ff.; Kiralfy, Potter's Historical Introduction, 293 ff. 36 Zu einem umfassenden Vergleich zwischen dem römischen und englischen Ansatz siehe das Buch von Peter, Actio und Writ. 37 Baker, History, 63. 38 Ob Glanvill wirklich der Autor des nach ihm benannten Werkes war, wird heute bezweifelt. Dazu vgl. Pollock/Maitland, History I, 163 ff. 39 Auch im Hinblick auf Bracton ist es zweifelhaft, ob er der wahre Autor der Abhandlung war. Man neigt heute zu der Ansicht, daß er die Überarbeitung eines bereits vorhandenen Manuskripts übernommen hat, vgl. Thorne, Vorwort zu Bracton, De legibus III, S. V, XXVII, XXXVI f., LI. 40 Baker, History, 67. Einen vorübergehenden Rückschlag erlitt die königliche Gerichtsbarkeit durch das Verbot neuer writs, das als Ergebnis eines Machtkampfes zwischen Krone und Adel in den „Provisions of Oxford" von 1258 festgelegt wurde, die Ausbreitung des zentralisierten Rechtswesen jedoch längerfristig nicht beeinträchtigen konnte, vgl. Henrich, Englisches Privatrecht, 3 f.; Blumenwitz, Einführung, 8; Holdsworth, History I, 398. 41 Zum Begriff „trespass" vgl. Salmond/Heuston, Torts, 3 f. 42 History II, 525; vgl. auch Windeyer, Lectures, 105: ,,[T]he writ of trespass (breve de trasgressione) is the remote ancestor of so much of our present day law." 43 Baker, History, 72; Zimmermann, Obligations, 908; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 182. 11 Wicke
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nannte „action on the case." 44 Formelhaft umschrieben, erfaßte die trespassKlage Unrechtstaten, die durch direkte Einwirkung von Gewalt verübt worden waren, unabhängig von dem Eintritt eines konkreten Nachteils, während die action on the case in Fällen mittelbarer Einwirkungen zur Anwendung kam, die einen Schaden zur Folge hatten. 45 Die Unterscheidung war von großer praktischer Bedeutung, da aufgrund der formalistischen Natur des writ-Systems der Erfolg eines rechtlichen Anliegens über Jahrhunderte hinweg von der Wahl des richtigen Rechtsbehelfs abhängig 46
war. Die beiden writs, trespass und case, bildeten die Grundlage für die Entwicklung des englischen Rechts der unerlaubten Handlungen, des „law of torts." 47 Unter dem prozessualen Dach dieser Klagen bildete sich im Laufe der Zeit eine Anzahl spezifischer torts heraus, wie beispielsweise „assault", „battery" und „false imprisonment" als besondere Arten des trespass to the person oder „slander", „nuisance", „malicious prosecution" und „negligence" als Unterfälle der action on the case. 48 Die unterschiedlichen Klagearten („forms of action") wurden im Zuge der Justizreformen des 19. Jahrhunderts abgeschafft. Entscheidend für den Ausgang des Verfahrens ist nunmehr das Bestehen eines materiellen Anspruchs. 49 Dabei ist es unerheblich, ob der Kläger in der Klageschrift den richtigen Deliktstatbestand erwähnt hat. 5 0 Nach wie vor ist das englische Recht der unerlaubten Handlungen jedoch von den einzelnen Falltypen geprägt, die sich unter dem writSystem gebildet haben. „The forms of action we have buried, but they still 44 So die moderne Sichtweise, vgl. Kiralfy, Potter's Historical Introduction to English Law, 305f.; Baker, History, 73ff.; Windeyer, Lectures on Legal History, 105f.; Plucknett, Concise History, 373. Die traditionelle Auffassung führt die Veränderung auf eine Klausel im Statute of Westminster I, 1285 zurück, wonach dem Kanzler gestattet worden sei, in Fällen, die den bestehenden writs ähnlich waren („in consimili casu"), neue writs zu erlassen. 45 Salmond/Heuston, Torts, 4; Zimmermann, Obligations, 910. Diese Unterscheidung hat sich allerdings erst in späterer Zeit herausgebildet, vgl. Plucknett, Concise History, 452. Zur Veranschaulichung wird üblicherweise das folgende Beispiel von Richter Blackstone in Scott v. Shepherd (1773) 2 Black.W. 892, 894 f. verwendet: „If I throw a log of timber into the highway (which is an unlawful act), and another man tumbles over it, and is hurt, an action on the case only lies, it being a consequential damage, but if in throwing it I hit another man, he may bring trespass because it is an immediate wrong.4' 46 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 180f. 47 Winfield/Jolowicz, Tort, 46. 48 Windeyer, Lectures, 111; Zimmermann, Obligations, 910; Baker, History, 83. 49 Vgl. Nelson v. Larholt [1948] 1 KB 339, 343 per Denning, J.: „Remedies now depend upon the substance of the right, not on whether they can be fitted into a particular framework"; siehe ferner Maitland, The Forms of Action at Common Law, 5ff.; Baker, History, 79ff. 50 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 607.
IV. Das vielschichtige Bild der Haftung für fremdes Handeln
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rule us from their graves", wie eine weitere sprichwörtlich gewordene Aussage Maitlands besagt. 51
IV. Das vielschichtige Bild der Haftung für fremdes Handeln von der Entstehungsphase des common law bis zum Vorabend der industriellen Revolution Für die vorliegende Untersuchung ergibt sich angesichts der schrittweisen Entstehung des common law aus dem writ-System die Frage, ob die Entwicklung der Haftung für Hilfspersonen einen vergleichbaren kasuistischen Lauf genommen hat, unter Umständen in Anlehnung an die unterschiedlichen Klagearten, oder ob sich unabhängig davon allgemeine Grundsätze herausgebildet haben, möglicherweise in Kontinuität zu früheren Regelungen. Die Quellen bieten, wie sich zeigen wird, ein vielschichtiges Bild. In einigen Zeugnissen aus der Anfangsphase des common law ist ähnlich wie in der angelsächsischen Periode eine strenge Haftung des Herrn für seinen Haushalt bzw. eine Verantwortlichkeit entsprechend den Grundsätzen des frankpledge überliefert. Zur gleichen Zeit gab es jedoch gerichtliche Entscheidungen, in denen sich der Beklagte erfolgreich mit dem Hinweis verteidigen konnte, daß er das schadenstiftende Verhalten weder angeordnet hatte noch Kenntnis davon besaß. Die Gründe für die eine oder andere Bewertung lassen sich im einzelnen nicht immer ermitteln. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts scheint sich die Regel eingespielt zu haben, daß eine Haftung für das Verhalten von Bediensteten im allgemeinen nur bei einem Befehl bzw. bei Kenntnis des Herrn in Betracht kam. Gleichzeitig entwickelten sich hierzu eine Reihe gesetzlicher und richterlicher Ausnahmen, die allerdings unkoordiniert nebeneinander standen. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, daß das mittelalterliche Recht noch nicht scharf zwischen deliktsrechtlicher und strafrechtlicher Verantwortlichkeit trennte. Die Abgrenzung von Strafrecht und Privatrecht war in der Theorie zwar schon bei Glanvill angelegt 52 , setzte sich in der Praxis aber erst später durch. 53 Von der königlichen Gerichtsbarkeit wurden zunächst 51
Pollock/Maitland, History II, 525; siehe auch Winfield/Jolowicz, Tort, 47: „Maitland's famous phrase ... has been repeated often enough to become a cliché. One does not venture to polish any aphorism of Maitland's but we shall see that in some respects it may be questioned whether the forms of action have not been buried alive"; ferner United Australia Ltd v. Barclays Bank Ltd [1941] AC 1 (HL) 1, 29 per Lord Atkin. 52 Glanvill, De legibus, S. 3: „Piacitorum aliud criminale aliud civile." 53 Vgl. Windeyer, Lectures, 63: „The distinction between what we now call tort and what we now call crime was still undeveloped; and, although Glanvill recognised a distinction between civil pleas and criminal pleas, it remained incompletely developed until much later than the twelfth century. What we call criminal law was 11*
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§ 4 Haftung in der englischen Rechtsgeschichte
auch noch nach den Reformen Heinrichs II. - nur schwere Unrechtstaten erfaßt. 54 Die trespass-Klage erforderte anfangs Gewaltausübung unter Bruch des Landfriedens und kam daher nur im Fall von Schädigungen zur Anwendung, bei denen gleichzeitig das öffentliche Interesse berührt war. 5 5 Man könnte daher sagen, daß ursprünglich das Strafrecht zugleich das private Deliktsrecht gewesen sei. 56 In der Entstehungszeit des common law wurde freilich noch ein bedeutender Teil der Rechtsprechung ausschließlich von den lokalen Gerichten ausgeübt, die zwar nicht nach einheitlichen Prinzipien urteilten, aber auch bei geringfügigerem Unrecht zuständig waren, das den späteren torts zum Teil näher kam. Von der Judikatur in den Provinzen sind daher möglicherweise in dieser Phase eher Anhaltspunkte hinsichtlich der Haftung für Hilfspersonen zu erwarten, die zwar keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen können, aber zumindest in gewissem Umfang Schlußfolgerungen auf das vorherrschende Rechtsgefühl zulassen.57 Unabhängig von der Ebene der Gerichtsbarkeit ist die Frage der Verantwortlichkeit für fremdes Handeln dadurch stark verdunkelt, daß es zunächst nur sehr wenige Quellen zur Problematik gab. 58 Die wissenschaftliche Literatur beschränkte sich im wesentlichen auf die Werke von Glanvill und Bracton. Auf der Grundlage des writ-Systems entwickelte sich das common law in den Anfängen kasuistisch. Wichtig für die Ermittlung des Rechts waren nicht nur die writs als solche, sondern auch ihre Interpretation und Anwendung in der Praxis. Die Aufzeichnungen der Gerichtsentscheidungen erfolgte jedoch sehr lückenhaft und unsystematisch, die für die Rechtsentwicklung wichtigen Entscheidungsbegründungen wurden meistens nicht mitüberliefert. 59 Das Präzedenzsystem, das in späterer Zeit für das englische Recht charakteristisch wurde, war in dieser Epoche noch nicht ausgebildet. 6 0 Angesichts der Quellenarmut und der allmählichen Entwicklung then, and for centuries later, comprehended under the term pleas of the Crown, as distinct from common pleas, which were civil actions"; ferner Plucknett, Concise History, 421 ff. 54 Baker, History, 572; Plucknett, Concise History, 458. 55 S. o., § 4 III 2. 56 Pollock/Maitland, History II, 530: „The king's courts, however, were approaching the field of tort through the field of crime"; siehe auch ebenda S. 449; ferner Plucknett, Concise History, 422 f. 57 Vgl. auch Plucknett, Concise History, 372, mit Bezug auf Glanville Williams: „Local courts, however, preserved the undivided field of tort in general; in such courts »trespass was a rough equivalent of our modern tort in general; under it were included many wrongs (such as defamation) that the royal courts were later to reserve for the action of case. It was not limited to direct wrongs.'" 58 Vgl. auch Holmes, History of Agency, 379; Pollock/Maitland, History II, sprechen von einer Phase „during which exceedingly few hints are given to us of any responsibility of a master for acts that he has not commanded." 59 Baker, History, 204 ff.
IV. Das vielschichtige Bild der Haftung für fremdes Handeln
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des Deliktsrechts aus der trespass-Klage wegen Landfriedensbruch lassen sich bezüglich der Haftung für andere im Mittelalter nur schwer unbedingte Aussagen mit landesweiter Gültigkeit treffen.
1. Haftung des Herrn für seine Hausangehörigen auf lokaler Ebene Ein Blick in die Rechtsaufzeichnungen lokaler Gerichte legt den Schluß nahe, daß auch nach der normannischen Eroberung die Verantwortlichkeit des Hausherrn für die Delikte seiner Hausangehörigen noch längere Zeit den allgemeinen Rechtsanschauungen entsprach. 61 In einem Fall von 1247 etwa haftete eine Witwe wegen trespass ihres Sohnes, ohne daß eine Auseinandersetzung über die Problematik der Haftung für fremde Schuld überliefert ist. 6 2 Ein Jahr später verteidigte sich ein Mann namens Roger mit der Argumentation, daß weder er noch ein Angehöriger seines Haushaltes den Pfau des Klägers getötet hätte. 63 William of E. mußte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts für seinen Sohn einstehen, der bei einem Diebstahl von Obst im Garten des Klägers erwischt worden war. 6 4 Allmählich wurde, möglicherweise unter dem Eindruck der königlichen Gerichtsbarkeit, der Einwand zugelassen, daß der beklagte Hausherr keine Kenntnis von dem unrechtmäßigen Verhalten besaß oder keine Veranlassung dazu gegeben hatte. In einem Verfahren gegen einen Gefängniswärter, dessen Leute einen Gefangenen erschlagen und vergraben hatten, forderte 60
Nach Windeyer, Lectures, 88 hat Bracton wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung des Fallrechts geschaffen. Das Präzedenzsystem sei aber erst im 19. Jahrhundert zur vollen Entfaltung gekommen: „We must not suppose, however, that Bracton or his successors in the King's Court of the Middle Ages held the common law to be bound and limited by precedent, as to-day it has become. But it is very largely true to say that the system of case law, which was to develop into the modern theory of judicial precedent, had its beginnig with Bracton. Bracton's painstaking practice of referring to decisions appearing in the rolls produced later a doctrine of authoritative precedent, which has had tremendous consequences for good and ill in our law. The development of the modern theory of case law was largely the work of eighteenth century lawyers; but its rigid demands were not fully admitted until the nineteenth century"; ferner Baker, History, 224ff.; Plucknett, Concise History, 342 ff. 61 Die folgende Untersuchung stützt sich in der Auswahl der Entscheidungen bis in das 16. Jahrhundert wesentlich auf den Aufsatz von Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 315 ff., 383 ff. 62 Manorial Courts, 8. 63 Manorial Courts, 9. Vgl. auch den Fall von Hugh Stanbridge, Manorial Courts, 17. 64 Court Baron, S. 53; der Fall wird anders interpretiert von Plucknett, Concise History, 473; wie hier jedoch Holdsworth, History III, 383. Vgl. ferner Court Baron, S. 55, die alternative Version.
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§ 4 Haftung in der englischen Rechtsgeschichte
der reisende Richter des Königs die Verantwortlichkeit des unmittelbaren Täters: „Let him who had the custody of the man 6 5 come and answer for his own acts." 66 Entsprechend wurde in einem lokalen Gericht ein Vater freigesprochen, dessen Tochter auf dem Grundstück des Klägers Gras gemäht hatte, da er keinen Befehl dazu gegeben hatte. 67 Daß das Wissen des Hausherrn nicht konsequent und allerorts berücksichtigt wurde, zeigt jedoch eine stadtrechtliche Vorschrift von Watford, die um das Jahr 1300 in Kraft gesetzt wurde: Danach hafteten Meister für ihre Lehrlinge in gleicher Weise wie für ihre Söhne, ohne daß auf eigenes Verschulden abgestellt wurde. 68 Die örtlichen Rechtsaufzeichnungen lassen daher vermuten, daß die strikte Haftung des Herrn für die Angehörigen des Haushaltes noch lange Zeit lebendig war und nur langsam die Kenntnis oder der Befehl des Hausvaters als entscheidender Zurechnungsgrund der Haftung angesehen wurde. 69
2. Die Rechtslage nach Bracton: felony und novel disseisin Von maßgeblicher Bedeutung für die Rechtsentwicklung waren freilich nicht die lokalen Gerichtsentscheidungen, sondern das einheitliche common law. Eine wichtige Quelle zu seiner Erkenntnis ist das autoritative, um 1256 70 fertiggestellte Werk Bractons (1210-1268), „De legibus et consuetudinibus regni Angliae", das einen nachhaltigen Einfluß auf das englische Recht ausgeübt hat. 71 Ebenso wie Glanville oder der Autor des Sachsenspiegels, Eike von Repgow, ist Bracton als Repräsentant einer Welle der Verschriftlichung weltlichen Gewohnheitsrechts anzusehen, die im 12. und 13. Jahrhundert Gesamteuropa überzog und damit die vorangegangene „Schattenlage der Rechtsgeschichte" ablöste. 72 Für die Wissenschaft vom frühen common law sind Bractons Abhandlungen durch das Bemühen um Rationalität und systematische Ordnung 73 von besonderem Interesse. Inhaltlich basieren die Schriften auf dem writ-System 74 , das allerdings durch 65
„Custody" bezieht sich auf den Gefängnisinsassen, nicht auf den Gehilfen. Eyre of Kent, 90. Vgl. aber auch Eyre of Kent, 67 und 95. 67 Court Baron, S. 39; siehe ferner S. 38. Laut Plucknett liegt auch der Fall Court Baron, S. 36 auf dieser Linie; a. A. jedoch Holdsworth, History III, 383. 68 Vgl. Borough Customs, 222. 69 Im Ergebnis ebenso Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 332 ff.; ähnlich Plucknett, Concise History, 472; Pollock/Maitland, History II, 531 f. 70 Zur Datierung vgl. Thorne im Vorwort zu Bracton, De legibus III, S. V. 71 Holdsworth, History II, 286ff.; Yale, „Of No Mean Authority", 383 ff. 72 Vgl. Schlosser, Grundzüge, 11 f. 73 Vgl. Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 12. 74 Baker, History, 201. 66
IV. Das vielschichtige Bild der Haftung für fremdes Handeln
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römisch-rechtliche Terminologie und Kategorien rationalisiert und angereichert wird. 7 5 Seiner Darstellung hat Bracton reichlich Material aus der Praxis beigefügt und damit wichtige Grundlagen für die Entwicklung des englischen Fallrechts geschaffen. 76 a) Felony : Auslieferungspflicht
unter Strafandrohung
Trotz der methodischen Vorgehensweise findet sich bei Bracton keine prinzipielle Behandlung der Haftung für fremdes Handeln. 77 Die Problematik wurde lediglich in zwei besonderen - praktisch wichtigen - Zusammenhängen ohne wechselseitige Bezugnahme erörtert. Eine besondere Regelung gab es für Schwerverbrechen, die sogenannten „felonies." Ursprünglich war der Terminus felony beschränkt auf Verletzungen der feudalen Treuepflicht zwischen dem Lehnsherrn und seinem Vasall, wurde in der weiteren englischen Rechtsentwicklung aber zum Inbegriff gravierender Straftaten, wie Raub, Mord und Vergewaltigung, im Gegensatz zu geringeren Vergehen, die unter den Begriff trespass oder „misdemeanour" fielen. 78 Im Hinblick auf die felonies lebte das oben skizzierte System des frankpledge fort, wonach kleinere Einheiten in der Bevölkerung unter Androhung von Geldstrafen Täter aus ihrer Mitte ausliefern mußten. Den Hausherrn traf dabei die Verpflichtung, Angehörige vorzuführen, die wegen felony angeklagt worden waren. Sofern er dazu nicht bereit oder in der Lage war, mußte er eine entsprechende Geldbuße leisten. 79 Mit Bezug auf Schwerverbrechen läßt sich daher von einer strikten Verantwortlichkeit für Mitglieder des Haushaltes sprechen. Die verhängte Zahlungspflicht bezweckte freilich keinen privaten Schadensersatz des Opfers, sondern hatte einen strafprozessualen Charakter und zum Ziel, das Verfahren gegen den eigentlichen Übeltäter zu ermöglichen. 80 75 Vgl. Thorne, Henry de Bracton, 1268-1968, 78f.: „One of the glories of Bracton's book is that it has not merely an insular but a European character ... Like his contemporaries abroad, Bracton was endeavouring to reduce his native materials to order, using the principles and distinctions of Roman law to rationalize the results reached in the English courts. It provided him not only with a number of concepts under which his English matter could be subsumed, and thus fashioned, for the first time, into an articulated system of principles, but with a precise technical vocabulary, infinitely more subtle than that of the plea rolls, with which to describe and analyze it." 76 Windeyer, Lectures, 85 77 Holmes, History of Agency, 379. 78 Pollock/Maitland, History I, 304f.; dieselben, History II, 462ff.; Plucknett, Concise History, 442 ff.; Baker, History, 572f. 79 Vgl. De legibus II, 350. 80 Vgl. auch Pollock/Maitland, History II, 530. Siehe ferner Holmes, History of Agency, 379 und Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894),
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§ 4 Haftung in der englischen Rechtsgeschichte
b) Novel disseisin : Freiwillige
Abhilfe oder Klage gegen den dominus
Der zweite Bereich, in dem die Problematik der Haftung für andere bei Bracton in Erscheinung trat, war die strukturell mit dem englischen Feudalismus zusammenhängende „action of novel disseisin" die außerhalb der felonies bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts die praktisch wichtigste unerlaubte Handlung im Haftungssystem des common law bezeichnete.81 Es handelte sich dabei um eine Besitzschutzklage, die dem Vasallen, der in ungerechtfertigter Weise von seinem Land vertrieben worden war, den Rechtsweg zu den königlichen Gerichten eröffnete. 82 Eine Jury prüfte ungeachtet der Eigentumslage, ob der Kläger rechtswidrig und ohne Urteil aus seiner faktischen Besitzposition verdrängt worden war. 8 3 Im Reformprogramm Heinrichs II. nahm die Klage einen zentralen Stellenwert ein, da sie zu den ursprünglichen writs zählte, die die Grundlage für die Entstehung des common law bildeten. 84 Darüber hinaus hatte der neugeschaffene Rechtsbehelf in der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung eine bedeutende politische Dimension. Der Sache nach handelte es sich um ein Werkzeug, mit dessen Hilfe den Adelsgerichten in weitem Umfang die Rechtsprechung über Landstreitigkeiten entzogen wurde. 85 Da das Recht auf das Land auch die Kontrolle über die darauf lebenden und arbeitenden Menschen umfaßte, war damit ein Machtverlust zu Lasten der Fürsten verbunden. 86 Das writ of novel disseisin war allerdings nicht auf Grund und Boden beschränkt, sondern kam auch bei beweglichen Gütern und Rechten zur Anwendung. Für Besitzstörungen durch Bedienstete gab es Bracton zufolge eine eigentümliche Regelung: Der Herr konnte wegen des unrechtmäßigen Verhaltens seiner Leute zunächst nicht prozessual zur Verantwortung gezogen werden, war aber verpflichtet, Abhilfe zu schaffen. War er damit nicht einverstan336, Fußn. 1 zu der Frage, inwieweit ein Zusammenhang zwischen frankpledge und der modernen Haftung des employer besteht. In späterer Zeit wurde für die Haftung in diesem Kontext offensichtlich darauf abgestellt, ob der unmittelbare Delinquent handelte, während er mit Aufgaben seines Herrn beschäftigt war, vgl. Eyre of Kent, 95: „Nota quod si serviens in servicio domini sui existens facit feloniam et convinc a t i licet post feloniam ipsum non receptavit amerciandus est. Et causa est quia si cum eo non fuisset in servicio esset in Borgha et qui convictus est de felonia et sit in Borgha tota Borgha in misericordia"; dieser Fall findet sich auch in dem Abridgment von Fritzherbert, siehe bei Holmes, History of Agency, 379. 81 Pollock/Maitland, History II, 531. 82 Baker, History, 267. Zum Zusammenhang mit der kanonischen „actio spolii" und dem römischen Interdikt „unde vi" vgl. Pollock/Maitland, History I, 48. 83 Pollock/Maitland, History I, 146. 84 Van Caenegem, The Birth of the English Common Law, 42ff.; Berman, Recht und Revolution, 701. 85 Berman, Recht und Revolution, 700. 86 Berman, Recht und Revolution, 697.
IV. Das vielschichtige Bild der Haftung für fremdes Handeln
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den, wurde er selbst als Störer angesehen und konnte persönlich verklagt werden. 87 Im Ergebnis war er daher für das Unrecht seiner Bediensteten verantwortlich. Die Untersuchung des Werkes von Bracton zeigt, daß es im common law seiner Zeit keine allgemeinen Grundsätze zur Haftung für andere gab. Die Problematik wurde zunächst offensichtlich nur in zwei Bereichen auf eine für den modernen Betrachter ungewöhnliche Weise geregelt. Bei Schwerverbrechen von Angehörigen traf den Hausherrn eine Auslieferungspflicht, die mit einer Geldbuße strafprozessualer Natur bewehrt war. Im Fall von Besitzstörungen durch seine Leute war der dominus zur Restitution verpflichtet, konnte aber nur verklagt werden, wenn er die Leistung verweigerte. Wie die Verantwortlichkeit für fremdes Handeln im Hinblick auf gewöhnliche Schäden beurteilt wurde, läßt sich den Ausführungen Bractons nicht entnehmen. Im Haftungssystem des frühen common law war der Ersatz von erlittenen Nachteilen die Domäne der trespass-Klage, die jedoch erst gegen Ende der Regentschaft Heinrichs III. (1216-1272) und damit nach Fertigstellung seines Traktats allgemein verbreitet war. 8 8
3. Rechtsprechung der königlichen Gerichte seit der Regierungszeit Edwards I.: Befehl oder Kenntnis als Zurechnungsgrund Demgemäß bildeten sich Ansätze für allgemeinere Prinzipien, die die Verantwortlichkeit für Schäden durch Hilfspersonen im common law längerfristig bestimmen sollten, erst in der Folgezeit heraus. Der Grundsatz, auf den die königliche Rechtsprechung schrittweise zusteuerte, wird in einer Abhandlung aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts anschaulich zum Ausdruck gebracht: „For murder, felony, battery, trespass, borrowing or receiving of money in his master's name by a servant, the master shall not be charged, unless it be done by his command or come to his use by his assent." 89 Die Haftung für das Verhalten von Bediensteten setzte demnach einen Befehl („command") oder zumindest eine (vorangegangene oder nachträgliche) Einwilligung („assent") des beklagten Herrn voraus. Wie die detaillierte Aufzählung der unterschiedlichen Delikte nahelegt, scheint dies 87 Vgl. Bracton, De legibus II, 446f.; derselbe, De legibus III, 44f. Siehe auch Pollock/Maitland, History II, 531; Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 333 ff. 88 Pollock/Maitland, History II, 53. 89 William Noye, Treatise of the Principali Groundes and Maximes of the Lawes of This Kingdom, London 1641, zitiert nach Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 390. Zur Einordnung des Werkes von Noye vgl. Simpson, Legal Theory, 286.
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§ 4 Haftung in der englischen Rechtsgeschichte
grundsätzlich für sämtliche unerlaubten Handlungen gegolten zu haben. Es handelte sich folglich um eine allgemeine Regel, die unabhängig von der im Einzelfall einschlägigen Klage Anwendung fand. Verglichen mit der strengen Verantwortlichkeit des Hausherrn in früheren Epochen ist dieser Ansatz freilich auffallend restriktiv. Der Kläger mußte positive Kenntnis oder gar eine aktive Anstiftung durch den Beklagten nachweisen, um im Prozeß Erfolg zu haben. Es reichte nicht einmal aus, wenn sich Fahrlässigkeit des master in dem Verhalten des servant manifestierte, von verschuldensunabhängiger Haftung zu schweigen. 90 Eine mögliche Erklärung für diesen Rechtszustand liegt in der oben skizzierten pönalen Natur der unerlaubten Handlungen im frühen common law. Die Verhängung einer Strafe ist Ausdruck einer moralischen Mißbilligung durch den Staat, die ihrer Zweckbestimmung nach auf den wirklichen Delinquenten zugeschnitten ist, sich aber nicht auf Grundlage einer bloßen Statusbeziehung gegen einen Unbeteiligten richten darf: 91 ,,[Q]uia quis pro alieno facto non est puniendus", weil niemand für die Tat eines anderen bestraft werden darf, wie es in einem Gesetz von Edward I. (1272-1307) heißt. 92 Die mit dieser Regelung verbundenen Härten wurden zunächst durch eine Reihe von Ausnahmen abgefedert, bis sie mit dem Aufblühen der englischen Wirtschaft im ausgehenden 17. Jahrhundert zu einer deutlichen Gegenreaktion führten, aus der schließlich die modernen Grundsätze hervorgingen. Über einige Jahrhunderte hinweg war jedoch zur Begründung der Verantwortlichkeit des Herrn grundsätzlich der Nachweis erforderlich, daß er das schadenstiftende Verhalten des Bediensteten veranlaßt hatte oder zumindest Kenntnis davon besaß. Eine Reihe von Zeugnissen dieser restriktiven Gehilfenhaftung ist in den Entscheidungssammlungen der königlichen Gerichte überliefert, die bis in die Regierungszeit Edwards I. zurückreichen. In einem Fall aus dem Jahre 1292 hing der Erfolg der Verteidigung des Beklagten von der Existenz einer Urkunde ab, die von dem Gutsverwalter der Klägerin vernichtet worden war. Nach Auffassung des Richters änderte dies nichts an der Rechtslage, da die Klägerin selbst kein Unrecht begangen hatte: „The lady committed no tort, even if her bailiff did as you have stated." 93 Zehn Jahre später wurde einem Hausherrn eine Vergewaltigung zur Last gelegt, die seine Männer begangen hatten. Da er selbst keine Zustimmung zu dem Ver-
90 Vgl. die Passage aus dem „Treatise on Subpoena", aufgeführt bei Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 388. 91 Vgl. auch Pollock/Maitland, History II, 530f.; Holdsworth, History III, 383; Plucknett, Concise History, 473. 92 Statute of Westminster II, Chapter 35. 93 Year Books 20-21 Edward I., 64.
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halten gegeben hatte, wurde er freigesprochen. 94 Das Quellenmaterial zu der Problematik kann zwar alles in allem nicht als besonders reichhaltig angesehen werden. Es fanden sich in den nachfolgenden Jahrhunderten aber regelmäßig einige Entscheidungen, die Rückschlüsse auf die allgemeinen Rechtsauffassungen zulassen. In einem Fall während der Herrschaft Heinrichs VII. (1485-1509) wurde entschieden, daß eine Haftung des Herrn nicht in Betracht kommt, wenn entgegen seinem Willen ein Gehilfe Vieh auf ein fremdes Grundstück jagte. 9 5 Aus einem 1506 ergangenen Urteil folgt, daß den Beklagten nicht schon dann eine Verantwortlichkeit traf, wenn er eine rechtmäßige Anordnung gegeben hatte, die sein Gehilfe auf unerlaubte Weise ausführte. 96 Eine wissenschaftliche Abhandlung von 1518 stellte das Erfordernis eines Befehls in allgemeiner Form heraus: ,,[F]or trespas of batery or of wrongfull entre into landes or tenementes: ne yet for felony or murdre the mayster shal not be charged for hys seruaunt, oneles he dyd it by hys commaundement." 97 Die Liste der Beispiele läßt sich weiter ausdehnen.98 Zwei abschließende Entscheidungen machen deutlich, wie fest verwurzelt der Grundsatz noch bis zur Änderung der Rechtslage gegen Ende des 17. Jahrhunderts war. In Michael v. Alestree 99 erlitt der Kläger Verletzungen, da ein Bediensteter des Beklagten unkontrollierbare Pferde an einem öffentlich zugänglichen Ort ausgebildet hatte. Nach dem Urteil waren beide, Gehilfe und Herr, für das Unglück verantwortlich, letzterer, weil er das riskante Manöver angeordnet hatte. Schließlich wurde in Kingston v. Booth 1 0 0 , einem Prozeß wegen trespass, noch einmal die Maxime bestätigt, daß eine rechtmäßige Anordnung, die von einer Hilfsperson auf unrechtmäßige Weise vollzogen wurde, keine Verantwortlichkeit des Hintermannes begründen konnte. 1 0 1
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Year Books 30-31 Edward I., 203; vgl. auch Year Books 34 Edward I., 252. Year Books 13 Henry VII., 10, vgl. Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 387. 96 Year Books 20 Henry VII., 23; Year Books 21 Henry VII., 21; vgl. Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 387. 97 St. Germain, Doctor and Student, 269. 98 Vgl. Seaman v. Browning (1589) 1 Leo. 157; 4 Leo. 123; Waltham v. Mulgar (1606) Moo.K.B. 1076; Southern v. How (1618) Pop. 143. 99 (1677) 2 Lev. 172. 100 (1685) Skin. 228. 101 Vgl. die Begründung: ,,[I]f I command my servant to do what is lawful, and he misbehave himself or do more, I shall not answer for my servant, but my servant for himself, for that it was his own act; otherwise it was in the power of every servant to subject his master to what actions or penalties he pleased." 95
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4. Ausnahmefalle strikter Verantwortlichkeit Vermutlich hätte sich die Voraussetzung der Anordnung oder Kenntnis des Haftenden, die aus einer Zeit stammte, in der Privatrecht und Strafrecht noch untrennbar miteinander verwoben waren, nie so lange halten können, wenn sie nicht schon frühzeitig durch eine Reihe wichtiger Ausnahmen abgemildert worden wäre. Diese Sonderfälle, in denen eine strikte Verantwortlichkeit für andere in Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz traditionell anerkannt war, sind für die historische Betrachtung von besonderem Interesse, da sie in gewissem Umfang die Entwicklung des modernen Rechts vorbereitet haben. 102 Um die Faktoren abschätzen zu können, die zur Änderung der Rechtslage beigetragen haben, sind im folgenden einige wichtige Ausnahmekonstellationen in die Betrachtung miteinzubeziehen. a) Gesetzliche Haftung bestimmter Beamter Aufgrund Gesetzes traf einige bedeutende Beamte, die sich der Hilfe anderer Personen bei der Erfüllung ihrer Pflichten bedienten, eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht für deren Fehlverhalten. Unter Edward III. (1326-1377) wurde angeordnet, daß der Butler des Königs, der für die Weinversorgung bei Hofe zuständig war und damit in der mittelalterlichen Gesellschaftsordnung eine Position von höchstem Rang einnahm 1 0 3 , für das Fehlverhalten eines von ihm ernannten Stellvertreters wie für eigenes Unrecht aufkommen mußte. 1 0 4 Als königlicher Repräsentant in den Grafschaften war der Sheriff für die Verwaltung zuständig, führte den Vorsitz bei den Gerichtsversammlungen und überwachte die Durchführung des Rechts. 105 Hatte er mit der Beaufsichtigung des örtlichen Gefängnisses einen Wächter betraut, war er persönlich verantwortlich, wenn durch dessen Verschulden ein Gefangener entkommen war. 1 0 6 Die Haftung läßt sich in diesen und anderen vergleichbaren Fällen mit der herausragenden öffentlichen Stellung begründen, in der sich die Beamten befanden. 107
102
Vgl. auch Holdsworth, History III, 387. Vgl. The Oxford English Dictionary II, S. 707. 104 St. Germain, Doctor and Student, 267. 105 Vgl. The Oxford English Dictionary XV, S. 245 f. 106 St. Germain, Doctor and Student, 267. 107 Vgl. zu weiteren Fällen gesetzlich angeordneter strikter Verantwortlichkeit St. Germain, Doctor and Student, 266ff.; Pollock/Maitland, History II, 533 Fußn. 1; Holdsworth, History III, 387 Fußn. 2. 103
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b) Haftung für Brandschäden durch Hausangehörige und Gäste Ein Ausnahmefall von besonderer praktischer Bedeutung war die strikte Verantwortlichkeit des Herrn, in dessen Haus ein Bediensteter oder Gast ein Feuer entzündet hatte, das auf ein benachbartes Gut übergriff. Die Rechtslage wurde von Markham, J., in der Entscheidung Beaulieu v. Finglam von 1401 mit den folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: „A man is held to answer for the act of his servant or of his guest in such a case; for if my servant or my guest puts a candle on a beam, and the candle falls in the straw and burns all my house and the house of my neighbor also, in this case I shall answer to my neighbor for the damage which he has, quod concedebatur per curiam ... [B]ut if a man from outside my house, against my will, puts the fire ... for that I shall not be held to answer ... for this cannot be said to be through illdoing on my part, but against my will." 1 0 8 Eine vergleichbare Regelung gab es, wie dargestellt, auch in einigen niederländischen Statuten. Grotius behandelte die Haftung des Eigentümers, wenn Feuer aus seinem Haus ausgebrochen war und sich auf das Nachbargrundstück ausgebreitet hatte, an erster Stelle seiner Rubrik „misdaed deur wetduiding." 1 0 9 Zeichen gegenseitiger Beeinflussung sind jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr scheint es sich um unabhängige Parallelentwicklungen gehandelt zu haben, die sich in den beiden Ländern aufgrund der besonderen Gefahren des Feuers als einer der größten Risikoquellen der damaligen Zeit ergaben. 110
108 Year Books 2 Henry IV., 6. Übersetzung nach Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 385. Vgl. auch den Originaltext: „Home est tenus de renponder del fait son servat ou de son hosteller en tiel case, car si mon servant ou mon hosteller mette un chandel en un pariet, et le chandel eschiet en le straw, et arce tout ma meason, et le meason de mon vicine auri, en cest case jeo respondra al mon vicine del damage q il ad ... Mes si home de hors ma meason encouter ma volunte boute le fewe en le straw de ma meason ... de ceo jeo ne serra pas tenus de responder, car ceo ne poit estre dit per male de ma parte, mes enconter ma volunte." Siehe ferner St. Germain, Doctor and Student, 269: „Also if the seruant kepe the maysters fyre neclygently, wherby his maisters house is brent and his neyghbours also, there an accyon lyeth agaynst the mayster. But yf the seruaunt bere fyre necligently in the strete & therby the house of another is brennyd, there lyeth noo accyon agaynst the maister"; allgemein zur Problematik, vgl. Baker, History, 461. 109 S. ο., § 3 II 2. 110 Zur Rechtslage in Deutschland vgl. Fritsch, Gehilfenhaftung, 20: „Für den in mittelalterlichen Siedlungen besonders wichtigen Fall des Feuerschadens wird also der Haftende gleich behandelt, ob er selbst das Feuer nicht ordnungsgemäß verwahrt hat oder ob es sein Gesinde war, auf dessen Unvorsichtigkeit er von dem später geschädigten Nachbarn aufmerksam gemacht worden ist."
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c) Action of assumpsit und common callings Wenn ein Schuldner eine besondere vertragliche Verpflichtung übernommen hatte und sich zur Durchführung eines Gehilfen bediente, scheint er für dessen Fehlverhalten ohne Rücksicht auf eigenes Verschulden verantwortlich gewesen zu sein. 1 1 1 Diese Ausnahme, sofern sie von allgemeiner Anwendbarkeit war, läßt sich jedoch nicht weiter als bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückverfolgen. Vor dieser Zeit gab es für formlose Vereinbarungen noch kein writ, mit dem die königlichen Gerichte angerufen werden konnten. Die Klagbarkeit einfacher Versprechen wurde erst in der frühen Neuzeit mit Hilfe des sogenannten „writ of assumpsit" möglich 1 1 2 , das sich aus der deliktischen action of trespass on the case heraus entwickelt hatte. 1 1 3 Darüber hinaus traf Angehörige bestimmter Berufsgruppen („common callings") im Interesse der Allgemeinheit eine erhöhte Verantwortlichkeit, die auch in Abwesenheit einer besonderen vertraglichen Übernahme zu einer strengen Haftung für Hilfspersonen führen konnte. 1 1 4 Anstelle des Versprechens (assumpsit) stützte sich der Kläger in diesem Fall auf Gewohnheitsrecht, „the custom of the realm", als Grundlage für seinen Anspruch. 115 In diesem Sinne mußten bestimmte öffentliche Transportunternehmer („common carriers"), die gegen ein Entgelt von jedermann zur Beförderung von Waren verpflichtet werden konnten 1 1 6 , für jeglichen Verlust der empfangenen Gegenstände aufkommen, der nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen war („act of God, or of the King's enemies"). 117 Davon erfaßt waren auch Schäden, die durch ihre eigenen Leute herbeigeführt worden waren. 1 1 8 Von einer ähnlich weitgehenden Verantwortlichkeit 111 Vgl. Year Books, 11 Edward IV., 10 per Choke, J.: „If a man undertakes to cure me of a certain disease, and he gives me medicine which makes me worse, I shall have action on my case against him; but if he thus undertakes and then commands his servant to administer the medicine, and the servant does so and I am made worse, I have no action against the servant but against the master." Übersetzung nach Holdsworth, History III, 387. Vgl. auch den Originaltext: „Si home empreign sur luy de moy eurer de certein malady, s'il done tiel medicine ρ ql jeo sue enpaire, jeo avera actio s mon case vs luy, mes s'il enpreigne ut supra, et puis maunde son servat ρ mitter medecine a may, et enplaster ou medecin, ρ qur jeo sue enpair, jeo n'ava actio vs le svant, mes vs le Master. 1,2 Assumpsit ist eine Perfekt-Form des lateinischen Verbs assumere und bedeutet zu deutsch: „Er hat es übernommen, versprochen." 113 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 182; Henrich, Englisches Privatrecht, 37; Plucknett, Concise History, 637ff.; Grasmann/David, Einführung, 445. 114 Vgl. Plucknett, Concise History, 480ff. 1,5 Siehe Plucknett, Concise History, 481. 116 Palmer, Bailment, 553. 117 Vgl. Story, Bailments, § 489.
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waren Hauswirte allgemein zugänglicher Gaststätten betroffen, wie die folgende Passage einer wissenschaftlichen Abhandlung aus dem 16. Jahrhundert zeigt: ,,[I]f a man desyre to logge with one that y s no common hostyler and one that is seruaunte to hym that he lodgyth wyth: robbyth his chamber his mayster shall not be chargyd for that robbynge, but yf he had ben a comon hostyler he shulde haue ben chargyd." 119 Der Inhaber eines öffentlichen Wirtshauses („common inn") mußte folglich unabhängig von eigenem Verschulden für den Verlust von Gegenständen seiner Gäste aufkommen, die von Bediensteten geraubt worden waren. Die Verantwortlichkeit des Transportunternehmers und mehr noch die Einstandspflicht des Gastwirtes erinnert stark an die oben behandelte receptum-Haftung des nauta oder caupo, die vom Prätor entwickelt und ins europäische ius commune rezipiert worden war. Auch im römischen Recht ging die Haftung bis zur Grenze der höheren Gewalt und umfaßte in diesem Fall auch das Verschulden von Hilfspersonen. 120 Es stellt sich daher erneut die Frage, ob es sich insoweit um eine unabhängige Parallelentwicklung handelte oder ob möglicherweise eine direkte romanistische Beeinflussung nachweisbar ist. In der englischsprachigen Literatur ist die Meinung geäußert worden, daß die Haftung des „innkeeper" auf das römische Recht zurückzuführen sei. 1 2 1 Ein handfester Nachweis, daß diese Sonderregelung in ihrem Ursprung von den justinianischen Quellen inspiriert wurde, läßt sich zwar nicht erbringen. Sicher ist jedoch, daß in der richterlichen Ausgestaltung der Haftung römisches Gedankengut eine wichtige Rolle gespielt hat. Noch im 16. Jahrhundert war der common carrier nur verantwortlich, wenn ihm persönlich Verschulden zur Last fiel. Diese Einschränkung wurde im Laufe der Zeit aufgeweicht, bis schließlich Lord Holt und damit derselbe Richter, der (wie sich zeigen wird) in etwa zeitgleich die Grundlagen für die moderne Lehre der vicarious liability legte, in der Entscheidung Coggs v. Bernard 122 von 1703 die Haftung des common carrier auf ein neues theoretisches Fundament stellte und damit nachhaltig rationalisierte. In Coggs v. Bernard wurde der schwierige Begriff des „bailment", der die unterschiedlichsten Fälle vorübergehender Übertragung beweglicher Gegen1,8
Holdsworth, History III, 386. St. Germain, Doctor and Student, 269. 120 Vgl. hierzu (einschließlich Unterschieden) Zimmermann, Obligations, 523 f. 121 Story, Bailments, §§ 469ff. schreibt in diesem Zusammenhang zu Beginn seiner Ausführungen, daß nach herkömmlicher Auffassung die Haftung des Gastwirtes zurückzuführen sei „on the custom of the realm. In point of fact, the origin of the latter may be clearly traced up to the Roman law, from which the common law, without any adequate acknowledgements, has from time to time borrowed many of the important principles which regulate the subjects of the contracts." 122 2 Ld. Raym. 909. 119
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stände unkoordiniert umfaßte 123 , unter weitreichendem römischen Einfluß konkretisiert. 124 Die Haftung des Transportunternehmers wurde als absolute Verantwortlichkeit bis zur im Handelsrecht üblichen Grenze der höheren Gewalt („act of God and the king's enemies4') ausgestaltet. 125 Die Rechtfertigung, die Lord Holt diesem Ansatz zugrunde legte, ermöglicht interessante Rückschlüsse auf die Quellen, aus denen er schöpfte, und auf sein Wissen, das er daraus zog: „And this is a politick establishment contrived by the policy of the law, for the safety of all persons, the necessity of whose affairs oblige them to trust these sorts of persons, that they may be safe in their ways of dealing; for else these carriers might have an opportunity of undoing all persons that had any dealings with them, by combining with thieves, etc. and yet doing it in such a clandestine manner, as would not be possible to be discovered. And this is the reason the law is founded upon in that point." 126 Die Begründung entspricht in allen wesentlichen Punkten der Äußerung Ulpians in D. 4, 9, 1, 1, die Justinian dem Digestenkapitel über die receptum-Haftung von nauta, caupo und stabularius vorangestellt hatte. 1 2 7 Lord Holt hatte daher, direkt oder vermittelt durch zeitgenössische Autoren, genaue Kenntnisse von dem römischen Vorbild, als er der Haftung des common carrier seine moderne Gestalt verlieh. d) Lex mercatoria aa) Entstehung eines europäischen Handelsrechts Noch auf einem weiteren viel unmittelbareren Weg, war die Verantwortlichkeit des nauta für Hilfspersonen nach England gedrungen. In einem praktisch wichtigen Bereich des englischen Rechtslebens, dem die Haftung des Schiffers angehörte, hatten kontinentale Einflüsse traditionell gegenüber dem common law eine herausragende Rolle gespielt. Als es in Europa seit dem Ende des 11. Jahrhundert zu einer raschen Ausdehnung der landwirtschaftlichen Erzeugung und einer sprunghaften Zunahme der Städte gekommen war, hatte sich parallel zu diesem Prozeß ein besonderer Kaufmanns123
Baker, History, 440f.; Plucknett, Concise History, 476ff. Coquillette, Civilian Writers, 274; Zimmermann, Obligations, 204 f. 125 Vgl. Plucknett, Concise History, 482. 126 2 Ld. Raym. 909, 918; siehe auch Lane v. Cotton (1701) 12 Mod. 472. 127 Ulp. D. 4, 9, 1, 1: „Maxima utilitas est huius edicti, quia necesse est plerumque eorum fidem sequi et res custodiae eorum committere. Ne quisquam putet graviter hoc adversus eos constitutum: nam est in ipsorum arbitrio, ne quem recipiant, et nisi hoc esset statutum, materia daretur, cum furibus adversus eos quos recipiunt coeundi, cum ne nunc quidem abstineant huiusmodi fraudi"; dazu s. ο., § 2 III 1 a bb. 124
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stand herausgebildet, der auf regelmäßig stattfindenden internationalen Messen und Märkten sowie in zahlreichen Hafenstädten in beträchtlichem Ausmaß Fern- und Seehandel betrieb. 128 Gleichzeitig war als Ordnungsfaktor für den aufblühenden Wirtschaftsverkehr ein überregionales, ganz Europa umspannendes „Rechtskorpus" 129 zur Entstehung gekommen, das sich aus überwiegend ungeschriebenen, zum Teil aber auch in Statuten oder Rechtssammlungen niedergelegten Gebräuchen und Regeln zusammensetzte und das bereits in mittelalterlicher Zeit bewußt unter dem Begriff „lex mercatoria" zusammengefaßt wurde. 1 3 0 Für die Anwendung und Fortbildung dieses Handelsrechts etablierten sich vielerorts spezielle Gerichte, in denen sachkundige Laienrichter in einem beschleunigten, weitgehend informellen Verfahren mit erleichterter Beweisführung und umgehender Vollstreckungsmöglichkeit in Übereinstimmung mit der „aequitas mercatoria" 131 Recht sprachen. 132 England gehörte zu den wichtigsten Märkten des mittelalterlichen Wirtschaftsverkehrs. 133 Der Grundsatz der kommerziellen Freizügigkeit war bereits in der Magna Charta ausdrücklich anerkannt worden. 1 3 4 128
Zum folgenden vgl. insbesondere Berman, Recht und Revolution, 527ff.; Pohlmann, Quellen des Handelsrechts, 801 ff. 129 Berman, Recht und Revolution, 549. 130 Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 12. Pohlmann, Quellen des Handelsrechts, 801 spricht von einem „ungewöhnlich vielschichtigen und komplizierten Prozeß der europäischen Rechtswerdung." 131 Dazu Pohlmann, Quellen des Handelsrechts, 813. 132 Vgl. Piergiovanni, Courts and Commercial Law at the Beginning of the Modern Age, sowie Nörr, Procedure in Mercantile Matters: Some Comparative Aspects, beide in: Piergiovanni, The Courts and the Development of Commercial Law, Uff., 195ff. Es handelte sich um ein gemeineuropäisches Sonderrecht für Kaufleute, das trotz vielfacher lokaler Unterschiede einen international einheitlichen Charakter trug und aus dem sich das moderne Handelsrecht der westlichen Länder entwickelte. Dem Ursprung nach waren die Rechtsgrundsätze der lex mercatoria nur begrenzt von den römischen Quellen beeinflußt und gingen in erster Linie auf die allgemeinen Übungen des Handelsverkehrs zurück (Coing, Europäisches Privatrecht I, 519 ff.). In einer nachfolgenden Entwicklungsstufe gewannen jedoch die Bestrebungen zur Verwissenschaftlichung der Handelsrechtsübungen und -materien europaweit bindende Kraft mit der Folge, daß der Rechtsstoff anhand des begrifflichen Instrumentariums des ius commune systematisch durchdrungen wurde, bevor schließlich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in einer Phase der Partikularisierung die Grundsätze der lex mercatoria in die entstehenden nationalen Rechte aufgenommen wurde, vgl. Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 30. 133 Lipson, Economic History of England I, 221 ff.; derselbe, Economic History of England II, 184 ff. 134 Vgl. Artikel 41: „Omnes mercatores habeant salvum et securum exire ab Anglia et venire in Angliam, morari et ire per Angliam tarn per terram quam per aquam ad emendum et vendendum" (zitiert nach Pohlmann, Quellen des Handelsrechts, 814); vgl. auch Güterbock, Geschichte des Handelsrechts in England, ZHR 4 (1861), 13 f. 12 Wicke
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Mit der britischen Eingliederung in das europäische Fernhandelssystem war auch eine entsprechende geographische Ausweitung der lex mercatoria, englisch „law merchant" verbunden. Über die universale Geltung des Handelsrechts schrieb Blackstone in seinen „Commentaries on the Laws of England" (1765-1770): „[T]he affairs of commerce are regulated by a law of their own called the law merchant or lex mercatoria, which all nations agree in and take notice of. And in particular it is held to be part of the law of England which decides the causes of merchants by general rules which obtain in all commercial countries." 135 Da die common law courts mit ihrem umständlichen Verfahren sich ähnlich ihren kontinentalen Gegenstücken als Hemmnis für den Wirtschaftsverkehr darstellten 136 , etablierten sich auf den Märkten und Messen wie in anderen Ländern schon frühzeitig besondere Handelsgerichte. 137 Das Gewicht ihrer Rechtsprechung wurde in seerechtlichen Angelegenheiten seit dem 14. Jahrhundert verstärkt durch den „Court of Admiralty", einen zentralen in London ansässigen Gerichtshof mit starker überörtlicher Ausstrahlung. 138 Personell wurde der Court of Admiralty von einer kleinen exklusiven Klasse unter den englischen Juristen, den „civilians", monopolisiert, die an den im 12. und frühen 13. Jahrhundert in Oxford und Cambridge errichteten Universitäten 139 oder an einer adäquaten ausländischen Bildungseinrichtung eine intensive Schulung im 135
Commentaries, 273. Die erste einheimische Abhandlung zur lex mercatoria, das „Little Red Book of Bristol44 war bereits im Jahre 1280 verfaßt worden, vgl. Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 31. 136 Holdsworth, The Law Merchant, 299; Burdick, What is a Law Merchant?, 35 ff. Dieser Aspekt wird von Baker als entscheidendes Charakteristikum der lex mercatoria in England angesehen, vgl. The Law Merchant and the Common Law, 347: „The medieval law merchant was not so much a corpus of mercantile practice or commercial law as an expeditious procedure especially adapted for the needs of men who could not tarry for the common law.44 137 Neben den „piepowder courts44, benannt nach den vom weiten Reisen staubigen Füßen („pieds poudrés44) der Verfahrensbeteiligten (vgl. Gross, Select Cases Concerning the Law Merchant I, S. XIII ff., sowie Scrutton, General Survey, 9ff.), sind die „Courts of Staple44 zu erwähnen, die aufgrund des „Statute of Staple44 aus dem Jahr 1354 in den Hauptumschlagplätzen des Fernhandels errichtet worden waren (vgl. Holdsworth, The Law Merchant, 302 ff. und Brodhurst, The Merchants of the Staple, 16ff.). In Hafenstädten gab es darüber hinaus besondere Gerichte, die sich mit seerechtlichen Streitigkeiten befaßten und damit für die Anwendung eines bedeutenden Ausschnitts der lex mercatoria zuständig waren (Holdsworth, The Law Merchant, 294 ff.). 138 Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 31 f. Da seerechtliche Angelegenheiten zu diplomatischen Konflikten Anlaß geben konnten, hatte die Krone an seiner Tätigkeit ein besonderes Interesse, vgl. Holdsworth, The Law Merchant, 295 f. 139 Mit Oxford und Cambridge besaß England fast eineinhalb Jahrhunderte, bevor die erste Universität in Mitteleuropa gegründet wurde, zwei Rechtsschulen, in denen nach dem Vorbild Bolognas die beiden gelehrten Rechte des Mittelalters stu-
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römischen und kanonischen Recht erhalten hatten und damit der internationalen Rechtssprache mächtig waren. 1 4 0 Unter Heinrich VIII. (1509-1547) gelang es dem Gerichtshof zeitweise, seine Zuständigkeit praktisch auf das gesamte Handels- und Seerecht mit Auslandsberührung zu erweitern und damit der europäischen lex mercatoria einen immer größeren Anwendungsbereich zu sichern. 141 Langfristig wollten die common lawyers sich diesen profitablen Rechtszweig jedoch nicht entgehen lassen, so daß unter der Führung von Sir Edward Coke der Court of Admiralty mittels weitreichender Fiktionen und zahlreicher Verbotsverfügungen allmählich auf Randbereiche zurückverwiesen wurde. 1 4 2 Die englische Wirkungsgeschichte der lex mercatoria war damit jedoch längst nicht beendet. Denn zum einen hatte das common law seit dem Spätmittelalter bereits einige wesentliche Elemente des internationalen Handelsrechts in sich aufgenommen. 143 Zum anderen hatte der jurisdiktioneile Konflikt eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur seitens der gelehrten Juristen hervorgerufen, die in zahlreichen Abhandlungen den englischen law merchant unter Rückgriff auf gemeinrechtliche Quellen darstellten. 144 Als sich vor allem im 18. Jahrhundert die common lawyers gegenüber den Bedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs öffneten und dem englischen Handelsrecht seine moderne Prägung gaben, war durch den professionellen Zuschnitt dieser Schriften die europäische Handelsrechtswissenschaft methodisch und inhaltlich weiterhin in allgemein zugänglicher Form lebendig und konnte auf diese Weise Einfluß auf die königliche Rechtsprechung gewinnen. 145 diert wurden, vgl. Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 11. 140 Allgemein zu den civilians vgl. Coquillette, Civilian Writers, insbesondere S. 22ff. 141 Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 32; Windeyer, Lectures, 178; Holdsworth, The Law Merchant, 313. 142 Aufgrund des „Judicature Act" von 1873 wurde der Court of Admiralty schließlich in den High Court of Justice integriert. Seerecht wurde seitdem von der „Probate, Divorce and Admiralty Division" praktiziert, vgl. i.e. Windeyer, Lectures, 178 f. Durch den „Administration of Justice Act" von 1970 wurde dieses Konglomerat jedoch schließlich aufgelöst, vgl. Henrich, Englisches Privatrecht, 11. 143 Vgl. i.e. Baker, The Law Merchant and the Common Law, 340ff. 144 Vgl. Coquillette, Civilian Writers, 97ff.; Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 32. 145 Vgl. dazu insbesondere Coquillette, Civilian Writers, 19f.: „Yet it is my thesis that the English civilians, particularly the civilian writers, succeeded better than they knew - that their peculiar view of legal institutions and doctrines did have an impact on the development of common law jurisprudence in critcal ways ... Ironically their most lasting contriubtions to the substantive law would be through their influence on great common law jurists, particularly through civilian ideas about the law merchant, procedure, and codification." Die herausragende Richterpersönlichkeit in diesem Prozeß war Lord Mansfield, der in zahlreichen Urteilen aus kontinen1*
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§ 4 Haftung in der englischen Rechtsgeschichte
bb) Haftung für Hilfspersonen im Anwendungsbereich der lex mercatoria (1) Verantwortlichkeit
des nauta
Soweit der Anwendungsbereich der lex mercatoria reichte, zeigen sich auch im Hinblick auf die Gehilfenhaftung starke Ähnlichkeiten zu den Rechtsauffassungen auf dem Kontinent. Obgleich das Seerecht sich in erster Linie aus den allgemeinen mittelalterlichen Handelsbräuchen entwikkelt hatte, wurde die eingangs erwähnte Verantwortlichkeit des nauta in grundsätzlicher Übereinstimmung mit der römischen Vorlage und den Schriften europäischer Autoren ins englische Recht rezipiert. Mit dem erklärten Ziel, die Rechtsprechung des Court of Admiralty klar von den common law courts abzugrenzen 146 , um sie damit implizit gegen Übergriffe zu verteidigen, verfaßte William Welwod 1613 das erste seerechtliche Werk in England mit dem Titel „ A n Abridgement of A l l Sea-Lawes", nach Holdsworth „a clear and useful summary of maritime l a w " 1 4 7 . Welwod zufolge mußte der Schiffer für unerlaubte Handlungen aufkommen, die auf dem Schiff von anderen Personen verübt worden waren. Anders als im römischen Recht, aber in Übereinstimmung mit der Auffassung einiger römischholländischer Autoren, umfaßte die Verantwortlichkeit auch das Verhalten von Passagieren. 148 Unter direkter Bezugnahme auf die quasideliktische Haftungsregelung in den justinianischen Quellen formulierte Welwod: ,,[W]hat euer shall happen through fault, negligence or chaunce eschewable, or by the deed of passengers and others than himselfe or his kippage, the Skipper is holden to answere and pay for all, to the utmost penny." 1 4 9 Im Fall von Schädigungen oder Verletzungen der Matrosen untereinander waren diese jedoch, im Einklang mit den justinianischen Quellen, allein verantwortlich. 150 Ähnlich wie es sich in zeitgleichen niederländischen Schriften beobachten ließ, war Grundlage der Einstandspflicht eine unwitalen Rechtsaufzeichnungen und Abhandlungen zur lex mercatoria zitierte (Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 35) und in einer Entscheidung seine Grundauffassung mit den Worten beschrieb: „Mercantile Law is not the law of a particular country, but the law of all nations" (Luke v. Lyde (1759) 2 Burr. 882, 887). 146 Vgl. Abridgement, Widmung und S. 6 f. 147 History Vili, 11. Welwod war Professor in St. Andrews. Obschon er schottischer civilian war, betrachtete er die allgemeinen Handelsbräuche und nicht das römische Recht als erste Quelle des europäischen Seerechts, vgl. Senior, Early Writers on Maritime Law, 37 LQR (1921) 323, 328. 148 S. o., § 2 III 1 b, sowie § 3 II 1 a. 149 Abridgement, S. 29. 150 Abridgement, S. 29: „But it is not so if the damage bee done by a mariner to another, except hee bee a Merchant also"; vgl. Ulp. D. 4, 9, 7, 2: „Sed si quid nautae inter se damni dederint, hoc ad exercitorem non pertinet."
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derlegliche Verschuldensvermutung, die an die fehlerhafte Auswahl der Schiffsmannschaft oder Reisenden anknüpfte. Die Regelung sei in keiner Weise ungerechtfertigt, „because [the Skipper] ought to hire good men, and no euill person in his company: for it is in his owne free vvil to chuse his company." 1 5 1 Zusätzlich betonte Welwod das rechtspolitische Präventionsbedürfnis, das zur Einführung des Haftungstatbestandes durch den Prätor geführt hatte. 1 5 2 Gleich dem römischen Vorbild wurde die quasideliktische Verantwortlichkeit sauber von der zum Teil noch strengeren receptum-Haftung unterschieden: „The Master ought to render againe what-euer he receiues within his ship, to him who deliuered the same." 1 5 3 Aufgrund der actio exercitoria haftete der exercitor im römischen Recht für Verbindlichkeiten, die der Kapitän im Rahmen seiner Einsetzung (praepositio) begründet hatte. 1 5 4 Von einigen niederländischen Autoren war diese Verantwortlichkeit allgemein auf Delikte ausgedehnt worden, die der Schiffsführer bei Durchführung seiner Aufgaben begangen hatte. 1 5 5 Im Einklang mit der gemeineuropäischen Rechtslage wurde die actio exercitoria auch in England anerkannt. 156 Ob der Reeder grundsätzlich auch für uner151
Abridgement, S. 29. Abridgement, S. 29f.: „[Otherwise, if the master were not so obliged to all such duties and diligence for the Merchant and Passenger, there should be great occasion of stealth and spoile." 153 Abridgement, S. 28 (meine Hervorhebung). Eigenartigerweise übersetzt Welwod den Begriff des nauta, in Abweichung vom römischen und römisch-holländischen Recht nicht als Reeder (exercitor), sondern als Schiffskapitän (magister navis/master): Der Abschnitt XI des Abridgement, aus dem die vorangegangenen Zitate stammen, handelt von den Pflichten des Kapitäns gegenüber den Kunden („the Masters duties to the Merchant and Passenger"). Diese Interpretation findet sich auch in anderen englischen Werken, die sich inhaltlich auf das Abridgement stützen, vgl. Malynes, Consuetudo vel Lex Mercatoria, 103; ferner Molloy, Treatise, Buch 2, Kapitel 3, § 16, 24 Ed III. (S. 215): „Visum fuit curiae, quod unusquisque magister navis tenetur respondere de quacunque trasgressione per servientes suos in navi sua facta." Möglicherweise entsprach dies dem gemeineuropäischen Seegewohnheitsrecht, wie es unter anderem in dem Oleronschen Seerecht niedergelegt war, vgl. Hall, Select Cases Concerning the Law Merchant II, S. XCVf. Im Gegensatz hierzu scheint der Court of Admiralty jedoch entsprechend der Tradition des ius commune von einer Verantwortlichkeit des Schiffseigners ausgegangen zu sein, vgl. Marsden, Select Pleas in the Court of Admiralty II, S. LXXI (1575-1576), LXXVI. Sofern der Reeder selbst einen Matrosen angestellt hatte, mußte er für dessen Verschulden auch Welwod zufolge einstehen, Abridgement, S. 39. 154 S. ο., § 2 III 1 d. 155 S. ο., § 3 II 1 a ee. 156 Abridgement, 38f.: „It is not onely permitted to him who contracts with the Master of a ship, or that hath any other action or claime against him as Master of the ship, to pursue him; but also the outreader, setter, or exercitor thereof, as him who placed the Master ... except ... the Master haue obliged himselfe beyond his commission." 152
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laubte Handlungen des Kapitäns bei seiner Arbeit einstehen mußte, läßt sich dem Abridgement von Welwod nicht entnehmen. Der Court of Admiralty scheint demgegenüber von einer entsprechenden Haftung für Delikte des magister navis ausgegangen zu sein. 1 5 7 Die Verantwortlichkeit des nauta für das Unrecht seiner Leute war mithin über die lex mercatoria, von einem civilian begrifflich systematisiert, in das englische Recht eingedrungen und wurde vom Court of Admiralty neben anderen Gerichten bis ins 17. Jahrhundert angewandt. Abgesehen von einzelnen positivrechtlichen Nuancen stimmte die Rechtslage mit dem ius commune in Grundlage, Rechtfertigung und Ausgestaltung überein. (2) Die Haftung von Kaufleuten für ihre Gehilfen Das Seerecht deckte freilich nur einen Teilbereich der lex mercatoria ab. Es stellt sich daher die Frage, wie die Verantwortlichkeit von Kaufleuten für das Verhalten anderer Personen im allgemeinen ausgestaltet war. Die Untersuchung der Rechtslage ist angesichts der dürftigen Quellensituation erschwert: Von den Markt- und Messegerichten, die für Streitigkeiten unter Kaufleuten zuständig waren, gibt es nur wenige Rechtsaufzeichnungen 158 und auch die einschlägige wissenschaftliche Literatur ist wenig aufschlußreich. Ein Dokument ist indessen überliefert, das für weite Bereiche eine verbindliche Regelung erkennen läßt. Mit dem Ziel, den Außenhandel effektiver zu gestalten, wurde unter Edward III. (1326-1377) ein Gesetz, in französischer Sprache 159 , erlassen, „the Statute of the Staple" 1 6 0 , das bestimmten Städten ein Monopol für den Handel mit den wichtigsten Gütern der damaligen Zeit, wie Wolle, Blei und Leder, einräumte. 161 Teil des legislatorischen Programms war die Errichtung besonderer Handelsgerichte in den Hauptumschlagsplätzen des Fernhandels, die sogenannten „Courts of the Staple." Darüber hinaus nahm das Gesetz eine Reihe materieller Bestimmungen der lex mercatoria auf, um Kaufleuten ungestörten Handel nach ihren gewohnten Grundsätzen zu ermöglichen, insbesondere Schutz vor unerwarteten staatlichen Eingriffen zu gewähren. 162 In einer Vorschrift wurden die handelsrechtlichen Grundsätze anerkannt, nach denen 157
Marsden, Select Pleas in the Court of Admiralty I, S. 131 (1544-1545). Zur Problematik vgl. auch Holdsworth, History VIII, 250ff. 158 Ein mittelalterlicher Gerichtsschreiber hätte den zügigen Ablauf des Verfahrens eher behindert, vgl. Scrutton, General Survey, 10. 159 Zum Französischen als Rechtssprache des common law vgl. Maitland/Montague, English Legal History, 34 f. 160 27 Ed III. St. 2. 161 Holdsworth, The Law Merchant, 302. 162 Güterbock, Geschichte des Handelsrechts in England, ZHR 4 (1861), 20 f.
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Kaufleute für das Verhalten ihrer Hilfspersonen einstehen mußten, und damit gleichzeitig das weitgehende Recht der Krone eingeschränkt, als Reaktion gegen unerlaubte Handlungen Vermögen zu beschlagnahmen. 163 Entsprechend der darin vorgesehenen Regelung sollte niemand seine Güter oder Waren durch Delikte seines Angestellten verlieren, es sei denn dieser handelte auf Befehl oder mit Einverständnis seines Herrn, oder in Ausführung einer Aufgabe, die ihm sein Meister gestellt hatte. Die Verantwortlichkeit bei Kenntnis oder bei einer Anordnung stimmte mit der Rechtslage im common law überein, wie es sich in dieser Zeit herauszubilden begann. 164 Eine Erweiterung der Einstandspflicht ergab sich jedoch daraus, daß ein Geschäftsmann offensichtlich auch für Delikte eines Gehilfen haftete, die jener im Rahmen seiner Beschäftigung verübt hatte. Die Haftung von Kaufleuten für ihre Gehilfen war daher (anders als die vorstehend behandelten Ausnahmefälle strikter Haftung für fremdes Handeln) mit einer allgemeinen funktionalen Haftungsbegrenzung ausgestattet. Der in dem Statute of Staple überlieferte französische Begriff zur Umschreibung des erforderlichen Zusammenhangs, „en l'office", ist eine Übersetzung des lateinischen „in officio", das von zahlreichen gemeineuropäischen Autoren, wie Bartolus, Johannes Voet und anderen, verwandt wurde, um die funktionale Begrenzung der Gehilfenhaftung zum Ausdruck zu bringen. 165 Da die Regelung offensichtlich als Teil der lex mercatoria nach England gekommen war, ist sie ihrem Ursprung nach kontinentaleuropäisch. 166 163 Vgl. 27 Ed III. St. 2, Kapitel XIX: „Item que nul Marchaunt nautre, de quel condition qil foit, perde ne forface fez bienz ne Marchaundisez pur trespas et forfaiture de son servaunt, sii ne le face per Comaundement ou abette de son meistre, ou qil eit mespris en l'office en quel son meistre luy ad mys, ou en autre manere qe le maistre soit tenuz a réspondre pur le fait son servaunt per le ley Marchaunt, come per aillours ad este usee." Siehe hierzu auch Plucknett, Concise History, 474; Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 383, 385. 164 S. o., § 4 IV 3. 165 Die Formulierung der Vorschrift läßt vermuten, daß im Hinblick auf die Verantwortlichkeit für Hilfspersonen zu diesem Zeitpunkt bereits eine Berührung zwischen den allgemeinen Handelsgewohnheiten und der Rechtswissenschaft des ius commune stattgefunden hatte. 166 w e j t dieses Haftungsprinzip verbreitet war, läßt sich schwer abschätzen. In den Hauptumschlagplätzen des englischen Fernhandels, den „staple towns", war der Grundsatz spätestens seit Erlaß des Gesetzes im Jahre 1354 geltendes Recht. Vieles spricht dafür, daß auch auf weniger bedeutenden Messen und Märkten, an den piepowder courts und anderen lokalen Handelstribunalen entsprechend verfahren wurde. An der Rechtslage wird sich ferner nichts geändert haben, nachdem die örtlichen Kaufmannsgerichte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an Bedeutung verloren hatten (Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 31) und Handelssachen für eine Zeitlang zu einem großen Teil an Schiedsgerichten verhandelt wurden (im Hinblick auf die Bedeutung außergerichtlicher Schlichtungsinstanzen für die Perpetuierung der Gedanken des law merchant vgl. Cornish/Clark, Law and Society in England, 30, 36ff., 198 f.). Ange-
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e) Doctor and Student Nach dem Erlaß des Statute of the Staple sollte es noch mehr als drei Jahrhunderte dauern, bevor die funktional begrenzte Gehilfenhaftung sich als anerkannter Grundsatz des common law etablierte. Wie es sich häufig beobachten läßt, drängten die Bedürfnisse des Handelsverkehrs offenbar früher zu einer Neuregelung, die später zu einem treibenden Faktor für die allgemeine Privatrechtsentwicklung werden konnte. Allerdings brauchte man in England nicht Experte im law merchant sein, um das moderne Prinzip der Haftung des Herrn für Delikte seiner Leute in Ausführung der Verrichtung zu kennen. In einer zentralen Schrift der einheimischen Rechtsliteratur, Doctor and Student von St. Germain, das im Jahre 1523 in einer ersten lateinischen Version auf den Markt kam, war der Grundsatz bereits in allgemeiner Weise vorformuliert. 167 aa) Die zweite Schicht des englischen Rechts: Equity Die Entstehung des Werkes ist im Zusammenhang mit einer der nachhaltigsten Entwicklungen im Rahmen der englischen Rechtsgeschichte zu sehen. Seine Veröffentlichung fiel in eine Epoche beginnender geistiger und sozialer Unruhe auf der Schwelle zur Neuzeit, in deren Verlauf die überlieferte Gesellschaftsordnung allmählich in ihren Grundfesten erschüttert wurde. Das imposante Gebäude des common law, das gleich einer gotischen Kathedrale die Überlegenheit der mittelalterlichen Vorstellungswelt symbolisierte, sah sich zum ersten Mal kritischen Angriffen von außen ausgesetzt. 168 Der rechtsschöpferische Elan der Königsgerichte war gegen Ende des 14. Jahrhunderts langsam abgeschwächt. 169 Der Formalismus des writ-Systems führte zu einer Erstarrung des anzuwendenden Rechts, das häufig keinen Raum für gerechte Entscheidungen mit Rücksicht auf die sichts des Fehlens anderslautender Quellen läßt sich daher mit gewisser Vorsicht formulieren, daß die vicarious liability des master für Delikte seines servant, die dieser in the course of his employment verübt hat, in England schon seit dem 14. Jahrhundert unter Kaufleuten generelle Gültigkeit besaß. Wie hier im Ergebnis auch Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 385: „Apparently this is the first positive modification in civil matters. Here, as often elsewhere, mercantile convenience is earliest in calling for adjustments"; vgl. ferner Holdsworth, History III, 387; nach Plucknett, Concise History, 474f. und Baty, Vicarious Liability, 18 f. liegt die Bedeutung der Vorschrift im „law of forfeiture." 167 Vgl. auch Thome, St. Germain's Doctor and Student, 211: „St. Germain's Doctor and Student is a most important book ... for scholars tracing the influx of Continental ideas into fifteenth- and early sixteenth-century England." 168 Ygi Vinogradoff, Reason and Conscience in Sixteenth Century Jurisprudence, 24 LQR (1908), 373. 169 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 184.
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besonderen Umstände des Einzelfalls ließ, mit der Folge, daß arglistige Ausnutzung prozessualer Spitzfindigkeiten begünstigt wurde und weitgehende Rechtsschutzlücken vor allem im Bereich der Rechtsfolgen entstanden. 1 7 0 Schon in einem frühen Stadium der Rechtsentwicklung kam es daher vor, daß sich eine Partei, die erfolglos ein Verfahren vor den Gerichten des Königs angestrengt hatte, mit der Bitte um Abhilfe an die Krone wandte, um losgelöst von den strikten Regeln des common law eine Entscheidung nach den Geboten der Moral und des Gewissens herbeizuführen. 1 7 1 Die Bittschriften wurden regelmäßig an den Kanzler weitergeleitet, der einerseits aufgrund seiner writ-Praxis genaue Kenntnisse des königlichen Rechts besaß 172 und andererseits bis auf die Zeit Heinrichs VIII. (1509-1547) als „keeper of the king's conscience" ein hoher Geistlicher mit Schulung im kanonischen Recht war, dessen Regeln gewissermaßen als christliche Gewissenspflichten in seine Entscheidungen mit einflossen. 173 Aus dieser Spruchpraxis bildete sich als permanente Institution der „Court of Chancery", ein weiterer großer Gerichtshof von Westminster Hall. Die von ihm angewandten Grundsätze verfestigten sich im Laufe der Zeit zu einem Komplex besonderer Rechtsregeln, die man unter dem Begriff der „equity" zusammenfaßte und die als zweite Schicht des englischen Rechts das common law überlagerten. 174 Aus dem Nebeneinander der unterschiedlichen Gerichtszweige ergaben sich später zeitweise Spannungen, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts in einem Zusammenstoß zwischen Lord Chancellor Ellesmere und Chief Justice Coke gipfelten. Der Konflikt wurde von James I. zugunsten der equity-Rechtsprechung entschieden, die seit diesem 170
Henrich, Englisches Privatrecht, 5. Vgl. im einzelnen Baker, History, 114ff.; Plucknett, Concise History, 675 ff. 172 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 186. 173 Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 28; Holdsworth History IV, 275f.; History V, 222. Das Verfahren vor dem Court of Chancery war der kanonischen „denunciatio evangelica" nachgestaltet, vgl. Coing, English Equity and the Denunciatio Evangelica of the Canon Law, 71 LQR (1955), 223 ff. Generell zum Einfluß des kanonischen Rechts auf das englische Recht vgl. Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993, 4, 21 ff.; Giesen, The Imperial Mother and her Papal Daughter, S. 431 ff. 174 Vgl. zum Verhältnis von common law und equity Maitland, Equity, 153: ,,[W]e ought to think of the relation between common law and equity not as that between two conflicting systems, but as that between code and supplement, that between text and gloss. And we should further remember this, that equity was not a self-sufficient system - it was hardly a system at all - but rather a collection of additional rules. Common law was, we may say, a complete system - if the equitable jurisdiction of the Chancery had been destroyed, there still would have been law for every case, somewhat rude law it may be, and law imperfectly adopted to the needs of our time, but still law for every case. On the other hand, if the common law had been abolished equity must have disappeared also, for at every point it presupposed a great body of common law." 171
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Zeitpunkt in Streitfällen grundsätzlich Vorrang genoß. 175 Bis zum heutigen Tag lebt - ungeachtet der Verschmelzung der beiden Rechtsschichten durch die Judicature Acts von 1873-1875 - die charakteristische dualistische Struktur des englischen Rechts, bestehend aus dem common law und seinen Modifikationen und Ergänzungen durch die rules of equity, fort. 1 7 6
bb) St. Germain und equity In St. Germain's Doctor and Student findet sich ein erster Versuch, die beiden Seiten der englischen Rechtsordnung in ein Gespräch einzubinden und auf diese Weise miteinander zu versöhnen. Das Buch enthält einen freundlichen Dialog zwischen einem „doctor of divinity", d. h. einem Geistlichen mit einer universitären Ausbildung in Theologie, Latein und im kanonischen Recht, und einem Studenten des common l a w . 1 7 7 Durch diese Darstellungsform wird das englische Recht dem universalen römisch-kanonischen Recht gegenübergestellt und auf eine bis dahin einzigartige Weise nach Ursprung, Zweck und Auswirkung kritisch überprüft. Die vergleichende Betrachtung führt das common law aus seiner Isolation heraus, ordnet es in einen weiteren Gesamtzusammenhang ein und überwindet somit die Kluft zwischen den scheinbar disparaten Rechtsideologien, ein Ansatz, der von zahlreichen späteren civilians aufgegriffen wurde. Die Grundkonzeption von Doctor and Student basiert auf dem Glauben an die Existenz eines unabänderlichen, allen Völkern und Rechtskreisen gemeinsamen „Law of God", das in den nationalen Rechtsordnungen - als „Law of Man" oder „Law Positive" - auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gekommen ist und diese im Einzelfall zur Vermeidung von Härten ergänzen muß. 1 7 8 Aus dem Nebeneinander von göttlichem und positivem Recht erklärt sich St. Germain's einflußreiche theoretische Begründung der equity-Rechtsprechung: ,,[E]quytye followyth the law in al partyculer cases where ryght and Iustyce requyreth, notwythstandynge that a general rewle of the law be to the contrary, 175
Vgl. Windeyer, Lectures, 260. Grasmann/David, Einführung, 452. Wie sich hiermit zeigt, ist der Ausdruck „common law" nicht eindeutig. In einem weiteren Sinne bezeichnet man damit das gesamte Recht des anglo-amerikanischen Rechtskreises im Unterschied zum römisch-europäischen „civil law." In einem engeren Sinne versteht man unter „common law" nur das in England von den königlichen Gerichten geschaffene Recht, das vom „statute law" und von der Rechtsmasse der „equity" unterschieden wird, vgl. Henrich, Englisches Privatrecht, 2f.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 185. 177 Vgl. zum folgenden vor allem Coquillette, Civilian Writers, 48 ff.; Simpson, Biographical Dictionary, 458. 178 Vgl. dazu die Einleitung zu Doctor and Student von Plucknett und Barton, S. XLIV. 176
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wherfore it apperyth that yf any lawe were made by man without any suche excepcyon expressyd or implyed it were manyfestly unresonable & were not to be sufferyd, for suche cases myght come that he that wolde obserue that lawe shuld breke both the lawe of god and the lawe of reason." 1 7 9 Als im Jahre 1529 mit Thomas More zum ersten Mal ein weltlicher Lordkanzler ernannt und die Chancery allmählich säkularisiert wurde, Heinrich VIII. ferner nach seiner Abkehr von der katholischen Kirche 1540 das Studium des kanonischen Rechts verboten hatte, konnte Doctor and Student, mit seiner leicht zugänglichen, auch für den „common lawyer" verständlichen Darstellung der aus dem kanonischen Recht abgeleiteten equityPrinzipien die entstandene Lücke füllen. 1 8 0 Auf diese Weise legte das Werk die Grundlagen für die Entwicklung der modernen equity-Rechtsprechung und erlangte mit 30 Neuauflagen der um 1530 erschienenen englischen Fassung außergewöhnliche Popularität und immense praktische Bedeutung. 181 cc) Haftung für Hilfspersonen in Doctor and Student St. Germain selbst hatte eine Ausbildung als common lawyer im „Inner Temple" erhalten, verfügte aber aufgrund seiner umfassenden Bildung über weitreichende Kenntnisse im römischen und kanonischen Recht. 1 8 2 Auch seine Erörterung der Haftung für Hilfspersonen zeugt von dieser zweigleisigen Gelehrsamkeit. Die Rechtslage nach common law wird auf mehreren Seiten umfassend mit Regeln und Ausnahmen dargestellt. Diesen Ausführungen vorangestellt ist ein Absatz, der eine beinahe wörtliche Übersetzung einer Passage aus der „Summa Angelica", einem 1488 in Nürnberg erschienenen Werk, enthält und einige nunmehr schon bekannten Charakteristika aufgreift: „In the sayd summe called summa Angelica ...: Is asked thys questyon, whether a man shallbe charged for his housholde. And it is sayd there that he shall whan the housholde offendeth in an offyce or mynysterye that the mayster ys the chyef offycer of: and he hathe the werke & the profyte of the housholde. For it shalbe his default that he wolde chuse such seruauntes, for he ought to appoynte honeste persones." 1 8 3 179
Doctor and Student, 97. Coquillette, Civilian Writers, 50. 181 Thorne, St. Germain's Doctor and Student, 211; Stolleis, Juristen, 532. St. Germain betonte, daß sich die Universitäten und die common lawyers im wörtlichen wie im übertragenen Sinne unterschiedlicher Sprachen bedienten. Der doctor of divinity war nicht einmal in der Lage, die Berufssprache des student zu verstehen, da er kein „thynge experte" in der „frenche tonge" war (Doctor and Student, 7). Von symbolischer Bedeutung ist daher auch die Tatsache, daß Doctor and Student eine der ersten rechtlichen Abhandlungen war, die auf Englisch veröffentlicht wurden. Zum ganzen vgl. Coquillette, Civilian Writers, 49. 182 Coquillette, Civilian Writers, 50. 180
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Spätestens nach der Veröffentlichung von St. Germain's Doctor and Student wird der Gedanke der funktional begrenzten Gehilfenhaftung, wie man sie auf dem Kontinent verstanden hat - vicarious liability im eigentlichen Sinne - , auf breiter Basis unter den englischen Juristen bekannt gewesen sein. Der Umfang der Verantwortlichkeit des Hausherrn wurde abgesteckt durch die Bestellung zu einem bestimmten Geschäft („offyce or mynysterye"). Fortschrittlich ist der Gedanke, daß der Herr als Konsequenz des Profits, den er aus der Anstellung von Hilfspersonen zieht, auch die Last der daraus resultierenden Schäden tragen muß. 1 8 4 Von hier aus wäre es über die equity-Rechtsprechung ein kurzer Weg gewesen, der zu einer Modifizierung der - ungeachtet zahlreicher Ausnahmen - rigorosen Regeln des common law geführt hätte. Die Zeit war für diesen Schritt jedoch offensichtlich nicht reif. Es war erst noch ein Umweg zu gehen, bevor das Ziel schließlich erreicht werden konnte. 1 8 5
V. Durchbruch der modernen Lehre Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde Großbritannien zum Ausgangspunkt eines der größten Umbrüche in der Weltgeschichte, der in der Folge Kontinentaleuropa, die nordamerikanischen Staaten sowie Japan erfaßte und üblicherweise als industrielle Revolution bezeichnet wird. Unter diesem Schlüsselbegriff werden abstrakt die beschleunigten technologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen zusammengefaßt, die zu einem Übergang von der Agrar- zur modernen Industriegesellschaft führten. Als wichtige Faktoren in diesem Prozeß sind wissenschaftlich-technischer Fortschritt, die Nutzbarmachung neuer Energiequellen, die Entwicklung des Finanzsektors und Verkehrswesens, starkes Bevölkerungswachstum und eine damit einhergehende wesentliche Erhöhung des Realeinkommens pro Kopf der Bevölkerung zu erwähnen. 186 Es besteht heute Einigkeit darüber, daß es sich um einen multikausalen Vorgang handelte, der von zahlreichen histori183
Doctor and Student, 265 f. Vgl. daneben auch die Originalversion, Summa Angelica, S. 58: „Dominus teneatur ex facto familiae ... sic quae familia eius deliquit in officio seu ministerio in quo ipse dominus est praepositus. Ipse utitur opere talis familiae. Sibi imputât, quod talem elegit: quia honestas debebat ponere." Neben der Summa Rosella von Baptista war die Summa Angelica von Angelus Carletus das zweite Werk, aus dem St. Germain seine Kenntnisse zu Detailregelungen im kanonischen Recht zog, vgl. die Einleitung zu Doctor and Student von Plucknett und Barton, S. XXVIII. 184 Vgl. freilich schon Ulp. D. 50, 17, 149. 185 Vgl. auch Holdsworth, History VIII, 229, mit der These, daß die vicarious liability ohne Lord Holt hauptsächlich durch den Court of Chancery entwickelt worden wäre; ihm folgend Fridman, Agency, 7. 186 Vgl. allgemein Brockhaus, Band 10, S. 477, 482f.
V. Durchbruch der modernen Lehre
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sehen Voraussetzungen abhängig war, die zu einem großen Teil zeitlich vor dem eigentlichen Wandel anzusiedeln sind. 1 8 7 Die geographischen Entdeckungen in den vorangegangenen Jahrhunderten hatten den ökonomischen Horizont Europas erweitert, die Reformation eine religiöse Grundhaltung stimuliert, die wirtschaftlichen Aktivitäten positiv gegenüber stand, und unter der Tudor-Herrschaft war ein politisch stabiles Klima geschaffen worden, das ein stetiges Wachstum begünstigte. 188 Zu den Ursachen und Folgen der Industrialisierung sind überdies einige entscheidende rechtliche Entwicklungen zu zählen, ohne die grundlegende Veränderungen nicht denkbar gewesen wären. Ein Beispiel, das in der Geschichtswissenschaft vielfach hervorgehoben wird, ist die Freiheit des Eigentums, die sich in England bereits im 16. Jahrhundert herausgebildet hatte und von den königlichen Gerichten entschlossen gegen Übergriffe der Krone verteidigt wurde. 1 8 9 Die Anforderungen der entstehenden Industriegesellschaft unterschieden sich im allgemeinen erheblich von den Bedürfnissen der landbesitzenden agrarischen Welt, die das common law bis dahin hervorgebracht hatte. 1 9 0 Aus diesem Grund ergab sich die Notwendigkeit, das gemeine englische Recht den Gewohnheiten des Handels anzupassen, ein Vorgang, der traditionell vor allem mit der Persönlichkeit des Richters Lord Mansfield in Verbindung gebracht wird. 1 9 1 Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war jedoch schon vorher von Lord Holt unternommen worden, der von 1689-1710 Chief Justice war und während dieser Zeit auch den Grundstein für die moderne Lehre der vicarious liability gelegt hatte. 1 9 2 Nachdem der Court of Admiralty auf Randbereiche zurückgedrängt worden war und die örtlichen Handelsgerichte an Bedeutung verloren hatten, ergab sich für die common law courts eine weitreichende Zuständigkeit für Handelssachen. 193 Mit Lord Holt war ein Richter an die King's Bench berufen worden, der über ein ausreichendes Verständnis für die Bedürfnisse des Wirtschaftsverkehrs verfügte und die Notwendigkeit einer Anpassung seiner Rechtsprechung an die ökonomische Praxis anerkannte. 194 Um dieses Ziel verwirklichen zu können, konsultierte er in seinen Entscheidungen führende Londoner Kaufleute, die ihm die erforderlichen Einsichten in die einschlägigen Handelsbräuche vermittelten. 1 9 5 Ungeachtet seiner reformerischen Aufgeschlossenheit trat Lord Holt 187 188 189 190 191 192 193 194
Vgl. Pawson, The Early Industrial Revolution, S. 15 ff. Clarkson, The Pre-Industrial Economy in England, 9. Clarkson, The Pre-Industrial Economy in England, 21. Cornish/Clark, Law and Society in England, 198. Vgl. Baker, The Law Merchant and the Common Law, 340, 343. Cornish/Clark, Law and Society in England, 198. S. o., § 4 IV 4 d aa. Holdsworth, Some Makers of English Law, 154.
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§ 4 Haftung in der englischen Rechtsgeschichte
seinen Ratgebern jedoch grundsätzlich mit einer konservativ kritischen Haltung gegenüber und übte sich in Zurückhaltung, wenn es um die rechtliche Anerkennung neuer wirtschaftlicher Gepflogenheiten ging. 1 9 6 Obwohl Lord Holt kein civilian, sondern essentiell common lawyer w a r 1 9 7 , verfügte er gleichwohl über beachtliche Kenntnisse im römischen Recht, wie sich anhand zahlreicher überlieferter Fälle, einschließlich des oben erwähnten Urteils in Coggs v. Bernard, demonstrieren läßt. 1 9 8 Die Ermittlung der Quellen, aus denen er schöpfte, ist freilich erschwert, da sich in seinen Entscheidungen nur wenige Verweise auf wissenschaftliche Autoren finden. 1 9 9 Ebenso wie Lord Mansfield hat er ferner nie eine abstrakte literarische Abhandlung zu einer rechtlichen Problematik verfaßt, sein Ziel war grundsätzlich allein die Schlichtung spezifischer Streitfragen. 200 Gleichwohl zeigt sich der Einfluß romanistischer Gelehrsamkeit Lord Holts selbst in Fragen des modernen Handelsrechts, zu denen die justinianischen Quellen noch keine Lösung bereit hielten. In seinen Urteilen läßt sich die Tendenz beobachten, Regelungen der Wirtschaftspraxis ständig auf Nutzen, Rechtfertigung und dogmatische Stimmigkeit zu überprüfen. 201 Von den civilians unter seinen juristischen Kollegen hatte Holt dabei als wichtige Lektion gelernt, „how to effectively and pragmatically use legal ideas from many sources." 202
1. Die frühen Entscheidungen Lord Holts Diese Kompetenz offenbarte sich auch in der Problematik der Gehilfenhaftung. Die Entwicklung der vicarious liability zählt zu den bedeutenden Neuerungen Holts, deren praktische Relevanz vor allem in dem nachfolgenden industriellen Zeitalter deutlich werden sollte. In einer Reihe von Entscheidungen legte Holt weitgehend im Alleingang die Grundlagen für die moderne Doktrin. Soweit die einschlägigen Urteile auch von anderen Richtern mitgetragen wurden, beruhten deren Begründungen nicht auf dem neu eingeführten Rechtsprinzip, sondern auf einer Erweiterung oder analogen Anwendung einer der oben behandelten mittelalterlichen Sondertatbestände. 195
Windeyer, Lectures, 232. Vgl. dazu Simpson, Biographical Dictionary, 257: „He was essentially a reforming conservative like so many heroes of the common law." 197 Holdsworth, Some Makers of English Law, 159. 198 Coquillette, Civilian Writers, 281: ,,[W]hile his knowledge of civil and commercial law may not have rivaled Mansfield, it was nonetheles impressive." 199 Coquillette, Civilian Writers, 274, 281. 200 Coquillette, Civilian Writers, 271. 201 Coquillette, Civilian Writers, 282. 202 Coquillette, Civilian Writers, 271. 196
V. Durchbruch der modernen Lehre
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Demgegenüber scheint Lord Holt sich wenig um die Rechtslage gekümmert zu haben, die in entgegenstehenden früheren Urteilen zum Ausdruck gekommen war. 2 0 3 Das für das englische Recht aus heutiger Sicht charakteristische Präzedenzsystem war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeprägt. 2 0 4 Die Unterscheidung zwischen „ratio decidendi" und „obiter dictum" tauchte zum ersten Mal in einer Entscheidung von 1670 a u f 2 0 5 , in der jedoch gleichzeitig die Bindungskraft irrtümlicher Urteile verneint wurde, und erst im 19. Jahrhundert bildete sich das Fallrecht mit der Lehre des „stare decisis" in seiner modernen Strenge heraus. 206 Vor diesem Hintergrund sind in der ersten Entwicklungsphase der vicarious liability noch keine ausgereiften und differenzierten Grundsätze zu erwarten, deren sprachliche Formulierungen in mehreren aufeinander folgenden Gerichtsentscheiden identisch sind. Eine derartige systematische Stringenz würde eine professionelle Konsequenz in der Berichterstattung voraussetzen, die in diesem Stadium der Rechtsgeschichte noch nicht gewährleistet war. Namentlich die Äußerungen Holts sind häufig von unzuverlässigen Reportern in undifferenzierter Form überliefert worden. 2 0 7 Ungeachtet dieser zahlreichen Defizite ist es klar erkennbar, daß Holt die vicarious liability in ihrer Grundstruktur mit ihren charakteristischen Hauptelementen für das englische Recht begründet hat. Vor allem die beiden Ausgangsentscheidungen lassen deutliche Schlüsse und einige Vermutungen im Hinblick auf die Quellen zu, aus denen er dabei schöpfte.
a) Boson ν. Sandford (1691) Boson v. Sandford 208 war eigentlich ein klassischer Fall für den Court of Admiralty, der ohne dessen Zurückdrängen durch Coke und andere 203 Vgl. auch Baty, Vicarious Liability, 19: „The advent of Holt, in 1688, produced a decided change. He may not have decided any case which is irreconcilable with the doctrine ... laid down in his court. But his attitude paved the way for a radical innovation. It is, however, his dicta rather than his decisions hat have had such a sweeping effect." 204 S. o., § 4 IV. 205 Vgl. Bole v. Horton (1670) Vaugh. 360, 382; Edgcomb v. Dee (1670) Vaugh. 89, 93. 206 Plucknett, Concise History, 349f.; Baker, History, 224ff. Nach Zimmermann/ Jansen, Quieta Movere, sind die geistesgeschichtlichen Strömungen, die in England zur Herausbildung der Lehre des stare decisis führten, mit denjenigen vergleichbar, die hierzulande in etwa zeitgleich den Gesetzespositivismus hervorgebracht haben, vgl. insbesondere S. 314: „Thus, the same kind of legal formalism gained ascendency in England which had previously taken hold of German legal scholarship, except that in the one country it found its focal point in judicial precedent, whereas in the other it emphasized the role of legislation." 207 Windeyer, Lectures, 232.
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common lawyers nicht vor der King's Bench verhandelt worden wäre. Inhaltlich ging es um eine Konstellation, die aus den bisherigen Erörterungen bekannt ist. Der Kapitän eines Schiffs hat Güter des Klägers zum Transport entgegengenommen und unterwegs fahrlässig beschädigt. Dieser verlangt vom Schiffseigner Ersatz. Ein kurzer Rückblick mag die Beurteilung der Lage in den vorstehend behandelten Rechtssystemen in Erinnerung rufen. Nach römischem Recht wäre in diesem Fall aufgrund der Übernahme der Gegenstände durch den Kapitän die receptum-Haftung des Reeders ausgelöst worden. Die quasideliktische actio damni in factum adversus nautas wäre demgegenüber ausgeschieden, da sie wohl nur bei Sachbeschädigungen durch einfache Matrosen anwendbar war. 2 0 9 In Ergänzung zu der receptum-Haftung mußte nach römisch-holländischem Recht der Schiffseigentümer aufgrund der erweiterten actio exercitoria auch für Delikte des Kapitäns bei Durchführung seiner Aufgaben einstehen. 210 Dies entsprach auch der Regelung im englischen Seerecht, wie sie vom Court of Admiralty rezipiert worden war. 2 1 1 Justice Eyre, der neben Holt für die Entscheidung zuständig war, scheint diesen Besonderheiten wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Immerhin kam auch er zu einer Verantwortlichkeit des Schiffseigentümers, allerdings nicht aufgrund seerechtlicher Bestimmungen, sondern in analoger Anwendung der oben erwähnten Ausnahme strikter Haftung des common carrier für Delikte seiner Gehilfen. Den Kapitän hat er zu diesem Zweck als einfachen „servant" angesehen, dessen Verhalten eine Verantwortlichkeit des Transportunternehmers nach common law begründete. 212 Demgegenüber stützte Holt sein Urteil auf zwei unterschiedliche Grundlagen, die von einer tiefergehenden Kenntnis des anwendbaren Rechts zeugen. Ungeachtet des fragmentarischen Charakters der Überlieferung läßt der Report vermuten, daß Holt bei seiner Entscheidung zum einen die receptum-Haftung des exercitor und zum anderen die Verantwortlichkeit des Reeders für Delikte des von ihm ernannten Kapitäns, als europäische Fortbildung des römischen Rechts, im Auge hatte: „The owners are liable in respect of the freight and as employing the master." 213 Dieser Äußerung folgt die erste Formulierung des allgemeineren Grundsatzes durch ein 208
2 Salk. 440; 3 Mod. 321. Dafür spricht Paul. D. 4, 9, 7 pr., wonach eine Haftung für das Verhalten von nautae eintritt. Darin scheint nicht der Schiffskapitän Inbegriffen zu sein. Vom Wortlaut des Fragments Gai. D. 44, 7, 5, 6 wäre freilich auch eine Verantwortlichkeit des magister navis gedeckt. Zu beiden Quellen s. o., § 2 III 1 b, § 2 III 1 b bb. 2.0 S. o., § 3 II 1 a ee. 2.1 S. o., § 4 I V 4 d b b ( l ) . 212 Vgl. 2 Salk. 440: „Eyre, Justice, held there was no difference between a landcarrier and a water-carrier, and that the master of a ship was no more than a servant to the owners in the eye of the law." 213 Vgl. 2 Salk. 440 (meine Hervorhebung). 209
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königliches Gericht: ,,[F]or whoever employs another is answerable for him, and undertakes for his care to all that make use of him." Die Anstellung des Kapitäns wurde zum Anknüpfungspunkt der strikten Haftung für fremde Schuld genommen. Folglich war die Übertragung einer Aufgabe für die Verantwortlichkeit entscheidend (wenngleich in der angeführten Passage der Gedanke der funktionalen Haftungsbegrenzung noch nicht ausdrücklich als einschränkende Voraussetzung zum Vorschein gekommen war). Es ist zu vermuten, daß Holt von dem entsprechenden Grundsatz der lex mercatoria, der in England seit dem Statute of Staple verbreitet war, Kenntnis hatte. 2 1 4 Mit einiger Bestimmtheit läßt sich dagegen sagen, daß das Material, aus dem die erste vicarious liability Entscheidung geschmiedet wurde, nicht aus dem common law gewonnen wurde, sondern gemeineuropäischer Natur war. Der Vorgang der Rechtsschöpfung erinnert an den Generalisierungsprozeß, der in etwa zeitgleich bei dem niederländischen Autor Johannes Voet (1647-1713) zu beobachten war. 2 1 5 Auch in der dogmatischen Einordnung der Verantwortlichkeit zeigen sich erstaunliche Parallelen zum römisch-holländischen Recht: Mit dem Begriff des Quasikontrakts, „ex quasi contractu" 216 , wurde in dem Urteil ausdrücklich auf eine römische Systemkategorie Bezug genommen, die von Johannes Voet zur Einordnung der receptum-Haftung des nauta verwandt worden
b) Turberville
v. Stampe (1698)
Das Urteil in Boson ν. Sandford hatte, wie mit dieser Klassifizierung zum Ausdruck gebracht wurde, eine starke vertragliche Färbung und wäre für sich genommen wohl keine hinreichende Autorität für die Begründung der „deliktischen" vicarious liability gewesen. 218 Von besonderem Gewicht war daher die zweite Entscheidung Lord Holts zur Gehilfenhaftung, Turberville v. Stampe 219 , in der zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses keine rechtliche Verbindung zwischen den Parteien gegeben war. Interes214
S. o., § 4 IV 4 d bb (2). S. o., § 3 II 3 c aa. 2.6 2 Salk. 440. 217 Nach Baty, Vicarious Liability, bildete die Haftung von nauta, caupo und stabularius den Ursprung der Lehre der vicarious liability, vgl. S. 146: „Probably the true fountain of the liability was not the legislation de deiectis vel effusis, but the much more general text Nautae, Caupones and the actio de recepto." 218 Vgl. auch Cornish/Clark, Law and Society in England, 489; Holdsworth, History VIII, 476. 2,9 Vgl. 12 Mod. 152; Skin. 681; Comb. 459; Carth. 425; Holt 9; 2 Salk. 647, 726; 1 Ld. Raym. 264. Vgl. hierzu auch Holdsworth, History VIII, 474, 476; Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 394f.; Holmes, 2.5
13 Wicke
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santerweise ging es wiederum um einen Sachverhalt, der durch Erweiterung einer der mittelalterlichen Ausnahmekategorien strikter Verantwortlichkeit für fremde Schuld zu lösen war. Die Parteien des Rechtsstreits waren Eigentümer angrenzender Höfe, auf denen Heide wuchs. Ein Bediensteter des Beklagten entzündete ein Feuer, das außer Kontrolle geriet und die Pflanzen auf dem Grundstück des Klägers verbrannte. Nach der Rechtslage im Mittelalter, die anschaulich in der Entscheidung Beaulieu v. Finglam von 1401 zum Ausdruck gekommen w a r 2 2 0 . haftete der Herr, in dessen Haus ein Bediensteter oder Gast einen Brand verursacht hatte, für die daraus resultierenden Schäden unabhängig von eigenem Verschulden. Eine direkte Anwendung dieser Regelung war problematisch, da das Feuer nicht innerhalb des Gebäudes entzündet worden war. Für die Mehrheit der Richter war jedoch entscheidend, daß die Flammen von dem Grundstück des Beklagten ausgingen: ,,[F]or the property of the materials makes the property of the fire." 2 2 1 Demgegenüber zog Lord Holt anstelle der räumlichen Abgrenzung nach dem Ursprungsort des Feuers eine Unterscheidung nach den Personen vor, deren Verhalten eine Einstandspflicht des Hausherrn auslösen konnte. Im Hinblick auf einen Außenstehenden, „a stranger", mußte die Verantwortlichkeit ausscheiden. Anders war die Situation jedoch in jenem prominenten Beispiel, das Holt vor der Formulierung des eigentlichen Grundsatzes zur Kontrastierung aufführte. Es erscheint geradezu verblüffend, daß er den folgenden, von der Sachverhaltskonstellation her vollkommen zusammenhanglosen Fall in sein Urteil eingeflochten hat: „But if my servant throws dirt into the highway, I am indictable." 2 2 2 Damit nahm Holt auf die Verantwortlichkeit des Hauseigentümers für herausfliegende Gegenstände aufgrund der römischen actio de effusis vel deiectis Bezug. Die nachfolgende Fassung des allgemeinen Prinzips enthält, anders als noch das Urteil in Boson ν. Sandford, ausdrücklich das Element der funktionalen Haftungsbegrenzung: „ I am not bound by the act of a stranger in any case, yet if my servant doth any thing prejudicial to another, it shall bind me, where it may be presumed that he acts by my authority, being about my business." 223 Darf man der „headnote" der Entscheidung Glauben schenHistory of Agency, 387; Fifoot, English Law and its Background, 178; Cornish/ Clark, Law and Society in England, 489; Zimmermann, Effusum vel deiectum, 320. 220 S. o., § 4 IV 4 b. 221 1 Ld. Raym. 264. Nach Auffassung von Lord Holt war darin hingegen ein veralteter Ansatz zu sehen: „But Holt Chief Justice answered, that that was an antiquated entry"; ferner Comb. 459; hierzu siehe auch Holdsworth, History VIII, 474. 222 1 Ld. Raym. 264; vgl. ferner Blackstone, Commentaries, 431; Holdsworth, History VIII, 476; Zimmermann, Effusum vel deiectum, 320. 223 Dabei stellte Holt gleichzeitig klar, daß die Verantwortlichkeit anders als nach mittelalterlichem Recht unabhängig von einer ausdrücklichen Anweisung des Beklagten verhängt wurde, vgl. 1 Ld. Raym. 264.
V. Durchbruch der modernen Lehre
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k e n 2 2 4 , war selbst seine Wortwahl mit dem modernen Recht identisch: „ A master is responsible for all acts done by his servant in the course of his employment, though without particular directions." 225 Mit Turberville v. Stampe war die englische Doktrin der vicarious liability geboren. Ihr Schöpfer war Lord H o l t 2 2 6 , der in seiner Urteilsbegründung deutlich von seinen Kollegen abwich und sich dabei gleichzeitig vom mittelalterlichen englischen Recht distanzierte. Aufgrund zahlreicher Urteile war er für seine besondere Fähigkeit bekannt, das common law den Bedürfnissen des Handelsverkehrs (in dem das Prinzip schon längere Zeit verbreitet war) anzupassen. Die Rechtsfortbildung wurde in England stärker als auf dem Kontinent von Richtern betrieben. Über die Faktoren, die für eine lückenhaft und unzuverlässig aufgezeichnete Gerichtsentscheidung relevant waren, lassen sich nicht so genaue Aussagen treffen wie über die Einflüsse auf eine wissenschaftliche Abhandlung mit zahlreichen Querverweisen. Ob Lord Holt etwa die maßgebliche Passage aus St. Germain's Doctor and Student gelesen hatte, bevor er sein Urteil fällte, ist nicht sicher nachweisbar. 2 2 7 Vor diesem Hintergrund gewinnen scheinbar beiläufige Äußerungen eines Richters besonderes Gewicht, wenn aus ihnen die Kenntnis bestimmter Rechtsregeln spricht. In den beiden Ausgangsentscheidungen zur vicarious liability, Boson ν. Sandford und Turberville ν. Stampe, nahm Holt auf drei Fallgruppen strikter Haftung für fremde Schuld Bezug, die aufgrund der europäischen Interpretation der römischen Quellen Teil des ius commune waren: Die receptum-Haftung des Reeders, dessen Verantwortlichkeit für Delikte des Kapitäns in Durchführung seiner Arbeit und die Einstandspflicht des Hauseigentümers aufgrund der actio de effusis vel deiectis. Darüber hinaus war in das gemeine Recht im wesentlichen nur die Haftung des publicanus für seine familia rezipiert worden, die aber auch in der niederländischen Schule nur von wenigen Autoren aufgegriffen worden w a r . 2 2 8 Mit anderen Worten: Selbst aus den spärlichen Gerichtsaufzeichnungen läßt sich mit einiger Sicherheit ermitteln, daß Holt die vicarious liability verall224 Zu der Bedeutung der headnotes vgl. MacLeod, Legal Methods, 95. Kritisch Baty, Vicarious Liability, 23. 225 1 Ld. Raym. 264. Vgl. dort auch zu einer anderen Formulierung: „So in this case if the defendant's servant kindled the fire in the way of husbandry and proper for his employment, though he had no express command of his master, yet his master shall be liable to an action for damage done to another by the fire; for it shall be intended, that the servant had authority from his master, it being for his master's benefit." 226 Holdsworth, History VIII, 229. 227 Im Gegensatz dazu ergeben sich beispielsweise die Anregungen, die Johannes Voet für die Formulierung des Grundsatzes durch andere Autoren erhalten hatte, unmittelbar aus seinen persönlichen Angaben. 228 S. o., § 3 II 1 c. 1
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gemeinernd aus dem Gedankenmaterial der römischen Rechtstradition gewonnen hat. Zwar kannten, wie dargestellt, die justinianischen Quellen noch keine allgemeine funktional begrenzte Gehilfenhaftung. Vielmehr wurde der Grundsatz erst anhand des römischen Rechts im Wege der kollektiven Rechtsfindung durch die europäische Rechtswissenschaft gewonnen. In diesem Prozeß war Lord Holt jedoch gleichsam der englische Repräsentant. Was in den Niederlanden von der Wissenschaft geschaffen wurde, war in England das Werk eines Richters, der es verstand, Rechtsgedanken fremden Ursprungs für das common law fruchtbar zu machen. Über den Court of Admiralty, die lex mercatoria und St. Germain's Doctor and Student hatte es in der vorliegenden Frage genügend kommunizierende Röhren gegeben, die Großbritannien ständig mit dem Kontinent verbanden. Durch die Rechtsprechung Lord Holts kam es schließlich zu einer direkten Berührung zwischen common law und civilian tradititon, die intensiv genug war, um der europäischen Lehre zum Durchbruch zu verhelfen. Die nachfolgende konkrete Ausgestaltung der vicarious liability sollte demgegenüber im wesentlichen zu einer internen Angelegenheit des englischen Rechts werden. 229
2. Verfestigung des Grundgerüsts Ein Wesensmerkmal der vicarious liability ist, daß die Haftung des Geschäftsherrn unabhängig von eigenem Verschulden eintritt. Aufgrund der daraus resultierenden Strenge ist die Lehre im englischen Recht häufig auf Skepsis gestoßen. Noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ein systematischer Versuch unternommen, die vicarious liability auf die vertragliche Sphäre zurückzudrängen. 230 Möglicherweise wäre sie bald schon im Sande verlaufen, wenn das soeben errichtete Grundgerüst nicht von Lord Holt persönlich in einer Reihe weiterer Entscheidungen verfestigt worden wäre. 2 3 1 Von Beginn an zeigte er sich dabei bemüht, das neue Haftungsprinzip auf eine theoretische Basis zu stellen. Während er teilweise mit Fiktionen arbeitete, kam in seinen letzten Entscheidungen zur Problematik seine wirkliche Motivation zum Vorschein: Die weitgehende Verantwortlichkeit des master wurde unabhängig von dogmatischen Überlegungen in fortschrittlicher 229
Nach Holmes, History of Agency, spielte die Fiktion der Identifikation von Geschäftsherrn und Gehilfen, ausgedrückt beispielsweise durch die Maxime „qui facit per alium, facit per se", eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Problematik. Der Gedanke der Identifikation hatte in den Entscheidungen Holts jedoch nur eine begrenzte Bedeutung und diente primär als rechtliche Konstruktion, mit der nachträglich erwünschte Resultate dogmatisch begründet werden sollten. Vgl. auch Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 399 Fußn. 1. 230 Vgl. Baty, Vicarious Liability. 231 Ähnlich Cornish/Clark, Law and Society in England, 490.
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Weise durch rechtspolitische Erwägungen gerechtfertigt. 232 Eine gewisse Rolle sollten in dieser Phase der Entwicklung auch noch einmal die mittelalterlichen Fallgruppen spielen. Nach Turberville v. Stampe war Holt im darauffolgenden Jahr gleich zweimal mit der Problematik befaßt. In Jones v. Hart 2 3 3 wurde einer Klage gegen einen Pfandleiher stattgegeben, dessen Angestellter das Pfandgut verloren hatte. Interessanter als die eigentliche Entscheidung waren die zahlreichen Illustrationen, die Holt zur Verdeutlichung des Grundsatzes aufführte. 2 3 4 Um sein Urteil theoretisch zu untermauern, bediente er sich einer doppelten Fiktion: „For whoever employs another, is answerable for him, and undertakes for his care to all that make use of him. The act of a servant is the act of his master , where he acts by authority of the master." 2 3 5 Da die Haftung, wie sich aus den aufgeführten Beispielen ergab, nicht auf den vertraglichen Bereich beschränkt war, läßt sich nicht von einer Garantie („undertaking") für die Sorgfalt des Bediensteten gegenüber außenstehenden Dritten sprechen. 236 Überdies wird das Tätigwerden des Gehilfen, auch wenn er aufgrund einer entsprechenden Befugnis handelte, nicht buchstäblich zu einem Handeln des Geschäftsherrn. Dennoch wurden beide Gedanken, Garantie und Identifikation von master und servant, in der Folgezeit wiederholt zur Rechtfertigung der strikten Verantwortlichkeit aufgeführt. In der Entscheidung Middleton v. Fowler 2 3 7 aus demselben Jahr hatte der Fahrer einer Postkutsche unterwegs den Koffer eines Passagiers verloren, welcher aus diesem Grund eine Klage gegen den Geschäftsherrn erhob. Holt entschied zunächst, daß die besondere Haftung des common carrier nicht anwendbar w a r 2 3 8 , da der Transport nicht zu einem feststehenden Preis angeboten worden sei. Auch darüber hinaus kam eine Einstandspflicht nicht in Betracht, da der Fahrer lediglich für ein Trinkgeld und damit gleichsam auf eigene Rechnung gehandelt habe. Der Gedanke der funktionalen Haftungsbegrenzung fand in der Entscheidungsbegründung einen deutlichen Ausdruck: ,,[N]o master is chargeable with the acts of his servant, but when he acts in execution of the authority given by his master." 2 3 9 232
Vgl. auch Plucknett, Concise History, 476. (1699) 2 Salk. 441. 234 „If the servants of A with his cart run against another cart, wherein is a pipe of wine, and overturn the cart and spoil the wine, an action lieth against A. So where a carter's servant runs his cart over a boy, action lies against the master for the damage done by this negligence: and so it is if a smith's man pricks a horse in shoeing, the master is liable." 235 Meine Hervorhebung. 236 Vgl. auch Holdsworth, History Vili, 477. 237 (1699) 1 Salk. 282. 238 Dazu s. ο., § 4 IV 4 c. 239 Meine Hervorhebung. 233
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Nicht durchsetzen konnte Lord Holt sich mit seiner Position in der Entscheidung Lane v. Cotton aus dem Jahre 1701. 2 4 0 Der Kläger, Lane, hatte einem Postbeamten einen Brief übergeben, in dem sich ein Wertpapier befand. Auf der Poststelle wurde der Inhalt der Sendung von einem unbekannten Angestellten entwendet. Lane verlangte von dem Postminister, Cotton, Ersatz des entstandenen Schadens. Während die Mehrheit der Richter der Auffassung war, daß einen Minister der Zentralregierung für unerlaubtes Verhalten von Angestellten keine Verantwortung treffe, setzte sich Holt für eine Haftung ein. 2 4 1 In seiner Argumentation nahm er auf einige der oben erwähnten mittelalterlichen Sonderkategorien Bezug, wie beispielsweise die Einstandspflicht von bestimmten Beamten oder Inhabern allgemein zugänglicher Wirtshäuser. Neben der besonderen öffentlichen Stellung des Postministers begründete Holt die Verantwortlichkeit anhand rechtspolitischer Erwägungen. Auffällig ist vor allem die Hervorhebung präventiver Gesichtspunkte, die erneut sehr deutlich an Ulpian erinnern: ,,[I]f he should not be charged, he might keep a correspondence with thieves." 2 4 2 Darüber hinaus spielten die Beweisschwierigkeiten, denen der Kläger als Außenstehender ausgesetzt war, eine gewichtige Rolle: „It would be hard in this case to put the plaintiff to prove a particular neglect amongst such a multitude of under-officers; ergo the postmaster is charged with i t . " 2 4 3 Aus diesen Gründen war es nach Auffassung Holts notwendig, die Person mit der höchsten Verantwortung für die Risiken aus seiner Organisationssphäre aufkommen zu lassen. 244 Beide Aspekte, Prävention und Beweisfragen, werden bis in die moderne Zeit als Gründe für die Auferlegung von vicarious liability diskutiert. 245
240
Vgl. 1 Salk. 17; 1 Ld. Raym. 646; 12 Mod. 472. Die Auffassung, daß den Minister selbst keine Verantwortung treffe, setzte sich später durch, vgl. Whitfield ν. Lord le Despencer (1778) 2 Cowper 754; Bainbridge v. Postmaster-General [1906] 1 KB 178. Die Härte der Auffassung von Holt lag in der persönlichen Haftung des Ministers anstelle der Krone, die in einer übergeordneten Position war, vgl. Holdsworth, History VI, 267. Die Krone traf aber zu der damaligen Zeit keine Einstandspflicht, da man sagte, daß der König kein Unrecht verüben könne, s. u., § 5 II 2 c. 242 1 Salk. 18; vgl. auch 12 Mod. 482. 243 Der Gesichtspunkt der Beweisschwierigkeiten findet sich auch bereits bei Grotius Inleiding, 3, 32, 22 zur Rechtfertigung strikter Verantwortlichkeit für fremdes Handeln. 244 ,,[T]he postmaster-general was liable, because the care of the whole is committed to him, and the rest are but his deputies", vgl. 1 Salk. 17. Zusätzlich begründete Holt auch in Lane v. Cotton seine Entscheidung mit Hilfe von Fiktionen, vgl. 1 Salk. 18: „What is done by the deputy is done by the principal, and it is the act of the principal, who may displace him at pleasure." 245 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 16 f., 20. 241
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Rechtspolitische Erwägungen wurden schließlich auch in der letzten von Holt überlieferten Entscheidung zur vicarious liability, Hern v. Nichols, maßgeblich. 246 Ein Kommissionär des Beklagten hatte einen Kunden bei einem Geschäft im Ausland über die Qualität der verkauften Seide getäuscht. Holt gab der Schadensersatzklage mit einer undogmatischen, an Gerechtigkeitsüberlegungen orientierten Argumentation statt: ,,[F]or seeing somebody must be a loser by this deceit, it is more reason that he that employs and puts a trust and confidence in the deceiver should be a loser, than a stranger." 247
3. Blackstone Es bleibt daher festzuhalten: Nach der Einführung der vicarious liability hat Holt seine Lehre in mehreren Urteilen beharrlich weiterverfolgt. Während er anfangs ausschließlich bemüht war, das Prinzip anhand von künstlichen rechtlichen Konstruktionen zu stützen, sah er die Grundlage der Einstandspflicht des Geschäftsherrn später primär in einer rechtspolitisch motivierten Zurechnung. Wie die weitere Entwicklung deutlich macht, war er mit diesem Ansatz seiner Zeit ein ganzes Stück vorausgeeilt. In der unmittelbar darauffolgenden Phase gab es nur wenige Entscheidungen zur vicarious liability. 2 4 8 Nennenswerte Veränderungen in der positiven Ausgestal246 1 Salk. 282. Die Entscheidung stammt vermutlich aus dem Jahr 1709, vgl. Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 395. 247 Die Entscheidung hat darüber hinaus wichtige Implikationen im Hinblick auf die positivrechtliche Ausgestaltung der vicarious liability. Der Beklagte war zum Ersatz verpflichtet, obwohl sich der unmittelbare Delinquent als Kommissionär, „factor", nicht in der Position eines streng untergeordneten Bediensteten, sondern in einer unabhängigen Stellung befand. Die Verantwortlichkeit für eine vorsätzliche Täuschung bedeutet ferner eine weitgehende Ausdehnung des funktionalen Haftungszusammenhangs, die sich allgemein erst wesentlich später durchsetzte. Der extensive Ansatz wurde möglicherweise durch das Bestehen vertraglicher Beziehungen zwischen Kläger und Beklagtem begünstigt. 248 Die wichtigsten Fälle nach Holt sind Armory v. Delamirie (1722) 1 Str. 505 und Boucher v. Lawson (1734) Cas.t.Hard. 85, 194. Im erstgenannten Fall hatte der Lehrling eines Goldschmieds Steine aus dem Ring eines Kunden entwendet. Laut Pratt, C.J., „the action well lay against the master, who gives a credit to his apprentice and is answerable for his neglect." Eine restriktive Tendenz läßt sich in Boucher v. Lawson beobachten. Ein Kapitän hatte Gegenstände des Klägers an Bord des Schiffs genommen, die bei der Ankunft am Zielort nicht mehr vorhanden waren. Die Klage gegen den Schiffseigentümer, der den Kapitän ernannt hatte, wurde mit der Begründung abgewiesen, daß das Schiff in dem konkreten Fall nicht zum Zweck des entgeltlichen Transports unterwegs gewesen sei. In den Worten von Hardwicke, C.J.: ,,[I]t must appear that the ship was employed in that voyage to carry goods for hire" (vgl. Cas.t.Hard., 199). Siehe zu beiden Fällen auch Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 395 f.
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tung bahnten sich demgegenüber erst sehr viel später an. Ein repräsentatives Bild im Hinblick auf die Rechtsanschauungen im 18. Jahrhunderts ist durch Sir William Blackstone (1723-1780) in seinen Commentaries on the Laws of England überliefert. Der Name Blackstone markiert im Rahmen der Rechtsgeschichte Englands einen entscheidenden Wendepunkt, da mit ihm der akademische Unterricht des common law an den Universitäten begann. 249 Nachdem Blackstone, der im Grunde ein civilian war, aus politischen Gründen nicht zum Regius Professor für civil law in Oxford ernannt worden war, erhielt er den ersten Lehrstuhl im englischen Recht, der im Jahre 1758 aufgrund einer testamentarischen Verfügung von Sir Charles Viner aus dessen Vermögen eingerichtet worden w a r 2 5 0 . Aus den Vorlesungen Blackstones gingen die „Commentaries on the Laws of England" hervor, die (mit Ausnahme von Bracton) die früheste umfassende Gesamtdarstellung des common law lieferten und mit ihrer leicht zugänglichen Darstellungsform als „book of authority" für dessen Entwicklung innerhalb und außerhalb Englands nachhaltige Bedeutung gewannen. 251 Wissenschaftsgeschichtlich lassen sich die Commentaries als englische Version der sogenannten Institutionenlehrbücher begreifen, die im 17. und 18. Jahrhundert europaweit verfaßt wurden und einen systematischen Überblick der jeweiligen nationalen Rechte zum Ziel hatten. 252 Die Problematik der Haftung für Verrichtungsgehilfen findet bei Blackstone eine umfangreiche Behandlung, die mit ausführlichem Fallmaterial versehen ist. Um die verschuldensunabhängige Verantwortlichkeit des master zu begründen, stützte Blackstone sich nicht auf rechtspolitische Erwägungen, sondern statt dessen auf unterschiedliche Fiktionen. In Ermangelung einer ausdrücklichen Anordnung müsse das Verhalten des servant auf eine stillschweigende Weisung („implied command") zurückzuführen sein. Auf der Grundlage dieser Sichtweise seien Geschäftsherr und Gehilfe als Einheit zu begreifen. Das von Holt etablierte Prinzip einer funktional begrenzten Haftung wurde von Blackstone dabei ohne Anzeichen eines Zweifels bestätigt: „As for those things which a servant may do on behalf of his master, they seem all to proceed upon this principle that the master is answerable for the act of his servant, if done by his command, either expressly given or implied: nam qui facit per alium, facit per se ... If a servant ... by his negligence does any damage to a stranger, the master shall answer for his neglect ... But in these cases the damage 249 250
4, 17. 251
Plucknett, Concise History, 286. Zimmermann, Der europäische Charakter des englischen Rechts, ZEuP 1993,
Simpson, Biographical Dictionary, 61; Windeyer, Lectures, 245. Vgl. dazu Luig, Institutionenlehrbücher des nationalen Rechts im 17. und 18. Jahrhundert, 3 lus Commune (1970), 64 ff. 252
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must be done, while he is actually employed in the master's service ... The reason of this is still uniform and the same; that the wrong done by the servant is looked upon in law as the wrong of the master himself." 253 Der umfassenden Natur der Commentaries entsprechend bemühte sich Blackstone in diesem Zusammenhang zum ersten Mal um eine begriffliche Definition des Verhältnisses von master und servant. Allgemein verstand der Autor darunter eine Personenverbindung, „whereby a man is directed to call in the assistance of others, where his own skill and labour will not be sufficient to answer the cares incumbent upon h i m . " 2 5 4 Ausgangspunkt seiner Überlegung war folglich das Bedürfnis nach Arbeitsteilung. Die Sklaverei lehnte er jedoch aus naturrechtlichen Erwägungen ab: [P]roper slavery does not, nay cannot, subsist in England ... And indeed it is repugnant to reason, and the principles of natural law, that such a state should subsist any where." 2 5 5 Den Begriff des servant konkretisierte Blackstone anhand von vier unterschiedlichen Fallgruppen. In die erste Kategorie fielen die Hausbediensteten, „menial servants" oder „domestics" 2 5 6 , die aufgrund vertraglicher Abmachungen für ihren Herrn tätig wurden. Die Charakterisierung dieses Vertrages als Dienstmiete 251 erinnert an die römische „locatio conductio operarum" und läßt auf kontinentalen Einfluß schließen. Zu den servants gehörten weiterhin Lehrlinge, „apprentices" sowie bestimmte Arbeiter, „labourers", die in Abwesenheit rechtlicher Vereinbarungen und ohne der Familie des master anzugehören aufgrund Gesetzes zur Beschäftigung als Tagelöhner unter Zwang verpflichtet werden konnten. Besonderer Hervorhebung bedarf schließlich die letzte Fallgruppe. Unter die Kategorie des servant fielen demzufolge auch Personen in übergeordneter Stellung („being rather in a superior, a ministerial, capacity" 2 5 8 ), wie Verwalter oder Kommissionäre, so lange sie für einen anderen tätig wurden. 2 5 9 Das Verhältnis zwischen master und servant wurde in diesem Stadium der Entwicklung folglich sehr extensiv interpretiert, weiter als der normale Sprachgebrauch vermuten ließ.
253
Commentaries, 429 ff. Commentaries, 422. 255 Commentaries, 423. 256 Commentaries, 425. 257 „The contract between them and their masters arises upon the hiring." 258 Commentaries, 427. 259 ,,[S]uch as stewards, factors and bailiffs: whom however the law considers as servants pro tempore, with regard to such of their acts, as affect their master's or employer's property." 254
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4. Agency und vicarious liability Was auf den ersten Blick überraschend wirken mag, wird verständlicher, wenn man sich den weiteren Zusammenhang vor Augen führt, in den der Gegenstand eingebettet ist. Die Problematik der vicarious liability wurde in der englischen Rechtswissenschaft unter der Rubrik master and servant traditionell gemeinsam mit dem Recht der Stellvertretung behandelt, das sich erst in späterer Zeit als selbständiger Rechtszweig, „law of agency", emanzipierte. Noch Blackstone untersuchte beide Themenkreise unter der einheitlichen Fragestellung „how strangers may be affected by this relation of master and servant." 260 Im einen wie im anderen Fall geht es um die Verpflichtung einer Person (des Geschäftsherrn bzw. Vertretenen) gegenüber außenstehenden Dritten, die durch das Verhalten eines anderen (Gehilfen oder Stellvertreter) begründet wird. Auch die Geschichte des law of agency scheint in einigen Punkten interessante Parallelen zu der Entwicklung der Gehilfenhaftung aufzuweisen. Die Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung durch eine andere Person war schon frühzeitig in mehreren Sondertatbeständen anerkannt. Zu den Ursprüngen gehörten neben der angelsächsischen Munthaftung und dem normannischen Institut des „attornatus" bestimmte Sonderfälle öffentlicher Beamter sowie einige kirchenrechtliche Konstellationen. 261 Als allgemeines Prinzip hat sich die Stellvertretung zunächst unter Kaufleuten im Anwendungsbereich der lex mercatoria Bahn gebrochen 262 , bevor sie generell in das common law eingedrungen ist. 2 6 3 Die Rechtswissenschaft ordnete die Thematik sodann systematisch unter die Haftung des master für das Verhalten des servant e i n . 2 6 4 Auf diese Weise ergab sich eine Vermischung beider Konzepte, die sich im unterschiedslosen Gebrauch der relevanten Termini niederschlug. 265 „In 260
Commentaries, 428. Siehe Commentaries, 430: „In the same manner, whatever a servant is permitted to do in the ususal course of his business, is equivalent to a general command. If I pay money to a banker's servant, the banker is answerable for it: if I pay it to a clergyman's or a physician's servant, whose ususal business it is not to receive money for his master, and he embezzles it, I must pay it over again ... A wife, a friend, a relation, that use to transact business for a man, are quoad hoc his servants; and the principal must answer for their conduct: for the law implies, that they act under a general command." Vgl. auch St. Germain, Doctor and Student, S. 265 ff., der beide Problemkreise unter der Überschrift „Whether a Man Shall be Bounden by the Acte or Offence of his Seruaunt or Offycer" bearbeitet; ferner Holmes, History of Agency. 261 Pollock/Maitland, History II, 228; Müller-Freienfels, Legal Relations in the Law of Agency, 13 AmJCompL, 193, 195; Holdsworth, History VIII, 222ff. 262 Vgl. Würdinger, Geschichte der Stellvertretung in England, 407 ff. 263 Vgl. zur Inkorporation der Stellvertretungsregeln in die action of assumpsit Palmer, The History of Privity-The Formative Period (1500-1680), 33 AmJLH (1989), 3, 30ff. 264 Vgl. St. Germain, Doctor and Student, S. 265 ff.
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point of law the master and servant, or principal and agent, are considered as one and the same person" 2 6 6 , wie es in einer Anmerkung zu Blackstone's Commentaries aus dem 19. Jahrhundert heißt. Noch in den modernen englischen Lehrbüchern zur agency findet sich regelmäßig ein Kapitel über vicarious liability. 2 6 7 Die Vermengung der rechtlichen Begriffe hatte in der weiteren Entwicklung eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge, deren Spuren bis in die Gegenwart sichtbar sind. In seinem Standardwerk zur vicarious liability formulierte Atiyah im Jahre 1967: „There is no more settled doctrine in the law of tort than that a master is liable for the torts of a servant committed in the course of his employment, but there is no more controverted proposition than that a principal is generally liable for the torts of an agent committed within the scope of his author-
5. Herausbildung einer elementaren Unterscheidung: servant und independent contractor Das Bedürfnis nach einer Begrenzung des Kreises der Personen, deren Verhalten Anlaß zu vicarious liability geben konnte, machte sich auf deutliche Weise erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts bemerkbar. Zuvor scheint es für die Dritthaftung ausreichend gewesen zu sein, wenn der unmittelbare Delinquent in irgendeiner Form, und sei es auch nur indirekt, aufgrund der Anordnung seines Auftraggebers tätig geworden ist. Ein besonders markantes Beispiel in dieser Hinsicht ist die Entscheidung Bush v. Steinmann aus dem Jahre 1799. 2 6 9 Der Beklagte hatte ein Haus längs einer Straße erworben und einen Landvermesser mit bestimmten Reparaturaufgaben zu einem Pauschalpreis beauftragt. Dieser gab den Auftrag an einen Zimmermann weiter, der seinerseits einen Maurer anstellte. Der Maurer wiederum ließ sich zum Zweck der Ausführung der Arbeiten von einem Händler Kalk liefern, dessen Bediensteter schließlich die versprochene Ladung auf der Straße vor dem Haus abstellte mit der Folge, daß der Kläger in einen Unfall verwickelt wurde und Verletzungen erlitt. Der Ausgang des Urteils ist bemerkenswert: Da die Arbeiten im Interesse des Beklagten ausgeführt 265 Auch im deutschen Recht waren die Lehre von der Gehilfenhaftung und die Lehre von der Stellvertretung in ihrer Entwicklung in eine Wechselbeziehung getreten, bis die Bereiche in der Kodifikation wieder getrennt wurden, vgl. Fritsch, Gehilfenhaftung, 173. 266 Zitiert nach Holmes, History of Agency, 391. 267 Vgl. etwa Fridman, Agency, 303 ff.; Bowstead/Reynolds, Agency, 498ff. 268 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 99. Zur vicarious liability für agents im modernen Recht s.u., § 5 IV. 269 1 Bos. & Pul. 404.
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wurden, mußte dieser für den Schaden aufkommen. ,,[W]hether he worked it by agents, by servants, or by contractors, still it was his work", wie das Gericht sich ausdrückte. 270 Chief Justice Eyre sah dabei klar die Notwendigkeit einer Beschränkung der Verantwortlichkeit 271 , ließ die genaue Grenzziehung jedoch ausdrücklich offen. 2 7 2 Die Abkehr von dieser, in ihren Auswirkungen sehr weitgehenden Rechtsprechung wurde erst einige Zeit später in zwei Urteilen eingeleitet, deren Sachverhalte in allen hier interessierenden Punkten übereinstimmten. Der Beklagte hatte in beiden Fällen von einem Leihunternehmen Pferde gemietet, die er zum Transport für seinen eigenen Wagen benötigte, zusammen mit einem Angestellten des Verleihers, der die Kutsche lenken sollte. Dieser verursachte in Ausführung seiner Aufgabe schuldhaft einen Unfall, in dessen Verlauf es zu Körperverletzungen des unbeteiligten Klägers kam. Der Beklagte unterhielt vertragliche Beziehungen allein mit dem Inhaber des Leihunternehmens, nicht aber mit dessen Fahrer. 273 In dem Urteil Laugher v. Pointer von 1826 2 7 4 wurde die Haftung in dieser Konstellation abgelehnt. Gleichzeitig hatten jedoch noch zwei der vier beteiligten Richter für eine Verantwortlichkeit gestimmt. Eine definitive Wende in der Rechtsprechung wurde daher erst im Jahre 1840 durch die Entscheidung Quarman v. Burnett 2 7 5 herbeigeführt. Baron Parke arbeitete dabei deutlich heraus, daß die Auferlegung von vicarious liability das Bestehen einer master and servant relationship zur Voraussetzung habe. Wenn demgegenüber, wie in dem zugrundeliegenden Sachverhalt, der Vertrag zwischen dem Beklagten und dem Verleihunternehmer nicht den Anforderungen an ein solches Verhältnis genügte und darüber hinaus mit dem angestellten Fahrer keine selbständigen rechtlichen Vereinbarungen getroffen wurden, käme eine Haftung für das Verhalten von letzterem nicht in Betracht. Andernfalls bestünde beispielsweise die Gefahr, „[that] the purchaser of an article at a shop, which 270
1 Bos. & Pul. 407. ,,[T]he general proposition that a person shall be answerable for any injury which arises in carrying into execution that which he has employed another to do, seems to be too large and loose." 272 „I still feel difficulty in stating the precise principle on which the action is founded." Vgl. des weiteren Brady v. Giles (1835) 1 M. & Rob. 494; Randleson v. Murray (1838) 8 Ad. & E. 109; zur Problematik ferner Cornish/Clark, Law and Society in England, 491. 273 Dieser Sachverhalt stimmte interessanterweise im wesentlichen auch mit einem Beispielsfall überein, der in der Entscheidung Bush v. Steinmann von Heath, J., beiläufig zur Illustration der Rechtslage aufgeführt worden war, vgl. 1 Bos. & Pul. 407: „As where a person hires a coach upon a job, and a job-coachman is sent with it, the person who hires the coach is liable for any mischief done by the coachman while in his employ, though he is not his servant." 274 (1826) 5 B. & C. 547. 275 (1840) 6 M. & W. 499. 271
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he had ordered the shopman to bring home for him might be made responsible for an injury committed by the shopman's carelessness, whilst passing along the street.'4 Für die vorliegende Untersuchung bleibt festzuhalten, daß in Quarman v. Burnett der Kreis der Personen, deren Verhalten vicarious liability hervorbringen kann, verbindlich eingegrenzt wurde und die für das geltende Recht wichtige Unterscheidung zwischen servants und independent contractors begründet wurde. 2 7 6 Damit war klargestellt, daß es für die Verantwortlichkeit nicht ausreicht, daß eine Person auf die Bitte eines anderen hin tätig geworden ist. Bereits in diesem Stadium gab es Anzeichen für mögliche Ausnahmen, in denen sich eine Haftung für einen unabhängigen Unternehmer ergeben könnte. 2 7 7 Offen geblieben war jedoch die Frage, wie sich die vicarious liability für agents in das neue Haftungssystem einfügen würde. In der Literatur hatte man agents bis dahin, wie dargestellt, unter die servants eingeordnet. 278 Diese Kategorisierung war jedoch älter als die in Quarman v. Burnett getroffene Abgrenzung. Ein „factor" oder „broker" befindet sich häufig in einer unabhängigen Stellung und hätte daher im Rahmen der neuen Dichotomie eher unter den Begriff des independent contractor gepaßt, für den es grundsätzlich keine strikte Verantwortlichkeit gab. Die begriffliche Unterscheidung zwischen servants, agents und independent contractors und die sich daraus ergebenden Haftungskonsequenzen gehören bis zum heutigen Tag zu den dogmatischen Schwierigkeiten der vicarious liability. 2 7 9 276 Die Unterscheidung setzte sich in der Folge durch, vgl. Allen v. Hayward (1845) 7 Q. B. 960; Gayford v. Nicholls (1854) 9 Exch. 702; Reedie v. London & North Western Railway Company (1849) 4 Exch. 244; Knight ν. Fox (1850) 5 Exch. 720; Overton v. Freeman (1852) 11 C. Β. 867; Peachey v. Rowland (1853) 13 C. B. 182; Steel v. South Eastern Railway Company (1855) 16 C. B. 550. 277 Das Urteil in Bush v. Steinman wurde nicht vollständig zurückgewiesen, jedoch in seinem Wirkungsumfang erheblich beschränkt. Nach Auffassung des Gerichts seien Eigentümer von Immobiliargütern aufgrund des spezifischen tort „nuisance" auch für Verhalten von Personen, die nicht ihre Angestellten sind, verantwortlich, sofern das Unrecht auf, in der Nähe von oder mit Bezug zu ihrem Grundstück verübt wurde (vgl. Newark, The Boundaries of Nuisance 65 LQR (1949), 480, insbesondere 485). Weniger als ein Jahrzehnt später wurde auch dieser Ansatz in Reedie v. London and North Western Railway Company (1849) 4 Exch. 244) verworfen, lebte aber nachfolgend in einigen Entscheidung wieder auf (vgl. etwa Spicer v. Smee [1946] 1 All ER 489). Aufgrund einer Vielzahl unterschiedlicher, sich teilweise widersprechender richterlicher Äußerungen bereitet die genaue Bestimmung dieses Sondertatbestandes noch in moderner Zeit Schwierigkeiten. Vgl. auch Atiyah, Vicarious Liability, 352: „It is still no easy matter to say how far it is now a general principle that there is liability in nuisance for the acts of an independent contractor." 278 § 4 V
279
4
Vgl. beispielsweise Fridman, Agency, 3Iff.
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6. Course of employment Parallel zu der geschilderten Abgrenzung von Gehilfen und unabhängigen Unternehmern erhielt der funktionale Zusammenhang zwischen begangenem Unrecht und der erforderlichen master and servant relationship von den Gerichten erhöhte Aufmerksamkeit. In McManus v. Crickett, einer Entscheidung aus dem Jahre 1800 2 8 0 , hatte ein Bediensteter den beklagten Geschäftsherrn mit einer Kutsche zu einem bestimmten Ort gefahren und auf dem Hin- oder Rückweg, während er sich allein in dem Fahrzeug befand, vorsätzlich eine Kollision mit dem Wagen des Klägers herbeigeführt. Nach dem Urteil von Chief Justice Kenyon hatte der angestellte Fahrer den Auftrag seines Arbeitgebers aus den Augen verloren, als er böswillig und aus eigenem Antrieb den Unfall verursachte, mit der Folge, daß die Verantwortlichkeit abgelehnt wurde: „Now when a servant quits sight of the object for which he is employed, and without having in view his master's orders pursues that which his own malice suggests, he no longer acts in pursuance of the authority given him, and according to the doctrine of Lord Holt his master will not be answerable for such act." 281 Folglich wurde dem subjektiven Tatbestand auf Seiten des unmittelbaren Delinquenten maßgebliche Bedeutung für die Bestimmung des Haftungszusammenhangs beigemessen. Demgegenüber wurde die Einstandspflicht des Geschäftsherrn schon frühzeitig nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß der Bedienstete neben der Durchführung seiner Arbeitspflichten gleichzeitig eigene Zwecke verfolgte. Wenn ein angestellter Fahrer von seiner direkten Route aus privaten Gründen abwich, war es nach einem Urteil von Baron Parke in Joel v. Morison 2 8 2 entscheidend, ob er lediglich einen Umweg unternommen hatte oder ob er zu einer Spritztour ausschließlich im eigenen Interesse unterwegs gewesen war. Die Begriffe zur Kennzeichnung beider Alternativen, „detour" bzw. „frolic of his own", finden sich noch in den modernen Lehrbüchern. 283 Auch ein vorsätzlich begangenes Unrecht des Beklagten konnte nach der Mehrheitsentscheidung in Limpus v. London General Omnibus Company von 1862 unter Umständen zu einer Haftung des Geschäftsherrn führen. 2 8 4 Ein Busfahrer hatte einen Unfall dadurch verursacht, daß er einen Konkurrenten absichtlich ausgebremst hatte, um vor ihm die nächste Haltestelle zu erreichen. Nach Auffassung des Gerichts war 280
1 East 107. 1 East 108. 282 Vgl. (1834) 6 Car. & P. 501. 283 Vgl. nur Fleming, Torts, 380. 284 1 H. & C. 526. Siehe auch Croft v. Allison (1821) 4 Β. & Aid. 590; Lloyd v. Grace Smith & Co. [1912] AC 716. 281
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der Inhaber des Busunternehmens zum Ersatz verpflichtet, da die Schäden mit dem Ziel herbeigeführt worden waren, die Einnahmen des Betriebs zu erhöhen. Die Haftung wurde ferner nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Angestellten eine direkte Weisung erhalten hatten, keinen anderen Omnibus zu behindern. ,,[T]he law is not so futile as to allow a master, by giving secret instructions to his servant, to discharge himself from l i a b i l i t y " 2 8 5 , wie Willes, J., seine Meinung begründete. Gleichzeitig stellte Blackburn, J., klar, daß die Absicht eines Bediensteten, im Interesse seines Arbeitgebers zu handeln, für sich genommen keine vicarious liability begründen könnte, wenn er nicht im Rahmen der Aufgaben handelte, für die er eingesetzt worden w a r . 2 8 6 Ein weiteres frühes Beispiel für eine differenzierte Betrachtung des funktionalen Haftungszusammenhangs ist die Entscheidung Patten v. Rea aus dem Jahre 1857. 2 8 7 Der Angestellte des Beklagten war Eigentümer einer Kutsche, die er regelmäßig bei der Arbeit in Gebrauch nahm und die er daher kostenlos auf dem Grundstück seines Geschäftsherrn parkte. Als er eines Tages bei einem Kunden Geld eintreiben sollte, fuhr er auf dem Hinweg aus privaten Gründen bei einem Arzt vorbei und verursachte, noch bevor er sein erstes Ziel erreicht hatte, einen Unfall, in dessen Verlauf ein Pferd des Klägers getötet wurde. Das Gericht setzte sich ausführlich mit der Frage auseinander, ob der Gehilfe in Ausführung der Verrichtung gehandelt hatte, als sich der Zusammenstoß ereignete. Die Haftung wurde angenommen, obwohl er mit seinem eigenen Wagen unterwegs war, da der Beklagte Kenntnis von der Fahrt hatte. Darüber hinaus war es nicht ausschlaggebend, daß der Angestellte neben der von seinem Geschäftsherrn gestellten Aufgabe eigene Zwecke verfolgte. In dem Urteil zeigt sich im Unterschied zu frühen Entscheidungen wiederum die Tendenz, eine Reihe verschiedener Faktoren in die Abwägung miteinzubeziehen, die jeweils für oder gegen eine Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn sprechen. Die Formulierungen, mit denen die funktionale Haftungsbegrenzung vor Gericht beschrieben wurde, waren während des 19. Jahrhunderts nach wie vor Schwankungen unterworfen. Am häufigsten trat der Begriff „in the course of employment" in Erscheinung 288 , der auch in moderner Zeit am 285
1 H. & C. 526, 539. 1 H. & C. 526, 542: ,,[I]t is not universally true that every act done for the interest of the master is done in the course of the employment. A footman might think it for the interest of his master to drive the coach, but no one could say that it was within the scope of the footman's employment, and that the master would be liable for damage resulting from the wilful act of the footman in taking charge of the horses." 287 2 C. B. N. S. 606. 288 Ygi e t w a Savignac v. Roome (1795) 6 T. R. 125, 126; Stone and Another v. Cartwright (1796) 6 T. R. 411, 413; Nicholson and Another v. Mouncey and Symes (1812) 15 East, 384, 392; Goodman v. Kennel (1828) 3 Car. & P. 167, 168; Shar286
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gebräuchlichsten ist. Daneben wurden jedoch zahlreiche andere Ausdrücke verwandt, wie „in the execution of his master's order" 2 8 9 , „by the authori t y " 2 9 0 oder „on his master's business" 291 .
7. Trespass oder case? Das mittelalterliche common law hatte sich, wie dargelegt, nicht als Ordnung materieller Rechtssätze entwickelt, sondern war im Rahmen des writSystems aus einer Anzahl bestimmter Klagetypen herausgewachsen. Die Grundlage für die Entstehung des modernen law of torts bildeten die beiden unter der Bezeichnung trespass und case bekannten writs. Der Anwendungsbereich der trespass-Klage umfaßte gewaltsame und direkte Einwirkungen auf eine Person oder eine Sache. Demgegenüber war die action on the case einschlägig, wenn der Schaden des Klägers sich nur als die weitere Folge eines bestimmten Tuns oder Unterlassens des Beklagten darstellte. 292 Die Haftung nach den Prinzipien der vicarious liability läßt sich nicht als besonderer Unrechtstatbestand begreifen, sondern bedeutet ihrem Wesen nach vielmehr die Zurechnung des tort einer anderen Person. Es stellt sich daher die Frage, wie sich diese Lehre in das überlieferte Aktionensystem einfügte. Ein naheliegender Ansatz wäre, auf das Verhalten des unmittelbaren Delinquenten abzustellen und die Klage gegen den Geschäftsherrn danach zu beurteilen. Bei einer direkten gewaltsamen Verletzung durch den Angestellten wäre demzufolge trespass auch gegen den Arbeitgeber der statthafte Rechtsbehelf. 293 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich jedoch ein anderer Standpunkt durch, der von der Person des Beklagten selbst ausging. 294 Nur wenn dieser das konkrete Unrecht seines Bediensteten angeordnet hatte bzw. das rechtswidrige Verhalten sich zwingend aus seiner Weisung ergab, kam trespass zur Anwendung. In anderen Fällen stellte sich der Schaden lediglich als indirekte Folge eines Tuns oder Unterlassens des Beklagten dar, so daß die action on the case einschlägig war. Baron Parke brachte die Abgrenzung in Sharrod v. The London and North Western Rly. Co. mit den folgenden Worten zum Ausdruck:
rod v. The London and North Western Railway Company (1849) 4 Exch. 580, 585; Patten v. Rea (1857) 2 C. B. N. S. 606, 615. 289 McManus v. Crickett (1800) I East, 107, 108. 290 Patten v. Rea (1857) 2 C. B. N. S. 606, 614. 291 Patten v. Rea (1857) 2 C. B. N. S. 606, 615. 292 S. o., § 4 III 2. 293 Vgl. Savignac v. Rome (1795) 6 T. R. 125. 294 Vgl. Morley v. Gaisford (1795) 2 H. Bl. 441; McManus v. Crickett (1800) I East, 107; Gregory v. Piper (1826) 9 B. & C. 591; Sharrod v. London & North Western Rly. Co. (1849) 4 Exch. 581.
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4
„The maxim ,Qui facit per alium facit per se renders the master liable for all the negligent acts of the servant in the course of his employment; but that liability does not make the direct act of the servant the direct act of the master. Trespass will not lie against him: case will, in effect, for employing a careless servant, but not trespass,... unless either the particular act which constitutes the trespass is ordered to be done by the principal, or some act which comprises it; or some act which leads by a physical necessity to the act complained of." 2 9 5 Mit der endgültigen Abschaffung des Aktionensystems im Jahre 1875 2 9 6 wurde die Problematik freilich obsolet.
8. The great principle of social duty Die grundsätzliche Frage des Schadensrechts, ob ein Nachteil von der Person, bei der er eingetreten ist, auf einen anderen übergewälzt werden soll, steht in Abhängigkeit zu den herrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen und ist daher entsprechend den Veränderungen gesellschaftlicher Wertvorstellungen Schwankungen unterworfen. Unter dem Zeichen des Liberalismus im 19. Jahrhundert entwickelte sich in den europäischen Rechtsordnungen das Schulddogma zum beherrschenden Zurechnungsfaktor. 297 Der einzelne Bürger sollte nur dann mit Schadensersatzpflichten belastet und damit in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, wenn er als selbstverantwortlich handelndes Individuum auf vorwerfbare Weise allgemeine Sorgfaltsgebote verletzt hatte. 2 9 8 In den Ländern des common law äußerten sich diese Strömungen juristisch vor allem in der Herausbildung eines allgemeinen negligence-Tatbestandes.299 Dem Gedanken einer strikten Haftung stand das Interesse an einer Begünstigung des aufkeimenden frühkapitalistischen Unternehmertums entgegen. 300 Folgerichtig ließ sich in der englischen und amerikanischen Rechtsprechung die Tendenz beobachten, das Schadensrecht restriktiv zu handhaben, um den wirtschaftlichen Produktionsprozeß nur in begrenztem Umfang mit Folgeverantwortung zu belasten 3 0 1 : ,,[S]ound policy lets losses lie where they fall, except where a spe295
Vgl. (1849) 4 Exch. 581, 585. Siehe zur Problematik auch Wigmore, Tortious Responsibility, 7 Harvard Law Review (1894), 403f.; Fifoot, English Law and its Background, 179. 296 vgl plucknett, Concise History, 375. 297
Ogorek, Gefährdungshaftung, 24; Markesinis/Deakin, Tort Law, 40 ff. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 650. 299 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 611. 300 Friedman, A History of American Law, 468 f. 301 Friedman, A History of American Law, 470ff. Vgl. auch Fleming, Torts, 7: „During the 19th century, the ,moral advance* of tort law vastly accelerated. With the blessings of the moral philosophy of individualism (Kant) and the economic postulate of laissez faire, the courts attached increasing importance to freedom of action and ultimately yielded to the general dogma of ,no liability without fault. 4" 298
14 Wicke
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cial reason can be shown for interference", wie Holmes sich ausdrückte. 302 In der Dichotomie von Schuldprinzip und Gefährdungshaftung 303 scheint die englische Doktrin der vicarious liability eine Zwitterstellung einzunehmen: Zwar ist die Haftung des master strikt, auf Seiten des servant ist jedoch regelmäßig Verschulden als Teil eines von ihm verwirklichten tort erforderlich. Vom praktischen Standpunkt aus betrachtet überwiegt freilich der Gesichtspunkt, daß der Geschäftsherr, ohne persönlich seine Willensfreiheit zu vorwerfbarem Verhalten mißbraucht zu haben, für den von einem anderen verursachten Schaden aufkommen muß. Aus diesem Grund ist die vicarious liability wohl eher als eine Ausnahme vom Schuldprinzip zu bewerten. 304 Entsprechend hat die Doktrin in der Vergangenheit vielfach Kritik erfahren. Im Jahre 1825 bemerkte der Autor eines Buches mit dem Titel „The Principles of Moral and Political Philosophy", die Haftung des Geschäftsherrn basiere „rather on the authority of the law, than any principle of natural justice." 3 0 5 Die Rechtsprechung zeigte sich jedoch durch diese Art von Kritik nur wenig beeindruckt. Im Gegenteil, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden sich einige richterliche Äußerungen, die die Lehre offen auf der Grundlage sozialpolitischer Erwägungen rechtfertigen. In einem 1842 ergangenen Urteil von Chief Justice Shaw aus Massachusetts findet sich die folgende vielzitierte Passage: „This rule is obviously founded on the great principle of social duty, that every man in the management of his own affairs, whether by himself or by his agents or servants, shall so conduct them as not to injure another; and if he does not, and another thereby sustains damage, he shall answer for it. If done by a servant, in the course of his employment, and acting within the scope of authority, it is considered, in contemplation of law, so far the act of the master, that the latter shall be answerable civiliter ... The maxim respondeat superior is adopted in that case, from general considerations of policy and security." 306
302
Common Law, 50, 94 ff. Vgl. Esser, Die Zweispurigkeit unseres Haftpflichtrechts, JZ 1953, 129 ff. 304 Vgl. auch Jones, Torts, 326: „It is a form of strict liability because it arises from the employer-employee (or master-servant) relationship, without reference to any fault of the employer." Zur Gegenansicht scheinen Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 633 zu neigen. 305 vgl. paley, The Principles of Moral and Political Philosophy, S. 113. 306 Ygi Farwell v. Boston and Worcester Rly. Corp. (1842); zitiert nach Holdsworth, History VIII, 478. Zu der Maxime respondeat superior s. ο., § 4 I. Vgl. ferner die Äußerung von Lord Brougham in der Entscheidung Duncan v. Findlater (1839) 6 Cl. & F. 894, 909f.: „The rule of liability, and its reason, I take to be this: I am liable for what is done for me and under my orders by the man I employ, for I may turn him off from that employ when I please: and the reason that I am liable is this, that by employing him I set the whole thing in motion; and what he does, being done for my benefit and under my direction, I am responsible for the consequences of doing it." 303
V. Durchbruch der modernen Lehre
211
Die letzte großangelegte Offensive gegen die Lehre der vicarious liability erfolgte in der ersten englischen Monographie zum Thema von Baty aus dem Jahre 19 1 6 . 3 0 7 Nach Auffassung des Autors war es notwendig, die Haftung des Geschäftsherrn in Abwesenheit persönlichen Verschuldens auf den vertraglichen Bereich zu beschränken. Die Kritik, die Pollock in seiner Rezension des Buches formuliert hat, ist aus der Sicht deutschen Rechts interessant, das die Exkulpationsmöglichkeit des § 831 BGB mit Hilfe unterschiedlicher vertraglicher Institute (wie culpa i;i contrahendo oder Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) in Verbindung mit der Vorschrift des § 278 BGB zü umgehen suchte. Die Folge einer Zurückdrängung der vicarious liability wäre danach „a luxuriant and perplexed growth of contracts implied in law, for which the substance of justice would have been no better from any point of view, and the science of law much the
9. Common employment Der liberalistische Geist des 19. Jahrhunderts ging an der vicarious liability jedoch nicht vollkommen spurlos vorüber. In einer praktisch sehr wichtigen Frage wurde die Lehre durch die Rechtsprechung in weitreichendem Umfang eingeschränkt. Wenn durch das unrechtmäßige Verhalten eines Bediensteten ein anderer Angestellter desselben Arbeitgebers verletzt wurde, war der Anspruch ausgeschlossen. Mit anderen Worten, der Unternehmer haftete nicht für unerlaubte Handlungen, die seine Arbeiter untereinander verübten. Den Ausgangspunkt für diesen Vorbehalt des „common employment" bildete die Entscheidung Priestley v. Fowler aus dem Jahre 1837. 3 0 9 Der Kläger hatte von dem beklagten Geschäftsherrn den Auftrag erhalten, zusammen mit einem anderen Angestellten als Fahrer Waren in einem überbeladenen Wagen auszuliefern und wurde: durch den Zusammenbruch des Fuhrwerks schwer verletzt. Lord Abinger, C.B., begründete die Abweisung der Klage mit den weitreichenden Hafuingskonsequenzen, die sich für Unternehmer bei einer Anerkennung des Anspruchs ergeben könnten: „ I f the master be liable to the servant in this action, the principle of that liability will be found to carry us to an alarming extent." 3 1 0 Darüber hinaus würden Angestellte ermutigt, die notwendige Sorgfalt außer acht zu lassen, um sich selbst vor den Gefahren ihres Arbeitsumfeldes zu schützen. 307
Vicarious Liability: A Short History of the Liability of Employers etc. 3 2 LQR (1916), 226 f. 309 3 M. & W. 1. 310 3 M. & W. 1,5. Vgl. auch Pollock, C.B., in Morgan v. Vale of Neath Rly. Co. (1865) 5 B. & S. 736, 742: ,,[B]y a decision in favour of the plaintiff we should open a flood of litigation, the end of which no one could foresee. 44 308
14*
212
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Die Entscheidung ging in ihrem Ergebnis sehr weit, da die Haftung ausgeschlossen war, obwohl der -Geschäftsherr selbst Kenntnis von der Gefahrenquelle hatte und ihm daher persönlich ein Vorwurf zur Last fiel. In späteren Entscheidungen wurde der Einwand des common employment demgegenüber auf Delikte von Angestellten bei fehlendem Eigenverschulden des Beklagten beschränkt. In Hutchinson v. York, Newcastle and Berwick Rly. C o . 3 1 1 wurde eine Klage gegen die Inhaber eines Eisenbahnunternehmens abgelehnt, nachdem ein mitreisender Angestellter in einer schuldhaft herbeigeführten Zugkollision Verletzungen erlitten hatte. Das Urteil wurde dogmatisch mit einem konstruierten stillschweigenden Haftungsverzicht des Bediensteten begründet: „He knew, when he engaged in the service, that he was exposed to the risk of injury, not only from his own want of skill or care, but also from the want of it on the part of his fellow-servant; and he must be supposed to have contracted on the terms that, as between himself and his master he would run this risk."312 Der Ausschluß der Haftung des Geschäftsherrn bei Delikten der Angestellten untereinander hat einen historischen Vorläufer in der römisch-rechtlichen Verantwortlichkeit des nauta und war in England aufgrund des Werkes von Welwod bekannt. 313 Ein direkter romanistischer Einfluß auf die Rechtsprechung der common law Gerichte ist in dieser Frage dennoch unwahrscheinlich. Die Ausnahme von der strikten vicarious liability scheint vielmehr Ausdruck der oben erwähnten allgemeinen restriktiven Haltung im Haftungsrecht des 19. Jahrhunderts gewesen zu sein, die durch das Bestreben veranlaßt wurde, den Aufbauprozeß der Wirtschaft nicht durch zu weitgehende Belastung mit Folgeverantwortung zu verhindern. Derselbe geistesgeschichtliche Hintergrund, der in Deutschland zur Einführung der Exkulpationsregelung in § 831 BGB Anlaß gab, hatte daher in England zur praktisch wichtigen Ausnahme des common employment geführt. Die damit verbundenen Härten für die verletzten Arbeitnehmer wurden mit dem allmählichen Übergang zum wohlfahrtsstaatlichen Denken von Gesetzgeber und Rechtsprechung schrittweise abgeschwächt 314 , bis die Lehre durch den „Law Reform (Personal Injuries) Act" von 1948 endgültig abgeschafft 311 (1850) 5 Exch. 343; vgl. ferner Morgan v. Vale of Neath Rly. Co. (1864) 5 Β. & S. 570. 3,2 5 Exch. 343, 351. 313 S. o., § 4 I V 4 d b b ( l ) . 314 Die wichtigste Maßnahme im 19. Jahrhundert war der „Workmen's Compensation Act" von 1897, der eine Haftung des Geschäftsherrn für Verletzungen von Angestellten begründete, selbst wenn kein Verschulden des Arbeitgebers oder eines sonstigen Bediensteten im Spiel war, vgl. dazu Fifoot, English Law and its Background, 182 f. Das Gesetz wurde in der Erwartung erlassen, daß der Unternehmer sich gegen das Risiko versichern würde und die Kosten in Form erhöhter Preise auf die Allgemeinheit abwälzen könnte. Die relevanten Vorschriften finden sich heute
VI. Zusammenfassung
213
wurde. 3 1 5 Der Einwand des common employment gehört seit dieser Zeit der Geschichte an.
VI. Zusammenfassung Zeugnisse einer Haftung für fremde Schuld finden sich bereits in den frühesten Quellen der angelsächsischen Periode. Ähnlich wie es im römischen Recht zu beobachten war, traf den Hausherrn für Delikte seiner Angehörigen eine Bußzahlungspflicht, von der er sich durch Auslieferung des unmittelbaren Täters befreien konnte. In diesem Stadium der Entwicklung gab es freilich noch kein allgemein anwendbares common law. Zu einer Zentralisierung der Justiz und damit zu einer fortschreitenden Vereinheitlichung des geltenden Rechts auf der verfahrensrechtlichen Grundlage des sogenannten writ-Systems kam es erst in den Jahrhunderten nach der normannischen Eroberung. Die Problematik der Haftung für Hilfspersonen im mittelalterlichen Recht bietet ein vielschichtiges Bild. Wie vor allem die Aufzeichnungen örtlicher Gerichte vermuten lassen, scheint die unbedingte Einstandspflicht des Hausherrn für Delikte seiner Leute in den allgemeinen Rechtsanschauungen noch längere Zeit lebendig geblieben zu sein. Auf der Ebene des königlichen Rechts zeigen sich zunächst keine abstrakten Grundsätze. Bracton behandelte die Verantwortlichkeit für fremdes Handeln lediglich in den speziellen Zusammenhängen der felonies und des novel disseisin. Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert bildete sich jedoch allmählich in deutlichem Gegensatz zu früheren Epochen der Befehl oder die Kenntnis des Hausherrn von dem Verhalten des unmittelbaren Schädigers als Voraussetzung für seine Einstandspflicht heraus. Eine mögliche Erklärung für diesen restriktiven Ansatz liegt in der engen Verwobenheit von strafrechtlicher und deliktsrechtlicher Verantwortlichkeit in der Anfangsphase des common law. Die Verhängung einer Strafe ist Ausdruck einer moralischen Mißbilligung durch den Staat, die sich in Abwesenheit von persönlichem Verschulden nicht gegen einen Unbeteiligten, allein auf der Grundlage einer Statusbeziehung, richten darf. Das Wissen des Hausherrn von der Tat seiner Leute überlebte bis weit ins 17. Jahrhundert als prinzipielles Erfordernis seiner Haftung. Die mit dieser Regelung verbundenen Härten wurden allerdings schon frühzeitig durch eine Reihe wichtiger Ausnahmen abgefedert. Neben einer Anzahl einheimischer Regelungen, wie der Ersatzpflicht des Herrn für Schäden durch Feuer, das in seinem Haus entzündet worden war, und der Verantim „Social Security Contributions and Benefit Act" von 1992 vgl. Salmond/ Heuston, Torts, 451. 315 Vgl. i.e. Atiyah, Vicarious Liability, 415.
214
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wortlichkeit bestimmter Beamter in bedeutender Stellung, waren einige dieser Sondertatbestände gemeineuropäischen Ursprungs oder entwickelten sich zu Einfallstoren für kontinentales Gedankengut. Die Verantwortlichkeit des nauta für auf dem Schiff verübte Delikte wurde mit zahlreichen Detailbestimmungen ins englische Recht rezipiert. Da bei Rechtsstreitigkeiten im grenzübergreifenden Handelsverkehr traditionell nicht das common law, sondern die internationale lex mercatoria galt, kam unter Kaufleuten in England die funktional begrenzte Gehilfenhaftung zur Anwendung, die für das ius commune charakteristisch war und in der Grundstruktur mit der späteren vicarious liability bereits übereinstimmte. Ein ähnlicher Ansatz fand sich in dem für den Rechtszweig der equity fundamentalen Werk Doctor and Student von St. Germain, der seine Kenntnisse in dieser Frage aus der in Nürnberg erschienenen Summa Angelica zog. Im Hinblick auf die Problematik der Haftung für andere hatte es daher zwischen England und dem Kontinent mehrere Verbindungslinien gegeben. Als Lord Holt gegen Ende des 17. Jahrhunderts im richterlichen Alleingang die Grundlagen für die moderne vicarious liability legte, konnte er aus den gemeinrechtlichen Quellen schöpfen. In den beiden Ausgangsentscheidungen bezog sich Holt nicht auf die einheimischen Fallgruppen strikter Haftung für fremde Schuld, sondern auf die Sondertatbestände des ius commune. Die funktional begrenzte Gehilfenhaftung wurde in Europa im Wege der kollektiven Rechtsfindung verallgemeinernd aus dem Gedankenmaterial der römischen Rechtstradition gewonnen. In diesem Prozeß war Lord Holt gleichsam der englische Repräsentant, der zwar - anders als die römischholländischen Autoren - niemals eine wissenschaftliche Abhandlung verfaßt hatte, aber dennoch darin geschult war, Rechtsgedanken fremden Ursprungs für das common law fruchtbar zu machen. Die Geburtsstunde der vicarious liability fällt in eine Zeit, als sich die königlichen Gerichte zunehmend den Bedürfnissen und Regelungen des Handelsverkehrs öffneten und langsam den rechtlichen Boden für die nachfolgende Industrialisierung bereiteten. Das von Holt errichtete Grundgerüst wurde erst im beginnenden 19. Jahrhundert weiter ausgebaut, als der servant allmählich vom independent contractor unterschieden wurde und sich in der Untersuchung der „in the course of employment"-Voraussetzung differenzierte Abstufungen ergaben. Der liberalistische Geist dieser Zeit, der Jhering zur Formulierung des Schuldprinzips als einem unumstößlichen Dogma veranlaßt hatte, äußerte sich auch im Rahmen der englischen Rechtsprechung in einer restriktiven Haltung gegenüber dem Haftungsrecht, gekennzeichnet durch das Bestreben, den Aufbau der Wirtschaft nicht durch Auferlegung weitgehender Folgeverantwortung zu belasten. Die Lehre vom common employment führte zu einem Ausschluß der Haftung des Geschäftsherrn bei Schädigungen der Arbeitnehmer untereinander. An der Existenz der strikten vicarious liability
VI. Zusammenfassung
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vermochten die individualistischen Strömungen des 19. Jahrhunderts jedoch nichts mehr zu ändern. Vielmehr beriefen sich die Gerichte schon frühzeitig auf die soziale Verantwortung des Unternehmers, der für die Risiken der Arbeitsteilung Dritten gegenüber einstehen müsse.
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht Bild einer strikten Haftung für Verrichtungsgehilfen Die Entwicklung der vicarious liability ist von den Anfängen Lord Holts bis in die moderne Zeit hinein im wesentlichen kontinuierlich verlaufen. Anders als die kontinentalen Privatrechtssysteme ist das englische „case law" bekanntlich niemals durch die Zäsur einer Kodifikation von der Vergangenheit abgeschnitten worden. Einige der oben besprochenen Entscheidungen aus dem 19. Jahrhundert werden bis zum heutigen Tag als Präzedenzfälle von den Gerichten zitiert. Neben der Beständigkeit der Rechtsfortbildung fällt gleichsam als Kehrseite der Kontinuität auf, daß die Grundsätze der Gehilfenhaftung zu keiner Zeit in einer für die Praxis verbindlichen Weise begrifflich durchdrungen, systematisch aufeinander abgestimmt und damit gleichsam „entrümpelt" worden sind. Aufgrund der großen Anzahl sich unterscheidender richterlicher Rechtsäußerungen fehlt häufig die begriffliche Eindeutigkeit, die sich als Ergebnis einer legislatorischen Fixierung der Materie möglicherweise ergeben hätte. Im Anschluß an die historische Darstellung sollen in diesem Kapitel die modernen Grundsätze der vicarious liability im einzelnen behandelt werden. Um eine klare Herausarbeitung der einschlägigen Rechtsregeln zu ermöglichen, bedarf es vor ihrer Erörterung zunächst jedoch einiger erläuternder Worte im Hinblick auf die Verwendung der relevanten Terminologie durch die Rechtsprechung. Wie sich zeigen wird, ist ein genaueres Verständnis zentraler Begriffe in diesem Kontext nicht nur für die Analyse der englischen Gerichtsurteile von wesentlicher Bedeutung, sondern auch mit Rücksicht auf die nachfolgende Untersuchung des südafrikanischen Rechts.
I. Die Sprache des Fallrechts 1. Master und servant Die Nachwirkungen überkommenen Rechtsdenkens haben einen deutlich sichtbaren Ausdruck in den archaisch anmutenden Begriffen „master" und „servant" gefunden, die noch in den modernen Lehrbüchern und Gerichtsentscheidungen zur Bezeichnung von Geschäftsherrn und Gehilfen verwendet werden. Der Sprachgebrauch wird in der Literatur vereinzelt als ana-
I. Die Sprache des Fallrechts
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chronistisch und ungeeignet für die modernen Arbeitsverhältnisse kritisiert, die nicht mehr auf einer Statusbeziehung beruhen, sondern regelmäßig durch vertragliche Vereinbarungen begründet werden. 1 Die meisten Unterrichtswerke verwenden die Ausdrücke master und servant demgegenüber noch in den Überschriften. 2 Wenngleich sich in der jüngeren Rechtsprechung ein deutlicher Trend zur Bevorzugung der zeitgemäßen Begriffe employer und employee beobachten läßt 3 , erwachen die alten Termini in den Entscheidungsbegründungen immer dann zu neuem Leben, wenn länger zurückliegende Urteile aus Gründen der Rechtsfindung untersucht werden. 4 Über die anachronistische Färbung hinaus ist mit der überkommenen Terminologie eine Rechtsunsicherheit verbunden, die sich dem Betrachter nicht auf den ersten Blick erschließt. Die historische Untersuchung hat gezeigt, wie schon im 18. Jahrhundert unter den Ausdruck des servant abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch auch Personen in übergeordneter Stellung gefaßt wurden und wie sich parallel dazu eine Vermischung der Termini master und servant mit den aus dem Stellvertretungsrecht stammenden Vokabeln principal und agent, einschließlich der einschlägigen Rechtsfolgen, ergab. 5 Seit dieser Zeit läßt sich im Kontext der vicarious liability dementsprechend ein weite und eine enge Verwendung der Begriffe master und servant beobachten. In Anlehnung an die Umgangssprache bezeichnen master und servant zum einen ein Arbeits- oder Angestelltenverhältnis, das regelmäßig durch einen Dienstvertrag begründet wird, und deuten damit auf die wichtigste Kategorie strikter Verantwortlichkeit für Hilfspersonen. Daneben umfassen die Begriffe in einem weiteren Sinne auch andere Personenbeziehungen, die zu vicarious liability Anlaß geben können, wie beispielsweise (um vorgreifend zwei weitere Anwendungsfälle zu erwähnen) die Verhältnisse von Kfz-Halter und Fahrer oder Stellvertreter und Vertretenem (obgleich man diese Personen in der Laiensphäre nicht als „Geschäftsherren" oder „Bedienstete" ansehen würde). 6 Der offensichtliche 1
So ausdrücklich Markesinis/Deakin, Tort Law, 486. Vgl. Fleming, Torts, 369; Salmond/Heuston, Torts, 430; Winfield/Jolowicz, Tort, 592; Clerk/Lindsell, Torts, 3-03; siehe ferner Jones, Torts, 328. 3 Vgl. beispielsweise Murphy v. Brentwood District Council [1990] 3 WLR 414; Lee Ting Sang v. Chung Chi-Keung [1990] 2 AC 374; Lane v. Shire Roofing Co (Oxford) Ltd [1995] TLR 104. 4 Vgl. Clerk/Lindsell, Torts, 3-02; als Beispiele für Urteile jüngeren Datums, in denen die Begriffe master und servant nach wie vor verwandt werden, lassen sich anführen McDermid v. Nash Dredging Ltd [1987] AC 906; Armagas Ltd v. Mundogas [1986] 1 AC 717; Smith v. Stages [1989] AC 928. In einigen älteren Gesetzen findet sich zur Bezeichnung des Arbeitnehmers auch der Begriff des „workman", vgl. Markesinis/Deakin, Tort Law, 486. 5 S. o., § 4 V 4. 6 Zur Problematik vgl. auch Atiyah, Vicarious Liability, 3Iff. 2
218
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
Nachteil einer solchen extensiven Interpretation der relevanten Termini liegt darin, daß sich einschlägigen Entscheidungen möglicherweise nicht entnehmen läßt, für welche Kategorie bestimmte Aussagen gelten sollen bzw. ob ein Gericht überhaupt die Existenz unterschiedlicher Haftungsgruppen anerkennt. Die Rechtsprechung hat in zahllosen Urteilen die Haftung für einen „servant or agent" erörtert und dabei den Eindruck erweckt, als wären die Grundsätze in allen Fällen identisch.7
2. Employer und employee Wenn die modernen Ausdrücke employer und employee auch weniger durch überkommenes Verständnis vorbelastet erscheinen, ist ihre Verwendung im Rahmen des common law ebenfalls mit einigen besonderen Fragestellungen verbunden, die einleitend erwähnt werden sollen. Der Begriff des employer ist für sich genommen neutral und kann sich neben dem employee als Gegenstück auch auf einen independent contractor beziehen, ins Deutsche übersetzt neben „Geschäftsherr" oder „Arbeitgeber" daher auch „Auftraggeber" oder „Besteller" bedeuten. Demgegenüber ist der Terminus des employee sprachlich unzweideutig und steht in deutlichem Gegensatz zum independent contractor. 8 Seine rechtliche Relevanz ist jedoch nicht auf den Kontext der vicarious liability beschränkt. Der Begriff des employee 9 tritt in den unterschiedlichsten Zusammenhängen wie Steuerund Sozialrecht in Erscheinung, und zu seiner Bestimmung verweisen die Gerichte daher traditionell auch auf Urteile, die zu solchen anderen Rechtsgebieten ergangen sind. Erst als in jüngerer Zeit die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses im Sinne einer unabhängigen employer und independent contractor-Beziehung aus Steuer- und arbeitsschutzrechtlichen Gründen für beide Seiten finanzielle Vorteile erzeugte und man eine Beschäftigung als employee nach Möglichkeit zu umgehen suchte 10 , wurde die Frage kritisch aufgeworfen, ob die Bestimmung von Arbeitgeber und Angestelltem im Rahmen der vicarious liability mit Wirkung gegenüber geschädigten außenstehenden Dritten nicht nach anderen Kriterien zu beurteilen sei. 11 In 7 Nach Atiyah, Vicarious Liability, 32 sind diese Fälle „too numerous to cite." Auch in der Literatur werden die Trennlinien zwischen den einzelnen Haftungskategorien nicht immer beachtet. Unter Verweis auf die vicarious liability des Kfz-Halters formuliert beispielsweise Fridman, Torts, 48: „A person can be a gratuitous agent or servant and as such may make the principal or master vicariously liable." 8 Vgl. Jones, Torts, 328. 9 In dieser Hinsicht vergleichbar dem Begriff des servant. 10 Vgl. dazu Lane v. Shire Roofing Co (Oxford) Ltd [1995] TLR 104. 11 Siehe McKendrick, Vicarious Liability and Independent Contractors, 53 MLR (1990), 770; Kidner, Vicarious liability: for whom should the ,employer' be liable?, 15 Legal Studies (1995), 47.
I. Die Sprache des Fallrechts
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der Literatur ist es nunmehr umstritten, ob der Begriff des employee unabhängig von dem rechtlichen Kontext gleich zu definieren ist. 1 2 Bei dieser Auseinandersetzung ist freilich zu beachten, daß der Terminus im juristischen Sprachgebrauch historisch auch durch die Bedürfnisse des law of torts geprägt ist. Zum Vergleich handelt es sich bei dem Verrichtungsgehilfen des § 831 BGB (wie auch bei dem préposé des Artikel 1384 Abs. 5 Code C i v i l 1 3 ) um ein konstruiertes juristisches Kunstwort, das begrifflich auf die Problematik der Gehilfenhaftung zugeschnitten ist und in anderen Zusammenhängen nicht in Erscheinung tritt. Während im deutschen Recht daher nicht die Gefahr besteht, daß ein und derselbe Begriff in unterschiedlichen Rechtsgebieten anders interpretiert wird, ist der Verrichtungsgehilfe freilich weiter vom umgangssprachlichen Gebrauch entfernt und daher in beschränkterem Maße aus sich selbst heraus verständlich. 14
3. Principal und agent Lediglich hinzuweisen ist an dieser Stelle auf die terminologischen Zweifelsfragen, die mit den Begriffen principal und agent verbunden sind, die sich vom Wortsinn her auf master und servant wie auch auf employer und independent contractor beziehen können, im Rahmen der vicarious liability jedoch eine eigenständige Funktion besitzen. 15 Wichtiger als eine erschöpfende Klärung der Terminologie ist für die anschließende Rechtsprechungsanalyse die Beobachtung, daß zahlreiche Begriffe im Rahmen der vicarious liability nicht eindeutig festgelegt und systematisch aufeinander abgestimmt sind. Vor diesem Hintergrund sollen im folgenden die positivrechtlichen Regelungen der modernen vicarious liability untersucht werden.
12 Gegen einen einheitlichen employee-Begriff vgl. Fleming, Torts, 372: „The classification here involved has parallels in several other areas of law, like workers' compensation, social security, taxation, and industrial safety. But the tendency to use precedents interchangeably calls for caution, because the same policy may not be involved in another context"; ferner Markesinis/Deakin, Tort Law, 498; dafür etwa Winfield/Jolowicz, Tort, 594f.; Salmond/Heuston, Torts, 435. 13 Dazu s. ο., § 3 II 3 c cc. 14 In schwierigen Fällen rekurrieren die englischen Gerichte auch auf den allgemeinen Sprachgebrauch, vgl. Somervell, L.J., in Cassidy v. Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 353, der die folgende Äußerung von Buckley, L.J., in Simmons v. Heath Laundry Co [1910] 1 KB 543, 553 zitiert: „Was his contract a contract of service within the meaning which an ordinary person would give to the words?" Ähnlich Roskill, J., in Argent v. Minister of Social Security [1968] 1 WLR 1749, 1760: „Another test is ... what would the view of an ordinary person be who learned of the facts?" Kritisch dazu jedoch Atiyah, Vicarious Liability, 37. 15 Dazu s.u., § 5 IV.
220
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
I L Haftung für employees 1. Die Unterscheidung zwischen employee und independent contractor im allgemeinen a) Contract of service /contract for services Wie bereits mehrfach angedeutet, untergliedert die herrschende Literaturmeinung das Konzept der vicarious liability in mehrere Subkategorien, deren Voraussetzungen sich im einzelnen voneinander unterscheiden. A u f einer abstrakten Ebene lassen sich freilich drei grundlegende Erfordernisse formulieren, die allen Untergruppen gemeinsam sind: (1) Die Verwirklichung eines Delikts durch einen anderen 16 ; (2) ein bestimmtes Verhältnis zwischen Haftendem und unmittelbarem Schädiger; (3) ein konkreter Zusammenhang zwischen diesem Verhältnis und dem verwirklichten Unrecht. 1 7 In sämtlichen Fällen handelt es sich daher um Konstellationen einer funktional begrenzten Gehilfenhaftung. Die Untersuchung beginnt mit der praktisch wichtigsten vicarious liability-Kategorie, der Verantwortlichkeit des employer für das unerlaubte Handeln seines employee in Ausführung eines Arbeitsverhältnisses. Wie die historische Untersuchung gezeigt hat, ist der employee abzugrenzen von einem independent contractor, für dessen Verhalten der Geschäftsherr in Abwesenheit von persönlichem Verschulden grundsätzlich nicht verantwortlich ist. Aus deutscher Perspektive fällt dabei auf, daß die Unterscheidung zwischen beiden Begriffen gewöhnlich an die Frage geknüpft wird, ob die Parteien einen Dienst- oder einen Werkvertrag geschlossen haben, einen „contract of service" 1 8 oder einen „contract for services." 19 In dieser Bezugnahme auf vertragsrechtliche Konzepte zeigt sich wiederum die oben angesprochene Tendenz des common law, vergleichbare Termini aus unterschiedlichen Kontexten einheitlich zu behandeln. 20 Demgegenüber wird für die Bestimmung des Verrichtungsge16
„A tortious act or omission by another." Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 3. 18 Im modernen Recht ist statt des Begriffs „contract of service" auch der Ausdruck „contract of employment" geläufig. 19 Die überwiegende Meinung in der Literatur hält die Unterscheidung zwischen contract of service und contract for services einerseits sowie die zwischen employer-employee und employer-independent contractor relationship andererseits für identisch. Vgl. nur Fleming, Torts, 370; Atiyah, Vicarious Liability, 35. 20 Die Begriffe contract of service und contract for services sind zum ersten Mal im Kontext der „Workers' Compensation Acts" in Erscheinung getreten (vgl. Fleming, Torts, 370, Fußn. 28), erinnern aber an die lateinischen Begriffe locatio conducilo operarum und locatio conductio operis und lassen daher römischen Einfluß vermuten. Schon Blackstone sprach in diesem Zusammenhang von Dienstmiete, s. o., § 4 V 3. 17
II. Haftung für employees
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hilfen nach § 831 BGB im allgemeinen nicht auf die Kriterien des Dienstvertrages im Sinne der §§ 61 Iff. BGB zurückgegriffen, wenn auch im deutschen Recht Parallelen zwischen beiden Fragenkreisen bestehen.21 Ein problematischer Aspekt des englischen Ansatzes kann freilich darin gesehen werden, daß die Identifizierung beider Konzepte möglicherweise dazu verleitet, in Abwesenheit eines förmlichen contract of service die Anwendbarkeit der vicarious liability ohne weiteres zu verneinen. Im Gegensatz zu einer verbreiteten Auffassung in der Literatur gibt es jedoch auch Ausnahmesituationen, in denen trotz Fehlens eines Dienstvertrages zwischen Beklagtem und unmittelbarem Schädiger eine Haftung angenommen wurde und die dennoch ihrem sozialen Sinngehalt nach der Kategorie von employer und employee zuzuordnen wären und nicht etwa einem der Sondertatbestände, in denen ein principal ausnahmsweise für das Verhalten seines agent verantwortlich ist. Ein Beispiel ist die Haftung für Lehrlinge, die zwar nicht auf der Grundlage eines contract of service tätig werden, im Rahmen der vicarious liability aber gleichwohl als servants angesehen werden. 22 b) Der „control test " Im Regelfall trifft es freilich zu, daß der Begriff des employee die Existenz eines Dienstvertrages mit dem employer voraussetzt, nicht zuletzt weil beide Konzepte in der Vergangenheit gleich behandelt wurden und sich in ihrer Entwicklung wechselseitig beeinflußt haben. Die Unterscheidung zwischen contract of service und contract for services ist im allgemeinen daher lediglich eine andere Formulierung für die Abgrenzung zwischen employee und independent contractor. Sie bringt zum Ausdruck, daß beide Personengruppen auf vertraglicher Basis für einen employer (Arbeitgeber oder Besteller), grundsätzlich gegen eine Vergütung, tätig werden. Offen gelassen ist damit jedoch die Frage, durch welche Merkmale der employee von einem independent contractor abzugrenzen ist. Wie sich zeigen wird, bestehen hinsichtlich der anzuwendenden Kriterien im englischen common law - ungeachtet der strikten Ausgestaltung der Haftung des Geschäftsherrn - auffällige Parallelen zum deutschen Recht. Zur Erinnerung: Für die Eigenschaft des Verrichtungsgehilfen im Sinne von § 831 BGB wird allgemein eine Eingliederung in die Organisationssphäre des Geschäftsherrn 21
Vgl. dazu auch Staudinger Kommentar/Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 60. Hancke v. Hooper (1835) 7 Car. & P. 81; Clelland ν. Edward Lloyd Ltd [1938] 1 KB 272; zur Problematik vgl. auch Atiyah, Vicarious Liability, 72. Schon Blackstone zählte „apprentices" und „labourers" zu den servants, obwohl sie nicht auf der Grundlage eines Dienstvertrages tätig wurden, s. o., § 4 V 3. Eine master and servant relationship bei vollständiger Abwesenheit eines förmlichen Vertrages kommt beispielsweise in Betracht, wenn ein Kind faktisch und unentgeltlich als Gehilfe seines Vaters tätig wird, vgl. Salmond/Heuston, Torts, 439. 22
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§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
sowie das Unterworfensein unter dessen Weisungen verlangt. 23 In Ermangelung einer solchen Eingliederung ist beispielsweise der Taxifahrer nicht Verrichtungsgehilfe des Fahrgasts, auch wenn er sich dessen Anordnungen für die Fahrt unterworfen hat. Für das Weisungsrecht ist es ausreichend, daß der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken, untersagen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann. 24 Aus diesem Grund soll die Anwendung des § 831 BGB nicht schon daran scheitern, daß der Geschäftsherr den Gehilfen wegen dessen überlegener Sachkunde nicht beaufsichtigen kann. 25 Dem Verrichtungsgehilfen hält die Rechtsprechung in Deutschland das Bild eines Unternehmers entgegen, der die ihm übertragene Tätigkeit nach eigenem Ermessen gemäß eigener Sachkunde und Erfahrung ausführt und über die sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen dieser Tätigkeit selbständig disponiert. 26 Die Abgrenzungsmerkmale, die von der englischen Judikatur zu dieser Frage im Laufe der Rechtsentwicklung diskutiert wurden, zeigen mit den soeben skizzierten Ansatzpunkten deutliche Ähnlichkeiten. Das klassische Kriterium, anhand dessen die common law Gerichte einen Gehilfen von einem unabhängigen Unternehmer unterschieden haben, ist das Recht des Geschäftsherrn, das Verhalten seines Angestellten zu kontrollieren. Für die Qualifizierung als employee war es traditionell zwingend erforderlich, daß der master nicht nur Kontrolle über den Gegenstand der Arbeit hatte, das „Was", sondern auch die Art und Weise ihrer Ausführung bestimmen konnte, das „Wie." In diesem Sinne formulierte etwa Hilbery, J., in Collins v. Hertfordshire County Council: ,,[T]he distinction between the contract for services and the contract of service can be summarized in this way: In the one case the master can order or require what is to be done, while in the other case he can not only order or require what is to be done but how it shall be done."27 Im Gegensatz dazu verpflichtet sich ein independent contractor zur Erbringung eines bestimmten Arbeitsergebnisses, ohne bei der tatsächlichen Ausführung den Weisungen des employer unterworfen zu sein. 28 Dieser sogenannte „control test" läßt sich bis in eine Entscheidung aus dem Jahr 1858 zurückverfolgen. 29 Die Kontrolle des Geschäftsherrn wurde dabei lange Zeit als unabdingbares Erfordernis für das Bestehen einer master and 23
Vgl. hierzu etwa Medicus, Schuldrecht BT, 400; Staudinger Kommentar/Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 59 ff. 24 BGHZ 45, 311, 313. 25 Wenn die Möglichkeit einer Überwachung mangels hinreichender Sachkunde nicht gegeben ist, kann die Entlastungsmöglichkeit nach § 831 12 BGB in diesem Fall von vornherein ausgeschlossen sein, vgl. OLG Bamberg VersR 1994, 813, 815. 26 MüKo/Stein, § 831 Rn. 27. 27 [1947] 1 KB 598, 615. 28 Vgl. Fleming, Torts, 370.
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II. Haftung für employees
servant relationship angesehen. Als Veranschaulichung für diesen Standpunkt läßt sich das Urteil der Kings Bench Division in Performing Right Society Ltd v. Mitchel and Ltd von 1924 anführen. Die Beklagten hatten auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrages für ein Jahr eine Tanzkapelle zu ausschließlicher Arbeit in ihrem Tanzsaal engagiert. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob sie für die Verletzung eines Urheberrechts verantwortlich waren, die von den Mitgliedern der Musikgruppe dadurch begangen wurde, daß sie ein geschütztes Musikstück ohne Bewilligung des Rechtsinhabers aufführten. McCardie, J., war der Auffassung, daß die Angehörigen der Tanzkapelle auf der Grundlage eines Dienstvertrages arbeiteten und brachte die entsprechenden Voraussetzungen mit den folgenden Worten zum Ausdruck: „The nature of the task undertaken, the freedom of action given, the magnitude of the contract amount, the manner in which it is to be paid, the powers of dismissal and the circumstances under which payment of the reward may be withheld, all these bear on the solution of the question. But it seems clear that a more guiding test must be secured ... It seems ... reasonably clear that the final test, if there be a final test, and certainly that the test to be generally applied, lies in the nature and degree of detailed control over the person alleged to be a servant." 30 Die vertraglichen Vereinbarungen gaben den Beklagten McCardie, J., zufolge „the right of continuous, dominant and detailed control on every point, including the nature of the music to be played." 31 Wie aus der aufgeführten Passage hervorgeht, wurden schon zum damaligen Zeitpunkt auch andere Kriterien als charakteristisch für das Bestehen eines Dienstvertrages in die Beurteilung miteinbezogen, wie etwa die Art der übertragenen Aufgaben oder die Zahlungsmodalitäten. Entscheidendes Merkmal („final test") für die Existenz eines Dienstvertrages war jedoch die detaillierte Kontrolle über die Arbeit des Handelnden. c) Grenzen des control test: professionelle
Angestellte
Gegen Mitte dieses Jahrhunderts wurde jedoch deutlich, daß ein striktes Haften an dem klassischen control test ein zu enges Verständnis der employ29 Vgl. Β ran well, B., in R v. Walker (1858) 27 LJMC 207, 208: „It seems to me that the difference between the relations of master and servant and of principal and agent is this: A principal has the right to direct what the agent has to do; but a master has not only that right, but also the right to say how it is to be done" (man beachte den unterschiedslosen Gebrauch der Begriffe master und principal einerseits, servant und agent andererseits. Siehe ferner Yewens v. Noakes (1880) 6 QBD 530, 532f.: „A servant is a person subject to the command of his master as to the manner in which he shall do his work." 30 [1924] 1 KB 762, 767. 31 S. 771.
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er-employee relationship mit sich bringen und die Lehre der vicarious liability in unangemessener Weise einschränken würde. Die Grenzen des Kontrollkriteriums zeigten sich vor allem im Kontext professioneller Tätigkeiten, deren Überwachung einem Vorgesetzten aufgrund mangelnder eigener Kenntnisse häufig nicht möglich ist. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft werden Fachkräfte gerade aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten und ihres überlegenen Wissens angestellt. Dennoch kann in vielen Fällen kein Zweifel daran bestehen, daß sie in die Organisation eines Betriebes eingegliedert sind und ihnen daher bei lebensnaher Betrachtung der Status eines employee zukommt, auch wenn dem Geschäftsherrn die notwendigen Kenntnisse fehlen, um die Art und Weise ihrer Arbeit kontrollieren zu können. Selbst einfache Angestellte haben vielfach spezialisierte Aufgaben zu erledigen, für deren Ausführung dem Manager des Unternehmens das „know how" fehlen würde. Symptomatisch für die allgemeine Arbeitssituation ist daher die Erklärung, die ein Kranfahrer im Rahmen eines Prozesses abgab: „ I take no orders from anybody." 32 Die Gerichte reagierten auf diesen Zustand anfangs (im Ergebnis der gegenwärtigen Rechtsprechung zu § 831 BGB vergleichbar) mit einer Aufweichung des control test. In einigen Urteilen wurde betont, daß nicht die tatsächliche Möglichkeit, detaillierte Weisungen zu erteilen, für die rechtliche Qualifizierung als Dienstvertrag maßgeblich sei, sondern die rechtliche Befugnis, Anordnungen zu treffen, wenn auch nur im Hinblick auf die äußeren Umstände der Arbeit. 3 3 Andere Entscheidungen gingen demgegenüber einen Schritt weiter und räumten offen ein, daß Kontrolle keine unabdingbare Voraussetzung für das Bestehen einer employer-employee relationship sei. 34 Die Schwierigkeiten in der Anwendung des klassischen control test wurden zuerst in einer Reihe von Fällen deutlich, in denen es um die Haftung von Krankenhäusern für Delikte von fest angestellten Ärzten und Krankenschwestern ging. Traditionell war in dieser Frage zwischen der Ausübung von administrativen und professionellen Pflichten unterschieden 32 Vgl. Mersey Docks v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd [1947] AC 1, 20 per Lord Simonds. 33 Vgl. etwa Zuijs v. Wirth Brothers Pty Ltd (1955) 93 CLR 561, 571 per Dixon, C.J.: „The duties to be performed may depend so much on special skill or knowledge or they may be so clearly identified or the necessity of the employee acting on his own responsibility may be so evident, that little room for direction or command in detail may exist. But that is not the point. What matters is lawful authority to command so far as there is scope for it. And there must always be room for it, if only in incidental or collateral matters"; ferner Ready Mixed Concrete (South East) Ltd v. Minister of Pensions and National Insurance [1968] 2 QB 497. 34 Siehe beispielsweise Montreal v. Montreal Locomotive Works Ltd [1947] 1 DLR 161, 169; Bank voor Handel en Scheepvaart NV v. Slatford [1953] 1 QB 248, 295; Market Investigations Ltd v. Minister of Social Security [1969] 2 QB 173, 184. Vgl. auch Lee Ting Sang v. Chung Chi-Keung [1990] 2 AC 374, 382.
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worden und entsprechend der Kontrolle der Krankenhausverwaltung nur im ersten Fall eine Haftung für das Personal angenommen worden. 35 Als zusätzlicher Grund für diese Einschränkung hatte vermutlich die Motivation mitgespielt, die Arbeit gemeinnütziger Krankenhäuser nicht durch die Belastung mit weitgehender Schadensersatzhaftung empfindlich zu beeinträchtigen. 36 Die Unterscheidung zwischen administrativer und professioneller Tätigkeit wurde jedoch in dem Urteil des Court of Appeal in Gold v. Essex County Council von 1942 aufgegeben, als der Träger eines Krankenhauses für Verletzungen des Klägers aufkommen mußte, die dieser durch die fehlerhaften Bestrahlungen eines vollzeit-beschäftigten Radiologen erlitten hatte. 37 Der neue Ansatz der Rechtsprechung wurde wiederum bestätigt durch die Entscheidung Cassidy v. Ministry of Health aus dem Jahre 1951, derzufolge der beklagte Krankenhausträger für Schäden verantwortlich war, die der Kläger bei Nachbehandlungen durch ein Mitglied des Personals (die Krankenschwester, den Chirurg oder den Assistenzarzt 38 ) an der Hand erlitten hatte. 39 Erneut wurde der Einwand abgelehnt, daß die Verletzungen in Ausführung professioneller Pflichten verursacht worden waren, die fehlende Weisungsbefugnis des Krankenhausträgers wurde nicht als Hindernis für die Annahme eines contract of service angesehen.40 Die Abkehr von dem Kontrollkriterium als unbedingter Haftungsvoraussetzung wird im englischen Recht einheitlich mit einem Erklärungsansatz begründet, der zum erstenmal in einem Aufsatz aus dem Jahre 1951 zum Ausdruck gebracht wurde. 41 Der control test wurzelt danach in den gesell35
Vgl. Hillyer v. St. Bartholomew's Hospital [1909] 2 KB 820. So die Interpretation von Denning, L.J., in Cassidy v. Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 361; vgl. auch Atiyah, Vicarious Liability, 88; Fleming, Torts, 373. Diese Überlegung war, streng genommen, nicht mehr zulässig, seit das House of Lords in Mersey Docks & Harbour Board Trustees v. Gibbs (1866 LR 1 HL 93) entschieden hatte, daß die Haftung nicht-profitorientierter öffentlicher Körperschaften für ihre Gehilfen den allgemeinen Grundsätzen folgte. Die geschilderten Bedenken erübrigen sich, seit die Krankenhäuser nach Einführung des „National Health Service" eine solide finanzielle Basis haben, vgl. Markesinis/Deakin, Tort Law, 500. 37 [1942] 2 KB 293. 38 Nach Auffassung des Gerichts war es nicht notwendig zu ermitteln, wer von den drei Personen den Schaden fahrlässig verursacht hatte, da feststand, daß einer von ihnen für die Verletzungen verantwortlich war und alle auf der Grundlage eines contract of service beschäftigt waren. 39 [1951] 2 KB 343; vgl. ferner Collins v. Hertfordshire CC [1947] KB 598. 40 Nach einer Auffassung trifft Krankenhäuser eine persönliche „non-delegable duty", die zu einer Haftung für Fahrlässigkeit von Gehilfen wie auch von unabhängigen Unternehmern führen kann. Dazu s.u., § 5 III 4 e bb. 41 Kahn-Freund, Servants and Independent Contractors, 14 MLR (1951), 504. Ihm folgen ausdrücklich Atiyah, Vicarious Liability, 46f.; Fleming, Torts, 370; Jones, Torts, 331; Markesinis/Deakin, Tort Law, 499; Winfield/Jolowicz, Tort, 595 f.; 36
15 Wicke
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schaftlichen Verhältnissen eines vergangenen, agrarischen oder frühindustriellen Zeitalters, als der Geschäftsherr aufgrund seiner überlegenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen noch in der Lage war, die Ausführung der Arbeit durch seine Leute persönlich zu überwachen. In der modernen arbeitsteiligen Welt mit zunehmender Spezialisierung sei das Weisungsrecht als Unterscheidungsmerkmal hingegen unzulänglich. 42 So plausibel diese Deutung der historischen Gegebenheiten auf den ersten Blick klingen mag, so wenig wird sie jedoch der wirklichen Entwicklung gerecht. Die Unterscheidung zwischen servants und independent contractors setzte sich erst mit dem Urteil Quarman v. Burnett im Jahre 1840 durch 43 , der control test läßt sich als Abgrenzungsmerkmal nicht weiter als 1858 zurückverfolgen. 44 Demgegenüber hatte Blackstone knapp hundert Jahre zuvor die master and servant relationship bereits mit dem Bedürfnis begründet, „whereby a man is directed to call in the assistance of others, where his own skill and labour will not be sufficient to answer the cares incumbent upon h i m . " 4 5 Schon im 18. Jahrhundert, lange Zeit bevor der control test von der Rechtsprechung entwickelt wurde, war es demzufolge üblich, daß Hausherrn ihre Bediensteten aufgrund deren überlegener Kenntnisse und Fähigkeiten anstellten und sie die Ausübung der Pflichten daher nicht immer im einzelnen überwachen konnten. Wenn sich auch die Arbeitsverhältnisse im Zuge der Industrialisierung ohne Zweifel grundlegend gewanaus der Rechtsprechung vgl. etwa Montreal v. Montreal Locomotive Works Ltd [1947] 1 DLR 161, 169; Market Investigations Ltd v. Minister of Social Security [1969] 2 QB 173, 184. 42 Vgl. Kahn-Freund, Servants and Independent Contractors, 14 MLR (1951), 504, 505: „This distinction was based upon the social conditions of an earlier age; it assumed that the employer of labour was able to direct and instruct the labourer as to the technical methods he should use in performing his work. In a mainly agricultural society and even in the earlier stages of the Industrial Revolution the master could be expected to be superior to the servant in the knowledge, skill and experience which had to be brought to bear upon the choice and handling of the tools. The control test was well suited to govern relationships like those between a farmer and an agricultural labourer (prior to agricultural mechanization) a craftsman and a journeyman, a householder and a domestic servant, and even a factory owner and an unskilled ,hand\ It reflects a state of society in which the ownership of the means of production coincided with the possession of technical knowledge and skill and in which that knowledge and skill was largely acquired by being handed down from one generation to the next by oral tradition and not by being systematically imparted in institutions of learning from universities down to technical schools. The control test postulates a combination of managerial and technical functions in the person of the employer, i.e., what to modern eyes appears as an imperfect division of labour." 43 (1840) 6 M. & W. 499; dazu s. ο., § 4 V 5. 44 Bis zur Entscheidung R v. Walker (1858) 27 LJMC 207. 45 Commentaries, 422 (meine Hervorhebung), s. o, § 4 V 3.; dieselbe Formulierung findet sich auch schon in der Ausgabe von 1765.
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delt haben, läßt sich die Abkehr von dem Kontrollkriterium nicht im Sinne der traditionellen englischen Lehre aus diesen Veränderungen erklären. Vielmehr scheint sie das Ergebnis einer ausgefeilteren Rechtserkenntnis zu sein, die sich aufgrund zunehmender Erfahrungen während einer längeren Rechtsentwicklung ergeben hat. 4 6 Bis zum heutigen Tage ist das Kontrollrecht des Geschäftsherrn ein wichtiges Indiz für den contract of service geblieben. Es bedurfte jedoch einiger Zeit, um zu erkennen, daß es sich zwar um ein bedeutendes, aber nicht um ein unentbehrliches Merkmal handelt. Entsprechend formulierte Roskill, J., in der Entscheidung Argent ν. Minister of Social·Security 47 : „But it is ... clear that as one watches the development of the law in the first 60 years of this century and particularly the development of the law in the last 15 or 20 years in this field, the emphasis has shifted and no longer rests so strongly upon the question of control. Control is obviously an important factor. In some cases it may still be the decisive factor, but it is wrong to say that in every case it is the decisive factor. It is now, as I venture to think, no more than a factor, albeit a very important one." Mittlerweile scheint es allgemein akzeptiert zu sein, daß das Kontrollkriterium trotz seiner starken Indizfunktion für sich genommen weder eine notwendige noch ein hinreichende Bedingung für die Auferlegung von vicarious liability ist. Die Haftung von Krankenhausträgern für Ärzte hat beispielhaft gezeigt, daß im Rahmen professioneller Tätigkeiten ein bis in Einzelheiten gehendes Weisungsrecht entbehrlich sein kann. Umgekehrt gibt es zahlreiche Situationen, in denen ungeachtet eines bestehenden Kontrollrechts eine strikte Haftung nicht in Betracht kommt. So müssen beispielsweise Eltern in Abwesenheit von eigenem Verschulden nicht für das Verhalten ihrer Kinder aufkommen, obwohl sie grundsätzlich ein Aufsichtsrecht haben. 48 Ähnlich trifft nach englischem Recht übergeordnete Angestellte keine Verantwortlichkeit für ihre Untergebenen, selbst wenn sie zur Überwachung berechtigt oder verpflichtet sind. 49 Im Einzelfall kann sich aufgrund einer Gesamtbewertung aller relevanten Umstände sogar ergeben, daß ein Beschäftigter als unabhängiger Unternehmer zu qualifizieren ist, obgleich der Geschäftsherr das Recht hat, die Art und Weise seiner 46
Vgl. auch Denning, L.J., in Cassidy v. Minister of Health [1951] 2 KB 343, 361, nach dessen Auffassung die Differenzierung zwischen administrativen und professionellen Pflichten in Hillyer v. St. Bartholomew's Hospital „undoubtedly an error" war. 47 [1968] 1 WLR 1749, 1759. 48 Winfield/Jolowicz, Tort, 714; Salmond/Heuston, Torts, 436. 49 Vgl. C. Evans Ltd v. Spritebrand Ltd [1985] 1 WLR 317, 329; Atiyah, Vicarious Liability, 45. Ähnlich trifft den Staat keine Verantwortlichkeit für Delikte, die Insassen einer Haftanstalt in Ausführung der Arbeit begehen, obwohl ein Kontrollrecht besteht, vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 94. 1
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Arbeit zu steuern. 50 Die Beständigkeit des Kontrollkriteriums als Test für das Bestehen eines Dienstvertrages dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, daß es sich gleichzeitig als Rechtfertigung für die Auferlegung der Haftung anbietet. Wenn der employer das Recht und die Mittel hat, die Arbeit zu beaufsichtigen und der employee dessenungeachtet einem Dritten Verletzungen zufügt, ergibt sich unterschwellig das Gefühl, daß ihn selbst im Hinblick auf die Schäden ein Vorwurf trifft. 5 1 Da vicarious liability nicht von persönlichem Verschulden des Arbeitgebers abhängig ist, kommt dieser Erwägung freilich kein großes Gewicht zu. 5 2 Demgegenüber erscheint es verständlich, wenn die deutsche Rechtsprechung stärker an der Weisungsgebundenheit des Verrichtungsgehilfen festhält, da eine auf vermutetem Eigenverschulden beruhende Haftung die Möglichkeit voraussetzt, daß der Geschäftsherr das Geschehen wirksam zu beeinflussen vermag. d) Die moderne Auffassung:
typologischer Ansatz
Die Erfahrungen mit der Haftung für professionelle Angestellte haben die Gerichte in der Folgezeit zur Suche nach anderen Tests veranlaßt, um das Bestehen einer employer-employee relationship zuverlässig ermitteln zu können. Jedes neue Kriterium erwies sich jedoch früher oder später als unzulänglich, sofern es als zwingendes und absolutes Unterscheidungsmerkmal für jede Sachverhaltskonstellation konzipiert war. Angesichts dieser Schwierigkeiten gab es Tendenzen in der Rechtsprechung, sich auf den allgemeinen Sprachgebrauch zur Bestimmung des Dienstvertrages zurückzubesinnen. „Was his contract a contract of service within the meaning which an ordinary person would give to those words?" 53 ist eine der Fragen, die 50 Vgl. Cooke, J., in Market Investigations Ltd v. Minister of Social Security [1969] 2 QB 173, 183: „On the other hand there may be cases when one who engages another to do work may reserve to himself full control over how the work is to be done, but nevertheless the contract is not a contract of service"; ferner Ready Mixed Concrete (South East) Ltd v. Minister of Pensions and National Insurance [1968] 2 QB 497; Global Plant Ltd v. Secretary of State [1972] 1 QB 139, 150; Salmond/Heuston, Torts, 436. Aus ähnlichen Erwägungen wird auch in der deutschen Literatur die von der Rechtsprechung geforderte (und weit interpretierte) Weisungsgebundenheit als Abgrenzungsmerkmal kritisiert, vgl. Erman/Schiemann, § 831 BGB Rn. 7: „Das von der Rechtsprechung in diesem Zusammenhang verwendete Kriterium für die Gehilfeneigenschaft, daß der Geschäftsherr die Tätigkeit des unmittelbar Handelnden jederzeit beschränken oder durch Widerruf der Bestellung beenden könne (BGHZ 45, 311, 313), erscheint wegen der Kündigungs- und Weisungsrechte des Gläubigers gegenüber selbständigen Schuldnern von Dienstleistungen wenig tauglich, vgl. §§ 649, 665, 671 I, 675." 51 Vgl. in diesem Sinne Lord Simonds in Mersey Docks v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd [1947] AC 1, 18. 52 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 40 f.
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wiederholt aufgeworfen wurden, ohne daß damit freilich in schwierigen Fällen mehr Entscheidungssicherheit gewonnen war. 5 4 Andere Aspekte, die ins Spiel gebracht wurden, lieferten lediglich Umformulierungen der eigentlichen Problematik, so etwa, wenn auf die „ökonomische Realität" des Verhältnisses zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem abgestellt wurde. 55 Ein Ansatz, der in Literatur und Rechtsprechung großen Widerhall gefunden hat, ist der sogenannte „Organisations-" oder „Integrationstest", wonach entscheidend ist, ob die handelnde Person in den Betrieb oder in das Unternehmen des Geschäftsherrn eingegliedert ist. In einer vielzitierten Passage aus der Entscheidung Stevenson Jordan and Harrison Ltd v. MacDonald & Evans hat Denning, L.J., den maßgeblichen Gesichtspunkt in folgender Weise formuliert: „It is often easy to recognize a contract of service when you see it, but difficult to say wherein the difference lies. A ship's master, a chauffeur and a reporter on the staff of a newspaper are all employed under a contract of service; but a ship's pilot, a taxi-man and a newspaper contributor are employed under a contract for services. One feature which seems to run through the instances is that, under a contract of service, a man is employed as part of the business, and his work is done as an integral part of the business, whereas under a contract for services, his work, although done for the business, is not integrated into it, but is only accessory to it." 5 6 Wie sich zeigte, ist die Eingliederung des Gehilfen in die Organisationssphäre des Geschäftsherrn ein Aspekt, dem auch von der deutschen Rechtsprechung zu § 831 BGB entscheidendes Gewicht beigemessen wird. Dennoch hat der „organisation test" aufgrund seiner Allgemeinheit und Unbestimmtheit in England Kritik erfahren. 57 Sofern man diesen Gesichtspunkt erneut als allein maßgeblichen Faktor begreift, können sich in einigen Situationen unangemessene Resultate ergeben, wie etwa im Fall von Gele53 Vgl. Somervell, L.J., in Cassidy v. Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 353, der Buckley, L.J., in Simmons v. Heath Laundry Co [1910] 1 KB 543, 553 zitiert; ähnlich Roskill, J., in Argent v. Minister of Social Security [1968] 1 WLR 1749, 1760: „Another test is ... what would the view of an ordinary person be who learned of the facts?" 54 Pointiert Kahn-Freund, Servants and Independent Contractors, 14 MLR (1951), 504, 507: „Such common sense tests are sometimes the response of the Courts to situations in which ,harder4 criteria have been overtaken by events. They have a way of collapsing in marginal cases and of leading to a maze of casuistry without much principle." 55 So der Ansatz aus einer amerikanischen Entscheidung, der von MacKenna, J., in Ready Mixed Concrete (South East) Ltd v. Minister of Pensions and National Insurance [1968] 2 QB 497, 521 aufgegriffen wurde. 56 [1952] 1 TLR 101, 111; vgl. auch Bank voor Handel en Scheepvaart NV v. Slatford [1953] 1 QB 248, 295. 57 Clerk/Lindsell, Torts, 3-06; Ready Mixed Concrete (South East) Ltd v. Minister of Pensions and National Insurance [1968] 2 QB 497, 524.
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genheitsarbeitern, die oft gleichzeitig für mehrere Unternehmen tätig werden und nicht wirklich in das Personal eines Betriebes integriert sind, ohne daß man sie deshalb als independent contractors klassifizieren würde. 58 Mittlerweile scheint daher die Suche nach einem weiteren alles entscheidenden Kriterium abzuebben und sich statt dessen allmählich eine andere Position mit einem bescheideneren Anspruch durchzusetzen. Nach dem „composite approach" 59 oder „multiple test" 6 0 sind in kritischen Fällen sämtliche Faktoren, die für oder gegen das Bestehen einer employeremployee relationship sprechen, gegeneinander abzuwägen. Nicht ein einzelner Aspekt entscheidet über die Rechtsnatur des Verhältnisses, sondern das Gesamtbild ist maßgebend. Den größten Zuspruch hat die Beschreibung dieses Ansatzes durch Cooke, J., in einer Passage aus der Entscheidung Market Investigations Ltd v. Minister of Social Security gefunden: „No exhaustive list has been compiled and perhaps no exhaustive list can be compiled of the considerations which are relevant in determining that question, nor can strict rules be laid down as to the relative weight which the various considerations should carry in particular cases. The most that can be said is that control will no doubt always have to be considered, although it can no longer be regarded as the sole determining factor; and that factors which may be of importance are such matters as whether the man performing the services provides his own equipment, whether he hires his own helpers, what degree of financial risk he takes, what degree of responsibility for investment and management he has, and whether and how far he has an opportunity of profiting from sound management in the performance of his task."61 Neben der Kontrolle des Geschäftsherrn und dem Integrationskriterium sind die Art der Bezahlung, die Regelung der Arbeitszeiten, etwaige Urlaubsansprüche, die Dauer des Vertragsverhältnisses, die Befugnis, Aufgaben weiter zu delegieren, die Eigentumslage an den Arbeitsgeräten, die Zuweisung des finanziellen Risikos und die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die Parteien 62 weitere Indizien, die im Rahmen einer umfassenden Bewertung zu berücksichtigen sind. 63 Wichtig ist dabei die Beobachtung von Cooke, J., daß es vermutlich nicht möglich sein wird, 58
Vgl. Jones, Torts, 330. Winfield/Jolowicz, Tort, 596. 60 Clerk/Lindsell, Torts, 3-07. 61 [1969] 2 QB 173, 184. Vgl. dazu vor allem die Bemerkung in der Privy Council Entscheidung Lee Ting Sang v. Chung Chi-Keung [1990] 2 AC 374, 382 per Lord Griffiths: „Their Lordships agree with the Court of Appeal when they said that the matter had never been better put than by Cooke, J., in Market Investigations Ltd v. Minister of Social Security"; vgl. ferner Markesinis/Deakin, Tort Law, 503; Clerk/Lindsell, Torts, 3-07; Jones, Torts, 330. 62 Dazu vgl. Ferguson v. John Dawson & Partners (Contractors) Ltd [1976] 1 WLR 1213; Young and Woods Ltd v. West [1980] IRLR 201; McKendrick, Vicarious Liability and Independent Contractors, 53 MLR (1990), 770, 783 f. 59
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eine vollständige Liste sämtlicher relevanter Faktoren aufzustellen und daß es ferner keine festen Regeln gibt, nach denen die Gewichtung der verschiedenen Aspekte im Einzelfall zu erfolgen hat. Die Überlegenheit dieser modernen Auffassung liegt in ihrem offenen Charakter und ihrer Flexibilität. In der heutigen komplexen Gesellschaft gibt es zahlreiche Dienstleistungsverhältnisse, die in einem mehr oder minder großen Maße von dem Typ der klassischen Arbeitsbeziehung abweichen, bei denen aber dennoch eine Haftung des Geschäftsherrn für die Delikte der von ihm angestellten Person angemessen erscheint. Die soziale und ökonomische Entwicklung führt darüber hinaus zur Konstruktion immer neuer Beschäftigungsformen, denen durch strenges Verhaften an einzelnen Kriterien nicht sinnvoll beizukommen ist. Methodisch handelt es sich bei dieser Vorgehensweise um einen typologischen Ansatz. Von einem Typus spricht man, wenn die Bestimmung einer rechtlichen Voraussetzung durch eine Gesamtbewertung unterschiedlicher Faktoren erfolgt, die nicht immer sämtlich vorliegen müssen, bis zu einem gewissen Grade gegeneinander austauschbar sind und deren jeweilige Verbindung nach Zahl und Stärke in der konkreten Einzelkonstellation für die rechtliche Qualifizierung den Ausschlag gibt. 6 4 Das juristische Konzept des employee ist dementsprechend nicht als ein streng festgelegter Begriff zu verstehen, der nur dann und immer dann zur Anwendung kommt, wenn sämtliche Merkmale seiner Definition in einem Sachverhalt anzutreffen sind, sondern als Typus, dessen Erscheinungsbild aus der Erfahrung gewonnen wird und aufgrund einer wertenden Betrachtung einer Reihe einschlägiger Faktoren im Hinblick auf seinen Normzweck bestimmt wird. 6 5 Welche besonderen Probleme und diffizilen Abgrenzungsfragen sich bei der Beurteilung neuartiger Arbeitskonstellationen aufgrund der Komplexität dieser Vorgehensweise im Einzelfall ergeben können, läßt sich beispielhaft anhand der vieldiskutierten Entscheidung des Court of Appeal in CT Kelly v. Trusthouse Forte p l c 6 6 aus dem Jahre 1984 demonstrieren, die dem Recht des Kündigungsschutzes entstammt. Ein Hotel unterhielt neben dem gewöhnlichen Übernachtungs- und Bewirtungsbetrieb Räume zur Vermietung für private Festveranstaltungen. Für diesen Teil des Unternehmens wurde nicht die feste Belegschaft („permanent staff 4 ), sondern ein Personal
63
Eine Untersuchung einiger dieser Kriterien findet sich bei Atiyah, Vicarious Liability, 50 ff. 64 Vgl. allgemein zur Denkform des Typus in der Rechtswissenschaft Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 290ff.; ferner 37ff. 65 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, sehen den Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB ausdrücklich als Typus im dargestellten Sinne an, vgl. S. 42 und S. 294. 66 [1984] QB 90.
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von gelegentlich Bediensteten eingesetzt („casual staff 4 ), von denen einige regelmäßig herangezogen wurden und daher gegenüber anderen bevorzugt berücksichtigt wurden („regulars"). Während der Hochsaison arbeiteten manche dieser regulars mehr Wochenstunden als die Angehörigen des permanent staff und konnten daher nebenher keinen weiteren laufenden Beruf ausüben. Zwischen ihnen und dem Hotel bestand grundsätzlich keine wechselseitige Verpflichtung, weder zur Beschaffung von Arbeit noch zur Übernahme einer Tätigkeit. Falls einer der regulars jedoch einen Auftrag ablehnte, ging die Aussicht auf privilegierte Berücksichtigung in Zukunft verloren, so daß ein wirtschaftlicher Druck bestand, Angebote nicht auszuschlagen. Wenn sich eine der regulären Aushilfskräfte darüber hinaus zur Übernahme einer Aufgabe bereit erklärt hatte, konnte sie nicht mehr kurzfristig absagen. In diesem Fall stand sie für die Dauer der Tätigkeit unter der Kontrolle des leitenden Personals und war in den Organisationsablauf integriert. Die Kläger, die zu den regulars gehörten, wurden eines Tages brieflich informiert, daß ihre Dienste nicht mehr benötigt würden, angeblich aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Hotelgewerkschaft. Gegenüber dieser Benachrichtigung beriefen sie sich auf kündigungsrechtliche Vorschriften 67 und legten entsprechende Rechtsbehelfe ein. Das zuständige „industrial tribunal" lehnte ihre Einwände jedoch ab, da sie als unabhängige Unternehmer einzustufen seien und daher keinen Kündigungsschutz genössen. Als entscheidender Gesichtspunkt gegen das Bestehen eines contract of service ergab sich aus der detaillierten Abwägung, daß die Rahmenvereinbarung zwischen Hotel und den regulars 68 keine gegenseitige Verpflichtung zur Verschaffung oder Leistung von Arbeit begründete. Abweichend stellte das übergeordnete Appellationsgericht nicht auf die generellen Abmachungen ab, sondern auf die einzelnen sukzessiven Tätigkeitsverhältnisse, die jeweils nach Annahme eines konkreten Angebots zustandekamen, und stufte die Kläger demgemäß als employees ein. Dem Einspruch des Hotels gegen dieses Urteil gab der Court of Appeal statt. Bemerkenswert an der Begründung des Gerichts ist, daß nicht etwa das Urteil des industrial tribunal als richtig und die Bewertung der vertraglichen Abmachungen durch die Appellationsinstanz im Ergebnis als unzutreffend erachtet wurde. Vielmehr hielt die Mehrheit der Richter ihre Entscheidungsbefugnis für beschränkt, da es sich bei der Abwägung der Faktoren für und wider das Bestehen eines Dienstvertrages nicht um eine Rechts-, sondern um eine Tatsachenfrage handelte, die in erster Instanz zu beurteilen sei: „In the familiar phrase ,it is all a question of fact and degree 4", wie Donaldson, M.R., sich ausdrückte. 69 Nur bei einer gänzlich unvertretbaren Schlußfolgerung des 67 Auf section 58 des damals gültigen „Employment Protection Consolidation Act" von 1978. 68 „Overall or umbrella contract."
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Industrietribunals seien die höheren Gerichte zur Korrektur berufen gewesen. Da die Ausgangsentscheidung jedoch nicht vollkommen unvernünftig erschiene, hätte die Appellationsinstanz mit ihrer Aufhebung die eigenen Kompetenzgrenzen überschritten. In der Analyse von O' Kelly v. Trusthouse Forte plc verdienen drei Aspekte besondere Aufmerksamkeit. Zunächst ist die Komplexität der Sachverhaltsgestaltung hervorzuheben, die in den zwei möglichen Ansatzpunkten für das Bestehen eines Dienstvertrages begründet ist: Einerseits die Rahmenvereinbarung zwischen Hotel und regulären Aushilfskräften, die lediglich einen ökonomischen Zwang zur Tätigkeit zu begründen schien, und andererseits die sukzessiven Arbeitsverhältnisse nach der jeweiligen Annahme einzelner Aufträge. 70 Interessanterweise ergab sich aus dieser Doppelschichtigkeit der Übereinkunft eine Meinungsverschiedenheit innerhalb des Court of Appeal. Nach Auffassung der Mehrheit der Richter, Fox, L.J., und Donaldson, M.R., hatte das Industrietribunal beide Stufen der Abmachungen bereits in die Bewertung miteinbezogen. Demgegenüber verneinte Ackner, L.J., daß eine umfassende Beurteilung stattgefunden habe, weshalb das Appellationsgericht den Fall zur neuerlichen Entscheidung hätte zurückverweisen sollen. Der zweite wichtige Aspekt ist die Unterscheidung zwischen Rechts- und Tatsachenfrage. Sofern im Einzelfall sämtliche Fakten eines Sachverhalts eindeutig feststehen, handelt es sich entgegen der Mehrheitsauffassung des Gerichts bei der nachfolgenden typologischen Zuordnung um einen rechtlichen Abwägungsvorgang. 71 Die Einordnung der Problematik als „question of fact and degree" ist daher unzutreffend. Vorzugswürdig erscheint demgegenüber die Einschätzung von Ackner, L.J., die in dem folgenden Zitat zum Ausdruck kommt: „The terms of the contract of course are fact, but it seems to me perfectly clear that once the primary facts are found, then it is a pure question of law as to what is the reasonable inference based on the legal interpretation of the contract." 72
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Vgl. S. 124; ähnlich Fox, L.J., 121: „It seems to me that the case was indeed one where the answer, in the end, was a matter of degree and, therefore, of fact ... It was essentially a matter of fact for the industrial tribunal to decide which was correct after considering the evidence." Nach section 136 (1) des Employment Protection Act war schon die Appellationsinstanz nur für Rechtsfragen zuständig. 70 Diese Form der Beschäftigung war im Londoner Hotelgewerbe weit verbreitet, vgl. [1984] QB 90, 98. Siehe ferner Nethermere (St. Neots) Ltd v. Taverna [1984] ICR 612; Hellyer Bros Ltd v. McLeod [1987] 1 WLR 728. 71 Dazu vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 128 ff. 72 S. 115. Das Zitat stammt ursprünglich von Lord Parker, C.J., aus der Entscheidung Morren v. Swinton and Pendlebury Borough Council [1965] 1 WLR 576, 583.
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Die richterliche Selbstbeschränkung durch die Mehrheit des Gerichts ist jedoch aus anderen Gründen nachvollziehbar. Wenn die letzte Beantwortung einer Rechtsfrage von der Berücksichtigung zahlreicher Einzelheiten des Sachverhalts abhängt, hat ein Richter der Tatsacheninstanz häufig die größere Sachnähe, da er durch Ausübung seines Fragerechts den Sachverhalt weiter aufklären kann, während ein Revisionsgericht lediglich den übermittelten Sachverhalt neu bewerten kann. Darüber hinaus tritt der Vereinheitlichungszweck der Revision zurück, wo es wesentlich auf Detailfragen des individuellen Falles ankommt und nicht auf dessen typische Züge. 73 Als dritter wesentlicher Gesichtspunkt zeigt O'Kelly v. Trusthouse Forte plc, daß die Einordnung eines Beschäftigten als employee unter Berücksichtigung des jeweiligen Normzusammenhangs zu erfolgen hat und sich nicht abstrakt unter allen Umständen gleich beurteilen läßt. Das Ergebnis der Entscheidung hätte möglicherweise anders ausfallen müssen, wenn es nicht um Kündigungsschutz, sondern um die Klage eines außenstehenden Dritten gegangen wäre, der durch unerlaubtes Verhalten einer der Aushilfskräfte in Ausführung der Verrichtung verletzt worden wäre. Im Hinblick auf die Risikoverteilung zwischen Hotel und einem Unbeteiligten wäre es anders als im Innenverhältnis weniger relevant gewesen, ob die Bediensteten aufgrund einer bindenden Rahmenvereinbarung oder faktisch durch wirtschaftliche Zwänge zur Tätigkeit veranlaßt wurden. Vermutlich wäre in einem solchen Fall ein größeres Gewicht auf den Umstand gelegt worden, daß die auf gelegentlicher Basis beschäftigten Mitarbeiter nach Annahme eines Auftra73 Für Deutschland Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 130 f. Vgl. in diesem Sinne deutlich Lord Griffiths in Lee Ting Sang v. Chung Chi-Keung [1990] 2 AC 374, 384f.: „Whether or not a person is employed under a contract of service is often said in the authorities to be a mixed question of fact and law. Exceptionally, if the relationship is dependent solely upon the true construction of a written document it is regarded as a question of law ... But where, as in the present case, the relationship has to be determined by an investigation and evaluation of the factual circumstances in which the work is performed, it must now be taken to be firmly established that the question of whether or not the work was performed in the capacity of an employee or as an independent contractor is to be regarded by an appellate court as a question of fact to be determined by the trial court. At first sight it seems rather strange that this should be so, for whether or not a certain set of facts should be classified under one legal head rather than another would appear to be a question of law. However, no doubt because of the difficulty of devising a conclusive test to resolve the question and the threat of the appellate courts being crushed by the weight of appeals if the many borderline cases were considered to be questions of law, it was held in a series of decisions in the Court of Appeal and in the House of Lords ... that a finding by a county court judge that a workman was, or was not, employed under a contract of service was a question of fact with which an appellate court could only interfere if there was no evidence to support his finding."
II. Haftung für employees
235
ges der Kontrolle ihrer Vorgesetzten unterlagen und für die Dauer der Arbeit in die Organisation eingegliedert waren. In einem vicarious liability Prozeß hätte man sie daher möglicherweise als employees eingestuft 74 (ohne daß sich die problematische Frage einer Haftung für independent contractors angeschlossen hätte). 75 An dieser Kontextabhängigkeit läßt sich ersehen, daß die Gewichtung der Faktoren, die im Rahmen der typologischen Beurteilung zu berücksichtigen sind, nicht zufällig ist, sondern sich an dem in Frage stehenden Normzweck messen lassen muß. e) Zwischenergebnis Zusammenfassend läßt sich feststellen: Für die allgemeine Abgrenzung zwischen employees und independent contractors wurde traditionell auf das Kontrollrecht des Geschäftsherrn als entscheidendes Kriterium abgestellt. Nachdem im Zusammenhang mit professionellen Arbeitskräften die Grenzen dieses Ansatzes deutlich wurden, suchten die Gerichte nach neuen Unterscheidungsmerkmalen, die jedoch für sich genommen jeweils nicht mehr Urteilssicherheit schafften. Nach heutiger Auffassung sind in kritischen Fällen daher sämtliche Faktoren, die für oder gegen das Bestehen einer employer-employee relationship sprechen, gegeneinander abzuwägen. Nicht ein einzelner Aspekt entscheidet über die rechtliche Einordnung des Verhältnisses, sondern das Gesamtbild ist maßgebend. Methodisch handelt es sich dabei um einen typologischen Ansatz. Für die Abwägung wird den Tatsacheninstanzen regelmäßig ein gewisser Beurteilungsspielraum gelassen. Bei der rechtlichen Qualifizierung als employee oder independent contractor ist der Kontext der Fragestellung (vicarious liability, Steuerrecht, Kündigungsschutz usw.) zu berücksichtigen.
2. Sonderfälle einer employer-employee relationship a) Der aus geliehene Gehilfe Neben der allgemeinen Unterscheidung zwischen employees und independent contractors gibt es eine Reihe von Sondertatbeständen, die nicht ohne weiteres auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen zu lösen sind und von denen einige wegen ihrer herausragenden praktischen Bedeutung im vorliegenden Zusammenhang berücksichtigt werden sollen. Ein viel diskutierter Fall ist der des „ausgeliehenen Gehilfen" („borrowed servant"). 74
Vgl. auch Markesinis/Deakin, Tort Law, 498; zur Problematik siehe auch McKendrick, Vicarious Liability and Independent Contractors, 53 MLR (1990), 770. 75 Dazu s.u., § 5 III.
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§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
Wenn ein Geschäftsherr einem Dritten durch Vereinbarung die Arbeitskraft eines Beschäftigten überläßt und dieser in Ausführung der Verrichtung einem Unbeteiligten Verletzungen zufügt, stellt sich die Frage, wer von beiden Ersatz zu leisten hat, der Geschäftsherr oder der Dritte, in der Terminologie des englischen Rechts der „general employer" oder der „temporary employer." Nach allgemeiner Auffassung ist grundsätzlich der general employer verantwortlich, es sei denn, dem temporary employer wurde das Recht übertragen, die Art und Weise der Arbeit zu überwachen. In der Problematik des ausgeliehenen Gehilfen hat sich bis zum heutigen Tag daher der control test als maßgebliches Haftungskriterium gehalten. 76 Als Leitentscheidung gilt in England nach wie vor das House of Lords-Urteil in Mersey Docks and Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd aus dem Jahre 1947. 77 Eine Hafenbehörde hatte an eine Stauerfirma für die Beladung eines Schiffs einen Kran zusammen mit einem von ihr bezahlten Fahrer vermietet. In Durchführung dieser Aufgabe fügte der Kranfahrer einem außenstehenden Unbeteiligten fahrlässig Verletzungen zu. Wie sich herausstellte, hatte die Stauerfirma zu diesem Zeitpunkt Kontrolle darüber, wohin die einzelnen Frachtgüter zu verladen seien, nicht aber über die Bedienung des Krans, das „Wie" der Verrichtung. Obwohl der Kranfahrer gemäß der vertraglichen Übereinkunft für die Dauer der Tätigkeit als Gehilfe der Stauerfirma fungieren sollte, wurde der Träger der Hafenbehörde als general employer für die Schäden verantwortlich gehalten. Nach Auffassung des House of Lords sind für die Beurteilung der Problematik eine Reihe von Faktoren bedeutsam, wie etwa die Frage, von wem der Angestellte bezahlt wurde, wer das Entlassungsrecht hatte oder wieviel Zeit der Dienst in Anspruch nahm. Im Ergebnis sei jedoch entscheidend, wem das Recht zustand, die Modalitäten der Durchführung zu kontrollieren. Die Vereinbarung zwischen den Parteien, daß der Kranfahrer zum Gehilfen des temporary employer würde, sei unmittelbar nur im Innenverhältnis für einen etwaigen Rückgriffanspruch des general employer von Bedeutung. 78 An dem Urteil ist zunächst bemerkenswert, daß der control test, der grundsätzlich nicht mehr als zwingendes Merkmal für die Unterscheidung zwischen employees und independent contractors angesehen wird, im Zusammenhang des ausgeliehenen Gehilfen primär ausschlaggebend ist. Die Frage liegt daher nahe, ob die Kritikpunkte, die gegen diesen Ansatz im allgemeinen geltend gemacht wurden, in diesem Fall nicht in ähnlicher Form zum Tragen kommen. Die Grenzen des Kontrollkriteriums sind vor allem im Kontext professioneller Arbeit deutlich geworden. Auf die vorlie76
Atiyah, Vicarious Liability, 158; Jones, Torts, 332; Fleming, Torts, 375. [1947] AC 1. 78 Vgl. dazu auch Spalding v. Tarmac Engineering [1967] 1 WLR 1508; Thompson v. Lohan [1987] 1 WLR 649. 77
II. Haftung für employees
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gende Problematik bezogen, ergibt sich aus den oben angestellten Überlegungen, daß bei qualifizierter Tätigkeit des Angestellten eine Haftung des temporary employer generell ausscheiden muß, da ein Weisungsrecht über die Ausführungsmodalitäten regelmäßig nicht besteht. Die daraus resultierende Differenzierung in der Problematik des ausgeliehenen Gehilfen zwischen fachkundigen und einfachen Arbeitskräften wird zwar allgemein anerkannt 79 , ist jedoch als generelle Richtschnur nicht ohne weiteres überzeugend. Unterschwellig scheint wiederum das Gefühl mitzuspielen, daß den Geschäftsherrn, der ein Kontrollrecht hat, im Hinblick auf etwaige Schäden ein gewisser Vorwurf trifft. 8 0 Als alternativer Ansatz wäre demgegenüber wiederum an eine typologische Vorgehens weise zu denken. 81 Die Mehrheit der relevanten Faktoren dürfte im allgemeinen freilich auf eine Einstandspflicht des generellen Arbeitgebers deuten, der durch einen Dienstvertrag mit dem Gehilfen verbunden ist. Dies wäre im Einklang mit der Position der Gerichte, derzufolge eine Vermutung für die Verantwortlichkeit des general employer spricht. 82 Anders als das House of Lords scheint die deut79
Deutlich in dieser Beziehung Lord Uthwatt, S. 22: „For instance, the position under the hirer of a craftsman entrusted for the hirer's purposes with the management of a machine belonging to his general employer, that machine demanding for its proper operation the exercise of technical skill and judgment, differs essentially from the position under the hirer of an agricultural labourer hired out for a period of weeks for general work." Vgl. ferner Garrard v. Southey & Co [1952] 2 QB 174, 179; Denham v. Midland Employers Mutual Assurance Ltd [1955] 2 QB 437; Savory v. Holland and Hannen and Cubitts (Southern) Ltd [1964] 1 WLR 1158; Salmond/Heuston, Torts, 441; Winfield/Jolowicz, Tort, 599. 80 Vgl. in diesem Sinne Lord Simonds in Mersey Docks v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd [1947] AC 1, 18: „The doctrine of the vicarious responsibility of the ,superior', whatever its origin, is today justified by social necessity, but, if the question is where that responsibility should lie, the answer should surely point to that master in whose act some degree of fault, though remote, may be found." 81 Vgl. auch Ready Mixed Concrete (East Midlands) Ltd v. Yorkshire Traffic Area Licensing Authority [1970] 2 QB 397. 82 Ein seltener Ausnahmefall, in dem eine Haftung des temporary employer angenommen wurde, ist Gibb v. United Steel Companies Ltd [1957] 1 WLR 668. Nach Auffassung des House of Lords trifft den general employer eine Beweislast, die Haftung auf den temporary employer zu übertragen, vgl. insbesondere Lord Simon, 10: „It is not disputed that the burden of proof rests on the general or permanent employer - in this case the appellant board - to shift the prima facie responsibility for the negligence of servants engaged and paid by such employer so that this burden in a particular case may come to rest on the hirer who for the time being has the advantage of the service rendered. And, in my opinion, this burden is a heavy one and can only be discharged in quite exceptional circumstances." Die Annahme einer Beweislast („burden of proof') scheint jedoch nicht korrekt, da es sich insoweit um eine Rechts- und nicht um eine Tatsachenfrage handelt. Siehe in diesem Sinne auch Atiyah, Vicarious Liability, 160: „But, with all respect, even the House of Lords cannot turn a question of law (or at least mixed law and fact) into a question of pure fact."
238
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
sehe Rechtsprechung in dieser Frage zu einem flexibleren Ansatz zu tendieren. Während teilweise maßgeblich auf die Zuweisung des Direktionsrechts abgestellt wird, kann die Beurteilung je nach Lage des Falles auch davon abhängig sein, ob die betreffende Tätigkeit des Gehilfen in dem anderen Unternehmen aufgeht oder ob der verliehene Arbeitnehmer völlig in den entleihenden Betrieb eingegliedert ist. 8 3 Nach einer verbreiteten Auffassung in der englischen Literatur sollten aufgrund der Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall beide Parteien, der general und der temporary employer, dem Verletzten gegenüber haften und die Schadensaufteilung zwischen ihnen im Innenverhältnis erfolgen. 84 Das House of Lords hat diese Möglichkeit ausdrücklich abgelehnt. 85 Im Gegensatz hierzu kommt nach deutschem Recht bei nicht vollständiger Ausgliederung eine Haftung beider Unternehmen als Geschäftsherrn in Betracht. 86
b) Juristische
Personen als Geschäftsherren
Viele Geschäftsherren in der modernen Arbeitswelt sind nicht einzelne Individuen, sondern Gesellschaften mit selbständiger Rechtspersönlichkeit, in englischer Rechtsterminologie „companies" oder (weiter gefaßt) „corporations." Die praktische Relevanz der Lehre von der vicarious liability sowie ihre Ausgestaltung im einzelnen hängt historisch zu weiten Teilen mit dem Bedeutungszuwachs von Korporationen im öffentlichen Leben zusammen. 87 Für Delikte einfacher employees (oder agents 88 ) sind Körperschaften im selben Umfang wie natürliche Personen verantwortlich. Besonderheiten in der rechtlichen Bewertung ergeben sich jedoch, wenn nicht ein gewöhnlicher Angestellter, sondern eine Person in leitender Stellung, wie der Direktor oder Geschäftsführer eines Unternehmens, Schäden verursacht 83
Zur Problematik vgl. Erman/Schiemann, § 831 BGB Rn. 9; BGH ZfBR 95, 133; ferner BGH VersR 74, 243. 84 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 156ff.; Fleming, Torts, 375; Salmond/ Heuston, Torts, 440. In einigen amerikanischen Staaten ist diese Position geltendes Recht. 85 ,,[N]o man can serve two masters", vgl. Esso Petroleum Co Ltd ν. Hall Rüssel & Co Ltd [1988] 3 WLR 730, 758. Wenn der Gehilfe selbst verletzt wurde, weil das Arbeitssystem nicht sicher war, bleibt der general employer grundsätzlich verantwortlich, da ihn im Hinblick auf die Sicherheit seiner Angestellten eine persönliche, „nicht delegierbare Verpflichtung" trifft (dazu allgemein s.u., § 5 III 2), vgl. Morris v. Breaveglen Ltd [1993] PIQR P294; daneben ist freilich eine Klage gegen den temporary employer gegeben, wenn der Schaden auf seine Fahrlässigkeit (oder das Verschulden seiner Angestellten in Ausführung der Verrichtung) zurückzuführen ist, vgl. Nelhams v. Sandells Maintenance Ltd [1996] PIQR P52. 86 Palandt/Thomas, § 831 Rn. 7. 87 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 381. 88 Zur Haftung für agents s. u., § 5 IV.
II. Haftung für employees
239
hat. Nach den bisherigen Überlegungen wäre es grundsätzlich denkbar, einen Vertreter des Vorstandes als employee einzustufen, selbst wenn er in der Führung seiner Geschäfte keinerlei Weisungen eines anderen unterworfen ist: Ein Dienstvertrag kann auch in Abwesenheit von Kontrolle über das Verhalten des Angestellten gegeben sein, sofern das entsprechende Defizit durch das Vorhandensein anderer Faktoren ausgeglichen wird. Im Hinblick auf die Haftung von juristischen Personen für Delikte von Vorstandsmitgliedern scheint das Vorliegen eines contract of service jedoch nicht zwingend erforderlich zu sein. 89 Die entscheidende Überlegung ist nicht, ob ein leitender Direktor im Einzelfall als servant oder agent zu qualifizieren ist, da seine Tätigkeit unmittelbar als Handeln der Körperschaft selbst angesehen wird. Dieser Gedanke wurde durch Viscount Haidane, L.C., in einer vielzitierten Passage aus dem House of Lords-Urteil Lennards Carrying Co Ltd v. Asiatic Petroleum Co Ltd von 1915 in folgender Weise zum Ausdruck gebracht: „[A] corporation is an abstraction. It has no mind of its own any more than it has a body of its own; its active and directing will must consequently be sought in the person of somebody who for some purposes may be called an agent but who is really the directing mind and will of the corporation, the very ego and centre of the personality of the corporation." 90 Vergleichbar dem Verhältnis von § 31 und § 831 BGB ist die Verwirklichung einer unrechtmäßigen Tat durch ein Vorstandsmitglied daher streng genommen kein Fall von vicarious liability, sondern „personal liability." 9 1 Die Abgrenzung zwischen beiden Formen der Haftung ist nicht allein akademischer Natur: Neben dem Strafrecht spielt sie in allen Zusammenhängen eine Rolle, wo es maßgeblich auf eigenes im Gegensatz zu fremdem Verschulden ankommt. Die Bedeutung der Frage im Rahmen des englischen Privatrechts darf freilich nicht überschätzt werden. 92 Für den vorliegenden Kontext ist unabhängig von der theoretischen Unterscheidung zwischen persönlicher und indirekter Verantwortlichkeit wichtig, daß die Strukturelemente der Haftung von Körperschaften für Delikte von Personen in leitender Stellung in allen Punkten den charakteristischen Merkmalen der vicarious liability entsprechen. Die drei eingangs erwähnten Grundvoraussetzungen93 müssen erfüllt sein, um die Einstandspflicht für Direktoren 89 Die Frage nach dem Erfordernis eines Dienstvertrages scheint im Zusammenhang von Vorstandsmitgliedern noch nicht problematisiert worden, aber auch nicht entscheidend zu sein. Direktoren sind nicht notwendiger Weise auch „servants" (vgl. weitergehend Hutton v. West Cork Rail Co (1883) 23 ChD 654, 672: „A director is not a servant"; ferner Normandy v. Ind Coope & Co Ltd [1908] 1 Ch. 84, 104) was an der Haftung der Körperschaft für ihr Verhalten jedoch nichts ändert. 90 [1915] AC 705, 713. 91 Atiyah, Vicarious Liability, 382. 92 Atiyah, Vicarious Liability, 382.
240
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
oder Geschäftsführer zu begründen: Die Verwirklichung eines tort, eine besondere Verbindung des Handelnden zu dem Unternehmen in Form einer führenden Position, sowie ein Zusammenhang zwischen dem unrechtmäßigen Verhalten und der Ausübung der Pflichten für die juristische Person. 94 Als „alter ego" oder „directing mind and will of the corporation" kommen nicht nur der Vorstand oder seine individuellen Mitglieder in Betracht, sondern auch Angestellte unterer Ebenen, sofern sie im Einzelfall, wenn auch nur vorübergehend, die Geschäfte der Körperschaft kontrolliert haben. 95 Die Gerichte sind in der Entscheidung dieser Problematik nicht an die formalen Satzungsbestimmungen gebunden, ausschlaggebend ist vielmehr, wer das Geschehen tatsächlich gelenkt hat. 9 6 Für die Haftung ist weiterhin erforderlich, daß die betreffende Person bei Begehung des Delikts in Verrichtung von Angelegenheiten des Unternehmens tätig geworden ist („within the scope of his office or employment" 97 ). In der Literatur wird in diesem Kontext die Frage diskutiert, ob ein Verhalten in Überschreitung satzungsmäßiger Befugnisse („ultra vires" 9 8 ) eine Verantwortlichkeit der Körperschaft begründen kann. 99 So lange ein hinreichender Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Repräsentanten und den Aufgaben der juristischen Person besteht, scheint die formelle Übereinstimmung mit den Regelungen der Satzung nicht entscheidend zu sein. 1 0 0 93
Vgl. § 5 II 1 a. Vgl. zur persönlichen Haftung von Unternehmen bei Delikten von Personen in leitender Stellung Atiyah, Vicarious Liability, 5: „In cases of this nature the distinction between personal and vicarious liability is of little practical importance." Unter Umständen kann jedoch eine ergänzende Eigenhaftung des Handelnden ausscheiden, vgl. dazu C. Evans & Sons Ltd v. Spritebrand Ltd [1985] 2 All ER 415 und die schottische Entscheidung Nordic Oil Services Ltd v. Bermon SLT Rep 1993, 1164. Vgl. zu dieser Problematik im deutschen Recht Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 391: „Es ist nach originär deliktischen Erwägungen zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen den Geschäftsleiter neben der juristischen Person auch persönlich eine haftungsbegründende Verkehrspflicht trifft." 95 Boyle/Birds, Company Law, 21. 96 Vgl. Pennington, Company Law, 49. 97 Pennington, Company Law, 48. Die Formulierung stammt aus dem Strafrecht und ist in dieser Form im zivilrechtlichen Kontext noch nicht in Erscheinung getreten. Daß ein solcher funktionaler Zusammenhang auch für die privatrechtliche Haftung erforderlich ist, dürfte jedoch nicht zweifelhaft sein, vgl. Pennington, Company Law, 49: ,,[I]t is clear that the company is liable in tort for all wrongful acts and omissions of the persons who control the management or operation of its business undertaking when they are acting as such." 98 Dazu allgemein Gower, Modern Company Law, 166 ff. 99 Dazu ausführlich Atiyah, Vicarious Liability, 383. 100 So Winfield/Jolowicz, Tort, 716, unter Hinweis auf section 35 des „Companies Act" 1985 bzw. section 108 des Companies Act 1989. Zu Besonderheiten in der Haftung von Gewerkschaften vgl. Winfield/Jolowicz, Tort, 55Iff. Nichtrechtsfähige Zusammenschlüsse („unincorporated associations") können regelmäßig nicht 94
II. Haftung für employees
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c) „The Crown" Der Staat gehört in einer modernen Gesellschaft zu den größten Arbeitgebern. Aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt sich, daß er für unerlaubtes Verhalten seiner Angestellten in Ausübung ihrer Pflichten Ersatz leisten muß. 1 0 1 Die allgemeinen Grundsätze der vicarious liability kamen in England jedoch lange Zeit nicht auf den Staat, „the Crown", zur Anwendung. 1 0 2 Der Grund dafür lag darin, daß der König nach überlieferten Vorstellungen selbst kein Unrecht begehen konnte: „The King can do no wrong", wie eine traditionelle Maxime diesen Gedanken zum Ausdruck brachte. 103 Daraus wurde abgeleitet, daß auch bei unerlaubtem Verhalten von Bediensteten keine Ersatzpflicht der Krone entstand. Die Lehre von der vicarious liability wurde in den Anfängen, wie sich zeigte, primär mit dem Identifikationsgedanken begründet. 104 Da das Vergehen eines Gehilfen folglich gleichzeitig als Missetat des Herrn angesehen wurde, mußte konsequenterweise die Verantwortlichkeit des Königs auch für das Verschulden seiner Leute ausscheiden. 105 Bis in die Mitte dieses Jahrhunderts versuchte man diese Rechtsschutzlücke zu beheben, indem Schadensersatzansprüche, die einem Dritten gegen einen Angestellten des Staates zustanden, aus einem öffentlichen Fonds beglichen wurden. Sofern im Einzelfall der Schuldige nicht ermittelt werden konnte, wurde von der zuständigen Regierungsbehörde irgendein Bediensteter als Beklagter für einen Scheinprozeß ernannt. Erst als die Gerichte gegen diese Fiktion revoltierten und einen vorgeschobenen Schädiger in Abwesenheit von persönlicher Verantwortlichkeit nicht mehr verurteilten 106 , erhöhte sich der Druck zur Änderung der Rechtslage mit der Konsequenz, daß im Jahre 1947 schließlich der „Crown Proceedings Act" erlassen wurde. 1 0 7 Nach section 2 (1) des Gesetzes ist die Krone
als solche verklagt werden, Halsbury, Band 45, S. 566. Im Fall von Vereinen („clubs") haften die Mitglieder für Delikte von anderen nur dann, wenn im Einzelfall eine employer-employee- oder principal-agent relationship nach den allgemeinen Grundsätzen ermittelt werden kann. Regelmäßig wird die Verantwortlichkeit jedoch eher die Mitglieder des Vorstandes treffen, dazu vgl. Clerk/Lindsell, Torts, 3-13; Halsbury, Band 6, 77. Zu den Besonderheiten der Haftung von „partners" s.u., § 5 IV 5. 101 Hogg, Liability of the Crown, 9ff. 102 Zu den Begriffen State und Crown im englischen Recht vgl. etwa Foulkes, Administrative Law, 12 ff. 103 Dazu vgl. Hogg, Liability of the Crown, 5. 104 S. ο., § 4 V 2. 105 Craig, Administrative Law, 634. 106 Vgl. Adams v. Naylor [1946] AC 543; Royster v. Cavey [1947] 1 KB 204; [1946] 2 All ER 642. 107 Foulkes, Administrative Law, 502. 16 Wicke
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in der Frage der vicarious liability grundsätzlich auf die gleiche Stufe mit privaten Arbeitgebern gestellt: „Subject to the provisions of this Act, the Crown shall be subject to all those liabilities in tort to which, if it were a private person of full age and capacity, it would be subject (a) in respect of torts committed by its servants or agents .. Demnach kommen die allgemeinen Regeln für die Bestimmung der employer-employee relationship auch im Hinblick auf den Staat zur Anwendung. 108 Sofern im Einzelfall eigenes im Gegensatz zu fremdem Verschulden vorausgesetzt wird, ist analog der bei privaten Körperschaften üblichen Unterscheidung 109 zu ermitteln, ob der betreffende Angestellte als „directing mind" Kontrolle über das in Frage stehende Geschehen hatte. 1 1 0 Mit dem Begriff des „agent" ist klargestellt, daß auch die anderen Kategorien der vicarious liability eingeschlossen sind, worunter, wie sich erläuternd aus section 38 (2) ergibt, auch die speziellen Tatbestände der Haftung für einen independent contractor fallen. 1 1 1 Sofern der angestellte Schädiger Beamter war, scheidet nach section 2 (6) die Verantwortlichkeit jedoch aus, wenn dieser nicht direkt oder indirekt durch die Krone ernannt wurde und sein Gehalt nicht aus bestimmten öffentlichen Quellen erhält. Neben Bediensteten einiger gesetzlicher Körperschaften ist diese Ausnahme vor allem im Fall von Polizeibeamten relevant. 112 Einschränkende Sondervorschriften existieren ferner im Hinblick auf richterliche Tätigkeiten, die Streitkräfte und den Postbetrieb. 113
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Ein jüngeres Beispiel (vicarious liability für Amtsmißbrauch) ist Racz v. Home Office [1994] 2 AC 45. 109 S. o., § 5 II 2 b. 110 Hogg, Liability of the Crown, 10 f. 111 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 395. Section 2 (1) bestimmt außerdem, daß die mit Eigentum und Besitz zusammenhängenden Pflichten die Krone treffen und daß sie den allgemeinen Anforderungen an Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmern nachkommen muß. 112 Nach section 48 des „Police Act" 1964 haftet der Polizeipräsident eines Bezirks „in respect of torts committed by constables under his direction and control in the performance or purported performance of their functions in like manner as a master is liable in respect of torts committed by his servants in the course of their employment." Die entstandenen Ersatzansprüche werden allerdings aus einem Polizeifond beglichen, siehe Art. 48 (2) (b). 113 Zu diesen Ausnahmen siehe Foulkes, Administrative Law, 506ff.
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3. Der funktionale Haftungszusammenhang: in the course of employment a) Die Flut von Entscheidungen Das Bestehen einer employer-employee relationship ist für die Begründung von vicarious liability allein nicht ausreichend. Der Geschäftsherr ist, anders als der römische pater familias im Hinblick auf seine Hausangehörigen, nicht für jedes Delikt verantwortlich, das ein Bediensteter während der 24 Stunden eines Tages verübt. Charakteristisch für die moderne Gehilfenhaftung ist vielmehr das Erfordernis eines funktionalen Zusammenhangs zwischen Arbeitsverhältnis und verübtem Unrecht. Entsprechend muß auch nach common law der Gehilfe bei Verwirklichung des Unrechts „in the course" oder „in the scope of the employment" gehandelt haben, um eine Einstandspflicht seines Geschäftsherrn zu begründen. 114 Die Argumente und Lösungsansätze, die sich in England zu dieser Frage herausgebildet haben, weisen erneut Parallelen zu den Kriterien auf, die in bezug auf § 831 BGB diskutiert werden. Der Unterschied in dem Erfordernis des (vermuteten) persönlichen Verschuldens auf Seiten des Geschäftsherrn gibt nicht zu grundlegend anderen Überlegungen Anlaß. 1 1 5 Um so bemerkenswerter mag es erscheinen, daß in England zu dieser Frage eine regelrechte Flut von Entscheidungen ergangen ist, die auch in der wissenschaftlichen Literatur ausführliche Behandlung finden. Die Erfahrungen des common law verdienen dabei aus deutscher Perspektive besondere Aufmerksamkeit, da für die 114
Die Wendung „in the course" oder „in the scope of employment" hat sich in England seit dem 19. Jahrhundert als wichtigste Formulierung zur Kennzeichnung der notwendigen Verbindung zwischen Delikt und Arbeitsverhältnis eingebürgert. Die daneben gebräuchliche Bezeichnung „in the course" oder „in the scope of his authority" ist mit der heute herrschenden Meinung im Kontext der Haftung für employees abzulehnen, da sie ein zu enges Verständnis der Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn suggeriert: Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet authority „Weisung" oder „Ermächtigung." Die Formulierung „in the course of authority" erweckt den fehlerhaften Eindruck, das deliktische Verhalten des employee müsse sich auf eine konkrete Anordnung des employer zurückführen lassen, um seine Einstandspflicht zu begründen. Zwar kann authority auch eine stillschweigende Ermächtigung, „implied" authority, meinen. Vgl. in dieser Hinsicht jedoch Jones, Torts, 337: „The language of implied authority is not particularly helpful because in many respects it is simply a restatement of the question whether the employee was acting in the course of employment." Daneben bezeichnet authority im Stellvertretungsrecht die Vollmacht des Vertreters und hat damit eine besondere technische Funktion. Wie sich zeigen wird, ist der Begriff im Rahmen der vicarious liability für agents zur Beschreibung des funktionalen Haftungszusammenhangs geeignet, im Hinblick auf die employer-employee relationship lenkt er demgegenüber von den eigentlich problematischen Fragestellungen ab. Vgl. auch Atiyah, Vicarious Liability, 173, m. w.N. 1,5 Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 635 f., 643 f. 16*
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Abgrenzung der Tätigkeiten in Ausführung der Verrichtung von solchen, die nur „bei Gelegenheit" erfolgen, hierzulande „bisher ein sachhaltiges Kriterium nicht gefunden worden" 1 1 6 ist. Der BGH stellt in ständiger Rechtsprechung darauf ab, ob das Handeln des Gehilfen in einem „unmittelbaren inneren Zusammenhang" mit dem ihm übertragenen Aufgabenkreis stand. 117 Im allgemeinen leistet diese Formel für sich genommen jedoch keine wesentliche Hilfestellung, da sie ihrerseits weitender Ausfüllung bedarf. 118 Wenn der Problematik im Rahmen des englischen Rechts, ungeachtet der angedeuteten Probleme bei der Auslegung von § 831 BGB, ein größerer Stellenwert zukommt, scheint sich hierfür vor allem ein Erklärungsansatz aufzudrängen: Wie zu Beginn der Arbeit dargestellt wurde, hat die deutsche Rechtsprechung seit Inkrafttreten des BGB eine Reihe unterschiedlicher Wege ausfindig gemacht, um die Exkulpationsmöglichkeit des Geschäftsherrn zu umgehen. Mit diesen Konstruktionen, die überwiegend an § 831 BGB vorbeiführen, hat sich auch eine Entlastung der einschränkenden Haftungsvoraussetzung „in Ausführung der Verrichtung" ergeben. Um für das deutsche Recht ein Gesamtbild der einschlägigen Abgrenzungsfragen zu gewinnen, müßten streng genommen daher auch die Vorschriften der § 31 und § 278 BGB in die Betrachtung miteinbezogen werden, in deren Rahmen einige Fälle entschieden wurden, die bei einer strikten Ausgestaltung der außervertraglichen Gehilfenhaftung dem § 831 BGB zuzuordnen wären. 1 1 9 In Gestalt der Lehre von den Verkehrspflichten steht den Gerichten ferner ein Werkzeug zur Verfügung, um notfalls auch nach einer (voreiligen) Ablehnung des Haftungszusammenhangs noch zu einer Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn nach § 823 I BGB gelangen zu können. 1 2 0 1.6
MüKo/Stein, § 831 BGB Rn. 48; vgl. auch Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II, 480: „Die Abgrenzung ist freilich schwierig und bisher nicht befriedigend geklärt." Ferner Fuchs, Deliktsrecht, 126: „Sichere Abgrenzungskriterien sind hierfür bislang nicht gefunden worden." 1.7 Vgl. etwa BGH NJW 1971, 31, 32. 118 Kupisch, Die Haftung für Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB), JuS 1984, 250, 254. 119 Die Voraussetzung „bei Erfüllung" in § 278 BGB wird daher von der herrschenden Meinung wie das Tatbestandsmerkmal „in Ausführung der Verrichtung" in § 831 BGB interpretiert, vgl. etwa Medicus, Schuldrecht BT, 400. Gleiches gilt für die funktionale Haftungsbegrenzung in § 31 BGB, siehe Erman/Westermann, § 31 BGB Rn. 5. 120 In BGHZ 11, 151 hatten Arbeiter einer Abbruchfirma eine einsturzgefährdete Reithalle abgetragen und dabei die Zinkverkleidung vom Dach des angrenzenden Hauptgebäudes gestohlen. Im Rahmen der Prüfung von § 831 BGB urteilte der BGH, daß die Arbeiter den Diebstahl „bei Gelegenheit der Verrichtung" verübt hätten. Des weiteren wurde jedoch erörtert, ob nicht ein Fehlverhalten einer Aufsichtsperson vorgelegen habe, durch deren Fahrlässigkeit der Diebstahl ermöglicht wurde. Für den Fall der Abwesenheit einer solchen Aufsichtsperson wurde ferner ein Organisationsverschulden
der Firmenorgane nach §§ 31, 823 BGB in Betracht gezogen,
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Unter der Formel „in the course of employment" werden in England folglich Fragen erörtert, die im deutschen Recht über mehrere unterschiedliche Standorte verstreut behandelt werden. In Übereinstimmung mit ihrer Bedeutung im Kontext der englischen vicarious liability bedarf die Problematik des funktionalen Haftungszusammenhangs daher einer eingehenden Betrachtung. b) Die Voraussetzung im allgemeinen Als abstrakte Voraussetzung scheint die Wendung „in the course of employment" aus sich selbst heraus verständlich. Der Begriff ist weit gefaßt und läßt daher umfangreichen Raum für rechtspolitische Erwägungen im Einzelfall. 1 2 1 Seine nähere Konkretisierung hat jedoch, wie die große Anzahl von Entscheidungen vermuten läßt, zu äußerst diffizilen Abgrenzungsfragen geführt. Die Komplexität der Fragestellung scheint dabei sogar zu Schwierigkeiten in der Anwendung des englischen Präzedenzsystems Anlaß zu geben: ,,[T]he large body of case law ... is notable for one thing, its inconsistency very often with an immediately preceding case", wie Comyn, J., unlängst in einer Entscheidung offen einräumte. 122 In einigen höchstrichterlichen Urteilen wurde versucht, die Zuordnung als Frage der tatsächlichen Umstände im Einzelfall abzutun 123 , um auf diese Weise die Bindungswirkung vorausgegangener Entscheidungen zu vermeiden. In dieser Hinsicht formulierte jedoch Diplock, L.J., in Ilkiw v. Samuels treffend: „The law is nearly always most obscure in those fields in which judges say the principle is plain, but the difficulty lies in its application to particular facts." 1 2 4 Die Einordnung bestimmter Geschehnisse gemäß den Kriterien der Rechtsordnung ist, wie bereits erwähnt wurde, eine Rechtsfrage. 125 Wenn sämtliche Fakten eines Sachverhaltes unbestritten feststehen, ist die nachfolgende Zurechnung der Handlung des Angestellten zu seinen Arbeitspflichten eine rechtliche Problematik. Die große Menge höchstrichterlicher Entscheidungen zur Thematik wäre nicht zu erklären, wenn es um bloße Tatsachen ginge. Um die „Obskurität" der Fragestellung aufzuhellen, wurden in Rechtsprechung und Literatur zahlreiche
falls diese es sorgfaltswidrig unterlassen haben sollten, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, daß ihre Gehilfen „bei Gelegenheit" der ihnen übertragenen Arbeiten Dritte schädigen. Vgl. auch Medicus, Schuldrecht BT, 400. 121 Fleming, Torts, 377. 122 Harrison ν. Michelin Tyre Co Ltd [1985] 1 All ER 918, 920. 123 Siehe z.B. Daniels v. Whetstone Entertainments Ltd [1962] 2 Lloyd's Rep 1; Clerk/Lindsell, Torts, 3-17. 124 Vgl. Ilkiw v. Samuels [1963] 1 WLR 991, 1004. 125 Larenz/Canaris, Methodenlehre, 128.
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„Tests" mit dem Ziel entwickelt, den Zusammenhang zwischen Unrechtsbegehung und Arbeitsverhältnis näher zu präzisieren. Die Formel, die in der Rechtsprechung den größten Anklang gefunden hat, wurde von dem Autor eines der bedeutendsten Bücher zum englischen law of torts entwickelt und ist als „the well-known passage in Salmond on Torts" bekannt: „It is clear that the master is responsible for acts actually authorised by him; for liability would exist in this case, even if the relation between the parties was merely one of agency, and not one of service at all. But a master, as opposed to the employer of an independent contractor is liable even for acts which he has not authorised, provided they are so connected with acts which he has authorised that they may rightly be regarded as modes - although improper modes - of doing them ... On the other hand, if the unauthorised and wrongful act of the servant is not so connected with the authorised act as to be a mode of doing it, but is an independent act, the master is not responsible: for in such a case the servant is not acting in the course of his employment but has gone outside of it." 1 2 6 So plastisch dieser Ansatz klingen mag, wie manch anderer Test liefert er nicht viel mehr als eine Umformulierung der Problematik. In zahlreichen Konstellationen, wie etwa im Fall vorsätzlicher Deliktsbegehung, ist er zudem als Abgrenzungskriterium ungeeignet. 127 Neben allgemeinen Unterscheidungsformeln, die grundsätzliche Gültigkeit beanspruchen, wurden im Laufe der Zeit mehrere spezielle Regeln für bestimmte typische Sachverhaltskonstellationen entwickelt. Oftmals wurden sie jedoch als absolute Grundsätze formuliert (oder nachfolgend in einem umfassenden Sinne interpretiert), obwohl ihre Aussagekraft sich nur auf einige Sondertatbestände erstreckte. 128 In Literatur und Rechtsprechung gewinnt daher zunehmend die Auffassung an Boden, daß der Wert jeder als abschließend konzipierten Definition begrenzt ist. „It is probably not possible, and it is certainly inadvisable, to endeavour to lay down an exhaustive definition of what falls within the scope of the employment", wie dies in der schottischen Entscheidung Kirby v. National Coal Board 1 2 9 treffend zum Ausdruck gebracht wurde. 1 3 0 Wenn sich demnach nicht ein einzelner fest umrissener Test 126
Vgl. Salmond/Heuston, Torts, 443; die Passage wurde beispielsweise zitiert in Keppel Bus Co v. Ahmad [1974] 1 WLR 1082, 1084; General Engineering Ltd v. Kingston and St. Andrew Corporation [1989] 1 WLR 69, 72; Canadian Pacific Railway v. Lockhart [1942] AC 591, 599. 127 Zur Kritik des Ansatzes von Salmond vgl. i.e. Atiyah, Vicarious Liability, vor allem S. 199, 226f., 232, 263, 274. 128 Vgl. Lord Lowry in Smith v. Stages [1989] AC 928, 950: „That case, as well as others, exemplifies the danger of picking out features and treating them as decisive in a different context. With respect, this is what I think the trial judge did when he relied on Nottingham v. Aldridge to defeat the plaintiff on the course of employment issue." 129 (1958) SC 514, 532; vgl. auch Williams v. A & W Hemphill Ltd (1966) SLT 259, 260.
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ermitteln läßt, der in allen Lagen zuverlässige Ergebnisse hervorbringt, ist damit freilich nicht gesagt, daß der funktionale Haftungszusammenhang sich wissenschaftlicher Konkretisierung vollständig entzieht und die Problematik in reiner Kasuistik zerläuft. Vielmehr gibt es bestimmte Faktoren, die von den Gerichten bei ihrer Entscheidung üblicherweise berücksichtigt werden und die für oder gegen die Haftung des Geschäftsherrn sprechen. Diese Faktoren werden zusammen abgewogen und ihr gemeinsames Gewicht gibt in der Endbeurteilung den Ausschlag. Keines der Kriterien ist für die Annahme einer Verantwortlichkeit zwingend erforderlich: Die Abwesenheit eines Elementes kann durch das Vorhandensein anderer Aspekte kompensiert werden. Das Gesamturteil basiert daher auf einer umfassenden Wertung sämtlicher relevanten Umstände. 131 Im folgenden sollen einige wichtige Faktoren untersucht werden, die sich im Laufe der englischen Rechtsentwicklung herauskristallisiert haben. Um ihre Bedeutung im einzelnen abschätzen zu können, wird es dabei notwendig sein, auf einschlägiges Fallmaterial zurückzugreifen. Die Liste ist nicht um Vollständigkeit bemüht: Wahrscheinlich ist eine abschließende Aufstellung sämtlicher Faktoren nicht möglich, da sich angesichts der Vielgestaltigkeit unterschiedlicher Lebenssituationen in der zukünftigen Entwicklung neue Aspekte herausbilden werden. Ferner ist bei aller Wissenschaftlichkeit des methodischen Vorgehens zu berücksichtigen, daß das Ergebnis in der Praxis nicht selten einfach davon abhängen wird, wie weit die entscheidenden Richter den Umfang des Arbeitszusammenhangs zu ziehen geneigt sind. 1 3 2
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Vgl. auch Jones, Torts, 334; Staton v. National Coal Board [1957] 1 WLR 893, 895. 131 Vgl. die Äußerung von Donaldson, M.R., in Nancollas v. Insurance Officer [1985] 1 All ER 833 in Bezug auf die Worte „in the course of employment" gemäß section 50 (1) des „Social Security Act" 1975: „These apparently clear and simple words gave rise to endless litigation in the context of the Workmen's Compensation Acts and have proved no less prolific in their present context ... [T]he reality is that none of the authorities purports to lay down any conclusive test and none propounds any proposition of law which, as such, binds other courts. They do indeed approve an approach which requires the court to have regard and to weigh in the balance every factor which can be said in any way to point towards or away from a finding that the claimant was in the course of employment ... We cannot overemphasise the importance of looking at the factual picture as a whole and rejecting any approach based on the fallacious concept that any one factor is conclusive. The addition or subtraction of one factor in a given situation may well tip the balance. In another, the addition or subtraction of the same factor may well make no difference. We appreciate that it would assist if we could lay down rules or even guidelines. However, there are no rules" ([1985] 1 All ER 833, 835, 836, 840). Ähnlich Markesinis/Deakin, Tort Law, 510. 132 Jones, Torts, 335. Ähnlich wie im Rahmen der Bestimmung des employeeKonzepts kann man hier von einem „beweglichen System" in dem Sinne sprechen, daß die Abgrenzung nicht von dem Zusammentreffen aller oder bestimmter Elemen-
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c) Wichtige Indizien für den Haftungszusammenhang aa) Weisung oder Erlaubnis des Geschäftsherrn Ein starkes Indiz für die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn liegt vor, wenn das unerlaubte Verhalten des Gehilfen auf seine ausdrückliche Weisung zurückzuführen ist. Sofern der employer das in Frage stehende Unrecht als solches vorgeschrieben hat, trifft ihn als Anstifter eine persönliche deliktische Haftung. Um einen klassischen Fall von vicarious liability würde es sich demgegenüber handeln, wenn sich die Anordnung auf die rechtmäßige Ausführung von Arbeitspflichten des Beschäftigten bezog, dieser aber bei der Durchführung fahrlässig einen Schaden verursacht hat. Aufgrund der Eindeutigkeit der Haftungslage bereitet es freilich Schwierigkeiten, einschlägiges Fallmaterial zu finden. Als Beispiel ließe sich an den Fahrer eines Transportunternehmens denken, der aufgrund einer konkreten Aufforderung seines Arbeitgebers Güter von A nach Β transportiert und unterwegs aus Unachtsamkeit einen Unfall herbeiführt. Ungeachtet der wichtigen Indizfunktion ist eine direkte Weisung des Geschäftsherrn kein abschließendes Kriterium für die Bestimmung seiner Verantwortlichkeit. Viele Angestellte haben einen weiten Spielraum bei der Erfüllung ihrer Arbeitspflichten, und die Art und Weise der Durchführung läßt sich häufig nicht aus der ausdrücklichen Anordnung eines Vorgesetzten herleiten, ohne daß deshalb die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers beschränkt wäre. 1 3 3 Umgekehrt kann eine Weisung unter bestimmten Umständen sich auch als Erlaubnis darstellen, für einen beschränkten Zeitraum eigene Interessen zu verfolgen und eine vorübergehende Befreiung von der Arbeit bedeuten, die zu einem Ausschluß der vicarious liability führt. 1 3 4 Ein Metzgereiangestellter, der während der Mittagspause mit Einverständnis seines Geschäftsherrn dessen Fahrrad verwendet, handelt daher nicht mehr in Ausführung der Verrichtung, wenn er unterwegs einen Unfall verursacht. 135 te abhängig ist, sondern sich aus beliebigen Verbindungen der Elemente gibt, die in verschiedenen Stärkegraden gegeben sein können. 133 Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus dem oben angeführten „Salmond Test." Zur entsprechenden Rechtslage in Deutschland vgl. Staudinger Kommentar/ Belling/Eberl-Borges, § 831 BGB Rn. 78 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung. 134 Vgl. Diplock, J., in Hilton ν. Thomas Burton (Rhodes) Ltd [1961] 1 WLR 705, 707: „To say, as is sometimes said, that vicarious liability attaches to the master where the act is an act or falls within a class of acts which the servant is authorised to do, may be misleading. In one sense a master may be said to authorise a servant to do an act when he grants the servant permission to do something for the servant's own benefit." 135 Higbid v. R C Hammett Ltd (1932) 49 TLR 104; Hilton v. Thomas Burton (Rhodes) Ltd [1961] 1 WLR 705; siehe zur Problematik auch Atiyah, Vicarious Liability, 191 ff.; Salmond/Heuston, Torts, 450.
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bb) Verbot des Geschäftsherrn Ähnlich würde man vermuten, daß ein Verbot des Geschäftsherrn ein deutliches Argument gegen seine Haftung wäre. Immerhin hat er aktive Schritte unternommen, um das Risiko, das aus dem untersagten Verhalten resultieren kann, zu verhindern. Die Gerichte sehen ein Verbot durch den Arbeitgeber jedoch nicht als entscheidend im Hinblick auf seine Haftung gegenüber außenstehenden Dritten an. Andernfalls hätte dieser es selbst in der Hand, durch geschickte Ausgestaltung der Vertragsvereinbarungen mit seinen Angestellten die Verantwortlichkeit für Schäden durch sein Personal zu umgehen. 136 In Canadian Pacific Railway ν. Lockhart 1 3 7 wurde einem Beschäftigten untersagt, für Tätigkeiten im Außendienst seinen eigenen Wagen zu benutzen, wenn er keine Versicherung abgeschlossen hatte. Seine Arbeitgeber mußten dessenungeachtet Ersatz leisten, als er mit seinem nicht versicherten Wagen in Ausführung der Arbeit einen Unfall verursachte. Von der Rechtsprechung wird in dieser Frage eine Unterscheidung getroffen zwischen Anweisungen, die sich auf die Art und Weise der Verrichtung beziehen, und Vorschriften, die den Umfang des Arbeitsverhältnisses als solchen definieren. Nur im letztgenannten Fall hat ein Verstoß gegen ein Verbot die Wirkung, daß das Verhalten des Gehilfen nicht mehr in Durchführung seiner Aufgaben liegt und eine Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn ausscheidet. 138 Ein Busunternehmer haftet nach der Entscheidung Iqbal v. London Transport Executive 1 3 9 daher nicht, wenn ein Schaffner während der vorübergehenden Abwesenheit des Fahrers entgegen ausdrücklichen Anweisungen den Bus selbst in Bewegung setzt, da durch das Verbot der Kreis seiner Aufgaben verbindlich abgesteckt war. Wenn dem Schaffner freilich das Steuer von dem Fahrer persönlich überlassen wurde, ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber für dessen Fahrlässigkeit, die sich in dem Akt der Delegation manifestiert, verantwortlich i s t . 1 4 0
136 Vgl. schon Limpus v. London General Omnibus Company (1862) 1 H. & C. 526, 539; dazu s. o., § 4 V 6. 137 [1942] AC 591. 138 Deutlich in dieser Beziehung Lord Dunedin in Plumb v. Cobden Flour Mills Co Ltd [1914] AC 62, 67: ,,[T]here are prohibitions which limit the sphere of employment, and prohibitions which only deal with conduct within the sphere of employment. A transgression of a prohibition of the latter class leaves the sphere of employment where it was, and consequently will not prevent recovery of compensation. Ä transgression of the former class carries with it the result that the man has gone outside the sphere." 139 (1973) 16 KIR 329. 140 Vgl. Ricketts v. Thos Tilling Ltd [1915] 1 KB 644; ferner Ilkiw v. Samuels [1963] 1 WLR 991.
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cc) Absichten des Gehilfen Neben objektiven Gesichtspunkten sind auch subjektive Aspekte bei der Frage des course of employment zu berücksichtigen. Für die Zurechnung der Haftung kann es entscheidend sein, ob der Gehilfe während der Verwirklichung des deliktischen Unrechts die Interessen seines Arbeitgebers fördern wollte oder ob er vornehmlich durch persönliche Motive zum Handeln bewegt wurde. In General Engineering Services Ltd v. Kingston and St. Andrew Corporation 141 hatte die Besatzung eines Feuerwehrwagens einen Bummelstreik zur Durchsetzung ihrer Lohnforderungen unternommen und war aus diesem Grund verspätet an einer Brandstelle erschienen. Die Schadensersatzklage gegen den Arbeitgeber der Feuerwehrleute wurde abgewiesen, da diese nicht in Ausführung ihres Arbeitsverhältnisses gehandelt hatten. Ziel der Arbeitsverweigerung war allein die Förderung der Arbeitskampfinteressen, die Belange des Beklagten wurden nicht mehr verfolgt. 1 4 2 Demgegenüber gab in Kay v. ITW L t d 1 4 3 die Absicht des Gehilfen, Aufgaben seiner Arbeitgeber wahrzunehmen, den Ausschlag für die Annahme von vicarious liability. Ein Lagerverwalter, zu dessen Tätigkeiten die Bedienung eines Gabelstaplers gehörte, räumte einen fünf Tonnen schweren L K W aus dem Weg, um den Zugang zu einem Depot frei zu machen. Obwohl der Lagerverwalter nicht einmal den Versuch unternommen hatte, den wirklichen Fahrer ausfindig zu machen, hielt der Court of Appeal seine Geschäftsherren für die Schäden verantwortlich, die jener dem Kläger bei der Beseitigung des Hindernisses zufügte. Nach Auffassung des Gerichts hielt sich das Verhalten im Rahmen der Arbeitspflichten, da der Lagerverwalter mit dem Vorsatz handelte, den Gabelstapler zurück an den Abstellplatz im Lagerhaus zu bringen, und der Lieferwagen den einzigen Zugang dorthin versperrte. Sellers, L.J., betonte jedoch gleichzeitig, daß die Intention eines Gehilfen, die Interessen seines Arbeitgebers zu fördern, kein abschließendes Kriterium für die Zurechnung der Haftung wäre: „It is not, I think, conclusive of a master's liability that the wrongful act was undertaken by the servant in the belief that he would advance the master's business or interest or that it was done during the hours of employment or on the master's premises." 144 In der oben aufgeführten Entscheidung Iqbal ν. London Transport Executive 1 4 5 etwa war der Busunternehmer nicht für das Verhalten des Schaffners verantwortlich, der verbotswidrig den Bus in 141
[1989] 1 WLR 69. In Kirby ν National Coal Board (1958) SC 514 lag das Anzünden einer Zigarette nicht mehr in the course of employment. 143 [1968] 1 QB 140. 144 [1968] 1 QB 140, 154. 145 Iqbal v. London Transport Executive (1973) 16 KIR 329; siehe ferner Beard v. London General Omnibus Co [1900] 2 QB 530. 142
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Bewegung gesetzt hatte, obwohl dieser angeblich die Belange seines Geschäftsherrn fördern wollte. Ausschlaggebend war vielmehr, daß er nicht zum Fahren angestellt war. Umgekehrt kann sich eine Haftung des employer ergeben, obwohl der deliktische Akt allein aus eigennützigen Motiven des Gehilfen erfolgte. So mußte in Century Insurance Co Ltd v. Northern Ireland Road Transport Board 1 4 6 eine Petroleumfirma für das rechtswidrige Verhalten ihres angestellten Fahrers aufkommen, der sich beim Einfüllen von Benzin eine Zigarette anzündete und durch das fahrlässige Wegwerfen des brennenden Streichholzes ein Feuer entfachte. „The act of a workman in lighting his pipe or cigarette is an act done for his own comfort and convenience and, at least generally speaking, not for his employer's benefit, but that last condition is no longer essential to fix liability on the employe r " 1 4 7 , wie Lord Wright seine Entscheidung begründete. Das Verhalten des Beschäftigten dürfe nicht isoliert betrachtet werden, sondern müsse im Zusammenhang der äußeren Umstände gesehen werden. Unter den Gegebenheiten und zu dem Zeitpunkt der Arbeit stellte das Rauchen nach Auffassung des Gerichts eine fahrlässige Ausführung der Arbeitspflichten dar. 1 4 8 Das Gesamtbild der aufgeführten Entscheidungen macht deutlich, daß die Intentionen des employee ein bedeutendes Indiz für die Haftung des employer sind, daß sie aber weder als notwendige, noch als hinreichende Voraussetzung der Verantwortlichkeit angesehen werden können. dd) Zeit und Ort der Arbeit Ein wichtiger Aspekt, der in unterschiedlicher Weise relevant werden kann, ist der Faktor der Zeit, insbesondere in Gestalt der Arbeitsstunden des employee. Für die Begründung der Haftung des Geschäftsherrn reicht es nicht aus, daß das deliktische Verhalten während der Dienstzeit des Angestellten erfolgte. Wenn jemand beispielsweise zum Putzen eines Telefons angestellt ist, handelt er außerhalb des course of employment, wenn er die Gelegenheit für persönliche Ferngespräche nutzt. 1 4 9 Die Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ist in aller Regel ausgeschlossen, wenn das Unrecht eindeutig außerhalb der Arbeitsstunden verübt wurde. 1 5 0 Etwas anderes 146
[1942] AC 509. S. 519. 148 S. 514 per Viscount Simon, L.C. 149 Heasmans v. Clarity Cleaning Co [1987] ICR 749. Vgl. auch das oben angeführte Zitat von Seilers, L.J., in Kay v. ITW Ltd [1968] 1 QB 140, 154; ferner Staton v. National Coal Board [1957] 1 WLR 893, 895. 150 Nach der Auffassung von Lord Atkin in der House of Lords-Entscheidung Weaver v. Tredegar Iron and Coal Co Ltd [1940] AC 955, 966f. zur workmen's compensation können sich jedoch im Einzelfall gewisse Ausdehnungen über die festgelegte Arbeitszeit hinaus ergeben: „There can be no doubt that the course of 147
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kann freilich gelten, wenn ein Bediensteter während seiner Freizeit aktiv wird, um das Eigentum seines Arbeitgebers in einer Notsituation zu schützen. Als Beispiel läßt sich das Urteil des Court of Appeal in Poland v. John Parr & Sons anführen. 151 Ein Bediensteter beobachtete auf seinem Nachhauseweg, wie ein Junge die Hand auf einen mit Zucker beladenen Wagen seines Geschäftsherrn legte. In der irrtümlichen Überzeugung, einen Diebstahl aufzudecken, versetzte er dem vermeintlichen Übeltäter einen Schlag, der daraufhin stürzte und sich am Fuß verletzte. Obwohl der Gehilfe für diese Art von Rettungstätigkeit nicht angestellt war und zur Zeit des Unfalls sich nicht im Dienst befand, haftete sein Arbeitgeber, da sich nach Auffassung des Gerichts bei begründeter Annahme einer Notsituation eine entsprechende Erweiterung der Handlungsermächtigung ergeben könne. 1 5 2 Von derartigen Ausnahmen abgesehen liegt ein Verhalten außerhalb der Arbeitszeit jedoch regelmäßig nicht im Rahmen der Arbeitspflichten. In ähnlicher Weise wie der Zeitfaktor kann auch der Arbeitsort eines Angestellten für die Entscheidung von Bedeutung sein. Nicht jedes Unrecht, das auf dem Grundstück des Geschäftsherrn verübt wurde, läßt sich automatisch dem Arbeitsverhältnis zuordnen. 153 Sofern ein Bediensteter jedoch einen fixierten Arbeitsplatz hat und er seine Aufgaben nicht sinnvoll an einer anderen Stelle erledigen kann, handelt er grundsätzlich nicht mehr in Ausführung der Verrichtung, wenn er den zugewiesenen Standort verläßt. 154 Der Hin- und Rückweg zu oder von der Arbeitsstätte liegt nach englischem Recht regelmäßig außerhalb des course of employment. 155 employment cannot be limited to the time or place of the specific work which the workman is employed to do. It does not necessarily end when the down tools signal is given, or when the actual workshop where he is working is left. In other words the employment may run on its course by its own momentum beyond the actual stopping place. There may be some reasonable extension in both time and space." Siehe zu der Bedeutung der workmen's compensation-Fälle für die Lehre der vicarious liability Finnemore, J., in Staton v. National Coal Board [1957] 1 WLR 893, 897: „I appreciate that cases on ,the course of employment' under the Workmen's Compensation Acts might not always be of final and binding authority when one is dealing with the vicarious liability of the master for the tort of his servant." 151 [1927] 1 KB 236. 152 Vgl. Bankes, L.J., auf S. 240: „As a general rule a servant has an implied authority upon an emergency to endeavour to protect his master's property if he sees it in danger or has reasonable ground for thinking that he sees it in danger"; ferner Scrutton, L.J., auf S. 244: „That shows that an act is not placed beyond the scope of the servant's duty by the mere fact that it is not one of the class of acts which he is specially employed to do or that the time is not an hour at which he is ordinarily at work." 153 Hierzu etwa Vale v. Furness Withy & Co Ltd [1962] 2 Lloyd's Rep 298, 300. 154 Vgl. Lyons v. Martin (1838) 8 Ad. & E. 512; Lewis v. Read (1845) 13 M. & W. 834; Joseph Rand Ltd v. Craig [1919] 1 Ch. 1. 155 Smith v. Stages [1989] 1 AC 928, 955 f.
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Schwierigkeiten besonderer Art ergeben sich jedoch, wenn Zeit und Ort der Verrichtung nicht immer gleich festgelegt oder nicht streng determiniert sind. Die Leitentscheidung in diesem Zusammenhang ist das House of Lords-Urteil Smith v. Stages. 156 Ein Angestellter war vorübergehend eine größere Distanz entfernt von seinem üblichen Arbeitsplatz beschäftigt. Als er sich auf dem Rückweg nach Hause befand, um noch in derselben Woche die Tätigkeit an seiner gewöhnlichen Arbeitsstätte aufzunehmen, verursachte er einen Unfall. Da sein Geschäftsherr die Reise als normalen Arbeitstag bezahlte und deshalb ein Kontrollrecht über den Hergang besaß, mußte er für die entstandenen Verletzungen aufkommen. Lord Lowry formulierte umfangreiche Richtlinien für Delikte auf dem Hin- oder Rückweg zu bzw. von der Arbeit. Einleitend betonte er dabei, daß sich selbst in dieser speziellen Frage strenge Regeln verbieten. 157 Wenn der Angestellte während der Arbeitszeit zwischen unterschiedlichen Arbeitsstätten hin- und herpendelt, bewegt er sich Lord Lowry zufolge grundsätzlich in Ausführung seiner Verrichtung. Gleiches gilt, wenn die Beschäftigung als solche Ortsveränderungen mit sich bringt. Die Zahlung einer Vergütung für die reine Fahrzeit im Gegensatz zu einfachen Spesen spricht nach Ansicht Lord Lowrys ferner dafür, daß der Bedienstete auch auf dem Weg im Rahmen seiner Arbeitspflichten gehandelt hat. 1 5 8 Der Zeitfaktor und die örtliche Komponente sind schließlich in einer Reihe von Entscheidungen relevant geworden, in denen es um die Frage ging, ob ein Gehilfe in Ausführung der Verrichtung handelt, der mit dem Fahrzeug von einer vorgegebenen Route zur Verfolgung eigener Interessen abweicht. Die Begriffe „detour" und „frolic of his own", die seit der Entscheidung Joel v. Morison 1 5 9 zur Kennzeichnung beider Alternativen gebräuchlich sind 1 6 0 , laufen lediglich auf eine Umformulierung der eigentlichen Problematik hinaus, ohne Kriterien für die Abgrenzung zu liefern. 1 6 1 Als Ausgangspunkt der Überlegungen wird herkömmlich auf die alte Entscheidung Storey v. Ashton Bezug genommen. 162 Ein Weinhändler hatte 156
[1989] 1 AC 928. Vgl. auf S. 955: „The paramount rule is that an employee travelling on the highway will be acting in the course of his employment if, and only if, he is at the material time going about his employer's business. One must not confuse the duty to turn up for one's work with the concept of already being „on duty" while travelling to it. It is impossible to provide for every eventuality and foolish, without the benefit of argument, to make the attempt, but some prima facie propositions may be stated with reasonable confidence." 158 Vgl. zu den Regeln im einzelnen S. 956. 159 (1834) 6 Car. & P. 501. 160 S. ο., § 4 V 6. 161 Vgl. auch Jones, Torts, 335. 162 (1869) LR 4 QB 476. 157
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seinen Verkäufer und seinen Fahrer mit einem Pferdewagen zur Lieferung und Abholung von Flaschen ausgesandt. Nachdem sie ihren Auftrag ausgeführt hatten und auf dem Rückweg eine Viertelmeile vom Grundstück ihres Geschäftsherrn entfernt waren, drehten sie in eine andere Richtung ab und fuhren zu dem Verkäufer nach Hause, um eigenen Absichten nachzugehen. Wenn ein servant nicht die direkte, von seinem master vorgegebene Route einschlägt, ist es nach Auffassung von Chief Justice Cockburn eine Frage des Ausmaßes der Abweichung, ob die Fahrt noch in Ausführung der Verrichtung liegt. Die von Cockburn verwandte Formulierung „degree as to how far the deviation could be considered a separate journey" 1 6 3 wird allgemein durch eine räumliche und eine zeitliche Komponente konkretisiert. 1 6 4 Entscheidend für die Beurteilung von Storey v. Ashton war jedoch die Überlegung, daß die beiden Angestellten nicht lediglich ihre vorgeschriebene Strecke verlassen hatten, sondern sich vielmehr auf eine komplett neue Route allein zur Verfolgung persönlicher Interessen begeben hatten: ,,[E]very step he drove was away from his duty", wie Mellor, J., die Handlung des Fahrers beschrieb. 165 Die Absichten des unmittelbaren Schädigers sind in vergleichbaren Situationen für die Bestimmung des Arbeitszusammenhangs daher ebenfalls von Bedeutung. 166 Je nach den besonderen Umständen des Einzelfalls können die Elemente von Zeit und Raum im Rahmen der „deviation cases" durch das Hervortreten anderer Faktoren weiter in den Hintergrund rücken. In Williams v. A & W Hemphill 1 6 7 war der Fahrer eines Lastwagens erheblich von dem festgelegten Kurs abgewichen. Nach dem Urteil des House of Lords war sein Arbeitgeber gleichwohl für unterwegs verursachte Schäden verantwortlich, da er auf Bitten der Passagiere, die er befördern sollte, den Umweg unternommen hatte. Wie die Auswahl der aufgeführten Entscheidungen deutlich macht, können Zeit und Ort der Arbeit daher in zahlreichen Fällen zu entscheidenden Faktoren für die Bestimmung des Merkmals „in the course of employment" werden. Beide Komponenten sind jedoch im Licht der Gesamtumstände zu betrachten und treten möglicherweise hinter anderen Aspekten zurück.
163
S. 480. Vgl. etwa Atiyah, Vicarious Liability, 252 („degree and extent of deviation in time and space"); Winfield/Jolowicz, Tort, 601 („geographical or temporal divergence from instructions"). 165 S. 480. 166 Zur Frage, unter welchen Umständen ein Fahrer wieder in die Sphäre des course of employment zurückgelangen kann, vgl. Atiyah, 255 f. 167 (1966) S LT 259. 164
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ee) Eigentumsverhältnisse Bei der Bestimmung des Zusammenhangs von Arbeitsverhältnis und begangenem Unrecht verdienen ferner die Eigentumsverhältnisse Aufmerksamkeit. In der Mehrheit der entschiedenen Fälle ist der Schaden oder die Verletzung mittels eines Gegenstandes verursacht worden, der der Kontrolle des Gehilfen unterlag. Die Eigentumslage an dem Werkzeug oder der Sache, durch die der Unfall verursacht wurde, ist für sich selbst genommen freilich unerheblich. Ebenso wie ein Geschäftsherr für das Verhalten eines Gehilfen verantwortlich sein kann, der zur Erfüllung seiner Arbeitspflichten ein eigenes Fahrzeug gebraucht 168 , trifft den Arbeitgeber nicht schon deshalb eine Einstandspflicht, weil er einem Angestellten für die Beschäftigung einen ihm gehörenden Wagen überlassen hat, durch den die Kollision herbeigeführt wurde. 1 6 9 Aufgrund der Tatsache, daß dem Gehilfen die Obhut über einen Gegenstand anvertraut wurde, kann sich jedoch im Einzelfall eine Sorgfaltspflicht ergeben, die zu einer Ausdehnung des course of employment führt. In Ilkiw v. Samuels 170 hatte der angestellte Fahrer des beklagten Transportunternehmens den Auftrag, eine bestimmte Menge Zucker zu befördern. Als während des Ladevorgangs der im Eigentum der Firma stehende L K W ein Stück fortbewegt werden mußte, übertrug er das Steuer einem Dritten, der aufgrund mangelnder Fahrtüchtigkeit einen Unfall verursachte. Nach Auffassung des Court of Appeal handelte der Fahrer fahrlässig, indem er einem Fremden die Bedienung des Transporters überlassen hatte, ohne vorher dessen Kompetenz für die Aufgabe überprüft zu haben. Obwohl er die Schäden nicht unmittelbar selbst herbeigeführt hatte, lag sein Verschulden in Ausführung der Verrichtung, da ihm die Kontrolle über den Lieferwagen übertragen worden war und er daher die Verantwortung für einen sachgemäßen Umgang mit dem Fahrzeug trug. 1 7 1 Die Obhutspflicht über Eigentum des Geschäftsherrn kann daher zu einer Ausdehnung des course of employment führen und ist damit ein weiterer Faktor, der im Rahmen einer Gesamtbewertung den Ausschlag geben kann.
168
Vgl. etwa Canadian Pacific Railway Company v. Lockhart [1942] AC 591. Siehe beispielsweise Hilton ν. Thomas Burton (Rhodes) Ltd [1961] 1 WLR 705, 709 per Diplock, J.: „It may be he was using his master's vehicle with his master's permission; but ... that is not enough. The true test is, was he doing something he was employed to do?" Ferner Higbid v. R C Hammett Ltd (1932) 49 TLR 104. 170 [1963] 1 WLR 991. 171 Zu anderen Problemen im Zusammenhang der „delegated driving cases" vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 242 ff. 169
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ff) Interessen des Geschäftsherrn Wie sich zeigen wird, rechtfertigt sich die Lehre der vicarious liability nach moderner Auffassung durch die Kombination einer Reihe unterschiedlicher rechtspolitischer Erwägungen. 172 Von zentraler Bedeutung ist das Nebeneinander von Risiko und Nutzen: Durch die Anstellung eines Gehilfen gewinnt der Geschäftsherr einen größeren Aktionsradius, erhöht aber gleichzeitig die Möglichkeit schädigender Eingriffe in Rechtskreise anderer Personen. Als Kehrseite der Vorteile, die er aus der Arbeitsteilung zieht, muß er für die Nachteile aufkommen, die sich für Unbeteiligte aus der erhöhten Gefahr ergeben. 173 Im Einklang mit dieser Begründung der vicarious liability ist es ein starkes Indiz für die Haftungszurechung, wenn der Angestellte bei Vornahme der in Frage stehenden Handlung objektiv die Interessen des Arbeitgebers gefördert hat. Allerdings beschränkt sich der Rahmen der Verrichtungen nicht auf Situationen, in denen der Gehilfe zum unmittelbaren Vorteil des Geschäftsherrn tätig geworden ist. Nach der Entscheidung Staton v. National Coal Board 1 7 4 bewegt sich ein Angestellter, der in einer Zeche für erste Hilfe verantwortlich ist, noch in the course of employment, wenn er nach getaner Arbeit seinen Lohn im Zahlungsbüro abholt. ,,[I]t is in the interest of the master as well as the servant for the servant to draw his wages and the master should pay them; otherwise no work would be done" 1 7 5 , wie Finnemore, J., seine Entscheidung begründete. Ähnlich handelte nach Harvey v. R. G. O / D e l l L t d 1 7 6 ein Arbeiter, der auswärts beschäftigt wurde und Lohn für die Fahrzeit erhielt, noch in Ausführung der Verrichtung, als er nach dem Mittagessen zu seiner Arbeitsstelle zurückfuhr und unterwegs einen Unfall verursachte. Die Mahlzeit gehörte McNair, J., zufolge zu den erforderlichen Nebensächlichkeiten der Tätigkeit. 1 7 7 Aber auch für Verhaltensweisen, die den Belangen des Arbeitgebers zuwiderlaufen, kann sich bei Hinzutreten besonderer Umstände eine Haftung ergeben. Ein Beispiel ist der oben erwähnte Fall eines Tanklastwagens, dessen Fahrer beim Einfüllen von Benzin sich eine Zigarette anzündete und mit dem Streichholz fahrlässig einen Brand verursachte. 178 Die Rechtsprechung hat die Interessen des Geschäftsherrn im Zusammenhang einer Reihe von Fällen berücksichtigt, in denen der Gehilfe bei seiner 172
Dazu s.u., § 5 V. Siehe schon einleitend, § 1 I. 174 [1957] 1 WLR 893. 175 S. 895. 176 [1958] 2 QB 78. 177 S. 102: ,,[F]airly incidental to the day's work.'4 178 Century Insurance Co Ltd v. Northern Ireland Road Transport Board [1942] AC 509. 173
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Arbeit ohne Erlaubnis oder entgegen einer besonderen Anordnung einen Passagier beförderte, der unterwegs durch einen Unfall Verletzungen erlitt. Ausgangspunkt der Überlegungen ist das umstrittene Court of Appeal-Urteil in Twine v. Bean's Express L t d 1 7 9 . Nach dieser Entscheidung haftete der Beklagte nicht für die Schäden eines Anhalters, der von seinem angestellten Fahrer trotz eines ausdrücklichen Verbots während der Dienstzeit mitgenommen worden war. Das Gericht urteilte, daß der Arbeitgeber dem Beifahrer, der ihm gegenüber als unbefugter Störer („trespasser") erschiene, keine Sorgfaltspflicht („duty of care") schuldete. Diese Begründung der Entscheidung hat in Rechtsprechung und Literatur Widerspruch erfahren. 180 Wie sich zeigen wird, beruht die Lehre der vicarious liability nach heute wohl unbestrittener Auffassung auf der Zurechnung eines Delikts des Gehilfen und nicht auf einer persönlichen Unrechtsbegehung durch den Geschäftsherrn. Maßgeblich wäre daher die Frage gewesen, ob der angestellte Fahrer dem Passagier gegenüber zur Sorgfalt verpflichtet war. 1 8 1 Lord Greene, M.R., begründete seine Ansicht darüber hinaus mit dem Argument, daß der Gehilfe mit zwei Dingen gleichzeitig beschäftigt war, als er den Unfall verursachte: Mit dem Transport für seinen Arbeitgeber, der sich in Ausführung der Verrichtung bewegte, und der Mitnahme des Beifahrers, die nicht im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung stand und für die den Beklagten daher keine Verantwortung treffe. 1 8 2 In Wirklichkeit ist der Gehilfe jedoch nur einer Tätigkeit nachgegangen, und zwar dem Fahren des Lastwagens. Wenn er bei dem Unfall gleichzeitig einen unbeteiligten Fußgänger verletzt hätte, wäre sein Arbeitgeber ohne Zweifel für die Schäden verantwortlich gewesen. 183 Eine mögliche Begründung für die 179
[1946] 1 All ER 202; (1946) 62 TLR 458. Vgl. auch Conway ν. George Wimpey & Co Ltd [1951] 2 KB 266. 180 Vgl. bspw. Rose v. Plenty [1976] 1 WLR 141; Jones, Torts, 338; Atiyah, Vicarious Liability, 246 ff. 181 Für die Bewertung des Sachverhaltes ist es aus moderner Sicht weiterhin nicht entscheidend, daß der Anhalter sich unberechtigter Weise in dem Wagen aufgehalten hat, da auch ein Unbefugter im Einklang mit den Geboten der Menschlichkeit zu behandeln ist, vgl. Jones, Torts, 338; ferner Lord Denning, M.R., in Rose v. Plenty [1976] 1 WLR 141, 144. 182 S. 132: „He was driving his van from one place to another by a route that he was properly taking when he ran into an omnibus, and as he was driving the van he was acting within the scope of his employment. The other thing that he was doing simultaneously was something totally outside the scope of his employment, namely giving a lift to a person who had no right whatsoever to be there." 183 Atiyah, Vicarious Liability, 246. Faktisch läßt sich sein Verhalten daher nicht aufspalten. Lediglich unter normativen Gesichtspunkten kann man zwischen dem Schutzbedürfnis im Hinblick auf einen Passagier und auf außenstehende Dritte unterscheiden. Unter diesem Aspekt erscheint die Begründung aufgrund des duty of care-Konzepts nachvollziehbar, das in seinem Anwendungsbereich die Berücksichtigung rechtspolitischer Erwägungen ermöglicht, um wertend die Personen und Inter17 Wicke
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Ausgliederung des Beifahrers aus dem abgeschirmten Personenkreis liegt darin, daß er im Gegensatz zu einem Unbeteiligten dem Risiko der L K W Fahrt nicht unausweichlich ausgesetzt war, sondern die Gefahren bewußt in Kauf genommen hat. 1 8 4 Neben dem Risikogedanken spielt jedoch auch der Gesichtspunkt des Interesses eine Rolle: Die Beförderung erfolgte zum alleinigen Vorteil des Passagiers und lief den Belangen des Geschäftsherrn zuwider. Sofern sich im Einzelfall ein entsprechender Nutzen des employer an der Mitnahme ergeben sollte, würde sich das Ergebnis daher möglicherweise ändern. In diesem Gesichtspunkt scheint die Bedeutung der späteren Entscheidung des Court of Appeal in Rose v. Plenty 1 8 5 begründet zu sein. Ein Milchmann bediente sich für die Auslieferung von Flaschen der Hilfe des dreizehnjährigen Klägers, obwohl ihm ausdrücklich verboten worden war, Kinder für die Durchführung seiner Arbeit anzustellen. Unterwegs wurde der Junge durch unachtsames Fahren des Milchmannes verletzt. Nach der Mehrheit des Court of Appeal mußte dessen Arbeitgeber für die Verletzungen des Klägers aufkommen. Scarman, L.J., grenzte den Sachverhalt von Twine v. Bean's Express L t d 1 8 6 durch die Überlegung ab, daß in jenem Fall „the person given the lift was not in any way engagend, in the course of the lift or indeed otherwise, in doing the master's business or in assisting the servant to do the master's business." 187 Die Geschäftsinteressen des Arbeitgebers waren damit ausschlaggebend für die Annahme der Haftung. Dabei bemühte sich Scarman, L.J., nicht um detaillierte dogmatische Begründungen, da die Haftung des employer seiner Auffassung nach auf rechtspolitischen Erwägungen basiert: „ I think it is important to realise that the principle of vicarious liability is one of public policy. It is not a principle which derives from a critical or refined consideration of other concepts in the common l a w . " 1 8 8 Unter Verweis auf eine Äußerung von Diplock, essen zu ermitteln, die das Recht im Einzelfall zu berücksichtigen hat. Der Anhalter wäre gleichsam nicht vom Schutzzweck der Haftungszurechnung erfaßt gewesen. Vgl. zum Konzept der duty of care im einzelnen Fleming, Torts, 135 ff. 184 Analog zu der Lehre des „volenti non fit iniuria", vgl. dazu Fleming, Torts, 79. 185 [1976] 1 WLR 141. 186 [1946] 1 All ER. 187 S. 149. 188 S. 147. Etwas eigentümlich muten die Einleitung und der Schluß seiner Entscheidungsbegründung an. Vgl. einerseits S. 146: „Should there be an attentive visitor from Mars sitting in court at this moment, he might be forgiven for thinking that he was witnessing the exposure of an irreconcilable breach between two lines of authority in the English common law.44 Und andererseits S. 150: ,,[A]nd if that visitor from Mars is still in court after this long judgment, he will return to his planet conscious that one member of the court sees no irreconcilable difference opening up in the common law.44
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L.J., in Ilkiw v. Samuels 189 betonte er daher: „[The] matter must be looked at broadly, not dissecting the servant's task into its component activities." 1 9 0 Zusammenfassend läßt sich daher formulieren, daß bei der Frage des course of employment die Interessen des Geschäftsherrn mit zu berücksichtigen sind. Zwar liegt ein Verhalten zum alleinigen Vorteil des Gehilfen nicht notwendigerweise außerhalb der Verrichtung. Die Interessen des employer können jedoch im Einzelfall ausschlaggebend für die Annahme von vicarious liability werden. gg) Natur der Arbeit Um den Umfang des Arbeitszusammenhangs bestimmen zu können, ist die Natur der Tätigkeit des Angestellten in die Betrachtung einzubeziehen. ,,[W]as he doing something that he was employed to d o ? " 1 9 1 oder „what was the job at which he was engaged for his employer?" 1 9 2 sind typische Fragen, die von den Gerichten bei der Entscheidungsfindung gestellt werden. Der Schaffner eines Verkehrsbetriebs ist zum Verkauf und zur Kontrolle von Fahrkarten angestellt und nicht zum Manövrieren des Fuhrwerks, auch wenn das Busfahren zu den eigentlichen Leistungen des Unternehmens gehört. 193 Körperverletzungen können in Ausführung der Verrichtung liegen, sofern die Tätigkeit des Gehilfen die Verwendung von Gewalt mit sich bringt. Wenn ein Passagier sich gegen die beleidigende Sprache des Kontrolleurs wendet und seine Kritik mit einem Faustschlag beantwortet wird, kommt es nicht zur vicarious liability des Geschäftsherrn. 194 Anders ist die Situation jedoch, wenn ein Türsteher, der beschäftigt ist, um unliebsame Gäste aus dem Tanzsaal zu vertreiben, in der irrtümlichen Annahme einer Störung mit Gewalt reagiert. 195 Wurde durch Entzünden eines Streichholzes ein Brand verursacht, macht es einen Unterschied, ob ein Bergarbei189
[1963] 1 WLR 991. S. 147 f. Damit ist freilich nicht gemeint, daß nicht eine Reihe von Faktoren im hier verstandenen Sinne bei der Bewertung zu berücksichtigen ist, sondern vielmehr, daß die Tätigkeit des employee nicht faktisch in Einzelelemente aufzuspalten ist. 191 Hilton v. Thomas Burton (Rhodes) Ltd [1961] 1 WLR 705, 709. 192 Ilkiw v. Samuels [1963] 1 WLR 991, 1004. 193 Vgl. Beard ν. London General Omnibus Co [1900] 2 QB 530; Iqbal v. London Transport Executive (1973) 16 KIR 39. 194 Keppel Bus Co Ltd v. Ahmad [1974] 1 WLR 1082; siehe auch Bayley v. Manchester, Sheffield and Lincolnshire Railway [1861-73] All ER Rep 456. 195 Vgl. Daniels v. Whetstone Entertainments Ltd [1962] 2 Lloyd's Rep 1; ferner Vasey v. Surrey [1995] CLY 1123. Eine andere Bewertung kann sich jedoch beim Gebrauch exzessiver Gewalt ergeben. Generell zu den Problemen der vicarious liability im Zusammenhang mit Körperverletzungen vgl. Rose, Liability for an Employee's Assaults, 40 MLR (1977), 420; Atiyah, Vicarious Liability, 276ff. 190
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ter in einer Pause sich in einen entlegenen Teil der Mine begab, um dort in Ruhe rauchen zu können 1 9 6 oder ob der Fahrer eines Tankwagens beim Einfüllen von Benzin sich eine Zigarette ansteckte 197 : Nur in der zweiten Situation führen die gefährlichen Umstände der Arbeit zu einer Haftung des Arbeitgebers. 198 Allgemein wird man formulieren können, daß mit der Vergrößerung der Verantwortung des Angestellten sich auch eine Erweiterung des Radius seiner Dienstpflichten ergibt. 1 9 9 Die Natur der Arbeit des Gehilfen ist ein Faktor, der in jedem Fall bei der Bewertung berücksichtigt werden muß. hh) Fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten des Gehilfen Die Grundsätze der vicarious liability kommen auf sämtliche torts zur Anwendung und gelten daher für das gesamte Recht der unerlaubten Handlungen. 2 0 0 Unabhängig davon können sich jedoch je nach Art des verwirklichten Unrechts Unterschiede in der Bestimmung des course of employment ergeben. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts herrschte noch die Vorstellung, daß ein vorsätzliches Delikt des Gehilfen niemals in Ausführung der Verrichtung läge. 2 0 1 Während sich in dieser Hinsicht im modernen Recht deutliche Veränderungen ergeben haben, trifft es auch heute noch zu, daß der für die Haftung erforderliche Arbeitszusammenhang bei fahrlässigem Verhalten leichter zu bejahen ist als im Fall absichtlicher Schadensverursachung. 2 0 2 Ein frühes Beispiel einer Haftung des Geschäftsherrn für vorsätzlich verwirklichtes Unrecht ist der oben diskutierte Fall Limpus v. London General Omnibus Company von 1862, in dem ein Busfahrer einen Unfall dadurch verursachte, daß er absichtlich einen Konkurrenten ausbremste. 203 Für einen langen Zeitraum herrschte jedoch Unsicherheit darüber, ob bei bewußt verübten unerlaubten Handlungen auf Seiten des Gehilfen zumin196
Kirby v. National Coal Board 1958 SC 514. Century Insurance Co Ltd v. Northern Ireland Road Transport Board [1942] AC 509. 198 Vgl. [1942] AC 509, 519 per Lord Wright: „I think what plausibility the contrary argument might seeem to possess results from treating the act of lighting the cigarette in abstraction from the circumstances as a separate act." 199 Vgl. auch Atiyah, Vicarious Liability, 267. 200 Clerk/Lindsell, Torts, 3-16: „The nature of the tort is immaterial and the master is liable even where liability depends upon a specific state of mind and his own state of mind is innocent." Vgl. ferner United Africa Co v. Saka Owoade [1955] AC 130, 144 per Lord Oaksey; Barwick v. English Joint Stock Bank (1867) LR 2 Exch 259, 265 per Willes, J. 201 Vgl. Croft v. Alison (1821) 4 B. & Aid. 590; siehe aber schon Lord Holts Entscheidung in Hern v. Nicholas (1709) 1 Salk. 282. 202 Vgl. auch Atiyah, Vicarious Liability, 263. 203 (1862) 1 H. & C. 526. 197
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dest der Wille zur Förderung der Interessen des Geschäftsherrn nachweisbar sein muß. 2 0 4 Relative Klarheit wurde in dieser Hinsicht erst im Jahre 1912 durch die House of Lords-Entscheidung Lloyd v. Grace, Smith & C o 2 0 5 geschaffen. Eine Witwe, die zwei kleine Häuser und eine durch Hypothek gesicherte Summe Geldes besaß, wandte sich an eine Anwaltskanzlei, um sich nach einer einträglicheren Anlage ihres Vermögens zu erkundigen. Ein leitender Büroangestellter, der gewöhnlich die Eigentumsgeschäfte der Firma ohne weitere Beaufsichtigung betrieb, veranlaßte die Klientin, ihm die Urkunden zu übergeben und zwei Dokumente zu unterschreiben, um eine gewinnbringende Veräußerung in die Wege zu leiten. Entgegen dem äußeren Anschein sahen die Schriftstücke jedoch eine Übertragung von Hypothek und Häusern auf den Berater selbst vor, der anschließend das gesamte Vermögen für eigene Zwecke veräußerte. Nach Auffassung des House of Lords hielt sich das Verhalten des Büroangestellten in Ausführung seiner Arbeit mit dem Ergebnis, daß die Anwaltsfirma der Witwe zum Ersatz verpflichtet war. Für die Entscheidung war es unerheblich, daß der Gehilfe mit seiner unehrlichen Vorgehensweise ausschließlich eigene Zwecke verfolgte 206 : „[A] principal must be liable for the fraud of his agent committed in the course of his agent's employment and not beyond the scope of his agency whether the fraud be committed for the principal's benefit or not." 207 Auffällig ist, daß weite Teile der Urteilsbegründung in der principalagent-Terminologie verfaßt wurden, obwohl der Büroangestellte auch „serv a n t " 2 0 8 der Kanzlei war. Für die Entscheidung scheint es wesentlich gewesen zu sein, daß der Täuschende als Stellvertreter der Anwaltsfirma agiert hat. Wenn er auch nicht zu dem unlauteren Verhalten als solchem ermächtigt war, besaß er aufgrund seiner herausragenden Stellung in dem Büro eine Anscheinsvollmacht („ostensible authority" 2 0 9 ). Die eigentliche Bedeutung des Urteils liegt daher möglicherweise im Bereich der Sonderkategorie der vicarious liability des principal für das Verhalten eines agent oder beschränkt sich zumindest auf Situationen, in denen der servant gleichzeitig Stellvertreter war. Als das House of Lords in der Entscheidung Armagas Ltd v. Mundogas S A 2 1 0 im Jahre 1986 zum ersten Mal wieder mit der Pro204
Vgl. insbesondere Willes, J., in Barwick v. English Joint Stock Bank (1867) LR 2 Exch 259. 205 [1912] AC 716. 206 Ygj a u c h Uxbridge Permanent Benefit Building Society v. Pickard [1939] 2 KB 248. 207 S. 731 per Lord Macnaghten. 208 V g l e t w a s 739 209 210
Vgl. S. 725, 740. [1986] 1 AC 717.
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blematik befaßt war, betonte Lord Keith of Kinkel, daß in Täuschungsfällen die Voraussetzung des course of employment nicht weiter reichen könne als der Umfang der Vertretungsmacht, in Form einer „actual" oder „ostensible authority." 2 1 1 Gleichzeitig stellte er heraus, daß die Konstellationen unehrlichen Verhaltens in der Rechtsentwicklung eine besondere Fallgruppe bildeten, ohne freilich eine Unterscheidung nach Art des erforderlichen Personenverhältnisses zu treffen. 212 In der Folgezeit nach Lloyd v. Grace, Smith & Co wurde deutlich, daß eine Haftung des Geschäftsherrn für vorsätzliches und im eigenen Interesse verwirklichtes Unrecht eines Gehilfen auch in anderen Situationen als Täuschungen durch einen Stellvertreter möglich ist. Wie die einschlägigen Entscheidungen zeigen, bestehen in dieser Hinsicht freilich enge Grenzen. Es hat den Anschein, als käme es regelmäßig auf das Vorliegen einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Beziehung zwischen den Parteien an, um eine Einstandspflicht des Arbeitgebers zu begründen, auf Umstände, die im deutschen Recht möglicherweise zur Annahme von culpa in contrahendo oder eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und damit zur Anwendbarkeit von § 278 BGB führen würden. In anschaulicher Weise läßt sich dies anhand der Entscheidung Morris v. C W Martin & Sons Ltd demonstrieren. 213 Die Klägerin gab ihre verschmutzte Nerzstola zu einem Kürschner, der sie nach Absprache weiter an eine anerkanntes Reinigungsunternehmen reichte. Dort wurde sie von einem Bediensteten, der mit dem Saubermachen betraut war, entwendet. Das Reinigungsunternehmen mußte der Klägerin für den Diebstahl Ersatz leisten. Nach Auffassung von Denning, M.R., ist bei vorsätzlichem und in eigenem Interesse des Gehilfen verwirklichtem Unrecht entscheidend, ob den Geschäftsherrn selbst eine besondere Pflicht („duty") gegenüber dem Geschädigten traf, das rechtswidrige Verhalten zu verhindern. Diese Voraussetzung sei in allen Situationen erfüllt, in denen die Güter des anderen aufgrund eines Vertrages oder eines „bailment" in seine Obhut übertragen wurden. Wenn er den Gewahrsam in 211
S. 781 f. Vgl. zur Problematik auch Uxbridge Permanent Benefit Building Society v. Pickard [1939] 2 KB 248, 252; Morris v. C W Martin & Sons Ltd [1965] 3 WLR 276, 283; allgemein ferner Kooragang Investment Pty Ltd v. Richardson and Wrench Ltd [1982] AC 462. 212 S. 780: „It is unnecessary to consider the development of the basis of vicarious liability in relation to torts such as negligence or trespass, which has followed a somewhat different line. Dishonest conduct is of a different character from blundering attempts to promote the employer's business interests, involving negligent ways of carrying out the employee's work or excessive zeal and errors of judgment in the performance of it." 213 [1965] 3 WLR 276. Vgl. auch Port Swettenham Authority v. TW Wu Ltd & Co [1979] AC 580, 591; Photo Production Ltd v. Securicor Transport Ltd [1980] AC 827.
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einer solchen Situation auf einen Bediensteten weiterleitet, von dem der Gegenstand im Anschluß entwendet wird, muß er für den Diebstahl aufkommen. 2 1 4 Im zu entscheidenden Fall war das Reinigungsunternehmen einer entsprechenden Pflicht ausgesetzt, obwohl die vertraglichen Beziehungen nicht unmittelbar mit der Klägerin bestanden. 215 Eine alternative Argumentation, die in der Literatur Zuspruch erfahren hat, findet sich in Ansätzen in dem Votum von Diplock, L.J.: „ I base my decision in this case on the ground that the fur was stolen by the very servant whom the defendants as bailees for reward had employed to take care of it and clean i t . " 2 1 6 Das deliktische Verhalten des Gehilfen lag deshalb in Ausführung der Verrichtung, da der Gehilfe mit der Obhut über den Gegenstand betraut worden war. 2 1 7 Im Gegensatz zu der duty-Konstruktion erweckt diese Begründung nicht den Eindruck, daß der Arbeitgeber persönlich für das Unrecht verantwortlich ist. 2 1 8 Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß das Bestehen einer vertragsähnlichen Beziehung zwischen Klägerin und Reinigungsfirma letztlich für die Annahme der Haftung ausschlaggebend war. Im Kontext von torts, die nicht das Vermögen, sondern die Persönlichkeit betreffen, zeigt sich im Hinblick auf die Haftung des Geschäftsherrn für vorsätzliches Verhalten seiner Gehilfen eine ähnlich restriktive Haltung der Gerichte. Bei Körperverletzungen hat die Annahme von vicarious liability 214
Als Konsequenz aus dem duty-Ansatz ergibt sich, daß unter gegebenen Umständen ein und derselbe Akt eines Gehilfen eine Haftung des Geschäftsherrn gegenüber einer bestimmten Person auslösen kann, im Hinblick auf eine andere außenstehende Partei jedoch nicht. Denning, M.R., gibt das Beispiel des Angestellten einer Werkstatt, der den reparierten Wagen zurück zum Kunden bringen soll, jedoch eine Fahrt zu eigenen Zwecken unternimmt und unterwegs fahrlässig einen Unfall mit einem Motorradfahrer verursacht. Der Geschäftsherr wäre dem Eigentümer des Wagens zum Ersatz verpflichtet, nicht aber dem Motorradfahrer. Vgl. S. 280f.; ferner Aitchison v. Page Motors Ltd [1935] All ER Rep 594. 215 Denning, M.R., zitierte in Ermangelung anderweitiger Autorität zur Begründung die folgende Passage aus einem einschlägigen Buch von Pollock und Wright: „If the bailee of a thing sub-bails it by authority ... and there is no direct privity of contract between the third person and the owner ... it would seem that both the owner and the first bailee have concurrently the rights of a bailor against the third person according to the nature of the sub-bailment"; vgl. auch Diplock, L.J., S. 287: „While most cases of bailment today are accompanied by a contractual relationship between bailee and bailor which may modify or extend the common law duties of the parties that would otherwise arise from the mere fact of bailment, this is not necessarily so - as witness grauitous bailment or bailment by finding. In the present case Beder was authorised by the plaintiff to hand over the custody of her fur to the defendants for them to do work on it, i.e., to create between her and them the common law relationship of bailee for reward to do work upon the fur." 2.6 S. 292. 2.7 Vgl. Clerk/Lindsell, Torts, 3-28; Winfield/Jolowicz, Tort, 608; weitergehend Atiyah, Vicarious Liability, 271. 218 Zum duty-Begriff s.u., § 5 II 4 a.
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grundsätzlich zur Voraussetzung, daß der Angestellte mit der Anwendung von Gewalt die Interessen seines Arbeitgebers fördern wollte oder mit der Ausführung konkreter Arbeitspflichten, wie der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung, beschäftigt war. Wenn ein Türsteher beispielsweise in der irrtümlichen Annahme einer Störung Gäste mit körperlicher Gewalt aus dem Tanzsaal vertreibt, ist der Inhaber einem verletzten Kunden gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet. Sofern der Aufseher nach Beendigung der Auseinandersetzung außerhalb des Gebäudes die Handgreiflichkeiten fortsetzt, liegt ein persönlicher Racheakt vor, für den der Geschäftsherr nicht verantwortlich i s t . 2 1 9 Es bleibt daher festzuhalten, daß auch vorsätzlich verwirklichtes Unrecht in the course of employment liegen kann. Der erforderliche Arbeitszusammenhang ist bei fahrlässigem Verhalten freilich leichter zu bejahen als im Fall absichtlicher Schadensverursachung. Wenn der Gehilfe im eigenen Interesse gehandelt hat, sind der Haftung enge Grenzen gesteckt. Wie die untersuchten Entscheidungen nahelegen, scheint in diesem Fall ein vertragsähnliches Verhältnis zwischen den Parteien erforderlich zu sein, um vicarious liability nach tort law zu begründen. d) Zusammenfassung Die Haftung des Geschäftsherrn ist auf Delikte beschränkt, die sein Gehilfe „in the course of his employment" verwirklicht hat. Der Wortsinn der Formulierung ist aus sich heraus verständlich. Das Konzept ist weit gefaßt und läßt daher Raum für unterschiedliche rechtspolitische Erwägungen im Einzelfall. Ungeachtet der großen Masse von einschlägigen Urteilen gibt es keine harten und sicheren Definitionen, anhand derer die Wendung mit allgemeiner Gültigkeit präzisiert werden kann. In der Rechtsentwicklung haben sich jedoch eine Reihe von Faktoren herauskristallisiert, die von den Gerichten regelmäßig bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden und die den Charakter von Indizien für oder gegen eine Verantwortlichkeit besitzen. Das Gesamtbild aller in einem Sachverhalt vorhandenen relevanten Aspekte liefert das Ergebnis einer Bewertung. Aufgrund einer Untersuchung der wichtigsten Urteile lassen sich die folgenden Faktoren ermitteln: eine etwaige Weisung oder ein Verbot des Geschäftsherrn, die Absichten des Gehilfen, Zeit und Ort der Arbeit, die Eigentumsverhältnisse, die Interessen des Geschäftsherrn, die Natur der Tätigkeit und die Frage, ob 219 Vgl. Daniels v. Whetstone Entertainments Ltd [1962] 2 Lloyd's Rep. 1; ferner Vasey v. Surrey [1995] CLY 1123. Vgl. allgemein zu vicarious liability im Kontext von Körperverletzungen Rose, Liability for an Employee's Assaults, 40 MLR (1977), 420; zu vicarious liability für Diffamierungen vgl. Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. Producers Assurance Co Ltd (1931) 46 CLR 41; Egger v. Chelmsford [1965] 1 QB 248; Riddick v. Thames Bd Mills [1977] QB 881; ferner Atiyah, Vicarious Liability, 274ff.; Fleming, Torts, 382 f.
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der Gehilfe das Unrecht vorsätzlich oder fahrlässig verwirklicht hat. Angesichts der Vielfalt möglicher Lebenssachverhalte ist die Liste nicht abschließend. Die Berücksichtigung dieser und anderer relevanter Faktoren im Licht des case law gewährleistet bei der Bestimmung des course of employment jedoch ein höchstmögliches Maß an Rechtssicherheit. Zwar bleibt den Richtern ein weiter Entscheidungsspielraum in der Bewertung einer Kombination unterschiedlicher Indizien. Sofern wesentliche Umstände außer Acht gelassen werden oder eine deutliche Fehlgewichtung bestimmter Aspekte vorliegt, kann sich ein Urteil aber im Einzelfall als inkorrekt erweisen.
4. Employee's tort a) Die rechtliche Grundlage der vicarious liability Vicarious liability ist nach traditioneller Auffassung die strikte Haftung einer Person für das deliktische Verhalten eines anderen. Die Verantwortlichkeit des employer setzt daher die Feststellung voraus, daß der employee selbst eine unerlaubte Handlung („a tortious act or omission") verwirklicht hat. Die rechtliche Untersuchung beginnt grundsätzlich mit der Prüfung, ob der Gehilfe persönlich ein Unrecht begangen hat, bevor sich die Frage der Haftungszurechnung stellt. In diesem Sinne formulierte Denning, L.J., in Young v. Edward Box & Co: „In every case the first question is to see whether the servant was liable. If the answer is yes, the second question is to see whether the employer must shoulder the servant 's liability" 2 2 0 Ob ein Angestellter ein Delikt verübt hat, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des law of torts. 221 220
[1951] 1 TLR 789, 793. Regelmäßig ist daher Verschulden des Bediensteten als Bestandteil eines von ihm verwirklichten tort für die Haftung des Geschäftsherrn erforderlich. Auf den ersten Blick scheint hierin ein weiterer Unterschied zur Regelung des § 831 BGB zu liegen, die ihrem Wortlaut nach nur ein rechtswidriges Verhalten des Verrichtungsgehilfen voraussetzt. Für § 831 BGB kommt es jedoch weitgehend auch beim Verrichtungsgehilfen auf Verschuldenselemente an, nämlich auf dessen Fehlverhalten. Die Vermutung des § 831 BGB I 2, daß die rechtswidrige Schädigung kausal auf ein Verschulden des Geschäftsherrn zurückgeht, wird nämlich bei verkehrsrichtigem Verhalten des Gehilfen entkräftet, da auch ein sorgfältig ausgesuchter und überwachter Gehilfe sich nicht besser als verkehrsrichtig verhalten kann. Ohne Verschulden des Gehilfen haftet der Geschäftsführer nach § 831 BGB regelmäßig nur in zwei Fällen: Zum einen, wenn der Mangel des Verschuldens auf den §§ 827, 828 BGB beruht, zum anderen, wenn der Gehilfe einem Verkehrskreis angehört, der nur minderen Sorgfaltsanforderungen unterliegt (wie beispielsweise alte Leute). Vgl. zu allem Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 782; Staudinger Kommentar/Belling/EberlBorges, § 831 BGB Rn. 68 ff. 221
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§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
Gegenüber dieser traditionellen Anschauung gibt es in Rechtsprechung und Literatur noch eine weitere Auffassung, derzufolge vicarious liability auf einem eigenen unerlaubten Verhalten des Geschäftsherrn beruht. Zum ersten Mal vertreten wurde diese sogenannte „master's tort theory" in der bereits besprochenen Entscheidung Twine v. Bean's Express Ltd von 1946. 2 2 2 Der beklagte Arbeitgeber haftete in diesem Fall nicht für Verletzungen eines Anhalters, der von einem Angestellten verbotswidrig auf einer Dienstfahrt mitgenommen worden war, da er selbst (im Gegensatz zu dem Fahrer) dem Passagier keine Sorgfaltspflicht („duty of care") schuldete. Die Verantwortlichkeit des employer basierte Uthwatt, J., zufolge nicht auf der Zurechnung eines fremden Delikts: „The general question in an action against the employer, such as the present, is technically: ,Did the employer in the circumstances which affected him owe a duty?' - for the law does not attribute to the employer the liability which attaches to the servant." 223 Ein offensichtlicher Nachteil der master's tort theory liegt darin, daß die Annahme einer eigenen Pflichtverletzung des Geschäftsherrn auf eine reine Fiktion hinausläuft: Vicarious liability kommt nach einhelliger Auffassung unabhängig von einem Fehlverhalten oder Verschulden auf Seiten des Haftenden zur Anwendung. Aus der Sicht des englischen Rechts ist dieser Ansatz freilich nicht so ungewöhnlich, wie er auf einen außenstehenden Betrachter wirken mag: Die Rechtsprechung konstruiert zahlreiche Fälle strikter Verantwortlichkeit über den Verstoß gegen eine duty, ohne damit einen wirklichen Verstoß gegen Sorgfaltspflichten zu implizieren. 2 2 4 Namentlich gilt dies in bezug auf die Ausnahmefälle strenger Haftung für das Verhalten eines independent contractor. 225 Von der heute herrschenden Meinung wird die master's tort theory dennoch im Hinblick auf die normalen vicarious liability Konstellationen abgelehnt. In Staveley Iron and Chemical Co Ltd v. Jones 226 stellte das House of Lords explizit klar, daß die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn die Verwirklichung einer unerlaubten Handlung durch den Gehilfen voraussetzt. 227 Lord Reid wandte sich gegen
222 [1946] 1 All ER 202; (1946) 62 TLR 458. Vgl. auch Conway ν. George Wimpey & Co Ltd [1951] 2 KB 266. 223 [1946] 1 All ER 202, 204. Vgl. auch Denning, L.J., in Broom ν. Morgan [1953] 1 QB 597, 609: ,,[T]he master's liability for the negligence of his servant is not a vicarious liability but a liability of the master himself owing to his failure to have seen that his work was properly and carefully done." Von der Gegenauffassung scheint Denning, L.J., jedoch wiederum in Rose v. Plenty [1976] 1 WLR 141 ausgegangen zu sein. 224 Vgl. etwa Fleming, Torts, 369. 225 Dazu s.u., § 5 III. 226 [1956] AC 627.
II. Haftung für employees
267
die Vorstellung eines employer „being held liable for something which was not negligent or wrongful on the part of his servant." 228 Auch nach traditioneller Auffassung (die zur deutlicheren Kennzeichnung „servants' tort theory" genannt w i r d 2 2 9 ) ist es allerdings nicht ausgeschlossen, daß sich unter besonderen Umständen eine Haftung des Arbeitgebers ergeben kann, obwohl eine Klage gegen den Angestellten ausscheidet. In Broom ν. Morgan 2 3 0 wurde eine Frau durch fahrlässiges Verhalten ihres Ehemannes verletzt. Beide arbeiteten während der Verwirklichung des Unrechts für denselben Geschäftsherrn. Obgleich nach damaligem Recht Ehepartner aufgrund wechselseitig verübter unerlaubter Handlungen gerichtlich keine privatrechtlichen Ansprüche gegeneinander geltend machen konnten 2 3 1 , mußte ihr gemeinsamer employer für die entstandenen Schäden aufkommen. Bei dem Klageverbot unter Ehegatten handelte es sich nach dem Urteil um ein rein verfahrensrechtliches Hindernis, das die Haftung des Arbeitgebers unberührt ließ. Diese Unterscheidung zwischen materiellrechtlichen Einreden und prozessualen Hindernissen wurde durch das House of Lords in Imperial Chemical Industries Ltd v. Shatwell aufgenommen und damit erneut die traditionelle servant's tort theory bestätigt: „Unless the servant is liable the master is not liable for his acts; subject only to this, that the master cannot take advantage of an immunity from suit conferred on the servant." 232 227
S. 643: „It is a rule of law that an employer, though guilty of no fault himself, is liable for damage done by the fault or negligence of his servant acting in the course of his employment." 228 643. Vgl. auch die House of Lords Entscheidung Imperial Chemical Industries Ltd v. Shatwell [1965] AC 656. Wenn der Gehilfe als Halter oder Eigentümer verschuldensunabhängig haftet, sollte den Geschäftsherrn diesbezüglich keine Verantwortlichkeit treffen, da der Angestellte in diesem Fall für Schadensvorsorge selbst aufzukommen hat, vgl. von Bar, Vicarious Liability, 442. Die Problematik scheint freilich im englischen Recht noch nicht aufgetreten zu sein. 229 Vgl. etwa Clerk/Lindsell, Torts, 3-33. 230 [1953] 1 QB 597. 231 Aufgrund von section 12 des „Married Women's Property Act" 1882. Das Klagehindernis wurde aufgehoben durch den „Law Reform (Husband and Wife) Act" 1962. 232 [1965] AC 656, 686. Die servant's tort theory wurde auch durch den Gesetzgeber übernommen, vgl. Crown Proceedings Act 1947 section 2 (1) und Police Act 1964 section 48. Nach Atiyah, der ebenfalls der servant's tort theory zuneigt, ist die Auseinandersetzung von geringer praktischer Bedeutung, vgl. Vicarious Liability, 7: „The fact is that in the great majority of cases it makes no difference which view is adopted; and in those situations where it does make a difference the courts (at any rate in England) are much more likely to be influenced by pragmatic considerations, than by doctrinaire theories." Wenngleich außer Frage steht, daß sich blinder Dogmatismus in der Rechtsfindung schädlich auswirkt, bleibt freilich festzuhalten, daß vicarious liability grundsätzlich ein vollständig verwirklichtes tort eines servant
268
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
b) Die Problematik des innerbetrieblichen Schadensausgleichs und die Anrechnung des Mitverschuldens Im Normalfall sind jedoch beide, Geschäftsherr und Gehilfe, zum Ersatz verpflichtet. Als „joint tortfeasors" können sie einzeln oder zusammen auf den vollständigen Schadensbetrag verklagt werden. 233 Nach geltendem englischen Recht muß allerdings im Innenverhältnis der Angestellte allein für die gesamte Summe aufkommen, einen „innerbetrieblichen Schadensausgleich" wie in Deutschland gibt es nicht. Nur der employer kann, wenn er die Schuld beglichen hat, von dem employee den geleisteten Betrag zurückverlangen. Dieser Regreßanspruch wird zum einen hergeleitet aus den Vorschriften des „Civil Liability (Contribution) Act" 1978. 2 3 4 Zum anderen unterliegt der Gehilfe nach der House of Lords Entscheidung Lister v. Romford Ice and Cold Storage C o 2 3 5 einer stillschweigenden Vertragspflicht zur Anwendung von Sorgfalt, deren Verletzung bei Delikten in Ausführung der Verrichtung zu einem Rückgriffsrecht des Geschäftsherrn führt. In der Literatur wird diese Risikoverteilung zwischen employer und employee überwiegend kritisiert. 2 3 6 Ein Überwälzen der Schadenslast von dem Geschäftsherrn auf den Bediensteten stünde im Widerspruch zu den rechtspolitischen Erwägungen, aus denen sich die Auferlegung von vicarious liability nach moderner Auffassung rechtfertigt: 237 Der Arbeitgeber erweitert durch Anstellung von Gehilfen seinen Aktionsradius und muß als Kehrseite für die Nachteile aufkommen, die sich aufgrund erhöhter Gefahvoraussetzt und daß Abweichungen von diesem Ansatz zumindest besonderer Rechtfertigung bedürfen. Eine vertretbare Ausnahme von der servant's tort theory wäre etwa denkbar, wenn der employee allein aufgrund fehlender Schuldfähigkeit der Haftung entgeht. In diesem Fall handelt es sich gleichsam um eine persönliche Immunität, die die äußere Qualität der Haftung unberührt läßt. Das Risiko der Unzurechnungsfähigkeit eines Gehilfen sollte von dem Geschäftsheim und nicht von einem außenstehenden Dritten getragen werden. 233 Street, Torts, 575, 578; Salmond/Heuston, Torts, 460. 234 Vgl. section 1 (1): „Subject to the following provisions of this section any person liable in respect of any damage suffered by another person may recover contribution from any other person liable in respect of the same damage (whether jointly with him or otherwise)"; ferner section 2 (1): „... in any proceedings for contribution under section 1 above the amount of the contribution recoverable from any person shall be such as may be found by the court to be just and equitable having regard to the extent of that person's responsibility for the damge in question." Siehe zum „Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act" 1935, dem Vorläufer des Civil Liability (Contribution) Act 1978, Ryan v. Fildes [1938] 3 All ER 517; Semtex v. Gladstone [1954] 1 WLR 945; Harvey v. O'Dell Ltd [1958] 2 QB 78. 235 [1957] AC 555. 236 Vgl. etwa Markesinis/Deakin, Tort Law, 518, 743 f.; Winfield/Jolowicz, Tort,
612.
237
Dazu s.u., § 5 V.
II. Haftung für employees
269
ren für außenstehende Dritte ergeben. Das damit verbundene wirtschaftliche Risiko kann er durch den Abschluß einer Versicherung effektiv begrenzen. Die erforderlichen Prämien zählen zu den Produktionskosten, die sich wiederum in Form erhöhter Preise der angebotenen Waren oder Dienstleistungen auf einen größeren Personenkreis verteilen lassen. Der einzelne Bedienste ist demgegenüber regelmäßig finanziell nicht in der Lage, Ersatz zu leisten. Ein Rückgriffsrecht des Geschäftsherrn wäre vor allem dann unbillig, wenn eine leichte Unachtsamkeit wegen der Arbeitsumstände zu großen Vermögenseinbußen führt. Aufgrund der objektiven Bestimmung des Fahrlässigkeitsmaßstabes238 ist mit dem individuellen Fehlverhalten möglicherweise nicht einmal ein moralischer Vorwurf verbunden. Die Durchsetzung eines gerichtlichen Anspruchs könnte sich in solchen Fällen katastrophal auf das allgemeine Betriebsklima auswirken. Aus diesen Gründen überrascht es nicht, daß Regreßprozesse in der Praxis selten vorkommen. 2 3 9 Im Anschluß an Lister v. Romford Ice and Cold Storage Co Ltd haben die Versicherungen der Arbeitgeber, auf die das Rückgriffsrecht grundsätzlich nach Leistung des Schadensersatzes übergeht, ein „gentleman's agreement'4 getroffen, wonach bei Abwesenheit von arglistigem Verhalten auf Seiten des Gehilfen nicht von den rechtlichen Möglichkeiten des Urteils Gebrauch zu machen i s t . 2 4 0 Die umgekehrte Situation, daß ein employee nach Zahlung des geschuldeten Betrages einen Ausgleichsanspruch gegen seinen employer geltend macht, scheint im englischen Recht nicht Gegenstand einer Diskussion zu sein. Die Ursache dürfte darin liegen, daß in der Praxis Prozesse regelmäßig direkt gegen den solventeren Geschäftsherrn geführt werden. Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß die Frage der vicarious liability sich nicht nur in Verfahren gegen einen Arbeitgeber stellen kann. Sofern dieser unter besonderen Umständen selbst eine Schadensersatzklage gegen einen Dritten anstrengen sollte, muß er sich das Mitverschulden eines Gehilfen in Ausführung der Verrichtung schadensmindernd anrechnen lassen. 241 238
Dazu Winfield/Jolowicz, Tort, 125 ff. Siehe jedoch Morris v. Ford Motor Co Ltd [1973] QB 792. 240 Vgl. auch Gardiner, Urteilsanmerkung zu Lister v. The Romford Ice and Cold Storage Ltd, 22 MLR (1959), 652; Lewis, Insurers' Agreements Not to Enforce Strict Legal Rights, 48 MLR (1985), 270. 241 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 409: „There seems to be no doubt that a master is vicariously responsible for the contributory negligence of his servants acting in the course of their employment to the same extent as he is vicariously responsible for damage caused to third parties." Die Frage scheint jedoch ebenfalls in keinem gerichtlichen Verfahren ausdrücklich problematisiert worden zu sein. Auch der einschlägige „Law Reform (Contributory Negligence) Act" 1945 enthält keine diesbezügliche Vorschrift. 239
270
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
I I I . Haftung für independent contractors Die historische Untersuchung hat gezeigt, wie die Gerichte seit Mitte des 19. Jahrhunderts für die Bedürfnisse der vicarious liability eine Trennungslinie zwischen Verrichtungsgehilfen und unabhängigen Unternehmern gezogen haben. Mit der Etablierung des Grundsatzes, daß eine Verantwortlichkeit des employer für das Verhalten eines independent contractor ausscheidet, bildete sich zeitgleich jedoch eine Reihe von Ausnahmen heraus. Im Einklang mit dem allgemeinen Trend des modernen tort law, Opfern von Schäden und Verletzungen großzügig Ersatzansprüche zu gewähren 242 , hat die Anzahl der Sonderfälle stetig zugenommen 243 , so daß die Regel der Nichthaftung charakterisiert wurde als „primarily important only as a preamble to the catalogue of its exceptions." 244 Die Ausweitungstendenzen sind in der Literatur nicht immer positiv aufgenommen worden, da es häufig nicht gelungen ist, die Ausnahmen stimmig zu begründen bzw. eine zusammenhängende Theorie für sämtliche Tatbestände zu entwickeln. 2 4 5 Im Gegenteil scheinen in den meisten Situationen die Rechtfertigungsgründe, die im Hinblick auf Gehilfen zu einer Haftung des employer führen würden, bei unabhängigen Unternehmern gerade gegen eine korrespondierende Verantwortlichkeit zu sprechen. Der Inhaber eines selbständigen Betriebes ist regelmäßig selbst in der Lage, eine Haftpflichtversicherung für sich und seine Leute abzuschließen, und kann die Kosten der Prämien in Gestalt höherer Preise auf seine Abnehmer überleiten. Überdies wird ein independent contractor häufig gerade wegen seiner Spezialkenntnisse angestellt und kann daher als Fachmann die Unfallrisiken seiner Tätigkeit zuverlässig überschauen. 246 Demgegenüber ist der Auftraggeber möglicherweise ein Privatmann, dem die erforderliche Sachkunde fehlt, so daß die Gebote der Sorgfalt gerade die Übertragung der Durchführung auf einen Experten verlangen. 247 242
Vgl. zur Parallelentwicklung im deutschen Recht etwa Medicus, Schuldrecht AT, 268: „Gefördert wird die Bedeutung des Schadensersatzrechts durch eine wohl mit der Ausbreitung des Sozialstaatsgedankens zusammenhängende - Mentalitätsänderung: Sie hat die Grenze zwischen Unglück und Unrecht in dem Sinn verschoben, daß Schäden immer seltener als Unglück hingenommen werden. Vielmehr erscheint ein Schaden regelmäßig als ausgleichsbedürftig, und ein Mittel dazu ist die Annahme eines ersatzpflichtigen Unrechts." 243 Markesinis/Deakin, Tort Law, 520. 244 Vgl. Pacific Fire Ins v. Kenny Boiler Co 277 NW 266, 288 (Minn. 1937) (Zitat nach Fleming, Torts, 389). 245 Vgl. insbesondere Williams, Liability for Independent Contractors, [1956] Cambridge Law Journal, 180. 246 So auch Fleming, Torts, 389. Siehe aber auch Atiyah, Vicarious Liability, 333 ff. m. w.N. 247 Vgl. Baker, Tort, 344: „Indeed in many cases it would be negligent not to employ a contractor."
III. Haftung für independent contractors
271
Vor allem in den frühen Entscheidungen waren die finanziellen Kräfteverhältnisse freilich ausnahmsweise umgekehrt gelagert: Regelmäßig handelte es sich um einen liquiden Auftraggeber, gewöhnlich eine Gemeinde, die einen kleinen Unternehmer angestellt hatte, der wirtschaftlich in keiner besseren Lage war als ein normaler Arbeitnehmer. 248 Vermutlich hätten sich diese Fälle dogmatisch schlüssiger mit einer kontextabhängigen Ausdehnung des employee Konzepts im oben geschilderten Sinne 2 4 9 lösen lassen, anstatt Ausnahmen einer Haftung für independent contractors zu konstruieren, deren abstrakte Begründungen im nachhinein nicht überzeugen. In diesem Sinn kann etwa auch im deutschen Recht ein selbständiger Unternehmer unter besonderen Umständen als Verrichtungsgehilfe eingestuft werden, wenn er eng an Weisungen des Auftraggebers gebunden ist und daher zwar nicht in dessen Geschäftskreis eingegliedert, aber doch immerhin an diesen angegliedert i s t . 2 5 0 Einige englische Urteile, die zur Annahme einer Verantwortlichkeit des Auftraggebers kamen, stammen ferner aus einer Zeit, in der es im common law noch nicht als gesichert galt, daß ein unabhängiger Unternehmer außenstehenden Dritten gegenüber zur Anwendung von Sorgfalt verpflichtet war und daher auf der Grundlage des deliktischen negligence-Tatbestandes selbst haften konnte. Seit in dieser Problematik Klarheit herrscht 251 und sich die Auftraggeber in der Praxis überdies von ihren selbständigen Vertragspartnern Regreßansprüche für den Fall von Schadensersatzprozessen versprechen lassen, ist die Legitimation mancher dieser Urteile im nachhinein nicht mehr ohne weiteres gegeben. 252
1. Haftung des employer bei eigenem Verschulden Zu keinen besonderen Begründungsschwierigkeiten geben freilich die Fälle Anlaß, in denen der employer durch eigenes Fehlverhalten zu der Verursachung des Nachteils beigetragen hat. Sofern er das rechtswidrige Verhalten des Unternehmers angeordnet oder Beihilfe zu der Verwirklichung geleistet hat, ist er als Teilnehmer des Unrechts unmittelbar zum Ersatz verpflichtet. 253 In Ellis ν. Sheffield Gas Consumers C o 2 5 4 hatte die 248
Siehe Atiyah, Vicarious Liability, 334; ferner Weir, Casebook on Torts, 322. Vgl. oben, § 5 II 1 d. 250 Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II, 478; BGH NJW 1956, 1715 f.; kritisch Medicus, Schuldrecht BT, 400. Siehe zur Problematik auch von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 350 mit Hinweis auf die schottische Entscheidung Marshall v. Williams Sharp & Sons 1991 SLT Rep 114. 251 Seit der berühmten Entscheidung Donoghue v. Stevenson [1932] AC 562. 252 Vgl. Salmond/Heuston, Torts, 460f.; Atiyah, Vicarious Liability, 333. 253 Dazu Atiyah, Vicarious Liability, 289 ff. 249
272
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
beklagte Gasfirma einen independent contractor ohne entsprechende Befugnis dazu veranlaßt, eine Straße aufzureißen und wieder zu verschließen, um Rohre installieren zu können. Als es beim Zuschütten zu Schäden kam, mußte die Firma als Auftraggeber aufgrund der rechtswidrigen Anordnung Ersatz leisten. In ähnlicher Form kann es zu einer Verantwortlichkeit des Bestellers kommen, wenn ihm ein persönlicher Sorgfaltsverstoß zur Last fällt, der sich in dem Verhalten des Unternehmers manifestiert. Die Fahrlässigkeit kann beispielsweise darin zum Ausdruck kommen, daß er einen inkompetenten Vertragspartner mit der Aufgabe betraut hat, eine unzureichende Anzahl Personen berufen hat oder in unqualifizierter Weise auf die Durchführung der Arbeit eingewirkt hat. 2 5 5
2. Begriff der „non-delegable duty" Wie bereits angedeutet, spricht man im englischen Recht auch in solchen Fällen, in denen eine Haftung in bezug auf independent contractors unabhängig von eigenem Fehlverhalten des employer 256 angenommen wird, dogmatisch allgemein nicht von vicarious, sondern von „personal liability" 251 Die strikte Verantwortlichkeit des Auftraggebers wird damit begründet, daß ihn eine sogenannte „non-delegable duty" treffe, eine Verpflichtung also, die er nicht durch Übertragung der betreffenden Tätigkeit auf einen unabhängigen Unternehmer umgehen könne. 2 5 8 Ihrer Struktur nach sind diese Tatbestände häufig jedoch nichts anderes als verkleidete Formen von vicarious liability: Ebenso wie im Rahmen der Haftung für employees ist es grundsätzlich erforderlich, daß der independent contractor bzw. einer seiner Gehilfen im Gegensatz zum Auftraggeber selbst ein tort verwirklicht hat. Ferner müssen bestimmte Minimalvoraussetzungen vorliegen, um überhaupt von einer employer-independent contractor Beziehung sprechen zu können, die eine non-delegable duty zur Folge hat. So trifft beispielsweise den Arbeitgeber 254
(1853) 2 Ε. & B. 767. Vgl. etwa Pinn v. Rew (1916) 32 TLR 451. Siehe ferner D & F Estates Ltd v. Church Commisioners for England [1989] 1 AC 177. Eine Fahrlässigkeitshaftung kann sich auch für andere unabhängige Personen als „independent contractors" geben, unter Umständen sogar für Fremde, vgl. dazu Fridman, Non-Vicarious Liability for the Acts of Others, July 1997 Tort Law Review, 102 ff . 256 Zur Mehrdeutigkeit des Begriffs des „employer" s. ο., § 5 I 2. 257 Siehe beispielsweise Salsbury v. Woodland [1970] 1 QB 324, 347. 258 Vgl. etwa McDermid v. Nash Dredging Ltd [1987] 3 WLR 212, 215; der Begriff der non-delegable duty scheint das erste Mal in einem Artikel von Thayer, Liability Without Fault, 29 Harvard Law Review (1916), 801 verwendet worden zu sein. Das Konzept ist freilich älter, siehe etwa Pickard v. Smith (1861) 10 C. Β. N. S. 470. Die non-delegable duty wird häufig umschrieben als „duty to see that care is taken" im Gegensatz zur „duty to take reasonable care" der gewöhnlichen Fahrlässigkeitshaftung, vgl. Salmond/Heuston, Torts, 462f. 255
III. Haftung für independent contractors
273
nach common law eine Verpflichtung, die Sicherheit seiner Angestellten zu gewährleisten, und diese duty ist anerkanntermaßen non-delegable. Gleichwohl mußte nach der Entscheidung des House of Lords in Davie v. New Merton Board Mills L t d 2 5 9 ein Dienstherr nicht für Verletzungen aufkommen, die sein Gehilfe durch die Verwendung eines fehlerhaft hergestellten Werkzeuges erlitten hatte, da der fahrlässige Produzent des Gegenstandes nicht als independent contractor angestellt („employed") war, um die Sicherheit des Personals zu gewährleisten. 260 Wie sich zeigen wird, muß das schadenstiftende Verhalten des Unternehmers darüber hinaus einen bestimmten funktionalen Zusammenhang zu seiner Aufgabe aufweisen, um die Verantwortlichkeit des employer zu begründen. 261 Die Haftung für independent contractors wurde daher als „disguised form of vicarious liabili t y " 2 6 2 charakterisiert und die Annahme einer non-delegable duty mit Berechtigung als „logical fraud" kritisiert. 2 6 3 Bemerkenswerterweise ist die dogmatische Konstruktion einer non-delegable duty auch im deutschen Recht nicht unbekannt. Nach der Lehre von den Verkehrspflichten hat jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz Dritter zu ergreifen. Sicherungspflichtig ist man dabei nicht nur für Sachen, sondern unter Umständen auch im Hinblick auf das Verhalten anderer Personen. In Form der Verkehrspflichten besteht folglich neben den §§ 831, 278 BGB ein eigener Haftungsgrund für Schädigungen durch Dritte 2 6 4 , der neben Handlungen von Verrichtungsgehilfen gegebenenfalls auch die Fahrlässigkeit eines unabhängigen Unternehmers erfaßt. Wenn etwa der Eigentümer eines Hauses einen selbständigen Geschäftsherrn vertraglich mit der Sicherung des Eingangs oder des Bürgersteigs vor Glatteisgefahren beauftragt, muß er zwar nicht für jedes Fehlverhalten des Übernehmenden aufkommen (den aufgrund der Abmachungen eine ergänzende Einstandspflicht trifft), bleibt dem 259
[1959] AC 604. Atiyah, Vicarious Liability, 340ff.; Jones, Torts, 347; Clerk/Lindsell, Torts, 3-02. Section 1 des „Employer's Liability (Defective Equipment) Act" 1969 begründet inzwischen jedoch eine strikte Haftung des Arbeitgeber für von ihm zur Verfügung gestelltes Werkzeug. 261 Die Haftung scheidet regelmäßig aus, wenn sich die Fahrlässigkeit des independent contractor auf Nebenaspekte der Tätigkeit bezieht, bei sogenannter „collateral negligence." Dazu sogleich. 262 Fleming, Torts, 389 f. 263 Williams, Liability for Independent Contractors, [1956] Cambridge Law Journal, 180, 193; vgl. auch Cane, Negligent Solicitor Escapes Liability, 109 LQR (1992), 539, 541: „Indeed, it is arguable in this context (as in relation to breach of so-called ,non-delegable4 duties) that the notion of personal liability is being used simply as a device for overcoming the basic rule that an employer is not liable for the acts of an independent contractor." 264 vgl v o n Bar, Verkehrspflichten, 241. 260
18 Wicke
274
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
Unfallopfer gegenüber jedoch für Sorgfaltsverstöße bei der Auswahl und Beaufsichtigung des anderen verantwortlich. 265 Bei dieser Betrachtung kann die Verkehrspflicht freilich, wie in der Rechtsprechung formuliert wird, von ihrem ursprünglichen Träger in weitem Umfang haftungsbefreiend „delegiert" werden mit der Folge, daß einerseits der Delegatar dem Dritten gegenüber 266 deliktisch verantwortlich ist und daß andererseits die Einstandspflicht des Deleganten sich nunmehr auf eine bloße Kontroll- und Überwachungspflicht verengt. Angesichts der allgemeinen Tendenzen in der Rechtsprechung, die Verkehrspflichten an unerfüllbare Sorgfaltsanforderungen zu knüpfen 2 6 7 , ist man in der wissenschaftlichen Literatur jedoch einen Schritt weiter gegangen und hat die Möglichkeit eines Ausschlusses der Einstandspflicht des Übertragenden in solchen Fällen insgesamt, sogar in Abwesenheit einer persönlichen Nachlässigkeit, abgelehnt: „Verkehrssicherungspflichten sind haftungsbefreiend nicht delegierbar. Für ein Verschulden von Verrichtungsgehilfen und Unternehmen bei der Erfüllung von Aufgaben des Geschäftsherrn hat dieser wie für eigenes Fehlverhalten einzusteh e n " 2 6 8 , wie Christian von Bar formuliert hat. 2 6 9 Die Annahme einer nondelegable duty für das Verhalten eines independent contractors findet in diesem Ansatz eine bis in die Formulierung reichende Entsprechung. Festzuhalten bleibt freilich, daß die Rechtsprechung eine Haftung im Hinblick auf unabhängige Unternehmer nach § 823 I BGB bislang nur bei persönlichem Verschulden des Sicherungspflichtigen angenommen hat. 2 7 0
3. Vertrags- und Gefährdungshaftung Über die soeben behandelten verkleideten Formen der vicarious liability hinaus gibt es im englischen Recht eine Reihe noch weitergehender „duties", die zu einer absoluten Verantwortlichkeit des employer führen und als Rechtsreflex auch die Haftung für das Verschulden eines independent contractor einschließen. 271 Dies gilt zunächst für vertragliche Verpflichtungen. Anders als die kontinentalen Rechtsordnungen begreift das common law den Vertrag grundsätzlich als ein Garantie versprechen. Wenn der 265
Kötz, Deliktsrecht, 97. 266 a u c h gegenüber dem originär Sicherungspflichtigen, vgl. BGH NJW-RR 1989, 394. 267 Hierzu siehe beispielsweise Kötz, Deliktsrecht, 105 ff. 268 y o n ß a r Verkehrspflichten, 274 (meine Hervorhebung). 269 Siehe ferner Kötz, Deliktsrecht, 97 f. Kritisch Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II, 420 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. In der Literatur wird im Rahmen der Verkehrspflichten auch eine Anwendung von § 278 BGB befürwortet, vgl. hierzu jedoch Medicus, Bürgerliches Recht Rn. 656. 270 Vgl. etwa BGHZ 103, 298, 304; ferner OLG Düsseldorf NJW 1992, 2972. 271 Atiyah, Vicarious Liability, 336 ff.
III. Haftung für independent contractors
275
Schuldner nicht den Vereinbarungen entsprechend geleistet hat, muß er wegen „breach of contract" für die entstandenen Schäden aufkommen, ohne daß danach gefragt wird, ob er, seine Leute oder auch ein von ihm eingeschalteter Unternehmer schuldhaft gehandelt hat. 2 7 2 Wie weit die Haftung geht, ob sie Sorgfaltswidrigkeiten von unabhängigen Gewährsleuten oder sogar das Verhalten eines Außenstehenden einschließt, ist eine Frage der vertraglichen Auslegung im Einzelfall. 2 7 3 Weiterhin kann sich eine Einstandspflicht für Personen in unabhängiger Stellung ergeben, wenn der Geschäftsherr von dem Tatbestand einer besonderen Gefährdungshaftung betroffen ist. In der berühmten Entscheidung Rylands v. Fletcher 2 7 4 , die einen richterlichen Anwendungsfall strikter Verantwortlichkeit im englischen Recht begründet hat, war die Verantwortlichkeit des Beklagten bemerkenswerterweise durch das Verhalten eines independent contractor ausgelöst worden. Der Eigentümer einer Mühle hatte den Plan gefaßt, auf seinem Grundstück ein Wasserreservoir anlegen zu lassen. An der vorgesehenen Stelle befanden sich unbenutzte Kohleschächte, von denen er nicht wissen konnte, daß sie durch unterirdische Kanäle mit dem benachbarten Kohlebergwerk des Klägers verbunden waren. Als die mit der Aufgabe betraute Ingenieursfirma das Reservoir füllte, drang Wasser durch die Schächte in das Nachbargrundstück und führte zu Schäden. Blackburn, J., formulierte den klassisch gewordenen Satz, „that the person who for his own purposes brings on his lands and collects and keeps there anything likely to do mischief if it escapes, must keep it in at his peril, and, if he does not do so, is prima facie answerable for all the damage which is the natural consequence of its escape" 275 . Hieran angeschlossen hat sich eine lange Serie von Urteilen, in denen dieser Tatbestand einer „strict liability" fortgebildet und näher spezifiziert wurde. 2 7 6 Festzuhalten bleibt jedoch, daß es in der Entscheidung Rylands v. Fletcher streng genommen um die Zurechnung des Verschuldens der eingeschalteten Ingenieure gegangen war. Die Erörterung der absoluten Pflichten aus Vertrag oder Gefährdungstatbeständen, bei denen sich die Einstandspflicht für independent contractors nur als Folge einer weitergehenden Verantwortlichkeit ergibt, liegt im einzelnen nicht im thematischen Rahmen der vorliegenden Untersuchung. Im folgenden soll vielmehr ein Überblick über die Anwendungsfälle der Haftung für unabhängige Unternehmer im engeren Sinne gegeben werden, in denen die 272
Vgl. allgemein Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 501 ff. Atiyah, Vicarious Liability, 360: „It should ... be pointed out that contractual duties vary almost infinitely in their strictness. Some duties are so strict that their non-performance will inevitably be a breach of contract no matter what is the reason for the non-performance." 274 (1866) LR 1 Exch 265; (1868) LR 3 HL 330. 275 (1866) LR 1 Exch 265, 279 f. 276 Vgl. Fleming, Torts, 334 ff. 273
18*
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§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
Zurechnung eines tort in Verwirklichung der übertragenen Aufgabe als solche in Frage steht. Eine überzeugende Kategorisierung, die eine schlüssige Einordnung sämtlicher Entscheidungen schafft, ist, wie bereits angedeutet, noch nicht gelungen und vermutlich nicht möglich. Die nachstehende Einteilung ist daher nicht als eine streng logische Untergliederung zu begreifen, sondern greift vielmehr Gesichtspunkte auf, die von Rechtsprechung und Literatur in dieser Frage erörtert worden sind. Im Gegensatz zum englischen Recht ist dem BGB eine Haftung für das Verhalten unabhängiger Unternehmer nicht bekannt. Manche der nachfolgend zu erörternden Urteile gehen daher im Hinblick auf den Güterschutz außenstehender Dritter (aufgrund der Annahme einer strikten Verantwortlichkeit des employer) über die Grenzen des deutschen Rechts hinaus. Die Rechtsprechung hat in Deutschland freilich einige Funktionsäquivalente entwickelt, die in dieser Problematik zu einer gewissen Annäherung an das englische common law führen. 277 Neben der oben erwähnten Verantwortlichkeit für selbständige Unternehmer im Anwendungsbereich der Verkehrspflichten ist vor allem an die Rechtsinstitute der culpa in contrahendo und des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu denken, die auch in Abwesenheit eines förmlichen Vertragsschlusses über § 278 BGB zu einer Haftung für selbständige Erfüllungsgehilfen führen. 278
4. Fallgruppen strenger Haftung des employer für das Verhalten eines independent contractor a) Arbeiten auf Straßen und öffentlich zugänglichen Orten; „public nuisance " In einer großen Anzahl von Entscheidungen geht es um Fahrlässigkeit eines unabhängigen Unternehmers im Zusammenhang von Arbeiten auf oder an öffentlichen Wegen. Eine Haftung des employer wurde beispielsweise angenommen, wenn der mit Straßenarbeiten betraute independent contractor einen unbeleuchteten, nicht abgezäunten Erdhaufen zurückließ, über den der Kläger stürzte. 279 Ähnlich mußte ein Hausbewohner Ersatz für 277
Siehe hierzu Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 645 ff. Von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 209 und 201 verweist ferner auf die Entscheidungen, die die Arbeitnehmer eines Subunternehmers bei ausreichender Weisungsdichte des Hauptunternehmers als dessen (zeitweilige) Verrichtungsgehilfen qualifizieren. 279 Vgl. Penny ν. Wimbledon UDC [1898] 2 QB 212, insbesondere Bruce, J., auf S. 217: „When a person employs a contractor to do work in a place where the public are in the habit of passing, which work will, unless precautions are taken, cause danger to the public, an obligation is thrown upon the person who orders the work to be done to see that the necessary precautions are taken, and that, if the necessary 278
III. Haftung für independent contractors
277
Schäden leisten, die ein Passant durch Herunterfallen einer über den Bürgersteig hängenden Lampe erlitten hatte, die unsachgemäß durch eine ansonsten fachkundige Firma gewartet worden w a r . 2 8 0 In einigen (wenngleich nicht allen) Urteilen, die sich dieser Haftungskategorie zuordnen lassen, stand auf der Beklagtenseite eine öffentliche Körperschaft, die einen Unternehmer mit der Durchführung von Arbeiten im Gemeininteresse beauftragt hatte. Aus der Sicht des deutschen Rechts fällt dabei auf, daß es sich um den Lebensbereich handelt, in dem hierzulande die Lehre von den Verkehrspflichten ihren Ausgang genommen hat und das Haftungsrecht traditionell ebenfalls extensiv, im Sinne eines weitgehenden Güterschutzes, interpretiert wird. 2 8 1 Im Rahmen dieser Fallgruppe liegen ferner Unfälle, die sich nicht im engeren Sinne auf Straßen, sondern auf anderen allgemein zugänglichen Orten, wie etwa einem Bahnsteig, ereignet haben. 282 Für die Annahme der Haftung reicht es jedoch nicht aus, daß die Arbeiten in der Nähe des öffentlichen Weges verrichtet wurden. In Salsbury v. Woodland 2 8 3 wurde daher die Klage gegen einen Hausbewohner abgewiesen, der eine Firma damit beauftragt hatte, einen hohen, zehn Meter vom Bürgersteig entfernt stehenden Hagedornbusch zu fällen. Aufgrund von Fahrlässigkeit waren bei der Durchführung der Arbeiten Telefonleitungen heruntergerissen worden, die auf die Straße fielen und Schäden anrichteten. Eine Einstandspflicht des Auftraggebers scheidet ferner aus, soweit es um die gewöhnliche Nutzung von Wegen zur einfachen Fortbewegung geht. Wurde beispielsweise durch den Defekt eines Fahrzeugs ein Unfall verursacht, ist der Eigentümer nicht zum Ersatz verpflichtet, wenn der mit der Instandhaltung betraute Unternehmer den Fehler hätte erkennen müssen. Die Verantwortlichkeit des employer für Arbeiten eines independent contractor auf oder an öffentlich zugänglichen Orten wird zuweilen mit Hilfe des spezifischen tort „public nuisance" 284 erklärt, das unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwendung kommt, wenn jemand durch die Störung von Gütern der Allgemeinheit, vor allem in Form von Verkehrsgefährdungen, Schäden erleidet. 2 8 5
precautions are not taken, he cannot escape liability by seeking to throw the blame on the contractor." Die Entscheidung wurde bestätigt durch den Court of Appeal, vgl. [1899] 2 QB 72. Siehe weiterhin Holliday v. National Telephone Co [1899] 2 QB 392; ferner section 58 (2) des „Highways Act" 1980. 280 Tarry v. Ashton (1876) 1 QBD 314. 281 Vgl. RGZ 52, 373; RGZ 54, 53; ferner von Bar, Verkehrspflichten, 3 ff., 34ff. 282 Pickard v. Smith (1861) 10 C. Β. N. S. 470. 283 [1970] 1 QB 324. 284 Dazu Street, Torts, 347, 374ff.; Fleming, Torts, 411 f. 285 So Salmond/Heuston, Torts, 464; Jones, Torts, 345 f.; Atiyah, Vicarious Liability, 352 ff.
278
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
b) Beeinträchtigung von Nachbargrundstücken; „private nuisance " Von „private nuisance" spricht man hingegen, wenn jemand rechtswidrig im Genuß oder Gebrauch seines Grundeigentums beeinträchtigt w i r d . 2 8 6 Unter dieses tort fällt insbesondere die Verletzung von Nachbarrechten. 287 Inwieweit ein employer für das Verhalten eines independent contractor im Zusammenhang einer private nuisance einstehen muß, ist nicht leicht zu beantworten. Ein weiter Ansatz findet sich in der Entscheidung Bower ν. Peate. 288 Eine Baufirma, die von dem beklagten Eigentümer beauftragt worden war, eine Grube auszuheben, hatte in Ausführung der Arbeiten dem angrenzenden Grundstück die erforderliche Stütze entzogen. Das Gericht gab der Schadensersatzklage des Nachbarn statt, obwohl den Auftraggeber an dem Fehlverhalten des Unternehmers persönlich kein Verschulden traf. Cockburn, C.J., stützte den Anspruch auf das folgende Prinzip: „[A] man who orders a work to be executed, from which, in the natural course of things, injurious consequences to his neighbour must be expected to arise, unless means are adopted by which such consequences may be prevented, is bound to see to the doing of that which is necessary to prevent the mischief, and cannot relieve himself of his responsibility by employing some one else - whether it be the contractor employed to do the work from which the danger arises or some independent person - to do what is necessary to prevent the act he has ordered to be done from becoming wrongful." 289 Eine etwas restriktivere Position wurde hingegen in der Entscheidung Matania v. The National Provincial Bank L t d 2 9 0 eingenommen. Die Beklagten ließen in dem ersten Stock eines Hauses durch eine unabhängige Firma Änderungsarbeiten vornehmen, die zu Geräusch- und Staubimmissionen in der Wohnung des Klägers im zweiten und dritten Stock desselben Gebäudes führten. Der Court of Appeal gab der Klage mit der Begründung statt, daß die Maßnahmen ihrem Wesen nach eine besondere Gefahr von Beeinträchtigungen mit sich brachten, die eine Haftung für das Verhalten eines independent contractors begründete: ,,[I]f the act done is one which in its very nature involves a special danger of nuisance being complained of, then it is one which falls within the exception for which the employer of the contractor will be responsible if there is a failure to take the necessary precautions that the nuisance shall not arise." 291 286
Fleming, Torts, 416 ff. Vgl. Gordley, Immissionsschutz, Nuisance and Troubles de Voisinage, ZEuP 1998, 13 ff. 288 (1876) 1 QBD 321. 289 326f. Vgl. auch Hughes v. Percival (1883) 8 App. Cas. 443; Brooke v. Bool [1928] 2 KB 578, 587. 290 [1936] 2 All ER 633. 287
III. Haftung für independent contractors
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Im Fall von Feuer, das von einem selbständigen Unternehmer entzündet wurde und auf dem Nachbargrundstück Schäden verursacht hat, scheinen die Gerichte regelmäßig von einer speziellen Störungsgefahr auszugehen, die zur Haftung des Eigentümers führt. Diese Besonderheit erklärt sich aus einer Rechtsfortbildung des alten, schon in der Entscheidung Beaulieu v. Finglam 2 9 2 von 1401 zum Ausdruck gekommenen Grundsatzes, wonach den Herrn eine strikte Verantwortlichkeit trifft, in dessen Haus ein Bediensteter oder Gast einen Brand entzündet hatte, der auf ein anliegendes Gut übergriff. 293 Von dem Sonderfall des Feuers abgesehen, lassen sich aufgrund divergierender richterlicher Rechtsäußerungen nur schwer exakte Angaben über die Haftung für independent contractors im Anwendungsbereich des nuisance Tatbestandes treffen. Zu weitgehend ist sicherlich die Formulierung in Spicer v. Smee „that where danger is likely to arise unless work is properly done there is a duty to see that it is properly done." 2 9 4 Zum Vergleich bilden nachbarrechtliche Gemeinschaftsverhältnisse nach deutscher Rechtsprechung grundsätzlich keine ausreichende Grundlage, um zur Annahme einer strikten Haftung für selbständige Unternehmer zu gelangen. Entgegen einer beachtlichen Literaturmeinung 295 hat der BGH die Anwendung von § 278 BGB in diesem Zusammenhang ausdrücklich verneint. 2 9 6 Zugleich läßt sich bei den Gerichten jedoch bisweilen die Tendenz beobachten, „die selbstgeschlagene Wunde dadurch zu heilen, daß sie den Eigentümer zu extremer Sorgfalt bei der Überwachung" des jeweiligen Unternehmers verpflichten. 297
291
S. 646. Dazu s. o., § 4 IV 4 b. 293 In Balfour v. Barty-King [1957] 1 QB 496, 502f. nimmt Lord Goddard, C.J., unmittelbar auf diese Entscheidung Bezug. Siehe ferner Black v. Christchurch Finance Co [1894] AC 48; Spicer v. Smee [1946] 1 All ER 489; „Fires Prevention (Metropolis) Act" 1774; aber auch Lord Denning, M.R., in Η & Ν Emmanuel Ltd v. GLC [1971] 2 All ER 835. Nach Jolowicz, Liability for Independent Contractors in the English Common Law, 9 Stanford Law Review (1957), 690 erklären sich die Fälle der Haftung für unabhängige Unternehmer aus den geschützten Interessen des Opfers (z.B. Landbesitz), sowie aus der Natur des verwirklichten Risikos, wie am Beispiel des Feuers zu sehen sei. Aus diesem Grund wurde vermutlich in Blake v. Woolf [1898] 2 QB 426 die Haftung für Wasserschäden in der Nachbarwohnung abgelehnt, die durch Fahrlässigkeit eines Klempners ausgelöst worden waren. Kritisch jedoch Atiyah, Vicarious Liability, 357. 294 [1946] 1 All ER 489, 495. Dazu auch Atiyah, Vicarious Liability, 356f. 295 Vgl. Palandt/Heinrichs, § 278 BGB Rn. 3 m.w.N. 296 Vgl. BGHZ 42, 374, 377f.; NJW 1977, 375. 297 Zweigert /Kötz, Rechts vergleichung, 645. 292
280
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
c) Gefährliche
Arbeiten
In zahlreichen der bislang diskutierten Fälle wurde die Haftung für den independent contractor mit der gefährlichen Natur der Arbeiten begründet. Daneben wurden die Entscheidungen regelmäßig auf zusätzliche Argumente gestützt, wie etwa ein besonderes nachbarschaftliches Näheverhältnis, das zwischen den Parteien bestand. Demgegenüber wurde in Honeywill & Steyn Ltd v. Larkin Brothers L t d 2 9 8 die außerordentliche Gefährlichkeit der übertragenen Tätigkeit für sich genommen als ein Faktor qualifiziert, der die Verantwortlichkeit für das Verhalten unabhängiger Unternehmer begründen könne. Slesser, L.J., sprach von den „special rules which apply to extra-hazardous or dangerous operations." 299 In der Literatur hat dieser Ansatz scharfe Kritik erfahren, da sich das Kriterium der besonderen Gefährlichkeit nicht rational konkretisieren lasse und daher zu einer ausufernden Haftung für independent contractors führen könne. 3 0 0 Das Urteil in Honeywill and Steyn Ltd v. Larkin Brothers Ltd macht deutlich, daß diese Beurteilung nicht unberechtigt ist. Der Unternehmer in diesem Fall war ein Fotograf, der den Auftrag hatte, in einem Theater Aufnahmen zu machen und dabei aus Unvorsichtigkeit das Gebäude in Brand setzte. Zwar ist hinzuzufügen, daß bei Erlaß der Entscheidung das Blitzlicht noch durch Entzünden von Magnesium erzeugt wurde. Ungeachtet dessen wurde die Schwelle der besonderen Gefährlichkeit in der Entscheidung relativ niedrig angesetzt mit der Folge, daß sich auf ihrer Grundlage in anderen Sachverhaltskonstellationen eine weitgehende Verantwortlichkeit ergeben kann. Nach der Auffassung des Court of Appeal in Alcock v. Wraith 3 0 1 ist es nicht möglich, eine Liste von Tätigkeiten aufzustellen, die als „extra-hazardous" anzusehen sind. Die betreffende Arbeit müsse jedoch ein spezielles Schadensrisiko in sich tragen. Der Eigentümer eines Reihenhauses war nach dieser Entscheidung für das fahrlässige Verhalten eines Unternehmers 298
[1934] 1 KB 191. S. 200. Siehe auch Cantley, J., in Dodd Properties v. Canterbury City Council [1980] 1 WLR 433, 439: „The third defendants were independent contractors, but they were employed to carry out an extra-hazardous operation, by which I mean one which, by its very nature, involved risk of damage to the building in its close vicinity and not an operation which only involved such risk if done negligently." 300 Ygi Atiyah, Vicarious Liability, 372: ,,[T]he whole doctrine is so manifestly unsatisfactory that one may be permitted to hope that if the House of Lords is ever called upon to consider it the House will reject it altogether"; ferner Williams, Liability for Independent Contractors, [1956] Cambridge Law Journal, 180, 186; in Australien wurde die grundsätzliche Haftung im Fall von „extra-hazardous activities" abgelehnt, siehe dazu Fleming, Torts, 391. Zur Problematik strikter Haftung für besonders gefährliche Aktivitäten vgl. auch die House of Lords-Entscheidung Read v. J Lyons & Co Ltd [1947] AC 156. 301 [1991] TLR 600. 299
III. Haftung für independent contractors
281
verantwortlich, der zur Neubedachung des Gebäudes engagiert war und in Ausführung der Arbeit Schäden auf dem Nachbargrundstück verursacht hatte. 302 d) „Statutory duties' ' Nicht selten wird ein employer durch gesetzliche Vorschriften zu einem bestimmten Handeln ermächtigt oder verpflichtet. In derartigen Fällen ist es eine Frage der Auslegung im Einzelfall, ob eine „statutory duty" zur Entstehung gelangt, die sich auf die Erbringung zumutbarer Maßnahmen erstreckt, darüber hinausgehend möglicherweise das Verschulden eines independent contractors umfaßt, oder sogar eine absolute Haftung zur Folge hat. 3 0 3 In Darling v. Attorney-General 304 hatten das Arbeits- und Energieministerium auf der Grundlage einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung eine Firma damit beauftragt, Probebohrungen auf dem Grundstück des Klägers vorzunehmen, um Kohlevorräte ausfindig zu machen. Aus Unachtsamkeit hatte das Unternehmen einen nicht abgezäunten Stapel Holz zurückgelassen, über den Pferde des Eigentümers gestürzt waren und dadurch Verletzungen erlitten hatten. Nach der Entscheidung des Gerichts mußten die Ministerien für die resultierenden Schäden aufkommen. Die gesetzlichen Vorschriften begründeten eine Verpflichtung, die zwar nicht absolut war, aber dennoch die Fahrlässigkeit des selbständigen Unternehmers erfaßte, der mit den Probebohrungen betraut worden war. 3 0 5 Obgleich die Haftung für independent contractors bei Bestehen einer statutory duty häufig als selbständige Kategorie angesehen w i r d 3 0 6 , kommt es im Einzelfall freilich nicht darauf an, ob eine Verpflichtung ihren Ursprung im common law oder 302
Vgl. zu einem deutschen Fall hinsichtlich der Übertragung besonders gefährlicher Arbeiten auf einen selbständigen Unternehmer BGH JZ 1975, 733. Der BGH hat in diesem Urteil einer Klage aus § 823 I BGB stattgegeben, weil der Kläger beweisen konnte, daß die Beklagte bei der Auswahl des Unternehmers (der für sie die Beseitigung gefährlicher, in ihrem Betrieb anfallender Abfälle vorgenommen hat) nicht die erforderliche äußerste Sorgfalt angewandt hat. 303 Zur Problematik vgl. Gray v. Pullen (1864) 5 B. & S. 970; Groves ν. Wimborne [1898] 2 QB 402; Smith v. Cammell Laird & Co Ltd [1940] AC 242; Hosking v. De Havilland Aircraft Co Ltd [1949] 1 All ER 540; Riverstone Meat Co Pty Ltd v. Lancashire Shipping Co Ltd [1961] AC 807; Rivers v. Cutting [1982] 1 WLR 1146; Murphy v. Brentwood District Council [1990] 3 WLR 414. 304 [1950] 2 All ER 793. 305 S. 797: „The duty is, of course not an absolute one, but ... they did owe a duty to take reasonable care towards the occupier of the land having regard to all the circumstances ... and ... they do not absolve themselves from that duty which they owed to the occupier by employing an independent contractor." 306 V g l e t w a cierk/Lindsell, Torts, 3-36; Winfield/Jolowicz, Tort, 618; Salmond/Heuston, Torts, 464.
282
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
in einer gesetzlichen Vorschrift hat. 3 0 7 Entscheidend ist vielmehr, ob die in Frage stehende duty sich lediglich auf persönliches Verschulden bezieht oder auch das Verhalten eines independent contractor einschließt. 308
e) Bestehen einer vertraglichen
oder vertragsähnlichen
Beziehung
aa) Non-delegable duty des Arbeitgebers im Hinblick auf die Sicherheit seiner Arbeitnehmer Wie sich zeigte, kann sich eine Haftung für unabhängige Personen als Nebeneffekt aus einer vertraglichen Verpflichtung ergeben. Einige Fallkonstellationen, in denen es zu einer Einstandspflicht des employer für das Verhalten eines independent contractor kommt, werden darüber hinaus gewöhnlich im Kontext des law of torts diskutiert, obwohl kein Zweifel daran bestehen kann, daß sich ihr Anwendungsumfang auf Parteien beschränkt, die zueinander in vertraglicher oder vertragsähnlicher Beziehung stehen. Es handelt sich teilweise um Situationen, in denen im deutschen Recht eine Haftung des Geschäftsherrn nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo oder der positiven Forderungsverletzung in Verbindung mit dem Institut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und § 278 BGB zu erwägen wäre. Ein wichtiges Beispiel ist die Verantwortlichkeit von Arbeitgebern für die Sicherheit ihrer Bediensteten, die das Bestehen eines contract of service voraussetzt, systematisch aber dem Deliktsrecht zugeordnet wird. In der House of Lords-Entscheidung Davie v. New Merton Board Mills Ltd betonte Lord Reid: „ A master's duty to his servant with regard to the safety of plant supplied should, I think, be regarded as a part of the law of t o r t . " 3 0 9 Die Ursache für diese Unregelmäßigkeit in der Betrachtung liegt in der geschichtlichen Entwicklung und erklärt sich aus der Lehre des common employment , bzw. aus den Versuchen der Gerichte, ihre Auswirkungen zu umgehen. 310 Wie bereits dargestellt, hatte sich im Anschluß an die Entscheidung Priestley v. Fowler aus dem Jahre 1837 3 1 1 der Grundsatz herausgebildet, daß einen Geschäftsherrn keine vicar307 Vgl. schon Bower ν. Peate (1876) 1 QBD 321, 328: ,,[I]t can make no difference in point of principle whether the obligation was imposed by statute or existed at law." 308 Die Haftung des Hausbewohners für Schäden seiner Besucher, die durch fehlerhafte Arbeiten eines unabhängigen Unternehmers ausgelöst wurden, ist seit 1957 in section 2 (4) (b) des „Occupiers' Liability Act" geregelt. Bei fehlendem Eigenverschulden scheidet die Verantwortlichkeit danach regelmäßig aus. 309 [1959] AC 604, 642; siehe auch Viscount Simonds, S. 617. 310 Zum folgenden siehe Williams, Liability for Independent Contractors, [1956] Cambridge Law Journal, 180, 190 ff .; Atiyah, Vicarious Liability, 362 ff. 311 3 M. & W. 1.
III. Haftung für independent contractors
283
ious liability für unerlaubte Handlungen treffe, die seine Arbeiter untereinander verübten. 312 Mit zunehmendem wohlfahrtsstaatlichen Denken suchte die Rechtsprechung die daraus resultierenden Härten schrittweise abzuschwächen. Der dogmatische Kunstgriff, mit dem dieses Ziel erreicht wurde, ohne in Konflikt mit der Lehre des common employment zu geraten, war die Konstruktion einer persönlichen Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers (mit der Folge von personal im Gegensatz zu vicarious liability), die die Bereitstellung eines sicheren Arbeitsplatzes und Arbeitssystems, intakter Einrichtungen und Werkzeuge, sowie die Berufung zuverlässigen Personals umfaßte. 313 Dabei handelte es sich nicht um eine absolute Haftung, da es bei vollständiger Abwesenheit von Fahrlässigkeit nicht zu einer Verantwortlichkeit kam. Die persönliche Pflicht galt aber auch dann als verletzt, wenn der Arbeitgeber selbst die erforderliche Sorgfalt aufgewandt hatte und der Grund der Nichterfüllung im Verschulden eines Angestellten lag. 3 1 4 Einem geschädigten Gehilfen konnte auf diesem Wege zu Ersatz verholfen werden, ohne gegen die Lehre des commmon employment zu verstoßen, die in der rechtlichen Analyse nicht bei persönlichen Sorgfaltsverstößen des Geschäftsherrn zur Anwendung kam, sondern sich nur auf vicarious liability bezog. Der Begriff der non-delegable duty, der in diesem Kontext verwandt wurde, erinnerte jedoch stark an independent contractors, so daß die Pflicht des Geschäftsherrn in der Folgezeit auch dann als verletzt angesehen wurde, wenn ein selbständiger Unternehmer, der in die Erfüllung eingeschaltet war, fahrlässig gehandelt hatte. 315 Als man im Jahre 1948 die Lehre des common employment abgeschafft hatte, wurde es im Hinblick auf Delikte von Angestellten untereinander unerheblich, ob die Haftung des Geschäftsherrn auf die Grundlage von personal oder vicarious liability gestützt wurde. Die non-delegable duty des employer behielt aber ihre praktische Bedeutung zur Begründung einer Einstandspflicht für independent contractors b e i . 3 1 6 Ein zentraler Anwendungsfall ist die House of Lords312
Dazu s. o., § 4 V 9. Vgl. Wilsons and Clyde Coal Ltd v. English [1938] AC 57. Siehe dazu auch beispielsweise Salmond/Heuston, Torts, 452 ff. 314 Wilsons and Clyde Coal Ltd v. English [1938] AC 57 per Lord Wright, S. 78: „When I use the word absolutely, I do not mean that employers warrant the adequacy of plant, or the competence of fellow-employees, or the propriety of the system of work. The obligation is fulfilled by the exercise of due care and skill. But it is not fulfilled by entrusting its fulfilment to employees, even though selected with due care and skill." 315 Vgl. Paine v. Colne Valley Electricity Supply Co Ltd [1938] 4 All ER 803, 807. 316 Zweifel wurden in dieser Hinsicht aufgrund der Entscheidung des House of Lords in Davie v. New Merton Board Mills Ltd [1959] AC 604 geäußert, siehe etwa Clerk/Lindsell, Torts, 3-46; dazu vgl. jedoch die Äußerungen von Phillimore, J., in Sumner ν. Williams Henderson & Sons Ltd [1964] 1 QB 450, 467 f. 3,3
284
§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
Entscheidung McDermid v. Nash Dredging Ltd aus dem Jahre 1987. 3 1 7 Der Kläger war von den Beklagten als Deckshelfer angestellt und zu Arbeiten auf einem Schleppkahn ihrer Muttergesellschaft ausgesandt worden. Auf dem Schiff erlitt er schwerwiegende Verletzungen, da der Kapitän fahrlässig Sicherheitsvorkehrungen außer Acht gelassen hatte. Nach Auffassung des House of Lords waren die Beklagten zum Ersatz verpflichtet, obgleich der Kapitän nicht zu ihrem Personal gehörte, da sie einer non-delegable duty unterlagen, für ein sicheres Arbeitssystem zu sorgen und dessen Funktionieren zu gewährleisten. Diese Pflicht konnten sie nicht durch Übertragung auf den Schiffsführer von sich abwälzen und mußten daher für dessen Fahrlässigkeit aufkommen. bb) Haftung von Krankenhäusern gegenüber ihren Patienten Die Bedeutung des Kontrolltests als zwingenden Unterscheidungsmerkmals zwischen employees und independent contractors war zum ersten Mal im Kontext der Haftung von Krankenhäusern für ihr fest angestelltes Personal eingeschränkt worden. 3 1 8 Parallel zu der Annahme von vicarious liability für die professionelle Belegschaft bildete sich in der Rechtsprechung ein weiterer dogmatischer Ansatz heraus, um zu einer Haftung für spezialisierte Fachkräfte zu gelangen, der von einer persönlichen Pflicht der Kliniken gegenüber ihren Patienten ausging, die bei Fahrlässigkeit von Ärzten als verletzt angesehen wurde. 3 1 9 Eine entsprechende duty des Krankenhausträgers konnte sich demnach ergeben, wenn mit den Patienten ein Vertrag geschlossen worden war, aber auch dann, wenn das Krankenhaus in Abwesenheit vertraglicher Vereinbarungen die Behandlung übernommen hatte, wie es allgemein unter dem National Health Service üblich i s t . 3 2 0 Als Konsequenz dieser Argumentation besteht die Möglichkeit einer Haftung für das Verhalten eines unabhängigen Arztes, der gleichsam als independent contractor für eine bestimmte Operation angestellt wurde, im übrigen aber nicht auf der Grundlage eines contract of service fest in dem betreffenden Hospital beschäftigt ist. Bis zum heutigen Tag scheint es zu dieser Problematik freilich noch keine verbindliche Entscheidung zu geben. 321 Aufgrund 317
[1987] 3 WLR 212. Dazu s. o., § 5 II 1 c. 319 Vgl. vor allem Gold v. Essex County Council [1942] 2 KB 293, 301 per Lord Greene, M.R.; Cassidy v. Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 362ff. per Denning, L.J; in der Court of Appeal-Entscheidung Wilsher v. Essex Area Health Authority [1987] QB 730, 778 scheint Browne-Wilkinson, V.-C., von einer Verschuldenshaftung des Krankenhausmanagements ausgegangen zu sein. Siehe ferner Winfield/ Jolowicz, Tort, 597 f.; Salmond/Heuston, Torts, 437 f. 320 Atiyah, Vicarious Liability, 369. 321 Siehe aber Roe ν. Minister of Health [1954] 2 QB 66. 3,8
III. Haftung für independent contractors
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des National Health Services Act besteht eine Verpflichtung, medizinische Versorgung für ganz England und Wales einzurichten. 322 Ob sich hieraus eine non-delegable duty ableiten läßt, die zu einer Haftung für unabhängige Unternehmer führen kann, ist ebenfalls ungeklärt. 323 Wenn der Patient freilich mit dem behandelnden Arzt selbst einen Vertrag abgeschlossen hat, scheidet mangels einer eigenen Verbindlichkeit eine Verantwortlichkeit des Krankenhausträgers regelmäßig aus. 3 2 4 cc) Haftung für minicabs: Rogers v. Night Riders Eine non-delegable duty, die sich aus der besonderen Beziehung zwischen den Parteien ergab, wurde ferner in der viel diskutierten Entscheidung Rogers v. Night Riders 3 2 5 angenommen. Der Kläger hatte auf der Fahrt mit einem Minitaxi („minicab") Verletzungen erlitten, als die Tür sich aufgrund eines Verschlußdefektes öffnete, gegen einen parkenden Wagen prallte und wieder zuschlug. Seine Schadensersatzklage wegen der sorgfaltswidrigen Instandhaltung richtete er gegen eine Firma, die ihm den Wagen auf den Anruf seiner Mutter hin geschickt hatte. Bei dem beklagten Unternehmen handelte es sich nicht um einen Taxibetrieb mit eigenen Wagen und zugehörigem Personal, sondern um ein Vermittlungsbüro mit einer Liste von unabhängigen Fahrern, denen gegen Zahlung einer wöchentlichen Geldsumme durch Funkkontakt Kunden zugeleitet wurden. Nach der Entscheidung des Court of Appeal mußte die Firma für die entstandenen Schäden aufkommen, da sie selbst eine Verpflichtung übernommen hatte, den Kläger zu seinem Zielort zu bringen und die Sicherheit des Fahrzeugs zu gewährleisten. In der Literatur wurde das Urteil als „unprincipled and unreserved" kritisiert. 3 2 6 Obwohl nach allgemeinen Grundsätzen zwischen den Parteien kein Vertrag geschlossen worden w a r 3 2 7 , steht es außer Frage, daß die non-delegable duty, auf der sich die Verantwortlichkeit gründete, nicht gegenüber jedermann galt, sondern sich aus dem vorangegangenen telefonischen Kontakt ergab. Aufgrund der kurzen Urteilsbegründung lassen sich allerdings keine genaueren Aussagen darüber treffen, inwieweit eine 322
Vgl. „National Health Service Act" 1977, section 3(1). Zweifelnd Re HIV Haemophiliac Litigation [1990] NLJ 1349; vgl. aber auch Razze 11 v. Snowball [1954] 1 WLR 1382. 324 Salmond/Heuston, Torts, 438. 325 [1984] NLJ 61. 326 Vgl. Weir, Casebook on Torts, 315. 327 Vgl. Weir, Casebook on Torts, 315 f.; siehe ferner die Äußerung von Dunn, L.J., auf S. 62: „It matters not whether the duty is put in contract or in tort, either way it is a duty they could not delegate to a third person so as to evade responsibility if the car was not fit for that purpose." 323
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§ 5 Vicarious liability im modernen englischen Recht
nichtvertragliche Übernahme von Verantwortlichkeit allgemein eine Haftung für das Verschulden unabhängiger Unternehmer begründen kann. 3 2 8
5. Collateral negligence Wie bereits angedeutet, lassen sich die Tatbestände einer Haftung für unabhängige Unternehmer ihrer Struktur nach regelmäßig als verkleidete Formen von vicarious liability begreifen. 329 Um die Verantwortlichkeit des employer zu begründen, ist daher im allgemeinen der Nachweis erforderlich, daß der betreffende independent contractor zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe angestellt w a r . 3 3 0 Konsequenterweise erstreckt sich die Haftung des Arbeitgebers nur auf Handlungen, die sich innerhalb des Umfangs der betreffenden Beschäftigung bewegen. Die Rechtsprechung verwendet zur Bezeichnung dieses einschränkenden Tatbestandsmerkmals die negative Formel, daß eine Einstandspflicht für „collateral" oder „casual negligence", also für Sorgfaltswidrigkeiten im Hinblick auf Zusatzaspekte der Tätigkeit, ausscheidet. 331 Wie die Voraussetzung näher zu konkretisieren ist, scheint bislang noch ungeklärt. 332 Verschiedentlich wird betont, daß sich vor allem in diesem Gesichtspunkt die vicarious liability für employees von den einzelnen Anwendungsfällen der Haftung für independent contractors unterscheide. 333 Während bei Gehilfen ein Fehlverhalten gelegentlich der Verrichtung unter gegebenen Umständen eine Verantwort328 McKendrick, Vicarious Liability and Independent Contractors, 53 MLR (1990) 770; vgl. zur Problematik auch Lord Jauncey of Tullichettle in Esso Petroleum Co Ltd v. Hall Russell & Co Ltd [1988] 3 WLR 730, 759. 329 Wenn sich die Haftung nicht lediglich als Reflex einer weitergehenden Pflicht ergibt, s. o., § 5 III 4 c. Bei einer vertraglichen Verantwortlichkeit oder einer Gefährdungshaftung kommt es unter Umständen nicht darauf an, ob der unmittelbare Delinquent von dem employer „angestellt" wurde, bzw. ob das deliktische Verhalten im Zusammenhang mit einer bestimmten Aufgabe stand. 330 Davie v. New Merton Board Mills Ltd [1959] AC 604. 331 Vgl. etwa Lord Blackburn in Dalton v. Angus (1881) 6 App. Cas. 740, 829: ,,[I]t has been considered settled law that one employing another is not liable for his collateral negligence unless the relationship of master and servant existed between them"; ferner Pickard v. Smith (1861) 10 C. B. N. S. 470, 480 per Williams, J.: „If an independent contractor is employed to do a lawful act, and in the course of the work he or his servants commit some casual act of wrong or negligence, the employer is not liable ... The rule, however, is inapplicable to cases in which the act which occasions the injury is the one which the contractor was employed to do." 332 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 374ff.; Fleming, Torts, 393; Winfield/Jolowicz, Tort, 619. 333 Neben der Äußerung von Lord Blackburn in Dalton v. Angus (1881) 6 App. Cas. 740, 829 vgl. etwa Denning, L.J., in Cassidy v. Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 364; Fleming, Torts, 393.
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lichkeit des Arbeitgebers auslösen könne, sei bei unabhängigen Personen ein unmittelbarer Bezug zu der übertragenen Tätigkeit erforderlich. 334 In Padbury v. Holliday and Greenwood L t d 3 3 5 hatte der Angestellte des Subunternehmers beim Einsetzen eines Fensterflügels auf dem Fenstersims ein Werkzeug liegenlassen, das durch einen Windstoß herunterbefördert wurde und einen Passanten auf der Straße verletzte. Der Auftraggeber war nicht zum Schadensersatz verpflichtet, da die Sorgfaltswidrigkeit als collateral negligence eingestuft wurde. Zu einem anderen Ergebnis kam der Court of Appeal in der Entscheidung Holliday v. National Telephone C o . 3 3 6 Die beklagte Telefongesellschaft legte Leitungen unterhalb der Straßenoberfläche und engagierte einen Klempner, um bestimmte Verbindungen herzustellen. Dieser tauchte die für die Ausführung der Arbeit benötigte Benzinlampe in geschmolzenen Lötzinn ein, um sie zum Auflodern zu bringen. Durch einen Defekt wurde eine Explosion ausgelöst, die zu Verletzungen des Klägers führte. Nach der Auffassung des Gerichts lag die Fahrlässigkeit des Klempners in der unmittelbaren Ausführung der Tätigkeit, zu der er bestellt worden war, so daß die Telefongesellschaft für die entstandenen Schäden aufkommen mußte. Bemerkenswerterweise gibt es, in deutlichem Gegensatz zu der „course of employment-" Voraussetzung, nur wenig Fallmaterial, in dem die collateral negligence-Formel problematisiert wurde. Möglicherweise kommt man der Charakterisierung des Tatbestandsmerkmals am nächsten, wenn man darin das Erfordernis eines bestimmten funktionalen Zusammenhangs zwischen übertragener Aufgabe und verübtem Delikt sieht, dessen Rahmen jedoch enger gesteckt ist als im Fall der vicarious liability für employees. 337
6. Zusammenfassung Mit der Etablierung des Grundsatzes, daß eine Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn für das Verhalten eines unabhängigen Unternehmers ausscheidet, bildete sich zeitgleich eine Reihe von Ausnahmen heraus. Eine zusammenhängende Theorie, die eine stimmige Begründung der verschiede334 Nach Jones, Torts, 348 muß die Handlung „in the performance of the very work that has been delegated to the contractor" liegen. 335 (1912) 28 TLR 494. 336 [1899] 2 QB 392. 337 Fleming, Torts, 394, schlägt als Kriterium vor „the dissociation of the act in question from any inherent risk created by the work itself." Es handelt sich um eine Umschreibung des Tatbestandsmerkmals, die nicht viel mehr Entscheidungssicherheit erzeugt, möglicherweise auch nicht mit Padbury v. Holliday and Greenwood Ltd in Einklang steht, da das fahrlässige Ablegen des Werkzeugs auf dem Fenstersims keine Distanzierung von dem immanenten Risiko der Arbeit bedeutete und dennoch die Haftung abgelehnt wurde.
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nen Sonderfälle gewährleistet, ist noch nicht formuliert worden. Hat der employer durch eigenes Fehlverhalten zu der Verursachung des Nachteils beigetragen, ergeben sich keine besonderen Rechtfertigungsschwierigkeiten. Obgleich zahlreiche Haftungstatbestände in bezug auf independent contractors unabhängig von einem Verschulden des Auftraggebers Anwendung finden, werden sie allgemein als personal liability eingestuft. Dogmatisch wird die strikte Verantwortlichkeit damit begründet, daß den employer eine sogenannte „non-delegable duty" treffe, eine Verpflichtung, der er nicht durch Übertragung der betreffenden Tätigkeit auf einen unabhängigen Unternehmer ausweichen könne. Strukturell sind diese Fälle regelmäßig jedoch verkleidete Formen von vicarious liability. Die Haftung für das Verhalten eines independent contractor kann durch verschiedene Gesichtspunkte begründet werden. Unter bestimmten Umständen kann sich die Annahme einer „non-delegable duty" aus einem vorausgegangenen vertraglichen oder vertragsähnlichen Kontakt zwischen den Parteien ergeben. Das Einschalten eines unabhängigen Unternehmers kann ferner bei Bestehen eines nachbarschaftlichen Näheverhältnisses zu einer strikten Einstandspflicht führen. Unabhängig von dem Bestehen einer irgendwie gearteten Nähebeziehung kann den Auftraggeber eine verschuldensabhängige Haftung treffen, wenn Arbeiten auf öffentlichen Straßen mit der Hilfe einer selbständigen Firma ausgeführt werden, die übertragene Tätigkeit ihrer Natur nach besonders gefährlich ist oder wenn der Beklagte von einer entsprechenden gesetzlichen Pflicht (statutory duty) betroffen ist. Das unrechtmäßige Verhalten des Unternehmers muß regelmäßig jedoch in einem engen funktionalen Zusammenhang zu seiner Aufgabe stehen. Im Einklang mit dem allgemeinen Trend des modernen tort law, Opfern von Schäden und Verletzungen großzügig Ersatzansprüche zu gewähren, nimmt die Anzahl der Ausnahmefälle eher zu als ab. Die Ausweitungstendenzen werden in der Literatur kritisch aufgenommen, da der independent contractor regelmäßig ein selbständiges Unternehmen ist, das die Durchführung der Arbeit eigenverantwortlich überwacht, sich durch Versicherung vor einer weitgehenden Schadenshaftung schützen kann und dem Auftraggeber als Laien häufig keine andere Alternative bleibt, als die betreffende Aufgabe einem Fachmann zu übertragen. Sollten die Kräfteverhältnisse im Einzelfall umgekehrt gelagert sein, wäre eine kontextabhängige Ausdehnung des employee-Konzepts möglicherweise dogmatisch schlüssiger, als die Haftung für independent contractors stückweise zu erweitern. Abschließend soll daher an die folgende, wenig beachtete Passage von Lord Westbury in Daniel v. Metropolitan Railway Co erinnert werden: ,,[T]he ordinary business of life could not go on if we had not a right to rely upon things being properly done when we have committed and entrusted them to persons whose duty it is to do things of that nature, and who are selected for the purpose with prudence and care, as being experienced in the matter, and are held responsible for the execution of the work." 33
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IV. Haftung des principal für torts seines agent 1. Die Problematik im allgemeinen Das Anwendungsspektrum von vicarious liability ist mit der employee/ independent contractor-Dichotomie nicht erschöpft. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich darüber hinaus eine Haftung des „principal" für unrechtmäßiges Verhalten seines „agent" ergeben. Die juristische Relevanz der Begriffe principal und agent liegt im englischen Recht vor allem im Bereich der Stellvertretung. In einem Lehrbuch zum Vertragsrecht findet sich die folgende Umschreibung: „At common law the word ,agency4 represents a body of general rules under which one person, the agent, has the power to change the legal relations of another, the principal." 3 3 9 Entscheidendes Merkmal ist das Bestehen einer Vollmacht („authority"), mit der die eine Partei, der Vertreter, die Rechtsverhältnisse eines anderen, des Vertretenen, verändern kann. 3 4 0 Von agency im technischen Sinne nicht erfaßt sind daher Berufsgruppen wie Makler oder Handelsvertreter, die zur Vermittlung von Rechtsgeschäften angestellt werden, ohne persönlich zum Abschluß von Verträgen ermächtigt zu sein, obgleich ihre umgangssprachliche Bezeichnung als agents etwas anderes vermuten ließe. Über den Rahmen der Stellvertretung hinaus spielt der Begriff der agency jedoch auch in anderen Rechtsgebieten eine Rolle. Welche Anforderungen an die Beziehungen zwischen den Parteien zu stellen sind, um zur Annahme einer principal-agent relationship im Sinne der vicarious liability zu gelangen, ist eine der kompliziertesten Fragestellungen im Zusammenhang dieser Lehre, deren Beantwortung jedoch vor allem aus systematischen Gründen Aufmerksamkeit verdient: Im allgemeinen Sprachgebrauch kann ein agent jede Person sein, die auf die Anweisung eines anderen hin (den man, wiederum untechnisch, principal nennen kann) tätig wird. Vom Wortsinn her kann sich das Begriffspaar daher sowohl auf das Verhältnis von employer und independent contractor als auch auf eine master and servant relationship beziehen. 341 Die vorstehende 338
(1871) LR 5 HL 45, 61; vgl. auch Atiyah, Vicarious Liability, 373. Chitty, Contracts II, 1. Vgl. auch die „tentative definition" durch Fridman, Agency, 11 : „Agency is the relationship that exists between two persons when one, called the agent, is considered in law to represent the other, called the principal, in such a way as to be able to affect the principal's legal position in respect of strangers to the relationship by the making of contracts or the disposition of property." 340 Bowstead/Reynolds, Agency, 1. 341 Vgl. auch Lord Herschell in Kennedy v. De Trafford [1897] AC 180: „No word is more commonly and constantly abused than the word ,agent4. A person may be spoken of as an ,agent' and no doubt in the popular sense of the word may properly be said to be an ,agent', although when it is attempted to suggest that he 339
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Untersuchung hat jedoch gezeigt, daß eine Haftung des Geschäftsherrn für das Verhalten eines unabhängigen Unternehmers im Gegensatz zu einem Gehilfen regelmäßig ausscheidet. Ohne eine genauere Definition der Begriffe principal und agent würde die Gefahr bestehen, daß die zentrale Unterscheidung zwischen employee und independent contractor im sprachlichen Gewand der agency wieder aufgehoben w i r d . 3 4 2 Außer Zweifel steht zunächst die Tatsache, daß ein principal über die bislang behandelten Tatbestände hinaus unter bestimmten Voraussetzungen für das deliktische Verhalten seines agent aufkommen muß. Fraglich ist jedoch, ob es in dieser Hinsicht eine allgemeine Theorie gibt, die sämtliche ergangenen Entscheidungen zu erklären vermag und eine saubere Abgrenzung im Hinblick auf die Haftung des Geschäftsherrn für Gehilfen und unabhängige Unternehmer erlaubt; ob sich möglicherweise spezielle Regelungen für besondere, klar umrissene Sachverhaltskonstellationen ermitteln lassen; oder ob es sich bei den einschlägigen Urteilen lediglich um isolierte Einzelfälle handelt, die unter Umständen als geschichtliche Anachronismen zu begreifen sind. 3 4 3 Eine mögliche Erklärung für die Existenz dieser besonderen vicarious liability-Kategorie liegt in der oben geschilderten traditionellen Einordnung der Stellvertretungsregeln unter das Recht von master und servant, die eine Vermischung beider Konzepte zur Folge hatte. Als sich in der Rechtsprechung die Unterscheidung zwischen employees und independent contractors herausgebildet hatte, war offen geblieben, wie sich die Verantwortlichkeit für das Unrecht eines agent, der grundsätzlich auch eine Person in unabhängiger Stellung sein konnte, in diese Unterteilung einfügen sollte. 3 4 4 Seit dieser Zeit scheint die Rechtsprechung in keinem Urteil die Haftung für alle drei Personengruppen im Zusammenhang und auf der Grundlage einer umfassenden Entscheidungsanalyse verbindlich untersucht zu haben. Vielmehr gibt es zahlreiche Fälle, in denen der Terminus des agent einerseits und der Begriff des servant 345 bzw. des is an ,agent4 under such circumstances as create the legal obligations attaching to agency that use of the word is only misleading.44 Ferner siehe Dixon, J., in Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. Producers Assurance Co Ltd (1931) 46 CLR 41, 51: „Unfortunately, too, the expressions ,for, 4 ,on behalf of, 4 ,for the benefit of 4 and even »authorize4 are often used in relation to services which, although done for the advantage of a person who requests them, involve no representation.44 342 Siehe Clerk/Lindsell, Torts, 3-51: „Both servants and independent contractors may be classified as ,agents4 for they are both persons who do work for another.44 Zum Verhältnis von servants, agents und independent contractors vgl. etwa Fridman, Agency, 31 ff., 307 ff.; Salmond/Heuston, Torts, 434, f.; Atiyah, Vicarious Liability, 346 ff., 101. 343 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 99 ff. 344 S. o., § 4 V 4 und 5. 345 Vgl. nur Willes, J., in Barwick v. English Joint Stock Bank (1866) LR 2 Exch 259, 265.
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independent contractor 346 andererseits mit einer Selbstverständlichkeit unterschiedslos verwandt wurden, als gäbe es keinerlei konzeptionelle Differenzen. Die Entwicklung einer umfassenden Theorie, die sämtliche richterliche Äußerungen miteinander in Einklang zu bringen vermag, wird aus diesem Grund nicht möglich sein. Zwei Zitate mögen die Bandbreite divergierender Auffassungen, die in der Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht worden sind, kurz veranschaulichen. Als Beispiel für ein enges Verständnis der Haftung für agents läßt sich eine Passage von MacKinnon, L.J., aus der Entscheidung Hewitt v. Bonvin anführen: „ I f A suffers damage by the wrongful act of B, and seeks to say that C is liable for that damage he must establish that in doing the act Β acted as the agent or servant of C. If he says that he was C's agent he must further show that C authorized the act." 3 4 7 Wenn C den unrechtmäßigen Akt von Β angeordnet hat, ist er freilich als Anstifter persönlich für das Delikt verantwortlich. 348 Die Annahme einer besonderen vicarious liability Kategorie im Hinblick auf agents scheint nach der Auffassung von MacKinnon, L.J., folglich auszuscheiden. 3 4 9 Ein weitgehender Ansatz findet sich demgegenüber in einer Äußerung von Jessel, M.R., aus der Entscheidung Smit v. Keal: ,,[I]t is clear that on principle a man is liable for another's tortious act if he expressly directs him to do it, or if he employs that other person as his agent, and the act complained of is within the scope of the agent's authority." 3 5 0 Fügt man hinzu, daß die Begriffe agent und authority 351 offensichtlich nicht im technischen Sinne des Stellvertretungsrechts verstanden wurden, ergibt sich eine allgemeine Haftung für Personen, die auf Anweisung eines anderen tätig werden. Wörtlich genommen wäre die Trennungslinie zwischen Verrichtungsgehilfen und unabhängigen Unternehmern bei dieser Betrachtung obsolet. 352 346
Siehe beispielsweise Riverstone Meat Pty Co Ltd [1961] AC 807, 862. [1940] 1 KB 188, 191. 348 Dazu Atiyah, Vicarious Liability, 289 ff. 349 Vgl. auch Martin, B., in Wigan Election Petition (1870) 21 LT 122, 123: „This case was governed by the law of master and servant, which is different from that of principal and agent. The relation of master and servant imposes upon the master a liability for an unlawful act done by the servant in the course of his employment ... But the ordinary rule with regard to principal and agent is that the principal is only responsible for that which he authorises the agent to do." 350 (1882) 9 QBD 340, 351. 351 S. o., § 5 II 3 a. 352 Im rein gesellschaftlichen Bereich scheint freilich auch das englische Recht keine Haftung für andere anzunehmen, wenn jemand beispielsweise aus reiner Hilfsbereitschaft der Bitte eines Mitmenschen nachkommt, bei der Ausführung aber aus Unachtsamkeit einem Dritten Schäden zufügt. Vgl. Salmond/Heuston, Torts, 439: Der Eigentümer eines Hundes ist nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sein Freund beim Ausführen die Leine in einer Weise fahrlässig gehalten hat, daß ein 347
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Die herrschende Meinung im modernen Recht scheint sich zwischen diesen beiden Extremstandpunkten auf eine Position einzuspielen, die von zwei besonderen Grundtatbeständen ausgeht, in denen eine Verantwortlichkeit des principal für das Verhalten eines agent anzuerkennen ist, und davon ausgehend untersucht, wie weit der Rahmen der Verantwortlichkeit im Einzelfall zu spannen ist. Diese beiden Konstellationen und ihre möglichen Ausdehnungen, die sich mit der Haftung für employees und independent contractors teils überschneiden, teils aber auch darüber hinausgehen bzw. dahinter zurückbleiben, sollen im folgenden erörtert werden. Vorab bedarf es freilich einer kurzen Erwähnung, daß der Gedanke einer Schadenshaftung für Vertreter auch dem deutschen Rechtsdenken nicht fremd ist. Die Problematik der Gehilfenhaftung und die Lehre von der Stellvertretung standen in der Vergangenheit ebenfalls in einem Verhältnis der Wechselwirkung, bevor beide Bereiche durch den Gesetzgeber voneinander abgegrenzt wurden. 3 5 3 Im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts 354 wurde noch bei Schaffung des BGB die Frage erörtert, ob der Vollmachtgeber für Delikte des Bevollmächtigten einstehen solle. 3 5 5 Der Antrag auf den Erlaß einer gesonderten deliktischen Vorschrift wurde jedoch abgelehnt mit einer Begründung, die angesichts der geschilderten Probleme des englischen Rechts in diesem Zusammenhang besonderer Hervorhebung bedarf 3 5 6 : „Die Anknüpfung an den Vertretungsgedanken erscheine auch abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten der Feststellung des Vertretungsverhältnisses bedenklich, weil dadurch Unklarheit in die Terminologie des Entwurfs hineingetragen werde." 357 Die Verfasser des BGB räumten folglich der Rechtssicherheit Vorrang ein gegenüber einer Einstandspflicht für Bevollmächtigte, die allenfalls im Rahmen einiger Spezialtatbestände gerechtfertigt wäre. Gleichwohl ließ sich mit dieser Entscheidung nicht verhindern, daß die Vertreterhaftung sich in verkleidetem Gewand auch später noch in gewissem Umfang Geltung verschaffte. 358 So Passant darüber gestürzt ist. Ähnlich haftet der Gastgeber nicht, wenn ein Besucher aus Unachtsamkeit heißes Teewasser über einen anderen Gast geschüttet hat. 353 Siehe im einzelnen Fritsch, Gehilfenhaftung, 48 ff. 354 Vgl. ROHG 6, 404. Hinsichtlich der deutschen Rechtsprechung im 19. Jahrhundert siehe auch Fritsch, Gehilfenhaftung, 122 ff. Dort (S. 123) auch zum Urteil des Oberappellationsgerichts Kassel von 1860, wonach „die aquilische Klage auch gegen den Auftraggeber als »eigentlichen Urheber' der verletzenden Handlung wohl eines Stellvertreters gerichtet werden könne." 355 Vgl. Prot. II S. 603; ferner Motive I 228 und II 737. 356 Die außervertragliche Haftung für Hilfspersonen sollte danach in zwei unterschiedlichen Vorschriften geregelt werden, deren eine lautete: „Wer einen Anderen zu seinem Vertreter bestellt hat, ist wegen des Schadens verantwortlich, welchen der Andere in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügt" (Prot. II S. 597). 357 Prot. II S. 603 (meine Hervorhebung).
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hat der BGH im Anschluß an das Reichsgericht den Rechtsanwalt als Verrichtungsgehilfen seines Mandanten qualifiziert 3 5 9 , obwohl dieser als unabhängiges Organ der Rechtspflege seine Aufgaben selbständig gegenüber seinem Auftraggeber ausübt und die Anwendung des § 831 BGB daher mangels Weisungsgebundenheit und organisatorischer Eingliederung problematisch erscheint. 360 Nicht um den klassischen Typus eines Verrichtungsgehilfen handelt es sich ferner in dem Fall des Handelsvertreters, für dessen Verhalten die Rechtsprechung eine Haftung annimmt, wenn dieser im Einzelfall „den Weisungen des Unternehmers unterworfen und von ihm abhängig" sein sollte. 3 6 1 Das Bedürfnis nach einer klaren Kategorisierung stellt sich im deutschen Recht freilich nicht so dringend wie im Rahmen des englischen common law, da die Haftung des Geschäftsherrn auf (vermutetem) Eigenverschulden beruht und auf diese Weise sichergestellt ist, daß eine hinreichend enge Verbindung zu dem unmittelbar verwirklichten Unrecht besteht.
2. Grundfall I: Haftung für Arglist eines agent im technischen Sinne Nach nahezu einhelliger Auffassung kommt es zu einer Haftung des principal, wenn ein agent im technischen Sinne des Stellvertretungsrechts in Ausübung seiner Vollmacht arglistig Schäden verursacht hat und daher die Voraussetzungen des deliktischen „deceit"-Tatbestandes erfüllt sind. 3 6 2 Als autoritative Grundlage für diesen Anwendungsfall läßt sich die oben angeführte Passage aus der House of Lords-Entscheidung Lloyd v. Grace, Smith & Co anführen, derzufolge „a principal must be liable for the fraud of his agent committed in the course of his agent's employment and not beyond the scope of his agency." 3 6 3 Zwar war der Vertreter in diesem Urteil gleich358
Zum Phänomen der „kodifikationsübergreifenden Kontinuitätslinien" siehe Zimmermann, Das römisch-kanonische ius commune als Grundlage europäischer Rechtseinheit, JZ 1992, 8, 19. 359 Vgl. RGZ 96, 177; BGH BB 1957, 306. In Fällen, in denen der Rechtsprechung die Haftung des Mandanten für den Anwalt angemessen erscheint, läßt sie die Haftung regelmäßig nicht an der Exkulpationsmöglichkeit scheitern, sondern greift auf § 278 BGB zurück, vgl. BGH NJW 1972, 1048; ferner MüKo/Stein, § 831 Rn. 37 m.w.N. 360 Vgl. Erman/Schiemann, § 831 BGB Rn. 6; MüKo/Stein, § 831 Rn. 37. Zur Problematik siehe ferner von Caemmerer, Haftung des Mandanten für seinen Anwalt, 261; von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 209. 361 BGH NJW 1980, 941. Vgl. auch BGH NJW 1956, 1715. 362 Vgl. etwa Street, Torts, 122, 489; Winfield/Jolowicz, Tort, 613; Clerk/Lindsell, Torts, 3-51; a.A. aber Salmond/Heuston, Torts, 434 f. 363 [1912] AC 716, 731 per Lord Macnaghten. Vgl. ferner Uxbridge Permanent Benefit Building Society v. Pickard [1939] 2 KB 248; Armagas Ltd v. Mundogas SA [1986] 1 AC 717.
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zeitig servant der beklagten Anwaltsfirma. Wie bereits erwähnt, kam es für die Entscheidung des Gerichts jedoch maßgeblich darauf an, daß der unmittelbare Delinquent mit Vollmacht ausgestattet war. 3 6 4 Spätestens in Briess v. Woolley hat das House of Lords diesen Ansatz verbindlich auf das arglistige Verhalten eines agent ausgedehnt, der nicht als employee der Beklagten angesehen werden konnte. 3 6 5 Die Vertretungsmacht wird im englischen Recht regelmäßig durch Konsens zwischen den Parteien begründet. 366 Sie kann einem Gehilfen ebenso erteilt werden wie einem unabhängigen Unternehmer. Sofern der Vertreter unentgeltlich tätig werden soll, wird die Vollmacht mangels „consideration" freilich nicht durch einen förmlichen Vertrag, sondern durch einfache Willensübereinkunft zwischen den Parteien begründet. 367 Bei Abwesenheit einer Vereinbarung kann sich die authority unter Umständen aus einem Rechtsscheintatbestand ergeben. 368 In diesen Fällen ist eine Haftung des principal möglich, selbst wenn der agent weder als employee, noch als independent contractor einzustufen ist, da unabhängig von den sonstigen Beziehungen der Beteiligten das Bestehen der Vertretungsmacht für die Begründung der Verantwortlichkeit maßgeblich zu sein scheint. 369 Praktisch relevant geworden ist diese Konstellation vor allem im Zusammenhang von Arglist des Stellvertreters beim Abschluß von Verträgen. Die Haftung des principal wurde jedoch trotz des vertragsähnlichen Charakters der Beziehungen häufig auf den Gesichtspunkt der vicarious liability des law of torts gestützt. Als Erklärung für die Ausdehnung der strikten Verantwortlichkeit für fremde Schuld bietet sich daher der Gedanke des „dolus" in contrahendo an: Die Unehrlichkeit des agent, die sich in einem konkreten rechtlichen Erfolg niederschlägt, rechtfertigt die Einstandspflicht des Vertretenen, der seinerseits den unmittelbaren Delinquenten als Repräsentanten seiner Interessen in eine Position versetzt hat, die zu unlauterem Verhalten ausgenutzt wurde. 364
S. o., § 5 II 3 c hh. [1954] AC 333. Der Manager einer Firma war von den Aktionären zum Verkauf ihrer Aktien ermächtigt worden und hatte die Käufer bewußt im Hinblick darauf getäuscht, daß die Aufzeichnungen in den Geschäftsbüchern in Wirklichkeit das Ergebnis unlauterer Unternehmensführung waren. 366 Chitty, Contract II, 6. 367 Chitty, Contract II, 7. Nach dem common law Englands und der Vereinigten Staaten wird ein Versprechen nur dann als durchsetzbar angesehen, wenn eine consideration zugrunde liegt, d.h., wenn es vom Versprechenden um einer von ihm gewünschten Gegenleistung Willen abgegeben worden ist, vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 384 ff. Ohne consideration fehlt es an der bindenden Kraft eines Vertrages, so daß bei unentgeltlicher Vollmacht sich nicht von einem förmlichen Vertrag zwischen den Parteien sprechen läßt. Grundlegend zur consideration siehe die rechtsvergleichende Arbeit von Fromholzer, Consideration. 368 Vgl. Chitty, Contract II, 6. 369 Vgl. auch Chitty, Contract II, 7. 365
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3. Erweiterungen a) Haftung für Fahrlässigkeit
eines agent im technischen Sinne
Ausgehend von diesem Grundfall werden verschiedene Ausdehnungen der Verantwortlichkeit des principal diskutiert, die vor allem in drei unterschiedliche Richtungen zielen. Eine Haftung wird zunächst für das Verhalten eines Stellvertreters befürwortet, der fahrlässig falsche Aussagen in Ausübung seiner Vollmacht abgegeben hat. 3 7 0 Seit im englischen Recht eine deliktische Einstandspflicht für Erklärungen anerkannt ist, deren Unwahrheit der Äußernde aus Unachtsamkeit übersehen h a t 3 7 1 , erscheint auch eine Erweiterung der Einstandspflicht des principal für sorgfaltswidrig abgegebene Mitteilungen seines agent im Kontext von Rechtsakten konsequent. Hierfür läßt sich in den meisten Fällen (wiederum) der Gedanke der culpa in contrahendo anführen. Die Nachlässigkeit des Vertreters manifestiert sich in einem rechtlichen Erfolg, der Wirkungen für und gegen den Vertretenen erzeugt und damit eine Ausdehnung seiner vicarious liability rechtfertigt. 372 b) Haftung für Vermittler Der zweite Ansatzpunkt für eine Haftungserweiterung wird in bezug auf Äußerungen von Personen erörtert, die zur Vermittlung von Rechtsgeschäften angestellt werden, den eigentlichen Geschäftsabschluß aber regelmäßig nicht selbst vornehmen, wie Grundstücksmakler oder Handelsvertreter. 373 Wenn der betreffende agent ermächtigt war, im Vorbereitungsstadium bestimmte Erklärungen abzugeben, die letztendlich die andere Partei zu den 370
Pro: Bowstead/Reynolds, Agency, 506; in Kooragang Investment Pty Ltd v. Richardson and Wrench Ltd [1982] AC 462 wurde die Haftung eines „estate agent" für fahrlässige Äußerungen erörtert, aber mangels Nachweises einer Vollmacht abgelehnt. Contra: Clerk/Lindsell, Torts, 3-51. 371 Zum Tatbestand der „negligent misrepresentation" vgl. vor allem Hedley Byrne v. Heller [1964] AC 465; section 2 (1) des „Misrepresentation Act" 1967; Fleming, Torts, 640 ff. 372 In der Rechtsprechung gibt es Anzeichen für eine Haftung des principal, wenn der Vertreter, der die Erklärung abgegeben hat, selbst schuldlos handelte, aber ein anderer agent um die Fehlerhaftigkeit der Äußerung wußte bzw. darum hätte wissen müssen, vgl. insbesondere W Β Anderson & Sons v. Rhodes (Liverpool) [1967] 2 All ER 850. Kritisch jedoch Armstrong v. Strain [1952] 1 KB 232; ferner Salmond/Heuston, Torts, 432 („it is difficult to see how innocence can be added to innocence to produce gilt"). 373 In diesem Sinne siehe etwa Street, Torts, 122, 489; vgl. zur Problematik im vertraglichen Kontext Mullens v. Miller (1882) 22 ChD 194; ferner Armstrong v. Strain [1952] 1 KB 232.
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vertraglichen Vereinbarungen bewegt haben, drängen sich zur Rechtfertigung der Verantwortlichkeit ähnliche Erwägungen wie in der Situation eines Vertreters im technischen Sinne auf. Im einen wie im anderen Fall schlagen sich die arglistigen oder nachlässigen Mitteilungen in einer Rechtsfolge mit Bindungswirkung für und gegen den Vertretenen bzw. den benachteiligten Dritten nieder. c) Haftung für diffamierende
Äußerungen
Die dritte Stoßrichtung für eine Ausdehnung der Haftung wird schließlich im Hinblick auf diffamierende Äußerungen eines Repräsentanten diskutiert. Während es englische Urteile zu dieser Problematik nicht zu geben scheint, wurde die Frage in Colonial Life Assurance Society Ltd v. Producers Assurance Co L t d 3 7 4 vom High Court of Australia behandelt. Ein Versicherungsvertreter, der mit der Vermittlung von Verträgen betraut war, hatte Kunden gegenüber rufschädigende Bemerkungen über ein Konkurrenzunternehmen abgegeben. Sein Verhalten erfüllte daher die besonderen Voraussetzungen des „slander" Tatbestandes. Nach der Mehrheitsauffassung des Gerichts mußte die Versicherungsgesellschaft für das verwirklichte tort Ersatz leisten, obgleich der Vertreter in unabhängiger Stellung arbeitete und daher nicht als Verrichtungsgehilfe angesehen werden konnte. Entscheidend für die Zurechnung des unerlaubten Verhaltens war die Überlegung, daß der agent im Unterschied zu anderen selbständigen Unternehmern sich in der Position eines Vermittlers befand und Kunden gegenüber als Repräsentant seiner Firma auftrat: ,,[H]e was authorized to speak, and in fact spoke, with the voice of the defendant." 375 In der englischen Literatur hat das Urteil Zustimmung wie auch Ablehnung erfahren. Namentlich Atiyah hat sich dafür ausgesprochen, daß die Rechtsprechung sich bei entsprechender Gelegenheit der Auffassung des High Court of Australia anschließen sollte: „There is, after all, little essential difference for this purpose between a statement which is tortious because it is made fraudulently or negligently, and a statement which is tortious because it is defamatory. In both cases the gravamen of the complaint against the principal is that he has put his agent in a position where his statements gain credence from the very fact that he is an agent of that principal." 376 374
(1931) 46 CLR 41. S. 47 per Gavan Duffy, C.J., und Starke, J., Siehe auch Dixon, J., S. 48: „The independent contractor carries out his work, not as a representative but as a principal. But a difficulty arises when the function entrusted is that of representing the person who requests its performance in a transaction with others, so that the very service to be performed consists in standing in his place and assuming to act in his right and not in an independent capacity." 376 S. 113. 375
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Ergänzend ist hinzuzufügen, daß es dem Vertreter in Colonial Life Assurance Society Ltd v. Producers Assurance Co Ltd (zumindest vorläufig) gelungen war, Klienten des Konkurrenzunternehmens abzuwerben und zur Unterschrift eines neuen Vertragsvorschlages für seine Versicherungsgesellschaft zu bewegen. Die diffamierende Äußerung hätte sich daher ähnlich den bislang behandelten Anwendungsfällen in einem Rechtsgeschäft zugunsten des Beklagten äußern können. Damit läßt sich ein gemeinsamer Nenner für sämtliche bislang aufgeführten Konstellationen formulieren, in denen ein principal für das Unrecht seines agent haftet. Es ging jeweils um Erklärungen eines Vertreters, der in die Vermittlung oder den Abschluß von Rechtsgeschäften eingeschaltet war. Die Äußerungen erhielten ihre Bedeutung aufgrund der besonderen Stellung des Akteurs als Repräsentant des Hintermannes und waren geeignet, sich direkt oder indirekt in einem rechtlichen Resultat mit Bindungswirkung für und gegen den Vertretenen zu manifestieren. 377 Nicht mehr im Rahmen dieser Fallgruppe liegen daher Handlungen einer Person, die zur Verrichtung einer faktischen Tätigkeit angestellt ist und deren rechtswidriges Verhalten sich in einem physischen Schaden niederschlägt. 378
4. Grundfall II: Haftung des Kfz-Halters für den Fahrer Der zweite Grundfall, in dem allgemein eine Haftung des „principal" für das Verhalten eines „agent" befürwortet wird, hat mit dem Stellvertretungsrecht nichts zu tun: Wenn der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs im eigenen Interesse einer anderen Person die Benutzung seines Wagens gestattet hat und es unterwegs aus Unachtsamkeit zu einer Kollision gekommen ist, muß er für die enstandenen Schäden aufkommen. Während sich in Deutschland bei Verkehrsunfällen auf der Grundlage von § 7 StVG eine weitergehende Gefährdungshaftung ergibt, die an die Stellung des Halters eines Fahrzeugs und damit an die Verfügungsgewalt über einen Sachgegenstand anknüpft, geht man im englischen Recht von einem Anwendungsfall der Verantwortlichkeit für fremde Schuld aus, der unter die vicarious liability für agents eingeordnet wird. In der common law-Rechtsprechung gab es Tendenzen, die Einstandspflicht des Eigentümers in Abwendung von dieser dogmatischen Konstruktion auszudehnen, denen das House of Lords jedoch in 377 Siehe auch den Ansatz von Bowstead/Reynolds, Agency, 506: „It has therefore been suggested that a person should be liable in respect of all tortious statements, whether in deceit, negligence, defamation or injurious falsehood, made by his agent in the course of representing him, provided that the statement made was within a category which the agent had actual or apparent authority to make and it is this proposition which is tentatively formulated here." 378 Vgl. auch Atiyah, Vicarious Liability, 113.
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der Entscheidung Launchbury v. Morgans 3 7 9 einen Riegel vorgeschoben hat. 3 8 0 a) Historische Entwicklung Die Wurzeln der Haftung des Kfz-Halters gehen weit zurück und stammen aus einer Zeit, als Automobile noch nicht erfunden waren. Wie dargestellt, mußten unter der Herrschaft des Aktionensystems Klagen gegen den Geschäftsherrn wegen Delikten von Gehilfen auf die action on the case gestützt werden. 381 Für einen außenstehenden Dritten, der in einer Kollision Schäden erlitten hatte, konnte sich aus dieser Rechtslage ein Dilemma ergeben, wenn master und servant gemeinsam in einem Pferdewagen unterwegs waren. 3 8 2 Ging er gegen den Herrn im Wege der action on the case vor, unterlag er, wenn sich später herausstellte, daß dieser die Zügel vorübergehend selbst in die Hand genommen hatte, da bei direkten Verletzungen trespass der statthafte Rechtsbehelf war. 3 8 3 Umgekehrt konnte es zur Niederlage im Prozeß kommen, wenn der Kläger in der Annahme, der master sei persönlich gefahren, seinen Anspruch auf trespass gründete, in Wirklichkeit aber der servant die Kutsche gelenkt hatte. Die Gerichte halfen dem verletzten Dritten aus dieser Zwickmühle heraus, indem sie gegen einen Geschäftsherrn, der lediglich als Beifahrer im Wagen saß, auch die trespass-Klage mit der Begründung zuließen, daß er als Besitzer die Sachherrschaft über das Fahrzeug hatte und tatsächliche Kontrolle über den Steuerungsvorgang ausüben konnte. 3 8 4 Dieser Gedanke wurde später auf Parteien erstreckt, die nicht zueinander in einem Verhältnis von master und servant standen, sondern lediglich befreundet waren. 3 8 5 In der Entscheidung Wheatley v. Patrick aus dem Jahre 1837 formulierte Lord Abinger, C.B., in bezug auf den beklagten Mitfahrer: ,,[H]e is the party in possession: he is present, he has actual control, and he permits another person to drive." 3 8 6 . Da das damalige Haftungsrecht noch nicht von dem negligence-Gedanken dominiert war, konzentrierte sich die richterliche Untersuchung nicht auf die Ermittlung von Fahrlässigkeit, die im Wege der vicarious liability zuzurechnen war. Vielmehr wurde der Beifahrer aufgrund seiner physischen Sachherrschaft ohne weiteres als Mittäter („co-trespasser") angesehen. 387 379
[1973] AC 127. S. u., § 5 IV 4 b. 381 S. o., § 4 V 7. 382 Zum folgenden vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 125 f.; Brand, Die Aanspreeklikheid van die Motoreienaar, 1 ff. 383 S. o., § 4 III 2, sowie § 4 V 7. 384 Chandler v. Broughton (1832) 1 Cr. & M. 29. 385 Wheatley v. Patrick (1837) 2 M. & W. 650. 386 (1837) 2 M. & W. 650, 652. 380
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Nach einer längeren Entscheidungspause während der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurde die Problematik wieder in dem Privy Council-Urteil Samson v. Aitchison 3 8 8 von 1912 aufgegriffen. In der Zwischenzeit hatten sich im Hinblick auf die Beurteilung der Haftung des Eigentümers drei bedeutsame Entwicklungen ergeben. Zunächst waren im Rahmen des Personenverkehrs Pferdewagen durch Kraftfahrzeuge ersetzt worden. Damit verlor das Kriterium der physischen Kontrolle, das in Wheatley v. Patrick zur Anwendung gekommen war, an Bedeutung, da aufgrund der schnellen Geschwindigkeit von Automobilen ein tatsächlicher Eingriff in den Steuerungsvorgang durch den Beifahrer ein erhöhtes Unfallrisiko bedeutet hätte. 3 8 9 Nachdem das Aktionensystem abgeschafft worden war, ergab sich daneben eine Akzentverschiebung von den prozessualen Schwierigkeiten vergangener Tage auf die materiellrechtliche Frage, unter welchen Voraussetzungen sich eine strikte Haftung für die Nachlässigkeit einer anderen Person ergeben könne. Als dritte wichtige Veränderung hatte sich der control test, verstanden als Recht zur Erteilung von Anordnungen, als maßgebliches Kriterium für die Unterscheidung zwischen Gehilfen und unabhängigen Unternehmern und damit regelmäßig auch als konstitutives Merkmal für die Annahme von vicarious liability entwickelt. Der alte Gedankenstrang aus Entscheidungen wie Wheatley v. Patrick, daß die physische Kontrollmöglichkeit über den Steuerungsvorgang die Haftung des Wageneigentümers begründet, scheint zusammen mit der Regel, daß die Weisungsbefugnis über die Arbeit eines Gehilfen für die Haftung des Geschäftsherrn entscheidend ist, in Samson v. Atichison schließlich auf eigentümliche Weise zu einem neuen Prinzip verknüpft worden zu sein. Der Verkäufer eines Wagens hatte zusammen mit einer Kaufinteressentin eine Probefahrt unternommen. Nachdem er ihrem Sohn, der als Berater seiner Mutter miteingestiegen war, das Steuer überlassen hatte, verursachte dieser aus Fahrlässigkeit einen Unfall. Nach Auffassung der Privy Council mußte der Verkäufer für die entstandenen Schäden aufkommen, da er sein Kontrollrecht mit der Übergabe des Steuers nicht verloren hatte. Die Voraussetzungen einer Haftung wären damit unabhängig von den sonstigen Beziehungen zwischen den Parteien erfüllt gewesen: „And if the control of the car was not abandoned, then it is a matter of indifference whether Collins, while driving the car be styled the agent or the servant of the appellant in performing that particular act, since it is the retention of the control which the appellant would have in either case that makes him responsible for the negligence which caused the injury." 390 387
Atiyah, Vicarious Liability, 126. [1912] AC 844. 389 Brand, Die Aanspreeklikheid van die Motoreienaar, 4. 390 [1912] AC 844, 850. Daß der Begriff „control" im Sinne eines Kontroll rechts verstanden wurde, ergibt sich eindeutig aus einer längeren Passage der Vorinstanz, 388
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In der Literatur wurde dieser Ansatz mit der Begründung kritisiert, daß die korrekte Verwendung rechtlicher Konzepte niemals irrelevant sein könne. 3 9 1 Der unterschiedslose Gebrauch der einschlägigen Begriffe ist freilich, wie bereits mehrfach erwähnt, ein Phänomen, das in diesem Zusammenhang häufig anzutreffen ist. Mit Hilfe der dargestellten Argumentation konnte das Gericht den Anschein erwecken, daß die allgemeinen Grundsätze der vicarious liability herangezogen wurden, obwohl in Wirklichkeit der Grundstein für eine erhebliche Erweiterung der Haftung gelegt wurde, die über die Kategorien von agent und servant im damals verstandenen Sinne hinausging. Das Kontrollrecht über den Wagen wurde für sich genommen zum entscheidenden Haftungskriterium erhoben. In der Folge entfernte sich die Verantwortlichkeit auf dieser Grundlage von den Ursprüngen der spezifischen Fahrzeughaftung, wie sie etwa in Wheatley v. Patrick zum Ausdruck gekommen war, indem eine Weisungsbefugnis beispielsweise auch in Abwesenheit des Eigentümers angenommen wurde. 3 9 2 Als Konsequenz derartiger Erweiterungstendenzen verblaßte der control test bald zu einer bloßen Fiktion. 3 9 3 Gleichzeitig kristallisierte sich heraus, daß für die Verantwortlichkeit des Halters keine förmliche master und servant Beziehung mit dem Fahrer erforderlich war. Der eigenständige Charakter der neugeschaffenen Kfz-Eigentümerhaftung wurde damit offen anerkannt und für eine begriffliche Einordnung auf die agency Terminologie zurückgegriffen, die im Zusammenhang der vicarious liability noch keine festen Konturen erlangt hatte. 3 9 4
die mit Zustimmung zitiert wurde. Vgl. beispielsweise den folgenden Ausschnitt auf S. 849 f.: „When, however, as in the present case the owner being himself in actual possession of the equipage, simply hands over the reins or the wheel, he does not by so doing give up the possession of the equipage or his right of control of the way in which it is to be driven" (meine Hervorhebung). 391 Atiyah, Vicarious Liability, 127. 392 Parker v. Miller (1926) 42 TLR 408. 393 Atiyah, Vicarious Liability, 128. 394 Vgl. Du Parcq, L.J., in Hewitt v. Bonvin [1940] 1 KB 188, 194f.: ,,[0]n the evidence it is easier to suggest agency than service, and proof of agency is all that is required in order that the judgment which the respondent has secured may be retained. The driver of a car may not be the owner's servant, and the owner will be nevertheless liable for his negligent driving if it be proved that at the material time he had authority, express or implied, to drive on the owner's behalf. Such liability depends not on ownership, but on the delegation of a task or duty." Anders jedoch noch Lord Kinnon, L.J., in derselben Entscheidung auf S. 191: „If in this case the plaintiff is to make Bonvin the father liable for the damages he claims he must establish that the son was driving the car as the servant of his father, and in the course of his employment."
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b) Das moderne Recht Einen deutlichen Ausdruck hat dieser Standpunkt schließlich in der Entscheidung Ormrod v. Crossville Motor Services L t d 3 9 5 aus dem Jahre 1953 gefunden. Der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs hatte einem Freund gestattet, mit seinem Wagen von England nach Monte Carlo zu fahren, von wo aus sie zu einem gemeinsamen Urlaub in die Schweiz aufbrechen wollten. Als der Freund auf dem Weg nach Dover war, um nach Frankreich überzusetzen, wurde er aus Fahrlässigkeit in einen Unfall verwickelt. Denning, L.J., begründete die Haftung des Eigentümers (indem er das überkommene Kontrollkriterium ersetzte) damit, daß dieser ein besonderes Interesse an der Fahrt hatte und der Freund mit seiner Zustimmung den Wagen als sein Vertreter benutzt hatte. Unerheblich war dabei, daß der Fahrer nicht als servant im förmlichen Sinne angestellt war: „It has often been supposed that the owner of a vehicle is only liable for the negligence of the driver if that driver is his servant acting in the course of his employment. But that is not correct. The owner is also liable if the driver is his agent, that is to say, if the driver is, with the owner's consent, driving the car on the owner's business or for the owner's purposes ... The law puts an especial responsibility on the owner of a vehicle who allows it out on to the road in charge of someone else, no matter whether it is his servant, his friend, or anyone else. If it is being used wholly or partly on the owner's business or for the owner's purposes, then the owner is liable for any negligence on the part of the driver. The owner only escapes liability when he lends it out or hires it out to a third person to be used for purposes in which he has no concern." 396 Die Haftung des Eigentümers setzt daher voraus, daß der Fahrer mit seinem Einverständnis und in seinem Interesse den Wagen benutzt hat. Da die Parteien im Anschluß einen gemeinsamen Urlaub geplant hatten, waren diese Anforderungen erfüllt. Zwanzig Jahre später erhielt Lord Denning in Launchbury v. Morgans 3 9 7 erneut Gelegenheit zu einem Versuch, die Verantwortlichkeit des KfzEigentümers weiter auszudehnen und in Loslösung von dem agency-Gedanken einer strikten Sachhaftung für Automobile anzunähern. Ein Ehemann benutzte häufig den Wagen seiner Frau, um nach der Arbeit mit Bekannten auszugehen. Für den Fall, daß er aufgrund von Alkoholkonsum fahruntüchtig sein sollte, hatte er ihr bei einer früheren Gelegenheit versprochen, sich von einem Freund nach Hause bringen zu lassen oder sie anzurufen, um abgeholt zu werden. Als er nach einer Kneipentour eines Abends zuviel getrunken hatte, bat er einen seiner Gefährten, das Steuer zu übernehmen. 395 396 397
[1953] 1 WLR 1120. S. 1122. [1971] 2 QB 245, 255; [1973] AC 127.
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Auf dem Weg kam es durch zu schnelles Fahren zu einem schweren Unfall. Nach Auffassung des Court of Appeal konnte der Ehemann in einer solchen Situation zunächst selbst ersatzpflichtig werden, obwohl ihm der Wagen nicht persönlich gehörte, da er den wirtschaftlichen Nutzen des Fahrzeugs mit seiner Frau teilte. Ähnlich wie im Rahmen des Halterbegriffs in § 7 StVG sind daher die förmlichen Eigentumsverhältnisse für die Begründung der vicarious liability nicht unbedingt entscheidend. 398 Im Zentrum der Fragestellung stand jedoch die Haftung der Ehefrau. Nach Lord Denning, M . R . 3 9 9 , war auch sie zum Schadensersatz verpflichtet, denn: „The owner or hirer is at common law responsible for all injury or damage done by his permitted driver in the negligent driving of the c a r . " 4 0 0 Allein die Erlaubnis zur Benutzung des Fahrzeugs sollte daher für die Begründung der Einstandspflicht ausreichen. Motiv für die Ausdehnung der Verantwortlichkeit war die Überlegung, daß der Eigentümer seinen Wagen regelmäßig versichert hat und auf diese Weise die Entschädigung von Unfallopfern gewährleistet ist. 4 0 1 Ein neues Prinzip wäre damit geboren worden, wenn es bei der Entscheidung geblieben wäre. Das House of Lords hob das Urteil jedoch auf, da nach common law der Fahrer den Wagen zum Nutzen des Halters verwenden mußte, um zur Annahme einer Haftung zu gelangen („for the owner's purposes, under delegation of a task or duty" 4 0 2 ). Das allgemeine Interesse des Eigentümers an der Unversehrtheit des Fahrzeugs, ebenso wie die grundsätzliche Sorge einer Ehefrau um die Sicherheit ihres Mannes waren in dieser Hinsicht nicht ausreichend. Die Law Lords beließen es freilich nicht bei der Diskussion der bestehenden Rechtslage, sondern diskutierten mögliche Ansätze für eine Ausdehnung der Verantwortlichkeit auf alle Familienmitglieder des Halters, auf den Ehepartner oder auf sämtliche Personen, denen die Benutzung des Wagens gestattet war. „The choice is one of social policy", wie Lord Wilberforce herausstellte. 403 Obwohl der weitgehende Ansatz von Denning, M.R., aus rechtspolitischen Erwägungen, namentlich aufgrund der großen Anzahl von Verkehrsunfällen, den Zuspruch der Richter fand, weigerten sie sich in einem bemerkenswerten Akt des „judicial self-restraint", selbst eine entsprechende Ausdehnung vorzunehmen, die aufgrund der weitreichenden Konsequenzen dem Parlament vorzubehalten sei. In den Worten von Lord Pearson: 398
Die Verantwortlichkeit trifft etwa auch einen Leasingnehmer („hirer-purchaser"), vgl. Lord Wilberforce [1973] AC 127, 136. 399 Nicht mehr Denning, L.J., sondern Denning, M.R.: Master of the Rolls. 400 [1971] 2 QB 245, 255. 401 Vgl. S. 255. 402 [1973] AC 127, 135 per Lord Wilberforce. 403 S. 137.
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„It seems to me that these innovations, whether or not they may be desirable, are not suitable to be introduced by judicial decision. They raise difficult questions of policy, as well as involving the introduction of new legal principles rather than extension of some principle already recognised and operating. The questions of policy need consideration by the government and Parliament, using the resources at their command for making wide inquiries and gathering evidence and opinions as to the practical effects of the proposed innovations ... Any extension of car owner's liability ought to be accompanied by an extension of effective insurance cover." 404 Eine isolierte Änderung der vicarious liability des Halters durch die Rechtsprechung sei aufgrund der engen Verbindung von deliktischer Einstandspflicht und Versicherungswesen unverantwortlich. Aus diesem Grund sei die Entscheidung nach den überkommenen Grundsätzen des law of torts auszurichten. Besonderer Hervorhebung bedarf dabei die Ansicht der Richter, daß die Frage, ob der konkrete Beklagte für den Haftungsfall eine Versicherung abgeschlossen hatte, aus der rechtlichen Bewertung herauszuhalten sei: ,,[T]he question whether she is liable to the plaintiffs cannot in any way be affected by whether or not her liability would be covered by insurance. 4 ' 405 Dies ist unter dem Gesichtspunkt bemerkenswert, daß sich nach ganz herrschender Auffassung der englischen Literatur die Grundsätze der vicarious liability in moderner Zeit aus der Möglichkeit effektiver Schadensverteilung über den Weg einer Versicherung rechtfertigen. Offensichtlich scheinen daher die prinzipiellen rechtspolitischen Argumente, aus denen sich die Gesamtstruktur eines Haftungssystems erklärt, für die Entscheidung eines Einzelfalls nur von geringer Bedeutung zu sein. 4 0 6 Davon abgesehen ist für den vorliegenden Zusammenhang freilich die Erkenntnis wichtig, daß die Regeln des tort law nur einen Ausschnitt eines umfassenderen Schadensersatzgefüges darstellen. Seit dem Road Traffic Act von 1930 trifft den Eigentümer eines Kraftfahrzeugs eine Versicherungspflicht im Hinblick auf Körperverletzungen außenstehender Personen, die später auf Einbußen von Passagieren und schließlich auch auf Sachschäden ausgedehnt wurde. 4 0 7 Sofern der Wagen einer unversicherten Person überlassen wurde, muß der Halter nach der Entscheidung Monk v. Warbey 4 0 8 wegen „breach of statutory d u t y " 4 0 9 aus eigener Tasche für die entstandenen Nach404
S. 142 f. Per Lord Salmon auf S. 147. Vgl. auch Viscount Dilhorne auf S. 138: „[WJhether or not she insured against such claims is irrelevant to the question whether she is vicariously liable." Siehe ferner Viscount Simonds in der House of Lords Entscheidung Davie v. New Merton Board Mills Ltd [1959] AC 604, 626 f. 406 Hierzu siehe auch unten, § 6 V 1 b ff (2), sowie § 6 V 1 d bb (2). 407 Zum Versicherungssystem i.e. vgl. Weir, Casebook on Torts, 325f. 408 [1935] 1 KB 75. 409 Vgl. section 35 des „Road Traffic Act" von 1930 sowie die moderne Version in section 143 Road Traffic Act 1988. 405
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teile aufkommen, wenn der Fahrer nicht zahlungsfähig ist. Als letzte Möglichkeit kann sich ein Unfallopfer an das eigens geschaffene „Motor Insurers' Bureau" wenden, das eine Haftung bei Fehlen des vorgeschriebenen Versicherungsschutzes unter Umständen übernimmt. 4 1 0 Für die Untersuchung der vicarious liability bleibt festzuhalten, daß das Fahrzeug von dem Unfallverursacher mit Erlaubnis und im Interesse des Halters benutzt worden sein muß, um dessen Verantwortlichkeit zu begründen. Mangels funktionalen Zusammenhangs kann eine Einstandspflicht gegebenenfalls ausscheiden, wenn der Fahrer unterwegs aus persönlichen Motiven von einer vereinbarten Route abweicht. 411 Systematisch wird diese Haftungskategorie unter den Begriff der agency eingeordnet, ohne daß sich daraus Konsequenzen für die Ausgestaltung der einschlägigen Regeln ergeben würden. 4 1 2 c) Ansätze einer Erweiterung In den richterlichen Äußerungen der vorstehend behandelten Urteile finden sich einige Anzeichen dafür, daß es sich bei der Verantwortlichkeit des Kfz-Halters lediglich um den Anwendungsfall eines weitergehenden Prinzips handelt, wonach ein Eigentümer beweglicher Sachen für deren schadenstiftende Verwendung durch andere Personen, die aufgrund seiner Erlaubnis und in seinem Interesse erfolgte, aufkommen müsse. 413 Diese Andeutungen haben in der Literatur zur Formulierung einer besonderen Haftungsgruppe Anlaß gegeben, in der „a defendant may be vicariously liable when he lends his chattel (usually his car) to another and that other by his negligence in the use of the chattel causes injury to the plaintiff." 4 1 4 Da eine Schadensgefahr aus menschlichem Handeln regelmäßig nur beim Einsatz von Sachgegenständen resultieren kann, würde die Annahme eines solchen Grundsatzes ein großes Potential zur Ausdehnung der vicarious liability einschließen. Obwohl die Erweiterung auf den ersten Blick konse410 Siehe zum Motor Insurers' Bureau Cane/Atiyah, Accidents, Compensation and the Law, 212 ff. 4.1 Vgl. Atiyah, Vicarious Liability, 129ff. 4.2 Siehe auch Lord Wilberforce [1973] AC 127, 135: „I accept that ,agency' in contexts such as these is merely a concept, the meaning and purpose of which is to say ,is vicariously liable."' In prozessualer Hinsicht ist zu beachten, daß das Eigentum an dem Wagen als prima facie Beweis für ein agency-Verhältnis zu dem Fahrer angesehen wird, dazu Fleming, Torts, 387. 4.3 Vgl. etwa Singleton, L.J., in Ormrod v. Crosville Motor Services Ltd [1953] 1 WLR 1120, 1122; ferner Launchbury v. Morgans [1973] AC 127, 138, 144, 145. 4.4 Clerk/Lindsell, Torts, 3-49. Vgl. auch 3-50: „To be liable, the defendant must retain both a right to control the use of the chattel and must have an interest in the purpose for which it is used."
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quent wirken mag, rechtfertigt sich eine Beschränkung auf Kraftfahrzeuge rechtspolitisch aufgrund der Häufigkeit von Verkehrsunfällen. 415 In der Rechtsprechung scheint diesem dogmatischen Ansatz trotz der weitreichenden Grundkonzeption bislang nur wenig praktische Bedeutung zugekommen zu sein. Ein seltenes Beispiel ist der Fall Thelma (Owners) v. University College School 4 1 6 , in dem der Steuermann eines Schulruderbootes durch fahrlässiges Lenken Schäden verursacht hatte. Nach Auffassung des Gerichts war er als agent des Schulbeirats anzusehen, dem das Wasserfahrzeug gehörte. Das für die Verantwortlichkeit erforderliche Interesse wurde damit begründet, daß das Ruderboot zum Training benötigt wurde und bei einer erfolgreichen Turnierteilnahme zur Erhöhung des Prestiges der Schule beitragen würde. 4 1 7 Die Entscheidung verdeutlicht, wie die Annahme von vicarious liability für agents ohne besondere Begründungsschwierigkeiten zu einer Ausdehnung strikter Haftung für fremde Schuld führen kann. 4 1 8 Sieht man von diesem Urteil einmal ab, hat sich eine allgemeine vicarious liability-Kategorie für die Verwendung fremder beweglicher Güter im Interesse des Eigentümers noch nicht durchgesetzt.
5. Haftung von Partnern Die Grundsätze der agency haben eine besondere Ausprägung im Rahmen des englischen „partnership law" erfahren. Eine partnership ist ein Zusammenschluß mehrerer Personen zur Ausübung eines gemeinsamen Geschäfts mit der Absicht zur Gewinnerzielung. 419 Anders als eine company hat die partnership keine eigene Rechtspersönlichkeit. Gegenüber außenstehenden Dritten sind die einzelnen Partner als agents der Firma anzusehen. 420 Die Problematik der vicarious liability für das Verhalten 415
Vgl. zu diesem Argument Lord Wilberforce in Launchbury v. Morgans [1973] AC 127, 136: „I have no doubt that the multiplication of motor cars on our roads, their increasing speed, the severity of the injuries they may cause, the rise in accidents involving innocent persons, give rise to problems of increasing social difficulty." 416 [1953] 2 Lloyd's Rep 613. 4,7 Siehe zu dem Urteil auch Atiyah, Vicarious Liability, 103 f. 418 Ein jüngeres Beispiel für eine ad hoc Erweiterung der vicarious liability ist der Fall League Against Cruel Sports Ltd v. Scott [1986] 1 QB 240, in dem der Leiter einer Jagd im Rahmen einer Unterlassungsklage für das Verhalten der Jagdteilnehmer verantwortlich gehalten wurde. Die Entscheidung wurde auf das Kontrollkriterium gestützt. Vicarious liability einer Muttergesellschaft im Hinblick auf eine Tochtergesellschaft dürfte nach allgemeinen Grundsätzen ausscheiden, vgl. Muchlinski, The Bhopal Case, 50 MLR (1987), 545, 568 ff. Zum Vergleich beachte jedoch BGH ZIP 1989, 830. 419 Vgl. section 1 (1) des Partnership Act 1890. 420 Section 5 des Partnership Act 1890. 20 Wicke
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eines Sozius ist zum Ausgang des vergangenen Jahrhunderts jedoch in einer selbständigen gesetzlichen Vorschrift geregelt worden und von den allgemeinen Rechtsunsicherheiten der Haftung für agents daher nicht betroffen. Section 10 des „Partnership Act" 1890 bestimmt: „Where, by any wrongful act or omission of any partner acting in the ordinary course of the business of the firm, or with the authority of his co-partners, loss or injury is caused to any person not being a partner in the firm, or any penalty is incurred, the firm is liable therefor to the same extent as the partner so acting or • · tt421 omitting to act. Demnach sind Partner für Delikte ihrer „co-partners" in Ausübung der gewöhnlichen Firmengeschäfte verantwortlich („in the ordinary course of the business of the firm"). Es handelt sich daher um einen weiteren Anwendungsfall funktional begrenzter Haftung für fremde Schuld. 4 2 2 Nach der Auffassung von Winn, J., in Meekins v. Henson 4 2 3 stellt section 10 des Partnership Act 1890 den Partner in dieser Hinsicht mit einem employer oder principal auf eine Ebene. In der Rechtsprechung scheint die Verantwortlichkeit für Partner zu keinen besonderen Schwierigkeiten Anlaß gegeben zu haben, wie die geringe Anzahl einschlägiger Urteile vermuten
läßt 4 2 4
6. Zusammenfassung Mit der Unterscheidung zwischen employees und independent contractors sind nicht alle Personengruppen erfaßt, für die sich vicarious liability ergeben kann. Unter bestimmten Umständen ist darüber hinaus ein principal für Delikte verantwortlich, die sein agent „in the scope of his authority" verübt. Über den Umfang dieser Haftungskategorie sind die unterschiedlichsten Auffassungen vertreten worden. Sprachlich kann ein agent jede Person sein, die auf Anweisung eines anderen hin tätig wird, und daher Gehilfen ebenso wie unabhängige Unternehmer umfassen. Die Begriffe müssen im Kontext der vicarious liability jedoch eine spezifische Bedeutung haben, da ansonsten die etablierte employee /independent contractor-Dichotomie im 421 Eine besondere Regelung findet sich in section 11 für falsche Verwendung von Geld oder Eigentum Dritter durch einen Partner oder die Firma. 422 Vgl. allgemein Lindley/Banks, Partnership, 277 ff. 423 [1964] 1 QB 472. 424 Zur Ratio im Hinblick auf die Haftung von Partnern vgl. Collins, M.R., in Hamlyn v. John Houston & Co [1903] 1 KB 81, 85f.: ,,[T]he principal having delegated the performance of a certain class of acts to the agent, it is not unjust that he, being the person who has appointed the agent, and who will have the benefit of his efforts if successful, should bear the risk of his exceeding his authority in matters incidental to the doing of the acts the performance of which has been delegated to him."
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Gewand der agency wieder aufgehoben würde. Nach herrschender Meinung gibt es zwei Grundtatbestände, in denen eine entsprechende Verantwortlichkeit anzuerkennen ist und die als Diskussionsbasis für Erweiterungen der Haftung im Einzelfall herangezogen werden. Zum einen ist ein principal für arglistige Täuschungen verantwortlich, die ein agent im technischen Sinne des Stellvertretungsrechts in Ausübung der Vertretungsmacht verübt. Eine Ausdehnung dieser Fallgruppe wird erörtert für fahrlässig falsche Aussagen eines Stellvertreters, für fehlerhafte Mitteilungen von Personen, die zur bloßen Vermittlung von Rechtsgeschäften angestellt sind, sowie für diffamierende Äußerungen. In sämtlichen Fällen geht es jedoch um Erklärungen eines agent in Vorbereitung oder beim Abschluß von juristisch relevanten Akten, die ihre Bedeutung aufgrund der besonderen Stellung des Akteurs als Repräsentant eines Hintermannes erhalten und geeignet sind, sich (mittelbar oder unmittelbar) in einem rechtlichen Erfolg mit Bindungskraft für oder gegen den Vertretenen zu manifestieren. Zum anderen muß ein Kfz-Halter, der seinen Wagen im eigenen Interesse einem anderen übergeben hat, für schuldhaft verursachte Unfälle des Fahrers aufkommen. In der Rechtsprechung gab es Tendenzen, diese Einstandspflicht ähnlich der deutschen Regelung in § 7 StVG im Sinne einer strikten Sachhaftung auszudehnen, wofür nach einem Urteil des House of Lords aufgrund der engen Verknüpfung von Haftungsrecht und Versicherungswesen jedoch ein parlamentarisches Gesetz erforderlich wäre. Ungeklärt ist die Frage, ob sich dieser Tatbestand auch auf andere Gegenstände als Kraftfahrzeuge erstreckt, die mit Erlaubnis und im Interesse des Eigentümers einem anderen überlassen werden. Für eine Beschränkung auf Automobile spricht die Häufigkeit des Schadensrisikos. Ein weiterer Unterfall der Haftung für agents hat durch den Gesetzgeber eine klare Regelung erfahren und ist von der im übrigen vorherrschenden Rechtsunsicherheit nicht betroffen: Aufgrund des Partnership Act 1890 ist ein Partner für Delikte verantwortlich, die sein Sozius in Ausübung der gewöhnlichen Firmengeschäfte verübt.
V. Rechtfertigung einer alten Lehre in moderner Zeit Von der Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB unterscheidet sich die vicarious liability ihrer Grundkonzeption nach in einem wesentlichen Gesichtspunkt: Der employer oder principal wird unabhängig von eigenem Verschulden zum Schadensersatz verpflichtet. 425 Betrachtet man die Problematik isoliert von ihrem sozialen Kontext, scheint das englische Recht auf den ersten Blick zu ungerechten Ergebnissen zu führen: A muß Β gegenüber dafür aufkommen, daß C den Β geschädigt
425
20*
Siehe bereits oben, § 1 III.
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hat. 4 2 6 Obgleich die Berechtigung der vicarious liability von den Gerichten selbst in der Blütezeit des Liberalismus im 19. Jahrhundert nicht ernsthaft bezweifelt wurde, hat die Frage nach ihrer Legitimation in Rechtsprechung und Literatur bis zum heutigen Tag Diskussionen hervorgerufen. Zum Abschluß der Untersuchung sollen in diesem Abschnitt daher die wichtigsten Argumente, die im Laufe der Zeit für die Lehre vorgebracht wurden, im Zusammenhang erörtert werden.
1. Respondeat superior und qui facit per alium, facit per se Von hartnäckiger Lebensdauer sind zunächst zwei lateinische Maximen, die seit den frühesten Entscheidungen immer wieder zur Erklärung der Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn angeführt wurden: „Respondeat superior" und „qui facit per alium, facit per se." 4 2 7 In der House of Lords-Entscheidung Staveley Iron and Chemical Co Ltd v. Jones von 1956 formulierte Lord Reid mit Bezug auf die beiden Grundsätze: „The former merely states the rule badly in two words, and the latter merely gives a fictional explanation of i t . " 4 2 8 Wenn die beiden Formeln später erneut bis in die höchsten richterlichen Entscheidungen vordringen konnten 4 2 9 , läßt sich dies vor allem auf die suggestive Kraft lateinischer Maximen zurückführen. Die Verwendung der beiden ausdruckskräftigen Leitsätze darf freilich nicht über den allgemein anerkannten Umstand hinwegtäuschen, daß sich die Lehre von der vicarious liability nicht logisch aus einem Rechtsprinzip ableiten läßt, sondern das Ergebnis sozialpolitischer Erwägungen ist: „The doctrine of vicarious liability has not grown from any very clear, logical or legal principle but from social convenience and rough justice", so eine Äußerung von Lord Pearce. 430 Wie sich im folgenden zeigen wird, ist die Rechtfertigung darüber hinaus nicht in einem einzelnen Gesichtspunkt, sondern in einer Reihe unterschiedlicher rechtspolitischer Erwägungen zu suchen, deren Kombination allein sämtliche Facetten der Haftung zu begründen vermag.
426
Vgl. Cunningham, Respondeat Superior in Admiralty, 19 Harvard Law Review (1906), 445: „That there could hardly be greater injustice than to take away A*s property and give it to Β because C has injured Β seems clear, yet that is the result of the maxim respondeat superior." 427 Dazu s. ο., § 4 I bzw. § 2 II 4 b cc. 428 [1956] AC 627, 643. Vgl. auch beispielsweise Winfield/Jolowicz, Tort, 622. 429 Siehe vor allem die Äußerungen der Law Lords in Launchbury v. Morgans [1973] AC 127. Vgl. auch beispielsweise Fleming, Torts, 370. 430 Vgl. Imperial Chemical Industries Ltd v. Shatwell [1965] AC 656, 685.
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2. Culpa in eligendo und Beweisfragen Wenig Überzeugungskraft kommt aus moderner Sicht der in der Rechtsprechung wiederholt vertretenen Auffassung zu, daß die Haftung des Geschäftsherrn sich aus der Möglichkeit zur Auswahl zuverlässiger Gehilfen erklärt. 4 3 1 Da die Einstandspflicht unabhängig von persönlichem Verschulden auferlegt wird, läuft die Annahme von culpa in eligendo regelmäßig auf eine Fiktion heraus. Ein Grund für die Auferlegung strikter Verantwortlichkeit kann demgegenüber darin gesehen werden, daß der Kläger bei einer Fahrlässigkeitshaftung aus Beweisgründen im Prozeß regelmäßig unterliegen würde. Soweit für die Entlastung des Geschäftsherrn Zeugenaussagen von Angestellten erforderlich wären, könnten sich selbst bei einer Umkehr der Beweislast aus Loyalitätsgründen Verzerrungen der Wirklichkeit ergeben. 432
3. Kontrolle und Unfallverhütung Nicht durchgesetzt hat sich ferner der Ansatz, daß der Grund der Verantwortlichkeit in der Kontrolle des Haftenden über das Verhalten des Delinquenten liegt: 4 3 3 Da die Weisungsbefugnis des Geschäftsherrn von der heutigen Rechtsprechung weder als notwendige noch als hinreichende Voraussetzung seiner Einstandspflicht angesehen wird, kann sich hieraus auch nur in beschränktem Umfang eine Rechtfertigung ergeben. In engem Zusammenhang mit dem Kontrollkriterium steht jedoch ein anderer Aspekt, der in der modernen Literatur Unterstützung findet 4 3 4 : Wer die Organisationsgewalt über einen Arbeitsablauf besitzt, ist regelmäßig am besten in der Lage, Unfallverhütung zu betreiben, und kann durch die Androhung von Scha431
Siehe noch in Mersey Docks & Harbour Board v. Coggins & Griffith Ltd [1947] AC 1,18: „If the question is where that responsibility should lie, the answer should surely point to that master in whose act some degree of fault, though remote, may be found ... If an accident then occurred through his [the servant's] negligence, that was because they had chosen him for the task, and they cannot escape liability by saying that they were careful in their choice." 432 Siehe Williams, Vicarious Liability and the Master's Indemnity, 20 MLR (1957) 437, 438. Die Haftung des employer kann auch dann über Beweisschwierigkeiten hinwegführen, wenn feststeht, daß irgendein Angestellter des Geschäftsherrn den Schaden schuldhaft verursacht hat, aber nicht sicher ist, welcher, wie es in Cassidy v. Minister of Health [1951] 2 KB 343 der Fall war. Zur Lösung dieses Problems bedarf es freilich nicht der Annahme einer strikten Haftung, da auch über § 831 BGB der Geschäftsherr (bei fehlender Exkulpation) in einer solchen Situation zum Ersatz verpflichtet wäre. 433 Siehe dazu noch Denning, L.J., in Cassidy v. Ministry of Health [1951] 2 KB 343, 360. 434 Vgl. beispielsweise Jones, Torts, 327; Fleming, Torts, 367.
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densersatzhaftung zur Ergreifung präventiver Maßnahmen motiviert werden. Zwar ist ein Unternehmer regelmäßig gegen das Haftungsrisiko versichert und kann die gezahlten Prämien möglicherweise sogar von den Steuern absetzen. 435 Bei einer großen Schadenshäufigkeit muß er aber mit einer Erhöhung der Prämien oder des Selbstbehalts, mit einer Kündigung seines Versicherungsvertrages oder damit rechnen, daß durch einen Prozeß die Mängel seiner Produktionsleitung offenkundig werden und die Reputation seiner Firma daher Schaden n i m m t . 4 3 6 In Ergänzung zu straf- und verwaltungsrechtlichen Sanktionen hat daher möglicherweise auch die Auferlegung von vicarious liability unfallverhütende Wirkung.
4. Risiko und Vorteil Unter dem Blickwinkel von Gerechtigkeitserwägungen findet die strikte Verantwortlichkeit für fremdes Handeln eine gewisse Grundlage in den Gesichtspunkten von Risiko und Vorteil. 4 3 7 Ein Geschäftsherr gewinnt durch die Anstellung von Gehilfen einen größeren Aktionsradius, erhöht aber gleichzeitig die Möglichkeit schädigender Eingriffe in Rechtskreise anderer Personen. Als Kehrseite des Ertrags, den er grundsätzlich aus der Arbeitsteilung zieht, muß er für die Nachteile aufkommen, die für Unbeteiligte aus der erhöhten Gefahr resultieren: „Qui sentit commodum debet sentire et onus." 4 3 8 Die Aussicht auf Gewinnerzielung ist ein uneingeschränkt wichtiger Faktor für die Rechtfertigung der Haftung von Partnern, da ihr Zusammenschluß begrifflich auf die Erlangung von Profit ausgelegt sein muß. 4 3 9 In bestimmten Fällen kann sich jedoch eine vicarious liability für employees ergeben, obwohl wirtschaftliche Einnahmen nicht das primäre Ziel der Aktivitäten des Geschäftsherrn sind, wie beispielsweise die Verantwortlichkeit der Krone, der Krankenhäuser und die Einstandspflicht von privaten Arbeitgebern für ihre Hausangestellten zeigen. Die Arbeitsteilung läßt sich in derartigen Situationen lediglich auf ein immaterielles Interesse im weiteren Sinne zurückführen. Der Risikogedanke scheint demgegenüber in sämtlichen vicarious liability-Konstellationen relevant zu sein. Durch die Anstellung anderer Personen setzt der employer eigenverantwortlich einen 435
Dazu sogleich. 436 Allgemein zum Verhältnis von Unfallverhütung und Versicherung siehe etwa Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 687ff.; Schwartz, Reality in the Economic Analysis of Tort Law: Does Tort Law Really Deter?, 42 UCLA LRev (1994), 377 ff.; Cane/Atiyah, Accidents, Compensation and the Law, Chapter 25. 437 Siehe bereits oben, § 1 I. Kritisch mittlerweile Atiyah, Thinking the Unthinkable, 16 f. 438 Vgl. schon Lord Brougham in Duncan v. Findlater (1839) 6 Cl. & F. 894, 909 f., s. o. 439 S. o., § 5 IV 5.
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Vorgang in Bewegung, der Gefahren für außenstehende Dritten in sich birgt. Die Gesellschaft toleriert das erhöhte Schadenspotential aufgrund seiner grundsätzlichen Gemeinnützigkeit, antwortet jedoch im Falle seiner Realisierung mit der Auferlegung von Haftung. 4 4 0 Der Nachteil des Risikogedankens liegt freilich in seiner Unbestimmtheit: Durch die Anstellung eines unabhängigen Unternehmers wird ebenfalls eine Gefahr geschaffen, ohne daß sich daran regelmäßig eine Haftung anschließt. Unbeantwortet bleibt zudem die Frage, warum der unmittelbare Delinquent ein tort verwirklicht haben muß, um die Verantwortlichkeit des employer oder principal zu begründen: Das Risiko schuldlos verursachter Nachteile für Unbeteiligte wird durch die Arbeitsteilung ebenso gesteigert. Der Gesichtspunkt der Gefahrerhöhung wird schließlich auch zur Begründung von § 831 BGB herangezogen und scheint daher eine Auferlegung strikter Haftung für fremdes Verhalten nicht zwingend zu erfordern. 441 Wie ausführlich noch im Rahmen des südafrikanischen Rechts zu zeigen sein wird, gewährleistet das Risikoprinzip eine gewisse moralische Rechtfertigung der vicarious liability, ist aber ungeeignet, die rechtlichen Voraussetzungen im einzelnen zu erklären.
5. Deep pocket und loss distribution Nach dem „deep pocket principle" ist der Geschäftsherr zum Ersatz verpflichtet, da er anders als seine Angestellten die erforderlichen finanziellen Mittel hat, um für die Schäden aufzukommen. 442 Es leuchtet unmittelbar 440 Vgl. auch von Bar, Gemeineuropäisches Haftungsrecht, 190 im Hinblick auf die streng ausgestalteten kontinentaleuropäischen Haftungsregimes: „Ihre Rechtfertigung bezieht diese objëktive (oder ,indirekte4) Haftung im Kern aus dem Gedanken, daß das mit der Delegation von Arbeit verbundene Risiko bei demjenigen verbleiben müsse, der sie im eigenen Interesse veranlaßt hat. Daß, wer Arbeitsplätze schafft, natürlich nicht nur seine Interessen verfolgt (andernfalls würden ihn weder der Staat subventionieren noch die Gewerkschaften dahin drängen), ändert an dem Prinzip ebenso wenig wie der Umstand, daß es in einer Vielzahl von Situationen geradezu die (Organisations-)P/7/c/ii gibt, sich selber jeder Tätigkeit zu enthalten und statt dessen einen Spezialisten mit der Gefahrsteuerung zu betrauen. Denn die entsprechenden Rahmenbedingungen (deliktsrechtlich gesprochen: die entsprechenden Gefahrenquellen) schafft oder übernimmt eben gewöhnlich nur der, für den wirtschaftlich auch dann noch die Gesamtrechnung stimmt. Auf im Tatsächlichen anders liegende Ausnahmen im Einzelfall kommt es bei einer solch generalisierenden Betrachtungsweise ebenso wenig an wie auf den für die verschuldensgebundenen Systeme der Arbeitgeberhaftung gleichermaßen zentralen wie notleidend gewordenen Gedanken des Auswahlverschuldens: Tagtäglich setzt eine soziale Wirtschaftspolitik heute schließlich alles daran, auch die Leistungsschwachen von der Straße zu holen und in Arbeit zu bringen.44 441 Vgl. etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II 476. 442 Siehe beispielsweise Willes, J., in Limpus v. London Omnibus Company (1862) 1 H. & C. 526, 539. Der Begriff „deepest pocket44 scheint zum ersten Mal
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ein, daß Wohlstand für sich genommen kein Argument für die Zurechnung deliktischer Haftung sein kann (im Gegensatz etwa zur Festlegung von Steuern). 443 Ebenso sicher erscheint es jedoch, daß sich die Lehre von der vicarious liability in moderner Zeit niemals durchgesetzt hätte, wenn nicht in der ökonomischen Realität employers gewöhnlich vermögender wären als employees. Ein normaler Angestellter ist in der Praxis nicht in der Lage, einen höheren Schadensbetrag aus eigener Tasche zu ersetzen, so daß jeder noch so gerecht erscheinende Anspruch ohne die zusätzliche Haftung des Geschäftsherrn wirtschaftlich vollkommen wertlos wäre. In der modernen Literatur ist der deep pocket Grundsatz, eingekleidet in ein anderes Gewand, zu neuem Leben erweckt worden und in verfeinerter Form zu einem wichtigen Begründungsfaktor avanciert 444 : Der Arbeitgeber ist im Regelfall keine natürliche Person, sondern ein Unternehmen, das gegen die Haftung versichert ist. Die Versicherungsprämien gehören zu den laufenden Produktionskosten, die wiederum nicht ein einzelner bezahlen muß, sondern die sich auf eine größere Gemeinschaft über einen längeren Zeitraum verteilen lassen: Intern auf den Mitarbeiterstab (in Gestalt niedrigerer Einkommen) und auf die Aktionäre (in Form verringerter Dividenden), sowie extern auf die Kunden durch Festlegung höherer Preise der angebotenen Güter und Dienstleistungen. Auf diese Weise tragen sämtliche Personen, die als Hersteller oder Abnehmer ein Interesse an dem Produktionsprozeß haben, einen kaum sichtbaren Anteil an den Kosten der Einstandspflicht. 445 Gleichzeitig befindet die Gesellschaft im Rahmen von Kaufentscheidungen darüber, ob sie einen angebotenen Gegenstand als so wichtig und nützlich ansieht, daß sie den mit seiner Herstellung verbundenen Unfallaufwand, der sich im Preis niederschlägt, zu tragen bereit i s t . 4 4 6 Das law of torts übernimmt in Ergänzung seiner klassischen Aufgabe, die Willensfreiheiten selbständiger Individuen in einen gerechten Ausgleich zu bringen, insofern gleichsam eine ökonomische Verteilerfunktion, die eine von Baty, Vicarious Liability, 154, verwandt worden zu sein, vgl. auch Fleming, Torts, 367. 443 Vgl. auch Williams, Vicarious Liability and the Master's Indemnity, 20 MLR (1957), 220, 232: ,,[T]here is the purely cynical theory that the master is liable because he has a purse worth opening. The master is frequently rich, and he is usually insured - two arguments that might be used by any burglar, if he ever troubled to justify his theft." 444 Vgl. dazu die klassischen Abhandlungen von Williams, Vicarious Liability and the Master's Indemnity, 20 MLR (1957), 437, 440ff.; Atiyah, Vicarious Liability, 22ff.; ferner Smith, Frolic and Detour, 23 Columbia Law Review (1923), 444, 716; Douglas, Vicarious Liability and Administration of Risk, 38 Yale Law Journal (1929), 584, 720. 445 Entsprechend trägt für Autounfälle die Gemeinschaft der Kfz-Halter die Kosten der Schäden. 446 Siehe auch Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 649.
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moderne Art kollektiver Verantwortlichkeit zum Ergebnis hat und zu einer Akzentverschiebung im Rahmen der Vorstellungen von ausgleichender und austeilender Gerechtigkeit führt. 4 4 7 Für das Verständnis der praktischen Auswirkungen des Deliktsrechts ist die Frage der Versicherung bzw. der Aspekt der effektiven Schadensverteilung („loss distribution") in der heutigen Zeit unentbehrlich. Wer auch immer im Gerichtssaal verurteilt wird, muß die Kosten im Ergebnis regelmäßig nicht allein tragen. Die permanenten Ausdehnungstendenzen des modernen tort law sind zumindest unterbewußt durch die Existenz des Versicherungswesens begünstigt worden. 4 4 8 Im Rahmen der vicarious liability haben sich diese Strömungen vor allem in der allmählichen Ausdehnung des course of employment-Konzepts wie auch in der Erweiterung der relevanten Personengruppen niedergeschlagen. 449 Es besteht daher Anlaß zur Vermutung, daß ohne die Versicherungspraxis das Deliktsrecht in seiner bekannten Gestalt möglicherweise längst kollabiert wäre. 4 5 0 Ungeachtet der herausragenden Bedeutung der Schadensverteilungsargumentation erscheint es, allgemein gesprochen, jedoch durchaus fraglich, ob oder inwieweit Lastenausgleichserwägungen in der deliktsrechtlichen Judikatur Berücksichtigung finden sollten. Eine Gerichtsentscheidung dient der Schlichtung von Konflikten zwischen Individuen, wohingegen loss distribution ein weiterreichendes Gruppenphänomen ist. Die Berücksichtigung der konkreten Versicherungsposition der Prozeßparteien könnte zu willkürlichen Ergebnissen führen, unvorhersehbare Konsequenzen auf die Versicherungsverhältnisse haben und vorsorgende Bürger oder Unternehmer unangemessen benachteiligen. Denkbar wäre möglicherweise, daß eine gerichtsbekannte und allgemein verbreitete Versicherungspraxis als Argument für eine extensive Interpretation etablierter rechtlicher Konzepte herangezogen wird. Die Frage nach der Versicherbarkeit ist regelmäßig aber mit vielschichtigen ökonomischen Überlegungen verbunden, die über die Aufgabe eines richterlichen Urteils hinaus gehen. „The real weakness of the insurance argument is that insurance is essentially a group or social phenomenon, whereas the common law of obligations is concerned with individuals", wie in der Literatur treffend formuliert wurde. 4 5 1 447
Vgl. auch Fleming, Torts, 8 m.w.N. Allgemein Cane, Tort Law and Economic Interests, 413 ff. 449 Siehe Cane/Atiyah, Accidents, Compensation and the Law, 188 f. 450 Ygj Fleming, Torts, 11: „[WJithout liability insurance the tort system would long ago have collapsed under the weight of the demands put on it and been replaced by an alternative, and perhaps, more efficient, system of accident compensation." 451 „Disputes between individuals do not provide a good medium through which to decide what is the best pattern of insurance in a particular area. If it is thought that a particular type of loss should be allocated not according to corrective justice 448
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Im Hinblick auf den vorliegenden Zusammenhang ist ferner zu konstatieren, daß das loss distribution-Argument isoliert betrachtet die Auferlegung von vicarious liability nur bedingt rechtfertigen kann. Immerhin ist auch mit dem Abschluß einer Versicherung ein Kosten- und Arbeitsaufwand verbunden, der vor allem bei kleinen Unternehmen oder privaten Arbeitgebern (im Hinblick auf Hausangestellte) zu einer empfindlichen Belastung führen kann. Im Einzelfall besteht ferner die Möglichkeit, daß ein employer oder principal mangels einer dahingehenden Verpflichtung unter Umständen nicht versichert ist. Von der Rechtfertigungsproblematik abgesehen vermag der loss distribution-Gedanke darüber hinaus die rechtlichen Voraussetzungen der vicarious liability im einzelnen nicht mit Bestimmtheit zu erklären. Wie dargestellt, ist regelmäßig Fahrlässigkeit oder Vorsatz des unmittelbaren Delinquenten als Teil eines von ihm verwirklichten tort für die Haftung erforderlich. Der Gesichtspunkt der effektiven Schadensverteilung scheint indessen eine Haftung des Geschäftsherrn auch bei schuldlosem Verhalten nahezulegen. Die Regelungen der Haftung für Verrichtungsgehilfen haben sich offensichtlich aber nicht vollständig von dem Prinzip des eigenverantwortlichen Handelns als Grundlage deliktischer Haftung gelöst. Ginge es lediglich um wirtschaftliche Schadensverteilung, wäre die konsequenteste Lösung möglicherweise die Aufhebung von vicarious liability und deliktischer Fahrlässigkeitshaftung schlechthin. Als Alternative wäre etwa an ein allgemeines steuerfinanziertes Unfallversicherungssystem für Personenschäden an Stelle des law of torts denkbar, das in jedem Fall zu einer Einsparung von Prozeßkosten führen würde. 4 5 2 Anders ausgedrückt sind daher mit dem Gesichtspunkt der loss distribution wirtschaftliche und vor allem politische Fragestellungen von einem Ausmaß verbunden, die den Rahmen einer gerichtlichen Entscheidung mit dem Ziel der Konfliktlösung zwischen den Prozeßparteien bei weitem sprengen. 453 Aus diesem Grund erscheint es criteria but according to insurance criteria that loss would be best removed from the province of the civil law of obligations and dealt with by legislation concerning insurance against that type of loss." Vgl. Cane, Tort Law and Economic Interests auf S. 425 f. 452 In Neuseeland wurde für den gesamten Bereich der unfallbedingten Körperschäden das Haftungsrecht abgeschafft und durch bestimmte Ansprüche ersetzt, die dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen gegen eine staatliche Stelle zustehen. Aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Geschädigten kann sich weitergehend sogar die Frage stellen, warum derjenige, dessen gesundheitliche Schädigung auf einem Unfall beruht, bessergestellt sein sollte als derjenige, der infolge einer sonstigen Krankheit oder eines Geburtsfehlers an der gleichen Behinderung leidet. Zur Problematik vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 687 f. 453 Siehe auch Fleming, Torts, 12: ,,[T]he notion of looking beyond the immediate participants and including more wide-ranging social and economic policies of how to allocate given losses may seem to move tort law from the familiar function of »commutative' to that of »distributive' justice. The dialectic between compensation and deterrence, the conventional twin aims of tort law, is being played out on a
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verständlich, daß sich die englische Rechtsprechung, wie bei der Besprechung von Launchbury v. Morgans deutlich wurde, bislang überwiegend geweigert hat, die Versicherungsposition der Parteien in die rechtliche Untersuchung miteinzubeziehen. 454 Die Frage der Schadensverteilung trägt in gewissem Umfang zur Rechtfertigung der vicarious liability bei, hilft jedoch (ähnlich dem Risikogedanken) bei der Bestimmung der konkreten Haftungsvoraussetzungen nicht weiter. 4 5 5 Als Gesamtfazit läßt sich daher feststellen, daß nicht ein einzelner Grund sämtliche Facetten der vicarious liability zu rechtfertigen vermag. Vielmehr erklärt sich die Lehre aus einer Kombination unterschiedlicher rechtspolitischer Faktoren, die je nach Sachverhaltskonstellation mehr oder weniger stark hervortreten. Neben Beweisaspekten und Unfallprävention, sind vor allem das Nebeneinander von Risiko und Vorteil sowie die Möglichkeit effektiver Schadensverteilung durch den Abschluß von Versicherungen zu erwähnen. Ein bemerkenswertes Phänomen ist dabei, daß sämtliche Rechtfertigungsgründe nur ein grobes Raster bilden, mit Hilfe dessen die Auferlegung der Haftung auf einer prinzipiellen Ebene legitimiert werden kann, ohne daß sich die konkreten Voraussetzungen der vicarious liability aus ihnen im einzelnen herleiten lassen. 456
larger canvas. Policy has of course always influenced the direction of law, but the new policy dimension may appear to be more germane to the legislative than the judicial function." 454 Zur Problematik siehe Cane, Tort Law and Economic Interests, 421 ff. 455 Vgl. aber auch von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, S. 267 ff., wonach die Verzahnung von Haftungsrecht und Versicherungsschutz in den nordischen Deliktsrechtssystemen angelegt ist. In einer Reihe von Gesetzen wird dem Opfer einer unerlaubten Handlung alternativ zu seinem fortbestehenden Haftungsanspruch ein in aller Regel vergleichsweise günstigerer Anspruch gegen einen Versicherer eingeräumt. Als (beabsichtigte) Konsequenz spielt das private Haftpflichtrecht, obwohl es theoretisch fortbesteht, lebenstatsächlich so gut wie keine Rolle mehr. Darüber hinaus wird das Vorhandensein von Versicherungsschutz in einigen Vorschriften als Tatbestandsmerkmal aufgegriffen. Freilich scheint die Frage des Versicherungsschutzes auch hier konzeptionell vom Gesetzgeber festgelegt worden zu sein und nicht von der Rechtsprechung im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung in das Haftungsrecht integriert worden zu sein. Siehe im übrigen auch von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 593. 456 Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt Taupitz, Ökonomische Analyse und Haftungsrecht, 196 AcP (1996), 114 im Hinblick auf das Verhältnis von Haftungsrecht und ökonomischer Analyse (die eine „ausgeprägte rechtspolitische Funktion" besitzt, 122): „Die ökonomische Analyse des Rechts ist damit keine wohlfeile und unmittelbar umsetzbare Theorie für den grauen Alltag der Gerichte, sondern eher Urmaterial für leuchtende Erkenntnisse der Wissenschaft" (S. 166).
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VI. Zusammenfassung Die von Lord Holt begründete Lehre der vicarious liability hat in moderner Zeit eine erhebliche Ausdifferenzierung erfahren, mit der seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine ständige Ausweitung ihres Anwendungsspektrums verbunden ist. Da die Haftungsgrundsätze während einer langen kontinuierlichen Entwicklungsperiode zu keiner Zeit begrifflich durchdrungen und systematisch aufeinander abgestimmt wurden, fehlt angesichts der großen Anzahl unterschiedlicher richterlicher Rechtsäußerungen in einigen Bereichen die begriffliche Schärfe, die für die Herausarbeitung fest umrissener Rechtsregeln erforderlich ist. Von dem uneinheitlichen Sprachgebrauch betroffen sind vor allem die Ausdrücke „master", „servant", „employee", „authority", „principal" und „agent." Im Zentrum der vicarious liability steht nach wie vor die Haftung des Geschäftsherrn für Delikte seiner Gehilfen in Ausführung der Verrichtung, die sich ungeachtet der terminologischen Unsicherheiten dogmatisch klar erfassen läßt. Während die Gerichte zur Unterscheidung zwischen employees und independent contractors traditionell auf das Kontrollrecht des employer als zwingendes Abgrenzungskriterium abstellten, hat sich in moderner Zeit ein typologischer Ansatz durchgesetzt: In kritischen Fällen ist der Gesamteindruck maßgebend, der sich aufgrund einer wertenden Betrachtung aller Faktoren ergibt, die für oder gegen die Gehilfeneigenschaft sprechen. Neben der Kontrolle des Geschäftsherrn sind beispielsweise die Art der Bezahlung, die Regelung der Arbeitszeiten, etwaige Urlaubsansprüche, die Dauer des Vertragsverhältnisses, die Befugnis Aufgaben weiter zu delegieren und die Zuweisung des finanziellen Risikos weitere Indizien, die im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind. Da die Gewichtung im Hinblick auf den Normzweck erfolgt, ist bei der Qualifizierung als employee oder independent contractor der Kontext der Fragestellung (vicarious liability, Kündigungsschutz, Steuerrecht etc.) zu berücksichtigen. Die Mehrzahl der Geschäftsherren besteht in der modernen Arbeitswelt nicht aus einzelnen Individuen, sondern aus Gesellschaften mit selbständiger Rechtspersönlichkeit (companies oder corporations). Für Delikte von einfachen Bediensteten sind Körperschaften im selben Umfang wie natürliche Personen verantwortlich. Unerlaubte Handlungen von Angestellten in leitender Stellung, wie Vorstandsmitgliedern oder Direktoren, haben in der Theorie eine persönliche Haftung des Unternehmens zur Folge, ohne daß sich aus dieser Einordnung inhaltliche Unterschiede in den Voraussetzungen der Zurechnung ergeben würden. Der Staat rechnet in der heutigen Zeit zu den größten Arbeitgebern. Da nach überlieferter Vorstellung der König selbst kein Unrecht begehen konnte, wurde erst durch den Crown Pro-
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ceedings Act von 1947 durchgesetzt, daß „die Krone" für das Verhalten ihrer Angestellten und Vertreter in gleicher Weise wie ein privater Geschäftsherr aufkommen muß. Die Haftung des Arbeitgebers ist auf Delikte beschränkt, die der Angestellte „in the course of employment" verübt hat. Die Formulierung ist sprachlich weit gefaßt und läßt daher Raum für unterschiedliche rechtspolitische Erwägungen im Einzelfall. Ungeachtet der unüberschaubaren Masse von Entscheidungen gibt es keine sichere Definition, anhand derer sich das Konzept mit Allgemeingültigkeit konkretisieren läßt. In der Rechtsentwicklung hat sich freilich eine Reihe von Faktoren herauskristallisiert, die für oder gegen die Verantwortlichkeit sprechen und deren Gesamtbild regelmäßig ausschlaggebend ist. Wenn auch angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte eine abschließende Aufstellung nicht möglich ist, lassen sich aufgrund einer Analyse der wichtigsten Urteile folgende Indizien auflisten: Eine etwaige Weisung oder ein Verbot des Geschäftsherrn, die Absichten des Gehilfen, Zeit und Ort der Arbeit, die Eigentumsverhältnisse, die Interessen des Geschäftsherrn, die Natur der Tätigkeit, sowie die Frage, ob der Gehilfe das Unrecht vorsätzlich oder fahrlässig verwirklicht hat. Nach herrschender Meinung beruht die Haftung des employer auf der Zurechnung eines fremden Delikts und nicht auf der Verwirklichung eines persönlichen Unrechts. Grundsätzlich sind daher beide, Geschäftsherr und Gehilfe, nebeneinander verantwortlich. Eine Regelung entsprechend dem deutschen Modell des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gibt es im englischen Recht nicht. Die Frage der vicarious liability stellt sich nicht nur in Prozessen gegen den Arbeitgeber. Sofern dieser eine Schadensersatzklage gegen ein Dritten anstrengen sollte, muß er sich das Verschulden eines Gehilfen in Ausführung der Verrichtung schadensmindernd anrechnen lassen. Mit der Etablierung des Grundsatzes, daß eine Verantwortlichkeit des employer für das Verhalten eines independent contractor ausscheidet, entwickelte sich gleichzeitig eine Anzahl von Ausnahmen, für die bis zum heutigen Tag noch keine kohärente Theorie vorhanden ist. Obwohl sich eine Haftung für das Verhalten eines unabhängigen Unternehmers unabhängig von eigenem Verschulden des Auftraggebers ergeben kann, werden diese Tatbestände allgemein als personal liability eingestuft. Die strikte Verantwortlichkeit wird dogmatisch damit begründet, daß den employer eine „non-delegable duty" treffe, eine Verpflichtung, die er nicht durch Übertragung der betreffenden Tätigkeit umgehen könne. Ihrer Struktur nach sind diese Fälle regelmäßig jedoch nichts anderes als verkleidete Formen von vicarious liability. Eine non-delegable duty kann sich aus einem vorausgegangenen vertraglichen oder vertragsähnlichen Kontakt, aus dem Bestehen eines nachbarschaftlichen Näheverhältnisses und - in bezug auf
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die Öffentlichkeit - vor allem dann ergeben, wenn Arbeiten auf allgemein zugänglichen Straßen mit der Hilfe einer selbständigen Firma ausgeführt werden oder die übertragene Tätigkeit besonders gefährlich ist. Die zunehmende Anzahl immer neuer Ausnahmefälle wird in der Literatur mit Skepsis beobachtet, da der independent contractor regelmäßig ein selbständiges Unternehmen ist, das die Durchführung der Arbeit eigenverantwortlich überwacht, sich durch Versicherung vor einer weitgehenden Schadenshaftung schützen kann und dem Auftraggeber als Laien häufig keine andere Alternative bleibt, als die betreffende Aufgabe einem Fachmann zu übertragen. Als sich in der Rechtsprechung die Unterscheidung zwischen employees und independent contractors herauszubilden begann, war offengeblieben, wie sich die Verantwortlichkeit im Hinblick auf agents in die neue Dichotomie einfügen sollte (für die sich traditionell vicarious liability ergeben konnte, auch wenn es sich um Personen in unabhängiger Stellung handelte). Über die Bedeutung der Haftung des principal für Delikte, die ein agent „in the scope of his authority" verübt, sind daher die unterschiedlichsten Auffassungen vertreten worden. Der allgemeine Sprachgebrauch hilft bei der Lösung der Problematik nicht weiter, da ein agent jede Person sein kann, die auf Anweisung eines anderen hin tätig wird, Gehilfe ebenso wie unabhängiger Unternehmer. Neben der Haftung von Partnern für unerlaubte Handlungen eines Sozius in Ausübung der gewöhnlichen Firmengeschäfte, die durch den Partnership Act 1890 eine klare gesetzliche Regelung erfahren hat, geht die herrschende Meinung von zwei anerkannten Grundtatbeständen aus, die eine Diskussionsbasis für Erweiterungen im Einzelfall bilden. Ein principal ist nach heutiger Auffassung zunächst für arglistige Täuschungen verantwortlich, die ein agent im Sinne des Stellvertretungsrechts in Ausübung der Vertretungsmacht verübt. Ausdehnungen werden erörtert für fahrlässig falsche Aussagen eines Stellvertreters, für fehlerhafte Mitteilungen von Personen, die zur Vermittlung von Rechtsgeschäften angestellt sind, sowie für diffamierende Äußerungen. Daneben haftet ein KfzHalter, der seinen Wagen im eigenen Interesse einem anderen überlassen hat, für Unfälle des Fahrers. Tendenzen in der Rechtsprechung, diese Einstandspflicht ähnlich der deutschen Regelung in § 7 StVG im Sinne einer strikten Sachhaftung auszudehnen, wurde durch das House of Lords Einhalt geboten, da aufgrund der engen Verknüpfung von Haftungsrecht und Versicherungswesen eine parlamentarische Bestimmung erforderlich wäre. Ungeklärt ist ferner die Frage, ob sich dieser Sondertatbestand auch auf andere Gegenstände als Kraftfahrzeuge erstreckt, die mit Erlaubnis und im Interesse des Eigentümers einem anderen überlassen werden. Die Auferlegung strikter Verantwortlichkeit des employer oder principal nach den Grundsätzen der vicarious liability hat in Rechtsprechung und
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Literatur immer wieder zu der Suche nach einer Rechtfertigung Anlaß gegeben. Mittlerweile scheint es anerkannt zu sein, daß nicht ein einzelner Gesichtspunkt sämtliche Facetten der Lehre zu erklären vermag. Vielmehr rechtfertigt sich die vicarious liability aus einer Kombination unterschiedlicher rechtspolitischer Faktoren, die je nach Sachverhaltskonstellation mehr oder minder stark hervortreten. Abgesehen von Unfallprävention und Beweisgründen sind von zentraler Bedeutung die Aspekte von Risiko und Vorteil, sowie die Möglichkeit effektiver Schadensverteilung durch den Abschluß von Versicherungen. Die Rechtfertigungsgründe bilden jedoch nur ein grobes Raster, das die Auferlegung der Haftung auf einer prinzipiellen Ebene legitimieren kann, ohne daß sich die konkreten Voraussetzungen der vicarious liability daraus herleiten ließen.
§ 6 Vicarious liability (middellike aanspreeklikheid) im südafrikanischen Recht Begegnung zweier Rechtsfamilien I. Die Bedeutung des südafrikanischen Privatrechts für Europa Als Folge der Kolonialgeschichte könnte die privatrechtliche Grundlagenforschung in Europa möglicherweise manchen interessanten Impuls von dem geographisch fern gelegenen common-law-System Südafrikas erhalten: Das römisch-kanonische ius commune, das vom späteren Mittelalter bis in das 18. Jahrhundert hinein die Grundlage des kontinentaleuropäischen Rechts bildete und in großem Umfang in die nationalen Privatrechtskodifikationen Eingang gefunden hat, lebt dort in seiner römisch-holländischen Gestalt bis zum heutigen Tag in besonderer Kontinuität fort, ohne durch das Dazwischenkommen eines Zivilgesetzbuches aus dem juristischen Bewußtsein verdrängt worden zu sein.1 Von weiterreichender Bedeutung für Europa ist freilich die Tatsache, daß das gemeineuropäische Recht am Kap der guten Hoffnung eine Symbiose mit dem englischen common law eingegangen ist, aus der ein neues eigenständiges Rechtssystem erwachsen ist. Das südafrikanische Modell läßt daher in Ansätzen erahnen, welche Möglichkeiten und welche Probleme mit dem Zusammenwachsen der beiden europäischen Rechtsfamilien in Zukunft verbunden sein könnten. Einige der Gerichtsurteile zeigen, wie rechtshistorische und rechtsvergleichende Überlegungen für die praktische Rechtsanwendung nutzbar gemacht werden können. 2 Das südafrikanische Privatrecht bietet aber auch Anschauungsmaterial dafür, wie die Implementierung systemfremder Elemente unvorhergesehene Fernwirkungen in anderen rechtlichen Kontexten nach sich ziehen kann, die unter ungünstigen Umständen einen Verlust juristischer Orientierung zur Folge haben. Wie aus dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Rechtskulturen ideologische Spannungen und nationale Ressentiments entstehen können, hat schließlich der Konflikt zwischen „Puristen" und „Pragmatikern" über den Stellenwert der romanistischen und angelsächsi-
1
Vgl. Käser, Das römische Recht in Südafrika, SZ 81 (1964), 1 f. Siehe eingehend, Zimmermann/Visser, Southern Cross, 1 ff.; vgl. auch schon von Bar, Südafrikanisches Haftungsrecht, 42 RabelsZ (1978), 87, 114. 2
II. Das Deliktsrecht zwischen common law und civil law
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sehen Seite des einheimischen Mischrechts nach Gründung der Südafrikanischen Union deutlich gemacht.3
II. Das Deliktsrecht zwischen common law und civil law Einen der Hauptkriegsschauplätze dieses „bellum juridicum 44 bildete das Deliktsrecht, das in seiner Entwicklungsgeschichte von beiden Rechtsfamilien reichlich profitiert hat. 4 Die Grundpfeiler des südafrikanischen Haftungsrechts bestehen noch heute aus zwei römischen Klagen, die beinahe das gesamte Spektrum der unerlaubten Handlungen abdecken: Neben der „actio iniuriarum 44 , die bei vorsätzlicher Verletzung von Persönlichkeitsrechten Anwendung findet, steht als weiterer großer Tatbestand die „actio legis Aquiliae 44 , die sich über die römischen Wurzeln hinausgehend während eines Jahrhunderte dauernden Adaptionsprozesses zu einer deliktischen Generalklausel für Vermögensschäden entwickelt hat. 5 Als elementare Haftungsvoraussetzungen erfordert die aquilische Klage heute ein rechtswidriges Verhalten, Kausalität, den Eintritt eines Schadens und Verschulden. Mit diesem generalisierenden Ansatz liegt das südafrikanische law of delict strukturell näher an den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen als an dem englischen law of torts (oder auch dem klassischen römischen Recht) mit seinem kasuistischen Gepräge. In der Entscheidung Perlman v. Zoutendyk formulierte Watermeyer, J., demgemäß: „Roman-Dutch Law approaches a new problem in the continental rather than the English way, because in general all damage caused injustifiably (iniuria) is actionable, whether caused intentionally (dolo) or by negligence (culpa). 440 Hinter dem Mantel dieses allgemeinen Prinzips verbergen sich jedoch konkretere Haftungskategorien, bei deren Herausbildung die südafrikanischen Gerichte sich, namentlich auf dem Gebiet des fahrlässigen Handelns, häufig an englischen Präzedenzfällen orientiert haben.7 Ein umstrittenes Beispiel angelsächsi3
S. o., § 3 I 2 c. Vgl. dazu vor allem den klassischen Aufsatz von Böberg, Oak Tree or Acorn, 1966 SALJ, 150ff.; ferner Schreiner, The Contribution of English Law to South African Law, 52ff.; Beinart, English Legal Contribution, Acta Juridica 1981, 7, 54ff.; Van Aswegen, Aquilian Liability I; Hutchison, Aquilian Liability II; in deutscher Sprache siehe von Bar, Südafrikanisches Haftungsrecht, 42 RabelsZ (1978), 87; Zimmermann, RHR, S. 138ff.; Walter, Actio iniuriarum, 141 ff. 5 Vgl. allgemein McKerron, Delict, 9 f.; Van der Walt, Delict, 2; Böberg, Delict, 18.; Van der Merwe/Olivier, Onregmatige Daad, 15; Neethling/Potgieter/Visser, Delict, 5 f. Als dritte Säule des südafrikanischen Deliktsrecht wird gelegentlich die „action for pain and suffering" aufgeführt, die germanischen Ursprungs ist, im Gegensatz zur actio legis Aquiliae bei immateriellen Schäden greift und anders als die actio iniuriarum auch bei Fahrlässigkeit zur Anwendung kommt, vgl. Boberg, Delict, 516 ff. 6 1934 CPD 151, 155. 4
21 Wicke
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§
Vicarious liability im
d r i s c h e n Recht
scher Beeinflussung ist die Übernahme des „duty-of-care" Konzepts, das freilich mit uneinheitlicher Bedeutung - in zahlreichen Gerichtsentscheidungen herangezogen worden ist. Ungeachtet der in der Literatur geäußerten Kritik, daß seine Verwendung die grundsätzlich unterschiedenen Ebenen von Rechtswidrigkeit und Verschulden zu verwischen droht, greift die Rechtsprechung bis in die heutige Zeit gelegentlich auf den Begriff zurück. 8 Neben allgemeinen englischen Anklängen in der Nomenklatur, mit denen bisweilen eine stillschweigende Übernahme rechtlicher Inhalte verbunden ist, zeigen sich handfeste Spuren darüber hinaus etwa im Bereich des Mitverschuldens und des nuisance Tatbestandes.9 Insgesamt scheint das südafrikanische Haftungsrecht - möglicherweise als Folge der späteren Industrialisierung - noch in stärkerem Maße vom Verschuldensprinzip geprägt zu sein als die europäischen Rechtsordnungen. Als Beispiel läßt sich die Produkthaftung anführen, die nach wie vor in den Kinderschuhen steckt. 10 Im Laufe der Zeit haben Gesetzgeber und Rechtsprechung freilich einige Tatbestände der Gefährdungshaftung geschaffen, wie etwa die Einstandspflicht für nukleare Schäden aufgrund des Nuclear Energy Act von 1982, oder die strikte Verantwortlichkeit der Massenmedien für diffamierende Veröffentlichungen. 11 Darüber hinaus lebt im südafrikanischen Recht noch eine Reihe römischer Klagen fort, die unabhängig von Verschulden zur Anwendung kommen. Abgesehen von der Tierhalterhaftung („actio de pauperie", „actio de pastu") 12 ist im vorliegenden Zusammenhang vor allem die Verantwortlichkeit des Hausbesitzers aufgrund der actiones de effusis vel deiectis und de positis vel suspensis von Interesse 13, deren Legitimation jedoch in moderner Zeit angesichts der veränderten Wohnungssituation gegenüber dem alten Rom allgemein bezweifelt wird. 1 4
7
Vgl. Hutchison, Aquilian Liability II, 635; Beinart, English Legal Contribution, Acta Juridica 1981, 7, 55. 8 Siehe zur Problematik Hutchison, Aquilian Liability II, 620ff.; Neethling/Potgieter/Visser, Delict, 139f.; Böberg, Delict, 31 f., 35ff.; Van der Walt, Delict, 23 ff. 9 Vgl. Van Aswegen, Aquilian Liability I, 575 f.; Van der Merwe, Neighbour Law. 10 So ausdrücklich Neethling/Potgieter/Visser, Delict, 305. Ein weiteres Beispiel für die stärkere Betonung des Verschuldensprinzips ist die Ablehnung einer Rezeption der englischen Regel aus Rylands v. Fletcher. Zu dieser Entscheidung s. o., § 5 III 3. 11 Siehe im einzelnen Neethling/Potgieter/Visser, Delict, 341 ff. Grundlegend ferner South African Law Commission, Risk as a Ground for Liability in Delict, Project 23; Van der Walt, Risiko-Aanspreeklikheid. 12 Dazu grundlegend Van der Merwe, Diere. 13 Vgl. beispielsweise Coiman v. Dunbar 1933 AD 141; Bowden v. Rudman 1964 (4) SA 686 (Ν). Zu den Ursprüngen der beiden Klagen im römischen und römisch-holländischen Recht s. o., § 3 II b.
III. Von den lokalen Anfängen zum Einheitsrecht
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In den voranstehenden Kapiteln wurde die Entwicklung der Haftung für Verrichtungsgehilfen vom klassischen römischen Recht bis zum römischholländischen Recht behandelt und anschließend dargestellt, wie die Geschichte der englischen vicarious liability von den Anfängen bis in die heutige Zeit verlaufen ist. Gegenstand der nachfolgenden Analyse ist die Frage, welche Grundsätze sich im südafrikanischen Privatrecht in dieser Problematik aus dem Spannungsfeld der beiden ihm zugrunde liegenden Rechtssysteme herausgebildet haben. 15
I I I . Von den lokalen Anfängen zum Einheitsrecht: Modifiziertes englisches Recht auf gemeineuropäischer Grundlage Nachdem mit der Abschaffung der Sklaverei die Noxalhaftung im niederländischen Recht obsolet geworden war, hatte sich - wie oben dargestellt unter den römisch-holländischen Autoren eine kontroverse Diskussion zu der Frage entzündet, unter welchen Umständen ein Haus- oder Geschäftsherr (über die prätorischen Sondertatbestände und einheimischen Spezialvorschriften hinausgehend) für das Verhalten von Personen einstehen müsse, die in seinem Interesse tätig wurden. Neben der Auffassung von Hugo Grotius, der sämtliche Ansprüche auf den ausstehenden Lohn beschränkte 16, und der Position von Johannes Van der Linden 1 7 , der die Verantwortlichkeit auf eigenes Verschulden des Herrn gründete, stand der weitgehende Ansatz eines Johannes Voet 1 8 oder Simon van Leeuwen 19 , wonach der dominus oder pater familias streng für sämtliche Delikte aufkommen mußte, die der Bedienstete oder Sohn in Ausführung der ihm übertragenen Arbeit verübte. 20 Wie in der südafrikanischen Literatur zutreffend bemerkt wurde, weist diese funktional beschränkte Gehilfenhaftung verblüffende Gemeinsamkeiten zu der Grundstruktur der englischen vicarious liability auf. 21 Der Satz „dominos ac patres in solidum teneri ex delic14 Van der Merwe/Olivier, Onregmatige Daad, 500; Van der Walt, Risiko-Aanspreeklikheid, 361 f. 15 Nicht mehr im Rahmen der vorliegenden Fragestellung liegen die Grundsätze der Haftung für andere innerhalb des sogenannten „African customary law." Vgl. hierzu Olivier, Die Privaatreg van die Suid-Afrikaanse Bantoetaalsprekendes, 418 ff.; LAWS A XXXII, 143 ff. 16 Inleiding, 3, 38, 8. 17 Praelectiones, D. 9, 4. 18 Commentarius, D. 9, 4, 10. 19 Rooms-Hollands-Regt, 4, 39, 2. 20 S. o., § 3 II 3. 21 Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 11: ,,[D]ie feit is dat die oorspronklike reels van ,vicarious liability' verbasend nou oorengekom het met die reels deur Voet 21
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tis famulorum ac filiorum, quoties illi deliquerunt in officio aut minister i o " 2 2 ist der Sache nach nichts anderes als das Prinzip „a master is responsible for all acts done by his servant in the course of his employment." 23 Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt, daß die strukturelle Kongruenz nicht das Produkt einer zufälligen Parallelentwicklung ist, sondern daß beide Wendungen vielmehr einer übergreifenden europäischen Rechtstradition entstammen und im Wege kollektiver Rechtsfindung verallgemeinernd aus den römischen Quellen gewonnen wurden: In Holland durch Wissenschaftler wie Johannes Voet, in England praktisch zeitgleich durch einen bedeutenden Richter namens Lord Holt. Fügt man hinzu, daß dieser Ansatz darüber hinaus der Position von Pothier entsprach 24 , die in den Code Civil Eingang gefunden hat 2 5 und außer in Frankreich daher lange Zeit in den Niederlanden geltendes Recht war 2 6 , wird man davon ausgehen können, daß es sich dabei um die herrschende Meinung im Europa des 19. Jahrhunderts handelte. Solange sich die Frage in Form von Rechtsaufzeichnungen zurückverfolgen läßt, war die strikte funktional begrenzte Gehilfenhaftung auch in Südafrika geltendes Recht. Von der Umstrittenheit der Problematik im römischholländischen Recht fehlt in den frühen Gerichtsentscheidungen fast jede Spur. 27 Die Rechtsprechung scheint vielmehr, von pragmatischen Überlegungen geleitet, stillschweigend aber zielsicher die Lösung angestrebt zu haben, die sich mit beiden Traditionen vereinen ließ und zeitgemäßer Rechtsanwendung entsprach. In der Anfangsphase finden sich Bezugnahmen zum englischen Recht mit gleicher Regelmäßigkeit wie Verweise auf die römisch-holländischen Autoren oder die justinianischen Quellen. Eine systematische Auseinandersetzung mit dem romanistischen Erbe sucht man zunächst zwar vergeblich. 28 Ungeachtet dessen würde man der Rechtsenten Pothier uiteengesit." (Tatsache ist, daß die ursprünglichen Regeln der vicarious liability den von Voet und Pothier dargestellten Regeln verblüffend ähnlich waren). 22 Voet, Commentarius, D. 9, 4, 10. 23 Turberville v. Stamp (1698) 1 Ld. Raym. 264. Die separate Erwähnung des filius neben dem servus durch Johannes Voet scheint zu damaliger Zeit keinen sachlichen Unterschied gemacht zu haben, da ein Sohn in England wohl als servant angesehen worden wäre, wenn er mit einer bestimmten Arbeit betraut war, siehe Salmond/Heuston, Torts, 439. 24 Traité des obligations, 453. 25 S. ο., § 3 II 3 c cc. 26 S. ο., § 3 I 2 b. 27 Die beachtliche Ausnahme ist der Fall Lewis v. The Salisbury Gold Mining Co (1894) 1 OR 1, dazu s.u., § 6 III 1. 28 Kritisch hierzu Barlow, Vicarious Liability, 85: „What was the duty of our Courts when they dealt with the matter for the first time? The answer to this question was given by Kotzé, C.J., in the case of Lewis v. Salisbury Gold Mining Co, where he said: ,We must have recourse to the Roman-Dutch law. Failing authority
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wicklung nicht gerecht, wenn man aus diesem Defizit auf eine prinzipielle Unkenntnis der Gerichte von den niederländischen Rechtsgrundlagen schließen wollte. 2 9 Neben einigen Blindgängern 30 wurden Hinweise auf europäische Autoritäten wie Pothier 31 , Voet 32 oder Van Leeuwen 33 und auch auf das römische Recht 34 schon frühzeitig zur Unterstützung der vertretein that system of jurisprudence we must fall back on the Roman law upon which that system is based and if that likewise be silent, we must decide according to general principles.' It was the duty of our Courts to make a deep and thorough study of the principles of Roman and Roman-Dutch law." 29 Vgl. aber Barlow, Vicarious Liability, 85 ff. 30 Vgl. vor allem den Bezug zu Voet, Commentarius D. 27, 10, 3 in Dreyer v. Van Reenen (1845) 3 Menz 375, 376. Siehe ferner den Verweis auf Van der Linden durch Jones, J., in Hilpert v. Castle Mail Packets Co (1887) 12 EDC 38, 51. 31 Vgl. De Villiers, C.J., in Gifford v. Table Bay Dock & Breakwater Management Commission (1874) 4 Buch 96, 114; ferner Binda v. Colonial Government (1887) 5 SC 284; Lewis v. The Salisbury Gold Mining Co (1894) 1 OR 1, 3; April v. Pretorius 1906 TS 824, 826; weiterhin Mkize v. Martens 1914 AD 382, 390, 400; Estate van der Byl v. Swanepoel 1927 AD 141, 151; Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412, 427, 434, 438; Feldman (Pty) Ltd v. Mall 1945 AD 733, 751. 32 Der Verweis auf die funktional begrenzte Haftung für das Verhalten des institor in Voet, Commentarius D. 14, 3, 4 durch De Villiers, C.J., in Binda v. Colonial Government (1887) 5 SC 284, 289 ist inhaltlich korrekt, wenn auch Commentarius D. 9, 4, 10 die sachnähere Stelle gewesen wäre. Letztgenannte Quelle entwickelte sich in der Folge zur südafrikanischen Basis der Haftung für Hilfspersonen, vgl. Chatwin v. Central South African Railways 1909 ΤΗ 33, 44; Mkize ν. Martens 1914 AD 382, 389, 393 f., 400; Estate van der Byl v. Swanepoel 1927 AD 141, 145, 151, 154; Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412, 418; Feldman (Pty) Ltd v. Mall 1945 AD 733, 738, 751. 33 Vgl. Maasdorp, J., in Hilpert v. Castle Mail Packets Co (1887) 12 EDC 38, 52 f. 34 Der Verweis auf das Säulentransportfragment Gai. D. 19, 2, 25, 7 (dazu s. ο., § 2 II 4 a cc) durch De Villiers, C.J., in Gifford v. Table Bay Dock & Breakwater Management Commission (1874) 4 Buch 96, 113 f. ist nicht so beliebig, wie gemeinhin angenommen wird (vgl. vor allem Barlow, Vicarious Liability, 86; auch Zimmermann, Obligations, 1123 f.). Die Quelle wurde zur Begründung des Zweifels herangezogen, ob die Unterscheidung zwischen servant und independent contractor Teil des römisch-holländischen Rechts war. Auffällig ist dabei, daß zwischen den Parteien in dem Gifford Fall vertragliche Beziehungen bestanden. Gai. D. 19, 2, 25, 7 wurde daher als Grundlage für eine mögliche Erfüllungsgehilfenhaftung angesprochen, wie sie sich in § 278 BGB als Rechtsfortbildung des Säulentransportfragments findet. Auch die Diskussion von D. 4, 9, 7 in Hilpert v. Castle Mail Packets Co (1887) 12 EDC 38 ist keineswegs deplaciert (vgl. aber Barlow, Vicarious Liability, 87). Es handelt sich dabei wohl um die einzige Quelle im Corpus Iuris Civilis, in der das Problem des common employment behandelt wurde, um das es in dem Hilpert Fall ging. Eine analoge Anwendung (wie auch ein ablehnender Umkehrschluß) wäre nicht von vornherein sinnwidrig. Gelegentliche Verweise auf die actio institoria im römischen Recht sind lediglich als Verweise auf Quellen zu verstehen, in denen der Rechtsgedanke der später verallgemeinerten Gehilfenhaftung in den
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nen Rechtsauffassung folgerichtig in die Argumentationen eingeflochten. Dem englischen Recht, dem zunächst ebenfalls keine eingehendere Aufmerksamkeit gewidmet wurde, waren die Richter in der Anfangsphase keineswegs enger verbunden. 35 Für eine genauere Kenntnis der jeweiligen Regelungen begann sich die Rechtsprechung erst zu interessieren, als sich problematischere Rechtsfragen stellten, die über das Grundgerüst der funktionalen Gehilfenhaftung hinausgingen, auf dem das englische, niederländische (und auch das französische) Recht des 19. Jahrhunderts basierte und das ungeachtet der Kontroverse unter den römisch-holländischen Juristen auch in das südafrikanische Recht rezipiert worden war.
1. Eigenständig kritische Vorgehensweise: Die Lehre vom common employment im südafrikanischen Privatrecht In dem anschließenden Prozeß der Rechtsfortbildung waren die Richter zunächst keiner der beiden Mutterrechtsordnungen stärker zugeneigt. Die frühen Urteile zeichnen sich vielmehr fast durchweg durch das Bemühen um einen eigenständigen Ansatz aus. Ein plastisches Beispiel für die generelle Haltung der Gerichte ist die Geschichte der Lehre vom common employment, deren Anwendbarkeit in Südafrika gegen Ende des 19. Jahrhunderts wiederholt diskutiert wurde. 36 In der Entscheidung des Eastern District Court 3 7 in Hilpert ν. Castle Mail Packets Co von 1887 38 hatte der Kläger nach dem Schiffbruch eines Passagierdampfers von einem übergeordneten Angestellten den Auftrag erhalten, das transportierte Gepäck in Digesten bereits angelegt war. Deutlich in dieser Hinsicht Watermeyer, C.J., in Feldman (Pty) Ltd v. Mall 1945 AD 733, 737; siehe ferner Mkize v. Martens 1914 AD 382, 400; Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412, 431. 35 Siehe aber Böberg, Oak Tree or Acorn, 1966 SALJ, 150, 170: „Our courts, influenced by English law, were disposed to refer only to those Roman Dutch authorities who supported the doctrine and to ignore the rest." Von einem absichtlichen Hinwegsehen über die Kontroverse im römisch-holländischen Recht scheint auch Scott auszugehen, vgl. Middellike Aanspreeklikheid, 11 f.: „Toe die Engelse Reg op hierdie gebied ontwikkeling ondergaan het, was dit vir die Suid Afrikaanse howe dus maklik om na hierdie reels te verwys sonder daardeur te kenne te gee dat van die Romeins-Hollandse reg afgewyk word." (Da das englische Recht auf diesem Gebiet eine Entwicklung durchlaufen hat, war es für die südafrikanischen Gerichte folglich leicht, auf die entsprechenden Regeln zu verweisen, ohne dadurch zu erkennen zu geben, daß vom römisch-holländischen Recht abgewichen wird). 36 Vgl. Hilpert v. Castle Mail Packets Co (1887) 12 EDC 38; Lewis v. The Salisbury Gold Mining Co (1894) 1 OR 1; Eagleson v. The Argus Printing and Publishing Co (1894) 1 OR 259; ferner Waring & Gillow Ltd v. Sherborne (1904) TS 340. 37 Dazu vgl. Hahlo/Kahn, Union, 208. 38 (1887) 12 EDC 38.
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Sicherheit zu bringen. Während der Ausführung erlitt er schwere Verletzungen, da durch die Fahrlässigkeit eines Kollegen ein Flaschenzug gegen seine Schläfe geschlagen war. Nach einer gründlichen Untersuchung der einschlägigen englischen Entscheidungen lehnte die Mehrheit des Gerichts die Klage gegen den gemeinsamen Geschäftsherrn der beiden Bediensteten ab. Barry, J.P., betonte, daß bei Fehlen einer abweichenden Regelung im römisch-holländischen Recht die Rechtslage in England besonderer Beachtung bedürfe. 39 Diese Haltung ist im Zusammenhang mit der Tatsache zu sehen, daß der Privy Council in London zu damaliger Zeit die letzte Entscheidungsinstanz für südafrikanische Rechtsstreitigkeiten war. 4 0 Im römischen und niederländischen Recht fanden sich jedoch keine entgegenstehenden Regelungen, sondern lediglich zwei Passagen, die den englischen Ansatz zu unterstützen schienen: Das Fragment Ulp. D. 4, 9, 7, 2 4 1 , in dem es um den Ausschluß der Haftung des nauta bei Delikten von Matrosen untereinander ging, und die korrespondierende Stelle bei Voet, Commentarius D. 4, 9, 2 . 4 2 Demgegenüber zog Maasdorp, J., in seinem Minderheitsvotum dieselben Quellen als „argumentum e contrario" zur Begründung des entgegengesetzten Ergebnisses heran: Die ausdrückliche Ablehnung der Haftung bei Delikten von Angestellten untereinander im Sonderfall des nauta, caupo oder stabularius deute darauf hin, daß im allgemeinen der Geschäftsherr auch für wechselseitig zugefügte Schäden seiner Gehilfen einstehen muß. 43 Die Problematik des common employment war daher bereits in dem ersten einschlägigen südafrikanischen Urteil umstritten. Vollständig zurückgewiesen wurde sie sieben Jahre später in der bedeutenden Entscheidung Lewis v. The Salisbury Gold Mining C o 4 4 , die in der Rechtsentwicklung wegen der fundierten Analyse der römisch-holländischen Grundlagen eine besondere Stellung einnimmt und darüber hinaus aufgrund umfassender rechtsvergleichender Untersuchungen hervorsticht. Ein Minenarbeiter, der in einem Fahrstuhl transportiert wurde, stürzte wegen eines Bedienungsfehler des Maschinisten einen Schaft hinunter mit der Folge, daß sein Bein amputiert werden mußte. Nach dem Urteil von Chief Justice Kotzé 4 5 war der Ersatzanspruch gegen seinen Arbeitgeber 39
(1887) 12 EDC 38, 47. Vgl. Hahlo/Kahn, Union, 209. 41 „Sed si quid nautae inter se damni dederint, hoc ad exercitorem non pertinet." Dazu s. o., § 2 III 1 b bb, sowie § 4 IV 4 d bb (1). 42 „[A]liter quam obtinet, si plures unius nautae, vel plures in una caupona ministrantes, damnum dedissent inter se: Tunc enim hoc edictum cessare responsum est, nisi quis nauta et mercator simul esset.4' 43 (1887) 12 EDC 38, 53. 44 (1894) 1 OR 1. 45 Richter John Gilbert Kotzé war von 1881 an Chief Justice des High Court von Transvaal, bis er im Jahre 1898 aufgrund einer Meinungsverschiedenheit mit Paul 40
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begründet, obwohl die Verletzungen durch das Verschulden eines Mitangestellten verursacht worden waren. Die Positionen von Grotius und Van der Kessel, die eine Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen auf den ausstehenden Lohn 4 6 bzw. die noch vorhandene Bereicherung 47 beschränkten, wurden als zu engmaschig abgelehnt. Als Fundament des südafrikanischen Rechts akzeptierte Kotzé, C.J., vielmehr die strikte funktional begrenzte Gehilfenhaftung, wie sie neben Voet 4 8 und Pothier 49 bei Van Leeuwen 50 und Schorer 51 angelegt war und die er zutreffend als verallgemeinerte Rechtsfortbildung aus den römischen Quellen erkannte. 52 Nach einer kritischen Betrachtung der Maximen „respondeat superior" und „qui facit per alium, facit per se" wurde ferner die oben angeführte Passage von Chief Justice Shaw als wahrer Grund der Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn identifiziert. 53 Den größten Umfang der rechtlichen Untersuchung nahm die Frage ein, ob die englische Ausnahme von der Haftung des Geschäftsherrn bei Schädigungen der Angestellten untereinander anzuerkennen sei, die verneinend beantwortet wurde. Mit auffallender Schärfe wies Kotzé, C.J., die übliche Begründung der Lehre des common employment mit einem stillschweigenden Anspruchsverzicht des Bediensteten zurück: „To seek to justify the introduction of this exception to the general rule of a master's liability for the acts of his servants, by Krüger, der damals Präsident der Republik Transvaal war, seines Amtes enthoben wurde. Nachdem er bald darauf seine Anwaltstätigkeit wieder aufgenommen hatte, wurde er 1903 zum Judge President des Eastern Districts Court ernannt und war schließlich von 1922 bis 1927 Judge of Appeal. Vgl. zu Kotzé die zeitgenössische Äußerung zitiert bei Girvin, The Architects of the Mixed Legal System, 128: „As a Roman-Dutch lawyer he is one of the most able in South Africa." 46 Inleiding 3, 1, 34; 3, 38, 8 (s. o). 47 Theses Selectae, 477 (s. o). 48 Commentarius D. 9, 4, 10. 49 Freilich hat Kotzé, C.J., nicht auf Traité des obligations 453, sondern auf 456 verwiesen, wo sich jedoch ebenfalls der Gedanke der funktionalen Gehilfenhaftung findet. 50 Rooms-Hollands-Regt, 4, 39, 2. 51 Aanteekeningen, 3, 1, 34. 52 Zu den Quellen im einzelnen s. o, § 2 III. Beachtung verdient auch der methodische Ansatz, mit dem Kotzé, C.J., seine Untersuchungen einleitete, vgl. (1894) 1 OR 1, 2: „There is, as far as I am aware, no decided case in our South African reports bearing on the present inquiry, and consequently we must have recourse to the Roman-Dutch law. Failing authority in that system of jurisprudence, we must fall back on the Roman law, upon which that jurisprudence is based, and if that likewise be silent we must decide according to general principle." 53 (1894) 1 OR 1, 5: „This rule is obviously founded on the great principle of social duty, that every man in the management of his own affairs, whether by himself or by his agents or servants, shall so conduct them as not to injure another; and if he does not, and another thereby sustains damage, he shall answer for it." Dazu s. ο., § 4 V 8.
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referring to the so-called implied contract, is a purely arbitrary proceeding, and contrary to all sound principle." 5 4 Das Urteil wurde abgerundet durch eine Analyse der Rechtslage in einer Reihe europäischer Länder, die eine entsprechende Ausnahme ebenfalls ablehnten. Damit war die Problematik des common employment in Südafrika endgültig geklärt 55 , mehr als ein halbes Jahrhundert bevor das englische Recht nach langwährender Kritik und zahlreichen dogmatischen Umgehungen auf die gleiche Position einschwenkte. 56
2. Die stillprägende Kraft der Sprache und der Entwicklungsvorsprung des englischen Rechts Bis in die moderne Zeit finden sich immer wieder Beispielsfälle, in denen die südafrikanischen Gerichte in Abweichung von der Rechtsposition in England unabhängig ihre eigene Linie begründet haben. Neben vergessenen Ansätzen in der schwierigen Thematik des ausgeliehenen Gehilfen 57 läßt sich dies im Rahmen des funktionalen Haftungszusammenhangs ebenso deutlich demonstrieren 58 wie in der Problematik der Verantwortlichkeit für unabhängige Unternehmer, in der sich gerade in den letzten Jahren eine interessante - eigene - Entwicklung abgezeichnet hat. 5 9 Wenn sich in der Folge dennoch eine stetige Anglisierung der Haftungsgrundsätze ergeben hat, die das südafrikanische Recht ungeachtet zahlreicher Abweichungen im Detail letztlich als Variante des englischen common law erscheinen läßt 6 0 , 54
(1894) 1 OR 1, 11. Siehe nachfolgend noch Eagleson v. The Argus Printing and Publishing Co (1894) 1 OR 259; Waring & Gillow Ltd v. Sherborne (1904) TS 340. 56 S. o., § 4 V 9. 57 In Chatwin v. Central South African Railways 1909 ΤΗ 33 hat Wessels, J., die englische Position in dieser Frage kritisiert und eine kumulative Haftung von general und temporary employer erwogen, wie sie in der modernen Literatur häufig befürwortet wird, vgl. für Südafrika Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 45 f. und 114 ff. Als einzelner Richter wollte er sich allerdings nicht der etablierten englischen Rechtsprechung entgegenstellen, deren Position auch in Südafrika zum damaligen Zeitpunkt schon vertreten worden war. Vgl. ferner Rogerson v. Moe Bros (1900) 21 NLR 295; Moroka v. McEwen (1910) OPD 32. Siehe jetzt auch Midway Two Engineering & Construction Services ν. Transnet Bpk. 1998 (3) SA 17 (SCA). 58 Vgl. vor allem Feldman (Pty) Ltd v. Mall 1945 AD 733. 59 Langley Fox Building Partnership (Pty) Ltd v. De Valence 1991 (1) SA 1 (A); Minister of Community Development and Another v. Koch 1991 (3) SA 751 (A); De Jager v. Taaf Hamman Holdings (Edms) Bpk. en 'η Ander 1993 (1) SA 281 (O). Dazu s.u., § 6 V 2. 60 Vgl. beispielsweise Jordaan, Employment Relations, 400: „While the courts have at times denied a reception from English law there can be little doubt that the fabric of the doctrine as it exists in South Africa today is decidedly English in orientation and derivation." Noch weitergehend Boberg, Oak Tree or Acorn, 1966 55
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so ist dies vor allem auf zwei Gesichtspunkte zurückzuführen. Eine Industriegesellschaft ist zum einen in weit umfangreicherem Maße als eine agrare Gemeinschaft auf komplexe Strukturen arbeitsteiligen Handelns angewiesen, die bei Einsatz von Maschinen besondere Gefahren für außenstehende Dritte nach sich ziehen. Anders als das römisch-holländische Recht hatte das englische common law während einer Industrialisierungsperiode von mehr als einem Jahrhundert in dieser Hinsicht eine Reihe detaillierter Regelungen hervorgebracht, auf die sich die südafrikanischen Richter - häufig nach sorgfältiger Aufbereitung durch die Anwaltschaft - ohne eigene schöpferische Anstrengungen beziehen konnten. Zum anderen aber hatten sich in die einheimische Rechtsprechung über Zitate und Rechtsbegriffe, die häufig ohne Relevanz für die untersuchten Fragestellungen in die Erörterungen eingeflochten wurden, schon lange Zeit unbemerkt angelsächsische Konzepte eingeschlichen, die sich im Rechtsbewußtsein zu einem gedanklichen Gerüst ausgeformt hatten, in das sich die englischen Einzelregelungen nahtlos einfügen ließen. a) Agency -Terminologie Dieses Phänomen läßt sich seit dem frühesten überlieferten Urteil zur Thematik, Dreyer v. Van Reenen aus dem Jahre 1845, beobachten. Der Beklagte mußte nach der Entscheidung einstehen „for whatever was done by those acting under his authority in execution of that which he had directed to be done, in the line of the employment directed." 61 Die Formulierungen „authority" und „employment", sind typisch für englische Gerichtsentscheidungen des 19. Jahrhunderts. Das Verhältnis der Wendungen zueinander, die zunächst unterschiedslos eingesetzt worden waren, hatte sich in England im Laufe der Zeit zu einer eigenständigen Rechtsfrage entwickelt, die vor nicht langer Zeit eine besondere Stellungnahme des House of Lords hervorgerufen hat. 6 2 Die damit einhergehenden Unsicherheiten sind auf das südafrikanische Recht übergegangen, das den Begriff der authority wie das englische Recht einerseits als Vollmacht, andererseits in einem untechnischen Sinne als einfache Weisung versteht. 63 Der Anklang an das Stellvertretungsrecht wurde weiter verstärkt durch die Entscheidung Gifford v. Table Bay Dock & Breakwater Management Commission aus dem Jahre
SALJ, 150, 169: „But perhaps the most comprehensive and far-reaching innovation which we have taken from English law is the modern concept of a master's vicarious liability." 61 (1845) 3 Menz 375, 376 (meine Hervorhebung). 62 Vgl. Armagas Ltd v. Mundogas SA [1986] AC 717. Siehe ferner die Diskussion von Watermeyer, C.J., in Feldman (Pty) Ltd v. Mall 1945 AD 733, 736. 63 Vgl. LAWSA I, S. 109.
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1874. 64 Nachdem Chief Justice De Villiers 6 5 unter Berufung auf das Säulentransportfragment in Gai. D. 19, 2, 25, 7 6 6 die Anwendbarkeit der englischen Trennungslinie zwischen servants und independent contractors bezweifelt hatte, zitierte er den folgenden Textausschnitt aus Storey on Agency: „The principal is liable to third persons for the torts, negligences, and other malfeasances or misfeasances and omissions of his servant or agent in the course of his employment, although the principal did not authorize or justify or participate in, or indeed know of such misconduct, or even if he forbade the acts or disproved of them."67 Der Auszug enthält einige Differenzierungen, die sich in der südafrikanischen Rechtsprechung zu diesem Zeitpunkt noch nicht herausgebildet hatten. Vor allem aber schlich sich durch diese Passage die Konfusion, die im englischen Recht um die Begriffe „servant or agent" und die Konzepte von vicarious liability und Stellvertretungsrecht rankte, in das Bewußtsein der Juristen ein und begünstigte ein Denken in unterschiedlichen Haftungskategorien. Nach einigen Wiederholungen dieses Sprachgebrauchs in nachfolgenden Entscheidungen68 wurde in Ellemor v. United Safe Deposit Co L t d 6 9 die Rechtsauseinandersetzung zwischen den Parteien erstmalig überwiegend in der agency-Terminologie abgehandelt. Das Urteil verdient besondere Hervorhebung, da es die oben behandelten dicta des House of Lords in Lloyd v. Grace, Smith & C o 7 0 für Südafrika um vier Jahre vorweggenommen hat. 64
(1874) 4 Buch 96. John Henry De Villiers war von 1873 bis 1910 Chief Justice am Cape Supreme Court und von 1910 bis 1914 Chief Justice der Appellate Division. Von ihm zu unterscheiden ist einerseits sein jüngerer Bruder Melius De Villiers (von 1889 bis 1902 Chief Justice am High Court of Justice im Orange Free State) sowie andererseits Jacob Abraham Jeremy De Villiers, der von 1929 bis 1932 Chief Justice der Appellate Division war. Zu den drei Richtern vgl. i.e. Girvin, The Architects of the Mixed Legal System, 114, 119ff., 122f. Für den vorliegenden Zusammenhang sind von John Henry De Villiers neben Gifford v. Table Bay Dock and Breakwater Management Commission (1874) 4 Buch 96 die Urteile in Mkize v. Martens 1914 AD 382, Binda v. Colonial Government (1887) 5 SC 284 und Kotze v. Ohlsson's Breweries (1892) 9 SC 319 relevant. Von Jacob Abraham Jeremy De Villiers stammen demgegenüber die Entscheidungen in Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412 und in Union Government (Minister of Justice) v. Thorne 1930 AD 47. 66 S. o., § 2 II 4 a cc. 67 (1874) 4 Buch, 96, 114. 68 Vgl. etwa Hilpert v. Castle Mail Packets Co (1887) 12 EDC 38; East London Municipality v. Murray (1894) 9 EDC 55. 69 (1908) ΤΗ 57. 70 [1912] AC 716. Dazu s. ο., § 5 II 3 c hh. 65
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Ein Unternehmen, das Banksafes an Kunden vermietete, hatte einen Manager angestellt, der Geschäfte als Börsenmakler für die Firma betreiben sollte. In Ausführung der Tätigkeit verwendete dieser arglistig und im eigenen Interesse Geld, das ihm von einem Kunden zu Investitionszwecken übergeben worden war. Nach Auffassung des Witwatersrand High Court war die Haftung nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Manager ausschließlich durch persönliche Motive zu dem vorsätzlichen Unrecht bewegt wurde. Wichtig für die Entscheidung war freilich die Tatsache, daß das allgemein zugrunde liegende Rechtsverhältnis zwischen der Firma und dem Kläger im Hinblick auf den Handel mit Aktien fehlerfrei zustande gekommen war. Der Manager in Ellemor v. United Safe Deposit Co Ltd war gleichzeitig servant des Unternehmens. Die kontinuierliche Bezugnahme auf das agency-Konzept im Kontext der vicarious liability hatte jedoch zur Folge, daß Wessels, J.A., schließlich in dem Appellate Division Urteil Ravene Plantations Ltd v. Estate Abrey aus dem Jahre 1928 ausdrücklich und in selten deutlicher Form eine gesonderte Haftungskategorie anerkannte: „It is a well-known principle of our law that a master is liable for the act of his servant so long as the servant does the act in the course of his employment, even though the act is an unlawful one ... This doctrine has been extended so as to embrace the case where an agent or servant acting within the scope of his authority makes a fraudulent misrepresentation by which the principal or master is benefited." 71 Was zunächst lediglich als synonyme englische Umschreibung eines römisch-holländischen Grundsatzes angesehen worden war, führte nach einigen Jahrzehnten zu einer neuen Form von Verantwortlichkeit für fremde Schuld. b) Der Begriff
des independent contractor
Auf ähnlich unterschwellige Weise hat sich der Begriff des independent contractor in Südafrika sukzessiv zu einem rechtlich relevanten Terminus verwandelt. In der Entscheidung Gifford v. Table Bay Dock & Breakwater Management Commission aus dem Jahre 187 4 7 2 hatte Chief Justice De Villiers Zweifel geäußert, ob die englische Unterscheidung zwischen Gehilfen und unabhängigen Unternehmern Teil des südafrikanischen Rechts war. Obwohl die Abgrenzung unter den römisch-holländischen Juristen unbekannt war, erörterte De Villiers, C.J., zwei Jahrzehnte später die Haftung für einen Ingenieur, der von einer Gemeinde mit Straßenarbeiten betraut war, als einen Fall der Verantwortlichkeit für independent contractors, die er (im Gegensatz zur vicarious liability für servants) auf Eigenverschulden 71 72
1928 AD 1143, 1153. (1874) 4 Buch 96.
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des Auftraggebers gründete. 73 Die Unterteilung zwischen servants und independent contractors wurde in nachfolgenden Entscheidungen aufgegriffen und Kontrolle als maßgebliches Trennungskriterium angeführt. 74 Einige spätere Urteile diskutierten darüber hinausgehend Ausnahmen einer Einstandspflicht für independent contractors, ohne daß der Grundsatz der Nichthaftung vorher jemals problematisiert worden wäre. 75
3. Das Placet der Appellate Division Mit der Begrifflichkeit schlichen sich daher allmählich unbemerkt auch englische Konzepte in das südafrikanische Rechtsdenken ein. Die ausgefeilten Detailregelungen konnten im Rahmen neuer Rechtsstreitigkeiten sukzessiv in das übernommene sprachliche Gerüst eingefügt werden. Auf dem gemeineuropäischen Fundament, das von Persönlichkeiten wie Johannes Voet und Lord Holt durch Generalisierung der römischen Quellen gewonnen wurde, entstand auf subtile Weise allmählich ein angelsächsisch geprägter Überbau. Es handelte sich dabei nicht um einen bewußten und konsequenten Vorgang in dem Sinne, daß die Gerichte sich nur äußerlich auf diejenigen römisch-holländischen Autoren stützten, die eine funktional begrenzte Gehilfenhaftung befürworteten, um unbemerkt englisches Gedankengut in ihre Entscheidungen einflechten zu können. 76 Vielmehr zeigten 73
Vgl. Kotze v. Ohlsson's Breweries (1892) 9 SC 319. Vgl. East London Municipality v. Murray (1894) 9 EDC 55; Newman v. East London Town Council (1895) 12 SC 61; Addis v. Schiller Lighting and Plumbing Co 1906 TH 210. 75 Siehe Phillips v. SA Independent Order of Mechanics and Fidelity Benefit Lodge and Brice 1916 CPD 612; Burks v. Springs Municipality and Dickens 1917 WLD 143, 150; Minister of Posts and Telegraphs v. Johannesburg Consolidated Investment Co Ltd 1918 TPD 253, 257; Andrew v. Patchell 1926 TPD 207; Frank v. Van Rooy 1927 OPD 231; kritisch aber Silansky v. Board of Executors 1916 CPD 683. Eine eingehende Diskussion folgte in der Appellate Division Entscheidung Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412. 76 Vgl. aber in diesem Sinne Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 11 f.: „Toe die Engelse reg op hierdie gebied ontwikkeling ondergaan het, was dit vir die SuidAfrikaanse howe dus maklik om na hierdie reels te verwys sonder om daardeur te kenne te gee dat van die Romeins-Hollandse reg afgewyk word." (Da das englische Recht auf diesem Gebiet eine Entwicklung durchlaufen hat, war es für die südafrikanischen Gerichte folglich leicht, auf die entsprechenden Regeln zu verweisen, ohne dadurch zu erkennen zu geben, daß vom römisch-holländischen Recht abgewichen wird). Siehe auch Jordaan, Employment Relations, 400: „It has been suggested that the views of those Roman-Dutch authorities who favoured the doctrine of vicarious liability were not accidentally adopted. The courts referred to them because these opinions accorded with the position in English law and therefore served as a convenient port of entry for the almost wholesale importation of the (by then well developed) principles of English law in regard to vicarious liability." 74
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sich die Richter immer wieder bemüht, ihre Argumentationen mehr oder weniger gründlich aus einer zeitgemäßen Interpretation der niederländischen Quellen zu entwickeln. In Chatwin v. Central South African Railways 7 7 bezeichnete Wessels, J., die Auffassung von Voet als „later RomanDutch l a w " 7 8 , ohne freilich zu bemerken, daß sie nicht von dem späteren Van der Kessel geteilt wurde. Als die Appellate Division kurz nach ihrer Errichtung 79 in Mkize v. Martens 80 zum ersten Mal mit der Problematik der Gehilfenhaftung befaßt war, wurde die umstrittene Rechtslage im römisch-holländischen Recht von den einzelnen Richtern ausführlich diskutiert. Angesichts der langjährigen einhelligen Rechtsprechung wurden die Auffassungen von Voet und Pothier als verbindlich für das südafrikanische Recht akzeptiert und die Lohnhaftung, wie sie von Grotius vertreten worden war, verworfen. 81 Von seiner Sachverhaltsgestaltung her erinnert der Fall Mkize v. Martens noch sehr stark an vorindustrielle Zeiten. Der Beklagte war als Transportfahrer, begleitet von seinem Sohn und einem Neffen, mit einer Kutsche und acht Mauleseln unterwegs. Nachdem eines der Tiere abhanden gekommen war, machte er sich auf die Suche und ließ die beiden zwölf- bzw. vierzehnjährigen Kinder zurück, die auf den Wagen acht geben sollten. Als diese sich zur Mittagszeit Essen kochen wollten, entzündeten sie ein Feuer, das sich ausbreitete und Schäden auf dem Grundstück des Klägers anrichtete. Nach Auffassung 77
1909 TH 33. 1909 TH 33, 43. 79 Vgl. dazu im einzelnen Hahlo/Kahn, Union, 249ff. 80 1914 AD 382. 81 Barlow, Vicarious Liability, 89 weist mit Recht darauf hin, daß De Villiers, C.J., die Lohnhaftung fälschlicherweise auf die römische Noxalhaftung zurückführt. Davon abgesehen bewegen sich die Untersuchungen auf wissenschaftlich hohem Niveau. Von einer „most superficial examination of the old authorities" (vgl. Jordaan, Employment Relations, 399) kann keine Rede sein angesichts der Tatsache, daß es sich um eine gerichtliche Entscheidung und nicht um eine akademische Abhandlung handelte und die Positionen von Grotius und Van der Kessel im 20. Jahrhundert ihre Grundlage längst verloren hatten. Noch weniger läßt sich die Entscheidung Feldman (Pty) Ltd v. Mall 1945 AD 733 als Beispiel für die „unwillingness to engage in an analysis of the position in Roman-Dutch law" heranziehen, nachdem die Position von Voet und Pothier seit hundert Jahren in der südafrikanischen Rechtspraxis akzeptiert war. Die Lohnhaftung hat sich in Südafrika auch nicht für außerhalb der Arbeit verübte Schädigungen durchgesetzt. Als einzige Autorität für diesen Ansatz ließe sich mit Barlow (Vicarious Liability, 85) möglicherweise eine Äußerung von Kotzé, J.A., in Estate van der Byl v. Swanepoel 1927 AD 141, 154 anführen, die jedoch auch rein historisch verstanden werden kann. Vgl. im übrigen auch Wessels, J., in April v. Pretorius 1906 TS 824, 826: „According to the old Dutch law the master was not responsible for the acts of his servants to a greater extent than the unpaid wages of the servant. I admit at once that that old law is not the practice that we adopt today." 78
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des Gerichts haftete ein Vater nicht ohne weiteres für das Verhalten seiner Kinder. Wenn er aber seinem Sohn oder Neffen eine Arbeit übertrug, mußte er für die Nachteile aufkommen, die sie in Ausführung der Verrichtung dritten Personen zufügten. Für die Bezeichnung des funktionalen Haftungszusammenhangs wurden drei unterschiedliche Wendungen als gleichwertige Umschreibungen akzeptiert, die von der Rechtsprechung seitdem regelmäßig zitiert werden: Die Passage von Voet „in the duty or employment (in officio aut ministerio) set them"; die übersetzte Äußerung von Pothier „in the exercise of the functions to which he is appointed"; und die Formulierung aus dem englischen common law „in the course/scope of employment." 8 2 Die Haftung wurde im Ergebnis bejaht, da die Jungen für die Ausführung ihrer Pflichten eine Mahlzeit benötigten und ihr Verhalten daher vernünftigerweise vorhersehbar war. Die Rechtsprechung ging folglich davon aus, daß eine zeitgemäße Fortbildung der römisch-holländischen Quellen zu einem Ansatz in Übereinstimmung mit dem englischen Recht führen würde, das nicht einfach unter Vortäuschung romanistischer Gelehrsamkeit übernommen wurde. Neben Mkize v. Martens wird dieser Befund auch durch die nächste einschlägige Appellate Division-Entscheidung, Estate van der Byl v. Swanepoel 83 aus dem Jahre 1927, bestätigt. Die folgende Äußerung von Kotzé, J.A., über den Ursprung beider Regelungen verdient dabei angesichts der Untersuchungen in den vorangegangenen Kapiteln besondere Hervorhebung: „I am aware that more recently the view has been advanced that the doctrine of a master's liability for the negligence of his servants, acting within the scope of their duty, is foreign to the principles of Roman and Roman-Dutch law, and is entirely based on the law of England. Such a view is a mistaken one, and rests on a misconception of the true development of the Roman-Dutch law and of the English law; for the source of the master's liability for the negligence of those whom he keeps and employs in his service is, as already stated, derived from the Corpus Iuris." 84
IV. Nebenwirkungen der Anglisierung: Rechtsunsicherheiten zwischen vicarious liability und dem Vertragsrecht Eine deutliche Anglisierung läßt sich auf der Ebene der Appellate Division erst seit der Entscheidung Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald 8 5 wahrnehmen, die ungeachtet ihrer praktischen Bedeutung 82 83 84 85
1914 AD 382, 389 f., 393 f. 1927 AD 141. 153. 1931 AD 412.
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nach zutreffender Literaturmeinung nicht als „model of judicial lucidity" 8 6 bezeichnet werden kann. 87 Das Urteil leitete eine Entwicklung ein, die sich in Ansätzen bereits im Rahmen des englischen common law abgespielt hatte, im südafrikanischen Privatrecht aber über die Grundsätze der vicarious liability hinausgehend weiterreichende Fragen aufgeworfen hat. Wie sich gezeigt hat, wird in England zur Abgrenzung eines Gehilfen von einem unabhängigen Unternehmer auf die Unterscheidung zwischen einem contract of service und einem contract for services Bezug genommen. Auf ähnliche Weise wurde auch in Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald zur Bestimmung der employer-employee relationship durch Chief Justice De Villiers die Frage nach dem Bestehen eines förmlichen Dienstvertrages aufgeworfen. Seit dieser Zeit ist in der Rechtsprechung der Appellate Division eine wechselseitige Beeinflussung beider Konzepte zu beobachten, die neben Problemen bei der Interpretation des Dienstvertrages auch zu Unklarheiten im Bereich anderer römisch-holländischer Vertragstypen, wie dem Auftrag („mandatum") oder Werkvertrag („locatio conductio operis"), Anlaß gegeben hat. Diese für das Verständnis der Gerichtsurteile wichtigen Zusammenhänge sollen vor der Darstellung der modernen Haftungsgrundsätze anhand einiger wichtiger Urteile analysiert werden. Vor dem Hintergrund der Europäisierung der Rechtswissenschaften verdient die angesprochene Problematik besondere Aufmerksamkeit, da sie ein Phänomen aufzeigt, das auch im Rahmen eines künftigen ius commune häufiger begegnen könnte: Die Erfahrungen im Kontext der südafrikanischen vicarious liability zeigen, daß mit der Einführung bestimmter rechtlicher Teilregelungen möglicherweise unerwartete Fernwirkungen in anderen Rechtsgebieten verbunden sind. Die Entwicklung gibt Anlaß zu der Vermutung, daß die Rezeption rechtlicher Vorschriften sich nicht hermetisch auf bestimmte Aspekte begrenzen läßt, sondern sich regelmäßig auch auf das Verständnis verwandter Fragestellungen auswirkt.
1. Locatio conductio operarum und locatio conductio operis Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald In Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald 8 8 war der Vertreter einer Lebensversicherung mit der Aufgabe betraut worden, Vertragsangebote einzuholen, Versicherungsprämien einzukassieren und poten86
Barlow, Vicarious Liability, 95. Die Entscheidung hat in der Folge zu verschiedenen Interpretationen Anlaß gegeben, vgl. etwa Crafford v. N'Dimandi 1962 (2) PH Ο 36 (K); Singh v. Provincial Insurance 1963 (3) SA 712 (N); siehe auch Brand, Die Aanspreeklikheid van die Motoreienaar, 103 ff. 88 1931 AD 412. 87
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tielle Klienten medizinisch untersuchen zu lassen. Seine Bezahlung erhielt er in Form von Kommissionen, die Ersatz für Unkosten einschlossen. Nach den vertraglichen Vereinbarungen war er berechtigt, nebenher weiteren Tätigkeiten in einem anderen Berufsfeld nachzugehen. Ebenso war ihm der Umfang der Arbeit freigestellt und auch in der Ausübung unterlag er nicht der Kontrolle der Versicherung. Als er sich auf dem Rückweg von einer medizinischen Untersuchung bei einem Kunden befand, verursachte er unterwegs einen Unfall, wodurch der behandelnde Arzt, der als Beifahrer im Wagen anwesend war, Verletzungen erlitt. Nach Auffassung der Appellate Division mußte die Versicherung nicht für das Verschulden des Agenten einstehen. Die Herausarbeitung der genauen Entscheidungsgründe bereitet Schwierigkeiten, da zum einen die einschlägigen Begriffe, wie master, servant, principal, agent oder independent contractor, in verschiedenen Bedeutungen verwandt wurden und zum anderen die Urteilsbegründungen der einzelnen Richter (die offensichtlich in unterschiedlichem Maße englischen Einfluß unterlagen) stark voneinander abwichen. Wenig durchsichtig erscheint zunächst der Standpunkt von Wessels, J.A., nach dessen Auffassung es in einer komplexen Gesellschaft die verschiedensten Formen von „agency" gibt. 8 9 Bezogen auf die Problematik der vicarious liability zählte er drei Kategorien auf. Eine strikte Haftung für das Verhalten eines anderen könne entstehen, wenn das Verhältnis der Parteien eng und intim ist („close and intimate"), wie im Fall eines Hausangestellten, oder wenn der Geschäftsherr aufgrund eines Dienstvertrages ein Recht zur Ausübung von Kontrolle besitzt. 90 Über diese beiden Rubriken hinaus könne es nur in einer weiteren Konstellation zu einer entsprechenden Verantwortlichkeit kommen, die Wessels, J.A., allerdings wiederum in zwei Fälle untergliedert: ,,[W]here ... the wrong is attached to the very business the agent is transacting for his principal, there the liability of the principal is clear. It is upon this principle that a principal is always liable for the fraud or misrepresentation of his agent" 91 , wie Wessels ausführt. Darüber hinaus sei eine Haftung denkbar, „where the means and manner of carrying out the agency are laid down by the principal, and the agent carries out the instructions of his principal and in doing so does a wrong to a third party." 9 2 Möglicherweise hatte Wessels, J.Α., in seinen Ausführungen die englische Unterscheidung zwischen servants und independent contractors und die zusätzlichen Sonderfälle, in denen ein principal für das Verhalten eines agent einstehen muß, im Auge. Sichere Aussagen lassen sich zu seiner Position (über das Ergebnis der Entscheidung hinaus) allerdings nicht treffen. 89 90 91 92
1931 AD 1931 AD 1931 AD 1931 AD
22 Wicke
412, 438. 412, 438 f. 412, 442. 412, 442.
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Nicht viel deutlicher sind die Erörterungen von Roos, J.A., der zwischen einer master and servant relationship im weitesten Sinne (die nicht nur die Haushaltsangehörigen des Geschäftsherrn erfaßt, sondern sämtliche Angestellte) und einem „ordinary agent" unterscheidet. 93 Im Hinblick auf einen solchen gewöhnlichen Agenten käme eine Haftung des Auftraggebers nur in Betracht, wenn das Delikt verursacht wurde „in obtaining the result which the principal authorised him to obtain." Als Beispiel führt er den Fall von „misrepresentations and frauds by which the agent has obtained the advantage for his principal" auf. Die Äußerung bezieht sich möglicherweise auf die Situation des Stellvertreters, der eine Täuschung in Ausübung der Vollmacht verübt. 94 Außerhalb der master and servant relationship scheint nach Auffassung von Roos, J.A., eine Haftung zumindest für physisch herbeigeführte Beeinträchtigungen, wie in dem zu entscheidenden Sachverhalt, auszuscheiden. Die klarste und ausstrahlungskräftigste Urteilsbegründung wurde durch Chief Justice De Villiers geliefert. Als erster südafrikanischer Richter hat er die englische Unterscheidung zwischen servants und independent contractors in ihren historischen Gründen untersucht und verbunden mit dem Kontrollkriterium als Abgrenzungsmerkmal ausdrücklich für das südafrikanische Recht übernommen. Etwaige Ausnahmefälle, in denen ein principal darüber hinausgehend für das Verhalten eines agent einstehen muß, diskutiert De Villiers, C.J., nicht. Von besonders nachhaltiger Wirkung ist die Wortwahl, mit der er die Trennungslinie zwischen servant und independent contractor umschreibt. In Übereinstimmung mit der englischen Unterteilung zwischen contract of service und contract for services macht er die Grenzziehung an verschiedenen Vertragstypen fest, die er allerdings durch römisch-holländische Nomenklatur umschreibt: „The contract between master and servant is one of letting and hiring services (locatio conductio operarum) whereas the contract between the principal and a contractor is the letting and hiring of some definite piece of work (locatio conductio operis) ... The crucial difference between these two cases lies in the fact that where a master engages a servant to work for him the master is entitled under the contract to supervise and control the work of the servant." 95 Der römisch-holländische Dienstvertrag, locatio conductio operarum, wurde damit zum Tatbestandsmerkmal der vicarious liability erhoben. Als entscheidendes Abgrenzungskriterium gegenüber dem Werkvertrag (locatio conductio operis) verlangt De Villiers, C.J., nach englischem Vorbild die Kontrolle des Geschäftsherrn, die nicht vorliegt „unless the master not only has the right to prescribe to the workman what work has to be done, but 93 94 95
1931 AD 412, 427. Vgl. dazu schon Ravene Plantations Ltd v. Estate Abrey 1928 AD 143. 1931 AD 412, 433.
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also the manner in which that work has to be done." 9 6 Da die Versicherungsgesellschaft die Ausführung der Arbeit des Agenten nicht im einzelnen überwachen konnte, war eine Haftung für die Verletzungen des Arztes ausgeschlossen. In der Folgezeit wurde die Colonial Mutual Entscheidung, über die Haftung für Verrichtungsgehilfen hinaus, in sämtlichen Fällen als bindende Autorität herangezogen, in denen es um das Vorliegen eines Dienst- oder Arbeitsvertrages ging. Auf diese Weise ergab sich im südafrikanischen Recht durch wechselseitige Bezugnahme in den Gerichtsurteilen eine vergleichbare Beeinflussung zwischen vicarious liability und anderen rechtlichen Kontexten wie dem Unfallversicherungsrecht 97, wie dies im Rahmen des englischen Rechts zu beobachten war. 9 8 Neben Interpretationsschwierigkeiten in der Frage der Haftung für Verrichtungsgehilfen hatte die Einbeziehung der locatio conducilo operarum in das Konzept der vicarious liability in der weiteren Entwicklung noch andere Auswirkungen, die sich vor allem im Bereich des südafrikanischen Vertragsrechts zeigen sollten.
2. Das Verhältnis der deliktischen employer-employee relationship zum Dienstvertrag im allgemeinen Im Hinblick auf das Verhältnis der deliktischen employer-employee relationship zu den Voraussetzungen des Dienstvertrages (locatio conductio operarum) lassen sich im südafrikanischen Privatrecht heute drei unterschiedliche Auffassungen ermitteln. Nach der ersten Ansicht handelt es sich um identische Begriffe. 99 Einer weiteren Meinung zufolge ist das Bestehen eines Dienstvertrages eine hinreichende, aber keine notwendige Voraussetzung für die Annahme einer deliktischen employer-employee relationship, die auch in Abwesenheit vertraglicher Vereinbarungen gegeben sein kann. 96
1931 AD 412, 435. Nach römischem Recht hat sich der Werkvertrag vom Dienstvertrag dadurch unterschieden, daß der conductor (Unternehmer) dem locator (Besteller) statt einer bloßen Tätigkeit einen durch Tätigkeit herbeizuführenden Erfolg erbringen sollte, vgl. Honsell/Mayer-Maly/Selb, RR, 328. Gemäß der Auffassung von Joubert, J.A., in Smit v. Workmen's Compensation Commissioner 1979 (1) SA 51 (A) 58 ff. ist Kontrolle bereits im römisch-holländischen Recht als eines von mehreren unterschiedlichen Abgrenzungskriterien angesehen worden. 97 Vgl. etwa R v. Feun 1954 (1) SA 58 (T); Smit v. Workmen's Compensation Commissioner 1979 (1) SA 51 (A); Minister van Polisie en 'η Ander v. Gamble en 'n Ander 1979 (4) SA 759 (A); Mtetwa v. Minister of Health 1989 (3) SA 600 (D). 98 S. o., § 5 II 1 a. 99 Vgl. beispielsweise Neethling/Potgieter/Visser, Deliktereg, 363; De Villiers, C.J., in Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412, 433; Gibbins v. Williams, Müller Wright & Mostert Ingelyf en Andere 1987 (2) SA 82 (Τ). 22*
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Wenn die Parteien aber einen Vertrag geschlossen haben, muß es sich um eine locatio conductio operarum handeln, um vicarious liability begründen zu können. 1 0 0 Die dritte Position geht in dieser Hinsicht schließlich noch einen Schritt weiter und hält den Dienstvertrag und die employer-employee relationship im Rahmen der vicarious liability auch insoweit für unterschiedliche Konzepte, daß letztere selbst bei Bestehen eines anderen Vertrages als einer locatio conductio operarum zwischen den Parteien zur Anwendung kommen kann. Der Hauptvertreter dieses Ansatzes ist der Autor eines 1983 erschienen Buches zur vicarious liability, Scott 1 0 1 , der ein „werkgewer-werknemerverhouding in die ruimer betekenis van die begrippe" 1 0 2 in Situationen annimmt ,,[w]aar die opdragnemer kragtens 'n kontrak met die opdraggewer, verplig is om sekere werk te doen sonder dat hy as dienskontraktuele werknemer van die opdraggewer aangemerk kan word ."103 Diese Auffassung übersieht jedoch, daß die Begriffe employer und employee (bzw. master und servant oder werkgewer und werknemer) - anders als in der langen englischen Rechtsgeschichte - von den südafrikanischen Gerichten nicht in einem derart weiten Bedeutungsspektrum verwendet worden sind. Schwierigkeiten bereitet überdies die Frage, wie sich der Ansatz von Scott mit dem Grundsatz vereinbaren läßt, daß eine Haftung des Geschäftsherrn für das Verhalten eines unabhängigen Unternehmers grundsätzlich ausscheidet. Der Begriff des Verrichtungsgehilfen im Rahmen der vicarious liability und die locatio conductio operarum haben sich in der Rechtsentwicklung vielmehr wechselseitig geprägt, so daß bei Bestehen vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien ein Dienstvertrag vorliegen muß, um von einer deliktischen employer-employee relationship sprechen zu können. 1 0 4 Wie sich an Entscheidungen wie Mkize v. Martins demonstrieren läßt 1 0 5 , ist ein Vertrag jedoch keine zwingende Voraussetzung für das 100
In diesem Sinne vgl. McKerron, Delict, 90ff.; siehe ferner Rodrigues and Others v. Alves and Others 1978 (4) SA 834 (A). 101 Middellike Aanspreeklikheid in die Suid-Afrikaanse Reg - Middellike Aanspreeklikheid en die Risiko-Aanspreeklikheidsbeginsel. 102 Ein Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnis im weiteren Sinne des Wortes. 103 (In Situationen, in denen der Auftragnehmer aufgrund eines Vertrages mit dem Auftraggeber verpflichtet ist, eine bestimmte Arbeit zu verrichten, ohne daß er als dienstvertraglicher
Arbeitnehmer
des Auftraggebers angesehen werden kann).
Vgl. Middellike Aanspreeklikheid, 90ff. (meine Hervorhebung). Bei Vorliegen eines Dienstvertrages kommt freilich auch Scott immer zur Annahme einer deliktischen employer-employee relationship. 104 Siehe dazu im einzelnen unten., § 6 V 1. Ob sich in Zukunft, wie im Rahmen des englischen Rechts erörtert wurde, kontextabhängige Unterschiede in der Einordnung als servant oder independent contractor ergeben werden, läßt sich in diesem Stadium der Entwicklung noch nicht feststellen. In jedem Fall dürfte es sich insoweit um Feinnuancierungen handeln, die sich aus der Abwägung der relevanten Faktoren im Hinblick auf den Normzweck ergeben und keine wirkliche Distanzierung von dem Grundkonzept des Dienst Vertrages bedeuten würden.
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Verhältnis von master und servant. Aus diesem Grund verdient die zweite der genannten Auffassungen Zustimmung: Das Vorliegen eines Dienstvertrages ist für die Annahme einer deliktischen employer-employee relationship ausreichend, aber nicht unbedingt erforderlich. Sofern die Parteien jedoch einen Vertrag geschlossen haben, muß es sich um eine locatio conducilo operarum oder englisch: um einen „contract of service" handeln, um vicarious liability begründen zu können.
3. Kontrolle in Abwesenheit eines Vertrages? Rodrigues and Others v. Alves and Others Für die praktische Rechtsanwendung sind diese Feinabstufungen, die auf den ersten Blick möglicherweise als Haarspalterei erscheinen mögen, von nicht unwesentlicher Bedeutung. In der Analyse der Gerichtsurteile bedarf es einer genauen Prüfung, ob eine employer-employee relationship auf einem Vertrag beruhte oder nicht. Die Vernachlässigung dieser Unterscheidung führt aufgrund der wechselseitigen Beeinflussung von vicarious liability und locatio conducilo operarum zu erheblicher Rechtsunsicherheit, wie sich deutlich anhand von zwei Entscheidungen aus dem Kontext der vicarious liability zeigen läßt. Der erste Fall, Rodrigues and Others ν. Alves and Others 106 , handelt von einer Klage gegen eine Partnerschaft, die sich zum Anbau und Verkauf von Gemüse zusammengeschlossen hatte. Ein früherer Sozius namens Rodrigues, der inzwischen in Ruhestand getreten war, wohnte nach wie vor als Mitpächter auf dem Farmgelände und half aus Langeweile gelegentlich ohne besondere Bezahlung bei der Bestellung der Pflanzen und der Beaufsichtigung der angestellten Arbeiter mit. Als er sich eines Tages derart die Zeit vertrieb, geriet ihm versehentlich ein Feuer außer Kontrolle, das Schäden auf dem benachbarten Grundstück des Klägers verursachte. Nach Auffassung der Appellate Division mußten die Partner für das nachlässige Verhalten von Rodrigues einstehen. Die Urteilsbegründung weist eine Reihe von Schwächen auf, die hauptsächlich darauf zurückzuführen sind, daß das Gericht in der Begründung nicht hinreichend Aufmerksamkeit auf das Fehlen vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien richtete. Obwohl feststand, daß Rodrigues zur Zeit der Deliktsbegehung selbst dem Unternehmen nicht mehr als Sozius angehörte, war dieser Gesichtspunkt nach der Auffassung von Viljoen, A.J.A., für die Entscheidung unerheblich. Im Hinblick auf die vicarious liability einer partnership sei nicht entscheidend, ob der Delinquent den Status eines Partners hatte, sondern 105 106
S. o., § 6 III 3. 1978 (4) SA 834 (A).
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vielmehr, ob er das Unrecht in der Eigenschaft eines servant oder eines independent contractor verübt hatte. An dieser (obiter abgegebenen) Äußerung ist zunächst zu kritisieren, daß die Position eines Partners und die Stellung eines Verrichtungsgehilfen prinzipiell inkompatibel erscheinen. Das Gericht lieferte keine überzeugenden Kriterien, unter welchen Umständen ein normalerweise gleichberechtigter Partner in einem besonderen Fall zum servant werden soll. 1 0 7 Hinsichtlich der deliktischen Haftung einer Partnerschaft verdient vielmehr die herrschende Auffassung in der südafrikanischen Rechtsprechung Zustimmung, wonach alle Teilhaber zusammen für sämtliche Delikte einstehen müssen, die einer von ihnen in Ausführung der Firmengeschäfte verübt. 1 0 8 Rechtfertigen läßt sich diese Position (die in England schon seit dem Partnership Act von 1890 geltendes Recht i s t ) 1 0 9 aus der andauernden gemeinschaftlichen Risikoerzeugung der Partner zur Erzielung von Gewinnen. Unabhängig von dem Bestehen einer partnerschaftlichen Verbindung mußte nach der Argumentation des Gerichts festgestellt werden, ob Rodrigues zum maßgeblichen Zeitpunkt als Verrichtungsgehilfe der Beklagten tätig geworden ist. Obgleich Rodrigues wiederholt als „de facto servant" 1 1 0 bezeichnet wurde (da er nicht vertraglich zur Arbeit verpflichtet war), bezog sich Viljoen, A.J.A., in seiner Begründung auf Urteile, in denen ein förmlicher Dienstvertrag zwischen den Parteien geschlossen worden war. 1 1 1 107
Vgl. auch Midgley, Mandate, Agency and Vicarious Liability: Conflicting Principles, 1991 SALJ 419, 425: ,,[I]t is simply inaccurate to say, for example, that a partner may be a servant, a mandatary, an agent or an independent contractor of a partnership." In Deutschland ist es umstritten, ob Gesellschafter Verrichtungsgehilfen im Sinne von § 831 BGB sein können, wenn sie ausnahmsweise nach Weisungen anderer Gesellschafter handeln. Teilweise wird eine Anwendung von § 31 BGB auch auf BGB-Gesellschafter erwogen. Siehe zur Problematik BGHZ 45, 131; Erman/Schiemann, § 831 BGB Rn. 10; Staudinger Kommentar/Belling/Eberl-Borges, § 831 Rn. 66, jeweils m.w.N. 108 Croghan's Executrix v. Whitby & Webber 1904 ΤΗ 101; Blumberg and Sulski v. Brown and Freitas 1922 TPD 130, 142; Holland NO v. Simenhoff 1923 AD 676; African Guarantee and Indemnity Co Ltd v. Thorpe 1932 NPD 559; Pfeffers v. Attorneys, Notaries and Conveyancers Fidelity Guarantee Fund Board of Control 1965 (2) SA 53 (C); Botes v. Van Deventer 1966 (3) SA 182 (A) 206; Taljaard v. S and V A Rosendorf and Venter 1970 (4) SA 48 (O); Clarkson NO v. Gelb and Others 1981 (1) SA 288 (W) 297; Lindsay and Others v. Stofberg NO 1988 (2) SA 462 (C); siehe ferner LAWSA XIX, 319; Bamford, The Law of Partnership and Voluntary Association in South Africa, 62; Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 277. 109 S. o., § 5 IV 5. 110 Vgl. beispielsweise 838D, G, H, 843A. 111 U. a. auf Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412; R v. Feun 1954 (1) SA 58 (T); R v. AMCA Services Ltd & Another 1959 (4) SA 207 (A); Ongevallekommissaris v. Onderlinge Versekerings-Genootskap AVBOB 1976 (4) SA 446 (A).
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Aus diesen Entscheidungen arbeitete er das Kontrollkriterium, das er ausdrücklich im Sinne eines Rechts zur Erteilung von Anordnungen definierte, 1 1 2 als maßgebliches Abgrenzungskriterium heraus. In Abwesenheit eines förmlichen Vertrages bleibt jedoch die Frage nach der Rechtsquelle offen, aus der sich ein Weisungsrecht der Beklagten herleiten ließe. Viljoen, A.J.A., begründete die Annahme des right of control damit, daß Rodrigues die Beschäftigung auf der Farm jederzeit untersagt werden konnte: „ I have no doubt that, if they did not approve of what he was doing they could require of him to desist from busying himself in their affairs." 113 Nach früheren Entscheidungen umfaßte das Kontrollrecht jedoch „not only the right to prescribe the workman what work has to be done, but also the manner in which that work has to be done" 1 1 4 . Die Befugnis, einer anderen Person eine bestimmte Aktivität zu untersagen, ist als Abgrenzungskriterium zwischen einem servant und einem independent contractor jedoch zu unbestimmt bzw. uferlos. Das Versäumnis, die Abwesenheit eines Dienstvertrages deutlich herauszuarbeiten, führte aufgrund der daraus resultierenden Überbetonung des Kontrollrechts im Rahmen von Rodrigues and Others v. Alves and Others zu einer dogmatisch unhaltbaren Entscheidungsbegründung.
4. Bezahlung als Voraussetzung eines Dienstvertrages? Gibbins v. Williams, Muller Wright & Mostert Ingelyf en Andere Umgekehrt wurde die Rodrigues-Entscheidung in der weiteren Rechtsentwicklung als Präzedenzfall im Hinblick auf die Voraussetzungen eines contract of service angesehen, obwohl die Parteien keinerlei vertragliche Vereinbarungen getroffen hatten. Aus der Tatsache, daß der ehemalige Partner unentgeltlich tätig geworden war, wird in einem arbeitsrechtlichen Lehrbuch die folgende Schlußfolgerung gezogen: „In Rodrigues v. Alves ... the Court approved of counsel's concession that remuneration is not an essential requirement of the validity of a contract of employment" 115 Da die Parteien jedoch keinen Vertrag geschlossen hatten, läßt sich die Entscheidung nicht als Grundlage für eine solche Aussage heranziehen. Deutliche Anklänge an diese Sichtweise finden sich auch in der Transvaaler Entscheidung Gibbins v. Williams Müller Wright & Mostert Ingelyf en 112
„In this respect I must point out that the requirement is not that there should be actual control. The requirement relates to the power or right to control" (842). 113 843. 114 Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412, 435. 1,5 Vgl. Rycroft/Jordaan, A Guide to South African Labour Law 35, Fußn. 202 (meine Hervorhebung).
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Andere. 1 1 6 Im Rahmen eines Initiationsrituals an der Potchefstroomer Universität für Höhere Christliche Erziehung war der Kläger zu einem Sprung in ein Schlammbad veranlaßt worden und hatte dabei aufgrund einer Untiefe Verletzungen erlitten, die zu Lähmungen führten. Die Veranstaltung war von den Mitgliedern des Komitees eines Studentenwohnheims organisiert worden. Bevor die neuen Studenten zu dem Sprung in das Schlammbad aufgefordert worden waren, hatten die Organisatoren die Zustimmung des Hausvaters eingeholt, dessen grundsätzlicher Aufsicht sie unterstanden. Die Mitglieder des Wohnheimkomitees waren nach einer vorausgehenden studentischen Wahl durch die Universität ernannt und anschließend, gegen teilweisen Erlaß der Wohnheimmiete und gelegentliche zusätzliche Zahlungen, vertraglich auf der Basis bestimmter Verwaltungsvorschriften beschäftigt worden. Nach der Entscheidung der Transvaal Provincial Division handelte es sich bei diesem Vertrag um einen „contract of service" mit der Folge, daß die Universität für die Fehler in der Organisation des Rituals, die zu den Lähmungen des Klägers geführt hatten, einstehen mußte. In dem Urteil finden sich Anzeichen für eine typologische Bestimmung des Dienstvertrages, wie sie im Rahmen des englischen Rechts zu beobachten waren und sich seit der Entscheidung Ongevallekommissaris v. Onderlinge Versekerings-Genootskap A V B O B 1 1 7 von 1976 auch in Südafrika immer deutlicher herauskristallisierten. 118 Das Gericht diskutierte zum ersten Mal im Kontext der vicarious liability die Möglichkeit, daß bestimmte Merkmale eines Dienstvertrages, wie vor allem das Kontrollkriterium, austauschbar seien und durch das Vorhandensein anderer typischer Elemente kompensiert werden könnten. Als Beispielsfall dafür, daß die fehlende Bezahlung einer Gegenleistung für die Arbeit die Annahme eines contract of service nicht notgedrungen verhindert, wurde (obiter) die Entscheidung Rodrigues and Others ν. Alves and Others aufgeführt. Die Leistung eines Entgelts scheint im südafrikanischen Recht jedoch ungeachtet der typologischen Flexibilisierung nach wie vor eine zwingende Voraussetzung für das Bestehen eines Dienstvertrages zu sein. Die pauschale Gleichsetzung von deliktischer employer-employee relationship und dem contract of service führte daher zu konzeptionellen Verzerrungen im Verständnis des Vertragsrechts: Das Fehlen einer Gegenleistung wurde auf der Grundlage der Rodrigues-Entscheidung fälschlicher Weise nicht als Hindernis für die Annahme eines contract of service angesehen, obwohl die Frage nach dem Vorliegen eines Dienstvertrages in diesem Urteil gar nicht thematisiert worden war. Nach Auffassung des Gerichts entsprachen die Vereinbarungen zwischen den Komiteemitgliedern und der Universität sämtlichen Anforderungen eines 116 117 118
1987 (4) SA 834 (A). 1976 (4) SA 446 (A). Dazu s.u., § 6 V 1 a aa.
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Dienstvertrages. Das Schwergewicht in der Bestimmung des Rechtsverhältnisses wurde trotz der typologischen Anklänge im Ergebnis nach wie vor auf die Kontrolle des Arbeitgebers gelegt: „In 'n groot aantal beslissings het die Howe te make gehad met die vraag of die verhouding onder bespreeking een van werkgewer-werknemer of dan net een van lasgewing of agentuur is, en die mate van beheer was as deurslaggewend beskou by die beoordeling van die vraag." 119
5. Independent contractor, conductor operis, mandatary und agent Über den Dienstvertrag hinaus haben sich Fernwirkungen der vicarious liability noch deutlicher im Bereich anderer Vertragstypen bemerkbar gemacht, in denen eine Person auf Veranlassung eines anderen hin tätig wird. Wie sich zeigte, haben die südafrikanischen Gerichte seit den frühesten Entscheidungen nach englischem Vorbild den Terminus des agent unterschiedslos mit dem Begriff des servant oder independent contractor verwandt. In der Literatur wurde daher formuliert, daß ,,[t]he expression , agency4 is used in such a wide variety of meanings that it cannot be regarded as a term of art denoting a specific branch of the l a w . " 1 2 0 Der unkontrollierte begriffliche Umgang, der zusammen mit bestimmten Teilaspekten der vicarious liability aus dem englischen common law übernommen worden war, setzte sich im südafrikanischen Recht fort und wurde zusätzlich dadurch verkompliziert, daß einerseits die unpräzise Verwendung der Terminologie auf Afrikaans als Rechtssprache übergegangen i s t 1 2 1 und 119
90H. (In einer großen Anzahl von Urteilen waren die Gerichte mit der Frage befaßt, ob das betreffende Verhältnis ein Arbeitgeber/Arbeitnehmer- oder ein Auftrags- bzw. Vertretungsverhältnis war und das Ausmaß der Kontrolle wurde für die Beurteilung der Frage als ausschlaggebend erachtet). 120 LAWSA I, 97; vgl. ferner Kahn, Contract and Mercantile Law, 848 f. Auch die Versuche einer Herausarbeitung unterschiedlicher Kategorien durch Roos, J.A., und Wessels, J.A., in der Colonial Mutual Entscheidung demonstrieren, welche Rechtsunsicherheiten mit der Übernahme des agency-Konzepts verbunden sind. 121 Interessant ist in dieser Hinsicht eine Äußerung von Van Heerden, J., in Boucher v. Du Toit 1978 (3) SA 965 (O) 968: „Dit is egter duidelik dat [V] nie 'n verteenwoordiger van die appellant was in die normale sin dat hy uit hoof de van 'n ooreenkoms volmag gehad het om 'n regshandeling namens die appellant te verrig ... [V] was ook nie 'n lashebber ingevolge 'n lasgewingsooreenkoms wat kontraktuele verpligtinge vir hom meegebring het nie ... Dit kan egter nie kwaad doen om [V] as 'η verteenwoordiger (of lashebber) van die appellant te bestempel nie, mits duidelik verstaan word dat die term gebruik word bloot om aan te dui dat [V] ten behoewe van die appellant op laasgenoemde se aandrang opgetree het." (Es ist aber deutlich, daß V nicht ein Vertreter des Appellanten im dem gewöhnlichen Sinn war, daß er aufgrund einer Übereinkunft Vollmacht hatte, ein Rechtsgeschäft im Namen des Appellanten zu verrichten ... V war auch kein Auftragnehmer infolge eines Auftrags, der vertragliche Verpflichtungen für ihn mitgebracht hätte ... Es ist aber
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andererseits bestimmte römisch-holländische Vertragstypen, die dem englischen Recht fremd sind, in den unklaren Sprachgebrauch miteinbezogen worden sind. Ein independent contractor unterscheidet sich von einem employee grundsätzlich dadurch, daß er sich verpflichtet, ein bestimmtes Werk herzustellen, ohne dabei der Kontrolle des Auftraggebers zu unterliegen. Im römisch-holländischen Recht gibt es zwei Verträge, die diese Merkmale teilen: Die locatio conductio operis (Werkvertrag) und das mandatum (der Auftrag, der im modernen südafrikanischen Recht im Unterschied zu § 662 BGB nicht notwendigerweise unentgeltlich zu sein braucht). 122 Die Terminologie dieser Vertragstypen und die Begriffe des agent und des independent contractor werden im Kontext der vicarious liability mit der gleichen Beliebigkeit verwandt, die sich bereits im Hinblick auf den englischen Sprachgebrauch für sich genommen beobachten ließ. Ein anschauliches Beispiel findet sich in der folgenden Passage aus dem führenden Lehrbuch zum südafrikanischen Deliktsrecht: „The contract of mandate (locatio conductio operis) ... concerns an agreement in terms of which one person also undertakes to render services to another for remuneration without, however, being subject to the control of the other. The contract of mandate, involving as it does an independent contractor, therefore does not found vicarious liability." 123 In der Literatur wurde als möglicher Ausweg aus dieser Unsicherheit vorgeschlagen, daß der Begriff des independent contractor je nach rechtlichem Kontext unterschiedliche Bedeutungen haben könnte. 1 2 4 Während der Terminus im Vertragsrecht lediglich ein Synonym für einen Werkunternehmer (conductor operis) sei, könne er im Deliktsrecht zudem auch auf einen Auftragnehmer (mandatary) oder einen sogenannten „independent agent" deuten. 125 Eine umfassende Klärung der einzelnen Begriffe in den verschieunschädlich, V als Vertreter [oder Auftragnehmer] des Appellanten zu bezeichnen, sofern deutlich verstanden wird, daß der Begriff nur zu dem Zweck verwendet wird, um anzudeuten, daß V zum Vorteil des Appellanten auf dessen Veranlassung hin aufgetreten ist). 122 Vgl. i.e. LAWSA XVII, 3ff.; De Wet/Van Wyk, Kontraktereg en Handelsreg, 386ff.; Joubert, Verteenwoordigingsreg, 182. 123 Neethling/Potgieter/Visser, Delict, 353. Siehe auch Van der Merve/Olivier, Onregmatige Daad, 509 f., die den Verrichtungsgehilfen grundsätzlich nicht von einem Werkunternehmer, sondern von einem Auftragnehmer unterscheiden: „Veral van belang is om daarop te let dat 'η sui wer onderskeid tussen werknemers en lashebbers gehandhaaf moet word." (Vor allem ist es wichtig darauf zu achten, daß eine saubere Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Auftragnehmern zu treffen ist). 124 Kerr, Mandataries, Conductores Operis, 1979 SALJ, 323; derselbe, Law of Agency, 18 ff. 125 Kritisch jedoch Midgley, Mandate, Agency and Vicarious Liability: Conflicting Principles, 1991 SALJ, 419, 425: „A major source of the confusion is the ter-
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denen Kontexten ist für die vorliegende Fragestellung nicht erforderlich. Aufmerksamkeit verdient vielmehr das Phänomen, daß die Rezeption begrenzter rechtlicher Teilaspekte eine unerwartete Eigendynamik entfalten kann, aus der unter Umständen unvorhergesehene Veränderungen in anderen Rechtsbereichen resultieren. Diese Fernwirkungen der Rezeption sind jedoch auch für die ursprüngliche Problematik wichtig, da mit ihnen Rückkoppelungen verbunden sein können: Die geschilderten Veränderungen im Vertragsrecht, die sich aus der Übernahme englischer Elemente ergaben, haben im südafrikanischen Recht wieder auf das Verständnis der vicarious liability zurückgestrahlt. Die Liste der unbestimmten Rechtsbegriffe, die für die Problematik von Bedeutung sind, hat sich zusätzlich verlängert und umfaßt neben employer, employee, master, servant, principal, agent, independent contractor und authority beispielsweise auch Termini wie mandatum oder locatio conductio operis, einschließlich der afrikaanssprachigen Übersetzungen. Da nach südafrikanischem Privatrecht vicarious liability unter bestimmten Voraussetzungen für das Verhalten eines agent, nicht aber im Hinblick auf einen independent contractor eintritt, beide Begriffe sich aber vom Wortsinn her sowohl auf einen conductor operis als auch auf einen Mandatar beziehen können, läßt sich ahnen, welche zusätzlichen Abgrenzungsschwierigkeiten sich auf diese Weise ergeben. Die offensichtliche Gefahr, die mit jeder terminologischen Verwirrung verbunden ist, besteht in einer möglichen Konfusion der zugrundeliegenden rechtlichen Prinzipien. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, wenn sich in der jüngeren südafrikanischen Literatur die folgende pessimistische Einschätzung im Hinblick auf die Grundsätze der vicarious liability findet: ,,[T]he principles are so confused that they are incapable to be reformed. A bold break is required to correct the flaws and modernize the l a w . " 1 2 6 Wie sich zeigen wird, befürwortet auch der Autor des Standardwerks zur „middellike aanspreeklikheid", Scott, in Loslösung von den Grundsätzen der Rechtsprechung, einen dekonstruktivistischen Ansatz in Form eines von ihm näher spezifizierten Risikoprinzips. 127 Nimmt man das gesamte einschlägige Fallmaterial freilich sorgfältig unter die Lupe, so wird deutlich, daß im jetzigen Stadium der Rechtsentwicklung weder ein „bold break" erforderlich ist, noch eine neue Risikotheorie in der Frage der vicarious liability mehr Entscheidungssicherheit leisten würde. Ungeachtet der
minology ... and it is simply inaccurate to say, for example, that a partner may be a servant, a mandatary, an agent or an independent contractor of a partnership. In delict these terms bear no resemblance to their (true) contractual meanings. It is not acceptable to say that for delictual purposes a word has a different meaning.4' 126 Midgley, Mandate, Agency and Vicarious Liability: Conflicting Principles, 1991 SALJ, 419, 425 f. 127 Dazu s.u., § 6 V 1 d bb.
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begrifflichen Unsicherheiten hat sich in der Rechtsprechung im Laufe der Zeit eine Reihe von Grundsätzen herauskristallisiert, die insgesamt eine deutliche englische Orientierung aufweisen und im folgenden dargestellt werden sollen. 1 2 8
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen südafrikanischen Recht 1. Haftung für employees a) Abgrenzung zwischen employee und independent contractor Die wichtigste Kategorie der vicarious liability ist im modernen südafrikanischen Privatrecht, ähnlich wie im Rahmen des englischen common law, die Haftung des employer für unerlaubtes Verhalten seines employee in Ausführung des Arbeitsverhältnisses. Wie dargestellt, wurde seit dem höchstrichterlichen Urteil in Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald 1 2 9 zur Bestimmung der Verantwortlichkeit eine Unterscheidung zwischen servants und independent contractors (bzw. zwischen einem Dienst- und einem Werkvertrag) getroffen. Gleichzeitig war das Kontrollrecht des Arbeitgebers über seine Angestellten zu einem zwingenden Abgrenzungskriterium erhoben worden. „The man whom the law regards as master must have a right of control over the other party, and if he does not possess this right he cannot be termed master", wie in der Literatur daher formuliert wurde. 1 3 0 Die Ausstrahlungskraft dieses Ansatzes zeigte sich noch bis in die jüngste Zeit, wenn in Rechtsprechung und Schrifttum die Kontrolle des Geschäftsherrn im Rahmen der vicarious liability immer wieder als maßgebliches Unterscheidungsmerkmal erachtet wurde. 1 3 1 Zwanzig Jahre nach dem Erlaß der Colonial Mutual-Entscheidung hatte sich in der südafrikanischen Rechtsprechung jedoch ein Prozeß allmählicher Aufweichung des control test bemerkbar gemacht, der in der Entscheidung Smit v. Workmen's Compensation Commissioner 132 von 1979 nach englischem Vorbild zur Annahme eines typologischen Ansatzes führte. Das Kon128
Vgl. jetzt auch Wicke, Vicarious Liability: Not Simply a Matter of Legal Policy, 1998 Stellenbosch Law Review, 2Iff. 129 1931 AD 412. 130 Barlow, Vicarious Liability, 98. 131 Vgl. Joubert, Verteenwoordigingsreg, 181; Mureinik, The Contract of Service: An Easy Test for Hard Cases, 1980 SALJ, 246, 247 Fußn. 6; Gibbins v. Williams, Müller Wright & Mostert Ingelyf en Andere 1987 (2) SA 82 (T); R H Johnson Crane Hire v. Grotto Steel Construction 1992 (3) SA 907 (C). 132 1979 (1) SA 51 (A).
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trollkriterium wurde folglich abgeschwächt zu einem von mehreren Indizien, die im Rahmen eines umfassenden Abwägungsvorganges zu berücksichtigen sind. Da die Entscheidung dem Unfallversicherungsrecht entstammte, war es über einen längeren Zeitraum hinweg zweifelhaft geblieben, inwieweit diese Interpretation des Dienstvertrages auch für die Problematik der Haftung für Verrichtungsgehilfen Gültigkeit besitzen würde. 1 3 3 Zu einer letztverbindlichen Klärung der Frage kam es erst im Jahre 1998 durch das Urteil des Supreme Court of Appeal 1 3 4 in Midway Two Engineering & Construction Services ν. Transnet B p k . 1 3 5
aa) Einführung des „dominant impression test" in das südafrikanische Recht Smit v. Workmen's Compensation Commissioner Ein früher Schritt zur Aufweichung des Kontrollkriteriums war bereits in der Entscheidung R v. Feun von 1954 unternommen 136 worden, in der es um den Begriff des „employee" im Rahmen bestimmter unterhaltsrechtlicher Vorschriften ging. Unter Bezugnahme auf Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald hatte Roper, J., darin formuliert: „Complete control in every respect is ... not essential to the master-and-servant relationship, and some degree of freedom from control is not incompatible with the relationship." 137 Der Lockerungsprozeß setzte sich in einer Reihe von Urteilen fort, bis Joubert, J.A., in der (soeben erwähnten) Entscheidung Smit v. Workmen's Compensation Commissioner eine gründliche Analyse des Dienstvertrages im römischen und römisch-holländischen Recht unternahm und zu dem folgenden Ergebnis kam, das aufgrund der nachhaltigen Bedeutung für die Rechtsentwicklung in seiner vollen Länge zitiert werden soll: „Insofar as the above dictum of De Villiers, C.J., 138 regards the presence of the employer's right of supervision and control over the employee as an indispensable requirement for the existence of a contract of service (locatio conductio ope133
Vgl. Silke, Agency, 26: ,,[T]he control test is still the pre-eminent test where vicarious liability is at issue." 134 Mit Wirkung zum 07.02.1997 wurde die vormalige „Appellate Division" durch die Verfassung der Republic of South Africa umbenannt in „Supreme Court of Appeal", vgl. Act 108 von 1996. 135 1998 (3) SA 17 (SCA). 136 1954 (1) SA 58 (T). 137 61A. Diese Formulierung wurde übernommen in der Entscheidung Goldberg v. Durban City Council 1970 (3) SA 325 (N), in der es um section 15 (2) des „Magistrates' Courts Act" 32 von 1944 ging. Siehe aber noch Secretary for Inland Revenue v. Somers Vine 1968 (2) SA 138 (A); Padayachee v. Ideal Motor Transport 1974 (2) SA 565 (N).
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rarum) as distinct from a contract of work (locatio conductio operis) it must with due respect be qualified. The presence of such a right of supervision and control is indeed one of the most important indicia that a particular contract is in all probability a contract of service. The greater the degree of supervision and control to be exercised by the employer over the employee the stronger the probability will be that it is a contract of service. On the other hand, the greater the degree of independence from such supervision and control the stronger the probability will be that it is a contract of work ... Notwithstanding its importance the fact remains that the presence of such a right of supervision and control is not the sole indicium but merely one of the indicia, albeit an important one, and that there may also be other important indicia to be considered depending upon the provisions of the contract in question as a whole. In many cases it is comparatively easy to determine whether a contract is a contract of service and in others whether it is a contract of work but where these two extremes converge together it is more difficult to draw a borderline between them. It is in marginal cases where the so-called dominant impression test merits consideration." 139 In Grenzfällen ist demnach der Gesamteindruck sämtlicher Faktoren, die für oder gegen das Bestehen eines Dienstvertrages sprechen, für die Bewertung maßgeblich. Neben der Kontrolle des Geschäftsherrn sind in der südafrikanischen Rechtsprechung beispielsweise die Natur der Arbeit, die Handlungsfreiheit des Angestellten, die finanziellen Verhältnisse, ein etwaiges Entlassungsrecht, die Pflicht zur persönlichen Erbringung der Leistung, die Eigentumsverhältnisse an den Arbeitsgeräten, Zeit und Ort der Verrichtung sowie die Absichten der Parteien als weitere Indizien in die Abwägung miteinbezogen worden. 1 4 0 Der sogenannte „Organisations-" oder „Integrationstest", wonach entscheidend ist, ob die handelnde Person in den 138 Gemeint ist die oben zitierte Passage aus der Entscheidung Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald 1931 AD 412, 433. 139 1979 (1) SA 51 (A) 62C-H. Vgl. auch schon Rabie, J.A., der in Ongevalle Kommissaris v. Onderlinge Versekerings-Genootskap AVBOB 1976 (4) SA 446 (A) 456 formulierte, „dat die kwessie van beheer gewoonlik die sterkste oorweging is by die beslissing van die vraag of 'η besondere verhouding die van heer en dienaar is of nie, maar dat daar ook ander geldige oorwegings kan wees en dat elke besondere geval in die lig van sy eie omstandighede beslis moet word" (daß die Frage nach der Kontrolle gewöhnlich die wichtigste Überlegung bei der Untersuchung ist, ob ein bestimmtes Verhältnis dem von Geschäftsherrn und Gehilfen entspricht, daß es aber auch andere relevante Überlegungen geben kann und daß jeder besondere Fall im Licht seiner spezifischen Umstände entschieden werden muß). Auf Seite 457 fährt Rabie, J.A., fort: ,,[W]aar 'n verhouding elemente van sowel 'n diensverhouding as van 'n ander soort verhouding het, 'n mens moet probeer vasstel welke soort verhouding die sterkste uit all die feite spreek, of ... wat die .dominante indruk is wat die kontrak op 'n mens maak.'" (Wenn ein Verhältnis sowohl Elemente eines Dienstverhältnisses, als auch Elemente eines anderen Verhältnisses hat, muß man versuchen festzustellen, welche Art des Verhältnisses am stärksten aus den Umständen hervorsticht, oder welches der „dominante Eindruck" ist, den der Vertrag auf den Betrachter macht). Siehe ferner Lichaba v. Shield Versekeringsmaatskappy Bpk. 1977 (4) SA 623 (O) 635.
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Betrieb oder in das Unternehmen des Geschäftsherrn eingegliedert i s t 1 4 1 (und der im englischen wie im deutschen Recht für die Bestimmung der Gehilfeneigenschaft von Belang ist), wurde demgegenüber von Joubert, J.A., als zu unbestimmt zurückgewiesen: ,,[T]he organisation test is juristically speaking of such a vague and nebulous nature that more often than not no useful assistance can be derived from i t . " 1 4 2 bb) Der typologische Ansatz im Rahmen der vicarious liability Wie sich aus einem späteren Urteil sicher ergibt, beschränkte sich Joubert, J.A., in seinen Ausführungen nicht auf den besonderen Kontext des Unfallversicherungsrechts, sondern bezog sich gleichzeitig auf andere Zusammenhänge, in denen der Dienstvertrag relevant ist, wie namentlich die Problematik der vicarious liability. 1 4 3 Ungeachtet dessen hat die Rechtsprechung den „dominant impression test" im Kontext der Haftung für Verrichtungsgehilfen zunächst nur zögerlich aufgenommen 144 , und in der Literatur wurde unzweideutig formuliert: ,,[T]he control test is still the pre-eminent test where vicarious liability is at issue." 1 4 5 Der Nachklang von 140
Vgl. etwa Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412, 443; R v. Feun 1954 (1) SA 58 (T) 60f.; Auto Protection Insurance Co Ltd v. MacDonald (Pty) Ltd 1962 (1) SA 793 (A) 797f.; Ongevallekommissaris v. Onderlinge Versekerings-Genootskap AVBOB 1976 (4) SA 446 (A) 456f.; Gibbins v. Williams, Muller Wright and Mostert Ingelyf en Andere 1987 (2) SA 82 (T); ferner Mureinik, The Contract of Service: An Easy Test for Hard Cases, 1980 SALJ, 246, 260. 141 Dazu s. ο., § 5 II 1 d, insbesondere die Äußerung von Denning, L.J., in der Entscheidung Stevenson Jordan and Harrison Ltd v. MacDonald & Evans [1952] 1 TLR 101, 111. Im Rahmen des südafrikanischen Rechts vgl. dazu vor allem Mureinik, The Contract of Service: An Easy Test for Hard Cases 1980 SALJ, 246; ferner R v. AMCA Services Ltd & Another 1959 (4) SA 207 (A); S ν. AMC A Services (Pty) Ltd 1962 (4) SA 537 (A). 142 63E-G. Vgl. aber Kerr, Law of Agency, 46: „When a court has to take all the circumstances into account it should not dismiss just one of the possible tests as being of no service - if no test which can be described as ,vague' is to be considered the control test should be the first to be disregarded." 143 Vgl. Minister van Polisie en 'n Ander v. Gamble en 'n Ander 1979 (4) SA 759 (A), insbesondere 765. 144 Vgl. insbesondere Gibbins ν. Williams Müller Wright & Mostert Ingelyf en Andere 1987 (2) SA 82 (T); ferner FPS Ltd v. Trident Construction (Pty) Ltd 1989 (3) SA 537 (A) 543A: „As was pointed out by Joubert, J.A., in Smit v. Workmen's Compensation Commissioner: ,The greater the degree of supervision and control to be exercised by the employer over the employee the stronger the probability will be that it is a contract of service.'" 145 Silke, Agency, 26. Siehe auch Conradie, J., in RH Johnson Crane Hire Steel Construction 1992 (3) SA 907 (C) 909G-H: „Power of control is at any rate in the field of delict, the prime characteristic of the master and servant relationship."
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Entscheidungen wie Rodrigues and Others ν. Alves and Others, die etwa zeitgleich mit dem Smit-Urteil erlassen worden waren und das Kontrollrecht des Geschäftsherrn als unentbehrliches Merkmal der Einstandspflicht in den Vordergrund gestellt hatten, war anfangs vermutlich noch zu laut, um eine langjährige herrschende Rechtsauffassung ohne weiteres außer acht zu lassen. Zu einem ersten Durchbruch des modernen typologischen Ansatzes kam es für die Frage der vicarious liability im Rahmen der Haftung von Krankenhäusern für das medizinische Personal und damit bemerkenswerterweise in dem gleichen Kontext, in dem in England die Grenzen des Kontrolltests am frühesten sichtbar geworden waren. Die südafrikanischen Gerichte hatten in dieser Frage in Anlehnung an die englische Rechtsprechung traditionell eine Unterscheidung zwischen der Ausübung administrativer und professioneller Aktivitäten getroffen und entsprechend der Kontrolle der Krankenhausverwaltung nur im ersten Fall eine Haftung für die fachkundige Belegschaft angenommen. 146 Obgleich sich die englische Rechtsprechung in der Zwischenzeit gewandelt hatte, fühlte sich Fannin, J., in der Nataler Entscheidung St. Augustine's Hospital (Pty) Ltd v. Le Breton 1 4 7 aus dem Jahre 1975 unter dem Eindruck des Colonial Mutual Urteils nach wie vor an diesen Ansatz gebunden und wies die Klage gegen ein Krankenhaus durch eine Patientin ab, die wegen der fahrlässigen Beaufsichtigung durch die verantwortliche Krankenschwester einen Knochenbruch erlitten hatte. Vierzehn Jahre später wurde die Problematik erneut in der Entscheidung Mtetwa v. Minister of Health von 1989 aufgeworfen. 148 Die Klägerin lag wegen Verdachts auf Tuberkulose in einem Krankenhaus, das dem Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsministers unterstand. Im Verlauf der Behandlung verordnete ihr einer der behandelnden Ärzte aus Versehen ein falsches Medikament, das zu nachteiligen Nebenwirkungen führte. Ihre Schadensersatzklage war erfolgreich. Das Nataler Gericht dehnte die Anwendbarkeit der vicarious liability auf die Ausübung professioneller Pflichten des medizinischen Fachpersonals aus und stützte sich zur Begründung auf den typologischen Ansatz, wie er von Joubert, J.A., in Smit v. Workmen's Compensation Commissioner formuliert worden war: „The degree of supervision and control which is exercised by the person in authority over him is no longer regarded as the sole criterion to determine whether someone is a servant or something else. The deciding factor is the intention of the parties to the contract which is to be gathered from a variety of facts and factors. Control is merely one of the indicia to determine whether or not a person is a servant or an independent worker." 149 146
Vgl. insbesondere Lower Umfolosi District War Memorial Hospital v. Lowe 1937 NPD 31; Hartl v. Pretoria Hospital Committee 1915 TPD 336. 147 1975 (2) SA 530 (D). Siehe auch die Urteilsanmerkung von Van der Walt, 1976 THRHR, 399. 148 1989 (3) SA 600 (D).
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cc) Der ausgeliehene Gehilfe Nach einigen zögerlichen Andeutungen in früheren Urteilen 1 5 0 hat die Entscheidung Mtetwa v. Minister of Health dem dominant impression test daher im Kontext der vicarious liability zum Durchbruch verholfen. Eine Bestätigung dieses Ansatzes auf der Ebene des höchsten südafrikanischen Gerichts ließ freilich noch einige Jahre auf sich warten und so konnte es nicht ausbleiben, daß der control test sich in einer besonderen Fallkonstellation bis in die jüngste Zeit gehalten hat. Wie in England (seit der oben besprochenen Entscheidung in Mersey Docks and Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) L t d 1 5 1 aus dem Jahre 1947) hat auch in Südafrika die Weisungsbefugnis des Geschäftsherrn in der Problematik des ausgeliehenen Gehilfen zunächst für eine gewisse Dauer als maßgebliches Abgrenzungskriterium überlebt. In dem 1992 ergangenen Urteil R H Johnson Crane Hire v. Grotto Steel Construction 152 hatte der Kläger einen Kran zusammen mit einem Fahrer an den Beklagten vermietet, dessen Monteur Anweisungen bezüglich der Positionierung von Gegenständen erteilte, aber die Art und Weise des Steuerungsvorgangs nicht beeinflussen konnte. Während des Ladevorgangs fiel der Kran über einen Abgrund und wurde beschädigt. Nach Auffassung der „Cape Provincial Division 44 konnte der Kläger keinen Ersatz für die entstandenen Nachteile beanspruchen. Um die Haftung des Beklagten zu begründen, wäre der Nachweis erforderlich gewesen, daß das Kontrollrecht über die Art der Arbeitsausführung auf ihn übergegangen ist. 1 5 3 Wenn der Monteur auch Instruktionen im Hinblick auf die Positionierung von Gegenständen gab, war der Kranfahrer nach Ansicht 149 605E-G. Anders als in Natal mußten in Transvaal schon seit dem Jahre 1957 Krankenhäuser auch für Pflichtverletzungen ihres fachkundigen Personals in Ausübung professioneller Pflichten einstehen, ohne daß der Konflikt mit dem engen Kontrollkriterium, wie es in der Colonial Mutual Entscheidung begründet worden war, oder die früheren entgegenstehenden Urteile problematisiert wurden, vgl. Esterhuizen v. Administrator Transvaal 1957 (3) SA 710 (T); Dube v. Administrator Transvaal 1963 (4) SA 260 (W); Buls and Another v. Tsatsarolakis 1976 (2) SA 891 (T). 150 Vgl. Gibbins v. Williams, Muller Wright & Mostert Ingelyf en Andere 1987 (2) SA 82 (T) 90 C-Ε; FPS Ltd v. Trident Construction (Pty) Ltd 1989 (3) SA 537 (A) 543B. 151 [1947] AC 1. Dazu s. o., § 5 II 2 a. 152 1992 (3) SA 907 (C). Kritisch hierzu jedoch schon Penrith v. Stuttaford 1925 CPD 154, 158: „But ... [control], owing to the different ways in which that word has been used is an ambiguous phrase, or at all events one of no very crisp and clear import." Zur Problematik vgl. ferner Stadsraad van Pretoria v. Pretoria Pools 1990 (1) SA 1005 (T); McMillan ν. Hubert Davies and Co Ltd 1940 WLD 256; Oosthuizen v. Webb and Kruger 1947 (2) SA 670 (T); King's Transport v. Viljoen 1954 (1) SA 133 (C); Kohlberg v. Uitenhage Municipality 1926 EDL 90; Duigan NO v. Angehrn and Piel 1915 TPD 82. 2
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des Gerichts für die Steuerungsmodalitäten selbst verantwortlich. Conradie, J., betonte in seiner Entscheidungsbegründung, daß bei fachkundigen Arbeitern eine Haftung des vorübergehenden Geschäftsherrn („temporary employer") regelmäßig ausscheiden dürfte: „Generally speaking, it is not easy to demonstrate transfer of control over a skilled worker such as a crane driver since it is that very skill which causes him to be hired out with the crane, and in the exercise of which he relies on his own expertise." 154 Zu einem anderen Ergebnis kam demgegenüber der Supreme Court of Appeal in dem Urteil Midway Two Engineering & Construction Services ν. Transnet Bpk von 1998. 155 Ein Transportunternehmen hatte durch Vertrag von einer Arbeitsvermittlungsfirma 40 Lastkraftfahrer ausgeliehen, da Teile der eigenen Belegschaft wegen Streiks ausgefallen waren. Einer der Fahrer verursachte in Ausführung der vereinbarten Leiharbeit einen Unfall. Nach der Entscheidung des Supreme Court of Appeal mußte das Transportunternehmen und nicht die Arbeitsvermittlungsfirma für die entstandenen Schäden aufkommen. Auf einer grundsätzlichen Ebene erörterte Nienaber, J.A., zu Beginn seiner rechtlichen Ausführungen, daß noch keine uniforme und universelle Formel zur Erklärung des rechtlichen Phänomens der vicarious liability und zur Lösung sämtlicher Problemfälle gefunden worden sei. Verwunderlich sei dieser Zustand freilich nicht: „Dat 'n leerstuk wat met rukke en stote ontwikkel het en op ,rough justice' en ,social p o l i c y ' 1 5 6 gegrond is, nie 'η presiese aanspreeklikheidskriterium oblewer nie, is kwalik verbasend." 1 5 7 Von zentraler Bedeutung ist dabei die Beobachtung von Nienaber, J.A., daß der Kontrolltest in der jüngeren Entwicklung als veraltet, simplizistisch und fiktiv diskreditiert worden sei. 1 5 8 Im konkreten Fall wirke es insbesondere gekünstelt, eine Unterscheidung zwischen dem „Wo", dem „Wann" und der Art und Weise zu treffen, in der die Lastkraftwagen von 153
Neben einigen südafrikanischen Entscheidungen wurde das oben behandelte House of Lords Urteil in Mersey Docks and Harbour Board v. Coggins and Griffith [1947] AC 1 ausführlich diskutiert, vgl. S. 908 f. 154 S. 910. Ein Rückblick auf die südafrikanische Rechtsprechung zur Problematik bestätigt den Befund: Seit den zwanziger Jahren war ein Übergang der Kontrolle mit der Folge einer Haftung des temporary employer nicht mehr angenommen worden. Siehe aber Kohlberg v. Uitenhage Municipality 1926 EDL 90; ferner Addis v. Schiller Lighting and Plumbing Co 1906 TH 210. 155 1998 (3) SA 17 (SCA). 156 (Daß eine Lehre, die sich ruckhaft und stoßweise entwickelt hat und die auf „rough justice" und „social policy" beruht, kein präzises Abgrenzungskriterium liefert, ist kaum verblüffend). Die Begriffe „rough justice" und „social policy" stammen aus der oben erwähnten Passage von Lord Pearce aus dem englischen Urteil Imperial Chemical Industries Ltd v. Shatwell [1965] AC 656, 685, die von Nienaber, J.A., ausdrücklich zitiert wird, vgl. 1998 (3) SA 17 (SCA) 22B-C. 157 1998 (3) SA 17 (SCA) 22D. 158 1998 (3) SA 17 (SCA) 22E.
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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den Fahrern gesteuert worden seien. 159 Vielmehr sei zur Bestimmung der Verantwortlichkeit einem heterogenen Test der Vorzug einzuräumen. Die oben aufgeführte Passage von Joubert, J.A., aus der Entscheidung Smit v. Workmen's Compensation Commissioner wurde von Nienaber, J.A., in voller Länge zitiert und damit der typologische Ansatz verbindlich für den Kontext der middellike aanspreeklikheid akzeptiert: „Alle faktore wat 'n rol kan speel om te bepaal wie as 'n kwessie van billikheid en beleid die nouste met die gevaarskeppende bedrywigheid ... gemoeid is, behoort dus in ag geneem te w o r d . " 1 6 0 In ausdrücklicher Distanzierung von den Urteilen Mersey Docks and Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd und RH Johnson Crane Hire Steel Construction stellte Nienaber, J.A., heraus, daß auch in der Konstellation des geliehenen Arbeitnehmers ein vielschichtiger Test anwendbar sei. Auf den konkreten Fall bezogen wurde entschieden, daß das Transportunternehmen und nicht die Arbeitsvermittlungsfirma zum Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses Kontrolle über den Lastkraftfahrer ausgeübt habe. Darüber hinaus würden auch weitere relevante Faktoren für eine Verantwortlichkeit des entleihenden Arbeitgebers sprechen. Der Fahrer war für alle Zwecke in dessen Betrieb eingegliedert, verrichtete seine Arbeit auf Veranlassung und im Interesse des Transportunternehmens, das Versicherungen für bestimmte seiner Tätigkeiten abgeschlossen hatte und daher am engsten mit dem risikoerzeugenden Ereignis (dem sorgfaltswidrigen Fahren) assoziiert war. Mit dem Urteil des Supreme Court of Appeal in Midway Two Engineering & Construction Services ν. Transnet Bpk wurde der typologische Ansatz zur Bestimmung der Gehilfenhaftung daher verbindlich auf den Kontext der vicarious liability im allgemeinen, wie auch - der englischen Rechtsprechung insoweit einen Schritt voraus - auf die Problematik des geliehenen Arbeitnehmers im besonderen übertragen. Eine rechtliche Entwicklung, die über mehrere Jahrzehnte fortdauerte, ist damit zu einem Abschluß gekommen. 161 159
1998 (3) SA 17 (SCA) 28H. 1998 (3) SA 17 (SCA) 23H (Alle Faktoren, die eine Rolle spielen können bei der Feststellung, wer aus Gründen der Billigkeit und aus rechtspolitischen Erwägungen am nächsten mit dem gefahrstiftenden Ereignis [hier dem Fahren der Lastkraftwagen] assoziiert war, müssen berücksichtigt werden). 161 Zu besonderen Ausführungen der Rechtsprechung hat in der Problematik des ausgeliehenen Gehilfen immer wieder die Frage nach der Beweislast Anlaß gegeben, vgl. schon Penrith v. Stuttaford 1925 CPD 154, 158; ferner Stadsraad van Pretoria v. Pretoria Pools 1990 (1) SA 1005 (T) 1007; sowie jetzt Midway Two Engineering & Construction Services ν. Transnet Bpk. 1998 (3) SA 17 (SCA) 29. In einer weiteren, von der Rechtsprechung diskutierten Fallgruppe, die von geringer praktischer Bedeutung ist, geht es um die Frage, ob ein employer für das Verschulden eines „sub-servant" einstehen muß, der von seinem Gehilfen angestellt worden war. In diesen Fällen spielt der Kontrolltest keine Rolle. Maßgeblich ist vielmehr, 160
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§
Vicarious liability im
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dd) Master and servant relationship in Abwesenheit eines förmlichen Dienstvertrages Wie sich zeigte, sind die master and servant relationship im Kontext der vicarious liability und der contract of service identische Konzepte, soweit die Parteien einen förmlichen Vertrag geschlossen haben. In einigen wenigen Entscheidungen wurde eine Haftung des Geschäftsherrn jedoch angenommen, obwohl die Parteien keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen hatten. 162 Die in Frage stehenden Fälle entsprachen ihrem sozialen Sinngehalt dennoch deutlich den master und servant Konstellationen und nicht den besonderen Situationen, in denen ein principal ausnahmsweise für das Verhalten eines agent aufkommen muß. Die Herausarbeitung der Kriterien, nach denen die Verrichtungsgehilfeneigenschaft in Abwesenheit eines förmlichen Vertrages zu bestimmen ist, bereitet angesichts der geringen Anzahl einschlägiger Urteile Schwierigkeiten. In Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald hatten Roos, J.A., und Wessels, J.A., eine Haftung des Geschäftsherrn (unabhängig von dem Bestehen vertraglicher Abmachungen) diskutiert, wenn das Verhältnis zwischen den Parteien „close and intimate" war. 1 6 3 Und in der Tat betreffen die relevanten Entscheidungen sämtlich Beziehungen von Familienangehörigen und damit Situationen, die durch eine besondere Nähe gekennzeichnet sind. Während etwa in Mkize v. Martens 1 6 4 der Sohn und der Neffe des Beklagten Schäden verursacht hatten, war der Gehilfe in Rodrigues and Others ν. Alves and Others 165 der Schwiegervater des einen Partners (und mit den übrigen zumindest durch einen besonders engen gesellschaftlichen Kontakt verbunden). 166 Ein Anhaltspunkt zur Bestimmung der notwendigen Voraussetzungen läßt sich der folgenden Passage aus dem oben besprochenen Urteil Mkize v. Martens entnehmen: „Now though closely related to the defendant as son and nephew, they were travelling with him in the capacity of servants, to assist him on the journey and ob der Geschäftsherr seinen Gehilfen ermächtigt hatte, den sub-servant anzustellen oder ob die Anstellung aufgrund einer Notsituation erforderlich war. Vgl. dazu Nconwya v. Cantor 1984 (2) SA 400 (SECL); McMillan ν. Hubert Davies & Co Ltd 1940 WLD 256. 162 Vgl. April v. Pretorius 1906 TS 824; Conradie v. Wiehahn 1911 CPD 704; Mkize v. Martens 1914 AD 382; Rodrigues and Others ν. Alves and Others 1978 (4) SA 834 (A). 163 S. o., § 6 IV 1. 164 S. o., § 6 III 3. 165 S. o., § 6 IV 3. 166 Auch in April v. Pretorius 1906 TS 824 und Conradie v. Wiehahn 1911 CPD 704 ging es um die Haftung für das Verhalten des Neffen bzw. des Sohnes des Beklagten.
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht prima facie their work would consist in doing that which is ordinarily servants in similar employment .44167
357 required of
Die beiden Jungen sind einer Tätigkeit nachgegangen, die normalerweise auf der Grundlage eines contract of service verrichtet würde. Die Abwesenheit eines förmlichen Dienstvertrages erklärt sich möglicherweise gerade aufgrund der engen familiären Beziehungen, da der Lohn gleichsam in der Familie blieb. Zwischen Vater und Sohn bzw. Onkel und Neffen besteht ein soziales und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis, wie es häufig auch zwischen Arbeitgeber und Angestelltem, freilich als Ergebnis vertraglicher Vereinbarungen, anzutreffen ist. 1 6 8 Als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Verrichtungsgehilfeneigenschaft bietet sich in Abwesenheit eines förmlichen Vertrages daher die Frage an, ob die übertragene Verrichtung ihrer Natur nach unter normalen Bedingungen auf der Ebene eines Dienstvertrages ausgeübt würde und die sozialen Umstände der Tätigkeit ihrem Sinngehalt nach Parallelen zu einem förmlichen Arbeitsverhältnis aufweisen. Unter methodischen Gesichtspunkten ist auch in diesen Fällen an einen typologischen Ansatz zu denken. Anstelle des Kontrollrechts (das in Abwesenheit eines Vertrages vielfach ausscheiden wird) verdient die Frage Aufmerksamkeit, ob der Geschäftsherr das Verhalten des Angestellten faktisch-psychologisch beeinflussen konnte. Einige der Indizien, die üblicherweise zur Feststellung des contract of service herangezogen werden, sind möglicherweise auch in Abwesenheit eines Vertrages zu berücksichtigen, da sie sich während einer längeren Rechtsentwicklung als diejenigen Faktoren herauskristallisiert haben, die eine Auferlegung von vicarious liability gerechtfertigt erscheinen lassen. Als weitere Anwendungsfälle einer „non-contractual-employer-employee relationship", die vicarious liability zur Folge haben, kommen Konstellationen in Betracht, in denen die Parteien einen Arbeitsvertrag abschließen wollten, dieser aber aufgrund eines allgemeinen Wirksamkeitsmangel nicht zustande gekommen ist. ee) Juristische Personen als Geschäftsherren Im Hinblick auf die Haftung von juristischen Personen trifft das südafrikanische Recht nach englischem Vorbild eine Unterscheidung zwischen vicarious liability für das Verhalten einfacher Angestellter 169 und personal liability betreffend unerlaubte Handlungen von Repräsentanten in leitender 167
1914 AD 382, 395 (meine Hervorhebung). Auch in Rodrigues and Others ν. Alves and Others 1978 (4) SA 834 (A) war zwischen Rodrigues und den Partnern ein gewisses soziales und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis gegeben. 169 Employees, aber auch agents. 168
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Vicarious liability im
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Stellung („who for some purposes may be the very ego and centre of the personality of the corporation" 170 ). Wenn daher eine Person, die sich in der Position eines „alter ego" oder „directing mind" einer Gesellschaft oder Corporation befindet, in Ausführung der ihr zugewiesenen Aufgaben einem Dritten rechtswidrig Schäden zufügt, wird das in Frage stehende Unrecht nach ganz überwiegender Auffassung der Körperschaft unmittelbar als eigenes Delikt zugerechnet. 171 Obwohl es in keinem südafrikanischen Fall aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens eines Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds zu einer persönlichen Verantwortlichkeit der betreffenden juristischen Person gekommen ist, wurde dieser Ansatz von der Rechtsprechung in einigen obiter dicta ausdrücklich anerkannt. So formulierte Hefer, J., in Ensor NO v. Syfret's Trust and Executor Company (Natal) L t d 1 7 2 : „ A company may, of course, be liable (whether it be criminally, delictually or contractually) either for what may be called its own acts or omissions, or vicariously for the acts or omissions of its servants or agents acting within the scope of their authority or employment." 173 Die Unterscheidung zwischen persönlicher und indirekter Haftung ist außerhalb des Deliktsrechts für eine Reihe gesetzlicher Vorschriften relevant, in denen es auf eigenes Verschulden einer natürlichen oder juristischen Person ankommt. 1 7 4 Im Rahmen der 170 Centlivres, C.J., übernahm in Levy ν. Central Mining & Corporation Ltd 1955 (1) SA 141 (A) ausdrücklich den oben zitierten Ansatz von Viscount Haidane, L.C., in Lennards Carrying Company Ltd v. Asiatic Petroleum Co Ltd [1915] AC 705, 713. 171 Vgl. Naudé, Die Regsposisie van die Maatskappydirekteur, 30ff.; Williams, Concise Corporate Law, 24ff.; LAWSA IV/1, 34ff.; LAWSA XXX, 48; McKerron, Delict, 107; Cilliers/Benade/Henning/Du Plessis, Korparatiewe Reg, par 7.03; Hahlo/Kahn, Union, 533f.; Du Plessis/Henning, Die deliktuele aanspreeklikheid van persone wat as maatskappyorgane optree, 1989 THRHR, 540; vgl. jedoch Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 225 ff., der die Relevanz der Unterscheidung zwischen personal und vicarious liability ablehnt. Im Hinblick auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit von companies vgl. Cilliers/Benade/Henning/Du Plessis, Korporatiewe Reg, par 33 sowie section 332 des „Criminal Procedure Act" 51 von 1977. 172 1976 (3) SA 762 (D). 173 1976 (3) SA 762 (D) 763; vgl. auch Centlivres, C.J., in Barkett v. SA National Trust & Assurance Co Ltd 1951 (2) SA 353 (A) 362: „A company acts through its directors and the company, qua company, may be guilty of negligence through an act of omission or commission. If, for instance, a company allows a bus with defective brakes to be used and as a result of the defective brakes the bus cannot be pulled up and injures a third party, that would be negligence on the part of the company: the omission to repair the brakes would consitute negligence on the part of the company ... If, on the other hand, the company through its directors or manager instructs its servants to drive at a dangerous speed and as a result a third party is injured, the negligence or unlawful act is that of the company. That would be an act of commission." 174 Vgl. aus der Rechtsprechung etwa Barkett v. SA National Trust & Assurance Co Ltd 1951 (2) SA 353 (A) zu section 14 des „Motor Vehicle Insurance Act" 29
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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vorliegenden Untersuchung ist freilich wiederum zu beachten, daß die Verantwortlichkeit von Körperschaften für unerlaubte Handlungen ihrer Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder strukturell die gleichen charakteristischen Merkmale aufweist, die auch im Hinblick auf die normalen vicarious liability Konstellationen zu beobachten sind. 1 7 5 Neben der Verwirklichung einer unerlaubten Handlung ist es erforderlich, daß der Delinquent zu der Korporation in einem Verhältnis steht, das ihn als „alter ego" oder „directing mind" erscheinen läßt. 1 7 6 Das deliktische Verhalten muß darüber hinaus in einem bestimmten funktionalen Zusammenhang zu der Arbeit für die Körperschaft stehen und daher „when carrying out the assigned function in the corporation" erfolgen, wie in der südafrikanischen Literatur formuliert wurde. 1 7 7 Sind diese Bedingungen erfüllt, ist der betreffende Geschäftsführer nach herrschender Auffassung neben der juristischen Person, für die er handelte, für die entstandenen Schäden verantwortlich. 178 von 1942; Levy ν. Central Mining & Investment Corporation Ltd 1955 (1) SA 141 (A) zu section 7 (1) (e) des „Prescription Act" 18 von 1943. 175 Zum englischen Recht s. o., § 5 II 2 b. 176 Dazu vgl. LAWSA IV/1, 56; Naudé, Die Regsposisie van die Maatskappydirekteur, 37. 177 LAWSA IV/1, 56. Nach herrschender Meinung im südafrikanischen Recht tritt eine Haftung auch für Handlungen in Überschreitung satzungsmäßiger Befugnisse („ultra vires") ein, solange sich das Verhalten in Ausübung einer Tätigkeit für die Körperschaft bewegt, vgl. Hahlo/Kahn, Union, 534; McKerron, Delict, 107; Van der Merwe/Olivier, Onregmatige Daad, 25 Fußn. 2; LAWSA XXX, 48; Naudé Die Regsposisie van die Maatskappydirekteur, 31 Fußn. 1; Oranje Benefit Society v. Central Merchant Bank Ltd 1976 (4) SA 659 (A) 674; Tiger Trading Co v. Garment Workers' Union. 1932 WLD 131; aber siehe auch SA Bazaars (Pty) Ltd v. National Union of Distributive Workers 1939 NPD 79, 90. Seit section 36 des „Companies Act" 61 von 1973 bestimmt, daß ein ultra vires-Akt nicht die Wirksamkeit eines Vertrages mit der company verhindert, gibt es keinen einleuchtenden Grund, warum eine Haftung für ein ultra vires-Delikt grundsätzlich ausscheiden sollte. 178 LAWSA IV/1, 36. Die Frage der persönlichen Haftung des Repräsentanten ist freilich umstritten, vgl. dazu Du Plessis/Henning, Die deliktuele aanspreeklikheid van persone wat as maatskappyorgane optree, 1989 THRHR, 540. Nach der Auffassung von Scott ist die Unterscheidung zwischen persönlicher und indirekter Haftung von Körperschaften auf der Grundlage des von ihm befürworteten und näher konkretisierten Risikoprinzips unbedeutend, vgl. Middellike Aanspreeklikheid, 229f.: ,,[A]lle persone wat bevoegd is om vir of namens die regspersoon (soos 'n maatskappy met regspersoonlikheid of die Staat) 'n diensaktiwiteit te verrig, stel die regspersoon prima facie op grond van die risikobeginsel aanspreeklik omdat hierdie ,diensverhouding4 en die daaruitvoortvloeiende ,diensaktiwiteit' 'n gevaarlike regsfeit is. Hierdie diensverhouding en diensaktiwiteit is gevaarlik omdat dit voldoen aan die vereistes wat vir 'n gevaarlike regsfeit neergelê is. Die regspersoon is vir hierdie gevaarlike regsfeit verantwoordelik indien genoeg regspolitieke faktore vir sodanige verantwoordelikheidsstelling aanwesig is ... Indien hierdie standpunt gevolg word, is dit nie nodig om vas te stel of die skade deur 'n dienaar, verteenwoor-
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§ 6 Vicarious liability im südafrikanischen Recht ff) Staatshaftung
Als Folge der traditionellen Maxime „the King can do no wrong" kamen im englischen Recht die Grundsätze der vicarious liability bis zum Erlaß des Crown Proceedings Act von 1947 nicht auf die „Krone" zur Anwendung. 1 7 9 Demgegenüber konnte nach römisch-holländischem Recht der Souverän oder Staat unter bestimmten Umständen wegen unerlaubter Handlungen von Angestellten zur Verantwortung gezogen werden. 180 Unter der britischen Herrschaft am Kap waren deliktische Klagen gegen die Kolonialregierung zunächst noch zugelassen worden, bis die Rechtsprechung gegen Ende des 19. Jahrhunderts die englische Position für anwendbar erklärte, dabei aber gleichzeitig die Notwendigkeit einer gesetzlichen Änderung betonte. 181 Nach einigen legislativen Vorläufern in den einzelnen Provinzen 182 wurden durch den „Crown Liabilities Act" 1910 nach Gründung der Südafrikanischen Union die allgemeinen Prinzipien der deliktischen Gehilfenhaftung auf den Staat erstreckt. Eine dem damaligen Recht entsprechende Regelung findet sich heute mit geringen Modifikation in section 1 des „State Liability Act 20" von 1957: „Any claim against the State which would if that claim had arisen against a person, be the ground of an action in any competent court, shall be cognizable by such court whether the claim arises out of any contract lawfully entered into on
diger of orgaan van die regspersoon veroorsaak is nie, want die term ,diensaktiwiteit' dui nie net op die aktiwiteite van dienare of werknemers nie." (Jede Person, die befugt ist, für eine juristische Person oder im Namen einer juristischen Person [wie einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit oder dem Staat] eine dienstliche Aktivität zu verrichten, begründet aufgrund des Risikoprinzips prima facie eine Verantwortlichkeit der betreffenden juristischen Person, da dieses „Dienstverhältnis" und die sich hieraus ergebende „dienstliche Aktivität" eine gefährliche Rechtstatsache ist. Dieses Dienstverhältnis und diese dienstliche Aktivität sind gefährlich, da sie den Voraussetzungen genügen, die für eine gefährliche Rechtstatsache niedergelegt wurden. Die juristische Person ist für diese gefährliche Tatsache verantwortlich, wenn ausreichend rechtspolitische Faktoren für eine solche Verantwortlichkeit vorhanden sind ... Wenn dem hier vertretenen Standpunkt gefolgt wird, ist es nicht notwendig festzustellen, ob der Schaden durch einen Bediensteten, einen Vertreter oder durch ein Organ der juristischen Person verursacht wurde, da der Begriff „dienstliche Aktivität" nicht nur auf Aktivitäten von Bediensteten und Arbeitnehmern deutet). Die Unterscheidung zwischen persönlicher und indirekter Haftung ist im südafrikanischen Recht jedoch fest etabliert und im Rahmen sämtlicher gesetzlicher Vorschriften von Bedeutung, die auf eigenes Verschulden abstellen. 179 S. o., § 5 II 2 c. 180 Die Umstände sind im einzelnen nicht geklärt, vgl. Hahlo/Kahn, Union, 194 m. w.N. 181 Vgl. Muirhead v. Ayliff (1875) NLR 31; Hutchinson v. Palmer (1879) 1 NLR 23; Binda v. Colonial Government (1887) 5 SC 284. 182 Vgl. Hahlo/Kahn, Union, 195.
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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behalf of the State or out of any wrong committed by any servant of the State acting in his capacity and within the scope of his authority as such servant." 183 ( 1 ) Keine Haftung bei Ausübung gesetzlicher Pflichten British South African Company v. Crickmore Obgleich nach dem Wortlaut der Vorschrift der Staat in der Frage der vicarious liability mit einem privaten Arbeitgeber auf eine Ebene gestellt wurde, schränkte die Rechtsprechung die Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze in der Folge erheblich ein. Nach der Entscheidung der Appellate Division in British South African Company v. Crickmore 1 8 4 von 1921 mußte die beklagte Körperschaft, die zu damaliger Zeit für die Verwaltung des südlichen Rhodesiens zuständig war, nicht für die widerrechtliche Festnahme des Klägers durch einen angestellten Polizisten einstehen. Das Gericht begründete seine Auffassung damit, daß die Pflichten eines Polizeibeamten gesetzlich vorgeschrieben und damit öffentlicher Natur seien und die verwaltende Körperschaft daher über die Durchführung der Aufgaben keine Kontrolle ausüben konnte. Aus diesem Grund aber fehlte es an einem wesentlichen Element für die Annahme einer master and servant relationship und damit für die Haftung im Hinblick auf die widerrechtliche Festnahme. (2) Ausnahme bei Pflicht zu unabhängigem Handeln Union Government (Minister of Justice) v. Thorne Diese in ihren Konsequenzen weitreichende Entscheidung wurde zum ersten Mal im Jahre 1930 durch die Appellate Division in Union Government (Minister of Justice) v. Thorne 1 8 5 eingegrenzt. In dem Urteil ging es um die Verantwortlichkeit für das Verhalten eines Polizeibeamten, der auf Anweisung seines Vorgesetzten hin mit einem Mauleselwagen unterwegs war und durch Fahrlässigkeit einen Unfall verursacht hatte. Die von der Beklagtenseite vorgetragene Argumentation, daß alle Pflichten, die ein Polizist in seiner Eigenschaft als Beamter ausübte, gesetzlicher Natur seien und daher auch die Auferlegung von vicarious liability ausscheiden müßte, wurde durch Chief Justice De Villiers ausdrücklich zurückgewiesen, da nach diesem Ansatz eine Haftung des Staates nahezu für sämtliche Ange183 In der alten Vorschrift des Crown Liabilities Act fanden sich Begriffe wie „His Majesty" und „Crown", die den Einfluß des englischen Rechts reflektierten, das die selbständige Rechtspersönlichkeit des Staates abgelehnt hatte, vgl. Hahlo/ Kahn, Union, 195. 184 1921 AD 107. 185 1930 AD 47.
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stellten des öffentlichen Dienstes ausscheiden müßte und der Crown Liabilities Act unterminiert würde. Ein Polizist sei daher grundsätzlich als servant der Krone anzusehen. Die Entscheidung in Crickmore wurde freilich als ein Sonderfall aufrechterhalten, in dem der Polizist „free to exercise his judgment as his conscience dictates, and therefore not under the control of any superior" 1 8 6 war. Damit blieb nach Auffassung von De Villiers, C.J., die praktisch wichtige Möglichkeit bestehen, daß einen Beamten unter bestimmten Umständen eine besondere Pflicht zu unabhängigem Handeln treffen konnte und eine Einstandspflicht des Dienstherrn wiederum mangels Kontrolle ausgeschlossen war. 1 8 7 (3) Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze Minister van Poliste ν. Gamble en ' η Ander In der Rechtsprechung wurde diese Ausnahme von der Verantwortlichkeit lange Zeit anerkannt 188 , bis gegen Mitte der siebziger Jahre langsam ein Trend zur Einschränkung der staatlichen Immunität einsetzte 189 und die Staatshaftung mit der vicarious liability privater Arbeitgeber schließlich durch die Entscheidung Minister van Polisie v. Gamble en 'η Ander von 1979 in Einklang gebracht wurde. 1 9 0 Die Appellate Division kam in diesem Urteil zur Annahme einer Einstandspflicht für Schäden, die der Kläger auf186
1930 AD 47, 53. „All members of the police force are prima facie servants of the Crown. When, therefore, the wrongful act is committed by a member of that force in the course of his duty, the Crown is prima facie liable. It is then for the latter to show that the nature of the duty upon which the police officer was engaged at the time is such that it takes him out of the category of servants for the time being. The mere fact that the duty is a statutory one is not enough. To take the case out of the Act there must be a lack of one or more of the essentials of the law relating to master and servant, such as that the police officer was performing a duty of a personal nature which made him independent of the control of the Crown pro hac vice." (S. 51). 188 Vgl. Union Government (Minister of Justice) v. Van der Vlies 1931 OPD 79; R v. Miller 1940 TPD 306; S warts v. Minister of Justice 1941 AD 181; Sibiya v. Swart NO 1950 (4) SA 515 (A); Mazeka v. Minister of Justice 1956 (1) SA 312 (A); Dames v. De Kock and Another 1958 (1) SA 773 (W); Donono v. Minister of Prisons 1973 (4) SA 259 (C); Prinsloo v. Newman 1975 (1) SA 481 (A). 189 Vgl. Minister van Polisie v. Ewels 1975 (3) SA 590 (A); Naidoo en Andere v. Minister van Polisie 1976 (4) SA 954 (T); Minister of Police v. Skosana 1977 (1) SA 31 (A); Areff v. Minister van Polisie 1977 (2) SA 900 (A); Mhlongo & Another NO v. Minister of Police 1978 (2) SA 551 (A). 190 1979 (4) SA 759 (A); dazu siehe auch Forsyth, The Liability of the State for the Delicts of the Police: A Step in the Right Direction, 1979 SALJ, 12ff.; derselbe, State Liability for the Delicts of the Police: A Further and Better Step in the Right Direction, 1980 SALJ, 207 ff. 187
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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grund der widerrechtlichen Festnahme durch einen Polizeibeamten erlitten hatte. Nach Auffassung des Gerichts war die Haftung des Staates nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein Polizist eine Pflicht persönlicher Natur ausübte, die ihn in eine unabhängig Stellung versetzte. Joubert, J.A., stützte seine Argumentation vornehmlich auf zwei Erwägungen: Zum einen schloß er aus einer Reihe gesetzlicher Vorschriften, daß ein Polizist, der in seiner Eigenschaft als Beamter handelte, immer den Weisungen der Staatsgewalt unterliegen würde. 1 9 1 Zum anderen folgerte er aus jüngeren Entscheidungen wie Smit v. Workmen's Compensation Commissioner, daß Kontrolle keine unentbehrliche Voraussetzung für die Annahme einer deliktischen master and servant relationship und folglich für die vicarious liability des Staates sei. In Zukunft können sich aus der Übernahme des typologischen Ansatzes in der Frage der Staatshaftung möglicherweise wichtige Erweiterungen ergeben. Ähnlich der Verantwortlichkeit von Krankenhäusern im Hinblick auf rechtswidriges Verhalten der professionellen Belegschaft wäre beispielsweise entgegen der früheren Rechtslage 192 an eine Einstandspflicht für Fahrlässigkeit von Richtern zu denken. Unabhängig von dieser Frage bleibt in erster Linie jedoch festzuhalten, daß seit der Appellate Division-Entscheidung in Minister van Polisie v. Gamble en 'η Ander die allgemeinen vicarious liability-Regeln (von einigen ausdrücklichen Sondervorschriften abgesehen 193 ) auf den Staat als Arbeitgeber anzuwenden sind. Wie die Rechtsprechung klargestellt hat, gilt dies auch für die Voraussetzung in section 1 des State Liability Act 20 von 1957, daß der Bedienstete „in his capacity and within the scope of his authority" gehandelt haben muß, die als gleichbedeutend mit dem Konzept „in the course of employment" interpretiert w i r d . 1 9 4 In dieser Frage war freilich in jüngerer Zeit eine interes191 Unter Bezugnahme auf sections 4, 5, und 6 (1) des „Police Act" 7 von 1958 formulierte er: ,,'n Polisiebeampte is immers altyd wanneer hy met polisiewerk besig is onder die bevel, toesig en beheer van sy meerdere en dus onder beheer van die Staat. Daar kan nie gesê word dat hy pro hac vice nie 'n werknemer of dienaar van die Staat is waar hy 'n statutêre diskresie in die bestek van sy diensverrigting uitoefen nie." (Ein Polizeibeamter unterliegt doch jederzeit, wenn er mit Polizeiarbeit beschäftigt ist, dem Befehl, der Aufsicht und der Kontrolle seines Vorgesetzten und also auch der Kontrolle des Staates. Man kann nicht sagen, daß er pro hac vice kein Angestellter oder Bediensteter des Staates ist, wenn er im Rahmen seiner dienstlichen Verrichtung ein gesetzliches Ermessen ausübt). 192 Dazu vgl. Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 220. 193 Vgl. neben section 4 des State Liability Act 20 von 1957 etwa section 115 des „Post Office Act" 44 von 1958, section 20 des „Aviation Act" 74 von 1962, ferner section 32 des Police Act 7 von 1958 und section 90 des „Prisons Act" 8 von 1959. 194 Vgl. etwa Minister of Police v. Rabie 1986 (1) SA 117 (A) 1261; Mhlongo and Another NO v. Minister of Police 1978 (2) SA 551 (A) 567B; Minister van Polisie en 'η Ander ν. Gamble 1979 (4) SA 759 (A) 765.
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sante Entwicklung zu beobachten, auf die im einzelnen noch an späterer Stelle zurückzukommen sein wird: Der Gedanke der Risikoerzeugung war als Kriterium zur Bestimmung des funktionalen Haftungszusammenhangs zwischen dem rechtswidrigen Verhalten des Angestellten und dem Arbeitsverhältnis herangezogen worden. 1 9 5 Mittlerweile haben sich die Gerichte von diesem Ansatz jedoch wieder gelöst und sind auf die traditionellen Abgrenzungskriterien zurückgeschwenkt, die im folgenden behandelt werden sollen. b) Der funktionale
Haftungszusammenhang
Für die Umschreibung des funktionalen Haftungszusammenhangs sind seit der Entscheidung Mkize v. Martens im südafrikanischen Recht drei allgemeine Wendungen gebräuchlich: Die Formulierung von Voet „in the duty or employment (in officio aut ministerio) set them"; die Passage von Pothier „in the exercise of the functions to which he is appointed"; und der englische Begriff „in the course" oder „in the scope of employment." 1 9 6 Inhaltlich haben alle drei Formeln dieselbe Bedeutung. Ungeachtet vereinzelter Sonderwege hat das südafrikanische Privatrecht in der Konkretisierung dieser Voraussetzung in hohem Maße vom englischen common law profitiert. Wie sich zeigen wird, weisen die Ansätze beider Rechtsordnungen bis in die diskutierten Sachverhaltskonstellationen hinein verblüffende Parallelen auf. Die oben angestellten grundsätzlichen Erwägungen im Hinblick auf das course of employment- Erfordernis treffen daher auch für das südafrikanische Privatrecht zu. Insbesondere existieren keine harten und sicheren Kriterien, mit deren Hilfe sich die drei angeführten Wendungen in allgemeingültiger Form konkretisieren lassen. Vielmehr gibt es eine Reihe unterschiedlicher Faktoren, die sich während einer längeren Rechtsentwicklung herauskristallisiert haben und denen die Funktion von Indizien für oder gegen eine Verantwortlichkeit zukommen. Im Unterschied zum englischen Recht scheint sich diese Sichtweise innerhalb der südafrikanischen Rechtsprechung freilich noch nicht durchgesetzt zu haben. Andeutungen in eine entsprechende Richtung finden sich in einer Urteilsbegründung von Van De venter, J., aus der Entscheidung Romansrivier Koöperatiewe Wyn195 Vgl. Minister of Police v. Rabie 1986 (1) SA 117 (A); Romansrivier Koöperatiewe Wynkelder Bpk. v. Chemserve Manufacturing (Pty) Ltd 1993 (2) SA 358 (C); Tshabalala v. Lekoa City Council 1992 (3) SA 21 (A); Minister van Wet en Orde v. Wilson 1992 (3) SA 920 (A); Macala v. Maokeng Town Council 1993 (1) SA 434 (A); Minister of Law and Order v. Ngobo 1992 (4) SA 822 (A); Dithipe v. Ikageng Town Council 1992 (4) SA 748 (T); ferner Hamman v. SWAPO 1991 (1) SA 127 (SWA); Boka Enterprises (Pvt) Ltd v. Manatse 1990 (3) SA 626 (ZHC); Witham v. Minister of Home Affairs 1989 (1) SA 116 (ZHC). 196 1914 AD 382, 389 f., 393 f.
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
365
kelder Bpk v. Chemserve Manufacturing (Pty) L t d 1 9 7 von 1993, der den folgenden Satz aus dem englischen Lehrbuch zum tort law von Winfield und Jolowicz zitierte: „Course of employment has supplanted scope of authority, but it contains no criteria to decide when or why an act is within or outside the scope of employment and no single test is appropriate to cover all cases." 198 Von vereinzelten Äußerungen dieser Art abgesehen, sind die meisten südafrikanischen Entscheidungen nach wie vor um die Anwendung klar umrissener Formeln bemüht, mit deren Hilfe die course of employment-Voraussetzung sachlich präzise und verbindlich konkretisiert werden soll. 1 9 9 Als häufig auftretendes Problem ist dabei zu beobachten, daß bestimmte „subrules" nur für eingegrenzte Sachverhaltsgruppen konzipiert waren, in anderen Entscheidungen, deren Tatsachengrundlagen sich deutlich unterschieden, aber als generelle Prüfungskriterien interpretiert und angewendet wurden mit der Folge, daß die Aufmerksamkeit von den spezifischen Problemen des individuellen Falles abgelenkt wurde. Die vordergründige Anwendung eines einzelnen eng gefaßten Tests verhindert freilich regelmäßig nicht, daß die Gerichte sachlich ihre Aufmerksamkeit auf sämtliche maßgeblichen Faktoren richten. Wie im folgenden anhand einiger wichtiger Urteile demonstriert werden soll, haben sich daher trotz Fehlens eines entsprechenden methodischen Bewußtseins im südafrikanischen Recht weitgehend dieselben Indizien für und gegen die Annahme eines funktionalen Haftungszusammenhangs herausgebildet, die schon im Rahmen der Untersuchung des englischen Rechts zu beobachten waren. aa) Weisung, Erlaubnis oder Verbot des Geschäftsherrn Aufmerksamkeit verdient in der Entscheidung eines Sachverhalts grundsätzlich die Frage, ob das Verhalten des Bediensteten von dem Geschäfts197
1993 (2) SA 358 (C). 364D-E (meine Hervorhebung). Vgl. aber auch schon Centlivres, J.A., in Union Government v. Hawkins 1944 AD 556, 563: „I do not think that it is possible to lay down any hard and fast rule on the matter, for so much depends on the facts of the particular case." 199 Vgl. hierzu Corbett, J.A., in Ngubetole v. Administrator Cape and Another 1975 (3) SA 1 (A) 9: „Because of this flexibility or lack of precision in the concept of ,course of employment4 in the sphere of vicarious liability, the Courts in this country, and also in the United States of America, England and other common law jurisdictions (where the same concept obtains) have devised various tests for determining whether a particular act, or course of conduct, on the part of a servant falls within or without the course of his employment. Some of these tests are of broad, general application, others are more suited to the particular situations for which they were devised." 198
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Vicarious liability im
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herrn angeordnet oder möglicherweise verboten worden war. Wenn ein Angestellter genau das getan hat, was ihm von seinem Arbeitgeber vorgeschrieben worden war, in der Ausführung aber fahrlässig gehandelt hat, besteht an der Haftung regelmäßig kein Zweifel. 2 0 0 Eine Verantwortlichkeit kann sich aber auch dann ergeben, wenn sich der Akt nicht auf eine konkrete Weisung zurückführen läßt. Als Beispiele finden sich Fälle, in denen eine zugewiesene Aufgabe in unbefugter Weise ausgeführt wurde 2 0 1 ; oder in denen ein nicht ausdrücklich erlaubtes Verhalten notwendig war, um bestimmte Arbeitspflichten zu erfüllen 2 0 2 ; oder sogar Situationen, in denen der eigenmächtige Akt nicht zur Ausführung der übertragenen Aufgabe erforderlich war. 2 0 3 Eine Anordnung kann sich bei näherer Betrachtung freilich auch als Erlaubnis darstellen, eigene Ziele zu verfolgen und damit eine temporäre Befreiung von der Arbeit bedeuten. In der Entscheidung Carter & Co (Pty) Ltd v. McDonald 2 0 4 hatte der Angestellte des Beklagten von einem Vorgesetzten die Genehmigung erhalten, während der Arbeitszeit auf den Markt zu fahren, um für eigenen Bedarf Tomaten zu kaufen. Um eine möglichst schnelle Rückkehr zu ermöglichen, wurde ihm ein Fahrrad der Firma zur Verfügung gestellt. Unterwegs fuhr der Gehilfe fahrlässig in einen Passanten hinein. Nach der Entscheidung der Appellate Division lag sein Verhalten nicht in Ausführung der Verrichtung, da die Fahrt zum Markt in seinem eigenen Interesse erfolgte und nicht Teil der Beschäftigung war. Die Anordnung des Vorgesetzten, das Fahrrad der Firma zu nehmen, um möglichst schnell wieder bei der Arbeit zu sein, kam dem Beklagten allenfalls mittelbar zugute, konnte aber das Ergebnis des Urteils nicht beeinflussen. Im Hinblick auf die Bestimmung des funktionalen Haftungszusammenhangs waren ferner die Eigentumsverhältnisse an dem Vehikel für sich genommen nicht entscheidend. Daß ein Verbot des Geschäftsherrn nicht notwendig zum Ausschluß seiner Haftung führt, steht im südafrikanischen Recht seit der Entscheidung 200 vgl Wessels, J.A., in Estates van der Byl v. Swanepoel 1927 AD 141, 145: „There is no doubt that according to our law a master is liable for damage caused to a third party by the negligence of his servant when the servant is clearly acting wholly within the scope of his authority, or in other words when the servant is doing exactly what his master told him to do"; ferner Carter & Co (Pty) Ltd v. McDonald 1955 (1) SA 202 (A) 210. 201 Vgl. beispielsweise Squire v. Sasol Mynbour (Edms) Bpk. en Andere 1993 (3) SA 298 (T); Sauer NO v. Duursema 1951 (2) SA 222 (Ο). 202 Siehe etwa Mkize v. Martens 1914 AD 382; Mbara v. Landrey 1917 CPD 599. 203 Wie z.B. in Hendrikz v. Cutting 1937 CPD 417; African Guarantee and Indemnity Co Ltd v. Minister of Justice 1959 (2) SA 437 (A). 204 1955 (1) SA 205 (A).
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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Estate van der Byl v. Swanepoel fest. 2 0 5 Ein Taxifahrer hatte einen Kunden unerlaubtermaßen in einen Bezirk gefahren, für den er keine Lizenz besaß. Auf dem Rückweg verursachte er fahrlässig einen Unfall. Nach dem Urteil der Appellate Division mußte der Inhaber des Taxiunternehmens für die entstandenen Schäden aufkommen, obwohl dem Fahrer der lizenzwidrige Transport von Gästen ausdrücklich untersagt worden war: „The private instruction to the driver of the car to confine his driving of the car to the route between the two points mentioned ... forms no essential part of the main duty of the driver. It is a mere modus or manner in which he is to carry out that d u t y . " 2 0 6 Wie schon im Rahmen des englischen Rechts zu beobachten war, ist daher eine Unterscheidung zu treffen zwischen Anordnungen, die sich auf die Art und Weise der Verrichtung beziehen und Vorschriften, die den Umfang des Arbeitsverhältnisses abstecken. 207 Als ein Kontrastbeispiel zu Estate van der Byl läßt sich die Entscheidung Francis Freres and Mason (Pty) Ltd v. Public Utility Transport Corp L t d 2 0 8 anführen. Der Mechaniker eines Busunternehmens hatte sich verbotswidrig selbst an das Steuer eines Omnibusses gesetzt und fahrlässig einen Unfall verursacht. Nach Auffassung des Gerichts bewegte sich sein Verhalten außerhalb der Dienstpflichten, die sich auf Mechanikerarbeit beschränkten. Eine Haftung des Busunternehmens wurde dennoch angenommen, da der reguläre Fahrer in Ausführung der Verrichtung gehandelt hatte, als er pflichtwidrig das Lenkrad aus der Hand gab. 2 0 9 bb) Absichten des Gehilfen Für die Bestimmung des funktionalen Haftungszusammenhangs sind neben objektiven Kriterien auch subjektive Gesichtspunkte zu berücksichtigen. In einer Passage aus der Entscheidung Minister of Police v. Rabie 2 1 0 , die in Literatur und Rechtsprechung häufig als „standard test" 2 1 1 bezeichnet wurde, formulierte Jansen, J.A.: 205
1927 AD 141. 1927 AD 141, 154 per Kotzé, J.A. Vgl. auch General Tyre & Rubber Co (SA) Ltd v. Kleynhans and Another 1963 (1) SA 533 (N). 207 Vgl. etwa SAR & Η ν. Albers and Another 1977 (2) SA 341 (D) 347. 208 1964 (3) SA 23 (D). 209 Siehe ferner Romansrivier Koöperatiewe Wynkelder Bpk. v. Chemscrve Manufacturing (Pty) Ltd 1993 (2) SA 358 (C); ähnlich Roos v. De Loor's Ltd 1931 TPD 100 sowie die Entscheidung Weir Investments (Pty) Ltd and Others v. Paramount Motor Transport 1962 (4) SA 589 (D), die deutliche Parallelen zu dem englischen Urteil Iqbal v. London Transport Executive (1973) 16 KIR 329 aufweist. 2.0 1986 (1) SA 117 (A). 2.1 Vgl. etwa Neethling/Potgieter/Visser, Deliktereg, 366; ferner Viljoen v. Smith 1997 (1) SA 309 (A) 3171-318A. 206
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Vicarious liability im
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„It seems clear that an act done by a servant solely for his own interests and purposes, although occasioned by his employment, may fall outside the course or scope of his employment, and that in deciding whether an act by the servant does so fall, some reference is to be made to the servant's intention. The test is in this regard subjective. On the other hand, if there is nevertheless a sufficiently close link between the servant's acts for his own interests and purposes and the business of his master, the master may yet be liable." 212 Die Absichten des Gehilfen können je nach den Umständen des Einzelfalls für die Annahme 2 1 3 wie für die Ablehnung 2 1 4 der erforderlichen Verbindung zwischen Arbeit und unerlaubter Handlung entscheidend sein, aber auch in der Gesamtbewertung vollständig hinter anderen Gesichtspunkten zurücktreten. Das Verhalten des Mechanikers, der sich in dem letztgenannten Beispiel eigenmächtig an das Steuer des Omnibusses gesetzt hatte, führt auch dann nicht zu einer Haftung des Geschäftsherrn, wenn er die planmäßige Route einschlagen wollte, weil er nicht als Fahrer des Busunternehmens angestellt war. Wie sich im Laufe der Untersuchung zeigen wird, gibt es umgekehrt zahlreiche Fälle, in denen ein Geschäftsherr für das Verhalten eines Bediensteten aufkommen mußte, obwohl dieser zum Zeitpunkt des rechtswidrigen Handelns einer persönlichen Beschäftigung nachgegangen war. In African Guarantee and Indemnity Co Ltd v. Minister of Justice 215 wurde beispielsweise entschieden, daß zwei Polizeibeamte, die sich, während sie auf Streife waren, in ein Autorennen verwickeln ließen, noch in Ausführung der Verrichtung handelten, als sie unterwegs einen Unfall verursachten, cc) Zeit und Ort der Arbeit Zentrale objektive Indizien zur Bestimmung des funktionalen Haftungszusammenhangs sind ferner die zeitlichen und örtlichen Umstände der Tätigkeit. Die Gerichte haben wiederholt betont, daß ein Verhalten während der Arbeitszeit nicht notwendigerweise in Ausführung der Verrichtung liegt. 2 1 6 Demgegenüber läßt sich ein Unrecht, das eindeutig außerhalb der Dienststunden verübt wurde, nur unter ganz besonderen Umständen dem Beschäftigungsverhältnis zuordnen. 217 Für einen Unfall, den der Gehilfe auf 2.2
134C-E. Romansrivier Koöperatiewe Wynkelder Bpk. v. Chemserve Manufacturing (Pty) Ltd 1993 (2) SA 358 (C) 366I-H. 2.4 Vgl. insbesondere das Votum von Van Heerden in Minister of Police v. Rabie 1986 (1) SA 117 (A) 131 f.; ferner etwa Carter Co (Pty) Ltd v. McDonald 1955 (1) SA 202 (A). 2.5 1959 (2) SA 437 (A). 216 Vgl. beispielsweise Middleton v. Automobile Association of SA 1932 NPD 451, 455. 2.3
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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dem Hin- und Rückweg der Arbeit verursacht, haftet der Geschäftsherr regelmäßig nicht. 2 1 8 Anders als in England gibt es im südafrikanischen Recht zu dieser Frage allerdings nur wenig Fallmaterial. Für die Bestimmung des course of employment kann es relevant sein, ob der Bedienstete einen festen Arbeitsplatz hatte: Wenn er sich zur Tatzeit an einem anderen Ort aufgehalten hat, scheidet eine Verantwortlichkeit des Arbeitgebers im allgemeinen aus. (J) Zeit und Ort bei Abweichung von einer vorgegebenen Wegstrecke Feldman (Pty) Ltd v. Mall
-
Die örtliche und zeitliche Komponente spielen im südafrikanischen Recht eine bedeutende Rolle, wenn ein Gehilfe während der Dienststunden vorübergehend eigene Interessen verfolgt. Zu dieser Problematik ist das vermutlich wichtigste südafrikanische Urteil im Rahmen der vicarious liability ergangen: Feldman (Pty) Ltd v. M a l l . 2 1 9 Der zentrale Stellenwert der Entscheidung erklärt sich vor allem daraus, daß Chief Justice Watermeyer nach einer eingehenden Untersuchung über die Grundlagen der Haftung des Geschäftsherrn den Gedanken der Risikoerzeugung als entscheidenden Gesichtspunkt herausgearbeitet hat, um die Auferlegung der strikten Verantwortlichkeit zu rechtfertigen: „It appears ... that a master who does his work by the hand of a servant creates a risk of harm ... that because he has created this risk for his own ends he is under a duty to ensure that no one is injured by the servant's improper conduct or negligence in carrying on his w o r k " 2 2 0 , wie die entscheidende, vielzitierte Passage lautet. Von nachhaltigem Einfluß auf die Rechtsentwicklung waren ferner auch die Tests, die von Watermeyer, C.J., und Tindall, J.A., zur Konkretisierung des funktionalen Haftungszusammenhangs formuliert worden waren, deren Übernahme in nachfolgenden Urteilen sich allerdings nicht nur positiv auswirkte, da ihre Bedeutung (über den besonderen Kontext der Feldman Entscheidung hinaus) vielfach überschätzt wurde.
217
Im südafrikanischen Recht scheint dies nur im Hinblick auf Polizeibeamte angenommen worden zu sein, siehe vor allem Minister of Police v. Rabie 1986 (1) SA 117 (A). 218 Vgl. Lorentz v. Dorman Long (Africa) Ltd 1943 EDL 169 (Hinweg); Dowson & Dowson Ltd v. Grobbelaar 1965 (2) PH J20 (T) (Rückweg); siehe aber auch Limason v. Leyland Motors (SA) Ltd 1929 CPD 348. 2,9 1945 AD 733. 220 1945 AD 733, 741 (meine Hervorhebung). Die „juxtaposition of the elements of profit and risk" wurde schon von Barlow als „true foundation of the master's liability" angesehen, vgl. Vicarious Liability, 185. 24 Wicke
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Vicarious liability im
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Ein Angestellter des Beklagten war damit beauftragt worden, mit einem Transporter Pakete auszuliefern und Geld einzusammeln. Er war dazu verpflichtet, den Wagen nach Abschluß der Tätigkeit wieder in die Garage seines Geschäftsherrn zurückzubringen. Statt dessen fuhr er nach Beendigung seines Auftrags verbotswidrig nach Sophiatown, einem nahegelegenen Township, wo er für mehr als drei Stunden verweilte und Alkohol zu sich nahm. Als er anschließend den Transporter abliefern wollte, verursachte er unterwegs fahrlässig einen Unfall. Aufgrund des Besuchs in Sophiatown war die zurückgelegte Wegstrecke um fünf Meilen länger, als dies bei einer direkten Rückkehr der Fall gewesen wäre. Nach der Mehrheitsauffassung der Appellate Division mußte der Beklagte für die entstandenen Schäden einstehen. Eine Meinungsverschiedenheit herrschte im Hinblick auf die Frage, inwieweit sich das Gericht in seiner Entscheidung an englischem Recht, namentlich an der oben behandelten Entscheidung in Storey v. Ashton, orientieren sollte. Im Gegensatz zu Greenberg , J.A., lehnte die Mehrzahl der Richter eine Bindungswirkung ab. Der maßgebliche argumentative Schritt, mit dem sich das Gericht über Storey ν. Ashton hinwegsetzte, war die Annahme einer doppelten Pflicht: Einerseits, den Wagen zu bedienen, um die übertragenen Aufgaben zu erfüllen; andererseits aber die Kontrolle oder Sachherrschaft über das Fahrzeug auszuüben, das nach Abschluß der Tätigkeit in die Garage des Geschäftsherrn zurückgebracht werden mußte. 223 Wenn ein Gehilfe anstatt die Aufgaben seines Geschäftsherrn zu erfüllen eigene Ziele verfolgt, ist nach der Urteilsbegründung von Watermeyer, C.J., zwischen zwei Grundsituationen zu unterscheiden: Sofern er sich vollständig von seiner Tätigkeit gelöst hat, tritt eine Haftung des Arbeitgebers nur dann ein, wenn die Loslösung sich als fehlerhafte Ausführung oder als Fahrlässigkeit dargestellt hat. Wenn der Angestellte dagegen zumindest par221 (1869) LR 4 QB 476. In diesem Fall hatte ein Weinhändler seinen Verkäufer und Fahrer mit einem Pferdewagen zur Lieferung und Abholung von Flaschen ausgesandt. Nachdem sie den Auftrag ausgeführt hatten und auf dem Rückweg eine Viertelmeile vom Grundstück ihres Geschäftsherrn entfernt waren, drehten sie in eine andere Richtung ab und fuhren zu dem Verkäufer nach Hause, um eigenen Absichten nachzugehen. Die Haftung des Weinhändlers für einen unterwegs verursachten Unfall wurde abgelehnt. 222 Vgl. 1945 AD 733, 776: „Where there is no difference in principle our Courts have always sought and obtained guidance from the decisions of the English Courts." 223 Demgegenüber schienen die Richter in Storey v. Ashton „to regard the delivery of wine as the only business of the master upon which the carman was engaged and ... [seemed] to ignore entirely the carman's duty to guide and control the movements of the cart and to keep custody of it on behalf of his master."
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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tiell seinen Dienstaufgaben nachgegangen ist, bleibt die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn bestehen. 224 In dem zu entscheidenden Sachverhalt übte der Angestellte nach wie vor die Sachherrschaft über den Transporter aus, als sich der Unfall ereignete. Der Verstoß gegen die Vorgaben seines Geschäftsherrn war nach Auffassung von Watermeyer, C.J., nicht radikal genug, um die Verbindung zu seinen Arbeitspflichten vollständig zu zertrennen. Es stellt sich die Frage, unter welchen Umständen die Verfolgung eigener Absichten als Loslösung von den Dienstaufgaben angesehen werden kann. In dieser Hinsicht scheint die Urteilsbegründung von Tindali, J.A., die Mehrheitsansicht des Gerichts widerzuspiegeln: „In my view, the test to be applied is whether the circumstances of the particular case show that the servant's digression is so great in respect of space and time that it cannot reasonably be held that he is still exercising the functions to which he was appointed; if this is the case the master is not liable. It seems to me not practicable to formulate the test in more precise terms; I can see no escape from the conclusion that ultimately the question resolves itself into one of degree and in each particular case a matter of degree will determine whether the servant can be said to have ceased to exercise the functions to which he was appointed."225 Das Ausmaß der Abweichung von der vorgegebenen Route in zeitlicher und örtlicher Hinsicht ist danach die maßgebliche Richtschnur, wenn der Angestellte eigenen Belangen nachgeht. Im Hinblick auf Sachverhaltskonstellationen wie Feldman (Pty) Ltd v. Mall, in denen die übertragene Auf224 „If an unfaithful servant, instead of devoting his time to his master's service, follows a pursuit of his own, a variety of situations may arise having different legal consequences. (a) If he abandons his master's work entirely in order to devote his time to his own affairs then his master may or may not, according to the circumstances, be liable for harm which he causes to third parties: If the servant's abandonment of his master's work amounts to mismanagement of it or negligence in its performance and is, in itself, the cause of harm to third parties, then the master will naturally be legally responsible for that harm ... If, on the other hand the harm to a third party is not caused by the servant's abandonment of his master's work but by his activities in his own affairs, unconnected with those of his master, then the master will not be responsible. (b) If he does not abandon his master's work entirely but continues partially to do it and at the same time to devote his attention to his own affairs then the master is legally responsible for harm caused to a third party which may fairly, in a substantial degree, be attributed to an improper execution by the servant of his master's work, and not entirely to an improper management by the servant of his own affairs." (1945 AD 733, 742). Der Test läßt sich freilich nicht mit den Situationen vereinbaren, in denen der Gehilfe verbotswidrig einen Passagier mitgenommen hat. Die Gerichte haben in derartigen Fällen eine Haftung des Geschäftsherrn häufig abgelehnt, obwohl der Angestellte zweifellos noch seinen Arbeitspflichten nachgegangen war, vgl. vor allem SAR & H v. Marais 1950 (4) SA 610 (A). 225 1945 AD 733, 757 (meine Hervorhebung). 24*
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gäbe in dem Transport von Gütern besteht und der Gehilfe eine räumliche Wegstrecke zurücklegt, liefert dieser Ansatz wichtige Anhaltspunkte. Demgegenüber gibt es aber auch Fälle, in denen ein Angestellter ohne den Arbeitsplatz zu verlassen und ohne Zeitverzögerung eigenen Interessen nachgeht und eine Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn dennoch ausscheidet. So wurde beispielsweise in Meyer v. Jackelson; Boshoff v. Jackelson 2 2 6 die Haftung eines Beklagten abgelehnt, dessen Bedienstete sich während der Arbeit Essen gekocht und dabei einen Brand verursacht hatten, obwohl sich in zeitlicher und örtlicher Hinsicht keine nennenswerte Distanzierung von den Dienstpflichten ergeben hatte. 227 Die Ausführungen von Tindall, J.A., sind daher vor dem Hintergrund der besonderen Sachverhaltslage in der Feldman-Entscheidung zu bewerten. Die Grenzen der Kriterien von Raum und Zeit im Hinblick auf die Haftungszurechnung waren bereits von Davis, A.J.A., in seiner Urteilsbegründung erkannt worden 2 2 8 : ,,[I]t is not the extent of the deviation either in space or time which is conclusive: these elements can only be of importance in so far as they determine the character of the deviation ... And there is nothing unscientific in making his liability depend on the character of the deviation and not merely on its extent in space or f · β 4*229 time. Die zeitliche und die örtliche Abweichung stellen danach keine absoluten Maßstäbe dar. Vielmehr handelt es sich jeweils um Aspekte, die zur Charakterisierung des betreffenden Verhaltens in seiner Gesamtheit heranzuziehen sind. Zur Bestimmung des funktionalen Zusammenhangs bedarf es einer normativen Bewertung einer Reihe vielschichtiger Faktoren. Es geht nicht um Messungen zahlenmäßiger Größen, die mit mathematischer Genauigkeit zu einem sicheren Ergebnis führen. Entscheidend ist nach Auffassung von Davis, A.J.A., die Frage, ob die Abweichung von den vorgegebenen Pflichten vernünftigerweise vorhersehbar war („natural and likely result" 2 3 0 ). In dieser Beziehung ist sein Ansatz noch stark von der Suche nach einem umfassenden Kriterium bestimmt. Ungeachtet dessen verdient die Auffassung von Davis, A.J.A., besondere Hervorhebung, da er für das südafrikanische Recht schon frühzeitig herausgearbeitet hat, daß es sich bei der Abweichung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht lediglich um zwei von mehreren Faktoren einer normativen Gesamtabwägung handelt.
226 227 228 229 230
1961 (3) SA 165 (T). Vgl. auch SAR & H v. Marais 1950 (4) SA 610 (A). Siehe dazu jedoch Atiyah, Vicarious Liability, 254 f. 1945 AD 733, 785 und 786 (meine Hervorhebung). 1945 AD 733, 784.
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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(2) Abweichung in zeitlicher und räumlicher Hinsicht als abstrakter Test - Viljoen v. Smith In nachfolgenden Urteilen gerieten die Erwägungen von Davis, A.J.A., freilich in Vergessenheit. Demgegenüber wurde auf die Tests von Watermeyer, C.J., und Tindall, J.A., zur Bestimmung des course of employment wiederholt zurückgegriffen. Das Ergebnis war häufig eine Überbetonung der zeitlichen und örtlichen Komponente (die nicht mit Davis, A.J.A., lediglich als Teilaspekte einer umfassenden Bewertung angesehen wurden). Während die Gerichte in einigen Fällen bei äußerlicher Anwendung dieser Kriterien zumindest unbewußt andere relevante Gesichtspunkte in die Abwägung miteinbezogen haben 2 3 1 , kam es zuweilen auf diese Weise auch zu einer Vernachlässigung wichtiger Gesichtspunkte. In der Entscheidung Viljoen v. Smith aus dem Jahre 1997 2 3 2 hatte ein Farmarbeiter verbotswidrig das Gelände seines Arbeitgebers verlassen, um sich auf dem Nachbargrundstück Erleichterung zu verschaffen („ontlas"). Als er sich dabei eine Zigarette anstecken wollte, verursachte er durch ein abgebrochenes Streichholz einen Feldbrand. Die Appellate Division nahm im Ergebnis eine Haftung des Geschäftsherrn an und stützte die Entscheidung maßgeblich darauf, daß der Gehilfe sich insgesamt nur 400 Meter und lediglich für die Dauer weniger Minuten von seinem eigentlichen Arbeitsplatz entfernt hatte. Daß er dabei ausschließlich im eigenen Interesse ein Streichholz entzünden wollte, war nach Ansicht des Gerichts für die Bewertung unerheblich 233 , obwohl dieser Aspekt in einigen früheren Urteilen im Zentrum der richterlichen Untersuchung gestanden hatte. 2 3 4 Viljoen v. Smith ist folglich ein anschauliches Beispiel für das oben beschriebene Phänomen, daß bestimmte „sub-rules", die für eingegrenzte Sachverhaltsgruppen konzipiert waren,
231
Beispielsweise in African Guarantee and Indemnity Co Ltd v. Minister of Justice 1959 (2) SA 437 (A). 232 1997 (1) SA 309 (A). 233 Hefer, J.Α., äußerte sich auf S. 317 dahingehend, „dat dit inderwaarheid nie gaan om die feit dat [die werknemer] sy werk gelos het om hom te gaan ontlas en dat hy gerook het as sodanig nie, maar om die feit dat hy dit op [die naburige plaas] gedoen het." (In Wahrheit geht es nicht um die Tatsache, daß der Arbeitnehmer seine Arbeit liegen gelassen hat, um sich Erleichterung zu verschaffen und daß er dabei geraucht hat, sondern um die Tatsache, daß er dies auf der benachbarten Farm getan hat). Ein besonderer Aspekt des Falles, dem von dem Gericht wenig Aufmerksamkeit beigemessen wurde, der aber die Entscheidung eher gerechtfertigt erscheinen läßt, liegt in der Tatsache, daß auf dem Arbeitsgelände keine Toiletteneinrichtungen vorhanden waren. 234 Wie etwa in Mbara v. Landrey 1917 CPD 599; Hendrikz v. Cutting 1937 CPD 417; Barker v. Venter 1953 (3) SA 771 (EDL); Meyer v. Jackelson, Boshoff v. Jackelson 1961 (3) SA 165 (T); Bischoff Embroidery SA (Pty) Ltd v. SAR & H 1966 (4) SA 385 (W).
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über ihre eigentliche Funktion hinausgehend als allgemeine Prüfungskriterien interpretiert werden mit der Folge, daß in der Entscheidung die spezifischen Probleme des individuellen Sachverhaltes in den Hintergrund treten. dd) Eigentum und Interessen des Geschäftsherrn Wie im englischen Recht verdienen im Rahmen der Gesamtabwägung sämtlicher relevanter Umstände die Eigentumsverhältnisse Beachtung. Für die Haftung des Geschäftsherrn reicht es zwar regelmäßig nicht aus, daß ihm der schadenstiftende Gegenstand gehörte: So war in der oben erörterten Entscheidung Carter & Co (Pty) Ltd v. McDonald 2 3 5 die Kollision mit dem Fußgänger durch ein Fahrrad der beklagten Firma verursacht 236 worden, eine Haftung aber dennoch abgelehnt worden, da der Gehilfe zum maßgeblichen Zeitpunkt von seinen Dienstpflichten befreit war. Die Sachherrschaft über einen Gegenstand kann den Pflichtenkreis des Angestellten jedoch erweitern und damit unter Umständen zu einer Ausdehnung des funktionalen Haftungszusammenhangs führen, wie das Urteil in Feldman (Pty) Ltd v. Mall gezeigt hat. 2 3 7 In der Beurteilung eines Sachverhalts können ferner die Interessen des Geschäftsherrn an dem Verhalten des Gehilfen Bedeutung gewinnen. Wenn ein Bediensteter sich Essen zubereitet und durch Ausbreiten des Feuers Schäden entstehen, ist es für die Haftung regelmäßig entscheidend, ob die betreffende Mahlzeit für die Erfüllung der Arbeitspflichten notwendig war und damit auch zum Vorteil des Arbeitgebers erfolgte. 238 Ähnlich wie im englischen Recht ist die Interessenlage zwischen den Parteien überdies in einer Serie von Fällen relevant geworden, in denen ein Passagier verbotswidrig von einem Angestellten mitgenommen wurde und unterwegs in einem Unfall Verletzungen erlitten hat. Die Leitentscheidung in diesem Kontext ist SAR & H v. Marais. 2 3 9 Der Ehemann der Klägerin war mit einem Zug unterwegs gewesen und hatte bei einem Aufenthalt in einem Bahnhof sein Abteil verlassen, um dem Fahrer beim Betrieb der Lokomotive zuzusehen. Die beiden Männer tranken zusammen Brandy, bis die Lokomotive wegen überhöhter Geschwindigkeit entgleiste und sie dabei ums Leben 235
1955 (1) SA 205 (A). S. o., § 6 V 1 b aa. 237 S. o., § 6 V 1 b cc (1). 238 Vgl. Mkize v. Martens 1914 AD 382; Bischoff Embroidery SA (Pty) Ltd v. SAR and Harbours 1966 (4) SA 385 (W). 239 1950 (4) SA 610 (A). Siehe dazu auch die Urteilsanmerkung von McKerron, 1951 SALJ, 1. Vgl. ferner die Entscheidungen Rossouw v. Central News Agency Ltd 1948 (2) SA 267 (W); Magage v. Murray & Stewart (Edms) Bpk. 1980 (4) SA 294 (O). 236
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kamen. Wie sich hinterher herausstellte, wäre der Ehemann nicht gestorben, wenn er in seinem Abteil geblieben wäre. Die Appellate Division lehnte eine Haftung des Eisenbahnunternehmens ab. In der Begründung des Urteils zeigen sich deutliche Parallelen zu der englischen Entscheidung Twine ν. Bean's Express Ltd, auf die ausdrücklich verwiesen wurde. 2 4 0 Watermeyer, C.J., stützte seine Auffassung auf die Überlegung, daß der Fahrer mit zwei Tätigkeiten auf einmal beschäftigt war, als sich der Unfall ereignete: Mit dem Betrieb des Zuges und mit dem Transport des Ehemannes. Die Beförderung eines Passagiers im Fahrerabteil bedeutete aber ein Extrarisiko, das den Interessen des Eisenbahnunternehmens zuwider lief und daher nicht zu einer Haftung führen konnte. Nach der Auffassung von Greenberg, J.A., hat der Ehemann mit dem Austreten aus seinem Abteil den Kreis der Personen verlassen, denen eine „duty of care" geschuldet war. 2 4 1 ee) Die Natur der Arbeit und die Frage, ob der Gehilfe vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat Ein weiterer Aspekt von grundlegender Bedeutung ist die Natur der Arbeit. Die gefährlichen Umstände der Tätigkeit können im allgemeinen erhöhte Sorgfaltsmaßnahmen erforderlich machen und damit den Rahmen der Verrichtungen erweitern. Bei einem Brand, der durch das Entzünden einer Zigarette verursacht wurde, kommt es daher zu einer Einstandspflicht des Geschäftsherrn, wenn der verantwortliche Angestellte mit dem Einfüllen von Benzin beschäftigt w a r 2 4 2 , möglicherweise aber nicht, wenn er zum Ernten und Schälen von Mais angestellt war. 2 4 3 Je höher die Verantwortlichkeit eines Angestellten, desto weiter ist regelmäßig auch der Umfang seiner Pflichten, für deren ordnungsgemäße Ausführung der Geschäftsherr verantwortlich ist. So ist ein Schaffner beispielsweise nicht zum Fahren angestellt mit der Folge, daß eine Haftung des Busunternehmens ausscheidet, wenn jener sich selbst ans Steuer gesetzt und einen Unfall verursacht hat. 2 4 4 Eine Verantwortlichkeit des Arbeitgebers kann sich grundsätzlich für 240
[1946] 1 All ER 202; 175 LT 131. Dazu s. o., § 5 II 3 cff. Zur Kritik an beiden Ansätzen s. o., § 5 II 3 cff. 242 Vgl. Hendrikz v. Cutting 1937 CPD 417, 424: „In a case of this sort the striking of a match must not be dealt with as an act standing by itself, because taken by itself it may be a harmless act, but taken in conjunction with certain types of employment, upon which a servant may be engaged the striking of a match may become a highly dangerous and consequently a very negligent act for a servant to indulge in while engaged on such employment." 243 Mbara v. Landrey 1917 CPD 599; siehe aber auch Viljoen v. Smith 1997 (1) SA 309 (A). 244 Vgl. Weir Investments (Pty) Ltd and Others v. Paramount Motor Transport 1962 (4) SA 589 (D); ferner Francis Freres and Mason (Pty) Ltd v. Public Utility 241
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jede Art rechtswidrigen Verhaltens ergeben, einschließlich absichtlicher Delikte, die im alleinigen Interesse des Gehilfen verwirklicht wurden. Bei vorsätzlichem Handeln sind regelmäßig jedoch besondere Erwägungen für die Annahme einer Einstandspflicht erforderlich, die wiederum in engem Zusammenhang mit der Natur der Tätigkeit stehen. In Hirsch Appliance Special v. Shiled Security Natal (Pty) L t d 2 4 5 hatte ein Sicherheitsunternehmen die Überwachung eines Messezentrums für die Dauer einer Ausstellung übernommen. Angestellte, die mit der Sicherstellung betraut waren, hatten einige wertvolle Gegenstände aus dem Lagerraum des Klägers entwendet. Nach dem Urteil von Booysen, J., mußte das Unternehmen für die entstandenen Schäden Ersatz leisten. Die Argumentation beruhte im wesentlichen auf zwei Säulen. Zum einen wurde unter Anwendung des oben erwähnten Tests von Watermeyer, C.J., aus Feldman (Pty) Ltd v. Mall entschieden, daß die beiden Angestellten sich durch die Begehung des Diebstahls vollständig von ihren Aufgaben gelöst hätten, diese Loslösung aber als fehlerhafte Ausführung ihrer Tätigkeit anzusehen sei, für die der Geschäftsherr einstehen müsse. Zum anderen habe das Sicherheitsunternehmen mit der Bewachung des Ausstellungsgeländes eine erhöhte Pflicht zur Verhinderung von Schäden durch dritte Personen übernommen, die den Bediensteten übertragen und durch die Entwendung der Sachen verletzt worden sei. In dieser Hinsicht wurde eine Analogie zu der Haftung des Staates für Delikte von Polizisten gebildet und die Einstandspflicht mit einer „non-delegable duty" begründet, ein Ansatz, der für das südafrikanische Recht im allgemeinen wie auch für den Kontext der Haftung für employees im besonderen ungewöhnlich erscheint. 246 Unabhängig von der dogmatischen Konstruktion war die Überlegung entscheidend, daß mit der Übernahme der Überwachung und aufgrund der besonderen Natur des Sicherheitsdienstes eine Erweiterung des Haftungsumfangs eingetreten ist. Bei vorsätzlichen Vermögensdelikten im ausschließlichen Interesse des Angestellten scheint in Südafrika daher ähnlich wie im englischen common law grundsätzlich eine vertragsähnliche Nähebeziehung zwischen den Parteien erforderlich zu sein, um zur Annahme einer Verantwortlichkeit zu gelangen. 247 Nach deutschem Recht wäre in der Situation von Hirsch Appliance Special v. Shiled Security Natal (Pty) Ltd an einen Anspruch des
Transport Corp Ltd 1964 (3) SA 23 (D); SAR & Η ν. Albers and Another 1977 (2) SA 341 (D). 245 1992 (3) SA 643 (D). 246 Vgl. S. 651: „Where an employer is, unlike an ordinary citizen, indeed under a legal duty to be his brother's keeper or the guardian or custodian of his brother's goods, and he entrusts that function to a servant who then not only omits to perform his duty, but causes the very injury which it is his and his master's duty to prevent, then, as a general rule, the master will be liable."
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Klägers aus dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (in Verbindung mit § 278 BGB) zu denken gewesen. 248 ff) Die Schaffung eines Risikos als Test für die Haftung? Wie sich zeigte, hat Watermeyer, C.J., in der Entscheidung Feldman (Pty) Ltd v. Mall im Jahre 1945 den Risikogedanken offen als Grundlage für die Auferlegung von vicarious liability anerkannt. 249 Historisch gesehen war dieser Schritt bemerkenswert, da das südafrikanische Haftungsrecht zu diesem Zeitpunkt noch sehr stark dem Alleinherrschaftsanspruch des Schuldprinzips unterlag und der Gedanke der Gefährdungshaftung als gleichwertige Zurechnungsmaxime sich in der Theorie noch nicht durchgesetzt hatte. Zwar war die „juxtaposition of the elements of profit and risk" schon von Barlow als „true foundation of the master's liability" angesehen worden. 2 5 0 Er stand in Südafrika jedoch noch allein auf weiter Flur, als er im Jahre 1939 forderte: „We must ask ourselves whether in fact South African jurisprudence should not go further in the direction of the German idea of ,Haftung ohne Schuld. 4 " 2 5 1 Obgleich das südafrikanische Haftungsrecht bis heute in stärkerem Maße dem Verschuldensprinzip zugeneigt ist als die europäischen Rechtsordnungen, ist der Gedanke der Gefährdungshaftung in Wissenschaft und Praxis mittlerweile allgemein anerkannt. 252 Um eine Konkretisierung des Risikogedankens zu einem Rechtsgrundsatz, der unmittelbar in der Praxis Berücksichtigung finden sollte, hat sich in der Literatur vor allem Van der Walt in seiner Dissertation „Risikoaanspreeklikheid uit onregmatige daad" bemüht. Im Kontext der vicarious liability ist Scott der Hauptverfechter des Risikoprinzips, das er ebenfalls nicht nur als Rechtfertigung oder dogmatische Grundlage der Haftung des Geschäftsherrn erachtet, sondern darüber hinaus in einer von ihm näher spezifizierten Form unmittelbar als Regelungsmodell für die Rechtsanwendung 247
Vgl. auch FPS Ltd v. Trident Construction (Pty) Ltd 1989 (3) SA 537 (A); Greater Johannesburg Transitional Metropolitan Council v. ABSA Bank Ltd t/a Volkskas Bank [1996] 4 All SA 278 (W). 248 Besondere Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen im südafrikanischen Privatrecht bei vorsätzlichen Diffamierungen, vgl. Moosa v. Duma and the Vereeniging Muncipality 1944 TPD 30; Minister of Police v. Mbilini 1983 (3) SA 705 (A); Ciliza v. Minister of Police and Another 1976 (4) SA 243 (N). 249 S. o., § 6 V 1 b cc (1). 250 Vicarious Liability, 185. 251 Vicarious Liability, 187f.; vgl. Van der Walt, Strict Liability in the South African Law of Delict, 1 CILS A (1968), 49, 64. 252 Siehe im einzelnen Neethling/Potgieter/Visser, Delict, 341 ff. Grundlegend ferner South African Law Commission, Risk as a Ground for Liability in Delict, Project 23; Van der Walt, Risiko-Aanspreeklikheid.
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begreift. 253 Demgegenüber hatte Chief Justice Watermeyer in Feldman (Pty) Ltd v. Mall seine Untersuchung im Hinblick auf die Grundlagen der vicarious liability in der Absicht vorgenommen, ein tiefergehendes Verständnis der Haftungsregelungen zu ermöglichen und die Grenzen der Verantwortlichkeit allenfalls ein wenig exakter ermitteln zu können. In seinen eigenen Worten: „ I have gone into this question more fully than seems necessary in the hope that the reasons which have been advanced for the imposition of vicarious liability upon a master may give some indication of the limits of a master's legal responsibility, and the reasons are to some extent helpful." 2 5 4 Die eigentlichen Kriterien zur Bestimmung des course of employment behandelte er jedoch später separat an anderer Stelle. 2 5 5 Dieser Ansatz einer prinzipiellen Trennung von den Gründen der Haftung und den Regeln, aus denen sich die Auferlegung von vicarious liability ergibt, stand über die längste Zeit hinweg auch im Einklang mit der allgemeinen Auffassung der Rechtsprechung. 256 In der Entscheidung Minister of Police v. Rabie aus dem Jahre 1986 2 5 7 ging die Appellate Division jedoch einen Schritt weiter: Der Gedanke der Schaffung eines Risikos wurde über seine bisherige Funktion als Rechtfertigung der Verantwortlichkeit hinaus unmittelbar als Test für die Bestimmung des funktionalen Haftungszusammenhangs herangezogen. Nach einigen entsprechenden Experimenten in späteren Entscheidungen 258 wurde diese Vorgehensweise in dem Urteil Minister of Law and Order v. Ngobo 2 5 9 von 1992 wieder verworfen. Da der Risikogedanke in der Form eines Prüfungskriteriums für die Bestimmung der Haftung im südafrikanischen Recht jedoch nach wie vor Befürworter hat und die Problematik darüber hinaus für das theoretische Verständnis der Lehre von der vicarious liability aufschlußreich ist, sollen die wichtigsten Schritte dieser Entwicklung noch einmal nachgezeichnet werden.
253
Dazu siehe im einzelnen unten, § 6 V 1 d bb. 1945 AD 733, 741. 255 Vgl. 1945 AD 733, 742. 256 Ygi insbesondere Schreiner, J.A., in Carter & Co (Pty) Ltd v. McDonald 1955 (1) SA 202 (A) 207B. 254
257
Vgl. 1986 (1) SA 117 (A). Vgl. Romansrivier Koöperatiewe Wynkelder Bpk. v. Chemserve Manufacturing (Pty) Ltd 1993 (2) SA 358 (C); Tshabalala v. Lekoa City Council 1992 (3) SA 21 (A); Minister van Wet en Orde v. Wilson 1992 (3) SA 920 (A); Macala v. Maokeng Town Council 1993 (1) SA 434 (A); Dithipe v. Ikageng Town Council 1992 (4) SA 748 (T); ferner Hamman v. SWAPO 1991 (1) SA 127 (SWA); Boka Enterprises (Pvt) Ltd v. Manatse 1990 (3) SA 626 (ZHC); Witham v. Minister of Home Affairs 1989 (1) SA 116 (ZHC). 259 1992 (4) SA 822 (A). 258
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(1) Minister of Police v. Rabie In Minister of Police v. Rabie 2 6 0 hatte ein Angehöriger der Polizei namens Van der Westhuizen, der als Mechaniker schwerpunktmäßig zur Reparatur von Polizeiwagen angestellt war, den Kläger kurz nach Mitternacht rechtswidrig verletzt, verhaftet und ihm anschließend wider besseres Wissen eine Tat zur Last gelegt, die dieser nicht begangen hatte. Obwohl sich Van der Westhuizen zur Zeit des Unrechts nicht im Dienst befand und private Kleidung trug, gab er sich seinem Opfer gegenüber als Polizeibeamter aus. Nach der Mehrheitsauffassung der Appellate Division mußte der „Minister of Police" 2 6 1 für das rechtswidrige Verhalten einstehen. Für die Entscheidung war es wichtig, daß Van der Westhuizen, obgleich er Mechaniker war, den Status eines Polizeibeamten hatte und daher, wenn er Zeuge einer Straftat werden sollte, auch außerhalb der Dienststunden zu jeder Zeit und an jedem Ort Polizeiaufgaben (wie eine Verhaftung) wahrnehmen konnte. Ungeachtet dessen lehnte Van Heerden, J.A., in seinem Minderheitsvotum eine Verantwortlichkeit des Staates ab. In Anwendung der traditionellen Kriterien für die Bestimmung des Haftungszusammenhangs kam er zu dem Schluß, daß Van der Westhuizen objektiv nicht mit der Erfüllung polizeilicher Pflichten beschäftigt war und subjektiv aus reiner persönlicher Böswilligkeit gehandelt hatte, als er den Kläger verletzte und festnahm, so daß sein Verhalten nicht in Ausführung der Verrichtung lag. Auch Jansen, J.A., der die Mehrheitsentscheidung des Gerichts verfaßt hatte, ging davon aus, daß Van der Westhuizen zur Tatzeit nicht wirklich mit Polizeiaufgaben befaßt war. 2 6 2 Die entscheidende Frage war für ihn jedoch, ob das Verhalten eines Angestellten, der nach außen hin vorgibt, für seinen Arbeitgeber zu handeln, noch im Rahmen der Verrichtung liegen könnte. 2 6 3 Nach einer kurzen Diskussion der traditionellen Kriterien übernahm er die Formulierung des Risikogedankens durch Watermeyer, C.J., in Feldman (Pty) Ltd v. Mall als „passenderen" Ansatz für die Bestimmung des funktionalen Haftungszusammenhangs mit der Folge einer Erweiterung des Umfangs der Verantwortlichkeit :
260
1986 (1) SA 117 (A). Gemäß section 2 des State Liability Act 20 von 1957 kann in Klagen gegen den Staat der Minister des betreffenden Ressorts als nomineller Beklagter zitiert werden. 262 „Van der Westhuizen, whatever his ostensible conduct, was not in reality performing any of the functions set out in section 5 of the Police Act" (1986 (1) SA 117 (A) 134B). 263 „The contention by the appellant therefore raises the question whether in these circumstances the wrongs commited by Van der Westhuizen could at all be said to have been done ,in the course or scope' of his employment" (1986 (1) SA 117 (A) 134C). 261
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„By approaching the problem whether Van der Westhuizen's Acts were done ,within the course or scope of his employment' from the angle of creation of risk, the emphasis is shifted from the precise nature of his intention and the precise nature of the link between his acts and police work, to the dominant question whether those acts fall within the risk created by the State." 264 Durch die Ernennung von Van der Westhuizen zum Polizeibeamten hat der Staat nach Auffassung von Jansen, J.A., ein Risiko geschaffen, daß dieser die ihm verliehenen Befugnisse in unredlicher Weise mißbrauchen könnte. Eben diese Gefahr hätte sich in dem konkreten Fall verwirklicht, so daß der Polizeiminister für die Folgen der rechtswidrigen Tat einstehen müsse. Die Grenzen des Risikokriteriums für die Bestimmung des course of employment ließ Jansen, J.A., dabei ausdrücklich offen. 2 6 5 Die Entscheidung hat in der Literatur eine umfangreiche Diskussion ausgelöst. Von einigen Autoren wurde der Ansatz der Mehrheitsauffassung gebilligt, manchmal jedoch „mainly for reasons of social policy, rather than logic or even legal principle." 2 6 6 Die Anhänger scheinen die Rechtfertigung des Urteils primär im Bereich der Haftung des Staates zu sehen, nicht aber im Hinblick auf die Auferlegung von vicarious liability im allgemeinen. 267 Von den Kritikern wurde demgegenüber bemängelt, daß kein Versuch unternommen worden war, die Grenzen der Verantwortlichkeit zu bestimmen oder wenigstens einige Anhaltspunkte in dieser Hinsicht zu liefern. 2 6 8 Unsicherheit bereitete insbesondere die Frage, ob der Gesichtspunkt der Risikoerzeugung als Teil der traditionellen Kriterien, als Variante oder ein Aspekt anzusehen war oder ob es sich nicht vielmehr um einen separaten Test für die Haftung des Staates handelte. 269 Da Van der Westhuizen auch nach der Mehrheitsauffassung des Gerichts die Erfüllung polizeilicher Pflichten nur nach außen hin vorgetäuscht hatte, dabei in Wirklichkeit aber aus persönlicher Böswilligkeit gehandelt hatte, lag sein Verhalten bei Anwendung der allgemeinen Regeln nicht mehr im Rahmen der Verrichtung.
264
1986 (1) SA 117 (A) 1341. 1986 (1) SA 117 (A) 135B. 266 Dendy, When the Force Frolics, 1989 Acta Juridica 20, 42. 267 Stranex, Liability for the Delicts of the Police, 1986 SALJ, 192, 195: „The state must accept this liability, for it created the initial risk and like an insurance company, must accede to the claim of its insured (who presumably has also paid his premiums by means of income tax)." Ferner Van der Walt, Die Staat se Aanspreeklikheid, 1988 THRHR 515, 518. 268 Fredericks and Martin, State Liability for the Delicts of the Police, 1994 THRHR, 102; Martin, State Liability, 1989 THRHR 273. 269 Neethling/Potgieter, Risikoskepping by Middellike Aanspreeklikheid, 1993 THRHR, 500. 265
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(2) Minister of Law and Order v. Ngobo Im Anschluß an die Rabie-Entscheidung gab es eine ganze Serie von Urteilen, in denen die Gerichte erneut mit der Frage der Anwendung des Risikotests konfrontiert wurden. 2 7 0 Auffällig ist dabei, daß in keinem einzigen Verfahren eine Haftung des Staates allein auf den Gesichtspunkt der Gefahrerzeugung gestützt wurde, wenn sich die Verantwortlichkeit nicht gleichzeitig auch nach Maßgabe der traditionellen Kriterien begründen ließ. Die Entwicklung fand freilich bald schon wieder ihren Abschluß, als im Jahre 1992 die Appellate Division in der Entscheidung Minister of Law and Order v. Ngobo 2 7 1 schließlich die Konsequenzen aus der entstandenen Rechtsunsicherheit zog und den Gesichtspunkt der Risikoerzeugung als unmittelbaren Test für die Bestimmung des funktionalen Haftungszusammenhangs wieder verwarf. In dem Urteil ging es um die Klage einer Mutter wegen Verlusts von Unterhaltsleistungen durch den Tod ihres Sohnes. Der Verstorbene war zusammen mit Freunden am späten Abend von einer Hochzeitsfeier zurückgekehrt und unterwegs in einen Streit mit zwei nicht uniformierten Polizisten geraten. Im Verlauf der Auseinandersetzung zog einer der beiden Beamten einen Revolver, den er grundsätzlich auch außerhalb der Arbeitsstunden bei sich tragen durfte, und erschoß den Sohn. Die Polizisten waren während der Tatzeit nicht im Dienst und hatten auch nicht vorgegeben, in offizieller Eigenschaft zu handeln. Nach der Entscheidung der Appellate Division war der „Minister of Law and Order" nicht für die Tötung verantwortlich. Kumleben, J.A., betonte, daß die einzige Verbindung zwischen dem Verhalten der Polizisten und ihrer Beschäftigung die Benutzung des Revolvers gewesen sei, den sie im Besitz haben durften. Das Eigentum an der Waffe, obgleich relevant im Rahmen einer Gesamtabwägung, sei jedoch für sich allein nicht ausreichend, um eine Verantwortlichkeit des Staates zu begründen. Demgegenüber hatte die Klägerseite unter Hinweis auf Van der Walt und Scott argumentiert, daß sozialpolitische Erwägungen das Gericht dazu bewegen sollten, den Gedanken der Risikoerhöhung als Kriterium für die Bestimmung von vicarious liability zu übernehmen, um auf diese Weise zur Annahme einer Haftung zu gelangen. Von der Rabie-Entscheidung hätte sich der Sachverhalt in dem Ngobo Urteil unter dem Gesichtspunkt abgrenzen lassen, daß die beiden Beamten 270
Tshabalala v. Lekoa City Council 1992 (3) SA 21 (A); Minister van Wet en Orde v. Wilson 1992 (3) SA 920 (A); Dithipe v. Ikageng Town Council 1992 (4) SA 748 (T); Macala v. Maokeng Town Council 1993 (1) SA 434 (A); vgl. auch Hamman v. SWAPO 1991 (1) SA 127 (SWA); Boka Enterprises (Pvt) Ltd v. Manatse 1990 (3) SA 626 (ZHC); Witham v. Minister of Home Affairs 1989 (1) SA 116 (ZHC). 271 1992 (4) SA 822 (A).
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(anders als Van der Westhuizen) nicht einmal vorgegeben hatten, als Polizisten zu handeln. Der Risikoproblematik wurde von der Appellate Division jedoch eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen mit der Folge, daß eine Auseinandersetzung mit dem Ansatz von Jansen, J.A., in Minister of Police v. Rabie erforderlich wurde. Nach Auffassung von Kumleben, J.A., entsprachen die traditionellen Kriterien zur Bestimmung des funktionalen Haftungszusammenhangs den Interessen der Gesellschaft, indem sie eine Balance zwischen einer Auferlegung strikter Haftung als Ausnahme vom Verschuldensprinzip und dem Bedürfnis von außenstehenden Personen nach einem Ersatzanspruch für erlittene Nachteile schafften. Ungeachtet der diffizilen Abgrenzungsfragen, die aus der Anwendung der herkömmlichen Tests resultierten, würde die Unbestimmtheit der in der Wissenschaft vorgeschlagenen alternativen Haftungsmodelle gegen die Einführung eines neuen Ansatzes sprechen, vorausgesetzt, daß ein solcher Schritt überhaupt im Rahmen der Kompetenzen eines Gerichts liegen würde und nicht vielmehr dem Gesetzgeber vorbehalten sei. 2 7 2 Im Einklang mit der überlieferten Rechtsprechung nahm Kumleben, J.A., den Risikogedanken als wichtigsten Grund für die Auferlegung von vicarious liability an. Eine Weiterentwicklung im Sinne der Rabie-Entscheidung zu einem Kriterium, mit dem die Verantwortlichkeit des employer in der Praxis bestimmt werden könnte, lehnte er jedoch unter Hinweis auf die entgegenstehende südafrikanische Rechtslage ab. Unterstützung für seine Auffassung fand er in dem folgenden zentralen Zitat von Schreiner, J.A., aus der oben behandelten Entscheidung Carter & Co (Pty) Ltd v. McDonald: „It is often useful to examine the reason which probably gave rise to the rule, in order to discover the rule's limits, but the reason, even if certainly established is not the same as the rule,"
273
Mit der Urteilsbegründung von Kumleben, J.A., hat damit das schon im Rahmen des englischen Rechts beobachtete Phänomen einen richterlichen Ausdruck gefunden, daß die konkreten Voraussetzungen der vicarious liability sich nicht aus den rechtspolitischen Erwägungen herleiten lassen, die zu der Auferlegung der Haftung führen. Es besteht offenbar ein Unterschied zwischen dem Grund der Verantwortlichkeit und den Regelungen, aus 272
„To my mind the standard test adequately serves the interest of society by maintaining a balance between imputing liability without fault which runs counter to general legal principle, and the need to make amends to an injured person, who might otherwise not be recompensed. Whilst one cannot gainsay the difficulty of applying the standard test in certain cases, the indeterminacy of the elements of the proposed alternatives suggests that their adoption would not make the task of determining liability any easier. In the circumstances there appears to me to be no sound reason for replacing a generally accepted principle with another which is controversial and untried" (1992 (4) SA 822 (A) 833G-H). 273 1992 (4) SA 822 (A) 831G.
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denen sich die Einstandspflicht in der Praxis ergibt, zwischen „reason" und „rule." Zwar müssen die Haftungsvoraussetzungen immer im Licht der hinter ihnen stehenden sozialpolitischen Erwägungen betrachtet werden und dürfen zu ihnen nicht im Widerspruch stehen. Für die Suche nach der rechten Balance zwischen der Auferlegung verschuldensunabhängiger Haftung und dem Ersatzbedürfnis Dritter liefern die Rechtfertigungsgründe jedoch keine genauen Anhaltspunkte. Die Rechtsentwicklung von der Rabie- bis zur Ngobo-Entscheidung hat deutlich gezeigt, welche Rechtsunsicherheit entstehen kann, wenn die Ebenen von reason und rule vertauscht werden. Seit dem Urteil von Kumleben, J.A., gilt in Südafrika wieder der sogenannte „standard test" für die Bestimmung des funktionalen Haftungszusammenhangs zwischen Arbeitsverhältnis und verwirklichtem Unrecht. Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine Palette von Faktoren, die von den Gerichten in der Entscheidung eines Falles als Indizien für und gegen die Verantwortlichkeit berücksichtigt werden. Wie die Analyse der wichtigsten einschlägigen Urteile gezeigt hat, weisen die Kriterien der südafrikanischen Rechtsprechung eine genaue Übereinstimmung zu den Gesichtspunkten auf, die sich im Rahmen des englischen common law herauskristallisiert hatten: Die (nicht abschließende) Liste umfaßt hier wie dort eine etwaige Weisung oder ein Verbot des Geschäftsherrn, die Absichten des Gehilfen, Zeit und Ort der Arbeit, die Eigentumsverhältnisse, die Interessen des Geschäftsherrn, die Natur der Tätigkeit, sowie die Frage, ob der Gehilfe vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. c) Die Verwirklichung eines Delikts durch den Gehilfen und das Verhältnis zur Haftung des Geschäftsherrn Unter vicarious liability versteht man im südafrikanischen Recht allgemein die Verantwortlichkeit einer Person für das deliktische Verhalten eines anderen. Die Haftungszurechnung setzt daher als erste Bedingung voraus, daß der Gehilfe etc. selbst eine unerlaubte Handlung verübt hat. „Dominos ac patres in solidum teneri ex delictis famulorum ac filiorum, quoties ίIii deliquerunt in officio aut ministerio" 2 7 4 , wie Johannes Voet formulierte, dessen Ansatz in der Grundstruktur von der südafrikanischen Rechtsprechung übernommen wurde. 2 7 5 Wenn das Unrecht des Angestellten in Ausführung der Verrichtung begangen wurde, muß der Arbeitgeber neben dem Beschäftigten in voller Höhe für die entstandenen Schäden aufkommen. Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn ist daher generell die folgende Äußerung von Williamson, J.A., aus der Entscheidung Botes v. Van Deventer 276 zu berücksichtigen: „The position of the master ... is 274 275
Voet, Commentarius, D. 9, 4, 10 (meine Hervorhebung). S. ο., § 6 III.
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that his vicarious liability in respect of a delict committed by his servant in the exercise of the function entrusted to him 4 is co-extensive and identical in every respect with the liability of the servant." 277 Nach allgemeiner Auffassung können employer und employee als „joint wrongdoers" 278 einzeln oder zusammen auf den vollständigen Ersatzbetrag verklagt werden. 2 7 9 Im Innenverhältnis muß der Angestellte jedoch allein für den gesamten Schaden aufkommen, ein Regreßanspruch steht nur dem Arbeitgeber z u . 2 8 0 Ungeachtet wiederholter Kritik aus der Literatur 2 8 1 gibt es im südafrikanischen Recht ähnlich wie im englischen common law daher keinen „innerbetrieblichen Schadensausgleich." 282 Wenn der Geschäftsherr selbst aufgrund persönlich erlittener Nachteile gegen einen außenstehenden Dritten Klage erhebt, muß er sich das Verschulden eines Gehilfen in Ausführung der Verrichtung schadensmindernd anrechnen lassen. 283 Da die Auferlegung von vicarious liability voraussetzt, daß der Angestellte ein vollständiges Delikt verwirklicht hat, kann der employer grundsätzlich alle Einreden geltend machen, die auch dem employee zustehen. 276
1966 (3) SA 182 (A) 206. Vgl. auch Randbond Investments (Pty) Ltd v. FPS (Northern Region) (Pty) Ltd 1992 (2) SA 608 (W) 621F-J. 278 Im Sinne von Kapitel zwei des „Apportionment of Damages Act" 34 von 1956 in der geänderten Fassung aufgrund des Act 58 von 1971 sowie des Act 88 von 1984. 279 Becker v. Kellerman 1971 (2) SA 172 (T); Maphosa v. Wilke en Andere 1990 (3) SA 789 (T); Smit v. General Accident Fire and Life Assurance Co Ltd 1964 (3) SA 739 (C); Prinsloo v. Du Preez NO 1965 (4) SA 300 (W); Van der Merwe/Olivier, Onregmatige Daad, 519; Neethling/Potgieter/Visser, Deliktereg, 263. 280 Botes v. Van Deventer 1966 (3) SA 182 (A) 205 f.; Neethling/Potgieter/Visser, Deliktereg, 365. 281 Vgl. schon Barlow, Vicarious Liability, 83 Fußn. 99: „A servant is frequently unable to pay the damages himself to the third party and will be in no better position as against his employer. The latter will be able to obtain and suspend a judgment against the servant, thus obtaining an unfair advantage over him. The best and most equitable method is for the master to safeguard against such risk by insurance." Ferner Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 60f. Siehe aber auch Van der Merve/Olivier, Onregmatige Daad, 519 Fußn. 29. 282 In der Praxis scheinen Regreßansprüche aufgrund zu erwartender Insolvenz des Gehilfen freilich selten vorzukommen. 283 Vgl. jüngst Greater Johannesburg Transitional Metropolitan Council v. ABSA Bank Ltd t/a Volkskas Bank [1996] 4 All SA 273 (W) 290G-291A, wonach die Worte „his own fault" in section 1 (1) (a) des Apportionment of Damages Act 34 von 1956 auch ein Verschulden einschließen, für das den Kläger eine vicarious liability trifft. Siehe ferner Becker v. Kellerman 1971 (2) SA 172 (T) 177; Grove ν. Ellis 1977 (3) SA 388 (C) 390F; General Tyre & Rubber Co (SA) Ltd v. Kleynhans and Another 1963 (1) SA 533 (N); McKerron, Delict, 67, 298; Van der Merwe/ Olivier, Onregmatige Daad, 178. 277
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Eine Ausnahme ist anerkannt für diejenigen Einreden, die nicht den Unrechtsgehalt der Tat als solchen betreffen, sondern nur prozessual zu persönlicher Immunität des Gehilfen führen. 284 So trifft einen Polizeibeamten gemäß section 34 (2) des KwaZulu Police Act 14 von 1980 beispielsweise keine Haftung, wenn er gutgläubig auf der Grundlage einer gesetzlichen Vorschrift gehandelt hat, die in Wirklichkeit rechtswidrig und damit ungültig war. Nach der Entscheidung De Welzim v. Regering van Kwazulu 2 8 5 bleibt davon aber die vicarious liability des Staates für eine Festnahme unberührt, deren Rechtswidrigkeit sich aus der Unwirksamkeit der entsprechenden Bestimmung ergab. 286 d) Dogmatische Grundlage der Haftung des Geschäftsherrn Die Lehre von der vicarious liability ist mit der für sie charakteristischen Zurechnung eines fremden Delikts juristisch ein eigentümliches Phänomen, dessen dogmatische Einordnung auch in Südafrika zu einer kontroversen dogmatischen Debatte Anlaß gegeben hat. „The rule of employers' liability is an anomaly which can only be explained on grounds of social policy" schrieb der Autor eines Standardwerks zum law of delict im Jahre 1956. 2 8 7 Die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn paßt einerseits nicht in das klassische Muster des Deliktsrechts, da ihn persönlich kein Verschulden an der Verursachung des Schadens zu treffen braucht. Andererseits unterscheidet sich vicarious liability deutlich von anderen Tatbeständen der Gefährdungshaftung, da auf Seiten des unmittelbaren Delinquenten der Nachweis eines Delikts erforderlich ist. Nach Auffassung der Rechtsprechung liegt in dem Gesichtspunkt der Risikoerzeugung der wichtigste Rechtfertigungsgrund für die Auferlegung einer Haftung für fremde Schuld. Wie sich die Lehre von der vicarious liability aber systematisch in das klassische Obligationensystem einfügen läßt, ob es sich um deliktische Verantwortlichkeit handelt oder um die Ausprägung eines eigenständigen Risikoprinzips, scheint mit dieser Sichtweise noch nicht beantwortet zu sein. Im südafrikanischen Recht gibt es ein breites Spektrum von Auffassungen über die dogmatische Einordnung der vicarious liability, deren Argumentationslinien teilweise bis an die Grundlagen des Haftungsrechts heranreichen und die im folgenden 284
Zur entsprechenden Ausnahme im englischen Recht s. o., § 5 II 4 a. 285 1990 (2) SA 915 (N). Thirion, J., hat in seiner Begründung ausdrücklich auf die oben behandelte englische Entscheidung Broom ν. Morgan Bezug genommen. 286 Ein weiteres Beispiel einer entsprechenden Immunität kann sich im heutigen südafrikanischen Recht möglicherweise bei Vermögensschäden unter Ehegatten, die in Gütergemeinschaft leben, ergeben, vgl. Neethling/Potgieter/Visser, Deliktereg, 265ff.; ferner Delport Mutual and Federal Insurance 1984 (3) SA 191 (D) sowie den Matrimonial Property Act 88 von 1984. 287 McKerron, Basis of Doctrine of Vicarious Liability, 1956 SALJ, 432, 433. 2
Wicke
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erörtert werden sollen. Die Diskussion ist aus deutscher Sicht von besonderem Interesse, da die Kritiker der Reform des § 831 BGB den Änderungsvorschlag unter anderem deshalb abgelehnt hatten, da es sich bei der anvisierten strikten Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen um ein prinzipienlos abgegrenztes Novum handeln würde, das sich weder der Verschuldens- noch der Gefährdungshaftung zurechnen läßt. 2 8 8 aa) Deliktische Haftung? Nach Auffassung von Van der Walt handelt es sich auch bei „risk liability" grundsätzlich um eine Form deliktischer Einstandspflicht. Für beide Haftungsarten sei die Gefahrerhöhung, die aus einem Verhalten der verantwortlichen Person resultiert, maßgeblicher Zurechnungsfaktor. Van der Walt sieht daher ein Verschulden nicht als zwingendes Element für die Annahme eines Delikts an. 2 8 9 Mit bezug auf die systematische Einordnung 288
S. ο., § 1 III 2. Van der Walt hat seine Grundposition zur Risikohaftung in einem Artikel (Die Staat se Aanspreeklikheid, 1988 THRHR 515) wie folgt zusammengefaßt (vgl. 517): „Die grondslag van risiko-aanspreeklikheid is myns insiens gelee in die skepping van 'n juridies-relevante risiko. Die risikobegrip, wat teoreties die verskynsel vanrisiko-aanspreeklikheid fundeer, is normatief bepaald. Die aanwesigheid van 'n regtens relevante risikoskepping is afhanklik van a priori bepaalde normatiewe elemente ... Wat is die normatiewe elemente van risikoskepping as grondslag van risiko-aanspreeklikheid? Hierdie vraag verteenwoordig die wesenskern van die probleem ten ansien van die teoretiese regverdiging van risiko-aanspreeklikheid. Dit stel die vraag na die regtens relevante faktore of omstandighede wat 'n afwyking van die skuldbeginsel noodsaak. Myns insiens bestaan daar, vir sover dit risikoaanspreeklikheid as verskyningsvorm van deliktuele aanspreeklikheid betref, drie normatiewe elemente, naamlik (a) aansienlike verhoging van die kans op skade-intrede, (b) die verhoging van die waarskynlikheid van ernstige benadeling, en (c) 'n ongelykheidsverhouding tussen dader en benadeelde. Die aanwesigheid van een of meerdere van hierdie elemente by 'n menslike aktiwiteit kwalifiseer dit as 'n juridies-riskante gedraging. Hierdie normatiewe kwalifikasie van 'n gedraging ten einde regtens riskant te wees, verseker prinsipieel 'n betreklike omskrewe en afgebakende toepassingsgebied van die risikobeginsel." (Die Grundlage von Risikohaftung liegt meines Erachtens in der Schaffung eines juristisch relevanten Risikos. Der Risikobegriff, der das Phänomen der Risikohaftung theoretisch begründet, wird normativ bestimmt. Die Anwesenheit einer rechtlich relevanten Risikoerzeugung ist von a priori festgesetzten normativen Elementen abhängig ... Welches sind die normativen Elemente der Risikoerzeugung als Grundlage der Risikohaftung? Diese Frage vergegenwärtigt den Wesenskern des Problems hinsichtlich der theoretischen Rechtfertigung von Risikohaftung. Es wird die Frage nach den rechtlich relevanten Faktoren oder Umständen gestellt, die eine Abweichung vom Schuldprinzip notwendig machen. Meines Erachtens gibt es, soweit Risikohaftung als Erscheinungsform von deliktischer Haftung betroffen ist, drei normative Elemente, nämlich (a) eine ansehnliche Erhöhung der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, (b) die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Nachteils und (c) ein Verhältnis der Ungleich289
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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von vicarious liability scheint er jedoch keine eindeutige Position zu verfolgen. Im Gegensatz zu seiner Dissertation 290 hat er die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn in einem Aufsatz als Unterfall der Risikohaftung eingeordnet. 291 An einer weiteren Stelle qualifizierte er die Haftung für Verrichtungsgehilfen als deliktisch mit der Begründung, daß auf Seiten des Angestellten eine unerlaubte Handlung erforderlich sei. 2 9 2 ( 1) Verursachung
durch positives Handeln
In Wissenschaft und Rechtsprechung finden sich Ansätze, die Verwirklichung eines persönlichen Delikts auf Seiten des Geschäftsherrn zu konstruieren. Von den klassischen unerlaubten Handlungen würde sich die Haftung freilich dadurch unterscheiden, daß ein Eigenverschulden des Arbeitgebers keine Bedingung der Verantwortlichkeit sei. 2 9 3 Nach einer Literaturauffassung setzt der Arbeitgeber durch den positiven Akt der Anstellung des Gehilfen eine Kausalkette in Gang, die schließlich in der Verursachung eines Schadens mündet, wenn der Beschäftigte in Ausführung der Verrichtung ein Unrecht verwirklicht. 2 9 4 Die Hauptschwäche dieser Ansicht ist darin zu sehen, daß die Indienstnahme eines Arbeitnehmers eine sozial nützliche Maßnahme ist, die im Einklang mit der Rechtsordnung steht. Es heit zwischen Täter und Benachteiligtem. Die Anwesenheit von einem oder mehreren dieser Elemente im Rahmen einer menschlichen Aktivität qualifiziert sie als ein juristisch relevantes Verhalten. Diese normative Qualifizierung eines Verhaltens, um von Rechts wegen riskant zu sein, sichert dem Risikoprinzip prinzipiell ein relativ genau umschriebenes und abgegrenztes Anwendungsgebiet). 290 Vgl. Risiko-Aanspreeklikheid uit Onregmatige Daad, 346 Fußn. 1. 291 Van der Walt, Urteilsanmerkung zu Botes v. Van der Venter 1966 (3) SA 182 (A), 1967 THRHR, 70, 75. 292 Van der Walt, Verborge Gebreke, Onskuldige Waanvoorstelling en Verrykingsaanspreeklikheid, 1964 THRHR 212, 213 Fußn. 3: „Hier het 'n mens 'n geval van deliktuele aanspreeklikheid waar die persoon wat aanspreeklik gehou word nie eens onregmatig optree nie: die dienaar is die materiéle dader." (Hier hat man es mit einem Fall deliktischer Verantwortlichkeit zu tun, bei der die haftende Person nicht einmal unrechtmäßig gehandelt hat: Der Bedienstete ist der materielle Täter). 293 Auch in Abwesenheit von Verschulden setzt die Annahme eines Delikts nach allgemeiner Auffassung im südafrikanischen Recht freilich voraus, daß der potentielle Schuldner rechtswidrig gehandelt hat. Als Hintergrund ist dabei zu beachten, daß das südafrikanische Recht eine Unterscheidung zwischen Rechtswidrigkeit und Verschulden trifft, vgl. Neethling/Potgieter/Visser, Deliktereg, 148. Zum Vergleich wird im deutschen Recht Verschulden als zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Delikts angesehen, vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II, 600: „Für die Haftung aus »Delikt4 ... ist die Anknüpfung an das Verschuldensprinzip konstitutiv, mag dieses auch in mancher Hinsicht abgeschwächt sein." Siehe aber auch von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, S. 10. 294 Vgl. Van der Merwe, Diere, 285 ff. 2*
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wäre eine künstliche Konstruktion, die Anstellung nachträglich als rechtswidrig einzustufen, wenn ein grundzuverlässiger Gehilfe aus Unachtsamkeit in einer einzelnen Situation einen Schaden verursacht. (2) Verursachung
durch Unterlassen
Die Gerichte haben in einigen Urteilen von einer Pflicht des Geschäftsherrn gesprochen, unerlaubtes Verhalten seiner Leute zu verhindern. Als denkbarer Ansatzpunkt für die Annahme eines persönlichen Delikts kommt daher möglicherweise ein Unterlassen des Geschäftsherrn in Betracht. So folgerte Watermeyer, C.J., in Feldman (Pty) Ltd v. Mall beispielsweise aus der Schaffung eines Risikos eine „duty to ensure that no one is injured by the servant's improper conduct or negligence in carrying on his w o r k . " 2 9 5 Der Begriff der „duty" scheint von der Rechtsprechung jedoch nicht wörtlich in dem Sinne verstanden worden zu sein, daß den employer eine buchstäbliche „Pflicht" zur Verhinderung des Schadens traf. Nach südafrikanischem Recht ist ein Unterlassen rechtswidrig, wenn eine Person unter einer „legal duty" steht, den Eintritt eines Nachteils abzuwehren. 296 Eine solche Verpflichtung besteht jedoch nur, wenn ex post betrachtet nach den Anschauungen aller billig und gerecht Denkenden ein positives Handeln vernünftigerweise erwartet werden konnte. 2 9 7 Wenn der Geschäftsherr einen ausnehmend gewissenhaften und zuverlässigen Gehilfen angestellt hat, der auf einer Dienstfahrt völlig unerwartet eine Kollision verursacht, besteht an seiner vicarious liability kein Zweifel. Dennoch läßt sich nicht von einer „legal duty" sprechen, den Unfall abzuwenden, da er zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht die Möglichkeit hatte, das Verhalten des Fahrers zu beeinflussen. Die Annahme eines Delikts des Geschäftsherrn unter dem Gesichtspunkt des Unterlassens scheidet daher ebenfalls aus. Es wäre in der Tat „merely a fiction to say that the liability is not a vicarious liability but a personal liability based on the failure to see that the work entrusted to his servant is properly and carefully done." 2 9 8 295
1945 AD 733, 741. Siehe weiterhin Greenberg, J.A., in SAR & H v. Marais 1950 (4) SA 610 (A) 621 ff.; ferner Hirsch Appliance Specialists v. Shield Security Natal (Pty) Ltd 1992 (3) SA 643 (D); Du Plessis v. Faul 1985 (2) SA 85 (NC). 296 Neethling/Potgieter/Visser, Deliktereg, 55 ff. 297 Minister van Polisie v. Ewels 1975 (3) SA 590 (A) 597. 298 McKerron, Basis of Doctrine of Vicarious Liability, 1956 SALJ, 432, 433. Die Frage, ob die Haftung des Geschäftsherrn deliktisch ist, wurde in der Rechtsprechung ausdrücklich nur in einem Urteil behandelt: In Becker v. Kellerman 1971 (2) SA 172 (T) wurde problematisiert, ob Geschäftsherr und Gehilfe „joint wrongdoers" im Sinne des Apportionment of Damages Act 34 von 1956 seien. Artikel 2(1) des Gesetzes verlangt, daß „two or more persons are jointly or severally liable in delict to a third person ... for the same damage" (meine Hervorhebung). Nach heutiger
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bb) Risikohaftung? ( 1 ) Der Ansatz von Scott Wenn die Haftung des Geschäftsherrn daher nicht auf einem persönlich verwirklichten Delikt beruht, bleibt zu untersuchen, ob vicarious liability nicht Ausfluß eines allgemeinen Risikoprinzips ist, das möglicherweise als eigenständige Systemkategorie zu begreifen ist. Dieser Ansatz entspricht dem Modell, das von Scott in seinem Werk „Middellike Aanspreeklkheid in die Suidafrikaanse R e g " 2 9 9 entworfen wurde und im folgenden kurz darzustellen ist. Nach Scott fallen vicarious liability wie auch risk liability im allgemeinen nicht unter das Deliktsrecht. Vielmehr beruht Risikohaftung auf einer eigenständigen Grundlage, deren Bestandteile jedoch noch nicht in befriedigender Weise herausgearbeitet worden seien. Scott identifiziert drei konstitutive Merkmale von risk liability: Eine gefährliche Tatsache (1); eine verantwortliche Person (2); sowie ein typisches Risiko dieser gefährlichen Tatsache verbunden mit einem Schadenserfolg als Ausfluß des typischen Risikos. 3 0 0 Unter einer „Tatsache" versteht Scott allgemein ein natürliches Ereignis, einen Zustand oder ein Verhalten. Als juristisch gefährlich wird eine Tatsache dann eingestuft, wenn aufgrund des immanenten Schadenspotentials deliktische Haftung in der besonderen Situation als unzureichend erscheinen würde. Die Unzulänglichkeit des Deliktsrechts kann daraus resultieren, daß bestimmte unvermeidliche Risiken aufgrund ihrer Häufigkeit oder ihres Umfangs eine ernsthafte Bedrohung für die Interessen der Allgemeinheit oder einzelner Individuen darstellen. Im Hinblick auf vicarious liability sieht Scott ein (wie auch immer geartetes) DienstverhältAuffassung ist die Vorschrift ihrem Sinn und Zweck nach auf employer und employee anwendbar. Ungeachtet dessen hat sich Steyn, J., in Becker v. Kellerman der Frage zugewandt, ob der Geschäftsherr „in delict" verantwortlich ist. Aus einer Reihe von Gründen gelangte Steyn, J., in der Tat zu der Auffassung, daß vicarious liability deliktische Verantwortlichkeit sei. Zu den Hauptargumenten gehörte, daß die Haftung des Geschäftsherrn in der Literatur im Rahmen des Deliktsrechts abgehandelt würde. Weiterhin fiele vicarious liability unter die allgemeine Definition eines Delikts durch McKerron, der selbst die Haftung für fremde Schuld freilich als „Anomalität" erachtete. 299 Das 1983 erschienene Werk basiert auf einer 1976 fertiggestellten Dissertation mit dem gleichnamigen Titel. Vgl. darüber hinaus Risiko Aanspreeklikheid as die Grondslag van Middellike Aanspreeklikheid, 1978 TS AR, 18 ff., 131 ff.; ferner The Theory of Risk Liability and its Application to Vicarious Liability, 1979 CILS A, 44. 300 Im Gegensatz zu seinem Buch erwähnt Scott in The Theory of Risk Liability and its Application to Vicarious Liability, 1979 CILS A, 44, 50, sowie in Risiko Aanspreeklikheid as die Grondslag van Middellike Aanspreeklikheid, 1978 TSAR, 18, 20 vier Elemente, scheint dabei aber nur das dritte Element noch einmal untergliedert zu haben.
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nis als gefährliche Tatsache an (,,'n diensverhouding en die daaruit voortspruitende diensaktiwiteit as 'η gevaarlike feit" 3 0 1 ). Zwischen der gefährlichen Tatsache und dem zweiten Element der Risikohaftung, der verantwortlichen Person, besteht nicht notwendigerweise ein Kausalzusammenhang in dem Sinne, daß ein Risiko erzeugt worden ist. Die Verantwortlichkeit beruht vielmehr auf einer reinen Zurechnung. 302 Dabei löst sich Scott mit seinem dekonstruktivistischen Ansatz ausdrücklich von den unterschiedlichen Kategorien der vicarious liability (employer/employee, principal/ agent etc. 3 0 3 ), die sich in der Rechtsprechung herausgebildet haben und befürwortet eine Neuentwicklung auf der Grundlage eines einheitlichen Prinzips. 304 Anstelle der herkömmlichen Kriterien zur Bestimmung der Verantwortlichkeit stützt Scott die Zurechnung der gefährlichen Tatsache zu der verantwortlichen Person dabei unmittelbar auf rechtspolitische Erwägungen. In seinen eigenen Worten: „Die toewysing van 'n riskante regsfeit tot die verantwoordelikheid van 'n bepaalde persoon geskied op grond van verskeie regspolitiese oorwegings ... Middellike aanspreeklikheid berus nie soseer op die feit dat daar tussen die dader en verweerder 'n spesifieke verhouding bestaan nie, maar op die feit dat die aanspreeklikgestelde persoon met die verantwoordelikheid van 'n as riskant getipeerde diensverhouding en die daaruit voortspruitende diensaktiwiteit belas is." 3 0 5 Scott konkretisiert seinen Ansatz genauer, indem er eine (nicht abschließende) Liste von rechtspolitischen Faktoren aufstellt, nach denen zu bestimmen ist, ob eine Zurechnung gerechtfertigt erscheint. 306 Das dritte Element 301
Middellike Aanspreeklikheid, 41. In diesem Gesichtspunkt unterscheidet sich Scott von Van der Walt. Auf S. 288 seiner Dissertation formulierte er: „Ek lê dus nie klem op die juridies-normatiewe elemente van risikoskepping as regsbegrip nie, maar op die juridies-normatiewe elemente van 'n gevaarlike (of riskante) feit." (Ich lege die Betonung also nicht auf die juristisch-normativen Elemente einer Risikoerzeugung als Rechtsbegriff, sondern auf die juristisch-normativen Elemente einer gefährlichen [oder riskanten] Tatsache). 303 Dazu s.u., § 6 V 2-5. 304 Middellike Aanspreeklikheid, Vorwort S. 5. 305 Middellike Aanspreeklikheid, 43 ff. (Die Zuweisung einer riskanten Rechtstatsache zu der Verantwortlichkeit einer bestimmten Person geschieht auf der Grundlage verschiedener rechtspolitischer Erwägungen ... Die strikte Haftung für fremdes Handeln beruht nicht so sehr auf der Tatsache, daß zwischen Täter und Beklagtem ein bestimmtes Verhältnis besteht, sondern auf der Tatsache, daß die haftende Person mit der Verantwortlichkeit für ein als riskant typisiertes Dienstverhältnis und die daraus folgende Dienstaktivität belastet ist). 306 Siehe Middellike Aanspreeklikheid, 43 f.: „Indien (a) die aktiwiteit op sy inisiatief, deur sy opdrag, met sy goedkeuring of toedoen verrig word; (b) dit tot sy materiele of ideele voordeel verrig word; (c) dit met middels verrig word waarvan hy die eienaar of ander reghebbende is; (d) hy die kapitaal wat nodig is vir die uitvoering van die aktiwiteit voorsien het; (e) hy die algemene administrasie van die 302
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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seines Konzepts bringt zum Ausdruck, daß nur ein typisches Risiko aus der gefährlichen Tatsache zu einer Haftung der verantwortlichen Person führt. Bezogen auf vicarious liability ist die Frage entscheidend, ob die Arbeit des Angestellten die Möglichkeit eines rechtswidrigen Verhaltens objektiv erhöht hat und ob die betreffende Handlung vernünftigerweise vorhergesehen werden konnte. (2) Kritik In seiner Arbeit hat Scott versucht, unterschiedliche Tatbestände einer Haftung ohne eigenes Fehlverhalten auf einen gemeinsamen systematischen Nenner zu bringen und die relevanten Kriterien sämtlicher Anwendungsfälle in einem einheitlichen Modell aufgehen zu lassen, das er als Risikoprinzip bezeichnet. Ein offensichtlicher Nachteil des von ihm errichten gedanklichen Gebäudes liegt darin, daß es nur schwer mit dem geltenden Recht zu vereinbaren ist. An zahlreichen Stellen seines Buches setzt er sich über etablierte Unterscheidungen hinweg, die er auf der Grundlage seines Systems für überflüssig erachtet. So leugnet er beispielsweise die Relevanz der unterschiedlichen Haftungskategorien 307 , die sich im südafrikanischen Recht in mehreren Jahrzehnten höchstrichterlicher Rechtsprechung herausgebildet haben. Darüber hinaus gibt es zu Zweifeln Anlaß, wenn Scott eine Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn annimmt, obwohl der Angestellte nicht schuldhaft 308 bzw. nicht einmal rechtswidrig 309 gehandelt hat. Da es aktiwiteit behartig; (f) hy deur versekering gedek is teen die skadelike gevolge van die aktiwiteit of andersins in Staat of verplig is om die nadelige gevolge van die aktiwiteit af te wentel; (h) hy in 'n goeie posisie was om die risiko verbonde aan die voer van die aktiwiteit te beperk of verminder. 4' (Wenn (a) die Aktivität auf seine Initiative hin, aufgrund seines Auftrags oder mit seiner Billigung oder mit seinem Zutun verrichtet wird; (b) diese zu seinem materiellen oder ideellen Vorteil verrichtet wird; (c) diese mit Gegenständen verrichtet wird, deren Eigentümer oder anderer Rechtsinhaber er ist; (d) er das für die Ausführung der Aktivität notwendige Kapital aufgebracht hat; (e) er die allgemeine Verwaltung der Aktivität wahrnimmt; (f) er durch Versicherung gegen Schadensfolgen der Aktivität gedeckt ist oder auf andere Weise imstande oder verpflichtet ist, die nachteiligen Folgen dieser Aktivität abzuwenden; (h) er in einer guten Position war, um das mit der Ausführung der Aktivität verbundene Risiko einzugrenzen oder zu vermindern). 307 Employer/employee, principal/agent etc., s.u., § 6 V. 308 Middellike Aanspreeklikheid, 49: „Indien dit onder omstandighede sou blyk dat die delikvereiste nie redelik en billik teenoor die benadeelde is nie, behoort van skuldige veroorsaking van skade deur die dader afgesien te word." (Wenn es sich unter Umständen erweisen sollte, daß die Voraussetzung deliktischer Haftung gegenüber dem Geschädigten nicht redlich und billig ist, muß von einer schuldhaften Schadensverursachung durch den Täter abgesehen werden). 309 Middellike Aanspreeklikheid, 50: „Omstandighede kan egter voorkom waarin daar weggedoen behoort te word met die vereiste dat die materiele dader die skade
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keine unerlaubte Handlung ist, einen anderen zu beschäftigen, und da sich in der Person eines sorgfältig handelnden Gehilfen das für die Arbeitgeberhaftung entscheidende Risiko - die in der Delegation von Arbeit liegende Gefahrerhöhung - nicht verwirklicht haben kann, würde eine Schadenszurechnung dem Grundgedanken der vicarious liability in diesem Fall zuwiderlaufen. 310 Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen ist sein Ansatz als Modell für die Rechtsprechung ungeeignet und könnte allenfalls auf gesetzlichem Wege in die Praxis umgesetzt werden. 311 Unter anderem aus diesem Grund hat Kumleben, J.A., in der Entscheidung Minister of Law and Order v. Ngobo eine Übernahme des Risikoprinzips von Scott abgelehnt. Die kritische Frage ist jedoch, ob seine Vorstellungen sich unabhängig von der Art der Umsetzung für die Rechtsanwendung eignen. Wie sich an mehreren Stellen seines Werkes zeigt, rekurriert Scott zur Bestimmung der Haftung unmittelbar auf rechtspolitische Erwägungen. 312 Obgleich er sich um die Aufstellung einer Liste einschlägiger Faktoren bemüht hat, scheint er dabei gerade offen gelassen zu haben, wie der Ausgleich der unterschiedlichen involvierten Interessen im Einzelfall zu erfolgen hat. In dieser Hinsicht haben sich in der Rechtsprechung während einer langjährigen Entwicklung komplexe Regelungskriterien herausgebildet, die sich, wie sich zeigte, zwar an rechtspolitischen Erwägungen messen lassen müssen, mit ihnen aber nicht identisch sind. Der Ansatz von Scott wäre vor diesem Hintergrund entwicklungsgeschichtlich eher ein Schritt zurück. Die Essenz der Kritik gegen Scott ist in dem oben bereits zitierten Wort von Schreiner, J.A., aus der Entscheidung Carter & Co (Pty) Ltd v. McDonald angelegt: „It is often useful to examine the reason which probably gave rise to the rule, in order to discover the rule's limits, but the reason, even if certainly established is not the same as the rule." 3 1 3 In dem gedanklichen Gebäude von Scott werden reason und rule aber gerade vertauscht. Zusammenfassend ist daher zu konstatieren, daß es nicht gelungen ist, den Gedanken der Risikoerhöhung zu einem Rechtsprinzip oder einer Systemkategorie zu kononregmatig moes veroorsaak het. In sodanige gevalle, wat uiteraard slegs ingevolge swaarwigtige oorwegings van billikheid behoort te geskied, is die verantwoordelike persoon bloot aanspreeklik omdat sy diensaktiwiteit benadeling veroorsaak het en is sy posisie aan die van 'n versekeraar gelyk gestel." (Es können aber Umstände eintreten, in denen von der Voraussetzung abzusehen ist, daß der materielle Täter den Schaden rechtswidrig verursacht haben muß. In solchen Fällen, die naturgemäß nur infolge schwerwiegender Billigkeitserwägungen eintreten dürfen, haftet die verantwortliche Person allein deshalb, weil die betreffende Dienstaktivität einen Nachteil verursacht hat und ihre Position ist der eines Versicherers gleichgestellt). 310 Vgl. auch von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 205. 311 Siehe zu diesem Argument auch von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 205. 312 Vgl. beispielsweise Middellike Aanspreeklikheid, 110; 230; 246. 313 1955 (1) SA 202 (A) 207B.
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kretisieren, die als dogmatische Grundlage für die Auferlegung von vicarious liability angesehen werden kann. 3 1 4 cc) Quasideliktische Haftung Die Haftung des Geschäftsherrn für unerlaubte Handlungen seiner Gehilfen in Ausführung der Verrichtung läßt sich nach dem Gesagten weder dem Deliktsrecht noch einem neuartigen Risikoprinzip eindeutig zuordnen. Wie sich in den vorangegangenen Kapiteln zeigte, hat es im ius commune in Form der Quasidelikte eine Systemkategorie gegeben, die unterschiedliche Situationen einer Schadensersatzhaftung umfaßte, in denen der Ersatzpflichtige den Nachteil nicht unmittelbar persönlich verursacht haben mußte, sich aber in einem rechtlichen Herrschaftsverhältnis zu einer anderen Person oder einer Sache befand, die den betreffenden Schaden herbeigeführt hat. Zwar herrschte im gemeinen Recht aufgrund der unklaren Normierung im Corpus Iuris Civilis große Unsicherheit über die genaue Bedeutung der Quasidelikte. Das voraussetzungsfreie naturrechtliche Denken des römischholländischen Rechts mit seiner damit einhergehenden Praxisorientiertheit hatte darin jedoch bereits objektive Haftungskategorien erblickt, zu denen auch die Einstandspflicht für Gehilfenhandeln gerechnet wurde. In diesem Verständnis lag möglicherweise der Ansatzpunkt für eine zeitgerechte Weiterbildung der historischen Kategorie der Quasidelikte, die geeignet gewesen wäre, neben den überlieferten Fallgruppen auch die aufkommenden Gefährdungstatbestände des industriellen Zeitalters zu erfassen. 315 Die Lehre von der vicarious liability läßt sich dementsprechend am besten als ein moderner Anwendungsfall quasideliktischer Haftung begreifen. 316 Der 314
Vgl. im übrigen auch Scott, The Theory of Risk Liability and its Application to Vicarious Liability 1979 CILS A 44, 47: „Writers have tried over a long period to define the concept of danger as a concept of law, and have failed to do so." Ferner Van der Walt, Die Staat se Aanspreeklikheid, 1988 THRHR 515, 517: „Die wetenskaplike geringskatting van die risikobegrip, ook soos vervat in die begrip van risiko-aanspreeklikheid, is juis die nalate om die normatiewe grondslag van die begrip te probeer antoon." (Die wissenschaftliche Geringschätzung des Risikobegriffs, auch so weit er durch den Begriff der Risikohaftung ausgedrückt ist, liegt allein in dem Versäumnis zu versuchen, die normativen Grundlagen des Begriffs aufzuzeigen). Allgemein zum Risikoprinzip siehe auch South African Law Commission, Risk as a Ground for Liability in Delict, Project 23, S. 41, wonach „at this stage risk liability should not be introduced as a general ground for liability in our law." 315 Zum Schicksal der Quasidelikte in den frühen Kodifikationen siehe freilich Hochstein, Obligationes quasi ex delicto, 129 ff. 316 Im modernen südafrikanischen Recht kommt dem hier vertretenen Ansatz die Auffassung von Olivier (Enkele Verdere Beskouings oor Deliktuele en Verrykingsaanspreeklikheid, 1965 THTHR 56, 63) am nächsten, der vicarious liability als Haftung „ex variis causarum iuris figuris" ansieht. Unter diesem Begriff hatte Gaius sämtliche Obligationen zusammengefaßt, die weder auf Vertrag noch auf Delikt be-
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Terminus des Quasidelikts bringt dabei einerseits zum Ausdruck, daß die Haftung auf Seiten des Geschäftsherrn nicht die Verwirklichung einer unerlaubten Handlung voraussetzt. Andererseits beruht vicarious liability auf der Zurechnung eines fremden Delikts und steht dem Deliktsrecht daher nahe. 317 Die Kategorie der Quasidelikte könnte daher auch im heutigen Recht die Funktion eines systematischen Sammelbeckens übernehmen, in dem sich sämtliche Situationen einer vertragsunabhängigen Schadenshaftung ohne ein persönliches Unrecht des Ersatzpflichtigen zusammenfassen ließen und in dem Konstellationen einer strikten Verantwortlichkeit für unerlaubte Handlungen anderer ebenso Platz fänden wie die anerkannten Tatbestände der Gefährdungshaftung. 318
2. Haftung für independent contractors a) Rückblick Weder das römische noch das römisch-holländische Recht kannte im Kontext der Haftung für fremde Schuld eine grundsätzliche Unterscheidung ruhten, vgl. Gai. D. 44, 7, 1 pr.: „Obligationes aut ex contractu nascuntur aut ex maleficio aut proprio quodam iure ex variis causarum figuris." Im Corpus Iuris wurde dieses systematische Sammelbecken weiter aufgeteilt in die Rubriken von Quasivertrag und Quasidelikt, vgl. Inst. III, 13, 2: „... divisio [obligationum] in quattuor species diducitur: aut enim ex contractu sunt aut quasi ex contractu aut ex maleficio aut quasi ex maleficio." (Siehe im einzelnen dazu Zimmermann, Obligations, 14 ff. m.w.N.). Ferner hat Steyn, J., in der Entscheidung Becker v. Kellerman auf Grotius, Inieidinge, 3, 38, 8 und dabei ausdrücklich auch auf die Kategorie des Quasidelikts Bezug genommen, vgl. 1971 (2) SA 172 (Τ) 179A. 317 Siehe auch Cooke/Oughton, The Common Law of Obligations, 6: „The fourth category of quasi-delict has had an unhappy history. Only four classes of cases came within it and it was difficult to see what principle underlay quasi-delict. One possibility was that these cases were examples of what we would now call strict liability. If so, then the virtual disappearance of quasi-delict from modern European legal systems represents a lost opportunity. Retention of this category would have avoided the modern problem of finding a natural home for strict liability and rationalised the old strands such as cattle trespass and the modern ones forged from the Industrial Revolution." Die Kategorie der Quasidelikte, wie sie von Grotius in der Inleiding und von Van Leeuwen in seinem Rooms-Hollands-Regt verstanden wurde (vgl. oben, § 3 II 1 a cc), würde sich daher auch für eine neue europäische Privatrechtsordnung anbieten. 318 Im englischen Recht werden demgegenüber die Begriffe strict liability und vicarious liability, ungeachtet wichtiger Parallelen, voneinander getrennt. In ähnlicher Weise würde man im deutschen Recht eine strikt ausgestaltete Haftung für Verrichtungsgehilfen nicht ohne weiteres als „Gefährdungshaftung" ansehen, wie zumindest die oben aufgeführten dogmatischen Bedenken der Kritiker des Referentenentwurfs nahelegen, vgl. § 1 III 2. Die Rubrik der Quasidelikte wäre geeignet, beide Formen der Haftung systematisch zusammenzufassen.
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zwischen Gehilfen und unabhängigen Unternehmern. Im Jahre 1874 3 1 9 hatte Chief Justice De Villiers daher in dem Urteil Gifford v. Table Bay Dock & Breakwater Management Commission begründete Zweifel geäußert, ob die englische Unterteilung zwischen employees und independent contractors Teil des südafrikanischen Rechts war. Der Begriff des unabhängigen Unternehmers setzte sich in der Folge jedoch im Denken der Juristen fest und entwickelte sich allmählich unterschwellig zu einem rechtlich relevanten Begriff. In der Appellate Division-Entscheidung Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald wurde schließlich die englische Abgrenzung unter Verweis auf römisch-holländische Vertragstypen (locatio conductio operarum und locatio conductio operis) definitiv für das südafrikanische Recht übernommen. 320 Von Beginn an herrschte jedoch deutliche Unsicherheit über die Frage, ob oder inwieweit Ausnahmen von dem Grundsatz anzuerkennen seien, daß eine Haftung für das Verhalten eines unabhängigen Unternehmers ausscheidet. 321 Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur wurden einige der oben dargestellten Sonderfälle aus dem englischen common law diskutiert, die in vereinzelten Entscheidungen sogar praktisch zur Anwendung kamen. 3 2 2 Ungeklärt war unter anderem aber die Frage geblieben, ob oder in welcher Form eigenes Verschulden des Auftraggebers für die Begründung seiner Verantwortlichkeit erforderlich sei. Wenig Klarheit wurde in dieser Hinsicht auch durch die Appellate Division-Entscheidung Dukes v. Marthinusen 323 von 1937 geschaffen, in der die Haftung des employer im Hinblick auf das Verhalten eines independent contractor auf die Verletzung einer persönlichen Pflicht („breach of duty") gestützt wurde, dabei aber offen geblieben war, ob der Auftraggeber selbst auch fahrlässig gehandelt haben mußte. 3 2 4
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(1874) 4 Buch 96. S. o., § 6 IV 1. 321 Van der Merwe/Olivier formulierten noch 1989 in der sechsten Ausgabe ihres Lehrbuchs Onregmatige Daad auf S. 520: „Oor die aanspreeklikheid van 'n lasgewer vir die onregmatige daad van sy lashebber sonder volmag bestaan in ons reg aansienlike onsekerheid en verwarring wat nie veel verlig word deur die feit dat ons skrywers en howe na die Engelse reg vir die voorligting gryp nie." (Über die Verantwortlichkeit des Auftraggebers für das unerlaubte Verhalten seines Auftragnehmers ohne Vollmacht besteht in unserem Recht eine ansehnliche Unsicherheit und Verwirrung, die nicht viel dadurch aufgeklärt wird, daß unsere Gerichte und Autoren zur Erläuterung auf das englische Recht zurückgreifen). 322 Siehe Phillips v. SA Independent Order of Mechanics and Fidelity Benefit Lodge and Brice 1916 CPD 612; Burks v. Springs Municipality and Dickens 1917 WLD 143, 150; Minister of Posts and Telegraphs v. Johannesburg Consolidated Investment Co Ltd 1918 TPD 253, 257; Andrew v. Patchell 1926 TPD 207; Frank v. Van Rooy 1927 OPD 231; kritisch aber Silansky v. Board of Executors 1916 CPD 683. Aus der Literatur vgl. etwa Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 285 ff. 323 1937 AD 12 320
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b) Rechtslage seit Langley Fox Building Partnership (Pty) Ltd v. De Valence Es gehört zu den bemerkenswertesten jüngeren Entwicklungen im Kontext der südafrikanischen vicarious liability, daß die Rechtsprechung diese Rechtsunsicherheit mit einem Schlag beseitigt hat und zur Begründung der Haftung des Geschäftsherrn für das Verhalten eines unabhängigen Unternehmers nunmehr in Abweichung vom englischen Recht und ohne Zulassung von Ausnahmen eigenes Verschulden verlangt. Der maßgebliche Schritt in diese Richtung wurde durch die Appellate Division in der Entscheidung Langley Fox Building Partnership (Pty) Ltd v. De Valence 3 2 5 aus dem Jahre 1991 unternommen, deren Ansatz in nachfolgenden Urteilen bestätigt wurde. 3 2 6 Die beklagte Firma hatte die Ausführung bestimmter Bauarbeiten übernommen und dabei einen Subunternehmer beauftragt, der eine Decke unterhalb eines über den Bürgersteig hängenden Vordaches anbringen sollte. Bedienstete des angestellten Unternehmers hatten während der Durchführung dieser Aufgabe einen aufgestützten Balken zurückgelassen, der ohne Warnzeichen oder Abschirmungen über den Gehweg herausragte. Als der Kläger die betreffende Stelle passierte, stieß er mit dem Kopf gegen das Holz, wodurch es zu schweren Verletzungen kam. Nach der Mehrheitsauffassung der Appellate Division mußte die beklagte Firma Schadensersatz für den zukünftigen Verdienstausfall leisten. Goldstone, A.J.A., distanzierte sich in seinem Votum ausdrücklich von den englischen Sonderfällen einer 324
Auf der einen Seite wurde formuliert, daß das englische wie auch das südafrikanische Recht „rest the rule as to the liability of an employer for any damage caused by work he authorises another to do upon the law of negligence" (S. 23); auf der anderen Seite wurde die Pflicht des Geschäftsherrn als absolut angesehen: „If you cannot do an operation on your land without injuring your neighbour, or the public, you must refrain from doing that operation" (S. 29). In späteren Entscheidungen wurde Dukes v. Marthinusen daher unterschiedlich interpretiert, manchmal im Sinne einer strikten Haftung, siehe Crawhall v. Minister of Transport and Another 1963 (3) SA 614 (T) 617, manchmal im Sinne einer Verschuldenshaftung, siehe Rhodes Fruit Farms Ltd and Others ν. Cape Town City Council 1968 (3) SA 514 (C); Eksteen v. Van Schalkwyk en 'η Ander 1991 (2) SA 39 (Τ) 45. In PeriUrban Areas Health Board v. Munarin 1965 (3) SA 367 (A) wurde die Haftung auf eigene Fahrlässigkeit des Auftraggebers gestützt, ohne daß eine Diskussion vorangegangener Urteile zur Problematik erfolgt ist. 325 1991 (1) SA 1 (A). 326 Minister of Community Development and Another v. Koch 1991 (3) SA 751 (A); De Jager v. Taaf Hamman Holdings (Edms) Bpk. en 'η Ander 1993 (1) SA 281 (O); Eksteen v. Van Schalkwyk en 'η Ander 1991 (2) SA 39 (T); ferner Knobel, Deliktuele Aanspreeklikheid vir Skade Aangerig deur 'n Onafhanklike Subkontrakteur, 1991 THRHR, 661; Neethling/Potgieter, Deliktuele Aanspreeklikheid by die Lasgewer-Lahebber-Verhouding, 1992 THRHR 309, 312.
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vicarious liability für independent contractors 327 und stellte klar, daß die Haftung für unabhängige Unternehmer eigene Fahrlässigkeit des Geschäftsherrn zur Voraussetzung hat: „In my judgment the correct apporach to the liability of an independent contractor is to apply the fundamental rule of our law that obliges a person to exercise that degree of care which the circumstances demand ... Whether the circumstances demand the exercise of care will depend upon proof that the employer owed the plaintiff a duty of care and that the damage suffered was not too remote." 328 Zur Umschreibung der Fahrlässigkeit nahm Goldstone, A.J.A, auf den Begriff der „duty of care" Bezug. Damit stützte er sich ironischerweise auf ein ursprünglich angelsächsisches Konzept, um eine Position in Abweichung vom englischen common law zu begründen. 329 In nachfolgenden Entscheidungen wurde der Grundansatz von Goldstone, A.J.A., übernommen, ohne daß dabei zur Bezeichnung der Verschuldensvoraussetzung gleichzeitig auf den Terminus der „duty of care" rekurriert wurde. 3 3 0 Eine Sorgfaltspflicht kommt nach dem Langley Fox-Urteil zur Entstehung, wenn ein „reasonable man" in der Position des Beklagten vorhergesehen hätte, daß sich aus der Arbeit des angestellten Unternehmers Risiken für außenstehende Personen ergeben könnten und er aus diesem Grund Maßnahmen zur Abwehr der Gefahren getroffen hätte. In dem zur Entscheidung stehenden Sachverhalt hätte die beklagte Firma nach Auffassung von Goldstone, A.J.A., vernünftigerweise erkennen müssen, daß die Angestellten des Subunternehmers zwecks Installierung der Decke eine Konstruktion errichten würden, um an das Vordach oberhalb des Fußgängerwegs zu gelangen. Der hieraus resultierenden Schadensgefahr für Fußgänger hätte nur durch Warnzeichen oder Abschirmungen begegnet werden können. Da die beklagte Firma keine entsprechenden Maßnahmen getroffen hatte, war sie dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet. 331 Im Einklang mit der Langley Fox-Entscheidung wurde auch in nachfolgenden Urteilen hinsichtlich der Haftung für unabhängige Unternehmer ein Eigenverschulden des Auftraggebers als zwingende Bedingung vorausgesetzt. Damit steht fest, daß es in Südafrika anders als im common law Englands keine vicarious liability für independent contractors gibt. Ungeachtet 327
1 0I-J. 1 ID-Ε und H-I. 329 Zum duty-of-care Konzept im südafrikanischen Recht s. o., § 6 II. 330 Vgl. Minister of Community Development and Another v. Koch 1991 (3) SA 751 (A); De Jager v. Taaf Hamman Holdings (Edms) Bpk. en 'η Ander 1993 (1) SA 281 (O); Eksteen v. Van Schalkwyk en 'η Ander 1991 (2) SA 39 (T). 331 Nach der Mindermeinung von Botha, J.A., konnte Fahrlässigkeit im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen werden. In rechtlicher Hinsicht hat sich seine Position jedoch nur unwesentlich von der Mehrheitsauffassung unterschieden. 328
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der weitgehenden angelsächsischen Prägung der Gehilfenhaftung haben die südafrikanischen Gerichte in dieser Frage eine eigenständige Linie entwikkelt, die eine deutliche Abgrenzung des haftungsrelevanten Personenkreises ermöglicht und somit die oben geschilderten 332 Rechtsunsicherheiten des englischen Rechts umgeht. Die ersten Erfahrungen der Rechtsprechung im Anschluß an das Langley Fox-Urteil lassen ferner nicht erkennen, daß dieser Ansatz zu untragbaren Ergebnissen führen könnte. 3 3 3 Wie dargelegt 3 3 4 , sprechen die Rechtfertigungsgründe, die in bezug auf Gehilfen eine strikte Einstandspflicht erforderlich machen, bei unabhängigen Unternehmern gerade gegen eine korrespondierende Verantwortlichkeit. Der Inhaber eines selbständigen Betriebs wird regelmäßig wegen seiner Spezialkenntnisse angestellt, kann als Fachmann die Unfallrisiken seiner Tätigkeit besser überschauen und ist imstande, durch entsprechende Preiserhöhungen die entstehenden Versicherungskosten auf seine Kunden zu übertragen. Sofern die Verhältnisse im Einzelfall anders gelagert sein sollten, erscheint es nicht unbillig, die Verantwortlichkeit des Auftraggebers auf eigenes Verschulden zu gründen und im Einklang mit dem Langley Fox-Urteil an die Voraussetzung zu knüpfen, daß er bei der Auswahl oder Beaufsichtigung des angestellten Unternehmers die Gebote der Sorgfalt außer Acht gelassen hat (die freilich je nach Umständen unterschiedlich streng ausgestaltet sein können). 335 In Anbetracht der deutschen Reformdiskussion um § 831 BGB verdient die geschilderte Entwicklung besondere Aufmerksamkeit, da in Südafrika nunmehr einerseits in Übereinstimmung mit dem englischen Recht die rechtspolitisch gebotene strikte Einstandspflicht für Verrichtungsgehilfen fest etabliert ist, sich aber andererseits hinsichtlich der Haftung für unabhängige Unternehmer eine dem kontinentalen Rechtsdenken näherstehende Linie durchgesetzt hat, die am Verschuldensprinzip festhält und damit gleichzeitig ein höchstmögliches Maß an Rechtssicherheit gewährt.
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Vgl. § 5 III. Vgl. Minister of Community Development and Another v. Koch 1991 (3) SA 751 (A); De Jager v. Taaf Hamman Holdings (Edms) Bpk. en 'η Ander 1993 (1) SA 281 (O); Eksteen v. Van Schalkwyk en 'η Ander 1991 (2) SA 39 (T). 334 S. o., § 5 III. 335 Da die Verantwortlichkeit des Auftraggebers in Südafrika auf persönlicher Fahrlässigkeit beruht, kann sich eine Einstandspflicht auf der Grundlage eigenen Verschuldens unter Umständen ebenso für das Verhalten eines unabhängigen Unternehmers oder einer sonstigen unabhängigen Person ergeben, die er selbst nicht vertraglich verpflichtet hat und deren Handeln daher nicht „in Ausführung einer Verrichtung" lag. Vgl. zur Problematik auch De Jager v. Taaf Hamman Holdings (Edms) Bpk. en 'η Ander 1993 (1) SA 281 (O). 333
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3. Vicarious liability für agents Die Haftung des Geschäftsherrn für das Verhalten eines Gehilfen in Ausführung der Verrichtung ist auch im südafrikanischen Recht nicht der einzige Anwendungsfall der vicarious liability. Seit dem Urteil der Appellate Division in Ravene Plantations Ltd v. Estate A b r e y 3 3 6 steht vielmehr fest, daß sich unter Umständen eine strikte Haftung des principal für das Verhalten eines agent ergeben kann, der nicht gleichzeitig auch als servant einzustufen ist. Mit dem Konzept der agency sind im südafrikanischen Recht ähnliche Rechtsunsicherheiten verbunden, wie sie schon im Rahmen der englischen Mutterrechtsordnung zu beobachten waren. 3 3 7 Der Terminus des agent wurde von der Rechtsprechung wiederholt als Synonym für einen Gehilfen, wie auch für einen unabhängigen Unternehmer verwandt. Im Kontext der vicarious liability muß der Begriff freilich eine spezifische Bedeutung haben, wenn die etablierte employee/independent contractorDichotomie nicht im Gewand der agency wieder aufgehoben werden soll. Wie sich zeigen wird, ist die südafrikanische Judikatur zu dieser Problematik im Gegensatz zum englischen common law überschaubar. Eine exakte Abgrenzung der einzelnen Haftungskategorien erscheint - ungeachtet erheblicher terminologischer Unsicherheiten 338 - nicht aufgrund widersprechender richterlicher Rechtsäußerungen unmöglich. 3 3 9 a) Haftung für Stellvertreter
im technischen Sinne
Der Begriff agent wurde in diesem Zusammenhang zunächst zur Bezeichnung einer Person verwandt, die von einem anderen angestiftet wurde, ein bestimmtes Unrecht zu verüben. 340 Eine Einstandspflicht des 336
1928 AD 1143. Vgl. die oben zitierte Äußerung in LAWSA I, 97: „The expression ,agency4 is used in such a wide variety of meanings that it cannot be regarded as a term of art denoting a specific branch of the law.44 338 S. o., § 6 III 2 a sowie § 6 IV 5. 339 Vgl. Wicke, Vicarious Liability for Agents and the Distinction between Employees, Agents and Independent Contractors, 1998 THRHR, 609 ff. Aus dem Rahmen fällt in dieser Hinsicht lediglich ein obiter dictum von Wessels, J.A., in Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. McDonald 1931 AD 412, 442, das eine weitergehende Haftung erlaubt, als nach modernem südafrikanischen Recht möglich erscheint. 340 Vgl. Hahlo/Kahn, Union, 527: „Where an agent commits a tortious act on behalf of his principal with the latter's express or implied authority or which is subsequently ratified by him, both parties are generally liable: the agent because he is the actual wrongdoer, and the principal because the agent's act is regarded as his own in accordance with the principle qui facit per alium facit per se.44 Siehe weiterhin LAWSA XXX, 49; McKerron, Delict, 87; ferner die Entscheidungen McKenzie 337
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principal ist in einer solchen Situation freilich unproblematisch, da er persönlich an der Verwirklichung des Delikts beteiligt war. Mit vicarious liability im engeren Sinne hat die Anstiftung jedoch nichts zu tun. Nicht um Anwendungsfälle der Verantwortlichkeit für agents handelt es sich in Südafrika ferner bei der Haftung des Kfz-Halters und von Partnern, die jeweils als eigenständige Kategorien angesehen werden. 341 Als Ausgangspunkt der Überlegungen ist auf die erste einschlägige Entscheidung zur Problematik, Ravene Plantations Ltd v. Estate Abrey, Bezug zu nehmen, in der es um arglistige Täuschungen eines Stellvertreters beim Zustandekommen eines Vertrages ging. Wessels, J.A., formulierte: „This doctrine [of vicarious liability] has been extended so as to embrace the case where an agent or servant acting within the scope of his authority makes a fraudulent misrepresentation by which the principal or master is benefite d . " 3 4 2 Die Haftung für agents scheint freilich nicht auf Täuschungen bei Vertragsschluß beschränkt zu sein. In der Literatur werden die Voraussetzungen allgemeiner gefaßt, wie die folgende repräsentative Passage zeigt: ,,[T]he principal will be liable for a delict committed by his agent in his capacity and within the scope of his actual or implied authority." 3 4 3 Als zentrale Voraussetzung erfordert vicarious liability für agents nach überwiegender Auffassung jedoch ein technisches Stellvertretungsverhältnis. Sofern man in der Vollmacht daher das maßgebliche Element für die Annahme der erforderlichen Personenverbindung erblickt, kann sich eine Haftung möglicherweise, auch ergeben, wenn der Vertreter durch widerrechtliche Drohungen eine andere Person zum Abschluß eines Vertrages bestimmt hat. 3 4 4 Daneben wird der Fall diskutiert, daß der agent für den Vertretenen Geld oder bestimmte Gegenstände im Zusammenhang mit einem Rechtsgeschäft entgegengenommen hat, die er sich anschließend rechtswidrig zueignet. 345 v. Van der Merwe 1917 AD 41, 45, 51; Naude & Du Plessis v. Mercier 1917 AD 32; Mouton v. Beket 1918 AD 181, 190; International Tobacco Co (SA) Ltd v. United Tobacco Co (South) Ltd (I) 1955 (2) SA 1 (W) 16; Bhika v. Minister of Justice 1965 (4) SA 399 (W) 400; Birch ν. Johannesburg City Council 1949 (1) SA 231 (T) 238f.; Whittaker v. Roos and Bateman 1912 AD 92, 112f. 341 Dazu s.u., § 6 V 4 und 5. 342 1928 AD 1143, 1153. 343 Hahlo/Kahn, Union, 527; siehe ferner Neethling/Potgieter/Visser, Deliktereg, 368; Van der Merwe/Olivier, Onregmatige Daad, 520; LAWSA XXX, 49; McKerron, Delict 87; Joubert, Verteenwoordigingsreg, 73; Van der Merwe/Van Huyssten/ Reinecke/Lubbe/Lotz, Contract, 182. 344 Vgl. Van der Merwe and Olivier, Onregmatige Daad, 520 mit Verweis auf Broodryk v. Smuts NO 1942 TPD 47. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob diese Entscheidung vicarious liability betraf, vgl. S. 53: ,,[T]he principal who has authorised his agent to negotiate or enter into contracts on his behalf will not be entitled to hold the other party to a contract which was obtained by the duress of the agent." 345 Silke, Agency, 547.
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In jedem Fall aber muß das verwirklichte Unrecht einen engen Zusammenhang zur Ausübung einer Vollmacht aufweisen, um eine Verantwortlichkeit des principal zu begründen. Eine Haftung für physische Handlungen des Vertreters ist unter diesem Gesichtspunkt ausgeschlossen. Wenn A beispielsweise seinem Freund Β Vollmacht verleiht, ein Grundstück in einer anderen Stadt zu verkaufen, und Β auf dem Weg dorthin einen Verkehrsunfall verursacht, würden die Gerichte sehr wahrscheinlich nicht zu einer Verantwortlichkeit von A auf der Grundlage einer principal-agent relationship gelan346
gen. Diffizile Grenzfragen können sich im Fall von beleidigenden Äußerungen des Vertreters ergeben, die im Zusammenhang mit der Ausübung einer Vollmacht stehen, wie sich anhand von zwei Beispielen aus der Rechtsprechung verdeutlichen läßt. In Barclays National Bank Ltd v. Traub; Barclays National Bank Ltd v. K a l k 3 4 7 hatte die beklagte Bank einem Rechtsanwalt Vollmacht erteilt, gegen eine andere Person, K, Klage zu erheben. Die gerichtliche Vorladung wurde jedoch an die falsche Adresse zugestellt. Obwohl der Anwalt hiervon Kenntnis erlangt hatte, beantragte er ein Versäumnisurteil, das zunächst zwar erlassen, später aber wieder aufgehoben wurde. Wegen der persönlichen Kompromittierung, die mit dem Erlaß des Versäumnisurteils verbunden war, verklagte Κ jedoch die Bank auf der Grundlage der actio iniuriarum. Nach Auffassung der Witwatersrand Local Division hatte der Anwalt die Information über die fehlerhafte Zustellung im Rahmen der Ausübung seiner Vollmacht erlangt, so daß die Beklagte als principal für das verwirklichte Unrecht einstehen mußte. Zu einem anderen Ergebnis kam jedoch die Transvaal Provincial Division in Eksteen v. Van Schalkwyk en 'η Ander. 3 4 8 Der Käufer eines Wohnungsblocks wollte sich nachträglich von dem Vertrag wegen behaupteter arglistiger Täuschung lösen. Aus diesem Grund veranlaßte er einen Rechtsanwalt, dem Verkäufer eine entsprechende Anfechtungserklärung zuzustellen. Dieser führte den Auftrag aus und schickte darüber hinaus Kopien von dem Brief und den darin enthaltenen Arglistvorwürfen an drei unterschiedliche Körperschaften. Wegen der damit verbundenen Diffamierung ging der Verkäufer gerichtlich gegen den Käufer vor. Während des Verfahrens stellte sich heraus, daß der Anwalt keine Anweisung erhalten hatte, Kopien des Schreibens zu versenden. Das Gericht wies die Klage ab. 3 4 9 Sowohl in der Eksteen- als auch in 346 Yg] Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412, 442. 347 1981 (4) SA 291 (W); siehe dazu auch Midgley, Mandate, Agency and Vicarious Liability: Conflicting Principles, 1991 SALJ, 419, 423. 348 1991 (2) SA 39 (Τ). 349 Van Zyl, J., stützte den Anspruch auf den Grundsatz der Nichthaftung für independent contractors ohne die Sonderkategorie der vicarious liability für agents zu erwähnen. 26 Wicke
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der Barclays-Entscheidung hatte der Vertreter des Beklagten Vollmacht zur Ausführung einer juristischen Handlung und in beiden Fällen ging es um Persönlichkeitsverletzungen dritter Personen. Die rechtliche Abgrenzung der Urteile bereitet aufgrund der Ähnlichkeit der Sachverhalte Schwierigkeiten. Ein möglicher Ansatz zur Unterscheidung liegt jedoch darin, daß in Barclays derselbe Akt, zu dem der Anwalt ermächtigt worden war - die Prozeßführung zugunsten des Beklagten - auch zu der persönlichen Kompromittierung des Klägers geführt hatte. Im Gegensatz dazu war in der Eksteen-Entscheidung das Versenden des Briefes mit den darin enthaltenen diffamierenden Äußerungen gegenüber der Anfechtung des Vertrages eine separate Handlung. Das rechtswidrige Verhalten des agent stand in dem Barclays-Urteil daher in einer engeren Verbindung zu der Ausübung der Vollmacht. Hinsichtlich diffamierender Äußerungen scheint sich eine Haftung des principal nach südafrikanischem Recht daher ausnahmsweise dann zu ergeben, wenn die Verletzung des Persönlichkeitsrechts unmittelbar aus der Umsetzung des betreffenden Rechtsakts durch den Vertreter resultiert.
b) Haftung des principal bei Fehlen einer Vertretungsmacht Als Faustregel läßt sich damit festhalten, daß ein principal für das rechtswidrige Verhalten eines agent (der nicht auch employee ist) nur dann einstehen muß, wenn zwischen den Parteien ein Stellvertretungsverhältnis im technischen Sinne gegeben war und das Unrecht in engem Zusammenhang mit der Ausübung der Vollmacht stand. Umstritten ist die Frage, ob möglicherweise Ausnahmen zu diesem Grundsatz anzuerkennen sind. 3 5 0 In der Rechtsprechung finden sich Anzeichen dafür, daß in einer einzelnen begrenzten Situation eine Haftung für das Verhalten eines agent unabhängig von dem Bestehen einer Vertretungsmacht in Betracht kommt. Wenn der principal eine Person zur Vermittlung von Verträgen angestellt hat, die (wie beispielsweise ein Grundstücksmakler) zu Äußerungen im Hinblick auf das vorgesehene Rechtsgeschäft ermächtigt ist, aber keine Befugnis zum Abschluß des eigentlichen Kontrakts besitzt, kann sich eine Haftung für arglistige Täuschungen des Vertreters ergeben. 351 Dieser Sonderfall existiert nicht nur in der Theorie, sondern ist in Davidson v. Bonafede 352 auch zu
350 Ygj einerseits Neethling/Potgieter/Visser, Deliktereg, 368; Hahlo/Kahn, Union, 527; LAWSA XXX, 49; McKerron, Delict, 87; Joubert, Verteenwoordigingsreg, 73; Van der Merwe/Olivier, Onregmatige Daad, 520; andererseits Van der Merwe/ Van Huyssten/Reinecke/Lübbe/Lötz, Contract, 182; Silke, Agency 544; Midgley, Mandate, Agency and Vicarious Liability: Conflicting Principles, 1991 SALJ, 419, insbesondere 422; Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 266 ff. 351 Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412, 427, 442.
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praktischer Anwendung gekommen. Der Kläger hatte von dem Beklagten ein Haus gekauft, den Vertrag aber nachträglich angefochten, da er durch wissentlich falsche Angaben des Grundstücksmaklers zu dem Geschäft veranlaßt worden war. Der Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises und einiger zusätzlicher Kosten wurde unter anderem auf deliktische Grundsätze gestützt: „The next question is whether defendant is answerable for Kellerman's [the estate agent's] misrepresentations. Despite their assertions to the contrary, it is plain that Kellerman had a mandate from defendant to find a buyer for the property. He obviously had authority to introduce buyers to the property and to use his powers of persuasion to induce them to make offers to buy it. A commission was to be paid and a sale eventuated. In these circumstances, it is trite law that defendant is liable for misrepresentations made by Kellerman in the course of executing his mandate."353 Von dieser Ausnahmesituation einer Täuschung durch den Vermittler abgesehen gibt es im südafrikanischen Recht kein Urteil zur vicarious liability, in dem ein principal für das Verhalten eines agent aufkommen mußte, der nicht Stellvertreter im technischen Sinne war. 3 5 4 Alle einschlägigen Entscheidungen handelten jedoch von Erklärungen eines Repräsentanten in Vorbereitung oder beim Abschluß von Rechtsakten, die sich in einem rechtlichen Erfolg mit Bindungskraft für oder gegen den Vertretenen manifestier.
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ten. Es scheint daher im Unterschied zum englischen common law innerhalb des südafrikanischen Rechts möglich zu sein, die Begriffe employee, agent und independent contractor im Kontext der vicarious liability klar voneinander abzugrenzen. Der Geschäftsherr haftet (in Abwesenheit von persönlichem Verschulden) für das Verhalten eines Gehilfen in Ausführung der Verrichtung, nicht aber für das Verhalten eines unabhängigen Unternehmers. Daneben trifft den principal eine Einstandspflicht für Delikte eines agent, der zum Abschluß oder zur Vermittlung rechtlich relevanter Akte angestellt ist. Ein Vertreter im so verstandenen Sinne kann gleichzeitig Gehilfe oder unabhängiger Unternehmer sein, möglicherweise aber unter keinen der beiden Begriffe fallen, wenn beispielsweise ein Freund mit Vertretungs-
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war.
1981(2) SA 501 (C). 1981 (2) SA 501 (C) 504. Abgesehen freilich von den Fällen, in denen der agent gleichzeitig servant
355 Zum englischen Recht s. o., § 5 IV. In keinem südafrikanischen Urteil wurde bislang eine Haftung für fahrlässige Täuschungen des agent angenommen. Möglicherweise ist daher Arglist des Vertreters ein zwingendes Element für die Annahme von vicarious liability des principal. Nach allgemeiner Auffassung in der Literatur scheint die Haftung jedoch nicht auf Arglist beschränkt zu sein. 26*
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macht ausgestattet w a r 3 5 6 und bei Vertragsabschluß die andere Partei arglistig getäuscht hat. 3 5 7 Wie sich gezeigt hat, ist eine Haftung für Vertreter auch in der deutschen Rechtstradition nicht unbekannt. 358 Eine Verantwortlichkeit des Vertretenen wie im südafrikanischen Recht, die auf klar abgegrenzte Konstellationen eines Repräsentanten in Vorbereitung oder beim Abschluß juristisch relevanter Handlungen beschränkt ist, würde im Rahmen einer legislativen Neuregelung hierzulande oder auf europäischer Ebene Beachtung verdienen. 359 4. Haftung des Kfz-Halters a) „A new head of vicarious liability?" Die Haftung des Kfz-Halters für fahrlässig herbeigeführte Unfälle des Fahrers ist im südafrikanischen Recht mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden. 360 In Literatur und Rechtsprechung ist in der jüngeren Vergangenheit eine breites Spektrum von unterschiedlichen Auffassungen sowohl im Hinblick auf die dogmatische Einordnung, als auch bezüglich der positiven Voraussetzungen der Verantwortlichkeit des „car-owner" vertreten worden. 361 Noch im Jahre 1962 wurde im Schrifttum die Frage aufgeworfen, ob es sich bei der Haftung des Halters um eine neue selbständige Kategorie handelte („a new head of vicarious liability") und hierauf bemerkenswerterweise eine negative Antwort erteilt. 3 6 2 In Übereinstimmung mit 356
Der in Abwesenheit vertraglicher Vereinbarungen weder employee noch independent contractor ist. 357 Überholt sind in dieser Hinsicht die Positionen von McKerron, Servant or Independent Contractor?, 1935 SALJ, 414 und Silke, Agency, 539f. 358 S. ο., § 5 IV 1. 359 Die Haftung für einen Rechtsanwalt oder einen Handelsvertreter, die von der deutschen Rechtsprechung auch dann als Verrichtungsgehilfen eingestuft wurden, wenn sie keine abhängigen Angestellten des Geschäftsherrn waren, ließe sich dogmatisch als Fall einer Verantwortlichkeit für Vertreter begreifen. 360 Brand, Die Aanspreeklikheid van die Motoreienaar, 62 schrieb bereits im Jahre 1976, „dat die onseker posisie ten aansien van die motoreienaar se aanspreeklikheid, onhoudbaar is" (daß die unsichere Position hinsichtlich der Haftung des KfzEigentümers unhaltbar ist). Ähnlich formulierte jüngst Botha, Middellike Aanspreeklikheid van die Besope Motorvoertuigeienaar, 1996 THRHR 314, 318, „dat daar op hierdie gebied van ons deliktereg 'n behoefte bestaan aan die invoer van nuwe beginsels" (daß auf diesem Gebiet unseres Deliktsrechts ein Bedürfnis nach Einführung neuer Rechtsgrundsätze besteht). 361 Unter car owner versteht die Rechtsprechung ähnlich dem englischen Recht und vergleichbar mit dem Halter-Begriff des deutschen Rechts nicht nur den Eigentümer im rechtlichen Sinne, vgl. etwa Van Blommenstein v. Reynolds 1934 CPD 265.
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dieser These gab es eine Reihe von Entscheidungen, in denen eine verschuldensunabhängige Haftung bei Fehlen einer master and servant bzw. principal and agent relationship ausdrücklich abgelehnt worden war. 3 6 3 Die Gerichte hatten jedoch zeitgleich, ohne besondere Kenntnisnahme durch die juristische Öffentlichkeit, in einer Mehrzahl von Urteilen eine Verantwortlichkeit des Kfz-Halters angenommen, die zweifellos über die überlieferten Fallgruppen hinausgegangen war. 3 6 4 Als treibende Kraft spielte in dieser Hinsicht wiederum das englische Recht eine maßgebliche Rolle, vornehmlich die oben behandelte Entscheidung der Privy Council in Samson v. Aitchison, deren Inhalt von den Richtern - regelmäßig nach einer entsprechenden Anregung durch die Anwaltschaft - wiederholt auf die einheimische Rechtsprechung übertragen wurde. 3 6 5 Für lange Zeit war dabei freilich unausgesprochen geblieben, daß sich mit der Übernahme des englischen 362
Vgl. Böberg, A New Head of Vicarious Liability?, 1962 SALJ, 235. Der Aufsatz wurde anläßlich einer richterlichen Kontroverse geschrieben, die in den Urteilen Masinda v. Tower Typewriter Company 1961 (1) SA 795 (N) und Paton v. Caledonian Insurance Company 1962 (2) SA 691 (N) ausgetragen worden war. In der erstgenannten Entscheidung wurde eine Haftung des Kfz-Halters in Abwesenheit einer master-servant oder principal-agent relationship abgelehnt. Demgegenüber formulierte Henning, J., in Paton v. Caledonian Insurance Company (S. 695 f.), aus heutiger Sicht zu weitgehend: „It appears to me that the owner of a potentially dangerous thing, such as a motor vehicle, who retains control of it, although he allows another to handle it, is vicariously responsible to others for the harm caused to them by such handling. The liability is based on the retention of control and not on any negligent act or omission of the owner, and it seems to me that it is not essential that a person who handles the article should be either the servant or agent of the owner." 363 Vgl. S labbert v. Holland 1936 NPD 238; Masinda v. Tower Typewriter Company 1961 (1) SA 795 (N); Crafford v. N'Dimandi 1962 (2) PH 036 (C); SA General Investment & Trust Co v. Mavaneni 1963 (4) SA 89 (D). In Van Blommenstein v. Reynolds 1934 CPD 265 hatte Watermeyer, J., die Frage gestellt, ob der Fahrer „in the position of plaintiffs servant in the eye of law" im Unterschied zu „the ordinary meaning of the word" war, während der car-driver in Singh v. Provincial Insurance Co Ltd 1963 (3) SA 712 (Ν) ohne weiteres als agent qualifiziert wurde. 364 Vgl. beispielsweise Pretoria Municipality v. Esterhuizen 1928 TPD 678, 680f.: „Where the driver of a vehicle is not the agent or servant of the occupant, and a third person cannot base the occupant's responsibility for the negligence of the driver on the ground that the driver was acting in the course of his employment by the occupant, such responsibility must be based on the fact that on some ground the driver was subject to the control of the occupant." Ablehnend insoweit SA General Investment & Trust Co Ltd v. Mavaneni 1963 (4) SA 89 (D) 90. 365 Vgl. neben Bruce v. Lomnitz 1922 CPD 343 und Abdool v. Slade 1931 NPD 4, die von persönlicher Verantwortlichkeit auszugehen scheinen, etwa Pretoria Municipality v. Esterhuizen 1928 TPD 678; Ringrose v. Hunter 1933 NPD 442; Van Blommenstein v. Reynolds 1934 CPD 265; weniger einflußreich war das oben behandelte englische Urteil Ormrod and Another v. Crosville Motor Services Ltd 1953 (2) All ER 753, das zunächst zwar in Paton v. Caledonian Insurance Company 1962 (2) SA 691 (N) übernommen worden war, aber später in SA General Invest-
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Ansatzes allmählich auch eine neue Kategorie der vicarious liability in das südafrikanische Recht eingeschlichen hatte. Erst im Jahre 1978 wurde durch Van Heerden, J., in der Entscheidung Boucher v. Du Toit offen anerkannt, daß es sich bei der Haftung des Kfz-Halters um ,,'n analogiese uitbreiding van die aanspreeklikheid van 'n werkgewer vir die onregmatige dade van sy werknemer" handelt, „wat op grond van beleidsoorwegings gebillik kan w o r d . " 3 6 6 Obgleich es bis zum heutigen Tag keine Entscheidung des Supreme Court of Appeal gibt, die sich mit der spezifischen Verantwortlichkeit des car owner beschäftigt, besteht an der eigenständigen Haftung des Kfz-Halters kein Zweifel, da sie neben Van Heerden von einigen Richtern anerkannt wurde, die später an das höchste südafrikanische Gericht für privatrechtliche Streitigkeiten berufen wurden. 3 6 7 b) Die positiven Haftungsvoraussetzungen Während sich in der Rechtsprechung daher mittlerweile die Annahme einer besonderen Kategorie der vicarious liability als dogmatische Grundlage der Verantwortlichkeit des Fahrzeugeigentümers durchgesetzt hat, sind die positiven Voraussetzungen der Einstandspflicht nach wie vor von größter Rechtsunsicherheit betroffen. In den letzten Jahren hat sich unter den Gerichten die Auffassung herauskristallisiert, daß die Haftung von drei kumulativen Bedingungen abhängig ist: Demzufolge ist es erforderlich, daß der Halter Kontrolle 368 ausüben konnte und daß der Fahrer mit seinem Einverständnis und in seinem Interesse 369 den Wagen in Bewegung gesetzt ment & Trust Co v. Mavaneni 1963 (4) SA 89 (D) abgelehnt wurde und danach nicht mehr zu neuem Leben erwacht zu sein scheint. 366 (Daß es sich bei der Haftung des Kfz-Halters um eine analoge Ausweitung der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die unerlaubten Handlungen seines Arbeitnehmers handelt, die aufgrund von rechtspolitischen Erwägungen gebilligt werden kann), 1978 (3) SA 964 (O) 972. Vgl. weiterhin Du Plessis v. Faul 1985 (2) SA 85 (NC) 92; Roman v. Pietersen 1990 (3) SA 350 (C) 354. Kritisch nach wie vor Van der Merwe/Olivier, Onregmatige Daad, 523; siehe ferner Burchell, Delict,
220.
367 Goldstone, J., in Braamfontein Food Centre ν. Blake 1982 (3) SA 248 (T); Jacobs, J.P., in Du Plessis v. Faul 1985 (2) SA 85 (NC). 368 Vgl. auch Van Heerden, J., in Boucher v. Du Toit 1978 (3) SA 965 (Ο) 972Α: „Die vereiste dat die eienaar 'n reg van beheer moet hê, is natuurlik terug te voer na die vereistes vir die middellike aanspreeklikheid van 'n werkgewer vir die onregmatige dade van sy werknemer." (Die Voraussetzung, daß der Eigentümer ein Kontrollrecht haben muß, ist natürlich auf die Voraussetzungen der Haftung des Geschäftsherrn für die unerlaubten Handlungen seines Verrichtungsgehilfen zurückzuführen). In der Literatur wird Kontrolle als maßgebliches Kriterium vor allem noch durch Brand, Die Aanspreeklikheid van die Motoreienaar, 116 ff. befürwortet. 369 Für Cooper, Motor Law II, 372 ist das Interesse des Kfz-Halters entscheidender Gesichtspunkt der Haftung.
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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hat. In der Entscheidung Roman v. Pietersen aus dem Jahre 1990 wurde verlangt: „(i) dat die bestuurder deur die eienaar versoek was om die voertuig te bestuur of toegesien het dat eersgenoemde die voertuig bestuur; (ii) dat die bestuurder die voertuig in belang van die eienaar bestuur het; en (iii) dat die eienaar steeds 'η reg op beheer gehad het oor die manier waarop die motor bestuur moet word." 370 aa) Erlaubnis des Halters Die Voraussetzungen lassen freilich noch erkennen, daß die Halterhaftung sich in einem langsamen Prozeß aus der master-servant bzw. aus der principal-agent relationship herausgebildet hat. Während in der Vergangenheit der Kontrolltest oder das Kriterium eines Interesses bisweilen für sich genommen als ausreichend erachtet wurde, verlangt die moderne Rechtsprechung das Vorliegen aller drei Merkmale. Keine Schwierigkeiten bereitet zunächst das Erfordernis einer Erlaubnis des Fahrzeugeigentümers. Nach heutiger Auffassung ist es nicht notwendig, daß der Halter den Fahrer aufgefordert hat, seinen Wagen zu benutzen. Ausreichend ist vielmehr ein ausdrückliches oder stillschweigendes Einverständnis mit dem Gebrauch des Automobils, das (wie unter Familienangehörigen üblich) auch in allgemeiner Form bestehen kann. 3 7 1 Die Voraussetzung leistet eine angemessene Begrenzung der Haftung, da der Halter nicht für einen Fahrer einstehen muß, der ohne seine Kenntnis und damit unabhängig von einer persönlichen Einflußmöglichkeit den Wagen benutzt hat. bb) Kontrolle des Halters Wenig verständlich ist in diesem Zusammenhang demgegenüber das Kontrollkriterium. In den meisten Entscheidungen haben die Gerichte darunter ein Recht zur Ausübung von Weisungen verstanden („right of control"). Offen geblieben ist dabei jedoch die Grundlage, aus der sich eine solche Befugnis in Abwesenheit eines förmlichen Vertrages herleiten läßt. Eine rein soziale Absprache scheint in dieser Hinsicht nicht ausreichend zu sein. 3 7 2 Als einzig akzeptabler Ansatzpunkt für die Annahme eines Rechts 370
((1) daß der Fahrer durch den Eigentümer ersucht wurde, das Fahrzeug zu steuern oder daß dieser es geduldet hat, daß erstgenannter das Fahrzeug steuert; (2) daß der Fahrer das Fahrzeug im Interesse des Eigentümers in Bewegung gesetzt hat; und (3) daß der Eigentümer stets ein Kontrollrecht über die Art und Weise hatte, auf welche das Fahrzeug gesteuert werden mußte). Vgl. 1990 (3) SA 350 (C) 354. 371 Vgl. Roman v. Pietersen 1990 (3) SA 350 (C) 354H-355A; Labuschagne v. Cloete 1987 (3) SA 638 (T).
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zur Ausübung von Kontrolle über die Fahrweise kommt das Eigentum des Halters an dem Wagen in Betracht. 373 Die Rechtsprechung hat diesen Gesichtspunkt freilich bisher nicht berücksichtigt. Statt dessen wurde in den letzten Jahren von den Gerichten wiederholt eine Pflicht des Halters zur Verhinderung von Verkehrsunfällen konstruiert, aus der als Kehrseite auch ein Recht zur Beaufsichtigung des Steuerungsvorgangs gefolgert wurde. 3 7 4 Da sich eine Haftung des Kfz-Halters anerkanntermaßen 375 aber unabhängig von einem persönlichen Pflichtenverstoß oder eigenem Verschulden ergeben kann, erscheint die Annahme einer entsprechenden „duty" nicht mehr zu sein als eine Leerformel, die als Quelle für die Herleitung einer rechtlichen Befugnis daher ungeeignet ist. In einigen Urteilen hat sich eine rückläufige Akzentverschiebung von einem Kontrollrec/z/ zu einer direkten Einflußmöglichkeit ergeben, ausgedrückt als „power to control" 3 7 6 oder „direct control." 3 7 7 Es ist jedoch fraglich, ob unter modernen Verkehrsbedingungen ein Kfz-Halter faktisch auf den Steuerungsvorgang einwirken kann, um unter gegebenen Umständen einen Unfall zu verhindern: ,,'n Passasier sou heel waarskynlik 'n ongeluk veroorsaak as hy ' η poging sou aanwend om direkte beheer oor die voertuig uit te oefen", wie in der Literatur vielmehr treffend formuliert wurde. 3 7 8 Vor allem aber hat die Rechtsprechung aus dem so verstandenen Kontrollkriterium eine Differenzierung abgeleitet, die rechtspolitisch nicht zu überzeugen vermag: Ein Fahrzeugeigentümer, der im Wagen körperlich präsent war, zum Zeitpunkt des Unfalls aber geschlafen hat oder aufgrund Alkoholeinflusses unzurechnungsfähig war, muß grundsätzlich Schadensersatz leisten 3 7 9 , während ein physisch abwesender Halter von der Einstandspflicht befreit ist, selbst wenn die Fahrt ausschließlich in seinem Interesse erfolgte. 380 Die Ursache der geschilderten Schwierigkeiten scheint freilich darin begründet zu sein, daß 372 Vgl. auch Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 108; Barlow, Vicarious Liability, 103, 129. Ferner Boucher v. Du Toit 1978 (3) SA 965 (O) 972G. 373 Vgl. Cooper, Motor Law II, 371. 374 Siehe etwa Du Plessis v. Faul en 'η Ander 1985 (2) SA 85 (NC); Manickum v. Lupke 1963 (2) SA 344 (N). 375 Vgl. beispielsweise Boucher v. Du Toit 1978 (3) SA 965 (Ο) 970Α. 376 Braamfontein Food Centre v. Blake 1982 (3) SA 248 (Τ) 250 D-Ε. 377 Kinnear v. Ruto Flour Mills 1968 (2) PH 051 (T). In einem direkten physischen Sinne war das Kontrollkriterium in Bruce v. Lomnitz 1922 CPD 343 verstanden worden. Schon in Ringrose v. Hunter 1933 NPD 442 war Hathorn, J., jedoch bereits von einem „right of control" als Anknüpfungspunkt für die Haftung ausgegangen. 378 (Ein Beifahrer dürfte sehr wahrscheinlich einen Unfall verursachen, sollte er versuchen, unmittelbare Kontrolle über das Fahrzeug auszuüben). Vgl. Brand, Die Aanspreeklikheid van die Motoreienaar, 4. 379 Du Plessis v. Faul en 'η Ander 1985 (2) SA 85 (NC); Manickum v. Lupke 1963 (2) SA 344 (N).
V. Die Grundsätze der vicarious liability im modernen Recht
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das Kontrollkriterium als Relikt der master and servant relationship im modernen Recht kein sachgemäßes Abgrenzungskriterium mehr bildet, da sich die Einstandspflicht von der Existenz eines förmlichen Dienstverhältnisses mit einer entsprechenden Weisungsbefugnis des Geschäftsherrn vollständig gelöst hat. 3 8 1 Zum Vergleich wird im englischen common law der control test schon seit der Entscheidung Ormrod and Another v. Crosville Motor Services Ltd im Kontext der Kfz-Halter-Haftung nicht mehr als Test für die Einstandspflicht herangezogen. 382 cc) Das Interesse des Halters Ähnliche Zweifelsfragen sind in der jüngeren Vergangenheit mit der letzten der drei genannten Voraussetzungen verbunden gewesen, wonach der Fahrer zum Vorteil des Kfz-Halters unterwegs gewesen sein muß. 3 8 3 Nach Auffassung der Rechtsprechung ist ein soziales und partielles 384 oder sogar untergeordnetes Interesse 385 für die Annahme der Verantwortlichkeit ausreichend. Obwohl die Gerichte die Möglichkeit einer allmählichen Entwertung dieser Haftungsbedingung erkannt haben, besteht die latente Gefahr, daß die Einstandspflicht im Einzelfall von Zufälligkeiten und Belanglosigkeiten abhängt. In Roman v. Pietersen 386 wollte der Fahrer des Unfallwagens seine Freundin abholen, die das Essen für einen gemeinsamen „Curry Abend" zusammen mit dem Fahrzeugeigentümer und dessen Ehefrau in deren Haus vorbereitet hatte. Nach Auffassung von Findlay, J., war der Schadensersatzanspruch gegen den Halter, der zum Zeitpunkt der Kollision als Beifahrer im Auto saß, begründet. Das notwendige Eigeninteresse an der Fahrt wurde darauf gestützt, daß die Freundin das Essen für die gemeinsame Zusammenkunft der vier Personen gekocht hatte. Im Ergebnis war
380 Braamfontein Food Centre ν. Blake 1982 (3) SA 248 (T); Boucher v. Du Toit 1978 (3) SA 965 (O) 973C; Kinnear v. Ruto Fluor Mills 1968 (2) PH 051 (T). 381 Vgl. auch Van Heerden, J., in Boucher v. Du Toit 1978 (3) SA 965 (Ο) 972Α: „Die vereiste dat die eienaar 'n reg van beheer moet hê, is natuurlik terug te voer na die vereistes vir die middellike aanspreeklikheid van 'n werkgewer vir die onregmatige dade van sy werknemer." (Die Voraussetzung, daß der Eigentümer ein Kontrollrecht haben muß, ist natürlich auf die Voraussetzungen der Haftung des Geschäftsherrn für die unerlaubten Handlungen seines Verrichtungsgehilfen zurückzuführen). 382 1953 (2) All ER 753, s. o., § 5 IV 4 b. 383 Vgl. dazu bereits Slabbert v. Holland 1936 NPD 238; ferner Archibald & Co v. Sabela 1953 (1) SA 254 (N); SA General Investment & Trust Co v. Mavaneni 1963 (4) SA 89 (D); Roman v. Pietersen 1990 (3) SA 350 (C). 384 SA General Investment & Trust Co v. Mavaneni 1963 (4) SA 89 (D). 385 Roman v. Pietersen 1990 (3) SA 350 (C). 386 1990 (3) SA 350 (C).
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daher, zugespitzt formuliert, der Curry für die Haftung des Halters gegenüber dem außenstehenden Unfallopfer entscheidend. Das Kriterium eines Interesses war von den Gerichten im Anschluß an die früher herrschende Auffassung in der Literatur übernommen worden, daß der Fahrer als servant oder agent eingestuft werden muß, um zur Annahme einer Verantwortlichkeit des Eigentümers zu gelangen. 387 Vergleichbar mit dem Kontrolltest erscheint seine Legitimation in moderner Zeit fraglich, seit die Verantwortlichkeit des Kfz-Halters als eigenständige vicarious liability-Kategorie anerkannt ist. Unabhängig von einem persönlichen Interesse des Eigentümers wäre eine Rechtfertigung der Haftung freilich bei erlaubter Benutzung des Wagens aufgrund der Häufigkeit von Verkehrsunfällen und der ständigen unausweichlichen Konfrontation der Allgemeinheit mit den Risiken von Kraftfahrzeugen gegeben. Hinter dem Festhalten an den beiden Haftungserfordernissen verbirgt sich möglicherweise jedoch ein tiefergehendes Kompetenzproblem: Wie sich am Beispiel der oben behandelten Entscheidung des House of Lords in Launchbury v. Morgans 3 8 8 zeigte, wäre für eine entsprechende Ausdehnung der Haftung aufgrund der weitreichenden Konsequenzen ein parlamentarisches Gesetz erforderlich. dd) Multilateral Motor Vehicle Accidents Fund In deutlichem Gegensatz zum englischen common law gibt es in Südafrika zur Verantwortlichkeit des Kfz-Halters für das sorgfaltswidrige Fahren einer anderen Person eine ganze Rut von Entscheidungen. Ein möglicher Grund für diesen Unterschied zwischen beiden Rechtssystemen liegt darin, daß in England heutzutage alle einschlägigen Haftungsrisiken ergänzend zur vicarious liability auch durch obligatorischen Versicherungsschutz abgedeckt sind. 3 8 9 In Südafrika ergibt sich im Fall von Personenschäden eine Einschränkung der vicarious liability des Kfz-Eigentümers nach den Vorschriften des „Multilateral Motor Vehicle Accidents Fund Act 93" von 1989. 3 9 0 Auf der Grundlage dieses Gesetzes wurde ein Fonds errichtet, aus dem Unfallopfern Ersatz gewährt wird, die im Straßenverkehr durch Fahrlässigkeit des Fahrers, Halters oder eines seiner Gehilfen in Ausführung der 387 Beispielsweise wurde eine entsprechende Passage von McKerron, Delict, 5. Auflage, S. 87 in Cassiem v. Rohleder 1962 (4) SA 739 (C) 741 mit ausdrücklicher Billigung zitiert. Ähnlich wurde in SA General Investment Trust v. Mavaneni 1963 (4) SA 89 (D) 91 der oben erwähnte Aufsatz von Boberg, A New Head of Vicarious Liability?, 1962 SALJ, 235 angeführt. 388 [1973] AC 127. 389 S. ο., § 5 IV 4 b. 390 In Fortführung des Act 84 von 1986 und früherer Vorschriften.
VI. Zusammenfassung
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Verrichtung körperliche Verletzungen erlitten haben. 391 Soweit ein Anspruch gegen den Multilateral Motor Vehicle Accidents Fund Act gegeben ist, scheidet eine zusätzliche Haftung gegen den car owner nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung aus. 3 9 2
5. Haftung von Partnern Als vierte und letzte vicarious liability Kategorie ist schließlich die Haftung von Partnern zu erwähnen. Obgleich die Rechtslage im südafrikanischen Recht nicht unumstritten ist, hat sich als herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur die gleiche Position herausgebildet, die in England seit dem Partnership Act von 1890 geltendes Recht ist. Demnach sind die Mitglieder einer partnership für sämtliche Delikte verantwortlich, die einer von ihnen in Ausführung der Firmengeschäfte verübt. 3 9 3 Nach der Entscheidung Pfeffers v. Attorneys Notaries and Conveyancers Fidelity Guarantee Fund Board of Control ist es „trite law that a person is liable for the wrongful acts committed by his partner while transacting matters falling within the scope of the partnership business." 394 Die Haftung rechtfertigt sich aufgrund der andauernden gemeinschaftlichen Risikoerzeugung der Partner zur Erzielung von Gewinnen. Ähnlich wie im englischen Recht gibt es jedoch nur wenige Entscheidungen, in denen diese Form der vicarious liability praktisch relevant geworden ist. 3 9 5
VI. Zusammenfassung Als Folge der Tradition des römisch-holländischen Rechts standen den südafrikanischen Gerichten verschiedene Modelle zur Auswahl, als sie zum 391
Vgl. Artikel 40. Im Todesfall besteht ein Anspruch von Angehörigen wegen des verlorengegangenen Unterhalts. 392 Vgl. Artikel 52 des Gesetzes. 393 Vgl. Croghan's Executrix v. Whitby & Webber 1904 ΤΗ 101; Blumberg and Sulski v. Brown and Freitas 1922 TPD 130, 142; Holland NO v. Simenhoff 1923 AD 676; African Guarantee and Indemnity Co Ltd v. Thorpe 1932 NPD 559; Pfeffers v. Attorneys, Notaries and Conveyancers Fidelity Guarantee Fund Board of Control 1965 (2) SA 53 (C); Botes v. Van Deventer 1966 (3) SA 182 (A) 206; Taljaard v. S and V A Rosendorf and Venter 1970 (4) SA 48 (O); Clarkson NO v. Gelb and Others 1981 (1) SA 288 (W) 297; Lindsay and Others v. Stofberg NO 1988 (2) SA 462 (C); siehe ferner LAWSA XIX, 319; Bamford, The Law of Partnership and Voluntary Association in South Africa, 62; Scott, Middellike Aanspreeklikheid, 277. 394 1965 (2) SA 53 (C) 59 f. 395 Der einzige Fall scheint die Entscheidung Lindsay and Others v. Stofberg NO 1988 (2) SA 462 (C) zu sein.
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ersten Mal mit der Frage nach der Haftung des Geschäftsherrn für das Verhalten seiner Bediensteten konfrontiert wurden: Neben dem Ansatz von Hugo Grotius, der sämtliche Ansprüche auf den ausstehenden Lohn beschränkte und der Position von Johannes Van der Linden, der die Verantwortlichkeit auf eigenes Verschulden des dominus gründete, gab es die strikte funktional begrenzte Gehilfenhaftung, wie sie von Johannes Voet oder Simon van Leeuwen befürwortet worden war. In den frühen Entscheidungen fehlt von der Kontroverse unter den niederländischen Autoren jedoch fast jede Spur. Die Rechtsprechung hat vielmehr, von pragmatischen Überlegungen geleitet, stillschweigend, aber zielsicher die Lösung angestrebt, die sich mit beiden Mutterrechtsordnungen vereinbaren ließ und zeitgemäßer Rechtsanwendung entsprach. Ein wichtiger Faktor für die Rechtsfortbildung war dabei die strukturelle Parallelität zwischen der Auffassung von Johannes Voet und dem Ansatz des englischen Rechts. Sofern die Frage nach der Rechtsquelle der Haftung aufgeworfen wurde, beriefen sich die Gerichte darauf, daß der Satz „dominos ac patres in solidum teneri ex delictis famulorum ac filiorum, quoties illi deliquerunt in officio aut ministerio" in der Sache nichts anderes war als das Prinzip „a master is responsible for all acts done by his servant in the course of his employment." Als die Appellate Division im Jahre 1914 zum ersten Mal mit der Problematik konfrontiert wurde, blieb für die Richter lediglich die Feststellung übrig, daß die strikte funktional begrenzte Gehilfenhaftung sich in einer Serie von Urteilen bereits als gesicherter Bestandteil des südafrikanischen Privatrechts etabliert hatte. In dem anschließenden Rechtsfortbildungsprozeß war die Rechtsprechung zunächst keiner der beiden Mutterrechtsordnungen stärker zugeneigt. Die frühen Urteile zeichnen sich vielmehr überwiegend durch das selbstbewußte Bemühen um einen eigenständigen Ansatz aus. Als plastisches Beispiel haben die Gerichte die Anwendbarkeit der common employment-Doktrin bereits im 19. Jahrhundert zurückgewiesen. Eine zunehmende Anglisierung konnte in der Folge freilich nicht ausbleiben, da das englische common law während einer Industrialisierungsperiode von mehr als einem Jahrhundert bereits differenzierte Detailregelungen hervorgebracht hatte, die im klassischen Zeitalter des römisch-holländischen Rechts noch nicht notwendig geworden waren. In vielen Fällen konnten die Richter daher - regelmäßig nach einer entsprechenden Anregung durch die Anwaltschaft - auf englisches Gedankengut ohne nennenswerte schöpferische Eigenleistung zurückgreifen. Darüber hinaus hatten sich in das südafrikanische Recht schon seit den Anfängen über Zitate und Rechtsbegriffe unbemerkt angelsächsische Konzepte eingeschlichen, die sich im juristischen Bewußtsein allmählich zu einem gedanklichen Gerüst ausgeformt hatten, in das sich die einzelnen Regelungen nahtlos einfügen ließen.
VI. Zusammenfassung
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Auf diese Weise war nicht nur die Unterscheidung zwischen servant und independent contractor in das südafrikanische Privatrecht eingedrungen, sondern auch der Begriff des agent, der in der nachfolgenden Zeit die Herausbildung unterschiedlicher Kategorien der vicarious liability begünstigte. Als negativer Nebeneffekt wurden mit der englischen Begrifflichkeit freilich auch die geschilderten terminologischen Unklarheiten übertragen, die sich während einer jahrhundertelangen kontinuierlichen Rechtsentwicklung in England ergeben hatten. Da die Richter zur Bestimmung der Haftungskategorien nach englischem Vorbild häufig auf unterschiedliche Vertragstypen Bezug genommen hatten, wirkten die daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten neben der vicarious liability auch auf das Verständnis vertraglicher Prinzipien ein. Die Liste der ungeklärten Rechtsbegriffe wurde aufgrund solcher rezeptionstechnischer Fernwirkungen zusätzlich verlängert und umfaßt neben employer, employee, master, servant, principal, agent, independent contractor und authority beispielsweise auch Vokabeln wie mandatum und locatio conductio operis einschließlich der afrikaanssprachigen Korrelate. Die mit der terminologischen Verwirrung verbundene Gefahr einer Konfusion der zugrundeliegenden Rechtsprinzipien hat in den letzten Jahren wiederholt den Ruf nach einer Neuordnung der Haftungsgrundsätze laut werden lassen, für deren Bestimmung eine unmittelbare Bezugnahme auf rechtspolitische Erwägungen gefordert wurde. Nach einigen Experimenten mit dem Risikogedanken als Test für die Verantwortlichkeit hat die Rechtsprechung diesen Tendenzen jedoch einen deutlichen Riegel vorgeschoben. Die Essenz der Auffassung der Gerichte findet sich in dem folgenden Wort von Schreiner, J.A.: „It is often useful to examine the reason which probably gave rise to the rule, in order to discover the rule's limits, but the reaon, even if certainly established is not the same as the rule." Damit hat das bereits im Rahmen des englischen Rechts beobachtete Phänomen einen richterlichen Ausdruck gefunden, daß die Rechtfertigungsgründe für vicarious liability nur ein grobes Raster bilden, das die Auferlegung der Haftung auf einer prinzipiellen Ebene legitimieren kann, ohne daß sich die konkreten Voraussetzungen der Verantwortlichkeit aus ihnen herleiten lassen. Im südafrikanischen Recht ist es darüber hinaus nicht gelungen, den Gedanken der Risikoerhöhung nach Art eines Rechtsprinzips oder einer Systemkategorie zu konkretisieren, die als dogmatische Grundlage für die Auferlegung von vicarious liability angesehen werden kann. Die Haftung des employer oder principal paßt freilich auch nicht in das klassische Muster des Deliktsrechts, da sie unabhängig von einem persönlichen Fehlverhalten auferlegt wird. Im Einklang mit der Tradition des römisch-holländischen Rechts läßt sich vicarious liability systematisch am besten als ein moderner Anwendungsfall quasideliktischer Haftung begreifen.
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Als wichtigste Fallgruppe steht auch in Südafrika die Haftung des employer für Delikte seiner employees in Ausführung der Verrichtung im Zentrum der vicarious liability. In Anlehnung an das englische Recht haben die Gerichte zur Abgrenzung zwischen Gehilfen und unabhängigen Unternehmern auf den Dienst- und Werkvertrag Bezug genommen, wodurch sich als Folge eine wechselseitige Beeinflussung beider Konzepte ergab. Diese Gleichsetzung darf freilich nicht darüber hinweg täuschen, daß in bestimmten Sonderfällen eine Haftung des Geschäftsherrn auch in Abwesenheit vertraglicher Vereinbarungen (nach Art einer locatio conductio operarum) möglich ist. Während traditionell zur Unterscheidung zwischen Gehilfen und unabhängigen Unternehmern das Kontrollkriterium entscheidend war, hat sich in den letzten Jahren ebenfalls ein typologischer Ansatz durchgesetzt. Im Hinblick auf die Haftung juristischer Personen wird wie in England zwischen vicarious liability für das Verhalten einfacher Angestellter und personal liability bei unerlaubten Handlungen von Personen in leitender Stellung, wie Vorstandsmitgliedern und Direktoren differenziert. Ein deutlicher Einfluß englischen Gedankenguts hat sich ferner in der Frage des funktionalen Zusammenhangs zwischen Arbeit und Delikt ergeben. Obgleich die Gerichte nach wie vor um die Suche verbindlicher Tests bemüht sind, haben sich auch im südafrikanischen Recht keine harten und sicheren Kriterien herausgebildet, mit deren Hilfe sich sämtliche Urteile erklären lassen. In nahezu vollständiger Übereinstimmung mit dem englischen Recht ist im Laufe der Rechtsentwicklung vielmehr eine Reihe unterschiedlicher Faktoren zum Vorschein gekommen, die als Indizien für oder gegen die Verantwortlichkeit fungieren. Deutliche Parallelen zwischen beiden Rechtssystemen bestehen ferner in der Problematik des innerbetrieblichen Schadensausgleichs sowie in der Frage der schadensmindernden Zurechnung von Gehilfenverschulden. Ein nennenswerter südafrikanischer Sonderweg hat sich in den letzten Jahren im Hinblick auf die Haftung für independent contractors abgezeichnet. Nach langwährender Rechtsunsicherheit haben sich die Gerichte in dieser Frage offen zum Verschuldensprinzip bekannt und ohne Anerkennung von Ausnahmen klargestellt, daß eine Verantwortlichkeit für das Verhalten eines selbständigen Unternehmers lediglich bei einer persönlichen Fehlleistung des Geschäftsherrn in Betracht kommt. Damit steht fest, daß es im südafrikanischen Recht anders als im englischen common law keine vicarious liability für independent contractors gibt. In Anbetracht der deutschen Reformdiskussion um § 831 BGB verdient dieser Ansatz besondere Aufmerksamkeit, da in Südafrika nunmehr einerseits in Übereinstimmung mit dem englischen Recht die rechtspolitisch gebotene strikte Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen fest etabliert ist, sich aber andererseits hinsichtlich der Haftung für unabhängige Unternehmer eine dem kontinentalen Rechtsdenken näherstehende Linie durchgesetzt hat, die am Verschuldens-
VI. Zusammenfassung
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prinzip festhält und damit gleichzeitig ein höchstmögliches Maß an Rechtssicherheit gewährt. Ungeachtet der geschilderten terminologischen Unsicherheiten läßt sich auf der Grundlage einer umfassenden Rechtsprechungsanalyse ferner eine klare Linie in der Frage der Haftung für Vertreter ermitteln. Als Folge des englischen Einflusses stellt sich aufgrund der unterschiedslosen Verwendung der Begriffe agent und principal auch in Südafrika das systematische Problem, wie die Begriffe employee, agent und independent contractor voneinander abzugrenzen sind, ohne daß die etablierte Dichotomie von Gehilfen und selbständigen Unternehmern im Gewand der agency wieder aufgehoben wird. Da vicarious liability für agents im südafrikanischen Recht von einer fest umgrenzten Ausnahme abgesehen jedoch ein Stellvertretungsverhältnis im technischen Sinne zur Voraussetzung hat, ist eine eindeutige Unterscheidung möglich. Neben der Haftung von Partnern, die für jedes Unrecht verantwortlich sind, das einer von ihnen in Ausführung der Firmengeschäfte verübt, hat sich als gesonderte vicarious liability-Kategorie schließlich noch die Haftung des Kfz-Halters herausgebildet, die jedoch schon seit einigen Jahren von größter Rechtsunsicherheit betroffen ist. Die Probleme in der Anwendung der rechtlichen Voraussetzungen sind darauf zurückzuführen, daß eine weitergehende strikte Sachhaftung aufgrund der Häufigkeit von Verkehrsunfällen und der ständigen unausweichlichen Konfrontation der Allgemeinheit mit den Risiken von Kraftfahrzeugen zwar gerechtfertigt wäre, eine entsprechende Ausdehnung der Haftung angesichts der weitreichenden Konsequenzen aber dem Gesetzgeber vorzubehalten wäre.
§ 7 Zusammenfassung I. Europa und das ius commune Mit der Errichtung des einheitlichen Binnenmarktes ist es in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union während der letzten Jahre zu einem umfangreichen Angleichungsprozeß marktrelevanter Bereiche des Privatrechts gekommen, der in zunehmendem Maße auch Gegenstände des klassischen Schuldrechts, wie Haftungs- und Verbraucherschutzrecht erfaßt. Als Folge hat sich eine international geführte Diskussion über Begriff und Geltung des europäischen Zivilrechts im Verhältnis zu den Rechtsordnungen der einzelnen Länder entzündet, deren Orientierung seit dem Zeitalter der Kodifikationen überwiegend national beschränkt war. Die bisherigen Einzelmaßnahmen der EU werden vor allem aufgrund ihres fragmentarischen Charakters kritisiert, der dazu geführt hat, daß das Recht in bestimmten Gebieten wie ein juristischer Flickenteppich, bestehend aus nationalen und europäischen Stücken, wirkt, der nicht selten mangels einheitlicher Wertungen, deutlicher Abgrenzungen und eines klaren systematischen Bezugspunkts die Rechtsanwendung erschwert. Im Hinblick auf weitergehende Kodifikationsforderungen gewinnt demgegenüber - in Anlehnung an Friedrich Carl v. Savigny - die Auffassung an Boden, daß sich Vereinheitlichungsvorhaben auf breiter Basis sinnvoll nur nach einer längeren Phase der Europäisierung von Rechtswissenschaft, Lehre und Ausbildung erreichen lassen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Erkenntnis, daß vom späteren Mittelalter bis in das 18. Jahrhundert zwischen den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen schon einmal eine intellektuelle Einheit bestanden hat: Unter der Herrschaft des römisch-kanonischen ius commune, das gegenüber den örtlichen Gewohnheitsrechten als ratio scripta subsidiäre Geltung beanspruchte und an allen Universitäten gelehrt wurde, war in Mittel- und Westeuropa ein gemeinschaftliches Fundament zivilrechtlichen Gedankenguts geschaffen worden, das auch nicht mit dem Aufkommen der Kodifikationsidee und der damit einhergehenden nationalstaatlichen Verengung des juristischen Gesichtsfeldes verloren gegangen ist. In Anlehnung an das Leitbild dieser Tradition ergibt sich als eine Gegenwartsaufgabe privatrechtlicher Grundlagenforschung, durch das Zusammenwirken von Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung ein einheitliches wissenschaftliches Vorverständnis wiederzugewinnen, um neben dem vorhandenen legislativen Gemeinschafts- und Konventionsprivatrecht eine europäische
II. Das Prinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung
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Rechtsgrammatik zentraler Normen, Prinzipien und Argumentationsmuster zu erarbeiten, die eine übergreifende Einheit in der nationalen Vielheit erkennen und die unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Rechtsordnungen gleichsam als lokale Variation desselben Themas erscheinen läßt.
II. Das Prinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat sich die vorliegende Arbeit mit der Haftung für Verrichtungsgehilfen im römischen, römisch-holländischen, englischen und südafrikanischen Recht beschäftigt. Es handelt sich dabei um eine zentrale Problematik des Schuldrechts, die als Anknüpfungspunkt für die europäische Privatrechtswissenschaft besonders geeignet erscheint, da sich in den einzelnen Rechtsordnungen hierzu korrespondierende Lösungsansätze finden, die als Ausdruck einer einheitlichen Norm des modernen ius commune angesehen werden können. „Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt", ist nach § 831 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, „den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt." In ähnlicher Form haftet nach den Grundsätzen der englischen „vicarious liability" der „employer" für die „torts" seines „employee", die dieser „in the course of his employment" verübt hat, und gemäß Artikel 1384 Abs. 5 Code Civil sind „commettants" verantwortlich für Schäden, die von ihren „préposés" „dans les fonctions auxquelles ils les ont employés" verübt wurden. Für die Haftung des Arbeitgebers ist es in den einzelnen Ländern daher erforderlich, daß der Angestellte das in Frage stehende Unrecht im Zusammenhang mit einer ihm übertragenen Tätigkeit verübt hat. Ihrer Grundstruktur nach zählt diese Figur der funktional begrenzten Gehilfenhaftung zu den gesicherten Prinzipien des gemeineuropäischen Privatrechts der Gegenwart. Ungeachtet der offensichtlichen Parallelen nimmt die Bestimmung des § 831 BGB im Verhältnis zu den meisten anderen europäischen Regelungen freilich in einem wesentlichen Aspekt eine Sonderstellung ein: Während die Haftung in den erwähnten ausländischen Rechtsordnungen unabhängig von eigenem Verschulden des employer etc. eintritt, kann der Geschäftsherr sich nach § 831 I 2 BGB von seiner Einstandspflicht durch den Nachweis befreien, daß er bei der Auswahl, Ausrüstung, Anweisung und Beaufsichtigung des Gehilfen die verkehrserforderliche Sorgfalt angewandt hat oder daß sein Verschulden für den Schadenseintritt nicht ursächlich war. Die geschilderte Diskrepanz in der Ausgestaltung der Haftungsnormen hat sich im Rahmen der Rechtsanwendung freilich nicht so gravierend ausgewirkt, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches hat die deutsche Rechtsprechung vielmehr ein ganzes Arsenal von Instrumenten entwickelt, um die konzeptionelle Schwäche des § 831 BGB zu umgehen. 27 Wicke
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Es wird daher heute kaum noch bezweifelt, daß sich die Vorschrift in der Praxis nicht bewährt hat. Die Figur der funktional begrenzten Gehilfenhaftung ist in den modernen Rechtsordnungen Europas mithin in zwei (zumindest äußerlich) verschiedenen Varianten zum Ausdruck gekommen, die sich prinzipiell in der Voraussetzung des persönlichen Verschuldens auf Seiten des Arbeitgebers voneinander unterscheiden. In der Analyse des römischen und des römisch-holländischen Rechts wurde dementsprechend besondere Aufmerksamkeit auf die Fragen gelenkt, wie dieses Prinzip historisch zur Entstehung gelangt ist und welche Rolle die Voraussetzung eigener culpa des Geschäftsherrn in diesem Prozeß gespielt hat. Der kontinentalen Rechtsentwicklung (die sich anhand des römischen und römisch-holländischen Rechts rekonstruieren ließ) wurde sodann die Geschichte des englischen common law gegenübergestellt, das sich nach traditioneller Auffassung zwar in weitgehender Abgeschiedenheit von Europa entwickelt hat, in der Verantwortlichkeit für Hilfspersonen aber eine auffällige Ähnlichkeit zu den anderen Haftungssystemen aufweist. Im letzten Kapitel wurde schließlich analysiert, wie beide Entwicklungsstränge im Privatrechtssystem Südafrikas zusammengeschmolzen sind und dabei untersucht, welche besonderen Gesichtspunkte für den möglichen Fall eines Zusammenwachsens der beiden großen europäischen Rechtsfamilien Beachtung verdienen. Die Haftungsregelungen des englischen und südafrikanischen Rechts (die nicht, wie hierzulande, aufgrund zahlreicher Umgehungskonstruktionen zersplittert sind, sondern einheitlich an einem systematischen Standort behandelt werden) wurden bis in die moderne Zeit hinein verfolgt und auf diese Weise ein Einblick in die spezifischen Probleme einer strikt ausgestalteten Einstandspflicht für Verrichtungsgehilfen gewonnen.
I I I . Die antiken Grundlagen der modernen Haftungsregelungen Wie die historische Untersuchung gezeigt hat, war das Prinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung im römischen Recht noch nicht in allgemeiner Form ausgebildet. Im Corpus Iuris Civilis findet sich vielmehr eine Reihe spezieller Tatbestände, die eine Verantwortlichkeit für Hilfspersonen begründen, in ihren Voraussetzungen aber variieren und auf durchaus unterschiedliche Grundgedanken zurückgehen. Historisch kommt diesen Fallgruppen jedoch eine wichtige Bedeutung zu, da in ihnen bereits das gedankliche Material angelegt war, aus dem nachfolgende Generationen das Grundgerüst der modernen Gehilfenhaftung schmieden konnten. Der zentrale Tatbestand einer Verantwortlichkeit für fremde Schuld war im römischen Recht entsprechend der damaligen Wirtschafts- und Gesellschaftsver-
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fassung die Noxalhaftung des pater familias für das deliktische Verhalten seiner Sklaven und Hauskinder. Das Klagebegehren eines verletzten Dritten konnte der Hausvater nach seiner Wahl dadurch befriedigen, daß er entweder die erforderliche Bußzahlung erbrachte oder den unmittelbaren Täter auslieferte (noxae deditio). Ursprünglich diente die Übergabe des Schädigers der Verwirklichung des Racherechts des Opfers, entwickelte sich aber in späterer Zeit neben dem Sühnegeld zu einer alternativen Rechtspflicht. Die Römer haben die strikte Noxalhaftung erst allmählich von einer persönlichen Verantwortlichkeit des Hausvaters für das Verhalten von gewaltunterworfenen Personen unterschieden: Wenn der pater familias von der Tat gewußt oder ihre Begehung angeordnet hatte, wurde ihm in klassischer Zeit die Befreiungsmöglichkeit durch Preisgabe des Täters versagt. Da die Noxalhaftung ihre Grundlage in dem Statusverhältnis zwischen Hausvater und den Mitgliedern des Hausverbandes fand, war die Verantwortlichkeit nicht durch den Umfang einer übertragenen Aufgabe beschränkt, sondern erstreckte sich auf sämtliche Delikte. Typisch für die Einstandspflicht des pater familias war demgegenüber jedoch eine wertmäßige Begrenzung, weil er sich seiner Zahlungspflicht notfalls durch Auslieferung des Täters entledigen konnte. Aufgrund der Noxalhaftung war im römischen Recht der Gedanke einer Haftung für fremde Schuld als solcher prinzipiell bekannt. Außerhalb der Verantwortlichkeit des pater familias für die Delikte seiner Angehörigen sind die Römer davon ausgegangen, daß grundsätzlich niemandem das Verhalten eines anderen zum Nachteil gereichen dürfe („neque enim debet nocere factum alterius ei qui nihil fecit"). Die klassischen Juristen haben die Haftung für Hilfspersonen jedoch - über die statusgebundene Noxalhaftung hinaus - im Rahmen einiger Ausnahmefallgruppen ansatzweise fortgebildet. Dabei konnte es auch zu einer Einstandspflicht für freie Personen kommen, sofern ihr unrechtmäßiges Verhalten einen räumlichen oder einen funktionalen Zusammenhang zu der jeweiligen gefahrbringenden Tätigkeit aufwies. Die Gehilfenhaftung wurde freilich nicht als abstrakt-systematisches Problem, sondern einzelfallbezogen behandelt mit der Folge, daß sich in dieser Frage keine klaren und allgemein gültigen Grundsätze herausbildeten. Obgleich der Begriff der culpa im Zusammenhang einiger Haftungstatbestände in Erscheinung trat, lassen die Quellen noch keine einheitliche Verschuldenslehre erkennen (etwa im Sinne der culpa in eligendo). Im Bereich der vertraglichen Gehilfenhaftung (die zur Ermittlung des gesamten römisch-rechtlichen Gedankengutes hinsichtlich der Haftung für fremde Schuld mitbehandelt wurde) ergibt sich ein vielschichtiges und kontroversenreiches Bild, das von differenzierten Abstufungen nach den Interessenlagen bestimmt ist, gleichzeitig aber eine schrittweise Entwicklung hin zu einer Ausdehnung der Verantwortlichkeit vermuten läßt. Nach einigen 27*
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überlieferten Entscheidungen der römischen Juristen ging die Verantwortlichkeit für Hilfspersonen auch bei Bestehen eines Vertragsverhältnisses nicht über die deliktische (Noxal-) Haftung hinaus. Demgegenüber scheint allmählich jedoch die Auffassung an Boden gewonnen zu haben, daß der Schuldner bei eigener culpa, die in dem schadenstiftenden Verhalten einer anderen Person zum Ausdruck kam, grundsätzlich in voller Höhe Ersatz leisten mußte. Der Begriff des Verschuldens wurde dabei freilich kasuistisch gehandhabt und konnte je nach Umständen unterschiedliche Formen annehmen. Während in einigen Textstellen ein Mangel bei der Auswahl zum Anknüpfungspunkt der Haftung genommen wurde, führte bei strengrechtlichen Klagen beispielsweise nur das positive Wissen von der Tat zu einer Verantwortlichkeit des Schuldners. Vereinzelt wurde ein sehr weitgehender Schuldmaßstab zugrunde gelegt, wenn allein der Besitz schadensgeneigter Sklaven für eine unbegrenzte Einstandspflicht ausreichend war. In bestimmten Situationen konnte es ferner unabhängig von persönlichem Verschulden des Hausherrn zu einer Gehilfenhaftung kommen. Neben Konstellationen einer vertraglichen Risikoübernahme, die kraft Auslegung Drittverschulden einschloß, kam dies etwa in Betracht, wenn das Einschalten einer anderen Person in die Erfüllung von Verbindlichkeiten eine Pflichtverletzung des Schuldners bedeutete oder übergeordnete Billigkeitserwägungen eine Verantwortlichkeit erforderlich machten. Nach hier vertretener Auffassung läßt sich allerdings aus einer custodia-Pflicht (die hinsichtlich übergebener Sachen eine Verantwortlichkeit bis zur Schwelle der höheren Gewalt begründete und damit auch den von Dritten begangenen Diebstahl erfaßte) keine Haftung für eigene Leute ableiten, da das Konzept der custodia auf Eingriffe zugeschnitten ist, die von außen auf einen anvertrauten Gegenstand ausgehen. Von zentraler Bedeutung für die spätere geschichtliche Entwicklung der Haftung für Verrichtungsgehilfen wurde eine Reihe prätorischer Sondertatbestände», die ihrer Zweckbestimmung nach ausdrücklich auch eine Verantwortlichkeit für fremdes verbotenes Handeln einschlossen. Das Amtsrecht des Prätors ergänzte seit der jüngeren Republik das traditionelle, auf Gesetzes- und Gewohnheitsrecht beruhende ius civile und übte aufgrund seiner vorherrschenden rechtspolitischen Tendenz nachhaltigen Einfluß auf die römische Rechtsordnung aus, indem es sich verstärkt der Lösung sozialer, politischer und moralischer Konflikte zuwandte. Wie sich aus den Quellen ergibt, bestand ein besonderes Schutzbedürfnis im Hinblick auf Gegenstände, die auf einem Schiff, in einem Wirtshaus oder Stall beschädigt oder gestohlen wurden. Der Prätor führte gleich mehrere Klagen gegen nauta, caupo und stabularius ein. Neben der receptum-Haftung standen die actiones furti und damni in factum adversus nautas etc., die bei Diebstahl oder Sachbeschädigung zur Geltung kamen. Die beiden Rechtsbehelfe hatten
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nicht zur Voraussetzung, daß der Schiffer, Gast- oder Stallwirt selbst die Tat begangen hatte, sondern waren ausdrücklich ebenso anwendbar, wenn ein Angestellter das Unrecht verübt hatte. Justinian ordnete die actiones furti und damni in factum adversus nautas unter die Kategorie der sogenannten Quasidelikte ein. Ein möglicher Grund für diese Qualifizierung liegt darin, daß die Haftung des nauta, caupo oder stabularius auf der Kontrolle über einen bestimmten Gefahrenbereich beruhte und unabhängig von persönlichem Fehlverhalten eintrat. Zwar werden die beiden prätorischen Klagen im Corpus Iuris Civilis anhand von culpa-Erwägungen rationalisiert: In einem Fragment wird festgestellt, daß der nauta, caupo oder stabularius „gewissermaßen schuldhaft" gehandelt hat, indem er sich der Hilfe unzuverlässiger Menschen bediente („aliquatenus culpae reus est, quod opera malorum uteretur ideo"). Da jedoch im gleichen Atemzug klargestellt wurde, daß der Schiffer, Gastwirt oder Stallwirt selbst kein Unrecht begangen haben mußte („si modo ipsius nullum est maleficium"), ist der Begriff der culpa nicht als technisches Verschulden zu verstehen, sondern im Sinne einer objektiven Zurechnung zu begreifen, die daran anknüpft, daß der Beklagte den unmittelbaren Täter als Gehilfen angestellt hat. Die einschlägigen Passagen können daher (wie auch andere Fragmente in thematisch verwandten Zusammenhängen) entgegen einer Literaturmeinung nicht als Ausdruck einer einheitlichen nachklassischen Verschuldenstheorie im Zusammenhang der Haftung für Hilfspersonen bewertet werden. Bei den actiones furti /damni in factum adversus nautas, caupones, stabularios handelte es sich um Pönalklagen, die auf den doppelten Wert des entstandenen Schadens zielten. Ihr Zweck war nicht in erster Linie die Wiederherstellung des vorigen Zustandes, sondern Bestrafung des Verantwortlichen und Genugtuung für den Verletzten. Das römische Recht nahm in dieser Beziehung Funktionen wahr, die nach moderner Vorstellung eher dem Strafrecht zuzuordnen sind. Im Unterschied zur Noxalhaftung erstreckten sich die beiden prätorischen Klagen nicht auf sämtliche Delikte der Angestellten, sondern waren in ihrem Anwendungsbereich räumlich beschränkt: Der nauta, caupo oder stabularius haftete für seine Angestellten nur dann, wenn sich das Unrecht auf dem Schiff, im Gasthaus oder im Stall ereignet hatte. Der rechtspolitische Grund für die verschärfte Haftung lag darin, daß Kunden ihre Sachen unbesehen dem Einflußbereich von nauta, caupo und stabularius überlassen mußten und es in der Praxis häufig zu Mißbrauch kam. In engem thematischen Zusammenhang mit den soeben behandelten Rechtsbehelfen standen ferner zwei weitere prätorische Klagen, die ursprünglich nicht die Problematik der deliktischen Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen betrafen, für deren weitere Entwicklung aber interessanterweise Bedeutung erlangten, da der Gedanke der funktionalen Haf-
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tungsbegrenzung als solcher für ihre Geltung wesentlich war: Die actiones institoria und exercitoria waren anwendbar, wenn ein Reeder oder Geschäftsherr einen Schiffskapitän beziehungsweise bestimmte leitende Unternehmensangestellte eingesetzt hatte und diese im Rahmen ihrer Einsetzung Verbindlichkeiten eingegangen waren. Der lateinische Begriff zur Umschreibung des funktionalen Zusammenhangs zwischen Arbeit und rechtsgeschäftlicher Tätigkeit, „praepositio", sollte zu einem späteren Zeitpunkt in der ähnlich gelagerten Frage der Haftung für Verrichtungsgehilfen noch einmal eine zentrale Rolle spielen. Für die vorliegende Fragestellung ist ferner die actio de effusis vel deiectis relevant, die sich gegen den Hausbewohner richtete, wenn Schäden oder Verletzungen dadurch entstanden, daß Flüssigkeiten oder Gegenstände aus dem Fenster auf einen öffentlich zugänglichen Ort gegossen oder geworfen wurden. Die Klage kam unabhängig davon zur Anwendung, ob der habitator selbst, ein Familienangehöriger, Arbeiter, Lehrling oder Gast die schadenstiftende Handlung vorgenommen hatte. Justinian faßte die actio de effusis vel deiectis ebenfalls unter die Gruppe der Quasidelikte. Ausschlaggebend für diese Qualifizierung scheint die Überlegung gewesen zu sein, daß die Haftung des Hausbewohners unabhängig von persönlichem Verschulden eintrat. Wie im Kontext der prätorischen Klagen gegen nauta, caupo und stabularius tritt der Begriff der culpa in den Quellen zwar in Erscheinung, ist aber wiederum in einem objektiven Sinne zu begreifen. Der Hausbewohner muß für die entstandenen Schäden einstehen, da nur er in der Lage ist, den Haushalt so zu organisieren, daß nichts herausgeworfen oder -gegossen wird. Den sozialen Hintergrund dieser prätorischen Sonderregelung bildete die Wohnungssituation im alten Rom mit seinen engen Straßen, wo mangels hausinterner Müll- und Abwasserentsorgungssysteme Abfall ohne weiteres aus dem Fenster befördert wurde. Entscheidend für den Erlaß des Edikts waren daher abermals präventive Gesichtspunkte. Die Klage war pönal motiviert und ging auf den doppelten Betrag des erlittenen Schadens. Der modernen Gehilfenhaftung am nächsten sind die Römer im Rahmen der Verantwortlichkeit des Steuerpächters für die Delikte seiner familia gekommen. In der römischen Republik wurden Abgaben im allgemeinen nicht durch besoldete Beamte eingetrieben, sondern durch Privatpersonen, genannt „publicani." Der Staat verpachtete ihnen die Abgaben gegen eine feste jährliche Summe und übertrug ihnen damit die Aufgabe der Einziehung, die sie selbständig ausführten. Da dieses, von der Profiterzielungsabsicht der Unternehmer bestimmte System der Steuereintreibung zu Bedrükkungen in der Bevölkerung führte, gewährte der Prätor besondere Klagen gegen die publicani wegen deliktischen Verhaltens in Ausübung ihrer Tätigkeit, die auch zur Anwendung kamen, wenn die Angehörigen ihrer familia
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das Unrecht verübt hatten. Der Begriff der familia wurde im Laufe der Zeit dabei von den klassischen Juristen in einer für den vorliegenden Zusammenhang äußerst bedeutsamen Weise uminterpretiert. Entscheidend für die Haftung war nicht mehr der Status der handelnden Person, sondern vielmehr die Tätigkeit im Aufgabenkreis des Steuerpächters. Als Konsequenz konnte einerseits eine Einstandspflicht des publicanus für freie Personen eintreten, solange sie bei der Einziehung von Abgaben behilflich waren, andererseits aber eine Haftung für eigene Sklaven ausscheiden, wenn sie nicht im Pflichtenkreis des publicanus tätig wurden. In einem aus heutiger Sicht abgelegenen Gebiet hatte daher im römischen Recht eine Entwicklung von der Noxalhaftung hin zur Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen stattgefunden. Den nachfolgenden Juristengenerationen lieferte das römische Recht daher reichlich gedanklichen Stoff, aus dem sich durch Verallgemeinerung oder Kombination unterschiedlicher Bestandteile, sei es durch kreative Schöpferkraft oder aufgrund von bloßen Mißverständnissen, neue Rechtsfiguren formen ließen. In ihren Entscheidungen hatten sich die Römer dabei in erster Linie an der Interessenlage des konkreten Sachverhalts und der Gerechtigkeit des Einzelfalls orientiert, offenbar ohne ein Bewußtsein dafür zu entwickeln, daß aus einer wiederholten Urteilsbegründung in späterer Zeit ein allgemeingültiges Dogma oder aus einzelnen Sondertatbeständen ein umfassendes Haftungsprinzip mit eminenter praktischer Bedeutung abgeleitet werden könnte.
IV. Rechtsfortbildung durch Generalisierung im römisch-holländischen Recht Das Prinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung beginnt sich in Europa auf breiter Basis erst seit dem 17. Jahrhundert durchzusetzen. Eine gewisse wissenschaftliche Führungsstellung nahm zu dieser Zeit das römisch-holländische Recht ein. Nach einem Wort von Wieacker hat Holland die Fackel der großen Rechtswissenschaft unserem Lande weitergereicht, die einst in Italien entzündet worden und von dort nach Frankreich und weiter nach den Niederlanden gewandert sei. Das Kennzeichen der niederländischen Schule war die Verbindung der vom mos Gallicus übernommenen humanistischen Wissenschaftsmethode mit den Forderungen der Praxis nach einem den Bedürfnissen der Zeit angepaßten, gebrauchsfähigen römischen Recht. In der Frage der Gehilfenhaftung ist das römisch-holländische Recht von besonderem Interesse, da es ein repräsentatives Bild der maßgeblichen Leitgedanken des ius commune liefert. Aufgrund der gewandelten gesellschaftlichen Umstände hatte sich in der Anwendung des römischen Rechts zur Gehilfenhaftung in den Niederlanden
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eine bedeutsame Veränderung ergeben: Nachdem die Sklaverei abgeschafft worden war, hatte auch die Noxalhaftung ihre Grundlage verloren. Unter den römisch-holländischen Autoren entzündete sich daher eine kontroverse Debatte zu der Frage, wie die im holländischen Haftungssystem entstandene Lücke im Hinblick auf die Verantwortlichkeit für Personen, die im Interessenkreis des dominus tätig werden, durch allgemeine Regelungen zu schließen war. Unberührt war von dieser wissenschaftlichen Auseinandersetzung freilich die Geltung einer Reihe römischer und einheimischer niederländischer Sondertatbestände geblieben, in deren Rahmen es zu einer Einstandspflicht für fremde Schuld kam. Die erwähnten prätorischen Fallgruppen, die als Reaktion auf konkrete rechtspolitische Bedürfnisse eine Haftung für andere begründeten, sind mit geringen Modifikationen in das römisch-holländische Recht übernommen worden. Der nauta, caupo oder stabularius war für Diebstahl und Sachbeschädigung durch seine Leute verantwortlich. Ebenso haftete der Hausbewohner, wenn aus dem Haus beförderte Gegenstände oder Flüssigkeiten Passanten verletzten. Und schließlich wurde auch ein Steuerpächter durch Delikte seiner Gehilfen im Rahmen der Einziehung von Abgaben zum Ersatz verpflichtet. Veränderungen ergaben sich hauptsächlich im Bereich der Rechtsfolgen. Die pönal motivierte Multiplikation der Kompensationspflicht um ein mehrfaches der Vermögenseinbußen war generell obsolet geworden, da das niederländische Schadensrecht primär auf den Ausgleich erlittener Nachteile gerichtet war und Strafen wegen Beeinträchtigungen des öffentlichen Interesses im allgemeinen von der Obrigkeit verhängt wurden. In ihrer Darstellung der römischen Fallgruppen übergingen die niederländischen Juristen teilweise dogmatische Feinheiten, wenn sie sich im praktischen Ergebnis nicht auswirkten. Für Unsicherheit sorgte als Folge der unklaren Normierung im Corpus Iuris Civilis die Frage, ob im Einzelfall Eigenverschulden für die Einstandspflicht erforderlich war. Neben den römischen Sondertatbeständen gab es im römisch-holländischen Recht eine Reihe von einheimischen Vorschriften, die eine Haftung für fremde Schuld begründeten. Um diese Bestimmungen rankte sich eine wissenschaftliche Diskussion, die gegenüber dem römischen Recht eine interessante Neuerung lieferte: Es ging in abstrakt genereller Weise um die Frage, ob Verschulden des Haftenden Voraussetzung der Ersatzpflicht sei. Demgegenüber war im römischen Recht die Schuldfrage im Kontext der Haftung für andere kasuistisch behandelt worden, an keiner Stelle hatten die Römer die Problematik allgemein thematisiert. Der besondere Aspekt der Auseinandersetzung unter den römisch-holländischen Juristen lag darin, daß unterschiedlichen Tatbeständen ein gemeinsamer culpa-Begriff zugrunde gelegt wurde. In diesem Ansatz zeigte sich der Einfluß des wieder erwachten Naturrechts mit seiner abstrakt-systematischen Begrifflichkeit.
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Über die einzelnen Sondertatbestände hinausgehend konnte das römische Recht freilich nicht unmittelbar als Vorlage für die Entwicklung einer generellen Gehilfenhaftung dienen. Mit der Abschaffung der Sklaverei war nach einhelliger Auffassung der niederländischen Autoren auch die Noxalhaftung obsolet geworden. Im römisch-holländischen Recht entzündete sich daher eine facettenreiche Kontroverse zu der Frage, in welchem Umfang der Haus- oder Geschäftsherr im allgemeinen für das Verhalten von Personen einstehen mußte, die in seinem Interessenkreis tätig wurden. Einer weit verbreiteten Auffassung zufolge, die namentlich von Hugo Grotius vertreten wurde, haftete der dominus entsprechend germanischem Gewohnheitsrecht generell in Höhe des ausstehenden Lohnes. Manche Autoren standen einer Verantwortlichkeit für fremdes Handeln überhaupt skeptisch gegenüber. Nach der naturrechtlich geprägten Position von Johannes van der Linden, die in der Grundstruktur bereits dem späteren § 831 BGB entsprach, haftete der dominus für die Delikte seiner famuli in Ausführung eines Geschäfts, sofern er durch eigenes Verschulden zur Verwirklichung des Unrechts Anlaß geben hatte. In der Formulierung seiner Ansicht war van der Linden dabei wesentlich durch das Werk des deutschen Autors Augustin von Leyser beeinflußt worden. Am ausstrahlungskräftigsten war jedoch die Auffassung, wonach der Hausherr streng für sämtliche Delikte einstehen mußte, die der Gehilfe oder Sohn in Ausführung der ihm übertragenen Arbeit verübte. In diesem Sinne formulierte Johannes Voet: „dominos ac patres in solidum teneri ex delictis famulorum ac filiorum ..., quoties illi deliquerunt in officio aut ministerio, cui a patre dominove fuerunt praepositi." Für die Einstandspflicht des Geschäftsherrn war daher anders als im Rahmen der statusgebundenen Noxalhaftung entscheidend, daß der unmittelbare Delinquent bei Verwirklichung des Unrechts einer Beschäftigung für seinen dominus nachgegangen war. Ein vergleichbarer Grundsatz war weder dem römischen, noch dem germanischen Recht in allgemeiner Form bekannt. Wie die Untersuchungen der römisch-holländischen Schriften ergeben haben, wurde die funktional begrenzte Verantwortlichkeit für Hilfspersonen vielmehr durch bewußte systematische Generalisierung aus den Quellen des Corpus Iuris Civilis gewonnen. Das römische Recht verschaffte den niederländischen Autoren in dieser Hinsicht einen reichhaltigen Vorrat an Rechtsgedankenmaterial, dem sich genügend unterschiedliche Substanz entnehmen ließ, um die Haftungsregelungen für eine spätere Epoche zu formulieren: Der Begriff des Gehilfen als einer Person, die mit bestimmten Aufgaben betraut ist, hatte sich im Rahmen der Haftung des publicanus aus dem Terminus der familia heraus entwickelt. Im Ansatz war damit bereits die Verbindung zwischen dem unrechtmäßigen Verhalten und der Verrichtung einer konkreten Tätigkeit hergestellt. Die richtige Formulierung zur Bezeichnung dieses funktio-
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nalen Zusammenhangs lieferten die vertraglichen actiones exercitoria und institoria: Der Bedienstete mußte in Ausführung von Pflichten gehandelt haben, denen er vorangestellt war, „praepositus." Veranschaulichen ließ sich die Haftung schließlich noch anhand der Klagen gegen den nauta, caupo, stabularius wie auch durch andere konkrete Einzelfallentscheidungen. Dabei war die Neuschöpfung der funktional begrenzten Gehilfenhaftung nicht das Einmannwerk eines einzelnen findigen Schriftstellers, sondern Produkt einer Rechtswissenschaft, die über mehrere Jahrhunderte hinweg einen fruchtbaren Diskurs führte. Dieser für das ius commune typische Vorgang der Rechtsfortbildung war ferner nicht auf die Niederlande beschränkt, sondern ließ sich zeitgleich auch in anderen europäischen Ländern beobachten. So bezeichnet beispielsweise der Begriff des préposé in Artikel 1384 Abs. 5 Code Civil eine Person, die gleichsam einer Tätigkeit vorangestellt wurde. Der französische Autor Pothier, auf den die Vorschrift zurückgeht, wurde zu der Formulierung durch den Gedanken der praepositio aus dem Kontext der römischen actio institoria inspiriert, auf die er ausdrücklich verwiesen hat. Zur Illustration nahm er auf die Haftung des publicanus Bezug. Als niederländischer Hauptvertreter der funktional begrenzten Gehilfenhaftung rationalisierte Johannes Voet dieses Prinzip anhand einer unwiderleglichen Verschuldensvermutung. Das unrechtmäßige Verhalten des Gehilfen wurde aufgrund der Überschaubarkeit des Verantwortungsbereichs pauschal als Fehlleistung des dominus angesehen. Im Gegensatz zur modernen technisierten Arbeitswelt hatte sich noch kein allgemeines Bewußtsein dafür herausgebildet, daß auch einem zuverlässigen Gehilfen angesichts menschlicher Unzulänglichkeit im Einzelfall ein Fehler unterlaufen kann und daher eine objektive Haftung des Herrn unter Umständen aus rechtspolitischen Gründen gerechtfertigt sein könnte. Obwohl die Kontroverse um die Gehilfenhaftung aus heutiger Sicht von großem Interesse ist, darf ihre praktische Bedeutung innerhalb des römisch-holländischen Haftungssystems nicht überschätzt werden: Das Schadensrisiko, das für außenstehende Dritte aus der Einstellung eines famulus resultierte, war erheblich geringer als die Gefahren, die sich in der modernen hochtechnologisierten und komplex strukturierten Arbeits weit ergeben können. Systematisch wurde die Verantwortlichkeit für fremdes Handeln von den niederländischen Autoren unter die Quasidelikte eingeordnet. Im Anschluß an Grotius wurde der Begriff über die römischen Fallgruppen hinaus erweitert und erfaßte auch Tatbestände wie die Tierhalterhaftung und einige einheimische holländische Haftungsvorschriften. Den einzelnen Quasidelikten war gemeinsam, daß der Ersatzpflichtige den Schaden nicht persönlich verursacht haben mußte, sich aber in einem rechtlichen Herrschaftsverhältnis zu einer anderen Person oder einer Sache befand, die für den Nachteil unmittelbar ursächlich geworden war.
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V. Haftung für Verrichtungsgehilfen in der Geschichte des common law: Richterliche Rechtsfortbildung auf der Grundlage des ius commune Die Überbrückung des Grabens zwischen civil law und common law gehört nach allgemeiner Auffassung zu den kompliziertesten Aufgaben, denen sich die europäische Rechtswissenschaft bei der Herausarbeitung einer länderübergreifenden Rechtsgrammatik ausgesetzt sieht. In der Problematik der Haftung für Verrichtungsgehilfen zeigen sich im englischen Recht freilich deutliche strukturelle Übereinstimmungen zu den kontinentalen Haftungsregelungen. Es stellt sich daher die Frage, ob der Grundsatz des respondeat superior das Produkt einer Parallelentwicklung ist, die sich angesichts analoger gesellschaftlicher Veränderungsprozesse selbständig in nobler Isolation ereignet hat oder ob nicht möglicherweise Spuren einer Beeinflussung durch die römisch-kanonische Rechtstradition nachweisbar sind. Vor diesem Hintergrund wurde die Gehilfenhaftung in der englischen Rechtsgeschichte, angefangen bei den frühesten überlieferten Quellen, untersucht. Zeugnisse einer Verantwortlichkeit für fremde Schuld ließen sich bereits für die Zeit der angelsächsischen Periode ermitteln. Ähnlich wie es im römischen Recht zu beobachten war, traf den Hausherrn für Delikte seiner Angehörigen eine Bußzahlungspflicht, von der er sich durch Auslieferung des unmittelbaren Täters befreien konnte. In diesem Stadium der Entwicklung gab es freilich noch kein allgemein anwendbares common law. Zu einer Zentralisierung der Justiz und damit zu einer fortschreitenden Vereinheitlichung des geltenden Rechts auf der verfahrensrechtlichen Grundlage des sogenannten writ-Systems kam es erst in den Jahrhunderten nach der normannischen Eroberung. Die Problematik der Haftung für Hilfspersonen im mittelalterlichen Recht bietet ein vielschichtiges Bild. Berührungspunkte mit dem Recht auf dem Kontinent sind in der frühen Entwicklung des common law dabei nicht festzustellen. Wie vor allem die Aufzeichnungen örtlicher Gerichte vermuten lassen, scheint die unbedingte Einstandspflicht des Hausherrn für Delikte seiner Leute in den Rechtsanschauungen noch längere Zeit lebendig geblieben zu sein. Auf der Ebene des königlichen Rechts sind allgemeine Grundsätze demgegenüber zunächst nicht ersichtlich. In seinem (um 1256 fertiggestellten) Werk „De legibus et consuetudinibus regni Angliae" behandelte Bracton die Verantwortlichkeit für fremdes Handeln lediglich in den speziellen Zusammenhängen der „felonies" und des „novel disseisin." Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert bildete sich jedoch allmählich, in deutlichem Gegensatz zu früheren Epochen, der Befehl oder die Kenntnis des Hausherrn von dem Verhalten des unmittelbaren Schädigers als Vorausset-
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zung für seine Einstandspflicht heraus. Eine mögliche Erklärung für diesen, sehr restriktiven Ansatz liegt in der engen Verwobenheit von strafrechtlicher und deliktsrechtlicher Verantwortlichkeit in der Anfangsphase des common law. Die Verhängung einer Strafe ist Ausdruck einer moralischen Mißbilligung durch den Staat, die sich in Abwesenheit von persönlichem Verschulden nicht gegen einen Unbeteiligten, allein auf der Grundlage einer Statusbeziehung, richten darf. Das Wissen des Hausherrn von der Tat seiner Leute überlebte bis weit ins 17. Jahrhundert als prinzipielles Erfordernis seiner Haftung. Die mit dieser Regelung verbundenen Härten wurden allerdings schon frühzeitig durch eine Reihe wichtiger Ausnahmen strikter Verantwortlichkeit für fremde Schuld abgefedert. Neben einer Anzahl einheimischer Regelungen, wie der Ersatzpflicht des Herrn für Schäden durch Feuer, das in seinem Haus entzündet worden war, und der Einstandspflicht bestimmter Beamter in bedeutender Stellung, waren einige dieser Sondertatbestände gemeineuropäischen Ursprungs oder entwickelten sich zu Einfallstoren für kontinentales Gedankengut. Die Verantwortlichkeit des nauta für auf dem Schiff verübte Delikte wurde mit zahlreichen Detailbestimmungen ins englische Recht rezipiert. Da bei Rechtsstreitigkeiten im grenzübergreifenden Handelsverkehr traditionell nicht das common law, sondern die internationale lex mercatoria galt, kam unter Kaufleuten in England die funktional begrenzte Gehilfenhaftung zur Anwendung, die für das ius commune charakteristisch war und in der Grundstruktur mit der späteren vicarious liability bereits übereinstimmte. Ein ähnlicher Ansatz fand sich in dem für den Rechtszweig der equity fundamentalen Werk Doctor and Student von St. Germain, der seine Kenntnisse in dieser Frage aus der in Nürnberg erschienenen Summa Angelica zog: „ [ A ] man shalbe charged for his housholde ... whan the housholde offendeth in an offyce or mynysterye that the mayster ys the chyef offiyer of." Im Hinblick auf die Problematik der Verantwortlichkeit für Hilfspersonen hatte es daher zwischen England und dem Kontinent mehrere Verbindungslinien gegeben. Als schließlich auf der Schwelle zum 18. Jahrhundert Lord Holt im richterlichen Alleingang die Grundlagen für die moderne Gehilfenhaftung legte, waren die maßgeblichen gemeinrechtlichen Quellen in England präsent. Die erste common law Entscheidung zur vicarious liability, Boson ν. Sandford von 1691, handelte thematisch von der Haftung des Schiffers für Gehilfenunrecht, die bereits früher vom Court of Admiralty ins englische Recht rezipiert worden war. Lord Holt, der über beachtliche Kenntnisse des römischen Rechts verfügte, bildete den Gedanken der Verantwortlichkeit für fremde Schuld verallgemeinernd fort und schuf auf diese Weise ein bis heute etabliertes Rechtsprinzip der gesamten common law-Welt. In der nachfolgenden Entscheidung, Turberville v. Stampe (1698), machte sich erneut romanistischer Einfluß bemerkbar: Obwohl es in dem Urteil um Brandschäden gegangen war,
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begründete Lord Holt die Haftung für den Bediensteten anhand der folgenden zusammenhangslos in die Urteilsbegründung eingeflochtenen Sachverhaltskonstellation: „But if my servant throws dirt into the highway, I am indictable." Damit nahm er zweifellos auf die Verantwortlichkeit des Hauseigentümers für herausfliegende Gegenstände aufgrund der actio de effusis vel deiectis Bezug. Selbst aus den spärlichen Gerichtsaufzeichnungen läßt sich daher mit einiger Sicherheit ermitteln, daß Holt die Lehre der vicarious liability generalisierend aus dem Gedankenmaterial der römischen Rechtstradition gewonnen hat. Zwar kannten die justinianischen Quellen noch keine allgemeine funktional begrenzte Gehilfenhaftung. Vielmehr wurde der Grundsatz erst anhand des römischen Rechts im Wege der kollektiven Rechtsfindung durch die europäische Rechtswissenschaft entwickelt. In diesem Prozeß war Lord Holt jedoch gleichsam der englische Repräsentant. Was in den Niederlanden von der Wissenschaft geschaffen wurde, war in England das Werk eines Richters, der es verstand, Rechtsgedanken fremden Ursprungs für das common law fruchtbar zu machen. Die Geburtsstunde der vicarious liability fällt in eine Zeit, als sich die königlichen Gerichte zunehmend den Bedürfnissen und Regelungen des Handelsverkehrs öffneten und langsam den rechtlichen Boden für die nachfolgende Industrialisierung bereiteten.
VI. Vicarious liability im modernen englischen Recht Das von Holt errichtete Grundgerüst wurde erst im beginnenden 19. Jahrhundert weiter ausgebaut, als der servant allmählich vom independent contractor unterschieden wurde und sich in der Untersuchung der „in the course of employment"-Voraussetzung vielfältige Abstufungen ergaben. Der liberalistische Geist dieser Zeit, der Jhering zur Formulierung des Schuldprinzips als einem unumstößlichen Dogma veranlaßt hatte, äußerte sich auch im Rahmen der englischen Rechtsprechung in einer restriktiven Haltung gegenüber dem Haftungsrecht, gekennzeichnet durch das Bestreben, den Aufbau der Wirtschaft nicht durch Auferlegung weitgehender Folgeverantwortung zu belasten. Im Rahmen der Haftung für Verrichtungsgehilfen führten diese Strömungen zur Herausbildung der praktisch wichtigen Lehre vom common employment, die einen Ausschluß der Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn bei Schädigungen der Arbeitnehmer untereinander bewirkte. An der Existenz der strikten vicarious liability vermochten die individualistischen Tendenzen des vorigen Jahrhunderts jedoch nichts mehr zu ändern. Vielmehr beriefen sich die Gerichte schon frühzeitig auf die soziale Verantwortung des Unternehmers, der für die Risiken der Arbeitsteilung Dritten gegenüber einstehen müsse.
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In moderner Zeit hat die Lehre der vicarious liability eine erhebliche Ausdifferenzierung erfahren, mit der seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert eine ständige Ausweitung ihres Anwendungsspektrums verbunden ist. Als ein auffälliger Gesichtspunkt war bei der Untersuchung des englischen Rechts zu beobachten, daß die Haftungsgrundsätze während einer langen kontinuierlichen Entwicklungsperiode zu keiner Zeit begrifflich durchdrungen und systematisch aufeinander abgestimmt wurden und daß angesichts der großen Anzahl unterschiedlicher richterlicher Rechtsäußerungen aus diesem Grund in einigen Bereichen die terminologische Schärfe fehlt, die für die Herausarbeitung fest umrissener Rechtsregeln erforderlich wäre. Von dem uneinheitlichen Sprachgebrauch betroffen sind vor allem die Begriffe „master", „servant", „employer", „authority", „principal" und „agent." Im Zentrum der vicarious liability steht nach wie vor die Haftung des employer für Delikte seiner employees in Ausführung der Verrichtung, die sich ungeachtet der erwähnten Unsicherheiten dogmatisch klar erfassen läßt. Während die Gerichte zur Unterscheidung zwischen Gehilfen und unabhängigen Unternehmern traditionell auf das Kontrollrecht des Geschäftsherrn als zwingendes Abgrenzungskriterium abstellten, hat sich in moderner Zeit (ähnlich wie im Rahmen des deutschen Rechts) eine Entwicklung hin zu einem typologischen Ansatz ergeben: In kritischen Fällen ist nunmehr der Gesamteindruck maßgebend, der aufgrund einer wertenden Betrachtung vieler Faktoren zu ermitteln ist, die für oder gegen die Gehilfeneigenschaft sprechen. Neben der Kontrolle des Geschäftsherrn sind beispielsweise die Eingliederung des Angestellten in die Organisationssphäre des Arbeitgebers, die Art der Bezahlung, die Regelung der Arbeitszeiten, etwaige Urlaubsansprüche, die Dauer des Vertragsverhältnisses, die Befugnis, Aufgaben weiter zu delegieren, sowie die Zuweisung des finanziellen Risikos weitere Indizien, die im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind. Die Mehrzahl der Geschäftsherren besteht in der modernen Arbeitswelt nicht aus einzelnen Individuen, sondern aus Gesellschaften mit selbständiger Rechtspersönlichkeit (companies oder corporations). Für Delikte von einfachen Bediensteten sind Körperschaften im selben Umfang wie natürliche Personen verantwortlich. Unerlaubte Handlungen von Angestellten in leitender Stellung, wie Vorstandsmitglieder oder Direktoren, führen (vergleichbar dem Ansatz von § 31 BGB) zu einer persönlichen Haftung des Unternehmens, ohne daß sich aus dieser theoretischen Einordnung wesentliche inhaltliche Unterschiede in den Voraussetzungen der Zurechnung ergeben würden. Zu den größten Arbeitgebern rechnet in der heutigen Zeit der Staat. Da nach überlieferter Vorstellung der König selbst kein Unrecht begehen konnte, wurde erst durch den Crown Proceedings Act von 1947 erreicht, daß „die Krone" für das Verhalten ihrer Angestellten und Vertreter in gleicher Weise wie ein privater Geschäftsherr aufkommen muß.
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Ein charakteristisches Merkmal der modernen europäischen Regelungen zur Gehilfenhaftung liegt in dem Gedanken der funktionalen Haftungsbegrenzung. Nach englischem Recht muß der Angestellte bei Verwirklichung des Unrechts „in the course of employment" gehandelt haben, um eine Einstandspflicht seines Arbeitgebers zu begründen. Die Argumente und Lösungsansätze, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden, weisen erneut Parallelen zu den im Rahmen von § 831 BGB erörterten Kriterien auf. In Deutschland scheint die Problematik allerdings aufgrund der Voraussetzung des Eigenverschuldens auf Seiten des Geschäftsherrn und der diesbezüglichen Umgehungskonstruktionen in weitem Umfang entlastet zu sein, wie zumindest die endlose Flut von englischen Entscheidungen zur Thematik vermuten läßt. Das Konzept „in the course of employment" ist sprachlich weit gefaßt und bietet daher Raum für unterschiedliche Interessenabwägungen im Einzelfall. Eindeutige Definitionen, mit deren Hilfe die Formel abstrakt und mit Bestimmtheit konkretisiert werden könnte, sind jedoch ähnlich wie hierzulande nicht sichtbar geworden. Vielmehr hat sich in der Rechtsentwicklung erneut eine ganze Palette von Faktoren herauskristallisiert, die für oder gegen die Verantwortlichkeit sprechen und deren Gesamtbild regelmäßig den Ausschlag gibt. Wenn auch angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte eine abschließende Aufstellung nicht möglich ist, hat eine Untersuchung der wichtigsten Urteile folgende Indizien zum Vorschein gebracht: Eine etwaige Weisung oder ein Verbot des Geschäftsherrn, die Absichten des Gehilfen, Zeit und Ort der Beschäftigung, die Eigentumsverhältnisse an den Arbeitsgeräten, die Interessen des Geschäftsherrn, die Natur der Tätigkeit sowie die Frage, ob der Gehilfe das Unrecht vorsätzlich oder fahrlässig verwirklicht hat. Obgleich die Haftung des Arbeitgebers für das Verhalten seiner Leute in einigen Urteilen mit der Verletzung einer ihn persönlich treffenden Pflicht begründet wurde, beruht seine Verantwortlichkeit nach heute herrschender Meinung auf der Zurechnung eines fremden Delikts. Grundsätzlich sind daher beide, Geschäftsherr und Gehilfe, nebeneinander verantwortlich. Eine Regelung entsprechend dem deutschen Modell des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gibt es im englischen Recht nicht. Die Frage der vicarious liability stellt sich nicht nur in Prozessen gegen den Geschäftsherrn. Sofern dieser selbst eine Schadensersatzklage gegen einen Dritten anstrengt, muß er sich das Verschulden eines Arbeitnehmers in Ausführung der Verrichtung schadensmindernd anrechnen lassen. Mit der Etablierung des Grundsatzes, daß eine Verantwortlichkeit des employer für das Verhalten eines independent contractor ausscheidet, entwickelte sich gleichzeitig eine Anzahl von Ausnahmen, für die bis zum heutigen Tag noch keine kohärente Theorie vorhanden ist. Obwohl sich eine Haftung für das Verhalten eines unabhängigen Unternehmers unabhän-
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gig von eigenem Verschulden des Auftraggebers ergeben kann, werden diese Tatbestände allgemein als „personal liability" eingestuft. Die strikte Verantwortlichkeit wird dogmatisch damit begründet, daß den employer eine „non-delegable duty" treffe, eine Verpflichtung, die er nicht durch Übertragung der betreffenden Tätigkeit auf einen anderen umgehen könne. Ihrer Struktur nach sind diese Fälle regelmäßig jedoch nichts anderes als verkleidete Formen von vicarious liability. Wenngleich die Rechtsprechung hierzulande einige Funktionsäquivalente entwickelt hat, die (wie etwa die erweiterte Anwendung von § 278 BGB) zu einer Haftung für unabhängige Unternehmer führen, geht das englische Recht in dieser Frage über die Grenzen des deutschen Rechts hinaus. Eine non-delegable duty mit der Folge einer Verantwortlichkeit für independent contractors kann sich aus einem vorausgegangenen vertraglichen oder vertragsähnlichen Kontakt, aus dem Bestehen eines nachbarschaftlichen Näheverhältnisses und - in bezug auf die Allgemeinheit - vor allem dann ergeben, wenn Arbeiten auf öffentlich zugänglichen Straßen mit der Hilfe einer selbständigen Firma ausgeführt werden oder die übertragene Tätigkeit besonders gefährlich ist. Die zunehmende Anzahl immer neuer Ausnahmefälle wird in der Literatur freilich mit Skepsis beobachtet, da der independent contractor regelmäßig ein selbständiges Unternehmen ist, das die Durchführung der Arbeit eigenverantwortlich überwacht, sich durch Versicherung vor einer weitgehenden Schadenshaftung schützen kann und dem Auftraggeber als Laien häufig keine andere Alternative bleibt, als die betreffende Aufgabe einem Fachmann zu übertragen. Als sich in der Rechtsprechung die Unterscheidung zwischen employees und independent contractors herauszubilden begann, war offengeblieben, wie sich die Verantwortlichkeit im Hinblick auf agents in die neue Dichotomie einfügen sollte. Im englischen Recht war eine Haftung für Vertreter jedoch traditionell unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt, selbst wenn es sich um Personen in unabhängiger Stellung handelte. Über die Bedeutung der vicarious liability des principal für Delikte, die ein agent „in the scope of his authority" verübt, sind daher die unterschiedlichsten Auffassungen vertreten worden. Der allgemeine Sprachgebrauch hilft bei der Lösung der Problematik nicht weiter, da ein agent jede Person sein kann, die auf Anweisung eines anderen hin tätig wird, Gehilfe ebenso wie unabhängiger Unternehmer. Neben der Haftung von Partnern für unerlaubte Handlungen eines Sozius in Ausübung der Firmengeschäfte, die durch den Partnership Act 1890 eine klare gesetzliche Regelung erfahren hat, geht die herrschende Meinung von zwei anerkannten Grundtatbeständen aus, die eine Diskussionsbasis für Erweiterungen im Einzelfall bilden. Ein principal ist nach heutiger Auffassung zum einen für arglistige Täuschungen verantwortlich, die ein agent im Sinne des Stellvertretungsrechts in Ausübung der Vertretungsmacht verübt. Ausdehnungen werden erörtert für fahrlässig fai-
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sehe Aussagen eines Stellvertreters, für fehlerhafte Mitteilungen von Personen, die zur Vermittlung von Rechtsgeschäften angestellt sind, sowie für diffamierende Äußerungen. Zum anderen haftet ein Kfz-Halter als principal für Unfälle eines Fahrers, dem er seinen Wagen im eigenen Interesse überlassen hat. Tendenzen in der Rechtsprechung, diese Einstandspflicht ähnlich der deutschen Regelung in § 7 StVG im Sinne einer strikten Sachhaftung auszudehnen, wurde durch das House of Lords Einhalt geboten, da aufgrund der engen Verknüpfung von Haftungsrecht und Versicherungswesen ein parlamentarisches Gesetz erforderlich wäre. Ungeklärt ist ferner die Frage, ob sich dieser Sondertatbestand auch auf andere Gegenstände als Kraftfahrzeuge erstreckt, die mit Erlaubnis und im Interesse des Eigentümers einem anderen überlassen werden. Die Auferlegung strikter Verantwortlichkeit des employer oder principal nach den Grundsätzen der vicarious liability hat in Rechtsprechung und Literatur immer wieder zu der Suche nach einer Rechtfertigung Anlaß gegeben. Mittlerweile scheint anerkannt zu sein, daß nicht ein einzelner Gesichtspunkt sämtliche Facetten der Lehre zu erklären vermag. Vielmehr rechtfertigt sich die vicarious liability aus einer Kombination unterschiedlicher rechtspolitischer Faktoren, die je nach Sachverhaltskonstellation mehr oder minder stark hervortreten. Abgesehen von dem Gesichtspunkt der Unfallprävention und Beweisgründen sind von zentraler Bedeutung die Aspekte von Risiko und Vorteil, sowie die Möglichkeit effektiver Schadensverteilung durch den Abschluß von Versicherungen. Die Rechtfertigungsgründe bilden jedoch nur ein grobes Raster, das die Auferlegung der Haftung auf einer prinzipiellen Ebene legitimieren kann, ohne daß sich die konkreten Voraussetzungen der vicarious liability daraus herleiten ließen.
V I I . Pragmatische Eintracht von civil law und common law in Südafrika Als Folge der Kolonialgeschichte könnte die europäische Rechtswissenschaft in Zukunft möglicherweise manchen interessanten Impuls von dem geographisch fern gelegenen common-law-System Südafrikas erhalten: Das römisch-kanonische ius commune, das über lange Zeit hinweg eine innere Einheit zwischen den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen begründet hatte und in weitem Umfang in die nationalen Privatrechtskodifikationen Eingang gefunden hat, lebt dort in seiner römisch-holländischen Gestalt bis zum heutigen Tag fort, ohne durch das Dazwischenkommen eines Zivilgesetzbuches aus dem juristischen Bewußtsein verdrängt worden zu sein. Aus der Perspektive Europas ist von weiterreichender Bedeutung freilich die Tatsache, daß das gemeineuropäische Recht am Kap der guten Hoffnung eine Symbiose mit dem englischen common law eingegangen ist, aus der 28 Wicke
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ein neues eigenständiges Rechtssystem erwachsen ist. Das südafrikanische Modell läßt daher in Ansätzen erahnen, welche Möglichkeiten und welche Probleme mit dem Zusammenwachsen der beiden europäischen Rechtsfamilien künftig verbunden sein könnten. Einige der Gerichtsurteile zeigen dabei, wie rechtshistorische und rechtsvergleichende Überlegungen für die Rechtspraxis nutzbar gemacht werden können. Das südafrikanische Privatrecht bietet aber auch Anschauungsmaterial dafür, wie die Implementierung systemfremder Elemente unvorhergesehene Nebenwirkungen in anderen rechtlichen Kontexten nach sich ziehen kann, die zu Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung führen. Als die Gerichte am Kap der guten Hoffnung zum ersten Mal mit der Problematik der Haftung für Verrichtungsgehilfen konfrontiert wurden, standen ihnen aufgrund der Tradition des römisch-holländischen Rechts verschiedene Lösungsmodelle zur Auswahl: Neben dem Ansatz von Hugo Grotius, der sämtliche Ansprüche auf den ausstehenden Lohn beschränkte und der Position eines Johannes van der Linden, der die Verantwortlichkeit auf eigenes Verschulden des dominus stützte, gab es die strikte funktional begrenzte Gehilfenhaftung, wie sie von Voet oder Simon van Leeuwen befürwortet worden war. In den frühen Entscheidungen fehlt von der Kontroverse unter den niederländischen Autoren jedoch fast jede Spur. Die Rechtsprechung hat vielmehr, von pragmatischen Überlegungen geleitet, stillschweigend, aber zielsicher die Lösung angestrebt, die sich mit beiden Mutterrechtsordnungen vereinbaren ließ und zeitgemäßer Rechtsanwendung entsprach. Ein wichtiger Faktor für die Rechtsfortbildung war dabei die strukturelle Parallelität zwischen der Auffassung von Johannes Voet und dem Ansatz des englischen Rechts. Sofern die Frage nach der Rechtsquelle der Haftung aufgeworfen wurde, beriefen sich die Gerichte darauf, daß der Satz „dominos ac patres in solidum teneri ex delictis famulorum ac filiorum, quoties illi deliquerunt in officio aut ministerio" in der Sache nichts anderes war als das Prinzip „a master is responsible for all acts done by his servant in the course of his employment." Als die Appellate Division im Jahre 1914 zum ersten Mal mit der Problematik konfrontiert wurde, blieb für die Richter lediglich die Feststellung übrig, daß die strikte funktional begrenzte Gehilfenhaftung sich in einer Serie von Urteilen bereits als gesicherter Bestandteil des südafrikanischen Privatrechts etabliert hatte. In dem anschließenden Rechtsfortbildungsprozeß war die Rechtsprechung zunächst keiner der beiden Mutterrechtsordnungen stärker zugeneigt. Die frühen Urteile zeichnen sich vielmehr überwiegend durch das selbstbewußte Bemühen um einen eigenständigen Ansatz aus. Ein plastisches Beispiel für die unabhängige Stellung der Gerichte ist die Lehre vom common employment, die bereits im 19. Jahrhundert zurückgewiesen wurde, mehr als ein halbes Jahrhundert bevor das englische Recht nach langwährender Kritik
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und zahlreichen dogmatischen Umgehungen auf die gleiche Position einschwenken sollte. Eine zunehmende Anglisierung konnte in der Folge freilich nicht ausbleiben, da das common law in England während einer Industrialisierungsperiode von mehr als einem Jahrhundert bereits differenzierte Detailregelungen hervorgebracht hatte, die im klassischen Zeitalter des römisch-holländischen Rechts noch nicht notwendig geworden waren. In vielen Fällen konnten die Richter daher - regelmäßig nach einer entsprechenden Anregung durch die Anwaltschaft - auf englisches Gedankengut ohne nennenswerte schöpferische Eigenleistung zurückgreifen. Darüber hinaus hatten sich in das südafrikanische Recht schon seit den Anfängen über Zitate und Rechtsbegriffe unbemerkt angelsächsische Konzepte eingeschlichen, die sich im juristischen Bewußtsein allmählich zu einem gedanklichen Gerüst ausgeformt hatten, in das sich die einzelnen Regelungen nahtlos einfügen ließen. Auf diese Weise war nicht nur die Unterscheidung zwischen servant und independent contractor in das südafrikanische Privatrecht eingedrungen, sondern auch der Begriff des agent, der in der nachfolgenden Zeit die Herausbildung unterschiedlicher Kategorien der vicarious liability begünstigte. Über dem gemeineuropäischen Fundament, das von Persönlichkeiten wie Johannes Voet und Lord Holt durch Generalisierung der römischen Quellen gewonnen worden war, entstand somit allmählich ein englischer Überbau. Als negativer Nebeneffekt wurden mit der angelsächsischen Begrifflichkeit freilich auch die geschilderten terminologischen Unklarheiten übertragen, die sich während einer jahrhundertelangen kontinuierlichen Rechtsentwicklung in England ergeben hatten. Da die Richter zur Bestimmung der Haftungskategorien nach englischem Vorbild häufig auf unterschiedliche Vertragstypen Bezug genommen hatten, wirkten die daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten neben der vicarious liability auch auf das Verständnis vertraglicher Prinzipien ein. Die Liste der ungeklärten Rechtsbegriffe wurde zusätzlich verlängert und umfaßt außer den englischen Vokabeln wie servant, employer, principal, agent, independent contractor beispielsweise auch Termini wie mandatum und locatio conductio operis einschließlich der afrikaanssprachigen Korrelate. Vor dem Hintergrund der Europäisierung der Rechtswissenschaften verdient diese Entwicklung Aufmerksamkeit, da sie zeigt, wie die Einführung bestimmter Teilregelungen eine Eigendynamik entfalten kann, die unerwartete Fernwirkungen in anderen Rechtsgebieten nach sich zieht und im ungünstigen Fall einen Verlust juristischer Orientierung zur Folge hat. Die Geschichte der vicarious liability in Südafrika gibt Anlaß zu der Vermutung, daß die Rezeption rechtlicher Vorschriften sich nicht immer hermetisch auf bestimmte Aspekte begrenzen läßt, sondern sich auch auf das Verständnis verwandter Fragestellungen auswirken kann.
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Die mit der terminologischen Verwirrung verbundene Gefahr einer Konfusion der zugrundeliegenden Rechtsprinzipien hat in den letzten Jahren wiederholt den Ruf nach einer Neuordnung der Haftungsgrundsätze laut werden lassen: „ A bold break is required to correct the flaws and modernize the law", wie im südafrikanischen Schrifttum gefordert wurde. Anstelle der herkömmlichen Kriterien zur Bestimmung der Verantwortlichkeit wurde dabei die Einführung eines besonderen Risikoprinzips postuliert, wonach für die Haftung unmittelbar auf rechtspolitische Erwägungen zu rekurrieren sei. Solcherlei Tendenzen haben vorübergehend auch in der Rechtsprechung Resonanz gefunden, indem zeitweilig mit dem Gedanken der Gefahrerhöhung als maßgeblichem Kriterium für die Konkretisierung des funktionalen Haftungszusammenhangs experimentiert wurde. Mittlerweile haben sich die Gerichte von diesen Strömungen jedoch wieder distanziert und sind auf ihre traditionelle Position zurückgeschwenkt. Eine wesentliche argumentative Hilfestellung leistete in diesem Prozeß das folgende Wort von Schreiner, J.A., aus der Entscheidung Carter & Co (Pty) Ltd v. McDonald von 1955: „It is often useful to examine the reason which probably gave rise to the rule, in order to discover the rule's limits, but the reason, even if certainly established is not the same as the rule." Damit hat das bereits im Rahmen des englischen Rechts beobachtete Phänomen einen richterlichen Ausdruck gefunden, daß die Rechtfertigungsgründe für vicarious liability nur ein grobes Raster bilden, das die Auferlegung der Haftung auf einer prinzipiellen Ebene legitimieren kann, ohne daß sich die konkreten Voraussetzungen der Verantwortlichkeit aus ihnen herleiten lassen. Zu einer besonderen Auseinandersetzung hat im südafrikanischen Recht ferner die Frage nach der dogmatischen Einordnung der vicarious liability Anlaß gegeben. Aus deutscher Sicht ist die Diskussion von Interesse, da die Kritiker der Reform des § 831 BGB den Änderungsvorschlag unter anderem deshalb abgelehnt haben, weil es sich bei der anvisierten strikten Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen um ein prinzipienlos abgegrenztes Novum handeln würde, das sich weder der Verschuldens- noch der Gefährdungshaftung zurechnen läßt. Der Versuch, den Gedanken der Risikoerhöhung nach Art eines Rechtsprinzips zu konkretisieren, der als dogmatische Grundlage für die Auferlegung von vicarious liability angesehen werden kann, dürfte angesichts der jüngsten Entwicklung in der Rechtsprechung als gescheitert angesehen werden. Die Haftung des employer oder principal paßt freilich auch nicht in das klassische Muster des Deliktsrechts, da sie unabhängig von einem persönlichen Fehlverhalten auferlegt wird. Im Einklang mit der Tradition des römisch-holländischen Rechts läßt sich vicarious liability systematisch jedoch als ein moderner Anwendungsfall quasideliktischer Verantwortlichkeit begreifen. Die positivrechtlichen Haftungsregelungen der vicarious liability haben während des 20. Jahrhunderts eine unübersehbare angelsächsische Färbung
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erhalten. Im Zentrum der Lehre steht auch in Südafrika die Verantwortlichkeit des employer für Delikte seiner employees in Ausführung der Verrichtung. Für die Abgrenzung zwischen Gehilfen und unabhängigen Unternehmern haben die Gerichte nach englischem Vorbild häufig nach dem Bestehen eines Dienst- oder Werkvertrags gefragt, wodurch sich als Folge eine wechselseitige Beeinflussung der jeweiligen Konzepte ergab. Diese Vorgehensweise darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß in bestimmten Sonderfällen eine Haftung des Geschäftsherrn auch in Abwesenheit vertraglicher Vereinbarungen möglich ist. Während traditionell zur Unterscheidung zwischen Gehilfen und unabhängigen Unternehmern das Kontrollkriterium entscheidend war, hat sich in den letzten Jahren desgleichen ein typologischer Ansatz durchgesetzt. Im Hinblick auf die Haftung juristischer Personen wird wie in England zwischen vicarious liability für das Verhalten einfacher Angestellter und personal liability bei unerlaubten Handlungen von Personen in leitender Stellung, wie Vorstandsmitgliedern und Direktoren, differenziert. Zu einem deutlichen Einfluß englischen Gedankenguts ist es ferner in der Frage des funktionalen Zusammenhangs zwischen Arbeit und Delikt gekommen. Obgleich die Gerichte nach wie vor um die Suche verbindlicher Tests bemüht sind, haben sich auch im südafrikanischen Recht keine klaren Definitionen herausgebildet, die in sämtlichen Fällen Entscheidungssicherheit gewährleisten. In nahezu vollständiger Übereinstimmung mit dem englischen Recht ist im Laufe der Rechtsentwicklung vielmehr eine Reihe unterschiedlicher Faktoren zum Vorschein gekommen, die als Indizien für oder gegen die Verantwortlichkeit fungieren. Deutliche Parallelen zwischen beiden Rechtssystemen bestehen ferner in der Problematik des innerbetrieblichen Schadensausgleichs sowie in der Frage der schadensmindernden Zurechnung von Gehilfenverschulden. Ein nennenswerter südafrikanischer Sonderweg hat sich in den letzten Jahren in bezug auf die Haftung für unabhängige Unternehmer abgezeichnet. Nach langwährender Rechtsunsicherheit haben sich die Gerichte offen zum Verschuldensprinzip bekannt und ohne Anerkennung von Ausnahmen klargestellt, daß eine Verantwortlichkeit für das Verhalten selbständiger Personen lediglich bei einer persönlichen Fehlleistung des Geschäftsherrn in Betracht kommt. Damit steht fest, daß es in Südafrika anders als im englischen common law keine vicarious liability für independent contractors gibt. In Anbetracht der deutschen Reformdiskussion um § 831 BGB verdient diese Entwicklung besondere Aufmerksamkeit, da in Südafrika nunmehr einerseits in Übereinstimmung mit dem englischen Recht die strikte Einstandspflicht für Verrichtungsgehilfen fest etabliert ist, andererseits aber hinsichtlich der Haftung für unabhängige Unternehmer eine dem kontinentalen Rechtsdenken näherstehende Linie verfolgt wird, die am Verschuldensprinzip festhält und dabei gleichzeitig ein höchstmögliches Maß an Rechtssicherheit gewährt. Der Inhaber eines selbständigen Betriebs wird in
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den meisten Fällen darüber hinaus gerade wegen seiner Spezialkenntnisse angestellt, kann als Fachmann die Unfallrisiken seiner Tätigkeit besser überschauen und ist imstande, durch entsprechende Preiserhöhungen die aufkommenden Versicherungskosten auf seine Kunden zu übertragen. Sofern die Verhältnisse ausnahmsweise anders gelagert sein sollten, dürfte es nicht zu unangemessenen Konsequenzen führen, die Haftung des Auftraggebers auf eigenes Verschulden zu gründen und an die Voraussetzung zu knüpfen, daß er bei der Auswahl oder Beaufsichtigung des angestellten Unternehmers die Gebote der Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Ungeachtet der erwähnten terminologischen Unsicherheiten konnte im Wege einer Rechtsprechungsanalyse ferner eine klare Linie in der Frage der Haftung für Vertreter ermittelt werden. Aufgrund der unterschiedslosen Verwendung der Begriffe agent und principal stellt sich als Folge des englischen Einflusses auch in Südafrika das systematische Problem, wie die Begriffe employee, agent und independent contractor voneinander abzugrenzen sind, ohne gleichzeitig die etablierte Dichotomie von Gehilfen und selbständigen Unternehmern aus den Augen zu verlieren. Im südafrikanischen Recht scheint eine eindeutige begriffliche Unterscheidung freilich möglich zu sein, da die vicarious liability für agents (von einer fest umgrenzten Ausnahme abgesehen) ein Stellvertretungsverhältnis im technischen Sinne zur Voraussetzung hat. Neben der Haftung von Partnern, die für jedes Unrecht verantwortlich sind, das einer von ihnen in Ausführung der Firmengeschäfte verübt, hat sich als gesonderte vicarious liability-Kategorie schließlich noch die Verantwortlichkeit des Kfz-Halters für Unfälle eines Fahrers herausgebildet, dem er seinen Wagen im eigenen Interesse überlassen hat. Dieser Fall einer Haftung für fremdes Handeln ist allerdings schon seit einigen Jahren von größter Rechtsunsicherheit betroffen. Für die Probleme in der Anwendung der rechtlichen Voraussetzungen scheint es dabei eine klare Ursache zu geben: Eine weitergehende strikte Sachhaftung (vergleichbar dem deutschen Ansatz in § 7 StVG) wäre zwar aufgrund der Häufigkeit von Verkehrsunfällen und der ständigen unausweichlichen Konfrontation der Allgemeinheit mit den Risiken von Kraftfahrzeugen gerechtfertigt. Angesichts der weitreichenden Konsequenzen wäre für eine entsprechende Ausdehnung der Verantwortlichkeit jedoch ein parlamentarisches Gesetz erforderlich.
VIII. Schluß
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V i l i . Schluß Um den Bogen von den klassischen Anfängen bis zu den aktuellen Fragestellungen zu schlagen, bleibt daher zusammenfassend festzuhalten: Das europäische Strukturprinzip der funktional begrenzten Gehilfenhaftung hatte sich in der römischen Gesellschaft noch nicht in allgemeiner Form herausgebildet. Für die Entwicklung der heutigen Haftungsnormen waren die justinianischen Quellen dennoch von unschätzbarem Wert. Die europäischen Juristen hatten sich eingehend mit dem antiken Recht beschäftigt, als sie die modernen Regelungen, rechtzeitig vor dem Zeitalter der Industrialisierung, durch Generalisierung römischen Gedankenguts schufen. In diesen Vorgang der kollektiven Rechtsfindung war auch das englische common law eingebunden. Die Frage nach dem persönlichen Verschulden auf Seiten des Geschäftsherrn, die den wesentlichen Unterschied zwischen den gegenwärtigen europäischen Grundsätzen markiert, war schon zu jener Zeit Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse. Sofern man in Deutschland bereit wäre, die Konsequenzen aus dem bisherigen unbefriedigenden Rechtszustand zu ziehen und von der Entlastungsmöglichkeit in § 831 BGB Abschied zu nehmen, wäre mit Blick auf eine künftige europäische Privatrechtsordnung folglich ein einheitliches Haftungsprinzip gewonnen, das tief in der Geschichte der einzelnen Länder verwurzelt ist und dessen allgemeine Akzeptanz daher außer Frage stehen dürfte. Die Erfahrungen des südafrikanischen Mischrechts gemahnen ungeachtet der weitgehenden Übereinstimmungen jedoch zur Vorsicht vor einem übereilten Eingreifen des Gesetzgebers. Wie dargestellt, hat die Rezeption der englischen vicarious liability einschließlich des damit zusammenhängenden begrifflichen Instrumentariums am Kap der guten Hoffnung zu erheblicher Rechtsunsicherheit geführt, von der über die Problematik der Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen hinaus auch das Vertragsrecht betroffen ist. Mit der vorschnellen Übernahme einzelner Rechtsnormen kann selbst bei weitgehender Parallelität der Ausgangsregelungen eine unvorhersehbare Eigendynamik verbunden sein, die zu einer Konfusion der betreffenden Rechtsgrundsätze führt. Um dieser Gefahr sicher begegnen zu können, sind rechtsvereinheitlichende Maßnahmen auf der Grundlage eines europaweiten Diskurses über einen längeren Zeitraum hinweg vorzubereiten, indem die jeweils einschlägigen nationalen Rechtsbegriffe in ihrem historischen Kontext und im Verhältnis zu verwandten juristischen Fragestellungen eingehend untersucht werden. Der andernfalls drohende Verlust einer klaren Rechtssprache kann nicht nachträglich dadurch kompensiert werden, daß zur Bestimmung der Haftung abstrakt auf rechtspolitische Erwägungen rekurriert wird. So wichtig die Gründe für die Auferlegung der Einstandspflicht im Rahmen eines legislativen Vereinheitlichungsprozesses sind, vermögen sie nicht die Bestimmung der positiven Haftungsvoraussetzungen zu ersetzen. Der Weg
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in die Zukunft eines bestandskräftigen gemeineuropäischen Privatrechts führt daher abermals über eine längerfristige und intensive Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit.
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Entscheidungsregister Mittelalterliche englische Entscheidungen Borough Customs I (Seldon Society) 222 Court Baron (Seldon Society) 36, 38, 39, 53, 55 Select Pleas in the Court of Admiralty I (Seldon Society) 131 Select Pleas in Manorial Courts (Seldon Society) 8, 9, 17 Year Books 20-21 Edward I. (Rolls Edition) 64 Year Books 30-31 Edward I. (Rolls Edition) 203 Year Books 34 Edward I. (Rolls Edition) 252 Year Books 6 & 7 Edward II, The Eyre of Kent (Seldon Society) 67, 90, 95 Year Books 2 Henry IV., 6 Year Books 2 Edward IV. Trin, 10 Year Books 13 Henry VII., 10 Year Books 20 Henry VII., 23 Year Books 21 Henry VII., 21
Moderne Entscheidungen aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis (außer Südafrika) Adams v. Naylor [1946] AC 543 Aitchison v. Page Motors Ltd [1935] All ER (Reprint) 594 Alcock v. Wraith [1991] TLR 600 Allen v. Hay ward (1845) 7 QB 960 Argent ν. Minister of Social Security [1968] 1 WLR 1749 Armagas Ltd v. Mundogas SA [1986] 1 AC 717 Armory v. Delamirie (1722) 1 Str. 505 Armstrong v. Strain [1952] 1 KB 232 Bainbridge v. Postmaster-General [1906] 1 KB 178 Balfour v. Barty-King [1957] 1 QB 496 Bank voor Handel en Scheepvaart NV v. Slatford [1953] 1 QB 248 Barwick v. English Joint Stock Bank (1867) LR 2 Exch 259 Bayley v. Manchester, Sheffield and Lincolnshire Railway Co [1861-1873] All ER Rep 456 Beard ν. London General Omnibus Co [1900] 2 QB 530 Black v. Christchurch Finance Co [1894] AC 48 Blake v. Woolf [1898] 2 QB 426 Boka Enterprises (Pvt) Ltd v. Manatse 1990 (3) SA 626 (ZHC) Bole v. Horton (1670) Vaugh. 360 Boson v. Sandford (1691) 2 Salk. 440; 3 Mod. 321 Boucher v. Lawson (1734) Cas.t.Hard. 85, 194 30*
468
Entscheidungsregister
Bower ν. Peate (1876) 1 QBD 321 Brady v. Giles (1835) 1 M. & Rob. 494 Briess v. Woolley [1954] AC 333 Brooke v. Bool [1928] 2 KB 578 Broom v. Morgan [1953] 1 QB 597 Bush v. Steinmann (1799) 1 Bos. & Pul. 404 Campbell v. Hall (1774) 1 Cowper 204; 98 E.R. 1045 Canadian Pacific Railway v. Lockhart [1942] AC 591 Cassidy v. Ministry of Health [1951] 2 KB 343 Century Insurance Co Ltd v. Northern Ireland Road Transport Board [1942] AC 509 Chandler v. Broughton (1832) 1 Cr. & M. 29 Clelland v. Edward Lloyd Ltd [1938] 1 KB 272 Coggs v. Bernard (1703) 2 Ld. Raym. 909 Collins v. Hertfordshire County Council [1947] 1 KB 598 Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. Producers Assurance Co Ltd (1931) 46 CLR 41 Conway v. George Wimpey & Co Ltd [1951] 2 KB 266 Croft v. Allison (1821) 4 B. & Aid. 590 D & F Estates Ltd v. Church Commissioners for England [1989] AC 177 Dalton v. Angus (1881) 6 App. Cas. 740 Daniel v. Metropolitan Railway Co (1871) LR 5 HL 45 Daniels v. Whetstone [1962] 2 Lloyd's Rep 1 Darling v. Attorney-General [1950] 2 All ER 793 Davie v. New Merton Board Mills Ltd [1959] AC 604 Denham v. Midland Employers Mutual Assurance Ltd [1955] 2 QB 437 Dodd Properties v. Canterbury City Council [1980] 1 WLR 433 Donoghue v. Stevenson [1932] AC 562 Duncan v. Findlater (1839) 6 Cl. & F. 894 Edgcomb v. Dee (1670) Vaugh. 89 Egger v. Chelmsford [1965] 1 QB 248 Ellis v. Sheffield Gas Consumers Co (1853) 2 E. & B. 767 Esso Petroleum Co Ltd v. Hall Russell & Co Ltd [1988] 3 WLR 730 Evans Ltd v. Spritebrand Ltd [1985] 1 WLR 317 Ferguson v. John Dawson & Partners (Contractors) Ltd [1976] 1 WLR 1213 Garrard v. Southey & Co [1952] 2 QB 174 Gayford v. Nicholls (1854) 9 Exch. 702 General Engineering Services Ltd v. Kingston and Saint Andrew Corporation [1989] 1 WLR 69 Gibb v. United Steel Companies Ltd [1957] 1 WLR 668 Global Plant Ltd v. Secretary of State [1972] 1 QB 139 Gold v. Essex County Council [1942] 2 KB 293 Gray v. Pullen (1864) 5 Β. & S. 970 Gregory v. Piper (1826) 9 B. & C. 591 Groves v. Wimborne [1898] 2 QB 402 Η & Ν Emmanuel Ltd v. GLC [1971] 2 All ER 835 Hamman v. SWAPO 1991 (1) SA 127 (SWA) Hamlyn v. John Houston & Co [1903] 1 KB 81
Entscheidungsregister
Hancke v. Hooper (1835) 7 Car. & P. 81 Harrison v. Michelin Tyre Co Ltd [1985] 1 All ER 918 Harvey v. R. G. O.'Dell Ltd [1958] 2 QB 78 Heasmans v. Clarity Cleaning Co [1987] ICR 749 Hedley Byrne v. Heller [1964] AC 465 Hellyer Bros Ltd v. McLeod [1987] 1 WLR 728 Hern v. Nicholas (1709) 1 Salk. 282 Hewitt v. Bonvin [1940] 1 KB 188 Higbid v. R C Hamme« Ltd (1932) 49 TLR 104 Hillyer v. St. Bartholomew's Hospital [1909] 2 KB 820 Hilton v. Thomas Burton (Rhodes) Ltd [1961] 1 WLR 705 Holliday v. National Telephone Co [1899] 2 QB 392 Honey will & Stein Ltd v. Larkin Bros Ltd [1934] 1 KB 191 Hosking v. De Havilland Aircraft Co Ltd [1949] 1 All ER 540 Hughes v. Percival (1883) 8 App. Cas. 443 Hutchinson v. York, Newcastle and Berwick Rly Co (1850) 5 Exch. 343 Hutton v. West Cork Rail Co (1883) 23 ChD 654 Ilkiw v. Samuels [1963] 1 WLR 991 Imperial Chemical Industries Ltd. v. Shatwell [1965] AC 656 Iqbal v. London Transport Executive (1973) 16 KIR 39 Joel v. Morison (1834) 6 Car. & P. 501 Jones v. Hart (1699) 2 Salk. 441 Joseph Rand Ltd v. Craig [1919] 1 Ch. 1 Kay v. ITW Ltd [1968] 1 QB 140 Kennedy v. De Trafford [1897] AC 180 Keppel Bus Co v. Ahmad [1974] 1 WLR 1082 Kingston v. Booth (1685) Skin. 228 Kirby v. National Coal Board (1958) SC 514 Knight v. Fox (1850) 5 Exch. 720 Kooragang Investment Pty Ltd v. Richardson and Wrench Ltd [1982] AC 462 Lane v. Cotton (1701) 12 Mod. 472; 1 Salk. 17; 1 Ld. Raym. 646 Lane v. Shire Roofing Co (Oxford) Ltd [1995] TLR 104 Laugher v. Pointer (1826) 5 B. & C. 547 Launchbury v. Morgans [1971] 2 QB 245; [1973] AC 127 League Against Cruel Sports Ltd v. Scott [1986] 1 QB 240 Lee Ting Sang v. Chung Chi-Keung [1990] 2 AC 374 Lennards Carrying Co Ltd v. Asiatic Petroleum Co Ltd [1915] AC 705 Lewis v. Read (1845) 13 M. & W. 834 Limpus v. London General Omnibus Company (1862) 1 H. & C. 526 Lister v. Romford Ice and Cold Storage Co [1957] AC 555 Lloyd v. Grace, Smith & Co [1912] AC 716 Luke v. Lyde (1759) 2 Burr. 882 Lyons v. Martin (1838) 8 Ad. & E. 512 Market Investigations Ltd v. Minister of Social Security [1969] 2 QB 173 Marshall v. Williams Sharp & Sons 1991 SLT Rep 11 Matania v. The National Provincial Bank Ltd [1936] 2 All ER 633 McManus v. Crickett (1800) 1 East 107 McDermid v. Nash Dredging Ltd [1987] AC 906; [1987] 3 WLR 212
470
Entscheidungsregister
Meekins v. Henson [1964] 1 QB 472 Mersey Docks & Harbour Board v. Coggins & Griffith (Liverpool) Ltd [1947] AC 1 Mersey Docks & Harbour Board Trustees v. Gibbs 1866 LR 1 HL 93 Michael v. Alestree (1677) 2 Lev. 172 Middleton v. Fowler (1699) 1 Salk. 282 Monk v. Warbey [1935] 1 KB 75 Montreal v. Montreal Locomotive Works Ltd [1947] DLR 161 Morgan v. Vale of Neath Rly. Co (1865) 5 Β. & S. 570, 736 Morley v. Gaisford (1795) 2 H. Bl. 441 Morren v. Swinton and Pendlebury Borough Council [1965] 1 WLR 576 Morris v. Breaveglen Ltd [1993] PIQR P294 Morris v. C W Martin & Sons Ltd [1965] 3 WLR 276 Morris v. Ford Motor Co Ltd [1973] QB 792 Mullens v. Miller (1882) ChD 194 Murphy v. Brentwood District Council [1990] 3 WLR 414 Nancollas v. Insurance Officer [1985] 1 All ER 833 Nelhams v. Sandells Maintenance Ltd [1996] PIQR P52 Nelson v. Larholt [1948] 1 KB 339 Nethermere (St. Neots) Ltd v. Taverna [1984] ICR 612 Nordic Oil Services Ltd v. Bermon SLT Rep 1993, 1164 Normandy v. Ind Coope & Co Ltd [1908] 1 Ch. 84 Ο' Kelly v. Trusthouse Forte plc [1984] QB 90 Ormrod v. Crosville Motor Services Ltd [1953] 1 WLR 1120 Overton v. Freeman (1852) 11 C. Β. 867 Padbury v. Holliday and Greenwood Ltd (1912) 28 TLR 494 Paine v. Colne Valley Electricity Supply Co Ltd [1938] 4 All ER 803 Parker v. Miller (1926) 42 TLR 408 Patten v. Rea (1857) 2 C. B. N. S. 606 Peachey v. Rowland (1853) 13 C. Β. 182 Penny ν. Wimbledon UDC [1898] 2 QB 212; [1899] 2 QB 72 Performing Right Society Ltd v. Mitchel and Booker Ltd [1924] 1 KB 762 Photo Production Ltd v. Securicor Transport Ltd [1980] AC 827 Pickard v. Smith (1861) 10 C. B. N. S. 470 Pinn v. Rew (1916) 32 TLR 451 Plumb v. Cobden Flour Mills Co Ltd [1914] AC 62 Poland v. John Parr & Sons [1927] 1 KB 236 Port Swettenham Authority v. TW Wu & Co [1979] AC 580 Priestley v. Fowler (1837) 3 M. & W. 1 Quarman v. Burnett (1840) 6 M. & W. 499 R v. Walker (1858) 27 LJMC 207 Racz v. Home Office [1994] 2 AC 45 Randleson v. Murray (1838) 8 Ad. & E. 109 Razzel v. Snowball [1954] 1 WLR 1382 Re HIV Haemophiliac Litigation [1990] NLJ 1349 Read v. J Lyons & Co Ltd [1947] AC 156 Ready Mixed Concrete (East Midlands) Ltd v. Yorkshire Traffic Area Licensing Authority [1970] 2 QB 397
Entscheidungsregister
Ready Mixed Concrete (South East) Ltd v. Minister of Pensions and National Insurance [1968] 2 QB 497 Reedie v. London and North Western Railway Company (1849) 4 Exch. 244 Ricketts v. Thos Tilling Ltd [1915] 1 KB 644 Riddick v. Thames Bd Mills [1977] QB 881 Rivers v. Cutting [1982] 1 WLR 1146 Riverstone Meat Co Pty Ltd v. Lancashire Shipping Co Ltd [1961] AC 807 Roe v. Minister of Health [1954] 2 QB 266 Rogers v. Night Riders [1984] 134 NLJ 61 Rose v. Plenty [1976] 1 WLR 141 Royster v. Cavey [1947] 1 KB 204; [1946] 2 All ER 642 Ryan v. Fildes [1938] 3 All ER 517 Rylands v. Fletcher (1866) LR 1 Exch 265; (1868) LR 3 HL 330 Salsbury v. Woodland [1970] 1 QB 324 Samson v. Aitchison [1912] AC 844 Savignac v. Rome (1795) 6 T. R. 125 Savory v. Holland and Hannen and Cubitts (Southern) Ltd [1964] 1 WLR 1158 Scott v. Shepherd (1773) 2 Black.W. 892 Seaman v. Browning (1589) 1 Leo. 157; 4 Leo. 123 Semtex v. Gladstone [1954] 1 WLR 945 Sharrod v. London & North Western Rly. Co (1849) 4 Exch. 581 Short v. J & W Henderson Ltd (1946) 62 TLR 427 Simmons v. Heath Laundry Co [1910] 1 KB 543 Smith v. Cammell Laird & Co Ltd [1940] AC 242 Smith v. Keal (1882) 9 QBD 340 Smith v. Stages [1989] AC 928 Southern v. How (1618) Pop. 143 Spalding v. Tarmac Engineering [1967] 1 WLR 1508 Spicer v. Smee [1946] 1 All ER 489 Staton v. National Coal Board [1957] 1 WLR 893 Staveley Iron & Chemical Co Ltd v. Jones [1956] AC 627 Steel v. South Eastern Railway Company (1855) 16 C. B. 550 Stevenson Jordan & Harrison Ltd v. MacDonald & Evans [1952] 1 TLR 101 Storey v. Ashton (1869) LR 4 QB 476 Sumner v. William Henderson & Sons Ltd [1964] 1 QB 450 Tarry v. Ashton (1876) 1 QBD 314 Thelma (Owners) v. University College School [1953] 2 Lloyd's Rep 613 Thompson v. Lohan [1987] 1 WLR 649 Turberville v. Stamp (1698) 12 Mod. 152; Skin. 681; Comb. 459; Carth. 425; Holt. 9; Salk. 647, 726; 1 Ld. Raym. 264 Twine v. Bean's Express Ltd [1946] 1 All ER; (1946) 62 TLR 458 United Africa Co v. Saka Owoade [1955] AC 130 United Australia Ltd v. Barclays Bank Ltd [1941] AC 1 (HL) 29 Uxbridge Permanent Benefit Building Society v. Pickard [1939] 2 KB 248 Vale v. Furness Withy & Co Ltd [1962] 2 Lloyd's Rep 298 Vasey v. Surrey [1995] CLY 1123 W Β Anderson & Sons v. Rhodes (Liverpool) [1967] 2 All ER 850 Waltham v. Mulgar (1606) Moo.K.B. 1076
472
Entscheidungsregister
Weaver v. Tredegar Iron and Coal Ltd [1940] AC 955 Wheatley v. Patrick (1837) 2 M. & W. 650 Whitfield v. Lord le Despencer (1778) 2 Cowper 754 Whitham v. Minister of Home Affairs 1989 (1) SA 116 (ZHC) Wigan Election Petition (1870) 21 LT 122 Williams v. A & W Hemphill (1966) SLT 259 Wilsher v. Essex Area Health Authority [1987] 2 WLR 425; [1987] QB 730 Wilson and Clyde Coal Ltd v. English [1938] AC 57 Yewens v. Noakes (1880) 6 QBD 530 Young and Woods Ltd v. West [1980] IRLR 201 Young v. Edward Box & Co [1951] 1 TLR 789 Zuijs v. Wirth Brothers Pty Ltd (1955) 93 CLR 561
Südafrikanische Entscheidungen Abdool v. S lade 1931 NPD 4 Addis v. Schiller Lighting and Plumbing Co 1906 TH 210 African Guarantee and Indemnity Co Ltd v. Minister of Justice 1959 (2) SA 437 (A) African Guarantee and Indemnity Co Ltd v. Thorpe 1932 NPD 559 Andrew v. Patchell 1926 TPD 207 April v. Pretorius 1906 TS 824 Archibald & Co v. Sabela 1953 (1) SA 254 (Ν) Areff v. Minister van Polisie 1977 (2) SA 900 (A) Auto Protection Insurance Co Ltd v. MacDonald (Pty) Ltd 1962 (1) SA 793 (A) Barclays National Bank Ltd v. Traub; Barclays National Bank Ltd v. Kalk 1981 (4) SA 291 (W) Barker v. Venter 1953 (3) SA 771 (EDL) Barkett v. SA National Trust & Assurance Co Ltd 1951 (2) SA 353 (A) Becker v. Kellerman, 1971 (2) SA 172 (Τ) Bhika v. Minister of Justice 1965 (4) SA 399 (W) Binda v. Colonial Government (1887) 5 SC 284 Birch v. Johannesburg City Council 1949 (1) SA 231 (Τ) Bischoff Embroidery SA (Pty) Ltd v. SAR & Η 1966 (4) SA 385 (W) Blumberg and Sulski v. Brown and Freitas 1922 TPD 130 Botes v. Van Deventer 1966 (3) SA 182 (A) Boucher v. Du Toit 1978 (3) SA 965 (Ο) Bowden v. Rudman 1964 (4) SA 686 (Ν) Braamfontein Food Centre v. Blake 1982 (3) SA 248 (Τ) British South African Company v. Crickmore 1921 AD 107 Broodryk v. Smuts NO 1942 TPD 47 Bruce v. Lomnitz 1922 CPD 343 Buls and Another v. Tsatsarolakis 1976 (2) SA 891 (Τ) Burks v. Springs Municipality and Dickens 1917 WLD 143 Carter & Co (Pty) Ltd v. McDonald 1955 (1) SA 202 (A) Cassiem v. Rohleder 1962 (4) SA 739 (C) Chatwin v. Central South African Railways 1909 TH 33 Ciliza v. Minister of Police and Another 1976 (4) SA 243 (Ν)
Entscheidungsregister
Clarkson NO v. Gelb and Others 1981 (1) SA 288 (W) Colman v. Dunbar 1933 AD 141 Colonial Mutual Life Assurance Society Ltd v. MacDonald 1931 AD 412 Conradie v. Wiehahn 1911 CPD 704 Crafford v. N'Dimandi 1962 (2) PH Ο 36 (Κ) Crawhall ν. Minister of Transport and Another 1963 (3) SA 614 (T) Croghan's Executrix v. Whitby & Webber 1904 ΤΗ 101 Dames v. De Kock and Another 1958 (1) SA 773 (W) De Jager v. Taaf Hamman Holdings (Edms) Bpk. en 'n Ander 1993 (1) SA 281 (Ο) De Welzim v. Regering van Kwazulu 1990 (2) SA 915 (N) Delport Mutual and Federal Insurance 1984 (3) SA 191 (D) Dithipe v. Ikageng Town Council 1992 (4) SA 748 (T) Donono v. Minister of Prisons 1973 (4) SA 259 (C) Dowson & Dowson Ltd v. Grobbelaar 1965 (2) PH J20 (T) Dreyer v. Van Reenen (1845) 3 Menz 375 Du Plessis v. Faul 1985 (2) SA 85 (NC) Dube v. Administrator Transvaal 1963 (4) SA 260 (W) Duigan NO v. Angehrn and Piel 1915 TPD 82 Dukes v. Marthinusen 1937 AD 12 Eagleson v. The Argus Printing and Publishing Co (1894) 1 OR 259 East London Municipality v. Murray (1894) 9 EDC 55 Eksteen v. Van Schalkwyk en 'n Ander 1991 (2) SA 39 (Τ) Ellemor v. United Safe Deposit Co Ltd (1908) TH 57 Ensor NO v. Syfret's Trust and Executor Company (Natal) Ltd 1976 (3) SA 762 (D) Estate van der Byl v. Swanepoel 1927 AD 141 Esterhuizen v. Administrator Transvaal 1957 (3) SA 710 (Τ) Ex parte De Winnar 1959 (1) SA 837 (Ν) Feldman (Pty) Ltd v. Mall 1945 AD 733 FPS Ltd v. Trident Construction (Pty) Ltd 1989 (3) SA 537 (A) Francis v. Freres and Mason (Pty) Ltd v. Public Utility Transport Corp Ltd 1964 (3) SA 23 (D) Frank v. Van Rooy 1927 OPD 231 General Tyre & Rubber Co (SA) Ltd v. Kleynhans and Another 1963 (1) SA 533 (Ν) Gibbins v. Williams, Muller Wright & Moster Ingelyf en Andere 1987 (2) SA 82 (Τ) Gifford v. Table Bay Dock and Breakwater Management Commission (1874) 4 Buch 96 Goldberg v. Durban City Council 1970 (3) SA 325 (Ν) Greater Johannesburg Transitional Metropolitan Council v. ABSA Bank Ltd t/a Volkskas Bank [1996] 4 All SA 278 (A) Grove v. Ellis 1977 (3) SA 388 (C) Hartl v. Pretoria Hospital Committee 1915 TPD 336 Hendrikz v. Cutting 1937 CPD 417 Hilpert v. Castle Mail Packets Co (1887) 12 EDC 38 Hirsch Appliance Special v. Shiled Security Natal (Pty) Ltd 1992 (3) SA 643 (D) Holland NO v. Simenhoff 1923 AD 676
474
Entscheidungsregister
Hutchinson ν. Palmer (1879) 1 NLR 23 International Tobacco Co (SA) Ltd v. United Tobacco Co (South) Ltd (I) 1955 (2) SA 1 (W) King's Transport v. Viljoen 1954 (1) SA 133 (C) Kinnear v. Ruto Flour Mills 1968 (2) PH 051 (T) Kohlberg v. Uitenhage Municipality 1926 EDL 90 Kotze v. Ohlsson's Breweries (1892) 9 SC 319 Labuschagne v. Cloete 1987 (3) SA 638 (T) Langley Fox Building Partnership (Pty) Ltd v. De Valence 1991 (1) SA 1 (A) Levy v. Central Mining & Corporation Ltd 1955 (1) SA 141 (A) Lewis v. The Salisbury Gold Mining Company (1894) 1 OR 1 Lichaba v. Shield Versekeringsmaatskappy Bpk. 1977 (4) SA 623 (O) Limason v. Leyland Motors (SA) Ltd 1929 CPD 348 Lindsay and Others ν. Stofberg NO 1988 (2) SA 462 (C) Lorentz v. Dorman Long (Africa) Ltd 1943 EDL 169 Lower Umfolosi Disctrict War Memorial Hospital v. Lowe 1937 NPD 31 Macala v. Maokeng Town Council 1993 (1) SA 434 (A) Magage v. Murray & Stewart (Edms) Bpk. 1980 (4) SA 294 (O) Manickum v. Lupke 1963 (2) SA 344 (N) Maphosa v. Wilke en Andere 1990 (3) SA 789 (T) Masinda v. Tower Typewriter Company 1961 (1) SA 795 (N) Mazeka v. Minister of Justice 1956 (1) SA 312 (A) Mbara v. Landrey 1917 CPD 599 McKenzie v. Van der Merwe 1917 AD 41 McMillan ν. Hubert Davies and Co Ltd 1940 WLD 256 Meyer v. Jackelson, Boshoff v. Jackelson 1961 (3) SA 165 (T) Mhlongo & Another NO v. Minister of Police 1978 (2) SA 551 (A) Middleton v. Automobile Association of SA 1932 NPD 451 Midway Two Engineering & Construction Services ν. Transnet Bpk. 1998 (3) SA 17 (SCA) Minister of Community Development and Another v. Koch 1991 (3) SA 751 (A) Minister of Law and Order v. Ngobo 1992 (4) SA 822 (A) Minister of Police v. Mbilini 1983 (3) SA 705 (A) Minister of Police v. Rabie 1986 (1) SA 117 (A) Minister of Police v. Skosana 1977 (1) SA 31 (A) Minister of Posts and Telegraphs v. Johannesburg Consolidated Investment Co Ltd 1918 TPD 253 Minister van Polisie en 'n Ander v. Gamble en 'n Ander 1979 (4) SA 759 (A) Minister van Polisie v. Ewels 1975 (3) SA 590 (A) Minister van Wet en Orde v. Wilson 1992 (3) SA 920 (A) Mkize v. Martens 1914 AD 382 Moosa v. Duma and the Vereeniging Municipality 1944 TPD 30 Moroka v. McEwen (1910) OPD 32 Mouton v. Beket 1918 AD 181 Mtetwa v. Minister of Health 1989 (3) SA 600 (D) Muirhead v. Ayliff (1875) NLR 31 Naidoo en Andere v. Minister van Polisie 1976 (4) SA 954 (Τ) Naude & Du Plessis v. Mercier 1917 AD 32
Entscheidungsregister
Nconwya v. Cantor 1984 (2) SA 400 (SECL) Newman v. East London Town Council (1895) 12 SC 61 Ngubetole v. Administrator Cape and Another 1975 (3) SA 1 (A) Ongevallekommissaris v. Onderlinge Versekerings-Genootskap AVBOB 1976 (4) SA 446 (A) Oosthuizen v. Webb and Kruger 1947 (2) SA 670 (Τ) Oranje Benefit Society v. Central Merchant Bank Ltd 1976 (4) SA 659 (A) Padayachee v. Ideal Motor Transport 1974 (2) SA 565 (Ν) Pahad v. Director of Food Supplies and Distribution 1949 (3) SA 695 (A) Paton v. Caledonian Insurance Company 1962 (2) SA 691 (Ν) Penrith v. Stuttaford 1925 CPD 154 Perlman v. Zoutendyk 1934 CPD 151 Pery-Urban Areas Health Board v. Munarin 1965 (3) SA 367 (A) Pfeffers v. Attorneys, Notaries and Conveyancers Fidelity Guarantee Fund Board of Control 1965 (2) SA 53 (C) Phillips v. SA Independent Order of Mechanics and Fidelity Benefit Lodge and Brice 1916 CPD 612 Pretoria Municipality v. Esterhuizen 1928 TPD 678 Prinsloo v. Du Preez NO 1965 (4) SA 300 (W) Prinsloo v. Newman 1975 (1) SA 481 (A) R H Johnson Crane Hire v. Grotto Steel Construction 1992 (3) SA 907 (C) R v. AMC A Services Ltd & Another 1959 (4) SA 207 (A) R v. Feun 1954 (1) SA 58 (Τ) R v. Miller 1940 TPD 306 Randbond Investments (Pty) Ltd v. FPS (Northern Region) (Pty) Ltd 1992 (2) SA 608 (W) Ravene Plantations Ltd v. Estate Abrey 1928 AD 1143 Rhodes Fruit Farms Ltd and Others v. Cape Town City Council 1968 (3) SA 514 (C) Ringrose v. Hunter 1933 NPD 442 Rodrigues and Others v. Alves and Others 1978 (4) SA 834 (A) Rogerson v. Moe Bros (1900) 21 NLR 295 Roman v. Pietersen 1990 (3) SA 350 (C) Romansrivier Koöperatiewe Wynkelder Bpk. v. Chemserve Manufacturing (Pty) Ltd 1993 (2) SA 358 (C) Roos v. De Loor's Ltd 1931 TPD 100 Rossouw v. Central News Agency Ltd 1948 (2) SA 267 (W) S v. AMC A Services (Pty) Ltd 1962 (4) SA 537 (A) SA Bazaars (Pty) Ltd v. National Union of Distributive Workers 1939 NPD 79 SA General Investment & Trust Co v. Mavaneni 1963 (4) SA 89 (D) SAR & H v. Albers and Another 1977 (2) SA 341 (D) SAR & H v. Marais 1950 (4) SA 610 (A) St. Augustine's Hospital (Pty) Ltd v. Le Breton 1975 (2) SA 530 (D) Sauer NO v. Duursema 1951 (2) SA 222 (O) Secretary for Inland Revenue v. Somners Vine 1968 (2) SA 138 (A) Sibiya v. S wart NO 1950 (4) SA 515 (A) Silansky v. Board of Executors 1916 CPD 683 Singh v. Provincial Insurance 1963 (3) SA 712 (N)
476
Entscheidungsregister
Slabbert ν. Holland 1936 NPD 238 Smit v. General Accident Fire and Life Assurance Co Ltd 1964 (3) SA 739 (C) Smit v. Workmen's Compensation Commissioner 1979 (1) SA 51 (A) Squire v. Sasol Mynbour (Edms) Bpk. en Andere 1993 (3) SA 298 (T) Stadsraad van Pretoria v. Pretoria Pools 1990 (1) SA 1005 (T) Swarts v. Minister of Justice 1941 AD 181 Taljaard v. S and V A Rosendorf and Venter 1970 (4) SA 48 (O) Tiger Trading Co v. Garment Workers' Union 1932 WLD 131 Tjollo Ateljees (Eins.) Bpk. v. Small 1949 (1) SA 856 (A) Trust Bank van Afrika Bpk. v. Eksteen 1964 (3) SA 402 (A) Tshabalala v. Lekoa City Council 1992 (3) SA 21 (A) Union Government (Minister of Justice) v. Thorne 1930 AD 47 Union Government (Minister of Justice) v. Van der Vlies 1931 OPD 79 Union Government v. Hawkins 1944 AD 556 Van Blommenstein v. Reynolds 1934 CPD 265 Viljoen v. Smith 1997 (1) SA 309 (A) Waring & Gillow Ltd v. Sherborne (1904) TS 340 Weir Investments (Pty) Ltd and Others v. Paramount Motor Transport 1962 (4) SA 589 (D) Whittaker v. Roos and Bateman 1912 AD 92
arverzeichnis Absichten des Gehilfen, 250f., 317, 367 f. actio de effusis vel deiectis, 96 ff., 108, 126 ff., 132 f., 146 f., 152 f., 194, 195, 322, 424, 429 actio de pastu, 322 actio de pauperie, 322 actio de positis vel suspensis, 100f., 130f., 133, 152f., 322 actio de recepto, 81, 121 actio exercitoria, 93 ff., 109, 125 f., 133, 146 f., 154, 181 f., 192, 195, 426 actio furti/damni in factum adversus nautas etc., 85 ff., 120ff., 128, 129, 133, 192, 420f. - siehe auch nauta, caupo, stabularius actio iniuriarum, 321, 401 actio institoria, 93 ff., 109, 125 f., 133, 146 f., 149, 154, 426 actio legis Aquiliae, 321 actio noxalis, 47, 49 actio stricti iuris, 53, 420 action of assumpsit, 174 ff. action on the case, 160ff., 174, 208, 298 adjektizische Klagen, 93 agency, 202, 289, 300, 304, 307, 330ff., 345, 399 agent, 202, 205, 217, 219, 221, 238, 242, 261 f., 289 ff., 305, 316, 318, 337f., 345ff., 358, 390, 399f., 413, 415, 430, 432f., 435, 437 Aktionenrecht, 160f., 208f., 298f. allgemeiner Sprachgebrauch, 228 angelsächsische Periode, 157 ff., 213 Anscheinsvollmacht, 261 f. Appellate Division, 114
Arbeitsteilung, 201, 330 Arglist, 294, 402 f., 432 ausgeliehener Gehilfe, 235 ff., 329, 353 ff. authority, 289, 316, 330, 347, 400, 413, 430 bailment, 175, 262 Bartolus, 145, 183 Befehl, als Zurechnungsgrund, 47 f., 163, 169 ff., 183, 213, 427 Begrifflichkeit, 216ff., 322, 329, 399, 435 Betriebsklima, 269 Beweisschwierigkeit, 198, 309, 315, 319, 433 Blackstone, 199 ff., 226 bonae fidei iudicia, 53 Bracton, 161, 164, 166ff., 213, 427 Brandschäden, 56 ff., 66, 118, 134, 146, 173, 194, 213, 279, 334f., 341 ff., 373 f., 375, 427 breach of contract, 275 Bürgerliches Gesetzbuch, 23, 24, 25 ff., 37 ff., 70f., 142, 156, 211, 212, 219, 221 f., 224, 228, 229, 237 f., 239, 240, 243 f., 262, 265, 271, 273 f., 276, 277, 279, 281, 282, 292 f., 297 f., 302, 307, 309, 311, 318, 342, 346, 351, 376 f., 386, 398, 404, 414, 417 f., 425, 430, 431,432, 436ff. -
Exkulpationsbeweis, siehe dort in Ausführung der Verrichtung, 243 ff., 431 nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis, 279 § 31 BGB, 239 f., 430
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arverzeichnis
corporations, 238 ff., 316, 357 ff., 430, 437
-
§ 278 BGB, historische Wurzeln, 70 f. Reformproblematik des § 831 BGB, 25 ff., 156, 211, 386, 398, 404, 436 ff.
-
Verkehrspflichten, siehe dort
-
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, siehe dort
Court of Admiralty, 178, 180, 182, 189, 191, 192, 196, 428
-
-
Vertreter, Haftung für, 292f., 404, 414, 417 f.
-
Verrichtungsgehilfe, 219, 221 f., 224, 228, 229, 237 f., 271, 342, 346, 351 Burgerlijk Wetboek, 24 Butler des Königs, Haftung für Vertreter, 172 Cambridge, Universität, 178
Corpus Iuris Civilis, 42, 50, 60, 84, 87, 90, 102, 145, 151, 153, 393, 418, 421, 425
Court of Chancery, 185 Court of Common Pleas, 159 Court of Exchequer, 159 Court of King's Bench, 159, 189 Courts of the Staple, 182 Crown, liability of, 241 f., 310, 316, 360, 362, 430 culpa in contrahendo, 27, 211, 262, 276, 282, 295
case, 160ff., 174, 208 f.
culpa in eligendo, 27, 52, 54, 56, 61, 72, 87 ff., 98 f., 104, 107, 117, 136, 142, 181, 309, 419f.
cautio vadimonium sisti, 53
culpa in habendo, 56, 61, 419
Chancery, 159, 187
Curia Regis, 159
Civil Liability (Contribution) Act, 268
custodia, 52, 64ff., 81 ff., 119, 420
civilians, 178, 182, 190, 200 Code Civil, 24, 26, 112, 148 f., 323, 417, 426
deceit, 293 f.
collateral negligence, 286 ff.
deep pocket, 311 ff.
common callings, 174 ff.
degree of deviation, 254
Cape Supreme Court, 113
common carrier, 174f., 197 common employment, 21 Iff., 282ff., 326ff., 412, 429, 434
De Villiers, Chief Justice, 117, 137, 152
deliktische Haftung, Geschichte, 43 f. 214,
communis error facit ius, 150 ff. companies, 238ff., 305, 316, 357ff., 414, 430, 437 composite approach, siehe typologischer Ansatz consideration, 294 contract for services, 220ff., 336ff. contract of service, 220ff., 282, 284, 336 ff. control test, 221 ff., 284, 293, 299ff., 316, 343, 344, 353 ff., 363, 406, 407 ff., 430, 437
deutsches Recht, siehe Gesetzbuch
Bürgerliches
Dienstvertrag, 31, 217, 220ff., 237, 239, 337 ff., 437 -
siehe auch contract of service und locatio conductio operarum
diffamierende Äußerungen, 296f., 307, 322, 401 Doctor and Student, 184ff., 195, 214, 428 dominant impression test, 349 ff. -
siehe auch typologischer Ansatz
duty of care, 257, 266, 322, 375, 388, 397, 408
Sachwortverzeichnis
Edward I., 169 f. Edward III., 182 effusum vel deiectum, 96ff., 126ff., 132 f., 152 f., 424 Eigentumsverhältnisse, 255, 317, 366, 374 employee, 24, 155, 156, 217, 218f., 220ff., 238, 289, 294, 306, 316, 340, 346 f., 381, 390, 399, 408, 413, 417, 430, 432, 437, 438 employee's tort, 265ff., 383 f. employer, 24, 155, 156, 217, 218f., 251, 340, 347, 390, 413, 417, 430, 433, 436, 437 englische Rechtsgeschichte, 37, 155 ff., 418, 427 ff. englisches Recht, modernes, 40, 216ff., 417 f., 429 ff. equity, 184 ff., 428 Erlaubnis des Geschäftsherrn, 248, 304, 365 ff., 406, 407, 433 Europäische Union, 32 ff. Europäisches Zivilgesetzbuch, 33 Europäisierung der Rechtswissenschaften, 34, 320, 336, 416 f., 427, 429, 433, 435, 439 f. Europarecht, 32 ff., 37 Exkulpationsbeweis, 25, 211, 212, 417 f., 439 fahrlässiges Handeln des Gehilfen, 260 ff., 317, 375 ff. familia, 102 ff., 145 ff., 422 f., 425 felony, 166 ff., 213, 427 Feuer, siehe Brandschäden Fiktion, 200, 241, 266, 300, 308, 328 f., 354, 426 frankpledge, 158, 163, 167 fullo, 65, 68 funktionale Haftungsbegrenzung, 24 f., 42, 94, 104, 117 f., 126, 132, 138 f., 142, 144, 147, 154, 183, 188, 193, 194, 197, 206 ff., 214, 243 ff., 273, 286 f., 288, 304, 306, 323, 326, 328,
479
329, 335, 359, 364ff., 378, 412, 414, 417, 419, 421 f., 423, 425, 428, 431, 434, 436, 439 Garantiehaftung, 28, 274 Gefährdungshaftung, 26, 210, 274ff., 297, 322, 377, 386, 393 Gefährlichkeit der Arbeit, 280, 288, 318, 330, 432, 436 general employer, 236 Generalisierung, 145, 154, 425 gentes, 44 Geschäftsführer, 238 ff., 357 ff., 437 Gesellschafter, 64 Glan ville, 161, 164 Groenewegen van der Made, Simon, 111, 120, 152 Grotius, Hugo, 111, 120, 122, 135, 137, 138, 142, 152, 173, 323, 334, 412, 425, 434 Grundlage der vicarious liability, 265 ff., 369, 382, 385 ff., 413 Häufigkeit von Schäden, 305 Handelsvertreter, 289, 293, 295 Heinrich II., 158, 168 - Reformen, 158 ff. Heinrich III., 169 Heinrich VII., 171 Heinrich VIII., 179, 185 historisch-komparative Methode, 36 Hooge Raad, 112 Huber, Ulrich, 140 f. in the course of employment, 155, 206ff., 210, 214, 243 ff., 313, 316, 335, 358, 363 ff., 417, 429, 431 in the scope of authority, 156, 318, 358, 432 independent contractor, 28, 32, 203 ff., 214, 218 ff., 242, 266, 270 ff., 289 ff., 294, 299, 306, 316, 317 f., 318 f., 331 ff., 337 f., 345 ff., 394 ff., 413 f., 429f., 432, 435, 438
arverzeichnis
480
Indizien für den Haftungszusammenhang, 248 ff. Industrialisierung, 23, 188 ff., 214, 226, 322, 330, 393, 412, 429, 435, 439 innerbetrieblicher Schadensausgleich, 29, 268 f., 317, 384, 414, 431, 437 Institutionenlehrbücher, 200 Interessen des Geschäftsherrn, 256 ff., 300, 302, 304, 317, 374f., 406, 409f., 433 Interpolationsforschung, 51, 151 f. iudex qui litem suam fecit, 124 ius civile, 80, 107, 122, 123, 135, 141, 420 ius commune, 32ff., 40, 110, 112, 116, 121, 129, 135, 145, 154, 155, 175, 182, 195, 214, 320, 336, 393, 416f., 423, 426, 427, 428, 433 ius honorarium, 80 Jhering, Rudolph von, 26, 214, 429 joint tortfeasors, 268 joint wrongdoers, 384 judicial self-restraint, 302 juristische Personen, 414, 437
238 ff.,
357 ff.,
Kapstadt, Universität, 114 Kenntnis, als Zurechnungsgrund, 47 f., 53 f., 163, 169 ff., 183, 213, 420, 427 f. Kfz-Halter, 217, 297 ff., 307, 404ff., 415, 438 Kodifikation, 33, 216, 320, 416, 433 Kontrolle, siehe control test -
als Rechtfertigung, 309 f.
law merchant, 176 ff., 178, 184, 196 law of delict, 321, 385 ff. Leiharbeitnehmer, 235 ff., 329, 353 ff. leitende Angestellte, 238 ff. lex Aquilia, 47, 321
Lex Mercatoria, 176ff., 193, 196, 214, 428 Leyser, Augustin von, 142, 425 Liberalismus, 26, 209ff., 214, 308, 429 locatio conductio operarum, 144, 201, 336 ff., 414 locatio conductio operis, 68, 336ff., 395, 413, 435 locatio conductio rei, 55 ff., 395 Lohnhaftung, 117, 118, 136 Lord Holt, 175f., 189, 190ff., 214, 216, 316, 324, 333, 428 f., 435 Lord Mansfield, 189 loss distribution, 303, 31 Iff., 315, 433 Louisiana, 37 Magna Charta, 177 Makler, 289, 295, 332, 402f. mandatum, 61 ff., 336, 345 ff., 413, 435 master, 40, 200, 201, 216ff., 254, 290, 316, 337 ff., 356 f., 400, 413, 430 master's tort theory, 266f. middellike aanspreeklikheid, 41, 320 ff. misdemeanour, 167 Mitverschulden, 269, 384, 414, 431, 437 mos Gallicus, 110, 151, 423 Motor Insurers' Bureau, 304 Multilateral Motor Vehicle Accidents Fund, 410 f. nachbarschaftliches Näheverhältnis, 278, 288, 317, 432 Natur der Arbeit, 259 f., 317, 375 ff. Naturrecht, 111, 135, 141, 142, 153, 201, 210, 424 nauta, caupo, stabularius, 24, 66, 67, 81 ff., 108, 119, 126, 133, 139, 143, 146 f., 152, 175 f., 180, 192, 212, 327, 420f., 424, 426, 428 negligence, 209, 271, 298, 321 negotium gestum, 54 niederländische Schule, 110 f.
Sachwortverzeichnis
481
niederländische Sondertatbestände, 134 non-delegable-duty, 89, 272ff., 282ff., 288, 317, 376, 432 Normzusammenhang, 234 f., 316 novel disseisin, 166, 168 ff., 213, 427 Noxalhaftung, 24, 39, 42 ff., 106, 117, 136, 137, 146, 153 f., 157, 323, 419, 421, 423, 424, 425 nuisance, 276 ff., 322
principal, 156, 203, 217, 219, 221, 261, 289 ff., 337 ff., 390, 399, 413, 430, 432 f., 436
ökonomische Erwägungen, 229 omission, 265 organisatorische Eingliederung, 221, 224, 229, 293, 350 f., 355, 430 Ort der Arbeit, 251 ff., 317, 368 ff. ostensible authority, siehe Anscheinsvollmacht Ostindische Kompanie, 111 f. Oxford, Universität, 178, 200
prozessuale Hindernisse, 267, 385
partnership law, 305 ff., 310, 318, 341 f., 400, 411, 415, 432, 438 pater familias, 24, 39, 42 ff. 154, 243, 323, 419 persönliche Haftung, 239, 248, 257, 262 f., 271 ff., 283, 288, 316f., 357ff., 388, 395, 399f., 414, 418, 419, 432, 436, 437 Pönalklage, 44, 86, 97, 102, 120, 129, 132, 153, 421 f., 424 Popularklage, 96, 101, 131 positive Forderungsverletzung, 282 positum vel suspensum, 100, 130f., 133, 152 f. Pothier, Robert-Josèphe, 148 ff., 324 f., 328, 334 f., 364, 426 praepositio, 93 f., 125 f., 146f., 149, 181,422, 426 prätorisches Edikt, 50, 80ff., 107 ff., 118, 127, 132f., 146, 152, 153, 323, 420ff., 424 Prävention, 198, 309, 422 Präzedenzsystem, 113, 164, 191, 245 préposé, 24, 149, 219, 417
Quebec, 37
private nuisance, 278 f. Privy Council, 113 f. Produktionskosten, 269 Produzentenhaftung, 38, 322 professionelle Angestellte, 223 ff., 284, 352 public nuisance, 276 f. publicani, 101 ff., 108, 131 f., 133, 145 f., 149, 153, 195, 422f., 424, 425 f. quasideliktische Haftung, 90 f., 100f., 120, 121 ff., 127, 133, 135, 145, 146, 149, 154, 180, 181, 393f., 413, 421 f., 426, 436 qui facit per alium, facit per se, 200, 209, 308, 328 qui sentit commodum, debet sentire et onus, 310 receptum, 81 ff., 120ff., 133, 176, 181, 192, 195, 420 Rechtsanwalt, Haftung für, 31, 401 f. Rechtsfrage, 233, 245 Rechtsgrammatik, europäische, 35, 155, 417 rechtspolitische Erwägungen, 23, 154, 156, 176, 197, 198, 199, 209 ff., 245, 256 ff., 264, 268, 270, 302 f., 308, 31 Iff., 319, 354, 382, 385ff., 390ff., 398, 408, 421, 424, 433, 439 Rechtsvereinheitlichung, 30 Regreßanspruch 268, 384
des
Geschäftsherrn,
Repgow, Eike von, 166 Respondeat Superior, 23, 40, 155, 210, 308, 328, 427
482
arverzeichnis
Risikogedanke, 23, 188, 256ff., 269, 310 f., 315, 319, 342, 348, 369 ff., 377 ff., 385 ff., 413, 433 Road Traffic Act, 303 römisch-holländisches Recht, 110ff., 157, 423 ff., 435
39 f.,
Sachsenspiegel, 138, 166 Säulentransport-Fragment, 69, 331 St. Germain, 184 ff., 195, 214, 428 sarcinator, 65, 68 Savigny, Friedrich Carl von, 34, 416
Strafrecht und Deliktsrecht, 43 ff., 163, 172, 213, 428 strict liability, siehe Gefährdungshaftung südafrikanisches Recht, 40, 111 ff., 149, 157, 320ff., 418, 433 ff. Summa Angelica, 187, 214 Tatsachenfrage, 233 temporary employer, 236, 354 Terminologie, siehe Begrifflichkeit Tierhalterhaftung, 124, 154, 322, 426
Schadensverteilung, siehe loss distribution Schorer, Willem, 125, 147, 152, 328
torts, 24, 40, 156, 162, 208, 210, 240, 242, 260, 263 f., 265, 270, 276, 296, 303, 313, 321
Schottland, 37 Schuldprinzip, 26, 124, 209 f., 214, 322, 377, 386, 414f., 429, 437 servant, 40, 201, 203ff., 216ff., 254, 290, 316, 331 ff., 337 ff., 345 ff., 356f., 358, 399, 429 f., 435 servant's tort theory, siehe employee's tort Sheriff, Haftung für Gefängniswärter, 172
trespass, 160ff., 164, 165, 171, 208f., 257, 298 typologischer Ansatz, 228 ff., 237, 316, 344f., 348 ff., 363, 414, 430
slander, 296 f. Staatshaftung, 241 f., 360ff., 379ff., 430 standard test, 367 f. stare decisis, 113, 164, 191 State Liability Act 20, 360 f., 363 Statute of the Staple, 182f., 193 Statutory duties, 281, 288, 303 Stellenbosch, Universität, 114
Van Bynkershoek, Cornelius, 111
Stellvertretung, 93, 125, 202f., 217, 219, 261, 289 ff., 318, 330 f., 399 ff., 415, 432f., 438 Steuerpächter, 101 ff., 108, 131 f., 133, 145 f., 149, 153, 195, 422f., 424, 425 f. - siehe auch publicani Steyn, Chief Justice, 114 Stipulation, 54, 63
Unfallverhütung, 309 f., 315, 319, 433 Unfallversicherung, 339, 349 Union of South Africa, 114 Utilitätsprinzip, 62, 75, 79
Van der Keessel, Dionysius, 134, 136, 139, 148, 152, 328, 334 Van der Linden, Johannes, 127, 136, 141, 149, 152, 153, 323, 412, 434 Van Leeuwen, Simon, 119, 121, 122, 139, 147 f., 152, 323 f., 328, 412, 434 Verbot des Geschäftsherrn, 249, 317, 365 ff. Verkehrspflichten, 28, 31, 244, 273 f., 276 Vermittler, 289, 295 ff., 318, 403, 433, 438 Versicherung, 249, 269, 302 f., 307, 31 Iff., 315, 318, 319, 398, 432f. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 27, 211, 262, 276, 282
rzeichnis
vertragliche Gehilfenhaftung, 27, 49 ff., 107, 118f., 211, 262, 274ff., 282, 294, 317, 376f., 419f., 432 vicarious liability, 24, 155 ff., 175, 205, 216ff., 320ff., 429 ff.
Weisung des 365 ff., 409
248,
Welwod, William, 180 werkgewer, 340
Voet, Johannes, 111, 121, 124, 126, 127, 134, 139, 143, 148, 152, 154, 183, 193, 324 f., 327, 328, 333 ff., 364, 383, 412, 426, 434, 435
werknemer, 340
Volksrechte, 158
Geschäftsherrn,
Weisungsbefugnis des Geschäftsherrn, siehe control test
Vinnius, Arnoldus, 111, 121
Voet, Paul, 137, 145, 147, 152
483
Werkvertrag, 31, 220ff., 437 -
siehe auch locatio conductio operis und contract for services
Wilhelm, der Eroberer, 158 writs, 160ff., 166, 184, 208 f., 213, 427
vorsätzliches Handeln des Gehilfen, 260ff., 317, 332, 375 ff.
Zeit der Arbeit, 251 ff., 317, 368 ff.
Vorstand, Haftung für, siehe companies
Zustimmung, 301