Resilienz für Dummies [2 ed.] 9783527720781, 9783527842513, 3527720782

Resilienz kann man lernen! Lassen Sie sich von Dr. Eva Kalbheim zeigen, wie Sie mithilfe von innerer Stärke und seelisch

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German Pages 302 [294] Year 2023

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Resilienz für Dummies [2 ed.]
 9783527720781, 9783527842513, 3527720782

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Resilienz für Dummies

Schummelseite Manche Menschen gehen aus Krisen und Katastrophen gestärkt hervor, andere überstehen sie unbeschadet und wieder andere zerbrechen daran. Die innere Widerstandskraft und seelische Stärke, die nötig ist, um schwierige Lebensumstände gut zu meistern, nennt man Resilienz. Dieser Begriff stammt aus der Werkstoffkunde und bezeichnet die Eigenschaft eines Materials, nach Dehnung, Verbiegung oder Zerrung wieder in seinen Ausgangszustand zurückzukehren. Resiliente Menschen halten auch größten physischen oder psychischen Belastungen stand, ohne daran kaputtzugehen. Die moderne Resilienzforschung hat gezeigt, dass Resilienz nur zu einem kleinen Teil vererbt wird. Sie entwickelt sich vielmehr lebenslang durch den Austausch zwischen Mensch und Umwelt weiter und ist damit ein dynamischer Anpassungsprozess. Resilienz ist nie ganz da oder ganz weg, sondern sie ist ein Kontinuum und zeigt sich je nach Situation, körperlicher und seelischer Verfassung mal mehr, mal weniger.

DIE SIEBEN SÄULEN DER RESILIENZ Der Glaube, sein eigenes Schicksal sinnvoll beeinflussen zu können, wird in den ersten zehn Lebensjahren erworben. Aber auch im Laufe des weiteren Lebens kann jeder die Fähigkeit, mit widrigen Umständen gut umzugehen, aufbauen, erweitern und üben. Hilfreich für ein Resilienztraining ist die Kenntnis der sieben Säulen der Resilienz: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege, Zukunftsplanung. Wer optimistisch in die Zukunft schaut und alles, was er nicht ändern kann, akzeptiert, wer bereit ist, zu handeln und Verantwortung zu übernehmen, Lösungen zu finden, sein Netzwerk zu pflegen und Pläne zu schmieden, ist Krisen in der Regel nicht hilflos ausgeliefert. Die sieben Säulen der Resilienz bewusst zu stärken, hilft, auch in den anstrengendsten Lebenssituationen durchzuhalten, weiterzumachen und sich nicht entmutigen zu lassen. Daneben gibt es innere und äußere Schutzfaktoren, die die Resilienz stärken: stabiles Selbstwertgefühl, hohe Selbstwirksamkeitserwartung, positive Lebenseinstellung, Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse, erfolgreiche Selbststeuerung, soziale Kompetenz, sichere Bindungen und Humor.

PROBLEME, KRISEN UND KATASTROPHEN MEISTERN Auch resiliente Menschen machen immer wieder die Erfahrung, dass sie etwas nicht schaffen, dass sie

scheitern oder dass ihnen etwas misslingt. Im Vertrauen auf ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten akzeptieren sie, dass etwas vielleicht nicht so geklappt hat wie gewünscht, obwohl sie sich angestrengt haben – sie sind sich aber sicher, dass wieder bessere Zeiten kommen. Eine wichtige Fähigkeit resilienter Menschen besteht darin, unterscheiden zu können, wann es sich zu kämpfen lohnt und wann man sich seinem Schicksal fügen sollte. Darüber hinaus sind widerstandsfähige Persönlichkeiten bereit, ihre Komfortzone regelmäßig zu verlassen und Neues zu wagen.

DAS GEHEIMNIS DER STEHAUFMÄNNCHEN Die innere Widerstandskraft ist wie eine Batterie, die kontinuierlich Energie abgibt. In Krisenzeiten ist der Zugang zu den eigenen Ressourcen jedoch manchmal verschüttet und man fühlt sich leer und hilflos. In solchen Momenten braucht man Zeit und Ruhe, um die Reserven wieder aufzufüllen. Abgrenzung, Rückbesinnung, Pausen und Auszeiten dienen dazu, Kräfte zu sammeln und sich den Problemen erneut stellen zu können.

Resilienz für Dummies Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2. Auflage 2023 © 2023 Wiley-VCH GmbH, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, Germany Wiley, the Wiley logo, Für Dummies, the Dummies Man logo, and related trademarks and trade dress are trademarks or registered trademarks of John Wiley & Sons, Inc. and/or its affiliates, in the United States and other countries. Used by permission. Wiley, die Bezeichnung »Für Dummies«, das Dummies-Mann-Logo und darauf bezogene Gestaltungen sind Marken oder eingetragene Marken von John Wiley & Sons, Inc., USA, Deutschland und in anderen Ländern. Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie eventuelle Druckfehler keine Haftung. Print ISBN: 978-3-527-72078-1 ePub ISBN: 978-3-527-84251-3 Coverfoto: © cpa1 / stock.adobe.com Korrektur: Frauke Wilkens, München, Petra Bonitz, Hemmingen

Über die Autorin Dr. med. Eva Kalbheim ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Coach und Kommunikationsexpertin. Sie beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit den Auswirkungen von Stress, Anspannung und Krisen auf die Gesundheit. In ihrer Arbeit als Pressesprecherin einer großen Spendenorganisation und Geschäftsführerin eines therapeutischen Verbands sammelte sie umfangreiche Erfahrungen in der Mitarbeiterführung und -motivation. Mit einem innovativen GesundheitscoachingKonzept unterstützt sie Menschen, die eine bessere Work-Life-Balance und größere Krisenfestigkeit erreichen möchten. In Führungskräftetrainings legt sie besonderen Wert auf die Bedeutung der Kommunikation für entspannte, angstfreie und inspirierende Arbeitsbedingungen. Sie hat zahlreiche Bücher verfasst, die dem interessierten Leser helfen gesund zu bleiben, seine Persönlichkeit weiterzuentwickeln, sich realistische Ziele zu setzen und erfolgreich zu sein. Dr. Eva Kalbheim arbeitet hauptberuflich als Chefärztin und stellvertretende Klinikdirektorin der Libermenta Klinik Schloss Gracht in Erftstadt und hat eine Psychotherapie-Praxis in Bonn. Mehr Informationen über ihre Arbeit gibt es im Internet unter www.eva-kalbheim.de.

Widmung Meinen Eltern Gisela und Klaus Kalbheim in memoriam gewidmet.

Danksagung Der erste Impuls für dieses Buch kam von meiner früheren Lektorin Inken Bohn, WileyVCH, mit der ich im Verlauf des Schreibens viele angeregte Diskussionen geführt habe – ich danke ihr sehr für die aufmerksame, konstruktive Unterstützung. Herzlich danke ich meiner jetzigen Lektorin Esther Neuendorf, Wiley-VCH, und meinem langjährigen Freund und Korrekturleser Robert Egg, deren Anmerkungen mir außerordentlich weitergeholfen und mich immer wieder inspiriert haben. Für die Erstellung der Grafiken danke ich Barbara Floer. Der größte Dank geht an meine Familie, die mich immer verständnisvoll und einfühlsam unterstützt.

Inhaltsverzeichnis Cover Titelblatt Impressum Über die Autorin Widmung Danksagung

Einführung Über dieses Buch Konventionen in diesem Buch Was Sie nicht lesen müssen Törichte Annahmen über den Leser Wie dieses Buch aufgebaut ist Symbole, die in diesem Buch verwendet werden Wie es weitergeht

Teil I: Resilienz – die Grundlagen Kapitel 1: Die Bedeutung von Resilienz Erfolgreich im Leben trotz schwieriger Umstände Die sieben Säulen der Resilienz Die eigenen inneren Ressourcen kennenlernen Resilienz lebenslang erweitern Krisen überwinden und daran wachsen Resilienz von Kindern stärken

Kapitel 2: Resilienz fördern Sich selbst besser kennenlernen An sich glauben Stark sein, auch wenn die Wellen hochschlagen Resilienz und Gesundheit

Kapitel 3: Resilienz kann man üben Innere Stärke gewinnen und bewahren Stressoren besiegen oder ausblenden Loslassen und Scheitern lernen Übungsplan: Resilienztraining für jeden Tag

Teil II: Resilienz im Alltag Kapitel 4: Resilient sein oder nicht sein – Möglichkeiten und Grenzen Analyse der Stressfaktoren im Alltag Die innere Stärke bewahren Sich nicht überfordern Checkliste: Was Sie selbst ändern können

Kapitel 5: Den Erfolg buchen Die eigenen Stärken bewusst wahrnehmen Situationen positiv beeinflussen Menschen zum Mitmachen motivieren

Kapitel 6: Aus Niederlagen und Krisen lernen Das Leben ist eine Achterbahn Niederlagen annehmen und analysieren Professionelle Hilfe suchen

Teil III: Resilienz im Berufsleben Kapitel 7: Das Geheimnis der Starken Sich selbst gut kennenlernen Stärken bewusst einsetzen Umgang mit Schwächen und Verletzbarkeit

Kapitel 8: Konflikte und Krisen im Beruf aktiv bewältigen Resilienz und Kommunikation Resilienz und Mitarbeiterführung Konflikt- und Krisenmanagement

Kapitel 9: Aktive Stressreduktion im Job Umdeutung von Stresssituationen Achtsamkeit entwickeln Körperübungen gegen den Stress Checkliste: Work-Life-Balance

Teil IV: Resilienz in der Kindheit fördern Kapitel 10: Vererbung und Umweltfaktoren Wie Resilienz vererbt wird Wie die Umwelt Resilienz beeinflusst Epigenetik: Auch Stress wird vererbt

Kapitel 11: Kinder stark machen Fordern und fördern – die Mischung macht’s

Kinder können mehr Erziehung zur Resilienz Checkliste: Was braucht mein Kind?

Teil V: Erfolgsfaktor Resilienz Kapitel 12: Grenzen erweitern Stark, stärker, am stärksten Die Kraft kommt von innen Resilienz im Alter

Kapitel 13: Die Komfortzone verlassen Mut zum Aufbruch Über sich hinauswachsen

Kapitel 14: Die Reserven wieder auffüllen Die Bedeutung von Auszeiten Warnzeichen erkennen und ernst nehmen

Kapitel 15: Selbstfürsorge: Wer hat, kann teilen Das eigene Befinden verbessern Selbstfürsorge ist nicht egoistisch Der selbstfürsorgliche Tagesplan

Teil VI: Der Top-Ten-Teil Kapitel 16: Zehn Fakten zu Resilienz Resilienz ist erblich Resilienz ist beeinflussbar Resilienz verändert sich im Laufe des Lebens Resilienz kann man üben Resilienzerziehung funktioniert Wenig resiliente Menschen blühen unter guten Bedingungen auf Scheitern kann man üben Aus Katastrophen kann man lernen Gedanken beeinflussen Gefühle – und umgekehrt Schmerz geht vorüber

Kapitel 17: Zehn alltagstaugliche Resilienzübungen Der Body Scan Die Schuhe des anderen Immer wieder etwas Neues ausprobieren Kein Schatten ohne Sonne Drei, zwei, eins – meins

Der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit Kleine Dinge genau beschreiben Netze knüpfen Die Oase der Stille Der Detektiv im Kopfkino

Kapitel 18: Zehn Tipps für ein Resilienztraining mit Kindern Der sichere Ort Das Schlimmste ist gar nicht so schlimm Was ich schon alles kann Jeden Tag eine gute Tat Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt Ich bin nicht allein Das Leben ist schön Ich bin mutig und neugierig Viele schöne kleine Dinge Was die anderen denken

Kapitel 19: Zehn Meilensteine auf dem Weg zu mehr Resilienz Beziehungen pflegen Krisen überwinden Veränderungen akzeptieren Ziele ansteuern Aktiv und entschlossen sein Sich selbst besser kennenlernen Ein positives Selbstbild pflegen Nüchtern und sachlich bleiben Optimistisch sein Auf sich selbst achten

Kapitel 20: Zehn schnelle Tipps für mehr Resilienz Probleme akzeptieren Fakten prüfen Kopfkino ausschalten Hilfe suchen Positiv denken Netzwerke pflegen Neugierig sein Pause machen Tief durchatmen Kinder stärken

Abbildungsverzeichnis Stichwortverzeichnis End User License Agreement

Tabellenverzeichnis Kapitel 3 Tabelle 3.1: Kritische Lebensereignisse – eine Rangliste der zwölf stressigsten E...

Kapitel 4 Tabelle 4.1: Checkliste zur Resilienz: Was Sie selbst ändern können

Kapitel 9 Tabelle 9.1: Checkliste Work-Life-Balance

Kapitel 11 Tabelle 11.1: Kinder entsprechend ihrer Persönlichkeit fördern und fordern

Kapitel 13 Tabelle 13.1: Checkliste für den Weg zum Ziel außerhalb der Komfortzone Tabelle 13.2: Mit der ABC-Technik Ideen generieren

Kapitel 15 Tabelle 15.1: Selbstfürsorge-Ziele und Unterstützer auf dem Weg dorthin Tabelle 15.2: Selbstfürsorglicher Tagesplan für mehr Resilienz

Illustrationsverzeichnis Kapitel 2 Abbildung 2.1: Das Johari-Fenster stellt die bewussten und unbewussten Persönlich... Abbildung 2.2: Das Stressmodell nach Lazarus

Kapitel 5 Abbildung 5.1: Aufbau einer Mind Map Abbildung 5.2: Das Yerkes-Dodson-Gesetz belegt, dass Menschen unter...

Kapitel 7 Abbildung 7.1: Das Eisenhower-Prinzip der Delegation

Kapitel 8 Abbildung 8.1: Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow Abbildung 8.2: Die vier Seiten einer Botschaft nach Friedemann Schulz von Thun

Einführung Innere Stärke und seelische Widerstandskraft heißen im Fachjargon Resilienz. Dies bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen umgehen zu können. Resiliente Menschen halten auch größte psychische oder physische Belastungen aus, ohne zu zerbrechen. Sie gehen oft sogar gestärkt aus einer Krise oder Katastrophe hervor. Die moderne Resilienzforschung hat gezeigt, dass die seelische Widerstandskraft nur zu einem kleinen Teil ererbt wird. Sie entwickelt sich vielmehr vorwiegend im andauernden Austausch zwischen Individuum und Umwelt und ist ein dynamischer Anpassungs- und Entwicklungsprozess. Resilienz ist demnach ein Faktor, der in der Kindheit angelegt wird, aber auch im Erwachsenenalter gefördert werden kann. Sich auf seine innere Stärke zu konzentrieren und Kinder so zu erziehen, dass sie resilient durchs Leben gehen, kann man lernen: Anhand von zahlreichen Beispielen aus verschiedenen Lebenslagen und einfach durchzuführenden Übungen zeige ich Ihnen in diesem Buch, wie Sie Ihre innere Stärke kennenlernen und festigen. Resilienz basiert auf sieben Säulen: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege und Zukunftsplanung. Diese Säulen bewusst und selbstbestimmt zu stärken, trägt dazu bei, die Wechselfälle des Lebens gelassen zu überstehen und seinen eigenen Weg zu gehen. Schwierige Situationen, Rückschläge, Misserfolge, Krisen und Katastrophen können Sie so künftig besser meistern. Wenn Sie aufmerksam in sich hineinhorchen, werden Sie immer wieder zu Ihren eigenen Ressourcen zurückfinden, auch wenn Sie unter Druck stehen oder sich gestresst fühlen.

Über dieses Buch Resilienz für Dummies hilft Ihnen, sich ein ganz persönliches Resilienztraining zusammenzustellen, um belastbarer, leistungsfähiger und widerstandskräftiger zu werden. Sie finden in diesem Buch Tipps und Hinweise für unterschiedliche Lebenssituationen und können ganz verschiedene Übungen ausprobieren. Diese Übungen sind leicht zu erlernen und ohne Hilfsmittel durchzuführen. Stellen Sie sich nach Ihren eigenen Bedürfnissen ein Trainingsprogramm zusammen und üben Sie, wann immer Sie Zeit und Ruhe haben. Da gerade die ersten zehn Lebensjahre eines Menschen seine innere Widerstandskraft erheblich prägen, befasst dieses Buch sich ausführlich mit der resilienzfördernden Kindererziehung. Finden Sie die richtige Mischung für die Förderung und Forderung Ihres Kindes und helfen Sie ihm, sein Potenzial auszuschöpfen, eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung zu entwickeln, tragfähige zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen und an sich zu glauben.

Konventionen in diesem Buch Resilienz ermöglicht es einem Menschen, schwierige Situationen gut zu meistern und von Krisen oder Katastrophen nicht aus der Bahn geworfen zu werden. Zwar ist die innere Widerstandskraft zum Teil angeboren, doch sie kann im Laufe des Lebens immer weiter gestärkt werden. Daher stelle ich Ihnen in diesem Buch zahlreiche Resilienzübungen vor. Eines haben all diese Übungen gemeinsam: Sie beginnen mit einer Fokussierung der Aufmerksamkeit nach innen. Ich lade Sie ein, sich bei diesen Übungen zu versenken und auf sich selbst zu konzentrieren. Hilfreich dafür ist, dem eigenen Atem zu folgen und tief in den Bauch einzuatmen. Wundern Sie sich deshalb nicht, dass die Bauchatmung sehr häufig erwähnt wird – sie befreit Ihren Körper auf ganz natürliche Weise von Anspannung. Internetadressen sind in Maschinenschrift dargestellt, damit Sie sie leicht erkennen können. Wenn Internetadressen aus Layoutgründen auf zwei Textzeilen verteilt werden mussten, wurden keine zusätzlichen Zeichen (also keine Bindestriche oder Ähnliches) eingefügt. Sie können die Internetadresse so eingeben, wie sie im Buch steht, als wäre der Zeilenumbruch gar nicht vorhanden. Der besseren Lesbarkeit halber wähle ich bei Berufs- und Personenbezeichnungen oft die männliche Form. Selbstverständlich sind immer alle Geschlechter gemeint.

Was Sie nicht lesen müssen Sie finden in diesem Buch eine Fülle von Informationen über Resilienz. Die einzelnen Teile des Buches können Sie der Reihe nach lesen oder Sie suchen sich die Kapitel heraus, die für Sie besonders wichtig sind. Jeder Teil enthält alle für das Verständnis notwendigen Informationen, sodass Sie das Buch nicht unbedingt von vorn nach hinten durchlesen müssen. In Textkästen und neben dem Beispielsymbol gibt es weiterführende Informationen oder anschauliche Erläuterungen, die Ihnen zusätzliches Wissen vermitteln – diese Passagen können Sie aber auch überspringen, ohne Wesentliches zu verpassen.

Törichte Annahmen über den Leser Beim Schreiben des Buches habe ich einige Annahmen über Sie vorausgesetzt, um Ihnen die Informationen zu geben, die Sie wirklich brauchen. Dies sind meine Annahmen: Ich nehme an, dass Sie schon einige schwierige Situationen in Ihrem Leben überstanden haben. Ich glaube, dass Sie sich mehr innere Widerstandskraft wünschen, damit Probleme Sie künftig möglichst nicht mehr aus der Bahn werfen können.

Ich gehe davon aus, dass Sie bereit sind, an sich zu arbeiten, um Katastrophen, Rückschläge oder Hindernisse gut zu meistern oder sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Ich nehme an, dass Sie praktische Tipps suchen, wie Sie besser mit Krisen und schwierigen Situationen umgehen können, und dass Sie bereit sind, diese Tipps in Ihrem Alltag auszuprobieren. Ich glaube, dass Sie für Ihr Resilienztraining nicht unbegrenzt viel Zeit haben, sondern dass Sie sich einfache und rasch umsetzbare Hinweise wünschen, um mehr innere Widerstandskraft zu erreichen.

Wie dieses Buch aufgebaut ist Resilienz für Dummies ist in sechs Teile eingeteilt, die Ihnen Hinweise für und Informationen über die Stärkung der inneren Widerstandskraft in unterschiedlichen Lebensbereichen und -situationen geben. Hier ein kurzer Überblick über das, was Sie in den einzelnen Teilen dieses Buches finden.

Teil I: Resilienz – die Grundlagen In diesem Teil lernen Sie das Konzept der inneren Widerstandskraft kennen und erfahren etwas über den aktuellen Stand der Resilienzforschung. Ich stelle Ihnen die sieben Säulen der Resilienz sowie die Schutz- und die Risikofaktoren für seelische Stärke vor. Sie erfahren, wie wichtig Selbsterkenntnis ist, wie Sie Ihr Selbstbild mit dem Bild, das andere von Ihnen haben, abgleichen können und was Sie aus diesem Abgleich zwischen Selbstund Fremdbild lernen. Sie finden in diesem Teil außerdem Resilienzübungen und konkrete Anregungen für einen Resilienztrainingsplan.

Teil II: Resilienz im Alltag In diesem Teil stelle ich Ihnen die wichtigsten Stressfaktoren vor, die Ihre innere Widerstandskraft schwächen können und dazu führen, dass Sie Probleme und Schwierigkeiten weniger gut bewältigen. Sie lernen die inneren Antreiber kennen, die Ihre Glaubenssätze beeinflussen und Ihre Selbstwirksamkeitserwartung prägen. Sie lesen etwas über die Bedeutung des Selbstwerts und erfahren, wie Sie in Ihren verschiedenen Lebensbereichen ganz bewusst an einer Stärkung Ihrer Resilienz arbeiten können. Um Krisen gut zu meistern, sind angemessene Bewältigungsstrategien hilfreich. In diesem Teil lernen Sie verschiedene Strategien kennen, um unterschiedliche äußere Kraftquellen sowie die eigenen inneren Helfer künftig besser zu nutzen.

Teil III: Resilienz im Berufsleben In diesem Teil stelle ich Ihnen die Bedeutung der inneren Widerstandskraft im beruflichen Zusammenhang vor: Einerseits ist Resilienz wichtig, um die Wechselfälle des Berufslebens gut zu überstehen und den eigenen Weg erfolgreich zu gestalten,

andererseits sollte die seelische Stärke nicht dazu genutzt werden, sich selbst oder seine Mitarbeiter auszubeuten und Unmögliches zu verlangen. Um eine gute Balance zwischen Leistungsbereitschaft und Selbstfürsorge zu finden, bedarf es der Frustrationstoleranz sowie einer realistischen Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen. Motivieren, Delegieren und Neinsagen sind drei wichtige Strategien für die Resilienzförderung, die Sie in diesem Teil näher kennenlernen. Darüber hinaus erfahren Sie mehr über die Bedeutung der Kommunikation und lernen erfolgreiches Konfliktmanagement im beruflichen Zusammenhang kennen. Sie finden zahlreiche Resilienzübungen, die Sie in Ihren Berufsalltag einbauen können, damit Sie künftig besser mit Stress umgehen werden. Und Sie können sich mithilfe einer Checkliste einen Trainingsplan zusammenstellen, um Ihre Work-Life-Balance zu verbessern und Ihre Lebensqualität zu erhöhen.

Teil IV: Resilienz in der Kindheit fördern Die innere Widerstandskraft eines Kindes wird geprägt durch zwei große Einflüsse: durch die Vererbung und durch Umweltfaktoren. Schützenden und stärkenden Faktoren stehen bestimmte Risikofaktoren gegenüber. In diesem Teil erfahren Sie, wie Sie die genetische Resilienzausstattung eines Kindes erkennen und was Sie tun können, um seine Resilienz zu fördern. Sie lernen die aktuellen Forschungsergebnisse zur Vererbung kennen, bekommen Tipps für die Resilienzerziehung und Hinweise, wie Sie die Persönlichkeitsentwicklung Ihres Kindes unterstützen können. Ich stelle Ihnen Übungen vor, die Sie gemeinsam mit Kindern oder Jugendlichen durchführen können, um deren innere Widerstandskraft zu stärken. Und Sie lesen in diesem Teil etwas über erfolgreiches Krisenmanagement für Familien.

Teil V: Erfolgsfaktor Resilienz In diesem Teil lernen Sie die Geheimnisse resilienter Menschen kennen: Eine realistische Selbsteinschätzung, unerschütterlicher Glaube an sich selbst, die Verwirklichung von Träumen und das regelmäßige Verlassen der Komfortzone sorgen dafür, dass die innere Widerstandskraft im Laufe des Lebens wächst und bis zum Lebensende stark bleibt. Sie erfahren in diesem Teil außerdem etwas über die Bedeutung von Kompromissen und das Für und Wider der Routine. Um lebenslang widerstandsfähig zu bleiben und Krisen gut zu überstehen, sollten Sie Ihre inneren Reserven regelmäßig auffüllen und gut für sich sorgen, denn Selbstfürsorge stärkt Ihre Resilienz dauerhaft. Selbstfürsorge ist außerdem die Basis Ihres Engagements für andere Menschen: Wer innere Widerstandskraft hat, kann sich um andere kümmern und ihnen durch schwere Zeiten helfen. Sie bekommen in diesem Teil daher Tipps für die Gestaltung von Pausen und Auszeiten, Anregungen zur Stressreduktion und -bewältigung sowie Hinweise für die Vorbeugung und Behandlung von Burn-out.

Teil VI: Der Top-Ten-Teil Die letzten fünf Kapitel dieses Buches sind vollgepackt mit Tipps und Übungen. Sie finden darin zehn Fakten zu Resilienz, zehn alltagstaugliche Resilienzübungen, zehn

Tipps für die Resilienzförderung bei Kindern, zehn Meilensteine auf dem Weg zu mehr Resilienz sowie zehn ultraschnelle Tipps für mehr Resilienz.

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden Dieses Symbol steht für hilfreiche Tipps und praktische Hinweise für Ihr Resilienztraining. Dieses Symbol soll Ihre Aufmerksamkeit auf typische Fallen oder Hindernisse in Bezug auf Resilienz lenken. Der Text neben diesem Symbol liefert Ihnen wichtige Informationen über Resilienz und deren Bedeutung für Ihr Leben. Neben diesem Symbol finden Sie aktuelle oder besonders wichtige internationale Forschungsergebnisse zum Thema Resilienz. Hinter diesem Symbol finden Sie eine Resilienzübung, die Sie sofort ausprobieren können. Neben diesem Symbol steht ein Alltagsbeispiel, das die vorangegangenen Textpassagen konkretisiert. Sie können diesen Abschnitt überspringen, ohne wichtige Informationen zu verpassen.

Wie es weitergeht Wenn Sie sofort ins praktische Resilienztraining einsteigen möchten, beginnen Sie die Lektüre dieses Buches mit Kapitel 3. Sie finden dort rasch umsetzbare Tipps sowie einen Übungsplan für Ihr ganz individuelles Trainingsprogramm und können schon heute beginnen, Schritt für Schritt widerstandsfähiger zu werden. Stehen Sie im Berufsleben vor besonderen Herausforderungen und befürchten, dass mögliche Krisen Sie aus der Bahn werfen könnten, fangen Sie mit Kapitel 9 an. Dort finden Sie Checklisten und Hinweise, die Ihr Arbeitsleben leichter machen und Ihre Work-Life-Balance verbessern können. Erziehen Sie Kinder und möchten deren innere Widerstandskraft stärken, blättern Sie zu

Kapitel 11. Hier erfahren Sie, welche Schutzfaktoren Kinder brauchen, um zu starken und selbstbewussten Menschen heranzuwachsen, und wie Sie diese Faktoren fördern. Haben Sie das Gefühl, dass Sie in Routine und Bequemlichkeit versinken, hilft Ihnen Kapitel 13 weiter. Darin lesen Sie, wie Sie Ihre Komfortzone immer wieder ganz bewusst verlassen und neue Impulse in Ihr Leben bringen können. Details über das Zusammenspiel zwischen Selbstfürsorge und Weltfürsorge lesen Sie in Kapitel 15. Möchten Sie einen konkreten Fahrplan für Ihren eigenen Weg hin zu mehr Resilienz, schlagen Sie Kapitel 19 auf. Oder suchen Sie im Inhalts- oder Stichwortverzeichnis nach dem Thema oder der Übung, die Sie am meisten interessieren. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und viel innere Stärke auf Ihrem weiteren Lebensweg!

Teil I

Resilienz – die Grundlagen



IN DIESEM TEIL … In diesem Teil lernen Sie das Konzept der inneren Widerstandskraft kennen und erfahren etwas über den aktuellen Stand der Resilienzforschung. Ich stelle Ihnen die sieben Säulen der Resilienz sowie die Schutz- und die Risikofaktoren für seelische Stärke vor. Sie erfahren, wie wichtig Selbsterkenntnis ist, wie Sie Ihr Selbstbild mit dem Bild, das andere von Ihnen haben, abgleichen können und was Sie aus diesem Abgleich zwischen Selbstund Fremdbild lernen. Sie finden in diesem Teil außerdem Resilienzübungen und erste Anregungen für einen Resilienztrainingsplan. Die Resilienz eines Menschen entwickelt sich im Laufe des Lebens weiter. In diesem Teil erfahren Sie auch, warum Krisen wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung sind und wie Sie sogar das Scheitern lernen können. Sie werden sehen: Jede überstandene Katastrophe kann dazu beitragen, dass Sie ein bisschen stärker werden.

Kapitel 1

Die Bedeutung von Resilienz IN DIESEM KAPITEL Resilienz als innere Stärke und Widerstandskraft Die eigene Resilienz kennenlernen Resilienz lebenslang ausbauen und stärken Kinder stark fürs Leben machen

Innere Stärke und seelische Widerstandskraft heißen im Fachjargon Resilienz. Dies bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen umgehen zu können. Resiliente Menschen halten auch größte psychische oder physische Belastungen aus, ohne zu zerbrechen. Sie gehen gestärkt aus einer Krise oder Katastrophe hervor. Warum überstehen manche Menschen schwere Schicksalsschläge, während andere sich schon von kleinen Misserfolgen aus der Bahn werfen lassen? Kann man die seelische Widerstandskraft im Laufe des Lebens stärken oder gar überhaupt erst lernen? Die moderne Resilienzforschung hat gezeigt, dass die seelische Widerstandskraft nur zu einem kleinen Teil ererbt wird. Sie entwickelt sich vielmehr vorwiegend im andauernden Austausch zwischen Individuum und Umwelt und ist damit ein dynamischer Anpassungsund Entwicklungsprozess. In diesem Kapitel lernen Sie das Konzept der Resilienz kennen und erfahren, wie Sie Ihre Resilienz und die Ihrer Kinder erweitern und lebenslang stärken können.

Erfolgreich im Leben trotz schwieriger Umstände Arm, blind, verwaist – und trotzdem ein gefeierter Soulmusiker: Ray Charles. Unehelich, vergewaltigt, minderjährig schwanger – und trotzdem die bestbezahlte amerikanische Fernsehmoderatorin: Oprah Winfrey. Vaterlos, mittellos, bildungsfern – und trotzdem deutscher Bundeskanzler: Gerhard Schröder. Solche Biografien zeigen: Auch ganz ohne gute Startchancen und unter schlechtesten Bedingungen können Menschen im Laufe ihres Lebens zur Hochform auflaufen. Solche Menschen bezeichnet man als resilient. Sie müssen sich Krisen, Einschränkungen und Hindernissen stellen, überwinden diese jedoch mit Bravour und machen das Beste aus ihren Möglichkeiten. Wissenschaftliche

Untersuchungen zeigen, dass dafür drei Faktoren wesentlich sind: die Gabe, stolz auf sich zu sein, stabile emotionale Beziehungen zu anderen Menschen und die frühe Bewältigung von Leistungsanforderungen. Wer davon überzeugt ist, schwierige Situationen meistern zu können, kann gelassener und optimistischer durchs Leben gehen als jemand, der sich den Wechselfällen der Welt hilflos ausgesetzt fühlt und Erfolge eher dem Zufall als seinen eigenen Fähigkeiten zuschreibt. Es ist also wesentlich, möglichst früh im Leben schon erfahren zu haben, dass man Einfluss auf den Lauf der Dinge hat. Dies fördert die Selbstwirksamkeitserfahrung und damit die Resilienz.

Das Stehaufmännchen-Konzept Menschen mussten sich schon immer mit Katastrophen und Unheil auseinandersetzen. Nur diejenigen, die solche Krisen in Kindheit und Jugend überlebten, konnten sich fortpflanzen – Widerstandskraft ist also zumindest teilweise erblich. Solche genetischen Faktoren spielen jedoch vermutlich für die Resilienz eines Menschen nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger sind die sozialen und psychologischen Faktoren , beispielsweise: Wie ist ein Mensch in soziale Strukturen eingebunden? Wie schätzt er seine eigenen Ressourcen ein? Wie schicksalsgläubig ist er? Wie viel Kreativität zur Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten steht ihm zur Verfügung? Neben genetischen, sozialen und psychologischen Ansätzen gibt es noch eine weitere Theorie: die mechanistische, die darauf beruht, dass das menschliche Gehirn belastende oder bedrohliche Situationen entweder als überwältigend beziehungsweise nicht beeinflussbar oder aber als handhabbar bewertet. Stress entsteht im Kopf: Das Gehirn analysiert jede Situation blitzschnell und stuft diese entweder als angenehm, neutral oder bedrohlich ein. Bei bedrohlichen Situationen erfolgt eine zweite Analyse: Stehen genügend Bewältigungsstrategien zur Verfügung? Falls ja, wird die Situation als handhabbar eingestuft und der Körper schaltet in den Handlungsmodus um. Der dabei entstehende Stress wirkt positiv, also aktivierend, und wird als Eustress bezeichnet. Wird die Situation jedoch als übermächtig bewertet, schaltet der Körper das uralte Kampf-oder-Flucht-Programm ein oder stellt sich tot. Dieser negative Stress heißt Dysstress.

Resiliente Menschen scheinen Krisen überwiegend als beeinflussbar zu bewerten – diese Bewertung läuft unterbewusst in Sekundenschnelle ab und führt dazu, dass sogenannte Coping-Mechanismen in Gang gesetzt werden: Dadurch kann der in eine bedrohliche Situation geratene Mensch, einem Stehaufmännchen gleich, auf Bewältigungsstrategien zurückgreifen, die ihm in der Vergangenheit bereits geholfen haben, oder er kann neue Strategien entwickeln, um sich aus der Bedrohung zu befreien. Die Erfahrung, eine weitere Krise gemeistert zu haben, wird im Gehirn dann auf der Habenseite abgespeichert und hilft, bei nächster Gelegenheit eine andere schwierige Situation ebenfalls als lösbar zu bewerten.

Ergebnisse der Resilienzforschung Resilienz ist nicht nur für den einzelnen Menschen wichtig, sondern auch für soziale Systeme, also ganze Gesellschaften oder einzelne Gruppen. Krisen und Katastrophen überrollen Dörfer, Städte, Länder, Kontinente – viele davon vollkommen überraschend. Solche Ereignisse nennt man »X-Events« (extreme Ereignisse) und sie wirken sich zumeist verheerend aus. Die Resilienzforschung hat gezeigt, dass diejenigen sozialen Systeme X-Events am besten überstehen, die über eine große Vielfalt an Wissen, Verhaltensweisen und Fähigkeiten verfügen und in denen sich die beteiligten Menschen vertrauen. Wenn ein System auf höchstmögliche Effizienz ausgerichtet ist, erweist es sich zumeist als wenig resilient. Widerstandskraft geht jedoch damit einher, dass auch das Scheitern als Möglichkeit mitgedacht wird. Sowohl Systeme als auch einzelne Menschen streben nach Sicherheit. Sich aber dennoch auf Unsicherheit vorzubereiten, stärkt den Überlebensvorteil – denn es gibt kein Leben ganz ohne Krisen, Katastrophen und Konflikte. Die Resilienzforschung hat darüber hinaus gezeigt, dass Zweifel am Sinn des Lebens oder Fragen nach dem Sinn von Katastrophen die Widerstandskraft von Menschen und Systemen senken. Im Umkehrschluss heißt das: Wenn Menschen oder soziale Systeme einen Sinn im Leben sehen und Katastrophen als gegeben hinnehmen, sind sie in der Lage, auch die größten Widrigkeiten durchzustehen.

Die sieben Säulen der Resilienz Der Glaube, sein eigenes Schicksal sinnvoll beeinflussen zu können, wird in den ersten zehn Lebensjahren erworben. Aber auch im Laufe des weiteren Lebens kann jeder die Fähigkeit, mit widrigen Umständen gut umzugehen, aufbauen, erweitern und üben. Die sieben Säulen der Resilienz sind: Optimismus,

Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege, Zukunftsplanung.

Resilienz ist keinesfalls eine rosarote Brille, die Schwierigkeiten oder Gefahren ausblendet. Im Gegenteil: Ein realistischer Blick auf die Gegebenheiten ist notwendig, um angemessen planen und handeln zu können. In diesem Buch stelle ich Ihnen neben den verschiedenen Resilienzkonzepten auch zahlreiche Übungen und Tipps vor, mit denen Sie Ihre Fähigkeit, Krisen und Schwierigkeiten zu meistern, verbessern können. Die sieben Säulen der Resilienz sind dabei ein roter Faden, der sich durch das Resilienzübungsprogramm durchzieht und Ihnen helfen kann, sich Schritt für Schritt zu stärken. Checklisten und konkrete Fragen zu den sieben Säulen dienen dazu, Ihre Ist-Situation zu analysieren und Ziele zu formulieren, die Sie erreichen möchten, um resilienter zu werden und künftig besser mit Stress, Sorgen und Nöten umgehen zu können.

Optimismus und Akzeptanz Die Grundeinstellung resilienter Menschen ist optimistisch: Sie sind davon überzeugt, dass alles irgendwann wieder gut oder gar noch besser werden wird – und zwar nicht zuletzt, weil sie selbst die Umstände beeinflussen können. »Ich habe es ganz allein geschafft – nicht, weil ich blind, schwarz oder arm war, sondern weil ich ich bin«, sagte Ray Charles, der blinde Musiker. Resiliente Menschen stellen sich der Realität, blenden negative Dinge nicht aus und verleugnen Krisen nicht. Sie akzeptieren Schwierigkeiten und lassen ihren Gefühlen dabei freien Lauf. Wenn sie traurig sind, weinen sie. Wenn sie einsam sind, suchen sie Kontakt. Wenn sie nicht mehr weiterwissen, bitten sie andere um Hilfe. Auch resiliente Menschen machen immer wieder die Erfahrung, dass sie etwas nicht schaffen, dass sie scheitern, dass ihnen etwas misslingt. Sie nehmen sich Zeit, um wieder klar denken zu können und neue Kraft zu sammeln. Im Vertrauen auf ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten akzeptieren sie, dass etwas vielleicht nicht so geklappt hat wie gewünscht, obwohl sie sich angestrengt haben – sie sind sich aber sicher, dass wieder bessere Zeiten kommen, in denen sie die Früchte ihrer Anstrengung ernten können. Wenn Sie in einer Krise stecken und sich hilflos fühlen, akzeptieren Sie Ihre Ängste

ohne schlechtes Gewissen. Sorgen Sie dafür, dass Sie sich trotzdem sicher fühlen können, indem Sie Schutz, Hilfe und Unterstützung annehmen. Sie müssen nicht alles allein schaffen, sondern dürfen Schwäche zeigen. Resilienz bedeutet auch, die eigenen Grenzen zu akzeptieren.

Handlungsfähigkeit und Verantwortungsbereitschaft Wer sich als Opfer hilflos einer Katastrophe ausgeliefert fühlt, verfällt möglicherweise völlig gelähmt in einen archaischen Totstellreflex. Auch resiliente Menschen kennen das Gefühl der Hilflosigkeit und akzeptieren es einige Zeit. Irgendwann krempeln sie dann jedoch im wörtlichen oder übertragenen Sinne die Ärmel hoch und loten ihren Handlungsspielraum aus. Sie legen die Opferrolle ab, prüfen die ihnen zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten, probieren verschiedene Strategien aus und analysieren das Ergebnis ihres Tuns. Darüber hinaus ist Verantwortungsbereitschaft wichtig: Resiliente Menschen können realistisch einschätzen, wie groß ihr eigener Anteil an einer schwierigen Situation ist und was sie selbst zum Entstehen einer Krise beigetragen haben. Sie haben möglicherweise Schuldgefühle, quälen sich aber nicht mit endlosen Vorwürfen oder fruchtlosen Schuldzuweisungen.

Lösungsorientierung und Zukunftsplanung In einer Krise verzweifelt und mutlos zu sein, ist ganz normal. Wer von schlimmen Ereignissen überrollt oder von einem Schicksalsschlag in die Knie gezwungen wird, braucht Zeit, um seine Situation zu akzeptieren. Auch die Frage nach dem Warum und der Wunsch nach einem gerechten Ausgleich sind nachvollziehbare Reaktionen auf eine Katastrophe. Wer jedoch in diesem Zustand der Rat- und Hilflosigkeit verharrt, findet nur schwer einen Weg in die Zukunft. Resiliente Menschen sind in der Lage, die Folgen des Geschehenen für ihr Leben zu analysieren und nach Lösungen für ihre Schwierigkeiten zu suchen. Sie überdenken die ihnen zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten, hinterfragen die Folgen der Krise und entscheiden sich für ihren individuellen Weg im Umgang mit schwierigen Situationen. Lösungsorientierung ist immer besser als Problemorientierung: Die eine Haltung ist vorwärts orientiert und ermöglicht Aktivität, die andere ist rückwärtsgerichtet und damit wenig konstruktiv. Loslassen erhöht die Gelassenheit und führt so zu einer ausgeglichenen, entspannten Gemütsverfassung. Festhalten erhöht hingegen oft den inneren Druck und die Anspannung. Eine gute Mischung aus Anspannung und Entspannung fördert die Gesundheit – Festhalten und Loslassen sollten sich also abwechseln. Krisen für möglich oder gar für sehr wahrscheinlich zu halten, ist ein weiteres Merkmal von Resilienz: Wer sich nicht darauf verlässt, dass die Sonne immerzu scheinen und das Leben stets einfach und bequem sein wird, kann sich besser auf Schwierigkeiten

vorbereiten. Resiliente Menschen sind Meister im Loslassen: Sie nehmen sowohl das Gute als auch das Schlechte hin, klammern sich an nichts fest und akzeptieren die Wechselfälle des Lebens so, wie sie eben sind. Resilienz besteht unter anderem auch darin, die Zukunft realistisch zu planen und sich auf Krisen so gut wie möglich vorzubereiten.

Netzwerkpflege macht stark Geteiltes Leid ist halbes Leid: Wer seine Sorgen und Nöte mit anderen teilt, entlastet sich ein wenig und sichert sich gleichzeitig die Unterstützung seiner Mitmenschen. Resiliente Menschen schaffen es, anderen Menschen mitzuteilen, welche Hilfe sie brauchen – sie bitten konkret um Rat und Tat. Netzwerkpflege ist ein ständiges Geben und Nehmen. Die Rollen des Helfenden und des Hilfesuchenden wechseln sich ab. Wer Kraft in sein Netzwerk investiert und sich um andere kümmert, wird in Krisenzeiten nicht alleinstehen. Stabile soziale Beziehungen halten gesund: Wer enge Bindungen pflegt, hat eine höhere Lebenserwartung, ein stärkeres Immunsystem und weniger Depressionen. Fehlender sozialer Rückhalt erwies sich in wissenschaftlichen Untersuchungen hingegen als genauso schädlich wie das Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag. Resiliente Menschen können gut unterscheiden, wer ihnen wirklich hilft, weil er empathisch und zugewandt ist – und wer nur daran interessiert ist, aus einer Beziehung Profit zu ziehen. Von solchen Menschen verabschieden widerstandsfähige Persönlichkeiten sich rasch, wenn es gilt, eine Krise durchzustehen. Denn hohle Worte oder leere Versprechungen kosten nur weitere Kraft, weil sie enttäuschend und frustrierend sind.

Die eigenen inneren Ressourcen kennenlernen Viele Menschen leben ihr Leben, ohne regelmäßig oder gar intensiv über sich nachzudenken. Solange alles in geordneten Bahnen läuft, stellen sie sich, ihre Ziele und ihre Handlungsweisen nicht infrage, sondern bewältigen ihren Alltag und seine Herausforderungen, so gut sie können. Wenn etwas schiefläuft, denken sie – je nach Persönlichkeitsstruktur – entweder »Beim nächsten Mal klappt es ganz sicher wieder« (Optimist), »Immer misslingt mir alles« (Pessimist) oder »Jetzt ist es schiefgegangen, aber vielleicht geht es bald wieder besser« (Realist). Wenn jedoch eine richtige Krise über die Menschen hereinbricht, zieht es unabhängig von der Persönlichkeitsstruktur manchen den Boden unter den Füßen weg, während andere hinfallen, aufstehen, sich im übertragenen Sinne den Staub abklopfen und weitermachen. Zu welcher Gruppe gehören Sie: Sind Sie ein Stehaufmännchen oder wirft eine Krise Sie aus der Bahn?

Wenn Sie immer wieder im Leben die Erfahrung gemacht haben, dass schwierige Situationen, Stress oder Katastrophen Sie lähmen, handlungsunfähig machen oder an sich selbst zweifeln lassen, könnte es sinnvoll sein, dass Sie Ihre Ressourcen besser kennenlernen und Ihre Resilienz stärken. Haben Sie hingegen festgestellt, dass Krisen Ihnen wenig ausmachen und Sie vielleicht sogar gestärkt daraus hervorgehen, dann ist Ihre Resilienz vermutlich bereits gut ausgeprägt und Sie können anderen Menschen als Vorbild dienen oder zur Seite stehen. So oder so, die Analyse der eigenen Ressourcen und die Selbstreflexion sind immer hilfreich und helfen dabei, die eigene Position in der Welt zu verstehen und möglicherweise auch zu ändern.

Stolz auf sich selbst sein Selbstwert ist einer der Schlüsselfaktoren für die Resilienz. Worauf sind Sie stolz? Beantworten Sie sich ganz in Ruhe folgende Fragen: Was mögen Sie an sich besonders gern? Schreiben Sie fünf oder mehr Punkte dazu auf. Was können Sie besonders gut? Notieren Sie mindestens fünf Dinge. Was sagen die Menschen, die Ihnen wichtig sind, über Sie? Bestimmt fallen Ihnen fünf positive Aussagen ein. Wenn Sie sich einem fremden Menschen beschreiben müssten, welche fünf Adjektive würden Sie benutzen? Schauen Sie sich Ihre Listen an – was löst es bei Ihnen aus, etwas Gutes über sich selbst zu denken und zu lesen? Können Sie stolz auf sich sein und diesen Stolz zulassen? Resiliente Menschen haben ein stabiles Selbstwertgefühl und finden sich selbst liebenswert. Sie schauen nicht unkritisch auf sich, sondern sehen ihre Stärken und positiven Eigenschaften mit großer Wertschätzung. Wenn sie etwas geschafft haben, sind sie mit sich sehr zufrieden und können dies auch zum Ausdruck bringen. Beobachten Sie Kinder einmal dabei, wie sie neue Fertigkeiten erlernen und sich dann an ihrem Erfolg freuen: Ein Kind strahlt über das ganze Gesicht, wenn es zum ersten Mal geschafft hat, eine Türklinke herunterzudrücken. Es klatscht vor Freude in die Hände, wenn es einen Turm aus Bauklötzen gebaut hat, der nicht umkippt. Und es möchte, dass seine Eltern Anteil daran nehmen, wenn es etwas Neues gelernt hat: »Schau mal, was ich kann!« Versuchen Sie, sich an Ihrem nächsten kleinen oder großen Erfolg wie ein Kind zu freuen. Wie fühlt sich das an? Können Sie Ihren Stolz genießen? Wenn Sie Ihre Resilienz vergrößern möchten, halten Sie regelmäßig inne und überlegen sich, worauf Sie bei sich selbst stolz sind. Konzentrieren Sie sich nicht auf materiellen

Besitz, sondern richten Sie Ihr Augenmerk auf Ihren inneren Reichtum. Jeder Mensch hat innere Werte – erkennen Sie Ihre Stärken und erfreuen Sie sich daran. In diesem Buch stelle ich Ihnen zahlreiche Übungen vor, mit denen Sie Ihr Selbstwertgefühl stabilisieren können.

Emotionale Bindungen eingehen Resiliente Menschen verfügen über ein sicheres soziales Netz. Sie sind bindungswillig und -fähig, pflegen Beziehungen zu anderen Menschen und suchen sich in Zeiten der Not Unterstützung und Beistand. Wie steht es um Ihre emotionalen Bindungen? Stellen Sie sich dazu ein paar Fragen: Wenn Sie nachts um drei Uhr dringend mit einem vertrauten Menschen reden müssten, um nicht zu verzweifeln, wen würden Sie anrufen? Vielleicht fallen Ihnen eine, zwei oder sogar drei Personen ein, die Sie aus dem Bett werfen dürfen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Falls Sie diskreten Rat in einer heiklen Situation bräuchten, wen würden Sie fragen? Notieren Sie die Person(en). Welche Ihrer Freunde und Verwandten gratulieren Ihnen zuverlässig jedes Jahr zum Geburtstag? Schreiben Sie auf, wer das ist. Wem würden Sie Ihr letztes Hemd schenken? Und wen würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen? Prüfen Sie, ob Sie auf beide Fragen dieselbe Person nennen oder ob Ihnen zwei Menschen einfallen. Zwischenmenschliche Beziehungen brauchen mindestens genauso viel Pflege wie Ihre Karriere, die Wohnung, das Auto, ein Hobby oder Ihr Garten. Die Kraft, die Sie in andere Menschen investieren, bekommen Sie im Laufe der Zeit doppelt und dreifach zurück – wenn es Ihnen nicht gut geht, wenn Sie von einem Schicksalsschlag getroffen oder von einer Katastrophe überrollt werden, trennt sich in Ihrem sozialen Umfeld die Spreu vom Weizen. Diejenigen Menschen, denen Sie wichtig sind und um die Sie sich beständig gekümmert haben, werden Ihnen verlässlich zur Seite stehen und Ihnen unaufgefordert oder auf Ihre Bitte hin sicherlich helfen. Menschen, zu denen Sie nur eine oberflächliche, unverbindliche Beziehung haben, ziehen sich in schlechten Zeiten zurück und überlassen Sie Ihrem Schicksal. In den nächsten Kapiteln finden Sie Tipps, wie Sie Ihr soziales Netz knüpfen, pflegen und vergrößern können, denn stabile emotionale Beziehungen sind ein Grundpfeiler der Resilienz. Wenn Sie Menschen haben, denen Sie blind vertrauen können, sind Sie auch in der Lage, Notzeiten durchzustehen und gestärkt aus Krisen hervorzugehen.

Leistungsanforderungen bewältigen Wer schon früh im Leben die Möglichkeit hatte, zu erfahren, dass er etwas leisten, Dinge

bewegen und Ziele erreichen kann, dessen Resilienz ist erfahrungsgemäß groß. Und auch im Laufe des Lebens ist es wichtig, immer wieder zu spüren, dass man Einfluss auf die Welt hat – im Kleinen wie im Großen. Fragen Sie sich: Welche Aufgaben haben Sie im Alter von vier bis zehn Jahren in Ihrer Familie übernommen? Erinnern Sie sich an etwas, das zuerst schwierig war, Ihnen dann aber gut gelungen ist? Gibt es eine Situation in Ihrer Kindheit oder Jugend, in der Sie eigentlich dachten, dass Sie dafür noch zu klein oder zu schwach sind, die Sie dann aber erfolgreich gemeistert haben? Auf welche Leistung waren Sie in Ihrer Schulzeit besonders stolz? Welches Ziel haben Sie in der Pubertät erreicht, obwohl alle dachten, Sie schaffen es nicht? Mit welcher Leistung identifizieren Sie sich in Ihren einzelnen Lebensjahrzehnten besonders? Vielleicht sind Sie nun ganz erstaunt schwarz auf weiß lesen zu können, was Sie in Ihrem Leben schon alles geleistet und welche Ziele Sie erreicht haben – die eigene Leistungsfähigkeit steht bei vielen Menschen nicht im Fokus ihrer Aufmerksamkeit. Viele halten es entweder für selbstverständlich oder für nicht der Rede wert, dass sie viel leisten. In diesem Buch erläutere ich Ihnen, warum es wichtig ist, die eigene Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen und stolz auf das zu sein, was Sie erreichen. Sie fördern Ihre Resilienz, wenn Sie sich Ihr eigenes Denken und Handeln bewusst machen und wertschätzen, was Sie leisten können.

Resilienz lebenslang erweitern Die Resilienzforschung zeigt, dass der Grundstein für innere Widerstandskraft zwar in der Kindheit gelegt wird, dass man aber sein ganzes Leben lang die eigene innere Stärke ausbauen kann. Auch diejenigen, denen nur wenige resilienzfördernde Faktoren in die Wiege gelegt wurden, sind in der Lage, sich selbst widerstandsfähiger zu machen und krisentauglich zu werden beziehungsweise zu bleiben. Dieses Buch soll Ihnen dabei helfen, Ihre aktuelle Resilienz einzuschätzen und sie stetig zu erweitern. Mit zahlreichen Übungen und Checklisten unterstütze ich Sie dabei, sich ein Trainingsprogramm für mehr innere Kraft zusammenzustellen.

Lösungsorientiert denken Weg vom Problem, hin zur Lösung – dieser Grundsatz zeichnet die Positive Psychologie aus. Hierbei wird nicht mehr auf Defizite, Schwächen, Fehler oder Versäumnisse geschaut, sondern der Blick richtet sich nach vorn: Welche Lösungswege gibt es, welche

Ressourcen stehen einem Menschen zur Verfügung, wie kann er sich selbst helfen, wo kann er Unterstützung einfordern? Sie können diese Haltung problemlos in Ihren Alltag übernehmen. Denken Sie künftig bei Herausforderungen an deren Bewältigung, statt darüber zu grübeln, warum es wieder einmal Sie getroffen hat, wieso das Schicksal es ausgerechnet mit Ihnen so schlecht meint, welchen Sinn die Krise hat oder dass es ja eigentlich von vornherein klar war, dass Ihnen alles misslingt. In diesem Buch finden Sie Tipps für das lösungsorientierte Denken, das Ihre Resilienz stärken kann. Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen großen Scheinwerfer – wie er zum Beispiel bei den Dreharbeiten zu einem Film benutzt wird. Wenn Sie in eine schwierige Situation geraten, können Sie mit dem Scheinwerfer entweder in die Ecke leuchten, aus der die Bedrohung kommt. Oder Sie schwenken den Scheinwerfer in die Ecke, in der sich der Notausgang befindet, und beleuchten Ihren Ausweg. Oft ist es durchaus sinnvoll, erst einmal das Problem auszuleuchten. Vergessen Sie dann aber nicht, den Lösungsweg recht bald ins Licht zu rücken.

Verantwortung übernehmen Resiliente Menschen erkennen sowohl ihren eigenen Anteil an Krisen als auch ihre Handlungsmöglichkeiten, um Krisen zu überwinden. Es fördert die Resilienz, sich nicht hilflos dem Schicksal ausgeliefert zu fühlen, sondern Verantwortung für das eigene Schicksal zu übernehmen. Probieren Sie das im Alltag einmal aus: Wenn Sie den Impuls spüren, andere Menschen für Ihre Probleme verantwortlich zu machen, stellen Sie sich vor Ihrem inneren Auge ein großes rotes Stoppschild vor. Halten Sie inne und fragen Sie sich, was Sie selbst dazu beigetragen haben, dass es zu diesem Problem kam. Vielleicht haben Sie etwas missverstanden? Vielleicht haben Sie sich missverständlich ausgedrückt? Vielleicht haben Sie etwas von anderen Menschen erwartet, wovon diese gar nichts ahnten? Richten Sie dann den Blick auf Ihre Eigenverantwortung: Was können Sie tun, um das Problem zu lösen? Welche Auswirkungen hat das Problem auf Ihre aktuelle Situation? Wie können Sie in Zukunft ähnliche Probleme vermeiden? Es kann zunächst unbequem, lästig oder gar bedrohlich sein, die Verantwortung nicht auf andere zu schieben, sondern selbst zu schultern. Doch es lohnt sich: Wenn Sie sich immer wieder bewusst machen, dass Sie in Ihrem Leben am Steuerrad stehen und Ihr Schiff durch Stürme und hohe Wellen lenken, werden Sie zunehmend resilienter. Sie spüren Ihre Selbstwirksamkeit immer deutlicher und können Ihre Kräfte und Fähigkeiten besser einschätzen und zielgerichteter einsetzen. In den nächsten Kapiteln unterstütze ich Sie mit Übungen und Reflexionen dabei, Ihre Eigenverantwortung zu erkennen und Freude daran zu entwickeln, Dinge selbst in die Hand zu nehmen.

Das Leben nehmen, wie es ist »Wer nach dem Sinn des Lebens fragt, hat ihn längst verloren« – dieser Kalenderspruch

enthält viel Wahrheit, denn ohne Verlorenheit würde sich die Sinnfrage nicht stellen. Resiliente Menschen sind zumeist davon überzeugt, dass das Leben einen Sinn hat, auch wenn sie diesen Sinn nicht immer erkennen können oder (noch) nicht verstanden haben. Sie akzeptieren das Leben so, wie es ist, und verlieren sich nicht in quälenden oder lähmenden Gedankenkreisen. Den Sinn des eigenen Handelns zu hinterfragen, ist hingegen eine andere Sache: Selbstreflexion trägt erheblich zur Resilienz bei. Krisen und Schwierigkeiten gehören zum Leben dazu. Wenn alles glatt läuft, werden Menschen manchmal träge und unaufmerksam. Es ist wenig hilfreich, den Sinn des Lebens grundsätzlich infrage zu stellen, weil eine Katastrophe passiert. Auch die Frage »Warum ich?« bringt Sie nicht wirklich weiter. Die sinnvollere Haltung schwierigen Herausforderungen gegenüber ist vielmehr eine Haltung der Akzeptanz: »Es ist so, wie es ist – und ich werde versuchen, das Beste daraus zu machen.« »Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie«, sagte der Philosoph Friedrich Nietzsche. Der Holocaust-Überlebende und Psychotherapeut Viktor Frankl ergänzte dies noch: »Das Wissen um eine Lebensaufgabe hat einen eminenten psychotherapeutischen und psychohygienischen Wert.« In diesem Buch finden Sie viele Übungen, die Ihnen dabei helfen können, Ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und aus den alltäglichen Gegebenheiten das Beste zu machen. Sie können Ihre Resilienz trainieren, indem Sie Ihrem Leben Sinn geben – immer wieder aufs Neue, auch wenn Sie oft genug mit vermeintlichem Unsinn zu tun haben.

Krisen überwinden und daran wachsen Kein Leben ohne Krisen, kein Fortschritt ohne Rückschläge: Seit Menschen die Erde bevölkern, müssen sie Naturkatastrophen, Hungersnöte, Kriege und Schicksalsschläge ertragen und überwinden. Manche Menschen zerbrechen an schlimmen Erfahrungen, an manchen gehen Krisen spurlos vorüber, andere wachsen sogar daran. Wer gestärkt aus schwierigen Situationen hervorgeht, wird als resilient oder widerstandsfähig bezeichnet. Dabei steht nicht im Vordergrund, wie kämpferisch jemand ist. Eine wichtige Fähigkeit resilienter Menschen besteht vielmehr darin, sicher unterscheiden zu können, wann es sich zu kämpfen lohnt und wann man sich lieber seinem Schicksal fügen sollte. Wenn ein resilienter Mensch spürt, dass Kampf angesagt ist und sich lohnt, aktiviert er seine Ressourcen und läuft zur Hochform auf. Wenn er jedoch absehen kann, dass der Kampf mit größter Wahrscheinlichkeit verloren gehen wird, gibt er auf und akzeptiert das Unausweichliche. Dieses Aufgeben ist kein Scheitern, sondern in manchen Fällen genau der richtige Weg, um nicht kaputtzugehen.

Jede Krise kann eine Chance sein Wenn das Leben immer nur ruhig und gleichmäßig, stressfrei und bequem verläuft,

geschieht nichts Neues. Viele wichtige Veränderungen gehen auf Krisen zurück: Revolutionen, Kriege und wirtschaftliche Zusammenbrüche führen oft zu einer politischen oder sozialen Erneuerung der Gesellschaft. Naturkatastrophen spornen den Forschergeist an und Seuchenausbrüche fördern die medizinische Entwicklung. Vergleichbares gilt auch für persönliche Krisen: Sie können bewirken, dass ein Mensch noch einmal ganz von vorn anfängt, sich neu erfindet, einen anderen Weg einschlägt, etwas Ungeahntes über sich selbst lernt. Das chinesische Schriftzeichen für »Krise« (wei-ji) besteht aus zwei Teilen: »wei« bedeutet Gefahr und »ji« bedeutet Chance. Denn jede Krise ist zwar eine Gefahr, bietet aber auch die Chance, über sich hinauszuwachsen. Nehmen Sie sich ein bisschen Zeit und schauen Sie sich Ihren bisherigen Lebensweg in Ruhe an: Wie oft waren Sie im Leben schon an einem Tiefpunkt und haben sich dann wieder aufgerappelt? Wer oder was hat Ihnen auf dem Weg aus dem Tief herausgeholfen? Was ist Ihnen misslungen, woran sind Sie gescheitert? Mit welchen Mitteln haben Sie den Misserfolg, das Scheitern überwunden? In welchen Momenten waren Sie verzweifelt, verängstigt oder haben sich verloren gefühlt? Wodurch hat sich Ihre Stimmung wieder verbessert, wer oder was hat Ihnen Sicherheit und Mut gegeben? Welche Probleme erschienen Ihnen zunächst unüberwindlich, erwiesen sich dann aber als lösbar? Was haben Sie daraus gelernt? Vielleicht erkennen Sie durch diese Reflexion bereits Ihr persönliches Muster: Sind Sie resilient, also nach jeder Krise stärker als zuvor? Dann können Sie Ihre bereits vorhandenen Ressourcen weiter ausbauen und sich durch Resilienzübungen noch widerstandsfähiger machen. Oder verfügen Sie über wenig innere Widerstandskraft und lassen sich von schwierigen Situationen erdrücken? Dann finden Sie in diesem Buch zahlreiche Beispiele, Tipps und Tricks, um Ihre Resilienz zu schulen und innerlich stärker zu werden.

Schutzfaktoren konsequent stärken Aus Ihren Antworten auf die Fragen im vorherigen Abschnitt können Sie Ihre persönlichen Schutzfaktoren ableiten: Ihr soziales Netz, also die Menschen, die Sie auf Ihrem Weg begleiten, die Ihnen helfen, Ihnen zur Seite stehen und für Sie da sind; Ihren Selbstwert, also das Wissen um Ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Ressourcen,

sowie die Wertschätzung dessen, was Sie können und sind; Ihre Grundhaltung, also die Einstellung, mit der Sie Krisen und schwierigen Situationen begegnen; Ihre Lösungsorientierung, also die Fähigkeit, nach vorn zu schauen und Probleme aktiv anzugehen; Ihre Selbstwirksamkeitserwartung, also Ihr Glaube an sich selbst. Dieses Buch kann Ihnen dabei helfen herauszufinden, welche Rolle die einzelnen Schutzfaktoren in Ihrem Leben spielen und wie Sie sie stärken können. Ein wichtiger Schutzfaktor, der vor dem Zusammenbruch in Krisen und Katastrophen schützt, ist der Humor: Resiliente Menschen bewahren sich auch in schweren Zeiten den Blick für die lustigen oder skurrilen Momente, nehmen nicht alles ganz so ernst, haben eine distanzierte Haltung und schauen mit einem Augenzwinkern auf die sich ihnen stellenden Herausforderungen. Wenn Sie in einer schwierigen Situation das Gefühl haben, überhaupt nicht mehr lachen zu können, probieren Sie eine Übung aus dem Lachyoga aus: Atmen Sie einige Male tief ein und aus, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nach innen und fangen Sie dann ganz leise an zu kichern – ganz ohne Grund. Steigern Sie sich vom Kichern zum herzhaften Lachen. Dämpfen Sie dann die Lautstärke wieder und beenden Sie die Übung mit einem lustigen Kichern bei geschlossenen Lippen. Atmen Sie anschließend noch ein paar Mal ein und aus und kehren Sie dann mit Ihrer Aufmerksamkeit zurück nach außen. Auch wenn Sie überhaupt keinen Grund zum Lachen hatten, wird die Lachübung Ihnen ein gutes Gefühl vermitteln, denn Ihr Körper kann nicht unterscheiden zwischen dem Lachen über einen Witz und dem Lachen ohne Grund. Die Wirkung ist immer dieselbe: Glückshormone werden ausgeschüttet, Ihre Atmung vertieft sich, die Spannung im Körper löst sich und Sie denken an nichts Schlechtes. Lachyoga stammt aus Indien und wurde von einem Arzt entwickelt. Die positive Wirkung des Lachens ohne Grund auf Immunsystem und Psyche ist wissenschaftlich erwiesen.

Aus jeder Krise für die nächste lernen Sie können aus jeder Krise, die Sie überstanden haben, etwas lernen. Je älter Sie werden, desto mehr schwierige Situationen haben Sie in Ihrem Leben vermutlich bereits gemeistert. Diese Erfahrung kann Ihnen dabei helfen, sich nicht mehr als Opfer des Schicksals zu erleben, sondern als handelnde Person, die an Problemen wächst. Sogar Menschen, die aufgrund einer Katastrophe eine psychische Störung (die posttraumatische Belastungsstörung, abgekürzt PTBS) entwickeln, können durch eine psychotherapeutische Behandlung ihr Trauma überwinden und zu neuer innerer Stärke finden.

Aber auch diejenigen, die nach einer Krise geschwächt sind, sich zunächst gar nichts mehr zutrauen oder kaum belastbar sind, brauchen sich nicht als Versager zu fühlen. Sie erleben ihre persönlichen Grenzen und haben die Chance, sich dadurch neu zu definieren. Vielleicht benötigen sie ganz einfach mehr Hilfe und Unterstützung, als sie sich bisher zugestanden haben. Oder sie sollten sich eine Auszeit erlauben, um wieder zu Kräften zu kommen und neu anzufangen. Wer erlebt hat, dass er durch eine schwierige Lebenssituation in die Knie geht und vielleicht sogar krank wird, wird bei der nächsten Belastung vermutlich schonender mit seinen Kräften umgehen und früher die Notbremse ziehen.

Resilienz von Kindern stärken Jeder, der Verantwortung für ein Kind trägt und diese Verantwortung ernst nimmt – sei es als Elternteil, als Patin, als enger Verwandter, als Freundin, als Nachbar, als Erzieherin oder als Lehrer –, fördert die Resilienz des Kindes. Eine enge, belastbare, vertrauensvolle und tragfähige Beziehung ist für ein Kind unverzichtbar, um resilient zu werden. Diese Erkenntnis ist wissenschaftlich belegt: Mehr als ein Dutzend Studien haben sich weltweit mit der Frage beschäftigt, warum manche Kinder aus extrem schwierigen familiären oder sozialen Verhältnissen sich zu seelisch, geistig und körperlich gesunden Erwachsenen entwickeln, die ein glückliches und erfolgreiches Leben führen. All diese Studien weisen in dieselbe Richtung: Es gibt einige Schutzfaktoren, die Kinder innerlich stark machen und ihre Widerstandsfähigkeit erhöhen.

Die Kauai-Studie: Starke Kinder aus Hawaii Die bislang umfassendste Untersuchung zum Thema Resilienz stammt von der US-amerikanischen Forscherin Emmy Werner. Sie begleitete den Geburtsjahrgang 1955 der kleinen hawaiianischen Insel Kauai. 698 Mädchen und Jungen wurden von Emmy Werners Team mehr als vierzig Jahre lang regelmäßig befragt. Knapp ein Drittel der Kinder (201) wurde in schwierige Familien mit kranken, alkoholsüchtigen oder kriminellen Eltern hineingeboren. Zwei Drittel (129) dieser Kinder mit schlechten Startchancen hatten selbst größte Schwierigkeiten im Leben; sie wurden krank, kriminell, verhaltensgestört oder lernbehindert. Ein Drittel (72) der vom Schicksal nicht begünstigten Kinder wuchs hingegen zu gesunden, glücklichen und erfolgreichen Erwachsenen heran. Als wichtigste resilienzfördernde Faktoren erwiesen sich stabile emotionale Bindungen, Intelligenz, ein hohes Selbstwertgefühl, eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung, ein ausgeglichenes Temperament sowie die Fähigkeit vorauszudenken. Ähnliche Zahlenverhältnisse und inhaltliche Ergebnisse zeigen auch andere internationale Studien.

Sichere Bindungen machen Kinder stark Eltern sind die ersten und wichtigsten Beziehungspersonen eines Kindes. Ihnen obliegt die körperliche und seelische Pflege des kleinen Menschleins, das ohne Schutz und Versorgung durch Erwachsene nicht überlebensfähig wäre. Eltern, die sich dieser wichtigen Aufgabe voller Liebe und Freude stellen, geben ihrem Kind wichtiges Rüstzeug fürs Leben mit: Urvertrauen, Selbstvertrauen, Bindungsfähigkeit, Resilienz.

Wenn Sie keine eigenen Kinder haben, können Sie trotzdem die Resilienz der nächsten Generation stärken – indem Sie Verantwortung für ein Kind in Ihrer Umgebung übernehmen und mit ihm eine stabile, verlässliche Beziehung aufbauen. Vielleicht können Sie sich in der Nachbarschaft, in der Kirchengemeinde, in einem Verein oder in Ihrer weitläufigeren Verwandtschaft engagieren. Manchmal sind Eltern jedoch nicht in der Lage, ihr Kind angemessen zu versorgen – weil sie krank, kriminell, persönlichkeitsgestört oder abwesend sind. In diesen Fällen kann auch eine außenstehende Person für das Kind wichtig sein: eine Großmutter oder ein Großvater, eine Tante oder ein Onkel, eine Freundin oder ein Freund der Familie, eine Erzieherin, ein Trainer, ein Lehrer oder ein Seelsorger. Wichtig ist, dass die Bezugsperson dem Kind das Gefühl der Sicherheit und Verlässlichkeit vermittelt, dass sie das Selbstwertgefühl des Kindes stärkt und ihm Lernchancen und Verantwortung gibt. Wer als Kind sichere Bindungen erlebt hat, kann im späteren Leben selbst auch wieder sichere Bindungen eingehen.

Erfolge feiern und Misserfolge aushalten In Resilienzstudien ist ein häufig nachgewiesener Schutzfaktor der Status des Erstgeborenen. Kinder, denen schon früh im Leben Verantwortung übertragen wurde und die Aufgaben in der Familie bewältigen können, erfahren bereits im jungen Alter, dass sie leistungsfähig sind und etwas bewegen und bewirken können. Dies stärkt die Selbstwirksamkeitserwartung und fördert das Selbstwertgefühl. Dabei ist es wichtig, dass die Anforderungen, die an das Kind gestellt werden, altersentsprechend sind. Wenn Sie Ihr eigenes oder ein Ihnen anvertrautes Kind mit innerer Stärke ausstatten möchten, sollten Sie ihm etwas zutrauen: Geben Sie dem Kind feste Aufgaben und helfen Sie ihm dabei, die Aufgaben selbst zu lösen. »Hilf mir, es selbst zu tun« – dieser Grundsatz aus der Montessori-Pädagogik ist ein resilienzfördernder Ansatz. Erfolge, die ein Kind erzielt, in der Familie anzuerkennen und gebührend zu feiern stärkt die Widerstandsfähigkeit des Kindes. Es erlebt sich dann als kompetent und bekommt diese Kompetenz von den Erwachsenen gespiegelt. Auch wenn ein Kind selbstständig Konflikte lösen lernt, macht es wichtige Erfahrungen: Jeder Streit, jeder Konflikt ist für ein Kind eine Herausforderung. Diese Herausforderung zu meistern, fördert die Resilienz. Dabei ist es besonders hilfreich, wenn das Kind sich vertrauensvoll an seine Bezugsperson wenden kann, wenn es nicht mehr weiterkommt. Dadurch lernt es, sich Hilfe zu holen und Unterstützung anzunehmen. Liebende Eltern möchten ihrem Kind jeden Schmerz ersparen. Doch das klappt nicht einmal dann, wenn das Kind rund um die Uhr überwacht und behütet wird. Im Gegenteil – Überbehütung ist schädlich, denn auch wenn einem Kind etwas misslingt, wenn es sich

wehtut, wenn ihm etwas Schlechtes widerfährt, lernt es daraus viel fürs Leben: Jedes Missgeschick ist eine kleine oder größere Krise, aus der das Kind gestärkt hervorgehen kann. Es braucht dabei Anleitung zur Krisenbewältigung – beispielsweise wie es über seine Gefühle sprechen und wo es sich Verbündete suchen kann. Aber es braucht eben auch Misserfolge, um wachsen zu können.

Kinder können mehr Kinder sind auf Überleben programmiert. Sie halten sehr viel aus und können auch unter widrigsten Bedingungen gedeihen, wenn sie liebevoll begleitet werden und Hilfe zur Selbsthilfe bekommen. Mit gezielter Förderung werden sie zu resilienten Erwachsenen, die Schwierigkeiten bewältigen und Krisen meistern können. Trauen Sie Ihren Kindern etwas zu! Achten Sie bei Ihren Kindern auf die systematische Entwicklung folgender Bereiche und seien Sie dabei ein Vorbild: Kontakt- und Bindungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Umgang mit Stress und Anspannung, Neugier, Lösungsorientierung, Selbstbehauptung. Ein Kind, das über die verlässlichen Bindungen hinaus auch noch eine kontinuierliche Bildung bekommt, wird mit größter Wahrscheinlichkeit zu einem resilienten Erwachsenen heranreifen. Stark und schlau sein – das sind gute Voraussetzungen für innere Widerstandskraft.

Kapitel 2

Resilienz fördern IN DIESEM KAPITEL Selbsterkenntnis als Grundlage für Resilienz Den Glauben an sich selbst stärken Das innere Team nutzen Burn-out-Prävention durch mehr Resilienz

Resilienz ist nicht schwarz oder weiß – niemand ist immer und absolut resilient, genauso wenig wie kein Mensch und kein System über null Resilienz verfügt. Resilienz ist vielmehr ein Kontinuum: Es gibt im Leben eines Menschen Zeiten und Gelegenheiten, in denen er resilienter ist als zu anderen Zeiten und Gelegenheiten. Dieses Kapitel soll Ihnen helfen zu erkennen, wo und wann Sie in Ihrem Leben schon besonders resilient gewesen sind, damit Sie daraus für die Zukunft lernen und Ihre eigene Resilienz fördern können. Sie bekommen Tipps für Strategien, mit denen Sie sich selbst von den Folgen traumatischer Erlebnisse heilen und für kommende Katastrophen wappnen können.

Sich selbst besser kennenlernen Ihr Ziel, resilienter zu werden, erreichen Sie am besten, wenn Sie sich über Ihre Ausgangssituation klar werden: Welche Stärken, Ressourcen und Lösungsstrategien haben Sie bereits? Und wo liegen Ihre Schwächen, Defizite und Blockaden? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen erfordert Zeit und Ehrlichkeit. Sie können sich allein damit beschäftigen, sich mit Vertrauten darüber unterhalten oder professionelle Unterstützung suchen. Ganz gleich, welchen Weg Sie wählen: Freuen Sie sich auf spannende Erkenntnisse, haben Sie Mut und seien Sie zuversichtlich, denn das Ergebnis Ihrer Reise zu mehr Selbsterkenntnis ist die Sicherheit, dass Sie sich künftig besser einschätzen und effizienter helfen können, auch wenn es im Leben wieder einmal eng wird.

Der Blick in den Spiegel

Selbsterkenntnis beginnt mit dem ehrlichen Blick in den Spiegel – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne, also sowohl bezogen auf Ihre äußeren Eigenschaften als auch auf Ihr Innerstes. Wichtig dabei ist, die Bestandsaufnahme möglichst wertfrei zu erheben: Versuchen Sie, sich neutral zu beschreiben, ohne irgendetwas als gut oder schlecht, stark oder schwach einzustufen. Folgende Fragen können Ihnen dabei als Richtschnur dienen: Wer bin ich? Wie bin ich? Was kann ich? Was habe ich? Was will ich? Was brauche ich? Nehmen Sie einen Block oder ein Notizheft zur Hand und schreiben Sie diese oder ähnliche Fragen jeweils ganz oben auf einzelne Seiten. Notieren Sie dann alles, was Ihnen einfällt, ganz ohne Schere im Kopf. Lassen Sie Ihren Assoziationen freien Lauf und nehmen Sie sich Zeit. Vielleicht legen Sie das Schreibzeug zwischendurch weg und setzen Ihre Bestandsaufnahme erst am nächsten Tag fort. Seien Sie möglichst genau und schreiben Sie viele Details auf. So erfahren Sie viel über sich selbst und fördern sicherlich auch Dinge zutage, die Sie im Alltag gar nicht präsent haben.

Selbstbild und Fremdbild abgleichen Wenn Sie sich ein möglichst umfassendes Bild von sich selbst gemacht haben, gleichen Sie es mit dem Fremdbild ab: Wie wirken Sie auf andere? Welche Eigenschaften nehmen Ihre Mitmenschen an Ihnen wahr? Gibt es Dinge, die Ihnen selbst gar nicht bewusst sind? Sprechen Sie einen oder zwei Vertraute an und bitten Sie sie, Ihnen zu den oben genannten Fragen ihre Eindrücke zu schildern. Wichtig ist, dass Sie zu den Menschen, die Sie um das Fremdbild bitten, ein möglichst entspanntes und gutes Verhältnis haben. So werden Sie sich durch deren Antworten nicht angegriffen fühlen. Gleichzeitig brauchen Sie auch nicht zu befürchten, dass man Sie verletzen will. Bitten Sie Ihre Vertrauten, auf Wertungen zu verzichten – sie sollen Ihnen nicht sagen, was sie gut und liebenswert oder schlecht und störend an Ihnen finden, sondern wie sie Sie wahrnehmen. Jeder Mensch hat sogenannte blinde Flecken, also Anteile, die ihm selbst unbekannt sind, die aber von anderen gesehen werden. Gleichzeitig hat jeder aber auch Geheimnisse, also Eigenschaften, die nur er selbst und niemand anders kennt. Diese bewussten und unbewussten Persönlichkeitsmerkmale werden anschaulich im Johari-Fenster dargestellt (siehe Abbildung 2.1), das von den US-amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft

und Harry Ingham in den 1950er-Jahren entwickelt wurde.

Abbildung 2.1: Das Johari-Fenster stellt die bewussten und unbewussten Persönlichkeitsanteile dar

Sie können Ihren blinden Fleck (in der Abbildung oben rechts) verkleinern, indem Sie sich aufmerksam mit dem Bild, das andere Menschen von Ihnen haben und Ihnen im Sinne des Feedbacks vermitteln, auseinandersetzen. Ihre öffentliche Person (im JohariFenster oben links) vergrößern Sie, indem Sie vertrauten Menschen Ihre Geheimnisse mitteilen. Und Ihre unbekannten Persönlichkeitsanteile (in der Abbildung unten rechts) lernen Sie kennen, indem Sie beispielsweise eine Psychoanalyse machen. Je mehr Sie über sich wissen, desto besser können Sie Ihre Resilienz einschätzen und fördern.

Das innere Archiv sortieren Beschäftigen Sie sich anschließend mit dem Verlauf Ihres bisherigen Lebens. Alles, was Ihnen bislang passiert ist, was Sie erreicht haben und woran Sie gescheitert sind, ist in Ihrem inneren Archiv abgelegt. Dieses Archiv umfasst sowohl Ihr aktives und passives Gedächtnis als auch Ihr Körpergedächtnis.

Das aktive/passive Gedächtnis speichert die Eindrücke Ihrer Sinnesorgane (sehen, hören, riechen, fühlen, schmecken). Das Körpergedächtnis verarbeitet die Wahrnehmung des Zustands und der Veränderungen Ihres Körpers. Auch wenn Sie nur zu ausgewählten Erinnerungen Zugang haben, so ist dennoch jeder äußere und innere Eindruck gespeichert. Ähnlich wie beim Selbstbild gilt auch beim Gedächtnis: Je mehr Sie über sich wissen, desto besser können Sie den Widrigkeiten des Lebens standhalten. Versuchen Sie also, Ihr inneres Archiv zu sortieren und auch aus den hintersten Winkeln dieses Archivs Fakten ans Tageslicht zu holen. Dabei können Ihnen folgende Fragen helfen: Woher komme ich? Was hat mich geprägt? Wie verlief meine Kindheit? Welche Veränderungen hat meine Pubertät gebracht? Wie habe ich den Punkt erreicht, an dem ich jetzt bin? Was ist mir bisher gelungen und warum? Was ist mir bisher misslungen und warum? Was wird von mir bleiben, wenn ich nicht mehr da bin? Nehmen Sie Ihren Block oder Ihr Notizbuch zur Hand, in dem Sie Ihren Blick in den Spiegel festgehalten haben, und schreiben Sie die oben genannten oder ähnliche Fragen wieder auf einzelne Seiten. Lassen Sie sich Zeit, blättern Sie in Fotoalben oder Tagebüchern, sprechen Sie mit Ihren Eltern, Großeltern, Geschwistern oder Freunden und tauschen Sie Erinnerungen mit ihnen aus.

Ein Buch des Lebens schreiben Nach und nach wird sich Ihr Block oder Notizbuch füllen und Sie werden das Buch Ihres Lebens offen vor sich liegen sehen. Lesen Sie immer wieder darin und ergänzen Sie alles, was Ihnen im Verlauf Ihres Resilienztrainings einfällt. Seien Sie achtsam: Auch Kleinigkeiten zählen. Ihr Lebensbuch kann Ihnen als Nachschlagewerk dienen, wenn Sie in einer Krise stecken oder mit einem größeren Problem konfrontiert werden. Schauen Sie nach, welche Eigenschaften Sie über sich notiert haben und was andere Ihnen über Sie berichtet haben. Nutzen Sie diese Eigenschaften zur Problemlösung. Lesen Sie auch nach, ob Sie eine ähnliche Situation schon einmal erlebt und bewältigt haben, und nutzen Sie die Strategien erneut, die dabei hilfreich waren. Falls eine vergleichbare

Sachlage Sie früher bereits aus der Bahn geworfen hat, probieren Sie eine neue Lösungsstrategie aus. So vermeiden Sie, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. In Kapitel 1 beschreibe ich die sieben Säulen der Resilienz: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege, Zukunftsplanung. Notieren Sie in Ihrem Selbsterkenntnisbuch, wie tragfähig diese Säulen bisher in Ihrem Leben sind. Die Resilienzforschung hat gezeigt, dass es keiner Superkräfte bedarf, um Katastrophen gut durchzustehen und trotz widriger Umstände ein gutes und erfülltes Leben zu führen. Die Resilienzexpertin Ann Masten von der University of Minnesota nannte dieses Phänomen in einem Artikel »ganz gewöhnliche Zauberei« (Ordinary Magic). Versuchen Sie, herauszufinden, über welche ganz gewöhnlichen Zauberkräfte Sie bereits verfügen, um mit Problemen fertigzuwerden. Dadurch stärken Sie Ihren Glauben an sich selbst.

An sich glauben Ein wichtiges Merkmal resilienter Menschen ist, dass sie Schwierigkeiten mit einer positiven Einstellung begegnen, also darauf vertrauen, dass sie Probleme bewältigen können und werden. Dafür brauchen sie einen festen Glauben an sich selbst. Dieser Glaube umfasst drei Bereiche: Selbstwirksamkeit, also der Glaube daran, dass man sowohl Situationen als auch deren Ergebnis aktiv beeinflussen kann, Sinn, also der Glaube daran, dass man sinnvolle und sinnstiftende Aufgaben im Leben hat, Optimismus, also der Glaube daran, dass man an jeder Erfahrung, sei sie nun positiv oder negativ, wachsen kann.

Wenn Sie künftig besser mit schwierigen Situationen umgehen möchten, versuchen Sie ab sofort, Ihren Glauben an sich selbst zu stärken und sich immer mehr auf Ihre Kräfte zu verlassen.

Die zentrale Rolle der Selbstwirksamkeit Der britische Kinderserienheld Bob der Baumeister (Bob the Builder) stellt seinem Team bei jedem Einsatz die Frage »Können wir das schaffen?« und sein Team antwortet darauf zuverlässig: »Ja, wir schaffen das!«. Mit diesem Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten und die gegenseitige Unterstützung meistert Bobs Bauteam alle Herausforderungen souverän. Versuchen Sie diese Baumeister-Haltung einzunehmen und Ihr inneres Team zu aktivieren, wenn Sie mit einer schwierigen Situation konfrontiert werden:

Können wir das schaffen? – Analysieren Sie die Situation und überlegen Sie sich, welches Ergebnis Sie sich wünschen. Wie können wir das schaffen? – Prüfen Sie Ihre Ressourcen und hinterfragen Sie, welche Ihrer Persönlichkeitsanteile in der konkreten Situation besonders gefordert sind. Ja, wir schaffen das! – Nehmen Sie eine positive Grundhaltung ein und krempeln Sie die Ärmel hoch. Das Konzept des »inneren Teams« stammt von dem deutschen Psychologen Friedemann Schulz von Thun. Er umschreibt mit diesem Bild die Tatsache, dass jeder Mensch verschiedene Persönlichkeitsanteile hat, die sein Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen: ängstliche, mutige, laute, leise, starke, schwache, freundliche und bösartige Seiten, die in ihrer Gesamtheit die unverwechselbare Persönlichkeit ausmachen. Jeder dieser Anteile wird als Teammitglied verstanden, das stets das Beste für den Teamleiter (also die Gesamtpersönlichkeit) im Sinn hat. In manchen Situationen führt beispielsweise der ängstliche Anteil (der Angsthase) im inneren Team, wenn es etwa darum geht, etwas Gefährliches in Angriff zu nehmen. Bei einer anderen Gelegenheit steht wiederum der mutige Anteil (der Held) im Vordergrund und ermöglicht es, über sich selbst hinauszuwachsen. Schulz von Thun empfiehlt, bei besonders komplizierten oder ungewohnten Situationen eine Teamsitzung abzuhalten: Hören Sie in sich hinein, geben Sie Ihren unterschiedlichen Anteilen Raum und nehmen Sie Ihre verschiedenen inneren Stimmen wahr, ohne sie zu bewerten. Als Teamchef sind Sie zunächst neutral und moderieren die Diskussion Ihrer inneren Anteile – jeder Anteil erfährt dabei die gleiche Wertschätzung. Anschließend versuchen Sie, einen inneren Kompromiss zu finden, mit dem all Ihre inneren Teammitglieder einverstanden sein können. Diese Selbstreflexion kann Ihre Selbstwirksamkeitsüberzeugung erhöhen und ermöglicht es Ihnen, all Ihre inneren Ressourcen zu nutzen.

Sinn im Leben finden Menschen und Gesellschaften, die einen Sinn im Leben sehen, sind resilienter. Dabei scheint es nebensächlich zu sein, woraus der Sinn des Lebens generiert wird: Der Glaube an irgendeine höhere Macht, eine kulturelle Identität, eine philosophische Überzeugung, ein bestimmtes Lebenskonzept oder ein gemeinsames Ziel führt ganz offensichtlich dazu, dass Menschen sich verbunden fühlen. Sie vertrauen darauf, dass sie getragen werden und immer wieder neue Kraft schöpfen können. In einem deutschen Kirchenlied aus der Nachkriegszeit heißt es: »Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand.« Jeder Mensch, der an etwas glaubt, weiß sich in seinem Glauben geborgen. Dieses Wissen spendet ihm Kraft und Sicherheit und erleichtert ihm,

an sich selbst und an den Sinn seines Lebens zu glauben. Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die durch den gemeinsamen Glauben an einen Gott, eine gemeinsame Identität oder ein Lebensprinzip geprägt ist, sichert gleichzeitig das soziale Netzwerk: Wer dazugehört, kann sich auf die Unterstützung der anderen verlassen. Und Netzwerkpflege ist eine der unverzichtbaren Säulen der Resilienz. Um sich als Teil eines größeren Ganzen zu fühlen und daraus Kraft zu schöpfen, brauchen Sie nicht im religiösen Sinne gläubig zu sein. Sie können spirituelle Erfahrungen auch in der Natur, in der Meditation oder in der Philosophie machen. Finden Sie heraus, was Ihnen ein Gefühl der Verbundenheit vermittelt, und räumen Sie der Spiritualität in Ihrem Alltag Platz ein: Sie können eine halbe Stunde am Tag beten, meditieren, philosophieren, wandern, den Sonnenuntergang betrachten, Bäume umarmen, Tiere beobachten oder Yoga üben. Reservieren Sie diese halbe Stunde nur für sich und spüren Sie, wie Sie dadurch mehr inneren Frieden gewinnen.

Aus Schwierigkeiten lernen und daran wachsen Jede schwierige Situation, die Sie in Ihrem Leben schon bewältigt haben, hat Spuren in Ihnen hinterlassen: Wenn Sie schon viele Male erlebt haben, dass Sie Schwierigkeiten meistern können, haben Sie gelernt, dass Sie sich auf sich selbst verlassen können. Wenn Sie hingegen schon oft gescheitert sind, haben Sie gelernt, dass Sie nicht über ausreichende Ressourcen verfügen. Welchen Effekt haben diese Lernprozesse? Ein Mensch mit optimistischer oder realistischer Grundhaltung zieht aus beiden Lernprozessen das Fazit, dass er im Leben schon irgendwie klarkommen wird. Er wächst an Schwierigkeiten, weil er sieht, dass es immer weitergeht. Ein Mensch mit pessimistischer oder gar depressiver Grundhaltung hingegen sieht sich durch Niederlagen in seiner Hilflosigkeit bestätigt und wird immer passiver. »Es klappt ja sowieso nicht« oder »Egal, was ich mache, es geht sowieso schief« sind Glaubenssätze, die sich bei ihm immer weiter verfestigen. Einen Erfolg schreiben pessimistische Menschen nicht sich selbst zu, sondern halten ihn für das Resultat glücklicher Zufälle. Wenn Sie Ihre Resilienz stärken wollen, sollten Sie ganz bewusst eine zumindest realistische, besser noch optimistische Grundhaltung einnehmen und versuchen, aus Krisen immer etwas Positives zu lernen. Konzentrieren Sie sich bei der Analyse von überstandenen Schwierigkeiten auf Ihre eigenen Anteile: Was haben Sie geleistet? Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten haben Sie eingesetzt? Wen haben Sie um Unterstützung gebeten? Und wenn es nicht geklappt hat – was können Sie beim nächsten Mal anders machen? So beginnen Sie einen kontinuierlichen Wachstumsprozess, der Sie zunehmend resilienter machen kann.

Stark sein, auch wenn die Wellen hochschlagen Innere Stärke fällt nicht vom Himmel. Sie wird jedem Menschen zu einem kleineren Teil im Erbgut mitgegeben (siehe Kapitel 10), entwickelt sich zu einem größeren Teil aber durch die Wechselwirkungen zwischen Individuum und Umwelt und ist somit lebenslang beeinflussbar. Innere Stärke befähigt den Menschen, konstruktiv mit Problemen, Krisen und Katastrophen umzugehen und Stress jeder Art zu bewältigen.

Stress beginnt im Kopf Der Begriff Stress steht für jede Form von negativ empfundener Belastung. Stress im wissenschaftlichen Sinn bezeichnet eine programmierte Körperreaktion, die dazu dient, in lebensbedrohlichen Situationen blitzschnell mit Kampf oder Flucht reagieren zu können. Die Stressreaktion kommt bei Menschen und Tieren vor. Sie war und ist überlebensnotwendig. Aber diese Körperreaktion darf kein Dauerzustand sein, sondern ihr muss unbedingt eine Entspannungs- und Regenerationsphase folgen. Denn Dauerstress macht krank. Heute geht man davon aus, dass vor allem die subjektive Bewertung einer Situation eine entscheidende Rolle bei der Stressentstehung spielt. Stress beginnt also nicht in einer Situation, sondern in unserem Kopf. Hilfreich für das Verständnis dieses Zusammenhangs ist das Stressmodell des US-amerikanischen Psychologen Richard Lazarus (siehe Abbildung 2.2). Danach wird zunächst die Situation bewertet, in der man sich befindet. Ist sie irrelevant oder positiv/angenehm, so besteht kein Anpassungsbedarf. Man kann die Situation einfach genießen oder ignorieren.

Abbildung 2.2: Das Stressmodell nach Lazarus

Wird die aktuelle Situation aber als potenziell bedrohlich eingeschätzt, erfolgt ein blitzschneller Check der individuellen Bewältigungsmöglichkeiten: Habe ich genügend soziale, psychologische, materielle oder körperliche Ressourcen, um mit dieser bedrohlichen Situation gut umgehen zu können? Eine der wichtigsten Ressourcen ist dabei die Selbstwirksamkeitserwartung eines Menschen – also die Antwort auf die Frage, inwieweit man sich selbst zutraut, Einfluss auf eine Situation nehmen zu können. Je nachdem, wie die Bewertung der Situation und der eigenen Bewältigungsmöglichkeiten ausfällt, entsteht positiver Stress, auch Eustress genannt (»Das ist eine Herausforderung, die ich bewältigen kann«), oder negativer Stress, auch Dysstress genannt (»Ich schaffe das nicht, ich kann nichts tun, die Situation überfordert mich«). Dieses Ergebnis beeinflusst wiederum die künftige Bewertung ähnlicher Situationen. So kann im positiven Fall eine Art Kompetenzkreislauf, im negativen Fall jedoch ein Hilflosigkeitskreislauf entstehen.

Vom Problem zur Lösung Resiliente Menschen lassen sich vom Stress nicht überrollen, sondern wenden sich zügig der Lösungssuche zu. Diese Lösungsorientierung können Sie üben – jeden Tag und zu jeder Gelegenheit. Versuchen Sie im Alltag aufmerksam für Ihre bisherige Herangehensweise an Probleme zu sein: Denken Sie lange über ein Problem nach? Fühlen Sie sich Problemen hilflos ausgeliefert? Blockiert ein Problem Ihre Kreativität? Wenn Sie bei einem Vorhaben nicht weiterkommen, geben Sie schnell auf? Können Sie nachts nicht schlafen, weil Sie Ihre Probleme hin und her wälzen? Falls Sie eine oder mehrere dieser Fragen mit Ja beantwortet haben, könnte es sinnvoll sein, dass Sie sich künftig mehr auf Lösungen als auf Probleme konzentrieren. Ihre Alltagssorgen und Lebensprobleme können Sie in unterschiedliche Kategorien einteilen: Miniprobleme wie die Frage, was Sie morgens anziehen, was Sie mittags kochen, womit Sie sich am Wochenende beschäftigen oder an welcher Tankstelle Sie tanken; kleine Probleme wie etwa Konflikte mit Kollegen, Ärger mit den Nachbarn oder die Erhöhung des Strompreises; mittlere Probleme, beispielsweise Auseinandersetzungen mit pubertierenden Kindern, eine Eigenbedarfskündigung der Wohnung oder das Scheitern in einer Prüfung; große Probleme wie eine schwere Erkrankung, eine Abmahnung vom Chef, Unfälle oder Geldsorgen; existenzielle Probleme wie den Verlust der Arbeitsstelle, die Trennung vom Partner, eine Naturkatastrophe oder Gewalterfahrungen. Fangen Sie mit den Miniproblemen an und prüfen Sie, wie Sie mit diesen Problemen umgehen. Wenn Sie erkennen, dass Sie immer die gleichen Lösungen wählen, damit aber chronisch unzufrieden sind, probieren Sie bei der nächsten Gelegenheit eine andere Lösungsstrategie aus: Greifen Sie im Kleiderschrank ganz nach hinten und holen Sie ein Kleidungsstück heraus, das Sie schon lange nicht mehr angezogen haben. Nehmen Sie ein Kochbuch zur Hand und kochen Sie ein Gericht, das Sie noch nie ausprobiert haben. Bleiben Sie am Wochenende einfach mal zu Hause und tun Sie nichts. Laden Sie eine Tankstellen-App herunter und suchen Sie die preisgünstigste Tankstelle heraus. Beobachten Sie, wie Sie sich mit ungewohnten Lösungsstrategien fühlen: Macht eine neue Herangehensweise Sie fröhlich oder unsicher? Fällt es Ihnen schwer, etwas Neues auszuprobieren, oder fühlen Sie sich befreit? Seien Sie achtsam mit sich und überfordern Sie sich nicht. Wenn Sie merken, dass es Ihnen zunehmend leichter fällt, bei Miniproblemen

überraschende Lösungen zu finden und ausgetretene Wege zu verlassen, wenden Sie sich der nächsten Problemkategorie zu und üben auch hier, sich mehr auf die Lösung als auf das Problem zu konzentrieren. Je größer und bedrohlicher ein Problem, desto schwieriger ist es, die nötige Ruhe zu bewahren, um tragfähige Lösungen zu finden. Bei schweren Problemen ist es wichtig und richtig, ausführlich nachzudenken und auch zuzulassen, dass man durch das Problem eine Zeit lang wie gelähmt ist. Damit das Problem jedoch nicht die Oberhand behält, sondern lösbar wird, ist es häufig sinnvoll, den Lösungsweg in kleine Schritte zu zerlegen: Setzen Sie sich Teilziele, nehmen Sie sich Zeit, probieren Sie verschiedene Lösungsschritte aus und verzagen Sie nicht, wenn Sie in Sackgassen geraten. Nutzen Sie die sieben Säulen der Resilienz: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege und Zukunftsplanung. Verlassen Sie die Opferrolle und nehmen Sie Ihr Schicksal in die Hand.

Ohne Krisen keine Resilienz Definitionsgemäß werden nur diejenigen Menschen als resilient bezeichnet, die sich in ihrem Leben bereits mit widrigen Umständen auseinandersetzen mussten und gestärkt daraus hervorgegangen sind. Wer also sein ganzes Leben behütet und sorgenfrei verbracht hat, ist zwar vom Schicksal bevorzugt – aber nicht resilient. Wie er mit einer über ihn hereinbrechenden Katastrophe umgehen wird, kann man kaum vorhersagen. Wenn er über genügend Optimismus, ein tragfähiges Netzwerk und eine akzeptierende Grundhaltung verfügt, wird er die Krise vermutlich gut überstehen. Hat ein geruhsames Leben Sie träge, einsam und unkreativ gemacht, wird eine Krise Sie möglicherweise aus der Bahn werfen, weil Sie nicht auf Handlungsalternativen zurückgreifen können, um Lösungen für Ihre Probleme zu finden. Wenn das Leben Sie bereits gebeutelt hat und Sie schon mit einem gerüttelt Maß an Problemen kämpfen mussten, hatten Sie viele Gelegenheiten, um Ihre Resilienz unter Beweis zu stellen. Mit welcher Haltung schauen Sie auf die Krisen in Ihrem Leben zurück? Hadern Sie mit Ihrem Schicksal oder sehen Sie im Nachhinein etwas Gutes darin? Fühlen Sie sich von aller Welt verlassen oder haben Sie das Gefühl, an den Schwierigkeiten gewachsen zu sein? Würden Sie Ihr Leben gerne tauschen oder sind Sie einverstanden damit, wie es bisher gelaufen ist? Beantworten Sie sich diese Fragen offen und ehrlich – so finden Sie heraus, in welchen Bereichen Sie Ihr Krisenmanagement und Ihre Haltung möglicherweise noch verändern sollten, um künftig resilienter zu sein.

Resilienz und Gesundheit Menschen, die in Krisensituationen nicht verzweifeln, sondern einen klaren Kopf behalten

und sich vom Stress nicht erdrücken lassen, sind zumeist gesünder als Menschen, die in schwierigen Situationen die Nerven verlieren und von einer Krise aus der Bahn geworfen werden. Wer unter Dauerstress steht, wird auf Dauer krank: Sein Körper ist durch die anhaltende Erhöhung der Stresshormone Cortisol und Adrenalin in ständiger Alarmbereitschaft, Blutdruck und Puls steigen, die Muskeln verkrampfen, das Immunsystem wird gehemmt, die Geschlechtsdrüsen und der Verdauungsapparat funktionieren nicht mehr richtig und Zellwachstums- sowie Regenerationsprozesse sind verlangsamt. Stressabbau und Resilienz sind also wichtig für die Gesundheit.

Körperlich und seelisch gesund bleiben In der Kauai-Studie (siehe Kapitel 1) wurden die 698 Kinder des Geburtsjahrgangs 1955 der hawaiianischen Insel Kauai über vierzig Jahre begleitet. 201 dieser Kinder wuchsen unter schwierigen Verhältnissen auf und hatten ein hohes Risiko, im späteren Leben zu scheitern. Es zeigte sich aber, dass ein Drittel dieser Kinder mit schlechten Startchancen (72 an der Zahl) trotz der widrigen Umstände zu gesunden, erfolgreichen und glücklichen Erwachsenen heranwuchs. Diese Kinder wurden als resilient bezeichnet. Die anderen zwei Drittel (129 Kinder) kamen schon früh mit dem Gesetz in Konflikt, hatten Lernschwierigkeiten oder erkrankten psychisch. Die Mädchen dieser Gruppe wurden überdurchschnittlich häufig bereits als Teenager schwanger. Eine deutsche Studie brachte ähnliche Ergebnisse: 146 Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen wurden ab 1990 in der Bielefelder Invulnerabilitätsstudie untersucht. 80 von ihnen erreichten keinen Schulabschluss, wurden drogenabhängig oder gewalttätig. All diese Faktoren tragen zu einer niedrigeren statistischen Lebenserwartung bei. Resilienz ist somit ein gesundheitsfördernder Faktor. Wer resilient ist, steht nicht unter Dauerstress, sondern ist gelassener, entspannter und lebensfreudiger. Entspannung hat unmittelbare Auswirkungen auf Körper und Seele: Die Durchblutung verbessert sich, sodass alle Organsysteme ausreichend mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden und optimal funktionieren können. Das Immunsystem wird gestärkt und hat so die Chance, Krankheitserreger gezielt zu bekämpfen. Das Denken ist freier und damit kreativer. Die Sinnesorgane sind offen für alle Eindrücke. Die Stimmungslage ist ausgeglichen.

Einem Burn-out vorbeugen Diese positiven körperlichen und seelischen Reaktionen sind die Grundlage der Burn-outPrävention. Burn-out ist ein populärwissenschaftlicher Begriff, der im internationalen Diagnoseklassifikationssystem ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation noch nicht als

Krankheit anerkannt ist, sondern in der Kategorie der Probleme bei der Lebensbewältigung geführt wird. Mit Burn-out bezeichnet man einen körperlichen und seelischen Erschöpfungszustand, der mit depressiver Stimmung, körperlichen Stresssymptomen und erhöhter Suchtgefährdung einhergeht. Viele Betroffene beschreiben ein Gefühl der Leere, so als sei ihnen im übertragenen Sinne der Stecker herausgezogen oder das Licht ausgeschaltet worden. In Deutschland leiden schätzungsweise neun Millionen Menschen an Burn-out-Symptomen; psychische Erkrankungen sind mittlerweile für 14 Prozent der Krankschreibungen verantwortlich. Die Stresshormonspirale, die durch dauerhaften Druck und Anspannung entgleist, kann durch aktives Gegensteuern gestoppt werden. Unabdingbar dafür sind ein ehrlicher Blick auf die eigenen Anteile bei der Stressverarbeitung, der Wille zur Verhaltensänderung, die Bereitschaft, Hilfe und Unterstützung anzunehmen, und ein soziales Umfeld, auf das man sich verlassen kann. Resiliente Menschen verfügen über Eigenschaften, die als Schutzfaktoren gegen das Zusammenbrechen gelten (siehe Kapitel 1). Wer seine Resilienz konsequent stärkt, schützt sich demnach auch aktiv vor Burn-out.

Das individuelle Resilienzübungsprogramm In den folgenden Kapiteln stelle ich Ihnen Übungen vor, aus denen Sie sich ein individuelles Resilienzübungsprogramm zusammenstellen können. Probieren Sie diese Übungen aus und finden Sie heraus, welche besonders gut zu Ihnen passen. Nutzen Sie Alltagssituationen für Ihr Trainingsprogramm. Reservieren Sie aber auch bestimmte Zeiten in Ihrem Terminkalender, um die Übungen in Ruhe durchführen zu können. Da ein tragfähiges soziales Netzwerk einer der wichtigsten Resilienzfaktoren ist, empfehle ich Ihnen, auch Ihre Familienangehörigen und engen Freunde einzubeziehen. Diskutieren Sie mit ihnen über Resilienz und deren große Bedeutung für ein gesundes Leben. Vielleicht können Sie sogar gemeinsam üben. Es fördert die Resilienz, sich selbst gut zu kennen und achtsam für die eigenen körperlichen und seelischen Signale zu sein. Achtsamkeit kann man trainieren, etwa mit der Grundübung »Body Scan« (siehe Kapitel 16). Ähnlich funktioniert die Übung »Meine Mitte finden« – wenn Sie sich dabei gut fühlen, können Sie diese Übung als erste Übung in Ihr Trainingsprogramm aufnehmen und regelmäßig durchführen. Wenn Sie während der Übung jedoch spüren, dass Sie unruhig werden oder sich schlecht fühlen, halten Sie inne und warten einen Moment ab. Wenn Unruhe oder Missempfindungen nicht weggehen, brechen Sie die Übung ab und probieren sie zu einem späteren Zeitpunkt erneut.

Setzen oder legen Sie sich bequem hin. Sorgen Sie dafür, dass Sie etwa fünf Minuten ungestört sein werden. Schließen Sie die Augen oder schauen Sie auf einen Punkt vor sich. Atmen Sie tief durch die Nase in den Bauch ein und langsam durch den leicht geöffneten Mund wieder aus. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit nach innen und kommen Sie zur Ruhe. Lassen Sie alle Gedanken kommen und gehen, halten Sie nichts fest. Nehmen Sie wahr, wie sich Ihr Körper auf der Unterlage anfühlt. Wenn Sie sitzen, spüren Sie Ihre Fußsohlen auf dem Boden, Ihr Gesäß auf dem Stuhl, Ihren Rücken an der Lehne. Wenn Sie liegen, spüren Sie Ihre Körperunterseite von den Fersen bis zum Hinterkopf, von den Fingerspitzen bis zu den Schulterblättern auf der Matte oder dem Bett. Bewerten Sie nichts, sondern nehmen Sie das Körpergefühl unvoreingenommen wahr. Atmen Sie tief und langsam ein und aus. Wandern Sie dann langsam mit Ihrer Aufmerksamkeit in Ihre Körpermitte in der Magengegend, also unter Ihrem Brustbein, etwa in Höhe Ihres Zwerchfells. Dort liegt das Sonnengeflecht (Solarplexus), ein wichtiges Zentrum des vegetativen Nervensystems. Stellen Sie sich vor, dass dieses Sonnengeflecht warm, hell und entspannt wird. Lassen Sie dort die Sonne aufgehen. Bleiben Sie einige Zeit mit Ihrer Aufmerksamkeit in Ihrer Körpermitte, atmen Sie ruhig weiter und lassen Sie alle Gedanken ziehen. Stellen Sie sich dann vor, wie sich aus Ihrer Körpermitte heraus die Wärme, Helligkeit und Entspannung in Ihrem ganzen Körper ausbreitet. Die Sonnenstrahlen leuchten in jeden Winkel Ihres Körpers. Genießen Sie die Ruhe, atmen Sie ein und aus. Richten Sie nach einer Weile Ihre Aufmerksamkeit dann langsam wieder zurück nach außen. Recken und strecken Sie sich, gähnen Sie, öffnen Sie die Augen und atmen Sie noch einige Male tief ein und aus. Stehen Sie dann langsam wieder auf und nehmen Sie die Kraft aus Ihrer Körpermitte mit in Ihren Alltag.

Kapitel 3

Resilienz kann man üben IN DIESEM KAPITEL Resilienz ist dynamisch und kann im Laufe des Lebens wachsen oder schwinden Selbstreflexion fördert die Persönlichkeitsentwicklung Auch Scheitern kann man lernen Einfache Resilienzübungen für jeden Tag

Resilienz, also innere Widerstandskraft und die Fähigkeit, aus Krisen gestärkt hervorzugehen, ist zu einem gewissen Teil genetisch angelegt, zum größeren Teil aber durch äußere Einflüsse bedingt. Der logische Schluss aus diesen Fakten: Resilienz kann man üben. In diesem Kapitel erfahren Sie, welche Faktoren Ihnen dabei helfen können, Ihre innere Stärke zu vermehren und mit Krisen oder schwierigen Situationen besser umzugehen. Außerdem erkläre ich, warum das Loslassen so wichtig ist. Ein Übungsplan am Ende des Kapitels dient als Vorlage für ein Resilienztrainingsprogramm – egal wie alt Sie sind, Sie haben die Chance, Ihre Resilienz Tag für Tag zu vergrößern.

Innere Stärke gewinnen und bewahren »Persönlichkeit« ist die Bezeichnung für eine Fülle von sichtbaren Merkmalen, die einen Menschen charakterisieren. Persönlichkeitsforscher haben herausgefunden, dass fünf Faktoren dabei helfen, eine Persönlichkeit zu charakterisieren (Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit). Diese Faktoren oder Eigenschaften werden »Big Five« genannt und lauten: Selbstsicherheit Verträglichkeit Wendung nach außen Gewissenhaftigkeit Offenheit für Erfahrungen Die Begrifflichkeit des Fünf-Faktoren-Modells ist je nach Autor unterschiedlich – die

Dimension Selbstsicherheit wird beispielsweise oft auch »Neurotizismus« genannt, der Faktor Wendung nach außen »Extraversion« oder »Begeisterungsfähigkeit«. Jeder dieser Faktoren stellt eine Skala dar, auf der ein Mensch sich einordnen lässt. Hilfreich sind Adjektive, die für die einzelnen Dimensionen Endpunkte dieser Skalen darstellen: Selbstsicherheit (Neurotizismus): in sich ruhend versus verletzlich Verträglichkeit: mitfühlend versus misstrauisch Wendung nach außen (Extraversion): gesellig versus zurückhaltend Gewissenhaftigkeit: genau versus nachlässig Offenheit für Erfahrungen: neugierig versus vorsichtig

Die Persönlichkeitsmerkmale sind genetisch angelegt und schon bei einem Baby sichtbar. Die Prägung durch die Umwelt hat jedoch großen Einfluss auf die Persönlichkeit. Allerdings werden schon Kinder oft gemäß ihrer Grundpersönlichkeit beeinflusst: Einem mutigen Kind trauen die Eltern mehr zu, ein misstrauisches Kind stößt schon früh auf Ablehnung. So verfestigen sich die Persönlichkeitsmerkmale.

Die eigene Persönlichkeit kennenlernen Die Persönlichkeit ist in ständigem Wandel begriffen. Sie entwickelt sich im Laufe des Lebens weiter und jeder Mensch kann aktiv an seiner Persönlichkeit arbeiten. Versuchen Sie einmal, sich in Bezug auf die Big Five zu charakterisieren: Wie schätzen Sie sich selbst ein? Welche Persönlichkeitsmerkmale mögen Sie an sich besonders, welche empfinden Sie als eher hinderlich? Je besser Sie sich kennen, desto gezielter können Sie an sich arbeiten und desto eher können Sie Ihre Resilienz stärken, denn Resilienz ist zwar erblich angelegt, wird aber durch äußere Einflüsse gestärkt oder geschwächt. Hilfreich ist außerdem, das Fremdbild der eigenen Persönlichkeit mit dem Selbstbild abzugleichen: Wie erleben andere Menschen Sie? Wie werden Sie von Ihrer Umwelt eingeschätzt? Welche Ihrer Eigenschaften sehen Mitmenschen deutlicher als Sie selbst? Übung zur Selbstwahrnehmung: Beantworten Sie die folgenden Fragen möglichst ehrlich und spontan mit Ja oder Nein: Haben Sie eine gute Selbstwahrnehmung? Kennen Sie Ihre Bedürfnisse? Haben Sie ein klares Bild von sich selbst? Kennen Sie Ihre Stärken und Schwächen gut? Haben Sie ein stabiles Selbstvertrauen? Haben Sie ein gutes Selbstwertgefühl? Haben Sie Zugang zu Ihren Wünschen und Träumen? Nutzen Sie Ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten gut? Deckt sich Ihre Selbstwahrnehmung weitgehend mit dem Bild, das andere von Ihnen haben? Können Sie die Reaktionen anderer auf Ihre Handlungen vorhersagen? Wenn Sie sechs- oder

siebenmal mit »Ja« geantwortet haben, ist Ihre Selbstwahrnehmung in Ordnung. Bei acht bis zehn »Ja«-Antworten sind Sie ausgesprochen versiert in der Selbstwahrnehmung. Bei fünf oder weniger »Ja«-Antworten lohnt es sich bestimmt, wenn Sie Ihre Selbstwahrnehmung trainieren – vielleicht sogar mit professioneller Hilfe, denn offensichtlich schlummert noch sehr viel ungenutztes Potenzial in Ihnen! Es gibt zahlreiche Persönlichkeitstests, die mehr oder weniger aussagekräftig sind. Wenn Sie Spaß an solchen Tests haben, suchen Sie sich im Internet eine seriöse Seite, die Onlinepersönlichkeitstests anbietet (beispielsweise www.psychomeda.de), und klicken Sie sich durch diese Tests durch. Sie können aber auch einen Psychologen aufsuchen und wissenschaftlich validierte Persönlichkeitstests machen. Oder Sie setzen sich in Ruhe hin und denken über sich selbst nach. Folgende Fragen können Ihnen dabei helfen: Machen Sie sich viele Sorgen um die Zukunft oder schauen Sie eher optimistisch nach vorn? Sind Sie unzufrieden mit sich und Ihren Lebensumständen oder ruhen Sie in sich, sind entspannt und zufrieden? Lassen Sie sich durch Kritik entmutigen und verletzen oder nehmen Sie sie als Ansporn und Lernchance? Helfen Sie gern anderen Menschen, haben Sie ein Gespür dafür, wie es den anderen geht, setzen Sie sich für andere ein? Oder sind Sie eher auf sich selbst konzentriert und misstrauen Ihren Mitmenschen? Sind Sie begeisterungsfähig und gesprächig oder eher zurückhaltend und besonnen? Ziehen Sie Energie aus dem Austausch mit anderen Menschen oder brauchen Sie oft Ihre Ruhe? Planen Sie Ihre Vorhaben genau und sind sehr organisiert oder neigen Sie eher zum Chaos und handeln meist spontan? Sind Sie experimentierfreudig, neugierig und fantasievoll oder eher sachlich, konservativ und vorsichtig? Bitten Sie anschließend eine Vertrauensperson, deren Urteil Ihnen wichtig ist und von der Sie sich etwas sagen lassen können, ohne verletzt zu sein, die oben genannten Fragen über Sie ebenfalls zu beantworten. Sie können auch eine Punkteskala verwenden und die Ausprägung der fünf Persönlichkeitsdimensionen mit Zahlen von 1 (wenig ausgeprägt) bis 10 (sehr stark ausgeprägt) notieren und mit der Einschätzung Ihrer Vertrauensperson vergleichen. So finden Sie heraus, ob und in welchen Bereichen Selbst- und Fremdbild übereinstimmen. Wenn es erhebliche Abweichungen gibt zwischen Ihrem Selbstbild und dem Bild, das eine Ihnen wichtige Person von Ihnen hat, lohnt es sich, diese Abweichungen zu hinterfragen:

Handelt es sich möglicherweise um einen blinden Fleck, also etwas, das Sie an sich selbst gar nicht wahrnehmen (oder nicht wahrnehmen wollen)? Oder verbergen Sie manche Eigenschaften, die Ihnen bewusst sind, vor anderen Menschen? Für die Selbsterkenntnis hilfreich ist das Johari-Fenster, ein Modell, das die bewussten und unbewussten Persönlichkeitsanteile veranschaulicht (siehe Kapitel 2). Sie können ganz bewusst Ihre Persönlichkeit weiterentwickeln, indem Sie dieses Fenster nutzen: Die »öffentliche Person« kann durch Preisgabe von bislang geheimen Anteilen vergrößert werden, sodass Sie weniger Kraft investieren müssen, um Ihre Geheimnisse zu bewahren. Der »blinde Fleck« kann verkleinert werden, indem Sie Feedback von Mitmenschen erbitten und annehmen. Zugang zum »Unbewussten/Unbekannten« bekommen Sie beispielsweise durch eine Psychotherapie. Auch in Bezug auf das Johari-Fenster gibt es Online-Tests, die mit einer Liste von Adjektiven arbeiten, die man sich selbst zuschreibt und die andere einem zuschreiben. So werden das Selbst- und das Fremdbild verdeutlicht. Wenn Sie sich immer wieder darüber wundern, dass Menschen Sie falsch verstehen, dass Sie nicht ernst genommen werden, dass Ihr Humor nicht richtig ankommt oder dass Menschen sich von Ihnen abwenden, ist es vielleicht an der Zeit, dass Sie Ihre Kommunikationsweise hinterfragen und sich mit dem Fremdbild, das andere sich von Ihnen machen, beschäftigen. Die meisten Konflikte beruhen auf Missverständnissen. Details dazu finden Sie in Kapitel 8. Die Selbstwahrnehmung ist deshalb so wichtig für die Resilienz, weil sie die Grundlage der Selbststeuerung ist. Nur wer sich selbst gut kennt, kann Krisen und Katastrophen gut meistern und sein Schicksal in die Hand nehmen. Wer seine Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten kennt und benennen kann, ist in der Lage, kompetent mit Schwierigkeiten und Herausforderungen umzugehen. Er weiß, wann er Ruhe und Rückzug braucht, er kennt seinen eigenen Anteil an den Schwierigkeiten, er kann sich Hilfe und Unterstützung suchen und neue Wege einschlagen. Kurz: Wer sich selbst und seine Ressourcen realistisch einschätzt, geht aus Krisen fast immer gestärkt hervor.

Förderliche Persönlichkeitseigenschaften stärken Resilienz, also innere Stärke und Widerstandskraft, ist abhängig von sieben Kernfaktoren (siehe Kapitel 1): Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege und Zukunftsplanung. Diese Faktoren spiegeln sich in den Big-Five-Persönlichkeitseigenschaften wider:

Selbstsicherheit geht zumeist einher mit einer optimistischen, akzeptierenden Grundhaltung sowie einer hohen Verantwortungsbereitschaft und unterstützt die Handlungsfähigkeit. Verträglichkeit ist hilfreich für die Netzwerkpflege und Verantwortungsbereitschaft. Wendung nach außen erleichtert die Netzwerkpflege und Handlungsfähigkeit. Gewissenhaftigkeit fördert die Zukunftsplanung, Verantwortungsbereitschaft und Lösungsorientierung. Offenheit für Erfahrungen unterstützt die Lösungsorientierung und Handlungsfähigkeit. Vergleichen Sie Ihre Selbsteinschätzung mit dieser Zusammenstellung und bewerten Sie, wie ausgeprägt Ihre Resilienzfaktoren sind: Vielleicht sind Sie eher introvertiert und sehr gewissenhaft, aber Ihre Selbstsicherheit ist nicht sehr ausgeprägt? Dann liegen Ihre Stärken vermutlich in den Bereichen Zukunftsplanung und Lösungsorientierung, wohingegen Netzwerkpflege und Optimismus bei Ihnen noch ausbaufähig sein könnten. Wenn Sie ein selbstsicherer, verträglicher und neugieriger Mensch sind, der zum Chaos neigt, können Sie sich auf Ihren Optimismus, Ihre Akzeptanz, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege und Handlungsfähigkeit verlassen, während Sie in Bezug auf Verantwortungsbereitschaft und Zukunftsplanung noch Verbesserungspotenzial haben. Wer durch seine Anlagen bereits gut gerüstet für Krisen und Katastrophen ist, bleibt in den meisten Fällen im Laufe seines Lebens stabil. Wer aufgrund seiner Eigenschaften aber eher empfindlich und anfällig ist, hat ein hohes Potenzial für Veränderung: Ihm wurden die resilienzfördernden Faktoren zwar nicht in die Wiege gelegt, aber er kann sie im Laufe seines Lebens bewusst ausbauen. Für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit haben Vorbilder eine wichtige Funktion: Das Lernen am Modell oder Imitationslernen ermöglicht lebenslange Veränderungsprozesse. Voraussetzung für diesen Lernprozess sind vier Dinge: Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Handlungsmotivation und Verstärkung. Überlegen Sie sich, welches Vorbild Sie in Ihrer Kindheit und Jugend geprägt hat: Welche Eigenschaften dieser Person haben Sie bewundert? Was hat Ihnen an dieser Person besonders gefallen? Welche Handlungsweisen haben Sie nachgeahmt? Und welchen Erfolg hatte die Nachahmung? Sie merken selbst: Das Verhalten Ihres Vorbilds haben Sie

aufmerksam beobachtet und es sich gut gemerkt, denn sonst könnten Sie sich Jahre später ja gar nicht mehr daran erinnern. Außerdem waren Sie sehr motiviert, Ihr eigenes Verhalten zu verändern, und zwar in dem Sinne, dass Sie das Verhalten Ihres Vorbilds nachgeahmt haben. Wenn dieses für Sie neue Verhalten dann zu günstigen Ergebnissen geführt hat, wurde es verstärkt und Sie haben die neuen Verhaltensweisen so lange eingeübt, bis Sie sie übernommen hatten. Dieser Lernprozess steht Ihnen Ihr ganzes Leben lang zur Verfügung. Wenn Sie Ihre Resilienz stärken möchten, beobachten Sie, wie andere Menschen mit Krisen umgehen. Suchen Sie sich Beispiele und Vorbilder, die Sie bewundern können. Ahmen Sie deren Verhalten nach und beobachten Sie, wie sich das neue Verhalten anfühlt. Passt es zu Ihnen? Fühlen Sie sich damit wohl? Fällt es Ihnen leicht? Erzielen Sie damit gewünschte Ergebnisse? Vielleicht sprechen Sie Ihr Vorbild auch direkt an und fragen: Wie hast du das genau gemacht? Welche Hindernisse sind dir begegnet und wie bist du damit umgegangen? Welche Unterstützung hast du dir geholt? Was ist dir schwergefallen? Gab es unvorhergesehene Komplikationen? Je mehr Informationen Sie sammeln, desto besser können Sie Ihre Resilienz trainieren.

Krisen bewusst begegnen Kein Leben ohne Krisen – und ohne Krisen keine Entwicklung. Manche Menschen zerbrechen an einer Krise, andere wachsen daran. Wenn Sie in Zukunft Ihre Lebenskrisen erfolgreich meistern wollen und sich von Schwierigkeiten nicht mehr unterkriegen lassen möchten, fangen Sie möglichst noch heute mit einem Resilienztrainingsprogramm an. Der erste Schritt ist die Selbsterkenntnis, über die Sie in diesem Kapitel mehr erfahren können. Der nächste Schritt ist Ihre Einstellung Krisen gegenüber. Verringern Sie Ihre Angst und Ihren Pessimismus und vergrößern Sie Ihre Zuversicht und Ihre Selbstwirksamkeitserwartung. Das klingt kompliziert – ist es aber nicht. Forscher der Universität von Pennsylvania haben ein Programm entwickelt, mit dem bereits bei Kindern die Resilienz trainiert werden kann. Kernthese: Unsere Einstellung zu Ereignissen prägt deren Einfluss auf unsere Gefühle und unser Verhalten. Negative Überzeugungen führen demnach zu negativen Gefühlen und Vermeidungsverhalten oder Schuldzuweisung. Positive Überzeugungen ermöglichen hingegen positive Gefühle und aktive, lösungsorientierte Handlungen. Versuchen Sie also, negative Sichtweisen oder Glaubenssätze zu erkennen – und stellen Sie sie infrage. Glaubenssätze sind Überzeugungen, die man unhinterfragt übernimmt, zumeist schon in der Kindheit und Jugend. Sie sind zumeist so tief im Unterbewusstsein verankert, dass es nicht leichtfällt, sich zu ihren Wurzeln vorzuarbeiten und sie auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Auswirkung auf das eigene Verhalten zu überprüfen. Doch Glaubenssätze machen unfrei – es lohnt sich daher, sich mit seinen eigenen Glaubenssätzen zu beschäftigen.

Wenn Sie bislang davon überzeugt waren, dass Sie alle Schwierigkeiten sowieso allein meistern müssen, stehen Sie sowohl Krisen als auch Ihren Mitmenschen wahrscheinlich mit einer negativen Einstellung gegenüber. Hinterfragen Sie diese Sichtweise kritisch: Warum müssen Sie alles allein schaffen? Wissen Ihre Mitmenschen überhaupt, vor welchen Schwierigkeiten Sie stehen? Was passiert, wenn Sie jemanden um Hilfe bitten? Wie bitten Sie andere Menschen um Hilfe und womit könnten Sie sie dazu motivieren, Ihnen beizustehen? Geben Sie anderen Menschen überhaupt eine Chance, Ihnen zu helfen? Ist es Ihnen unangenehm oder peinlich, etwas nicht allein zu schaffen? Wenn ja, warum? Versuchen Sie im nächsten Schritt, Ihren negativen Glaubenssatz positiv umzuformulieren, etwa: Zu zweit sind wir stärker! Oder: Im Team geht alles leichter! Wie fühlt sich das an? Was könnten Sie tun, um Ihren Glauben an einen solchen positiven Satz zu stärken? In Kapitel 2 lernen Sie die »Baumeister-Haltung« kennen, eine grundsätzlich positive Haltung Schwierigkeiten gegenüber, die sich in dem Satz äußert: »Ja, wir schaffen das!« Begegnen Sie Krisen und Katastrophen künftig ganz bewusst mit dieser positiven Haltung. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Stärken, auf Ihr Netzwerk, auf Ihre Kreativität und auf die Akzeptanz, dass nicht immer alles nach Plan läuft, es aber immer einen Plan B geben kann. So trainieren Sie Ihre Resilienz. »Ich kann alles schaffen, was ich will«: Um Ihre Einstellung Krisen gegenüber positiv zu verändern, ist es hilfreich, wenn Sie sich vor Augen führen, welche Schwierigkeiten Sie in Ihrem Leben bereits gemeistert haben und auf welche Art und Weise Sie Probleme lösen können. So stärken Sie Ihren Glauben an sich selbst. Nehmen Sie ein Notizbuch oder einen Block zur Hand und schreiben Sie folgende fünf Fragen jeweils oben auf eine Seite: Wann war ich richtig stolz auf mich? Welches Problem habe ich erfolgreich gelöst? Wenn alle Stricke reißen, was kann ich trotzdem tun? Auch wenn keiner vorher geglaubt hat, dass ich es schaffe – was habe ich trotzdem geschafft? Wie habe ich meine Interessen durchgesetzt, auch wenn die Widerstände groß waren? Beantworten Sie diese Fragen, ergänzen Sie immer wieder, wenn Ihnen etwas einfällt, und lesen Sie Ihre Antworten regelmäßig durch. So lernen Sie sich besser kennen und erhöhen Ihre Selbstwirksamkeitserwartung, also die innere Haltung, dass Sie in der Lage sind Schwierigkeiten zu meistern. Sie haben im Leben sicher schon viel geschafft und können bestimmt stolz auf sich sein!

Stressoren besiegen oder ausblenden Resilienz ist nicht statisch, sondern dynamisch, das heißt, sie kann wachsen oder schrumpfen – und das ein Leben lang. Eine wichtige Rolle dabei spielen Stressoren, also äußere oder innere Faktoren, die den Druck erhöhen und das Leben schwer machen können. Der Umgang mit solchen Stressoren beeinflusst die Resilienz erheblich: Wenn

Sie sich einem Stressor hilflos ausgeliefert fühlen, verlieren Sie den Glauben an Ihre Selbstwirksamkeit, nehmen eine pessimistische Haltung ein und schauen ängstlich in die Zukunft. Wenn Sie einen Stressor jedoch besiegen oder davon ausgehen, dass er keinen Einfluss auf Sie hat, gehen Sie entspannt, zuversichtlich und mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung auf Ihrem Lebensweg weiter. Prüfen Sie, wo Sie im Moment stehen: Haben Sie das Gefühl, Krisen gut meistern zu können? Oder fühlen Sie sich derzeit überfordert von allen Schwierigkeiten, die auf Sie zukommen? Vergleichen Sie anschließend, wie es Ihnen vor einem Jahr und vor zehn Jahren ging: Was hat sich in Bezug auf Ihre Einstellung Schwierigkeiten gegenüber in den letzten zwölf Monaten positiv oder negativ verändert? Worauf führen Sie diese Veränderung zurück? Und wie haben Sie Krisen vor einem Jahrzehnt gegenübergestanden? Was war damals einfacher, was war schwieriger als heute? Wovon haben Sie sich stressen lassen, und welche Rolle spielen die damaligen Stressoren heute? Welche Menschen haben Ihnen damals geholfen, wie sieht Ihr Netzwerk heute aus? Jeder Mensch hat innere Antreiber, die ihm durch die Erziehung vermittelt wurden, beispielsweise »Sie perfekt! Sei stark! Mach es allen recht!«. Diese Antreiber sind zwar hilfreich, um im Leben voranzukommen, können aber zu Sklaventreibern werden, wenn sie sich verselbstständigen. Mehr über das Konzept der inneren Antreiber erfahren Sie in Kapitel 4. Durch diese Reflexion stellen Sie Ihr aktuelles Krisenmanagementpotenzial in eine Lebensperspektive und Sie können erkennen, ob und wie sich Ihre Überzeugungen und Glaubenssätze, aber auch Ihr Netzwerk in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert haben. Dies fördert Ihre Selbstwahrnehmung und macht Ihr Selbstbild differenzierter. Je mehr Sie über sich lernen, desto klarer sehen Sie sich und Ihre Möglichkeiten. Außerdem werden Sie vermutlich feststellen, dass manche Dinge, die Sie vor langer Zeit gestresst haben, rückblickend gar nicht mehr so schlimm sind – dies hilft, manchen aktuellen Stressoren die Bedrohlichkeit zu nehmen.

Mentale Stresskompetenz Stress beginnt im Kopf – Details dazu erfahren Sie in Kapitel 2. Je nachdem, wie Sie Ihre Handlungsmöglichkeiten, Ressourcen und Kompetenzen in einer Situation bewerten, entsteht entweder gar kein Stress, positiver Stress (Eustress) oder negativer Stress (Dysstress). Ein weiterer Einflussfaktor auf Stress ist der Umgang mit dem Stressor, also dem stressauslösenden Faktor: Können Sie diesen Faktor beeinflussen oder nicht? Wenn Sie einen Stressfaktor ausschalten oder ausblenden können, verliert er seine Macht. Wenn Sie ihn aber nicht beeinflussen können, behält er so lange Macht über Sie, bis Sie Ihre Einstellung ändern: Sobald Sie auch stressige Dinge so akzeptieren wie sie sind, ohne

dass Sie sich innerlich zerreißen oder aufreiben, steigt Ihre Resilienz. Diese innere (mentale) Haltung fördert Ihre Stresskompetenz. Finden Sie heraus, welche Stressfaktoren Ihr Leben derzeit prägen und mit welcher inneren Haltung Sie ihnen begegnen. Betrachten Sie dafür Ihre verschiedenen Lebensbereiche: Wie gestresst sind Sie im Alltag und welche Faktoren sorgen in Ihrem Alltag für Druck und Anspannung? Wie gestresst sind Sie in Partnerschaft und Familie, welche Menschen und welche Umstände stressen Sie besonders? Wie gestresst sind Sie im Beruf und wer oder was stresst Sie im Arbeitsleben ganz besonders? Wie gestresst sind Sie im Hinblick auf Ihre finanzielle Situation? Überlegen Sie dann, wie Sie in Stresssituationen denken beziehungsweise mit sich selbst sprechen: Neigen Sie eher zu einer optimistischen, aufbauenden Denkweise und sprechen sich selbst Mut zu? Oder denken Sie eher pessimistisch und abwertend und sagen sich, dass Sie es sowieso nicht schaffen werden? Probieren Sie verschiedene positive Sätze aus, um sich künftig in stressigen Situationen selbst zu unterstützen, beispielsweise: Das schaff ich! Alles wird gut! Kopf hoch! Ich finde eine Lösung! Halb so schlimm!

Im amerikanischen Sprachraum heißen positive Selbstgespräche »Pep Talk« – sie dienen dazu, sich selbst aufzupeppen und eine Situation zu entschärfen. Nutzen Sie Pep Talk, wann immer Sie den Boden unter den Füßen zu verlieren glauben: »Ich schaffe das!« Unterbrechen Sie negative, abwertende und destruktive Gedankenspiralen: »Mein Leben ist schön!« Bauen Sie sich ganz bewusst selbst auf: »Alles wird gut!« Dies fördert Ihre mentale Stresskompetenz.

Verdrängung als Schutzmechanismus Menschen, die ihre Gefühle dauerhaft verdrängen, werden körperlich krank. Dies haben zahlreiche Untersuchungen bewiesen. Insbesondere Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Schlaganfall treten bei Menschen, die sich und ihre Gefühle beständig kontrollieren und unterdrücken, gehäuft auf. In manchen Situationen ist

Verdrängung jedoch lebenswichtig und sorgt dafür, dass man nach einer traumatischen Erfahrung wieder zurück ins Leben findet. Die Traumaforschung beschäftigt sich mit der Frage, welche Therapie nach einem Trauma, also einer schweren körperlichen und/oder seelischen Verletzung, die richtige ist und wann sie einsetzen sollte. Schlüssige Ergebnisse stehen noch aus, aber eine Erkenntnis hat sich bereits durchgesetzt: Wer nicht über das Trauma sprechen möchte, sollte nicht dazu gezwungen werden. Verdrängung kann ein Schutzmechanismus sein, wohingegen das intensive Sprechen über und damit das erneute Durchleben einer schrecklichen Situation sogar schädlich sein können. Wenn Sie bei sich selbst bemerken, dass Sie die Erinnerung an schlimme Erlebnisse verdrängt haben, sodass diese Erlebnisse nicht mehr in Ihnen nachwirken, beispielsweise in Träumen oder Flashbacks, dann ist das vollkommen in Ordnung. Lassen Sie die Vergangenheit ruhen und leben Sie im Hier und Jetzt. Wenn Sie aufgrund eines Traumas unter Albträumen leiden oder eine Katastrophensituation immer wieder in Wachträumen nacherleben (Flashbacks), suchen Sie sich professionelle Hilfe. Details dazu finden Sie in Kapitel 6. Es gibt spezielle Traumatherapiezentren und Traumaambulanzen, in denen Sie sich beraten und behandeln lassen können. Adressen hält die Gesellschaft für Psychotraumatologie, Traumatherapie und Gewaltforschung e.V. bereit: www.gptg.eu. Die Resilienzforschung hat darüber hinaus gezeigt, dass besonders resiliente Menschen dazu neigen, überwiegend positive Informationen abzuspeichern und negative Informationen tendenziell eher zu verdrängen. Dies scheint ein Abwehrmechanismus zu sein, um seine Seele zu schützen, denn viele negative, traurige, bedrohliche oder bedrückende Informationen haben mit dem eigenen Leben nicht viel zu tun und man kann sie selbst auch gar nicht ändern. Es scheint die Resilienz zu fördern, wenn man sich nicht mit dem ganzen Elend der Welt belastet – Psychohygiene ist hier das Stichwort.

Loslassen und Scheitern lernen Ein weiterer Schutzfaktor im Sinne der Psychohygiene ist es, das Loslassen zu üben. Eine gelassene Lebenseinstellung hält gesund, denn sie hilft, das Unabwendbare zu akzeptieren, das Schöne zu genießen, das Schädliche zu verbannen – und zu verändern, was man selbst verändern kann, frei nach dem Motto: Love it, change it or leave it. Ein umfangreiches, individuelles Gelassenheitstraining können Sie sich aus meinem Buch Gelassenheit lernen für Dummies zusammenstellen. Darin finden Sie zahlreiche Übungen, Checklisten und Pläne für mehr Gelassenheit in allen Lebenslagen.

Wer ständig unter Druck und Anspannung steht, läuft Gefahr, irgendwann zusammenzubrechen, denn Stress setzt im Körper eine Hormonspirale in Gang, die zwar einerseits die Bewältigung von Problemen und Bedrohungen ermöglicht, andererseits aber entgleisen kann, wenn sie nicht immer wieder angehalten wird. Das Stressbewältigungsprogramm unseres Körpers ist uralt und stammt noch aus der Zeit, in der unsere Vorfahren von Säbelzahntigern bedroht wurden. Im Stress musste der Urmensch entweder kämpfen oder fliehen – folglich stellte sein Körper sich auf Kampf oder Flucht ein. Genau dies passiert auch heute noch, wenn ein Mensch unter Stress steht: Die Ausschüttung der Stresshormone Kortison und Adrenalin sorgt dafür, dass das Kampfoder-Flucht-Programm blitzschnell anspringt. Die Muskulatur wird stärker durchblutet, das Herz schlägt schneller, die Atmung wird beschleunigt, die Aufmerksamkeit engt sich ein und Ballast wird abgeworfen, indem Blase und Darm sich entleeren. Im Kampf, also unter körperlicher Betätigung, sowie in Ruhe, sobald die Gefahr vorüber ist, werden die Stresshormone rasch wieder abgebaut und der Körper kehrt in den Ruhemodus zurück. Dauerstress aber hält das Kampf-oder-Flucht-Programm aufrecht, die Stresshormone reichern sich im Körper an und der Organismus kann sich nicht regenerieren. Krankheiten wie Bluthochdruck, Verdauungsprobleme, Immunkrankheiten, Krebs oder Depression können die Folge sein. Lernen Sie also loszulassen: Klammern Sie sich nicht fest an Zielen, Wünschen, Glaubenssätzen oder unverrückbaren Einstellungen. Lassen Sie auch das Scheitern zu. Es kann nicht immer alles gelingen!

Beim zweiten Mal ist es einfacher Es mag paradox klingen, aber man kann das Scheitern tatsächlich üben. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Scheidung eines der besonders einschneidenden, verletzenden und kritischen Ereignisse im Leben eines Menschen ist – ähnlich wie der Tod eines nahen Verwandten, der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Haftstrafe (siehe Tabelle 3.1). Wer dann jedoch im Leben eine weitere Scheidung erlebt, schätzt diese zumeist als deutlich weniger stressig ein. Offensichtlich kann man sich also auch an stressige Situationen gewöhnen, oder aber man lernt beim ersten Mal, dass das Leben weitergeht und man die Situation bewältigen kann. Rang Ereignis

Stresswert

1

Tod des Ehepartners

100

2

Scheidung

73

3

Trennung vom Ehepartner

65

4

Haftstrafe

63

5

Tod eines Familienangehörigen

63

6

Eigene Verletzung oder Krankheit

53

7

Heirat

50

8

Verlust des Arbeitsplatzes

47

9

Aussöhnung mit dem Ehepartner

45

10

Pensionierung

45

11

Änderung im Gesundheitszustand eines Familienangehörigen 44

12

Schwangerschaft

40

Tabelle 3.1: Kritische Lebensereignisse – eine Rangliste der zwölf stressigsten Erfahrungen (nach Thomas Holmes und Richard Rahe (1967): The Social Readjustment Rating Scale)

Sie können das Scheitern also üben, indem Sie sich überlegen, wie und womit Sie im Leben bereits schon einmal gescheitert sind. Gehen Sie Ihre Lebensbereiche und Lebensabschnitte in Ruhe gedanklich durch: Welche zwischenmenschlichen Beziehungen sind in Ihrem Leben zerbrochen und warum? Welche beruflichen Träume konnten Sie nicht verwirklichen und warum? Bei welchen Projekten, Vorhaben, Aufgaben sind Sie gescheitert und warum? Gibt es Alltagssituationen, in denen Sie immer wieder scheitern? Gibt es etwas, was Sie partout nicht lernen können, egal wie sehr Sie sich anstrengen? An welchen Herausforderungen im Beruf oder Privatleben sind Sie jämmerlich gescheitert und warum? Die Beschäftigung mit dem Scheitern kann zunächst dazu führen, dass Sie in eine Problemtrance geraten. Wenn Sie spüren, dass Sie nur noch negative Gedanken haben, richten Sie den Fokus Ihrer Aufmerksamkeit wie einen Scheinwerfer ganz bewusst auf das »Danach«. Führen Sie sich vor Augen, wie das Leben nach dem Scheitern weitergegangen ist: Was hat sich verändert? Was haben Sie gelernt? War das Scheitern vielleicht sogar zu irgendetwas gut? Bestimmt haben Sie das Scheitern selbst als schlimm erlebt – welche Gefühle hatten Sie hinterher? Waren Sie manchmal vielleicht auch erleichtert? Sind Sie gescheitert und haben hinterher festgestellt, dass Sie eigentlich gar nicht erfolgreich hätten sein wollen? So bekommt das Scheitern in Ihrem Leben eine neue Dimension und Sie erkennen, welche Ressourcen Sie haben, um Krisen zu überwinden und immer wieder neu anzufangen.

Gelassenheit und Achtsamkeit fördern die Resilienz Menschen, die sowohl das Gute als auch das Schlechte im Leben akzeptieren, die dennoch optimistisch in die Zukunft schauen und davon ausgehen, dass es nach jedem Tiefpunkt auch wieder bergauf gehen wird, können Krisen und Katastrophen besser wegstecken als pessimistische, ängstliche und verkrampfte Menschen. Doch wer einmal resilient war, bleibt es nicht automatisch sein Leben lang – auch Menschen, die an früheren Krisen

gewachsen sind, geraten manchmal in Schwierigkeiten, an denen sie zu zerbrechen drohen. Das ist unter anderem dadurch bedingt, dass manche Schutzfaktoren in bestimmten Situationen nicht mehr schützen, sondern schaden können. Ein starkes Selbstvertrauen beispielsweise kann dazu führen, dass man sich überschätzt und zu viel zumutet. Wenn Sie sich ausführlicher mit dem Thema Achtsamkeit beschäftigen möchten, finden Sie weitere Details in dem Buch Achtsamkeit für Dummies von Shamash Alidina. Daher ist es sinnvoll, immer wieder innezuhalten und zu reflektieren: Bin ich auf dem richtigen Weg? Achte ich auf mich selbst und meine Bedürfnisse? Bin ich angespannt oder gelassen? Schaue ich positiv nach vorn? Vertraue ich auf meine innere Stärke oder habe ich Angst vor der Zukunft? Wenn Sie gelassen und achtsam sind, wird es Ihnen leichter fallen, unvorhergesehene Ereignisse zu akzeptieren. Wenn Sie in sich ruhen, auf sich achtgeben und die Dinge so annehmen, wie sie sind, können Krisen Sie nicht dauerhaft aus der Bahn werfen. Übernehmen Sie Verantwortung für sich: Sie haben das Steuer Ihres Lebens in der Hand, auch wenn es stürmisch wird. Suchen Sie sich Unterstützung und Hilfe, wenn Sie vom Kurs abkommen oder wenn Sie mit einer Situation nicht allein fertigwerden. Irgendwann wird die See auch wieder ruhiger.

Übungsplan: Resilienztraining für jeden Tag Resilienz beruht auf sieben Säulen: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege, Zukunftsplanung. Zu diesen Säulen finden Sie hier jeweils eine Übung. Suchen Sie sich aus diesen Übungen zunächst eine oder zwei aus, die Sie regelmäßig durchführen möchten, um Ihre Resilienz zu stärken. Legen Sie ein Resilienzübungstagebuch an und notieren Sie, welche Übungen Sie wann gemacht haben, wie es Ihnen dabei ging und welche Veränderungen Sie bemerken. Sie können immer wieder eine neue Übung ausprobieren und in den nächsten Kapiteln finden Sie zahlreiche weitere Vorschläge. So wird Ihr Resilienzübungsplan

immer abwechslungsreicher. Übung für mehr Optimismus : Tun Sie sich täglich etwas Gutes und genießen Sie es. Spüren Sie Ihren Bedürfnissen nach und gönnen Sie sich eine erholsame Auszeit, einen herrlichen Sonnenuntergang, eine Stunde nur für sich, ein leckeres Essen – oder was immer Sie gerade in diesem Moment brauchen, um sich wohl und froh zu fühlen. So steigern Sie Ihre Lebensfreude und Ihr Wohlbefinden. Beides sind wichtige Voraussetzungen für Optimismus. Übung für mehr Akzeptanz : Erzählen Sie sich jeden Abend, wie der Tag gelaufen ist, und hören Sie sich dabei selbst gut zu. Seien Sie sich Ihr bester Freund und zeigen Sie Interesse an allem, was Ihnen widerfahren ist. Lassen Sie den Tag achtsam Revue passieren, ohne alles und jeden zu bewerten. Nehmen Sie alles so an, wie es ist und wie es war. Dies fördert Ihre Akzeptanz und Ihre Gelassenheit. Übung für mehr Handlungsfähigkeit : Treffen Sie täglich eine bewusste Entscheidung. Sagen Sie ganz bewusst Ja, wenn Sie auch Ja meinen, und Nein, wenn Sie etwas nicht wollen. Machen Sie keinen faulen Kompromiss. Stehen Sie zu Ihrer Entscheidung und vertreten Sie sie vor sich selbst und vor anderen. So beweisen Sie sich, dass Sie handlungsfähig sind und Ihr Schicksal in der Hand haben. Übung für mehr Verantwortungsbereitschaft : Wenden Sie die ABC-Priorisierung jeden Tag an: Teilen Sie Ihre Aufgaben nach Wesentlichkeit und Dringlichkeit in drei Kategorien ein (Kategorie A: wesentlich und dringlich, Kategorie B: nicht wesentlich, aber dringlich, Kategorie C: nicht dringlich, aber wesentlich) und arbeiten Sie sie der Reihe nach ab. Alles, was weder wesentlich noch dringlich ist, lassen Sie liegen. Erledigen Sie insbesondere das Wesentliche und Dringliche mit großer Sorgfalt. Übernehmen Sie Verantwortung für das, was Sie tun. Übung für mehr Lösungsorientierung : Überlegen Sie sich zu einem alltäglichen Problem drei neue Lösungsmöglichkeiten. Halten Sie inne, sobald das Problem sich wieder einmal stellt, und handeln Sie keinesfalls so, wie Sie sonst immer handeln. Nehmen Sie die Vogelperspektive ein und schauen Sie von außen auf das Problem. Was könnten Sie verändern? Wen könnten Sie beteiligen? Gibt es vielleicht eine ganz besonders kreative, überraschende Lösungsmöglichkeit? Dann probieren Sie sie einfach aus. Übung für mehr Netzwerkpflege : Gehen Sie jeden Tag aktiv auf einen Menschen zu. Wenn es ein guter Vertrauter ist, sagen Sie ihm doch einfach mal, wie wichtig er Ihnen ist. Wenn es eine Kollegin ist, könnten Sie ihr sagen, dass Sie gern mit ihr zusammenarbeiten. Und einen fremden Menschen könnten Sie anlächeln oder in ein Gespräch verwickeln. So pflegen Sie Ihr bestehendes Netzwerk und bauen es weiter aus. Übung für mehr Zukunftsplanung : Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf und

überlegen Sie täglich »Was wäre, wenn …«. Gönnen Sie sich Tagträume, formulieren Sie Wünsche, lassen Sie auch das Unmögliche in Gedanken zu. Freuen Sie sich auf die Zukunft!

Teil II

Resilienz im Alltag



IN DIESEM TEIL … In diesem Teil stelle ich Ihnen die wichtigsten Stressfaktoren vor, die Ihre innere Widerstandskraft schwächen können und dazu führen, dass Sie Probleme und Schwierigkeiten weniger gut bewältigen. Sie lernen die inneren Antreiber kennen, die Ihre Glaubenssätze beeinflussen und Ihre Selbstwirksamkeitserwartung prägen. Sie lesen etwas über die große Bedeutung des Selbstwerts und erfahren, wie Sie in Ihren verschiedenen Lebensbereichen ganz bewusst an einer Stärkung Ihrer Resilienz arbeiten können. Um Krisen meistern zu können, sind Bewältigungsstrategien hilfreich. In diesem Teil lernen Sie verschiedene Strategien kennen, um unterschiedliche äußere Kraftquellen sowie die eigenen inneren Helfer künftig besser zu nutzen. Das Leben ist eine Achterbahn – gute und schlechte Zeiten wechseln sich ab. Aus Krisen können Sie lernen und sich mit dem Gelernten auf die nächsten Schwierigkeiten vorbereiten. Doch manchmal reichen die inneren Ressourcen nicht aus, um nach einem Rückschlag wieder Fuß zu fassen. Daher stelle ich Ihnen in diesem Teil auch verschiedene professionelle Hilfsangebote vor. Wer an einer Traumafolgestörung leidet, kann und sollte sich qualifizierte Unterstützung suchen, um die seelische Verletzung zu verarbeiten und wieder gesund zu werden.

Kapitel 4

Resilient sein oder nicht sein – Möglichkeiten und Grenzen IN DIESEM KAPITEL Alltägliche Stressfaktoren analysieren Krisen im Alltag besser meistern Ein selbstbestimmtes Leben führen Die Bedeutung von Geduld und langsamem Denken Ändern, was man ändern kann

Wie schön wäre es, wenn man jedem Problem gelassen begegnen und aus jeder Krise gestärkt hervorgehen könnte! Doch die Erfahrung zeigt: Egal wie gefestigt und ausgeglichen ein Mensch ist, es gibt immer wieder Zeiten im Leben, in denen es fast unmöglich erscheint, die innere Ruhe zu bewahren und optimistisch zu sein. Dies zu akzeptieren, ist ein wichtiger Schritt für mehr innere Stärke, also mehr Resilienz. In diesem Kapitel erfahren Sie etwas über die Bedeutung der alltäglichen Stressfaktoren und die Möglichkeiten, diese zu beeinflussen und sich selbst aus dem Hamsterrad des Alltags zu befreien. Sie lernen die große Bedeutung von Geduld und Akzeptanz kennen und finden am Ende des Kapitels eine Checkliste, die Ihnen hilft zu formulieren, was Sie selbst ändern können und wollen.

Analyse der Stressfaktoren im Alltag Resilienz ist ein dynamischer Entwicklungsprozess: Die Schweizer Psychotherapeutin Rosemarie Welter-Enderlin bezeichnete Resilienz als Fähigkeit, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen. Gerade im Alltag gibt es immer wieder Situationen, in denen der Druck zunimmt und die sich zu einer Krise auswachsen können. Es gilt, solchen Krisen den »Beigeschmack der Katastrophe« zu nehmen, um sie produktiv nutzen zu können, wie der Schweizer Schriftsteller Max Frisch schrieb. Dazu ist es hilfreich, die eigenen Stressfaktoren im Alltag zu analysieren und Möglichkeiten zu finden, konstruktiv mit ihnen umzugehen.

Stellen Sie sich in einer ruhigen Minute einmal vor, Ihr Alltagsleben wäre ein Irrgarten. Egal, wohin Sie gehen, Sie müssen immer wieder die Entscheidung treffen, nach links oder rechts abzubiegen oder umzukehren. Sie kennen den Weg nach draußen oft nicht, aber gelegentlich kommen Sie an eine Wegkreuzung, die Ihnen bekannt vorkommt. Wer oder was könnte Ihnen helfen, Ihren Weg durch den Irrgarten optimistisch, fröhlich und zielstrebig zu gehen? Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, wer Ihnen zu Hilfe kommen könnte, welche Tricks Sie anwenden und welche Hilfsmittel Sie benutzen könnten, um den Irrgarten immer wieder aufs Neue zu überwinden. Versetzen Sie sich in eine positive, neugierige Grundstimmung und sehen Sie den Irrgarten als spannende Herausforderung an. Übertragen Sie diese Grundstimmung dann mit offenen Augen in Ihren Alltag. Stress entsteht im Kopf – was für den einen eine spannende Herausforderung ist, entpuppt sich für den anderen als schier unüberwindliche Stresssituation. Die Bewertung von außergewöhnlichen oder unerwarteten Situationen hängt ab von den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten (siehe Stressmodell nach Lazarus in Kapitel 2). Stressfaktoren sind somit höchst individuell – finden Sie heraus, was Sie besonders stresst, indem Sie eine Bestandsaufnahme machen. Nutzen Sie diese Bestandsaufnahme, um sich aktiv mit Ihren Stressoren auseinanderzusetzen und zu entscheiden, wie Sie künftig mit ihnen umgehen möchten. Erinnern Sie sich an die sieben Säulen der Resilienz: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege und Zukunftsplanung. Es fördert Ihre innere Stärke, wenn Sie Ihre Stressfaktoren einerseits akzeptieren, ihnen andererseits aber aktiv handelnd begegnen, optimistisch in die Zukunft schauen, Ihr Netzwerk nutzen, um den Stressfaktoren ihre Macht zu nehmen und immer wieder neue Lösungen im Umgang mit den Stressoren zu finden.

Aus einer Krise lernen Krisen und Katastrophen können schleichend entstehen oder plötzlich hereinbrechen. Mehr über den Umgang mit Katastrophen aus heiterem Himmel lesen Sie in Kapitel 6. Im Alltag hat man es oft mit den allmählich wachsenden Krisen zu tun, mit denen sich dieses Kapitel beschäftigt. Um Ihre ganz persönlichen Krisen und die dafür verantwortlichen Stressfaktoren kennenzulernen, ist es sinnvoll, Rückschau zu halten: Wann waren Sie zuletzt am Boden zerstört, wie ist es dazu gekommen und welche auslösenden Faktoren gab es? Damit Sie nicht in eine Problemtrance verfallen, können Sie einen Trick nutzen und sich an Ihre Krise so erinnern, als sei sie jemand anderem passiert. Wenn Sie mögen, schreiben Sie die Krisengeschichte auf und verfassen den Bericht nicht in der ersten Person (ich …), sondern in der dritten (er/sie …). Damit schaffen Sie Distanz zum Geschehen und nehmen eine neutrale Beobachterposition ein. Beschreiben Sie insbesondere die Gefühle und Gedanken, die in der Krise entstanden.

Sabine Thiel ist am Boden zerstört, weil ihre Schwiegermutter ihr wieder einmal gesagt hat, sie sei die unfähigste, liebloseste und unzuverlässigste Schwiegertochter der Welt. Dabei hatte Sabine versucht, der Schwiegermutter alles recht zu machen: Sie war mit ihren beiden kleinen Kindern zu Besuch gekommen, hatte einen Kuchen mitgebracht und ihrer Schwiegermutter sogar vorgeschlagen, sie nächste Woche zum Arzttermin zu fahren. Den Kindern war bei der Oma langweilig und sie hatten ein bisschen getobt. Der Kuchen war etwas zu trocken geraten und mehr als den Fahrdienst zum Arzt würde Sabine nicht schaffen. »Warum kommst du nicht mit in die Sprechstunde? Ich verstehe doch immer nur die Hälfte von dem, was der Arzt sagt«, hatte ihre Schwiegermutter gefragt. »Ich muss die Kinder von der Schule abholen, darum kann ich nicht mit dir beim Arzt warten, bis du dran bist«, hatte Sabine geantwortet. »Immer hast du eine Ausrede, wenn ich dich mal wirklich brauche«, war die Antwort der Schwiegermutter – und so gab ein Wort das andere, die Kinder wurden immer lauter, der Kuchen schmeckte keinem und am Ende gab es Tränen bei allen Beteiligten. Stressfaktor Schwiegermutter: Sabine erzählt ihrem Mann Wolfgang abends von dieser Krisensituation und stellt fest, dass sie sich in die Perfektionsfalle hat locken lassen. Sie wollte alles perfekt machen, stellte ihre eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund und sah sich zu Rechtfertigungen genötigt. Gemeinsam überlegen Sabine und Wolfgang, wie sie künftig mit der »bösen Schwiegermutter« umgehen könnten, um solche eskalierenden Konflikte zu vermeiden. Außerdem interpretieren sie die Aussagen der alten Dame neu: Sie hat vermutlich große Angst vor dem Arztbesuch, kann dies aber nicht zugeben. Wolfgang beschließt, seine Mutter darauf anzusprechen und seine Hilfe anzubieten, aber auch darauf hinzuwirken, dass seine Mutter sich künftig angemessener Sabine gegenüber benimmt. Benennen Sie möglichst konkret, wer oder was Sie im Alltag stresst und in Krisen treibt, beispielsweise: Partnerschaftskonflikte, Differenzen in der Kindererziehung, Provokation durch oder Sorgen um die Kinder, Ärger mit der Verwandtschaft, dem Freundeskreis oder den Nachbarn, Geldsorgen, Beruf und Familie unter einen Hut bekommen wollen/müssen, Konflikte mit Vorgesetzten oder Kollegen, mangelnde Anerkennung in Beruf oder Familie, Perspektivlosigkeit,

Langeweile, Überforderung, nicht genug Zeit für sich haben, Multitasking, Termindruck. Greifen Sie eine typische Krisensituation heraus und rufen Sie sich Ihre Gedanken und Gefühle möglichst detailliert in Erinnerung. Warum haben Sie so gehandelt, wie Sie gehandelt haben? Was wollten Sie gern erreichen? Sind Sie in negative Gedankenspiralen hineingeraten? Wollten Sie vielleicht perfekt, stark oder unabhängig sein und gleichzeitig von allen geliebt werden? An welche Situationen aus Ihrer Vergangenheit hat Sie diese Krise erinnert? Haben Sie sich hilflos, ausgeliefert, überfordert gefühlt? Waren Sie Sie selbst, also authentisch, oder hatten Sie das Gefühl, jemand anders sein zu wollen oder zu müssen? Treten Sie innerlich noch einen Schritt zurück und versuchen Sie zu erkennen, welchem inneren Antreiber Sie in der Krisensituation gefolgt sind. Die typischen Antreiber sind: Sei stark! Sei perfekt! Mach es allen recht! Beeil dich! Streng dich an!

Die inneren Antreiber verstehen und in Schach halten Diese Antreiber sind keineswegs verwerflich – im Gegenteil, sie sind mit dafür verantwortlich, dass jeder Erwachsene den Platz erreicht hat, an dem er steht. Die fünf Antreiber repräsentieren fünf sehr positive Eigenschaften: Unabhängigkeit, Leistungsbereitschaft, Umgänglichkeit, Effizienz und Willenskraft. Problematisch werden sie erst dann, wenn sich aus ihnen unreflektierte Glaubenssätze ableiten, die das Handeln bestimmen: Sei stark: Ich muss immer auf das Schlimmste gefasst sein, ich kann niemandem vertrauen, ich darf keine Gefühle zeigen. Sei perfekt: Nur wenn ich etwas leiste, werde ich geliebt. Ich muss alles allein machen. Mach es allen recht: Nur wenn ich anderen das Leben angenehm mache, werde ich geliebt.

Beeil dich: Ich muss meine Arbeit umgehend erledigen und darf mir keine Ruhe gönnen. Zeit ist Geld! Streng dich an: Ich muss immer bis zum Äußersten gehen und meine ganze Kraft einsetzen, um geliebt zu werden. Ohne Fleiß kein Preis! Insbesondere unter Druck neigen viele Menschen dazu, auf die durch diese Glaubenssätze geprägten Verhaltensweisen zurückzugreifen und sich dadurch selbst stark einzuengen. Es fördert die Handlungsfreiheit, wenn man sich seiner Antreiber bewusst wird und sie in Schach halten kann. Stellen Sie Ihren inneren Antreibern neue Sichtweisen entgegen, beispielsweise: Stark sein ist gut – aber ich darf auch mal schwach sein. Ich versuche, allein klarzukommen – aber wenn ich Hilfe brauche, hole ich sie mir und nehme sie auch an. Harmoniebedürfnis ist in Ordnung – aber nicht um den Preis der Selbstaufgabe. Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige – aber ich brauche regelmäßige Pausen, um gesund zu bleiben. Leistungsbereitschaft ist wichtig – aber nicht bis zur Selbstausbeutung. Versuchen Sie, sich von schädlichen Gewohnheiten zu verabschieden, um nicht immer wieder in vermeidbare Krisen zu geraten. Überlegen Sie anhand Ihrer Bestandsaufnahme (siehe weiter vorn in diesem Kapitel), in welchem Lebensbereich Krisen Sie besonders viel Kraft kosten. Widmen Sie diesem Lebensbereich besondere Aufmerksamkeit: Welche Rolle spielt dieser Lebensbereich für Ihr Selbstbild? Welche Personen haben Anteil an diesem Lebensbereich und wie ist Ihr Verhältnis zu ihnen? Wie ist Ihre Selbstwirksamkeitserwartung in Bezug auf diesen Lebensbereich? Welche inneren Antreiber schwingen in diesem Lebensbereich bei Ihnen die Peitsche? Was möchten Sie erreichen, was könnten Sie erreichen und was erreichen Sie tatsächlich? Vielleicht stellen Sie fest, dass Sie überhöhte Erwartungen an sich selbst oder an diesen Lebensbereich und die übrigen darin handelnden Menschen haben. Versuchen Sie, Ihre Erwartungen zu senken und damit den Druck zu verringern. Vielleicht merken Sie aber auch, dass Sie deutlich mehr erreichen könnten, wenn Sie Ihre Mitmenschen stärker einbinden, mehr Unterstützung annehmen oder Ihre Bedürfnisse klarer formulieren. Erarbeiten Sie einen konkreten Plan, wie Sie künftig frühzeitig bemerken können, dass sich eine Krise ankündigt. Achten Sie dabei besonders auf Ihre Gefühle und Gedanken

und schalten Sie ein Frühwarnsystem ein, sobald diese Gefühle und Gedanken sich erneut einstellen. Überlegen Sie, wie Sie in Zukunft anders reagieren könnten als bisher. Notieren Sie sich »Wenn – dann«-Alternativen und nehmen Sie sich vor, künftig ganz bewusst anders zu handeln als bisher. Und ganz wichtig: Atmen Sie erst einmal tief durch, wenn es stressig wird. Je mehr Zeit Sie sich in einer Stresssituation verschaffen, desto größer wird Ihr Handlungsspielraum.

Die innere Stärke bewahren Innere Stärke wurde Ihnen zum Teil in die Wiege gelegt, zum Teil müssen Sie sie sich immer wieder aufs Neue erarbeiten. Aber diese Arbeit lohnt sich: Ihre innere Widerstandskraft hilft Ihnen dabei, das Leben gut zu meistern und zu sich selbst zu finden. »Werde, der du bist«, zitierte Friedrich Nietzsche den griechischen Dichter Pindar (5. Jahrhundert vor Christus) – und meinte damit den Anspruch, sein eigenes Potenzial voll auszuschöpfen, egal unter welchen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Ihre innere Stärke ermöglicht Ihnen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, also eigene Entscheidungen zu treffen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, Ihren eigenen Weg zu gehen und nach Rückschlägen immer wieder aufzustehen und weiterzugehen. Wenn Sie sich Ihrer inneren Kräfte bewusst sind und diese nutzen, werden Sie sich nicht mehr als Opfer der Umstände erleben, sondern als Handelnder. Sie sind kein Staubkorn im Wind, sondern eine unverwechselbare, einzigartige, wertvolle Persönlichkeit. Zur Veranschaulichung Ihres Selbstwerts können Sie die Imaginationsübung »Diamant« nutzen: Setzen oder legen Sie sich an einem ruhigen, ungestörten Ort hin, kommen Sie zur Ruhe, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nach innen und atmen Sie einige Male tief in Ihren Bauch ein und aus. Lassen Sie Ihren Atem fließen, lassen Sie alle Gedanken kommen und gehen, halten Sie nichts fest. Stellen Sie sich nun vor Ihrem inneren Auge einen Diamanten vor, in dem sich die Sonnenstrahlen brechen. Dieser Diamant ist wunderschön und sehr wertvoll. Genauso einzigartig, schön und wertvoll sind auch Sie. Auch wenn der Diamant im Staub liegt oder in einer Schublade vergessen wurde – sein Wert bleibt immer gleich. So ist es auch mit Ihrem Selbstwert: Er kann durch äußere Einflüsse nicht vermindert werden. Erfreuen Sie sich an diesem Bild, lassen Sie Ihren Selbstwert funkeln wie einen Diamanten und nehmen Sie sich vor, gut auf diesen Diamanten aufzupassen. Sagen Sie sich einige Male laut oder im Stillen: »Ich bin so wertvoll wie ein Diamant.« Kehren Sie dann langsam mit Ihrer Aufmerksamkeit wieder nach außen zurück, atmen Sie tief ein und aus, recken und strecken Sie sich, öffnen Sie die Augen und nehmen Sie das Bild des Diamanten mit in Ihren Alltag. Wann immer Sie sich wertlos oder vernachlässigt fühlen, rufen Sie sich den Diamanten und damit Ihren Selbstwert in Erinnerung.

Mit Geduld zum Erfolg Geduld ist ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor, und zwar sowohl für die Resilienz als auch für das Erreichen von Zielen. Geduld zeichnet sich aus durch Beharrlichkeit, Akzeptanz, Empathie, Wertschätzung und die Fähigkeit, Menschen und Dinge so sein zu lassen, wie sie sind. Wer Geduld hat, kann Gefühlsschwankungen aushalten, ohne gleich impulsiv (über-)reagieren zu müssen. Impulse sind zwar gut und wichtig, um in einer akuten Gefahrensituation die eigene Haut zu retten, aber für die innere Stärke ist es oftmals viel besser, Impulse vorübergehen zu lassen und abzuwarten, bis der Kopf wieder klar ist und rationales Denken möglich wird. Peter und Marlene Langwald haben schon seit Jahren einen gemeinsamen Traum: Sie möchten sich ein Fachwerkhaus kaufen, es restaurieren und dort ihren Lebensabend verbringen. Irgendwann finden sie tatsächlich ihr Traumobjekt, klären die Finanzierung und beginnen mit der harten Arbeit des Renovierens. Jedes Wochenende und sämtliche Ferien investieren sie in ihr gemeinsames Projekt. Unverhofft geht Peters Arbeitgeber dann jedoch in Konkurs und Peter wird arbeitslos. Aufgrund seines Alters hat er nach Einschätzung des Jobcenters keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt. Sein erster Impuls: Das Fachwerkhaus muss weg, wir brauchen jetzt jeden Cent! Doch nach dem ersten Schock sind Peter und Marlene in der Lage, mit kühlem Kopf neue Pläne zu entwickeln. Geduldig klären sie alle Möglichkeiten, wieder mehr Geld in die Kasse zu bekommen, ihre Ausgaben zu senken und das Haus behalten zu können. Sie schränken sich in manchen Lebensbereichen erheblich ein, um ihren langjährigen Traum weiter verwirklichen zu können – und ziehen kurz nach Marlenes Pensionierung in ihr restauriertes Traumhaus ein, um zwar mit knappen Mitteln, aber glücklich gemeinsam alt zu werden. Geduld ermöglicht langsames Denken, und dies ist in der Theorie des US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers und Nobelpreisträgers David Kahnemann eine wesentliche Voraussetzung, um mit unerwarteten Komplikationen fertigzuwerden. In seinem Erfolgsbuch »Schnelles Denken, langsames Denken« erläutert er den Unterschied zwischen intuitivem und analytischem Denken: Unser schnelles, intuitives, emotional geprägtes Denksystem (Kahnemann nennt es »System 1«) reagiert auf Veränderungen in der Umgebung, indem es blitzschnell die aktuellen Wahrnehmungen mit dem gespeicherten Wissen und den bislang gemachten Erfahrungen abgleicht. Es arbeitet nach dem Prinzip »Häufige Dinge sind häufig, seltene Dinge sind selten« und ermöglicht es, intuitive Lösungen zu finden und Routinetätigkeiten ohne großen Aufwand zu erledigen. Das rationale, analytische Denksystem hingegen (»System 2« in Kahnemanns Nomenklatur) kommt zum Zuge, wenn unerwartete Dinge passieren, knifflige Aufgaben zu lösen sind, eine Situation verdächtig erscheint oder man sich besonders anstrengen

muss, um mit einer Herausforderung zurechtzukommen. System 2 ist jedoch eher faul und verlässt sich gern auf System 1, sodass man oft geneigt ist, die erste in den Sinn kommende Lösung für ein Problem als die richtige Lösung zu werten. Geduldig zu sein und das analytische Denksystem immer wieder bewusst einzuschalten, trägt zur Resilienz bei, denn so können Sie vermeiden, dass Sie Entscheidungen im Nachhinein bereuen, weil Sie zu impulsiv und ohne alle Fakten zu kennen entschieden haben. Außerdem gehen Sie Manipulationen und Schönfärberei nicht auf den Leim, wenn Sie sich nicht vom äußeren Schein blenden lassen, sondern eine leuchtende Fassade kritisch hinterfragen. Ist ein Vorschlag wirklich gut, nur weil er freundlich und überzeugend vorgetragen wird? Ist jemand, der dreimal hintereinander recht hatte, immer im Recht? Gibt es noch weitere Hintergrundinformationen, die Sie brauchen, um eine wichtige Entscheidung zu treffen?

Mehr Lebensfreude, mehr Resilienz Auch Lebensfreude trägt erheblich zur inneren Widerstandskraft bei. Lebensfreude unterstützt eine optimistische Grundeinstellung und kann das Selbstwertgefühl erhöhen. Sie schützt vor negativen Gedankenspiralen, senkt das Stressniveau, erleichtert die körperliche und seelische Regeneration und fördert die Selbstwirksamkeitserwartung. Mit der Lebensfreude ist es wie mit einem Konto: In guten Zeiten zahlen Sie ein, das Lebensfreudekapital trägt Zinsen, in schlechten Zeiten heben Sie ab und nutzen das Kapital, um sich Ihr Leben zu erleichtern. Vielleicht geraten Sie in besonders schweren Zeiten Ihres Lebens bei Ihrem Lebensfreudekonto auch mal ins Minus. Dann ist für eine Weile nichts mehr da, worauf Sie zurückgreifen können. Aber Sie können sich im übertragenen Sinne immer noch die Kontoauszüge mit Ihren Einzahlungen ansehen: Die Erinnerung an Lebensfreude nimmt Ihnen niemand weg. Und wie von Zauberhand werden aus den Erinnerungen wieder Einzahlungen – denn unsere Gedanken sind so mächtig, dass sie auch dort Dinge entstehen lassen können, wo eigentlich nichts mehr ist. Die Macht Ihrer Gedanken können Sie ganz leicht überprüfen: Setzen Sie sich vornübergebeugt hin, lassen Sie den Kopf und die Schultern hängen, denken Sie an etwas Trauriges oder Enttäuschendes und geben Sie sich dem Selbstmitleid hin. Sie werden deutlich spüren, wie Ihnen das Herz schwer wird, die Stimmung sich eintrübt und Sie die Lebensfreude verlieren. Atmen Sie jetzt tief in Ihren Bauch ein und aus, richten Sie sich auf, nehmen Sie die Schultern zurück, drücken Sie die Brust nach außen, heben Sie den Blick zum Himmel und lächeln Sie. Denken Sie an ein schönes Erlebnis aus dem letzten Urlaub, an eine wohltuende Begegnung oder an einen angenehmen Traum. Genießen Sie die Lebensfreude, die Sie durchströmt, spüren Sie Ihre Kraft und Zuversicht. Vergleichen Sie Ihr Körpergefühl in den beiden unterschiedlichen Haltungen und entscheiden Sie sich im Alltag immer wieder aktiv für die Lebensfreude. Wenn es mit der Lebensfreude bei Ihnen derzeit nicht weit her ist, dann konzentrieren Sie

sich auf eine der anderen Resilienzsäulen: die Akzeptanz. Resiliente Menschen nehmen die Dinge so an, wie sie sind. Akzeptieren Sie, dass es Ihnen gerade schwerfällt, den Silberstreif am Horizont zu sehen oder in einem missglückten Projekt die komischen Anteile zu erkennen. Zwingen Sie sich nicht zu gespielter Freude oder zu zähneknirschendem Optimismus. Wenn im Moment nicht die Zeit für Leichtigkeit, Humor und Verspieltheit ist, dann ist das eben so. Aber vielleicht schreiben Sie sich einen Merkzettel oder mit Lippenstift auf den Badezimmerspiegel: »Es kommen auch wieder bessere Zeiten!«

Sich nicht überfordern Das Resilienztraining bietet Ihnen viele Chancen, es hat aber auch Grenzen. Es gibt kein Patentrezept, wie man garantiert gut durch eine Krise kommt. Erwarten Sie daher keine Wunder und vor allem: Überfordern Sie sich nicht. Wenn Sie bislang eher pessimistisch, ängstlich und allein durchs Leben gegangen sind, werden Sie sich kaum innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen umprogrammieren können. Doch Sie haben den ersten wichtigen Schritt getan: Sie beschäftigen sich mit dem Thema Resilienz, Sie kommen Ihren inneren Kräften auf die Spur und Sie reflektieren Ihr bisheriges Krisenmanagement. Gehen Sie konsequent auf diesem Weg weiter und investieren Sie zunächst Kraft in diejenigen Säulen der Resilienz (siehe Kapitel 1), die Ihnen am nächsten liegen. Vielleicht sind Sie besonders verantwortungsbewusst und handlungsfähig – bauen Sie diese Bereiche aus. Wenden Sie sich dann einer weiteren Säule zu, die Ihnen nicht allzu fernliegt, etwa der Lösungsorientierung. Übungen dazu finden Sie in den Kapiteln 3, 6 und 16. Möglicherweise stellen Sie fest, dass Ihnen die Akzeptanz auch gar nicht mehr so schwerfällt, wohingegen die Netzwerkpflege Ihnen derzeit noch so weit entfernt vorkommt wie der Mond. Dann ist das eben so – jedenfalls für den Moment: Akzeptieren Sie es. Auch resiliente Menschen haben Zeiten, in denen sie von negativen Emotionen überrollt werden. Sie ziehen sich zurück, lassen diese Gefühle zu, versinken vielleicht auch für eine Weile im Selbstmitleid. Doch irgendwann fangen die Wunden an zu heilen und die Lebenskraft kehrt zurück – die seelischen Verletzungen scheinen bei resilienten Menschen schneller zu vernarben als bei weniger widerstandskräftigen Personen. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die zeigen, dass zwei Drittel der Bevölkerung Katastrophen und Krisen überstehen, ohne einen dauerhaften seelischen Schaden davonzutragen. Etwa ein Drittel jedoch läuft Gefahr, durch ein schweres Trauma an Depressionen zu erkranken, eine Angst- und Panikstörung zu entwickeln, selbstmordgefährdet zu werden oder sich in den Drogenkonsum zu flüchten. Sie erleiden

darüber hinaus auch häufiger körperliche Krankheiten wie etwa Herz-KreislaufErkrankungen. Diese kaum oder gar nicht resilienten Menschen brauchen umfassende professionelle Hilfe. Seien Sie besonders aufmerksam, wenn Sie eine Krise durchlebt haben: Falls Sie spüren, dass Sie gar nicht mehr zu Kräften kommen, Ihre Stimmung sich einfach nicht bessert, Sie immer wieder über die Krise und deren Folgen nachdenken, keinen Weg aus Trauer oder Hoffnungslosigkeit finden, Schlafstörungen oder Herzrasen haben und immer wieder an Infektionen erkranken, dann sprechen Sie den Arzt Ihres Vertrauens an und bitten Sie um Unterstützung. Weitere Details zur Traumatherapie finden Sie in Kapitel 6. Oft leidet auch die Umgebung eines Menschen, der eine Katastrophe erlebt hat, intensiv mit: Angehörige, Freunde, Nachbarn und Kollegen nehmen Anteil, versuchen zu helfen, identifizieren sich mit dem Schicksal. Möglicherweise weckt dies bei dem einen oder anderen Erinnerungen an eigene Schicksalsschläge oder es entstehen Ängste in Bezug die Frage »Wie würde ich mit einer solchen Krise umgehen?«. Insofern ist es verständlich, dass nicht das gesamte Umfeld eines krisengeschüttelten Menschen sich gleichermaßen kontinuierlich in die Begleitung einbringen kann. Manch einer zieht sich zurück, hat Berührungsängste, ist unsicher, wie er sich verhalten soll. Auch hier hilft wieder die Akzeptanz: Derjenige, der sich in einer schwierigen Lebenssituation befindet, sollte akzeptieren, dass nicht jeder die Kraft hat, Anteil zu nehmen und sich zu kümmern. Wer im Umfeld eines krisengeschüttelten Menschen feststellt, dass er selbst an seine Grenzen kommt, was die Anteilnahme angeht, sollte sich den Rückzug erlauben und seine eigenen Bedürfnisse ernst nehmen. Vielleicht ist zu einem späteren Zeitpunkt wieder eine Annäherung möglich.

Das Hamsterrad anhalten Der erste Schritt auf dem Weg zu mehr innerer Widerstandskraft ist der wichtigste: Halten Sie Ihr Hamsterrad an! Machen Sie eine Pause vom Alltagstrott, nehmen Sie sich eine Auszeit, atmen Sie tief durch und konzentrieren Sie sich auf sich selbst. Es geht nur um Sie! Nehmen Sie sich Zeit für die Selbstwahrnehmung und spüren Sie, wie es Ihnen gerade geht: Sind Sie ruhig und gelassen oder angespannt und aufgedreht? Fließt Ihr Atem tief in Ihren Bauch oder atmen Sie flach in den Brustkorb? Schlägt Ihr Herz ruhig und gleichmäßig oder rast Ihr Puls? Ist Ihre Muskulatur weich oder hart? Ist Ihr Körpergefühl gut oder haben Sie Schmerzen? Kommen und gehen Ihre Gedanken ganz in Ruhe oder kreisen Ihre Gedanken um

Sorgen und Probleme? Sind Sie zufrieden oder unzufrieden? Glücklich oder unglücklich? Freuen Sie sich auf den nächsten Tag oder haben Sie Angst? Führen Sie eine solche Reflexion regelmäßig durch. Sie dient dazu, dass Sie sich fokussieren, Ihre Befindlichkeit wahrnehmen, ein Gefühl für Ihre Bedürfnisse bekommen und Ihre Selbstwahrnehmung verbessern. So finden Sie Zugang zu Ihren inneren Ressourcen und können die Notbremse ziehen, sobald Sie spüren, dass Sie unter zu großem Druck stehen. Ihr Körper sendet Ihnen Signale, wenn die Anspannung steigt. Resiliente Menschen sind in der Lage, diese Signale frühzeitig wahrzunehmen und zu verstehen. Sie kümmern sich um ihr Wohlbefinden und übernehmen Verantwortung für ihre körperliche und seelische Gesundheit. Zu einem gesunden Lebensstil gehören folgende Elemente: ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung, Ruhezeiten und Pausen, geistige Anregung, körperliche Betätigung, Zurückhaltung bei Genussgiften (Alkohol, Nikotin, Koffein), frühzeitige und fachgerechte Behandlung von Erkrankungen. Gönnen Sie sich Zeit für sich und lassen Sie sich nicht stören, wenn Sie eine Pause einlegen. Treiben Sie regelmäßig Sport, gehen Sie Ihren Hobbys nach, pflegen Sie Ihren Freundeskreis, nehmen Sie Anteil am Weltgeschehen, halten Sie sich geistig fit. So haben Sie die Chance, bis ins hohe Alter innerlich und äußerlich gesund und stark zu bleiben. Krisen und Katastrophen können Sie zwar möglicherweise umwerfen, aber Sie werden auch wieder aufstehen.

Aus Rückschlägen lernen Sie haben sich mittlerweile fest dazu entschieden, Ihre innere Widerstandskraft bewusst zu trainieren? Glückwunsch, denn Resilienz kann man tatsächlich fördern, man kann sich für Krisen wappnen und aktiv daran arbeiten, auch unvorhergesehenen Schwierigkeiten wirksam zu begegnen. Ihr Resilienztraining braucht Zeit – es ist im Grunde ein lebenslanger Prozess. Innere Stärke ist kein Dauerzustand, sondern dynamischen Entwicklungen unterworfen: Durch das Auf und Ab des Lebens kann Ihre Widerstandskraft wachsen oder abnehmen. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn es Ihnen zeitweilig schlechter geht, wenn Sie hoffnungslos sind oder nicht wissen, wie es weitergehen soll. Solche Rückschläge sind ganz normal und kommen auch bei den

widerstandsfähigsten Menschen vor. Sie können versuchen, Rückschläge und Niederlagen in Ihr Resilienztraining einzubauen: Hat die Krise, die Sie erleben, möglicherweise auch etwas Gutes an sich? Gibt sie Ihnen vielleicht die Gelegenheit, noch intensiver über sich selbst und Ihre Prioritäten, Werte und Sinnfragen nachzudenken? Zeigt sich in Zeiten der Not, wer wirklich zu Ihnen hält und auf wen Sie sich tatsächlich verlassen können? Brigitte Meyer ist an Brustkrebs erkrankt. Sie wird operiert, bekommt eine Chemound eine Strahlentherapie. Da sie den Schock der Krankheit zunächst gar nicht gut verarbeiten kann, nimmt sie psychoonkologische Hilfe in Anspruch. Im Laufe der Gespräche mit der Psychologin stellt sich heraus, dass Brigitte Meyer in den Monaten vor der Krebsdiagnose sehr unglücklich an ihrem Arbeitsplatz in der Stadtverwaltung war. Ihr neuer Abteilungsleiter ließ kein gutes Haar an ihr, nahm ihr verantwortungsvolle Aufgaben weg, genehmigte ihr keine Brückentage und machte ihr das Leben schwer. Brigitte Meyer war früher immer gern zur Arbeit gegangen, doch durch die Schikane hatte sie morgens inzwischen Angst davor, das Rathaus zu betreten. Sie entwickelte Schlafstörungen und weinte viel. In der Psychotherapie im Rahmen der Krebsbehandlung entschloss sie sich dazu, die Versetzung in ein anderes Amt zu beantragen. Sie informierte den Personalrat über diese Entscheidung und bat um Unterstützung. Nach Abschluss der Krebstherapie bewilligte die Verwaltung ihr den schrittweisen Wiedereinstieg mithilfe des sogenannten Hamburger Modells und sie arbeitete sich mit großem Elan in ihre neue Aufgabe ein. Rückblickend sagt Brigitte Meyer: »Die schwere Krankheit hat mir die Chance gegeben, mein Leben zu ändern. Ich bin froh, dass ich Hilfe bekommen habe und jetzt eine ganz neue Perspektive sehe.« Kein Mensch ist Superman oder Superwoman – jeder hat Stärken und Schwächen, erlebt Höhen und Tiefen. Kränkungen, Krisen und Katastrophen lassen sich mal besser, mal schlechter ertragen. Wie man damit umgeht, ist eine Frage der Widerstandskraft, der Ressourcen, des Netzwerks und der Lebensperspektive. Entscheiden Sie sich am besten jeden Tag aufs Neue dafür, Ihr Schicksal in die Hand zu nehmen, sich von Problemen nicht unterkriegen zu lassen und optimistisch nach vorn zu schauen. Der weltberühmte Clown Charlie Rivel sagte es treffend: »Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist. Aber er lebt froher.«

Checkliste: Was Sie selbst ändern können Sie können weder Ihre Mitmenschen noch das Schicksal noch das Wetter ändern – Sie können nur sich selbst und Ihre innere Haltung zu Menschen und Dingen beeinflussen. Nutzen Sie die Checkliste, um Ihre innere Einstellung regelmäßig zu überprüfen und festzustellen, an welcher der sieben Säulen der Resilienz Sie arbeiten könnten, um Ihre Widerstandskraft zu erhöhen.

Bewerten Sie die einzelnen Schutzfaktoren im Hinblick auf Ihre verschiedenen Lebensbereiche (Alltag, Familie, Beruf, Gesundheit, Finanzen und so weiter) jeweils auf einer Skala von 1 (wenig ausgeprägt) bis 10 (stark ausgeprägt). Wenn der Skalenwert bei 5 oder weniger liegt, könnten Sie sich bewusst mit diesem Faktor beschäftigen, um Ihre innere Stärke zu verbessern – hier besteht Handlungsbedarf. Übungen zu den sieben Säulen der Resilienz finden Sie in den Kapiteln 3, 6, 11 und 16. Säule der Resilienz

Lebensbereich Skalenwert Handlungsbedarf? Übung

Optimismus Akzeptanz Handlungsfähigkeit Verantwortungsbereitschaft Lösungsorientierung Netzwerkpflege Zukunftsplanung

Tabelle 4.1: Checkliste zur Resilienz: Was Sie selbst ändern können

Kapitel 5

Den Erfolg buchen IN DIESEM KAPITEL Die eigenen Stärken kennen und sich darauf verlassen Neues ausprobieren, um krisenfester zu werden Die eigenen Persönlichkeitsanteile einsetzen Bewusster mit schwierigen Situationen umgehen Das Netzwerk pflegen und ausbauen

Ein Leben auf der Gewinnerseite zu führen, ist der Wunsch vieler Menschen. Was kann man tun, um den Erfolg zu buchen, Krisen gut zu überstehen und selbstbestimmt seine Ziele zu erreichen? In diesem Kapitel erfahren Sie, wie wichtig es ist, die eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Stärken und Ressourcen gut zu kennen und immer weiter auszubauen. Sie bekommen Tipps, wie Sie alltägliche Situationen positiv beeinflussen und andere Menschen dazu motivieren können, gemeinsam mit Ihnen auf konkrete Ziele hinzuarbeiten. Handlungsbereitschaft, Lösungsorientierung und Netzwerkpflege sind drei der sieben Säulen der Resilienz – nutzen Sie diese Faktoren, um innerlich stärker und widerstandsfähiger zu werden.

Die eigenen Stärken bewusst wahrnehmen Jeder Mensch kann irgendetwas besonders gut: Der Eine ist handwerklich sehr geschickt, die andere ist ein Organisationstalent, die Dritte hat ein untrügliches Gespür für Geldanlagen, der Vierte kann besonders gut zuhören und so weiter. Viele Menschen wissen, was sie können, und sind stolz darauf. Andere aber stellen ihr Licht unter den Scheffel und entwerten ihre Fähigkeiten nach dem Motto: Das ist doch nichts Besonderes, das kann doch jeder. Zu welcher Gruppe gehören Sie? Können Sie detailliert beschreiben, wo Ihre Stärken liegen? Probieren Sie es aus und machen Sie eine Liste, auf der Sie notieren, … was Sie gut können, was Sie gern tun, womit Sie erfolgreich sind,

was Sie an sich mögen und was andere an Ihnen schätzen. Wie viele Punkte haben Sie aufgeschrieben? Wenn Ihnen nur drei Dinge einfallen, ist es an der Zeit, dass Sie Ihre eigenen Stärken endlich besser kennenlernen. Auch fünf Punkte auf der Liste sind noch viel zu wenig – Sie können ganz sicher mehr. Seien Sie nicht bescheiden! Meine Großmutter sagte immer augenzwinkernd: »Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr …« Ergänzen Sie Ihre Liste immer weiter und versuchen Sie, jeden Tag neue Punkte zu finden. Nehmen Sie im nächsten Schritt die Liste mit Ihren Stärken erneut zur Hand und untergliedern Sie sie nach Ihren Lebensbereichen: Familienleben, Beruf, Freizeit, Haushalt und so weiter. Vielleicht hilft es Ihnen, für jeden Lebensbereich eine Mind Map anzulegen. Mind Mapping ist eine Technik, die zur strukturierten Sammlung von Ideen genutzt wird (mehr zum Thema finden Sie in Mind Mapping für Dummies von Florian Rustler). Sie hilft dabei, einen Überblick über ein Thema zu bekommen und Zusammenhänge zu erkennen. Die Technik wurde von dem englischen Psychologen Tony Buzan erarbeitet und kann von Hand oder mithilfe spezieller Programme auch am Computer angewendet werden. Schreiben Sie den Themenbereich, über den Sie nachdenken möchten, in die Mitte eines großen Blattes Papier (siehe Abbildung 5.1). Zeichnen Sie einen Kreis oder ein Oval um den Begriff, den Sie aufgeschrieben haben, und ziehen Sie von dort aus Linien, an die Sie Unterbegriffe schreiben, die Ihnen zu Ihrem Hauptthema einfallen. An diese Linien, die man als Hauptäste bezeichnen kann, malen Sie Verzweigungen (Äste der zweiten und dritten Ebene) und sammeln darauf weitere Unterbegriffe. Sie werden erleben, dass Ihre Ideen beim Mind Mapping frei fließen können und dass Ihnen immer weitere Punkte einfallen. Es gibt einige kostenlose Computerprogramme für das Mind Mapping, beispielsweise XMind, Coggle, YouMinds Composer, FreePlane, View Your Mind, FreeMind oder ExamTime. Kostenpflichtige Programme wie Scapple oder MindMeister bieten zusätzliche Services, etwa den Zugriff auf Online-Plattformen, die gemeinsame Bearbeitung von Mind Maps oder die Verknüpfung mit Textdatenbanken. Diese Programme können Sie zunächst kostenlos in einer Basisversion testen.

Abbildung 5.1: Aufbau einer Mind Map

Hängen Sie Ihre Mind Maps an die Wand oder legen Sie sie auf Ihren Schreibtisch. So haben Sie Ihre Stärken immer vor Augen und können sich im Alltag damit beschäftigen. Bauen Sie Ihre Stärken aus und nutzen Sie sie ganz bewusst. So gewinnen Sie Selbstvertrauen, fördern Ihre Selbstwirksamkeitserwartung und erleben, dass Sie den Herausforderungen des Alltags gewachsen sind.

Handlungsbereit sein und die Komfortzone erweitern Wenn Sie sich Ihrer Stärken bewusst sind, können Sie eigenständig handeln und sich darauf verlassen, dass Ihr Handeln erfolgreich sein wird. Denn was man gut kann und gern tut, ist in den allermeisten Fällen auch von Erfolg gekrönt. Trainieren Sie Ihre Handlungsbereitschaft zunächst innerhalb Ihrer Komfortzone, also in den Bereichen, in denen Sie sich sicher, wohl und heimisch fühlen: Sie haben eine Idee fürs Wochenende? Zögern Sie nicht lange, sondern setzen Sie sie um: Fahren Sie weg, laden Sie Gäste ein, besuchen Sie eine Ausstellung, machen Sie Sport. Auch wenn dann etwas im Haushalt liegen bleibt, Sie die neue Arbeitswoche nicht so ausführlich vorbereiten wie sonst oder Ihr innerer Schweinhund jault – genießen Sie das Handeln. Im Büro gibt es etwas zu feiern? Packen Sie mit an und backen Sie Ihren Lieblingskuchen, zaubern Sie einen ausgefallenen Salat, besorgen Sie ein Geschenk.

Beteiligen Sie sich aktiv, statt nur passiv zu konsumieren. Die Nachbarn ziehen um? Helfen Sie beim Schleppen mit, versorgen Sie die Umzugshelfer mit Brötchen, bieten Sie die Nutzung Ihrer Küche und Ihres Badezimmers an, wenn nebenan schon alles abgebaut ist. Freuen Sie sich über die Dankbarkeit, die Ihnen anschließend entgegengebracht wird. Ihre Komfortzone ist so etwas wie Ihr Basislager. Hier sind Sie gut aufgehoben und können Kraft tanken. Sie brauchen nicht lange über Handlungsalternativen nachzudenken, sondern reagieren in bewährter Form auf die Anforderungen Ihres Alltags. In der Komfortzone kann es jedoch auf die Dauer langweilig werden und wenn Sie immer in Ihrem Wohlfühlbereich bleiben, entwickeln Sie sich nicht weiter. Probieren Sie darum öfter mal etwas Neues aus und erweitern Sie Ihre Komfortzone: Lernen Sie eine neue Sprache, testen Sie eine neue Sportart, probieren Sie ein neues Hobby aus. Sprechen Sie unbekannte Menschen an, fragen Sie nach dem Weg, verwickeln Sie andere in der Warteschlange in ein Gespräch. Melden Sie sich freiwillig für eine Aufgabe, die Sie noch nie vorher übernommen haben. So verlieren Sie zunehmend die Angst vor dem Unbekannten und Ungewohnten. Sie erfahren, dass Sie noch viel mehr können, als Sie angenommen hatten. Und Sie werden zuversichtlicher. Dies alles sind Eigenschaften, die Ihnen bei der Bewältigung von Krisen und schwierigen Situationen helfen und die es Ihnen ermöglichen, der Zukunft hoffnungsvoll entgegenzusehen. Neben der Handlungsfähigkeit trainieren Sie somit gleichzeitig auch Ihren Optimismus – eine weitere Säule der Resilienz. »Wer wagt, gewinnt.« Nutzen Sie diese Erkenntnis für Ihre persönliche Weiterentwicklung: Verlassen Sie gewohnte Wege, gehen Sie Risiken ein, seien Sie mutig. Auch wenn Sie gelegentlich auf die Nase fallen, haben Sie die Chance, neue Einsichten zu gewinnen und sich selbst immer besser kennenzulernen. Um die Komfortzone zu verlassen, brauchen Sie Kraft, Motivation, Anreize und vielleicht auch Unterstützung. Überlegen Sie sich, was im besten Fall und was im schlimmsten Fall passieren könnte, wenn Sie etwas Ungewohntes tun. Motiviert das Ergebnis des besten Falls Sie? Macht der schlimmste Fall Ihnen Angst? Loten Sie aus, ob Motivation oder Angst überwiegen. Zwingen Sie sich zu nichts, sondern denken Sie über Anreize nach, die Ihnen helfen könnten, Ihre Hemmungen zu überwinden. Zerlegen Sie den Weg zum Ziel in kleinere Schritte und benennen Sie Teilziele. Schreiben Sie sich genau auf, was Sie erreichen möchten, und versprechen Sie sich eine Belohnung, wenn es geklappt hat. Suchen Sie sich Menschen, die Ihnen helfen können, etwas Neues auszuprobieren.

Irgendwer hat bestimmt gute Tipps für Sie. Nehmen Sie sich einen festen Zeitpunkt vor, zu dem Sie aktiv werden wollen. Informieren Sie einen vertrauten Menschen darüber, was Sie wann vorhaben – so wird die Verbindlichkeit Ihres Plans höher. Sobald Sie etwas Neues gemeistert haben, wird es Teil Ihrer Komfortzone. Sie vergrößern also Ihr Basislager und können auf neue Erfahrungen zurückgreifen. Vielleicht fällt Ihnen der nächste bewusste Schritt aus Ihrer Komfortzone heraus nun leichter. Denn Sie haben ja gemerkt, dass es funktioniert. Mehr Hinweise und Übungen zum Thema Komfortzone finden Sie in Kapitel 13.

Innere Helfer nutzen Neben der Unterstützung durch Menschen in Ihrer Umgebung können Sie auch auf eine Vielzahl innerer Helfer zurückgreifen, wenn Sie den Erfolg buchen möchten. Jeder Mensch hat ganz unterschiedliche Persönlichkeitsanteile, die mal mehr, mal weniger präsent sind. Der Kommunikationsexperte Friedemann Schulz von Thun nennt diese Anteile oder inneren Stimmen »das innere Team«. Er geht davon aus, dass in jeder Situation verschiedene Persönlichkeitsanteile gleichzeitig aktiv sind und entweder miteinander oder gegeneinander arbeiten. Um authentisch zu sein, ist es wichtig, die einzelnen Stimmen wahrzunehmen, wertzuschätzen und zu Wort kommen zu lassen. Im Sinne einer inneren Konferenz können Sie Ihre Persönlichkeitsanteile nutzen, um die unterschiedlichen Seiten einer Herausforderung zu beleuchten und die Möglichkeiten, aber auch die Konsequenzen Ihres Handelns zu bedenken. Binden Sie Ihre unterschiedlichen Anteile in Entscheidungsprozesse ein. Nutzen Sie die Pluralität Ihres inneren Teams und vergewissern Sie sich, dass Sie die Chancen nutzen, die Ihnen Ihre inneren Teammitglieder bieten. Schulz von Thun beschreibt folgende Rollen im inneren Team: Die Stammspieler: Diese Persönlichkeitsanteile sind besonders erprobt, verlässlich und bestimmend. Sie charakterisieren die nach außen sichtbare Persönlichkeit eines Menschen. Die Außenseiter: Diese Anteile werden versteckt oder verleugnet. Die feindlichen Antagonisten: Hierbei handelt es sich um zwei Seelen in einer Brust, also Anteile, die gegensätzliche Standpunkte vertreten. Die Spätmelder: Diese Anteile bleiben eine Zeit lang im Hintergrund, melden sich mit Verspätung, aber dafür umso lauter zu Wort. Die leisen Zaghaften: Diese Persönlichkeitsanteile kann man nur wahrnehmen, wenn man bewusst aus der Routine ausbricht, innehält und sich nach innen fokussiert. Die Bewacher: Hierbei handelt es sich um ein Verhinderungssystem, das ungeliebte Persönlichkeitsanteile unterdrückt. Es ist verantwortlich für heftige innere Teamkonflikte.

Die Widersacher: Diese Anteile sind abwertend, überrumpelnd, verletzend. Sie kennen die Schwächen des Menschen und zielen auf die empfindlichen Punkte. Sie haben zumeist aber auch eine gute Absicht und möchten eine Botschaft vermitteln, die es zu erkunden lohnt. Vielleicht haben Sie Persönlichkeitsanteile, die Sie bislang eher unterdrückt haben oder die Ihnen unangenehm waren. Nehmen Sie sich Zeit, sich gerade mit diesen Anteilen auseinanderzusetzen und deren Aufgaben im inneren Team zu hinterfragen: Ein ängstlicher Anteil kann ein wertvoller Ratgeber sein, wenn es gilt, Risiken zu minimieren. Ein schüchterner Anteil kann Sie davor schützen, mit der Tür ins Haus zu fallen oder in Fettnäpfchen zu treten. Ein zögerlicher Anteil kann Ihnen Bedenkzeit verschaffen und Sie vor unbedachten Entscheidungen oder Äußerungen bewahren. Ein neidischer Anteil kann Ihnen Ihre unterdrückten Wünsche und Bedürfnisse vor Augen führen und Sie dazu bringen, sich neue Ziele zu stecken. Ein aggressiver Anteil kann Ihnen helfen, Ihre Forderungen durchzusetzen und sich nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Sie erhöhen Ihre Handlungsbereitschaft und -fähigkeit, wenn Sie sich Ihre inneren Anteile bewusst machen und sie nutzen. Gerade in schwierigen Situationen, in denen Sie sich besinnen und neue Wege ausprobieren müssen, stehen Ihnen Ihre inneren Helfer zur Verfügung. Lassen Sie sie zu Wort kommen, stellen Sie sich auch den bislang verdrängten oder unterdrückten Anteilen und hinterfragen Sie insbesondere die Stammspieler. In Krisen sind die bewährten Anteile oft überfordert. Holen Sie sich dann innere Mitspieler von der Reservebank und nutzen Sie deren unverbrauchte Kraft.

Neue Kraftquellen entdecken Für die innere Stärke und Widerstandskraft ist es unverzichtbar, dass Sie Ihre Akkus immer wieder aufladen. Jeder Mensch hat unterschiedliche Quellen, aus denen er neue Kraft schöpfen kann. Werden Sie sich Ihrer Kraftquellen bewusst: Beobachten Sie im Alltag genau, was Ihnen guttut und wann Sie sich erholt und aufgetankt fühlen. Ruhepausen und Auszeiten braucht jeder – denn ohne Pausen keine Leistung. Wie Sie Ihre Pausen gestalten, ist persönlichkeitsabhängig: Wenn Sie eher introvertiert, also nach innen gekehrt sind, brauchen Sie sicherlich viel Zeit für sich. Sie nutzen die Ruhe, um zu reflektieren, sich mit Ihren Erlebnissen auseinanderzusetzen, Konflikte zu durchdenken und im stillen Kämmerlein mit sich ins Reine zu kommen.

Sind Sie eher extravertiert, also nach außen gerichtet, brauchen Sie insbesondere den Austausch mit anderen Menschen, um wieder Kraft zu schöpfen. Sie genießen Aktivitäten, bei denen Sie sich austoben können, die Ihnen einen Kick geben und Farbe in Ihr Leben bringen. Aber auch Sie benötigen immer wieder Ruhepausen, in denen Sie einfach mal nichts tun dürfen. Wenn Sie sowohl introvertierte als auch extravertierte Anteile haben (die Kommunikationsexpertin Sylvia Löhken nennt dies zentrovertiert), schöpfen Sie Kraft aus einer gesunden Mischung von Austausch und Rückzug. Finden Sie heraus, in welcher Umgebung es Ihnen gut geht, was Ihrer Seele und Ihrem Körper nutzt, wie Sie abschalten und Eindrücke beziehungsweise Konflikte verarbeiten können. Probieren Sie immer wieder neue Wege zur Regeneration aus: Machen Sie eine Medienpause. Schalten Sie Fernseher, Radio, CD-Spieler, Internet und Telefon ab und genießen Sie Ihr Kopfkino. Seien Sie unerreichbar. Lenken Sie Telefonanrufe auf den Anrufbeantworter um, schalten Sie den Abwesenheitsassistenten im E-Mail-Programm ein und die Türklingel ab. Genießen Sie es, mit sich allein zu sein. Gönnen Sie Ihren Augen eine Pause. Legen Sie Zeitung, Buch und Smartphone beiseite und schauen Sie in die Ferne – das geht sowohl mit offenen als auch mit geschlossenen Augen. Genießen Sie die inneren und äußeren Bilder und betrachten Sie sie mit großer Ruhe. Gehen Sie auf eine Traumreise. Setzen oder legen Sie sich bequem hin, atmen Sie tief in den Bauch ein und aus, lassen Sie Ihre Gedanken kommen und gehen und versetzen Sie sich an einen Ort, an dem Sie sich wohlfühlen. Genießen Sie den Urlaub vom Alltag. Kraft können Sie auch aus Alltagstätigkeiten und menschlichem Miteinander schöpfen: Gehen Sie beim Sport bis an Ihre körperlichen Grenzen, powern Sie sich aus und machen Sie sich so richtig müde. Genießen Sie dann einen Saunagang, eine heiße Dusche oder ein Entspannungsbad und legen Sie sich anschließend schlafen. Gönnen Sie sich einen Wellnesstag mit Schwimmen, Sauna, Massage und viel Ruhe. Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf sich selbst. Wenn möglich, verbringen Sie dabei auch Zeit im Freien und nehmen Sie die Natur mit allen Sinnen wahr. Schauen Sie zu, wie die Blätter eines Baumes sich im Wind wiegen – das kann sehr entspannend sein. Essen Sie ein außergewöhnliches Mahl und achten Sie genau auf das, was Sie essen. Identifizieren Sie die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen Ihres Essens, spüren Sie die Texturen der Nahrung, lassen Sie sich viel Zeit und trinken Sie ausreichend.

Kauen Sie gründlich und achten Sie darauf, wann Ihr Körper Ihnen ein Sättigungssignal gibt. Essen Sie nicht weiter, wenn Sie satt sind – auch wenn das Essen noch so verlockend erscheint. Nehmen Sie sich Zeit für Ihre beste Freundin oder Ihren besten Freund. Lassen Sie sich nicht ablenken oder stören, sondern verbringen Sie sehr bewusst einige Stunden miteinander. Sie brauchen gar nicht die ganze Zeit zu reden – insbesondere mit alten Vertrauten kann man wunderbar schweigen. Beobachten Sie Kinder oder Tiere, die sorglos spielen und sich bewegen. Lassen Sie sich von ihrer Unbeschwertheit verzaubern. Geben Sie sich und Ihren Bedürfnissen Zeit und Raum. Nehmen Sie wahr, was in Ihrem Körper vorgeht. Bewerten Sie dabei nichts, sondern seien Sie aufmerksam und offen. Wenn Sie Anspannung spüren, atmen Sie bewusst in die angespannte Körperregion hinein. Lassen Sie Ihren Atem fließen und Ihre Gedanken ziehen. Je weniger Sie festhalten, je mehr Sie loslassen, desto entspannter werden Sie. Und die Entspannung ist ein Schlüssel zur inneren Stärke. Mehr über die verschiedenen Möglichkeiten, die Kraftreserven wieder aufzutanken und einem Burn-out vorzubeugen, erfahren Sie in Kapitel 14.

Situationen positiv beeinflussen Je komplizierter eine Situation ist, in der Sie sich befinden, desto höher wird der innere und äußere Druck. Mit zunehmender Anspannung engt sich Ihre Aufmerksamkeit ein auf die vor Ihnen liegende Aufgabe. Dies ist bis zu einem gewissen Grad sehr sinnvoll, denn ein mittleres Maß an Anspannung erlaubt die höchstmögliche Leistung. Dies belegt das Yerkes-Dodson-Gesetz (siehe Abbildung 5.3 Abbildung 5.2). Mittlere Anspannung aktiviert das vegetative Nervensystem Ihres Körpers: Ihr Herzschlag wird schneller, Ihr Blutdruck steigt und Sie fokussieren sich, sind also wenig ablenkbar. Nimmt die Anspannung jedoch immer weiter zu, sinkt Ihre Leistung irgendwann ab, weil Sie überfordert sind. Um handlungsfähig und leistungsbereit zu bleiben, ist es also sinnvoll, das persönliche Optimum zu kennen: Unter welchem Anspannungsgrad bringen Sie die beste Leistung?

Abbildung 5.2: Das Yerkes-Dodson-Gesetz belegt, dass Menschen unter einem mittleren Anspannungsniveau die größte Leistung erbringen können.

Beobachten Sie sich bei der Arbeit: Wie viel Anspannung stecken Sie gut weg, wann laufen Sie so richtig zur Hochform auf und ab welchem Anspannungsniveau fühlen Sie sich überfordert? Ihr persönliches Optimum hängt natürlich auch von Ihrer Tagesform ab, doch durch aufmerksame Beobachtung werden Sie sehr genau spüren können, welche Anspannung Ihnen guttut. Sobald Sie merken, dass die Anspannung zu groß wird, brauchen Sie eine Pause, um sich zu entspannen und dann mit neuer Kraft weitermachen zu können. Solche Pausen müssen gar nicht besonders lang sein. Probieren Sie folgende Kurzentspannungsübungen aus: Atmen Sie dreimal tief in Ihren Bauch ein und langsam wieder aus. Konzentrieren Sie sich in dieser Zeit ausschließlich auf Ihren Atem und folgen Sie ihm durch Ihren Körper. Spannen Sie Ihren ganzen Körper bewusst zwei Atemzüge lang an (Fäuste ballen, Schultern hochziehen, Stirn runzeln, Bauch anspannen, Zehenspitzen Richtung Nase ziehen) und lassen Sie dann alle Muskeln wieder locker. Atmen Sie sechsmal tief ein und aus und spüren Sie, wie sich Ihr Körper nach und nach entspannt. Schließen Sie die Augen und versetzen Sie sich im Geiste an Ihren Lieblingsort. Bleiben Sie einige Momente an diesem Ort und genießen Sie das Wohlgefühl. Kommen Sie dann wieder mit Ihrer Aufmerksamkeit zurück ins Hier und Jetzt. Sobald Sie die für Sie persönliche optimale Anspannung erreicht haben und dafür sorgen, dass Sie bei erhöhter Anspannung eine Pause bekommen, sind Sie auch über einen

längeren Zeitraum leistungsfähig und können Ihre Anforderungen bewältigen. Versuchen Sie, in einen Zustand der Selbstvergessenheit zu kommen, indem Sie sich wirklich auf die vor Ihnen liegende Herausforderung konzentrieren und Ihre Handlungen genießen. Wenn Sie den sogenannten Flow erreichen, also einen Zustand der Raum- und Zeitlosigkeit, in dem Sie ganz in Ihrer Aufgabe aufgehen, können Sie sogar stundenlang tätig sein, ohne sich hinterher erschöpft zu fühlen. Den Zustand völliger Versunkenheit in eine Tätigkeit bei höchster Konzentration sowie Zeit-, Raum- und Selbstvergessenheit nennt man in der Psychologie »Flow«. Dieser Begriff wurde von dem Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi geprägt. Neben Flow und optimalem Anspannungsgrad ist schließlich noch die innere Haltung ausschlaggebend, um auch mit den schwierigsten Situationen gut umgehen zu können: Seien Sie offen für alles, was Ihnen begegnet. Stellen Sie die Bewertung zurück, nehmen Sie zunächst alles urteilsfrei wahr und beobachten Sie aufmerksam. Sie sind nicht der Mittelpunkt der Welt. Nehmen Sie nicht alles persönlich, was um Sie herum geschieht. Begegnen Sie Menschen und Situationen positiv. Glauben Sie – bis zum Beweis des Gegenteils – an das Gute. Nehmen Sie die Baumeister-Haltung (siehe Kapitel 2) ein: Sie können alles schaffen! Denken Sie an das Prinzip der Selffulfilling Prophecy, also der selbsterfüllenden Prophezeiung: Wenn Sie davon ausgehen, dass etwas gut läuft, dann läuft es auch gut. Bleiben Sie im Hier und Jetzt. Denken und gehen Sie einen Schritt nach dem anderen. Lassen Sie los. Je weniger Sie an Plänen oder Vorstellungen festhalten, desto besser können Sie improvisieren und sich auf Unerwartetes einstellen. Mit einer offenen, positiven und zuversichtlichen Haltung beeinflussen Sie Situationen positiv. Ihre Wahrnehmung verändert die Wirklichkeit, denn Ihre innere Haltung wird nach außen sichtbar und wirkt auf die Menschen in Ihrer Umgebung ein. Dafür verantwortlich sind die Spiegelneuronen, die im Gehirn aktiv sind: Wenn jemand Sie beobachtet, fangen in seinem Gehirn die gleichen Nervenzellen an zu arbeiten, die auch bei Ihnen aktiv sind. Wenn Sie lächeln, fängt Ihr Gegenüber unwillkürlich auch an zu lächeln. Wenn Sie etwas voller Überzeugung anpacken, wird auch Ihr Gegenüber Lust bekommen mitzumachen. So kommt ein positiver Kreislauf in Gang, der ungeahnte Kräfte freisetzen kann.

Auf die Lösung konzentrieren Um mit den schwierigsten Krisen erfolgreich umgehen zu können, brauchen resiliente

Menschen neben Handlungsbereitschaft und einer positiven Grundeinstellung auch die Lösungsorientierung. Sie richten ihre Aufmerksamkeit weg vom Problem hin zur Lösung, um nach vorn schauen zu können und bereit für die Zukunft zu sein. Trainieren Sie Ihre Lösungsorientierung jeden Tag und nutzen Sie die kleinsten Alltagssituationen für dieses Training: Welche Alltagsentscheidungen fallen Ihnen schwer? Etwa die Frage, was Sie morgens anziehen, ob Sie das Auto oder den Bus zur Arbeit nehmen, was Sie kochen sollen, ob Sie zum Sport gehen oder zu Hause bleiben? Schreiben Sie sich solche Situationen auf, notieren Sie verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten und treffen Sie die Entscheidung beim nächsten Mal ganz spontan, ohne groß nachzudenken. Lassen Sie den Zufall entscheiden, wenn Sie im Auswahlprozess feststecken. Werfen Sie eine Münze, wenn es um eine Ja/Nein-Entscheidung geht. Würfeln Sie, wenn Sie sechs verschiedene Möglichkeiten haben, aus denen Sie eine auswählen müssen. Wenn es für eine Entscheidung einen Plan A und einen Plan B gibt, tun Sie zwei Tage lang so, als hätten Sie sich bereits für Plan A entschieden, und dann zwei Tage, als wäre Plan B die Lösung. Wie fühlen Sie sich an den ersten beiden Tagen und wie an den beiden anderen Tagen? Folgen Sie Ihrem Bauchgefühl. Sobald Sie Ihren Blick weg vom Problem hin zur möglichen Lösung richten, schalten Sie um von der Problem- in die Lösungstrance. Sie kennen solche Trancephänomene sicherlich: Wenn man schwanger ist, sieht man plötzlich nur schwangere Frauen und Eltern mit Kinderwagen. Will man sich ein bestimmtes Auto kaufen, fahren auf einmal nur noch Autos dieser Marke durch die Gegend. Diese selektive Aufmerksamkeit ist eine Form der Trance. Ähnlich ist es auch mit Problemen und Lösungen: Denken Sie lange und intensiv über ein Problem nach, so sehen Sie überall nur noch Hindernisse und Schwierigkeiten. Fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit jedoch auf mögliche Lösungen, haben Sie plötzlich die besten Ideen und sehen die verschiedensten Lösungswege. Ihre Lösungsorientierung können Sie auch fördern, indem Sie andere Menschen zurate ziehen, denn irgendwann sehen Sie vielleicht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, während jemand Außenstehendes einen viel klareren Blick auf die Situation hat. Gehen Sie ganz bewusst auf Vertraute zu und bitten Sie sie um Unterstützung, wenn Sie sich nicht entscheiden können oder Ihnen keine Lösung einfällt. Stellen Sie möglichst offene Fragen, etwa: »Wie würdest du das machen?« oder »Ist dir das schon mal passiert?«. Denn so bekommt Ihr Gesprächspartner die Möglichkeit, seine eigenen Erfahrungen zu reflektieren und Ihnen seine Lösungswege darzustellen. Oft hilft es, die eigene Wortwahl kritisch zu hinterfragen: Was ändert sich, wenn Sie nicht mehr von einem »Problem« sprechen, sondern Herausforderung oder Thema dazu sagen? Oder wenn Sie einen vermeintlichen »Gegner« als Gegenüber sehen?

Das Gespräch mit anderen ermöglicht es Ihnen darüber hinaus, aus Fehlern zu lernen und nicht in bekannte Fallen zu tappen. Wenn Sie wissen, was schiefgehen kann, brauchen Sie Fehler nicht zu wiederholen. Dass Sie dann trotzdem Ihre eigenen Fehler machen, ist völlig in Ordnung! Für die Fehlerrecherche ist das Internet eine gute Quelle, denn es gibt viele Portale, auf denen zu allen möglichen Alltagsfragen persönliche Erfahrungen gepostet werden. Lassen Sie sich von der Vielfalt der Überzeugungen nicht irritieren und lesen Sie alles mit gesundem Menschenverstand. Filtern Sie heraus, was für Sie und Ihren Entscheidungsprozess hilfreich ist, und blenden Sie verwirrende Darstellungen aus. Wenn Sie das Gefühl haben, jemand glaubt, die allein selig machende Wahrheit gepachtet zu haben, können Sie dessen Postings getrost überspringen, denn die Realität hat zahllose Facetten und es gibt nur wenig Allgemeingültiges. Die Vielfalt der Meinungen und Erfahrungen ist das beste Abbild der Realität.

Mit Krisen zurechtkommen Die Krisenbewältigung ist ein individueller Prozess. Die dafür zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien nennt man in der Fachsprache Coping. Sie können zielführend (funktional oder adaptiv) oder ablenkend (dysfunktional oder maladaptiv) sein. In der Psychologie unterscheidet man fünf Coping-Strategien: Aggression: gewaltsame Krisenbewältigung, Supplikation: hilfesuchende/unterwerfende Krisenbewältigung, Invention: problemlösende/erfinderische Krisenbewältigung, Revision: neubewertende Krisenbewältigung, Akklimatisation: anpassende Krisenbewältigung. Diese Coping-Strategien stehen grundsätzlich jedem zur Verfügung. Welche Strategie wann zum Einsatz kommt, hängt sowohl von der Situation ab als auch von der aktuellen Einstellung beziehungsweise Stimmung, dem Temperament und den Lebenserfahrungen des Einzelnen. Versuchen Sie, sich bewusst zu machen, wann Sie welche Strategie anwenden: Welche Faktoren und Situationen führen dazu, dass Sie aggressiv werden? In welchen Krisen und in welcher Stimmung bitten Sie andere um Hilfe? Wann sind Sie in der Lage, kreative neue Problemlösetechniken zu erarbeiten oder auszuprobieren? In welchen Situationen hilft es Ihnen, eine Krise neu zu bewerten und somit als weniger bedrohlich einzuschätzen? Und wann können Sie sich an eine Krise anpassen und sie so akzeptieren, wie sie ist? Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenabhängigkeit sind nicht selten eine dysfunktionale, also ablenkende Krisenbewältigungsstrategie: Wer sich mit Alkohol, Tabletten oder Drogen betäubt, nimmt Krisen zwar zunächst als weniger bedrohlich wahr oder kann sie als nebensächlich bewerten. Auf die Dauer führen diese

Strategien aber zu zahlreichen neuen Problemen und Krisen. Sie werden feststellen, dass Sie bestimmte Coping-Mechanismen bevorzugt anwenden. Wenn Sie ein extravertierter, zupackender Mensch sind, greifen Sie sicherlich öfter auf aggressive oder erfinderische Mechanismen zurück. Sind Sie eher introvertiert, liegt Ihnen die Neubewertung oder Anpassung möglicherweise mehr. Sie können Ihre Resilienz vergrößern, indem Sie bewusst versuchen, Ihr Repertoire an Krisenmanagementstrategien auszubauen und immer wieder neue Coping-Mechanismen anzuwenden. Dafür ist es sehr wichtig, in Stresssituationen innezuhalten und einen Schritt aus der Situation herauszutreten. Erst der Blick von außen auf die Krise ermöglicht es Ihnen, sich für eine vielleicht bislang ungewohnte Lösungsstrategie zu entscheiden. Probieren Sie es aus – wie fühlt es sich an, einmal ganz anders zu reagieren? Welche Ergebnisse erzielen Sie, wenn Sie Ihre Handlungsmöglichkeiten vergrößern? Idealerweise erhöhen Sie langfristig Ihre Selbstwirksamkeitserwartung: Je öfter Sie erleben, dass Sie auch mit unerwarteten, bedrohlichen oder stressigen Situationen gut umgehen können, weil Sie auf die unterschiedlichen Coping-Strategien zurückgreifen können, desto sicherer werden Sie, dass Sie mit allem, was Ihnen im Leben passieren könnte, fertigwerden.

Menschen zum Mitmachen motivieren Krisen lassen sich sehr oft deutlich besser bewältigen, wenn man sich Hilfe und Unterstützung sucht. Sie müssen nicht alles allein schaffen! Überlegen Sie einmal, wie gut es sich anfühlt, einem anderen Menschen zu helfen – wenn Sie sich helfen lassen, bekommt ein anderer Mensch die Chance, sich durch die Hilfeleistung gut zu fühlen. Aber Hilfe kommt zumeist nicht von allein, sondern auf Anforderung. Es ist also sinnvoll, Strategien zu entwickeln, um Menschen zum Mitmachen, Mithelfen und Mitdenken zu motivieren. Der erste Schritt ist die Analyse: Wann und wobei benötigen Sie Hilfe? Welche Probleme lassen sich besser mit anderen lösen? Woran merken Sie, dass Sie allein nicht mehr weiterkommen? Wie leicht oder wie schwer fällt es Ihnen, um Hilfe zu bitten? Welche Menschen in Ihrem Umfeld sind hilfsbereit und ansprechbar? Welche Mitmenschen haben Fähigkeiten oder Fertigkeiten, die Ihre Kompetenzen sinnvoll ergänzen können? Im nächsten Schritt können Sie sich vor Augen führen, in welchen vergangenen Situationen Sie Hilfe bekommen und angenommen haben und was Ihnen die Unterstützung durch andere gebracht hat:

Wie haben Sie um Hilfe gebeten und wie war die Reaktion auf Ihre Bitte? Wie zuverlässig waren die Menschen, die Ihnen geholfen haben? Haben Sie von Ihren Helfern etwas Neues gelernt? Konnten Sie die Hilfe gut annehmen? Wie war das Ergebnis der Hilfe? Welcher Dank oder welche Gegenleistung wurden anschließend von Ihnen erwartet? Hat sich die Beziehung zu den Menschen, die Ihnen geholfen haben, durch diese Situation verändert? Hätten Sie die Situation allein besser oder schlechter bewältigt? Mit den Antworten auf die genannten Fragen rüsten Sie sich für kommende Stresssituationen und Krisen. Sie entwerfen in Ihrem Kopf die Blaupause für einen Notfallplan, der zum Einsatz kommen kann, wenn es eng wird. Sehen Sie jede schwierige Lebenssituation als Lern- und Entwicklungschance!

Bewusste Netzwerkpflege Die Netzwerkpflege ist eine der sieben Säulen der Resilienz. Wenn Sie Ihr Netzwerk bewusst pflegen, sorgen Sie dafür, dass Sie in kritischen Situationen nicht allein sind. Investitionen in die Netzwerkpflege zahlen sich erfahrungsgemäß doppelt und dreifach aus: Sie wissen, auf wen Sie sich verlassen können, Sie kennen die Kompetenzen der Menschen in Ihrem Netzwerk und Sie erleben, dass die Beziehungsarbeit ein ständiges Geben und Nehmen ist. Finden Sie heraus, wie viel Kontakt und Nähe zu anderen Menschen Sie brauchen: Wann und wie oft sind Sie lieber allein, in welchen Situationen brauchen Sie Rückzugsmöglichkeiten und welche Probleme machen Sie am liebsten mit sich selbst aus? Wie stark sehnen Sie sich nach zwischenmenschlichem Austausch, wann brauchen Sie eine Schulter zum Anlehnen und welche Sorgen teilen Sie gern mit anderen? Geben Sie Ihren unterschiedlichen Bedürfnissen Raum und sorgen Sie für eine gute Mischung aus Distanz und Nähe. Überlegen Sie, wie dicht Ihr Netzwerk bereits ist. Schauen Sie sich die unterschiedlichen Bereiche Ihres Lebens an und notieren Sie sich, wenn Sie mögen, die Menschen, die in diesen Bereichen eine wichtige und hilfreiche Rolle spielen: Welche Verwandten haben Sie besonders gern? Auf welche Familienangehörigen können Sie sich blind verlassen? Mit welchen Freunden verbindet Sie schon eine lange Geschichte?

Welche Freunde sind Tag und Nacht für Sie ansprechbar? Gibt es Nachbarn, zu denen Sie besonders viel Vertrauen haben? Zu welchen Arbeitskollegen haben Sie ein gutes Verhältnis? Sind Sie in einem Verein oder einer anderen Gruppierung, in denen Sie Interessen mit anderen Menschen teilen?

Nehmen Sie ein Blatt Papier und schreiben Sie Ihren Namen in die Mitte. Zeichnen Sie einen Kreis um Ihren Namen und notieren Sie rund um Ihren Namen drei bis sechs Namen von Menschen, auf die Sie sich ganz besonders verlassen können: Dies ist Ihr »Inner Circle«, also der Kreis der besonders vertrauten Menschen. Ein gutes Kriterium für die Auswahl dieser Namen ist die Frage, wen Sie nachts um drei Uhr anrufen könnten, wenn Sie in Not sind. Vielleicht fallen Ihnen auch nur ein oder zwei Menschen ein – fürs Erste reicht das schon. Wenn Ihnen kein Name einfällt, ist Netzwerkpflege für Sie vielleicht bislang noch kein Thema gewesen. Zeichnen Sie nun einen weiteren Kreis um den ersten und notieren Sie in diesem »äußeren Zirkel« die Menschen, die Sie mögen und mit denen Sie gern zusammen sind. Überlegen Sie dann, wen Sie gern aus dem äußeren in Ihren inneren Kreis einladen möchten. Markieren Sie diese Person(en) und widmen Sie sich in nächster Zeit bewusst der Beziehungspflege. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten und Gelegenheiten, ein Netzwerk zu pflegen und an zwischenmenschlichen Beziehungen zu arbeiten. Die Grundvoraussetzung dafür ist das aufrichtige, wertungsfreie Interesse an einem anderen Menschen: Nehmen Sie den anderen Menschen in seiner Einzigartigkeit wahr. Was ist unverwechselbar an ihm? Woran erkennen Sie ihn? Was zeichnet ihn besonders aus? Widmen Sie dem anderen Menschen Ihre Aufmerksamkeit. Gratulieren Sie ihm zum Geburtstag, fragen Sie ihn nach seinen Erlebnissen, hören Sie gut zu, wenn er Ihnen etwas erzählt. Signalisieren Sie Ihr Interesse. Halten Sie im Gespräch Blickkontakt, unterbrechen Sie den anderen nicht, fragen Sie nach, merken Sie sich das, was den anderen Menschen interessiert. Seien Sie zuverlässig und berechenbar. Wenn der andere Sie um etwas bittet und Sie Ihre Unterstützung zusagen, halten Sie Ihr Wort. Seien Sie pünktlich bei Verabredungen. Geben Sie mehr als Sie nehmen. Seien Sie selbstlos und achten Sie nicht auf Ihren eigenen Vorteil. Erwarten Sie keine Gegenleistungen. Helfen Sie um des Helfens willen und nicht, um Dankbarkeit zu bekommen.

Äußern Sie Kritik wertschätzend. Sie müssen nicht alles in Ordnung finden, was der andere tut. Seien Sie kritisch, aber bleiben Sie stets konstruktiv. Werten Sie den anderen nicht mit verallgemeinernden Äußerungen ab (Beziehungskiller sind Vorwürfe wie »Du bist immer …« oder »Nie tust du …«). Senden Sie in Konfliktsituationen möglichst immer Ich-Botschaften und formulieren Sie Ihre Wahrnehmung, ohne den anderen an die Wand zu drängen: »Ich finde …«, »Ich fühle mich …« oder »Mein Eindruck ist …« sind verträgliche Einleitungen für kritische Äußerungen.

Halten Sie die Beziehung zu den Menschen, die Ihnen wichtig sind, lebendig, indem Sie Gelegenheiten nutzen, diese Menschen zu überraschen und zu erfreuen. Oft reichen Kleinigkeiten völlig aus – eine SMS mit einem fröhlichen Morgengruß kann dafür sorgen, dass der andere gut in den Tag startet und mit einem Lächeln an Sie denkt.

Empathie und Begeisterungsfähigkeit Neben dem aufrichtigen Interesse an Ihren Mitmenschen sind Ihr Einfühlungsvermögen (Empathie) und Ihre Begeisterungsfähigkeit wichtige Voraussetzungen für die Netzwerkpflege. Diese beiden Eigenschaften können Sie schulen, indem Sie den Fokus Ihrer Aufmerksamkeit von sich auf andere lenken: Wie geht es den Menschen in Ihrer Umgebung? Womit beschäftigen sich Ihre Mitmenschen derzeit besonders? Welche Sorgen tragen sie mit sich herum? Wofür begeistern sie sich? Kennen Sie die Wünsche und Hoffnungen Ihrer Liebsten?

Versuchen Sie, im Kontakt mit den Menschen, die Ihnen wichtig sind, besonders auf die Zwischentöne zu achten und die nonverbale Kommunikation wahrzunehmen. Hilfreich dafür ist das sogenannte Spiegeln: Nehmen Sie die gleiche Sitzposition und Körperhaltung ein wie Ihr Gegenüber. Sie werden sofort merken, dass die Kommunikation intensiver und zugewandter wird und dass Sie besser spüren, wie es Ihrem Gegenüber gerade geht. Wenn Sie sich für das begeistern, was die Menschen in Ihrem inneren Kreis begeistert, bereichern Sie einerseits Ihr eigenes Leben und lernen immer wieder Neues kennen. Andererseits signalisieren Sie Ihren Mitmenschen, dass sie Ihnen wichtig sind und dass man sich auf Sie verlassen kann. Wer immer nur von sich selbst spricht und seine eigenen

Interessen verfolgt, wird auf Dauer sehr einsam. Wer aber zugewandt und einfühlsam bleibt, knüpft ein tragfähiges Netzwerk an Beziehungen, auf die er sich verlassen kann. Gerade in Schwierigkeiten und Krisen zeigt sich dann die Bedeutung eines solchen Netzes: Es fängt Sie auf, trägt Sie durch den Sturm und reißt auch dann nicht, wenn Sie selbst vielleicht schon aufgegeben haben.

Kapitel 6

Aus Niederlagen und Krisen lernen IN DIESEM KAPITEL Kein Leben ohne Krisen Zufriedenheit, Glück und Resilienz als dynamische Zustände Auf das Schlimmste vorbereitet sein Resilienzübungen für jeden Tag Der Stellenwert professioneller Hilfe

Nur wenige Menschen haben das Glück, von Krisen und Katastrophen verschont zu bleiben. Die allermeisten müssen sich im Laufe ihres Lebens mit schweren Problemen, Schicksalsschlägen oder dramatischen Einschnitten auseinandersetzen. Menschen, die aus solchen Lebenskrisen gestärkt hervorgehen, nennt man resilient. Sie wachsen an ihren Herausforderungen und entwickeln sich nicht zuletzt dank dieser Belastungserprobungen weiter. Die innere Stärke, die erforderlich ist, um aus Niederlagen und Krisen zu lernen und sie zu nutzen, kann man trainieren. In diesem Kapitel finden Sie Hinweise für den konstruktiven Umgang mit Schwierigkeiten und Rückschlägen.

Das Leben ist eine Achterbahn Der erste und wichtigste Schritt für den Lernprozess ist die Akzeptanz: Krisen gehören zum Leben einfach dazu. Sie treffen Menschen ohne Ansehen der Person – sozialer Status, Glaube oder Wohlverhalten können nicht davor schützen. Dies hinzunehmen und Schicksalsschläge nicht als Strafmaßnahme, als ungerechte Misshandlung oder als Fingerzeig einer höheren Macht zu sehen ist eine der sieben Säulen der Resilienz (siehe Kapitel 1). Wer Krisen und Katastrophen akzeptiert, kann sich – oft natürlich erst nach einer gewissen Zeit der Regeneration – der Suche nach Lösungen zuwenden, ohne sich in seinen Grundfesten erschüttert zu fühlen. Des Weiteren ist es hilfreich, den eigenen Anteil an schwierigen Situationen realistisch einzuschätzen: War es abzusehen, dass etwas schiefgehen könnte? Gab es im Leben schon einmal ähnliche Situationen, aus denen Sie hätten lernen können? Sind Sie bewusst oder unbewusst Risiken eingegangen?

Hat Ihre Intuition Sie gewarnt? Haben Sie Ihre innere Stimme oder Ihr Bauchgefühl übergangen? Gab es einen Punkt, an dem Sie das Ruder noch hätten herumreißen können? Haben andere Menschen Sie auf mögliche Gefahren hingewiesen? Hierbei gilt es, sich selbst keine Schuld zuzuweisen, sondern den eigenen Einfluss auf die Krisensituation zu hinterfragen und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, denn Verantwortungsbereitschaft ist eine weitere der sieben Säulen der Resilienz. Jeder ist verantwortlich für das, was er tut. Diese simple Aussage ist oft nicht einfach zu akzeptieren – gerne lastet man anderen Menschen die eigenen Probleme oder Ärgernisse an. Doch wenn Sie sich klarmachen, dass Sie für Ihr Leben Verantwortung tragen und nur sich selbst ändern können, werden Sie freier und handlungsfähiger. Neben der Akzeptanz und der Analyse der eigenen Anteile kann in Krisensituationen eine weitere Säule der Resilienz zum Tragen kommen: der Optimismus. Je älter Sie werden, desto öfter machen Sie die Erfahrung, dass es nach schwierigen Lebensereignissen irgendwann wieder bergauf geht. Diese Erfahrung kann Ihnen Hoffnung und Zuversicht geben. Zwar ist es schwierig, an einen Wendepunkt zu glauben, wenn man mitten in einem tiefen schwarzen Loch steckt. Doch die Erinnerung an frühere Tiefpunkte im Leben, die Sie erfolgreich überwunden haben, gibt früher oder später Kraft. Sie können das Leben mit einer Achterbahn oder einer Berg-und-Tal-Wanderung vergleichen – mal geht es runter, mal geht es rauf.

Mit dem Alter nimmt die Resilienz meist zu Die Lebenszufriedenheit ist einer US-amerikanischen Studie zufolge bei den meisten Menschen im Alter von etwa vierzig Jahren besonders hoch: Die rund 1.000 befragten Männer und Frauen berichteten mit Anfang vierzig, dass sie sowohl im Privatleben als auch im Beruf deutlich zufriedener seien als in den Jahrzehnten zuvor. Die Kauai-Studie (siehe Kapitel 1), die weltweit umfangreichste Untersuchung zum Thema Resilienz, läuft mittlerweile schon über vier Jahrzehnte und belegt, dass sogar diejenigen Jugendlichen, die schwierigste Startchancen hatten, in der Mitte ihres Lebens zum großen Teil ein erfüllendes Leben führen. Viele von ihnen beschreiben Lebenskrisen als Lernchance: Der Tod der Eltern, eine Scheidung, eine überwundene Krankheit oder Sucht trugen dazu bei, dass die Befragten lernten, sich auf sich selbst, ihre Werte und Ziele zu konzentrieren. Einerseits ist der Lerneffekt, dass Krisen im Leben normal sind und vorübergehen, dafür verantwortlich, dass ältere Menschen resilienter sind. Andererseits trägt auch die Persönlichkeitsentwicklung dazu bei, in Krisen und Schwierigkeiten gelassener zu

reagieren. Viele Menschen werden emotional stabiler, je älter sie werden – der Volksmund spricht nicht umsonst von Altersmilde. Größere Kompromissbereitschaft, mehr Akzeptanz und stärkere Gelassenheit im Alter sorgen dafür, dass man verträglicher und umgänglicher wird. So fällt es leichter, das eigene Netzwerk zu pflegen, die Beziehungen zu den Mitmenschen zu verbessern und die Dinge so anzunehmen, wie sie sind. Altersmilde ist besser als Altersstarrsinn – denn ein milder alter Mensch wirkt viel sympathischer auf seine Umgebung als ein starrer, eigensinniger alter Mensch. Je früher Sie anfangen, Ihr Netzwerk zu pflegen, freundlich und nachsichtig zu sein, desto eher werden Sie im Alter von Menschen umgeben sein, die Ihnen wohlgesinnt sind und Sie unterstützen. Zufriedenheit und Glück sind Wünsche, die zu jedem Geburtstag auf der Wunschliste stehen. Diese beiden Gemütszustände gehören aber nicht untrennbar zusammen: Wer zufrieden ist, ist noch lange nicht glücklich. Die Glücksforschung hat gezeigt, dass das persönliche Glücksempfinden im Leben einer U-Kurve gleicht: Kinder und Jugendliche haben zumeist hohe Glückswerte. Diese sinken in der Mitte des Lebens auf einen Tiefpunkt, der in Deutschland etwa im Alter von 43 Jahren erreicht wird – dem Alter also, in dem laut der oben genannten Zufriedenheitsstudie viele Menschen mit ihren Lebensumständen sehr einverstanden sind. Warum das so ist, dazu gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze – vielleicht liegt es daran, dass Glück etwas mit Unbeschwertheit zu tun hat und dass man in der Lebensmitte zumeist schwer an seiner Verantwortung sowohl für die jüngere Generation (Kinder) als auch für die ältere Generation (alte Eltern) zu tragen hat. Doch dann geht es mit dem Glücksgefühl wieder aufwärts. Auch die Resilienz ist keine starre Größe, sondern sie kann im Laufe des Lebens immer wieder ansteigen und abnehmen. Dies hängt ab von der Art und Ausprägung der Krisen, die man durchleben muss. Jeder Mensch hat seine individuellen Schwachpunkte, also Bereiche, in denen er Kränkungen, Schwierigkeiten und Misserfolge schlechter verkraftet. Versuchen Sie, herauszufinden, wo Ihre ganz persönlichen Verletzbarkeiten liegen: Belasten Krisen im Familienkreis Sie ganz besonders? Machen Krankheiten oder Probleme Ihres Partners, Ihrer Kinder, Ihrer Eltern, Ihrer Geschwister Ihnen große Sorgen? Haben Sie Angst vor eigenen schweren Krankheiten oder leiden Sie unter Hypochondrie? Wie gehen Sie mit finanziellen Engpässen um? Rauben Konflikte am Arbeitsplatz Ihnen besonders viel Energie? Leiden Sie unter schlechten Nachrichten und Berichten über Katastrophen in der

Welt? Haben Sie Zukunftsängste? Fürchten Sie sich vor Terroranschlägen, Entführungen, Naturkatastrophen? Sobald Sie wissen, auf welchen Feldern Sie besonders verwundbar (im Fachjargon: vulnerabel) sind, können Sie sich einerseits konkret mit Ihren Befürchtungen auseinandersetzen und andererseits eine Bestandsaufnahme machen, wie Sie in Ihrem bisherigen Leben mit Problemen in diesen Bereichen umgegangen sind.

Möglichen Katastrophen den Schrecken nehmen Für den Lebensbereich, in dem Sie am meisten Angst vor Krisen und Katastrophen haben, können Sie sich ein »Schreckensszenario« überlegen, um Ihre Resilienz zu stärken. Führen Sie diese Übung jedoch nur dann durch, wenn Sie sich stark und belastbar fühlen, damit Sie sich nicht in der Angst vor einer Katastrophe verlieren, sondern in Ruhe und mit klarem Kopf darüber nachdenken können. Beschreiben Sie möglichst detailliert, was Ihnen in Ihrem verwundbaren Lebensbereich besonders wichtig ist, was Sie darin glücklich macht, welche Menschen daran Anteil haben, was Sie sich wünschen und erhoffen. Stellen Sie sich dann vor, was das Schlimmste wäre, was Ihnen in diesem Bereich passieren könnte. Überlegen Sie sich, wie Sie in diesem schlimmsten Fall reagieren würden. Malen Sie sich aus, wer Ihnen beistehen könnte, wie Sie möglicherweise denken, fühlen und handeln würden und welchen Ausweg es aus dieser Krise geben könnte. Wie würden Sie sich durch diesen Schicksalsschlag verändern? Wie könnte Ihr Leben danach weitergehen? Die Erfahrung zeigt, dass es zwar in den allermeisten Fällen ganz anders kommt, als man befürchtet oder sich vorgestellt hat. Doch die Auseinandersetzung mit einem Schreckensszenario kann Ihre Bereitschaft stärken, sich einer Krise zu stellen und sie aktiv zu gestalten. Insbesondere wenn Sie mehrere Pläne entwickeln, wie Sie mit einer Katastrophe fertigwerden könnten, erhöht sich Ihr Handlungsspielraum. Seien Sie mutig und erfinderisch – denken Sie sich ruhig auch schräge, drastische oder ungewöhnliche Lösungsmöglichkeiten aus. Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Je intensiver Sie spüren und daran glauben, dass Sie in einer Notsituation das Heft des Handelns in der Hand halten werden, desto eher werden Sie handlungsfähig sein, wenn es wirklich einmal eng werden sollte.

Das Rheinische Grundgesetz

Die Rheinländer sind bekannt für ihre Lebenskunst – sie feiern gern, nehmen das Leben gelassen und legen großen Wert auf ein fröhliches Miteinander. Einige Artikel des sogenannten Rheinischen Grundgesetzes entsprechen den Resilienzfaktoren, mit denen man sich davor schützen kann, in Krisen den Boden unter den Füßen zu verlieren. So sagt der Rheinländer mit einem Augenzwinkern: § 1 Et es wie et es. – Es ist, wie es ist. § 2 Et kütt wie et kütt. – Es kommt, wie es kommt. § 3 Et hätt noch immer jot jejange. – Es ist noch immer gut gegangen. § 4 Wat fott es es fott. – Was weg ist, ist weg. § 5 Et bliev nix wie et wor. – Nichts bleibt, wie es war.

Niederlagen annehmen und analysieren Fast jeder Mensch kennt Niederlagen, Misserfolge und Katastrophen. Sie vermutlich auch: Wann sind Sie zuletzt so richtig gescheitert? Was ist Ihnen völlig misslungen? Welcher Schicksalsschlag hat Sie unvorbereitet getroffen und zu Boden geworfen? Vielleicht stecken Sie sogar jetzt gerade in einer Krise und sehen im Moment noch gar keinen Ausweg? Nutzen Sie die sieben Säulen der Resilienz, um Niederlagen annehmen zu können und gestärkt daraus hervorzugehen. Analysieren Sie vergangene oder aktuelle Krisensituationen im Hinblick auf die sieben Resilienzfaktoren, die ich in Kapitel 1 ausführlich vorstelle: Optimismus: Mit welcher Haltung erleben Sie die Krise – mit einer pessimistischen Einstellung (Es wird nie wieder gut, das ist der Anfang vom Ende) oder mit einer optimistischen Einstellung (Am Horizont ist ein Silberstreif, nach dem Regen kommt auch wieder Sonne)? Akzeptanz: Können Sie die Krise annehmen und versuchen, das Beste daraus zu machen? Oder hadern Sie mit dem Schicksal und finden es ungerecht, dass es Ihnen schlecht geht? Handlungsfähigkeit: Fühlen Sie sich in der Krise gelähmt, am Boden zerstört und unfähig, Ihr Schicksal in die Hand zu nehmen? Oder sind Sie in der Lage, das Heft des Handelns zu ergreifen und aktiv zu werden? Verantwortungsbereitschaft: Sind andere an Ihrer Krise schuld oder übernehmen Sie Verantwortung für Ihren Anteil an der Krise und daran, die Krise zu überwinden? Lösungsorientierung: Fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit in einer Krise auf die bestehenden Probleme oder richten Sie Ihren Blick nach vorn und suchen aktiv nach Lösungen? Netzwerkpflege: Haben Sie Menschen um sich geschart, die Ihnen in der Krise zur Seite stehen, Sie unterstützen, Hilfe anbieten und verlässlich sind? Oder sind Sie allein und müssen schauen, wie Sie ohne Unterstützung zurechtkommen?

Zukunftsplanung: Haben Sie eine Vorstellung davon, wie es nach der Krise weitergehen könnte und was Sie zukünftig erreichen möchten? Oder denken Sie nur an die Zeit vor der Krise und wünschen sich, dass alles wieder so sein möge wie früher? Sie werden vermutlich feststellen, dass einige der sieben Resilienzfaktoren bei Ihnen bereits gut ausgebildet sind, während Sie bei anderen Faktoren noch Nachholbedarf haben. Wenn Ihre Grundhaltung eher optimistisch ist, Sie eine Krise akzeptieren können und über ein Netzwerk verfügen, das Sie in der Krise unterstützt, wenn Sie jedoch wenig Vorstellung davon haben, wie die Zukunft aussehen könnte und was Ihre eigenen Anteile an der Krise sowie der Lösungssuche sind, dann ist es sinnvoll, dass Sie sich auf kommende Krisensituationen vorbereiten und sich in guten Zeiten auf die Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung und Zukunftsplanung konzentrieren. Übungen dazu finden Sie weiter hinten in diesem Kapitel.

Aktiver Umgang mit Niederlagen und Krisen Mitten in einer Krise zu stecken, ist für jeden Menschen eine große Herausforderung. Wenn eine Krise unvorbereitet kommt, fühlen die meisten Menschen sich zunächst wie vor den Kopf geschlagen oder gar gelähmt. Auch eine Niederlage, die sich möglicherweise schon abgezeichnet hatte, führt oft zunächst zu Schockstarre oder Passivität. Dieser Zustand ist durchaus normal und nachvollziehbar: Auch Tiere, die angeschlagen sind, ziehen sich zunächst zurück und lecken sich die Wunden. Die Phase der Passivität dauert unterschiedlich lang – der eine braucht mehr Zeit, um sich zu regenerieren, der andere kommt schneller wieder auf die Beine. Wichtig ist, irgendwann wieder aktiv zu werden. Hilfreich dafür ist, sich auf seine aktuellen Bedürfnisse zu konzentrieren: Wenn Sie über die Krise sprechen möchten, suchen Sie sich Zuhörer. Wenn Sie sich lieber ablenken möchten, treiben Sie Sport, lesen Sie ein Buch oder gehen Sie anderen Hobbys nach. Wenn Ihnen zum Weinen ist, weinen Sie. Wenn Sie wütend sind, schreien Sie oder besorgen Sie sich einen Boxsack. Achten Sie darauf, dass Sie genug und gesund essen. Flüchten Sie sich möglichst nicht in Alkohol oder sonstige Suchtmittel. Viele Menschen haben nicht gelernt, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Insbesondere starke negative Gefühle wie Wut, Ekel, Empörung, Neid, Panik, Trauer oder Zorn werden oft verdrängt. Diese Gefühle suchen sich dann nicht selten ein körperliches Symptom als Ventil und machen krank. Werden Sie sich Ihrer Gefühle bewusst und lassen Sie sie zu. Das ist ein wichtiger Schritt für Ihre Psychohygiene. Sobald Sie spüren, dass Sie ein wenig stabiler sind, werden Sie aktiv: Prüfen Sie, welche Resilienzfaktoren Ihnen in der aktuellen Krisensituation zur Verfügung stehen, weil diese ohnehin zu Ihrem Verhaltensrepertoire gehören oder weil Sie sie in der Zwischenzeit bewusst gestärkt haben. Nutzen Sie diese Faktoren, um die Krise zu überwinden, und

lassen Sie sich Zeit, um einen Weg aus der Krise zu finden. Viele Menschen neigen dazu, alles auf einmal klären oder lösen zu wollen. Meist ist das nicht zu schaffen – im Gegenteil, der Anspruch, möglichst schnell möglichst alles zu überwinden, erhöht den inneren Druck und schwächt die Widerstandskraft, denn Stress haben Sie durch die Krise schon genug, Sie brauchen nicht noch weiteren, selbst gemachten Stress. Vielleicht hilft es Ihnen, ein Krisentagebuch zu führen, damit Sie schwarz auf weiß lesen können, was sich Tag für Tag verändert und verbessert. Notieren Sie, was Sie denken und planen, halten Sie auch kleine Zwischenerfolge und erreichte Teilziele fest. Schreiben Sie auf, wer Ihnen wie geholfen hat. Wenn es Ihnen schwerfällt, Lösungen zu finden, denken Sie den Weg vom Ziel her. Den Weg vom Ziel her denken: Was möchten Sie erreichen, wie soll das Ergebnis Ihrer Bemühungen aussehen? Stellen Sie sich vor Ihrem inneren Auge vor, wie Sie am Ziel stehen und sich freuen, dass die Probleme überwunden sind. Gehen Sie dann in Gedanken einen Schritt zurück und überlegen Sie, wie der letzte Schritt vor dem Ziel aussehen könnte. Was müssten Sie tun, um diesen letzten Schritt zu tun? Wer oder was könnte Ihnen dabei helfen? Gehen Sie anschließend vom letzten zum vorletzten Schritt zurück und arbeiten Sie sich so Schritt für Schritt rückwärts vom Ziel zum Problem. Eine andere Möglichkeit ist es, sich Zwischenziele zu setzen und die zu bewältigenden Aufgaben gut einzuteilen. Legen Sie sich eine Liste an, auf der Sie einzelne, übersichtliche Aufgaben formulieren, sich ein Zeitziel vornehmen, bis wann die jeweilige Aufgabe gelöst sein soll, und auf der Sie das Erreichte abhaken können. Versuchen Sie, die Krise oder Niederlage nicht als persönliches Scheitern anzusehen, sondern bauen Sie eine innere Distanz dazu auf. Auch wenn die Krise Sie durchrüttelt, so sind Sie doch nicht in Ihren Grundfesten erschüttert. Sie als Person, als Persönlichkeit, sind trotz Krise oder Niederlage wertvoll, einzigartig und unverwechselbar. Geben Sie der Krise nicht allzu viel Macht! Besinnen Sie sich auf das, was Ihnen wichtig ist und Sie in Ihrer Individualität ausmacht. Seien Sie gut zu sich und geduldig mit sich selbst. Haben Sie Nachsicht und Verständnis für sich und nehmen Sie die Hilfe anderer Menschen an.

Problemlösestrategien und Resilienzübungen Wenn Sie einen aktuellen Zustand (Ist-Zustand) als unbefriedigend empfinden und einen wünschenswerten Zustand (Soll-Zustand) vor Augen haben, den Sie gerne erreichen möchten, beginnen Sie bewusst oder unbewusst mit der Suche nach einer Strategie, um den Ist-Zustand zu überwinden und den Soll-Zustand zu erreichen. Einfachstes Beispiel für die Fülle von Problemlösestrategien ist der Hunger: Ihr Bauch knurrt und Sie spüren, dass Sie hungrig sind. Dieser Ist-Zustand ist

üblicherweise nicht angenehm, Sie möchten lieber satt sein (angenehmer SollZustand). Um den Hunger zu überwinden, verfügen Sie vermutlich über viele verschiedene Strategien, die Sie im Laufe Ihres Lebens ausprobiert und eingeübt haben: Sie können zum Kühlschrank gehen oder in Ihre Vorratskammer. Sie können einkaufen und kochen oder Sie gehen ins Restaurant. Vielleicht haben Sie einen Partner, dem Sie Ihren Hunger mitteilen können und der Sie dann mit Essen versorgt. Oder Sie sammeln Obst und Nüsse in der Natur. Die vielfältigen Handlungsmöglichkeiten bei Problemen, die jedem Menschen zur Verfügung stehen, nennt man Problemlösestrategien. Der Mensch erlernt sie durch Versuch und Irrtum, durch Nachahmung, durch Einsicht oder durch Kreativität. Immer dann, wenn Sie mit einer Strategie erfolgreich sind, übernehmen Sie diese Strategie automatisch in Ihr persönliches Handlungsrepertoire. Je mehr Strategien Sie zur Verfügung haben, desto leichter können Sie ein konkretes Problem lösen – also beispielsweise Ihren Hunger stillen. Ähnlich ist es mit allen Alltagsproblemen, Herausforderungen und Schwierigkeiten: Sie möchten einen unangenehmen Ist-Zustand überwinden und einen angenehmen Soll-Zustand erreichen. Die Ihnen dafür zur Verfügung stehenden Strategien können Sie lebenslang erweitern. Im Hinblick auf Ihre innere Widerstandskraft sind Resilienzübungen hilfreich, die sich auf die sieben Säulen der Resilienz beziehen und dazu beitragen können, Ihr Verhaltensrepertoire zu festigen und zu vergrößern. Probieren Sie insbesondere diejenigen Übungen aus, die sich auf Resilienzfaktoren beziehen, die bei Ihnen noch nicht so stark ausgeprägt sind. Üben Sie in Zeiten der Zufriedenheit und Ausgeglichenheit, damit Sie in Krisenzeiten auf immer wieder neue Verhaltensweisen zurückgreifen können. Resilienzübung Optimismus: Sorgen Sie dafür, dass Sie sich so oft wie möglich in hell erleuchteten Räumen aufhalten. Wenn die Sonne scheint, gehen Sie nach draußen und genießen Sie Wärme und Licht. Schlafen Sie in einem möglichst dunklen Raum. Der Wechsel zwischen hellem Tageslicht und tiefer Dunkelheit aktiviert in der Hirnanhangdrüse die nächtliche Ausschüttung des Hormons Melatonin, das unverzichtbar für gute Laune, einen stabilen Tag-Nacht-Rhythmus und guten Schlaf ist. So schaffen Sie die körperlichen Voraussetzungen für Optimismus. Resilienzübung Akzeptanz: Schenken Sie sich zu Ihrem Geburtstag oder an einem für Sie besonders wichtigen Tag ein Schmuckstück oder einen Handschmeichler als Symbol Ihrer Selbstliebe. Tragen Sie den Schmuck oder den Handschmeichler möglichst häufig und erinnern Sie sich dadurch immer wieder an Ihren Selbstwert und Ihre Selbstakzeptanz. Denken Sie dabei: »Ich bin gut, so wie ich bin.« Resilienzübung Handlungsfähigkeit: Nehmen Sie sich zweimal in der Woche vor, etwas zu tun, was Sie schon länger aufgeschoben haben. Schreiben Sie sich morgens auf, was es ist und bis wann Sie es erledigen werden. Legen Sie sich den Zettel gut sichtbar zurecht. Wenn Sie die aufgeschobene Aufgabe pünktlich erledigt haben, loben

Sie sich ausführlich und klopfen sich auf die Schulter. Resilienzübung Verantwortungsbereitschaft: Reservieren Sie jeden Tag eine Zeitspanne, in der Sie in Ihrem ganz eigenen Tempo etwas erledigen, das für Sie persönlich wichtig ist. Lassen Sie sich nicht drängen oder bremsen, verschieben Sie Ihre Angelegenheit nicht auf einen anderen Tag und nehmen Sie sich wichtig. Entscheiden Sie sich bewusst dafür, sich für sich selbst verantwortlich zu fühlen – jeden Tag aufs Neue. Resilienzübung Lösungsorientierung: Bevor Sie etwas entscheiden, sammeln Sie so viele Informationen wie möglich. Versuchen Sie, das Thema, mit dem Sie sich beschäftigen, aus mindestens drei verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und mindestens drei verschiedene Lösungen zu erarbeiten. Üben Sie diese Lösungsweise mindestens einmal in der Woche und beobachten Sie, ob sich in Ihrer Lösungsorientierung etwas Grundsätzliches verändert. Resilienzübung Netzwerkpflege: Legen Sie einen Geburtstagskalender an und tragen Sie die Geburtstage aller Menschen, die Ihnen wichtig sind, dort ein. Rufen Sie jeden der Ihnen wichtigen Menschen an seinem Geburtstag an, schreiben Sie ihm eine Karte oder eine E-Mail oder schenken Sie ihm Zeit für eine gemeinsame Aktivität. Denken Sie sich einen individuellen Glückwunsch für diesen Menschen aus und überraschen Sie ihn damit. Resilienzübung Zukunftsplanung: Wenn Sie abends im Bett liegen, denken Sie – auch wenn Sie Sorgen haben – mit Freude an den kommenden Tag. Nehmen Sie sich etwas vor, das Sie am nächsten Tag tun werden und das Ihnen auf jeden Fall Spaß machen wird. Malen Sie sich aus, wie Sie es tun und wie gut es Ihnen dabei gehen wird. Nehmen Sie diesen Gedanken mit in den Schlaf. In diesem Buch finden Sie noch viele weitere Übungen. Suchen Sie sich diejenigen aus, die gut zu Ihnen passen, die Ihnen Spaß machen und mit denen Sie Erfolg haben. Notieren Sie sich die Übungen im Computer oder in einem Tagebuch und üben Sie regelmäßig. Achten Sie auf ausreichend Pausen und Entspannungsmöglichkeiten in Ihrem Alltag und seien Sie achtsam für Ihre eigenen Bedürfnisse.

Professionelle Hilfe suchen Nicht jede Krise lässt sich mit den einem Menschen aktuell zur Verfügung stehenden Strategien und Handlungsmöglichkeiten lösen. In manchen Situationen ist professionelle Hilfe erforderlich, um eine Krise zu überwinden, Lösungen zu erarbeiten, eine Zukunftsperspektive zu finden und sich für den Alltag zu stärken. Die Krisenintervention sollte in besonders schweren Fällen stationär, also in einer psychiatrischen Klinik, stattfinden. Wenn Sie das Gefühl haben, keinen Ausweg mehr zu finden, sprechen Sie Ihren Hausarzt an. Dieser entscheidet, ob er Ihnen eine Überweisung zum Facharzt

ausstellt oder sofort eine Einweisung ins Krankenhaus. Ist Ihre Not so groß, dass Sie keinerlei Ausweg mehr sehen und womöglich selbstmordgefährdet sind, kann die Einweisung in die Psychiatrie lebensrettend sein. Bei konkreten, drängenden Suizidgedanken ist die für den Betroffenen an seinem Wohnort zuständige psychiatrische Klinik verpflichtet, Tag und Nacht eine stationäre Krisenbehandlung anzubieten. Wenn ein Mensch in Ihrer Umgebung nicht mehr weiterweiß und androht, sich umzubringen, fordern Sie umgehend über die Telefonnummer 112 Hilfe an.

Hilfe beim Arzt, Psychologen oder in Selbsthilfegruppen Die meisten Krisen, bei denen professionelle Hilfe erforderlich ist, können hingegen ambulant, also durch einen niedergelassenen Arzt oder Psychologen, behandelt werden. Es kann außerdem hilfreich sein, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen, in der Gleichbetroffene über ihre Probleme und Lösungsansätze sprechen. Solche Gruppen treffen sich in regelmäßigen Abständen und können, müssen aber nicht, professionell angeleitet werden. Adressen von Selbsthilfegruppen gibt es im Internet unter www.nakos.de. Ambulante Psychotherapieplätze sind in manchen Regionen in Deutschland Mangelware und Psychotherapeuten mit Kassenzulassung haben oft lange Wartelisten. Daher hat der Gesetzgeber das Kostenerstattungsverfahren eingeführt: Wenn Ihr Haus- oder Facharzt Ihnen bescheinigt hat, dass Sie einen Psychotherapieplatz brauchen, Sie aber von mindestens fünf Therapeuten mit Kassenzulassung eine Absage erhalten oder Ihnen eine Wartezeit von mehr als sechs Wochen angekündigt wird, stellen Sie einen schriftlichen Antrag bei Ihrer Krankenkasse: Fordern Sie entweder, dass Ihnen ein Psychotherapeut genannt wird, der freie Plätze hat, oder dass ein außervertraglicher Psychotherapeut (also ohne Kassenzulassung) auf Kosten der Krankenkasse Ihre Therapie durchführen darf, denn Sie haben einen Rechtsanspruch auf Psychotherapie. Dies regelt §13 Absatz 3 des Sozialgesetzbuches V (SGB V).

Behandlung von Traumafolgestörungen Menschen, die aufgrund einer schweren körperlichen oder seelischen Verletzung, also eines Traumas, unter anhaltenden Folgestörungen bis hin zur posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden, brauchen eine langfristige psychotherapeutische und gegebenenfalls auch medikamentöse Behandlung. Es gibt viele verschiedene Psychotherapieverfahren, die wissenschaftlich erforscht und in ihrer Wirksamkeit bewiesen sind. Die beiden Hauptgruppen sind die Verhaltenstherapie (VT) und die Tiefenpsychologie (TP). Die meisten Psychotherapeuten haben zwar einen

Ausbildungsschwerpunkt in einem dieser beiden Therapieverfahren, wenden aber in der Praxis eine Mischung verschiedener Methoden an, um für jeden Patienten die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie ist die sogenannte Psychoedukation, also die Aufklärung über die Entstehung von körperlichen und psychischen Symptomen, die ihnen zugrunde liegenden Reaktionen im Gehirn und im Körper sowie die möglichen Interventionen, um die ständige Reaktivierung des Traumas zu durchbrechen. Ziel ist es, dass Betroffene sich als Experten ihrer Erkrankung erleben und wissen, dass sie ihr nicht hilflos ausgeliefert sind. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass etwa ein Drittel aller Missbrauchsopfer und die Hälfte der Opfer von Vergewaltigungen im weiteren Verlauf ihres Lebens eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Fast alle Traumafolgestörungen gehen mit Flashbacks einher, also dem Wiedererleben des Traumas einschließlich aller körperlichen und seelischen Schmerzen. Dabei können sich Betroffene nicht klarmachen, dass das Trauma in der Vergangenheit liegt und sie aktuell nicht bedroht sind. Ein erster Schritt der Therapie ist daher die Stabilisierung, also die Etablierung äußerer und innerer Sicherheit. Anschließend lernen Betroffene mit Unterstützung durch den Therapeuten, mit den Flashbacks, also den Erinnerungen an das Trauma, umzugehen und sie zu durchbrechen. Ihnen werden beispielsweise imaginative Techniken vermittelt, in denen sie ihre Vorstellungskraft nutzen, um sich einen sicheren inneren Ort zu erschaffen, an dem sie geschützt sind und zu dem sie jederzeit gehen können. Ein verbreitetes und recht gut erforschtes Traumatherapieverfahren arbeitet mit Augenbewegungen (Eye Movement Desensitization and Reprocessing, EMDR). Im Mittelpunkt dieser Methode steht die Aktivierung beider Gehirnhälften: Der Patient konzentriert sich auf seine Erinnerungen an das Trauma und folgt gleichzeitig mit seinen Augen den Fingerbewegungen seines Therapeuten. Dadurch werden Gefühle und Gedanken hervorgerufen, die zu einer raschen psychischen Entlastung führen. Weitere Informationen und eine Therapeutenliste finden sich auf der Webseite der deutschen EMDR-Fachgesellschaft: www.emdria.de.

Teil III

Resilienz im Berufsleben



IN DIESEM TEIL … In diesem Teil stelle ich Ihnen die Bedeutung der inneren Widerstandskraft im beruflichen Zusammenhang vor: Einerseits ist Resilienz wichtig, um die Wechselfälle des Berufslebens gut zu überstehen und den eigenen Weg erfolgreich zu gestalten, andererseits sollte die seelische Stärke nicht dazu genutzt werden, sich selbst oder seine Mitarbeiter auszubeuten und Unmögliches zu verlangen. Um eine gute Balance zwischen Leistungsbereitschaft und Selbstfürsorge zu finden, bedarf es der Frustrationstoleranz sowie eines ehrlichen Umgangs mit den eigenen Stärken und Schwächen. Motivieren, Delegieren und Neinsagen sind drei wichtige Strategien für die Resilienzförderung, die Sie in diesem Teil näher kennenlernen. Darüber hinaus erfahren Sie mehr über die Bedeutung der Kommunikation und lernen erfolgreiches Konfliktmanagement im beruflichen Zusammenhang kennen. Sie finden zahlreiche Resilienzübungen, die Sie in Ihren Berufsalltag einbauen können, damit Sie künftig besser mit Stress umgehen werden. Und Sie können sich mithilfe einer Checkliste einen Trainingsplan zusammenstellen, um Ihre Work-Life-Balance zu verbessern und Ihre Lebensqualität zu erhöhen.

Kapitel 7

Das Geheimnis der Starken IN DIESEM KAPITEL Die eigenen Stärken und Schwächen im Berufsleben analysieren Feedback von Vertrauten einholen, um die Selbsterkenntnis zu verbessern Verhaltensmuster auf Resilienztauglichkeit überprüfen Durch Pausen, Auszeiten und Abgrenzung die Resilienz im Beruf erhöhen Selbstbewusst zu den eigenen Schwächen stehen

Gerade im Berufsleben zeigt sich die große Bedeutung von Resilienz: Heute sind die meisten Berufswege alles andere als geradlinig, von Arbeitnehmern werden hohe Flexibilität und grenzenlose Mobilität erwartet, kaum eine Arbeitsstelle ist dauerhaft sicher. Wer Krisen im Arbeitsleben gut übersteht und immer wieder auf die Füße fällt, hat einen großen Wettbewerbsvorteil. Doch die Forderung nach mehr Resilienz wird gelegentlich dazu missbraucht, von Berufstätigen deutlich mehr zu erwarten, als sie in der Lage sind zu leisten. Resilienz im Berufsalltag ist also ein zweischneidiges Schwert: Einerseits ist sie unverzichtbar, um im Job zu bestehen, andererseits kann sie zur Selbstausbeutung verführen. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Sie eine gute Balance finden zwischen Leistungsbereitschaft und Selbstfürsorge im Beruf.

Sich selbst gut kennenlernen Lassen Sie Ihren bisherigen Berufsweg vor Ihrem inneren Auge Revue passieren: Welche Vorstellungen und Ziele hatten Sie, als Sie sich für eine Ausbildung oder ein Studium entschieden haben? Welche Erfahrungen haben Sie als Berufsanfänger gemacht? Haben Sie im Laufe der Zeit berufliche Umwege eingeschlagen oder war Ihr Weg geradlinig? Was hat sich ganz anders entwickelt, als Sie erwartet hatten? Welche Hoffnungen haben sich erfüllt, welche nicht? Gab es Zufälle und Begegnungen, die viel verändert haben?

Welche Menschen haben Sie unterstützt, von welchen haben Sie gelernt? Was würden Sie anders machen, wenn Sie mit Ihrem heutigen Erfahrungsschatz noch einmal von vorn beginnen dürften? Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer derzeitigen Arbeit? Vielleicht hilft es Ihnen, eine Zeitschiene anzulegen und Ihre beruflichen Stationen schriftlich festzuhalten. Notieren Sie wichtige Meilensteine und schreiben Sie alles auf, was Ihnen einfällt – gute und schlechte Erfahrungen, Erfolge und Misserfolge, Bestätigungen und Kränkungen. Sicherlich werden Ihnen Situationen einfallen, in denen Sie nicht mehr weiterwussten oder die ganz anders gelaufen sind als geplant. Wie haben Sie in solchen Situationen reagiert? Und wenn Ihnen etwas misslungen ist, wie ging es dann weiter? Was ist Ihnen besonders gut gelungen und warum? Welche Wertschätzung wurde Ihnen entgegengebracht? Wie sind Sie mit Kränkungen umgegangen, beispielsweise mit einer ausgebliebenen Beförderung, einer Beschneidung Ihrer Kompetenzen oder einer Missachtung Ihrer Ideen? Haben Sie schwere Krisen erlebt, beispielsweise eine Insolvenz, eine Fusion mit erheblichem Stellenabbau oder einen Umzug Ihres Arbeitsgebers, der erhebliche Veränderungen für Ihr Privatleben mit sich brachte oder gar Arbeitslosigkeit? Wie ging Ihr Leben danach weiter? Ihr individuelles Resilienztraining im Beruf kann Ihnen helfen, mit beruflichen Krisen und Rückschlägen besser umzugehen. Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen einen Resilienztrainingsworkshop anbietet, hinterfragen Sie seine Motivation kritisch: Sollen Sie auf höhere Ansprüche an Ihre Produktivität eingestimmt werden? Dient das Training dazu, Ihnen anschließend mehr Arbeit aufbürden zu können? Oder geht es tatsächlich um Ihre psychische Stabilität und Gesundheit? Je intensiver Sie sich mit Ihren bisherigen Erfahrungen beschäftigen, desto klarer wird sich ein Muster abzeichnen, aus dem Sie etwas lernen können über Ihre individuellen Resilienzfaktoren im Berufsleben. Nehmen Sie die sieben Säulen der Resilienz als Richtschnur, um zu erkennen, wo Ihre Stärken liegen und was Ihnen bisher geholfen hat, mit schwierigen Situationen im Beruf umzugehen: Optimismus: Gehen Sie üblicherweise davon aus, dass es nach einer Schlappe im Job auch wieder bergauf gehen wird? Oder rechnen Sie immer mit dem Schlimmsten? Akzeptanz: Nehmen Sie Stress und Schwierigkeiten im Job als gegeben hin? Oder hadern Sie mit sich und dem Schicksal, wenn etwas nicht so läuft wie gewünscht? Handlungsfähigkeit: Haben Sie das Gefühl, Dinge ändern zu können? Oder fühlen Sie sich gegängelt, gebeutelt und fremdbestimmt? Verantwortungsbereitschaft: Erkennen Sie Ihre eigenen Anteile an Erfolgen und Misserfolgen? Oder sind Sie der Ansicht, dass immer die anderen schuld sind?

Lösungsorientierung: Laufen Sie bei kniffligen Aufgaben zur Hochform auf und suchen immer wieder neue, kreative Wege, um Probleme zu lösen? Oder greifen Sie stets auf bewährte Handlungsmöglichkeiten zurück? Netzwerkpflege: Können Sie sich auf Vorgesetzte, Kollegen oder Mitarbeiter verlassen und bekommen Sie die Informationen, die Sie brauchen, um effizient arbeiten zu können? Oder sind Sie ein Einzelkämpfer, der am liebsten alles selbst erledigt? Zukunftsplanung: Haben Sie eine klare Vorstellung davon, was Sie erreichen wollen, und verfolgen Sie Ihre Ziele konsequent? Oder lassen Sie sich von den Umständen treiben und wissen gar nicht so genau, was als Nächstes kommen soll? Seien Sie bei Ihrer Analyse offen und ehrlich mit sich selbst. Bewerten Sie möglichst nicht, sondern schauen Sie unvoreingenommen auf Ihre Stärken und Schwächen. Es geht nicht darum, dass Sie über sich richten, sondern dass Sie sich gut kennenlernen. So können Sie Ihre Stärken weiter ausbauen und an Ihren Schwachpunkten arbeiten. Legen Sie ein Stärkeninventar an und schreiben Sie auf, was Sie gut können, worin Sie stark sind, was Ihnen leichtfällt und was Sie gern tun. Sie können dies stichwortartig notieren oder ausformulieren, auf Klebezettel schreiben und gut sichtbar aufhängen, in ein Tagebuch eintragen oder ein Dokument im Computer anlegen. Wichtig ist, dass Sie sich Ihre Stärken immer wieder vor Augen führen, denn diese Stärken sind ein Resilienzkapital, auf das Sie sich verlassen können.

Die eigenen Muster hinterfragen Vielleicht haben Sie bei Ihrer Analyse ein Verhaltensmuster erkannt, das sich in Ihrer beruflichen Biografie wiederholt. Überprüfen Sie dieses Muster auf seine Resilienztauglichkeit: Handeln Sie zukunfts- und lösungsorientiert? Gehen Sie optimistisch und mit Akzeptanz an Herausforderungen heran? Wie aktiv sind Sie? Übernehmen Sie Verantwortung und beziehen Ihr Netzwerk mit ein? Sarah Rechts hat in ihrem Leben immer dann etwas Neues begonnen, wenn jemand anders es ihr schmackhaft gemacht hat: Ihr Studienfach wählte sie, weil ihr Freund dieses Fach bereits studierte. Als eine gute Freundin ein Volontariat bei einem Zeitungsverlag begann, brach Sarah ihr Studium ab und volontierte ebenfalls. Auf ihren jetzigen Job im Vertrieb bewarb sie sich, weil eine Nachbarin ihr über die Stellenausschreibung berichtet hatte. Sarah zieht nun Bilanz und stellt fest, dass sie kaum je aus eigenem Antrieb gehandelt, sondern fast immer die Verantwortung abgegeben hat. Ihre beruflichen Entscheidungen waren spontan und sie hatte sich nicht um Alternativen gekümmert. Die Veränderungen waren zumeist bequem und naheliegend, weil sie keine eigenen Wege suchen musste. Heute hat Sarah jedoch das Gefühl, auf der Stelle zu treten und hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben zu

sein. Sie nimmt sich vor, künftig die Resilienzfaktoren Verantwortungsbereitschaft und Handlungsfähigkeit besonders bewusst zu trainieren und ihr berufliches Schicksal selbst zu gestalten. Verhaltensmuster sind nicht statisch, sondern veränderbar. Sobald Sie das Gefühl haben, mit einer bestimmten Verhaltensweise nicht mehr weiterzukommen oder sich damit sogar auszubremsen, können Sie versuchen, sich anders zu verhalten. Dies erfordert Selbstreflexion, Ehrlichkeit und Mut. Aber es lohnt sich: Sie werden sich selbstbestimmter, freier und zuversichtlicher fühlen und das Heft des Handelns fest in der Hand halten. Um ein eigenes Verhaltensmuster besser zu erkennen, stellen Sie sich vor, dass Sie sich selbst wie in einem Kinofilm betrachten. Beschreiben Sie, was Sie sehen: Wie erleben Sie die handelnde Person auf der Leinwand? Wie löst diese Person ihre Probleme, wie geht sie an Herausforderungen heran? Was gelingt ihr gut, womit hat sie Schwierigkeiten? Was würden Sie dieser Person raten? Durch diese Übung schaffen Sie Distanz zu sich selbst und nehmen eine Beobachterposition ein. Dadurch sehen Sie vieles klarer und vielleicht sogar positiver. Nutzen Sie auch die Rückmeldungen, die Ihre Kollegen, Mitarbeiter oder Vorgesetzten Ihnen geben, für die Analyse Ihrer Verhaltensmuster. Möglicherweise haben Sie blinde Flecken (mehr dazu in Kapitel 2), also Persönlichkeits- oder Verhaltensanteile, die Ihnen selbst nicht bewusst sind, die aber von anderen gesehen werden. Bitten Sie Menschen aus Ihrem beruflichen Umfeld, denen Sie vertrauen und deren Urteil Ihnen wichtig ist, um ehrliches Feedback, beispielsweise: Wie wirke ich, wenn ich im Stress bin? Kann ich meine Vorgehensweise gut erklären und andere zum Mitmachen motivieren? Welche Eigenschaften stechen bei mir besonders hervor? Kann man sich auf mich verlassen? Wann wirke ich besonders engagiert und zupackend? Was strahle ich aus? Was könnte ich besser machen? Werden Sie insbesondere dann hellhörig, wenn Sie von verschiedenen Menschen ähnliche Einschätzungen hören, denn jeder sieht Sie durch die Brille seiner eigenen Wertvorstellungen und Interpretationen – wenn die Bilder unterschiedlicher Betrachter sich jedoch gleichen, könnte dies ein Hinweis auf Ihre objektivierbaren Eigenschaften sein.

Die Frustrationstoleranz erhöhen Auch wenn sich ein Verhaltensmuster bewährt hat, können Sie trotzdem Alternativen ausprobieren. Es schadet nicht, einen Plan B zu haben, falls der bislang erfolgreiche Weg doch einmal nicht zum Ziel führt. Ein wichtiger Punkt dabei ist die Frustrationstoleranz: Je besser Sie es ertragen können, dass Sie trotz großer Anstrengung längere Zeit brauchen, um ein gewünschtes Ergebnis zu erzielen, dass es also dauern kann, bis Sie den Lohn Ihrer Mühen sehen, desto resilienter werden Sie. Auch die Frustrationstoleranz können Sie trainieren. Probieren Sie folgende Übung aus: Wählen Sie eine Beschäftigung, bei der Sie sich körperlich anstrengen müssen, beispielsweise Jogging, Radfahren, Gartenarbeit oder Hausputz. Überlegen Sie sich eine attraktive Belohnung, mit der Sie sich diese Tätigkeit schmackhaft machen können, etwa ein heißes Bad, eine Stunde auf dem Sofa, eine Tasse Kaffee oder ein kleines Geschenk. Strengen Sie sich nun mindestens eine halbe Stunde lang richtig an, bis Sie ins Schwitzen kommen und am liebsten sofort aufhören und sich die Belohnung genehmigen möchten. Stoppen Sie jetzt die Zeit, wie lange Sie die Beschäftigung dann noch fortsetzen können, bevor Sie es nicht mehr aushalten und sich endlich die Belohnung gönnen. Notieren Sie sich diese Toleranzzeit und verlängern Sie sie beim nächsten Üben bewusst um fünf Minuten, dann um zehn Minuten und immer so weiter, bis Sie eine Frustrationstoleranzverlängerung um 60 Minuten erreicht haben. Wenn Sie sich nicht so lange körperlich anstrengen können, beschäftigen Sie sich in der Toleranzzeit mit einer anderen, nicht besonders angenehmen Tätigkeit. Beobachten Sie Ihre Gefühle während der Toleranzzeit: Woran denken Sie? Wie fühlt es sich an, die Belohnung hinauszuschieben? Was verändert sich von Tag zu Tag? Nehmen Sie bewusst wahr, was die Belohnung bei Ihnen auslöst: Sind Sie zufrieden? Haben Sie das Gefühl, etwas geschafft und die Belohnung verdient zu haben? Wird die Belohnung umso wichtiger, je länger die Toleranzzeit war? Oder verliert die Belohnung an Bedeutung? Im Berufsalltag brauchen Sie häufig eine gute Frustrationstoleranz, denn viele Ihrer alltäglichen beruflichen Aufgaben werden vermutlich nur wenig oder erst spät wertgeschätzt. Gewöhnen Sie sich an, sich selbst regelmäßig Wertschätzung zu schenken: Legen Sie eine Pause ein, wenn Sie etwas erledigt haben, und erkennen Sie Ihre Leistung an. Klopfen Sie sich im wörtlichen oder im übertragenen Sinne des Wortes auf die Schulter. Schreiben Sie sich in einem Tagebuch auf, was Sie erreicht haben. Viele Menschen neigen dazu, ihre eigene Leistung für selbstverständlich zu halten und nur das zu sehen, was sie nicht geschafft haben. Ein Erfolgstagebuch kann dieses Muster

durchbrechen helfen: Wenn Sie schwarz auf weiß sehen, welche Ergebnisse Sie erzielt haben, fällt es Ihnen möglicherweise leichter, Ihr Können anzuerkennen. Dies wiederum erhöht Ihre Selbstwirksamkeitserwartung und damit auch Ihre Resilienz.

Die Marshmallow-Studie Kleine Kinder haben nur eine sehr geringe Frustrationstoleranz – doch eine wissenschaftliche Untersuchung zeigte, dass Kinder mit einer überdurchschnittlichen Frustrationstoleranz im Laufe ihres Lebens erfolgreicher sind als die durchschnittlich oder unterdurchschnittlich frustrationstoleranten Kinder. Der US-amerikanische Psychologie-Professor Walter Mischel setzte ab 1968 viele Hundert vier- bis sechsjährige Kinder jeweils vor ein Marshmallow und sagte ihnen, wenn sie das Marshmallow nicht sofort essen würden, bekämen sie von ihm später zwei Marshmallows. Dann verließ er das Untersuchungszimmer und beobachtete die Kinder durch eine verspiegelte Glasscheibe. Die meisten Kinder versuchten sich zunächst zu beherrschen, aßen das Marshmallow dann jedoch recht bald auf. Einige Kinder hielten es jedoch – zum Teil mit sehr kreativen Ablenkungs- und Beschäftigungsmethoden – durch, auf den Untersucher und damit auf die zwei Marshmallows zu warten. In den Folgejahren untersuchte Mischel die Studienteilnehmer immer wieder und stellte fest, dass die geduldigen Kleinkinder (er nannte sie »Belohnungsaufschieber«) zu zielstrebigen, erfolgreichen und emotional stabilen Menschen heranwuchsen. Geduld und die Bereitschaft, längere Zeit auf eine Belohnung zu warten, fördern die Resilienz. Dies lässt sich sogar im Gehirn nachweisen: Mischel fand in kernspintomografischen Aufnahmen, dass bei den Belohnungsaufschiebern im Erwachsenenalter diejenigen Gehirnareale besonders aktiv waren, die für kreatives Denken, Problemlösen und Impulskontrolle zuständig sind. Bei den anderen fand sich hingegen vermehrte Aktivität in den Gehirngegenden, die mit Verlangen, Lust und Sucht assoziiert sind.

Wichtig ist auch, nicht bei allen Anstrengungen von einer Belohnung abhängig zu sein, ganz gleich, ob diese Ihnen von anderen gewährt wird oder ob Sie sich selbst belohnen. Versuchen Sie herauszufinden, welche Herausforderungen Sie gern annehmen nur um der Herausforderung willen: Verspüren Sie Ehrgeiz, wenn Sie etwas versuchen, was Ihnen eigentlich kaum machbar erscheint? Fordert es Sie heraus, wenn alle anderen sagen »Das klappt sowieso nicht«? Möchten Sie manche Probleme unbedingt lösen, auch wenn es dafür keinen Dank oder keine Anerkennung gibt? Diese Form der Motivation heißt intrinsisch, also von innen kommend – im Gegensatz zur extrinsischen Motivation, die an eine äußere Belohnung gekoppelt ist. Je stärker Ihre intrinsische Motivation, desto unabhängiger sind Sie.

Stärken bewusst einsetzen Eine ehrliche und ausführliche Selbstanalyse ist die Grundlage dafür, dass Sie Ihre beruflichen Stärken erkennen und bewusst einsetzen können. Konzentrieren Sie sich zunächst auf einen Bereich, in dem Sie sich besonders sicher fühlen und wissen, dass Sie sich zu jeder Zeit auf sich selbst verlassen können. Genießen Sie diese Sicherheit und nutzen Sie Ihr Können, um in Ihrem Kernkompetenzbereich zum Champion zu werden. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Kollegen, Vorgesetzten oder Mitarbeiter sehen, dass Sie routiniert und verlässlich Ihre Aufgaben erledigen und dass man Ihnen auf Ihrem Feld nichts vormachen kann. Lassen Sie Ihre Kollegen teilhaben, indem Sie Ihr Wissen

weitergeben und andere unterstützen. Pflegen Sie Ihr berufliches Netzwerk im Hinblick auf Ihren Kernkompetenzbereich und wertschätzen Sie das, was Sie erreichen. Tobias Schütz unterrichtet Englisch und Geschichte an einem Gymnasium. Seine große Stärke liegt in der Gestaltung ansprechender Arbeitsblätter für seine Schüler. Er denkt sich kreative Übungen aus und zeichnet dazu witzige Karikaturen oder Cartoons. Seine Schüler freuen sich geradezu auf die Hausaufgabenzettel von Tobias Schütz und erzählen den anderen Lehrern begeistert davon. Als die Nachfrage nach seinen Karikaturen so groß wird, dass Tobias Schütz mit dem Zeichnen kaum noch hinterherkommt, legt er im schulischen Intranet eine Cartoonbibliothek an, auf die seine Lehrerkollegen zugreifen können. Eines Tages berichtet sogar die Lokalzeitung über das Talent des Gymnasiallehrers. Diese Anerkennung macht Tobias Schütz sehr stolz und er freut sich über das große Interesse. Ein technisch versierter Schüler bietet ihm an, eine Website für ihn zu programmieren, und mittlerweile sind die Karikaturen des Lehrers weit über die Grenzen seines Wohnorts bekannt. Aus dem Hobby ist eine einträgliche Nebenbeschäftigung geworden und Tobias Schütz träumt von einem Buchvertrag. Wenden Sie sich dann einem Bereich zu, in dem Sie nicht ganz so sattelfest sind, also ein berufliches Aufgabenfeld, auf dem Sie gelegentlich Fehler machen, die Hilfe anderer benötigen oder sich weniger zutrauen. Versuchen Sie zu benennen, welchen Stellenwert dieser Bereich für Ihren beruflichen Erfolg hat: Ist er sehr wichtig (unverzichtbar), indifferent (egal) oder weniger wichtig (verzichtbar)? Ein verzichtbarer oder indifferenter Bereich ist für Ihr Resilienztraining zunächst von untergeordneter Bedeutung, wohingegen ein unverzichtbares Tätigkeitsfeld, auf dem Sie sich noch nicht besonders sicher fühlen, Ihre Aufmerksamkeit verdient: Nehmen Sie sich vor, dieses Feld künftig besser zu beherrschen, und übertragen Sie Ihre Stärken aus Ihrem Kernkompetenzbereich systematisch darauf. Das ist weniger kompliziert als es zunächst klingt, weil Sie Ihre beruflichen Stärken durch Selbstanalyse und Feedback ja bereits kennengelernt haben. Wenn Sie sich an den sieben Säulen der Resilienz orientieren, können Sie beim Transfer Ihrer Stärken ganz systematisch vorgehen und eine zuversichtliche Haltung einnehmen: Optimismus: Was in einem beruflichen Bereich gut klappt, lässt sich auch auf einen anderen Bereich übertragen. Wenn Sie an sich glauben, können Sie Berge versetzen. Akzeptanz: Sie sind gut so wie Sie sind. Gehen Sie entspannt an die Aufgaben heran, die Ihnen nicht so leichtfallen, und erlauben Sie sich eine Lernkurve. Wenn es am Anfang nicht gleich klappt, ist das nicht schlimm. Handlungsfähigkeit: Sie sind Profi in dem, was Sie tun. Packen Sie Ihr Vorhaben zuversichtlich und professionell an. Verantwortungsbereitschaft: Sie übernehmen Verantwortung für Ihre

Weiterentwicklung. Nehmen Sie sich und Ihre Aufgaben ernst und geben Sie Ihr Bestes. Lösungsorientierung: Sehen Sie den Transfer Ihrer Stärken nicht als Problem, sondern als Herausforderung und Chance an. Netzwerkpflege: Nehmen Sie die Unterstützung anderer Menschen an, wenn Sie nicht weiterkommen. Seien Sie bereit, von anderen zu lernen. Zukunftsplanung: Wenn Ihnen der Transfer Ihrer Stärken gelungen ist, nehmen Sie sich den nächsten Teilbereich Ihres Berufslebens vor und arbeiten Sie systematisch weiter an sich.

Eberhard Graute ist ein erfolgreicher Chirurg in mittlerem Alter, der seit einiger Zeit merkt, dass es ihm nicht mehr reicht, mit seinen Patienten immer nur ganz kurz vor und nach einer Operation sprechen zu können. Er interessiert sich zunehmend für die Psychotherapie und belegt mehrere Fortbildungen. Dabei spürt er deutlich, dass er eine gute Hypnosefähigkeit besitzt, und beschäftigt sich daher intensiv mit der Hypnotherapie. Er überträgt seine Stärken aus der Chirurgie in diesen neuen Bereich: »Ich stelle eine klinisch saubere Diagnose, kläre den Patienten umfassend über Vorund Nachteile der Hypnose auf und mache keinen großen Hokuspokus drum herum«, berichtet Eberhard Graute. Obwohl seine chirurgischen Kollegen sich sehr darüber wundern, halbiert er seine Tätigkeit im Krankenhaus und eröffnet zusätzlich eine hypnotherapeutische Praxis. Es verschafft ihm große Zufriedenheit, sowohl chirurgisch als auch psychotherapeutisch arbeiten zu können – so lebt er seine unterschiedlichen Stärken und Begabungen erfolgreich aus.

Die Bedeutung von Pausen und Auszeiten Resiliente Menschen wissen bewusst oder unbewusst, dass sie immer wieder Zeiten der Regeneration benötigen. Bevor ihre Akkus leer sind, gönnen sie sich Pausen oder Auszeiten, um Energie zu tanken und Kräfte zu sammeln. Dies klingt simpel, ist im Berufsalltag aber oft nicht so leicht umzusetzen. Das Berufsleben hat sich in den letzten Jahrzehnten stark beschleunigt. Die Arbeitnehmer müssen immer mehr in immer kürzerer Zeit bewältigen, ihr Wissen immer schneller vergrößern und ihre Effizienz steigern. Die Personaldecke wird dünner, es mangelt an Fachkräften und Nachwuchs. Die Folgen dieser Beschleunigung und Arbeitsverdichtung sind körperliche und seelische Krankheiten, Burn-out oder Frühberentung. Zwar wird in der Politik, bei Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen, Krankenkassen und Rentenversicherungen längst über diese Gefahr diskutiert, doch es ändert sich nicht viel. Daher bleibt jedem Einzelnen kaum etwas anderes übrig, als

auf sich selbst aufzupassen und im eigenen Einflussbereich Dinge zu verändern. Als Arbeitnehmer sind Sie Rahmenbedingungen unterworfen, auf die Sie nur zum Teil Einfluss haben. Doch irgendetwas können Sie immer beeinflussen – entweder die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung der äußeren Vorgaben oder Ihre innere Einstellung. Wie läuft Ihr Berufsalltag eigentlich ab? Viele können diese Frage gar nicht präzise beantworten, sondern haben nur das Gefühl, dass sie von einem Termin zum nächsten und von einer Aufgabe zur anderen hetzen. Finden Sie heraus, wie es bei Ihnen wirklich läuft: Führen Sie drei Tage lang Buch über die Gestaltung Ihrer Arbeitszeit. Notieren Sie sich, wann Sie welche Aufgabe begonnen und beendet haben, wie oft und von wem Sie unterbrochen wurden, wann Sie eine Pause gemacht haben, wann eine Besprechung stattfand, wann und mit wem Sie gesprochen haben und wie Sie sich dabei fühlten, wie oft Sie in Ihre E-Mails geschaut haben (das geht mit einer Strichliste am einfachsten), wann Sie geraucht oder sich Kaffee geholt haben, was Sie selbstbestimmt tun konnten und was Ihnen aufgetragen wurde und so weiter. Versuchen Sie, drei möglichst typische Arbeitstage zu protokollieren – also nicht unbedingt den ersten Tag nach Ihrem Urlaub, einen Tag, an dem sich drei Kollegen krankgemeldet haben, oder den Tag des Betriebsausflugs. Schauen Sie sich dann in Ruhe Ihr Protokoll an – mit welchen Arbeitsabläufen waren Sie zufrieden? Wie oft am Tag waren Sie angespannt und genervt, wie oft entspannt und gelassen? Und vor allem: Wie viele Pausen haben Sie gemacht und wie haben Sie diese Pausen gestaltet? Als Faustregel kann man sagen, dass nach einer 90-minütigen Arbeitsphase eine kurze Pause sinnvoll ist und in der Mitte des Arbeitstags (also bei einem Achtstundentag nach vier Stunden) eine etwa halbstündige Pause eingelegt werden sollte. Diese Pausen sollten ungestört sein und dazu dienen, dass Sie abschalten und durchatmen, lachen, essen, trinken und sich bewegen können. Wenn Ihre Arbeitsumgebung Ihnen die Möglichkeit dazu bietet, legen Sie einen kurzen Mittagsschlaf ein oder gehen Sie an die frische Luft. Wissenschaftliche Untersuchungen der Chronobiologen haben gezeigt, dass die innere Uhr jedes Menschen anders tickt. Ob man Frühaufsteher oder Nachteule ist, wird bereits vor der Geburt genetisch festgelegt und lässt sich im Laufe des Lebens kaum ändern. Da sich aber auch das Zeitgefüge des Berufsalltags kaum ändern lässt, sind eigene Kompensationsmechanismen hilfreich: Frühaufsteher sollten die Gleitzeit nutzen und möglichst früh zur Arbeit gehen, um ihre kreativsten und produktivsten Zeiten optimal zu nutzen. Nachteulen sind hingegen eher nachmittags oder am frühen Abend fit und brauchen daher entweder einen späteren Start in den

Tag oder längere Pausen. Versuchen Sie, Ihren Arbeitstag so zu gestalten, dass Sie ihn mit positiven Gefühlen beginnen und beenden. Minimieren Sie Unterbrechungen bei einer Tätigkeit, indem Sie beispielsweise nur zu bestimmten Zeiten in Ihre E-Mails schauen, und sprechen Sie Kollegen, die Sie besonders oft bei Ihrer Arbeit stören, darauf an. Führen Sie von Zeit zu Zeit erneut Buch über einen Arbeitstag und prüfen Sie, ob Sie schon etwas verändern konnten – und wie sich diese Veränderung anfühlt. Durch regelmäßige Pausen und Auszeiten werden Sie stressresistenter und können besser mit unvorhergesehenen Krisen umgehen. Wenn Sie ausgeruht und leistungsbereit sind, erschüttern Schwierigkeiten und Rückschläge Sie weniger stark, als wenn Sie ohnehin bereits auf Reservebatterie laufen. Die Erholungsphase nach einer Niederlage wird vermutlich kürzer sein, wenn Sie auf ausreichende Energie zurückgreifen können. Regelmäßige Pausen und Auszeiten stärken somit Ihre Resilienz.

Die Kunst des Delegierens Netzwerkpflege ist ein wichtiger Resilienzfaktor. Wer über ein gutes und tragfähiges soziales Netz verfügt, kann sich bei Schwierigkeiten und Krisen Unterstützung holen, kann Probleme mit der Hilfe anderer Menschen schneller lösen und findet ein offenes Ohr, wenn er das Bedürfnis hat, über seine Sorgen zu sprechen. Zur Netzwerkpflege gehört auch, anderen Menschen Verantwortung zu übertragen, ihnen zu vertrauen und sie in ihren Kompetenzbereichen wertzuschätzen. Besonders gut sichtbar ist diese Form der Netzwerkpflege, wenn Sie etwas delegieren. Sie signalisieren Ihrem Gegenüber, dass Sie ihm zutrauen, die übertragene Aufgabe zu bewältigen. Gerade im Berufsleben ist das Delegieren wichtig – einerseits für die Pflege Ihres beruflichen Netzwerks, andererseits aber auch für Ihr persönliches Wohlbefinden. Wenn Sie Aufgaben an Mitarbeiter oder Kollegen delegieren und ihnen gleichzeitig deutlich machen können, dass Sie dies nicht aus Bequemlichkeit tun oder weil Sie sich die Rosinen herauspicken möchten, beherrschen Sie die höhere Kunst des Delegierens. Der US-amerikanische General Ike Eisenhower, der von 1953 bis 1961 Präsident der Vereinigten Staaten war, hat ein Prinzip etabliert, um im Krieg wichtige und dringliche Aufgaben von unwichtigen zu unterscheiden. Dieses Prinzip wird heute auch im Management angewandt (siehe Abbildung 7.1): Sie können es nutzen, um zu entscheiden, in welcher Reihenfolge Sie Aufgaben abarbeiten, welche Aufgaben Sie delegieren und welche Sie ignorieren können. Lassen Sie sich nicht dazu verführen, alle Aufgaben in der Reihenfolge des Eingangs zu bearbeiten, sondern setzen Sie Prioritäten: Alles, was wichtig und dringlich ist (im Diagramm: das rechte obere Viertel), sollten Sie umgehend allein oder im Team erledigen. Dringliche, aber weniger wichtige Aufgaben (rechtes unteres Viertel des Diagramms) kann jemand anderes für Sie übernehmen. Für wichtige Arbeiten, die nicht so eilig sind (linkes oberes Viertel), sollten Sie sich einen ruhigen Moment aussuchen, um sich konzentriert und mit Muße damit zu beschäftigen. Sie

können jedoch alle Aufgaben liegen lassen, die weder wichtig noch dringlich sind (linkes unteres Viertel in Abbildung 7.1), denn danach wird Sie vermutlich kein Mensch mehr fragen und Sie sparen viel Zeit und Energie, wenn Sie künftig solche unwichtigen und aufschiebbaren Aufgaben einfach in den Papierkorb werfen.

Abbildung 7.1: Das Eisenhower-Prinzip der Delegation

Seien Sie aufrichtig und authentisch, wenn Sie delegieren, und beziehen Sie Ihre Kollegen oder Mitarbeiter in die Verteilung von Aufgaben ein. Die sogenannte Schwarmintelligenz ist oft höher als die Intelligenz des Einzelnen – im Team lassen sich zumeist schneller und kreativer Lösungen für Probleme und Herausforderungen finden als allein. Vielleicht meldet sich jemand freiwillig für eine Aufgabe, an den Sie selbst gar nicht gedacht hatten. Oder es findet sich eine Gruppe von Kollegen, die bereit ist, eine dringende, aber unangenehme Arbeit zu erledigen, damit sie möglichst rasch vom Tisch ist. Resilienz ist nicht nur für Sie wichtig, sondern auch für Ihr Team. Resiliente Teams zeichnen sich durch die gleichen Faktoren aus wie resiliente Individuen: Sie sind optimistisch, akzeptierend, handlungsbereit, verantwortungsbewusst, lösungsorientiert, gut vernetzt und zukunftsgewandt.

Resilienz ist nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern auch für Gruppen oder Unternehmen wichtig, denn auch Firmen oder Gesellschaften können an Krisen, Katastrophen oder unerwarteten Herausforderungen scheitern und zugrunde gehen: Nach Einführung der Quarzuhr in den 1970er-Jahren stürzte die Schweizer Uhrenindustrie ins Bodenlose – der Markt wurde überschwemmt von billigen asiatischen Produkten. Erst als findige Schweizer Unternehmer eine Plastikuhr mit witzigem Design entwarfen und damit einen neuen europäischen Trend setzten, schaffte die Branche es, das Ruder herumzureißen und zu überleben. Die SwatchGroup ist heute der weltweit größte Uhrenkonzern.

Umgang mit Schwächen und Verletzbarkeit In Ihrer Selbstanalyse haben Sie Ihre Stärken kennengelernt und diese im Resilienztraining vielleicht schon ausgebaut. Sie haben aber auch festgestellt, dass Sie Schwächen haben – das ist unvermeidbar. Niemand ist immer nur stark, fehlerfrei und krisenfest. Einige Ihrer Schwächen können Sie möglicherweise in ihrer Bedeutung vermindern oder sogar zu Stärken umformen. Aber Sie werden feststellen, dass es negative Eigenschaften oder Reaktionsweisen bei Ihnen gibt, an denen Sie wenig ändern können. Wenn diese Schwächen Sie sehr beeinträchtigen und Ihnen das Leben insbesondere im Beruf schwer machen, könnte es hilfreich sein, ein Coaching in Anspruch zu nehmen. Der Begriff Coach ist in Deutschland nicht geschützt – jeder Berater kann und darf sich so nennen. Wenn Sie einen Coach suchen, sollten Sie hinterfragen, welche Ausbildung und welche berufliche Felderfahrung der jeweilige Berater hat. Zumeist läuft die Empfehlung über Mund-zu-Mund-Propaganda, Sie können mit Ihrem Wunsch-Coach aber auch eine kostenlose Probesitzung vereinbaren. Dabei hören Sie am besten auf Ihre innere Stimme, denn die Chemie zwischen Ihnen und dem Coach muss stimmen und Sie sollten das Gefühl haben, dass Sie mit diesem Menschen über eine längere Zeit eng zusammenarbeiten und viel von sich selbst preisgeben können. Kleinere Schwächen können und sollten Sie hingegen selbstbewusst akzeptieren und offen dazu stehen. Sie nehmen Kritikern den Wind aus den Segeln, wenn Sie sich zu Ihren Schwächen bekennen und deutlich machen, dass Sie gelernt haben, damit umzugehen. Wenn Sie wissen, dass es Ihnen schwerfällt, pünktlich zu sein, können Sie um Gleitzeit bitten. Bieten Sie im Gegenzug freiwillige Überstunden an oder halten Sie im Büro die Stellung, während die Kollegen Mittagspause machen. Denken Sie lösungsorientiert und verantwortungsbewusst, was Ihre Schwächen angeht: Wie schaffen Sie es, sich von Ihren Schwachpunkten nicht hemmen zu lassen? Überfordern Sie sich nicht, sondern akzeptieren Sie Ihre Grenzen und bitten Sie andere um Unterstützung.

Je besser Sie Ihre Schwächen kennen und je offener Sie damit umgehen, desto weniger verletzbar sind Sie. Oft sind andere nur deshalb in der Lage, Ihnen wehzutun oder Sie zu beschämen, weil sie Ihre Schwächen erkennen und ausnutzen. Böswillige Vorgesetzte oder Kollegen werden sogar intensiv nach Ihren Schwachstellen suchen, um Macht über Sie zu gewinnen. Grenzen Sie sich deutlich dagegen ab und lernen Sie, für Ihre Bedürfnisse einzustehen.

Abgrenzen und lernen, Nein zu sagen Viele schwierige Situationen oder Krisen im Berufsalltag hängen möglicherweise damit zusammen, dass Sie etwas tun, was Sie eigentlich gar nicht machen wollten. Vielleicht haben Sie eine Aufgabe übernommen, die sonst keiner übernehmen will, oder Sie haben sich für einen Job gemeldet, für den Sie gar keine Zeit haben. Möglicherweise haben Sie auch nur niemanden enttäuschen wollen oder Sie haben befürchtet, dass Sie schlecht dastehen, wenn Sie nicht das tun, was Ihnen angetragen wurde. Wenn Sie abends im Bett liegen, schätzen Sie einmal, wie oft Sie an dem vergangenen Tag »Nein« gesagt haben und wie oft Sie »Nein« sagen wollten, dann aber doch ein »Vielleicht« oder »Ja« aus Ihrem Mund herauskam. Nehmen Sie sich für den folgenden Tag vor, einmal mehr »Nein« zu sagen! Es gibt einen einfachen Trick, mit dem man sich vor der Übernahme unliebsamer Aufgaben schützen kann: Wenn die Frage kommt »Wer macht’s?«, sollten Sie entspannt aus dem Fenster schauen, sich auf Ihre Hände setzen (damit Sie nicht voreilig aufzeigen!) und den Mund halten. Irgendjemand anderes wird die angespannte Stille nach der Frage nicht aushalten und sich melden – aber das sind dann nicht Sie. Wenn sich wider Erwarten doch niemand meldet und aller Augen sich auf Sie richten, lächeln Sie freundlich in die Runde und sagen weiterhin nichts. Falls Sie dann doch jemand direkt anspricht, hatten Sie schon mindestens 60 Sekunden Zeit, um sich genau zu überlegen, ob Sie den Job machen möchten oder nicht. Sie möchten ihn nicht machen? Dann sagen Sie das klar und deutlich – und zwar ohne sich zu rechtfertigen. Nein sagen ist für viele Menschen nicht leicht, aber man kann es üben. Fangen Sie am besten schon morgen damit an. Suchen Sie immer wieder aufs Neue Ihre individuelle Balance zwischen Abgrenzung und Harmoniebedarf. Dies gelingt am besten, wenn Sie ehrlich mit Ihren eigenen Bedürfnissen umgehen und Kollisionen zwischen den verschiedenen Bedürfnissen akzeptieren: Wenn Sie von Ihren Kollegen gemocht werden möchten, gehört es vermutlich dazu, gelegentlich etwas zu tun, wozu Sie eigentlich keine Lust haben. Wenn Sie Ihrer Familie ausreichend Zeit widmen möchten, können Sie nicht jeden Tag ein Feierabendbier mit den Kollegen trinken. Finden Sie Kompromisse, die für Sie selbst stimmig sind. Seien Sie dabei nicht allzu streng mit sich und bleiben Sie flexibel.

Die Fähigkeit zur Abgrenzung unterstützt Ihre Resilienz, denn wenn Sie Krisen oder Rückschläge nicht so nah an sich herankommen lassen, können diese Sie nicht dauerhaft aus der Spur werfen. Üben Sie im Berufsalltag, sich besser abzugrenzen: Nutzen Sie die Möglichkeiten Ihres Arbeitsplatzes, um Ihre Privatsphäre zu schützen. Schließen Sie Ihre Bürotür, führen Sie keine privaten Telefonate, erzählen Sie nicht allzu viel Persönliches über sich. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps: Treffen Sie sich nur dann nach Dienstschluss mit Kollegen, wenn Ihnen wirklich danach ist. Wenn Sie sich verletzt oder schlecht behandelt fühlen, sprechen Sie dies sachlich und offen an, ohne sofort Vorwürfe zu erheben oder emotional zu werden. Denken Sie daran, dass Ihre Arbeit nicht Ihr ganzes Leben ist. Machen Sie nur dann Überstunden, wenn es gar nicht anders geht. Nehmen Sie möglichst keine Arbeit und keine Konfliktthemen mit nach Hause. Lesen Sie nach Dienstschluss, am Wochenende und im Urlaub keine dienstlichen EMails. Wenn Sie freihaben, haben Sie frei. Sie müssen nicht ständig erreichbar sein. Wenn jemand es ganz offensichtlich darauf anlegt, Ihre Schwächen auszunutzen, sprechen Sie den Betreffenden an oder holen Sie sich Unterstützung. Oft ist Mobbing nur deshalb wirksam, weil viele Mobbing-Opfer Kränkungen und Ungerechtigkeiten viel zu lange hinnehmen – nicht selten um den Preis der eigenen Gesundheit. Wenn Sie Anzeichen für Mobbing wahrnehmen, gehen Sie umgehend auf den Betriebs- oder Personalrat, Ihre Vorgesetzten oder Vertrauenspersonen zu und konkretisieren Sie Ihren Verdacht. Notieren Sie sich, wer Sie wann gemobbt hat, und scheuen Sie sich nicht, Namen zu benennen. Anzeichen für Mobbing sind beispielsweise: überzogene, öffentliche Kritik bis hin zur Demütigung, falsche Anschuldigungen, zu wenig oder falsche Informationsweitergabe, sinnlose Arbeitsanweisungen, Entzug von Verantwortung oder Aufgabenbereichen, sozialer Ausschluss, Verleumdung, Gewalt, sexuelle Belästigung. Bekommen Sie betriebsintern keine Unterstützung, so suchen Sie sich einen Anwalt oder nehmen Sie die Hilfe der Gewerkschaft oder einer Beratungsstelle in Anspruch. Übernehmen Sie Verantwortung für sich und lassen Sie es nicht so weit kommen, dass Sie

eine Depression oder einen Burn-out entwickeln.

Immer wieder aufstehen Resiliente Menschen können sich von Krisen und Katastrophen gut erholen und vielleicht sogar gestärkt daraus hervorgehen. Gehen Sie noch einmal zurück zu Ihrer Selbstanalyse und prüfen Sie, wie es bislang in Ihrem Berufsleben nach Rückschlägen, Misserfolgen oder Krisen weitergegangen ist: Was hat sich danach verändert, was ist gleichgeblieben? Was haben Sie aus Schwierigkeiten gelernt? Wer oder was hat Ihnen geholfen, anschließend wieder in die Gänge zu kommen? Was haben Sie über sich gelernt? Wie hat sich Ihr Krisenmanagement im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte verändert? Was würden Sie heute anders machen? Sie werden vermutlich feststellen, dass Sie mitten in einer Krise manchmal nicht mehr daran geglaubt haben, dass sich alles zum Guten wenden würde. Und vielleicht hat die eine oder andere schwierige Situation Ihr Leben tatsächlich grundsätzlich verändert. Aus manchen Katastrophen lässt sich auch im Nachhinein nichts Sinnvolles oder Wertvolles lernen, manche Einschnitte sind extrem schmerzhaft und manche Misserfolge oder Rückschläge sind völlig unnötig. Dennoch: Das Leben geht immer weiter. Schauen Sie mit einer akzeptierenden Haltung zurück und mit einem optimistischen Blick nach vorn, um für Krisen gewappnet zu sein und nach Katastrophen wieder aufstehen zu können. Ihr Resilienztraining kann dazu beitragen, dass Sie auch die schwierigsten beruflichen Situationen gut meistern und sich davon nicht aus der Bahn werfen lassen.

Kapitel 8

Konflikte und Krisen im Beruf aktiv bewältigen IN DIESEM KAPITEL Kommunikation im Berufsleben analysieren und nutzen Mit Kollegen über Probleme und Konflikte sprechen Als Führungskraft Verantwortung für die Resilienz der Mitarbeiter übernehmen Konfliktmanagement auf den verschiedenen beruflichen Ebenen beherrschen

Resilienz lässt sich einerseits beim einzelnen Menschen und andererseits bei Gruppen oder Gesellschaften beobachten. Daher betrachte ich in diesem Kapitel sowohl die Resilienz des Individuums als auch die Resilienz von Teams und Unternehmen. Für Ihr Berufsleben sind beide Aspekte wesentlich, denn Sie werden im Laufe Ihres beruflichen Werdegangs vermutlich mit individuellen, aber auch mit allgemeinen Schwierigkeiten, Konflikten, Krisen und Katastrophen konfrontiert. Diese hängen oft miteinander zusammen: Wenn es Ihrem Unternehmen nicht gut geht, kann sich dies für Sie zu einer Katastrophe entwickeln. Und wenn Sie mit einer privaten Krise zu kämpfen haben, bleiben Ihr Beruf und damit auch Ihr berufliches Umfeld zumeist nicht gänzlich davon unberührt. Im Folgenden finden Sie Anregungen für die Förderung der Resilienz bei einzelnen Menschen wie auch bei Gruppen. Dabei ist mir wichtig, dass immer auch die Zusammenhänge zwischen dem Einzelnen und seinem Umfeld berücksichtigt werden – denn jeder Mensch ist Teil von Systemen, also von einer Gruppe von Gleichgesinnten, Verwandten, Freunden oder Kollegen. In solchen Systemen stehen alle Beteiligten in Wechselwirkung: Verändert sich ein Rädchen im System, so kommt die ganze Gruppe in Bewegung. Details zu diesem systemischen Denkansatz finden Sie im Folgenden.

Resilienz und Kommunikation Die Resilienzforschung betont immer wieder, wie wichtig das Sprechen über Katastrophen und Krisen für deren Verarbeitung ist. Eine schlimme Situation verliert an Bedrohlichkeit und wird besser handhabbar, wenn sie beschreibbar ist. Im Austausch über die Probleme erleben sich die Betroffenen als Gemeinschaft. Sie können gemeinsam trauern, gemeinsam wütend sein, aber auch gemeinsame Bewältigungsstrategien erarbeiten.

Gut untersucht ist beispielsweise die Dorfgemeinschaft von Galtür, einem Bergort in Österreich, der im Februar 1999 von einem schrecklichen Lawinenunglück heimgesucht wurde, bei dem 31 Menschen starben. Der Wiener Professor Bernd Rieken, Leiter eines universitären Instituts für Individualpsychologie, hat zahlreiche Interviews mit den Betroffenen geführt und herausgearbeitet, was der Dorfgemeinschaft half, zur Normalität zurückzukehren. Rieken betont: »Das ausführliche Sprechen über die Lawine hat zur Folge gehabt, dass die Dorfgemeinschaft gestärkt worden ist, dass man nun bewusster lebt als zuvor oder dass man überhaupt gelernt hat, mehr über persönliche Probleme zu reden.« Wer über seine Probleme sprechen kann, ist im Hinblick auf die sieben Säulen der Resilienz (siehe Kapitel 1) klar im Vorteil: Er bezieht sein Netzwerk ein, übernimmt Verantwortung und bahnt sich selbst den Weg zur Akzeptanz, Zukunftsorientierung, Problemlösung und Handlungsorientierung. Dann ist es auch bis zum Optimismus kein ganz so großer Schritt mehr. Prüfen Sie, welchen Handlungsbedarf Sie im Hinblick auf die Kommunikation im Berufsleben haben: Wie halten Sie es im Berufsleben grundsätzlich mit der Kommunikation – mit wem sprechen Sie worüber? Haben Sie Ansprechpartner, um knifflige Fragen, schwierige Herausforderungen und bedrohliche Situationen zu diskutieren? Gibt es in Ihrem beruflichen Umfeld eine Kultur der lösungsorientierten Kommunikation? Können Sie mit Kollegen, Vorgesetzten oder Mitarbeitern über Sorgen und Ängste sprechen? Dürfen Sie sich im Job Schwächen leisten und darüber reden? Mit wem reden Sie, wenn Ihnen für eine berufliche Herausforderung keine eigene Lösung einfällt? Wenn Ihnen bei der Reflexion dieser und ähnlicher Fragen auffällt, dass Sie in Ihrem beruflichen Umfeld immer ein Held sein und die Lösung für Ihre Probleme stets allein finden müssen, dann könnte es an der Zeit sein, sich für eine resilienzfördernde Kommunikation einzusetzen. Abhängig davon, welche berufliche Position Sie innehaben, können Sie die Kommunikationskultur in Ihrem Umfeld mehr oder weniger direkt verändern – Ihren eigenen Kommunikationsstil sowie Ihre Haltung zur innerbetrieblichen Kommunikation können Sie in jedem Falle beeinflussen. Ich gebe Ihnen in diesem Kapitel daher Hinweise und Tipps für Ihren direkten Einflussbereich und für die

Kommunikationsförderung im Unternehmen.

Über Schwierigkeiten sprechen lernen Gespräche im beruflichen Umfeld drehen sich zumeist um immer wiederkehrende Themen, beispielsweise: Ärger mit Kollegen und Vorgesetzten, Klatsch und Tratsch, Unzulänglichkeiten der Technik/der Zulieferer/der Nachbarabteilung, Frust im Umgang mit Kunden/Patienten/Schülern/Klienten, aktuelle Projekte, Entwicklungen, Veränderungen, vergangene Highlights und die »guten alten Zeiten«, Small Talk. In den seltensten Fällen gehen die Diskussionen in die Tiefe oder berühren Themen, die mit Ängsten, Zweifeln, Unsicherheit oder Bedrohung zu tun haben. Die meisten Berufstätigen versuchen, sich im Job keine Blöße zu geben, stark zu wirken und ihre Probleme mit sich selbst oder mit Vertrauten außerhalb der Arbeitsstelle auszumachen. In einer Kultur der Erfolgsorientierung ist dies nur allzu gut verständlich – wer Schwächen zeigt, wird oft ins Abseits gestellt oder nicht ernst genommen. Auf Dauer kann diese Form der beruflichen Kommunikation jedoch dazu führen, dass Sie sich und Ihr privates Umfeld überfordern. Außerdem begrenzen Sie Ihre Informations- und Diskussionsquellen unnötig, denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beschäftigen Ihre Kollegen sich mit ganz ähnlichen Sorgen und Problemen wie Sie. Die meisten Probleme sind nicht neu – irgendjemand hat sich mit größter Wahrscheinlichkeit bereits irgendwann mit Ihrem aktuellen Problem beschäftigt. Nutzen Sie Ihr Netzwerk, damit Sie das Rad nicht neu erfinden müssen. Recherchieren Sie im Internet oder wenden Sie sich an Fachleute außerhalb Ihres direkten beruflichen Umfelds. Machen Sie den ersten Schritt: Sprechen Sie ein Thema, das Sie schon länger beschäftigt und bei dem Sie nicht weiterkommen, im Kollegenkreis an. Seien Sie dabei ganz offen und geben Sie zu, dass Ihnen keine Lösung einfällt. Bitten Sie Ihre Kollegen um Rat. Beobachten Sie dann aufmerksam, wie sich die Diskussion entwickelt: Wer geht konstruktiv mit Ihrer Frage um? Wer präsentiert Ihnen Lösungsvorschläge? Wer fragt nach und denkt sich intensiv in Ihre Frage ein?

Wer versucht, Sie abzuwerten oder Sie als inkompetent oder schwach darzustellen? Wer lässt Sie im Regen stehen? So können Sie Kollegen identifizieren, mit denen eine hilfreiche Diskussion möglich ist – pflegen Sie den Kontakt zu diesen Menschen und arbeiten Sie gemeinsam an einer Diskussionskultur des gegenseitigen Vertrauens und Verstehens. Wenn Sie eine Führungsposition innehaben, können Sie in Ihrem Weisungsbereich eine konstruktive Kommunikationskultur etablieren, indem Sie mit gutem Beispiel vorangehen: Machen Sie deutlich, dass niemand alles wissen kann und muss. Erläutern Sie, dass es die Resilienz – also die Stressfestigkeit und Widerstandsfähigkeit – Ihres Teams fördert, wenn Lösungsorientierung, Handlungsbereitschaft und Netzwerkpflege in den Vordergrund rücken. Bitten Sie Ihr Team um Input zu Fragen, bei denen Sie keine Lösung parat haben. Fördern Sie den offenen Austausch und achten Sie darauf, dass Ihre Teammitglieder sich nicht gegenseitig abwerten. Konkurrenz belebt das Geschäft, auch in einem Team – bei sachlichen Diskussionen ist es jedoch hilfreich, wenn weniger Konkurrenz und mehr Kooperation im Spiel sind.

Resilienzförderung darf nicht dazu missbraucht werden, Arbeitnehmer bis auf den letzten Energietropfen ausquetschen zu können. Wehren Sie sich sowohl als Vorgesetzter als auch als Angestellter dagegen, wenn Sie merken, dass es ausschließlich darum geht, die Produktivität zu steigern und die Kosten zu senken. Der menschliche Faktor muss im Berufsleben nach wie vor Bedeutung haben. Vermutlich werden Sie die Erfahrung machen, dass viele Ihrer Kollegen oder Mitarbeiter erleichtert sind, wenn sie mit Ihnen über berufliche Probleme, Herausforderungen oder Sorgen sprechen können, ohne befürchten zu müssen, dass ihnen daraus Nachteile entstehen. Gleichzeitig sorgen Sie dafür, dass Sie künftig weniger berufliche Themen mit nach Hause nehmen. Eine vertrauensvolle Diskussionskultur zu etablieren kostet Kraft und Zeit, aber diese Investition lohnt sich – sowohl für den Einzelnen als auch für das Team oder gar das ganze Unternehmen.

Von der Problemtrance zur Lösungstrance Sicher kennen Sie das Phänomen der Aufmerksamkeitsfokussierung: Wenn Sie sich für eine bestimmte Automarke interessieren, sehen Sie auf einmal viel häufiger Autos dieser Marke auf der Straße. Wenn Sie oder Ihre Partnerin schwanger sind, nehmen Sie vermehrt

schwangere Frauen im Stadtbild wahr. Wollen Sie im Urlaub nach Australien, fällt Ihnen plötzlich auf, wie häufig Kängurus auf Werbeplakaten abgebildet sind – und so weiter. Diese Aufmerksamkeitseinengung führt zu einer intensiven Beschäftigung mit dem (bewusst oder unbewusst) gewählten Thema. Ähnlich geschieht dies auch bei der Auseinandersetzung mit Problemen: Je intensiver Sie über das Problem nachdenken, desto facettenreicher wird es. Sie können es gedanklich ausschmücken, dramatisieren, vergrößern und allgegenwärtig machen. So geraten Sie recht zuverlässig in eine sogenannte Problemtrance und Sie sehen nur noch das Problem vor sich. Hilft Ihnen das weiter? Vermutlich auf Dauer nicht. Uwe Friesen ist Lehrer für Deutsch und Sport. Er ärgert sich oft über seine Kollegen, die Arbeitsgemeinschaften, Projektgruppen oder Chorproben auf den Nachmittag legen, wenn die Schüler eigentlich Sport haben. Bei ihm hat sich zwischenzeitlich die fixe Idee entwickelt, dass seine Kollegen den Sportunterricht für ein lästiges Übel halten – genauso wie manche Schüler. Je mehr er darüber nachdenkt, desto wütender und frustrierter wird er. Seine Sportkollegin Alexandra Jung ärgert sich zwar auch, hat aber einen Lösungsvorschlag: ein Sport-und-SpieleFest für die ganze Schule mit einer Spendensammlung für einen guten Zweck. Je länger die beiden Sportlehrer darüber diskutieren, desto mehr gute Einfälle für dieses Fest haben sie. Nachdem sie auch den Schulleiter, die Elternvertretung und die Schülermitverwaltung begeistert haben, wird eine Gruppe gegründet, die ein buntes Fest organisiert. Uwe Friesen nimmt sich vor, künftig nicht mehr so viel Energie in Probleme zu investieren, sondern lösungsorientiert zu denken. Versuchen Sie aktiv, sich in eine Lösungstrance zu begeben: Denken Sie darüber nach, wie es sein wird, wenn Sie das Problem gelöst haben. So versetzen Sie sich in eine positive Stimmung und sehen ein klares Ziel für Ihre Bemühungen. Fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit anschließend darauf, einen Lösungsweg zu finden. Lassen Sie ruhig auch ganz verrückte oder ungewöhnliche Lösungen zu und schränken Sie sich gedanklich nicht ein. Nutzen Sie das Phänomen der Lösungstrance auch in der Kommunikation mit Ihren Kollegen, indem Sie nicht danach fragen, wie diese über das Problem denken, sondern indem Sie fragen, welche Lösungsmöglichkeiten sie sehen. In einer Lösungsdiskussion sind die Regeln des Brainstormings hilfreich: Jeder darf seine Gedanken und Ideen frei äußern. Je kreativer, desto besser. Kritik, Wertung oder Beurteilung sind untersagt. Die Zeit für das Brainstorming ist begrenzt und sollte eine halbe Stunde nicht übersteigen.

Je mehr Lösungsideen genannt werden, desto besser. Das regt die Fantasie der Beteiligten an und fördert die Lösungstrance. Erst wenn kein neuer Ansatz mehr auftaucht, können die Ideen sortiert und bewertet werden. Sie werden sich möglicherweise wundern, wie kreativ Ihre Kollegen plötzlich sind und wie viel Spaß die gemeinsame Lösungssuche macht. Vermutlich werden neue Energien freigesetzt und das Wir-Gefühl innerhalb des Teams wächst. Die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf Lösungen statt auf Probleme ermöglicht eine höhere Handlungsfähigkeit, denn Probleme können lähmen, während Lösungen aktivieren.

Das große Ganze sehen Hilfreich für Lösungsdiskussionen im beruflichen Umfeld ist es auch, sich nicht im Detail zu verlieren, sondern den Überblick zu behalten: In welchem Zusammenhang steht eine bestimmte Herausforderung? Welche Rahmenbedingungen müssen für eine mögliche Lösung beachtet werden? Wer ist an der Umsetzung des Lösungsvorschlags beteiligt? Welche Auswirkungen hat eine Lösung? In welchen Bereichen wird die Lösung zu Veränderungen führen? Könnte die Lösung neue Probleme hervorrufen? Diese und ähnliche Fragen können dazu beitragen, ein Problem zu relativieren, eine Lösung auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen und die Bedeutung von Problem und Lösung in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Gerade bei Krisen oder Katastrophen im beruflichen Umfeld ist das äußerst wichtig. Es hilft dabei, sich auf die dringlichsten Themen zu beschränken und keine Energie durch die Beschäftigung mit unwesentlichen Fragen zu vergeuden. In der Praxis der Orthopädin Dr. Ruth Michel arbeitet ein professionelles Team: Physiotherapeuten, Radiologieassistentinnen, medizinische Fachangestellte und Bürokräfte betreuen, behandeln und begleiten die Patienten und sorgen für reibungslose Abläufe. Es gibt jedoch immer mal wieder Konflikte, wenn das Terminmanagement nicht funktioniert oder die Patientendokumentation nicht vollständig ist. Die Ärztin hat sich angewöhnt, bei Pannen oder Reibungsverlusten immer zwei oder drei ihrer Angestellten nach deren Vermutung über den Grund der Probleme zu fragen und sie um Lösungsvorschläge zu bitten. So sorgt sie für mehr Transparenz und unterschiedliche Blickwinkel.

Das Akronym AHMAZ bringt es auf den Punkt: »Alles hängt mit allem zusammen«. Durch die Beschäftigung mit dem großen Ganzen erkennen Sie Zusammenhänge, die beachtet werden müssen, um nachhaltige Lösungen zu finden. Sonst riskieren Sie, dass eine Lösung, die in Ihrem Arbeitsfeld sinnvoll erscheint, in einem benachbarten Bereich möglicherweise zu neuen Problemen führt. Je mehr und je besser Sie im beruflichen Zusammenhang kommunizieren, desto größer wird Ihr Überblick. Ihr Interesse an Fragen, mit denen sich Ihre Kollegen beschäftigen, wird rasch Früchte tragen: Plötzlich fangen die anderen auch an, sich für Ihre Themen zu interessieren. So wächst und festigt sich ein Netzwerk im Betrieb, das die Resilienz des Unternehmens stärken kann, denn um flexibel auf Schwierigkeiten oder Krisen reagieren zu können, sollte die Kreativität aller Beteiligten zeitnah abrufbar sein. Die Resilienz eines Teams oder Unternehmens zeigt sich insbesondere bei unerwarteten Situationen. Viele Systeme sind gut gerüstet für Szenarien, die häufig auftreten – doch wenn sich eine überraschende Veränderung einstellt, macht sich oft zunächst Ratlosigkeit breit. Dieses Phänomen nennt die Resilienzforschung »robust yet fragile (RYF)«, auf Deutsch etwa: robust, aber zerbrechlich. Wenn innerhalb eines Systems jedoch Kommunikationskanäle bestehen, die die unterschiedlichen Bereiche des Systems miteinander verbinden und ohne große Umwege genutzt werden können, erhöht sich die Chance, dass auch unerwartete Krisen nicht zu bedrohlichen Katastrophen werden. Jeder Einzelne kann dazu beitragen, solche Kommunikationskanäle zu etablieren und zu pflegen, indem er oder sie über seinen eigenen Tellerrand hinausdenkt und kommuniziert. Überlegen Sie, was Sie tun können, um mehr über Ihr Unternehmen zu erfahren und sich besser zu vernetzen: Erstellen Sie eine Liste von Menschen, die in Ihrem Unternehmen an wichtigen Schaltstellen sitzen. Prüfen Sie, ob Sie zu diesen Personen direkten Kontakt haben. Falls nicht: Kennen Sie Menschen in deren Umfeld, über die Sie einen Kontakt herstellen könnten? Nutzen Sie förmliche und informelle Anlässe, um Kontakte zu knüpfen oder auszubauen. Geeignet sind dafür beispielsweise bereichsübergreifende Meetings, Projekte oder Feste. Netzwerkpflege besteht aus Geben und Nehmen. Teilen Sie Ihr Wissen und Ihre Erfahrung mit den Kollegen, um auch an deren Wissen und Erfahrung teilhaben zu können. Information gibt es zumeist nicht umsonst, sondern sie wird getauscht. Beteiligen Sie sich aktiv an dieser Informationstauschbörse. Diese Form der Vernetzung ist außerdem hilfreich, um Ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern. Je besser Sie sich im Unternehmen auskennen und je bekannter Sie sind, desto eher werden Sie über offene Stellen oder spannende neue

Projekte informiert und können frühzeitig Ihr Interesse signalisieren.

Resilienz und Mitarbeiterführung Als Führungskraft tragen Sie Mitverantwortung für die Resilienz Ihres Unternehmens und für die Resilienz Ihrer Mitarbeiter. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und leben Sie die sieben Säulen der Resilienz vor: Optimismus: Strahlen Sie eine positive Grundeinstellung aus. Vermitteln Sie Ihren Mitarbeitern ein Gefühl der Sinnhaftigkeit ihres Tuns und gehen Sie positiv an Probleme heran. Betonen Sie, welche Herausforderungen Ihr Team in der Vergangenheit bereits gemeistert hat, und lassen Sie Ihre Mitarbeiter daraus Zuversicht schöpfen. Akzeptanz: Nehmen Sie Ihre Mitarbeiter so, wie sie sind. Konzentrieren Sie sich auf die Stärken jedes Einzelnen und geben Sie jedem die Möglichkeit, sich zu entfalten. Handlungsfähigkeit: Packen Sie mit an und bleiben Sie mit beiden Beinen auf dem Boden. Je genauer Sie über die Abläufe in Ihrem Team Bescheid wissen und je umfassender Sie informiert sind, desto weniger kann man Ihnen vormachen und desto besser können Sie bei Problemen einschreiten. Verantwortungsbereitschaft: Geben Sie Ihren Mitarbeitern Rückendeckung. Übernehmen Sie die Verantwortung für Fehler, die in Ihrem Bereich gemacht werden, und lassen Sie Ihre Mitarbeiter nicht ins Messer laufen. Treffen Sie klare Entscheidungen, erläutern Sie unpopuläre Maßnahmen und nehmen Sie die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter ernst. Lösungsorientierung: Halten Sie sich nicht allzu lange mit der Problemanalyse auf, sondern wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit zügig der Lösungssuche zu. Motivieren Sie Ihre Mitarbeiter dazu, kreativ zu sein und Lösungsvorschläge zu machen. Seien Sie offen für ungewöhnliche Ideen und neue Wege. Netzwerkpflege: Vernetzen Sie sich im gesamten Unternehmen und nutzen Sie Ihre Informationen, um Ihr Team voranzubringen. Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter dabei, sich ebenfalls zu vernetzen, und protegieren Sie sie, damit sie sich entfalten können. Zukunftsplanung: Denken Sie über den Tellerrand hinaus und stellen Sie Ihre Entscheidungen in einen nachvollziehbaren, zukunftsorientierten Zusammenhang. Erläutern Sie Ihren Mitarbeitern die Konsequenzen Ihrer Entscheidungen und geben Sie ihnen alle Informationen, die sie brauchen, um zukunftsfähig und nachhaltig zu arbeiten.

Feiern Sie die Erfolge Ihrer Mitarbeiter. Wer sich angestrengt und etwas erreicht hat

und dafür von seinem Vorgesetzten Lob und Anerkennung erhält, ist auch künftig immer wieder bereit, Höchstleistung zu erbringen.

Motivieren und das Wir-Gefühl fördern Motivieren Sie Ihre Mitarbeiter dazu, an einem Strang zu ziehen und sich gemeinsam für das Unternehmen einzusetzen. Um Menschen zu motivieren, muss man ihre Bedürfnisse kennen, denn Motivation entsteht nur dann, wenn Aussicht darauf besteht, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Für die Mitarbeitermotivation hilfreich ist es, die Bedürfnispyramide des US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow zu kennen (siehe Abbildung 8.1). Dabei werden Defizit- und Wachstumsbedürfnisse unterschieden: Defizitbedürfnisse beschreiben Notwendigkeiten, die der Mensch zum Überleben braucht. Wachstumsbedürfnisse hingegen sind zwar nicht lebensnotwendig, doch sie sind wichtig für die Entfaltung der Persönlichkeit. Die Basis der Bedürfnispyramide nach Maslow bilden die körperlichen Grund- oder Existenzbedürfnisse, etwa nach Nahrung und Wärme. Auf der zweiten Stufe finden sich die Sicherheitsbedürfnisse – Stabilität, Schutz, Geborgenheit. Die dritte Stufe als Übergangsbereich zwischen Defizit- und Wachstumsbedürfnissen sind die Sozialbedürfnisse: Liebe und Zugehörigkeit. Auf der vierten und fünften Stufe der Bedürfnispyramide stehen die Wachstumsbedürfnisse: Anerkennung und Wertschätzung auf der vierten Stufe, Selbstverwirklichung auf der fünften Stufe.

Abbildung 8.1: Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow

Finden Sie heraus, welche Bedürfnisse bei Ihren Mitarbeitern im Vordergrund stehen. Anfänger und junge Berufstätige haben zumeist erhebliche Defizitbedürfnisse: Sie möchten sich eine Existenz aufbauen und brauchen dafür Schutz und die nötigen finanziellen Mittel. Solche Mitarbeiter motivieren Sie am besten, indem Sie ihnen Sicherheit vermitteln. Ältere und erfahrene Mitarbeiter hingegen möchten anerkannt werden und sich weiterentwickeln. Sie brauchen demnach vor allem Raum zur Entfaltung und Wertschätzung für ihre Leistung und Erfahrung. Wenn Sie die Bedürfnislage Ihrer Mitarbeiter kennen und berücksichtigen, können Sie sie motivieren und bei der Stange halten. Darüber hinaus ist es wichtig, dass ihre Mitarbeiter sich als Teil eines Ganzen erleben können. Stärken Sie ihr Wir-Gefühl, indem Sie ihnen positive Teamerfahrungen ermöglichen: Etablieren Sie Anlässe, bei denen der Austausch im Team gefördert wird. Dazu gehören regelmäßige Besprechungen, gemeinsame Pausen oder Feiern. Ermuntern Sie Ihre Mitarbeiter, neue Ideen einzubringen. Nutzen Sie ein betriebliches Vorschlagswesen oder Ideenwettbewerbe.

Fördern Sie Projektgruppen, die von einem Teammitglied geleitet werden. Appellieren Sie an die Eigenverantwortung Ihrer Mitarbeiter und geben Sie ihnen Raum für selbstbestimmtes Arbeiten. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter frühzeitig über betriebliche Entwicklungen und Unternehmensziele. Binden Sie Ihre Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse mit ein und lassen Sie sie am Unternehmenserfolg teilhaben.

Manfred Görgen ist Vertriebsleiter eines Rohrwerks. In seinem Team arbeiten zwei erfahrene Ingenieure, drei Assistentinnen, ein junger Betriebswirt und zwei Auszubildende. Damit alle voneinander lernen können, hat Manfred Görgen jeweils einen seiner Mitarbeiter als Hauptansprechpartner für jeden großen Kunden benannt. Neben diesem Hauptansprechpartner gibt es zwei Vertreter, die wechselweise mit zu den Kundenbesuchen fahren, an Videokonferenzen teilnehmen und den Schriftverkehr gemeinsam bearbeiten. So wissen immer drei Kollegen, was bei jedem Kunden läuft, und können sich austauschen. Bei Urlaub oder Krankheitsfällen ist die Kontinuität gewährleistet und sowohl die Kunden als auch die Mitarbeiter sind sehr zufrieden.

Transparenz schafft Sicherheit Mitarbeiter, die wissen, warum und wofür sie etwas tun sollen, sind zumeist leistungsbereiter als solche, die über den Sinn von Entscheidungen im Unklaren gelassen werden. Als Führungskraft können Sie Ihre Mitarbeiter auch von unpopulären Maßnahmen überzeugen, wenn Sie diese in einen Gesamtzusammenhang stellen und begründen. Wenn Sie transparent und nachvollziehbar kommunizieren, werden Akzeptanz und Leistungsbereitschaft bei Ihren Mitarbeitern steigen. Mithilfe eines Führungsstils, bei dem Sie je nach Mitarbeiterqualifikation und -motivation mehr oder weniger viel dirigieren beziehungsweise delegieren, lassen Sie Ihren Mitarbeitern die nötige Freiheit und sichern gleichzeitig den Erfolg. Sie können Ihre Mitarbeiter in vier Hauptgruppen einteilen: Die Anfänger wollen und können nur wenig. Sie brauchen viel Anleitung und Motivation. Machen Sie klare Vorgaben, überprüfen Sie Teilergebnisse und geben Sie den Anfängern die Möglichkeit zu üben. Seien Sie tolerant, wenn Pannen passieren, und nutzen Sie Fehler als Lernchance. Die Motivierten wollen zwar viel, können aber noch nicht genug. Geben Sie ihnen Raum, eigene Erfahrungen zu machen, und überzeugen Sie sie durch sachliche Argumente und Vorbildfunktion. Die Profis wollen und können viel. Sie brauchen Gestaltungsfreiheit und eigene

Entscheidungsmöglichkeiten. Delegieren Sie Verantwortung und beziehen Sie die Könner in Entscheidungsprozesse ein. Kontrollieren Sie nur stichprobenartig. Die Resignierten können zwar viel, sind aber demotiviert. Finden Sie heraus, warum diese Mitarbeiter in die innere Emigration gegangen sind, und versuchen Sie ihnen neue Motivation zu geben. Nutzen Sie Maßnahmen und Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung, um die Resignierten vor einem Burn-out zu bewahren.

Vorgesetzte haben eine wichtige Vorbildfunktion. Weitere Einzelheiten und Tipps zur Mitarbeiterführung finden Sie in Erfolgreich führen für Dummies von Marshall Loeb und Stephen Kindel. Ideal ist es, wenn die Mitarbeiterführung in einem Unternehmen eine klare Linie hat und von einer transparenten Unternehmensphilosophie geleitet wird. Viele Betriebe haben zwar auf dem Papier ein Unternehmensleitbild, setzen dies aber nicht konsequent genug um. In der Folge macht jede Führungskraft das, was sie will – keine gute Voraussetzung für die Resilienz eines Betriebs. Wenn Sie in einem solchen Zusammenhang als Führungskraft arbeiten, bekommen Sie vermutlich wenig Unterstützung von oben. Suchen Sie sich stattdessen Verbündete auf Ihrer Führungsebene und nutzen Sie Coachings oder Trainings, um Ihre Führungsqualifikation weiter zu erhöhen. Sabrina Becker ist Personalchefin eines Telekommunikationsunternehmens. Sie initiiert die Entwicklung eines Leitbilds der Personalführung und bindet alle Führungsebenen ein. Das Leitbild wird in einem zweitägigen Workshop entwickelt, im Unternehmen vorgestellt und von einer Agentur in eine ansprechende Form gebracht. Es besteht aus sechs griffigen Grundsätzen, die überall im Unternehmen sichtbar gemacht werden: auf der Homepage, im Intranet, bei Strategiesitzungen, im Geschäftsbericht und in den Konferenzräumen. Jeder neue Mitarbeiter bekommt einen Leitbild-Würfel für seinen Schreibtisch und bei den Jahresgesprächen wird bewertet, ob die Grundsätze umgesetzt werden. Das Leitbild geht dadurch allen Mitarbeitern in Fleisch und Blut über und leitet die Führungskräfte tatsächlich bei ihrer täglichen Arbeit.

Konflikt- und Krisenmanagement Resilienz bedeutet, aus Krisen gestärkt hervorzugehen. Dies gilt sowohl für Einzelne als auch für Systeme wie Teams, Unternehmen oder ganze Gesellschaften. Die Resilienzforschung zeigt, dass Homogenität und Komplexität ein System anfälliger für Störungen machen, während Heterogenität und Vereinfachung die Resilienz, also die Widerstandskraft eines Systems fördern. Was bedeutet dies für die Resilienz im

beruflichen Zusammenhang? Je mehr Lösungsmöglichkeiten und Sichtweisen es gibt (Heterogenität) und je klarer und verständlicher die Ansagen sind (Komplexitätsreduktion, also Vereinfachung), desto resilienter ist ein Team oder ein ganzes Unternehmen. Diese Erkenntnis kann gewinnbringend genutzt werden: Hilfreich für die Bewältigung und Überwindung von Konflikten und Krisen sind … kurze Wege, flache Hierarchien und eine offene Kommunikation; intelligente und kreative Lösungen, die über die Routine hinausgehen; intensiver Austausch über die verschiedenen Hierarchieebenen hinweg; die Mobilisierung ruhender Energien, also die Einbindung von älteren Mitarbeitern oder Seniorexperten.

Da die Berufswelt immer komplexer wird, ist es eine Herausforderung, die Komplexität zu verringern. Doch nur durch Verringerung der Komplexität können Menschen im Beruf handlungsfähig werden. Führungskräfte müssen die betrieblichen Zusammenhänge genau kennen und verstehen, um Vereinfachungen vornehmen zu können. Je früher Gefahren erkannt werden, desto größer ist die Chance, adäquat zu reagieren. Daher ist ein Frühwarnsystem hilfreich. Es dient dazu, drohende Konflikte ans Licht zu holen, Krisenszenarien zu definieren und zu erkennen und Katastrophenpläne zu erarbeiten und umzusetzen. Ein solches Frühwarnsystem kann auf allen Ebenen etabliert werden: Ein aufmerksamer Umgang mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen trägt dazu bei, Irritationen frühzeitig benennen und ausräumen zu können. Für die Teamebene ist es hilfreich, regelmäßig über den Stand von Projekten zu sprechen, sich gegenseitig über die Arbeit zu informieren und mögliche Konfliktfelder oder Energie- und Zeitfresser zu thematisieren. Im Unternehmen sollten die Kommunikationswege regelmäßig überprüft, die Prozesse und Strukturen hinterfragt, die Konkurrenz beobachtet und die politischen, gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen berücksichtigt werden. Dies kann in jeder einzelnen Abteilung geschehen oder von einer Stabsstelle, die direkt der Unternehmensführung zugeordnet ist, geleistet werden. Viele Menschen neigen dazu, schwelende Konflikte zu ignorieren oder unter den Teppich zu kehren. Dies ist jedoch kontraproduktiv: Irgendwann kann ein Konflikt eskalieren und sogar einen Flächenbrand auslösen. Sinnvoller ist es, sich frühzeitig und sachlich mit einem drohenden Konflikt auseinanderzusetzen. Das spart Energie und beseitigt

Irritationen, bevor sie sich zu einem Konflikt auswachsen können. Vielleicht stellt sich auch heraus, dass nur ein Missverständnis vorlag, das geklärt werden kann, sodass erst gar kein Konflikt entsteht.

Missverständnisse erkennen und aufklären »Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse«, schrieb der französische Autor Antoine de Saint-Exupéry. Doch die Sprache kann auch dazu beitragen, Missverständnisse zu erkennen und aufzuklären. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft, über eigene und fremde Handlungen, Motive, Wünsche und Überzeugungen nachzudenken. Missverständnisse entstehen zumeist dadurch, dass man die verbalen und nonverbalen Äußerungen eines Gegenübers interpretiert und diese Interpretation für wahr hält. Dies ist oft jedoch ein Trugschluss: Die Welt des Gegenübers ist eine ganz andere als die eigene Welt. Daher ist es hilfreich, immer wieder nachzufragen, wie eine Äußerung gemeint ist und ob man sein Gegenüber richtig verstanden hat. Jede Botschaft hat nach Ansicht des Kommunikationswissenschaftlers Friedemann Schulz von Thun vier Seiten (siehe Abbildung 8.2). Bei der Kommunikation zwischen Sender und Empfänger einer verbalen oder nonverbalen Botschaft geht es gleichzeitig … um die Sache (Sachebene), um die Beziehung zwischen Sender und Empfänger (Beziehungsebene), um einen Appell an den Empfänger (Appellebene) und um die Selbstoffenbarung des Senders (Selbstoffenbarungsebene). Wenn Sender und Empfänger auf unterschiedlichen Seiten kommunizieren, können Missverständnisse entstehen. Im beruflichen Zusammenhang entstehen Missverständnisse insbesondere dadurch, dass Sach- und Beziehungsebene verwechselt werden.

Abbildung 8.2: Die vier Seiten einer Botschaft nach Friedemann Schulz von Thun

Christian Krug gerät immer wieder mit seiner Kollegin Tina Rausch aneinander. Sobald sie ihn auf einen Fehler hinweist oder auf eine Nachlässigkeit aufmerksam macht, fühlt er sich persönlich angegriffen und infrage gestellt. »Du kannst es ja auch nicht besser«, ist seine Standardantwort. Ihr kollegiales Verhältnis wird immer schlechter und beide reagieren zunehmend gereizt. Dabei sind sie aufeinander angewiesen, denn sie arbeiten gemeinsam an einem wichtigen Projekt. Ihrem Teamleiter wird es irgendwann zu bunt und er fordert sie auf, sich zusammenzunehmen. Beim Betriebsausflug ergreift Tina Rausch die Initiative und fragt Christian Krug, warum er so schroff reagiert, wenn sie ihn auf Versäumnisse anspricht. Christian Krug ist zunächst in der Defensive, spürt dann aber, dass seine Kollegin die Situation klären möchte, und gibt zu, dass Tina Rausch ihn an seine große Schwester erinnert. Die wusste immer alles besser als er und machte sich oft über ihn lustig. Als Christian und Tina klar wird, was in ihrer beruflichen Kommunikation auf der Beziehungsebene passiert war, müssen sie beide lachen – und können fortan viel entspannter miteinander umgehen. Um im Berufsleben besser mit Missverständnissen und Konflikten umgehen zu können, probieren Sie folgende Übungen aus: Mittelpunkt der Welt: Sobald Sie sich durch eine Äußerung oder einen Vorwurf persönlich angegriffen fühlen, atmen Sie tief ein und aus und denken sich: »Ich bin der Mittelpunkt meiner Welt, mein Gegenüber ist der Mittelpunkt seiner Welt«. Durch diesen Gedanken gewinnen Sie sofort Distanz zu dem vermeintlichen Angriff. Fragen Sie dann nach, wie die Äußerung oder der Vorwurf gemeint waren. Bleiben Sie auf der Sachebene. Wenn Ihr Gegenüber auf die Beziehungsebene wechselt, hinterfragen Sie

den Grund dafür. Vogelperspektive: Nehmen Sie in einer Konfliktsituation einen Moment die Vogelperspektive ein, schauen Sie also von oben auf die Situation. Was sehen Sie? Wie verhalten sich die beteiligten Personen (Sie eingeschlossen)? Worum geht es genau? Gehen Sie dann wieder zurück in die Situation und versuchen Sie, Ihre Erkenntnisse aus der Vogelperspektive zu erläutern und die Situation so zu klären. Perspektivwechsel: Versetzen Sie sich in einer Konfliktsituation in die Position Ihres Gegenübers. Was würden Sie an seiner Stelle meinen und wollen? Wie würden Sie sich an seiner Stelle fühlen? Dieser Perspektivwechsel kann Ihnen neue Erkenntnisse verschaffen und das Verständnis für Ihr Gegenüber erleichtern. Zauberwort: Wenn Sie sich in die Enge getrieben fühlen oder in einem Konflikt Zeit zum Nachdenken gewinnen möchten, nutzen Sie eine Formulierung, die Ihnen Raum verschafft, beispielsweise: »Dazu kann ich gerade nichts sagen, das möchte ich mir in Ruhe überlegen.« Wenn Sie es schaffen, Missverständnisse zeitnah zu klären und in der Konfliktkommunikation auf der Sachebene zu bleiben beziehungsweise die Beziehungsebene offen anzusprechen, fördern Sie Ihre seelische Widerstandskraft erheblich, denn dann sind Sie Konflikten nicht mehr hilflos ausgeliefert, sondern können Ihre eigenen Lösungswege finden und bleiben handlungsfähig. Die einfachste und wirkungsvollste Übung für mehr Gelassenheit und Stressresistenz im Berufsleben ist die tiefe Bauchatmung: Sobald Sie spüren, dass Sie angespannt oder aufgeregt sind, legen Sie sich eine Hand auf den Bauch und atmen Sie tief durch die Nase ganz bewusst in den Bauch ein. Spüren Sie, wie Ihre Hand sich dabei hebt. Warten Sie einen Moment, bis Sie den Impuls zum Ausatmen verspüren, und atmen Sie dann langsam durch den Mund aus. Die Ausatmung sollte etwa zwei- bis dreimal so lang dauern wie die Einatmung. Durch die Konzentration auf Ihren Atem kommen Sie zur Ruhe, Ihr Herzschlag verlangsamt sich und Ihr Blutdruck sinkt auf Normalwerte. So kann sich in Ihrem Körper eine tiefe Entspannung ausbreiten.

Ungewissheit ertragen lernen Zur Resilienz gehört auch, mit Unvorhergesehenem umgehen zu können und Ungewissheit ertragen zu lernen, denn es kommt im Berufsleben – wie im Privatleben – oft ganz anders, als man gedacht, gehofft oder geplant hatte. Resiliente Teams oder Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie flexibel auf Herausforderungen reagieren können. Genau wie resiliente Menschen brauchen sie eine Zeit der ungestörten Krisenbewältigung – um dann mit neuer Kraft wieder durchzustarten. Folgende Übungen können Ihnen helfen, sich für unvorhergesehene Situationen im Berufsleben zu wappnen:

Blick zurück ohne Zorn: Denken Sie über den Verlauf Ihres Berufswegs nach. Was hat gut geklappt, was ist ganz anders gekommen als geplant, welche unvorhergesehenen Entwicklungen haben Sie gemeistert? Wenn bislang alles glatt gelaufen ist, können Sie sich glücklich schätzen. Wenn es Schwierigkeiten gab, können Sie stolz auf sich sein, dass Sie diese angenommen oder gar überwunden haben. Und wenn Sie noch nicht das erreicht haben, was Sie gerne erreichen wollten, können Sie hoffnungsvoll in die Zukunft schauen und gespannt darauf sein, was noch passieren wird. Vertrauen Sie auf sich und Ihre Fähigkeiten – egal was kommt, Sie lassen es kommen. Ballonfahrt: Stellen Sie sich vor, dass Sie mit einem Heißluftballon über einer Landschaft schweben, in der Ihre beruflichen Stationen zu sehen sind. Schauen Sie mit Wohlwollen aus der Entfernung auf diese Stationen und stellen Sie sich vor, was alles noch wachsen und entstehen wird. Sie wissen noch nicht, wie die Zukunft aussieht, aber Sie ahnen, dass sie aus der Entfernung nicht groß und bedrohlich, sondern klein und handhabbar erscheint. Bewahren Sie sich diesen Blick von oben auf das große Ganze und seien Sie zuversichtlich, dass Ihr Ballon in Ruhe weiterschweben wird. Fotoalbum: Stellen Sie sich Schnappschüsse aus Ihrer Berufslaufbahn vor oder nehmen Sie Fotos zur Hand, die Sie in Ihrem beruflichen Umfeld zeigen. Welche Erinnerungen und Gefühle verbinden Sie mit diesen imaginären Schnappschüssen oder echten Fotos? Konzentrieren Sie sich auf die Bilder, mit denen Sie angenehme Erinnerungen und positive Gefühle verbinden. Rufen Sie sich solche Bilder immer wieder vor Ihr inneres Auge und seien Sie sicher, dass auch zukünftige Herausforderungen irgendwann zu Erinnerungsfotos werden. Durch solche Imaginationsübungen versetzen Sie sich in einen ruhigen Gemütszustand und schaffen die Voraussetzung dafür, dass Sie auch unerwartete Entwicklungen annehmen können, ohne in Panik zu verfallen. Machen Sie sich immer wieder klar, dass Sie Ihr Bestes tun und geben, um im Beruf gute Leistung zu erbringen und sich sinnvoll zu betätigen. Doch Sie können nicht alles beeinflussen, planen und steuern. Vieles passiert einfach so – nehmen Sie es an und machen Sie das Beste daraus. Sie können so sogar Krisen als Chance begreifen. Wenn Sie gar nicht mehr weiterwissen, nutzen Sie eine Selbstsuggestion, beispielsweise »Es ist alles zu etwas gut« oder »Hinterher werde ich wissen, wofür es gut war«. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Ressourcen und Fähigkeiten, binden Sie Ihr Netzwerk ein, akzeptieren Sie die Krise und versuchen Sie handlungsfähig und lösungsorientiert zu bleiben. Vielleicht brauchen Sie Zeit, bis Sie sich aus der Krise herausarbeiten können. Nehmen Sie sich diese Zeit und vertrauen Sie darauf, dass Ihre Kräfte sich regenerieren. Das Wort Katastrophe stammt vom griechischen Wort »katastrephein«, das wörtlich

übersetzt »umkehren« heißt. In einer Katastrophe werden also die bislang gültigen Erfahrungen, Werte und Stützpfeiler des Lebens auf den Kopf gestellt – worauf man sich bisher verlassen konnte, gilt nicht mehr. In der Katastrophenverarbeitung muss die Welt vom Kopf wieder auf die Füße gestellt oder ganz neu definiert werden. Gerade im Beruf, der im Leben vieler Menschen großen Raum einnimmt, können Probleme, Krisen oder gar Katastrophen eine existenzielle Bedrohung sein. Daher ist es wichtig, die seelische Widerstandskraft zu trainieren. Nutzen Sie die vorgestellten Übungen, um Ihre Resilienz zu vergrößern, und entscheiden Sie sich bewusst dazu, sich nicht aus der Bahn werfen zu lassen, auch wenn es stürmisch wird. In Kapitel 9 finden Sie Tipps für die Stressreduktion – Sie erfahren, wie Sie sich entspannen können, auch wenn der Druck im Berufsalltag zunimmt.

Kapitel 9

Aktive Stressreduktion im Job IN DIESEM KAPITEL Der Zusammenhang zwischen Gelassenheit und Resilienz Bewusster Stressabbau durch Neubewertung von Situationen Entspannungsübungen für den Arbeitsplatz Die Work-Life-Balance analysieren

Um mit Konflikten, Krisen und Katastrophen besser umgehen zu können, ist eine gelassene Lebenseinstellung hilfreich. Gelassenheit bedeutet, Menschen und Dinge so sein zu lassen, wie sie sind. Sie entsteht, wenn man im Einklang mit sich selbst ist und das Gefühl hat, sein Leben gut meistern zu können. Wer sich jedoch ständig hin- und hergerissen fühlt zwischen eigenen Bedürfnissen, äußeren Bedingungen und Anforderungen, der gerät schnell unter Druck und in Stress. Und Dauerstress macht krank – das ist wissenschaftlich erwiesen. Gelassenheit hingegen fördert die innere Widerstandskraft und nicht zuletzt auch die Gesundheit. Wenn Sie berufstätig sind und Ihr Job eine wichtige Rolle in Ihrem Leben spielt, hängt Ihre Resilienz zu einem mehr oder weniger großen Teil auch mit Ihrer Arbeit zusammen. In diesem Kapitel erfahren Sie daher mehr über die Bedeutung der Stressverarbeitung im Beruf für die Resilienz. Sie bekommen konkrete Tipps und Vorschläge für eine gelassenheitsfördernde Gestaltung Ihres Berufsalltags. Und Sie finden am Ende des Kapitels eine Checkliste, mit der Sie Ihre Work-Life-Balance analysieren und verbessern können. Mit Resilienz- und Gelassenheitsförderung können Sie langfristig einem Burnout vorbeugen. Berufstätige Menschen verbringen einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit am Arbeitsplatz – oft deutlich mehr Stunden, als sie für Familie oder Hobbys aufbringen. Für Gelassenheit und Resilienz spielt es eine große Rolle, wie sich der Arbeitsalltag gestaltet. Überlegen Sie selbst: Fahren Sie morgens gern zur Arbeit oder sind Sie schon angespannt, wenn Sie nur an die Arbeit denken? Freuen Sie sich auf Ihre Kollegen und auf Ihre Aufgaben oder haben Sie keine Lust auf das, was vor Ihnen liegt?

Erleben Sie während Ihrer Arbeit gelegentlich ein Gefühl von Flow, also Zeit-, Raumund Selbstvergessenheit? Oder quälen Sie sich von Stunden zu Stunde und von Aufgabe zu Aufgabe? Wissen Sie abends, was Sie geleistet haben, oder verlassen Sie Ihren Arbeitsplatz ohne greifbare Ergebnisse? Kommen Sie müde, aber zufrieden von der Arbeit nach Hause oder sind Sie ausgelaugt, entnervt und frustriert? Sehen Sie einen Sinn in Ihrer Arbeit und erleben Sie sich als kompetent oder erscheint Ihre Arbeit Ihnen sinnlos beziehungsweise überfordernd? Ist der Gedanke angenehm, jahrelang diese Arbeit zu leisten, oder haben Sie innerlich längst gekündigt? Wenn Sie bei der Reflexion der genannten Fragen entspannt lächeln und gern über Ihre Arbeit nachdenken, können Sie dieses Kapitel überspringen, denn dann stehen Sie offensichtlich kaum unter beruflichem Stress und haben vermutlich eine hohe innere Widerstandskraft. Wenn Sie jedoch das Gefühl haben, an Ihrem Arbeitsplatz Dinge verändern zu müssen, um in eine gute innere Balance zu kommen, erfahren Sie auf den folgenden Seiten mehr über eine entspannte Herangehensweise an die Gegebenheiten Ihres Berufsalltags. Zahlreiche Gelassenheitsübungen für jede Lebenslage sowie Tipps für die Gestaltung eines gelassenen Privat- und Berufsleben finden Sie in meinem Buch Gelassenheit lernen für Dummies.

Umdeutung von Stresssituationen Stress entsteht im Kopf: Wenn Sie in einer als bedrohlich oder zumindest bedeutsam eingeschätzten Situation nicht über ausreichende Bewältigungsstrategien und -ressourcen verfügen, schaltet Ihr Gehirn das Kampf-oder-Flucht-Programm ein (siehe Kapitel 2), damit Sie sich der Situation aktiv stellen oder sie fluchtartig verlassen können. Ihr Körper schüttet Stresshormone aus und spannt sich an, Sie atmen schneller, Ihr Blutdruck und Ihre Herzfrequenz steigen, die Sauerstoffversorgung Ihrer Körperzellen wird verbessert, Ihre Aufmerksamkeit fokussiert sich und Sie mobilisieren Energiereserven. Wenn Sie die Herausforderung gemeistert oder beendet haben, schaltet Ihr Körper um auf Entspannung. Atmung, Blutdruck und Herzfrequenz normalisieren sich, die Muskeln werden locker und Ihr Blickfeld weitet sich wieder. Ein solcher Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung ist völlig normal und gesund. Für jede körperliche, geistige oder seelische Leistung ist die Ausschüttung von Stresshormonen erforderlich – genauso wichtig ist jedoch, dass die Stresshormone rasch

wieder abgebaut werden können. Dies geschieht durch Ruhe oder körperliche Aktivität. Wenn Sie jedoch unter Dauerstress stehen, bleibt Ihr Stresshormonspiegel dauerhaft hoch. Dies hemmt Ihr Immunsystem, verlangsamt Zellwachstums- und Regenerationsprozesse, verspannt die Muskulatur und beeinträchtigt die Funktion von Geschlechtsdrüsen und Verdauungsapparat. Sie bemerken dies durch Verspannungen, Schmerzen, Schlaf- und Essstörungen sowie Stimmungsschwankungen. Schwere Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen, Stoffwechselstörungen, Allergien, chronische Entzündungen und Burn-out können die Folge sein. Im Zustand der Gelassenheit, also der inneren Ruhe, Entspannung und Ausgeglichenheit, sammelt der Körper Kraft. Außerdem kann man klar denken, die Sinnesfunktionen sind offen für alle Eindrücke und die Stimmung ist heiter und gelöst. Ebenso wie Stress im Kopf entsteht, kann auch die Entspannung im Kopf beginnen: Um stressauslösende Situationen zu verändern, gilt es, sie zu analysieren und neue Handlungsmöglichkeiten zu finden. Erinnern Sie sich an die sieben Säulen der Resilienz (dazu mehr in Kapitel 1): Handlungsfähigkeit und Lösungsorientierung gehören zu den wichtigen Faktoren, um innerlich stark und widerstandsfähig zu sein. Darüber hinaus ist es wichtig, die eigenen Gedanken und Gefühle in stressigen Situationen zu benennen und gegebenenfalls zu verändern. Wenn Sie ein bislang als stressig empfundenes Geschehen gedanklich in ein neues Licht rücken, können Sie Ihre Haltung dem Geschehen gegenüber verändern. Diese Umdeutung nennt man Reframing (Neu-Rahmung). Durch eine geänderte Haltung können drei weitere Säulen der Resilienz zum Tragen kommen: Optimismus, Akzeptanz und Verantwortungsbereitschaft. Machen Sie sich immer wieder bewusst: Die Bewertung einer Situation und ihrer Lösungsmöglichkeiten ist individuell beeinflussbar. Wenn Sie denken: »Das schaff ich schon!«, aktivieren Sie Ihre Selbstwirksamkeitserwartung und laufen zur Hochform auf. Wenn Sie aber denken: »Das krieg ich sowieso nicht hin!«, lähmen Sie sich selbst und sorgen vielleicht sogar für eine selbsterfüllende Prophezeiung des Scheiterns. Gerade im Beruf ist es sinnvoll, stressige Gegebenheiten umzudeuten und sie dadurch beherrschbar zu machen. Versetzen Sie sich in eine heitere Stimmung, denken Sie an etwas Schönes, atmen Sie tief durch und lächeln Sie. Nehmen Sie die Dinge so, wie sie kommen, und finden Sie eigene, kreative Lösungen.

Bewusste Stressreduktion Das Konzept der Umdeutung (Reframing) stammt von der US-amerikanischen Psychoanalytikerin Virginia Satir (1916–1988). Dabei geht es darum, Situationen oder Ereignisse in einen ungewohnten, neuen Zusammenhang zu stellen und ihnen so eine neue Bedeutung zuzuweisen. Durch die Änderung des Blickwinkels schaut man anders als vorher auf eine Situation und bekommt dadurch ganz andere Eindrücke. Stellen Sie sich

ein Bild im Museum vor, auf das Sie aus einer ganz kurzen Entfernung schauen. Wenn Sie nun weiter von dem Bild weggehen, sehen Sie das Bild schon anders – vielleicht wirken die Farben intensiver oder Sie erkennen Motive auf dem Bild, die Sie gar nicht gesehen haben, als Sie mit der Nase direkt vor dem Bild standen. Stellen Sie sich nun vor, dass Sie fliegen könnten und von der Decke des hohen Museumsraums auf das gleiche Bild schauen würden: Wieder entdecken Sie Dinge, die Sie vorher nicht gesehen haben. Ähnlich ist es bei der Beurteilung von Situationen, Ereignissen, Konflikten oder Ähnlichem: Sie konzentrieren sich zumeist auf Ihren ganz persönlichen Blickwinkel und deuten die Situation dementsprechend. Jemand anderes, der an der Situation oder an dem Konflikt beteiligt ist, schaut aus seinem eigenen Blickwinkel darauf und kommt zu seiner ganz eigenen Deutung. Beide Deutungen sind gleichwertig – und möglicherweise völlig unterschiedlich. Nutzen Sie die Erkenntnis, dass Stress im Kopf entsteht, um Situationen, Konflikte oder Ereignisse künftig ganz bewusst umzudeuten, ihnen somit eine neue Bedeutung zuzuweisen und Ihren Stress bewusst zu reduzieren. Gerade im Beruf, in dem Routine eine wichtige Rolle spielt, ist es oft ungewohnt, den Blickwinkel zu verändern. Sie können dies aber ganz bewusst üben: Hinterfragen Sie den Satz »Das war doch schon immer so«. Warum war etwas eigentlich immer so? Warum ist es nicht anders gewesen oder geworden? Welche Auswirkungen hätte es, wenn es anders wäre? Auch der Satz »Das haben wir doch schon immer so gemacht« lädt ein zu kritischer Reflexion. Hätten Sie Lust, es einmal anders zu machen? Wen könnten Sie dazu motivieren, etwas Neues auszuprobieren? Was würde passieren, wenn alle es anders machen würden? Resignation drückt sich aus in der Überzeugung »Das kann man sowieso nicht ändern«. Seien Sie kritisch: Warum kann man das nicht ändern? Wer verhindert die Änderung und warum? Was würde passieren, wenn Sie es ändern könnten? Wie könnte man die Änderung einleiten? Haben Sie Lust auf eine Änderung? Oft interpretiert man das Verhalten des Gegenübers und zieht immer die gleichen Rückschlüsse daraus. Deuten Sie das Verhalten einmal um: Vielleicht meint Ihr Kollege oder Vorgesetzte etwas ganz anderes als Sie denken? Was könnte gemeint sein? Oder noch besser: Fragen Sie nach! Die Antwort auf die Frage »Wie meinst du das genau?« ergibt nicht selten überraschende neue Informationen. Wenn Sie merken, dass Sie in bestimmten Situationen immer eine negative, pessimistische Haltung einnehmen, trainieren Sie ganz bewusst eine positive Einstellung und Optimismus. Was verändert sich dadurch?

»Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist. Aber er lebt froher«, sagte der französische Clown Charlie Rivel. Beherzigen Sie dies – und freuen Sie sich, wenn Sie mit Ihrem Optimismus im Recht sind.

Die Perspektive wechseln Immer wenn jemand Sie im Beruf aus der Ruhe bringen, unter Druck setzen oder Ihre Gelassenheit gefährden könnte, halten Sie einen Moment inne und wechseln Sie die Perspektive, um einen neuen Blick auf die anstrengende Situation zu werfen: Gehen Sie in die Vogelperspektive und schauen Sie wie ein unbeteiligter Dritter von oben auf die stressige Situation. Wo liegt das Problem? Wie kommunizieren die Beteiligten miteinander? Wer steht wo und wer will wohin? Schlüpfen Sie in die Haut Ihres Kollegen oder Vorgesetzten. Womit ist dieser gerade beschäftigt? Steht er selbst unter Druck? Was will er Ihnen wirklich sagen? Stellen Sie sich in Gedanken neben sich selbst und tun Sie so, als wären Sie Ihr bester Freund, der gerade unter Druck gebracht wird. Was würden Sie Ihrem besten Freund in dieser Situation raten? Welche Handlungsalternativen hätte er? Was könnte ihn beruhigen? Der Perspektivwechsel klappt nicht immer sofort. Wenn der Druck hoch ist oder Sie unter sehr großer Anspannung stehen, werden Sie vermutlich oftmals ganz automatisch so reagieren, wie Sie immer reagieren. Setzen Sie sich nicht selbst dadurch unter Druck, dass Sie sich zu einer neuen Haltung oder Perspektive zwingen wollen, denn unter Druck ist dies kaum möglich. Seien Sie gedanklich offen für einen neuen Blickwinkel. Wenn er sich aber nicht einstellt oder Sie allzu sehr in Ihrem gewohnten Denken verhaftet sind, spielen Sie die Situation später in Ruhe noch einmal gedanklich durch. Vielleicht fällt Ihnen mit zeitlichem und räumlichem Abstand ein, welche Haltung Sie künftig zu ähnlichen Situationen einnehmen könnten.

Achtsamkeit entwickeln Der Begriff Achtsamkeit stammt aus der buddhistischen Meditationspraxis (eine Einführung in das Thema finden Sie in So leicht geht Achtsamkeit für Dummies mit geführten Übungen auf der Begleit-CD). Im Gegensatz zu der Konzentration, bei der die Aufmerksamkeit auf ein Thema oder einen Gedanken fokussiert wird, geht es bei der Achtsamkeit um eine Ausweitung der Aufmerksamkeit Es handelt sich gleichsam um eine ungerichtete Offenheit. Einer der wichtigsten Vertreter der Achtsamkeitstheorie ist der

amerikanische Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn. Er hat in den 1980er-Jahren die Methode der Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR, auf Deutsch etwa Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion) entwickelt. Das von Kabat-Zinn vorgestellte MBSR-Training, das acht Wochen dauert, enthält Übungen zur Körperwahrnehmung, Sitz- und Gehmeditationen, Yoga-Übungen und das Verharren in Stille. Im Vordergrund steht bei all diesen Übungen die aufmerksame Wahrnehmung dessen, was sich gerade im Augenblick im eigenen Körper und Geist abspielt – Gefühle, Gedanken, Stimmungen, Körperempfindungen, Sinneseindrücke. Alle Wahrnehmungen werden wertungsfrei akzeptiert. Es gibt inzwischen zahlreiche Forschungsarbeiten über die Wirkung des MBSR-Trainings. Insbesondere Schmerzpatienten, Menschen mit Depressionen, Burn-out, Panikattacken oder Schlafstörungen profitieren nachweislich von MBSR. Der Body Scan: Nehmen Sie eine bequeme Sitzhaltung in einem ruhigen Raum ein und sorgen Sie dafür, dass Sie während der nächsten 15 Minuten ungestört sind. Atmen Sie einige Male tief in den Bauch ein und aus (siehe »Tiefe Bauchatmung« in Kapitel 8). Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nach innen und machen Sie in Gedanken eine Wanderung durch Ihren Körper. Beginnen Sie bei den Füßen und nehmen Sie wahr, wie Ihre Fußsohlen auf dem Boden stehen, wie sich Ihre Fußmuskeln anfühlen und welche Position Ihre Gelenke einnehmen. Wandern Sie dann langsam durch die Sprunggelenke in die Unterschenkel. Sind Ihre Waden entspannt? In welcher Position stehen Ihre Knie? Sind Ihre Beine warm oder kalt? Wandern Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit langsam weiter durch Beine, Gesäß, Bauch, Rücken, Brust, Hals und Arme bis in den Kopf. Bleiben Sie ganz bei sich. Richten Sie dann langsam Ihre Aufmerksamkeit wieder nach außen und beenden Sie die Übung. Wenn Sie möchten, schreiben Sie sich im Anschluss auf, was Sie gedacht und wahrgenommen haben. Vielleicht werden Sie verwundert sein, wie intensiv Ihre Sinneserfahrungen in dieser Achtsamkeitsmeditation sind und wie gelassen Sie aus der Übung in Ihren Alltag zurückkehren. Nutzen Sie das Konzept der Achtsamkeit im Beruf, um Ihre innere Widerstandskraft zu erhöhen und weniger anfällig für negativen Stress zu sein (mehr dazu erfahren Sie in Achtsamkeit im Beruf für Dummies von Shamash Alidina und Juliet Adams). Aufmerksame, wertungsfreie Wahrnehmung können Sie täglich im Job trainieren: Prüfen Sie mindestens zehnmal am Tag Ihr körperliches Befinden: Wie stehen oder sitzen Sie? Sind Ihre Muskeln angespannt oder locker? Atmen Sie flach oder tief? Schlägt Ihr Herz schnell und hektisch oder langsam und gleichmäßig? Ist Ihnen kalt oder warm? Machen Sie eine Strichliste für diesen regelmäßigen BefindlichkeitsCheck, bis Sie kontinuierlich aufmerksam auf Ihren Körper achten.

Hören Sie gut zu: Mit welcher Stimmlage sprechen Ihre Kollegen oder Vorgesetzten? Was hören Sie zwischen den Zeilen? Stehen Sprache und Körpersprache Ihrer Gesprächspartner im Einklang? Wenn es Konflikte im Job gibt, nehmen Sie innerlich die Position des unbeteiligten Beobachters ein und achten Sie darauf, wie die Kommunikation abläuft, wie die Machtverhältnisse sind, welche Machtspiele ausgetragen werden und welche Ziele die Konfliktparteien haben. Seien Sie offen für die vier Seiten jeder gesprochenen Botschaft (siehe Kapitel 8). Reagieren Sie so neutral wie möglich. Wenn Sie spüren, dass Sie sich ärgern oder unsicher werden, achten Sie besonders aufmerksam auf Ihre Körperreaktionen. Fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Herzschlag und nutzen Sie die Selbstsuggestion »Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig«, um Ihren Puls zu beruhigen.

Wenn Sie Interesse am Achtsamkeitstraining haben, erfahren Sie mehr darüber in Achtsamkeit für Dummies, im Hörbuch Achtsamkeit im Job für Dummies sowie im Übungsbuch Achtsamkeit für Dummies von Shamash Alidina und Joelle Jane Marshal. Achtsamkeitskurse gibt es an Volkshochschulen, bei Psychologen oder in Meditationszentren.

Für Entschleunigung sorgen Ihre Gelassenheit ist immer dann besonders in Gefahr, wenn das Tempo am Arbeitsplatz steigt. Wer schnell arbeitet, macht auch schnell Fehler. Unter erhöhtem Tempo erhöht sich auch der Druck. Und wenn Sie sich abhetzen, können Sie nicht in Ruhe über Situationen, Probleme oder Herausforderungen nachdenken – und schon gar nichts zulassen oder einfach geschehen lassen. Versuchen Sie daher, anstrengende Situationen ganz bewusst zu entschleunigen. Zählen Sie bis zehn, bevor Sie etwas sagen, tun oder lassen. Atmen Sie tief durch und achten Sie auf Ihre Körperreaktionen. Wenn Sie spüren, dass Sie bestimmte Muskelgruppen an- oder verspannen, atmen Sie in diese Muskelgruppen hinein. Zerlegen Sie eine komplizierte Aufgabe in mindestens drei Teilaufgaben und erledigen Sie die Teilaufgaben nacheinander. Sobald Sie eine Teilaufgabe abgearbeitet haben, schauen Sie sich das Ergebnis an: Sind Sie auf dem richtigen Weg? Sind Sie zufrieden mit dem Teilergebnis? Bringt Sie das Teilergebnis weiter? Wählen Sie eine beliebige Routinetätigkeit aus, die Sie an Ihrem Arbeitsplatz mehrfach täglich oder wöchentlich durchführen. Prüfen Sie, wie lange Sie üblicherweise brauchen, um diese Tätigkeit durchzuführen. Gönnen Sie sich einmal am Tag oder in der Woche die doppelte Zeit, um diese Tätigkeit zu absolvieren, und achten Sie dabei genau auf das, was Sie tun. Während Sie viel langsamer arbeiten als normalerweise, erhöht sich Ihre

Achtsamkeit für das, was Sie tun. Wie fühlen sich die Arbeitsgeräte an, welche Gedanken gehen Ihnen bei der Routine durch den Kopf, wie reagieren die beteiligten Menschen auf das langsamere Tempo – und vor allem: Wie geht es Ihnen, wenn Sie entschleunigen? Tragen Sie sich in Ihren Kalender mehrmals in der Woche einen »Termin mit mir selbst« ein. Nehmen Sie sich mindestens eine halbe Stunde Zeit, um eine länger liegen gebliebene Aufgabe ganz in Ruhe zu erledigen, um Pläne zu schmieden, Konzepte zu erarbeiten oder über komplizierte Probleme nachzudenken. Lassen Sie sich in dieser Zeit nicht stören und vermeiden Sie jede Ablenkung. Nutzen Sie das Konzept der Entschleunigung im Beruf, um Ihr Wohlbefinden zu erhöhen, den Druck zu senken, Ihre innere Widerstandskraft zu stärken und den Arbeitstag gelassener zu erleben. Wenn Sie eine Führungsposition innehaben, können Sie die Arbeit Ihres Teams bewusst entschleunigen, indem Sie Zwischenziele formulieren, Zeitpuffer einplanen, die Gestaltungsmöglichkeiten und die Verantwortungsbereiche Ihrer Mitarbeiter vergrößern und für regelmäßige Pausen und Auszeiten sorgen. So wird Ihr Team resilienter und kann besser mit Konflikten und Krisen umgehen.

Auf Bewertung verzichten Ein Geheimnis der Achtsamkeit ist der Verzicht auf Bewertungen. Alles, was geschieht, wird wertungsfrei wahr- und angenommen. Dieses Prinzip sorgt dafür, dass Sie aufmerksam im Hier und Jetzt leben und arbeiten. Probieren Sie es aus: Wenn Sie Ihr körperliches Befinden überprüfen (siehe weiter vorn in diesem Kapitel), bewerten Sie Ihre Eindrücke nicht, sondern nehmen Sie alles so an, wie es ist: Wenn Ihr Herz schnell schlägt, wenn Ihnen kalt oder warm ist, wenn Sie angespannt sind – dann ist das eben so. Wenn Sie mit einem Kollegen, Mitarbeiter oder Vorgesetzten sprechen und dieser unfreundlich oder vorwurfsvoll ist, bewerten Sie seine Kommentare nicht, sondern fragen Sie freundlich auf der Sachebene (siehe Kapitel 8) nach, was er von Ihnen will. Wenn Ihnen ein Fehler unterläuft, werten Sie sich nicht selbst ab oder machen sich Vorwürfe, sondern analysieren Sie nüchtern, was passiert ist und wie Sie es wieder in Ordnung bringen können. Wenn jemand in Ihrer Arbeitsumgebung etwas falsch macht, verdrehen Sie nicht die Augen oder stöhnen laut auf, sondern schauen Sie gemeinsam mit dem Verursacher des Fehlers auf die Auswirkungen des Lapsus und nutzen Sie den Fehler als gemeinsame Lernchance. Wenn Sie bei der Arbeit gelobt werden, freuen Sie sich über das Lob. Bewerten Sie nicht, von wem es kommt oder ob es gerechtfertigt ist. Nehmen Sie es einfach an.

Vielen Menschen fällt es sehr schwer, Lob oder Dankbarkeit anzunehmen. Sie werten entweder sich selbst, den Lobenden oder das Lob/die Dankbarkeit ab. Häufige Reaktionen sind: »Das war doch nichts Besonderes« oder »Das meint er/sie ja sowieso nicht ernst«. Dadurch nehmen sie sich eine Chance, Wertschätzung zu erfahren und ihr Netzwerk zu pflegen. Schade!

Körperübungen gegen den Stress Wenn Sie schwierige Situationen, große Herausforderungen oder ernsthafte Konflikte zu meistern haben, schüttet Ihr Körper Stresshormone aus, die Ihnen dabei helfen, Höchstleistung zu erbringen. Wenn Sie dann wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen, braucht Ihr Organismus Zeit, diese Hormone abzubauen. Hilfreich dabei sind sowohl körperliche Ruhe als auch leichte körperliche Bewegung. Um den im Beruf entstehenden Stress gut zu verkraften, sollten Sie also für Ausgleich sorgen: Machen Sie Pausen, bewegen Sie sich und sorgen Sie für Entspannung. Susanne Diering ist Assistenzärztin und arbeitet Vollzeit in einem Krankenhaus. Neben ihren wöchentlichen 40 Arbeitsstunden leistet sie zusätzlich vier bis fünf Nachtdienste im Monat. Wenn sie nach dem Nachtdienst am nächsten Vormittag Dienstschluss hat, fährt sie direkt von der Klinik ins Fitnessstudio und trainiert eine Stunde lang an Kraft- und Ausdauermaschinen. Oft muss sie ihren inneren Schweinehund mit großer Disziplin überwinden, um nicht sofort nach dem Nachtdienst nach Hause zu fahren und sich aufs Sofa zu setzen – aber die Willensstärke lohnt sich: Nach dem Training fühlt sie sich wie neu geboren und kann die Belastung der nächtlichen Arbeit hinter sich lassen. Wenn sie hingegen aus dem Nachtdienst kommt und zu Hause nur die Beine hochlegt, braucht sie deutlich länger, um sich zu regenerieren.

Progressive Muskelentspannung Die Progressive Muskelrelaxation (PMR) wurde in den 1920er-Jahren von dem amerikanischen Arzt Edmund Jacobsen entwickelt. Dieses Training basiert auf der Beobachtung, dass man durch einen Wechsel von bewusster Anspannung und bewusster Entspannung einzelner Muskelgruppen den gesamten Körper in einen Zustand tiefer Entspannung versetzen kann. PMR wird in Kursen gelehrt, kann aber auch durch Selbststudium oder die Nutzung von CDs erlernt werden. Die Übenden konzentrieren sich im Sitzen oder Liegen jeweils auf eine Körperregion und spannen ihre Muskeln in dieser Region einige Sekunden fest an. Anschließend lassen sie die Spannung los und spüren die Entspannung in der Körperregion. Wichtig ist, dass die Entspannung etwa zwei- bis dreimal so lange dauert wie die Anspannung. Während des

Übens wird tief und ruhig geatmet. Am Arbeitsplatz können Sie die Übungen der gezielten An- und Entspannung einzelner Muskelgruppen gut im Sitzen durchführen: Ballen Sie die Hände zu Fäusten, winkeln Sie die Arme an und halten Sie die Spannung in Händen und Armen drei Atemzüge lang an. Lassen Sie die Hände und Arme dann mit dem Ausatmen bewusst locker. Spüren Sie der Entspannung mindestens sechs Atemzüge lang nach. Wiederholen Sie dies zwei- oder dreimal. Ziehen Sie die Schultern zu den Ohren, atmen Sie dreimal ein und aus und lassen Sie Ihre Schultern anschließend ganz entspannt fallen. Sechs Atemzüge lang spüren Sie, wie sich die körperliche Entspannung über Ihre Schultern in Ihre Arme und den Oberkörper ausbreitet. Zwei- oder dreimal wiederholen. Stellen Sie sich vor, dass Sie in eine besonders saure Zitrone beißen, und spannen Sie Ihre Gesichtsmuskulatur und Ihre Kopfhaut fest an. Atmen Sie dreimal ein und aus. Lassen Sie dann mit dem Ausatmen die Muskulatur in Gesicht und Kopf los und spüren Sie der Entspannung nach. Wiederholen Sie die Übung zwei- oder dreimal. Ziehen Sie Ihre Schulterblätter nach hinten unten, machen Sie ein Hohlkreuz und ziehen Sie Ihren Bauchnabel fest in Richtung Wirbelsäule. Halten Sie die Spannung in Rücken und Bauch drei Atemzüge lang und lassen Sie dann los. Fühlen Sie die Ausbreitung der Entspannung sechs Atemzüge lang. Zwei- oder dreimal wiederholen. Spannen Sie das Gesäß und die Oberschenkel an und ziehen Sie Ihre Zehen Richtung Nase. Halten Sie die Spannung drei Atemzüge lang an und entspannen Sie dann mit dem Ausatmen Ihre Beine ganz bewusst. Genießen Sie die sich ausbreitende Entspannung in Ihren Beinen mindestens sechs Atemzüge lang. Die Übung machen Sie zwei- oder dreimal hintereinander.

Zum raschen Üben zwischendurch eignet sich die Ampelübung: Atmen Sie ruhig ein und aus, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nach innen. Spannen Sie Ihren ganzen Körper von oben bis unten drei Atemzüge lang an. Lassen Sie die gesamte Anspannung beim vierten Atemzug ganz bewusst los und spüren Sie, wie die Entspannung sich in den folgenden sechs Atemzügen in Ihrem Körper ausbreitet. Wiederholen Sie die Übung einmal. Kehren Sie dann mit der Aufmerksamkeit nach außen zurück. Es gibt wissenschaftliche Studien, die sich mit der Wirkung der Progressiven Muskelentspannung auf das körperliche und seelische Befinden befassen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Progressive Muskelentspannung Angst- und Spannungszustände verringert und die Gesundheit verbessert.

Aktive Pausengestaltung Studien haben gezeigt, dass sich das Berufsleben in den letzten Jahrzehnten immer mehr beschleunigt hat: Die Arbeitnehmer müssen immer mehr in immer kürzerer Zeit bewältigen, müssen ihr Wissen immer schneller erweitern und die Effizienz steigern. Die Personaldecke wird immer dünner, es mangelt an Fachkräften und Nachwuchs. Die Folgen dieser Beschleunigung und Arbeitsverdichtung: körperliche und seelische Krankheiten, Burn-out, Frühberentung. Zwar wird in der Politik, bei Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen, Krankenkassen und Rentenversicherungen längst über diese Gefahr diskutiert, doch es ändert sich nicht viel. Daher bleibt jedem Einzelnen kaum etwas anderes übrig, als auf sich selbst aufzupassen und im eigenen Einflussbereich Dinge zu verändern. Um die innere Widerstandskraft zu erhöhen, sind regelmäßige Pausen unverzichtbar, denn in Pausen und Auszeiten können Sie neue Kraft sammeln, Stress und Anspannung abbauen, den Kopf frei bekommen, für sich selbst sorgen und Ihre positive, achtsame und optimistische Grundeinstellung pflegen. An einem normalen, achtstündigen Arbeitstag sollten Sie zwei kurze und eine längere Pause machen – gut verteilt über den Tag. Gestalten Sie diese Pausen aktiv und nutzen Sie alle Möglichkeiten, die Ihr Arbeitsplatz Ihnen bietet: Bewegen Sie sich. Stehen Sie auf, gehen Sie umher, machen Sie einige Kniebeugen oder gehen Sie flott über das Betriebsgelände. Verzichten Sie auf den Aufzug, benutzen Sie die Treppen. Wenn Ihr Betrieb Sportangebote hat, nutzen Sie diese. Insbesondere Rückenschule und Ausgleichsgymnastik sind hilfreich, wenn Sie einen Schreibtisch-Job haben. Essen Sie gesund und bewusst. Sprechen Sie beim Essen mit Ihren Kollegen über etwas anderes als über die Arbeit. Machen Sie keine Rauchpausen, sondern Obstpausen: Stehen Sie auf, gehen Sie vors Haus und essen Sie einen Apfel. Trinken Sie ausreichend. Stellen Sie sich zu Beginn des Arbeitstags eine große Flasche Wasser oder eine Kanne Tee hin und leeren Sie sie bis zum Feierabend. Wenn Sie die Möglichkeit dazu haben, machen Sie einen viertelstündigen Power-Nap, also einen kurzen Mittagsschlaf. Sorgen Sie dafür, dass Sie am Wochenende und im Urlaub ungestört sind. Schalten Sie das Handy aus, lesen Sie keine dienstlichen E-Mails. Vereinbaren Sie eine verlässliche Urlaubsvertretung. Übernehmen Sie selbst die Verantwortung für eine resilienzfördernde Gestaltung Ihrer Arbeitszeit – die Verantwortungsbereitschaft ist eine der sieben Säulen der Resilienz. Sie haben es in der Hand: Warten Sie nicht darauf, dass Vorgesetzte, Betriebsrat oder

Geschäftsführung aktiv werden, sondern bringen Sie Vorschläge ein und sorgen Sie für sich, Tag für Tag.

Checkliste: Work-Life-Balance Resiliente Menschen finden eine gute Balance zwischen Leistung und Erholung, Arbeit und Freizeit, Beruf und Familie, Anspannung und Entspannung, Austausch mit anderen und Besinnung auf sich selbst. Nutzen Sie die Checkliste im Folgenden, um Ihre ganz persönliche Balance zu analysieren und festzustellen, in welchen Bereichen Sie noch Verbesserungsbedarf haben. Schreiben Sie zu jedem Lebensbereich (linke Spalte) auf, welche Stressfaktoren (mittlere Spalte) und welche Entlastungsfaktoren (rechte Spalte) Ihnen einfallen, und überprüfen Sie dann, ob Stress und Entspannung sich die Waage halten oder nicht. Wenn Sie in einem Bereich deutlich mehr Stress als Entlastung notiert haben, könnten Sie sich künftig darauf konzentrieren, dort Abhilfe zu schaffen. Lebensbereich Arbeit: Aufgabenprofil, Kompetenzen, Verantwortung Arbeit: Kollegen, Mitarbeiter, Vorgesetzte Arbeit: Perspektiven, Bezahlung, Altersvorsorge Familie: Miteinander, Finanzen, Kommunikation, Arbeitsverteilung Familie: Freizeitgestaltung, Urlaub, Freundeskreis Hobbys: Zeitaufwand, Gestaltung, Flow, Zeit für mich Sonstiges: ehrenamtliche Tätigkeit, Verpflichtungen

Tabelle 9.1: Checkliste Work-Life-Balance

Stressfaktoren Entlastung/Entspannung

Teil IV

Resilienz in der Kindheit fördern



IN DIESEM TEIL … Die innere Widerstandskraft eines Kindes wird geprägt durch zwei große Einflüsse: durch die Vererbung und durch Umweltfaktoren. Anlage und Umwelt stehen in einer stetigen Wechselwirkung und den schützenden Faktoren stehen Risikofaktoren gegenüber. In diesem Teil erfahren Sie, wie Sie die genetische Resilienzausstattung eines Kindes erkennen und was Sie tun können, um seine Resilienz zu fördern. Sie lernen die aktuellen Forschungsergebnisse zur Vererbung von Stress kennen, bekommen Tipps für die Resilienzerziehung und Hinweise, wie Sie die Persönlichkeitsentwicklung Ihres Kindes unterstützen können. Ich stelle Ihnen Übungen vor, die Sie gemeinsam mit Kindern oder Jugendlichen durchführen können, um deren innere Widerstandskraft zu stärken. Und Sie lesen in diesem Teil etwas über erfolgreiches Krisenmanagement für Familien.

Kapitel 10

Vererbung und Umweltfaktoren IN DIESEM KAPITEL Genetisch festgelegte Schutzfaktoren für Resilienz Soziale Faktoren für mehr innere Widerstandskraft Wechselwirkung zwischen Vererbung und Umwelteinfluss Einfluss von Stress auf die Gene

Eltern wünschen nur das Beste für ihre Kinder – der Nachwuchs soll es einmal besser haben, ein gesundes und erfolgreiches Leben führen und Krisen gut überstehen. Die innere Widerstandskraft eines Kindes wird geprägt durch zwei große Einflüsse: durch die Vererbung und durch Umweltfaktoren. Anlage und Umwelt stehen in einer stetigen Wechselwirkung und den schützenden Faktoren stehen Risikofaktoren gegenüber. In diesem Kapitel erfahren Sie, welche genetisch festgelegten Schutzfaktoren es im Hinblick auf die Resilienz gibt, welche Umweltfaktoren Kinder resilienter machen können und wie all diese Faktoren zusammenspielen.

Wie Resilienz vererbt wird Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass es Schutzfaktoren gibt, die einen Menschen widerstandsfähiger gegenüber Krisen und Katastrophen machen können. Drei dieser Faktoren werden vererbt, sind also ganz oder überwiegend durch die Erbanlagen bestimmt: weibliches Geschlecht, Intelligenz, positives, ausgeglichenes Temperament. Ein weiterer familiärer Schutzfaktor ist die Tatsache, dass ein Kind als Erstes in der Geschwisterreihe geboren wird. Insbesondere ausgeglichene, intelligente, erstgeborene Mädchen haben in allen bisherigen Resilienzstudien starke Voraussetzungen dafür gezeigt, schwierige Lebensumstände gut zu überstehen und zu widerstandsfähigen Erwachsenen heranzureifen. Hier zeigt sich, wie eng Anlage- und Umweltfaktoren ineinandergreifen können: Für die

Resilienzentwicklung ist es wichtig, dass Kinder schon frühzeitig im Leben Verantwortung übernehmen dürfen und ihre Selbstwirksamkeit erfahren (siehe auch Kapitel 1). Die meisten Eltern werden ihrer ältesten Tochter, wenn sie intelligent, freundlich und zuverlässig ist, sicherlich schon früh Aufgaben in der Familie übertragen und ihr so die Möglichkeit geben, sich selbst als kompetent zu erleben. Carmen Gonzalez hat zwei jüngere Brüder, auf die sie schon als kleines Mädchen oft aufpasst. Sie ist fröhlich, zuversichtlich und hat viele Ideen – in der Schule wird sie jedes Jahr zur Klassensprecherin gewählt und wenn es etwas zu organisieren gibt, ist sie immer mit dabei. Nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester gründet sie eine Familie und arbeitet halbtags. Als ihre Eltern kurz nacheinander sterben, entwickelt sich ein dramatischer Streit zwischen ihren Brüdern, die sich nicht über die Verteilung des Erbes einigen können. Carmen versucht zu vermitteln, doch der Streit eskaliert und der jüngste Bruder Juan, der Jäger ist, erschießt den mittleren Bruder Diego. Juan kommt ins Gefängnis, wo er sich nach wenigen Monaten erhängt. Carmen hat innerhalb von zwei Jahren ihre gesamte Ursprungsfamilie verloren. Sie trauert monatelang, doch eines Tages spürt sie, dass ihre Lebensfreude zurückkommt. Sie arbeitet wieder, verbringt viel Zeit mit ihren Kindern und engagiert sich in einer Trauergruppe. Carmen hat eine so starke innere Widerstandskraft, dass sie ihre Familientragödie überstehen und einen guten Weg des Umgangs damit finden konnte. Genetiker vermuten, dass mehrere Hundert Gene für die Entstehung seelischer Widerstandskraft (Resilienz) mit verantwortlich sind. Intensiv diskutiert wird beispielsweise die Rolle des Glückshormons Serotonin, das als Botenstoff im Gehirn wirkt: Möglicherweise trägt die biochemische Zusammensetzung bestimmter Transportmoleküle, die Serotonin im Gehirn verfügbar machen, dazu bei, ob ein Kind resilienter ist als der Durchschnitt. Und die Zusammensetzung dieser Transportmoleküle ist abhängig vom Erbgut. Im Jahre 2003 wurden Ergebnisse der sogenannten Dunedin-Studie aus Neuseeland publiziert. Für diese Untersuchung erfassten die Forscher die Geburtenkohorte in dem neuseeländischen Queen-Mary-Krankenhaus des Jahres 1972/73 und untersuchten die 1.037 Kinder zehnmal alle zwei bis drei Jahre. Als die Studienteilnehmer 26 Jahre alt waren, widmeten sich die Forscher Terrie Moffitt und Avshalom Caspi der Wirkung eines Gens mit dem Namen 5-HTT, das die Verteilung von Serotonin im Gehirn beeinflusst. Serotonin ist ein Neurotransmitter, der auch Glückshormon genannt wird und wesentlich an der Entstehung von seelischen Krankheiten wie Depression oder Burn-out beteiligt ist. Das Gen 5-HTT existiert in zwei Varianten, einer langen und einer kurzen Ausprägung: Die kurze Genvariante

stellt weniger Transportmoleküle für das Serotonin im Gehirn zur Verfügung, die lange Variante dagegen mehr. Die Wissenschaftler stellten fest, dass diejenigen jungen Erwachsenen, die zwei kurze Varianten des Gens geerbt hatten, zu 43 Prozent depressiv reagierten, nachdem sie eine Lebenskrise durchmachen mussten. Die Neuseeländer, die hingegen eine oder sogar zwei lange Varianten des Gens in sich trugen (jeder Mensch hat jedes Gen doppelt), waren nur in 17 Prozent der Fälle nach einem traumatischen Erlebnis depressiv geworden. Diese Studienergebnisse zeigten erstmals eine genetische Prädisposition für seelische Erkrankungen als Folge eines Traumas. Sie werden nach wie vor kontrovers diskutiert, haben aber die Erforschung der Resilienzfaktoren nach vorn gebracht. Viele Ansatzpunkte einer möglichen Vererbung von Resilienzfaktoren werden weltweit wissenschaftlich untersucht – eindeutige und reproduzierbare Ergebnisse stehen jedoch noch aus. Solche Studien sind sehr komplex: Die Forscher brauchen ausreichend große Gruppen von Studienteilnehmern und müssen ihre Probanden über viele Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, begleiten und untersuchen.

Wie die Umwelt Resilienz beeinflusst Neben den erblichen Schutzfaktoren (Geschlecht, Intelligenz, Temperament) gibt es zahlreiche umweltbedingte Faktoren, die einen Menschen resilient machen können. Diese Faktoren werden in der Fachsprache auch Ressourcen genannt und in personale (individuelle) und soziale Faktoren unterteilt. Zu den individuellen Faktoren gehören: soziale Kompetenz, Selbstwahrnehmung und Umgang mit Stress, Selbststeuerung, Selbstwirksamkeit und Problemlösefähigkeiten. Diese Faktoren werden im Laufe der Kindheit erworben und in der Persönlichkeit verankert. Unter sozialer Kompetenz versteht man die Fähigkeit einer Person, sich innerhalb einer Gruppe von Menschen so zu verhalten, dass sie selbst möglichst viele positive Rückmeldungen und möglichst wenig negative Konsequenzen bekommt und ihr Verhalten gleichzeitig möglichst positive Auswirkungen auf die ganze Gruppe hat. Um sozial kompetent zu werden, braucht ein Kind Rollenvorbilder, denn es lernt bevorzugt am Modell. Lerntheoretisch ist belegt, dass neben dem Modelllernen in der Kindheit auch die Verstärker wichtig sind: Positive Verstärkung (Lob, Anerkennung, Belohnung) sorgt dafür, dass ein bestimmtes Verhalten häufiger auftritt, während negative Verstärkung (Tadel, Strafe) bewirkt, dass Verhalten seltener auftritt. Lob ist dabei deutlich wirksamer als Strafe – wenn man erreichen möchte, dass unerwünschtes kindliches Verhalten seltener auftritt, kann es auch hilfreich sein, einen positiven Verstärker zu entziehen, also

eine in Aussicht gestellte Belohnung bei unerwünschtem Verhalten einzubehalten (mehr dazu in Kapitel 11). Unverzichtbar ist, dass ein Kind die Grundregeln der Kommunikation so früh wie möglich erlernt, um sich kompetent in einem sozialen Zusammenhang zu bewegen und positiv Einfluss auf andere Menschen nehmen zu können. Zu diesen Kommunikationsfähigkeiten gehören: Eröffnung der Kommunikation: Begrüßung, Blickkontakt, Kommunikationseinladung aussprechen oder annehmen (zum Beispiel eine Frage stellen oder beantworten), angemessene Mimik und Gestik Aufrechterhaltung der Kommunikation: Nähe und Distanz regulieren, Äußerungen sinngemäß wiederholen oder zusammenfassen, Gefühlsregungen und Körperhaltung spiegeln, Feedback geben und annehmen Beendigung der Kommunikation: Verabschiedung, Abgrenzung

Ein Hörbuch zum Thema Kommunikation ist Grundlagen des Small Talk für Dummies von Gero Teufert. Mit dem Thema Empathie befasst sich das Buch Gewaltfreie Kommunikation für Dummies von Al Weckert.

Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung Zur sozialen Kompetenz gehört auch die Fähigkeit, eigene Gefühle zu erkennen, bewusst zu erleben, darüber sprechen und sie regulieren zu können – sich also selbst wahrzunehmen und zu steuern. Kinder lernen dies schon früh, wenn die Erwachsenen in ihrer Umgebung mit gutem Beispiel vorangehen und mit ihnen über Gefühle sprechen. Darüber hinaus brauchen sie Anleitung für den Umgang mit Emotionen. Tipps zu diesem Thema finden Sie in Kapitel 11. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im Jahre 1994 zehn Lebenskompetenzen definiert. Diese tragen erheblich zur individuellen Resilienz bei und können durch Erziehung, Vorbeugungsprogramme und Arbeit an sich selbst gefördert werden: Selbstwahrnehmung, Empathie (Einfühlungsvermögen), Kreativität, Kritikfähigkeit, Entscheidungsbereitschaft,

Problemlösefähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Beziehungsfähigkeit, Gefühlsbewältigung, Stressbewältigung. Die Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung werden erheblich durch die Umwelt beeinflusst, denn die Rückmeldungen aus der Familie, der Verwandtschaft und den sonstigen Bezugsgruppen (Kindergarten, Schule, Nachbarschaft, Freundeskreis und so weiter) prägen die Entwicklung dieser beiden Faktoren. Ein Kind, dessen Gefühle missachtet werden oder das nicht über seine Gefühle sprechen darf, wird sich zurückziehen und versuchen, seine Gefühle zu unterdrücken. Es wird Gefühle möglicherweise sogar als etwas Bedrohliches erleben und sich ihnen hilflos ausgeliefert fühlen. Gefühlskälte oder Impulsdurchbrüche können die Folge sein. Ein Kind, das hingegen lernt, dass Gefühle schön und wichtig sind, dass man sie ausleben darf, sie aber auch steuern kann, wird einen angemessenen Umgang mit seinen Emotionen entwickeln können. Heinrich Thiessen stammt aus einer Baptistenfamilie, in der nicht über Gefühle gesprochen werden darf. Alles dreht sich um den Glauben und harte körperliche Arbeit. Probleme werden totgeschwiegen und wenn eines der acht Kinder sich nicht an die Regeln hält, bekommt es Schläge. Als Uwe 19 Jahre alt ist, will er sich von seiner Familie lösen, beantragt BAföG und beginnt ein Studium an der Fachhochschule. Doch schon nach einem Jahr verliert er seinen Antrieb und Lebensmut, zieht sich sozial immer weiter zurück und weiß nicht, wie es weitergehen soll. In ihm ist eine große Leere, die er nicht füllen kann. Als sein jüngster Bruder bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, verfällt Uwe in eine tiefe Depression. Er braucht starke Medikamente und eine jahrelange Psychotherapie, um die Krise zu überwinden, Zugang zu seinen Gefühlen zu bekommen und endlich auch sein Studium beenden zu können. Mit 32 Jahren heiratet er und er bekommt zwei Kinder, denen er Liebe und Wärme schenkt und mit denen er von klein auf über Gefühle spricht, denn er möchte seinen eigenen Kindern die Gefühlskälte, unter der er als junger Mensch gelitten hatte, ersparen und sie zu warmherzigen Menschen erziehen. Auch die Selbstwirksamkeitserwartung und die Problemlösefähigkeit eines Heranwachsenden werden durch seine Umgebung gefördert oder gehemmt. Wem schon als Kind altersentsprechende Herausforderungen gestellt werden, wer Verantwortung übernehmen darf und dafür gelobt wird, wenn er etwas geschafft hat, der wird im späteren Leben davon ausgehen, dass er Problemen gewachsen ist und Lösungen finden kann. Wer hingegen immer kleingehalten, überbehütet oder verhätschelt wird, entwickelt vermutlich

ähnlich wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wie jemand, der ständig überfordert oder bestraft wird (Hinweise für eine förderliche Erziehung finden Sie in Kapitel 11).

Soziale Schutzfaktoren Die sozialen Schutzfaktoren, die für die Resilienzentwicklung wichtig sind, umfassen Ressourcen innerhalb und außerhalb der Familie, beispielsweise: Beziehung zu verlässlichen Bezugspersonen, Rollenmodelle, Erziehungsstil, Netzwerk, sozialer Status und Bildungsniveau, Zugang zu Förderung, Bildung und Beratung, Anerkennung von Leistungsbereitschaft, Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten. An diesen Faktoren zeigt sich deutlich, wie groß der Einfluss der Umwelt auf die Resilienzentwicklung eines Menschen ist. In einer Familie, in der die Kinder von verlässlichen Bindungspersonen erzogen werden, die ihnen klare Regeln vorgeben und sie liebevoll fördern und fordern, wird die seelische Widerstandskraft der Nachkommen gestärkt. Ein tragfähiges soziales Netzwerk bietet Unterstützung im Umgang mit schwierigen Situationen, und wenn unterschiedliche Rollenmodelle vorgelebt werden, kann ein Kind sich die individuell zu ihm passenden Handlungsmöglichkeiten aneignen. Der Zugang zu Bildung und Förderung ist unverzichtbar für das Erlernen von Fähigkeiten und Fertigkeiten, damit ein Kind sein Leben gut meistern und sein Potenzial entfalten kann. Menschen, deren Leistungsbereitschaft schon früh im Leben wertgeschätzt wird und die angemessene berufliche Chancen bekommen, haben Freude an immer neuen Herausforderungen und sind bereit, Probleme zu lösen und kreativ an Krisen heranzugehen. Lisa Mäding war kein Wunschkind: Ihre Eltern Timo und Julia waren erst 17 und 18 Jahre alt, als Lisa zur Welt kam. Mit der Kinderversorgung total überfordert, gaben die Eltern das Baby an Timos Mutter Dorothee ab. Auch diese hatte kein leichtes Leben, denn ihr Mann ist Alkoholiker. Doch sie war immer für Lisa da und liebte sie wie eine eigene Tochter. Als Lisa 18 Monate alt war, verursachte ihr Großvater einen Zimmerbrand, bei dem das kleine Mädchen fast ums Leben kam. Mit zwölf Jahren wurde Lisa auf dem Heimweg von der Schule von einem Unbekannten sexuell missbraucht. Nun ist sie 20 Jahre alt und kämpft mit Impulsdurchbrüchen. Ihre Ausbildung zur Tierpflegerin musste sie unterbrechen,

weil sie ihre Chefin geschlagen hatte. Lisa hat eine Psychotherapie begonnen, um emotional stabiler zu werden und eine Lebensperspektive zu entwickeln. Sie lernt ihre eigenen Ressourcen in der Therapie kennen: Zielstrebigkeit, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeitssinn und Zuverlässigkeit sind Stärken, die sie durch das Vorbild ihrer Großmutter gelernt hat. Die frühkindlichen Traumata haben sie zwar zutiefst erschüttert, aber Lisa spürt, dass sie ein Fundament in sich trägt, auf das sie bauen kann. Die stabile Beziehung zu ihrer Großmutter wirkt als Schutzfaktor. Die sozialen Schutzfaktoren ermöglichen es einem Menschen, sich auch unter schwierigsten Bedingungen zu entwickeln und aufzublühen. Je mehr schützende Faktoren vorhanden sind, desto größer ist die Chance auf eine gesunde, erfolgreiche Persönlichkeitsentwicklung. Schutzfaktoren können auch bestimmte Risikofaktoren ausgleichen und deren schädliche Wirkung neutralisieren. Ein Kind, das alkoholkranke Eltern hat, aber von einer liebevollen und engagierten Erzieherin im Kindergarten gefördert und in ein unterstützendes Netzwerk eingebunden wird, entwickelt sich mit größerer Wahrscheinlichkeit stabil und gesund als ein Kind, das ausschließlich von seinen alkoholkranken Eltern versorgt wird. Die Eltern können ihm oft keine Stabilität, Verlässlichkeit und Selbstwirksamkeitserwartung vermitteln, weil sie durch ihre Suchterkrankung zu oft als Bindungsperson ausfallen und zu sehr mit sich und ihren eigenen Problemen beschäftigt sind. Umwelt- und Anlagebedingungen stehen in enger Wechselwirkung, wenn es um die Entwicklung von seelischer Widerstandskraft geht. Schutz- und Risikofaktoren beeinflussen sich gegenseitig, jeder Mensch steht in ständigem Austausch mit seiner Umwelt und alle einschneidenden Ereignisse im Leben erfordern einen individuellen Anpassungsprozess. Daraus ergeben sich positive oder negative Entwicklungsergebnisse (Anpassung oder Fehlanpassung), die wiederum Rückwirkungen auf die Resilienz des Individuums haben.

Epigenetik: Auch Stress wird vererbt Früher befasste sich die Genetik ausschließlich mit dem Zusammenhang zwischen den Genen eines Menschen und seinem Organismus (Genotyp und Phänotyp). Heute weiß man, dass nicht nur die Gene, sondern auch ihre Aktivität und deren Förderung oder Hemmung wichtig sind für körperliche und geistige Vorgänge. Durch nachgeburtliche Einflüsse werden zwar nicht die Gene, wohl aber ihre Ausprägung verändert. Beispielsweise werden die Gene chemisch neu markiert. Diese Phänomene gehören zur sogenannten Epigenetik (»epi« ist das griechische Wort für »außerdem«). Es wird mittlerweile vermutet, dass diese veränderten Ausprägungen auch an die nächste Generation vererbt werden können. Insbesondere Stress, Unterernährung und körperliche oder seelische Vernachlässigung stehen im Verdacht, Genveränderungen zu provozieren,

die an den Nachwuchs weitergegeben werden können. Diese Erkenntnisse eröffnen spannende Chancen für die Resilienzforschung. In einer 2012 veröffentlichten Studie konnten Wissenschaftler des Münchener MaxPlanck-Instituts für Psychiatrie zeigen, dass Stress im Kindesalter zu einer epigenetischen Veränderung führt. Die Forscher untersuchten mehr als 1.900 Afroamerikaner, die in früher Kindheit schweren Traumatisierungen ausgesetzt waren. Ein Drittel der Betroffenen zeigte als Folge des Traumas eine deutlich gesteigerte Aktivität eines Gens, das für die Stresshormonspirale (siehe Kapitel 2) mitverantwortlich ist. Der Stress in der Kindheit löste eine biochemische Veränderung aus, die dauerhaft im genetischen Gedächtnis gespeichert wurde. Dadurch waren die Betroffenen besonders anfällig dafür, dass ihre Stresshormonspirale entgleist. Sie wurden im späteren Leben nur schlecht mit weiteren schwierigen Situationen und Lebenskrisen fertig. Bei Folgebelastungen erkrankten sie deutlich häufiger an körperlichen oder seelischen Leiden. Dass Erfahrungen vererbt werden, konnte im Tierversuch schlüssig nachgewiesen werden: Mäuse, die gelernt hatten, dass sie an bestimmten Orten Stromschläge erhalten, vererbten dieses Wissen an ihre neugeborenen Nachkommen, ohne dass sich ihr Genmaterial messbar verändert hätte. Es wird daher angenommen, dass nicht nur die DNA (Desoxyribonukleinsäure – daraus bestehen die Chromosomen) für die Vererbung verantwortlich ist, sondern dass es noch weitere Erbinformationen gibt, die im Lauf des Lebens durch Umweltfaktoren verändert und an die nächste Generation weitergegeben werden können. Die Forschung verspricht hier spannende neue Erkenntnisse, die eines Tages sicherlich auch für die Förderung der Resilienz nutzbar sein werden. Forscher haben im Tierexperiment die Vererbung über zwei Generationen nachweisen können: Sie setzten Mäuse einem Geruchsstoff namens Acetophon aus und verpassten ihnen dann leichte Stromstöße. Schon nach kurzer Zeit bewirkte allein dieser Geruch, dass die Mäuse erstarrten, weil sie einen Stromstoß erwarteten. Die direkten Nachkommen dieser Mäuse erkannten Acetophon als potenziell gefährlich – schon wenn sie ihn zum ersten Mal rochen. Besonders erstaunt waren die Forscher darüber, dass auch die zweite Generation der Mäuse diesen einen Geruchsstoff als irritierend empfand. Die Mäusegroßeltern hatten den Lernerfolg Acetophon = Gefahr also an ihre Kinder und Enkel weitervererbt. In den Gehirnen aller beteiligten Generationen fand man eine erhöhte Zahl von Rezeptoren (Empfängern) für Acetophon. Vermutlich schädigen traumatische Erlebnisse die Erbfaktoren eines Menschen besonders stark, wenn sie schon in früher Kindheit erlebt werden. Die genetischen Veränderungen von traumatisierten Kindern bleiben nach bisherigen Erkenntnissen ein Leben lang

bestehen. Hier helfen psychotherapeutische Verfahren, um die Traumafolgen zu lindern (siehe Kapitel 6). Zwar lassen sich dadurch die genetischen Schäden nicht rückgängig machen, aber der Umgang mit dem Trauma kann verbessert werden. Je mehr die Wissenschaftler über biochemische Prozesse im Gehirn von traumatisierten Menschen lernen, desto größer ist die Hoffnung, dass eines Tages Verfahren oder Medikamente entwickelt werden können, um die durch ein Trauma entstandenen Schäden zu mildern oder ganz aufzuheben.

Kapitel 11

Kinder stark machen IN DIESEM KAPITEL Kinder ihrer Persönlichkeit entsprechend fordern und fördern Resilienzerziehung als Lebensaufgabe Krisen in der Familie gemeinsam meistern Resilienzübungen für die ganze Familie

72 Hawaiianer des Geburtsjahrgangs 1955 lieferten den Beweis: Auch wer als Kind in schwierigste soziale Verhältnisse hineingeboren wird, kann ein glückliches, erfolgreiches und gesundes Leben führen – unter der Voraussetzung, dass einige Rahmenbedingungen seine Persönlichkeitsentwicklung fördern. Zu diesen Schutzfaktoren gehören stabile emotionale Bindungen, Intelligenz, Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeitserwartung. Die Fähigkeit, vorauszudenken und Pläne zu machen, schützt in Krisensituationen ebenfalls vor einem Zusammenbruch. Die Kauai-Studie (siehe Kapitel 1), die weltweit größte und am längsten laufende Resilienzuntersuchung, bietet viele Ansatzpunkte für eine resilienzfördernde Erziehung. Wer sein Kind stark machen möchte, damit es die Wechselfälle des Lebens gut durchsteht, sein Potenzial ausschöpft und selbst wiederum resiliente Kinder erziehen kann, findet in diesem Kapitel konkrete Tipps und Hinweise.

Fordern und fördern – die Mischung macht’s In die Kauai-Studie wurden insgesamt 698 Kinder eingeschlossen: Zwei Drittel von ihnen lebten in einer stabilen sozialen Umgebung, ein Drittel hatte alleinerziehende, kranke, drogensüchtige, kriminelle oder arbeitslose Eltern. Von diesem unterprivilegierten Drittel wiederum wurden zwei Drittel der Betroffenen (129 Kinder) selbst krank, kriminell, arbeitslos oder drogensüchtig. Ein Drittel, also 72 Studienteilnehmer, lebte im Erwachsenenalter hingegen in einer stabilen Partnerschaft, hatte ein geregeltes Einkommen und zum Teil auch eigene Kinder. Diese 72 Menschen hatten zwar bereits in jungen Jahren viele Krisen erlebt und waren mit existenziellen Problemen konfrontiert worden, doch sie alle hatten eines gemeinsam: In ihrem engeren oder weiteren Umfeld gab es eine oder mehrere Personen, die sich intensiv um sie kümmerten, bei Schwierigkeiten Unterstützung gaben und eine stabile Bindung aufrechterhielten. Darüber

hinaus hatten die meisten von ihnen früh Verantwortung übernehmen können, waren intelligent und freundlich und hatten gelernt, Pläne zu machen und diese konsequent umzusetzen. Diese Kinder, die sich durch eine hohe Krisenfestigkeit auszeichneten, waren also einerseits stark gefordert worden, weil sie sich in teils dramatischen Situationen bewähren mussten. Andererseits hatten sie Förderung genossen, weil sich jemand für sie interessierte und einsetzte. In einer guten Mischung aus Forderung und Förderung durch eine verlässliche Bindungsperson liegt einer der Schlüssel zur Resilienzerziehung, denn Kinder brauchen sowohl Leistungsanreize als auch Schutzzonen. Solange sie sich darauf verlassen können, dass ihre Beziehungsperson zuverlässig für sie da ist und hinter ihnen steht, sind sie wissbegierig, unternehmungslustig und mutig. Sobald sie aber spüren, dass sie auf sich alleingestellt sind oder gar im Stich gelassen beziehungsweise vernachlässigt werden, ziehen sie sich zurück und trauen sich nichts mehr zu. Ob ein Kind sichere oder unsichere Bindungserfahrungen gemacht hat, kann man bereits im Alter von elf bis achtzehn Monaten am Verhalten in einer fremden Situation ablesen: Kinder mit einer sicheren Bindung fangen an zu weinen, wenn ihre Bezugsperson den Raum verlässt. Sie lassen sich aber von einem anderen Erwachsenen trösten und fangen an mit ihm zu spielen oder die Umgebung zu erkunden. Wenn die Bezugsperson wiederkommt, freuen sie sich und laufen ihr entgegen. Unsicher gebundene oder gar vernachlässigte Kinder zeigen eine der folgenden drei Reaktionsweisen, wenn ihre Bezugsperson den Raum verlässt: Sie wirken unbeeindruckt, spielen überwiegend allein und ignorieren die Bezugsperson, wenn sie zurückkehrt (unsicher-vermeidende Bindung). Oder sie sind durch den Weggang der Bezugsperson total verunsichert, weinen und schreien, lassen sich kaum beruhigen oder ablenken und zeigen bei der Rückkehr der Bezugsperson abwechselnd aggressives und anklammerndes Verhalten (unsicher-ambivalente Bindung). Die dritte Reaktionsmöglichkeit ist bizarres Verhalten, wenn die Bezugsperson den Raum verlässt, also beispielsweise Erstarren, Schaukeln, Suchen nach und gleichzeitig Ablehnen von Nähe (desorganisierte Bindung). Die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes und damit die Grundsteinlegung für seine individuelle Resilienz beginnen bereits vor der Geburt und sind einerseits durch den individuellen genetischen Bauplan festgelegt. Andererseits werden sie vom ersten Lebenstag an durch Umwelteinflüsse geprägt. Abhängig von ihren Entwicklungsphasen brauchen Kinder altersentsprechende Herausforderungen, um wachsen und gedeihen zu können.

Säuglinge und Kleinkinder: spielerisch lernen Zwischen dem ersten und sechsten Lebensjahr liegen die besonders sensiblen Phasen der Persönlichkeitsentwicklung: Bereits Neugeborene verfügen über die Möglichkeit, ihre

Gefühle auszudrücken. Sie können Wohlbefinden und Missempfinden durch Mimik, Gestik und Geräusche deutlich machen. Im ersten Lebensjahr bildet sich das Urvertrauen aus, wenn Säuglinge eine sichere Bindung erfahren und sich darauf verlassen können, dass angemessen und liebevoll für sie gesorgt wird. Säuglinge können ihre Gefühle nur im Austausch mit ihrer Bezugsperson regulieren, wenn diese einfühlsam auf die Gefühlsäußerungen des Babys eingeht, negative Äußerungen (beispielsweise bei Hunger, Kälte, Angst, Schmerzen) richtig interpretiert und umgehend für Abhilfe sorgt. Die Bezugsperson nimmt die Gefühle des Kindes also auf, verarbeitet sie und gibt sie zurück. Dadurch erleben Säuglinge, dass Wohlbefinden ein angenehmer und erreichbarer Zustand ist, und sie lernen, ihre Gefühle auch selbst auszuhalten und zu regulieren. Sie können in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahrs sehr genau zwischen ihren Bezugspersonen und fremden Menschen unterscheiden, was sich mit dem typischen Fremdeln (Wegschauen, Anklammern, Weinen) zeigt. Im zweiten und dritten Lebensjahr differenziert sich die Selbstwahrnehmung der Kleinkinder. Sie lernen, sich sprachlich auszudrücken und die Welt zu erkunden. Sie versuchen, ihre Bedürfnisse selbst zu befriedigen, und erleben Grenzen und Konflikte. Die Bezugsperson ist für die Kinder lebensnotwendig und sie reagieren sehr sensibel auf Anerkennung und Strafe. In dieser Zeit stoßen die Kinder mit ihrem Eroberungsdrang immer wieder auf Ablehnung, weil sie sich oder andere unwillentlich in Gefahr bringen. Dadurch entstehen Konflikte, die die Kinder einerseits stark verunsichern, weil sie geliebt werden möchten, die aber andererseits auch dringend notwendig sind, damit die Kinder lernen, Grenzen zu akzeptieren und sich an Regeln zu halten. Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, postulierte fünf Phasen der Persönlichkeitsentwicklung: die orale Phase (erstes Lebensjahr), in der das Kind sich über seinen Mund Befriedigung und Spannungsabbau verschafft; die anale Phase (zweites und dritten Lebensjahr), in der das Kind lernt, seine Körperfunktionen zu kontrollieren; die phallische Phase (viertes und fünftes Lebensjahr), in der das Kind die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen kennenlernt und Lustempfinden an seinen Genitalien erfährt; die Latenzphase (sechstes bis zwölftes Lebensjahr), in der die sexuelle Entwicklung stagniert und das Kind sich an die Umweltanforderungen anpasst; die genitale Phase (ab dem dreizehnten Lebensjahr), in der sich eine schnelle körperliche und geistige Entwicklung vollzieht und der Jugendliche sich an das andere Geschlecht annähert. Nach Freuds Modell wurzeln alle seelischen Erkrankungen in einer Störung der genannten Entwicklungsphasen. Spätestens mit drei Jahren gehen viele Kinder in den Kindergarten und die Erziehungsverantwortung wird zunehmend auch von familienfremden Erwachsenen mit übernommen. Diese Bezugspersonen spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle in der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. In dieser Zeit erleben die Kinder sehr deutlich, dass sie eine eigenständige Person sind. Dies drückt sich insbesondere darin aus, dass sie

von sich selbst als »Ich« sprechen. Im vierten Lebensjahr lernen Kinder, aktiv Beziehungen aufzunehmen und zu vertiefen, sich in eine Gemeinschaft zu integrieren und ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Etwa im fünften Lebensjahr entwickeln sie aber auch die typischen Ängste, beispielsweise vor der Dunkelheit, vor dem Alleinsein, vor Monstern oder dem bösen Wolf. Mit dem Ende der Kindergartenzeit erleben Kinder im sechsten Lebensjahr, dass es Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen gibt, dass sie sich durch Berühren ihrer Geschlechtsorgane Lustgefühle verschaffen können und dass sie sich in ihrer Fantasie eigene Welten erschaffen können. Vorschulkinder fragen den Erwachsenen buchstäblich Löcher in den Bauch. Sie spielen mit großer Hingabe und vergessen dabei Zeit und Raum. Jeden Tag lernen sie Neues, sie sind aktiv, neugierig und kreativ. Der Kontakt mit anderen Kindern ist für die Persönlichkeitsentwicklung sehr wichtig. Hat ein Kind keine Geschwister, empfiehlt es sich, schon frühzeitig alle Möglichkeiten zu nutzen, damit es regelmäßig mit Kindern ähnlichen Alters zusammen ist. Stillgruppen, Spiel- und Sportangebote schon für die Kleinsten, Krippen, Kindertagesstätten und Kindergärten, Familienangebote und Angebote in der Nachbarschaft geben zahlreiche Chancen, dass auch Einzelkinder die Gemeinschaft mit anderen Kindern erleben. Fordern und fördern heißt in den ersten sechs Lebensjahren, Kindern eine verlässliche Bindung zu bieten, auf ihre Bedürfnisse einzugehen, ihnen altersgerechte Aufgaben zu geben, damit sie Erfolgserlebnisse haben, ihre Fragen zu beantworten und ihrem Forscherdrang Raum zu geben. Kinder brauchen klare Grenzen und konsequente Regeln, damit sie eine Struktur erleben und merken, dass sie Teil einer Gemeinschaft von Menschen sind, die nur dann funktioniert, wenn Regeln eingehalten werden. Kinder müssen lernen, »mein« und »dein« zu unterscheiden. Sie brauchen die Erfahrung, dass ihre Freiheit dort endet, wo die Freiheit eines anderen Menschen beginnt – und gleichzeitig auch, dass ihre Freiheit von anderen respektiert wird.

Mittlere und späte Kindheit: Hinaus ins Leben Die vier bis sechs Grundschuljahre sind ebenfalls eine wichtige Zeit für die Persönlichkeitsentwicklung. Im Alter von sechs Jahren verändert sich das Denken des Kindes weg vom Magischen hin zum Realistischen. Es lernt, sich selbst zu steuern, auf andere Menschen Rücksicht zu nehmen und sich einzufügen. Es erlebt Frustration und Erfolg, Kränkung und Bestätigung, Zurückweisung und Angenommensein. Sprache und Kommunikationsfähigkeit werden in dieser Zeit immer differenzierter und das Kind kann zunehmend die Perspektive wechseln, sich also in andere Menschen hineindenken und fühlen. Es übernimmt Verantwortung für sich und andere, strengt sich an, um Neues zu erlernen, und kann das Gefühl genießen, nützlich zu sein. Kinder wollen im Grundschulalter gern an der Welt der Erwachsenen teilhaben, die Realität verstehen und

bewältigen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernen, um erfolgreich und sinnvoll handeln zu können. Je weiter ihre intellektuelle Entwicklung voranschreitet, desto mehr entwickelt sich auch ihr Moralempfinden. Grundschulkinder sind zwar noch nicht besonders gut in der Lage, sich selbst zu reflektieren und logisch zu denken, doch diese Fähigkeiten entwickeln sich stetig weiter und können von den Erwachsenen gefördert und unterstützt werden. Von den Kindern wird in dieser Lebensphase viel gefordert: Sie lösen sich langsam vom Elternhaus, erproben ihre Fähigkeiten, müssen sich in Gruppen einordnen und Regeln beachten, Leistung erbringen und mit Enttäuschungen zurechtkommen. Förderung brauchen sie daher insbesondere bei der Frustrationstoleranz. Eltern und andere Bezugspersonen, die das Kind liebevoll und aufmerksam begleiten, können ihm dabei helfen, mit Rückschlägen, Schwierigkeiten und Misserfolgen umzugehen, ohne ihm alle Steine aus dem Weg zu räumen. Da die Selbstwirksamkeitserwartung ein wichtiger Resilienzfaktor ist, sollten Kinder gerade im Grundschulalter die Chance bekommen, Probleme selbst zu lösen.

Pubertät und junges Erwachsenenalter: Grenzen respektieren Heutzutage sind Kinder zum Teil schon mit etwa neun Jahren in der Vorpubertät. Spätestens mit elf oder zwölf Jahren setzen einschneidende körperliche und seelische Veränderungen ein: Die Kinder werden größer und oft setzt ein erheblicher Wachstumsschub ein. Die Geschlechtsorgane bilden sich aus, die Behaarung nimmt zu, Jungen bekommen ihren ersten Samenerguss und Mädchen die erste Regelblutung. Die Zugehörigkeit zu Gruppen Gleichaltriger (die sogenannten Peergroups) wird immer wichtiger und die Jugendlichen grenzen sich immer deutlicher von den Erwachsenen ab. Sie stellen die Werte und Normen der Gesellschaft infrage, streben nach Autonomie und sind oft erheblichen Stimmungsschwankungen unterworfen (himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt). Die Jugendlichen fangen an, über sich selbst nachzudenken und ihre Eigenschaften zu bewerten. Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle sind an der Tagesordnung. In dieser Phase entwickeln sich insbesondere das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein weiter. Jugendliche brauchen in dieser Zeit vor allem die Möglichkeit, sich auszuprobieren und abzugrenzen. Sie benötigen Freiräume und gleichzeitig ihrem Alter entsprechende Anforderungen, damit sie ihr Selbstwirksamkeitserleben ausbauen können. Die Erziehung sollte von Verständnis, Klarheit und Konsequenz geprägt sein. Lukas Beier ist vierzehn und interessiert sich nur noch für Computerspiele. Schule, Sport, Familienleben – all das scheint ihm völlig egal geworden zu sein. Er verbringt jede freie Minute vor dem Bildschirm mit Spielen und Mitspielern in der ganzen

Welt. Seine Eltern machen sich deshalb Sorgen und versuchen, ihn mit vernünftigen Argumenten davon zu überzeugen, dass die Schule wichtiger ist als Computerspiele. Diesen Argumenten ist Lukas allerdings nicht zugänglich. Er findet die Schule öde und seine Mitschüler uncool. Lange Diskussionen ändern nichts an seiner Einstellung. Daher greifen seine Eltern zu einem Verstärkerkonzept: Lukas bekommt Computerzeiten im Tausch gegen erledigte Aufgaben. Es ist zwar mühsam für Eltern Beier, die Hausaufgaben und sonstigen Tätigkeiten von Lukas nachzuhalten und Buch zu führen über die vereinbarten Computerzeiten, aber der Aufwand lohnt sich: Nach anderthalb Jahren, als Lukas in die Oberstufe kommt, haben die Computerspiele ihren Reiz verloren, Lukas engagiert sich in der Schülerverwaltung und seine Noten sind einwandfrei. In Deutschland sind Jugendliche mit 18 Jahren voll geschäftsfähig und mit 21 strafmündig. Die Entwicklungspsychologie hat gezeigt, dass das kognitive Lernen, also das Lernen durch Einsicht, erst mit 21 Jahren voll ausgebildet ist. Vorher – also auch wenn man meint, längst einen jungen Erwachsenen vor sich zu haben – kommen noch die eher kindlichen Lernmethoden zum Tragen, beispielsweise Lernen am Modell, Lernen durch Verstärker (Konditionierung), Imitations- und Identifikationslernen. Nach Abschluss der Pubertät brauchen junge Erwachsene demnach noch einige Jahre, um mit allen Konsequenzen selbstbestimmt leben zu können. Sie benötigen Menschen, die ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen, ihre Fragen mit ihnen diskutieren und im Notfall Unterstützung leisten. Neben den primären Bezugspersonen, also insbesondere den Eltern, werden Lehrer, Mentoren und Vorbilder immer wichtiger.

Kinder können mehr In früheren Zeiten waren die Familien groß: Ein Elternpaar hatte viele Kinder, die schon früh im Haushalt und Betrieb mit anpacken mussten. Die Erziehung wurde kaum hinterfragt; tradierte Normen und Werte wurden von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Die Kinder wurden von Eltern, Großeltern und älteren Geschwistern versorgt. Im Nachkriegsdeutschland, genau wie in ganz Mitteleuropa, sind die Familien in den letzten Jahrzehnten immer kleiner geworden. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau lag 2013 in der Europäischen Union bei 1,55 – in Deutschland sogar bei nur 1,38, in Österreich bei 1,44 und in der Schweiz bei 1,53. Gleichzeitig lösen sich die Familienverbände auf, das Alter der Erstgebärenden steigt, die Zahl der Scheidungen ist hoch und immer mehr Kinder wachsen bei alleinerziehenden Elternteilen auf. Dadurch entstehen ganz unterschiedliche Herausforderungen: Viele Kinder haben jahrelang nur eine einzige Bezugsperson. Männliche Rollenvorbilder fehlen. Das Kind wird zum Sinnstifter im Leben seiner Eltern.

Manche Kinder werden von sogenannten Helikopter-Eltern überbehütet, andere werden vernachlässigt. Der Aktionsradius eines Kindes wird insbesondere in der Stadt immer enger. Es stehen immer weniger Gleichaltrige als Spielkameraden zur Verfügung. In anderen Teilen der Welt sind die Probleme völlig anders geartet: Jährlich sterben fast drei Millionen Kinder unter fünf Jahren an den Folgen des Hungers, jedes vierte Kind weltweit ist chronisch unterernährt. In 50 Krisenländern der Welt brauchen 59 Millionen Kinder dringend humanitäre Hilfe, um überleben zu können. Jedes zehnte Kind wächst weltweit in einem Kriegsgebiet auf. 132 Millionen Kinder weltweit gehen nicht zur Schule. Junge Menschen unter 25 Jahren machen weltweit fast 40 Prozent der 200 Millionen Arbeitslosen aus. Die Persönlichkeit jedes Kindes ist durch sein Genmaterial bereits vor der Geburt festgelegt. Die Rahmenbedingungen, unter denen es aufwächst, prägen die unterschiedlichen Anteile seiner Persönlichkeit jedoch stark mit, haben Einfluss auf sein Glücksempfinden und seinen Umgang mit den eigenen Stärken und Schwächen. Das Fünf-Faktoren-Modell stammt aus der Persönlichkeitspsychologie und gibt Auskunft über die individuelle Ausprägung der Dimensionen Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, Neurotizismus und Introversion/Extraversion. Diese Persönlichkeitsfaktoren, auch Big Five genannt, sind stabil und weitgehend unabhängig von der kulturellen Herkunft eines Menschen. Einen kostenlosen Big-Five-Persönlichkeitstest gibt es im Internet beispielsweise unter www.psychomeda.de. Die angeborenen Resilienzfaktoren sorgen dafür, dass Kinder unter schwierigen Bedingungen gut überleben können. Interessanterweise blühen Menschen, die wenig angeborene Resilienzfaktoren haben, unter förderlichen Umweltbedingungen besonders auf, während sie in Krisensituationen mehr leiden als andere. Daraus leitet sich für Menschen, die Verantwortung für ein Kind haben, folgende Regel ab: Ist ein Kind aufgrund seiner Persönlichkeitseigenschaften offensichtlich resilient, also eher eine Kämpfernatur (»warrier« von englisch »war« – Krieg), so kann man ihm viel zutrauen und sich darauf verlassen, dass es unter Krisenbedingungen zur Hochform auflaufen wird. Ist ein Kind von Natur aus jedoch eher anfällig und zartbesaitet, also ein Zauderer oder Angsthase (»worrier« von englisch »to worry« – sich Sorgen machen), so braucht es besonders viel Unterstützung. Natürlich heißt dies im Umkehrschluss nicht, dass kindliche

Kämpfernaturen keine Unterstützung brauchen würden – auch sie profitieren von förderlichen Rahmenbedingungen und können ihre Resilienz in einem positiven Umfeld weiter ausbauen. In Tierversuchen wurde die große Bedeutung der frühen Fürsorge für die Entwicklung nachgewiesen: Kanadische Forscher stellten fest, dass Ratten, die als Babys von ihren Ratteneltern nicht genügend umsorgt wurden, im weiteren Leben deutlich empfindlicher auf Stress reagierten als gut gepflegte Artgenossen. Die Forscher setzten sie beispielsweise in kaltes Wasser und beobachteten, dass die wenig umsorgten Ratten kaum versuchten, sich aus der unangenehmen Situation zu befreien. Außerdem waren die vernachlässigten Ratten, sobald sie Nachwuchs bekamen, selbst wenig fürsorgliche Eltern und kümmerten sich wenig um ihre Rattenbabys. Vernachlässigung kann also offensichtlich von Generation zu Generation weitergegeben werden.

An Herausforderungen wachsen Es ist oft erstaunlich, dass Kinder schier unglaubliche Schicksalsschläge überstehen und trotzdem gedeihen: Krieg und Hunger, Seuchen und Gewalt, Armut und Mangel haben die Menschheit bis heute nicht aussterben lassen. Unsere Spezies ist auf Überleben programmiert und unsere genetische Ausstattung sorgt dafür, dass die Menschheit weiterlebt. Kinder und Jugendliche, denen früh Verantwortung übertragen wird und die eine zuverlässige Selbstwirksamkeitserwartung aufbauen können, sind in der Regel gut gewappnet gegen den Zusammenbruch in einer Krise. Wenn sie darüber hinaus noch lernen, ihre Gefühle wahr- und ernst zu nehmen, sich Auszeiten zu gönnen und ihre Kräfte gut einzuteilen, kann sie im Leben nicht mehr viel erschüttern. Die beste Zeit, um solche Prozesse zu erlernen, ist die Kindheit. Kinder ahmen Vorbilder nach und lernen am Modell – wenn sie Eltern, Verwandte, Lehrer und Freunde haben, die als Rollenvorbilder dienen können, werden sie deren Beispiel folgen. Es ist sinnvoll, Kindern zuzutrauen, dass sie Probleme altersentsprechend lösen und Herausforderungen bewältigen können. Konkrete Hinweise dazu finden Sie weiter hinten in diesem Kapitel. Die Persönlichkeitsentwicklung ist ein hochkomplexer Prozess, der mit der Befruchtung einer Eizelle durch eine Samenzelle beginnt, erst mit etwa 21 Jahren weitgehend gefestigt ist und sich lebenslang fortsetzt. Obwohl mittlerweile zahlreiche entwicklungsfördernde und entwicklungshemmende Faktoren bekannt sind, möchte ich vor der durchaus verführerischen Vereinfachung warnen: Es sind niemals nur Einzelfaktoren, die einem Kind schaden oder nutzen, sondern immer Verflechtungen von Einflüssen aus Genetik, Umwelt, Lebensstil und

gesellschaftlichen Bedingungen. Auch wenn immer wieder einzelne Forschungsergebnisse hervorgehoben und daraus Ratschläge für Schwangere und Eltern abgeleitet werden, so sollte die individuelle Entwicklung dennoch differenziert betrachtet werden. Familien sind regelmäßig problematischen Situationen ausgesetzt: Angefangen von den kleinen Alltagssorgen über Konflikte und Missverständnisse bis hin zu existenziellen Krisen – kein Familienleben ohne Herausforderungen. Diese gemeinsam zu meistern und mit vereinten Kräften zu überwinden, ist das beste Resilienztraining für Kinder und Jugendliche. Wenn sie sich eingebunden fühlen in ihr Familiensystem, wenn sie erleben, dass sie eine wichtige Rolle spielen dürfen, und wenn sie für ihren Beitrag zur Problemlösung gelobt und anerkannt werden, entwickeln sie sich in der Regel zu krisenfesten Persönlichkeiten. Auch für Kinder und Jugendliche sind die sieben Säulen der Resilienz notwendig, um in schwierigen Situationen nicht zu verzagen, sondern an den Herausforderungen zu wachsen: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege, Zukunftsplanung. Diese Säulen werden im Laufe der Kindheit und Jugend sozusagen Stein für Stein aufgebaut und gefestigt. Je tragfähiger sie sind, desto resilienter ist die Person. Eltern und andere Erziehende können sich an diesen Säulen orientieren, um Kindern das Rüstzeug für ein erfolgreiches, zufriedenes und produktives Leben mitzugeben. Resilienzübungen für Kinder und Jugendliche finden Sie weiter hinten in diesem Kapitel.

Schwierige Bedingungen gut meistern Die Kauai-Studie hat gezeigt, dass sich Kinder auch trotz schwierigster Ausgangsbedingungen gut entwickeln können, wenn sie gefördert und unterstützt werden. Können die Eltern ihre Rolle als Hauptbezugspersonen nicht wahrnehmen, weil sie krank, süchtig oder abwesend sind, brauchen Kinder verlässliche Bezugspersonen außerhalb der Kleinfamilie. Dies können Großeltern, andere Verwandte, Nachbarn, Erzieher, Lehrer oder ältere Freunde sein. Wichtig ist, dass diese Menschen dem Kind über einen längeren Zeitraum zur Seite stehen und für das Kind da sind. Die Bindungserfahrung, die ein elternloses Kind dann machen kann, ist lebenswichtig. Sie fördert die Resilienzentwicklung und Selbstwirksamkeitserwartung. Manche Kinder leisten

Erstaunliches, wenn sie moralische Unterstützung von außen bekommen: Sie erbringen gute Schulleistungen, passen auf jüngere Geschwister auf, erledigen Haushaltstätigkeiten und übernehmen manchmal sogar Verantwortung für ihre eigenen Eltern. Neben stabilen zwischenmenschlichen Beziehungen brauchen Kinder, die in schwierigen Verhältnissen aufwachsen, aber unbedingt auch die Gelegenheit Kind zu sein. Sie benötigen Zeit zum Spielen, gleichaltrige Ansprechpartner, Unbeschwertheit und Raum zum Toben. Menschen, die unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen sind und selbst über wenig Resilienz- und Schutzfaktoren verfügen, brechen unter ihrer Last möglicherweise zusammen, wenn sie weitere Krisen oder Katastrophen erleben. Doch jede Krise kann die Chance bieten, zu wachsen, denn auch Menschen mit geringer Resilienz können sich weiterentwickeln. Und selbst wenn die Stressverarbeitung gestört ist, bieten Medizin, Psychotherapie und Verhaltenstraining die Möglichkeit, die Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und die Resilienz zu steigern. Der deutsche Neurologe Florian Holsboer und die amerikanische Neurowissenschaftlerin Rachel Yehuda untersuchten 40 Menschen, die den Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York miterlebt hatten. 20 von ihnen waren fünf Jahre nach dem Anschlag an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkrankt, die anderen 20 nicht. Bei allen PTBS-Patienten waren bis zu 25 Gene messbar verändert, darunter insbesondere diejenigen Gene, die für die Steuerung des Stresshormonkreislaufs zuständig sind. Die epigenetischen Veränderungen, die für eine Hemmung oder Aktivierung verschiedener Erbinformationen sorgen (Näheres dazu in Kapitel 10), können vererbt werden und dazu führen, dass die Kinder von Terroropfern ebenfalls unter einer gestörten Stressverarbeitung leiden. Wenn abzusehen ist, dass ein Kind oder Jugendlicher in Krisensituationen nicht über ausreichend Ressourcen verfügt, um unbeschadet über die Schwierigkeiten hinwegzukommen, ist professionelle Hilfe erforderlich. Diese zielt ab auf Schutz, Hilfe bei der Verarbeitung von Krisen, Ausbau der inneren und äußeren Ressourcen und Erweiterung des sozialen Netzes. Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche in Not gibt es bei der Telefonseelsorge, beim Kinderschutzbund, bei den städtischen Jugendämtern, bei Beratungsstellen der Kirchen und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Erziehung zur Resilienz Kindern, die von Geburt an über Schutzfaktoren verfügen, die sie krisenfest machen (Näheres dazu in Kapitel 10), kann man frühzeitig Verantwortung übertragen, man kann

sie Probleme eigenständig lösen lassen und darauf vertrauen, dass sie sich durchbeißen werden. Dennoch sollte man aufmerksam bleiben und diesen Kindern verdeutlichen, dass sie sich Hilfe holen dürfen und nicht allein sind. Es fördert ihre Selbstständigkeit, wenn die Erwachsenen sich zunächst zurückhalten und das Kind darin bestärken, dass es Lösungen finden wird. Wenn dann aber abzusehen ist, dass die Probleme zu groß oder zu ungewohnt sind, sollten die Erziehenden dem Kind mit Rat und Tat zur Seite stehen. Hat das Kind eine schwierige Situation erfolgreich gelöst beziehungsweise sich angestrengt, eine Lösung zu finden, hat es Lob und Anerkennung verdient. So entwickelt es zunehmend Selbstvertrauen und wird mutig und selbstbewusst. Kinder, die eher zartbesaitet oder ängstlich sind, brauchen viel Schutz und geduldige Unterstützung. Als Erziehender sollte man solchen Kindern Raum geben, in ihrem eigenen Tempo Problemlösefähigkeiten zu entwickeln. Sätze wie »Das schaffst du schon« oder »Zähne zusammenbeißen« wirken eher kontraproduktiv, wenn ein wenig resilientes Kind verzagt. Besser ist es, das Problem gemeinsam anzugehen und das Kind anzuleiten, wie es Lösungen finden kann. Wachsen Kinder mit wenig angeborener Resilienz in einer geschützten Atmosphäre auf, in der sie nicht überfordert, sondern stetig gefördert werden, blühen sie besonders auf. Im späteren Leben sind sie dann zumeist besonders widerstandsfähig.

Altersentsprechende Anforderungen stellen Kinder sind neugierig und lernbegierig und brauchen sowohl Förderung als auch Forderung. Es liegt in der Verantwortung der Erziehenden, Kindern altersentsprechende Förderung angedeihen zu lassen und sie ihrer Persönlichkeit gemäß zu fordern. Die folgenden Hinweise geben eine grobe Richtschnur für altersentsprechende Anforderungen, sollten aber individuell an jedes Kind angepasst werden, denn die Kindesentwicklung verläuft sehr unterschiedlich. Die sieben Säulen der Resilienz (siehe weiter vorn in diesem Kapitel) sind dabei die Eckpfeiler der Förderung durch Eltern und Erziehende. Im ersten Lebensjahr brauchen Kinder vor allem Liebe, Wärme, Nahrung, Körperpflege, Sicherheit und Schutz. Sie äußern ihre Bedürfnisse, indem sie schreien, weinen oder wimmern. Kein Kind schreit ohne Grund oder gar, um seine Eltern zu ärgern – lassen Sie sich nicht von der Großelterngeneration irritieren, die Ihnen möglicherweise rät, Ihr Kind schreien zu lassen. Versuchen Sie herauszufinden, wie Ihr Kind schreit, wenn es hungrig, nass, ängstlich, müde oder gelangweilt ist oder wenn es Schmerzen hat, denn es verfügt über verschiedene Tonlagen und Äußerungsmöglichkeiten. Wenn es von Anfang an erlebt, dass seine Bedürfnisse ernst genommen und befriedigt werden, kann es Urvertrauen und eine stabile Persönlichkeit entwickeln – Grundvoraussetzungen für Optimismus und Akzeptanz. Es lernt, dass Unlustgefühle vorübergehen und dass es Einfluss auf die Menschen in seiner Umgebung nehmen kann. Dies wiederum fördert seine Selbstwirksamkeitserwartung. Schon ganz kleine Kinder möchten ihre Umwelt

kennenlernen. Bieten Sie Ihrem Kind daher schon im ersten Lebensjahr Anregung, ohne es mit Reizen zu überfluten. Musik, Licht, Spielzeug und Greiflinge sind für dieses Alter geeignet, um dem Kind Lernmöglichkeiten zu geben. Ganz wichtig für eine gesunde Säuglingsentwicklung ist Körperkontakt – Studien haben gezeigt, dass Kinder, die viel gestreichelt werden und viel Hautkontakt haben dürfen, erfolgreicher und glücklicher werden als Kinder, deren Tastsinn nicht gefördert wurde. Im zweiten und dritten Lebensjahr erkunden Kinder ihre Umgebung neugierig und aktiv. In dieser Zeit brauchen sie noch besonders viel Aufsicht, da sie sich in Gefahr bringen können, ohne dies zu merken oder zu wollen. Sie brauchen Anregung, Freiheit und ausreichend Aufmerksamkeit. Besonders gern erforschen sie die Wohnung und ahmen nach, was die Großen tun. Kinder mit ausgeprägtem Forscherdrang sollten einen stetig wachsenden Aktionsradius bekommen, während ängstlichere Kinder die Nähe zu ihren Eltern suchen und mehr Schutz brauchen. So wird die Handlungsfähigkeit des Kindes unterstützt. Kleine Kinder, die eine zuverlässige Bindung an ihre Eltern oder Primärbezugspersonen erlebt haben, können gut damit umgehen, wenn sie im Tagesverlauf von unterschiedlichen Personen beaufsichtigt werden. Kindertagesstätten oder Tagesmütter bieten gute Möglichkeiten, dass Eltern ihr Familien- und Berufsleben vereinbaren können. Wenn Eltern einen Teil ihrer Erziehungsverantwortung abgeben, sollten möglichst einheitliche Vorstellungen über die Erziehungsmethoden bestehen. Sprechen Sie sich mit den Großeltern oder der Tagesmutter gut ab, informieren Sie sich über das Erziehungskonzept von Kindergarten oder Kindertagesstätte und halten Sie engen Kontakt zu den professionell Erziehenden, beispielsweise als Elternvertreter. Spätestens ab dem dritten oder vierten Lebensjahr sollten Kinder viel Zeit mit Gleichaltrigen verbringen können, um Netzwerkpflege zu erlernen. Sie brauchen Freiraum, um ihre Interessen auszuleben und eigene Erfahrungen zu machen. Viele Probleme können sie schon selbst lösen, wenn sie wissen, dass sie im Zweifelsfall Unterstützung bekommen. Ihre Verantwortungsbereitschaft wird gefördert, wenn sie Aufgaben in Familie und Haushalt übernehmen dürfen und dafür gelobt werden. Wichtig ist, dass die Eltern und Erziehenden möglichst konsequent und berechenbar sind, damit die Kinder lernen, dass ihr Handeln Folgen hat, die sie selbst beeinflussen können. Nichts ist verwirrender für ein Kind, wenn sein Wohlverhalten mal gelobt, mal ignoriert oder mal abgewertet wird oder wenn sein Fehlverhalten mal drastische Strafen, mal ein Achselzucken oder mal überhaupt keine Reaktion nach sich zieht. Im Schulalter fangen die Kinder an, ihre Gegenwart und Zukunft eigenständig zu

gestalten. Dabei brauchen sie das Gefühl, dass die Erwachsenen ihnen vertrauen. Die Erziehenden sollten Leitplanken vorgeben, zwischen denen die Kinder sich frei bewegen können, denn einerseits brauchen sie klare Grenzen und berechenbare Konsequenzen, andererseits aber auch viel Freiheit und die Möglichkeit, sich selbst auszuprobieren. Es ist sinnvoll, Kindern unterschiedliche Angebote der Förderung zu machen und sie wählen zu lassen, wofür sie sich besonders interessieren. Oft brauchen sie dann aber auch noch ausreichend Rückendeckung und Unterstützung, damit sie ihre Interessen ausdauernd verfolgen lernen und sich von Schwierigkeiten oder Rückschlägen nicht dauerhaft entmutigen lassen. Pubertierende Kinder müssen lernen zu verlieren. Hilfreich dafür sind beispielsweise Mannschafts- oder Wettkampfsportarten. Hier messen sich die Jugendlichen und stellen fest, dass sie nicht alles besser können und nicht immer gewinnen werden. Gehen Sie mit zu Turnieren, feuern Sie Ihr Kind an, trösten Sie es, wenn es verliert – aber zeigen Sie ihm auch, dass Verlieren zum Leben dazugehört. Die Pubertät ist eine große Herausforderung sowohl für die Jugendlichen als auch für ihr Umfeld: Die Heranwachsenden suchen ihren Platz in der Welt, testen Grenzen, probieren sich aus, sind Stimmungs- und Hormonschwankungen unterworfen, provozieren und stellen Normen und Werte infrage. Viele Jugendliche können sich in dieser Zeit selbst nicht leiden, haben Minderwertigkeitsgefühle oder Existenzängste, fühlen sich nirgends zugehörig, sind labil und verletzlich. Manche suchen das Risiko, andere ziehen sich in den Weltschmerz zurück. Sie in dieser Zeit weiterhin liebevoll zu begleiten, ihnen Freiraum zu geben und trotzdem konsequent zu bleiben, ist für die Eltern und Erziehenden nicht einfach. Oft sind die Jugendlichen auch verletzend und brechen scheinbar grundlos Streitereien vom Zaun. Gerade dann ist die Souveränität der Erwachsenen gefordert: Den jungen Menschen immer eine Tür offen zu halten und einen sicheren Hafen zu bieten, ihnen aber gleichzeitig auch die Einhaltung von Familienregeln abzuverlangen, fällt manchen Eltern nicht leicht. Hilfreich kann dann der Gedanke an die eigene Pubertät sein und ich habe schon öfter von gebeutelten Eltern pubertierender Kinder gehört, dass sie innerlich bei ihren eigenen Eltern Abbitte geleistet haben. Die Pubertät ist eine Zeit, in der Jugendliche oft wenig Ausdauer und Leistungsbereitschaft zeigen. Helfen Sie Ihrem Kind dabei, Dinge zu Ende zu bringen und nicht vorzeitig aufzugeben. Betonen Sie, dass Hausaufgaben in der Schule wichtig sind. Unterstützen Sie es, ein Hobby zu pflegen: Musik, Basteln, Handwerken und Sport sind gute Gelegenheiten, Ausdauer und Leistungsbereitschaft zu trainieren.

Resilienzübungen für Kinder und Jugendliche

Die folgenden Resilienzübungen eignen sich für alle Kinder und Jugendlichen, sie sollten sprachlich jedoch an die jeweilige Altersstufe angepasst werden. Nutzen Sie Gelegenheiten, in denen die Kinder übungsbereit sind, also beispielsweise den gemeinsamen Urlaub, ein ruhiges Wochenende, die Rekonvaleszenz nach einer Krankheit, eine durchgemachte Krise oder Zeiten des Umbruchs, wenn Ihr Kind ohnehin aktiv Ihre Unterstützung sucht. Machen Sie deutlich, dass Sie solche Übungen ebenfalls durchführen, um Ihre Ressourcen zu stärken. Vermitteln Sie die Übungen als Training fürs Leben und machen Sie sie idealerweise gemeinsam mit Ihrem Kind. Wenn Sie Widerstand spüren, insistieren Sie nicht, sondern bieten Sie eine andere Übung oder einen anderen Zeitpunkt an. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran und berichten Sie Ihrem Kind, wie Sie mit Problemen und Krisen beispielsweise im Berufsalltag umgehen, den Ihr Kind ja nicht miterleben kann. Erzählen Sie aus Ihrer eigenen Kindheit und beantworten Sie die Fragen Ihres Kindes wahrheitsgemäß. Stellen Sie dar, was Sie aus Krisen gelernt haben, wie andere Menschen in Ihrer Familie mit Schwierigkeiten umgehen oder umgegangen sind und bieten Sie immer wieder Ihre Hilfe an. Der sichere Ort: Diese Übung fördert den Optimismus. Leiten Sie Ihr Kind an, tief und gleichmäßig zu atmen und seine Aufmerksamkeit einige Zeit nach innen zu lenken. Es soll sich mit geschlossenen Augen einen Ort vorstellen, an dem es sich besonders wohlfühlt. Das kann ein realer Ort sein, beispielsweise ein besonderes Zimmer oder ein Ferienort, aber auch ein Fantasieort, beispielsweise eine magische Höhle oder ein Baumhaus. Diesen Ort kann Ihr Kind in Gedanken nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten. Sagen Sie ihm, dass dieser Ort für andere unerreichbar ist und dass es dort immer sicher und geborgen sein wird. Dann kann Ihr Kind sich recken und strecken, tief durchatmen und die Augen wieder öffnen. Wenn es künftig Angst hat, unsicher ist oder sich nicht wohlfühlt, kann es in Gedanken wieder an seinen sicheren Ort gehen und dort Kraft sammeln. Was wäre das Schlimmste? Diese Übung fördert die Akzeptanz. Wenn Ihr Kind ein Problem hat oder eine schwierige Situation erlebt, überlegen Sie gemeinsam mit ihm, was bei diesem Problem oder in dieser Situation die schlimmste mögliche Konsequenz wäre. Sprechen Sie dann mit Ihrem Kind darüber, wie es mit dieser schlimmsten Konsequenz umgehen und wen es dabei um Hilfe bitten könnte. Sagen Sie Ihrem Kind dann, dass die schlimmste Konsequenz meistens gar nicht eintritt, sondern dass sich das Problem oder die Schwierigkeit in den meisten Fällen mit weniger schweren Konsequenzen klären lässt. Was ich schon alles kann: Diese Übung fördert die Handlungsfähigkeit. Lassen Sie Ihr Kind regelmäßig aufschreiben oder malen, was es neu gelernt hat, was es schon kann und was es gern tut. Loben Sie es für seine Fortschritte und schauen Sie gemeinsam, wie seine Entwicklung voranschreitet. Jeden Tag eine gute Tat: Diese Übung fördert die Verantwortungsbereitschaft. Ermuntern Sie Ihr Kind jeden Abend, darüber nachzudenken oder Ihnen zu erzählen, was es an dem abgelaufenen Tag getan und erlebt hat. Für den folgenden Tag kann es sich eine

gute Tat vornehmen und am nächsten Abend dann überlegen, ob es diese Tat umgesetzt hat. Loben Sie Ihr Kind für seine guten Taten! Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt: Diese Übung fördert die Lösungsorientierung. Wenn Ihr Kind Ihnen von einem Problem berichtet, bieten Sie ihm nicht sofort eine Lösung an, sondern fragen es, welche Lösung es sich wünscht. Überlegen Sie dann gemeinsam den ersten Schritt, um die Wunschlösung zu erreichen. Ermuntern Sie Ihr Kind, diesen ersten Schritt zu tun. Überlegen Sie dann gemeinsam den nächsten Schritt. So bringen Sie Ihrem Kind bei, Lösungswege in einzelne Schritte zu zerlegen. Dies erleichtert die Problemlösung oft erheblich. Ich bin nicht allein: Diese Übung fördert die Netzwerkpflege. Gestalten Sie mit Ihrem Kind eine Fotowand oder lassen Sie es ein Bild malen mit allen Menschen, die ihm wichtig sind. Ihr Kind sollte sich selbst in die Mitte der Fotowand oder des Bildes positionieren und seine wichtigen Bezugspersonen um sich herum. Schauen Sie die Fotowand oder das Bild immer wieder gemeinsam an und überlegen Sie, wie es den Personen auf dem Bild gerade wohl gehen mag. Wenn Ihr Kind den Impuls hat, Menschen seiner Umgebung anzurufen oder zu besuchen, unterstützen Sie es dabei. Das Leben ist schön: Diese Übung fördert die Zukunftsplanung. Leiten Sie Ihr Kind an, tief und gleichmäßig zu atmen und seine Aufmerksamkeit einige Zeit nach innen zu lenken. Es soll sich mit geschlossenen Augen einen Augenblick vorstellen, in dem es ganz zufrieden und glücklich ist – vielleicht auf dem Spielplatz, beim Eisessen, mit seinen Freunden oder abends im Bett mit seinen Kuscheltieren. Ermuntern Sie es, diesen glücklichen Augenblick zu genießen und auszukosten. Dann kann Ihr Kind sich recken und strecken, tief durchatmen, die Augen wieder öffnen und das Glück des Moments mit in den weiteren Tagesablauf nehmen.

Krisenmanagement für Familien Wenn Ihre Familie in einer Krise steckt oder wenn sich eine schwierige Situation anbahnt, ist der Zusammenhalt gefordert: Gemeinsam sind Sie stärker! Es ist ein Trugschluss, wenn Eltern meinen, sie könnten Katastrophen von ihren Kindern fernhalten. Kinder sind so sensibel wie Seismografen und spüren jede Erschütterung innerhalb der Familie. Die Erfahrung zeigt, dass Kinder sich oft viel schlimmere Dinge vorstellen als in der Realität passieren – es ist also sinnvoll und hilfreich, offen mit Kindern über Probleme und Sorgen zu sprechen. So lernen sie schon von klein auf, dass Schwierigkeiten zum Leben gehören und gelöst werden können. Wenn sie wissen, worum es konkret geht, können sie sich auch konkret damit auseinandersetzen, Fragen stellen, mithelfen und Lösungen suchen. Wenn sie jedoch mit ihren möglicherweise völlig irrationalen Ängsten und Befürchtungen alleingelassen werden, stellen sie sich die schrecklichsten Dinge vor und werden verängstigt oder hilflos.

Manche Kinder haben in einer Krise das Gefühl, ihre Eltern schonen zu müssen – dies heißt in der Psychologie Parentifizierung und beschreibt eine Rollenumkehr: Kinder bemuttern ihre Eltern. Für die kindliche Entwicklung ist dies ausgesprochen schädlich. Nehmen Sie Krisensituationen in der Familie als gemeinsame Herausforderung an. Sprechen Sie darüber, informieren Sie Ihre Kinder altersgerecht über die Fakten, nehmen Sie eine optimistische Haltung ein und suchen Sie gemeinsam mit den Kindern nach Lösungen. Beziehen Sie die erweiterte Familie, den Freundeskreis, die Nachbarschaft oder professionelle Helfer mit ein, nehmen Sie Unterstützung von außen an und geben Sie Ihren Kindern Aufgaben, die sie lösen können. Die Erziehung zur Resilienz ist eine lohnende Aufgabe für alle Eltern. Kinder stark zu machen ist aus meiner Sicht eine der besten Investitionen in die Zukunft – sie zahlt sich doppelt und dreifach aus, denn resiliente Kinder werden zu krisenfesten Erwachsenen, die ihren eigenen Weg suchen und finden und die Gesellschaft voranbringen können.

Checkliste: Was braucht mein Kind? Finden Sie heraus, ob Ihr Kind eher ein Kämpfer (»warrier«) oder eher ein Zauderer (»worrier«) ist, und fördern Sie es dementsprechend. Die Checkliste in Tabelle 11.1 kann Ihnen dabei helfen. Für alle Kinder gilt: Wertschätzung, Lob und Anerkennung sind unverzichtbar in der Erziehung und Persönlichkeitsbildung. Ein Kind braucht Aufmerksamkeit und Liebe, Zuwendung und Interesse. Warten Sie nicht darauf, dass Ihr Kind Ihnen seine Sorgen erzählt, sondern seien Sie wachsam und achten Sie auf Zwischentöne. Fragen Sie nach, bieten Sie sich als Gesprächspartner an. Seien Sie ehrlich zu Ihrem Kind, kritisieren Sie konstruktiv, vermeiden Sie verallgemeinernde Vorwürfe und Killerformulierungen wie »nie« oder »immer«. Stehen Sie zu Ihrem Kind und schützen Sie es vor Ungerechtigkeit, Übergriffen und Versuchungen. Je älter es wird, desto mehr können und sollten Sie es loslassen und ihm vertrauen. Wenn es von Ihnen das Rüstzeug fürs Leben bekommen hat, wird es seinen Weg finden und gehen! Beobachtung Mein Kind ist ausgeglichen und fröhlich, es lacht viel und schläft gut, nimmt Kontakt zu anderen Menschen auf und beruhigt sich rasch.

Kämpfer Zauderer Unterstützung

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Mein Kind weint viel, schläft unruhig, hat Angst vor Fremden und vor Veränderungen, ist schnell überfordert und in sich gekehrt. Mein Kind ist oft übermütig und risikofreudig, verletzt sich oder macht Dinge kaputt, setzt seine Interessen durch und scheut auch körperliche Auseinandersetzungen nicht.

Fördern Sie das ausgeglichene Gemüt Ihres Kindes. Geben Sie ihm altersentsprechende Aufgaben in Familie und Haushalt, lassen Sie es eigenständig Probleme lösen. x

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Geben Sie Ihrem Kind Schutz und Halt, lösen Sie Probleme gemeinsam mit ihm, trösten Sie es und machen ihm Mut. Trauen Sie Ihrem Kind etwas zu, lassen Sie es eigene Erfahrungen machen, weisen Sie es auf Risiken hin. Fördern Sie sein Gerechtigkeitsempfinden und verbieten Sie

ihm Übergriffe auf andere. Mein Kind ist ängstlich, vorsichtig und wenig risikobereit. Es verliert oft, wenn es mit anderen Kindern spielt, und kann sich nicht durchsetzen.

Mein Kind lernt schnell und gern, ist gelegentlich eher oberflächlich, macht Flüchtigkeitsfehler.

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Mein Kind provoziert, übertritt Grenzen, setzt sich über Normen hinweg und hält sich nicht an Regeln. Mein Kind ist abhängig vom Wohlwollen anderer, lässt sich unter Druck setzen, will unbedingt dazugehören.

Fördern Sie die Sorgfalt Ihres Kindes, achten Sie auf Genauigkeit. Legen Sie Wert darauf, dass es seine Aufgaben erledigt, bevor es spielen geht.

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Mein Kind denkt viel nach, möchte alles richtig machen, kann sich schlecht entscheiden.

Stärken Sie das Selbstbewusstsein Ihres Kindes, unterstützen Sie es bei Konflikten mit Geschwistern oder Gleichaltrigen. Fördern Sie seine Ausdauer und Frustrationstoleranz.

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Fördern Sie die Entscheidungsfreudigkeit Ihres Kindes. Zeigen Sie ihm, dass man Entscheidungen auch rückgängig machen kann und darf. Seien Sie konsequent, stehen Sie zu Ihrem Wort, zeigen Sie Grenzen auf und setzen Sie Regeln durch.

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Fördern Sie die Eigenständigkeit Ihres Kindes, ermutigen Sie es, seine eigene Meinung zu vertreten.

Tabelle 11.1:: Kinder entsprechend ihrer Persönlichkeit fördern und fordern

Teil V

Erfolgsfaktor Resilienz



IN DIESEM TEIL … In diesem Teil lernen Sie die Geheimnisse resilienter Menschen kennen: Eine realistische Selbsteinschätzung, unerschütterlicher Glaube an sich selbst, die Verwirklichung von Träumen und das regelmäßige Verlassen der Komfortzone sorgen dafür, dass die innere Widerstandskraft im Laufe des Lebens wächst und bis zum Lebensende stark bleibt. Sie erfahren in diesem Teil außerdem etwas über die Bedeutung von Kompromissen und das Für und Wider der Routine. Um lebenslang widerstandsfähig zu bleiben und Krisen gut zu überstehen, sollten Sie Ihre inneren Reserven regelmäßig auffüllen und gut für sich sorgen, denn Selbstfürsorge stärkt Ihre Resilienz dauerhaft. Selbstfürsorge ist außerdem die Basis Ihres Engagements für andere Menschen: Wer innere Widerstandskraft hat, kann sich um andere kümmern und ihnen durch schwere Zeiten helfen. Sie bekommen in diesem Teil daher Tipps für die Gestaltung von Pausen und Auszeiten, Anregungen zur Stressreduktion und -bewältigung sowie Hinweise für die Vorbeugung und Behandlung von Burn-out. Jede überstandene Schwierigkeit ist eine neue Lernchance – nutzen Sie den Rückblick auf Ihre bereits gemeisterten Probleme, um mit neuem Mut immer wieder nach vorn zu schauen.

Kapitel 12

Grenzen erweitern IN DIESEM KAPITEL Die eigenen Fähigkeiten realistisch einschätzen Vertrauen zu sich selbst haben Veränderungen wagen Auch im hohen Alter noch resilient sein

Die innere Widerstandskraft verändert sich im Laufe des Lebens. Abhängig von den Lebensumständen, der eigenen Einstellung und den biografischen Erfahrungen kann sie stärker oder schwächer werden. Wer seine Resilienz bewusst trainieren möchte, findet jeden Tag neue Übungsmöglichkeiten. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie wichtig es ist, sich sein Leben lang weiterzuentwickeln und die eigenen Grenzen zu erweitern. Einflüsse von außen können dazu beitragen, die Resilienz zu fördern – doch die eigentliche Kraft kommt von innen. Je älter Sie werden, desto größer ist Ihr eigener Anteil an Ihrer Krisenfestigkeit und Problemlösekompetenz. Schauen Sie optimistisch nach vorn, auch wenn es gerade vielleicht schwerfällt. Die allermeisten Probleme gehen vorüber und sind im Rückblick zumeist gar nicht mehr ganz so dramatisch.

Stark, stärker, am stärksten Manche Menschen neigen dazu, sich zu unter- oder überschätzen. Minderwertigkeitskomplexe, Selbstwertprobleme, mangelnde Anerkennung von außen, eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstruktur oder falsche Bescheidenheit sind häufige Gründe für die Selbstunterschätzung. Die narzisstische Persönlichkeitsstruktur, Geltungsdrang, Egomanie oder ausgeprägtes Wunschdenken können hingegen zur Selbstüberschätzung führen. In psychologischen Studien neigen Frauen dazu, andere Menschen als wirksamer einzuschätzen als sich selbst, während Männer sich selbst tendenziell kompetenter einschätzen als ihre Mitmenschen. Unfallstatistiken bezüglich des Straßenverkehrs belegen beispielsweise, dass Männer sich in ihrer Qualität als Autofahrer deutlich überschätzen. Wer sich selbst zu wenig zutraut, neigt dazu, Handlungen zu unterlassen, mit denen er Probleme lösen könnte. Wer sich zu viel zutraut, neigt hingegen dazu, fehlerhafte oder

leichtsinnige Handlungen auszuführen, die Fehler nicht wahrzunehmen und sich viel zu ambitionierte Ziele zu setzen. Um eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen sowie eine angemessene Erfahrung der eigenen Wirksamkeit zu erreichen, sind sechs Bedingungen unverzichtbar: das Ziel kennen, dieses Ziel als eigenes Ziel akzeptieren, einen Weg kennen, über den das Ziel erreicht werden kann, diesen Weg gehen können, diesen Weg tatsächlich auch gehen und das Ergebnis (also das Erreichen des Ziels) wahrnehmen und bewerten können. Sind diese Bedingungen erfüllt, kann ein Handelnder sich als wirksam erleben und realistisch einschätzen. Erfahrung, Training und Selbstaufmerksamkeit sind weitere wichtige Grundvoraussetzungen für die Selbstwirksamkeitserwartung und eine realistische Selbsteinschätzung. Es fördert die innere Widerstandskraft, wenn man seine Fähigkeiten gut einschätzen kann, Wissen um die Wirkzusammenhänge der Problemlösung hat und an seine eigene Wirksamkeit glaubt. Außerdem hilft es sehr, sich anzustrengen, viel zu lernen und sein Bestes zu geben, um Probleme zu lösen. All diese Punkte kann man üben, um die eigene Resilienz zu stärken. Dunja Teichert ist Verkäuferin in einer Boutique. Sie hat Modedesign studiert, aber aus familiären Gründen ihr Studium vor der Diplomprüfung abgebrochen. Ihre beiden Söhne sind fast erwachsen und sie wünscht sich eine neue berufliche Herausforderung. Ihr Mann fände es gut, wenn sie weiterhin halbtags arbeiten und sich ansonsten um Familie und Haus kümmern würde. Ihre Söhne genießen es, von ihrer Mutter umsorgt zu werden. Doch Dunja ist unzufrieden und fühlt sich unterfordert. Sie traut sich jedoch nicht, gegen den Widerstand ihrer Familie eine neue Ausbildung zu beginnen, und befürchtet, für einen Neustart zu alt zu sein. Eines Tages berichtet ihr eine Kollegin, dass im örtlichen Krankenhaus ein Einführungsseminar für Grüne Damen und Herren stattfindet – ein ehrenamtlicher Besuchsdienst für alte und kranke Menschen. Dunja Teichert ist begeistert und besucht das Seminar gemeinsam mit ihrer Kollegin. Künftig engagiert sie sich fünf Stunden in der Woche im Krankenhaus, lernt viel Neues und erlebt ihre ehrenamtliche Arbeit als ausgesprochen sinnvoll und erfüllend. Zu Hause ist sie seither viel ausgeglichener. Sie erzählt ihrem Mann und ihren Söhnen von ihrer neuen Tätigkeit und bekommt von allen dreien große Anerkennung dafür. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie sich eher unter- oder überschätzen beziehungsweise in welchen Lebensbereichen Sie Ihre Fähigkeiten und Ihre Wirksamkeit

möglicherweise falsch bewerten, können Sie zwei Ansätze nutzen, um mehr Sicherheit zu erreichen: die Selbstbeobachtung und die Fremdeinschätzung. Fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit auf eine Herausforderung, die Ihnen wichtig ist, und überlegen Sie sich, wie Sie dieser Herausforderung begegnen können. Schätzen Sie ein, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Sie das Problem lösen werden – beispielsweise in Prozent. Fragen Sie eine Vertrauensperson, ob diese Ihnen zutraut, dass Sie eine gute Lösung finden werden. Beginnen Sie dann mit der Problemlösung und merken Sie sich, was Ihnen leicht- und was Ihnen schwerfällt. Achten Sie außerdem auf Ihre Gefühle und Gedanken. Beobachten Sie den Verlauf der Problemlösung: Haben Sie einen gangbaren Weg gewählt? Brauchen Sie Hilfe von anderen? Ergeben sich im Verlauf neue Probleme? Wie gehen Sie mit diesen um? Lösen Sie das Problem oder geben Sie auf? Vergleichen Sie den Verlauf mit Ihrer Selbsteinschätzung: Lagen Sie richtig oder falsch? Haben Sie Ihre Fähigkeiten und Ihre Wirksamkeit realistisch oder unrealistisch eingeschätzt? Bitten Sie schließlich Ihre Vertrauensperson um eine Einschätzung: Wie ist deren Einschätzung Ihrer Fähigkeiten und Ihrer Wirksamkeit? Vergleichen Sie im letzten Schritt Ihre Selbstbeobachtung und die Fremdeinschätzung: Sind diese deckungsgleich oder unterschiedlich? In welchen Bereichen weichen sie voneinander ab? Reflektieren Sie Ihre Erkenntnisse und überlegen Sie sich, was Sie daraus lernen können, um künftig Ihre Fähigkeiten und Ihre Wirksamkeit so realistisch wie möglich einzuschätzen.

Ein klares Bild für die Zukunft entwickeln Die Persönlichkeitsentwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess – wer sich nicht stetig weiterentwickelt, bleibt stehen oder wird von den äußeren Entwicklungen überholt. Um die eigenen Begrenzungen und Einschränkungen zu überwinden, bedarf es eines klaren Zukunftsbilds, also einer Zielvorstellung der eigenen Weiterentwicklung. Um Ihre persönlichen Grenzen zu erweitern, lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf: Malen Sie sich in bunten Farben aus, was Sie in den nächsten Jahren erreichen wollen, wie und wo Sie beispielsweise in fünf Jahren leben möchten, was Sie neu lernen könnten und mit welchen Menschen Sie sich umgeben sollten. Verzichten Sie auf die Schere im Kopf, mit der Sie Ihre Vorstellungskraft unnötig beschneiden – Sätze wie »Das klappt sowieso nicht« oder »Das konnte ich noch nie« hemmen Ihre Entwicklung und bremsen Ihren Tatendrang. Nehmen Sie sich vor, jeden Tag, jede Woche oder jeden Monat irgendetwas Neues auszuprobieren: Kochen Sie nach einem unbekannten Rezept, fahren Sie eine andere Strecke mit dem Auto als sonst, sprechen Sie Ihren Sitznachbarn im Bus einfach mal an, fragen Sie auf der Straße einen Passanten nach dem Weg oder der Uhrzeit, machen Sie der Verkäuferin ein Kompliment, rufen Sie jemanden an, von dem Sie schon lange nichts mehr gehört haben, laden Sie einen Kollegen spontan zum Mittagessen ein, ziehen Sie sich ganz anders an als sonst oder seien Sie beim Friseur

richtig mutig und ändern Sie Ihre Haarfarbe oder Frisur. Durch kleine und große neue Schritte machen Sie immer wieder neue Erfahrungen und erweitern Ihren Horizont. Auch wenn Sie Ihre Zukunftsvorstellungen nicht immer in die Tat umsetzen können oder wollen, dienen sie dennoch einem wichtigen Zweck. Jedes positive Bild, das Sie für Ihr Leben entwickeln, stärkt zwei Säulen der Resilienz: Ihren Optimismus und Ihre Zukunftsplanung. Ihre Zukunftsvision kann die Basis für Ihren Lebensplan sein: Was wollen Sie erreichen? Wo setzen Sie Prioritäten? Wofür investieren Sie Ihre Kräfte? Was ist Ihnen wichtig? Bilder, Zukunftsvorstellungen und Lebenspläne sind ganz persönliche Triebfedern, die Ihnen helfen, Ihre Ressourcen zu bündeln und sich auf Dinge zu konzentrieren, die Ihnen wichtig sind. Sie können Rückschläge vermutlich besser verkraften, wenn Sie Ihre Ziele nach wie vor sehen und ernst nehmen. Immer wieder aufzustehen und weiterzumachen, fällt leichter, wenn Sie wissen, wofür Sie es tun. Nisreen Kadhum stammt aus Israel und lebt seit zwei Jahren mit ihrem Mann, den sie im Urlaub am Roten Meer kennengelernt hat, in Deutschland. Sie hat ganz neu angefangen und ihr bisheriges Leben hinter sich gelassen: Innerhalb kurzer Zeit hat sie Deutsch gelernt, eine Ausbildung zur Friseurin begonnen und sich mit ihrem Mann einen gemeinsamen Freundeskreis aufgebaut. Wenn sie gefragt wird, wie sie das alles geschafft hat, sagt sie: »Ich habe schon als kleines Mädchen davon geträumt, in einem sicheren Land mit hohen Bergen zu leben. Es gibt mir Kraft, diesen Traum zu verwirklichen und ein anderes Leben zu leben als meine Mutter und meine Schwestern.«

Träume leben Ähnlich wichtig wie Zukunftsbilder sind Träume, egal ob im Schlaf oder im Wachzustand: Wunschvorstellungen, Hoffnungen, Erwartungen und heimliche Begehrlichkeiten sind eine Manifestation Ihres Unbewusstseins. Sie drücken aus, was Ihr Trieb- und Gefühlsleben wirklich will, sie kennen keine Beschränkungen und keine Entschuldigung. In nächtlichen Träumen verarbeitet der Mensch die Tagesereignisse und länger zurückliegendes Geschehen, aber auch seine eigene Gedanken- und Gefühlswelt. Um die Sprache der Träume zu verstehen, ist es wichtig, sich auf deren Bedeutung zu konzentrieren, also auf die Frage, wie Sie sich während des Traums gefühlt haben, was für

Sie im Vordergrund stand und was Ihnen spontan noch einfällt, wenn Sie über den Traum nachdenken oder ihn erzählen. Fragen Sie sich nicht lange, was der Traum wohl zu bedeuten hat, sondern spinnen Sie ihn weiter: Alle handelnden Personen entstammen Ihrem Innenleben und entsprechen Ihren unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen, jedes Gefühl ist Ihr Gefühl. Die Traumarbeit wird in der Psychotherapie genutzt, um Zugang zum Unbewussten zu finden. Sie können aber auch ohne professionelle Hilfe mit Ihren Träumen arbeiten, um Ihre Grenzen zu erweitern. »Träume haben einen Sinn«, sagte der österreichische Arzt und Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud (1856–1939). Den Sinn zu entschlüsseln, ist eine spannende Aufgabe, die man allein oder mit therapeutischer Hilfe leisten kann. Träume bieten Zugang zum Unbewussten und holen verdrängte Impulse, Bedürfnisse und Triebe ans Licht. Vielleicht haben Sie einen Traum, der sich öfter wiederholt – dieser Traum könnte einem wichtigen Bedürfnis entsprechen und bietet Ihnen vielleicht die Chance, Ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Versuchen Sie, sich diesen Traum in allen Details zu merken, und setzen Sie ihn tagsüber fort: Was sehen, fühlen, hören, schmecken und riechen Sie im Traum? Welche Gefühle lösen die Sinneseindrücke aus? Welche Assoziationen haben Sie zu den Trauminhalten? Was kommt Ihnen bekannt vor, was ist gänzlich neu? Wovor haben Sie Angst, was macht Sie unsicher und worüber freuen Sie sich im Traum? Welche Ihrer Persönlichkeitsanteile erkennen Sie in den im Traum handelnden Personen wieder, welche Anteile sind Ihnen fremd? Je länger Sie sich mit Ihrem Traum befassen, desto mehr wird Ihnen dazu einfallen. Seien Sie aufmerksam: Welche Inhalte, Ideen oder Gefühle möchten Sie lieber verdrängen, als sich damit auseinanderzusetzen? Diese Inhalte, Ideen oder Gefühle sind besonders wichtig, denn Verdrängung oder Verleugnung ist immer Ausdruck von Abwehr. Und das, was Sie abwehren, sollten Sie bearbeiten und klären, um sich weiterentwickeln zu können. Vielleicht erinnern Sie sich morgens nicht an Ihre Träume. Doch Sie können die Traumerinnerung üben, indem Sie sich möglichst sanft wecken lassen, beispielsweise durch einen Lichtwecker, oder indem Sie ohne Wecker erwachen. Legen Sie sich Papier und Stift ans Bett und notieren Sie beim Aufwachen alle Traumfetzen, die Ihnen noch bewusst sind. Ergänzen Sie diese Fetzen beim Frühstück mit allem, was

Ihnen dazu einfällt. Je öfter Sie dies tun, desto mehr gewöhnen Sie sich daran, morgens Ihre Träume einzufangen und sich daran zu erinnern. Erwecken Sie Ihre Träume zum Leben: Konzentrieren Sie sich auf einen Traum oder einen Trauminhalt, der Ihnen besonders bedeutsam erscheint, und überlegen Sie, wie Sie ihn verwirklichen können. Vielleicht steht eine Reise an, die Sie schon immer machen wollten? Oder Sie frischen eine Beziehung wieder auf? Vielleicht möchten Sie insgeheim gern den Job wechseln oder in eine andere Stadt ziehen? Egal was es ist, seien Sie mutig und vertrauen Sie Ihrem Unbewusstsein. Nehmen Sie Ihre Träume ernst und erfüllen Sie sich lang gehegte Wünsche. Rechnen Sie damit, dass so manche Entscheidung, die Sie treffen, falsch sein könnte – auch wenn sie sich im Augenblick richtig anfühlt und einem Traum oder Ihrer Zukunftsvorstellung entspricht. Doch es ist sicher besser, eine Entscheidung zu korrigieren, die sich als wenig hilfreich herausstellt, als nichts zu tun oder nur zu zaudern. Und Fehler sind immer auch Lernchancen: Analysieren Sie, was falsch gelaufen ist und an welchem Punkt Sie sich hätten anders entscheiden müssen – bei einer ähnlichen Gelegenheit sind Sie dann vielleicht vor Fehlentscheidungen gewappnet. Ich nehme mir zwar immer wieder vor, jeden Fehler nur einmal zu machen, aber diesen Anspruch kann ich nicht dauerhaft umsetzen. Manche Fehler passieren einfach immer wieder und ich merke zu spät, dass ich in eine Falle getappt bin, die ich eigentlich kenne. Doch auch diese Erfahrung ist hilfreich: Kein Mensch ist eine Maschine, die unfehlbar funktioniert. Meine Erfahrung: Akzeptanz der eigenen Fehler macht gelassener und stärkt die Resilienz.

Die Kraft kommt von innen Auch wenn Ihr Netzwerk ein unverzichtbarer Resilienzfaktor ist, so kommt doch die wichtigste Kraft, die Ihnen hilft, Widrigkeiten gut zu überstehen, von innen: Ihre eigenen Ressourcen sind Ihr verlässlichster Begleiter. Sie können sich Ihre innere Kraft bildlich vorstellen als Brunnen, aus dem Sie Wasser schöpfen, oder als Stromleitung, die Sie mit Energie versorgt. In Krisenzeiten ist der Zugang zu den inneren Kräften jedoch manchmal verschüttet und es fühlt sich so an, als wäre man leer und hilflos. In solchen Momenten ist es vordringlich, sich eine Pause zu gönnen und sich zurückzuziehen. Wenn der Brunnen versiegt oder die Stromleitung einen Kurzschluss hat, wenn Sie also krank sind oder unter Erschöpfung oder Ausgebranntsein leiden, brauchen Sie Zeit und Ruhe, um die Wasserreserven wieder aufzufüllen und die Leitung zu reparieren. Grenzen Sie sich von den Ansprüchen Ihrer Umgebung ab, nehmen Sie sich frei, lassen Sie sich krankschreiben oder delegieren Sie Ihre Aufgaben an andere Menschen. Ernst zu nehmende Anzeichen für leere Batterien sind beispielsweise:

Schlafstörungen, Infektanfälligkeit, Ruhelosigkeit, Gedankenkreisen, Interessensverlust, fehlender Antrieb, Freudlosigkeit. Geben Sie Ihrer Umgebung deutlich zu verstehen, dass Sie eine Auszeit brauchen und keine Kapazitäten haben, um sich mit Alltagsproblemen oder den Sorgen der anderen zu beschäftigen. Wenn Sie sich gut genug einschätzen können, werden Sie vielleicht schon wissen, wie viel Zeit Sie brauchen: Signalisieren Sie Ihrer Umwelt, dass Sie in zwei Stunden, zwei Tagen, zwei Wochen oder zwei Monaten wieder zur Verfügung stehen werden. Fällt es Ihnen schwer, sich mal hängen zu lassen? Oder können Sie sich gut eingestehen, dass Sie für eine Weile Schonung brauchen und nichts tun können? So oder so, probieren Sie verschiedene Strategien aus, um Wunden zu lecken und Kräfte zu sammeln. Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf sich selbst. Nehmen Sie Hilfe an, wenn Ihnen danach ist – schicken Sie wohlmeinende Menschen aber ruhig wieder weg, wenn Sie allein sein möchten. Füllen Sie Ihre Akkus wieder auf, indem Sie viel schlafen, genug essen und trinken, Grübeln und kreisende Gedanken durch positive Selbstsuggestionen aufbrechen und Ihren Körper pflegen. Irgendwann werden Sie spüren, dass Ihre Kräfte zurückkehren. Signale dafür sind beispielsweise: ungestörter Schlaf, größerer Appetit, Freude am Essen und eine gute Verdauung, stabiler Kreislauf mit warmen Händen und Füßen, entspannte Muskulatur, Interesse an der Umgebung, Bedürfnis nach Kommunikation, wachsende Zuversicht. Sobald Sie diese Veränderungen wahrnehmen, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit zunehmend wieder nach außen, melden sich bei Ihrer Familie, Ihren Freunden und Kollegen zurück und beginnen wieder mit Ihrem Alltag. Vermutlich wird Ihr Blick auf die sonst so alltäglichen Sorgen und Ärgernisse sich verändert haben und vielleicht gehen Sie gelassener mit Kleinigkeiten um, die Sie früher auf die Palme gebracht haben. Nach einer Krise schrumpfen viele Alltäglichkeiten auf ein angemessenes Maß und nehmen nicht mehr so viel Kraft in Anspruch, denn Sie haben ja deutlich gespürt, wofür Sie Ihre Kräfte

wirklich brauchen! Erfahrungsgemäß hält diese Änderung im Blickwinkel aber nicht sehr lange an und Sie werden bald wieder zu Ihrer Routine zurückkehren. Das ist völlig in Ordnung – solange Sie nicht in kräftezehrende Hamsterräder geraten oder gar in Selbstausbeutung verfallen. Wenn Sie in einer schwierigen Situation kurz davor sind zu verzweifeln, halten Sie einen Moment inne und fragen Sie sich: »Was wäre das Schlimmste, das jetzt passieren könnte?« Überlegen Sie sich dann, wie Sie mit dem Schlimmsten umgehen würden und wer Ihnen helfen würde, das Schlimmste zu überstehen. Werden Sie auch nach den schwerwiegendsten Konsequenzen der Situation weiterleben? Wappnen Sie sich für das Schlimmste und schauen Sie, was passiert. Vermutlich wird die Situation sich real weniger schrecklich entwickeln, als Sie gedacht haben. Machen Sie das Beste daraus!

Der Glaube an sich selbst Wichtig ist, dass Sie auch in den dunkelsten und schwierigsten Zeiten den Glauben an sich selbst bewahren. Dieser Glaube wird unerschütterlich, wenn Sie sich selbst ein guter Freund sind. Nehmen Sie Ihre Bedürfnisse ernst, haushalten Sie mit Ihren Kräften, besinnen Sie sich auf Ihre Fähigkeiten und Ihre Selbstwirksamkeit. Gehen Sie so aufmerksam mit sich um, wie Sie mit Ihrem besten Freund umgehen würden, wenn er in Schwierigkeiten ist: Sprechen Sie sich Mut zu. Erinnern Sie sich daran, welche Probleme Sie in Ihrem Leben schon gemeistert haben. Muntern Sie sich auf. Erfüllen Sie sich Wünsche. Nehmen Sie sich Zeit. Akzeptieren Sie Rückschläge. Haben Sie Geduld. Geben Sie nicht auf. Bleiben Sie hartnäckig, auch wenn es eine Weile nicht vorangeht. Vielen Menschen fällt es leichter, einem anderen zu helfen als sich selbst (oder Hilfe von anderen anzunehmen). Üben Sie daher ganz bewusst, auf sich selbst zu achten und sich nach Kräften zu unterstützen. Wenn Sie außerdem Hilfe von außen benötigen, sehen Sie dies nicht als Schwäche an, sondern denken Sie daran, wie gern Sie selbst anderen helfen und wie angenehm das Gefühl ist, tatsächlich helfen zu können. Wenn Sie Hilfe annehmen, sorgen Sie dafür, dass sich Ihr Gegenüber gut fühlt!

Therese Kliewer ist nach dem Tod ihrer Eltern schwer depressiv geworden. Früher war sie eine Macherin, die überall mit angepackt und anderen Menschen geholfen hat. Nun hat sie keine Kraft mehr, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern, zur Arbeit zu gehen oder Freunde zu treffen. Sie möchte aber auch keinen ihrer Angehörigen mit ihren Problemen belasten und isoliert sich immer mehr. Eines Tages überredet ihre beste Freundin sie jedoch, die Hilfe des sozialpsychiatrischen Dienstes ihrer Stadt in Anspruch zu nehmen. Ein Arzt und eine Sozialarbeiterin kommen zu ihr nach Hause, erarbeiten mit ihr einen Hilfeplan und unterstützen sie bei der beruflichen Wiedereingliederung. Diese Hilfe kann Therese Kliewer gut annehmen, weil sie von fremden Menschen kommt, deren Beruf es ist, psychisch kranken Menschen zu helfen. Solche Hilfsmöglichkeiten gibt es in jeder Stadt, oft angegliedert ans Gesundheitsamt. Sie stärken Ihren Glauben an sich selbst auch dadurch, dass Sie anderen Menschen über Ihre Probleme und Ihre Lösungsansätze berichten. Fragen Sie um Rat, diskutieren Sie Ihre Ideen mit anderen und entscheiden Sie sich für Ihren eigenen Weg. Oft ergibt sich allein durch die Diskussion und das Gespräch eine neue Perspektive und Ihr Blick öffnet sich. Wenn Sie Ihre Probleme gelöst haben, seien Sie stolz auf sich und bedanken Sie sich bei Ihren Ratgebern. Wenn eine gewählte Lösung nicht funktioniert, suchen Sie eine neue. Geben Sie nicht auf – Sie haben innere Kraft und ein Netzwerk, das Sie unterstützt.

Widrige Umstände ignorieren oder ändern Ihre eigenen Begrenzungen können Sie abbauen, indem Sie ganz bewusst Neues ausprobieren, alte Pfade verlassen, Schwierigkeiten mutig überwinden und Ihre Visionen und Träume erfüllen. Äußere Begrenzungen sind aber nur bedingt beeinflussbar – finden Sie heraus, welche Grenzen Sie durchbrechen können und welche Sie akzeptieren müssen. Dies betrifft Privatleben und Beruf gleichermaßen: Sie können weder Ihren Lebenspartner noch Ihren Chef ändern, aber Sie können prüfen, ob Ihnen die Liebes- oder Arbeitsbeziehung noch guttut oder ob Sie sie verändern können oder lieber abbrechen sollten. Sie können weder Ihre Verwandtschaft noch Ihre Kollegen ändern, aber Sie können deutlich machen, was Ihnen missfällt und auf welche Spielregeln Sie Wert legen. Finanzielle Rahmenbedingungen können Sie oft nur zum Teil und zumeist nicht von heute auf morgen ändern, aber Sie können Ihre Ausgaben verringern oder versuchen, Ihre Einnahmen zu verbessern.

Denken Sie an den Grundsatz »Love it, change it or leave it« – Liebe es, ändere es oder (ver-)lasse es: Dieses Motto kann Ihnen dabei helfen, gelassener zu werden und

sich bewusst für oder gegen etwas zu entscheiden. Sollten Sie sich entschieden haben, widrige Umstände zu verändern, erarbeiten Sie einen Plan und suchen sich Verbündete. Analysieren Sie die Ist-Situation, formulieren Sie die gewünschte Soll-Situation und benennen Sie Maßnahmen, die notwendig sind, um vom Ist zum Soll zu gelangen. Diese Methode nennt man Feedforward (im Gegensatz zum Feedback, also der Rückmeldung). Feedforward ist zukunftsorientiert und dynamisch, generiert Ideen und eröffnet neue Möglichkeiten. Neue Ideen entstehen oft auch im Schlaf: Wenn ein Problem oder ein Konflikt Sie sehr beschäftigt, lenken Sie sich ganz bewusst ab und kümmern sich um ein anderes Thema. Denken Sie dann abends vor dem Schlafengehen noch einmal kurz an das Problem oder den Konflikt, ohne sich lange gedanklich damit aufzuhalten. Schlafen Sie ausreichend und denken Sie beim Erwachen erneut kurz an das problematische Thema: Vielleicht sehen Sie im Licht des neuen Morgens eine ganz neue Seite oder haben neue Gedanken. Jedes Mal, wenn Sie etwas verändern, das Ihnen nicht gefällt, stärken Sie Ihre Selbstwirksamkeitserwartung. Sie erleben sich als Ursache von Wirkung – das, was Sie erreichen möchten, tritt ein. Dieses Gefühl ist außerordentlich resilienzfördernd. Genießen Sie es, klopfen Sie sich selbst auf die Schulter und erinnern Sie sich immer wieder daran, insbesondere wenn Sie sich im Alltag vielleicht wieder einmal hilflos oder ausgeliefert fühlen.

Resilienz im Alter Das Leben eines Menschen ist endlich – ganz gleich, wie widerstandsfähig er ist. Je näher es auf das Lebensende zugeht, desto mehr verschieben sich die Prioritäten und desto wichtiger wird es, sich auch mit negativen Konsequenzen von Krisen und Katastrophen abzufinden. Akzeptanz ist eine der sieben Säulen der Resilienz, und diese Säule wird mit zunehmendem Alter immer wichtiger. Wenn man jung ist, sind Krankheiten fast immer beherrschbar: Sie gehen vorüber, der Körper wird wieder vollständig gesund. Im Alter hingegen sind Krankheiten immer öfter chronisch, die Gesundheit wird also nicht mehr vollständig wiederhergestellt. Zipperlein, Gebrechen und Einschränkungen nehmen zu und werden zum Normalzustand. Im Alter seinen Humor nicht zu verlieren, die Gegebenheiten hinzunehmen und trotzdem das Beste aus jedem Tag zu machen ist eine große Herausforderung. Resilienz im Alter ist keine Selbstverständlichkeit, doch Sie bestimmen selbst, wie Sie mit Krisen im Alter umgehen. Regine und Andreas Wisser haben mit zwei weiteren Ehepaaren ein großes Haus gekauft und barrierefrei umgebaut. Die drei Paare haben jeweils eine eigene

Wohnung, Gemeinschaftsräume wie Partykeller, Fitnessraum und Wintergarten stehen allen zur Verfügung. Außerdem gibt es zwei kleine Appartements für Pflegepersonal oder Besucher. Regine leidet an der Parkinsonkrankheit, kommt bislang aber noch recht gut allein zurecht. Sollte sich ihr Zustand verschlechtern, wird sie ein Pflegebett bekommen und in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Altersgerecht zu wohnen, sei gar nicht so schwer, sagen die Wissers: »Wir sind froh, dass wir früh genug angefangen haben, zu sparen und zu planen!«

Altwerden ist nichts für Feiglinge Die körperlichen, seelischen und geistigen Veränderungen im Alter sind vielfältig: Die Regeneration der Körperzellen nimmt ab, der Stoffwechsel verlangsamt sich, das Immunsystem wird schwächer. Knochen und Gelenke verschleißen, Entzündungen und Abbauprozesse nehmen zu. Die Häufigkeit bösartiger Veränderungen im Körper steigt stark an. Schlafbedarf und Appetit werden geringer, die Libido sinkt, Konzentration und Merkfähigkeit lassen nach, die körperliche Belastbarkeit wird weniger. Depression, Demenz und andere Erkrankungen treten deutlich häufiger auf als in jungen Jahren. Darüber hinaus verändert sich die Einbindung ins soziale Leben: Wenn die Berufstätigkeit endet, muss man sich neue sinnstiftende Beschäftigungen suchen. Durch die zunehmende Mobilität in der Gesellschaft zerbrechen familiäre Verbindungen. Kinder und Enkel wohnen oft weit weg, ein alter Mensch hat oft das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Freunde und Verwandte sterben, die Einsamkeit nimmt zu. Schwerhörigkeit oder Bewegungseinschränkungen erschweren den Kontakt zu anderen Menschen. Und dennoch gibt es viele alte Menschen, die ihr Leben genießen, sinnvollen Tätigkeiten nachgehen und nützlich für die Gesellschaft sind. Wie schaffen sie es, sich von den Widrigkeiten des Altwerdens und Altseins nicht unterkriegen zu lassen? Mit innerer Widerstandskraft! Die sieben Säulen der Resilienz haben auch im höheren Lebensalter eine große Bedeutung: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege und Zukunftsplanung erleichtern den Umgang mit Problemen, Krisen und Katastrophen. Die große neue Herausforderung liegt darin, mit den Folgen dieser Schwierigkeiten gut umzugehen – je älter man ist, desto öfter geht eine Krise nicht mehr ganz vorbei, sondern hinterlässt

Folgeschäden, mit denen man umgehen lernen muss. Lassen Sie sich nicht von Krankheiten im Alter überraschen, sondern planen Sie vorausschauend: Verfassen Sie eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht, sprechen Sie mit Vertrauenspersonen über Ihre Wünsche im Hinblick auf medizinische Versorgung und lebensverlängernde Maßnahmen. Gute Informationen, Formulare und Infobroschüren zu diesem Thema finden Sie auf der Homepage des Bundesjustizministeriums: www.bmjv.de. Fangen Sie möglichst frühzeitig damit an, Ihre Lebensumstände so zu gestalten, dass Sie im Alter selbstbestimmt und nach Ihren eigenen Vorstellungen leben können. Überlegen Sie sich – wenn möglich gemeinsam mit Ihrem Lebenspartner, Ihren Kindern, Freunden und anderen wichtigen Menschen –, welche Hilfe Sie vielleicht einmal benötigen werden, was Ihnen persönlich besonders wichtig ist und wie Sie im Rahmen Ihrer finanziellen Möglichkeiten ausreichend Hilfe bekommen können. Spielen Sie verschiedene Szenarien durch und stellen Sie sich darauf ein, dass es ohnehin anders kommen wird, als Sie denken. Doch je mehr Möglichkeiten Sie bereits durchdacht und besprochen haben, desto leichter werden Sie auch mit den realen Gegebenheiten zurechtkommen können. Wer sich unsterblich, unbesiegbar und dauerhaft gesund fühlt, ist zwar mit reichlich Optimismus gesegnet, wird aber im Alter möglicherweise von Entwicklungen überrascht, die ganz außerhalb seiner Vorstellungskraft liegen. Die Selbstfürsorge spielt im Alter eine wichtige Rolle, denn viele alte Menschen verlieren die Aufmerksamkeit für ihre Gesundheitspflege, während gleichzeitig viele körperliche Bedürfnisse in den Hintergrund treten. Es ist beispielsweise ganz normal, dass man im Alter weniger Hunger und vor allem weniger Durst verspürt – aber es ist sehr ungesund, zu wenig zu essen und zu trinken. Hier ist Aufmerksamkeit gefragt, um sich im Alter ans regelmäßige Essen und Trinken zu erinnern und gut für sich zu sorgen. Nehmen Sie sich vor, im Alter täglich mindestens eine Achtsamkeitsübung durchzuführen: Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nach innen, schließen Sie die Augen und folgen Sie Ihrem Atem durch den Körper. Nehmen Sie wahr, wie sich Ihre Haut, Ihre Muskeln, Ihre Knochen und Gelenke anfühlen, wie Ihr Herz klopft und Ihr Blut durch Ihre Adern fließt. Spüren Sie allen Körperempfindungen aufmerksam nach, ohne sie zu bewerten. Lassen Sie Ihre Gedanken kommen und gehen wie Wolken am Himmel. Halten Sie nichts fest, bewerten Sie nichts. Versetzen Sie sich dann in Gedanken in einen Zustand des Wohlbefindens:

Stellen Sie sich alles vor, was gut für Sie ist. Wärme oder kühle Luft, Helligkeit oder Dämmerung, Stille oder Geräusche, Düfte, Menschen, Tiere oder Bauwerke. Begleiten Sie diese Gedanken mit einer positiven Selbstsuggestion, beispielsweise »Alles ist gut« oder »Ich fühle mich wohl und ruhig«. Fragen Sie sich dann, ob Sie sich heute schon ausreichend gut versorgt haben. Wie haben Sie geschlafen? Was haben Sie gegessen und getrunken? Mit wem hatten Sie Kontakt? Was haben Sie für sich getan? Kehren Sie dann langsam mit Ihrer Aufmerksamkeit zurück in den Raum, atmen Sie tief durch, recken und strecken Sie sich und öffnen Sie die Augen. Wenn Sie in der Übung festgestellt haben, dass Ihnen etwas fehlt, dann holen Sie es nach. Essen, trinken, schlafen oder sprechen Sie – kurz: Sorgen Sie gut für sich.

Die Kraft der Erinnerung Es ist das Privileg des Alters, in Erinnerungen schwelgen zu können. Sie haben vielleicht das Gefühl, bereits ein erfülltes Leben gelebt zu haben. Dann ist jeder neue Tag ein Geschenk, und jeder gelebte Tag ist eine Geschichte. Nutzen Sie die Kraft der Erinnerung, um Ihre innere Widerstandskraft auch im Alter zu erhalten und zu stärken. Umgeben Sie sich mit Fotos Ihrer Lieben, gestalten Sie Erinnerungsalben zu wichtigen Begebenheiten in Ihrem Leben, schreiben Sie Ihre Erinnerungen auf, sprechen Sie mit Ihren Kindern und Enkeln darüber. Treffen Sie sich mit Menschen Ihrer Generation und teilen Sie gemeinsame Erinnerungen an vergangene Zeiten. Frischen Sie Ihr Gedächtnis auf, indem Sie Altersgenossen nach ihren Erlebnissen befragen und diese mit Ihren eigenen Erinnerungen abgleichen. Lesen Sie alte Zeitungen oder forschen Sie im Internet nach Zeitzeugen. Je zufriedener Sie mit Ihrem gelebten Leben sind, desto gelassener können Sie irgendwann Abschied nehmen. Wenn Sie bereuen, irgendetwas nicht getan oder ausprobiert zu haben, holen Sie es nach oder versöhnen Sie sich mit sich selbst und den verpassten Gelegenheiten. Lassen Sie Konflikte nicht ungeklärt bestehen, sondern suchen Sie das Gespräch mit den Konfliktbeteiligten. Oft liegen Missverständnisse vor, die jahrelang nicht angesprochen worden sind – bringen Sie das in Ordnung und sorgen Sie für gegenseitiges Verständnis. Versuchen Sie, jeden Tag so zu leben, als sei es Ihr letzter Tag. Freuen Sie sich an jedem neuen Morgen darüber, dass Sie einen weiteren Tag geschenkt bekommen. Rosemarie Thüroff ist 89 Jahre alt und geistig noch sehr fit. Sie kann aufgrund einer Knochenerkrankung jedoch nicht mehr gut laufen. Daher holt sie sich die Welt nach Hause: Sie hat in der Volkshochschule einen Kurs besucht und ist täglich im Internet unterwegs. Über soziale Medien tauscht sie sich mit alten Freunden aus, sie nutzt

eine Chat-Funktion, um mit ihren Enkeln zu kommunizieren und sie informiert sich auf Nachrichtenportalen über die aktuellen politischen Entwicklungen. Einmal in der Woche besuchen zwei Freundinnen sie, die sich nicht gut mit Computern auskennen. Gemeinsam skypen die drei alten Damen dann mit einer weiteren Freundin, die in den USA lebt. Rosemarie nennt sich selbst »Silver Surfer« und freut sich über den regen elektronischen Kontakt mit aller Welt. Resilienz ist in jedem Alter wichtig – im höheren Alter bewirkt die innere Widerstandskraft mehr Gelassenheit und Akzeptanz dafür, dass das Leben aufs Ende zugeht und der Körper schwächer wird. Versuchen Sie, Ihren Geist so wach wie möglich zu halten und das Tagesgeschehen zu verfolgen. Doch auch wenn Sie vergesslicher werden oder manches nicht mehr verstehen können, ist Optimismus möglich: Jeder Tag bietet irgendeine Chance für Lachen, Freude, Kommunikation und menschliche Wärme. Nutzen Sie diese Chancen und bewahren Sie sich Ihren Humor.

Kapitel 13

Die Komfortzone verlassen IN DIESEM KAPITEL Die Routine durchbrechen Immer wieder Neues wagen Die Bedeutung von Kompromissen Geht nicht gibt’s nicht

Routine ist gut für die innere Widerstandskraft: Wenn Sie wissen, was Sie wann zu tun haben, können Sie auch unter Druck gut funktionieren. Schwierige Situationen, in denen Sie auf gewohnten Wegen zum Ziel kommen, sind zumeist gut zu bewältigen. Doch wenn die üblichen Lösungen nicht greifen, wenn Sie vor völlig neuen Herausforderungen stehen und die gewohnten Mechanismen versagen, brauchen Sie Kreativität, Mut und Risikobereitschaft. Um diese Qualitäten zu üben, sollten Sie von Zeit zu Zeit bewusst Ihre Komfortzone verlassen, also auf bequeme Routine und lieb gewordene Gewohnheiten verzichten. Denken Sie quer, gehen Sie ungewohnte Wege und probieren Sie ungewöhnliche Lösungen aus. So stärken Sie Ihre Resilienz. In diesem Kapitel finden Sie viele praktische Tipps und alltagstaugliche Übungen, um aus der Routine auszubrechen und Ihre Komfortzone zu vergrößern. Komfort vermittelt Sicherheit. Die Komfortzone ist Ihr persönlicher Wohlfühlbereich. Hier kennen Sie sich aus und Sie wissen, womit Sie zu rechnen haben. Doch die Komfortzone ist wie ein Käfig – sie hält Sie davon ab, Ungewohntes und Neues zu tun. Bleiben Sie nicht ständig in Ihrer Komfortzone, sondern verlassen Sie sie regelmäßig, um Neues kennenzulernen. Anschließend können Sie in Ihre Komfortzone zurückkehren wie in ein warmes Nest und Sie werden sehen: Die Grenzen der Komfortzone haben sich ein wenig vergrößert.

Mut zum Aufbruch Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt – auch der Weg aus Ihrer Komfortzone hinaus ins Unbekannte. Doch oft kostet es viel Überwindung, diesen ersten Schritt zu gehen. Aufbruch erfordert Mut, den Sie beispielsweise dadurch gewinnen, dass Sie …

sich Unterstützung suchen, anderen von Ihren Plänen erzählen, sich gut zureden, sich daran erinnern, was Sie bereits an Neuem ausprobiert haben, und Lust auf das haben, was außerhalb Ihrer Komfortzone auf Sie wartet. Ihr Mut und Ihre Änderungsbereitschaft schwinden hingegen, wenn Sie … darüber nachdenken, was schiefgehen könnte, sich überlegen, was die anderen Menschen wohl über Sie sagen werden, sich mit dem zufriedengeben, was Sie längst haben. Machen Sie einen Anti-Komfortzonen-Plan, indem Sie sich für all Ihre Lebensbereiche überlegen, was Sie gut können, was Sie gern tun, wovor Sie Angst haben und was Sie schon immer einmal ausprobieren wollten. Alles, was Sie gut können und gern tun, liegt innerhalb Ihrer Komfortzone. Alles, wovor Sie Angst haben oder was Sie noch nicht ausprobiert haben, liegt außerhalb. Suchen Sie sich fünf Dinge aus, die außerhalb Ihrer Komfortzone liegen, und setzen Sie sich einen Termin, bis zu dem Sie sie ausprobieren können. Schreiben Sie diese fünf Vorhaben auf einen Zettel oder notieren Sie sie im Computer oder auf dem Smartphone, damit Sie sie unkompliziert vor Augen haben können. Wie fühlt es sich an, wenn Sie den ersten Punkt abhaken können? Und was denken Sie beim zweiten Punkt? Vielleicht kommen Sie in ein Anti-Komfortzonen-Fieber und es wird immer leichter, Dinge zu tun, vor denen Sie Angst hatten oder die Sie noch nie ausprobiert haben. Vielleicht wächst zunächst aber auch Ihre Unsicherheit und Sie befürchten, den Mut zu verlieren. Machen Sie trotzdem weiter – irgendwann wird es leichter. Thomas Bering ist Mitte dreißig und Lokalredakteur bei einer Tageszeitung. Er macht seinen Job gern und gut, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und liefert seine Artikel immer pünktlich ab. Oft überlegt er sich jedoch, ob er noch dreißig Jahre lang über Lokalpolitik, Straßenfeste, Geschäftseröffnungen und Todesfälle berichten möchte. Während seiner journalistischen Ausbildung träumte er von Recherchereisen in die weite Welt – doch er traut sich nicht, seinen sicheren Job aufzugeben. Um aus seiner Komfortzone auszubrechen, nimmt er sich vor, sein Englisch aufzufrischen, sich über Kanada und Alaska zu informieren, seinen Jahresurlaub an einem Stück zu beantragen und sechs Wochen in Nordamerika zu verbringen, um eine Reportage zu schreiben. Er plant Schritt für Schritt und findet immer mehr Menschen, die ihn in seinem Vorhaben unterstützen. Anderthalb Jahre nach der ersten Idee ist es so weit: Er fliegt nach Vancouver und beginnt seine Studienreise. Ein Reisemagazin hat

Interesse an seinem Artikel angemeldet. Thomas Bering fühlt sich so frei wie noch nie und nimmt sich vor, künftig häufiger aus dem Alltag auszubrechen. Finden Sie heraus, was Sie davon abhält, Neues auszuprobieren und Ungewohntes zu tun. Meistens sind es nur Gedanken, die Ihnen im Weg stehen – doch diese Gedanken können sehr mächtig sein. Folgende Gedanken sind typische Komfortzonenbewahrer: Das klappt sowieso nicht. Ich kann das nicht. Andere Menschen schaffen es auch nicht. Ich habe es schon so oft probiert. Ich mache mich bestimmt lächerlich. Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe. Denken Sie daher Anti-Komfortzonen-Gedanken, beispielsweise: Ich bin sehr neugierig. Das wird bestimmt toll. Darauf freue ich mich. Hinterher bin ich stolz auf mich. Das kann doch gar nicht so schwer sein. Nichts leichter als das! Wenn Sie sich bei Ihrem Anti-Komfortzonen-Training auf den ersten Schritt konzentrieren, hat dies den Vorteil, dass Sie nicht gleich über alle weiteren notwendigen Schritte nachdenken. Stellen Sie in Gedanken also alles auf Anfang: Sammeln Sie Energie, konzentrieren Sie sich, fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit und starten Sie dann durch. Ist der erste Schritt geschafft, planen Sie den zweiten Schritt. Da Sie nun bereits gemerkt haben, dass der erste Schritt gar nicht so schwierig war, wird Ihnen der zweite Schritt vermutlich leichter fallen. In Tabelle 13.1 finden Sie ein Muster für eine Checkliste, die Ihnen hilft, Ihren ganz persönlichen Weg aus der Komfortzone hinauszufinden: Beschreiben Sie die Ist-Situation und die gewünschte Soll-Situation. Notieren Sie Ihre Erfahrungen mit der Ist-Situation und beschreiben Sie, warum Sie diese Situation ändern, also Ihre Komfortzone verlassen möchten. Beschreiben Sie dann den ersten Schritt, den Sie tun werden, und nehmen Sie sich vor, wann Sie ihn gehen. Beschreiben Sie anschließend Ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit dem ersten Schritt und formulieren Sie den zweiten Schritt und bis wann Sie diesen gegangen sein wollen. Arbeiten Sie sich auf diese Weise immer weiter zu Ihrem Ziel voran, bis Sie die Soll-Situation erreicht haben.

Beschreiben Sie schließlich Ihre Erfahrungen mit der neuen Situation und dem Weg dorthin. So halten Sie Ihren Lernerfolg fest und sehen, dass es gar nicht so schwer war, die einzelnen Schritte zu gehen. Schritt

Beschreibung Termin Erfahrung

Ist-Situation Erster Schritt Zweiter Schritt Dritter Schritt Soll-Situation

Tabelle 13.1: Checkliste für den Weg zum Ziel außerhalb der Komfortzone

Auf zu neuen Ufern Vielleicht haben Sie noch gar keine Idee, welche neuen oder ungewohnten Dinge Sie tun könnten, um Ihre Komfortzone zu verlassen? Nutzen Sie die Mind-Mapping-Technik (in Kapitel 5 finden Sie mehr dazu), um Ideen zu generieren. Oder regen Sie Ihre Fantasie an, indem Sie die ABC-Technik anwenden: Verfassen Sie eine Tabelle mit Ihren unterschiedlichen Lebensbereichen als Spaltenüberschriften und den Buchstaben des Alphabets als Zeilenbezeichnungen. Fangen Sie bei A an und überlegen Sie, ob Ihnen zu einem Ihrer Lebensbereiche (Arbeit, Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft, Ehrenamt, Hobbys, Sport, Urlaub und so weiter) etwas mit dem Anfangsbuchstaben A einfällt, das Sie schon immer mal ausprobieren wollten oder das Sie ändern möchten. Gehen Sie dann ans Ende der Tabelle zum Buchstaben Z und finden Sie ein Wort für eine der Spalten. Springen Sie dann wieder nach oben und suchen Sie in einem Lebensbereich einen Begriff mit dem Anfangsbuchstaben B. Dann ist wieder das Ende der Tabelle dran. (Fällt Ihnen zu X etwas ein? Mir leider nicht.) Vielleicht sind Sie inzwischen schon so weit, dass Ihnen auch für die Mitte der Tabelle Wörter einfallen. Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf und füllen Sie die Tabelle nach und nach. So regen Sie Ihr assoziatives Denken an und erarbeiten in relativ kurzer Zeit 26 neue Themenbereiche für Ihr Anti-KomfortzonenTraining. Ein Beispiel finden Sie in Tabelle 13.2. Familie

Arbeit

A B

Hobbys

Ehrenamt

Angelschein machen Betriebsrat werden

C Chinesisch kochen D

Demonstration organisieren

:: :: Z

Zaubern üben

Tabelle 13.2: Mit der ABC-Technik Ideen generieren

Sortieren Sie Ihre Liste anschließend in der Reihenfolge, in der Sie sich mit Ihren einzelnen Lebensbereichen und den Neuerungen darin beschäftigen möchten. Nehmen Sie sich konkrete Termine vor, bis zu denen Sie etwas Neues ausprobiert haben möchten. Setzen Sie sich nicht unter Druck, aber nehmen Sie Ihr Training ernst. Jeder Schritt aus der Komfortzone stärkt Ihre innere Widerstandskraft, ermöglicht Ihnen neue Erfahrungen und lässt Sie Seiten an sich entdecken, die Sie bislang nicht kannten. Für den Fall, dass Sie gar nicht wissen, womit Sie anfangen sollen, sind hier einige alphabetisch geordnete Vorschläge, die Sie vielleicht zum Weiterfantasieren anregen können: Angelschein machen, Betriebsrat werden, Clownkurs belegen, Dachboden ausmisten, emaillieren, Freundeskreis erweitern, Garten pachten, Haus umräumen, Informationstisch im Wahlkampf organisieren, joggen, Karriereberatung nutzen und sich beruflich verändern, Langlaufski kaufen, Marathon laufen, Nachbarschaftshilfe organisieren, Opernabonnement kaufen, Patenschaft übernehmen, Quilten aus Stoffresten lernen, Rhetorikschulung mitmachen, Spanisch lernen, trommeln lernen, Umweltschutz aktiv betreiben, Verein gründen,

Wasserball spielen, Yoga üben, Zaubern lernen.

Egal was die anderen sagen … Beim Verlassen Ihrer Komfortzone wird Ihnen möglicherweise die Schere im Kopf im Weg sein, also Ihr Gewissen oder Über-Ich, das manche Dinge schlichtweg für unmöglich hält und Ihnen verbietet, weiter darüber nachzudenken. Vielleicht projizieren Sie diese Begrenzungen auch nach außen und fürchten sich vor dem, was andere Menschen über Sie sagen könnten. Kennen Sie das von sich auch? Wenn Sie sich überlegen, was Sie tun oder lassen möchten, kommt gleich eine der folgenden Fragen auf: Was werden die Nachbarn dazu sagen? Ist meine Frau/mein Mann wohl dagegen? Wie denken meine Kollegen dann über mich? Was hält mein Chef davon? Und wenn es nicht klappt, wie stehe ich dann da? Diese und ähnliche Fragen sind grundsätzlich eine Projektion: Sie projizieren Ihre eigenen Vorbehalte nach außen, also in andere Menschen hinein, und haben das Gefühl, sich vor den anderen rechtfertigen zu müssen – und nicht vor Ihrem eigenen Gewissen. Wenn Sie ganz ehrlich mit sich sind, werden Sie vermutlich feststellen, dass die Befürchtungen, was andere über Sie sagen könnten, auf der Grundlage von anerzogenen oder angenommenen Normen und Werten entstehen. Machen Sie einmal die Probe aufs Exempel und fragen Sie einen Nachbarn, eine Kollegin oder ihren Lebenspartner, was er oder sie von einem bestimmten Plan halten würde. Wahrscheinlich wird die Antwort anders sein, als Sie gedacht haben – in den meisten Fällen sind die anderen Menschen viel weniger kritisch als Ihr eigenes Gewissen. Vielleicht findet Ihr Nachbar/Kollege/Ehepartner Ihren Plan sogar richtig prima und unterstützt Sie dabei. Dann gilt es nur noch, Ihre eigene innere Gouvernante von diesem Plan zu überzeugen. Das schaffen Sie, indem Sie sich Ihre Bedürfnisse bewusst machen und anerkennen, dass Sie ein Recht auf diese Bedürfnisse und deren Befriedigung haben. Solange Sie niemand anderem schaden, dürfen Sie alles tun, was Sie wollen, auch wenn es nicht mit den Grundsätzen Ihrer Eltern, Ihrer Familie, Ihrer Religionsgemeinschaft, Ihrer Firma oder Ihres Freundeskreises übereinstimmt. Sie sind für sich selbst verantwortlich und sollten immer wieder neu ausprobieren, was Ihnen guttut. Das stärkt Ihre innere Widerstandskraft erheblich.

Inge Waldberg ist in einem bayerischen Dorf aufgewachsen und wurde streng katholisch erzogen. Als junge Erwachsene lernt sie einen Mann kennen, der keiner Kirche angehört. Sie sehnt sich nach einer Liebesbeziehung mit ihm, doch ihre Familie besteht darauf, dass Sex vor der Ehe nicht erlaubt ist. Inge verbringt viele schlaflose Nächte, betet und spricht mit ihren Freundinnen. Ihr Gewissen plagt sie sehr, doch ihr Bedürfnis nach einer Beziehung und ihre Liebe zu dem jungen Mann sind so groß, dass sie sich entscheidet, ihrem Dorf den Rücken zu kehren. Die Beziehung zu dem Mann hält zwar nur zwei Jahre, doch Inge hat gelernt, ihre eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und auf ihr Herz zu hören. Sie hat einen neuen Freundeskreis gewonnen und lebt ein viel freieres Leben als jemals zuvor. Im Rückblick sagt sie, dass der Abschied von den Glaubensüberzeugungen ihrer Kindheit und Jugend zwar schwer war, doch dass dieser Schritt sie erwachsen und widerstandsfähig gemacht hat.

Über sich hinauswachsen Je mehr Neues Sie lernen, je intensivere Erfahrungen Sie machen und je öfter Sie Ihre Komfortzone verlassen, desto mehr entwickeln Sie sich. Nehmen Sie dabei den Begriff der Entwicklung ganz wörtlich: Sie ent-wickeln sich, befreien sich also aus Verwicklungen. Und je mehr Sie sich entwickeln, desto freier und beweglicher werden Sie. Sie können sich sogar an das Ungewöhnliche gewöhnen und sich immer wieder aufraffen, Ihre Komfortzone zu verlassen und Neues zu erleben. Das klingt logisch und ist theoretisch auch gar nicht kompliziert – doch die Umsetzung ist nicht einfach. Denn die Komfortzone ist so herrlich bequem und gemütlich. Nehmen Sie sich nicht zu viel auf einmal vor. Fangen Sie klein an und machen Sie nur den ersten Schritt aus der Komfortzone heraus. Halten Sie dann inne und prüfen Sie, wie es sich anfühlt, etwas getan, unterlassen oder gesagt zu haben, das Sie zuvor noch nie getan, unterlassen oder gesagt haben: Leben Sie noch oder sind Sie tot umgefallen? Dreht die Welt sich weiter oder ist sie stehen geblieben? Mögen Sie sich selbst noch oder finden Sie sich unerträglich? Sind die Menschen in Ihrer Umgebung noch da oder sind sie schreiend davongelaufen? Hat überhaupt jemand außer Ihnen gemerkt, dass Sie Ihre Komfortzone verlassen haben? Wie fühlen Sie sich außerhalb Ihrer Komfortzone: verängstigt, verlassen und verzweifelt oder neugierig, wagemutig und lebenslustig?

Genießen Sie es, Stück für Stück über sich hinauszuwachsen. Sie stärken damit Ihre Resilienz ganz erheblich, denn je öfter Sie spüren, dass ungeahnte Möglichkeiten in Ihnen stecken, desto besser werden Sie mit Problemen, Krisen und Katastrophen umgehen können. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut – und Sie sollten sich nicht mit allzu großen Schritten aus Ihrer Komfortzone heraus überfordern. Fangen Sie mit kleinen Schritten an und werden Sie Schritt für Schritt mutiger. Denken Sie daran, sich für Ihre Erfolge zu loben und immer wieder in Ihrer Komfortzone Kraft zu sammeln. Pausen sind wichtig!

Souveräner Umgang mit Kränkungen Nicht alles, was Sie tun oder lassen, sagen oder vertreten, findet Anklang bei den Menschen in Ihrer Umgebung. Sie werden kritisiert, infrage gestellt, be- oder verurteilt, gekränkt. Vielleicht wenden manche Menschen sich von Ihnen ab, reden hinter Ihrem Rücken schlecht über Sie oder machen sich über Sie lustig. All dies ist schwer zu ertragen und kann dazu führen, dass Sie unsicher werden und so schnell wie möglich in Ihre Komfortzone zurückkehren wollen. Dort fühlen Sie sicher und meinen zu wissen, wie andere auf Sie reagieren. Doch auch innerhalb Ihrer Komfortzone kann es passieren, dass Sie gekränkt werden. Kränkung ist ein sehr starkes, sehr unangenehmes Gefühl. Damit fertigzuwerden, kostet Zeit und Kraft. Wichtig ist die Ursachenforschung: Warum kränkt oder beleidigt mich etwas? Welche meiner Ängste oder Befürchtungen werden durch den Kränkenden geschürt? Warum hat diese Person Macht über mich und kann mich überhaupt kränken? Welches Gefühl wird durch die Kränkung hervorgerufen: Wut, Schmerz, Angst? Und woran erinnert mich dieses Gefühl? Wie würde ich nach der Kränkung spontan am liebsten reagieren: mit einem Gegenangriff, durch Flucht oder indem ich mich totstelle? Durch die Ursachenanalyse schaffen Sie Distanz zwischen sich und der Kränkung und sind in der Lage, etwas nüchterner auf die Situation zu schauen. Ein gekränkter Mensch fühlt sich zurückgewiesen, missachtet, gedemütigt, unverstanden, entwertet. Das Gefühl gleicht einem Schlag ins Gesicht und ist schwer zu ertragen und zu verarbeiten. Gerade deshalb ist ein gelassener Umgang mit Kränkungen besonders wichtig: Wer seine eigenen Gefühle gut versteht und die kränkende Situation nüchtern analysieren kann, schützt sich vor Verletzung und sozialem Rückzug.

Um sich durch Kränkungen, Beleidigungen und Ablehnung nicht allzu sehr aus der eigenen Bahn werfen oder verunsichern zu lassen, halten Sie sich folgende Punkte vor Augen: Ob Sie sich kränken lassen oder nicht, ist Ihre persönliche Entscheidung. Sie sind verantwortlich für Ihre Gefühle und können sich für oder gegen Kränkung entscheiden. Tipps dafür finden Sie weiter unten. Sie können einem Menschen, der Sie kränken will, bewusst die Macht über Sie entziehen. Nur wer Macht über Sie hat, kann Sie kränken. Diese Macht räumen Sie einem Menschen ein – oder eben nicht. Kränkende Erlebnisse sind oft deshalb so schwer zu ertragen und zu verarbeiten, weil hinter der Kränkung ein unerfülltes Bedürfnis steht. Dieses Bedürfnis zu erkennen hilft, besser mit Kränkungen umzugehen. Achten Sie darauf, ob Sie eher die positiven Reaktionen Ihrer Mitmenschen oder eher Kritik und Kränkungen registrieren: Wer hat Sie heute schon angelächelt? Hat Ihnen heute schon jemand etwas Freundliches gesagt? Wer ist Ihnen heute blöd gekommen? Hat Sie heute schon jemand kritisiert oder gekränkt? Wenn Ihnen spontan mehr positive als negative Reaktionen Ihrer Mitmenschen einfallen, sind Sie auf einem guten Weg. Sie haben eine feine Antenne für Wertschätzung, Freundlichkeit und Unterstützungsbereitschaft. Achten Sie hingegen deutlich mehr auf die negativen Reaktionen Ihrer Umwelt und registrieren die positiven Reaktionen wenig oder gar nicht, dann sollten Sie an Ihrer Wahrnehmung arbeiten: Führen Sie drei Tage lang eine Strichliste und notieren Sie jedes Lächeln, das man Ihnen schenkt. Schreiben Sie sich drei Tage lang jeden freundlichen Satz, jedes nette Wort und jede Anerkennung auf. Kramen Sie in Ihrem Gedächtnis und holen Sie positive Erinnerungen ans Licht: Wer war in der Kindheit besonders nett zu Ihnen? Welche Anerkennung haben Sie in der Schule bekommen? Wie haben Ihre Kollegen in der Ausbildung oder Ihre Kommilitonen im Studium auf Sie reagiert? An welchen Nachbarn erinnern Sie sich besonders gern? Warum mögen Sie Ihren besten Freund oder Ihre beste Freundin so gern? Je mehr Sie Ihre Aufmerksamkeit für positive Reaktionen schärfen, desto weniger kränkbar werden Sie. Sie konzentrieren sich auf das Gute und sammeln Abwehrkräfte gegen das Schlechte. Ganz immun gegen Kränkung werden Sie so zwar nicht, aber Sie lassen sich nicht mehr ganz so tief verletzen. Darüber hinaus ist es hilfreich zu üben, sich gar nicht kränken zu lassen, sondern eine vermeintlich kränkende Situation neu zu interpretieren:

Alle Kollegen sind zu einem Geburtstagsumtrunk eingeladen worden, nur Sie nicht? Vielleicht hat der Jubilar so viel um die Ohren gehabt, dass er Sie einfach nur vergessen hat. Gehen Sie zum Umtrunk und gratulieren Sie besonders herzlich. Sie haben ein gutes Arbeitsergebnis abgeliefert, werden dafür aber überhaupt nicht gelobt? Vielleicht hat Ihr Chef etwas anderes von Ihnen erwartet. Sprechen Sie ihn an und fragen Sie ihn, wie er Ihr Ergebnis bewertet und was Sie anders machen könnten. Ihr Mann hat Ihre neue Frisur nicht bemerkt? Vielleicht findet er Sie einfach mit jeder Frisur schön. Fragen Sie Ihre Freundin, wie ihr die neue Frisur gefällt. Entscheiden Sie sich bewusst dafür, nicht gekränkt zu sein. Hilfreich dafür ist eine positive Selbstsuggestion, die Sie mehrfach wiederholen, wenn Sie spüren, dass eine Kränkung Ihnen Schmerz bereitet, beispielsweise »Halb so schlimm« oder »Das geht vorbei« oder »Ich bin gut, so wie ich bin«. Neben den vermeintlichen Kränkungen, die nur auf Ihrer persönlichen Wahrnehmung und Interpretation einer Situation beruhen, gibt es jedoch auch absichtliche Kränkungen. Wenn Sie bemerken, dass jemand immer wieder versucht, Sie zu kränken und zu verletzen, ist es an der Zeit, sich mit dieser Person auseinanderzusetzen: Welche Rolle spielt diese Person in Ihrem Leben? Sind Sie von ihr abhängig? Welche Macht hat sie über Sie? Warum hat sie diese Macht? Welche Gründe könnte sie haben, Sie ständig verletzen zu wollen? Lassen sich die Konflikte zwischen Ihnen und dieser Person klären? Wie möchten Sie zukünftig mit dieser Person umgehen? Ist Ihr Leben ohne diese Person vorstellbar? Netzwerkpflege ist eine der sieben Säulen der Resilienz. Sein Netzwerk zu pflegen, bedeutet, gute Beziehungen zu stärken und schlechte Beziehungen zu beenden, denn ein Netzwerk, in dem es vergiftete Maschen gibt, kann die innere Widerstandskraft nicht erhöhen. Wenn Sie also erleben, dass Menschen in Ihrem Netzwerk schlecht für Sie sind und Ihnen Kraft rauben, sollten Sie sich von diesen Menschen verabschieden. Gerade für enge zwischenmenschliche Beziehungen gilt: Auch ans Leiden kann man sich gewöhnen – muss man aber nicht. Aus Angst vor Einsamkeit, aus Unselbstständigkeit oder aus Gewohnheit und Bequemlichkeit scheuen viele Menschen davor zurück, eine zerrüttete Beziehung zu hinterfragen oder gar zu

beenden. Doch Kränkungen machen krank: Wer in einer schlechten Beziehung verharrt, verliert Lebensfreude und schadet sich selbst erheblich. Es ist nicht einfach, eine kränkende oder kranke Beziehung zu beenden, insbesondere wenn weitere Menschen davon betroffen sind oder wenn materielle beziehungsweise ideelle Abhängigkeiten bestehen. Gehen Sie achtsam mit sich selbst um und horchen Sie in sich hinein: Haben Sie das Bedürfnis nach einem klärenden Gespräch? Möchten Sie der Beziehung eine zweite Chance geben? Wenn ja, zu welchen Bedingungen? Möchten Sie sich lieber schriftlich aus der Beziehung verabschieden? Brauchen Sie einen Vermittler? Wäre es Ihnen am liebsten, die Beziehung ganz ohne Worte oder Erklärungen zu beenden? Wovor haben Sie im Hinblick auf das Ende der Beziehung Angst? Wie können Sie mit dieser Angst umgehen und wer hilft Ihnen dabei? Bleiben Sie authentisch und zwingen Sie sich zu nichts. Es geht in erster Linie um Sie und erst in zweiter Linie um die anderen. Seien Sie ehrlich mit sich selbst und versuchen Sie, Ihre eigenen Anteile an Konflikten und Kränkungen zu sehen – so schützen Sie sich davor, in neuen Beziehungen in die gleichen alten Fallen zu tappen.

Tragfähige Kompromisse schließen Menschliche Beziehungen werden durch Kompromisse erleichtert. Es handelt sich dabei um die gütliche Übereinkunft mehrerer Konfliktparteien, sich freiwillig einer Lösung zu unterwerfen, die ungefähr auf halbem Weg zwischen den Forderungen der jeweiligen Parteien liegt. Keine Partei bekommt alles, sondern alle bekommen etwas. Zwar sagte Aristide Briand, der französische Friedensnobelpreisträger von 1926: »Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind«, doch idealerweise stellt ein Kompromiss alle Streitenden zufrieden. Es stärkt die Resilienz, kompromissfähig zu sein: Die Bereitschaft, gemeinsame Wege zu finden, nicht immer mit dem Kopf durch die Wand zu wollen und sich auf gegebene Situationen einzustellen und kreative Lösungen zu finden, erhöht die Krisenfestigkeit und Flexibilität. Julia und Thorsten Schröder sind seit fünf Jahren verheiratet. Es gibt immer wieder Krach wegen Kleinigkeiten, beispielsweise weil Thorsten vergessen hat einzukaufen, weil Julia wieder mal einen Termin verschieben will oder weil sich keiner für den Müll zuständig fühlt. Die Konflikte vergiften die gute Stimmung, mit der Julia und

Thorsten von der Arbeit kommen, und führen dazu, dass die beiden abends immer weniger miteinander reden. In einer Eheberatung lernen sie, tragfähige Kompromisse zu schließen. Sie führen einen gemeinsamen Terminkalender, verteilen die Hausarbeit gleichmäßig und reden über Konflikte, anstatt gleich wütend zu werden. So retten sie ihre Ehe und gewinnen Lebensfreude und innere Widerstandskraft. Ein Kompromiss bedeutet, dass jeder Beteiligte einen oder mehrere Schritte auf den oder die anderen zu macht. Jeder muss sich also bewegen. Überlegen Sie sich in einer Konfliktsituation, welche Ihrer Forderungen verhandelbar sind und welche nicht. So stellen Sie individuelle Leitplanken auf, zwischen denen Sie sich bewegen können und wollen. Versuchen Sie dann, neben Ihrer Wunschlösung weitere mögliche Lösungen zu finden, mit denen Sie ebenfalls leben könnten. Und wenn Sie dann in die Verhandlungen eintreten, seien Sie offen für das, was von der Gegenseite kommt. Vielleicht werden Ihnen Lösungen vorgeschlagen, an die Sie selbst überhaupt nicht gedacht hatten. Vielleicht sehen Sie den Konflikt, um den es geht, in einem neuen Licht, nachdem Sie die andere Seite gehört haben. Vielleicht stellen Sie fest, dass die Fronten gar nicht so verhärtet sind, wie Sie dachten. Oder der Konflikt löst sich sogar allein dadurch in Luft auf, dass Sie darüber sprechen. Schließen Sie jeden Tag mindestens zwei Kompromisse: mit sich selbst, mit Ihren Liebsten, Ihren Kindern, Ihren Kollegen, Ihren Freunden, mit Ihrem Chef. Führen Sie ein Kompromisstagebuch und bewerten Sie die Kompromisse jeweils rückblickend nach einigen Tagen. Gibt es Menschen, mit denen Sie besonders gute Kompromisse finden? Und andere, mit denen Sie zumeist faule Kompromisse eingehen? Pflegen Sie die Beziehungen zu den Menschen, mit denen Sie hilfreiche Konfliktlösungen erarbeiten können, und hinterfragen Sie die Beziehungen zu den Menschen, die Ihnen Kraft, Zeit und Energie rauben. Konflikte kann man verbissen sehen, man kann sie aber auch weglächeln. Fragen Sie sich, wie viel Energie Sie in negative Gefühle, komplizierte Beziehungen und wilde Interpretationen stecken wollen. »Energie folgt der Aufmerksamkeit«, stellte der Franzose Emile Coué (1857–1926) fest, der sich mit dem Thema Autosuggestion befasste. Sie entscheiden selbst, worauf Sie Ihre Aufmerksamkeit lenken und wohin Sie Ihre Energie fließen lassen: Entweder Sie konzentrieren sich auf Konflikte, Kränkungen, Abwertungen und Probleme, oder Sie fokussieren sich auf Freude, Glück und Lösungen. Vermutlich wird es Ihnen sehr viel leichter fallen, tragfähige Kompromisse zu finden und zu schließen, wenn Sie … Konflikte nicht allzu ernst nehmen, das Gute im Menschen voraussetzen, nicht immer gewinnen müssen,

sich selbst reflektieren, Humor haben und über sich und Ihre Schwächen lachen können. Stellen Sie sich vor, die Suche nach einem Kompromiss gleiche dem Versteckspiel von Kindern: Zählen Sie mit geschlossenen Augen langsam bis zehn, schauen Sie dann in jede Ecke, in der sich ein Kompromiss verstecken könnte, horchen Sie aufmerksam, suchen Sie gründlich und rennen Sie schließlich lachend hinter dem gefundenen Kompromiss her, bis Sie ihn erwischt haben und gemeinsam anfangen zu tanzen. Konflikte lassen sich entschärfen, indem Sie das Positive des Konflikts zu erkennen versuchen: Die Konfliktparteien sind sich gegenseitig wichtig, das Thema ist bedeutsam, eine Lösung ist erwünscht. Machen Sie der anderen Konfliktpartei Komplimente und heben Sie hervor, dass Sie froh sind, wenn der Konflikt mit vereinten Kräften aus der Welt geschafft werden kann.

Unmögliches möglich machen Manchmal erscheint es unvorstellbar, die eigene Komfortzone zu verlassen, einen Konflikt zu lösen, eine Krise zu überstehen oder nach einer Katastrophe weiterzuleben. Denken Sie daran: Sie entscheiden selbst, ob und wie Sie Probleme lösen. Wenn Sie den Gedanken festhalten »Das geht nicht«, dann geht es auch nicht. Wenn Sie denken »Das kann ich nicht«, können Sie es auch nicht. Aber wenn Sie sich vornehmen »Das schaffe ich«, schaffen Sie es! Der Spruch »Geht nicht gibt’s nicht« ist zwar sehr euphorisch und kann erheblichen Druck ausüben, aber er enthält einen wahren Kern: Unmögliches wird möglich, wenn Sie an sich glauben, Ihre Kräfte mobilisieren, Ihr Netzwerk aktivieren und sich optimistisch auf die Suche nach neuen Lösungen machen. Gönnen Sie sich öfter mal Luxus im Alltag, um zu spüren, dass alles möglich ist: Verbringen Sie einen Wohlfühlabend mit Schaumbad, Kerzen, leiser Musik und leckerem Essen und genießen Sie jede Minute. Trinken Sie im edelsten Café Ihrer Stadt eine Tasse Cappuccino und flirten Sie mit einem Kellner oder einer Kellnerin. Machen Sie eine Probefahrt mit Ihrem Traumauto und sagen Sie dem Autohändler, dass Sie auf eine große Erbschaft hoffen. Gönnen Sie sich ein ganzes Wochenende ohne Termine und Verpflichtungen und leben Sie mit Ihrer Familie in den Tag hinein. Nehmen Sie einen Urlaubstag und gehen Sie ganz ohne Reue ausschließlich Ihrem Hobby nach – acht Stunden angeln, basteln, Sport machen oder musizieren, wie herrlich. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie sich Luxus gönnen? Genießen Sie das oder haben Sie ein schlechtes Gewissen? Versuchen Sie, sich öfter mal ohne Reue zu verwöhnen. Das stärkt Ihre Resilienz.

Durch die Erfahrung, dass Sie Dinge, die Ihnen eigentlich unmöglich erschienen, doch möglich machen können, vergrößern Sie Ihre Selbstwirksamkeitserwartung. Außerdem stärken Sie Ihren Glauben an sich selbst (siehe Kapitel 12) – und haben vermutlich auch noch mehr Spaß am Leben. Legen Sie eine Löffelliste an, auf der Sie zehn Dinge notieren, die Sie gemacht haben möchten, bevor Sie sprichwörtlich den Löffel abgeben. Diese Idee stammt aus dem Film »Das Beste kommt zum Schluss« von Rob Reiner (2007). Da Sie vermutlich noch nicht so bald sterben wollen, können Sie jedes Mal, wenn Sie einen Punkt von Ihrer Löffelliste streichen, ein neues Vorhaben auf die Liste setzen. So haben Sie immer zehn tolle Vorhaben vor sich, auf die Sie sich freuen können. Das fördert die Zukunftsplanung und den Optimismus – zwei der sieben Säulen der Resilienz.

Kapitel 14

Die Reserven wieder auffüllen IN DIESEM KAPITEL Die eigenen Kräfte sinnvoll einsetzen Pausen und Auszeiten planen und nutzen Dauerstress schadet Körper und Seele Burn-out vorbeugen oder behandeln

Um fit für alle Herausforderungen Ihres Alltags zu sein, Probleme erfolgreich lösen zu können und Krisen oder Katastrophen unbeschadet zu überstehen, brauchen Sie immer wieder neue Kraft. Diese Kraft fällt nicht vom Himmel, sondern muss gesammelt werden. So wie jeder Akku aufgeladen werden muss, um erneut Energie abgeben zu können, brauchen auch Ihre inneren Energiereserven die Möglichkeit, sich zu füllen. Wie Menschen ihre Reserven auffüllen, ist individuell unterschiedlich und hängt von der Persönlichkeitsstruktur ab: Manche Menschen brauchen ein stilles Kämmerlein und viel Ruhe, andere brauchen Bewegung, den Kontakt zu ihren Mitmenschen oder möglichst viel Ablenkung. Jeder braucht Schlaf und Ruhepausen, denn nur so können die Körperzellen sich regenerieren und nur so kann das Gehirn die Eindrücke des Tages verarbeiten. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Sie Ihre Resilienz durch Pausen, Auszeiten und Auftanken erhöhen, welche Warnzeichen es gibt, um zu erkennen, dass Sie Ihre Grenzen überschritten haben, und was Sie tun können, um einem Burn-out vorzubeugen. Burn-out ist keine medizinische Diagnose, sondern der populärwissenschaftliche Name für einen Symptomkomplex aus totaler Erschöpfung, depressiver Verstimmung und zahlreichen körperlichen Beeinträchtigungen wie Infektanfälligkeit, Schlafstörungen, Bluthochdruck und Verdauungsproblemen, der in ursächlichem Zusammenhang mit Stress steht. Es handelt sich dabei um ein ernst zu nehmendes Problem unserer Gesellschaft, dem es sowohl individuell als auch bevölkerungsbezogen entgegenzuwirken gilt. Wollen Sie feststellen, ob Sie jetzt gerade eine Pause brauchen? Dann halten Sie kurz inne, richten Ihre Aufmerksamkeit auf Ihr aktuelles Befinden und fragen sich: Bin ich müde?

Sind meine Muskeln verspannt? Kann ich mich nicht mehr konzentrieren, schweifen meine Gedanken ständig ab? Habe ich Kopfschmerzen, brennende Augen oder schwere Beine? Falls Sie zwei oder mehr Fragen mit »Ja« beantwortet haben, brauchen Sie dringend eine Pause! Stehen Sie auf oder legen Sie sich kurz hin, schließen Sie die Augen, lassen Sie Ihre Gedanken kommen und gehen wie Wolken am Himmel und atmen Sie tief in Ihren Bauch. Wenige Minuten reichen, um sich wieder frischer zu fühlen und weitermachen zu können, womit immer Sie sich beschäftigt hatten, bevor Sie eine Pause einlegten. Weitere Tipps für die Gestaltung von kurzen, aber wirksamen Auszeiten finden Sie weiter hinten in diesem Kapitel.

Die Bedeutung von Auszeiten Herausforderungen, Probleme, Krisen und Katastrophen haben eines gemeinsam: Sie lösen Stress aus. Denn in jeder bedrohlichen Situation schaltet der Körper das Kampfoder-Flucht-Programm ein (siehe Kapitel 3) und erhöht die physische und psychische Anspannung. Wenn Sie sich erschrecken, bedroht fühlen oder in Gefahr sind, ist die körperliche Stressreaktion völlig angemessen und hilft Ihnen dabei, eine schwierige Situation gut zu meistern. Die Stressreaktion führt dazu, dass Sie sich fokussieren und konzentrieren können und dass Ihr Organismus zu Höchstleistungen bereit ist. Wichtig ist jedoch, dass sich Phasen der erhöhten Alarmbereitschaft mit Phasen der Entspannung abwechseln, damit die sogenannte Stresshormonspirale nicht entgleist. Wenn Sie sich ausruhen, entspannen oder ablenken, kann Ihr Körper wieder in den Normalzustand zurückkehren und neue Kräfte sammeln. Stellen Sie sich die Stressreaktion Ihres Körpers vor wie einen kräftigen Tritt aufs Gaspedal: Sie sind dadurch in der Lage zu beschleunigen, zu überholen oder auszuweichen. Damit Ihr Motor aber nicht durchdreht, müssen Sie nach dem Vollgas auch wieder abbremsen, also entschleunigen. Um Ihre innere Widerstandskraft zu erhöhen, sollten Sie auf regelmäßige Pausen und Auszeiten achten. Nur wenn Körper und Geist ausgeruht sind, können Sie Schwierigkeiten nüchtern analysieren, Lösungen für Ihre Probleme finden, Ihr Netzwerk aktivieren und Pläne schmieden. Sie sammeln Kraft für die nächsten Schritte, verarbeiten alle Eindrücke und wappnen sich für neue Belastungen. Sowohl im Privat- als auch im Berufsleben sollten Sie etwa alle 90 Minuten eine kleine Pause einlegen und zweimal am Tag eine größere Pause. Diese Pausen sollten ungestört sein und dazu dienen, dass Sie abschalten und durchatmen, lachen, essen, trinken und sich bewegen können.

Die innere Uhr der Menschen tickt unterschiedlich, haben die Untersuchungen von Chronobiologen ergeben. Ob man Frühaufsteher oder Nachteule ist, wird bereits vor der Geburt genetisch festgelegt und lässt sich im Laufe des Lebens kaum ändern. Finden Sie heraus, wann Ihre kreativsten und produktivsten Zeiten sind – können Sie frühmorgens oder am späteren Nachmittag besser und konzentrierter arbeiten? Versuchen Sie Ihren Tagesablauf entsprechend zu gestalten und zwingen Sie sich möglichst nicht dazu, gegen Ihre innere Uhr zu arbeiten.

Pausen fest einplanen Planen Sie ganz bewusst regelmäßige Pausen in Ihren Alltag ein, um zur Ruhe zu kommen, um alles loszulassen, was Sie belastet, und um neue Kraft zu schöpfen. Es ist hilfreich, sich diese Auszeiten fest in den Kalender zu schreiben oder jeden Tag bestimmte Zeitfenster dafür zu reservieren. Je verbindlicher Sie sich Ihre Pausen vornehmen, desto besser – versuchen Sie sich so weit zu disziplinieren, dass Sie wenigstens zweimal in der Woche eine Stunde ausschließlich für sich allein haben. Es darf natürlich gern auch mehr sein! Hüten Sie sich vor dem schlechten Gewissen, das sich einstellen könnte, wenn Sie Zeit für sich selbst reservieren. Wenn Sie anfangen abzuwägen, ob die freie Zeit Ihnen zusteht oder doch vielleicht Ihrer Familie, Ihrem Beruf oder Ihren sonstigen Verpflichtungen, sagen Sie sich ganz bewusst »Stopp!«. Denn dieses Abwägen ist eine Falle, in die Sie besonders leicht hineintappen, wenn Sie daran gewöhnt sind, die Bedürfnisse anderer Menschen über Ihre eigenen Bedürfnisse zu stellen. Wer seine eigenen Bedürfnisse jedoch gar nicht kennt oder immer hintanstellt, läuft irgendwann leer oder brennt aus. Ihre ganz persönliche Auszeit können Sie mit all dem füllen, was Ihnen guttut: Sport, Hobbys, Meditation, Schlafen oder Nichtstun. Wenn Sie sich für eine Tätigkeit entscheiden, wählen Sie etwas aus, von dem Sie wissen, dass Sie dabei besonders gut zur Ruhe kommen und Kraft sammeln können. Und wenn Sie schlafen oder nichts tun möchten, dann machen Sie genau das! Sobald Sie sich an die regelmäßigen Pausen gewöhnt haben und diese fest in Ihrer Wochenroutine verankert sind, werden Sie merken, dass Sie ohne Ihre privaten Freiräume gar nicht mehr leben möchten. Wenn Sie berufstätig sind, können Sie Ihre Pausen als »Termin mit mir selbst« in Ihren Kalender schreiben. Dieser Termin ist genauso wichtig wie jeder andere Termin in Ihrem Kalender und sollte nicht zur Disposition stehen. Vielleicht können Sie die große Bedeutung von Pausen und Auszeiten sogar in Ihrem Arbeitsumfeld thematisieren und Ihre Kollegen, Vorgesetzten und Arbeitnehmervertreter einbinden. Viele Unternehmen haben Gesundheitsförderungsprogramme, die letztlich dazu dienen, krankheitsbedingte Fehlzeiten zu verringern und die Produktivität der Belegschaft zu fördern. Hier können Sie ansetzen und Allianzen schmieden. Auch der Betriebsarzt und die Personalabteilung

sind Ansprechpartner für dieses Thema. Wenn es in Ihrem Betrieb ein funktionierendes Vorschlagswesen gibt, können Sie Änderungen hinsichtlich der Pausengestaltung, der betrieblichen Sportangebote und der Prävention auf den Weg bringen. .

Ab 2016 bieten die gesetzlichen Krankenkassen Firmen in gemeinsamen regionalen Beratungsstellen Unterstützung bei der betrieblichen Gesundheitsprävention an. Informationen dazu gibt es auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums www.bmg.bund.de.

Resilienzfördernde Pausengestaltung Nehmen Sie sich in Ihren regelmäßigen Pausen Zeit für sich selbst. Nutzen Sie diese Zeit, um zur Ruhe zu kommen, abzuschalten, sich zu regenerieren und aufzutanken. Insbesondere nach größeren Anstrengungen ist es wichtig, das Stressbewältigungsprogramm des Körpers auf Pause zu stellen und sich zu entspannen. Es fördert die Resilienz, wenn Sie sich Ruhe gönnen, um Rückschläge, Schwierigkeiten, Kränkungen, Verletzungen oder Enttäuschungen zu verarbeiten. Dies geht sowohl im stillen Kämmerlein als auch im Kreise lieber Menschen. Entscheiden Sie situativ, was Sie gerade brauchen, und nehmen Sie Ihre Bedürfnisse ernst. Ihre innere Stimme wird Ihnen vermutlich passgenau sagen, was im Moment gut für Sie wäre – schalten Sie nicht auf Durchzug, machen Sie Ihre innere Stimme nicht mundtot und verschieben Sie Ihre Bedürfnisse nicht (immer) auf später. Wenn Sie vor allem Ruhe und Entspannung benötigen, eignen sich folgende Pausen: Tiefe Bauchatmung: Legen Sie eine Hand auf Ihren Bauch und atmen Sie ganz bewusst tief und langsam durch die Nase ein. Spüren Sie, wie sich Ihre Bauchdecke hebt. Atmen Sie langsam und bewusst durch den leicht geöffneten Mund wieder aus. Nun senkt sich Ihre Bauchdecke wieder. Atmen Sie erst dann wieder ein, wenn Sie den inneren Impuls für einen weiteren Atemzug bekommen. Atmen Sie mindestens zehnmal tief und ruhig ein und aus. Sie werden spüren, wie sich in Ihrem ganzen Körper ein Gefühl der Ruhe und Gelassenheit ausbreitet. Powernap: Ein Mittagsschlaf von 15 bis 20 Minuten kann Wunder wirken und die Lebensgeister in der Tagesmitte wiederbeleben. Stellen Sie sich einen Wecker und setzen oder legen Sie sich bequem hin. Schließen Sie die Augen, atmen Sie tief in Ihren Bauch und kommen Sie zur Ruhe. Ob Sie einschlafen oder nur ruhig und entspannt werden, ist im Grunde völlig egal. Wichtig ist, dass Sie abschalten und loslassen können. Autogenes Training: Trainieren Sie die sogenannte Selbsthypnose und versetzen Sie sich in einen Zustand der Entspannung, Schwere und Wärme. Sie lernen, durch einfache Sätze wie »Mein rechter Arm ist schwer, ganz schwer« Ihren Körper auf tiefe Ruhe umzuschalten. Dieses Training erlernen Sie in Kursen, auf CD, im Internet oder

aus Büchern. Progressive Muskelentspannung: Durch einen Wechsel von bewusster Anspannung und bewusster Entspannung einzelner Muskelgruppen können Sie Ihren ganzen Körper in einen Zustand tiefer Entspannung bringen. Sie konzentrieren sich jeweils auf eine Körperregion, spannen Ihre Muskeln in dieser Region einige Sekunden lang fest an, lassen dann die Spannung bewusst los und spüren der Entspannung in dieser Körperregion nach. Die Entspannung dauert etwa dreimal so lange wie die Anspannung. Auch dieses Verfahren können Sie in Kursen oder im Selbststudium erlernen. Achtsamkeit: Bei der Achtsamkeit handelt es sich um eine ungerichtete Offenheit für alle Phänomene, die sich in Körper und Geist abspielen: Gefühle, Gedanken, Stimmungen, Körperempfindungen, Sinneseindrücke. Alle Wahrnehmungen werden aufmerksam, aber wertungsfrei akzeptiert. Probieren Sie den Body Scan aus: Wandern Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit langsam von den Zehenspitzen bis zum Scheitel durch Ihren Körper und nehmen Sie Anspannung und Entspannung wahr, ohne zu bewerten. Spüren Sie Ihren Atem und Ihren Herzschlag, bleiben Sie nur bei sich und lassen Sie Ihre Gedanken kommen und gehen. Kehren Sie dann gestärkt mit Ihrer Aufmerksamkeit zurück nach außen. Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2011 hat die große Rolle der Meditation für die Stressbewältigungsfähigkeit nachgewiesen: Menschen, die regelmäßig meditieren, haben bereits nach acht Wochen eine kernspintomografisch nachweisbare Erhöhung der Gehirnaktivität in den Bereichen, die für das Lernen, die Merkfähigkeit, die Selbsterkenntnis und die Stress- und Angstreduktion zuständig sind. Wollen Sie Ihre Pausen hingegen lieber aktiv gestalten, können Sie beispielsweise: spazieren gehen, walken oder joggen, laut singen, zu Ihrer Lieblingsmusik tanzen, Kniebeugen machen, Treppen auf und ab laufen, Fahrrad fahren, schwimmen, einen Boxsack benutzen, lachen.

Was immer Sie in Ihrer Pause tun – tun Sie es mit Freude! Genießen Sie Ihre Auszeit, spüren Sie sich, nehmen Sie die Veränderungen in Ihrem Körper wahr und lassen Sie sich nicht ablenken oder dazu verführen, Ihre wohlverdiente Pause abzubrechen.

Warnzeichen erkennen und ernst nehmen Menschliches Leben ist ein steter Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung. Ist die Aktivierung der körperlichen und geistigen Erregung zu niedrig, bleibt ein Mensch hinter seinen Leistungsmöglichkeiten zurück. Ist die Erregungsaktivierung hingegen zu hoch, sinkt die Leistungsfähigkeit ab. Eine mittlere Anspannung/Erregung ist somit förderlich für die Leistungsbereitschaft, Unter- oder Überforderung sind hinderlich. Unverzichtbar ist, dass die für jede körperliche oder psychische Leistung erforderliche Anspannung wieder abgebaut wird. Kommen die Entspannungspausen zu kurz, entsteht Dauerstress. Die Stresshormonspiegel im Blut steigen an und beeinträchtigen den ganzen Organismus: Das Immunsystem wird gehemmt, die Geschlechtsdrüsen und der Verdauungsapparat funktionieren nicht mehr richtig und Zellwachstums- sowie Regenerationsprozesse werden verlangsamt. Der Körper reagiert darauf zunächst mit Verspannung, die sich beispielsweise durch Kopf- und Rückenschmerzen bemerkbar machen. Die Verdauung gerät durcheinander, was zu Magenschmerzen, Sodbrennen, Durchfall, Verstopfung oder Blähungen führen kann. Es kommt zu Schlaf- und Essstörungen und weiteren Anzeichen von Nervosität, wie etwa Zähneknirschen in der Nacht, Konzentrationsstörungen und Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen. Anhaltender Stress kann letztlich zu schweren Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen, Stoffwechselstörungen, Allergien, chronischen Entzündungen und Burn-out führen. Versuchen Sie zu verstehen, was Ihr Körper Ihnen mit bestimmten Beschwerden und Symptomen sagen will – unsere Sprache vermittelt dies bereits in sehr klaren Worten: Atemnot: Mir schnürt der Stress die Luft ab. Herzrhythmusstörungen: Ich nehme mir das sehr zu Herzen. Kreislaufprobleme: Der Stress wirft mich um. Bluthochdruck: Ich könnte auf die Palme gehen. Ohrgeräusche (Tinnitus), Hörsturz: Ich habe zu viel um die Ohren. Kopfschmerzen: Ich bekomme den Kopf nicht frei. Verdauungsprobleme: Mir schlägt der Stress auf den Magen. Übelkeit: Ich finde das zum Kotzen. Probleme beim Wasserlassen: Mir geht der Stress an die Nieren.

Hautjucken, Ausschlag: Ich fühle mich nicht wohl in meiner Haut. Niedergeschlagenheit: Der Stress zieht mich runter.

Bei anhaltenden Stresssymptomen ist es sinnvoll, zunächst durch einen Arzt eine körperliche Ursache Ihrer Beschwerden ausschließen zu lassen. Wenn klar ist, dass Ihnen körperlich nichts fehlt, dann sind Ihre Symptome vermutlich durch Stress bedingt.

Stressbewältigung fördert die innere Widerstandskraft Wenn Sie zu viel Stress haben und spüren, dass Sie nicht von allein ein gesundes Maß an Anspannung und Entspannung erreichen, können Sie sich bewusst mit der Stressbewältigung auf vier verschiedenen Ebenen auseinandersetzen: Ebene der stressauslösenden Situation: Verändern Sie die Situation, die Ihnen das Leben schwer macht, um der Stressentstehung vorzubeugen. Suchen Sie sich dabei Verbündete, aktivieren Sie Ihr Netzwerk, gehen Sie neue Wege. Ebene der Gedanken und Gefühle: Vermeiden Sie stresserzeugende Gedanken wie »Das schaffe ich nicht« oder »Ich muss das ganz allein hinbekommen«. Verändern Sie stressverstärkende Gedankenmuster, indem Sie Distanz zu einer stressigen Situation schaffen – beispielsweise mit der Überlegung, wie Sie wohl in einem Jahr über die Situation denken werden oder was Sie einem guten Freund in einer solchen Situation raten würden. Geben Sie Ihren Gefühlen wie Ärger, Wut, Enttäuschung oder Angst angemessen Ausdruck, fressen Sie nichts in sich hinein. Körperliche Ebene: Bauen Sie Stress aktiv ab, indem Sie sich regelmäßig bewegen, Entspannungsübungen machen, ausreichend schlafen und Ihre Hobbys pflegen. Ressourcenebene: Führen Sie sich Ihre Kompetenzen vor Augen, nutzen Sie Ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten, vertrauen Sie sich, verbessern Sie Ihre Lebensqualität, pflegen Sie soziale Kontakte und Ihr Netzwerk, nehmen Sie Hilfe an, gestalten Sie Ihre Work-Life-Balance ausgewogen.

Trainieren Sie Ihr Gefühlsmanagement möglichst täglich, um Ihre innere Widerstandskraft zu erhöhen. Seien Sie aufmerksam für jedes Gefühl, ganz gleich ob positiv oder negativ. Achten Sie auf Ihre inneren Regungen und drücken Sie nichts weg. Stellen Sie sich Ihre Gefühle als Farben vor und lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf. Vielleicht ist Freude bei Ihnen so grün wie frische Blätter im Frühling, Hoffnung so golden wie Herbstlaub, Wut so violett wie eine Aubergine, Trauer so grau wie der Novemberhimmel. Stellen Sie sich vor, dass die Gefühlsfarbe Sie ganz erfüllt, und beobachten Sie, was in Ihrem Körper und in Ihren Gedanken passiert.

Wenn Sie das Gefühl ausgekostet haben, lassen Sie die Farbe langsam verblassen und kehren zurück in den Alltag. Dadurch, dass Sie Ihren Gefühlen Raum und Gestalt geben, können Sie vielleicht besser mit ihnen umgehen. Im Stress- oder Alarmzustand arbeitet das Großhirn des Menschen, das für das bewusste Denken verantwortlich ist, langsamer. Dies ist für eine wirkungsvolle Kampf-oder-FluchtReaktion durchaus sinnvoll, denn diese Reaktionen laufen instinktiv ab und Denken würde dabei nur stören. Je entspannter Sie jedoch sind, desto klarer können Sie denken. Im entspannten und gelassenen Gemütszustand können Sie Sinneseindrücke besser verarbeiten, Situationen und Handlungsalternativen schneller analysieren und neue Ideen generieren. Sie sind kreativ, frustrationstolerant, offen für Neues, optimistisch und zukunftsorientiert. Stressverarbeitung trägt also dazu bei, die sieben Säulen der Resilienz zu fördern: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege und Zukunftsplanung (Details dazu finden Sie in Kapitel 1).

Burn-out-Gefahr ansprechen Spüren Sie, dass Ihre Kräfte schwinden und Ihre Stressspirale sich überdreht? Oder beobachten Sie bei einem lieben Menschen, dass er mehr und mehr im Stress versinkt, oft krank ist, nicht mehr lacht oder wie versteinert wirkt? Dann ist es höchste Zeit, dass Sie aktiv werden und entweder dem eigenen Ausbrennen vorbeugen oder Ihrem Partner, Freund oder Kollege helfen, aus dem Tief herauszukommen. Der erste Schritt ist die bewusste Beschäftigung mit dem Problem: Schauen Sie der Burn-out-Gefahr ins Auge und sprechen Sie das Thema an. In unserer Gesellschaft sind psychische Belastungen oder Erkrankungen nach wie vor tabuisiert und stigmatisiert. Oft reagieren Menschen sehr hilflos darauf, wenn in ihrer Umgebung jemand an Depression oder totaler Erschöpfung erkrankt. Gut gemeinte Bemerkungen oder Ratschläge wie »Das wird schon wieder«, »Reiß dich einfach zusammen und gib dir einen Schubs«, »Mach mal Urlaub« oder »Das kann doch nicht so schlimm sein« treiben einen Betroffenen in die Sprachlosigkeit. Professionelle Hilfe ist gefragt: Die Behandlung von Depressionen und Burn-out gehören in die Hände eines Psychiaters oder Psychologen. In schwerwiegenden Fällen wird manchmal auch ein Krankenhausaufenthalt nötig. Ausführliche Informationen zur chronischen Erschöpfung und zum Ausgebranntsein finden Sie in dem Buch Burn-out überwinden für Dummies von Adrian Urban. Wer durch Dauerstress seelisch erkrankt, braucht Hilfe und Unterstützung – und vor allem Zeit. Es ist wenig sinnvoll, sich durch Medikamente, Urlaub oder einen kurzen Krankenhausaufenthalt wieder fit für den Alltag machen zu wollen, wenn sich an den Stressursachen nichts ändert. Dann ist der nächste Zusammenbruch vorprogrammiert. Wenn Sie von Burn-out oder seinen Vorstufen wie etwa Abgeschlagenheit, Freudlosigkeit

oder erhöhte Infektneigung betroffen sind, nehmen Sie sich Zeit, um sich körperlich und seelisch zu stabilisieren. Prüfen Sie Ihr Berufs- und Privatleben, möglichst mit professioneller Hilfe, etwa im Rahmen einer Psychotherapie oder einer qualifizierten Beratung. Informationen zu professionellen Hilfsmöglichkeiten bei Erschöpfung und Burn-out bekommen Sie bei Ihrem Hausarzt, Ihrer Krankenkasse, im Internet oder in Selbsthilfegruppen. Wenn Ihre Kraft nicht ausreicht, sich um eine Recherche zu kümmern, bitten Sie Verwandte oder Freunde um Unterstützung. Finden Sie heraus, welche Stressoren Sie besonders belasten und welche Situationen Sie hilflos machen. Nehmen Sie Ihren Mut zusammen, um Stressoren auszuschalten und Stresssituationen zu verändern. Es kann sein, dass Sie schwerwiegende Entscheidungen treffen müssen – beispielsweise den Job wechseln, eine Partnerschaft beenden, den Kontakt zu manchen Menschen abbrechen, Gewohnheiten ablegen, Umstände verändern. All dies kostet Kraft, die Sie zunächst einmal sammeln müssen. Erinnern Sie sich immer daran, dass Sie in Ihrem Leben schon einige Krisen überstanden, Schwierigkeiten gemeistert und Katastrophen überlebt haben. Dies stärkt Ihre Resilienz und hilft Ihnen, einen Burn-out abzuwenden oder wieder gesund zu werden. Führen Sie Tagebuch oder machen Sie sich Notizen im Kalender, damit Sie sich später damit beschäftigen können, was Ihnen in dieser schwierigen Situation geholfen hat und wie Sie Ihre Probleme überwinden konnten. Sprechen Sie mit vertrauten Menschen darüber und sortieren Sie Ihre Gedanken und Gefühle. Jede überstandene Krise ist eine neue Lernchance. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Mut – Sie schaffen das!

Kapitel 15

Selbstfürsorge: Wer hat, kann teilen IN DIESEM KAPITEL Gut für sich sorgen, um anderen helfen zu können Den Selbstwert erhöhen Anderen Menschen Orientierung geben

In stürmischen Zeiten wird die innere Widerstandskraft der meisten Menschen auf die Probe gestellt: Pandemie, Wirtschaftskrise, Inflation, Krieg mitten in Europa – die Erschütterung ist groß. Um sich in solchen Grenzsituationen wirksam um andere kümmern zu können, bedarf es zunächst der achtsamen Selbstfürsorge. Wer seine eigenen Ressourcen stärkt und seine seelischen Widerstandskräfte mit Bedacht einsetzt, behält Boden unter den Füßen. Resilienz durch Selbstfürsorge ist somit die Grundlage für Weltfürsorge: Wer hat, kann teilen, und wer die innere Balance bewahrt, kann auch seine Mitmenschen stützen. In diesem Kapitel erläutere ich Ihnen, wie Sie jeden Tag aufs Neue gut für sich sorgen, damit Ihre Batterien nicht leerlaufen und Sie Kraft haben, um sich wirkungsvoll um die Menschen in Ihrem Umfeld zu kümmern.

Das eigene Befinden verbessern Das Ziel von Selbstfürsorge ist, dass es Ihnen gutgeht. Was das genau bedeutet, ist individuell sehr unterschiedlich – abhängig beispielsweise von den aktuellen Lebensumständen, den eigenen Normen und Werten oder der Persönlichkeitsstruktur: Der eine braucht liebe Menschen um sich herum, um sich wohlzufühlen, der andere hat Bedarf nach Ruhe und Selbstbesinnung. Ein junger Mensch fühlt sich wohl, wenn er viele neue Herausforderungen meistern kann, während ein älterer Mensch vielleicht vollkommen zufrieden damit ist, seine tägliche Routine zu bewältigen. Wer gesund ist, wünscht sich Erfolg oder die Erfüllung materieller Wünsche, wohingegen ein kranker Mensch sich möglicherweise schon wohlfühlt, wenn er keine Schmerzen mehr hat. Nehmen Sie sich, wenn möglich, mehrmals am Tag einen Augenblick Zeit, um Ihr Befinden wahrzunehmen und sich zu überlegen, ob gerade alles so bleiben kann, wie es ist, oder ob Sie etwas tun können und sollten, damit es Ihnen besser geht. Selbstfürsorge ist ein stetiger Prozess, der niemals abgeschlossen ist, sondern im

Sinne einer inneren Haltung lebenslang wächst und für Gedeihen sorgt. Sie werden dadurch zufriedener und glücklicher leben und Ihre Resilienz stärken.

Glücksmomente sammeln Glück ist »wie eine Sonne, die eine Schar von Trabanten um sich herum hat: Behagen, Vergnügen, Lust, Zufriedenheit, Freude, Seligkeit, Heil«, schrieb der Philosoph Ludwig Marcuse. Glück ist kein anhaltender Zustand, sondern eine momentane Befindlichkeit, die mit positiven Gefühlen verbunden ist. Sich glücklich fühlen zu wollen, ist eine wichtige Antriebskraft jedes Menschen und das Streben nach Glück wird in der Präambel der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung als unveräußerliches Menschenrecht bezeichnet. Wann waren Sie zum letzten Mal glücklich? Legen Sie bei der Suche nach einer Antwort die Messlatte nicht zu hoch – suchen Sie also nicht unbedingt nach einem unvergleichlichen Augenblick oder einem großen Erfolg, sondern spüren Sie dem Glück und der Zufriedenheit im Alltag nach, beispielsweise: ein Moment innerer Ruhe, ein Augenblick des Einklangs mit sich selbst, das gute Gefühl, etwas Richtiges und Sinnvolles getan zu haben, die Befriedigung, einem anderen Menschen geholfen zu haben, ein beglückender Sinneseindruck (Sonne auf der Haut, Mozart im Ohr, Lavendelduft in der Nase, Erdbeergeschmack auf der Zunge oder der Anblick eines lächelnden Kindergesichts), ein stimmiges Körpergefühl nach Sport, Sex oder erholsamem Schlaf, nach längerem Nachdenken eine Lösung für ein Problem finden, mutig sein und etwas vermeintlich Unmögliches tun, beim Singen oder Musizieren ganz in der Musik aufgehen, ein Zustand der Raum- und Zeitvergessenheit.

Schreiben Sie Ihren Glücksmoment auf einen Zettel und legen oder hängen Sie ihn gut sichtbar in Ihrer Umgebung hin. Vielleicht möchten Sie es sich zur Gewohnheit machen, jeden Tag mindestens einen Glückszettel zu schreiben und sich so vor Augen zu führen, dass und wie oft Sie glücklich und zufrieden sind., denn Glücksmomente sind ein sicht- und fühlbarer Beweis für gute Selbstfürsorge. Wenn Sie gut für sich sorgen, auf Ihre Bedürfnisse achten und sich Zeit nehmen das

Leben zu genießen, laden Sie Ihre Batterien regelmäßig wieder auf. Dadurch laufen Sie gar nicht erst Gefahr, sich in den Alltagssorgen zu verlieren oder über Ihre Grenzen zu gehen und Ihre Kräfte zu verausgaben.

Die Aufmerksamkeit fokussieren Energie fließt dahin, wo die Aufmerksamkeit ist: Wenn Sie an etwas Angenehmes, Erstrebenswertes und Förderliches denken, richten Sie Ihre geistige Energie auf persönliche Weiterentwicklung aus. Die Übung »120 positive Gedanken« kann Ihnen dabei helfen, Ihre Gedankenwelt bewusst in eine hilfreiche Richtung zu lenken. Sie brauchen dafür etwa eine halbe Stunde Zeit und können die Übung mit einer monotonen körperlichen Betätigung wie spazieren gehen, putzen, bügeln oder Rad fahren kombinieren. Denken Sie ganz diszipliniert ausschließlich positiv und zählen Sie Ihre Gedanken mit. Nehmen Sie Dinge in Ihrer Umgebung aufmerksam wahr und entwickeln Sie positive Gedankenketten, beispielsweise: »Ich höre einen Vogel zwitschern. Das Zwitschern erinnert mich an einen Urlaubstag im Wald. Im Wald duftet es herrlich nach Laub und Moos. Ich gönne mir heute Abend ein warmes Bad mit Kiefernadelextrakt.« Schon haben Sie vier positive Gedanken gedacht. Wenn sich ein negativer Gedanke dazwischen mogelt, nehmen Sie ihn wahr und schieben ihn freundlich, aber bestimmt beiseite. Prüfen Sie, wie Sie sich nach der halben Stunde und den 120 positiven Gedanken fühlen. Wenn die Übung Ihnen guttut, machen Sie sie täglich. Die auf positive Gedanken fokussierte Aufmerksamkeit bewirkt Veränderungen auf der Ebene der Gefühle und des Verhaltens: Wenn Sie positiv denken, fühlen Sie sich wohl und sicher. Sie verspüren Leichtigkeit, Freude, Wertschätzung, Wärme, Zuversicht und viele weitere angenehme Gefühle. Darauf reagiert Ihr Körper mit der Ausschüttung von Glückshormonen. Wenn Sie positiv denken und sich wohl fühlen, handeln Sie kraftvoll und zielgerichtet. Sie haben weniger Angst vor Fehlern, mehr Mut, halten länger durch und erreichen Ihre Ziele.

Denken, Fühlen und Handeln stehen in einer stetigen Wechselwirkung und beeinflussen sich gegenseitig. Machen Sie sich diesen Zusammenhang immer wieder bewusst und nehmen Sie aktiv Einfluss auf Ihre Gedanken, Ihre Gefühle und Ihr Verhalten, um Ihr Wohlbefinden und Ihre innere Widerstandskraft zu erhöhen. Bei der aktiven Selbstfürsorge fokussieren Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Bedürfnisse und Ihr Befinden, um möglichst rasch und wirksam nachsteuern zu können, wenn Ihre

Kraftreserven sich verringern, Ihre Grenzen überschritten werden oder Ihre Wünsche anhaltend unerfüllt bleiben. Sie übernehmen Verantwortung für Ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden und bringen Sie sich selbst Respekt entgegen. Resiliente Menschen haben ein gutes Gespür für das Wechselspiel von Anspannung, also Krafteinsatz, und Entspannung, also Regeneration – achten Sie darauf, wann Sie Pausen brauchen oder sich eine Weile zurückziehen sollten, um wieder aufzutanken.

Respekt und Wertschätzung für sich selbst Fürsorge setzt die Bereitschaft voraus, sich intensiv um einen Menschen oder ein Thema kümmern zu wollen. Diese Bereitschaft ist umso größer, je bedeutsamer und wertvoller Ihnen dieser Mensch oder dieses Thema sind. Selbstfürsorge benötigt die gleichen Ausgangsbedingungen: Sie werden sich nur dann gern und aufmerksam um sich selbst kümmern, wenn Sie sich selbst respektieren und wertschätzen. Eine Bestandsaufnahme könnte Ihnen helfen, Ihre Wertschätzung für sich selbst zu sichern: Was mögen Sie an sich selbst? Welche Stärken haben Sie? Wie gehen Sie mit Ihren Fehlern und Schwächen um? Welchen Sinn hat Ihr Leben? Wieviel Zeit nehmen Sie sich im Alltag für sich selbst? Wie pflegen und nähren Sie sich körperlich, seelisch und geistig? Mit welchen Menschen und Dingen umgeben Sie sich und warum? Wann, wie und wo tanken Sie auf? Was tun Sie, wenn Sie ein Bedürfnis verspüren – nehmen Sie es ernst oder verschieben Sie die Beschäftigung damit auf später? Seien Sie aufrichtig, wenn Sie über diese Fragen nachdenken. Vielleicht stellen Sie fest, dass Sie sich in letzter Zeit kaum oder gar nicht mit sich selbst befasst haben. Oder Sie bemerken, dass Sie sehr kritisch mit sich sind und sich nichts gönnen. Möglicherweise haben Sie wenig Übung darin, Ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und herauszufinden, was Ihnen guttut. Vielleicht gibt es eine Stimme in Ihrem Kopf, die Ihnen verbietet, Zeit und Mühe in Ihr Wohlergehen zu investieren, und Sie dazu auffordert, sich ausschließlich um das Wohlergehen anderer Menschen zu kümmern. Bewerten Sie nicht, ob das, was Sie durch Ihre Reflexion herausfinden, gut oder schlecht ist, sondern nehmen Sie es aufmerksam wahr und gehen Sie nicht einfach darüber hinweg. Die wertungsfreie Feststellung, wie Sie derzeit auf sich selbst schauen und mit Ihren Bedürfnissen umgehen, ist der erste Schritt zu einer selbstfürsorglichen inneren Haltung. Es geht nicht um das Beoder gar Verurteilen, sondern es geht um Erkenntnis und Entwicklung.

»Achtsamkeit« bedeutet geistige Offenheit, bei der die Aufmerksamkeit nicht fokussiert oder konzentriert wird, sondern sich ausweitet. Wichtig ist, auf jede Form der Bewertung zu verzichten und alles so wahrzunehmen, wie es gerade im Moment ist. Achtsamkeit fällt nicht vom Himmel, sondern sollte regelmäßig und konsequent geübt werden. Wenn Sie sich achtsam, gelassen und aufmerksam mit sich selbst auseinandersetzen, lernen Sie sich immer besser oder vielleicht ganz neu kennen. Je genauer Sie sich kennen, sich also Ihrer selbst bewusst sind, desto leichter wird es Ihnen künftig fallen, Ihre Gefühle und inneren Impulse wahrzunehmen und einzuordnen. Sie lernen zu unterscheiden, ob Sie eine Situation verändern sollten oder ob Sie die Dinge laufen lassen können. Sie finden rasch umsetzbare Hilfsmittel, um Ihr Wohlbefinden zu verbessern. Sie üben, auf Ihre innere Stimme zu hören und Störgefühle zu berücksichtigen. Und Sie verschaffen sich mehr Raum, Zeit und Handlungsmöglichkeiten, um für sich zu sorgen. Es lohnt sich, anfangs sehr aufmerksam auf Ihr Innenleben zu achten – je länger Sie sich mit dem Thema Selbstfürsorge beschäftigen, desto intuitiver werden Sie wissen, was Sie in welchen Situationen benötigen und wie Sie Ihre Bedürfnisse rasch und wirksam befriedigen können. Gehen Sie in möglichst vielen verschiedenen Lebenslagen respektvoll und wertschätzend mit sich um: Am Arbeitsplatz, in der Freizeit, in Familie und Freundeskreis, bei Ehrenämtern und auf Reisen lohnt es sich immer, auf das eigene Wohlergehen zu achten, seine Grenzen nicht zu missachten, gut für sich zu sorgen und sich tatkräftig für die eigene Weiterentwicklung einzusetzen, denn dadurch stärken Sie Ihren Selbstwert und Ihre Handlungsfähigkeit. Gleichzeitig gehen Sie schonend mit Ihren Kräften um und regenerieren sich zeitnah. Wenn Sie durch konsequente Selbstfürsorge stark, zufrieden, resilient und ausgeglichen sind, können Sie sich umso besser für Ihre Mitmenschen einsetzen, Ihre täglichen Herausforderungen meistern und die Welt ein Stückchen besser machen. Selbstfürsorge ist somit die Grundlage für Weltfürsorge – also das Gegenteil von Egoismus.

Selbstfürsorge ist nicht egoistisch Wer stets gut für sich sorgt, legt ein solides Fundament für seine innere Widerstandskraft, Verantwortungsbereitschaft und Lösungsorientierung. Wenn die eigenen Ressourcen immer wieder aufgefüllt werden, bleibt genügend Energie für andere Menschen übrig: Nur wer hat, kann teilen – wer ausgebrannt ist, kann nichts mehr geben. Selbstfürsorge verstehe ich nicht als egoistisches Pochen auf eigene Rechte oder gar

kompromisslosen Einsatz für das persönliche Fortkommen. Im Gegenteil: Selbstfürsorge ist darauf ausgerichtet, dass jeder sich selbst gibt, was er benötigt – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Selbstfürsorge heißt achtsamer Umgang mit den eigenen Möglichkeiten und Grenzen im Sinne einer nachhaltigen Förderung der eigenen Potenziale, die dann zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt werden können. Ich glaube, dass Menschen, die zufrieden und glücklich sind, ihren Blick offen und empathisch auf die Bedürfnisse anderer Menschen richten und helfen, wo sie können. Denn wer in sich ruht und weiß, dass er alles hat, was er braucht, verschwendet seine Energien nicht auf Neid, Gier, Eifersucht oder Konkurrenz. Je besser Sie für sich sorgen, desto unabhängiger werden Sie von anderen – Sie brauchen keine faulen Kompromisse mehr einzugehen, um versorgt zu werden, sondern können sich auf hilfreiche und wertvolle Beziehungen konzentrieren. Gleichzeitig macht die so gewonnene Freiheit Sie unbeschwerter und Sie können mit Leichtigkeit freigiebig und großzügig sein. Andreas Reichert hat bislang auf der Überholspur gelebt: Er hat einen anspruchsvollen Job als Produktmanager in der Pharmaindustrie, ist viel unterwegs und versucht trotzdem, genügend Zeit für seine beiden Kinder zu haben. Mit 42 Jahren erkrankt er an Diabetes mellitus und soll seinen Lebensstil ändern, um Spätfolgen der Zuckerkrankheit zu vermeiden. Wo anfangen? Andreas ist hilflos – er hat doch gar keine Zeit für Sport, gesundes Essen und Gewichtsabnahme! Aber als er über das Thema Selbstfürsorge stolpert, wird ihm bewusst, dass er in den letzten zehn Jahren überhaupt nicht gut für sich gesorgt hat. Wenn er so weitermacht, wird seine Familie bald gar nichts mehr von ihm haben. Also setzt er sich realistische Ziele: Er delegiert künftig mehr an seine Kollegen und Mitarbeiter, macht weniger Überstunden, geht zweimal pro Woche ins Fitnessstudio und isst keine Süßigkeiten mehr nebenher. Mit konsequenter Selbstfürsorge gelingt es ihm, seine Gesundheit zu stabilisieren und innerlich viel ruhiger und entspannter zu werden. Die Kinder sind froh, am Wochenende mit einem gut gelaunten Vater spielen zu können, und Andreas’ Ehefrau macht sich inzwischen keine Sorgen mehr, ihren Mann bald im Rollstuhl zu sehen. Wenn es Ihnen aufgrund umsichtiger Selbstfürsorge gut geht, können Sie anderen Menschen tatkräftig zur Seite stehen. Das gehört als fürsorgliche Netzwerkpflege aus meiner Sicht ebenfalls zur Selbstfürsorge dazu: Wenn Sie aufgrund aufmerksamer Innenschau eines Tages spüren, dass Ihre Kräfte nicht ausreichen, um eine schwierige Situation oder gar eine Krise zu meistern, haben Sie Menschen an Ihrer Seite, die Sie um Hilfe bitten können. So greifen Selbstfürsorge und Fürsorge für andere ineinander und bewirken eine deutliche Verbesserung des Umgangs miteinander. Das gilt für alle möglichen Zusammenhänge: im Familien- und Freundeskreis, unter Kollegen, Nachbarn und Gleichgesinnten. Sie werden erleben, dass Ihre innere Haltung der Selbstfürsorge im Laufe der Zeit nach außen sichtbar wird. Ihre Mitmenschen werden Sie darauf ansprechen

und fragen, was Sie verändert haben. Sie können das Thema Selbstfürsorge dann weitertragen oder es in Ihren verschiedenen Lebenszusammenhängen aktiv auf die Tagesordnung setzen. So kommt ein Stein ins Rollen, der in Ihrem Umfeld möglicherweise große Veränderungen bewirkt. Vielleicht ist es utopisch, aber wenn ich den Gedanken der Selbstfürsorge zu Ende denke, entsteht vor meinem inneren Auge das Bild einer friedlichen Gesellschaft, die achtsam und nachhaltig lebt und in der die Menschen gut für sich, füreinander und für ihre Umwelt sorgen. Egoismus widerspricht aus meiner Sicht der Selbstfürsorge, weil er viel zu enge Grenzen hat (nämlich die des eigenen Tellerrands) und überwiegend negative Gefühle hervorruft: Angst, nicht genug zu bekommen, Neid auf andere, die vermeintlich mehr besitzen, Missachtung der Bedürfnisse anderer, Herabwürdigung der Mitmenschen und Abschottung nach außen. Selbstfürsorge hingegen ist offen und weit, macht positiv und gelassen.

Über den Tellerrand schauen Selbst- und Weltfürsorge stehen in einem engen Zusammenhang und wirken aufeinander ein: Wenn Sie wissen, was Sie wert sind und was Sie gut können, trauen Sie sich etwas zu – beispielsweise einem anderen Menschen aus einer Krise zu helfen. Wenn Ihnen etwas gut gelingt, erhöhen Sie Ihren Selbstwert und sind anderen ein Vorbild. Als Orientierungspersönlichkeit machen Sie anderen Menschen Mut. Wenn Sie gut für sich sorgen, haben Sie Zugang zu Ihren Ressourcen und können sich den verschiedensten Herausforderungen stellen. Sie haben Kraft, sich auch für die Themen Ihrer Mitmenschen einzusetzen. Wenn Sie mit Mut und Zuversicht eigene und fremde Herausforderungen meistern, machen Sie die Welt ein bisschen besser. Dies erhöht wiederum Ihren Selbstwert. Wenn Sie wissen, was Ihnen und anderen guttut, und dieses Wissen in Handlung umsetzen können, wird die Selbst- und Weltfürsorge zu einer selbstverständlichen Routine.

Folgende Übung unterstützt Sie dabei, über den Tellerrand zu schauen: Achten Sie bei Gesprächen mit anderen Menschen darauf, was zwischen den Zeilen gesagt wird: Welche Appelle richtet Ihr Gesprächspartner an Sie, welche Bedürfnisse vermuten Sie hinter seinen Äußerungen, was sagt Ihr Gegenüber Ihnen über sich selbst? Formulieren Sie das, was Sie hören oder vermuten, in eigenen Worten und fragen Sie nach, ob Sie es richtig verstanden haben. So verbessern Sie Ihre Wahrnehmung,

gleichen diese mit der Realität ab und bekommen die Möglichkeit zu entscheiden, ob Sie etwas für Ihren Mitmenschen tun können und wollen. Machen Sie sich bewusst, dass jeder Mensch Mittelpunkt seines eigenen Universums ist und die Welt auf seine eigene Art interpretiert. Andere Menschen und ihre Sichtweisen zu verstehen, ist also immer eine Herausforderung. Akzeptieren Sie, dass es im Alltag zumeist kein absolutes »Richtig« oder »Falsch« gibt, sondern dass dazwischen viele verschiedene Möglichkeiten der Bewertung der Realität liegen. Das Leben ist nicht schwarz oder weiß, sondern bunt – und gerade die Zwischentöne machen es so interessant und abwechslungsreich. Suchen Sie Kompromisse, seien Sie neugierig auf die Weltsicht Ihrer Mitmenschen und ändern Sie immer mal die Perspektive. So entdecken Sie Neues, stellen Gewohntes in Frage und bleiben flexibel. Innere Flexibilität erhöht die Resilienz, denn je beweglicher Sie auf Probleme, Herausforderungen oder Konflikte reagieren können, desto weniger Energie verbrauchen Sie.

Innere und äußere Helfer nutzen Um künftig selbstfürsorglicher zu leben, können Sie sich einer Vielzahl von inneren und äußeren Helfern und Hilfsmitteln bedienen. Sobald Sie eine Unterstützungsmöglichkeit identifiziert haben, überlegen Sie, wie Sie sie ganz konkret nutzen können, um Ihren Alltag selbstfürsorglich zu gestalten. Beispiele für innere Helfer sind: Ihre Intuition, auch Bauchgefühl oder innere Stimme genannt, Ihre Werte und Überzeugungen, Ihre Vorstellung von Sinnhaftigkeit, Ihre Stärken und Talente, Ihre Erfahrungen, Ihr Selbstvertrauen, Ihr Selbstwertgefühl Ihre Selbstwirksamkeitserwartung, also Ihr Vertrauen darauf, Krisen meistern zu können, Ihr Selbstbewusstsein, Ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten, Ihre innere Haltung. Nutzen Sie diese und alle weiteren inneren Helfer, die Ihnen einfallen, um Ihren ganz persönlichen Weg zu mehr Selbstfürsorge zu gehen und Ihre Resilienz zu erhöhen. Seien Sie achtsam, gelassen, aufrichtig in Ihrer Innenschau, optimistisch und handlungsorientiert.

Überlegen Sie außerdem, welche äußeren Helfer Sie suchen und finden können, um selbstfürsorglicher zu leben. Beispiele für äußere Helfer sind: Mitmenschen, denen Sie vertrauen, professionelle Berater oder Therapeuten, Lehrer und Trainer, Bücher, Kurse oder Webinare, Hilfsmittel wie Kalender, Checklisten, Erinnerungsfunktionen und Tagebücher, Pausen und Auszeiten, Urlaub, Belohnungen für erreichte (Teil-) Ziele. Wenn Sie möchten, formulieren Sie konkrete Selbstfürsorge-Ziele und überlegen, welche inneren und äußeren Helfer Sie brauchen. In Tabelle 15.1 finden Sie drei beispielhafte Ziele mit den zugehörigen Unterstützungsmöglichkeiten. Seien Sie kreativ, denken Sie kreuz und quer, hören Sie in sich hinein, suchen Sie das Gespräch mit vertrauten Menschen – nehmen Sie sich Zeit, um Ihre Selbstfürsorge voranzubringen. Selbstfürsorge-Ziel

Innere Helfer

Äußere Helfer

Kurzfristig: Mehr Obst essen, um mein Immunsystem zu stärken

Meine Vorliebe für Beeren und Bananen, mein Wunsch nach dauerhafter Gesundheit, mein Durchhaltevermögen

Einkaufszettel, Post-it mit dem Hinweis »Obst hält gesund« an den Kühlschrank hängen, meine Familie zum Mitmachen motivieren

Mittelfristig: Abends früher ins Bett gehen, um morgens ausgeschlafen zu sein

Mein Bauchgefühl (es weiß genau, wann Bettzeit ist), meine Vernunft, meine Konsequenz

Eine Stunde vor der geplanten Bettzeit einen Wecker stellen, um mit einem entspannenden Abendritual zu beginnen, Abendspaziergang statt Fernsehen, mein Partner geht auch früher ins Bett

Langfristig: Den Mein Familiensinn, mein Meine Schwester, meine Schwägerin, Briefe schreiben, ein langjährigen Konflikt mit Zugehörigkeitsgefühl, mein Glaube, Familientherapeut oder Mediator meinem Bruder klären meine Hoffnung auf Versöhnung

Tabelle 15.1: Selbstfürsorge-Ziele und Unterstützer auf dem Weg dorthin

Selbstfürsorge braucht Zeit, Ruhe, Hartnäckigkeit, Gelassenheit, einen festen Willen, Selbstdisziplin, Freiheit und vor allem die Überzeugung, etwas Sinnvolles und Notwendiges für sich selbst zu tun. Fragen Sie sich regelmäßig, ob das, was Sie im Alltag tun und lassen, hilfreich für Ihre Selbstvorsorge ist.

Der selbstfürsorgliche Tagesplan Nutzen Sie Ihr Wissen über die sieben Säulen der Resilienz, die ich in Kapitel 1 ausführlich erläutere, um Ihre innere Widerstandskraft auf selbstfürsorgliche Weise jeden Tag zu stärken: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege und Zukunftsplanung können Sie bewusst fördern

und bleiben dadurch auch in den schwierigsten Situationen handlungsfähig. In Tabelle 15.2 finden Sie einen Vorschlag für eine Checkliste, die sowohl die sieben Säulen der Resilienz als auch die drei Ebenen der Selbstfürsorge (Denken, Fühlen und Handeln) berücksichtigt. Resilienzfaktor

Denken

Fühlen

Handeln

Optimismus

Bei der Arbeit auf Chancen konzentrieren und Risiken minimieren

Stolz auf eigene Fähigkeiten sein

Eine neue Fertigkeit erlernen

Akzeptanz

Die guten Seiten der Mitmenschen in Freude empfinden über den Vordergrund rücken die Fülle der Natur

Kreative Konfliktlösung anstreben

Handlungsfähigkeit

Auf die eigenen Fähigkeiten vertrauen

Die eigene Kompetenz spüren

Ein länger bestehendes Problem endlich angehen

Verantwortungsbereitschaft

Überlegen, wer konkrete Hilfe braucht

Mutig neue Wege suchen

Für den Naturschutz engagieren

Lösungsorientierung

Über alltägliche Probleme lachen lernen

Zuversichtlich an Alltagsprobleme herangehen

Einer Bürgerinitiative beitreten

Netzwerkpflege

Planen, wie das eigene Netzwerk gestärkt wird

Geborgenheit fühlen und dankbar dafür sein

Anderen einen Gefallen tun

Zukunftsplanung

Die eigenen Finanzen realistisch prüfen

Lustvoll mit dem nächsten Aufgeschobenes Projekt Urlaub beschäftigen konkret terminieren

Tabelle 15.2: Selbstfürsorglicher Tagesplan für mehr Resilienz

Passen Sie diese Liste an Ihre individuellen Bedürfnisse an und nutzen Sie sie, entweder um tägliche Vorsätze zu fassen oder um Ihren Tag zu reflektieren. Sie können die Checkliste also im Sinne einer Planungsvorlage oder im Sinne eines Tagebuchs nutzen – je nachdem, was besser zu Ihren Bedürfnissen und in Ihren Alltag passt. Mithilfe Ihres Selbstfürsorge-Tagesplans können Sie Ihre Persönlichkeitsentwicklung verfolgen und damit Ihre Resilienz nachhaltig stärken. Sie gönnen sich Zeit, um Ihre Bedürfnisse zu befriedigen, und werden schon bald bemerken, wie nachhaltig die Selbstfürsorge auf Ihre innere Widerstandskraft wirkt.

Teil VI

Der Top-Ten-Teil

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IN DIESEM TEIL … Manche Menschen überstehen schwere Schicksalsschläge nahezu unbeschadet, während andere sich schon von kleinen Misserfolgen aus der Bahn werfen lassen. Resiliente Menschen halten auch größte psychische oder physische Belastungen aus, ohne zu zerbrechen. Sie gehen oftmals sogar gestärkt aus einer Krise oder Katastrophe hervor. Die seelische Widerstandskraft ist zum Teil angeboren, zum Teil wird sie in der Kindheit geprägt und zum Teil kann man sie im Laufe des Lebens bewusst trainieren. Im Top-Ten-Teil finden Sie die wichtigsten Fakten zum Thema Resilienz kurz zusammengefasst. Ich stelle Ihnen alltagstaugliche Resilienzübungen vor sowie einen Fahrplan für Ihren persönlichen Weg zu größerer innerer Widerstandsfähigkeit. Sie bekommen Hinweise für die Resilienzförderung bei Kindern und lesen die zehn besten Resilienztipps in jeweils zwei kurzen Sätzen.

Kapitel 16

Zehn Fakten zu Resilienz IN DIESEM KAPITEL Innere Widerstandskraft verändert sich Resilienztraining für jeden Tag Die Rolle von Vererbung und Umweltfaktoren Aktive Krisenbewältigung

Mit Resilienz wird die innere Widerstandskraft eines Menschen bezeichnet – seine Fähigkeit, Probleme, Krisen und Katastrophen zu überstehen und weitgehend unbeschadet daraus hervorzugehen. In diesem Buch finden Sie Fakten und Studienergebnisse zum Thema Resilienz, Übungen für mehr innere Widerstandskraft im Alltag, Hinweise für eine resilienzfördernde Kindererziehung sowie Tipps, wie Sie Ihre Komfortzone erweitern können. Dieses Kapitel fasst alle wichtigen Fakten zusammen. Vielleicht möchten Sie mit Menschen in Ihrem Umfeld über Resilienz diskutieren? Oder Sie kennen jemanden, der sich gerade besonders schwer damit tut, eine schwierige Situation zu bewältigen? Vielleicht machen Sie sich Sorgen um einen Freund oder Verwandten, der an einer Krise zu zerbrechen droht? Dann können Sie sich in diesem Kapitel kurz und knapp über Resilienz informieren und die Informationen weitergeben.

Resilienz ist erblich Es gibt erbliche Schutzfaktoren, die einen Menschen widerstandsfähiger machen und seine Resilienz bereits vor der Geburt beeinflussen. Diese erblichen Schutzfaktoren sind: weibliches Geschlecht, positives Temperament, Intelligenz und Erstgeburt. Kluge, ausgeglichene, erstgeborene Frauen sind also von der Natur bevorzugt und verfügen von Beginn ihres Lebens an über eine hohe Krisenfestigkeit. Darüber hinaus hat die Forschung gezeigt, dass nicht nur die Gene eines Menschen für die Resilienz wichtig sind, sondern auch die sogenannten epigenetischen Veränderungen, also die Hemmung oder Förderung der genetischen Aktivität. Solche Veränderungen, die beispielsweise durch Stress oder Traumata ausgelöst werden, können ebenfalls an die Nachkommen weitergegeben werden. Die genetische Ausstattung eines Menschen hat demnach großen Einfluss auf seine innere Widerstandskraft – aber sie ist nicht allein für

die Resilienz verantwortlich: Auch Umweltfaktoren spielen eine wichtige Rolle.

Resilienz ist beeinflussbar Neben den genetischen Schutzfaktoren, die die innere Widerstandskraft eines Menschen prägen, sind auch umweltbedingte Faktoren für die Resilienz verantwortlich. Man unterteilt sie in soziale und individuelle Schutzfaktoren. Zu den sozialen Faktoren gehören verlässliche Beziehungen, Rollenmodelle, sozialer Status, Anerkennung, Förderung, Bildung und Beratung. Die individuellen Schutzfaktoren umfassen Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, Selbstwirksamkeit, soziale und kommunikative Kompetenz. All diese Bereiche können aktiv gefördert werden – sie sind die Basis sowohl für eine resilienzfördernde Erziehung als auch für ein individuelles Resilienzübungsprogramm.

Resilienz verändert sich im Laufe des Lebens Resilienz ist nicht schwarz oder weiß, nicht eins oder null – niemand ist immer und absolut resilient, genauso wenig wie kein Mensch über keinerlei Resilienz verfügt. Resilienz ist vielmehr ein Kontinuum: Es gibt im Leben eines Menschen Zeiten und Gelegenheiten, in denen er resilienter ist als zu anderen Zeiten und Gelegenheiten. Abhängig von den Erfahrungen, die man macht, den Umständen, in denen man lebt, sowie den Menschen, die einen umgeben, wird die Resilienz gefördert oder gehemmt. Ein besonders wichtiger Faktor ist die Reflexion, also die bewusste Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten des eigenen Lebens. Wer sich in schwierigen Situationen Zeit nimmt, um nachzudenken, seine eigenen Kräfte und Ressourcen zu mobilisieren und sein Netzwerk einzuschalten, wer sich nach Katastrophen oder Rückschlägen eine Auszeit gönnt, um die Batterien wiederaufzufüllen und mögliche Wunden zu pflegen, übersteht aktuelle und künftige Krisen besser.

Resilienz kann man üben Da innere Widerstandskraft von zahlreichen Faktoren abhängt, die – bis auf die Erbfaktoren – jederzeit beeinflussbar sind, kann man Resilienz bewusst trainieren. Resilienz beruht auf sieben Säulen: Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Lösungsorientierung, Netzwerkpflege und Zukunftsplanung. Diese Säulen können jederzeit von jedermann und an jedem Ort gefestigt und vergrößert werden. Ein Resilienztraining trägt dazu bei, die persönliche Krisenfestigkeit zu erhöhen. Wichtig ist, sich nicht unter Druck zu setzen, sondern sich selbst und die Gegebenheiten zunächst gelassen und entspannt anzunehmen. Überlegen Sie sich, was Sie ändern wollen oder welche Bereiche Sie trainieren möchten. Nehmen Sie sich Zeit, probieren Sie verschiedene Übungen aus und führen Sie ein

Resilienztagebuch. Sie werden spüren, dass Ihre Widerstandskraft langsam, aber sicher zunimmt. Je älter Sie werden, desto mehr Schwierigkeiten haben Sie in Ihrem Leben bereits bewältigt. Jede überwundene Krise kann Ihnen helfen, fester an sich zu glauben und gelassener mit neuen Problemen umzugehen. Halten Sie immer wieder inne und blicken Sie zurück: Sie haben schon viel geschafft. Vertrauen Sie auf sich und auf Ihr Netzwerk, pflegen Sie Ihre eigenen Kräfte und Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen. Dann sind Sie für kommende Schwierigkeiten gut gerüstet.

Resilienzerziehung funktioniert In einer guten Mischung aus Forderung und Förderung durch eine verlässliche Bindungsperson liegt einer der Schlüssel zur Resilienzerziehung, denn Kinder brauchen sowohl Leistungsanreize als auch Schutzzonen. Wenn ein Kind sich darauf verlassen kann, dass seine Bezugsperson zuverlässig da ist und hinter ihm steht, ist es wissbegierig, unternehmungslustig und mutig. Kinder und Jugendliche, denen früh Verantwortung übertragen wird und die eine zuverlässige Selbstwirksamkeitserwartung aufbauen können, sind in der Regel gut gewappnet gegen den Zusammenbruch in einer Krise. Wenn sie darüber hinaus noch lernen, ihre Gefühle wahr- und ernst zu nehmen, sich Auszeiten zu gönnen und ihre Kräfte gut einzuteilen, kann sie im Leben nicht mehr viel erschüttern. Die beste Zeit, um Gefühlsmanagement, Selbstfürsorge und Problemlösetechniken zu erlernen, ist die Kindheit. Kinder ahmen Vorbilder nach und lernen am Modell – wenn sie Eltern, Verwandte, Lehrer und Freunde haben, die als Rollenvorbilder dienen können, werden sie deren Beispiel folgen. Wenn Sie Verantwortung für ein Kind tragen, achten Sie darauf, dass Sie gut auf sich selbst achtgeben und somit Ihrem Kind ein gutes Vorbild sind. Trauen Sie Ihrem Kind zu, dass es Probleme altersentsprechend lösen und Herausforderungen bewältigen kann. Auch wenn es manchmal schwerfällt: Lassen Sie Ihr Kind mit zunehmendem Alter los, vertrauen Sie ihm und geben Sie ihm die Möglichkeit, sich auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. Wenn es Ihre Hilfe braucht, seien Sie da und nehmen Sie Ihr Kind mit seinen Sorgen und Nöten ernst.

Wenig resiliente Menschen blühen unter guten Bedingungen auf Die angeborenen Resilienzfaktoren sorgen dafür, dass Kinder auch unter schwierigen Bedingungen gut überleben können. Interessanterweise blühen Menschen, die wenig angeborene Resilienzfaktoren haben, unter förderlichen Umweltbedingungen besonders auf, während sie in Krisensituationen mehr leiden als andere. Daraus leitet sich für Menschen, die Verantwortung für ein Kind haben, folgende Regel ab: Ist ein Kind aufgrund seiner Persönlichkeitseigenschaften offensichtlich resilient, also eher eine

Kämpfernatur (»warrier« von englisch »war« = Krieg), so kann man ihm viel zutrauen und sich darauf verlassen, dass es unter Krisenbedingungen zur Hochform auflaufen wird. Ist ein Kind von Natur aus jedoch eher anfällig und zartbesaitet, also ein Zauderer oder Angsthase (»worrier« von englisch »to worry« = sich Sorgen machen), so braucht es besonders viel Unterstützung. Natürlich heißt dies im Umkehrschluss nicht, dass kindliche Kämpfernaturen keine Unterstützung brauchen würden – auch sie profitieren von förderlichen Rahmenbedingungen und können ihre Resilienz in einem positiven Umfeld weiter ausbauen.

Scheitern kann man üben Es mag paradox klingen, aber man kann das Scheitern tatsächlich üben. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Scheidung eines der besonders einschneidenden, verletzenden und kritischen Ereignisse im Leben eines Menschen ist – ähnlich wie der Tod eines nahen Verwandten, der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Haftstrafe. Wer dann jedoch im Leben eine weitere Scheidung erlebt, schätzt diese zumeist als deutlich weniger stressig ein. Offensichtlich kann man sich also auch an stressige Situationen gewöhnen und man lernt beim ersten Mal, dass das Leben weitergeht und man die schwierige Situation auch ein zweites Mal bewältigen kann. Hilfreich ist, sich mit der eigenen Biografie zu beschäftigen. Führen Sie sich vor Augen, was in Ihrem bisherigen Leben schiefgegangen ist und woran Sie gescheitert sind. Überlegen Sie dann, wie das Leben nach dem Scheitern weiterging: Was hat sich verändert? Was haben Sie gelernt? War das Scheitern vielleicht sogar zu irgendwas gut? Bestimmt haben Sie das Scheitern selbst als schlimm erlebt – welche Gefühle hatten Sie hinterher? Waren Sie manchmal vielleicht auch erleichtert? Sind Sie gescheitert und haben hinterher festgestellt, dass Sie eigentlich gar nicht erfolgreich hätten sein wollen? So bekommt das Scheitern in Ihrem Leben eine neue Dimension und Sie erkennen, welche Ressourcen Sie haben, um Krisen zu überwinden und auch nach dem Scheitern wieder neu anzufangen.

Aus Katastrophen kann man lernen Der erste und wichtigste Schritt für den Lernprozess ist die Akzeptanz: Krisen gehören zum Leben dazu. Sie treffen Menschen ohne Ansehen der Person – sozialer Status, Glaube oder Wohlverhalten können nicht davor schützen. Dies hinzunehmen und Schicksalsschläge nicht als Strafmaßnahme, als ungerechte Misshandlung oder als Fingerzeig einer höheren Macht zu sehen, ist eine der sieben Säulen der Resilienz. Wer Krisen und Katastrophen akzeptiert, kann sich – oft natürlich erst nach einer gewissen Zeit der Regeneration – der Suche nach Lösungen zuwenden, ohne sich in seinen Grundfesten erschüttert zu fühlen.

Vielleicht hilft es Ihnen, in einer besonders schwierigen Situation ein Krisentagebuch zu führen, damit Sie schwarz auf weiß lesen können, was sich Tag für Tag verändert und verbessert. Notieren Sie, was Sie denken und planen, halten Sie auch kleine Zwischenerfolge und erreichte Teilziele fest. Schreiben Sie auf, wer Ihnen wie geholfen hat. Wenn Sie die Krise überstanden haben, bewahren Sie Ihr Tagebuch auf und schauen Sie erneut hinein, wenn Sie wieder einmal mit Problemen oder Schwierigkeiten konfrontiert sind. Sie werden sehen, dass Sie über gute Problemlösestrategien verfügen. Und vielleicht erinnert Ihr Tagebuch Sie auch daran, dass jede Katastrophe im Moment zumeist schlimmer wirkt als sie im Rückblick ist.

Gedanken beeinflussen Gefühle – und umgekehrt Die Gedanken haben großen Einfluss auf Seele und Körper: Man kann sich durch schöne Gedanken entspannen und innerlich zur Ruhe kommen, aber man kann sich durch Gedanken auch verspannen und aufregen oder ängstigen. Haben Sie manchmal den Eindruck, dass in Ihrem Kopf ein Katastrophen- oder Kriminalfilm läuft? Vielleicht stellen Sie sich Alltagssituationen in düsteren Details vor, malen sich Konflikte mit Verwandten oder Kollegen in scheußlichen Farben aus oder führen mit Widersachern Wortgefechte? Und vermutlich werden Sie aufgrund solcher Gedanken zunehmend unsicher, traurig, ängstlich, wütend oder verzweifelt. Meist ist jedoch das, was man in einer schwierigen Situation befürchtet oder erwartet, viel schlimmer als das, was wirklich passiert. Konzentrieren Sie sich daher auf die Tatsachen, seien Sie offen für jede Entwicklung und halten Sie die Horrorszenarien in Ihrem Kopf im Zaum. Nutzen Sie Selbstsuggestionen wie »Ich bin ganz ruhig« oder »Alles ist gut«, um die Gedankenspiralen zu durchbrechen und neue Perspektiven zu sehen. Achten Sie darauf, wie sich Ihr Körper verändert, wenn Sie beruhigend auf sich selbst einreden. Vermutlich wird Ihr Herzschlag gleichmäßig und langsam, Ihre Muskeln entspannen sich und Ihr Atem wird tiefer. Dann sind Sie auf einem guten Weg zu mehr Gelassenheit und größerer innerer Widerstandskraft.

Schmerz geht vorüber Es gibt Situationen im Leben, in denen der Schmerz so groß ist, dass man ihn kaum aushält: Todesfälle, schwere Verluste, traumatische Erlebnisse, Naturkatastrophen oder Gewalt können einem Menschen den Boden unter den Füßen wegziehen und ihn in tiefe Verzweiflung stürzen. In solchen Situationen brauchen Sie Zeit, Ruhe und Unterstützung, um den Schmerz ertragen zu können und weiterzuleben. Nach und nach flaut der Schmerz dann aber fast immer ab und Sie regenerieren sich.

Die allermeisten schrecklichen Ereignisse sind irgendwann Geschichte – das Leben geht weiter. Wenn Sie auf Ihren Lebensweg zurückschauen, werden Sie diese Erfahrung vermutlich bestätigen können. Jeder Schmerz kann Sie jedoch verändern: Vielleicht werden Sie stärker, vielleicht aber auch dünnhäutiger. Gehen Sie achtsam mit sich selbst um, nehmen Sie Hilfe und notfalls auch professionelle Unterstützung an und richten Sie Ihren Blick wieder nach vorn, sobald Sie spüren, dass Ihre Kräfte zurückkehren. Schmerz geht vorüber und Krisen sind irgendwann vorbei.

Kapitel 17

Zehn alltagstaugliche Resilienzübungen IN DIESEM KAPITEL Die eigene Resilienz bewusst fördern Jeden Tag Resilienzübungen ausprobieren Die sieben Säulen der Resilienz stärken

Um Ihre Resilienz bis ins hohe Alter zu bewahren und immer weiter auszubauen, können Sie Ihre Krisenfestigkeit jeden Tag bewusst trainieren. Bauen Sie Resilienzübungen in Ihren Alltag ein und führen Sie ein Resilienztagebuch. So werden Sie gefestigter, gelassener und gesünder, denn Resilienzförderung ist gleichzeitig auch Gesundheitsförderung: Wer optimistisch und lösungsorientiert denkt, sich Pausen und Auszeiten gönnt und die eigenen Ressourcen umsichtig einsetzt, achtet besser auf sich und lebt bewusster. Nehmen Sie sich Zeit für diese Übungen, lassen Sie sich dabei nicht stören und konzentrieren Sie sich ganz auf sich selbst. Viel Erfolg!

Der Body Scan Diese Übung stammt aus dem Achtsamkeitstraining und fördert Ihre Selbstwahrnehmung. Bewegen Sie sich mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit durch Ihren Körper – von oben nach unten. Halten Sie in den einzelnen Körperregionen kurz inne und registrieren Sie, welche Empfindungen Sie spüren und welche Signale Ihnen Ihr Körper sendet: Wie ist mein Gesamtbefinden – bin ich entspannt oder angespannt, ruhig oder aufgeregt? Ist mir warm oder kalt? Ist meine Haut trocken oder feucht? Bekomme ich leicht oder schwer Luft? Schlägt mein Herz langsam oder schnell? Ist mein Bauch weich oder hart? Habe ich Durst oder nicht? Bin ich hungrig oder satt? Bewerten Sie Ihre Empfindungen nicht, sondern beobachten Sie nur. Wenden Sie sich dann möglichen Irritationen oder Missempfindungen zu und fragen Sie sich: Was genau ist hier los? Versuchen Sie, Ihren Atemstrom an diejenige Stelle zu lenken, an der irgendetwas anders ist als sonst. Beobachten Sie, ob sich vielleicht schon durch die Aufmerksamkeit und durch das Hineinatmen etwas verändert: Beruhigt sich Ihr Herzschlag? Lässt der Schmerz nach? Entspannt sich die Muskulatur? Setzen Sie sich

nicht unter Druck mit dem Gedanken »Das muss sich jetzt ändern«, sondern bleiben Sie in der Position des Beobachters. Nehmen Sie alles so an, wie es gerade ist. Lassen Sie sich etwa eine Viertelstunde Zeit und üben Sie den Body Scan so oft wie möglich, am besten täglich.

Die Schuhe des anderen Diese Übung bewirkt einen Perspektivwechsel und fördert das Einfühlungsvermögen. Wenn Sie einen Konflikt mit einem Mitmenschen haben, schlüpfen Sie gedanklich in seine Position, also im übertragenen Sinne in seine Schuhe: Womit ist Ihr Gegenüber vermutlich gerade beschäftigt? Steht er selbst unter Druck? Was will er Ihnen wirklich sagen? Welche Reaktion wünscht er sich wohl von Ihnen? Gehen Sie dann zurück in Ihre Position und versuchen Sie, die Erkenntnisse aus dem Perspektivwechsel zu nutzen, um gelassen und entspannt zu reagieren. Vielleicht löst sich der Konflikt recht bald. Der Perspektivwechsel klappt jedoch nicht immer sofort. Wenn der Druck hoch ist oder Sie unter sehr großer Anspannung stehen, werden Sie vermutlich oftmals ganz automatisch so reagieren, wie Sie immer reagieren. Nutzen Sie den Perspektivwechsel dann in der Rückschau und spielen Sie die Situation aus einer anderen Perspektive im Geiste noch mal durch. Nehmen Sie sich vor, in der nächsten ähnlichen Situation dann doch einmal ganz anders zu reagieren.

Immer wieder etwas Neues ausprobieren Diese Übung fördert Kreativität und Netzwerkpflege. Nehmen Sie sich vor, jeden Tag oder jede Woche irgendetwas Neues auszuprobieren: Kochen Sie nach einem unbekannten Rezept, fahren Sie eine andere Strecke mit dem Auto als sonst, sprechen Sie Ihren Sitznachbarn im Bus einfach mal an, fragen Sie auf der Straße einen Passanten nach dem Weg oder der Uhrzeit, machen Sie der Verkäuferin ein Kompliment, rufen Sie jemanden an, von dem Sie schon lange nichts mehr gehört haben, laden Sie einen Kollegen spontan zum Mittagessen ein, ziehen Sie sich ganz anders an als sonst, seien Sie beim Friseur mal richtig mutig und so weiter. Ich bin sicher, dass Ihnen schon beim Lesen viele neue, ungewohnte und vielleicht auch ein bisschen verrückte Ideen gekommen sind – schreiben Sie diese Ideen auf und setzen Sie sie um. Sie werden sich wundern, wie Ihre Mitmenschen reagieren werden. Bestimmt ergeben sich viele unerwartete Gespräche und Kontakte.

Kein Schatten ohne Sonne Diese Übung fördert Optimismus und Akzeptanz. Wenn Sie traurig oder mutlos sind, keinen Ausweg wissen oder sich einsam fühlen, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nach

innen und konzentrieren Sie sich auf sich selbst. Atmen Sie tief und ruhig durch die Nase in Ihren Bauch ein und langsam durch den leicht geöffneten Mund wieder aus. Kommen Sie zur Ruhe und lassen Sie Ihre Gedanken ziehen wie Wolken am Himmel. Stellen Sie sich dann vor, dass Sie an einem ruhigen und sicheren Ort sitzen oder liegen, beispielsweise auf einer Blumenwiese, am Strand, in einem Baumhaus oder in einer Höhle. Stellen Sie sich nun vor, dass die Sonne durch die Wolken schaut und Sie wärmt. Schauen Sie sich an Ihrem sicheren Ort um und betrachten Sie das Wechselspiel von Schatten und Licht. Denken Sie dann über Ihre Situation nach und suchen Sie eine sonnige Seite neben all dem Schatten, in dem Sie gerade sind. Auch wenn Sie sich noch so traurig fühlen, finden Sie trotzdem vielleicht irgendeinen Lichtblick, beispielsweise einen einzelnen schönen Moment in den letzten Tagen. Halten Sie diesen Lichtblick eine Weile in Gedanken fest, spüren Sie ihm nach und erfreuen Sie sich daran. Kehren Sie dann mit Ihrer Aufmerksamkeit langsam wieder zurück ins Hier und Jetzt und nehmen Sie den Lichtblick mit, damit er Ihren Tag erhellen kann.

Drei, zwei, eins – meins Diese Übung fördert die Entscheidungsbereitschaft. Wenn Sie vor einer Entscheidung stehen, die Ihnen nicht ganz leichtfällt oder die ungewohnt ist, horchen Sie kurz in sich hinein, nehmen Sie Kontakt auf zu Ihrer Intuition, also Ihrer inneren Stimme, und folgen Sie mit dem aufmunternden Gedanken »Drei, zwei, eins – meins« Ihrem Bauchgefühl. Entscheiden Sie also, ohne besonders lange abzuwägen oder Informationen zu sammeln. Seien Sie mutig und entschlossen und setzen Sie Ihre Entscheidung in die Tat um. Wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Entscheidung falsch war, seien Sie Ihrer inneren Stimme nicht böse, sondern akzeptieren Sie die Fehlentscheidung. In den meisten Fällen wird Ihr Bauchgefühl aber richtig sein, denn unsere Intuition ist zumeist schneller und besser als unser (deutlich langsameres) Nachdenken.

Der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit Diese Übung fördert Ihre Problemlösefähigkeiten. Befinden Sie sich manchmal in einer Problemtrance? Sehen Sie in einem solchen Fall nur noch Probleme, egal wohin Sie schauen? Werden die Probleme vielleicht sogar immer größer und unüberwindlicher? Stellen Sie sich in einem solchen Moment vor, dass Sie Beleuchter im Theater sind: Sie verfügen über einen sehr hellen, leistungsstarken und großen Scheinwerfer, den Sie überallhin schwenken können. In der Problemtrance beleuchten Sie ganz offensichtlich ein oder mehrere Probleme und konzentrieren Ihre Aufmerksamkeit ganz auf Schwierigkeiten und Hindernisse. Stellen Sie sich nun vor, dass Sie den großen Scheinwerfer Ihrer Aufmerksamkeit in

Richtung der Problemlösung schwenken. Bringen Sie sich also in eine Lösungstrance, in der Sie nur noch offene Türen, mögliche Wege und hilfreiche Personen sehen. Verweilen Sie in der Lösungstrance und nehmen Sie aufmerksam wahr, welche Ideen Ihnen durch den Kopf schießen. Schreiben Sie sich Stichwörter auf, wenn Sie möchten, damit Sie nichts vergessen. Schalten Sie dann den Scheinwerfer Ihrer Aufmerksamkeit ab und kehren Sie in den Alltag zurück. Je früher Sie bemerken, dass Sie sich in einer Problemtrance befinden, desto schneller können Sie sich selbst in die Lösungstrance bringen.

Kleine Dinge genau beschreiben Diese Übung fördert Ihre Aufmerksamkeit, Ihre Achtsamkeit und Ihre Kommunikationsfähigkeit. Wenn Sie etwas Schönes sehen, wenn Ihnen etwas Angenehmes passiert oder wenn Sie positiv überrascht werden, halten Sie inne und betrachten Sie das Schöne, Angenehme und Positive aufmerksam und genau. Beschreiben Sie es in Gedanken oder laut oder notieren Sie Ihre Beschreibung auf einem Zettel. Erzählen Sie dann einem vertrauten Menschen, was Sie gesehen haben, was Ihnen passiert ist oder wovon Sie überrascht wurden – berichten Sie über so viele Details wie möglich. Sicher kommen Sie ins Gespräch und Ihnen werden noch mehr Details einfallen.

Netze knüpfen Diese Übung fördert Ihre Beziehungsfähigkeit und Netzwerkpflege. Nehmen Sie ein großes Blatt Papier zur Hand und schreiben Sie Ihren Namen in die Mitte des Blattes. Notieren Sie die Namen der Menschen, die Ihnen wichtig sind, um Ihren Namen herum, und zeichnen Sie Verbindungslinien zwischen den Menschen, die sich untereinander kennen. Überlegen Sie sich, wen Sie mit einem bislang noch unbekannten Menschen aus Ihrem Netzwerk bekannt machen könnten und warum. Vielleicht geht Ihre Cousine gern tanzen, hat aber keinen Freund, der sie begleiten würde? Stellen Sie ihr einen Ihrer Kollegen vor, von dem Sie wissen, dass er ebenfalls gern tanzt und solo ist. Laden Sie zwei Freundinnen, die beide politisch aktiv sind, aber sich untereinander noch nicht kennen, zum Kaffeetrinken ein und kommen Sie zu dritt ins Gespräch. Vermitteln Sie einen Nachbarn, der Sie um Rat gefragt hat, an einen Freund von Ihnen, der zu dem erfragten Thema besonders kompetent ist. So werden die Maschen in Ihrem Netzwerk immer dichter und belastbarer. Vielleicht ergeben sich aus Ihren Netzwerkaktivitäten neue Freundschaften und hilfreiche Beziehungen.

Die Oase der Stille Diese Übung fördert die Stressbewältigung. Wenn Sie angespannt oder gestresst sind, halten Sie inne und atmen Sie einige Male tief ein und aus. Suchen Sie sich einen Ort, an

dem Sie mindestens fünf Minuten lang ungestört sein können. Machen Sie es sich an diesem Ort bequem, schließen Sie die Augen oder schauen Sie auf einen Punkt auf dem Boden. Atmen Sie weiter tief ein und aus und kommen Sie zur Ruhe. Lassen Sie Ihre Gedanken kommen und gehen, halten Sie nichts fest. Lockern Sie Ihre Muskulatur – denn vielleicht sind Ihre Hände zu Fäusten geballt oder Sie haben die Schultern hochgezogen oder Sie knirschen mit den Zähnen. Konzentrieren Sie sich auf die Selbstsuggestion »Ich bin ruhig und entspannt«. Werden Sie innerlich still und lächeln Sie in sich hinein. Verweilen Sie noch einige Zeit in Ihrer Oase der Stille. Kehren Sie dann mit Ihrer Aufmerksamkeit zurück in den Alltag, recken und strecken Sie sich, atmen Sie noch einmal ganz bewusst tief durch und genießen Sie die Entspannung, die sich vermutlich in Ihrem Körper ausgebreitet hat. Gönnen Sie sich diese Übung am besten täglich.

Der Detektiv im Kopfkino Diese Übung fördert die Gefühlsbewältigung. Haben Sie manchmal das Gefühl, dass in Ihrem Kopf ein Katastrophen- oder Kriminalfilm läuft? Vielleicht stellen Sie sich Alltagssituationen in düsteren Details vor, malen sich Konflikte mit Verwandten oder Kollegen in scheußlichen Farben aus oder führen mit Widersachern Wortgefechte. Halten Sie einen solchen Film bewusst an und schicken Sie Ihren inneren Detektiv los, der in Ihrem Kopfkino für Ordnung sorgen soll. Geben Sie ihm den Auftrag, möglichst viele Informationen zu sammeln und die Filmsituation aus den verschiedenen Blickwinkeln unter die Lupe zu nehmen. Begleiten Sie Ihren Detektiv auf seinem Weg durch Ihren Film und hören Sie ihm zu, wie er das, was er sieht, beschreibt. So gewinnen Sie Distanz zu überwältigenden Gefühlen, wechseln die Perspektive, bekommen neue Eindrücke und werden hoffentlich gelassener. Verlassen Sie dann das Kopfkino und konzentrieren Sie sich auf die Realität – zumeist ist das, was in Wirklichkeit passiert, weniger schlimm oder bedrohlich als Ihre Vorstellung davon.

Kapitel 18

Zehn Tipps für ein Resilienztraining mit Kindern IN DIESEM KAPITEL Kinder aktiv unterstützen Resilienzübungen für kleine und größere Kinder Kinder fördern und fordern Das Selbstvertrauen von Kindern vergrößern

Resilienz ist zum Teil angeboren, zum Teil wird sie erworben. Umgebungsfaktoren wie die Familienstruktur, die Einbindung in Netzwerke, die Förderung in Kindergarten und Schule und die sichere Beziehung zu verlässlichen Bindungspersonen tragen erheblich dazu bei, dass Kinder lernen, gut mit Schwierigkeiten umzugehen. Je früher sie ihre Selbstwirksamkeit erleben und merken, dass sie Dinge gestalten können, desto resilienter werden sie. Übertragen Sie Ihrem Kind Verantwortung, loben Sie es oft und ehrlich, lassen Sie es seine Fähigkeiten entdecken und ausprobieren. In diesem Kapitel finden Sie Übungen, die Sie schon mit kleineren Kindern durchführen können. Machen Sie die Übungen gemeinsam mit Ihrem Kind. Je älter es wird, desto selbstständiger kann es allein trainieren. Erklären Sie Ihrem Kind, dass Probleme und Krisen zum Leben dazugehören, und leben Sie ihm vor, wie man damit umgehen kann. Wenn Ihr Kind von Ihnen lernt, dass Optimismus, Netzwerkpflege und Selbstfürsorge die Krisenfestigkeit erhöhen, wird es mit Zuversicht und Tatendrang an Probleme herangehen.

Der sichere Ort Diese Übung fördert den Optimismus. Leiten Sie Ihr Kind an, tief und gleichmäßig zu atmen und seine Aufmerksamkeit einige Zeit nach innen zu lenken. Es soll sich mit geschlossenen Augen einen Ort vorstellen, an dem es sich besonders wohlfühlt. Das kann ein realer Ort sein, beispielsweise ein besonderes Zimmer oder ein Ferienort, aber auch ein Fantasieort, etwa eine Höhle oder ein Baumhaus. Diesen Ort kann Ihr Kind in Gedanken nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten. Sagen Sie ihm, dass dieser Ort für andere unerreichbar ist und dass es dort immer sicher und geborgen sein wird. Ermutigen Sie es, sich seinen sicheren Ort detailliert vorzustellen. Eine Weile schweigen Sie oder

lassen leise Musik laufen, damit Ihr Kind sich entspannt und konzentriert. Dann kann Ihr Kind sich recken und strecken, tief durchatmen und die Augen wieder öffnen. Wenn es künftig Angst hat, unsicher ist oder sich nicht wohlfühlt, kann es in Gedanken wieder an seinen sicheren Ort gehen und dort Kraft sammeln.

Das Schlimmste ist gar nicht so schlimm Diese Übung fördert die Akzeptanz. Wenn Ihr Kind ein Problem hat oder eine schwierige Situation erlebt, überlegen Sie gemeinsam mit ihm, was bei diesem Problem oder in dieser Situation die schlimmste mögliche Konsequenz wäre. Sprechen Sie dann mit Ihrem Kind darüber, wie es mit dieser schlimmsten Konsequenz umgehen und wen es dabei um Hilfe bitten könnte. Sagen Sie Ihrem Kind, dass die schlimmste Konsequenz meistens gar nicht eintritt, sondern dass sich das Problem oder die Schwierigkeit in den meisten Fällen mit weniger schweren Konsequenzen klären lässt. Ermutigen Sie Ihr Kind, sich jederzeit Hilfe zu holen, wenn es nicht allein weiterkommt. Versichern Sie Ihrem Kind, dass es nicht allein ist, sondern dass Sie und andere liebevolle Menschen sich um das Kind kümmern.

Was ich schon alles kann Diese Übung fördert die Handlungsfähigkeit. Lassen Sie Ihr Kind regelmäßig aufschreiben oder malen, was es neu gelernt hat, was es schon kann und was es gern tut. Führen Sie ein Fortschrittstagebuch oder legen Sie eine Fotosammlung an. Filmen Sie Ihr Kind und schauen Sie sich die Videos regelmäßig gemeinsam an. Loben Sie es für seine Fortschritte und beobachten Sie gemeinsam, wie seine Entwicklung voranschreitet.

Jeden Tag eine gute Tat Diese Übung fördert die Verantwortungsbereitschaft. Ermuntern Sie Ihr Kind jeden Abend, darüber nachzudenken oder Ihnen zu erzählen, was es an dem abgelaufenen Tag getan und erlebt hat. Für den folgenden Tag kann es sich eine gute Tat vornehmen und am nächsten Abend dann überlegen, ob es diese Tat umgesetzt hat. Loben Sie Ihr Kind für seine guten Taten. Vermitteln Sie ihm, dass es stolz auf sich sein darf, wenn es etwas geschafft hat.

Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt Diese Übung fördert die Lösungsorientierung. Wenn Ihr Kind Ihnen von einem Problem berichtet, bieten Sie ihm nicht sofort eine Lösung an, sondern fragen Sie es, welche Lösung es sich wünscht. Überlegen Sie dann gemeinsam den ersten Schritt, um die Wunschlösung zu erreichen. Ermuntern Sie Ihr Kind, diesen ersten Schritt zu tun. Überlegen Sie gemeinsam den nächsten Schritt. So bringen Sie Ihrem Kind bei,

Lösungswege in einzelne Schritte zu zerlegen. Dies erleichtert die Problemlösung oft erheblich.

Ich bin nicht allein Diese Übung fördert die Netzwerkpflege. Gestalten Sie mit Ihrem Kind eine Fotowand oder lassen Sie es ein Bild malen mit allen Menschen, die ihm wichtig sind. Ihr Kind sollte sich selbst in die Mitte der Fotowand oder des Bildes positionieren und seine wichtigen Bezugspersonen um sich herum. Schauen Sie die Fotowand oder das Bild immer wieder gemeinsam an und überlegen Sie, wie es den Personen auf dem Bild gerade wohl gehen mag. Wenn Ihr Kind den Impuls hat, Menschen seiner Umgebung anzurufen oder zu besuchen, unterstützen Sie es dabei. Erklären Sie Ihrem Kind auch, dass es normal ist, wenn Beziehungen lockerer werden oder sich lösen. Ermutigen Sie es dazu, neue Freunde in sein Netzwerk aufzunehmen. Helfen Sie ihm, wenn es traurig über einen Abschied ist – gerade Übergänge zwischen Lebensphasen wie etwa ein Umzug, die Einschulung oder der Wechsel auf die weiterführende Schule sind für Kinder oft nicht einfach zu verarbeiten.

Das Leben ist schön Diese Übung fördert die Zukunftsplanung. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über seinen Tagesablauf und fragen Sie es, in welchem Moment es ganz zufrieden und glücklich gewesen ist – vielleicht auf dem Spielplatz, beim Eisessen, mit seinen Freunden oder abends im Bett mit seinen Kuscheltieren. Ermuntern Sie es, Ihnen ausführlich von diesem glücklichen Augenblick zu erzählen. Fragen Sie nach seinen Gefühlen und Gedanken, damit Ihr Kind lernt zu reflektieren. Ermuntern Sie Ihr Kind dazu, das Glück dieses Moments zu bewahren und mit in seine nächtlichen Träume zu nehmen.

Ich bin mutig und neugierig Diese Übung fördert das Selbstvertrauen. Jedes Kind hat Angst vor bestimmten Dingen – vor der Dunkelheit, vor Spinnen oder vor Monstern. Nehmen Sie die Ängste Ihres Kindes ernst und stehen Sie ihm bei, wenn es sich mit diesen Ängsten beschäftigt. Finden Sie heraus, was Ihr Kind braucht, um Ängste zu überwinden. Vielleicht möchte es gern in den Arm genommen werden, wenn es dunkel wird. Vielleicht möchte es mit Ihnen gemeinsam unters Bett schauen, wenn es dort ein Monster befürchtet. Vielleicht möchte es bei Ihnen im Bett schlafen dürfen, wenn es böse Träume hatte. Gehen Sie behutsam mit Ihrem Kind um und ertragen Sie die beängstigenden Situationen gemeinsam. Helfen Sie ihm möglichst konkret, indem Sie beispielsweise nachts ein kleines Licht im Kinderzimmer brennen lassen oder mit Ihrem Kind gemeinsam bedrohlichen Schatten oder Geräuschen auf die Spur gehen. Üben Sie eine Selbstsuggestion mit Ihrem Kind ein, beispielsweise

den Satz »Ich bin mutig und neugierig« oder »Ich erforsche meine Umgebung«. Ermutigen Sie Ihr Kind, sich immer mehr zuzutrauen. Machen Sie sich niemals über seine Ängste lustig.

Viele schöne kleine Dinge Diese Übung fördert die Achtsamkeit. Wenn Sie mit Ihrem Kind in der Natur oder in der Stadt unterwegs sind, lenken Sie seine Aufmerksamkeit auf Details: Zeigen Sie ihm einen Käfer, eine besondere Blüte, ein lustiges Poster, einen bunten Autoaufkleber oder einen Menschen mit ausgefallener Kleidung. Spielen Sie das Spiel »Ich sehe was, was du nicht siehst«, wenn Sie gemeinsam im Auto unterwegs sind. Ermutigen Sie es, auf Kleinigkeiten zu achten und sich Dinge zu merken. Hilfreich ist dafür auch das KimSpiel, das auf den britischen Schriftsteller Rudyard Kipling zurückgeht und in seinem Roman Kim ausführlich beschrieben wird: Legen Sie acht oder zehn verschiedene Gegenstände (Spielsachen, Küchenutensilien und Ähnliches) auf ein Tablett und sagen Sie Ihrem Kind, dass es sich alle Gegenstände merken soll. Decken Sie dann ein Tuch über das Tablett und entfernen Sie einen Gegenstand, während Ihr Kind die Augen geschlossen hält. Lassen Sie es dann herausfinden, welcher Gegenstand fehlt. Durch die Aufmerksamkeitsfokussierung auf Details lernt Ihr Kind, sich zu konzentrieren und Kleinigkeiten wahrzunehmen. Seine Merkfähigkeit wird geschult und es entwickelt einen Blick für die Vielfalt der Welt.

Was die anderen denken Diese Übung fördert die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln. Schauen Sie mit Ihrem Kind Bildergeschichten an und überlegen Sie gemeinsam, was die Personen in der Geschichte wohl denken und warum sie so handeln, wie sie handeln. Wenn Ihr Kind Ihnen über Begegnungen mit anderen Menschen aus seinem Alltagsleben berichtet, fragen Sie es, was die anderen wohl gedacht haben, wie Ihr Kind die Mimik und Gestik der Mitmenschen interpretiert und welche Rückschlüsse es aus seinen Interpretationen zieht. Leiten Sie es dazu an, nicht nur in eine Richtung zu denken, sondern unterschiedliche Interpretationen zuzulassen, indem Sie fragen: »Was könnte der Junge denn sonst noch gedacht/gefühlt/gewollt haben?« oder »Warum schaut das Mädchen jetzt so traurig, was könnte alles passiert sein?« Damit erreichen Sie, dass Ihr Kind offen wird für unterschiedliche Denk- und Sichtweisen und seine eigene Realitätsinterpretation nicht für die einzig mögliche hält.

Kapitel 19

Zehn Meilensteine auf dem Weg zu mehr Resilienz IN DIESEM KAPITEL Ein strukturiertes Resilienztraining kennenlernen Rückschau halten auf überstandene Krisen Bedeutung von Optimismus und Netzwerkpflege Entlastung durch Perspektivwechsel

Resilienz ist ein Thema, das weltweit große Aufmerksamkeit findet. Die amerikanische Fachgesellschaft für Psychologie (American Psychological Association, APA) hat zehn Meilensteine formuliert, die wichtig für die innere Widerstandskraft sind. Diese »Road to Resilience« (www.apa.org/helpcenter/road-resilience.aspx) zeigt den Weg zu größerer Krisenfestigkeit und höherer Belastbarkeit auf. Nutzen Sie diese Meilensteine für Ihr Resilienztraining.

Beziehungen pflegen Ein gut funktionierendes Netzwerk ist einer der wichtigsten Resilienzfaktoren. Wer Schwierigkeiten, Krisen und Katastrophen nicht allein durchstehen muss, sondern sich auf die Unterstützung anderer Menschen verlassen kann, kommt schneller wieder auf die Beine. Außerdem erlaubt der Blick von außen oft auch eine neue Sichtweise. Freunde, Verwandte oder Nachbarn haben vielleicht schon ähnliche Situationen erlebt und können Ihnen Tipps geben, wie Sie sich in schwierigen Situationen behelfen können. Auch die ganz direkte Hilfe – durch Unterstützung wie Kinderbetreuung, Boten- oder Ämtergänge – ist unverzichtbar, wenn es eng wird. Pflegen Sie Ihre Beziehungen, unterstützen Sie andere Menschen nach Kräften und nehmen Sie die Hilfe an, die Ihnen angeboten wird. Das Lächeln, das Sie aussenden, kehrt zu Ihnen zurück.

Krisen überwinden Wer mitten in einer Krise steckt, hat nicht selten das Gefühl, dass es keinen Ausweg gibt. Je größer die Verzweiflung, je tiefer die Traurigkeit und je einschneidender die Probleme,

desto weniger Zuversicht hat der Betroffene zumeist. Irgendwann ist vielleicht gar kein Silberstreif mehr am Horizont zu sehen – die Zukunft sieht düster aus. Sich in einer solchen Situation daran zu erinnern, dass Krisen vorbeigehen und selbst die größten Schwierigkeiten irgendwann Vergangenheit sind, ist nicht ganz einfach. Dazu gehören eine gewisse Selbstdisziplin und die Bereitschaft, Abstand zu der aktuellen Situation zu gewinnen. Hilfreich ist der Rückblick auf bereits überwundene Krisen: Überlegen Sie sich, was Sie in Ihrem Leben schon geschafft haben, aus welchen Schwierigkeiten Sie sich befreien konnten und welche Veränderungen Sie eingeleitet haben. Sie werden feststellen, dass die meisten Krisen im Laufe des Lebens an Bedeutung verlieren und rückblickend gar nicht mehr so schlimm erscheinen. Vielleicht sehen Sie in der Rückschau auch, was bestimmte Krisen oder gar Katastrophen in Ihrem Leben positiv verändert haben und welchen Sinn manche Probleme hatten. Nutzen Sie diese Erkenntnisse auch für die Gegenwart: Krisen sind keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, sondern gehören zur Achterbahn des Lebens dazu.

Veränderungen akzeptieren Egal was passiert, die Erde dreht sich immer weiter und das Leben geht voran. Veränderungen sind Bestandteil des Lebens. Wer erstarrt oder rückwärts geht, nimmt nicht mehr am Fortschritt teil und verliert vielleicht sogar den Bezug zur Realität. Wenn Sie spüren, dass Ihnen manche Veränderungen zu schnell gehen oder dass Ihnen die Kraft fehlt, um den Wandel mitzugestalten, reduzieren Sie das Tempo, sammeln Sie neue Kräfte und bitten Sie andere um Unterstützung oder Entlastung. Beobachten Sie sich aufmerksam und gönnen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen, um wieder aktiv werden zu können. Überfordern Sie sich nicht. Wenn Sie wieder handlungsfähig sind, machen Sie zunächst kleine Schritte. Überprüfen Sie, wie sich diese Schritte anfühlen, wie viel Kraft sie kosten und was das Ergebnis Ihrer Bemühungen ist. Je zuversichtlicher Sie werden und je mehr Energie Sie haben, desto größer können Ihre Schritte sein. Sperren Sie sich nicht gegen Veränderungen , sondern versuchen Sie, sie aktiv mitzugestalten.

Ziele ansteuern Wer kein Ziel vor Augen hat, weiß nicht, wohin er gehen soll. Zielloses Handeln ist zumeist nicht sinnvoll, sondern kostet Kraft und führt zu nichts. Setzen Sie sich realistische Ziele, behalten Sie diese im Blick und suchen Sie Möglichkeiten, um sie zu erreichen. Lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn es mal nicht vorangeht oder wenn Sie merken, dass ein bestimmter Weg nicht zielführend ist. Orientieren Sie sich neu, kehren Sie um, fangen Sie von vorn an. Vielleicht müssen Sie das eine oder andere Ziel auch neu definieren oder verwerfen – wichtig ist, dass Sie Ziele haben. In manchen Lebenssituationen sind naheliegende Ziele

hilfreich, in anderen dürfen es gern auch hochgesteckte sein. Versuchen Sie, das richtige Maß zu finden. Oft ist es hilfreich, die eigenen Ziele mit anderen Menschen zu diskutieren. Bitten Sie um Feedback und gleichen Sie Ihre Vorstellungen mit denen der Menschen in Ihrer Umgebung ab. Wenn Ihre Wünsche konträr zu den Zielen und Vorstellungen der Menschen sind, die Ihnen wichtig sind, lohnt es sich, die eigenen Bestrebungen zu überdenken. Stecken Sie zurück, wenn Ihnen die beteiligten Menschen wichtiger sind als das ursprüngliche Ziel.

Aktiv und entschlossen sein Verantwortungsbewusstsein, Handlungsorientierung und Gestaltungswille sind Resilienzfaktoren, die Ihnen helfen, Schwierigkeiten und Krisen zu überwinden. Seien Sie nicht passiv, sondern werden Sie aktiv. Nutzen Sie Ihre Ressourcen, binden Sie Ihr Netzwerk ein, krempeln Sie die Ärmel hoch und suchen Sie nach kreativen Lösungen. Ändern Sie Ihren Blickwinkel, wechseln Sie die Perspektive. Seien Sie mutig und entschlossen, Rechnen Sie damit, dass Sie Fehler machen werden – denn nur wer nichts tut, macht keine Fehler (und oft ist Nichtstun schon ein großer Fehler). Lernen Sie aus Fehlern und probieren Sie neue Wege aus. Wenn Sie Zeit brauchen, um sich zu strukturieren und zu organisieren, gönnen Sie sich diese Zeit. Handeln Sie nicht kopflos oder unüberlegt. Sammeln Sie Informationen, um Ihre Situation möglichst realistisch einschätzen zu können. Gehen Sie mit einer lösungsorientierten Haltung an Probleme heran und lassen Sie sich von Rückschlägen nicht entmutigen. Denken Sie positiv: Sie schaffen das.

Sich selbst besser kennenlernen Wissen Sie eigentlich genau, was in Ihnen steckt? Finden Sie es heraus. Sie können an Problemen und Schwierigkeiten wachsen und Ihr Potenzial ausschöpfen. Nutzen Sie Ihre Stärken, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Lernen Sie Neues und gehen Sie immer wieder ungewohnte Wege. Sie werden merken, dass Sie viel mehr können, als Sie bislang dachten. Viele Menschen neigen dazu, sich zu unterschätzen. Nutzen Sie jede Möglichkeit, um sich selbst besser kennenzulernen. Überlegen Sie, was Ihnen bislang schwergefallen ist, und denken Sie darüber nach, welche Hemmnisse es dabei gab. Möglicherweise stellen Sie fest, dass Ihre Haltung der größte Hemmschuh war: Wenn Sie überzeugt sind, etwas nicht zu schaffen, kommt es einer selbsterfüllenden Prophezeiung gleich, wenn Sie tatsächlich scheitern. Drehen Sie den Spieß um und seien Sie überzeugt davon, dass Sie etwas ganz bestimmt schaffen werden. Auch diese Prophezeiung kann sich selbst erfüllen – allein dadurch, dass Sie mutig und zuversichtlich handeln. Wenn Sie etwas Neues an sich entdeckt haben, halten Sie inne und reflektieren Sie: Wofür ist Ihre neue Seite gut? Was lernen Sie daraus? Wie setzen Sie neue Fähigkeiten oder Stärken künftig ein? Wenn Sie mögen, schreiben Sie sich auf, was Sie herausgefunden haben. So

können Sie ein Stärkenprofil erstellen, das Ihnen in schwierigen Situationen hilft, an sich selbst zu glauben und Lösungen zu finden.

Ein positives Selbstbild pflegen Neigen Sie dazu, sich selbst abzuwerten und gering zu schätzen? Dann ist es höchste Zeit, dass Sie ein positives Selbstbild aufbauen und pflegen. Überlegen Sie jeden Abend, was Sie am Tag geschafft haben, welche Probleme Sie bewältigen konnten, mit welchen Schwierigkeiten Sie zurechtgekommen sind, was Sie bewältigt haben. Klopfen Sie sich auf die Schulter und sagen sich, wie gut Sie das gemacht haben. Wenn Sie gelobt werden oder positives Feedback erhalten, nehmen Sie dies ohne Einschränkung an und relativieren Sie es nicht. Benennen Sie Dinge, auf die Sie stolz sind, und erzählen Sie anderen Menschen davon. Es ist nicht selbstverständlich, dass Sie gute Arbeit leisten, verlässlich sind und den Alltag hervorragend meistern – es ist etwas Besonderes. In Ihrer Einzigartigkeit sind Sie genau richtig. Akzeptieren Sie Ihre Schwächen und haben Sie Geduld mit sich. Kein Mensch ist stets zu Höchstleistungen bereit, jeder braucht Ruhezeiten und Fehlertoleranz. Schauen Sie liebevoll und wohlwollend auf sich. Seien Sie bereit, sich weiterzuentwickeln und lebenslang an sich zu arbeiten.

Nüchtern und sachlich bleiben Wer vom Schicksal gebeutelt wird, hat vielleicht irgendwann das Gefühl, mit seinem Leiden ganz allein zu sein und alles Unbill der Welt auf die Schultern geladen zu bekommen. Er resigniert oder verzweifelt und glaubt nicht mehr daran, dass es wieder bergauf gehen kann. In einer solchen Situation hilft ein Perspektivwechsel: Ist das, was Ihnen gerade widerfährt, lebensbedrohlich? Geht es nicht alles noch viel schlimmer? Was müssen andere Menschen aushalten? Wie groß sind Ihre Sorgen im Vergleich zu den Sorgen von Kriegsopfern, Flüchtlingen oder Todkranken? Natürlich ist Leid grundsätzlich nicht vergleichbar, aber es geht darum, den Maßstab nicht zu verlieren. Versuchen Sie, sich mit Selbstsuggestionen zu beruhigen und wieder auf den Teppich zu holen. Nutzen Sie Formulierungen wie »Ich bin ruhig und gelassen« oder »Morgen ist ein neuer Tag« oder »Halb so schlimm«, um entspannter zu werden und durchatmen zu können. Überlegen Sie, was Sie in Ihrem Leben schon durchgestanden haben – sind die Probleme und Schwierigkeiten im Rückblick nicht oft deutlich kleiner und weniger bedrohlich, als Sie sie in der akuten Situation erlebt haben? Wenn Sie versuchen, sich nicht von Krisen überrollen zu lassen, sondern den Kopf oben zu

behalten, kommen Sie mit den meisten Situationen besser zurecht. Denken Sie immer daran, dass Sie nicht allein auf der Welt sind – Sie müssen nicht alles selbst erledigen, sondern Sie können sich auf Ihr Netzwerk verlassen.

Optimistisch sein Optimismus ist unverzichtbar, um resilient zu sein oder zu werden. Nur wer die Hoffnung nicht aufgibt, bleibt handlungsfähig. Wer an sich glaubt und davon überzeugt ist, auch die schwierigsten Situationen meistern zu können, schöpft Kraft aus sich selbst heraus und geht mit Zuversicht an Krisen heran. Gläubige Menschen haben es in diesem Punkt oft leichter als jene ohne Zugang zur Religion, denn sie verlassen sich darauf, dass eine höhere Macht sie beschützt. »Ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand« ist beispielsweise ein kurzes, Mut machendes Gebet, das Gläubigen auch in größter Not Hoffnung vermittelt. Aber auch wer nur an Diesseitiges glaubt, kann Hoffnung und Zuversicht bewahren, wenn er davon überzeugt ist, dass sein Leben sinnvoll ist.

Auf sich selbst achten Wenn Sie sich selbst achten und lieben, können Sie auch andere Menschen wertschätzen und Liebe verschenken. Liebe wächst, wenn man sie teilt. Seien Sie achtsam mit sich selbst: Verdrängen Sie Ihre Bedürfnisse nicht, sondern geben Sie ihnen Raum. Was tut Ihnen gut? Was brauchen Sie? Wann fühlen Sie sich rundum wohl? Mit welchen Menschen möchten Sie Ihr Leben teilen? Sorgen Sie für sich und nehmen Sie sich ernst. Pflegen Sie Ihren Körper, denn er trägt Sie durchs Leben. Seien Sie gut zu sich – dann können Sie auch gut zu anderen Menschen sein. Wer sich selbst missachtet, vernachlässigt oder unter Druck setzt, wird oft auch von anderen geringgeschätzt oder missbraucht. So entsteht ein Teufelskreis, der kaum zu durchbrechen ist. Machen Sie sich jeden Tag ein Geschenk: Gönnen Sie sich Zeit, essen Sie etwas besonders Leckeres, nehmen Sie ein Duftbad, loben Sie sich. Was auch immer Sie für sich tun, tun Sie es mit Freude und Überzeugung. Sie werden sehen: Es dauert nicht lange, bis Ihre positive Ausstrahlung Früchte trägt. Und Sie werden deutlich mehr Kraft und Lust haben, auch anderen Menschen gegenüber fürsorglich, aufmerksam und liebevoll zu sein.

Kapitel 20

Zehn schnelle Tipps für mehr Resilienz IN DIESEM KAPITEL Resilienztipps in zwei Sätzen Alltagstaugliche Hinweise für mehr Resilienz Die Bedeutung von Akzeptanz, Optimismus und Netzwerkpflege Selbstfürsorge für mehr Krisenfestigkeit

Sie halten ein Buch über Resilienz in den Händen – voller Informationen, Tipps, Übungen, Reflexionen und Geschichten. In diesem Kapitel finden Sie kurz zusammengefasst alle wichtigen Resilienztipps in jeweils zwei Sätzen. So bekommen Sie einen Überblick über das, was wichtig ist, um Schwierigkeiten, Krisen und Katastrophen gut zu überstehen und gestärkt daraus hervorzugehen. Vielleicht schreiben Sie sich den Tipp, der Ihnen am besten gefällt, auf einen kleinen Zettel und legen ihn in Ihr Portemonnaie. So haben Sie ihn mehrmals täglich vor Augen und erinnern sich daran, was Sie tun können, um Ihre Resilienz zu vergrößern.

Probleme akzeptieren Wenn Sie in einer schwierigen Situation stecken, reden Sie nicht darum herum, sondern benennen Sie Ihr Problem und seien Sie ehrlich mit sich selbst. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Wunschlösung für Ihr Problem und setzen Sie alles daran, diese Lösung zu erreichen.

Fakten prüfen Sammeln Sie in schwierigen Situationen so viele Informationen wie möglich, bitten Sie andere Menschen um deren Sichtweise und betrachten Sie Ihr Problem aus verschiedenen Perspektiven. Wenn Sie alle Fakten beisammenhaben, kristallisiert sich die Lösung oft fast von selbst heraus.

Kopfkino ausschalten Meist ist das, was man in einer schwierigen Situation befürchtet oder erwartet, viel

schlimmer als das, was wirklich passiert. Konzentrieren Sie sich auf die Tatsachen, seien Sie offen für jede Entwicklung und halten Sie die Horrorszenarien in Ihrem Kopf im Zaum.

Hilfe suchen Vier Augen und Ohren sehen und hören mehr als zwei, und zwei Köpfe denken schlauer als einer. Teilen Sie Ihr Problem mit anderen, suchen Sie sich Unterstützung, nehmen Sie professionelle Hilfe an – oft wird so aus einem Elefanten ganz rasch eine Mücke.

Positiv denken Gehen Sie positiv an Ihr Leben heran: Sehen Sie das Gute in anderen Menschen, erwarten Sie angenehme Überraschungen, freuen Sie sich auf jeden neuen Tag. Wenn etwas Unangenehmes passiert, denken Sie daran, wie viele Schwierigkeiten Sie in Ihrem bisherigen Leben schon gemeistert haben, und sprechen Sie sich selbst Mut zu – Sie schaffen das!

Netzwerke pflegen In allen weltweiten Resilienzstudien hat sich gezeigt, dass Menschen mit belastbaren Bindungen resilienter sind als einsame, zurückgezogene Menschen. Pflegen Sie Ihre Netzwerke, halten Sie den Kontakt zu wichtigen Menschen in Ihrem Leben aufrecht und widmen Sie Ihren Verwandten, Freunden, Nachbarn und Kollegen Zeit und Aufmerksamkeit.

Neugierig sein Probieren Sie immer wieder etwas Neues aus, lernen Sie dazu und verlassen Sie regelmäßig Ihre Komfortzone. So lernen Sie sich selbst besser kennen, entdecken ungewohnte Seiten an sich und fördern Ihre Problemlösefähigkeiten, Ihre Handlungsbereitschaft und Ihr Verantwortungsbewusstsein.

Pause machen Nehmen Sie sich Zeit, um aufzutanken, abzuschalten und Abstand zu gewinnen. Planen Sie jeden Tag regelmäßige Pausen und halten Sie diese auch ein, achten Sie auf die Signale Ihres Körpers und gönnen Sie sich genügend Regenerationsmöglichkeiten, nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um nach einer Enttäuschung, einem Rückschlag oder einer Krise Ihre Wunden zu lecken und zu sich zu kommen.

Tief durchatmen Der Atem wird nicht umsonst Lebenshauch genannt: Er versorgt den Körper mit Sauerstoff, leitet Schadstoffe nach außen ab und bewirkt, wenn er tief und ruhig ist, Entspannung und Gelassenheit. Atmen Sie daher so oft es geht ganz bewusst tief in den Bauch ein und langsam wieder aus.

Kinder stärken Kinder profitieren erheblich von einer resilienzfördernden Erziehung, in der sich Fördern und Fordern die Waage halten. Geben Sie Ihren Kindern Raum, Dinge auszuprobieren, Neues zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und Erfahrungen zu machen – und seien Sie möglichst immer dann zur Stelle, wenn Ihr Kind Trost, Hilfe und Geborgenheit braucht.

Abbildungsverzeichnis Abbildung 2.1: Das Johari-Fenster stellt die bewussten und unbewussten Persönlichkeitsanteile dar Abbildung 2.2: Das Stressmodell nach Lazarus Abbildung 5.1: Aufbau einer Mind Map Abbildung 5.2: Das Yerkes-Dodson-Gesetz belegt, dass Menschen unter einem mittleren Anspannungsniveau die größte Leistung erbringen können. Abbildung 7.1: Das Eisenhower-Prinzip der Delegation Abbildung 8.1: Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow Abbildung 8.2: Die vier Seiten einer Botschaft nach Friedemann Schulz von Thun

Stichwortverzeichnis A ABC-Priorisierung 76 ABC-Technik 228 Abgrenzung 141, 215 Abschied 222 Abstand, innerer 284 Abwehr 214 Abwertung 238 Achtsamkeit 58, 74, 168–169, 171, 255, 274, 280 Achtsamkeitskurs 170 Achtsamkeitsmeditation 168 Achtsamkeitstraining 170, 271 Achtsamkeitsübung 221, 253 Adrenalin 72 Akzeptanz 38, 49, 55, 88, 111, 113, 117, 130, 155, 165, 200, 214, 219, 223, 269, 273, 278 Übung 75 Alarmbereitschaft 242 Alkohol 117 Alkoholabhängigkeit 106 Alltag 79–80, 82, 96, 271, 275 Alltagsleben 80 Alter 219, 221–222, 271 Altersmilde 113 Ampelübung 173 Änderungsbereitschaft 226 Anerkennung 154, 200, 205 mangelnde 209

Angst 31, 280 Angst- und Panikstörung 89 Anpassungsbedarf 53 Anspannung 72, 101–102, 165, 168, 172–173, 175, 242, 246, 272 Anteil, eigener 111, 117 Anti-Komfortzonen-Training 226–229 Antreiber, innerer 69, 82–83 Antrieb, eigener 130 Arbeit 175 Arbeitnehmer 127, 136 Arbeitsablauf 137 Arbeitsalltag 163 Arbeitslosigkeit 86 Arbeitsplatz 163–164, 170, 172, 174 Arbeitsplatzverlust 72 Arbeitstag 137, 174 Gestaltung 137 Arbeitsverdichtung 136, 174 Arbeitszeit, Gestaltung 136 Archiv, inneres 47–48 Arzt, niedergelassener 121 Aufbruch 225 Aufmerksamkeit 101, 165, 168, 173, 216, 221, 228, 234, 238, 242, 253, 255, 271–274, 277, 280, 289–290 fokussierte 254 selektive 104 Aufmerksamkeitsfokussierung 149, 280 Ausbrennen 249 Ausdauer 202 Ausgebranntsein 249 Ausgeglichenheit 119, 165

Austausch, zwischenmenschlicher 108 Auszeit 41, 90, 99, 171, 174, 197, 215, 241, 242–243, 246, 266, 267 gestalten 243 im Beruf 136 Autonomie 193 Autosuggestion 238

B Balance innere 251 Balance, innere 164 Bauchatmung 160, 168, 242, 273, 275, 291 Bauchgefühl 273 Baumeister-Haltung 68 Bauplan, genetischer 190 Bedürfnis 192, 200, 213, 253, 255–256 eigenes 63, 84, 90, 101, 108, 117, 121, 140–141, 153, 217, 231, 243, 244, 262, 287 fremdes 256–257 Bedürfniskollision 141 Bedürfnispyramide 154 Befinden eigenes 252 Befindlichkeit 90 Beförderung, ausgebliebene 128 Begeisterungsfähigkeit 62, 110 Belastbarkeit 283 Belastungsstörung, posttraumatische 41, 122, 199 Belohnung 133 Belohnungsaufschieber 132 Beobachterposition 130 Beruf 127, 164, 166, 170

Berufsalltag 127, 132, 136, 141, 163, 167 Berufsleben 138, 142, 145–146, 160–161, 163, 169, 174, 218 Berufsweg 127 Bescheidenheit 94 falsche 209 Beschleunigung 136 Bestandsaufnahme 46 Betriebsrat 142 Bewältigungsmöglichkeit 53 Bewältigungsressource 164 Bewältigungsstrategie 29, 105, 146, 164 Bewertung 165 Verzicht auf 171 Beziehung 35, 42–43, 235–236, 238 beenden 236 emotionale 35 pflegen 283 sichere 277 zwischenmenschliche 35, 109, 113, 198, 267 Beziehungsarbeit 108 Beziehungsebene 159–160 Beziehungsfähigkeit 274 Beziehungspflege 109 Bezugsperson 43, 267 Bielefelder Invulnerabilitätsstudie 56 Big Five 196 Big-Five-Persönlichkeitstest 196 Bildung 44

Bindung 43–44 desorganisierte 190 emotionale 35, 42, 189 sichere 190–192, 201 unsicher-ambivalente 190 unsicher-vermeidende 190 zwischenmenschliche 189 Bindungserfahrung 190 Bindungsfähigkeit 43 Bindungsperson, verlässliche 267, 277 Biografie berufliche 130 eigene 268 Blähung 247 Blickwinkel 166, 285 Blockade 45 Blutdruck 101, 165 Bluthochdruck 70, 72 Body Scan 168, 271–272 Botenstoff 180 Botschaft Seiten einer 158 Brainstorming 150 Brustkrebs 91 Burn-out 57, 136, 142, 163, 165, 168, 174, 181, 241, 247, 249–250 Warnzeichen 241 Burn-out-Prävention 57

C Chronobiologie 137, 243 Coach 140

Coaching 139, 156 Coping 29, 105 Coping-Mechanismus 106 Coping-Strategie 105–106

D Dankbarkeit 171 Dauerstress 52, 56–57, 163, 165, 246, 249 Defizit 45 Defizitbedürfnis 154 Delegieren 137–139 Denken 50 analytisches 86–87 assoziatives 229 intuitives 86 langsames 86–87 schnelles 86 Depression 33, 72, 89, 142, 181, 217, 247, 249 Diagnoseklassifikationssystem, internationales 57 Diskussionskultur 148–149 Distanz, innere 118 Drogenabhängigkeit 106 Drogenkonsum 89 Druck 72, 90 innerer 32, 117 Dunedin-Studie 180 Durchfall 247 Dysstress 53, 69

E Effizienz 29, 83, 136

Egoismus 256–257 Egomanie 209 Ehrgeiz 133 Eigenschaft, negative 139 Eigenverantwortung 37–38 Einfühlungsvermögen 110, 272 Einsicht 119 Einstellung eigene 209 innere 67–69, 92, 136 positive 49 Einzelkind 192 Einzigartigkeit 286 Eltern 34, 42–44 Emotion, Umgang mit 182–183 Empathie 110, 182 Energie 228, 238 Energiereserve 165 Entfaltung 154 Entlastungsfaktor 175 Entscheidung 214 bewusste 76 Entscheidungsbereitschaft 273 Entscheidungsprozess 98, 105 Entschleunigung 170 Entspannung 101, 121, 160, 165, 172–173, 175, 242, 246, 275 Entspannungsübung am Arbeitsplatz 172 Enttäuschung 291 Entwicklung 232 unerwartete 162 Entwicklungsmöglichkeit, berufliche 152

Entwicklungsphase 191 Entwicklungspsychologie 194 Epigenetik 186, 265 Erbfaktor 187 Erfahrung, neue 229 Erfolg buchen 97 feiern 153 im Beruf 128 Erfolgserlebnis 192 Erfolgsorientierung 147 Erfolgstagebuch 132 Erholung 175 Erholungsphase 137 Erinnerung 222 Erkrankung, seelische 181 Erschöpfung 241, 249 chronische 249 Erschöpfungszustand 57 Erstgeborener 43 Erwartung 213 überhöhte 84 Erziehung 183, 194–195, 205 resilienzfördernde 189, 266, 291 Erziehungskonzept 201 Erziehungsmethode 201 Erziehungsverantwortung 192, 201 Essstörung 165, 247 Eustress 53, 69 Existenzbedürfnis 154 Extraversion 62

extravertiert 106 Eye Movement Desensitization and Reprocessing 123

F Facharzt 121–122 Fähigkeit 31, 38–39, 52, 210, 217, 277, 285–286 eigene 50 Faktor genetischer 28 psychologischer 28 sozialer 28 Familie 43 Familienstruktur 277 Familiensystem 198 Fantasie 228 Feedback 47, 134, 219, 285–286 einholen 131 Feedforward 218 Fehlentscheidung 214, 273 Fehler 214, 285 Fehler der Vergangenheit 49 Fehlertoleranz 286 Fertigkeit 31, 52, 285 Festhalten 32 Flashback 71, 122–123 Fleck, blinder 47, 64, 130 Flexibilität 237 im Beruf 127 Flow 102–103 Folgeschaden 220 Fortschritt 284

Freizeit 175 Fremdbild 46, 62, 64 Fremdeinschätzung 211 Frühaufsteher 137, 243 Frühberentung 136 Frühwarnsystem 157–158 Frustrationstoleranz 131–132 Fühlen 50 Führungskraft 152, 155–156 Führungsposition 171 Führungsqualifikation 156 Führungsstil, situativer 155 Fünf-Faktoren-Modell 61–62, 196 Fusion 128

G Galtür, Lawinenunglück 146 Gebet 287 Gedächtnis 47–48, 222 Gedanke positiver 253 Gedanken 123 Macht der 88 Gedankenkette 253 Gedankenspirale 70, 270 negative 82, 87 Gedankenwelt 253 Geduld 86, 286 Gefühl 67, 123, 182–183, 191, 197, 213, 233, 238, 248, 268 negatives 257 positives 252

Gefühlsbewältigung 275 Gefühlskälte 183 Gefühlsleben 213 Gefühlsmanagement 248, 267 Geheimnis 47 Gelassenheit 32, 72, 74–75, 113, 160, 163, 165, 167, 170, 216, 218, 223, 270 Gelassenheitstraining 72 Gelassenheitsübung 164 Geltungsdrang 209 Gemütszustand 113 ruhiger 162 Gen 265 Genetik 197 Gestaltungswille 285 Gesundheit 32, 56, 128, 142, 163, 173, 219 Gesundheitsförderung 57, 244, 271 Gesundheitspflege 221 Gesundheitsprävention, betriebliche 244 Gewerkschaft 142 Gewissen 230–231 Gewohnheit 225 Glaube 51 an sich selbst 217–218, 239 Glaubenssatz 52, 67, 69, 72, 83 Gleitzeit 137, 140 Glück 113, 252 Glücksempfinden 113 Glücksforschung 113 Glücksgefühl 113 Glückshormon 41, 180–181 Glücksmoment 253

Glückszettel 253 Grenze durchbrechen 218 eigene 31, 254 erweitern 209 persönliche 41 Grenzsituation 251 Grübeln 216 Grundeinstellung 31 Grundhaltung akzeptierend 55 depressiv 52 optimistisch 51–52 pessimistisch 51 realistisch 51–52 Grundschule 193, 202 Grundstimmung, positive 80

H Haltung akzeptierende 143 innere 69, 103, 252, 257 optimistische 130 zuversichtliche 135 Handeln 50 eigenes 98 Handlungsalternative 55, 96, 248 Handlungsbereitschaft 93, 96, 99, 104, 291 Handlungsfähigkeit 49, 55, 97, 99, 115, 130, 165, 201, 256, 278 Übung 76 Handlungsmöglichkeit 31–32, 69, 106, 119, 121, 165

Handlungsorientierung 285 Handlungsrepertoire 119 Handlungsstrategie 118–119, 121 Harmoniebedarf 141 Hausarzt 121–122 Helfer äußerer 260 innerer 259–260 Helfer, innerer 97, 99 Herausforderung 37, 98 Herzfrequenz 165 Herzinfarkt 70 Herz-Kreislauf-Erkrankung 70, 89 Herzschlag 101 Hilfe 31, 41, 44 annehmen 215, 217–218 professionelle 121 Hilfeleistung 106 Hilfeplan 217 Hilflosigkeit 31–32 Hilflosigkeitskreislauf 53 Hobby 91 Höchstleistung 242, 286 Hoffnung 213 Humor 40, 64, 219, 223

I ICD-10. siehe Diagnoseklassifikationssystem Identifikationslernen 194 Imaginationsübung 162 Imitationslernen 66, 194

Immunsystem 33, 165, 246 Impuls innerer 255 Impulsdurchbruch 183 Impulskontrolle 133 Individualität 118 Inflation 251 Inner Circle 108 Insolvenz 128 Intelligenz 42, 189 Interpretation 238 introvertiert 106 Intuition 273–274 Ist-Situation 218, 228

J Johari-Fenster 47, 64

K Kämpfernatur 196, 205, 268 Kampf-oder-Flucht-Programm 29, 52, 72, 164, 242, 248 Katastrophe 33, 55, 65, 66, 74, 80, 114–115, 116, 142, 162, 179, 219, 238, 242, 266, 269, 289 kommende 45 Katastrophenplan 157 Katastrophenverarbeitung 162 Kauai-Studie 56, 112, 189, 198 Kernkompetenzbereich 133–134 Kim-Spiel 280 Kind 34, 42–44 Übungen mit 277

Kindererziehung 265 Kindergarten 192, 201 Kindertagesstätte 192, 201 Kindheit 36, 267 Klinik, psychiatrische 121 Komfortzone 96, 97, 225–233, 238 erweitern 96 Komfortzonenbewahrer 227 Kommunikation 64, 146, 150, 158, 182 berufliche 147, 159 Grundregel 182 innerbetriebliche 147 resilienzfördernde 147 Kommunikationsfähigkeit 182, 193, 274 Kommunikationskultur 147–148 Kommunikationsstil 147 Kompetenz 43, 210 soziale 182 Kompetenzkreislauf 53 Komplexitätsreduktion 157 Kompliment 238 Kompromiss 236–238, 258 fauler 76, 256 Kompromissbereitschaft 113 Konditionierung 194 Konferenz, innere 98 Konflikt 43, 64, 222, 237–238, 272 Konfliktkommunikation 160 Konfliktpartei 236 Konsequenz, negative 219 Konzentration 103, 168

Konzentrationsstörung 247 Kopfkino 275–276, 290 Kopfschmerz 247 Körpergedächtnis 47–48 Körpergefühl 88 Körperkontakt 201 Körpersignal 271 Körperwahrnehmung 168 Kortison 72 Kostenerstattungsverfahren 122 Kraft 38 innere 88, 215, 218, 241 sammeln 242–243 Kraftquelle 99 Kraftreserve 254 Krankenkasse 122 Krankheit 136, 219 chronische 219 Kränkung 128, 233–236, 238 im Beruf 142 Umgang mit 233 Kreativität 68, 119, 225, 272 Krieg 251 Krise 29, 30, 32, 33, 37, 39, 41, 44, 49, 52, 55, 61, 65, 66, 67, 68, 74, 79, 89, 91, 104, 106, 113, 114–115, 116, 117, 121, 128, 142, 179, 215, 216, 219, 238, 242, 250, 267, 269, 283, 284, 287, 289, 291 im Alltag 81–82 im Beruf 140 überwundene 284 unerwartete 152 Krisenbehandlung, stationäre 121 Krisenbewältigung 44, 97, 105, 161

Krisenfestigkeit 190, 209, 237, 265, 271, 277, 283 Krisenintervention 121 Krisenmanagement 55, 69, 88, 106, 204 Krisensituation 117, 196, 268 Krisenszenarium 157 Krisentagebuch 118, 269 Krisenzeit 119 Kritik 234 Kurzentspannungsübung 102

L Lachyoga 41 Lebensbereich 228–229 Lebenseinstellung, gelassene 71, 163 Leben, selbstbestimmtes 85 Lebensereignis kritisches 72 Lebenserwartung 33 statistische 56 Lebensfreude 75, 87–88 Lebenskompetenz 183 Lebenskrise 113, 181 Lebensmission 212 Lebenspartner 221 Lebensstil, gesunder 90 Lebensumstand, belastender 27 Lebenszufriedenheit 112 Leistung 101, 175 Leistungsanreiz 267 Leistungsbereitschaft 83, 127, 155, 185, 202, 246 Leistungsfähigkeit 36, 102, 246

Leitbild 156 Lernchance 214, 250 Lernen am Modell 194, 197 durch Einsicht 194 durch Verstärkung 194 kognitives 194 Lernen am Modell 66 Lernprozess 66 Lichtblick 273 Liebe 287 Lob 171, 182, 199, 205 Löffelliste 239 Loslassen 32, 61, 71–72 Lösung 55, 225, 236–239 nachhaltige 151 Lösungsdiskussion 150 Lösungsidee 150 Lösungsmöglichkeit 76, 115, 150, 157, 165 Lösungsorientierung 32, 37, 49, 54–55, 93, 104, 117, 130, 165, 256, 279, 285 Übung 76 Lösungsstrategie 45, 49, 54–55, 106 Lösungssuche 54, 117, 150 Lösungstrance 104, 150, 274 Lösungsvorschlag 151 Lösungsweg 37, 55, 104, 150, 160 Luxus im Alltag 239

M Magenschmerz 247 Marcuse, Ludwig 252

Marshmallow-Studie 132 Medikamentenabhängigkeit 106 Meditation 51, 245 Meilensteine 283 Mind Map 94, 96 Mind Mapping 94, 228 Computerprogramme 94 Minderwertigkeitskomplex 209 Mindfulness-Based Stress Reduction 168 Misserfolg 27, 44, 116 im Beruf 128, 142 Missgeschick 44 Missverständnis 64, 158, 159–160, 222 Mitarbeiterführung 156 Mittagsschlaf 137 Mitte finden, Übung 58 Mobbing 142 Mobilität im Beruf 127 Modelllernen 182, 267 Montessori-Pädagogik 43 Moralempfinden 193 Motivation 153 extrinsische 133 intrinsische 133 Muskelentspannung, Progressive 172 Muskelrelaxation, Progressive 172

N Nachahmung 119 Nachteule 137, 243 Neinsagen 140–141

Nervensystem, vegetatives 101 Nervosität 247 Netz, soziales 35 Netzwerk 68–69, 108–109, 113, 117, 185, 215, 218, 235–236, 238, 243, 266–267, 274, 277, 283, 287, 290 berufliches 130, 134 betriebliches 151 eigenes 80 soziales 51, 58 Netzwerkpflege 32, 49, 51, 55, 93, 108, 110, 137, 171, 201, 235, 257, 272, 274, 277, 279 Übung 76 im Beruf 138 Neurotizismus 62 Neurotransmitter 181 Neustart 210 Niederlage 91, 116–117 Norm 231 Notfallplan 107 Notsituation 115

O Offenheit 168 Opferrolle 55 Optimismus 49, 55, 97, 112, 116, 165, 167, 200, 212, 221, 223, 239, 273, 277, 287 Übung 75 Optimist 33, 92, 167 Ordinary Magic 49

P Pandemie 251

Parentifizierung 205 Passivität 117 Patientenverfügung 221 Pause 90, 99, 102, 121, 171, 172, 174, 215, 241, 242–243, 244, 246, 291 im Beruf 136–137 Pausengestaltung 244 im Beruf 174 Pep Talk 70 Personalführung 156 Personalrat 142 Persönlichkeit 50, 61–62, 64, 196 Big Five 61–62, 65 Persönlichkeitsanteil 47, 50, 64, 97–98, 131, 213 Persönlichkeitsbildung 205 Persönlichkeitsentwicklung 66, 113, 185, 189–193, 197, 199, 211, 262 Persönlichkeitsfaktor 196 Persönlichkeitsforschung 61 Persönlichkeitsmerkmal 47, 62, 65, 196, 268 Persönlichkeitspsychologie 196 Persönlichkeitsstruktur 209, 241, 251 Persönlichkeitstest 63 Perspektivwechsel 167–168, 259, 272, 281, 285–286 Pessimist 33, 92, 167 Präventionsprogramm 183 Priorität eigene 91 von Aufgaben 138 Privatleben 218 Problem 54 Problembewältigung 54–55 Problemlösefähigkeit 184, 200, 209, 274, 291

Problemlösestrategie 269 Problemlösetechnik 106, 267 Problemlösung 49, 55, 198, 210–211, 274 Problemorientierung 32 Problemtrance 73, 81, 104, 149, 274 Produktivitätsanspruch 128 Prophezeiung, selbsterfüllende 165, 285 Psychoanalyse 47 Psychoedukation 122 Psychohygiene 71 Psychologe 121 Psychotherapeut 122 Psychotherapie 213, 249 Rechtsanspruch auf 122 Psychotherapieplatz 122 ambulanter 122 Psychotherapieverfahren 122 Pubertät 193, 195, 202

Q Querdenken 225

R Rahmenbedingung berufliche 136 gesellschaftliche 85 Ratlosigkeit 32 Reaktionsweise, suboptimale 139 Realist 33 Realitätsinterpretation 281 Reflexion 266

Reframing 165–166 Regeneration 87, 100, 136, 269 Regenerationsmöglichkeit 291 Regenerationsprozess 165 Regung, innere 248 Reserven, eigene 241 Resilienz 61–62, 79, 87–88, 91 als Kontinuum 45 Schlüsselfaktor 34 sieben Säulen 30, 49, 51, 55, 65, 75, 80, 92–93, 108, 111–112, 116, 119, 128, 135, 146, 152, 165, 175, 198, 200, 212, 219–220, 235, 239, 249, 267 üben 61, 66, 68 Übungsplan 61 Resilienzentwicklung 180, 198 Resilienzerziehung 190, 267 Resilienzfaktor 58, 65, 115–117, 119, 137, 181, 193, 196, 199, 215, 283, 285 angeborener 268 im Beruf 128 Resilienzförderung 145, 149, 271 Resilienzforschung 27, 29, 36, 49, 71, 146, 157, 186 Resilienzkapital 129 Resilienzkonzept 30 Resilienzstudie 43, 180, 290 Resilienztagebuch 267, 271 Resilienztauglichkeit 130 Resilienztheorie, mechanistische 28 Resilienztipp 289 Resilienztraining 30, 48, 58, 61, 67, 75, 88, 91, 143, 197, 266–267, 283 im Beruf 128, 134

Resilienzübung 119, 198, 203, 271 Das Leben ist schön 279 Das Schlimmste ist gar nicht so schlimm 278 Der erste Schritt 279 Die kleinen Dinge 280 Ich bin mutig und neugierig 280 Ich bin nicht allein 279 Jeden Tag eine gute Tat 278 Sicherer Ort 277 Was die anderen denken 281 Was ich kann 278 Resilienzübungstagebuch 75 Respekt 256 Ressource 33, 37, 40, 45, 69, 181, 199, 203, 285 eigene 53, 74, 79, 212, 215, 251, 256, 266, 269 innere 50, 90 Rheinisches Grundgesetz 115 Risiko 97 Risikobereitschaft 225 Risikofaktor 179, 185–186 robust yet fragile 151 Rollenmodell 185 Rollenvorbild 182, 197, 267 Routine 225 im Berufsleben 166 Rückblick 209, 287 Rückenschmerz 247 Rückschau 284 Rückschlag 91, 212, 285, 291 Rückzug 65, 89 sozialer 233

Ruhe 65 innere 79, 165 Ruhepause 99 Ruhezeit 286

S Sachebene 159–160 Satir, Virginia 166 Sauerstoffversorgung 165 Säuglingsentwicklung 201 Schaden, genetischer 187 Scheidung 72, 268 Scheitern 29, 31, 72–73, 166, 268 persönliches 118 üben 72–73 Schere im Kopf 230 Schicksal 286 Schicksalsschlag 27, 32, 89, 111, 116, 197 Schlaf 219, 241 Schlafstörung 89, 91, 165, 247 Schlaganfall 70 Schmerz 165, 270 Schockstarre 117 Schuldgefühl 31 Schuldzuweisung 32, 67 Schutz 31

Schutzfaktor 40, 57, 71, 74, 179, 186, 189, 199 erblicher 181, 265 familiärer 180 genetischer 266 individueller 181, 266 sozialer 184–185, 266 umweltbedingter 181, 266 Schwäche 31, 45, 286 eigene 129, 139–140 Schwarmintelligenz 139 Selbstanalyse 129–130, 133–134, 139, 142 Selbstaufmerksamkeit 210 Selbstausbeutung 127, 216 Selbstbeobachtung 211 Selbstbewusstsein 194 Selbstbild 46, 48, 62, 64, 69 positives 286 Selbstdisziplin 261, 284 Selbsteinschätzung 210–211 Selbsterkenntnis 45–46, 64, 67, 229 Selbstfürsorge 127, 221, 251, 254–259, 261, 267, 277 Selbstgespräch 70 Selbsthilfe 44 Selbsthilfegruppe 121 Selbstmitleid 89 Selbstreflexion 33, 38, 50, 130 Selbstsicherheit 62 Selbststeuerung 65, 183 Selbstsuggestion 162, 235, 270, 275, 280, 287 positive 216 Selbstüberschätzung 209

Selbstunterschätzung 209 Selbstvergessenheit 102 Selbstvertrauen 43, 63, 74, 96, 200, 280 Selbstverwirklichung 154 Selbstwahrnehmung 63, 65, 69, 90, 183, 191, 271 Selbstwert 85, 256 Selbstwertgefühl 34, 42–43, 63, 87, 189, 194 Selbstwertproblem 209 Selbstwirksamkeit 38, 50, 68, 180, 210–211, 217, 277 Selbstwirksamkeitserfahrung 28 Selbstwirksamkeitserleben 194 Selbstwirksamkeitserwartung 42–43, 53, 67–68, 87, 96, 106, 132, 165, 184–185, 189, 193, 197–198, 200, 210, 219, 239, 267 Selbstwirksamkeitsüberzeugung 50 Serotonin 180–181 Sicherheit 43 Sicherheitsbedürfnis 154 Sinn des Lebens 38, 51 Sinnesorgan 48 Sinnfrage 38 Situationsbewertung 53 Situation, unvorhergesehene 161 Social Readjustment Rating Scale 73 Sodbrennen 247 Soll-Situation 218, 228 Sozialbedürfnis 154 Sozialpsychiatrie 217 Spiegelneuron 103 Spiritualität 51 Stabilisierung, nach Trauma 122 Stabilität, psychische 128

Stärke 34, 285–286 eigene 93, 94, 96, 129, 133–134, 135, 139 innere 27, 36, 43, 45, 52, 61, 65, 79–80, 85–86, 91, 99 Stärkenprofil 286 Stehaufmännchen 29, 33 Stellenabbau 128 Stille 275 Stimme innere 255 Stimme, innere 50, 244, 273 Stimmungsschwankung 165, 247 Stolz 34 Störgefühl 255 Strafe 182 Streit 43 Stress 29, 33, 52, 53, 54, 56, 69, 72, 80, 118, 163, 164–166, 169, 172, 175, 186, 196, 241, 242, 247, 248, 249, 265 beruflicher 164 Bewältigungsmöglichkeit 53 Dysstress 29 Eustress 29 im Kindesalter 186 negativer 53, 69 positiver 53, 69 Stressabbau 56 Stressbewältigung 80, 247, 275 Stressbewältigungsfähigkeit 245 Stressbewältigungsprogramm 72 Stressentstehung 53 Stressfaktor 69, 79–81, 175 Stresshormon 56, 72, 164–165, 172

Stresshormonkreislauf 199 Stresshormonspiegel 165, 246 Stresshormonspirale 57, 72, 186, 242 Stresskompetenz 69–70 Stressmodell 53, 80 Stressniveau 87 Stressor 68–69, 80, 250 Stressreaktion 52, 242 körperliche 242 Stressreduktion, Achtsamkeitsbasierte 168 Stressresistenz 137, 160 Stresssituation 70, 84, 106–107, 164, 250 Stresssymptom 247 Stressverarbeitung 57, 163, 199, 249 Sucht 133 Suchtmittel 117 Suizidgedanke 121

T Tagesablauf 243 Tatendrang 277 Team inneres 50, 97–98 resilientes 139 Teamarbeit 139 Teamerfahrung 155 Teilziel 55 Temperament, positives 265 Terroropfer 199 Tiefenpsychologie 122 Totstellreflex 31

Training 156 Trance 104 Trancephänomen 104 Transparenz 151, 155 Traum 213–214, 218 Trauma 71, 89, 122–123, 181, 187, 266 Umgang mit 187 Traumaambulanz 71 Traumafolge 187 Traumafolgestörung 122 Traumaforschung 71 Traumarbeit 213 Traumatherapie 71, 89 Traumatherapieverfahren 123 Traumatherapiezentrum 71 Traumerinnerung 214 Trauminhalt 214

U Überbehütung 44 Überblick 150–151 Überforderung 246 Über-Ich 230 Überlebensvorteil 29 Uhr, innere 137, 243 Umdeutung 164–166 Umfeld berufliches 131, 147, 150 privates 147 soziales 57 Umgänglichkeit 83

Umwelt 197 Umweltbedingung 196 förderliche 268 Umweltfaktor 179–180, 266 Unabhängigkeit 83 Unbewusstes 213 Unbewusstsein 213–214 Ungewissheit 161 Unterbewusstsein 67 Unterernährung 186 Unterforderung 246 Unternehmensleitbild 156 Unternehmensphilosophie 156 Unterstützung 31–32, 37, 41, 44, 52 Unvorhergesehenes 161 Urvertrauen 42, 191, 200

V Veränderung 284 altersbedingte 220 Verantwortung 37–38, 43, 74, 180, 184, 190, 197, 199, 267, 277, 291 eigene 112 Verantwortungsbereitschaft 31, 49, 55, 117, 130, 165, 175, 201, 256, 278 Übung 76 Verantwortungsbewusstsein 285, 291 Verbündeter 218 Verdauung 247 Verdrängung 70–71, 214 Vererbung 179, 181, 187, 196 Verhalten 67 Verhaltensänderung 57

Verhaltensanteil 131 Verhaltensmuster 130–131 Verhaltensrepertoire 117, 119 Verhaltenstherapie 122 Verlässlichkeit 43 Verleugnung 214 Vermeidungsverhalten 67 Vernachlässigung 186 Vernetzung im Unternehmen 152 Verspannung 165, 246 Verständnis 222 Verstärkung negative 182 positive 182 Verstopfung 247 Versuch und Irrtum 119 Versunkenheit 103 Verzweiflung 270 Vision 211–212, 218 Vogelperspektive 76 Vorbild 66 Vorpubertät 193 Vorsatz 262 Vorschule 192 Vorsorgevollmacht 221 Vorstellungskraft 123, 211 vulnerabel 114

W Wachstumsbedürfnis 154 Wachstumsprozess 52

Wandel 284 Weiterentwicklung, persönliche 211 Weltfürsorge 251 Wert 231 eigener 251 innerer 34 Wertschätzung 34, 128, 132, 134, 154, 171, 205, 234, 256 Widerstandsfähigkeit 42–43 Widerstandskraft 27, 29, 65, 85, 87, 90–92, 99, 118 erbliche 28 innere 36, 40, 44, 61, 119, 163–164, 169–170, 174, 209–210, 222, 225, 229, 231, 235, 243, 248, 256, 265–267, 270, 283 seelische 27, 160, 162 Wiedereingliederung, berufliche 218 Willenskraft 83 Wir-Gefühl 150, 154 Wirksamkeit 210 Wirtschaftskrise 251 Wohlbefinden 75, 90, 138 Wohlergehen eigenes 256 Wohlfühlbereich, persönlicher 225 Work-Life-Balance 163, 175 Worst-Case-Szenario 114–115 Wunsch 214 Wunschdenken 209 Wunschvorstellung 213

X X-Events 29

Y Yerkes-Dodson-Gesetz 101

Z Zähneknirschen 247 Zauderer 196, 205, 268 Zellwachstum 165 Ziel 36, 284–285 Zielvorstellung 211 Zufriedenheit 113, 119, 222, 252 Zufriedenheitsstudie 112–113 Zukunftsorientierung 130 Zukunftsperspektive 121 Zukunftsplanung 49, 55, 117, 212, 239, 279 Übung 76 Zuversicht 277, 284, 287

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