Repräsentantenhaftung: Die Organhaftung nach § 31 BGB als allgemeines Prinzip der Haftung von Personenverbänden für ihre Repräsentanten. Ein Beitrag zum System der Verschuldenszurechnung [1 ed.] 9783428444205, 9783428044207


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German Pages 253 Year 1979

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Repräsentantenhaftung: Die Organhaftung nach § 31 BGB als allgemeines Prinzip der Haftung von Personenverbänden für ihre Repräsentanten. Ein Beitrag zum System der Verschuldenszurechnung [1 ed.]
 9783428444205, 9783428044207

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Midzael Martinek / Repräsentantenhaftung

Schriften zum Bürgerli chen Recht Band 53

Repräsentantenhaftung Die Organhaftung nach § 31 BGB als allgemeines Prinzip der Haftung voo Persooeoverhänden für ihre Repräsentanten - Ein Beitrag zum System der Verschuldeoszurechouog -

Von

Dr. Michael Martinek

DUNCKER &

HUMBLOT /

BERLIN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Förderer und Freunde der Freien Universität Berlin e. V.

Alle Rechte vorbehalten

© 1979 Duncker & Humblot, Berlln 41

Gedruckt 1979 bel Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Prlnted in Germany ISBN 3 428 04420 7

Vorwort Die vorliegende Untersuchung hat im Wintersemester 1977/78 dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dis~ sertation vorgelegen. Sie wurde im Juli 1977 abgeschlossen. Literatur und Rechtsprechung sind bis Juni 1977 berücksichtigt. Herrn Prof. Dr. Dieter Reuter bin ich für die Anregung des Themas und der Ernst-Reuter-Gesellschaft, BerHn, für den gewährten Druckkostenzuschuß zu großem Dank verpflichtet. Die Schrift ist meinen Eltern in Dankbarkeit und Verehrung gewidmet. Hamburg, im Frühjahr 1979

Michael Martinek

"Eine Rechtsdogmatik, die den ihr zukommenden Platz zwischen Rechtstheorie, Rechtsphilosophie und Rechtspolitik behaupten will, kann auf Begriff und System nicht verzichten, muß sich freilich der Geschichtlichkeit ihrer Kategorien wie ihres Gegenstandes bewußt bleiben und darf über der sachlogischen Struktur nicht den Wertgehalt des Rechts übersehen." Ludwig Raiser 1

"Dogmatik ist die bindende Übersetzung eines Lebenskonfiiktes und seines ursprünglich durch Erfahrung gewonnenen Wert- und Lösungsschlüssels in ein "technisches" Wissens- und Sprachgebiet, in welchem die Begriffe und Dogmen als scheinbarer Selbstzweck in Wahrheit nur repräsentativ für die Gesamtvereinbarkeit und Folgerichtigkeit der so gefundenen Einzelantworten einstehen und ihre rationale Nachprüfbarkeit und Lehrbarkeit verbürgen." J oset Esser!

"Der Dogmatiker setzt nicht Recht, sondern sucht Recht und findet es." Eike v. SavignyS

In: Wolff / Raiser, Sachenrecht, Vorwort, S. VI. In: Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, S.303. S In: Juristische Dogmatik und Wissenschaftstheorie, S. 106. 1

2

Inhaltsverzeichnis Einleitung: Aufgabe und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

15

Kapitel I

Die Grundlagen des § 31 BGB A. Die der Organhaftung zugrunde liegenden Rechtsgedanken ..... . . . .. 1. Das Gerechtigkeitserfordernis einer positiven Korrelation von Vor-

20 21

teil und Nachteil bei der Vermögensverwaltung ..................

21

2. Der Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung ......................

23

3. § 31 BGB im Streit zwischen Organ- und Vertretertheorie ... . . . ..

25

4. Die Angleichungsfunktion des § 31 BGB bezüglich der normativen Rechtsstellung juristischer und natürJicher Personen . . . . . . . . . . . . .. 32 5. Die Organhaftung als Repräsentationshaftung und Folge soziologischer Gegebenheiten ............................................

35

6. § 31 BGBals Haftungsprin~p rur Verbände mit verselbständdgtem, durch Organe verwalteten Sondervermögen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 39 7. Zusammenfassung: Die Rechtsfähi~keit des Verbandes als die entscheidende Basis des § 31 BGB .................................. 43 B. Das Verhältnis der Organhaftung zu den §§ 831 und 278 BGB sowie zur persönlichen Haftung des Organs .................................. 1. Die Organhaftung im außervertraglichen, insbesondere deliktischen

Bereich

..•.....................................................

44 44

2. Die Organhaftung im vertraglichen und vertragsähnlichen Bereich 46 3. Die Organhaftung als HaftungSIbegründung und als Haftungsausdehnung ...................................................... 48 Kapitel II

Die Organhaftung bei nidtt rechtsfähigen Vereinen und Gesamthandsgesellschaften nach Literatur und Rechtsprechung

50

A. Die Organhaftung des nicht rechtsfähigen Vereins als richterliche Rechtsfortbildung ..................................................

50

1. Der nicht rechtsfähige Verein als Politikum. . . . . . . . . . . .. . . . . . . ...

51

10

Inhaltsverzeichnis 2. § 831 BGB als individualrechtliche und § 31 BGB als sozialrechUiche Norm .......................................................... 53 3. Der Organbegriff beim nicht rechtsfähigen Verein ................

55

4. Die Analogie zu § 31 BOB als Scheinbegrundung für die Organhaftung des ndcht rechtsfähigen Vereins ........................ 58 B. Kritik der analogen Anwendung des § 31 BGB auf die OHG und KG

60

1. Die Organhaftung der Personenhanldelsgesellschaften als richterliches Gewohnheitsrecht ........................................

60

2. Körperschaftliche Struktur und organschaftliche Organisation der Personenhandelsgesellsch'aften .................................. 61 3. Die methodischen Unzulänglich'keiten einer analogen Anwendung des § 31 BOB auf Personenhandelsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . .. 64 C. Die Zurechnung von Geschäftsführer-Verschulden bei der BGB-Gesellschaft

............................................................

67

1. Kritik der eine Organhaftung ablehnenden herrschenden Literatur

und Rechtsprechung ............................................ 617 a) Der geschäftsführende Gesellsch'afterals Ol'lgan der BGB-Gesellschaft ...................................................... 68 b) Die unbilligen Ergebnisse einer Anwendung des § 831 BGB .... 71

2. Kritik der eine analoge Anwendung des § 31 BOB befürwortenden Minderrneinung ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 73 a) Die Organhaftung der BGiB-GeseUschaft als Folge ihrer Teilrechtsfähigkeit (F'abricius) .................................... 73 b) Grundsatz und Norm der Org,anhaftrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 81

82

D. Zusammenfassung Kapitel LU

Die Fortbildung des § 31 BGB zum allgemeinen Haftungsprinzip für das Verbandsredat

84

A. Legitimation und Konstruktion einer Rechtsfortbildung der Organhaftung nach § 31 BGB ................................................

86

1. Die Notwendi!gkeit der Entwicklung eines einheitlichen gesellschaftsrechtlichen Verschu1denS2lUrechnungssystems ..............

86

2. Die allgemein verbandsrechtlichen Komponenten des § 31 BOB und der Personenverband als Ausgangspunkt einer fortgebildeten Organhaftrung .................................................. 91 3. Die Gesamthandsgemeinschaft als Verbandsprinmp ..............

95

Inhaltsverzeichnis

11

4. Die verbandliche Organhaftung als gegenwärUge latente richterliche Rechtsfortbildung .......................................... 104 5. Die neue Formel .................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 107

B. Die Konsequenzen der verbandsrechtlichen Organhaftung für die ge-

seUschaftsrechtlichen Gesamthandsgemeinschaften .................. 100

1. Die organschaftliche Vel'schuldenszurechnuIbg bei der OHG .. . . . . .. 110

a) Der vertragliche Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 110 b) Der deliktische Bereich ...................................... aal F,allgruppe 1: Unerlaubte Handlung eines oder mehrerer geschäftsführuiligsbefugter Gesellschafter einer OHG ........ bb) Fallgruppe 2: Gemeinschaftliche unerlaU'bte Handlung aller OHG-Gesellschafter, die sämtlich GeschäftsführungSibefugnis besitzen .............................................. ce) Fallgruppe 3: Unedaubte Handlung eines nicht geschäftsführungsbefugten weisungsabhängigen Gesellschaftel's einer OHG ....................................................

113 113 114 115

2. Die organschaftliche Verschiuldenszurechnung bei der BOB-Gesellschaft .......................................................... 116 a) Der vertragliche Bereich .................................... aal Doppelverpfiichtungs- und Akzessorietätstheorie .......... bb) Die Gesamthandsschuld .................................. ce) Die Gesamtschuld ........................................ b) Der deliktische Bereich ...................................... aal Fallgruppe 1: Gemeinschaftliche unerlaubte Handlung aller BGB-Gesellschafter, die sämtlich ent~r gemeinsch,aftlich, § 709 I BGB, oder einzeln, § 711 S. 1 ~all 1 BOB, Geschäftsführungsbefugnis haben ......................... . . . . . . . .. bb) Fallgruppe 2: Unerlaubte Handlung eines Einzelgeschäftsführers, § 710 S. 1 Fall 1 BGB, oder mehrerer - ein~ln, § 711 S. 1 Fall 2 BGB, oder gemeinschaftldch, §§ 710 S. 1 Fall 2, 709 I BGB - geschäftsruhrungSlbe~ugter, aber nicht aller Gesellschafter ...................................... ce) Fallgruppe 3: UnerlSlUbte Hand'lung eines nicht geschäftsführungsbefugten weisunlgsunterworfenen Gesellschafters ..

116 116 118 119 121

121

12i3 125

3. Die prozessuale Durchsetzung der Organhaftungsansprüche ...... 126 a) Die Pel'Sonenhandelsgesellschaften ............................ 126 b) Die BGB-Gesellschaft ........................................ 127 C. Die Erweiterung des horizontalen Anwendungsbereiches der fortgebildeten Organhaftung nach § 31 BGB auf Normadressaten außerhalb des GeseUschaftsrechts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130 1. Die Anwendbarkeit des § 3'1 BGB auf die Miterbengemeinschaft .. 130

2. Die Organhaftung bei der ehelichen Gütergemeinschaft .......... 133 3. Die Unanwendlbarkeit des § 31 BGIB auf einzeH~aufmänni1sche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 134

12

Inhaltsverzeichnis 4. Die Unanwendbar'keit des § 31 BOB auf die Fälle der gesetzlichen Vermögensverwaltung ............... ... ........................ 137

D. Zusammenfassung

140 Kapitel IV

Analyse und Kritik der Rechtsprechung und Literatur zur Abgrenzung des eine Organhaftung auslösenden Personenkreises 143 A. Organe und "andere verfassungsmäßig berufene Vertreter" von Verbänden ............................................................ 143

1. Die Willensorgane

.............................................. 143

2. Die ,,-anderen verfassunglSmäßig berufenen Vertreter" (Sonderorgane) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 148 a) Die ursprüngliche methodengerechte Auslegung und ihre unpraktikablen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 148 b) Die "Auslegung" gegen das Gesetz - Topik statt Subsumtion 152 B. Die Haftung für Organisationsverschulden bzw. wegen Organisationsmangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 160

1. Das Haftungsnetz für Groß'betriebe bei ungenügender Organdsation 161

a) Der Mangel in der besonderen ülberwachungsorganisa·t ion im Rahmen des § 831 BOB ... ................................... b) Der Mangel in der al1gemeinen Betriebsorganisation bei Verkehrssicherungspflichten im Rahmen des § 823 I, II BGB ........ cl Der Mangel in der Verbandsorgansiation ..... " ............... aal Der Mangel in der Verbaoosol"gandsation als besonderer Verstoß gegen die allgemeine betriebliche Ol"ganisationspflicht bei Verkehrssicherungspflichten ............. ..... .. bb) Der Mangel in der Verbandsorganisation als ei,genständiger, vom Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht unabhängiger Organisationsmangel .. ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. d) Synopse der in der Rechtsprechung vorkommenden Arten von Organisationsmängeln bei Großbetrieben und ihrer Folgen ....

161 165 168 168 171 174

2. Die Systemwidrigkeit der Haftung wegen eines Mangels in der Verbandsorganisation .............................................. 176 a) Der :IDingriff in die Satzungs autonomie durch Ol"garubestellzwang ...................................................... 176 b) Der Pervertierung der Arugleichungsfunktion des § 31 BOB .... 179 c) Die Organhaftung als F1iktionshaftung und Sanktionshaftung .. 181 d) Von der Zurechnungsnorm zum eigenständigen Haftungstatbestand .. .. .................................................. 182 3. Die bedingte Systemkonformität der Haftung wegen eines Mangels in der Betriebsol"ganisation ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 184

Inhaltsverzeichnis

13

C. Andere Lösungsvorschläge in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 190 1. übernahmeverschulden

190

2. Die analog·e Anwendung des § 31 BGB auf alle leitenden Angestellten von Verbänden .............................................. 191 D. Zusammenfassung

194 Kapitel V

Von der Organhaftung zur Reprisentantenhaftung

196

A. Die analoge Anwendung des § 31 BGB auf nicht verfassungsmäßig

berufene Repräsentanten von Verbänden .......................... 196

1. Die Feststel1ung einer Gesetzeslücke ............................ 196

a) Der Regelungsbereich des § 831 BGB .......................... (1) Die geschichtliche Entwicklung der Gehilrenhaftung ........ (2) Das gesetzgeberische Regelungsmodell des Jahres 1900 und die nachträgliche Veränderung des Regelungssubstrates ...... b) Die verdeckte nachträgliche Regelungslücke .................. c) Die Verdeutlichung des Repräsentationsbegriffs als eine besondere Art der Vertretung ...................................... (1) phänomenologisch / soziologisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) juristisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

197 197 202 206 208 208 210

2. Die Analogiefähigkeit des §31 BGB in seinem vertikalen Anwendungsbereich ....................................... " " ....... 215 a) Der duale Regelungscharakter des § 31 BGB: Organihaftung und Sonderorganhaftung ........................................ 2'16 b) Die Sonderorganhaftung als Repräsentantenhaftung .......... 219 3. Die Ausdehnung der Sonderorg·anhaftung auf nicht vedassungs-

mäßig berufene Repräsentanten von Verbänden per analogiam . . .. 222

4. Die systematisch-dogmatische Einordnung der ver'bandlichen Repräsentantenhaftung des § 31 BGB .............................. 223 B. Die individuelle (nicht-verbandliche) Repräsentantenhaftung als Gesa'mtanalogie ...................................................... 225

1. Die Repräsentantenhaftung des § 2 RHaftpflG .................. 226

2. Die Repräsentantenhaftung im Schiffahrtsrecht (§ 485 HGB, § 3 I BinnSchiffG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 228 3. Repräsentantenhaftung und Wille des Gesetzgebers .............. 230 C. Zusammenfassung

234

Literaturverzeichnis .................................................. 236

Einleitung: Aufgabe und Methode (1) § 31 BGB bestimmt: "Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein an~ derer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen be~ gangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt."

Der Anwendungsbereich dieser systematisch zunächst vereinsrech~ lichen Nonn, deren Rechtsfolge schlagwortartig als "Organhaftung" bezeichnet wird, ist in Literatur und Rechtsprechung seit Inkrafttreten des BGB konturenlos. Die den Diskussionsstand brz.:w. die Entscheidun~ praxis insoweit beherrschenden Unklarheiten konzentrieren sich auf zwei einander überschneidende Problemkreise, die auch - sowohl in ihrer dogmatisch-systematischen Bedeutung für das Gesellschafts-, das Verbands- 1 und das Haftungsrecht, als auch in ihrer praktischen Rele~ vanz für die tägliche Rechtsanwendung - den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden: Erstens stellt sich die Frage nach den für eine Haftungsüberlei tung gemäß oder analog § 31 BGB in Betracht kommenden Nonnadressaten. In concreto: auf welche Personenvereinigungen außer dem rechtsfähigen Verein kann (oder gar: muß) diese Vorschrift unmittelbar oder entsprechend angewandt werden und mit welchen Folgen bezüglich des Haftungsumfanges; läßt sich § 31 BGB im Wege der Auslegung oder Rechtsfortbildung aus seinen systematischen Bezügen lösen und funktionell-praktisch als allgemeines Haftungsprinzip für das Gesellschafts1 Nicht das Recht der Berufs- und Wirtschaftsverbände, der Gewerkschaften, der Arbeitgeberverbände und public interest groups ist mit dem Begriff des Verbandsrechts angesprochen (in diesem Sinne aber G. Teubner, ZGR 1975, 459 ff. m. w. N.). Auch meint dieser Ausdruck nicht das Recht der "kör~ perschaftlich strukturierten" Gesellschaften oder das der juristischen Personen. Vielmehr ist der Verbandsbegriff hier und im folgenden im weiteren Sinne der auf Otto v. Gierke (etwa: die Genossenschaftstheorie, Einleitung, S. 9 f.) zurückgehenden, sogenannten allgemeinen Verbandslehren (Haff, Wieland, Schreiber, Klausing) gebraucht, die in Überwindung der traditionellen Trennung zwischen öffentlichem und privatem Recht alle personenrechtlichen Gemeinschaften "von der losen bürgerlichen Gesellschaft bis hinauf zum Staat und der Staatengesamtheit" als "eine ununterbrochene, durch keine Zäsur zu trennende Stufenfolge" gesellschaftlicher Gebilde, eben als Verbände auffassen (so Wieland, Handelsrecht, Bd. I, 427 f.); vgl. hierzu Rittner, Die werdende juristische Person, 201 ff. und ders., AcP 175 (1975), 464 ff. (465).

16

Einleitung

oder gar das Verbandsrecht verstehen!; kann § 31 BGB etwa eine Haftung der Erbengemeinschaft mit dem Sondervermögen begründen; erlaubt (oder gar: verlangt) der Rechtsgedanke des § 31 BGB eine (entsprechende) Anwendung auf alle Untemehmensträger unabhängig von deren Organisationsform3 oder auf die Fälle der gesetzlichen Vermögensverwaltung4, also der Konkurs- und Zwangsverwaltung, der Nachlaßverwaltung und der Testamentsvollstreckung5 ? Diese Problematik einer Abgrenzung der Normadressaten der Organhaftung, sozusagen der horizontale Anwendungsbereich des § 31 BGB ist Gegenstand der Kapitel 11 und 111. Zweitens geht es um die Frage der Abgrenzung des Personenkreises, für den gehaftet werden soll, also um die Probleme des vertikalen Anwendungsbereichs der Organhaitung, die mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung zum "Organisationsmangel" und auf die Auslegung des Begriffs des "anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreters" in § 31 BGB angedeutet sind. In concreto: für wen haftet bei unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 31 BGB der Normadressat, wer also ist bei den in Betracht kommenden Verbänden "Organ"8 bzw. wer ist so zu behandeln? Hiermit befassen sich die Kapitel IV und V. Vor der Erörterung der Einzelprobleme erscheint es fruchtbar, wenn nicht unerläßlich, in Kapitel I die Rechtsgedanken, auf denen die Vorschrift des § 31 BGB fußt, sowie das Konkurrenzverhältnis zu den §§ 831 und 278 BGB darzustellen. So wenig einerseits - zugegeben - der Wortlaut der Norm den heutigen Bedürfnissen des Rechtspraktikers gerecht zu werden vermag, so wenig befriedigen andererseits den Dogmatiker und Methodiker die vielfältigen, einander widersprechenden, auch in sich widersprüchlichen Bemühungen von Lehre und Rechtsprechung um eine horizontale wie vertikale Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Organhaftung. 2 Diese Frage stellt jüngst Sellert, AcP 175 (1975), 77 ff. (99), er verneint sie (103). Der Titel der vorliegenden Erörterung präjudiziert eine bejahende Antwort. Die Frage klingt auch an bei Wieacker, AcP 147 (1941), 304 ff. (306) und bei Esser, Schuldrecht, AT, § 95 I, 290; bei diesen Autoren differiert die Weite

des Verbandsbegriffs; dazu im einzelnen unten, Kapitel IIl. a Diese Frage stellt Nitschke, NJW 1969, 1737 ff. und bejaht sie, 1742. 4 Diese gegenüber den "Verwalter"-Theorien neutrale Ausdrucksweise folgt dem Vorschlag von Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Vorbem. 86 und 89 von § 164. 5 Bejahend Derpa, Die Zurechnung, insbes. 132 f. 8 Entsprechend der inzwischen eingebürgerten Terminologie wird der Ausdruck "Organ" nicht nur für das gedankliche Zurechnungssubjekt der Rechte und Pflichten (etwa: der Vorstand), sondern auch für die Personen gebraucht, die die abstrakt umschriebenen Rechte und Pflichten wahrzunehmen befugt sind (eigentlich: Organwalter). Im letzteren Sinne versteht sich auch der Begriff der Organhaftung. Zur Begriffsbildung vgl. Westermann, Vertragsfreiheit, 150 f.; H. Wiedemann, WM-Sonderbeilage 4/1975, 15 und Baltzer, Der Beschluß, 29 f.

Einleitung

17

Die im Schnittbereich von Verbands- und Haftungsrecht anzusiedelnde Aufgabe dieser Arbeit ist es, über die Analyse und Kritik jener Theorien und Praktiken in jeweils "eigener Lösung" eine Grenzziehung für den Anwendungsbereich der Organhaftung zu entwickeln, die sowohl nach der Seite der Verbände als den Normadressaten, die nach § 31 BGB haften sollen, als auch nach der Seite der den Schaden verursachenden Personen, für die nach § 31 BGB gehaftet werden soll, dogmatisch fundiert und praktikabel ist7 • {2} Jede mit wissenschaftlichem Anspruch auftretende Aussage verlangt, um dem wissenschaftstheoretischen Postulat intersubjektiver überprüfbarkeit aufgestellter Sätze zu genügen, eine vorherige Darlegung der Methode, die die zu ihr führende Untersuchung geleitet hat und die anderen den adäquaten Maßstab zur Kontrolle ihrer Ergebnis-Richtigkeit an die Hand gibt8. Weil sich die ins Auge gefaßte Aufgabe mit der traditionellen Bestimmung der Rechtsdogmatik deckt, Normen des geltenden Rechts in ihrem Zusammenhang zu entwickeln, sie zu erklären und zu verstehenD, liegt insoweit der Rückgriff auf den Fundus der auf diese dogmatische Zielsetzung abgestimmten und in ihrer Eignung anerkannten rechtswissenschaftlichen Methoden nahe, innerhalb welcher das Thema wegen seiner dogmengeschichtlichen Implikationen ein betont historisches Normverständnis erzwingt. Diese Legitimationsbasis mag heute aus wissenschaftstheoretischer Sicht wanken10, eine vergleichbar konsensgetragene Alternative zu solcher Arbeit am juristischen Instrumentarium mit dem juristischen Instrumentarium l l ist für eine "praktische Jurisprudenz"1! nicht in Sicht, die den Regelungssinn der Normen an die sich ständig ändernden Wirklichkeiten im Vorgriff auf eine an ihnen ausgerichtete Rechtsprechung anzupassen und die Ergebnisse als gesetzesabgeleitet noch mit der Autorität des Gesetzes auszustatten bemüht ist13 • Für den Weg der folgenden Untersuchung, die sich in diesem Sinne als dogmatisch versteht und in der wie gewöhnlich Sachfragen von Methodenfragen nicht zu trennen sind14, erscheint das 7 Vgl. das dieser Arbeit vorangestellte Zitat von Esser, oben S. 7, sowie ders., AcP 172 (1972), 97 ff., insbes. 103 ff.; dagegen Larenz, Methodenlehre, 204 ff. S Vgl. Bochenski, Die zeitgenössischen Denkmethoden, 63 ff. 8 Vgl. Coing, Grundzüge der Rechtsphilosophie, 296; Larenz, über die Unentbehrlichkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, 12 f.; Radbruch, Rechtsphilosophie, 209, 220. 10 Vgl. etwa Koschaker, Europa und das römische Recht, 337 f. sowie die bei Larenz, über die Unentbehrlichkeit, Genannten. 11 Esser, Festschrift für L. Raiser, 517 ff. (518). 12 Ballerstedt, Dulckeit als Rechtsdogmatiker, 31 f.; Coing, Grundzüge, 350. 13 Esser, Raiser-Festschrift, 522; Coing, Grundzüge, 337; vgl. dazu und zum Folgenden auch W. B. Schünemann, Grundprobleme, 36 ff. 14 Vgl. Friedrich Müller, Juristische Methodik, 15.

2 Martinek

18

Einleitung

Bekenntnis zu den hermeneutischen und heuristischen Instrumenten der herkömmlichen juristischen Methodenlehre angebracht, denn es geht auch im Spezialfall der Organhaftung neben einer detaillierten kritischen (auch methodisch kritischen) Bestandsaufnahme des Gesetz und Recht Gewordenen um die Entwicklung von das kodifizierte Recht ergänzenden Sätzen, welche in richterlichen Entscheidungsbegründungen in derselben Weise wie Gesetze verwendbar sein15 und mit denen deduktiv vollständige und "richtige" Urteile auch und insbesondere in den Fällen ermöglicht werden sollen, die sich nicht evident als konkret-faktische Exemplifikationen eines abstrakt-normativen Entscheidungsmodells darstellen16 ; es geht neben der Analyse und Kritik der Spruchpraxis und ihrer Literatur-Alternativen (auch dies mit den Mitteln der anerkannten Methodik) um. "Erleichterung des Richteramtes"17 durch Verbindungen von Gesetzestreue und Gerechtigkeitspostulaten18 in Form von methodisch abgeleiteten entscheidung,sanleitenden Sätzen, mit denen man etwas anfangen, nämlich praktikable Lösungen erzielen kann 19. Die Arbeit steht dabei nicht auf dem Boden der soziologischen Jurisprudenz und des sogenannten juristischen Realismus2° - ihr liegt kein empirisch-soziologischer, sondern ein hermeneutisch-normativer Rechtsbegriff zugrunde2 1. Daß der Verfasser, wo der herkömmliche Methodenkanon nicht ausreicht, auf eine zu Unrecht unmodern gewordene phänomenologische Rechtstheorie22 rekurriert23 , kann hier nicht umfassend begründet, sondern nur offengelegt werden. Diese Anleihe sollte als zusätzliche rechts:philosophisch-axiomatische Grundlage der vorliegenden Arbeit zu akzeptieren sein, zumal die juristische Methodenlehre heute keinen abschließenden Kodex von Verfahrensregeln aufstellen kann und wi1l24 • Im übrigen stehen im Vordergrund der Untersuchung keineswegs inventorisch-innovatorische Ambitionen des Verfassers. Statt auf juristischem Entdeckertum liegt der Schwerpunkt der Arbeit zwangsläufig auf 15 Vgl. E. v. Savigny, Juristische Dogmatik und Wissenschaftstheorie, 8 f. 16 Vgl. ebenda, 106. 17 F. C. v. Savigny, Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft, Vorwort zu Bd. I (1815), 14; Heck, Begriffsbildung, 4 ff. 18 Esser, Festschrift für L. Raiser, 522. 10 Vgl. Emge, Philosophie der Rechtswissenschaft, 83. 20 Ralf Dreier, Rechtstheorie Bd. I (1971), 37 ff. (40). !1 Ebenda, 43/44. 22 Vgl. auf die Gedanken von Edmund Husserl (etwa: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, 1928) und von Nicolai Hartmann (etwa: Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis, 1918) aufbauend - Adolf Reinach, Die apriorischen Grundlagen des bürgerlichen Rechts, 1922, sowie die Werke von Gerhard Husserl. Näheres unten, Kapitel V. 23 Insbes. Kapitel VAl c und V B 3. 24 Larenz, Methodenlehre, Vorwort, S. VII und VIII.

Einleitung

19

der Darstellung und Reflexion von Wegen und Ergebnissen fremden Nachdenkens2 5• Vielfach geht es vor allem darum zu analysieren und Ordnung zu schaffen..

15 Zum Wissenschaftler als "Sammler" vgl. Deutsch, Haftungsrecht Bd. I, Vorwort, S. V.

Kapitell Die Grundlagen des § 31 BG B Der dargelegten Zielsetzung entsprechend ist vorrangig der Frage nach der Motivation, Intention und Funktion des § 31 BGB im systematisch-dogmatischen Kontext nachzugehen. Eingangs ist festzustellen, daß § 31 BGB zwar unmittelbar nur auf den rechtsfähigen Verein, nach § 86 BGB aber auch auf privatrechtliche Stiftungenl und nach § 89 I BGB auf die juristischen Personen des öffentlichenRechts2 jeweils " entsprechende "3 Anwendung findet. Wenn die Organhaftung über diese Verweisungsnormen hinaus auch auf sonstige juristische Personen des Privatrechts unumstritten4 angewandt wird, so rechtfertigt sich dies aus der Systematik des Gesetzes selbst, dessen die §§ 21 bis 89 umfassender 2. Titel im 1. Abschnitt des 1. Buches eben "Juristische Personen" lautet. Systematisch gesehen ist § 31 BGB eine für die juristischen Personen normierte VorschriftS. Sie findet jedenfalls, so kann allgemein gesagt werden, auf jede Personenvereinigung oder Organisation Anwendung, die auf Dauer angelegt ist und die als solche, als von der Summe ihrer jeweiligen Mitglieder und Sachwalter ("Organe") unterschiedene Einheit kraft Gesetzes selbst Rechte und Pflichte zu haben, durch Handlungen ihrer Organe eine eigene Wirksamkeit zu entfalten und am Rechtsverkehr teilzunehmen vermagG dies jedenfalls ist gesichert.

1 Auf unselbständige (sog. fiduziarische) Stiftungen ist § 31 BGB freilich nicht anwendbar; vgl. Staudinger / Coing, Rdnr. 5 zu § 31. 2 Soweit sie privatrechtlich handeln; vgl. Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 9 zu § 31 und Staudinger / Coing, Rdnr. 27 zu § 31. 3 Die bloß "entsprechende" Anwendung nach §§ 86 und 89 1 BGB erklärt sich aus dem formalen Gesichtspunkt, daß § 31 BGB im Vereinsrecht steht. Keineswegs darf vorschnell auf seine "Entsprechung" im analogiemethodischen Sinne tatbestandlicher Ähnlichkeit geschlossen werden. , Vgl. statt aller Staudinger / Coing, Rdnr. 1 zu § 31; Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 8 zu § 31; Näheres unten, Kapitel 11. 5 Fabricius, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, 177 ff. (179). e Vgl. Larenz, BGB AT, § 9 I, 107, der sich um eine neutrale Definition der juristischen Person bemüht.

A. Der Organhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanken

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A. Die der Organhaftung zugrunde liegenden Rechtsgedanken 1. Das Gerechtigkeitserfordernis einer positiven Korrelation von Vorteil und Nachteil bei der Vermögensverwaltung

(1) In den Motiven zu § 46 des 1. Entwurfes7 wird zur Begründung der Haftung der juristischen Person für ihren Vorstand darauf hingewiesen, "daß, wenn die Körperschafts durch die Vertretung die Möglichkeit gewinne, im Rechtsverkehr handelnd aufzutreten, ihr auch anges'Onnen werden müsse, die Nachteile zu tragen, welche die künstlich gewährte Vertretung mit sich bringe, 'Ohne daß sie in der Lage sei, Dritte allf den häufig unergiebigen Weg der Belangung des Vertreters zu verweisen." Dieser Billigkeitstopos als Rückgrat des § 31 BGB begegnet in sehr allgemein gehaltenen Wendungen im Schrifttum. Nach v. Tuhr haftet die juristische Person für ihre Organe, "weil es billig und gerecht erscheint, daß eine Vermögensmasse, welche die Vorteile einer Verwaltung genießt, auch den durch die Verwaltung angerichteten Schaden tragen son 9 ". Die Haftung eines Vermögens für Schädigungen Dritter durch dessen Verwaltung entspreche "dem heutigen Billigkeitsgefühl"lO, sei - S'O Hans Schurnann - "Ausfluß der ausgleichenden Gerechtigkeit"l1. In ähnlichen Formulierungen wird auf diesen Gedanken in der älteren12 wie neueren13 Literatur keineswegs nur hilfsweise rekurriert; als Mot. I, S. 102, 103. Zur Entstehungszeit des BGB waren "die notwendigsten Begriffe des Körperschaftsrechts noch flüssig und sehr bestritten" (Klingmüller, Die Haftung, S. 2). In der Terminologie der Motive sind die Begriffe "Körperschaft" und "juristische Person" synonym gebraucht, vgl. insbes. Mot. I, S. 104, wo beide Termini abwechselnd verwendet werden. Bisweilen scheint der Begriff der Körperschaft als Konkretion der juristischen Person gedacht zu sein, vgl. etwa Mot. I, S. 79. Die heute geläufige Unterscheidung zwischen körperschaftlicher Struktur und rechtlicher Verselbständigung (Rechtsfähigkeit) eines Verbandes wurde damals begrifflich nicht getroffen. 9 v. Tuhr, BGB AT, Bd. 1,464; ähnlich Hans Schumann, Die Haftung, 52 und v. Caemmerer, DJT-Festschrift Bd. II, 49 ff. (117). 10 v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 539. 11 Hans Schumann, Die Haftung, 53. 12 Kuhlenbeck, Von den Pandekten zum BGB, Bd. I, 186 f., 259; Windscheid / Kipp, Pandekten, Bd. I, 272; Co sack, Lehrbuch Bd. I, § 33, 3b; Haff, Institutionen der Persönlichkeitslehre, 277; Korn, Festgabe für R. Wilke, 184; Bolze, Der Begriff der juristischen Person, 144. 13 Staudinger / Coing, Rdnr. 1 zu § 31; Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 1 zu § 31; Erman / H. Westermann, Rdnr. 1 zu § 31; v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 464; Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 ff. (441); ders., JherJahrb. 73, 135 ff. (139); Lehmann / Hübner, BGB AT, 441; Larenz, BGB AT, § 10 II d, 130; v. Lübtow, Studi in memoria di Paolo Koschaker, Vol. 11, 41; Westermann, JuS 1961, 333 ff.; Fabricius, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, 177 ff. (181, 186); Nitschke, NJW 1969, 1737 ff. (1740); Wiedemann, WM-Sonderbeilage 4/1975, 16; Nicknig, Die Haftung, 36, 37; Kornblum, Die Haftung, 44; Beuthien, DB 1975, 72-9 ff. (730). 7

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Kap. I. Die GrundlJagien des § 31 BGB

apodiktisches Gerechtigkeitspostulat - nicht nur als Utilitätsargument - steht die Vorstellung einer positiven Korrelation von Vorteil und Nachteil im Rahmen der Vermögensverwaltung bei juristischen Personen bzw. Körperschaften vielfach im Mittelpunkt. Daß die juristische Person die nachteiligen Folgen von Handlungen der für sie tätigen Einzelmenschen auf sich nehmen muß, wie sie ja auch die Vorteile ihrer rechtmäßigen Handlungen genießt, wird schlechthin als "ein Gebot der Gt!rechtigkeit" an~sehenI4, welches die Haftungsüberleitung nach § 31 BGB rechtsethisch erzwingtl5. Der Gt!rechtigkeitsinhalt dieser Norm und dieses Nutzen-Lasten-Prinzips wurde und wird von niemandem angezweifeWt. "Ubi emolumentum, ibi onus" - dieses materielle Rechtsprinzip l7, gekleidet in die suggestive Formel einer vorrechtlichen Denknotwendigkeitl8, bildet die unangefochtene Basis der Organhaftung nach § 31 BGB. (2) Indes bedarf die Vorteil-Nachteil-Formel, die in solcher Abstraktheit und Generalität sicher zur Begründung des § 31 BGB allein unbefriedigend ist, der Präzisierung. Die Heranziehung Von Digestenstellen wie "ex qua persona quis lucrum capit, eius factum praestare debet"19 oder obskurer lateinischer Rechtsparömien unklarer Provenienz wie "cuius est commodum, eius est periculum"20 oder "qui facit per alium, facit per se" zur Verdeutlichung des Anliegens der Organhaftung befriedigt schon deshalb nicht, weil dieselben Sprüche auch im Zusammenhang mit § 831 BGB genannt werden21 . v. Lübtow, Studi, 41. Vgl. Wiedemann, WM-Sonderbeilage 4/1975,16. 18 Die Regelung fand die volle Billigung der Interessengruppen aus Handel und Industrie, vgl. Prot. I, S. 93; Leonhard, Gutachten VII in Verhandlungen des 23. DJT (1895), Bd. I, 249 ff.; Klingmüller, Die Haftung, 53. Westermann, JuS 1961, 333 ff. (335), hält die Haftungsausdehnung des § 31 BGB für so naheliegend, daß das Ergebnis "wohl auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung geltendes Recht wäre." 17 Vgl. zu diesem Rechtssatz Esser, Grundsatz und Norm, 90, 91. 18 Dies ist Kennzeichen genuin topischer Argumentationstaktik, vgl. Viehweg, Topik und Jurisprudenz, 81 ff.; Diederichsen, NJW 1966, 697 ff.; Esser, Grundsatz und Norm, 112. 18 Dig. 50.17.149. !O Darauf reduziert Binder, Das Problem der juristischen Persönlichkeit, 121, den Rechtsgedanken des § 31 BGB. U Vgl. etwa Fikentscher, Schuldrecht, § 107 I 1 b, 672/673 und Helm, AcP 166 (1966),398 ff. (403). Allerdings weist Otto v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 802 f., auf die in der Frühgeschichte des Rechts wurzelnden "inneren Berührungspunkte" zwischen den "körperschaftlichen Deliktsobligationen" und der Gehilfenhaftung hin. "Denn der Ursprung aller Haftung für fremdes Verschulden liegt in der ehemaligen Einheit des häuslichen Verbandes, den der Hausherr als Träger dieser Einheit nach innen zu beherrschen und nach außen zu vertreten hatte", a.a.O., 802; vgl. dazu auch Klingmüller, Die Haftung, 35. 1(

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A. Der Organhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanken

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Es fragt sich, was genau die spezielle Ausgestaltung des § 31 BGB begründet, was genau die Abweichung von § 831 BGB rechtfertigt. Um die Möglichkeit einer Haftung der juristischen Person für deliktisches Handeln zu schaffen, hätte es doch genügt, das Verhalten der Mitgliederversammlung als repräsentativ für die juristische Person anzusehen, die den Vorstand nach der Regelung des Gesetzes bestellt und abberuft, anweisen und überwachen kann (§§ 27 ff. BGB). Sie wäre Geschäfts'herr i. S. des § 831 BGB und könnte nach dieser Vorschrift für ein Verschulden bei Auswahl und Beaufsichtigung des Vorstandes zur Verantwortung gezogen werden. Jener Billigkeitstopos verschleiert die erklärungsbedürftige differentia specifica zwischen § 31 und § 831 BGB. Auch weil sich der Rekurs auf den "allgemeinen Rechtsgedanken" einer Vorschrift so gern jedem oberflächlichen Argumentieren leiht, ist auf eine nähere Untersuchung dessen, was als Grundsatz, Prinzip oder Leitidee einer Norm herhält, nicht zu verzichten22 •

In dem Bemühen, außer der allzu floskelartigen Begründung, daß, wer den guten Tropfen genieße, auch den bitteren kosten müsse, eine tiefere, nicht topische, sondern systematisch-dogmatisch wie wertungsmäßig überzeugende Erklärung für § 31 BGB in der Literatur zu finden, trifft man auf eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Deutungsansätze. Für deren folgende Betrachtung bleibt aber festzuhalten, daß jener Billigkeitstopos der Nutzen-Lasten-Relation gleichsam als Urgrund für die Organhaftung bei aller Verschiedenheit der Präzisierungsversuche immer wieder genannt wird und als Stifter der coincidentia oppositorum fungiert. 2. Der Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung

(1) Nur in Teilen der älteren Literatur23 erscheint der Aspekt der Gefährdungshaftung als das dominante juristische Prinzip, das einer Haftung der juristischen Person für die schadensersatzpflichtigen Handlungen ihrer Organe zugrunde liegt. Die "Gefahren für Dritte, durch die durch moderne Entwicklungen hervorgerufenen industriellen Unternehmungen", die "meist in der Hand von Aktiengesellschaften und anderen juristischen Personen betrieben werden"24, sollen danach in der Organhaftung ihr Korrelat finden25 • Deutlich wird dies besonders, wenn die "gesetzliche Haftpflicht der juristischen Person" mit der Haftpflicht der Eisenbahnen und Bergwerke bei Unfällen verglichen wird26 • "Die Vgl. auch Esser, Grundsatz und Norm, I. Nachweise bei Klingmüller, Die Haftung, 32 ff. und insbes. Korn, Festgabe für R. Wilke, 177 ff. 2' Klingmüller, Die Haftung, 32. 25 Vgl. auch Merkel, Jur. Enzyklop., § 665 und 673 - 683; Klingmüller, Die Haftung, insbes. 35 und 5I. 26 Deutlich etwa Korn, Festgabe für Wilke, 117 ff. 22

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Kap. I. Die Gnmd:lagen des § 31 BGB

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starken Mächte, welche durch Betätigung ihrer Zwecke andere gefährden, sollen - eben wegen dieser Gefährdung - den Schaden tragen, der durch die Organe anderen entsteht"27. Diese Auffassung wurzelt in jener vor Inkrafttreten des BGB vereinzelt vertretenen Meinung, derzufolge eine "besondere Garantieleistung"28 der juristischen Person für ihre Organe als erforderlich und ausreichend erschien, um eine Haftung des Verbandes zu begründen29 • Nach Förster etwa übernahm die juristische Person, "weil ihre Vertretung durch physische Personen eine notwendige" ist, eine "stillschweigende Garantieleistung" für außerkontraktische Verschuldung ihrer Vertrete:r30. Dem folgten einzelne Entscheidungen der Oberappellationsgerichte3 1 . Nachdem diese Konstruktion aber durch Literatu:r32 und RGRechtsprechung33 gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts als Fiktion verworfen worden war, habe nun der BGB-Gesetzgeber notwendigerweise für juristische Personen die "Gefährdungshaftung des § 31" einführen müssen34• Als freilich schwache Stütze dieser Betrachtungsweise wurde angeführt, daß die 2. Kommission das ursprünglich diskutierte Erfordernis schuldhaften HandeIns des die Schadensersatzverpflichtung begründenden Organs gestrichen hat;36. Aus dieser Sicht stellt sich die "Last" der Gefährdungshaftung des § 31 BGB als "eine Art Tribut, welches das Gesetz den wirtschaftlich Stärkeren zugunsten der Schwächeren auferlegt", da:r3G• Eine Auseinandersetzung über die Natur der juristischen Person zur Erklärung der Zurechnung "hat man nicht nötig"37, denn § 31 BGB normiert eine Haftung ex lege, nicht ex delictos8 . Die Organhaftung erscheint als rein auf dem Gefährdungsprinzip beruhender gesetzlicher Haftungsgrundsatz, der über eine Zurechnung rechtsgeschäftlichen oder deliktischen Verschuldens der Organe an die juristische Person und ihre dogmatische Konstruktion keine Aussage trifft;39. Ebenda, 184. K. F. Gerber, Grundzüge, § 63. 29 Vgl. dazu O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 760 Fn. 2. 30 Förster, Preußisches Privatrecht, Bd. I, § 90, 536. 31 OAG Jena, Seuff Arch Bd. 5 Nr. 174 m. w. N. 32 Vgl. etwa O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 760 ff. 33 RGZ 11, 206 ff. (211) vermißt "jeden Nachweis der Notwendigkeit, eine solche Garantieleistung zu supponieren"; vgl. auch RGZ 15, 121 ff., wo der Gefährdungsgedanke durchschimmert. 34 Korn, Festgabe für Wilke, 184. 35 Ebenda, 184. 36 Ebenda, 184. 37 Ebenda, 184; Prot I, S. 1051. 38 Korn, Festgabe für Wilke, 184. 39 Ebenda, 185. 27

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A. Der Organhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanken

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(2) Heute ist in Rechtsprechung und Literatur, die § 31 BGB im deliktischen Bereich nicht einmal als eigenständigen Haftungstatbestand~ sondern als bloße Haftungsüberleitungs- bzw. (genauer) Haftungsausdehnungsnorm auffassen, zwar nicht mehr expressis ver bis von der Organhaftung als Gefährdungshaftung die Rede. Auch läßt sich sicher sagen, daß dieser Gesichtspunkt früher von jenen nur vereinzelt gebliebenen Stimmen überbetont wurde. Nichtsdestotrotz klingt der Gefährdungsgedanke auch in modernen Interpretationen des § 31 BGB noch an40 - nicht im Sinne einer technischen Gefährdungshaftung, sondern im soziologischen Sinne einer Haftungsausdehnung der von dem Organ begründeten Schadensersatzpflicht auf den Verband, weil dieser seinem Organ erst den Dispositionsbereich und die gefahrerhöhenden Machtmittel, die dem Organ privat nicht zur Verfügung stünden, eingeräumt hat. 3. § 31 BGB im Streit zwischen Organ- und Vertretertheorie

Einen ganz anderen Gesichtspunkt rückt die sogenannte Organtheorie zur Erklärung des § 31 BGB und zur Konkretisierung des Billigkeitstopos der Korrelation von Vorteil und Nachteil bei der Vermögensverwaltung in den Vordergrund. (1) Diese deutschrechtliche Organtheorie hat sich als Gegenpol zur Auffassung des römischen Rechts im vorigen Jahrhundert im Zuge der großen Theoriedebatte41 zum Wesen der juristischen Person entwickelt. In diesem Disput, der inzwischen als abgeschlossen angesehen werden kann42, dessen Ertrag uns jedoch heute für das Verständnis der Rechtsperson wie für die Lösung einzelner verbandsrechtlicher Fragen als nicht sehr reichhaltig erscheinf.41l, bildete das Problem der Deliktsfähigkeit der Verbände den "sichersten Prüfstein deutschrechtlicher und römischrechtlicher Denkweise"". Während in der Zeit vor der Rezeption die Möglichkeit eines Körperschaftsdeliktes in Deutschland noch allgemein anerkannt war45 , besan40 Insbesondere bei der Deutung des § 31 BGB als sog. Repräsentationshaftung; vgl. Westermann, JuS 1961,333 ff. 41 Vgl. zum Streitstand um die Jahrhundertwende die Zusammenfassungen bei Endemann, Lehrbuch Bd. I, 174 Fn. 13 und insbes. Böhlau, Festschrift der Rostocker Juristen-Facultät, 1 ff. 42 Vgl. die übersicht bei Wieacker, Festschrift für E. R. Huber, 339 ff. 43 Vgl. Wiedemann, WM-Sonderbeilage 4/1975, 1 f.; v. Lübtow, Studi in memoria di Paolo Koschaker, Vol. II, 1 und Stampe, Einführung, 176 ff. (179) nennen das Problem der juristischen Person "im Grunde kein juristisches, sondern ein metaphysisches". H So O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 743. 45 Vgl. O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 743, 744, insbes. Fn. 2 und 3 und ders., Genossenschaftsrecht Bd. III, 234 ff., 342 ff., 402 ff. und 491 ff., m. w.

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Kap. 1. Die Grundlagen des § 31 BGB

nen sich im gemeinen Recht die romanistischen Denker auf die Unvereinbarkeit dieser althergebrachten Lehren mit den römischen Quellen und mit der aus ihnen geschöpften Vorstellung vom Wesen der juristischen Person. Nach römisch-rechtlicher Anschauung waren die universitates und corpora46 , wenn auch als personae fictae rechtsfähig47, so doch willens-, handlungs- und damit deliktsunfähig, insofern sie selbst als willensunfähige Wesen ein Unrecht nicht begehen konnten48 • Ebensowenig wie die Begehung einer unerlaubten Handlung durch die juristische Person war die Zurechnung unerlaubter Handlungen ihrer Vertreter an die Körperschaft auf der Grundlage der an die römisch-rechtliche Tradition anknüpfenden Fiktionstheorie denkbar4 D: der selbst willens- und handlungsfähigen persona ficta konnte zwar für den rechtsgeschäftlichen Bereich "wie einem unmündigen Kind ein Vertreter gegeben werden"51J, eine Vertretung im deliktischen Bereich mit der Folge einer Zurechnung unerlaubten Vertreterhandelns an die juristische Person entzog sich jedoch jeder dogmatischen Konstruierbarkeit. Die Ursache hierfür ist, daß sich die Erörterung der Zurechnung fremden Handelns im gemeinen Recht auf das Problem der Anerkennung der UIimittelbaren Stellvertretung konzentrierte 5t, so daß sich eine Identifizierung von Vertretung und Stellvertretung einschlich52 und sich das Dogma entwickelte, eine Vertretung könne es nur im Bereich rechtsge48 Erst das Recht der römischen Kaiserzeit hat den Begriff der juristischen Person in das Privatrecht eingeführt: das öffentliche Zweckvermögen (die res publica) trat in das commercium des Privatrechts ein, vgl. im einzelnen Sohm, Institutionen, 217 - 239, insbes. 224 f. 47 Vgl. D. 46. 1. 22: "universitas personae vice fungitur"; diese FlorentinSteIle vor allem diente F. C. v. Savigny als Beleg für seine Fiktionstheorie; vgl. Klingmüller, Die Haftung, 5 ff. und Kiefner, Festschrift für H. Westermann, 263 ff. 48 Als grundlegend wird insoweit gemeinhin Ulpian zitiert, L. 15 § 1 D. de dolo 4, 3: "quid enim municipes dolo facere possunt?", doch hegt Schnorr v. Carolsfeld, Die Geschichte der juristischen Person, 340, Bedenken dagegen, diese Stelle ohne weiteres in das Recht der privaten Korporationen zu übernehmen. Die gleichfalls häufig zitierte Stelle Ulpian 1 XI. ad ed. D. 4.2. 9.1 hält Schnorr v. Carolsfeld, a.a.O., 338 f., jedenfalls für interpoliert; vgl. auch Endemann, Lehrbuch Bd. I, 297; Fußhöller, Der Organbegriff, 29; Klingmüller, Die Haftung, 3 ff., insbes. 19: "Juristische Personen (können) keine Delikte begehen, weil sie als Nichtmenschen handlungsunfähig sind." (g Vgl. die Nachweise bei O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 604, Fn. 1 und 2. 50 Lehmann I Hübner, BGB AT, 441; vgl. auch § 26 11 S. 1 BGB, wonach der Vereinsvorstand "die Stellung eines gesetzlichen Vertreters" hat; maßgebend waren die Formulierungen von F. C. v. Savigny, System Bd. 11, 282 ff., der von einem "künstlichen Surrogat" der fehlenden Willensfähigkeit der persona ficta durch eine nach dem Bilde der Vormundschaft eingerichtete Vertretung spricht; vgl. dazu o. v. Gierke, a.a.O., 603, 604; Enneccerus I Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 103, S. 617; Lange, BGB AT, 185. 51 Vgl. Ballerstedt, AcP 151 (1950}, 501 ff. (513 ff.); Derpa, Die Zurechnung, 117. 52 Vgl. H. J. Wolff, Theorie der Vertretung, 129 ff.

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schäftlichen Handelns geben53 • Dieses Dogma und die Schlußfolgerung, daß eine Haftung für fremdes deliktische Handeln nur bei eigenem Verschulden in Betracht komme, bestimmte auch die Regelung des BGBM, die etwa die Haftung für den Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB als Haftung für eigenes Verschulden des Geschäftsherrn in eligendo, custodiendo vel instruendo ausgestaltet hatS5• Wenn die Vertreter einer juristischen Person, sei es auch in Ausführung ihnen zustehender Verrichtungen, ein Delikt begingen, war die juristische Person selbst dafür nach dieser auf der Fiktionstheorie basierenden sogenannten Vertretertheorie 58 nicht verantwortlich zu machens7 • Dogmatisch-konstruktiv konnten unerlaubte Handlungen des Vorstandes weder als eigene der juristischen Person begriffen noch über das Institut der Stellvertretung ihr zugerechnet werden. Diese Konsequenzen der Fiktions- bzw. Vertretertheorie in Verbindung mit dem Verschuldensprinzip wurden bald als unerträglich, als "eine Fessel, welcher die Verkehrsbedürfnisse und die Forderung einer gleichmäßigen Verteilung von Recht und Pflicht widerstreiten, empfunden "68. Hier, bei der "Unmöglichkeit des Körperschaftsdeliktes als Axiom der Fiktionstheorie"59 und der Versagung einer Zurechnung des Vertreterhandelns an die Körperschaft durch die Vertretertheorie, setzte die bis heute herrschende Organtheoriel'O an~l1. Auf der Grundlage der deutsch53 Vgl. Staudinger / Coing, Rdnr. 15 zu § 164: "Es gibt keine Vertretung in unerlaubten Handlungen"; Müller-Freienfels, Vertretung, 56 - 59; Derpa, Die Zurechnung, 118 ff.; vgl. insbes. Goldschmidt, ZHR Bd. 16 (1871),285 ff., 369 ff. zur "Vertretung im Delinquieren"; Näheres unten, Kapitel V. 54 Vgl. Esser, Gefährdungshaftung, 50 - 68; die Vorschrift des heutigen § 485 HGB, die eine echte Zurechnung deliktischen Verhaltens darstellt, wurde als grundsatzwidrige Ausnahmebestimmung wegen der "eigentümlichen Verhältnisse des Seeverkehrs" angesehen; vgl. Goldschmidt, ZHR Bd. 16 (1871), 285 ff. (380) und Westermann, JuS 1961, 333 ff., (337, 338); vgl. auch Fußhöller, Der Organbegriff, 27. 55 Wegen des Verschuldensprinzips wurde auch die in den Entwürfen zum ADHGB zunächst vorgesehene Haftung des Prinzipals für unerlaubte Handlungen der Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten sowie die Haftung der OHG für Delikte der Gesellschafter und der AG für Delikte des Vorstandes in dritter Lesung wieder gestrichen; vgl. dazu Derpa, Die Zurechnung, 119 f. m.w.N. 51 Vgl. etwa Hölder, Natürliche und juristische Personen, 59; Leonhard, Schuldrecht, 99 ff., 129; Meuer, Die juristischen Personen, 150 ff.; v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 464; Binder, Das Problem der juristischen Persönlichkeit, 119 f.; H. J. Wolff, Theorie der Vertretung, 220/221. 57 Vgl. die Darstellungen bei Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 103, S. 617 und Lange, BGB AT, 185. 58 So RGZ 15, 121 ff. (125). Die Entscheidung betrifft zwar die Haftung der OHG für ihre Gesellschafter bei unerlaubten Handlungen, hat aber das in den Entwürfen zum ADHGB diskutierte Verschuldensprinzip in toto im Auge, vgl. S. 124; vgl. auch Derpa, Die Zurechnung, 120, 121. 59 O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 745, Fn. 1. 80 Insbes. O. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, 472 f., 518 ff.; ders., Die Ge-

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Kap. 1. Die Grundl>ag/en des § 31 BGB

rechtlichen Betrachtung der juristischen Person als einer realen VerbandspersönlichkeitG2 entwickelte sich in Gegenüberstellung zum römischen Recht die Auffassung, daß die Willensträger der juristischen Person Teile ihrer selbst, nicht Stellvertreter und fremde Personen, sondern ihre Wirkglieder (Organe 63) sind, durch welche die Körperschaft als selbsthandelnd erscheintM. Wenn auch die zur selbständigen Teilnahme am Rechtsverkehr erforderliche Handlungsfähigkeit;(l5 kein naturwissenschaftlicher, sondern ein juristischer Begriff ist, der die Fähigkeit umfaßt, durch Betätigung des Willens eine rechtliche Wirkung herbeizuführen66 , so setzt sie doch die biologisch-psychologische Fähigkeit zum Handeln (die natürliche Handlungsfähigkeit) voraus67, die der juristischen Person nach der Organtheorie aber selbst, im Wege der Identifikation des Organwillens und -handeins mit dem Willen und Handeln der "realen Gesamtperson"68 zukommt;(l9. Die Organtheorie räumt der juristischen Person so Willens- und Handlungsfähigkeit ein, indem sie das VerhaJten der Körperschaftsorgane, jener rechtlich geordneter Vermittler des einheitlichen Gemeinlebens70, als Handlungen der juristinossenschaftstheorie, 603 ff.; Regelsberger, Pandekten Bd. I, 323; Endemann, Lehrbuch Bd. I, 175; Co sack , Lehrbuch Bd. I, § 33; Oertmann, Arch. Bürgerl. Recht Bd. 10 (1895), 187 ff., 192; vgl. auch Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 3, 5 und 6 zu § 26 und Rdnr. 2 zu § 31 m. w. N. zur neueren Literatur; vgl. auch - am Rande der Mystik - Rhomberg, Körperschaftliches Verschulden. 61 Zum Streit zwischen Organ- und Vertretertheorie vgl. Fußhöller, Der Organbegriff, 19 ff. 62 Grundlegend Beseler, Volksrecht und Juristenrecht, 181 ff.; ihm folgend insbes. O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 603 ff.; vgl. auch die Einleitung daselbst, 1-15; die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit klingt heute wieder in einem ethisierenden Verständnis der juristischen Person an; vgl. etwa Rittner, Die werdende juristische Person, 160 ff. und passim, der von "überindividueller Wirkungseinheit" (229) und dem "überindividuellem Zentrum rechtlichen Handeins" (218) spricht; der Begriff der Rechtsperson müsse "wieder mit rechts ethischem Gehalt angefüllt" werden (160); gegen Rittner scharf Rai'sch, Unternehmensrecht Bd. II, 89 ff. 68 Griechisch oPYOCYOY = Werkzeug. 64 Vgl. Lehmann / Hübner, BGB AT, 441; Lange, BGB AT, 185. 65 Das BGB kennt eine Handlungsfähigkeit als kategorialen Begriff nicht. Als juristischer terminus technicus des Zivilrechts bezeichnet die Handlungsfähigkeit einen komplexen Tatbestand, der die Fähigkeit zur Abgabe von Willenserklärungen (Geschäftsfähigkeit, §§ 104 ff. BGB), zur Bewirkung von Rechtshandlungen wie Realakten und geschäftsähnlichen Handlungen (vgl. Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd. § 137 IV 2, S. 865 ff.) und zur Begehung von Delikten (Delikts fähigkeit, §§ 827 ff. BGB) umfaßt. 66 Vgl. Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (502/503). 67 Vgl. Hanke. Rechtsfähigkeit, 56 f.; Bierling, Jur. Prinzipienlehre, Bd. I, 211; Jhering, Geist des röm. Rechts Bd. III, 5; Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 137. 68 O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 603; ders., Preußisches Privatrecht Bd. I, 456 ff., 459 ff. 69 Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., S. 617/618. 70 O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 624 ff.; vgl. auch Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (502 f.).

A. Der Ol'ganhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanken

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schen Person selbst ansieht; das Verschulden des verfassungsmäßig berufenen "Vertreters" ist so eigenes Verschulden der Körperschaft, die juristische Person ist so deliktsfähig71 . Die Identifizierung der juristischen Person mit ihren Repräsentanten äußert sich sprachlich in dem anthropomorphen Begriff "Organ"72 für die mit der Verwaltung betrauten Personen. Im Unterschied zu den "bloßen Vertretern" sind es die Willens organe, in denen die Gesamtheit "ebenso wie der Einzelmensch durch die Glieder seines Leibes" wirkt73 • Mit dieser "Waffe der Organtheorie"74 konnte das zweifelhafte Dogma, daß es nur im rechtsgeschäftlichen Bereich eine Vertretung und nur bei eigenem Verschulden eine Haftung für fremdes deliktisches Handeln gibt, für die juristische Person umgangen werden, die nun selbst deliktsfähig und wie eine natürliche Person aus eigenem Willen verantwortlich war75 . Nach dieser sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ausbreitenden germanistischen Lehre76 konnten im gemeinen Recht und in den Partikularrechten von den Gerichten "Delictsklagen gegen Corporationen"77 ex lege Aquilia zugelassen werden78, was vorher unter dem Einfluß der an der römisch-rechtlichen corpora-Lehre orientierten Vertretertheorie nicht dogmatisch-konstruktiv, sondern allenfalls unter Billigkeitsgesichtspunkten möglich war79 • Die Haftung der juristischen Per71 o. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. I, 5Q8 f., Fn. 66; Soergel / Schultzev. Lasaulx, Rdnr. 6 zu § 31; Enneccerus / Nipperdey, § 103, S. 617 f. und § 110 II Fn. 17; A. Blomeyer, Schuldrecht, § 24 IV; Denecke, JR 1951, 742 ff.; a. A. Landwehr, a.a.O., 504 - 506, der - obschon auf der Grundlage der Organtheorie stehend - die juristische Person zwar für willens- und handlungs-, nicht aber für delikts fähig hält: was außerhalb der Rechtmäßigkeit geschehe, sei nur Handeln der Organperson, nicht solches der Körperschaft. Im Grunde vertritt Landwehr eine durch die ultra vires-Lehre ergänzte Organtheorie. 72 Zum Begriff: Wiedemann, WM~Sonderbeilage 4/1975, 15; H. J. Wolff, Theorie der Vertretung, 1; vgl. auch Fn. 63 und Fn.17. 73 So Oertmann, Arch. Bürgerl. Recht Bd. 10 (1895), 187 ff. (192); vgl. auch Brecher, Festschrift für A. Hueck, 233 ff. (241): "dies biologisierende Bild ist Ausdruck der Hypostasierung und Verabsolutierung der juristischen Person." 74 So v. Tuhr, BGB AT, Band I, 464. 75 Vgl. H. J. Wolff, Theorie der Vertretung, 291 Fn. 5. Es scheint, als wäre die Organtheorie eigens wegen der Haftungsfrage entwickelt worden. Vgl. v. Tuhr, BGB AT, Band I, 463: "Auf die Haftung ... laufen ... alle Darstellungen der Organtheorie hinaus." Nachdem aber inzwischen die Haftung gesetzlich in § 31 BGB normiert sei, "könnte man ... die Waffe der Organtheorie, die ihren Dienst getan hat, mit dankbarem Gefühl an die Wand hängen" (464). 78 Vgl. Endemann, Lehrbuch Bd. I, 297; Regelsberger, Pandekten Bd. I, § 33; selbst Romanisten wie Windscheid, Pandekten, 5. Aufl., § 59 Fn. 9, Dernburg, Pandekten Bd. I, § 66, und Bekker, System Bd. I, § 62, traten schließlich für eine Zulassung von Deliktsklagen gegen juristische Personen auf; vgl. dazu O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 748. 77 Vgl. Curtius, AcP 64 (1881), S. 151 ff. (164). 78 Vgl. Oertmann, Arch. Bürgerl. Recht Bd. 10 (1895), 187 ff. (192). 79 Vgl. Windscheid, Pandekten, § 59, insbes. Fn. 7; vgl. die zahlreichen Nach-

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Kap. 1.

D~e

Grundlagen des § 31 BGB

son für Handlungen ihrer Organe formte sich in der Rechtsprechung allmählich zum Grundsatz ausBO. Nach Inkrafttreten des BGB konnte die Organhaftung nach § 31 BGB von den Anhängern der Organtheorie als Bestätigung ihrer Auffassung von der Natur der juristischen Person begrüßt werden 81 • Die globale Verhaltenszurechnung dieser Vorschrift geht über die Wirkungen gesetzlicher Vertretung hinaus und läßt das "fremde" Verhalten als "eigenes" Verhalten der juristischen Person erscheinen82• Für die Organtheorie stellt sich § 31 BGB als ein "aus dem Wesen der juristischen Person folgender Grundsatz"83 dar, mit dessen Hilfe deliktisches Verhalten (§§ 823 ff. i. V. m. § 31 BGB) wie auch vertragliche Pflichtverletzungen der Organe (etwa § 286 Ii. V. m. § 31 BGB) die Haftung der juristischen Person begründen - dies unabhängig von der Haftung für Verrichtun~ gehilfen (§ 831 BGB) und für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) sowie unbeschadet einer eigenen Einstandspflicht des Organs84 • Nach dieser Betrachtungsweise, der sich die Rechtsprechung angeschlossen hat85 , könnte § 31 BGB in seiner jetzigen Fassung genau genommen als überflüssig angesehen werden: begründet sich die Rechtsgeltung des § 31 BGB mit der Handlungsfähigkeit der juristischen Person, so hätte doch eine Feststellung des Gesetzgebers, daß die Organe der juristischen Person Handlungsfähigkeit verleihen und deren Handeln solches der Körperschaft ist, zur Normierung einer Haftung der juristischen Person für ein scb.adensersatzpflichtiges Verhalten ihrer Orweise bei Curtius, AcP 64 (1881), 151 ff. (164 f.) aus der Rechtsprechung der Oberappellationsgerichte, die aber größtenteils öffentlich-rechtliche Körperschaften betreffen; vgI. ferner die Nachweise bei O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 749 Fn. 1 und 2 (Deliktsklagen ablehnende Urteile wegen fehlender Deliktsfähigkeit der Körperschaften) und demgegenüber S. 790 Fn. 1 und 2 und S. 792 Fn. 2 (Deliktsklagen zulassende Urteile); vgl. auch den Rückblick in Mot. I, 103 m. N. aus der ROHG- und RG-Rechtsprechung. 80 VgI. Entsch. des preußischen Obertribunals Bd. 14, 92; 37, 32; 61, 1; 73, 263; Entsch. des ROHG Bd. 8, 205; 18, 136; Entsch. des RGZ Bd. 8,236; 17, 105; 19, 348, wo ständig von "Willensvertretern" gesprochen wird; 25, 53; 31, 246, insbes. 249; 32, 144; 38, 220; 39, 183 m. w. N. aus der Rechtsprechung unterer Instanzen. 81 VgI. Endemann, Lehrbuch Bd. I, 297; Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr.1 zu § 31; vgI. aber auch ders., a.a.O., Rdnr. 2 zu § 31. 82 Wiedemann, WM-Sonderbeilage 4/1975, 15; Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr, 1 zu § 31. Plastisch Esser, Schuldrecht AT, § 39 VI, S. 2113, wonach die Organhaftung "theoretisch echte Fremdhaftung, praktisch aber Eigenhaftung" ist; ähnlich Esser! Schmidt, Schuldrecht AT, Teilband 2, § 27111, S. 61. 83 Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 103, S. 617, 618; ähnlich Reinhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 360: "In § 31 findet die aus der Organstellung folgende Identität der Handlungen des Vorstandes mit denen des Vereins ihren Ausdruck." 84 VgI. Staudinger / Coing, Rdnr. 1 zu § 31; Näheres unten sub B. 86 RGZ 102, 6; RG JW 1936, 2066; implicite RGZ 152,262 (268); vgI. bes. BGHZ 17, 191 (193).

A. Der Organhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanken

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gane genügt86 • Da die Körperschaft von Natur aus handlungs- und damit deliktsfähig ist, kommt der Vorschrift des § 31 BGB nach der Organtheorie lediglich eine deklaratorische Funktion zu. (2) Es mag zweifelhaft sein, ob man § 31 BGB als Beweis für die Organtheorie und als Widerlegung der Vertretertheorie ansehen kann87 • Es ist zu berücksichtigen, daß zur Entstehungszeit des BGB die Begriffe des Verbandsrechts keineswegs geklärt waren88, daß es den Vätern des BGB fern lag, sich etwa einer der Auffassungen anzuschließen oder durch die Fassung des § 31 BGB eine Entscheidung des Streites zu präjudizieren89 • Zum Problem der Deliktsfähigkeit der juristischen Person nimmt § 31 BGB nicht Stellungeo; das BGB überließ es sogar bewußt der Wissenschaft zu klären, was unter einer juristischen Person zu verstehen ist". Deshalb darf aus der Wendung "oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter"92 in § 31 BGB nicht zugunsten der Vertretertheorie gefolgert werden, daß das Organ nach dem gesetzgeberischen Willen Stellvertreter im technischen Sinne der §§ 164 ff. ist, auch wenn es nach § 26 II BGB die Stellung eines gesetzlichen Vertreters haben soll, dessen "Vertretungsmacht" durch die Satzung mit Außenwirkung beschränkt werden kann, § 26 11 S. 2 BGB. Ebenso unberechtigt ist es, zugunsten der Organtheorie aus der Formulierung "oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter"93, derzufolge also auch der Vorstand "Vertreter" i. S. des § 31 BGB ist, schon allein auf einen "untechnischen" Gebrauch des Vertreterbegriffes schließen zu wollen, weil der Vorstand eben kein echter Vertreter, sondern "Organ" wäre 94 • Der Gesetzeswortlaut bleibt für die Kontroverse unergiebig. Jedenfalls aber läßt sich durch die Organtheorie § 31 BGB in ein einheitliches Bild des Rechts der juristischen Personen einfügen95 . über den Billigkeitstopos der Korrelation von Vorteil und Nachteil bei der Vgl. Landwehr, AcP 164 (1964),482 ff. (504). So aber Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 103, S. 617, 618 und § 110 I, S. 661 sowie auch Endemann, Lehrbuch Bd. I, 297: "Mit dem neuen, gesetzlich bestätigten Haftungsgrundsatz wird die richtige Auffassung von dem Begriff der juristischen Person bestätigt." 88 Vgl. etwa O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 41, 44, 68, 70, 608 und 911 sowie Fn. 8. 89 Vgl. Klingmüller, Die Haftung, 2; in den Motiven zu § 46 E I (Mot. 1,102 f.) tritt die Organtheorie nicht expressis verbis in Erscheinung. Ihre Bedeutung für den Wortlaut des § 31 BGB wird jedenfalls von v. Tuhr, BGB AT, 1. Band, 461 - 464 überschätzt. 00 Klingmüller, Die Haftung, 1, 2; Haff, Institutionen der Persönlichkeitslehre, 277; a. A. Cosack, Lehrbuch Bd. I, § 33, 3 b. 91 Endemann, Lehrbuch Bd. I, 171; Mot. I, 78. '2 Hervorhebung vom Verf. V3 Hervorhebung vom Verf. 94 Eine solche petitio principii demonstriert Lenel, DJZ 1902, 9 ff. (10/11). 95 Vgl. Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 2 zu § 31. 88 87

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Kap. I. Die Grundlagen des § 31 BGB

Vermögensverwaltung hinaus hat diese Theorie für die Organhaftung eine juristische Grundlage zu bieten96 - als Modell, denn daß bei § 31 BGB die Handlung eines anderen Rechtssubjekts zugerechnet wird, kann nicht tatsächlich von der Organtheorie bestritten werden. Es geht materiell wie in den Fällen der Gehilfenhaftung um die Zurechnung fremden Verschuldens. Die Erklärung, daß die juristische Person durch ihre Organe ja selbst handele, ist formal-modellhaft. Diese Kennzeichnung ist unumgänglich angesichts der selbständigen Rechtssubjektivität des Handelnden und des Zurechnungssubjekts sowie angesichts des entsprechenden Nebeneinanders der Rechte und Pflichten und endlich der Notwendigkeit, zuzurechnende Handlungen von anderen derselben Person zu unterscheiden97. 4. Die Angleichungsfunktion des § 31 BGB bezüglich der normativen RedltssteIIung juristischer und natürlicher Personen

Folgt man nicht der Organtheorie und ihrer Deutung der Organhaftung als Resultat der Deliktsfähigkeit der Verbandspersönlichkeit kraft wesensmäßiger Teilidentität von Organ und Verband98 , so bedürfen die auch dogmatisch fremdes Handeln zurechnende Vorschrift des § 31 BGB und der ihr zugrunde liegende Billigkeitstopos weiter der Erklärung. In dieser Verlegenheit befinden sich nicht allein die Anhänger der Vertretertheorie, sondern auch diejenigen Literaturstimmen, die die gegensätzlichen Institutionen der Organschaft und der Stellvertretung in dem Begriff des Handelns für einen anderen glauben harmonisieren zu können99 • (1) Häufig stößt man auf die Formulierung, § 31 BGB sei eine rechtstechnische Vorschrift mit der Funktion, eine Gleichbehandlung der juristischen Person mit der natürlichen bezüglich der Haftung auf Schadensersatz für unerlaubte Handlungen sicherzustellen1oo • Vgl. Lehmann / Hübner, BGB AT, 441. Vgl. Westermann, JuS 1961,333 ff. (334); v. Caemmerer, ZfRV 1973, 241 ff. (260); v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 401 zur Organtheorie: "Sie setzt ein Bild an Stelle der Wirklichkeit"; Schloßmann, JheringsJahrb. 44 (1902), 289 ff. (309) spricht von einem "sacrificium intellectus", welches die Organtheorie ihren Anhängern zumute. 98 Dagegen ausdrücklich Meurer, Die juristische Person, 179; Liszt, Die Deliktsobligationen, 9 ff.; Korn, Festgabe für R. Wilke, 177 ff. (184 ff.); Haff, Institutionen der Persönlichkeitslehre, 277 gegen Cosack, Lehrbuch Bd. I, § 33, 3b. 99 Vgl. etwa Westermann, JuS 19'61, 333 ff. (334); Näheres unten sub 5. 100 Lenel, DJZ 1902, 9 ff.; Korn, Festgabe für R. Wilke, 177 ff. (183); v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 464, 539; Graßhoff, Festschrift für Heinitz I, 124 ff. (143); Denecke, JR 1951, 742 ff.; Ballerstedt, JZ 1951, 486 ff. (492); Westermann, JuS 1961, 333 ff. (335); Erman / H. Westermann, Rdnr. 1, 2 und 5 zu § 31; Wieland, Handelsrecht, Bd. I, 586. Schon vor Inkrafttreten des BGB hat das RG den Gesichtspunkt der Gleichbehandlung obiter zur Begründung der Haftung der juristischen Person herangezogen, vgl. Bolze XV Nr. 418 und XVI Nr. 504; Derpa, Die Zurechnung, 110. 98

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A. Der Ol'ganhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanken

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Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist ein Vergleich der Rechtsstellung der natürlichen Person mit derjenigen der von der Rechtsordnung daneben als Zuordnungssubjekt anerkannten, nun nicht als reale Verbands-, sondern als handlungsunfähige Fiktivperson aufgefaßten juristischen Person101. Die Fähigkeit, im Rechtsverkehr als Zuordnungssubjekt handelnd aufzutreten, steht grundsätzlich nur natürlichen Personen, nicht dagegen jedem Verband oder jeder Vermögensmasse zu. Erst auf Grund der Rechtswohltat der Anerkennung als Rechtssubjekt kann ein Verband (ebenso eine Vermögensmasse) als nunmehr juristische Person durch die Organe, die die Stellung gesetzlicher Vertreter haben (etwa nach § 26 II BGB), wie 102 eine unbeschränkt handlungs- und geschäftsfähige natürliche Person am Rechtsverkehr teilnehmen103. Die unbeschränkt geschäftsfähige natürliche Person aber ist ihrerseits im Grundsatz auch deliktisch voll verantwortlich, weil das BGB in den §§ 104 ff. einerseits und den §§ 827 - 829 andererseits die Geschäftsfähigkeit wie die Deliktsfähigkeit zwar nicht an identische, aber doch parallel ausgestaltete Formen der Einsichtsfähigkeit knüpftl 04 • Wer sich rechtsgeschäftlich voll entfalten kann, besitzt in der RegeP05 auch die zur deliktischen Verantwortlichkeit erforderliche Einsichtsfähigkeit. Somit besteht bei der natürlichen Person auf der Grundlage ihrer Einsichtsfähigkeit eine Konnexität von Geschäfts- und Deliktsfähigkeit. Diese die Rechtsstellung der natürlichen Person kennzeichnende Konnexität von Geschäfts- und Deliktsfähigkeit läßt sich jedoch auf die Rechtsstellung der juristischen Person nicht übertragen, die - verstanden als persona ficta, als bloße "konstruktive Abbreviatur"l06 weder handlungs-- noch schuldfähig ist, so daß Handlung und Verschulden als Zurechnungsgrund für zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen ausscheiden. So wenig wie eine Einsichtsfähigkeit die Grundlage dafür bildet, daß sie im Rechtsverkehr durch ihre gesetzlichen Vertreter handelnd auftritt, so wenig kann eine Einsichtsfähigkeit die Grund101 Vgl. v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 460: "Das Fehlen des eigenen Willens der juristischen Person wird durch eine Summe von Rechtssätzen ersetzt, welche man als Verfassung oder Organisation bezeichnet; durch die Verfassung wird bestimmt, daß der Wille gewisser Menschen, wenn er unter bestimmten Voraussetzungen und in bestimmter Form geäußert ist, als Wille der juristischen Person gilt." 101.! Die juristische Person selbst ist danach, weil nicht handlungsfähig, auch nicht deliktsfähig; vgl. Stein / Jonas / Pohle, Anm. III A 1 zu § 51 m. w. N. und Derpa, Die Zurechnung, 113. 103 Zum folgenden Gedankengang vgl. Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (503) und Derpa, Die Zurechnung, 113. 10' Zu den Einzelheiten vgl. Landwehr, a.a.O., 503 und Derpa, a.a.O., 112 Fn.l- 3. 105 Zu den Abweichungen vgl. Derpa, a.a.O., S. 112, Fn. 4 und 5. 106 H. J. Wolff, Theorie der Vertretung, 280; ihm folgend Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522 ff. (529).

3 Martinek

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Kap. I. Die Grundlagen des § 31 BGB

lage einer deliktischen Verantwortlichkeit der juristischen Person bilden. So wie vielmehr die juristische Person ihre Quasi-Geschäftsfähigkeit durch die Rechtswohltat der Anerkennung als Rechtssubjekt erlangt, so ist ihr zwecks Angleichung ihrer Rechtsstellung an die der natürlichen Person auch durch autoritatives Rechtsgebot107 eine Quasi-Oeliktsfähigkeit zuzuerkennen, denn "deliktische Haftung ist eine - wenn auch nach dem BGB nicht automatische - Konsequenz der schematischen Einordnung unter den Allgemeinbegriff der Rechtsperson"108. (2) Damit rückt man § 31 BGB freilich in die Nähe einer Fiktion108. Da der juristischen Person selbst Einsichtsfähigkeit fehlt, "ist" sie entgegen dem Wortlaut der Vorschrift nicht sensu stricto "verantwortlich" 110, sie wird nur so behandelt. Als künstliches Surrogat der fehlenden Willens-, Handlungs- und Deliktsfähigkeit der persona ficta 111 muß der juristischen Person gleichsam im Wege einer zweiten Fiktion112 nun fremdes Wollen und Handeln "angedichtet"113 werden, damit sie nicht im Ergebnis besser dasteht als das Einzelsubjekt, dessen Vermögen ja auch einerseits durch seine rechtsgeschäftlichen Handlungen vergrößert, andererseits mit Schadensersatzpflichten belastet wird, damit vielmehr bei der juristischen Person eine der Konnexität von GesclJ.äftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit der natürlichen Person analoge Rechtsstellung geschaffen ist. Nur so kann aus der Sicht dieser Deutung des § 31 BGB die wesentliche Funktion des Haftungsrechts zur Verhaltenslenkung durch Haftungsandrohung für den Fall des Fehlverhaltens für 107 Vgl. H. J. WoIff, Theorie der Vertretung, 292/293: "Nur zurechnungsweise, also kraft Rechtsgebots, nicht ,kraft Denknotwendigkeit' oder sonstwie juristisch oder faktisch ,ist' das Organwalterhandeln '" das der Vertretenen." 108 Fritz Brecher, Festschrift für A. Hueck, 233 ff. (241). 109 So spiegeln sich in den unterschiedlichen Auffassungen zu § 31 BGB letztlich die verschiedenen Theorien zum Wesen der juristischen Person wieder. Wie die Organtheorie der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit entstammte (oben sub 3), so entspricht die hier behandelte Deutung des § 31 BGB der Fiktionstheorie. 110 Der von der deliktischen Handlungsfähigkeit der natürlichen Person handelnde § 828 BGB spricht davon, daß jemand "für einen Schaden verantwortlich" ist. Parallel findet sich in § 31 BGB der Wortlaut: "Der Verein ist für den Schaden verantwortlich." Die naheliegende Folgerung, der Gesetzgeber nehme auch in § 31 BGB auf eine deliktische Handlungsfähigkeit der juristischen Person Bezug, verbietet sich jedoch wegen der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers, zum Theorienstreit über das Wesen der juristischen Person keine Stellung zu beziehen, vgl. Mot. I, 78; Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (504 Fn. 54). 111 Vgl. F. C. v. Savigny, System Bd. H, 282 ff.; weitere Nachweise bei O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 604 Fn. 1 und S. 8 Fn. 1. 112 So ausdrücklich G. F. Puchta, Cursus der Institutionen, § 202; ders., Pandekten, § 50; vgl. auch Unger, System Bd. I, 343. 113 So O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, in seiner Kritik der Fiktions- und modifizierten Fiktionstheorien, 604 Fn. 1 und 2.

A. Der Organhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanken

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die juristischen Personen, also für die rechtsfähigen und sich damit einheitlich "verhaltenden" Verbände durchgesetzt werden. Maßgebend für die Haftungsausdehnung des § 31 BGB ist danach der Gedanke, daß die Handlungen der verfassungsmäßig berufenen Vertreter einer juristischen Person, da diese nur durch jene handeln und in den Geschäftsverkehr eintreten kann, im Interesse Dritter ganz so angesehen werden müssen, als seien es Handlungen der juristischen Person selbst114• Die Vorschrift des § 31 BGB ist nicht als selbstverständliche Folge körperschaftlicher Handlungsfähigkeit, sondern als eigenständige rechtstechnische Norm anzusehen, welche die Haftung für fremdes Verhalten konstitutiv begründet, indem sie es der juristischen Person als eigenes zurechnet115• § 831 BGB bietet demgegenüber keine Alternative: da die ju.ristische Person als solche deliktsunfähig, die Haftung für den Verrichtungsgehilfen aber Haftung für eigenes schuldhaftes Handeln ist, kann die juristische Person nie Geschäftsherr im Verhältnis zu ihren gesetzlichen Vertretern sein116• § 31 BGB ist aus dieser Sicht unverzichtbar, um die juristische Person für ein deliktisches Handeln der verfassungsmäßigen Vertreter haftbar zu machen und einen Zugriff des Geschädigten auf das Verbandsvermögen zu ermöglichen. Nach dieser Deutungsweise, die nur die Zurechnung deliktischen Handelns, nicht auch die Zurechnung rechtsgeschäftlichen Fehlverhaltens des Organs an die juristische Person im Auge hat, erhält der der Organhaftung zugrunde liegende Billigkeitstopos dien Hintergrund, daß die Rechtsordnung bei der "Angleichungstendenz"l17 hinsichtlich der Rechtsstellungen juristischer und natürlicher Personen nicht nur die Berücksichtigung der positiven Aspekte der Teilnahme am Rechtsverkehr, sondern auch die der negativen - kraft Rechtsgebotes - verlangt. 5. Die Organhaftung als Repräsentationshaftung und Folge soziologischer Gegebenheiten

(1) Ein ganz anderer in Literatur und Rechtsprechung anzutreffender, im wesentlichen von H. Westermann118 entwickelter Ansatz zur Erklärung des Anliegens der Organhaftung nach § 31 BGB sieht diese Vorschrift - bei Vermeidung einer Auseinandersetzung mit den dogmaVgl. Planck / Knoke, Anm. 1 c und 3 c zu § 3I. Vgl. Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (506/507). 118 Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, daß ein Organ eine ihm obliegende Auswahlpflicht verletzt und der Verband nach § 831 i. V. m. § 31 BGB für den durch den Verrichtungsgehilfen verursachten Schaden haftet; vgl. etwa RGZ 142, 356 (358, 368); RG JW 1932, 1039; hier haftet die juristische Person "als" Geschäftsherr nach §§ 831, 31 BGB. 117 Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 1 zu § 31; Erman / H. Westermann, Rdnr. 1 zu § 31 spricht von der "Angleichungsfunktion" dieser Vorschrift. 118 Grundlegend H. Westermann, JuS 1961,333 ff. 114

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Kap. 1. Die Grundlagen des § 31 BGB

tisch antinomischen Figuren Stellvertretung und Organschaftll9 - unter einem rein soziologischen Blickwinkel. Auch hier geht es letztendlich um eine Angleichungsfunktion des § 31 BGB, jedoch nicht im abstrakt-dogmatisch, sondern im konkret-faktischen Sinne. Ausgangspunkt sind die weitreichenden Verschiebungen im Sozialgefüge in Richtung auf Vergemeinschaftung und wirtschaftliche Konzentration, in deren Folge sich im Rechtsverkehr die Fälle häufen, in denen jemand für einen anderen und mit von diesem zur Verfügung gestellten Mitteln handelt120. Bei dieser durch arbeitsteilige Wirtschaf~ form bedingten Sachlage, die nicht nur für die Organhaftung, sondern auch für die Vorschriften der §§ 485 HGB, 3 BinnSchiffG, 2 RHaftpflG und § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG den realen Hintergrund bilden S01l121, ist die Wirkung des Handeins des Repräsentanten wesentlich durch die ihm vom Repräsentierten eingeräumten Mittel bestimmt l22 • So hat etwa der Vorstand eines Vereins, erst recht eines Konzerns auf Grund seiner Repräsentantenstellung eine viel weitere Möglichkeit, in die Interessen Dritter schädigend einzugreifen, als er es in seiner Eigenschaft als Privatperson hättel23 • Ist aber die Wirkung des Organhandelns durch die Mittel des von ihm repräsentierten Personenzusammenschlusses bedingt, dem das Handeln ja auch zugute kommt, so ist es "nicht mehr als billig"124, das dem Zusammenschluß gewidmete Vermögen für die Handlungen des Organs haften zu lassen. Dies um so mehr, als die Steigerung der Machtmittel nicht nur die Betätigungsfreiheit des Repräsentanten im Rechtsverkehr und damit die Kollisionsgefahr mit Rechten Dritter erhöht125, sondern die Ausstattung des Handelnden mit Macht und Gütern auch dazu führt, daß dieser nach der Vorstellung des Soziallebens nicht schlicht für das Zurechnungssubjekt handelt, sondern dieses "darstellt"126. Allein die soziale Identität von Repräsentiertem und Repräsentanten erzwingt nach dieser Auffassung die Haftungsausdehnung des § 31 BGB auf den, den darstellend 119 Ausdrücklich etwa Westermann, JuS 1961, 333 ff., 334 und Erman / H. Westermann, Rdnr. 1 zu § 31, wonach sich diese Antinomie im Oberbegriff der Repräsentation als dem "Handeln für einen anderen" auflöst. 120 Vgl. Westermann, JuS 1961, 333 ff. (334); Erman / H. Westermann, Rdnr. 1 zu § 31; Nitschke, NJW 1969, 1737 ff.; Esser / Schmidt, Schuldrecht AT, Teilb. 2,

§ 27 III, S. 61.

121 Diese Fälle der "Repräsentationshaftung" stellt Westermann, JuS 1961, 333 ff. denjenigen einer auf die Verletzung schuldrechtlicher Pflichten beschränkten sog. "Einschalthaftung" (§§ 278 BGB, 431, 456 HGB) gegenüber; vgl. auch Erman / H. Westermann, Rdnr. 1 zu § 31.

Zur Repräsentation als Rechtsbegriff Näheres unten, Kapitel V. Diesen Gesichtspunkt betonte schon v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 494 Fn. 39 und S. 539; vgl. im einzelnen Westermann, JuS 1961,333 ff. (335). 124 Westermann, JuS 1961,333 ff. (335). 125 Hierauf legte schon RGZ 15, 121 ff. entscheidendes Gewicht. 128 Westermann, 334. 122

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A. Der Organhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanken

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und dessen spezifische Mittel einset~nd gehandelt wird. Vom Standpunkt des Repräsentierten sollen diese Folgen nur als sein Risiko zu betrachten seinl27, Ergänzend zieht man hier das "deepest pocket"-Argument heran: Das soziale Bedürfnis nach der "Repräsentationshaftung"128 des § 31 BGB wird für um so größer gehalten, als häufig der Repräsentant mangels finanzieller Potenz nicht in der Lage ist, den angerichteten Schaden zu ersetzen. Das Handeln des Vorstandes für den Verein läßt ihm oft nur ein Entgelt zukommen, das zu den von ihm beherrschten Kräften und dem folglich von ihm verursachten Schaden in keinem Verhältnis stehtI 29 • Dem Zugriff des Geschädigten sollten aber jeweils die Mittel offenstehen, deren Einsatz der Handlung die prägende Wirkung gegeben haben. Insbesondere dürfe der für größere Vermögensmassen Handelnde den Geschädigten nicht auf seine vielleicht unzulänglichen Privatmittel verweisen können130. Eine Bestätigung für seine Auffassung sieht H. Westermann darin, daß gemäß § 89 BGB die Organhaftung auch für privatrechtlich handelnde juristische Personen des öffentlichen Rechts gilt, während bei hoheitlichem Handeln die speziellen Vorschriften des § 839 BGB, Art. 34 GG eingreifen 131 . Dies finde seinen Grund darin, daß im letzten Fall die "Repräsentationsverhältnisse" anders lägen, insofern der Einsatz hoheitlicher Befugnisse als Mittel zur Durchsetzung der obrigkeitlichen Macht das Handeln des Repräsentanten als Ausübung öffentlicher Gewalt stempele. Damit begründe die Tatsache, daß die juristische Person ihre Mittel dem Organ zur Verfügung überläßt, nicht nur die Zurechnungsmöglichkeit, sondern die Eigenart der eingesetzten Mittel bestimme auch die Art der Zurechnungsnorm und löse jeweils die den eingesetzten Mitteln angepaßte Haftung ausl32 . Alles in allem bilden nach dieser Betrachtungsweise die Bedürfnisse der arbeitsteiligen, durch die sozialen Mächte von Großorganisationen beherrschten Industriegesellschaft den Hintergrund für die Organhaftung als Repräsentationshaftung. Der dem § 31 BGB zugrunde liegende Billigkeitstopos erhält in diesem Licht die Wendung: "Wer die Macht verleiht, muß auch für deren Mißbrauch einstehen"l33. 127 Westermann, 333. Hier kehrt der Gedanke der Gefährdungshaftung im untechnischen Sinne wieder; vgl. oben, sub 2. 128 Westermann, passim; ebenso jetzt W. G. Becker, Das Recht der unerlaubten Handlungen, 507. 129 Westermann, 333. 130 Vgl. schon v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 494 Fn. 39. 131 Westermann, 337. 132 Westermann, 337 unter Berufung auf die Argumentation in RGZ 155, 257 (273 f.) und RGZ 162, 129 (162). 133 So schon Cosack, Lehrbuch Bd. I, § 33, 3 b; vgl. auch RGZ 15, 121 ff.; Schumann, Zur Haftung, 48/49; Westermann, 337.

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Kap. I. Die Grundlagen des § 31 BGB

(2) Diese soziologische Deutung des Rechtsgedankens des § 31 BGB134 kann sich auslegungsmethodisch darauf stützen, daß in den Motiven zu § 46 des Entwurfs 1135 die Haftung der juristischen Person auch13G mit "Zweckmäßigkeitsrücksichten" und einem "schwer von der Hand zu weisenden Verkehrsbedürfnisse" begründet wurde137. Auch mag man die Wendung in § 31 BGB "in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen "138 als Hinweis auf die soziologisch verschieden zu würdigenden Wirkungsbereiche des Repräsentanten einerseits als Organ, andererseits als Privatmann ansehen139. Zu berücksichtigen ist aber: Die Vertreter dieses Deutungsansatzes interpretieren zwar den der Organhaftung zugrunde liegenden Rechtsgedanken unabhängig von der Rechtsfähigkeit des haftenden Verbandes und losgelöst vom Organbegriff, fassen ihn vielmehr als Reaktion auf soziologische Gegebenheiten auf, die faktisch über den Bereich juristischer Personen und Körperschaften hinausgehen 14G• Dabei verkennen sie aber keineswegs, sondern be~nen, daß der Gesetzgeber diesem so verstandenen Rechtsgedanken in § 31 BGB nur für die rechtsfähige juristische Person Ausdruck verliehen hat, und zwar um sie der natürlichen Person haftungsmäßig gleichzustellen141 . Im Ge134 W. G. Becker, Das Recht der unerlaubten Handlungen, 510, sieht in der Verknüpfung des § 31 mit einer sozialen Funktion "die Neulesung des alten Status Rechts" für die "formierte Gesellschaft der Soziologie": "der Status ist ... die soziale Rolle, die jemand spielt". 135 Mot. I, S. 1021103. 131 Im übrigen vgl. oben, sub 1. 137 Diese Stelle zieht allerdings auch Korn, Festgabe für Wilke, 177 ff. (183, 184) für seine Deutung des § 31 BGB als Gefährdungshaftung heran, vgl. oben sub 2. 138 Sprachlich ist diese Formel mißglückt, denn eine schädigende Handlung ist regelmäßig keine Verrichtung, die dem Organ "zusteht". Gemeint ist: zwischen seinem Aufgabenbereich und dem schadenstiftenden Verhalten muß ein erkennbarer innerer, d. h. sachlicher, nicht bloß zufälliger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang bestehen, vgl. RGZ 104, 286 (288); 162, 129 (169); Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 28 zu § 31; BGHZ 49, 19 (23); Prot. I, 1052; Erman I H. Westermann, Rdnr. 3 zu § 31; Staudinger I Coing, Rdnr. 24 zu § 31; OLG Kiel BB 1958, 787; OLG Düsseldorf, NJW 1964, 1963. Folgerichtig und sprachlich einwandfrei ist diese Formel aber für die Organtheorie, denn: "Damit die rechtswidrige Handlung irgendeines Organs als Körperschaftshandlung gelte, muß dasselbe nicht bloß als solches auftreten, sondern im Bereiche seiner Zuständigkeit funktionieren. Dieses aus dem Wesen der Körperschaft folgende Prinzip erleidet bei Delikten keineswegs eine Ausnahme. In Wahrheit gibt es keine Kompetenz, in der nicht die rechtliche Macht beschlossen wäre, Pflichten zu verabsäumen und Rechte zu mißbrauchen", so O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 762; ders., a.a.O., 755: "Ein Körperschaft&delikt im Rechtssinne liegt also stets nur insoweit vor, als eine unerlaubte Handlung an sich in die der fraglichen Verbandseinheit vom Recht gesetzte Lebenssphäre hineinfällt." 138 Westermann, 382. Diese Wendung taucht auch in anderen Fällen der "Repräsentationshaftung" auf, etwa § 485 HGB und § 2 RHaftpflG. 140 Vgl. Schumann, Zur Haftung, 52. 141 Westermann, 336, 384, 386; Erman/H. Westermann, Rdnr. 1 zu § 31; Nitschke, NJW 1969, 1737 ff. (1740).

A. Der Organhaftung zugrunde liegende Rechts.gedanken

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gens atz zu der vorher dargestellten Auffassung 142 , die die Angleichung&funktion des § 31 BGB rein dogmatisch-konstruktiv in Hinsicht auf die normative Rechtsstellung natürlicher und juristischer Personen begründd143 , liegt hier nur der Schwerpunkt auf einer Begründung der Gleichstellungsaufgabe der Organhaftung mit soziologischen Erwägungen. Diese Verankerung des § 31 BGB im Recht der juristischen Personen auch nach seinem Verständnis als Repräsentationshaftung und Folge soziologischer Gegebenheiten beginnt sich in jüngster Zeit dadurch zu lockern, daß einige Stimmen sich über die gesetzlichen Schranken hinwegsetzen und § 31 BGB auf "ähnliche Fälle" einer Repräsentation analog anwenden wollen1". Die überbetonung des Repräsentationsgedankens und die Zurückdrängung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Angleichung der juristischen Person an die natürliche in Haftungsfragen läßt die Rechtsfähigkeit der nach § 31 BGB haftenden juristischen Person leicht als bloßes Akzidens erscheinen und öffnet Analogiebildungen unter mehr rechtspolitischen als dogmatischen ~ichtspunkten und methodisch zweifelhaften Versuchen der "Erweiterung des Sinngehalts"145 der Organhaftung Tür und Tor. Dies wird im einzelnen zu würdigen sein. Hier ist zunächst festzuhalten, daß auch die Deutung der Organhaftung als Repräsentationshaftung im allgemeinen148 die Vorschrift des § 31 BGB im systematischdogmatischen Zusammenhang mit dem Recht der juristischen Personensieht. 6. § 31 BGB als Baftungsprinzip flir Verbinde mit verselbstindigtem,

durch Organe verwalteten Sondervermögen

(1) Die Zahl der unterschiedlichen Meinungen über die der Organhaftung als Fundament dienenden Rechtsgedanken wurde jüngst um 142 Vgl. oben, sub 4. 143 Vgl. oben, sub 4. 144 Etwa Nicknig, Die Haftung, 37, 43; KombIum, Die Haftung, 44, 45; Näheres unten, Kapitel Ir. 145 So Derpa, Die Zurechnung, S. 135, zur Begründung einer Anwendung des § 31 BGB auf die Fälle der gesetzlichen Vermögensverwaltung. Näheres unten, Kapitel III C 4. 141 Anders allerdings Schumann, Zur Haftung, 52 und 53, der sogar den Nachweis versucht, daß man die Vorschrift des § 31 BGB, die allein "Folge soziologischer Gegebenheiten" sei, erst nach Inkrafttreten des BGB mit der juristischen Person und ihrer Rechtsfähigkeit in Zusammenhang gebracht habe. Dagegen zu Recht Fabricius, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, 171 ff. (181) und ders., Relativität, 201: auch bei der Begründung mit "Zweckmäßigkeitserwägungen" und einem "Verkehrsbedürfnis" verband der Gesetzgeber diese politischen überlegungen zu § 31 BGB doch ausschließlich mit der juristischen Person. Daher ist es unzuläsig, wenn Schumann, Zur Haftung, 14, 53, die Organhaftung nach § 31 BGB zu den "Vorschriften aus dem soziologischen Bereich", nicht dagegen zu den "Bestimmungen zur rechtstechnischen Seite" zählt. Darüber hinaus ist diese Unterscheidung selbst höchst unbefriedigend; vgl. dazu Derpa, Die Zurechnung, 106 Fn. 2.

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Kap. I. Die Grundlagen des § 31 BGB

einen weiteren Deutungsansatz vermehrt, der - von Fabricius be gründet147 - schnell Verbreitung 148 und Weiterentwicklung149 findet. Als die entscheidende Aussage des § 31 BGB wird es danach nicht, wie bisher, angesehen, daß für eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung ihres Organs auch die juristische Person selbst haftet dies verstehe sich ohnehin aus zwingenden Billigkeitserwägungen von selbstl50 • Als die eigentlich bedeutsame Aussage des § 31 BGB rückt vielmehr ins Blickfeld, das nur die juristische Person, beschränkt auf ihr Vermögen haftet, nicht dagegen auch das Privatvermögen der Mitglieder dem Gläubigerzugriff offenstehtl5 t, obwohl doch diesen Mitgliedern, wenn auch über die Konstruktion der juristischen Person nur mittelbar, doch die Vorteile aus dem Organhandeln zufließen. Das Problem der Grundlagen des § 31 BGB stellt sich so als Frage nach den gerade der Haftungsbeschränkung für die Mitglieder auf das verselbständigte Sondervermögen der von ihnen gebildeten juristischen Person zugrunde liegenden Rechtsgedanken. Die bisherigen Erklärungen der Organhaftung aus letztlich der körperschaftlichen Organisation einer Mitgliedermehrheit, die im Rechtsverkehr als rechtsfähige Einheit auftritt, betrachtet diese Auffassung aus zwei Gründen als unzureichend. Erstens zeige die Durchsicht des alten wie neuen Schrifttums152 , daß über die Merkmale einer körperschaftlichen Organisation keine hinreichende, der Wichtigkeit der Haftungsfrage entsprechende Klarheit zu gewinnen ist153 • Welche Strukturelemente es genau sind, die alternativ oder kumulativ zur Bezeichnung eines' Verbandes als "körperschaftlich strukturiert" begriffsnotwendig vorliegen müssen, ist bis heute in der Tat ungeklärtl54 • Lediglich über die Gesamtheit der eine voll ausgebildete Körperschaft charakterisierenden Merkmale besteht weitgehend Einigkeitl55 • Dagegen hat es sich als ein "au~ sichtsloses Unterfangen" herausgestellt, "einzelne Eigenschaften als dem Verein wesentlich herauszugreifen" 156. Zweitens ist nach der Verwei147 Grundlegend Fabricius, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, 171 ff.; vgl. aber schon Müller-Erzbach, AcP 154 (1955), 299 ff. 148 In der Gefolgschaft von Fabricius: Kornblum, Die Haftung, 40 ff. (45); Nicknig, Die Haftung, 34 ff. (42); Beuthien, DB 1975, 725 ff. 149 Vgl. Sellert, AcP 175 (1975), 77 ff.; ihm folgend Medicus, Bürgerl. Recht, Rdnr.795. 150 Fabricius, Gedächtnisschrift, 186 unter Berufung auf v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 539. 151 Bei der KGaA kann allerdings auch der persönlich haftende Gesellschafter als solcher in Anspruch genommen werden, § 278 I AktG. 152 Vgl. die Nachweise bei Fabricius, 182 und 183. 153 Fabricius, 182; Nicknig, 38; Kornblum, 45; Beuthien, 729. 154 Vgl. im einzelnen Nicknig, 38, 39 m. w. N.; Beuthien, 729; Kornblum, 45. 155 Vgl. O. v. Gierke, Gutachten zum 19. DJT (1888), Bd. II, 259 ff. (298). 158 So schon Schultze-v. Lasaulx, Festschrift für A. Schultze (1935), 5 f. im

A. Der Organhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanken

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sungsnonn des § 86 BGB die Organhaftung auch auf die Stiftung anwendbar; diese aber habe "auf jeden Fall kein personelles Substrat", so daß das Merkmal einer körperschaftlich-organschaftlichen Struktur überhaupt fraglich sei157• Bei der Frage nach den Grundlagen des § 31 BGB müsse daher auf den Gedanken eines körperschaftlich-organschaftlichen Aufbaus und die Bedeutung des Auftretens eines Verbandes als durch Organe repräsentierte Einheit verzichtet werden i58 • Beides seien keine "wertkausalen Grundlagen"159 der Organhaftung. Sämtliche voranstehend expJanierten Deutungsansätze - mit Ausnahme freilich des Billigkeitstopos, an dem auch dJiese Meinung festhält 160 - stellen Fabricius und die ihm folgenden Literaturstimmen damit als jedenfalls nicht entscheidend dar. Viel abstrakter beruht nach dieser Auffassung § 31 BGB auf der Grundlage, "daß Vennögensgegens,tände von mehreren Personen oder auch nur einer Einzelperson zusammengetragen und derart verselbständigt worden sind, daß der einzelne als solcher161 von der VennögeIlSiverwaltung ausgeschlossen ist"l62. Dies rechtfertige, ja fordere die Abweichung von der persönlichen Haftung entsprechend dem in § 831 BGB ausgesprochenen Grundsatz. Die Rechtsträger, sonst selbst Rechts- und Pflichtsubjekte bezüglich ihres Vennögens, sind ja als' Verbandsmitglieder durch die Organisation der juristischen Person der Verfügung über das Vennögen dieser juristischen Person beraubt und ihrer Sorge dafür enthoben163 • Nur noch in diesem vennögensrechtlich-funktionell bestimmten Sinne bleibt danach der Gedanke einer körperschaftlichen Organisation für § 31 BGB bedeutsam. Die entscheidende Rechtfertigung aber dafür, daß das Recht die Mitglieder rechtsfähiger Verbände von der persönlichen Haftung für die Verbandsschulden befreit, obschon sie die Interessenten der Verbandsbetätigung sind, ist deren fehlende Beherrschung der Geschäftsführung l64. Mit der parallelen Vorschrift des § 831 BGB deckt sich § 31 BGB insoweit, als ein Vennögen für Schäden einstehen soll, die ein Sachwalter rechtswidrig verursacht hat. Im Anschluß an H. Stoll, RG-Festschrift, Bd. II, 49 ff.; vgl. auch Nitschke, Personengesellschaft, 111; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, 173. 157 Fabricius, 185; Nicknig, 40; Kombium, 45; Beuthien, 729. IS8 Fabricius,187. 158 Fabricius, 179. 160 Fabricius, 181; Nicknig, 36,37; Kombium, 44; Beuthien, 729/730; vgl. auch Fn.150. 161 Das einzelne Mitglied als Organ ist Sachwalter der Organisation und muß seine Individualinteressen zugunsten der festgelegten Interessenordnung zurückstellen, vgl. Fabricius, 187. 182 Fabricius, 187; ihm folgend die in Fn. 148 und 149 Genannten. 183 Vgl. auch H. J. Wolff, Theorie der Vertretung, 297. 184 Fabricius, 187; vgl. auch schon Müller-Erzbach, AcP 154 (1955), 299 ff. (342).

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Kap. I. Die Grundlagen des § 31 BGB

Gegensatz aber zu § 831 BGB ist bei der Organhaftung dieses Vennögen von den einzelnen Personen, die zu ihm beitragen, durch eine rechtliche Zuständigkeitsordnung getrennt und einer rechtstechnischen Einheit zugeordnet185, auf die jede Einflußnahme eines einzelnen Mitgliedes verbandlich gefiltert wird. (2) Nach diesem Deutungsansatz wird der Billigkeitstopos einer positiven Korrelation von Vorteil und Nachteil bei der Vennögensverwaltung gleichsam korrigiert durch einen zweiten, gesellschaftsrechtlichen Billigkeitsgrundsatz, nämlich durch den des Gleichlaufs von Herrschaft und Haftung166. Die Verbandsmitglieder sollen nur mit dem von ihnen zur Zweckverfolgung beigesteuerten Vennögen für die Schäden haften, die die Organe, wenn auch in ihrem Interesse, so doch ohne Weisungsabhängigkeit im einzelnen, verursachen; denn Rechtsmacht und Verantwortung als juristische Komplementärinstitute müssen sich graduell entsprechen. Diese "Vennögensverselbständigung unter Ausschluß der Individualinteressen der zu dem Vermögen beisteuernden Einzelpersonen"167, die die Betätigung ihrer Rechte und Pflichten der Organisa,tion anvertraut und sich selbst von dieser Betätigung ausgeschlossen haben168 , erzwingt nach dieser Auffassung die in § 31 BGB festgelegte Haftung des verselbständigten Vennögens an Stelle der Einzelpersonen und wird deshalb als die entscheidende Grundlage der Organhaftung angesehen. Warum zugleich jede Entlastungsmöglichkeit entfällt, bleibt freilich hiernach ohne Erklärung.

Fabricius als der Begründer dieser abstrakten vennögensrechtlichen Deutung der Rechtsgedanken der Organhaftung respektiert dabei durchaus, daß der Gesetzgeber den so verstandenen Haftungsgrundsatz des § 31 BGB durch das Erfordernis juristischer Persönlichkeit eingeschränkt wissen wollte. Er weist deutlich darauf hin, "daß erst die juristische Persönlichkeit die für das Prinzip des § 31 BGB entscheidende Vennögensabsonderung bewirkt"1". Während für Fabricius eine ErweiFabricius, 195. Dies wird schon deutlich bei Müller-Erzbach, 342. Das Gesellschaftsrecht geht zwar nicht von einem unabdingbaren Gleichlauf von Herrschaft und Haftung als zwingendem Rechtsprinzip aus (vgl. BGHZ 45, 204 ff.), ein solcher Gleichlauf läßt sich jedoch als Tendenz aus der gesetzlich vorgesehenen korrespondierenden Regelung der Verantwortungs- und Leistungsbereitschaft der Gesellschafter bei den einzelnen Gesellschaftstypen herauslesen, vgl. Raisch, Unternehmensrecht Bd. I, 126; Müller-Erzbach, Festgabe für Heymann, Bd. H, 737 ff. zum Grundsatz "Keine Herrschaft ohne Haftung" und Siebert, Festschrift für A. Hueck, 321 ff. (334) zum Prinzip "Keine Haftung ohne Herrschaft". 187 Fabricius, 187. 168 Vgl. auch Burckhardt, Die Organisation der Rechtsgemeinschaft, 296. 168 Fabricius, 188. 185

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A. Der Organhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanken

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terung des Anwendungsbereiches dieser Vorschrift per analogiam. daher auch nur für solche Verbände in Betracht kommt, die eine erhebliche Ähnlichkeit zur rechtsfähigen juristischen Person aufweisen170, vernachlässigen ihm folgende Stimmen diesen Gesichtspunkt und versuchen so, § 31 BGB als Haftungsgrundsatz für verselbständigte Sondervermögen mit organähnlicherVerwaltung zu deutenl7l • Unabhängig von der Rechtsfähigkeit eines Verbandes soll nach dieser Meinung eine analoge Heranziehung des § 31 BGB um so eher in Betracht kommen, je mehr ein Sondervermögen den Gesellschaftszweck prägt und je mehr man zur Verselbständigung des Sondervermögens in der Verbandsordnung tendiert17J!. Der der Organhaftung zugrunde liegende Rechtsgedanke, die Verselbständ'igung eines Verbandsvermögens unter Ausschluß der Individualinteressen soll danach auch bei nicht rechtsfähigen Verbänden gelten. Seine gesetzliche Verankerung im Recht der juristischen Personen in der Fonn des § 31 BGB wird damit erklärt, daß bei der juristischen Person die Bildung eines Sondervermögens am weitesten ausgeprägt ist173• All dies wird im einzelnen zu würdigen sein174• Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, daß auch die von Fabricius gefundene Erklärung der Organhaftung die Rechtsfähigkeit der juristischen Person für das Prinzip des § 31 BGB für entscheidend hält. 7. Zusammenfassung: Die Rechtsfähigkeit des Verbandes als die entscheidende Basis des § 31 BGB

Der Überblick über die der Organhaftung nach Literatur und Rechtsprechung zugrunde liegenden Rechtsgedanken hat gezeigt, welche unterschiedlichen Deutungsansätze und Scbwerpunktbildungen zu § 31 BGB vertreten werden, von denen keinem eine Berechtigung gänzlich abgesprochen werden kann und von denen keiner allein rundum befriedigen kann; es sind verschiedene modeIlhafte Erklärungen, die jeweils eingebettet sind in ein spezifisches Verständnis der juristischen Person, ihrer Organe und ihrer Stellung im Vergleich zu den natürlichen Personen und die jeweils in sich folgerichtig, in ihrem System "richtig" sind. Wer sich auf eine der Erklärungen festlegt, statt jeden Deutungsansatz als Teilaspekt eines Gesamtgebildes zu betrachten, läuft die Gefahr der Einseitigkeit. 170 Fabricius, 188; wohl ebenso Sellert, AcP 175 (1975), 77 ff. (102 f.) und Medicus, Bürgerl. Recht, Rdnr. 795. 171 So Nicknig, 34 ff. (42); Kornblum, 40 ff. (45 Fn. 52) und Beuthien, 725 ff. 171 Vgl. auch Buchner, AcP 175 (1975),265 ff. (268). 173 So Nicknig, 42. 174 Vgl. unten, Kapitel II und III.

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Kap. 1. Die Grundlagen des § 31 BUB

Festzustellen ist jedoch: Bei aller Verschiedenheit im einzelnen basiert nach allen Auffassungen, die durchaus in Mischformen anzutreffen sind175 , die Organhaftung auf dem Gerechtigkeitspostulat einer positiven Korrelation von Vorteil und Nachteil bei der Verwaltung eines verselbständigten Sondervermögens durch Organe. Dabei wird insbesondere § 31 BGB beinahe einhellig als eine nur für rechtsfähige Verbände normierte Vorschrift angesehen: teils leitet man den Rechtsgedanken der Organhaftung allein aus der körperschaftlichen Struktur der selbst zuordnungsfähigen juristischen PersOlIl (so die Organtheorie) oder aus der Gegenüberstellung von natürlicher und daneben rechtsfähiger juristischer Person ab (so die Vertretertheorie; Stichwort: Angleichungsfunktion), teils räumt man jedenfalls ein, daß der Rechtsgedanke des § 31 BGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich vom Gesetzgeber bewußt auf die juristische Person beschränkt wurde bzw. deren Rechts.fähigkeit für die Normierung der Organhaftung sogar ausschlaggebend war, auch wenn der als eigentlich entscheidend angesehene Rechtsgedanke des § 31 BGB über den Rahmen rechtsfähiger Verbände hinauS!geht (so die Theorie der Repräsentationshaftung, bei der auch der früher überbetonte Gefährdungsgedanke nachklingt, sowie die Deutung des § 31 BGB als Haftungsgrundsatz für Verbände mit verselbständigtem, durch Organe verwalteten Sondervermögen). Die juristischen Personen als die Verbände mit selbständiger Zuordnungssubjektivität sind es, für die die Organhaftung nach § 31 BGB normiert ist. B. Das Verhältnis der Organhaftung zu den §§ 831 und 278 BGB sowie zur persönlichen Haftung des Organs

Neben den die Organhaftung tragenden Rechtsgedanken bedarf vor dem Versuch einer Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 31 BGB noch sein Verhältnis zu den Vorschriften der §§ 831 und 278 BGB der grundsätzlichen (später ZlU differenzierenden) Darstellung. Bei dieser kontroversen Konkurrenzfrage, die hier im Rahmen der Organhaftung rechtsfähiger Verbände, also auf der Grundlage des gesetzlich vorgesehenen Anwendungsbereiches des § 31 BGB erörtert werden soll, stehen sich wieder Organ- und Vertretertheorie polar gegenüber. Ferner ist die Beziehung zwischen der auf die juristische Person ausgedehnten Haftung und der persönlichen Haftung des den Schaden verursachenden Organs zu betrachten. 1. Die Organhaftung im außervertraglichen, insbesondere deliktischen Bereich

Nach der Organtheorie kann ein verfassungsmäßig berufener "Vertreter" i. S. der §§ 30, 31 BGB als Teil der juristischen Person niemals 175 Daher darf die wiederholte Inanspruchnahme ein und desselben Autors für oben voneinander abgehobene Ansätze nicht erstaunen.

B. Verhältnis der Organhaftung :ml § 831 und § 278 BGB

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zugleich deren Verrichtungsgehilfe i. S. des § 831 BGB sein176. Der begriffliche Unterschied zwischen einem Organ, dessen Handeln eigenes Handeln der juristischen Person ist, und einem "fremden" Verrichtungsgehilfen schließt im Falle deliktischen Verhaltens des Organs die Anwendbarkeit des § 831 BGB von vornherein aus - mit der Konsequenz, daß eine Entlastungsmöglichkeit zugunsten der juristischen Person für ihr Organ nach § 831 I S. 2 BGB nicht in Betracht kommt177 : § 831 und § 31 BGB sind danach schon tatbestandsmäßig inkompatible Nonnen. Demgegenüber sieht die Vertretertheorie die verfassungsmäßig berufenen Vertreter einer juristischen Person wie andere Vertreter auch durchaus als deren Verrichtungsgehilfen an, soweit sie weisungsgebunden und "sozial abhängig" sind. § 31 BGB stellt sich lediglich als die den tatbestandsmäßig bei deliktischem Organhandeln meist vorliegenden § 831 BGB derogierende lex specialis dar. Die Ausschaltung des Entlastungsbeweises nach § 831 I S. 2 BGB ist demnach nicht erst die Konsequenz, sondern geradezu die konkurrenztechnische Funktion des § 31 BGB178. Beide Auffassungen unterscheiden sich nur in der Konstruktion, nicht im Ergebnis: § 31 BGB erfaßt jedenfalls die "verfassungsmäßigen Willensorgane" mit der Stellung von gesetzlichen Vertretern, §§ 31, 26 II S. 1 BGB, wohingegen § 831 BGB für bloße Angestellte, für Nicht-Organe, anwendbar bleibt179. Das Problem der Abgrenzung des Personenkreises, für den gehaftet wird, die Beantwortung der Frage, wer "verfassungsmäßig berufener Vertreter" i. S. des § 31 BGB ist bzw. wer so behandelt werden muß, ist für beide Meinungen wegen der Möglichkeit des Entlastungsbeweises nach § 831 I S. 2 BGB von entscheidender Bedeutung180. Organtheorie und Vertretertheorie stimmen im Ergebnis auch darin überein, daß § 31 BGB über den rein deliktischen Bereich der §§ 823 ff. BGB hinausgehend auch für außervertraglich schuldlos vom Organ verursachte Schäden eine Verbandshaftung eröffnet, also in den Fällen der Gefährdungshaftung, etwa nach § 7 StVG, ebenso wie bei einer Haftung aus rechtswidriger, aber schuldloser (§§ 228 S. 2, 231 BGB) oder gar rechtmäßiger (§ 904 BGB) Handlung einschlägig ist181. Vgl. Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 3 zu § 31. Vgl. O. v. Gierke, Jherings Jahrb. Bd. 35 (1896), 137 ff. (221); Enneccerus I Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 110 I; Erman I H. Westermann, Rdnr. 6 zu § 31; RGZ 121, 382 ff. (385); 162, 129 ff. (170). 178 Vgl. Erman I H. Westermann, Rdnr. 1 zu § 31. 179 Vgl. Staudinger I Coing, Rdnr. 17 zu § 31. 180 Dazu unten, Kapitel IV und V. 181 Vgl. Staudinger I Coing, Rdnr. 10 zu § 30; Planck" Knoke, Anm. 3 c zu § 31; Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 25 zu § 31; Erman I Westerman, Rdnr. 4 zu § 31; Lehmann/Hübner, BGB AT, 456; RG JW 1908, 473; RGZ 84, 178

177

338.

Kap. I. Die Grundlagen des § 31 BGB

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2. Die Organhaftung im vertraglichen und vertragsäbnlichen Bereich

Zu grundsätzlich unterschiedlichen Ergebnissen gelangen beide Theorien allerdings in der Frage der Anwendbarkeit der Organhaftung im vertraglichen und vertragsähnlichen182 Bereich, in dem § 31 BGB zu § 278 BGB in Konkurrenz tritt. (1) Nach der Vertretertheorie nämlich behandelt § 31 BGB von den möglichen Fällen einer Haftung der juristischen Person allein diejenigen der Haftung für außervertraglich verursachte Schäden, während sich die Haftung aus dem Verschulden des Organs bei Erfüllung von Verbindlichkeiten oder aus seinem schadensersatzpflichtigen Fehlverhalten im vertragsähnlichen Bereich nach § 278 BGB richten so1l183. § 31 BGB sei insoweit "nicht erforderlich"184, denn in § 278 S. 1, 1. Fall BGB sei von dem gesetzlichen Vertreter, dessen Stellung doch der Vorstand nach § 26 11 BGB innehabe, ausdrücklich die Rede 186 ; darüber hinaus hafte die juristische Person für Schadenszufügungen ihrer verfassungs;mäßig berufenen Vertreter ohnehin nach § 278 S. 1, 2. Fall BGB, insofern sie sich dieser doch zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen bediene188. Demgegenüber sind freilich für die Organtheorie §§ 31 und 278 BGB wiederum tatbestandsmäßig inkompatible Normen, regelt doch dieser eine Haftung für eigenes, jener eine für fremdes Verschulden187. Neben dieser begrifflichen Differenzierung kann die Organtheorie auf den Wortlaut des § 31 BGB verweisen, der eine Einschränkung auf außervertragliche Schadenshaftung nicht erkennen läßt188, so daß § 31 BGB - unbefangen gelesen - eine Haftung der juristischen Person für alle rechtsgeschäftlichen und tatsächlichen Handlungen ihrer Organe, die aus irgendeinem privatrechtlichen Rechtsgrund zum Schadensersatz verpflichten, darstellen mÜ5se18'. Dies betrifft Fälle wie § 122 BGB oder culpa in contrahendo. So Staudinger ! Coing, Rdnr. 6 ff. zu § 31; Planck! Knoke, Anm. 1 bund 1c zu § 31; RGRK (BGB)-Denecke, Rdnr. 4 und 6 zu § 31; v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, § 37 II Fn. 87; Korn, Festgabe für R. Wilke, 177 ff. (180); Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 1180; RG JW 1904, 5; unsicher BGHZ 13, 198 (203); unklar BGHZ 3,162 (173). IU SO Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 1180. 185 Vgl. Staudinger ! Coing, Rdnr. 7 zu § 31; RGRK (BGB)-Denecke, Rdnr. 4 zu § 31; RG JW 1904, 5. 18e Vgl. Staudinger ! Coing, Rdnr. 7 zu § 31; v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 538; Enneccerus! Nipperdey, BGB AT, § 116 III 7; RGZ 143, 214; Esser! Schmidt, Schuldrecht AT, Teilbd. 2, § 27 III, S. 62, wonach § 31 BGB im vertraglichen Bereich "nicht eigens herangezogen zu werden braucht". 187 Vgl. Soergel! Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 4 zu § 31; Erman! H. Westermann, Rdnr. 6 zu § 31; Enneccerus!Nipperdey, BGB AT, § 110 I 4; Larenz, BGB AT, § 9 I, S. 106; RGZ 138, 42. 188 Zu Soergel! Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 4 zu § 31. 18U Hierfür spricht, daß die 2. Kommission dem Antrag 6 zu § 46 E I ent181

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B. Verhältnis der Organhaftung zu § 831 und § 278 BOB

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(2) Ohne zum Streit zwisclum Organ- und Vertretertheorie in extenso Stellung nehmen zu wollen, muß doch darauf hingewiesen werden, daß sich die Vertretertheorie mit ihrer Anwendung des § 278 BGB statt des § 31 BGB bei vertraglichen Pflichtverletzungen und vertragsähnlichem Fehlverhalten eines Organs in Widerspruch zu jenem Gedanken setzt, den sie selbst als der Organhaftung zugrunde liegend erkannt hat. Der Normzweck einer Angleichung der RechtssteIlung von juristischer und natürlicher Person180 würde doch wegen der theoretisch für die juristische Person eröffneten Möglichkeit eines Haftungsausschl'llsses für ein vorsätzlich handelndes Organ nach § 278 S. 2 nicht erreicht, weil die natürliche Person insoweit streng an § 276 II BGB gebunden wäre. Zwar ist die Besonderheit, daß § 278 S. 2 BGB einen weitergehenden Haftungsausschluß zuläßt als § 31 BGB nur theoretischer Natur, denn die praktische Möglichkeit eines Haftungsausschlusses nach § 278 S. 2 BGB wird regelmäßig so eingeschränkt sein, dJaß der Unterschied unbedeutend ist: so setzt ein Haftungsausschluß in allgemeinen Geschäftsbedingungen eine angemessene Berücksichtigung auch der Interessen des anderen Vertragsteiles vorausl8l , doch kann von einem gerechten Interessenausgleich jedenfalls nicht mehr bei einem Ausschluß der Haftung für vorsätzliches Fehlverhalten des verfassungsmäßig berufenen Vertreters gesprochen werden192. Damit ist auch insoweit der Streit zwischen Organund Vertretertheorie hinsichtlich des Ergebnisses "praktisch ohne Bedeutung"193. Jedoch betont die Vertretertheorie gerade die Angleichungsfunktion des § 31 BGB bezüglich der normativen Rechtsstellung von juristischer und natürlicher Person, und insoweit - aJso abgesehen von den Billigkeitskorrekturen auf Grund der §§ 242, 138 oder § 315 111 analog BGB - muß § 278 S. 2 BGB unanwendbar sein, denn eine Ausnahme von der allgemeinen Haftungsregel des § 276 11 BGB wäre gänzlich ungerechtfertigt194. Man braucht die Auffassung der Organtheorie, daß das

sprochen hat, statt "begangene unerlaubte" die Worte "begangene zum Schadensersatz verpflichtende" zu setzen, vgl. Prot. I, S. 1050, 1051: "Einverstanden war man ferner über die Angemessenheit des Antrages 6, die Haftung nicht auf unerlaubte bzw. widerrechtliche Handlungen der Vereinsorgane zu beschränken, sondern auf alle zum Schadensersatz verpflichtenden Handlungen zu erstrecken." Freilich ist nicht auszuschließen, daß sich diese Erweiterung nur auf schuldlose oder rechtmäßige Handlungen mit Schadensersatzpflicht (§§ 228 S. 2, 231, 904 BGB) im außervertraglichen Bereich beziehen sollte. 180 Vgl. oben, sub A 4 und 5. 181 Vgl. BGHZ 20, 164 (167); 38, 183 (185); BGH NJW 1970, 1737 (1738); Schmidt-Salzer, Geschäftsbedingungen, Rz. 175 ff.; Helm, JuS 1965, 121 ff. (127).

1.2 Vgl Nicknig, Die Haftung, 12, 13, der damit der Stellungnahme zum Streit ausweicht. 183 So Staudinger / Coing, Rdnr. 7 zu § 31; ähnlich Nitschke, NJW 1969, 1737 ff. (1737); Nicknig, 13. lot Vgl. Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 110 Fn. 6; Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 4 und 5 zu § 31.

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Kap. I. Die Grundlagen des § 31 BGB

Organ konstitutiver Bestandteil der juristischen Person ist, nicht zu teilen, um doch anzuerkennen, daß § 31· BGB die handelnde Organperson und die juristische Person als Einheit sieht und daher für den Haftungsausschluß bezüglich der Organperson § 276 II statt § 278 S. 2 BGB gelten muß1D5. Keineswegs spricht die Formulierung in § 26 II S. 1 BGB ("Stellung eines gesetzlichen Vertreters") zwingend für die Anwendung des § 278 BGB i. S. der Vertretertheorie, denn abgesehen von der Unmöglichkeit, aus der Wortfassung etwas für oder gegen Vertreter- oder Organtheorie herzuleiten1D6, entfällt bei rechtswidrigem Organverhalten der Normzweck des § 26 II S. 1 BGB1U7. Daher soll für die folgenden überlegungen davon ausgegangen werden, daß auch im vertraglichen und vertragsähnlichen Bereich die Organhaftung eingreiftl°s, daß also § 31 BGB nicht nur § 831 BGB, sondern auch § 278 BGB verdrängt100 , so daß durch die Organhaftung eine Schadensersatzpflicht der juristischen Person überall dort begründet wird, wo auch die natürliche Person schadensersatzpflichtig wäre, aus welchem Rechtsgrund auch immer2oo. 3. Die Organhaftung als Haftungsbegriindung und als Haftungsausdehnung

Im kontraktlichen und quasi-kontraktlichen Bereich führt das schadensersatzpflichtige Fehlverhalten des Organs nicht zu seiner eigenen Haftung, sondern allein zur Haftung der juristischen Person, so daß dem nach der hier vertretenen Meinung auch insoweit anwendbaren § 31 BGB in Verbindung mit dem Haftungstatbestand (etwa § 286 BGB oder culpa in contrahendo) nicht haftungsausdehnende, sondern haftungsbegründende Wirkung zukommt: nur die juristische Person, nicht auch das Organ kommt ja als Vertragspartner des Geschädigten in Betracht201 ; Organhaftung ist hier Haftung für eigene Schuld. Westermann, JuS 1961, 333 ff. (335). Vgl. schon oben, Fn. 89. 187 Soergel! Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 4 zu § 31. 198 Wegen § 40 BGB kann die Organhaftung durch die Satzung nicht ausgeschlossen werden, doch kann der in § 31 BGB vorausgesetzte Wirkungskreis des Organs begrenzt werden; ein vertraglicher Haftungsausschluß bleibt wie bei der natürlichen Person innerhalb der gesetzlichen Grenzen möglich, vgl. dazu Staudinger / Coing, Rdnr. 29 zu § 31; Erman / Westermann, Rdnr. 1 zu § 31; Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 7 zu § 31; RGZ 157, 228 (232); BGH NJW 1973, 456 (457); BGHZ 38,183. 199 Die Anwendbarkeit des § 278 BGB ist damit auf nicht zu den Organen gehörende Personen beschränkt. 200 So auch Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 6 zu § 31; Enneccerus / Nipperdey, BGB AT,!. Halbbd., § 110 II Fn. 17; A. Blomeyer, Schuldrecht, § 24 IV; Denecke, JR 1951, 742 ff.; Schnorr v. Carolsfeld, ZGesGenW 1959, 50 ff. (93); Schumann, Zur Haftung, 26; Erman / H. Westermann, Rdnr. 6 zu § 31 sowie auf der Grundlage der Organtheorie die Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 6 zu § 31. 201 Vgl. Medicus, Bürgerl. Recht, Rdnr. 779. 195 19S

B. Verhältnis der Ol'ganhaftung zu § 831 und § 278 BGB

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Demgegenüber steht die Organhaftung im außervertraglichen Bereich neben der persönlichen Haftung des handelnden Organs, etwa aus § 823 BGB, und läßt diese unberührtllo2. Wie die Organtheorie, die dieselbe Handlung als jeweils selbständige Handlung der natürlichen und der juristischen Person betrachtet, dabei das Problem löst, wie ein und dieselbe Handlung begrifflich zwei Rechtssubjekten zugerechnet werden kann203 , soll hier nicht weiter vertieft werden. Es ist festzuhalten, daß im außervertraglichen Bereich nach allen im Ergebnis übereinstimmenden Meinungen § 31 BGB als "Transmissionsnorm"ll04 keine Haftungsübertragung, sondern Haftungsausdehnungl105 bewirkt, also die Organhaftung der juristischen Person neben die Haftung des Organs tritt, praktisch also adjektizische Haftung istl!08. Insoweit begründet § 31 BGB also faktisch eine Haftung für fremde Schuld - von der Organtheorie freilich formal-modellhaft als Haftung für eigene Schuld konstruiert. Juristische Person und Organperson haften für den Schaden nebeneinander als Gesamt.chuldner ent.prechend §§ 840 1,421 BGB207, wobei das Organ im Innenverhältnis analog § 840 n BGB oder nach Maßgabe des Anstellungsverhältnisses bzw. § 27 III BGB regreßpflichtig ist20B. Trifft das Organ aber kein Verschulden an dem von ihm verursachten Schaden wie in den Fällen der §§ 231, 904 BGB, so sollte es umgekehrt die juristische Person, in deren alleinigem Interesse es tätig geworden ist, in Rückgriff nehmen können20D,

20! Vgl. Staudinger / Coing, Rdnr. 28 zu § 31; Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 36 zu § 31; Erman I H. Westermann, Rdnr. 5 zu § 31; Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., §§ 110 111, S. 665 Fn. 19; RGZ 91, 75 f.; vgl. insbes. RG JW 1924, 1155 mit Anm. Hoeniger und BGHZ 56, 73. 208 Vgl. dazu Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (504); O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 712 ff.; Oertmann, BGB AT, § 31 Bem. 6. Z04 So W. G, Becker, Das Recht der unerlaubten Handlungen, 508; Esser / Schmidt, Schuldrecht AT, Teilband 2, § 27 111, S. 62 sprechen von "überleitungsfunktion " . Z05 Vgl. Westermann, JuS 1961, 333 (384 und 386). 208 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht Bd. I, 357, 358. 207 Vgl. Staudinger I Coing, Rdnr. 28 und 36 zu § 31 m. w. N. !08 Vgl. Staudinger / Coing, Rdnr. 37 zu § 31; RG JW 1924, 1155 mit Anm. Hoeniger, Deutsch, Haftungsrecht Bd. I, 358; Landwehr, AcP 164 (1964), 482 (507 Fn.64). Z09 SO Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 37 zu § 31 und Planck I Knoke, Anm. 5 zu § 31; a. A. aber Staudinger / Coing, Rdnr. 28 zu § 31, wonach "nichts anderes übrig" bleibt als eine Haftung zu gleichen Teilen im Innenverhältnis.

4 Martinek

KapitelII

Die Organhaftung bei nicht rechtsfähigen Vereinen und Gesamthandsgesellschaften nach Literatur und Rechtsprechung ZweifeIsfrei gilt § 31 BGB als allgemeiner Grundsatz für die juristischen Personen des bürgerlichen, des Handelsrechts und (§ 89 I BGB) des öffentlichen Rechtsl • Seit Inkrafttreten des BGB wird aber sein Anwendungsbereich aJUch auf andere Verbände diskutiert, wobei zunächst der nicht rechtsfähige Verein und die PersonenhandeIsgeselIschaften im Mittelpunkt standen. Zur Zeit ist insbesondere die Frage einer Organhaftung der BGB-Gesellschaft Gegenstand der Auseinandersetzungen. Im folgenden ist diese Diskussion über den horizontalen Anwendungsbereich der Organhaftung im Gesellschaftsrecht mit dem Blick auf die dargestellten Grundlagen des § 31 BGB zunächst kritisch zu würdigen.

A. Die Organhaftung des nicht rechtsfähigen Vereins als richterliche Rechtsfortbildung In dem schon bald nach Inkrafttreten des BGB entstandenen Streit über die Rechtsstellung des nicht rechtsfähigen Vereins2 kam auch die Frage einer analogen Anwendbarkeit des § 31 BGB auf, die heute nach den grundlegenden Arbeiten von StollS, Boehmer', Habscheid5 und Schumann8 ad acta gelegt ist: die Organhaftung des nicht rechtsfähigen Vereins ist heute beinahe unstreitig7 • 1 Vgl. Staudinger I Coing, Rdnr. 1 zu § 31; Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 8 und 9 zu § 31; Erman I H. Westermann, Rdnr. 1 zu § 31; zögernd noch Endemann, Lehrbuch Bd. I, 177, der § 31 für eine vereinsrechtliche lex specialis hält; vgl. grundlegend für die AG: RG JW 1930, 2967; für die GmbH: RGZ 91, 72 (75); 163,21 (29); für Genossenschaften: RGZ 76, 48; 110, 145 (147); BGH LM Nr. 13 zu § 31; allerdings kann trotz der allgemeinen Geltung des § 31 BGB für juristische Personen die Haftung im Einzelfall auf Grund von Besonderheiten ausgeschlossen sein: veranlaßt etwa der Vorstand einer AG jemanden durch betrügerische Angaben über die Unternehmenslage zum Aktienkauf, so kommt eine Organhaftung mit Rücksicht auf die Notwendigkeit zur Erhaltung des Grundkapitals im Interesse der Gläubiger und auf das Einlagerückgewährverbot nicht in Betracht, vgl. dazu Staudinger I Coing, Rdnr. 2 zu § 31 m. w. N. I Vgl. nur StolI, Reichsgerichtspraxis Bd. II (1929), S. 49 ff. m. w. N. s StolI, insbes. 64 ff. f Boehmer, Grundlagen, Bd. II/2, 180 ff., insbes. 182 ff. S Habscheid, AcP 155 (1956), 375 ff., insbes. 409 ff. • Schumann, Zur Haftung, insbes. 58 ff.

A. Organhaftung als richterliche Rechtsfortbildung

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Im Hinblick, auf die wichtige Frage, welche Merkmale des nicht rechtsfähigen Vereins eine methodisch korrekte Analogie stützen können, erscheint eine Rekapitulation der vorgebrachten Argumente sinnvoll, zumal diese für die spätere Diskussion über die Anwendbarkeit des § 31 BGB auch auf andere Verbände wegweisend waren. 1. Der nidlt redltsfähige Verein als Politikum

Allerdings muß einschränkend festgestellt werden, daß der Streit um die Organhaftung des nicht rechtsfähigen Vereins nicht immer streng methodisch und an den Grundlagen des § 31 BGB orientiert ausgetragen wurde. Im Vordergrund stand die rechtspolitische Aufgabe, den legislatorischen Fauxpas des § 54 S. 1 BGB in seinen Auswirkungen zu reduzieren. Indem der Gesetzgeber den nicht rechtsfähigen Verein nicht als Verein, sondern als Gesellschaft zu behandeln befahl, glaubte er, den inopportunen, aber nicht auszutilgenden Gedanken der freien Körperschaftsbildung in einem kleinen faktischen Reservat für unbedeutende Organisationen neutralisieren und unter Kontrolle bringen zu können 8 • Man war in der Tradition des früheren Vereinspolizeirechtes der Koalitionsfreiheit ungünstig gesonnen, wollte Verbände sozialpolitischen und religiösen Charakters an der Machtentfaltung hindern'. Das Mittel dazu war eine staatliche Überwachung des rechtsfähigen Vereins und eine ungünstige Ausgestaltung des nicht rechtsfähigen Vereins 10• Es zeichnete sich aber schon bald ab, das der gesetzgeberische Grundgedanke für die Regelung des § 54 BGB an den Tatsachen des Lebens scheitertell. 7 VgI. Soergel / Schultze-v . Lasaulx, Rdnr. 10 zu § 31 und Rdnr. 39 ff. zu § 54; Staudinger / Coing, Rdnr. 3 zu § 31 und Rdnr. 53 zu § 54; RGRK (BGB)Denecke, Rdnr. 15 zu § 54; Enneccerus / Nipperdey, BGB AT,!. Halbbd., § 116 IV 7, S. 708 ff.; Lehmann / Hübner, BGB AT, 471; Lange, BGB AT, 188/189; Larenz, BGB AT, § 9 I a. E., S. 106, 107 und § 10 VI 4, S. 147; Hueck / Nipperdeny, Arbeitsrecht Bd. H, 717; Westermann, JuS 1961, 333 ff. (336); W. G. Becker, Das Recht der unerlaubten Handlungen, 511; Wieacker, AcP 147 (1942), 304 ff. (306); Brox, BGB AT, Rdnr. 698; eine abweichende Meinung wird heute - soweit ersichtlich - nur noch von Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 1187, 1188 ohne Berücksichtigung der genannten Literatur vertreten; a. A. Palandt / Danckelmann. Anm. 2d zu § 54 bis zur 22. Auf!. (1963), anders die Neuauflagen. 8 Vgl. Brecher, Festschrift für A. Hueck, 233 ff. (242) sowie die sehr polemischen Ausführungen von Stoll, Reichsgerichtspraxis Bd. H, 49 ff. I Vgl. Wapler, NJW 1961, 439 ff. (439) und BGHZ 42, 210 (215/216). 10 VgI. Boehmer, Grundlagen Bd. H/2, 168 ff.; Stoll, 63; Rümelin, AcP 101 (1907), 361 ff. (362). Vgl. auch §§ 50 H, 735 ZPO und 213 KO, wonach der nicht rechtsfähige Verein hinsichtlich der passiven Partei- und Vollstreckungsfähigkeit mit dem rechtsfähigen (nur?) aus Gründen des Gläubigerschutzes gleichgestellt wurde. 11 Vgl. Enneccerus / Nipperdey, BGB AT,!. Halbbd., § 116 IH; Reinhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 367 ff.; Boehmer, 168 spricht von einer "von Anfang an verfehlten, bewußt tendenziösen Vergewaltigung der Rechtswirklichkeit" und von einer "Diskrepanz zwischen Norm und Leben". In der Tat war sich der Gesetzgeber der "unnatürlichen Zwangseinkleidung" (Boehmer, 169) bewußt, vgI. Mugdan, Mot. I, 640 f .

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52

Kap. H. Bisherige Organhaftung nicht rechtsfähiger Verbände

Zwar halten heute Lehre und Rechtsprechung im Prinzip an § 54 fest1 2 , betrachten also den nicht rechtsfähigen Verein seiner Grundstruktur nach als eine, wenn auch vereinsmäßig modifizierte Gesellschaftl3 , so daß auch formell das Vereinsvermögen als Gesamthandsvermögen und die Mitgliedergesamtheit als Gesamthänderschaft nach §§ 718, 719 BGB behandelt wird l4 • Es wird aber immer wieder betont, daß der nicht rechtsfähige Verein "eigentlich" Verein ist und eine körperschaftliche Verfassung hat l5 • Die Rechtsentwicklung hat diesen "Hybrid "16 in vieler Hinsicht dem rechtsfähigen Verein angeglichen: er wird, soweit es das Geseilschaftsrecht bei extensiver Auslegung irgend zuläßt, als ein selbständiges Gebilde behandelt17 • Zwar bleibt der Zwiespalt zwischen einerseits körperschaftlichem Charakter des nicht rechtsfähigen Vereins, andererseits der grundsätzlichen, verbalen Anwendung des Gesellschaftsrechts; dem § 54 BGB in seinem ursprünglichen Verständnis hat die Rechtsprechung aber den Gehorsam aufgekündigt zugunsten rechtsfortbildender Regelungen praeter und auch contra legem l8 • Bei soziologisch gleichartigem Erscheinungsbild von rechtsfähigem und nicht rechtsfähigem Verein erscheint der Unterschied als "ähnlich dem von Ehe und Konkubinat"19. Die Frage nach der Anwendbarkeit des § 31 BGB auf den nicht rechts~ fähigen Verein stellte sich daher weniger als methodisch~ogmatisches Problem der Organhaftung, als vielmehr als ein solches des nicht rechtsfähigen Vereins und seiner systematischen Einordnung. Das heißt, die hier erstmals diskutierte dogmatische Frage einer Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 31 BGB ist angesichts ihrer praktischen Wichtigkeit für die Haftung insbesondere der nicht rechtsfähigen Gewerkschaften, besonders im Arbeitskampfrecht20 , nur als Bestandteil der Auseinandersetzungen mit dem Politikum des nicht rechtsfähigen Vereins zu 12 Vgl. im einzelnen Rittner, Die werdende juristische Person, 261 - 266 m.w.N. 13 Vgl. etwa RG Gruch. 49,1015: "Ein nicht rechtsfähiger Verein ist also eine Gesellschaft, welche nach Art der juristischen Person organisiert ist." 14 Anders allerdings Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 5 zu § 54, der unter Hinweis auf Art. 9 I und IH GG den § 54 "nicht für bindend" hält; schon Beseler, Jur. Miniaturen, 139, meinte, daß man der "irrationalen Norm" des § 54 S. 2 "den Gehorsam verweigern sollte". 15 Boehmer, 169, nennt ihn eine "Verbandsperson". 18 So W. G. Becker, Das Recht der unerlaubten Handlungen, 511. 17 Vgl. Rittner, 261; BGHZ 42, 210 (215/216). 18 Vgl. Rittner, 262; Schumann, Zur Haftung 3; Boehmer, 172 ff., insbes. 181 ff.; Larenz, Methodenlehre, 389. 19 So Rittner, 262; er schlägt vor (265), den nicht rechtsfähigen Verein als eine juristische Person anzusehen, der der Gesetzgeber die Rechtsfähigkeit verweigert hat. Mit einer solchen contradictio in adiecto "nicht rechtsfähige juristische Person" wäre aber wohl ebensowenig gewonnen wie mit der Bezeichnung eines Konkubinats als "gesetzlich nicht anerkannte Ehe". 20 Vgl. Boehmer, 181.

A. Organhaftung als richterliche Rechtsfortbildung

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verstehen. Dieser Umstand mindert die Verallgemeinerungsfähigkeit vieler vorgebrachter Argumente. 2. § 831 BGB als individualremtliche und § 31 BGB als sozialrechtliche Norm

Soweit methodisch argumentiert wurde, hielten die Gegner einer Analogie zunächst § 31 BGB für eine "singuläre Vorschrift"2t, die nach dem Grundsatz "singularia non sunt extendenda" nicht über den Kreis der juristischen Personen hinaus ausgedehnt werden dürfe. Insbesondere aber erfordere die Anwendung der Organhaftung das Vorhandensein von Organen. Aus der Sicht der Organtheorie aber fehlt dem nicht rechtsfähigen Verein mit der Rechtsfähigkeit auch bei körperschaftlicher Struktur die Gliederung in Organe22: diese haben doch die Aufgabe, einem nicht handlungsfähigen Verband die Handlungsfähigkeit zu verleihen, wohingegen der nicht rechtsfähige Verein als Gesamthandsgemeinschaft selbst, nämlich durch die Gesamtheit der Mitglieder handlungsfähig ist. Auch wenn man nicht der Organtheorie folgt, hat der Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins doch nicht die "Stellung eines gesetzlichen Vertreters" wie der eines rechtsfähigen Vereins (§ 26 II S. 1 BGB), sondern nur die rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Vertretung der Vereinsmitglieder23. Nachdem schon in der älteren Literatur vereinzelt Stimmen für eine Analogie eingetreten waren24 , mehrten sich die B€fürworter angesichts der ständigen Rechtsprechung des RG25, die den nicht rechtsfähigen Verein im deliktischen B€reich nicht aus § 31 BGB, sondern aus § 831 BGB haften ließ. Denn mit dieser Haftung für den Verrichtungsgehilfen, insbesondere mit der Entlastungsmöglichkeit nach § 831 I S. 2 BGB verwickelte man sich bei dem nicht rechtsfähigen Verein in unlösbare Konstruktionsprobleme. Sah man als Geschäftsherrn i. S. des § 831 BGB nur diejenigen Mitglieder an, die bei der - übrigens u. U. geheimen 21 So v. Tuhr, BGB AT, Bd. I, 583; ähnlich auch Bir, Die Haftung der Verbandspersonen, 48 ff.; Nipperdey, Gutachten zum 34. DJT (1926), Bd. I, 395 ff. (412): "Ausnahmevorschrift". 22 Vgl. O. v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit, 11 ff. 23 Vgl. Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 21 zu § 54; Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 116 III 3; Habscheid, AcP 155 (1956), 375 ff. (391); Schumann, Zur Haftung, 26. 24 Oertmann, BGB AT, § 54, 3c; Dernburg, Lehrbuch I, § 66 IV, 79 V; Hachenburg, Das BGB, 487, 488; Hölder, Natürliche und juristische Personen, 352; Stoll, Reichsgerichtspraxis Bd. II, 49 ff. (64) und ders., JW 1928, 1069; Rombach, AcP 120 (1922), 267 ff.; Ehmcke, Deliktshaftung nicht rechtsfähiger Gebilde, 20 - 27; vgl. auch ders., 13 - 20 zum früheren Streitstand. 25 RGZ 91, 72 (74); 135, 243 (244); 143, 212 (214); RG JW 33, 423; RGZ 60, 94 (106) läßt die Frage unentschieden; in der OLG-Rechtsprechung gab es dagegen vereinzelt Urteile zugunsten einer Analogie zu § 31 BGB: OLG Düsseldorf 22, 115; OLG Hamburg JW 24, 1882 mit Anm. Hoeniger; dagegen aber später OLG Hamburg JW 27,2817 mit Anm. Eichholz.

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Kap. 11. Bisherige Organhaftun.g ndcht rechtsfähiger Verbän.de

- Wahl" für den betreffenden Vorstand gestimmt haben, nicht aber die Gesamtheit der Mitglieder, die zwar nicht selbständiger Pflichtträger sein kann, deren Mehrheitsbeschluß jedoch jeder einzelne gegen sich gelten lassen muß, so berücksichtigte man bei dieser stark individualistischen Anschauung nicht hinreichend die Bildung eines körperschaftlichen Gesamtwillens wie sie dem Verbandsrecht eigen ist27 zu schweigen von der Frage, wessen Entlastungsbeweis dann dem Gesamthandsvermögen des Vereins zugute kommen soll, das nur haftet, wenn alle Mitglieder schulden, § 736 ZPO. Doch auch der Versuch, § 831 BGB dadurch sozialrechtlich auszulegen und dem Verbandsrecht dienstbar zu machen, daß man die Gesamtheit der Mitglieder als "BesteIler" i. S. dieser Vorschrift ansah, führte zu Unzuträglichkeiten: billigte man jedem Mitglied die Möglichkeit des Entlastungsbeweises zu, blieb dem Geschädigten der Zugriff auf das Vereinsvermögen wegen § 736 ZPO schon verwehrt, wenn auch nur ein Mitglied den Beweis erfolgreich führte2 8 • Man verlangte daher, daß die entscheidende Mehrheit, die der Wahl des Vorstandes zugestimmt hat, zugunsten des Vereinsvermögens den Entlastungsbeweis führen mußte, so daß etwa der Nachweis, ein Mitglied habe der Wahl widersprochen, dem Verein nichts nutzte, ihm im Gegenteil den Vorwurf einbrachte, die warnende Stimme überhört zu haben29 • Hierdurch war zwar eine Entlastungsmöglichkeit zugunsten des Vereinsvermögens stark eingeschränkt, es entstand jedoch die Unstimmigkeit, daß entgegen dem Gesetzeswortlaut der Geschäftsherr (= MitgIiedergesamtheit) nicht mit dem Führer des Entlastungsbeweises (= entscheidende Mehrheit) identisch warlO• Insbesondere aber erhob sich die Frage, wie es im Falle des Mißlingens eines solchen Mehrheits-Entlastungsbeweises mit der Haftung der Mitglieder bezüglich ihres Privatvermögens stand. Das Reichsgericht entwikkelte eine "absonderliche Hilfskonstruktion":!!, indem es insoweit für jedes einzelne Mitglied einen Entlastungsbeweis nun nur zugunsten der Haftung mit seinem Privatvermögen zuließ32, womit bei der Haftung für deliktisches Fehlverhalten des Vorstandes letztlich eine Beschränkung 28 Die ständige überwachung des Vorstandes durch die Vereinsmitglieder wurde als unzumutbar angesehen, so daß Versäumnisse hierbei als Anknüpfungspunkt für die Haftung aus § 831 BGB ausschieden. 17 Vgl. im einzelnen Schumann, Zur Haftung, 34; Westermann, JuS 1961, 333 ff. (336). 18 Vgl. Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 116 Anm. 43; Schumann, 43; Fabricius, Relativität, 206; Ehmcke, Deliktshaftung nicht rechtsfähiger Gebilde, 8 - 12. It Schumann, 36 m. w. N.; Stoll, Reichsgerichtspraxis Bd. 11, 49 ff. (65); RG LZ 1922, 584; RG Warn. 1912 Nr. 428; RG JW 1913, 723; RG JW 1924, 1155 Nr.19. 30 Schumann, 36. 31 So Karsten Schmidt, DB 1972, 959 ff. (959). 3! Vgl. insbes. RG JW 1933, 423; Schumann, 36, 37 m. w. N.

A. Organhaftung als richterliche Rechtsfortbildung

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auf das Vereinsvermögen erreicht, aber auch - in dem Ergebnis der Nicht-Haftung des einzelnen Mitgliedes mit seinem Privatvermögen eine de facto-Anerkennung des Regelungsinhalts des § 31 BGB ausgesprochen warU. Angesichts dieser Konstruktionsschwierigkeiten bei der Anwendung des § 831 BGB setzte sich die Meinung durch, daß § 31 BGB für körperschaftlich strukturierte Verbände unabhängig von deren Rechtsfähigkeit eher die adäquate Haftungsnorm seis,. Die unter dem Einfluß des römisch-gemeinen Rechtes stark individualistisch ausgestalteten §§ 823 ff. BGB betrachtete man wegen ihres Zuschnitts auf eine lineare GläubigerSchuldner-Beziehung zunehmend als für das verbandsrechtliche Problem der Vereinshaftung unpassend, weil es bei diesem Zurechnungs'problem um die sozialrechtliehe Frage geht, ob und wie weit das Handeln der Organmitglieder in seinen Rechtsfolgen das Verbandsvermögen treffen soll. Während bei dem nach §§ 823 ff. BGB verantwortlichen Einzelsubjekt Wille und Tat bei derselben Person liegen, beruht der Verbandswille auf Mehrheitsentscheidungen und liegt nicht notwendig bei denselben Personen, die die Beschlüsse ausführen. Schon die Bestellung des Vorstandes ist nicht Ausdruck eines Einzelwillens wie bei der Vollmacht, § 166 BGB, sondern ein spezifisch verbandsrechtlicher Vorgang35. An Stelle der mittelbaren Verschuldenshaftung des § 831 BGB, der sich auch nicht "durch Auslegungskünste"lI8 von einer individualrechtlichen in eine sozialrechtliche Norm umgestalten ließ, rückte mehr und mehr § 31 BGB als eine für die Verbandsrepräsentation eigens geschaffene und folglich auch auf den nicht rechtsfähigen Verein "besser passende Vorschrift"37 in den Mittelpunkt. 3. Der Organbegriff beim nicht redltsfähigen Verein

Parallel zu jenen Überlegungen löste man den Organbegriff aus seiner Verknüpfung mit der juristischen Person38• Zunächst hatte der Begriff des Organschaftlichen in untrennbarem Zusammenhang mit der Willensbildung und -äußerung rechtsfähiger Personenverbände gestanden, insofern nach dem Verständnis der Organtheorie die als rechtsfähig anerkannte, aber nicht aus sich selbst heraus handlungsfähige Wirkenseinheit der juristischen Person mit der Einrichtung eines Organs handlungsfähig wirdSt• Insofern besteht ein greifbarer Unterschied zwischen ss Karsten Schmidt, DB 1972, 959; Westermann, JuS 1961, 333 ff. (336). Vgl. Schumann, Zur Haftung, 43 ff. ss Schumann, 43, 55. 3S Schumann, 43. S7 Westermann, JuS 1961,333 ff. (336). 38 Schumann, 54 ff. 8V Vgl. O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 614 ff.; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, 149 ff. S4

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Kap. H. Bisherige Organhaftung nJicht rechtsfähiger Verbände

der juristischen Person und einer nicht rechtsfähigen Personengemeinschaft: die Organträger oder Organpersonen der juristischen Person sind nicht wie Stellvertreter einer anderen Rechtsperson so zugeordnet, daß ihr Handeln an die Stelle des Handeins dieser Rechtsperson tritt und ihr deshalb zugerechnet wird, sondern sie sind als die juristische Person verwirklichende Organe, als in ihrer Zuständigkeit die juristische Person darstellende Organe Teile ihrer selbst40 • Nach diesem ursprünglichen Verständnis passen die Kategorien des Organs und des nicht rechtsfähigen, sei es auch weitgehend von seinen Mitgliedern emanzipierten Personenzusammenschlusses nicht zueinander, denn bei diesem ist die G€samtheit der Mitglieder, die gemeinschaftlich Zurechnungssubjekte von Rechten und Pflichten sind, durchaus als solche handlungsfähig41, wohingegen andererseits das gemeinschaftliche Handeln aller Mitglieder eines rechtsfähigen Verbandes ohne eine besondere Zurechnung seitens des positiven Rechts noch nicht per se Wirkung für und gegen die juristische Person als das verselbständigte Rechtssubjekt entfaltet42 • Durch die Gesamtheit seiner Mitglieder kann auch der nicht rechtsfähige Verein theoretisch handeln, braucht also zur Handlungsfähigkeit wie jede Gesamthandsgesellschaft keine Organe im technischen Sinne der Organtheorie. Praktisch aber ist dies, zum al bei mitgliederstarken Vereinen, kaum möglich. Nicht aus rechtlichen, sondern aus tatsächlichen Gründen, nicht zur Schaffung seiner rechtlichen Handlungsfähigkeit, sondern zur Steigerung der praktischen Handlungs>fähigkeit strukturiert sich der nicht rechtsfähige Verein ähnlich einer juristischen Person48 , denn seine anonym hinter dem Vereinsnamen stehenden, im Sozialleben allein unter diesem Vereinsnamen in Erscheinung tretenden Mitglieder können auf andere Weise schwerlich im Rechtsverkehr handelnd auftreten". Die Stellung seines so notwendigen Vorstandes aber wurzelt wie bei einem rechtsfähigen Verein in der Organisation, aus der heraus er berufen wird, wenn er satzungsmäßig durch den verbandsrechtlichen Vorgang des Beschlusses, nicht eigentlich durch eine individualrechtliche Vollmacht nach den §§ 164 ff. BGB, in die Lage versetzt wird, im Namen des organisierten Personenverbandes über den nur rechtsgeschäftlichen Rahmen hinaus zu handeln.

So aber wird der Organbegriff von der Funktionsfrage zur bloßen Organisationsfrage des Verbandes. Auch bei nicht rechtsfähigen Personenverbänden kann man von Organen sprechen, sofern ihr Aufbau dem eines rechtsfähigen Personenverbandes gleicht, etwa ihre Satzung für 40 Vgl. Rittner, Die werdende juristische Person, 255; H. J. Wolff, Theorie der Vertretung, 238. 41 Vgl. Nitschke, NJW 1969,1737 ff. (1738). 42 Vgl. Westermann, Vertragsfreiheit, 15l. 43 Nitschke,1738. U Schumann, Zur Haftung, 56.

A. Organhaftung allS richterlJiche RechtsfortbiLdung

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die "Geschäftsführung und Vertretung" ganz entsprechende Bestimmungen enthält'5. Organe hat danach - und dieser Sprachregelung sollte man folgen - nicht nur die juristische Person, sondern jeder körperschaftlich strukturierte Verband46 • Die Basis einer Haftung für die Organe nach § 31 BGB wurde entsprechend dieser Inhaltsänderung des Organbegriffs nicht mehr in der Rechtsfähigkeit, sondern in der körperschaftlichen Struktur eines Verbandes gesehen47 • Wegweisend wirkte der Satz Heinrich Stolls': "Die wahren Gegensätze lauten nicht Gesellschaft und juristische Person, sondern Gesellschaft und Verein48." Weil mit der Körperschaftlichkeit weder begrifflich noch sprachgebräuchlich notwendig Rechtsfähigkeit verbunden ist, erschien die Rechtsfähigkeit der nach § 31 BGB haftenden juristischen Person als bloßes Akzidens, als wesentlich rückte ihre kÖrp€rschaftliche Organisation ins Blickfeld. Indem man nun allein die körperschaftlich-organschaftliche Struktur des nicht rechtsfähigen Vereins als für die Anwendung der Organhaftung hinreichend ansah, löste man § 31 BGB aus seiner systematischen Verankerung mit der juristischen Person und entwickelte ihn zum "allgemeinen Grundsatz des Körperschaftsrechts"4D. Neben den obigen konstruktiven überlegungen führte diese Betrachtungsweise dazu, daß auf den nicht rechtsfähigen Verein heute nicht mehr die individualrechtlichen Vorschriften der §§ 831 bzw. 278 BGB zur Anwendung kommen5o, sondern im deliktischen wie im rechtsgeschäftlichen Bereich bei schadensersatzpflichtigem Organverhalten der sozialrechtliche § 31 BGB analog mit der Folge einer auf die Anteile am Vereinsvermögen beschränkten Haftung sämtlicher Mitglieder angewandt wird51 ; dies ebnete den Weg für eine entsprechende Anwendung 45 Vgl. Schumann, 56; H. J. Wolff. 297, 298 spricht insoweit von "organartiger Stellung" der Berufenen; Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 10 zu § 31 spricht von den "organähnlichen Vertretern" des nicht rechtsfähigen Vereins. 4& Vgl. Westermann, Handbuch, Rdnr. 145 ff. 47 Schon Oertmann, BGB AT, § 54, 3 c hob hervor, daß § 31 BGB auf dem Gesichtspunkt des' Vereins als eines sozialen Organismus, nicht auf der rechtstechnischen Besonderheit der Rechtsfähigkeit beruhe. 48 Stoll, Reichsgerichtspraxis Bd. II, 49 ff. (49); ihm folgend Schultze-v. Lasaulx, Festschrift für A. Schultze, 1 ff.; Habscheid, AcP 155 (1956), 375 ff. (410); Rittner, Die werdende juristische Person, 265, 266 wirft Stoll vor, er arbeite mit äquivoken Begriffen, indem er im ersten Satzteil primär juristische, im zweiten primär soziologische Kategorien verwende. 49 So Larenz, BGB AT, § 9 I a. E., S. 106, 107; Wieacker, AcP 147 (1942), 304 ff. (306) spricht von einer "körperschaftlichen Norm"; vgl. auch Schumann, Zur Haftung, 53; Habscheid, AcP 155 (1956), 375 ff. (410); Reinhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 360. 50 Anders freilich die Vertretertheorie, siehe oben Kapitel I B 2. 61 Vgl. oben, Fn. 7. Teilweise wurde früher von den Gegnern der Analogie angenommen, die Anwendung des § 31 BGB müsse wegen § 54 BGB auch zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder ohne Beschränkung auf

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Kap. 11. Bisherige Organhaftung DJicht rechtsfähiger Verbände

des § 31 BGB auch auf andere nicht rechtsfähige Verbände mit "körperschaftsähnlichem Charakter"6!. 4. Die Analogie zu § 31 BGB als Sebeinbegründung für die Organhaftung des niebt rechtsfähigen Vereins

Es ist aber methodisch höchst zweifelhaft, ob man bei der Anwendung des § 31 BGB auf den nicht rechtsfähigen Verein von einer Analogie in Form der Gesetzes- oder Einzelanalogie53 sprechen kann. Wenn auch in dieser Vorschrift ein "Grundsatz des Körperschaftsrechts" Ausdruck finden mag: die Norm selbst ist vom Gesetzgeber für die rechtsfähigen juristischen Personen geschaffen54 • Fehlt einem Verband die Rechtsfähigkeit, so verbietet sich nicht allein eine unmittelbare Anwendung des § 31 BGB. Bei einer methodisch korrekten Analogie müßte vielmehr doch zwischen nicht rechtsfähigem Verein und juristischer Person in gerade solchen Merkmalen eine wesentliche Ähnlichkeit bestehen, die für die Normierung der Organhaftung bestimmend gewesen sind55 • Jede andere Ähnlichkeit ist nicht ausreichend. Die körperschaftlich-organschaftliche Struktur und das Auftreten des nicht rechtsfähigen Vereins im Rechtsverkehr als Einheit stützen daher eine Analogie nicht, denn für den Gesetzgeber war - wie die Untersuchung der dem § 31 BGB zugrund:e liegenden Rechtsgedanken gezeigt hatst - gerade die Rechtsfähigkeit der juristischen Person, ihre eigene Zurechnungssubjektivität für die Normierung der HaftungslÜberleitung entscheidend. Dieses Merkmal der Rechtsfähigkeit läßt sich nicht als "unwesentlich" i. S. der AnalogiemethodologieIl? zurückdrängen: auch für eine analoge Anwendung des § 31 BGB ist ein selbständiges Zurechnungssubjekt neben den Verbandsmitgliedern die tragende Grundlage. Zur Rechtsfähigkeit eines Verbandes gibt es kein Analogon. Ein Verband ist rechtsfähig, wenn ihm die Rechtsfähigkeit durch einen formellen konstitutiven Akt, beim Verein durch Eintragung ins Vereinsregister (§ 21 BGB) oder durch sta'atliche Verleihung (§ 22 BGB) zugesprodie Anteile am Vereinsvermögen führen, so O. v. Gierke, Vereine ohne Rechtsfähigkeit, 19, Fn. 29; vgI. dazu Schumann, Zur Haftung, 61, 62; Larenz, BGB AT, § 10 VI 4, S. 147; Habscheid, 409; Boehmer, Grundlagen Bd. 11/2, 184; Näheres unten, Kapitel 111 B. Es ist anzunehmen, daß der BGH, der bislang noch nicht Stellung bezogen hat, der inzwischen völlig herrschenden Meinung folgen würde. Dies klingt an in BGHZ 42, 210 ff. (216) und BGHZ 50, 325 fl. (329).

Stahlhacke, RdA 1952, 93 ff. (95). Vgl. Larenz, Methodenlehre, 368. &4 VgI. oben, Kapitel I A 7. 65 Herrfahrdt, Lücken im Recht, 43; Larenz, Methodenlehre, 367; Engisch, Einführung, Anm. 166 c; Heller, Logik und Axiologie der analogen Rechtsfindung, 118; Pfänder, Logik, 356, 357; Klug, Juristische Logik, 108, 109, 122 -123. 58 Vgl. oben, Kapitel I A 7. 57 Vgl. Larenz, Methodenlehre, 367 f. 51

S3

A. Organhaftung als richterLiche Rechtsfortbilldung

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chen wurde, sonst nicht58• Man kann es als rechtspolitisch verfehlt ansehen, daß sich § 31 BGB auf juristische Personen beschränkt, doch rechtfertigt dies keine Analogie. Selbst wenn man § 831 BGB wegen seines individualrechtlichen Charakters auf Verbände nicht für "passend" hälts9 , so steht doch im vertraglichen Bereich für schuldhafte Pflichtverletzungen eines Organs § 278 BGB zur Verfügung, so daß jedenfalls insoweit schon das Vorliegen einer für jede Analogie notwendigen Gesetzeslücke fraglich erscheint. Allein die Kategorisierung des § 31 BGB als sozial rechtlich und "pa&send" begründet keine Gesetzeslücke.

Es drängt sich der Verdacht auf, daß es sich bei der ausdehnenden Anwendung des § 31 BGB auf den nicht rechtsfähigen Verein wegen dessen körperschaftlich-organschaftlicher Struktur um eine Scheinbegründung handelt, um den unbilligen Entlastungsbeweis des § 831 I Satz 2 BGB zu vereiteln und dem Geschädigten die Vollstreckung in das Vereinsvermögen zu ermöglichen". Der Vorwurf läßt sich nicht zurückhalten: bei der "analogen" Anwendung des § 31 BGB auf den nicht rechts>fähigen Verein wird mit begriffsjuristisch-positivistischen Methoden unter dem Deckmantel einer analogen Gesetzesanwendung in Wirklichkeit Rechtsfortbildung contra legem getrieben61 • Die von den Absichten des Gesetzgebers eindeutig abweichende Lösung der Haftungsfragen läßt sich verstehen im Rahmen der richterlichen Annäherung des nicht rechtsfähigen Vereins an den rechtsfähigen. Indem im Wege richterlicher Rechtsfortbildung das Vereinsvermögen von den Einzelmitgliedern gelöst und an den Vereinszweck gebunden worden war, hatte sich zunächst vorwiegend auf dem Gebiet rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeiten und des Schadensersatzes bei Vertragsverletrungen aJImählich eine Beschränkung der Haftung auf das Vereinsvermögen, d. h. eine Freistellung der Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins von der im Gesellschaftsrecht vorgesehenen gesamtschuldnerischen Privathaftung herausgebildetGZ. Dies weiterentwickelnd erschien eine Haftungsbeschränkung auch bei Schadensersatzverpflichtungen aus unerlaubter Handlung interessengemäß und folgerichtige:!. Von der Rechtsfolge her bot sich zu diesem Zweck § 31 BGB an. Die Organhaftung des nicht rechtsfähigen Vereins ist ein Teil seiner Annäherung an den rechtsfähi-

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Vgl. SeHert, AcP 175 (1975), 77 ff. (102); Näheres unten, sub C 2 a. Vgl. oben, A 2. Vgl. Nitschke, NJW 1900, 1737 ff. (1741); SeHert, AcP 175 (1975), 77 ff. (103). So auch Nitschke, NJW 1969,1737 ff. (1741). Vgl. dazu BGHZ 50, 325 ff. (329); Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 30 zu

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Vgl. Fabricius, Relativität, 192 f.

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§ 54.

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Kap. H. Bisherige Ol'ganhaftuOlg OIicht rechtsfähi'ger Verbände

gen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung. Unbefriedigend sind nicht diese Ergebnisse, sondern die Etikettierung als Analogie zu § 31 BGB. B. Kritik der analogen Anwendung des § 31 BGB auf die OHG und KG Die entsprechende Anwendung des § 31 BGB auf die dem Gesamthandsprinzip folgenden Handelsgesellschaften OHG und KG ist heute gesicherter Bestandteil des GesellschaftsrechtsM. Auch hier lohnt es sich um des Problems der grundsätzlichen Grenzziehung des Anwendungsbereichs der Organhaftung willen, den Begründungen im einzelnen nachzugehen. 1. Die Organhaftung der PersonenhandelsgeselIsdlaften als rldlterliches Gewohnheitsrecht

Stereotyp wird im Zusammenhang mit der analogen Anwendung des § 31 BGB auf die Personenhandelsgesellschaften von Gewohnheitsrecht gesprochen65 • Die longa consuetudo der Rechtsprechung, die die OHG und KG für schadensersatzpflichtige Handlungen ihrer geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter jedenfalls im deliktischen Bereich nach § 31 BGB analog haften läßt4'6, führt auf eine - bis heute immer wieder erwähnte67 - Leitentscheidung aus dem Jahre 1911 zurück, in der sich das Reichsgericht6S allerdings bei genauem Hinsehen nicht für, sondern gerade gegen eine analoge Anwendung des § 31 BGB auf die OHG ausgesprochen hat. In dieser Entsch.eidung69 findet sich der Satz: "Die OHG haftet nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts für unerlaubte Handlungen, die ein vertretungsberechtigter76 Gesellschafter in Ausführung einer ihm zustehenden Verrichtung begangen hat." 64 Vgl. Staudinger I Coing, Rdnr. 4 zu § 31; Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 11 zu § 31; Erman I H. Westermann, Rdnr. 1 zu § 31; Düringer I Hachenburg I Flechtheim, Anm. 16 zu § 126; RGRK (HGB)-Fischer, Anm. 6 zu § 124 und Anm. 22 zu § 126; Planck I Knoke, Anm. 2 c zu § 31; Cosack, Lehrbuch Bd. I, § 107; Enneccerus I Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 110 Fn. 5; Wieacker, AcP 147 (1942); 304 ff. (306); Nitschke, NJW 1969, 1737 ff. (1740); W. G. Becker, Das Recht der unerlaubten Handlungen, 510; Esser, Schuldrecht AT, 263; Larenz, BGB AT, § 9 I a. E., S. 106, 107; Westermann, JuS 1961, 333 ff. (336); Westermann, Handbuch, Rdnr. 343; Reinhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 269; Kombium, Die Haftung, S. 117 und 119 Fn. 5; Hueck, OHG, § 19 IV; Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (482); Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 204; Brox, BGB AT, Rdnr. 698. es Vgl. etwa Hueck, OHG, § 19 IV; Westermann, Handbuch, Rdnr. 343; Fabricius, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, 171 ff. (180); Soergell Schultzev. Lasaulx, Rdnr. 11 zu § 31; RGRK (HGB)-Fischer, Anm. 22 zu § 126; MüllerErzbach, Deutsches Handelsrecht, 204; Cosack, Lehrbuch Bd. I, § 107; BGH NJW 1952, 537 (538). ee Vgl. insbes. BGH NJW 1952, 537 (538); BGH NJW 1973, 456; BGH VersR 1962,168; BGH VersR 1962, 664; RG JW 1931,1689. e7 Namentlich auch von BGH NJW 1952, 537 (538), der nach dem Krieg insoweit ausführlichsten Entscheidung. 68 RGZ 76, 35 ff., insbes. 48.

B. Kritik der Anwendung des § 31 BGB auf OHG und KG

61

Zitiert wird als Begründung nicht § 31 BGB, sondern eine Reihe nicht veröffentlichter Entscheidungen desselben Senats; § 31 BGB wird in jener Leitentscheidung nur obiter, im Zusammenhang mit der Haftung der Genossenschaft m.b.H. erwähnt. Das Gericht hielt eine positivrechtliche Begründung gar nicht für nötig, weil es nur die Billigkeitsrechtsprechung aus der Zeit vor Inkrafttreten des BGB fortsetzte, die sich bis ins Jahr 1886 zurückverfolgen läßt71 • Danach sah das Reichsgericht72 den entscheidenden Grund für die Haftung der OHG darin, daß die Gesellschaft für Verlet:wngen einzustehen habe, die ihre Gesellschafter durch Ausübung von Machtmitteln in ihrem Interesse bewirken73 . Die Literatur erst unterschob zur dogmatischen Begründung der Organhaftung der Personenhandelsgesellschaften eine Analogie zu § 31 BGB74. Im Grunde ist daher die Organhaftung der OHG und KG zwar gewohnheitsrechtlich von der Rechtsprechung anerkannt, aber nicht als gewohnheitsrechtliche Analogie zu § 31 BGB75, sondern als gewohnheitsrechtliches Richterrecht76. Indes spielt dies keine große Rolle; entscheidend ist hier, ob eine Organhaftung der Personenhandelsgesellschaften mit einer Analogie zu § 31 BGB begründet werden kann. 2. Körperschaftliche Struktur und organscltaftliche Organisation

der Personenhandelsgesellschaften

Als das die Analogie tragende Merkmal wird bisweilen auf das selbständige Auftreten der Personenhandelsgesel1schaften im Rechtsverkehr als Einheit - damit ist wohl § 124 I HGB angesprochen - und auf Vgl. die Analyse von Rittner, Die werdende juristische Person, 258. Inzwischen hält man nicht die Vertretungsmacht, sondern den dem Handelnden zustehenden Tätigkeitsbereich, also seine Geschäftsführungsbefugnis für entscheidend; Näheres unten, Kapitel IV A 2 b. 71 Vgl. Nitschke, NJW 1969, 1737 ff. (1740); Rittner, Die werdende juristische Person, 259. 72 RGZ 15, 121 ff. (123). 73 Auf diese Entscheidung haben spätere Urteile (auch nach Inkrafttreten des BGB) Bezug genommen: RGZ 17, 93 (95); 20, 190 (196); 32, 32 (35); 46,18,20; RG Gruch. 51, 1023 (1024); RGZ 53, 279; RGZ 57, 38; RGZ 76, 35 (48); RGZ 148, 154 (160). 74 Vgl. Rittner, Die werdende juristische Person, 259; die soweit ersichtlich - erste Entscheidung, die § 31 BGB überhaupt im Zusammenhang mit der Deliktshaftung der OHG erwähnt, ist RG LZ 1914, 383. 75 So aber Hueck, OHG, § 19 IV, der von einer "entsprechenden Anwendung", bezüglich deren man von "Gewohnheitsrecht" reden könne, spricht. 78 Schlegelberger / GeBIer, Anm. 25 zu § 126 lassen es offen, "ob § 31 analog anzuwenden ist oder sich ein entsprechender Gewohnheitsrechtssatz entwickelt hat"; vgl. auch BGH NJW 1952, 537, wo von einem "gewohnheitsrechtlichen Satz, daß die OHG und KG für unerlaubte Handlungen und sonstiges Verschulden eines vertretungsberechtigten Gesellschafters wie eine juristische Person für die entsprechenden Handlungen ihrer gesetzlichen Vertreter gemäß § 31 BGB einzustehen hat", die Rede ist. 88

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Kap. H. BiSlherige Organhaftung ndcht rechtsfähiger Verbände

die "körperschaftliche Struktur" von OHG und KG hingewiesen77 • Letzteres muß erstaunen, denn im gesetzlichen Leitbild der Personenhandelsgesellschaften fehlen gerade die eine Körperschaft kennzeichnenden Merkmale78, iIlBbesondere die Fremdorganschaft und die Unabhängigkeit vom wechselnden Mitgliederbestand79• Genau besehen, ließe sich mit dieser Begründung allenfalls eine Analogie zu § 31 BGB bei denjenigen Personenhandelsgesellschaften begründen, die durch besondere Abreden im Gesellschaftsvertrag körperschaftlich ausgestaltet sind, etwa bei der sogenannten kapitalistischen KG, in der "die persönlich haftenden Gesellschafter von Selbstunternehmern und Selbstorganen zu geschäfts:führerähnlichen Drittorganen einer körperschaftlich organisierten Unternehmergemeinschaft werden"80. Von einer "körperschaftlichen Struktur" wird indes im Zusammenhang mit der OHG und KG schon deshalb gesprochen, weil die gesellschaftsvertraglich bewirkte Personen verbindung einen solchen Grad an Verselbständigung erreicht hat, daß das Handeln für den Verband der sd.e umfassenden Personen nicht mehr als fremdwirkendes Handeln für die einzelnen Mitglieder, sondern als Eigenhandeln des Verbandes selbst zu werten ist, und weil - unabhängig von einer vereinsmäßigen Verfassung - die Rechtsmacht der geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafter in der Organisation der PersonenhandelsgeseIlschaft begründet und nur durch den Gesellschaftsvertrag veränderbar ist. Der Begriff der körperschaftlichen Struktur wird in diesem Sinne restriktiv verwandt und fast synonym mit dem der "organschaftlichen Organisation" der Personenhandelsgesellschaft gebraucht81, womit wieder der Organbegriff in den Mittelpunkt rückt. Zwar bedarf die OHG ebensowenig eines Organs im technischen Sinne der Organtheorie wie der nicht rechtsfähige Verein, um dadurch handlungsfähig zu werden, denn als nichtrechtsfähige Gesamthandsgesellschaft könnte sie selbst durch die Gesamtheit ihrer Gesellschafter handeln. Wenn das Recht im gesetzlichen Leitbild der OHG gemäß der §§ 105 ff. HGB jedem einzelnen Gesellschafter Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht zuweist, dann macht es die OHG dadurch nicht handlungsfähig, sondern nur praktisch handlungsfähigerB 2• Aber der Umfang 77 Vgl. BGH NJW 1952, 537; W. G. Becker, Das Recht der unerlaubten Handlungen, 510; Hueck, OHG, § 19 IV; Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 11 zu § 31; Schumann, Zur Haftung, 48 ff. m. w. N.; BGHZ 45, 311 (312). 78 Vgl. den Katalog von Anforderungen an eine "voll entwickelte Körperschaftsverfassung" bei O. v. Gierke, Gutachten zum 19. DJT (1888), Bd. H, 259 ff. (298). 78 Vgl. Nicknig, Die Haftung, 38, 39; Nitschke, Personengesellschaft, 38, 94 ff. 80 Vgl. Boesebeck, Die kapitalistische KG, 17, und schon Würdinger, Gesellschaften Bd. 1,157. 81 Vgl. Beuthien, DB 1975, 725 ff. (726). 81 Vgl. Nitschke, NJW 1969,1737 ff., 1739.

B. Kritik der Anwendung des § 31 BGB auf OHG und KG

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der Befugnisse und die Selbständigkeit der Stellung sind es, die den geschäftsführungs... und vertretung,sberechtigten Gesellschafter einer ORG als Organ erscheinen lassen, das als Glied der Organisation in ihrem Namen tätig:ist83. Der Geschäftsführer repräsentiert die ORG, der Zweck seines Randelns und die von ihm eingesetzten Mittel kennzeichnen sein Tun als das der ORG-Gesellschafter in ihrer Verbundenheit, wenn er über die unter der Firma zusammengefaßten und in gewisser Weise verselbständigten Mittel der Gesellschaft disponiert (§§ 114, 124, 125 RGB)84. Diese Ähnlichkeit im äußeren Erscheinungsbild mit dem Vorstand einer juristischen Person rechtfertigt für diesen Gesellschafter die Verwendung des (untechnischen) OrganbegriffsU.

Das bedeutet: Der von der Organtheorie ursprünglich allein für die rechtsfähige, erst durch ihre Organe handlung,sfähige juristische Person entwickelte Begriff der Organschaft86 , der dann bei der Anwendung auf den nicht rechtsfähigen Verein zum Organisationsbegriff für Körperschaften unabhängig von ihrer Rechtsfähigkeit geworden war87, erfährt hier durch den Verzicht auf die wesentlichen Elemente körperschaftlicher Struktur eine weitere Dehnung88• Schon weil bei der (nicht eigentlich körperschaftlich strukturierten) ORG kraft Gesetzes jeder Gesellschafter für sich allein geschäftsführungs- und vertretungsberechtigt ist (§§ 115, 125 RGB), ähnelt seine Stellung der eines von der Rechtsordnung und vom gemeinsamen Willen aller Verbandsmitglieder eingesetzten Organwalters so sehr, daß man auch hier von Organschaft, z. B. von organschaftlicher Vertretung sprechen kannSt. Dieser auf einem untechnischen Vgl. H. J. Wolff, Theorie der Vertretung, 297 f. Vgl. Beuthien, DB 1975,725 ff. (726); Kämmerer, NJW 1966, 801 ff.; Westermann, Handbuch, Rdnr. 343. 85 Vgl. schon Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 204. 81 Siehe oben, Kapitel I A 3. 87 Siehe oben, sub A 3. 88 Damit wird zur Basis der Anwendung des § 31 BGB unabhängig von der Rechtsfähigkeit des Verbandes, unabhängig auch von seiner körperschaftlichen Struktur allein seine "organschaftliche Organisation". Nach Beuthien, 724, entspricht diese Entwicklung dem § 89 I BGB, der die Organhaftung auf die Stiftung für entsprechend anwendbar erklärt, denn diese besitze Verwaltungsorgane ohne einen Körperschaften sonst kennzeichnenden Mitgliederbestand. Damit mag zwar die Notwendigkeit einer körperschaftlichen Struktur für den nach § 31 BGB haftenden Verband widerlegt sein, nicht aber die für die Organhaftung entscheidende Rechtsfähigkeit - auch die Stiftung ist rechtsfähig. 88 Vgl. Westermann, Vertragsfreiheit, 151; H. Westermann, Handbuch, Rdnr. 145 ff., insbes. 147; Staudinger / Geiler / Keßler, Rdnr. 4 und 5 zu § 714; H. J. Wolff, Theorie der Vertretung, 297, 298. Ein Teil des Schrifttums allerdings verweigert den für Personenhandelsgesellschaften handelnden Gesellschaftern die Qualifikation als Organ, vgl. Groschuff, JW 1939, 425 f.; Küster, Inhalt und Grenzen, 26. Zum Teil wird andererseits der Begriff heute noch weiter ausgedehnt und als organschaftlich jede auf die Organisation des Gesellschaftslebens bezogene Zuständigkeit einzelner Personen oder nicht mit der Gesell83

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Kap. II. Bisherige Ol'ganhaftung nicht rechtsfähiger Verbände

Organbegriff beruhenden Ausdrucksweise bedient sich auch der Bundesgerichtshof, der die für die praktische Rechtsanwendung bedeutungslose Frage nach der rechtlichen Natur der Vertretung bei der OHG und KG als gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicherDO auf sich beruhen läßt und mit Hueck:91 und Geßler 92 einfach von "organschaftlicher Vertretung" sprichj;93. Man wird - besonders im Hinblick auf § 124 I HGB - auch dieser Sprachregelung folgen und insoweit von einer organschaftlichen Organisation der Personenhandelsgesellschaften sprechen können. 3. Die methodismen Unzulänglichkeiten einer analogen Anwendung des § 31 BGB auf Personenhandelsgesellsmaften

Wenn aber diese körperschaftlich-organschaftliche Betrachtungsweise der Personenhandelsgesellschaften nach herrschender Meinung die analoge Anwendung des § 31 BGB stützen sollN, dann ist dies methodisch unzureichend. Nach ganz überwiegender Ansicht ist die OHG nicht juristische Person, sondern echte Gesamthandsgesellschaft95 • Weder § 124 I HGB noch die Bezeichnung der Geschäftsführer als Organe bei extensiver Auslegung des Organbegriffes bewirken jene Rechtssubjektivität des Verbandes, die bei der Normierung der Organhaftung nach § 31 BGB die entscheidende Grundlage war, ohne die eine Anwendung per analogiam ebensowenig wie für den nicht rechtsfähigen Verein zu begründen ist. Daran ändert auch nichts, daß die Personenhandelsgesellschaft als schaftergesamtheit identischen Personenmehrheit angesehen (etwa "Kontrollorgan"), vgl. Westermann, Vertragsfreiheit, 152; Fischer; NJW 1954, 777 ff. (778); Wiedemann, Übertragung und Vererbung, 371; H. J. Wolff, VerwR II, § 74 I f: Organ als "relativ selbständige Funktionseinheit einer Ganzheit", der "die Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Verbandes oder einer organisatorisch verselbständigten Vermögensmasse" obliegt; vgI. auch Wiedemann, WM-Sonderbeilage 4/1975, 15, der den Organbegriff der juristischen Person von dem des Verbandsrechts unterscheidet. Westermann, Vertragsfreiheit, 151 Fn. 148, glaubt in einer Rechtssubjektivierung des Unternehmens die Ursache für dieses Organverständnis sehen zu können, "die schließlich - bei der Einmanngesellschaft - dazu führen kann, daß wirtschaftlich das Unternehmen Rechtssubjekt und der Unternehmer sein Organ ist". 90 VgI. dazu Westermann, Handbuch, Rdnr. 192; RGRK (HGB)-Fischer, Anm. 3 zu § 125; Buchner, AcP 169 (1969), 483 ff. (500). U1 Hueck, OHG, § 20 I, S. 277, 278 Fn. 2. U! Schlegelberger 1 Geßler, Anm. 2 zu § 125. 93 BGHZ 33,105 (108); 36, 295; dagegen Buchner, 502, der eine Rückbesinnung auf die dogmatischen termini technici fordert. u, Für BGH NJW 1952,537 folgt die Haftung der OHG für ihren Geschäftsführer "aus seiner Stellung als handlungsberechtigtes Organ der Gesellschaft". 95 Vgl. RGZ 79, 143 (146); 84, 108 (110); 102, 301; 136, 270; 141, 277 (280); 165, 203; Hueck, OHG, § 3 IV m. w. N.; Westermann, Handbuch, Rdnr. 48; RGRK (HGB)-Fischer, Anm. 7 zu § 105. Die alte Lehre von der OHG als juristischer Person (Kohler, ZHR 74, 456 ff. und Arch. BürgerI. Recht 40, 229 ff. sowie Wieland, Handelsrecht Bd. I, 396 ff.) ist überwunden; vgI. aber neuerdings Reinhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 56 und 108, der kein "grundsätzliches Hindernis, die OHG als juristische Person zu bezeichnen", sieht.

B. Kritik der Anwendung des § 31 BOB BlUf OHG und KG

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eine "Übergangsfonn"" zur juristischen Person bezeichnet wird, die "mehr als Gesamthand und weniger als Rechtsperson"97 ist, die "in mancher Beziehung jenen Rechtsgebilden (den juristischen Personen) ähnlich"98 erscheint und die sich in der Verselbständigung des Vennögens "in der Tat einer juristischen Person nähert"99. Es mag materiell nicht sehr bedeutsam sein, daß die aHG und KG nicht juristische Personen sind, weil die Selbständigkeit nach außen durch § 124 HGB gesichert is,t und die gesamthänderische Bindung des Gesellsch.aftsvennögens weitgehend den Zustand schafft, der bestehen würde, wären aHG und KG selbst Träger des Gesellschaftsvennögens1oo. Die Rechtsordnung hat aber den Personenhandelsgesellschaften keine Rechtsfähigkeit verliehen, Rechtsträger bleiben die Gesellschafter, wenn auch in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, weil Personen(handels)gesellschaften in ihrer Vennögenszuständigkeit der Erben- und der Gütergemeinschaft, nicht der juristischen Person nachgebildet sind101 • § 124 I HGB betont das Auftreten der aHG unter einheitlicher Finna; es fehlen in dieser Vorschrift im Gegensatz zu den §§ 13 I GmbHG, 17 I GenG in bezug auf die Gesellschaft die Worte "als solche"lo2, weshalb nur die Gesellschafter als Träger von Rechten und Pflichten in Betracht kommen und etwa EigentUlllS>erwerb der aHG nicht Alleineigentum der Gesellschaft "als solcher", sondern Gesamthandseigentum ihrer Gesellschafter begründetl°3 • Nur diejenigen Literatunneinungen, die wie Fabricus104 und Reinhardt105 den Gesamthandsgesellschaften selbst eine Zuordnungssubjektivität zuerkennen, könnten möglicherweise eine methodisch korrekte Analogie zu § 31 BGB konstruieren; die herrschende Meinung dagegen, die von der Solidarzuständigkeit der Gesamthänder ausgeht, bleibt dem Vorwurf ausgesetzt, daß ihre "analoge" Anwendung des § 31 BGB auf die aHG und KG nur die Ausschaltung des unbilligen Entlastungsbeweises nach § 831 I Satz 2 BGB rechtfertigen soll, die Hinweise auf das einheitliche Auftreten im Rechtsverkehr und eine körperschaftlich-organschaftliche Struktur der Personenhandelsgesellschaften nur die fehlende RechtsfäHueck, OHG, § 3 IV. Brecher, Festschrift für A. Hueck, 233 ff. (247). 88 RGZ 102,302, Zusätze in Klammern vom Verf. 89 RGZ 136,406; H. Westermann, Handbuch, Rdnr. 48, 49 und 69. 100 Vgl. Westermann, Handbuch, Rdnr. 69. 101 Rittner, Die werdende juristische Person, 253 ff. und ders., AcP 175 (1975), 464 ff. (469). 102 Vgl. RGRK (HGB)-Fischer, Anm. 7 11 zu § 127; Kornblum, Die Haftung, 115. 103 Vgl. RGRK (HGB)-Fischer, Anm. 7 11 zu § 127; Heymann / Kötter, übersicht vor § 105, Anm. 5, S. 308. 104 Fabricius, Relativität, 163 ff. bezeichnet die OGH als "Teilperson mit Teilrechtsfähigkeit" . 105 Reinhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 37 ff. und 187 ff. 98

U7

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Kap. H. Bisherige Organhaftung nicht rechtsfähiger Verbände

higkeit eskamotieren und damit eine latente Rechtsfortbildung der nur für juristische Personen normierten Organhaftung als Gesetzesanwendung per analogiam tarnen sollen. Wenn man die OHG wegen ihrer Annäherung an die juristische Person für die Gesellschafter haften läßt, dann ist dies (bei zugestandener Gerechtigkeit des Ergebnisses) eine "begriffsjuristische Scheinbegründung"l06. Dieser Eindruck wird durch folgende Beobachtung verstärkt: Es mag bei der OHG und KG Vertragsgestaltungen geben, die eine Möglichkeit, das Gesellschaftsvermögen über § 831 BGB für deliktisches Handeln des Geschäftsführers in Anspruch zu nehmen, schon tatbestandlieh ausschließen. So wird etwa eine Geschäftsherrenstellung der Gesellschaftergesamtheit eindeutig beseitigt, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag ein Gesellschafter allein geschäftsführungs- und vertretungs befugt ist, während alle übrigen von der Geschäftsführung und Vertretung sowie von ihren Kontrollrechten ausgeschlossen sind. Hier könnte man unter Hinweis auf die Untauglichkeit der Individualnorm des § 831 BGB für verbandsrechtliche Zurechnungsprobleme jedenfalls eine Gesetzeslücke bejahen. Aber auch wenn etwa ohne Schwierigkeiten § 831 BGB angewandt werden könnte, etwa weil der allein vertretungsberechtigte Gesellschafter einer OHG nach dem Gesellschaftsvertrag eine angestelltenähnliche weisungsgebundene Position einnimmt, von der Gesellschaftergesamtheit bestellt und abberufen, von ihr angewiesen und überwacht wird, dann wird trotzdem § 31 BGB "entsprechend" angewandt. Hier ist das Bestreben maßgebend, den Entlastungsbeweis des § 831 I Satz 2 abzuschneiden107 • Bei der unhaltbaren Begründung mit einer Analogie zu § 31 BGB für diese Organhaftung schimmert die blanke Konstruktion durch, denn zur Rechtsfähigkeit kann es in Wirklichkeit kein Analogongeben. Auch die Versuche, eine Analogie teleologisch mit der ratio des § 31 BGB zu begründen, weil auch die der juristischen Person angenäherte OHG einer natürlichen Person haftungsmäßig gleichzustellen sei, müssen scheitern. Abgesehen davon, daß analogiemethodologisch die teleologischen Gesichtspunkte bei der Wertung des ungeregelten Sachverhaltes als dem geregelten ähnlich nur eine zweitrangige Rolle spielen können, wird doch bei einer Organhaftung der OHG gerade umgekehrt eine Mehrheit natürlicher Personen der juristischen Person mit der Folge gleichgestellt, daß die natürlichen Einzelpersonen als Gesellschafter für das Handeln einer anderen natürlichen Person, des Organs, wie eine juristische Person für das Handeln ihrer OrganE' haften muß. 108

So Nitschke, NJW 1969, 1747 ff. (1741); zustimmend Sellert, AcP 175 (1975),

107

Vgl. auch Nitschke, 1739.

77 ff. (103).

C. Zurechnung von Geschäftsführer-Versch. bei der BGB-Ges.

67

Die Zurechnung des Organverschuldens bei den PersonenhandelsgeseIlschaften ist daher in der Begründung mit einer Analogie zu § 31 BGB gänzlich unbefriedigend.

c.

Die Zurechnung von Geschäftsführer-Verschulden bei der BGB-Gesellschaft

Im Rahmen der gegenwärtigen Auseinandersetzung um die Anwendbarkeit der Organhaftung auf die BGB-Gesellschaft kehren viele schon im Zusammenhang mit dem recht.fähigen Verein und den Personenhandelsgesellschaften vorgebrachten Argumente, freilich mit umgekehrten Vorzeichen, wieder. Die Diskussion ist daneben durch den Streit um die Anwendbarkeit des § 831 BGB auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und um die Rechtsnatur der Gesamthand gekennzeichnet. Hier kommt es gleichsam zum Schwur. Man kann eine Organhaftung des nicht rechtsfähigen Vereins rechtfertigen mit dessen Sonderstellung und der Aufgabe, die gesetzgeberische Fehlleistung des § 54 BGB in ihren Auswirkungen zu reduzieren; man kann der OHG und KG eine Sonderstellung einräumen, weil hier die Organhaftung ohnehin richterliches Gewohnheitsrecht ist. In diesen Fällen mag man die "analoge" Anwendung des § 31 BGB für eine falsa demonstratio der im Ergebnis unzweifelhaften Organhaftung halten, die non nocet und die nicht die Voraussetzungen dieser Vorschrift und eine "Entsprechung" des Sachverhalts, sondern unabhängig davon nur die anderweitig legitimierten Rechtsfolgen des § 31 BGB anspricht. Bei der BGB-Gesellschaft aber kommt ein solches Ausweichmanöver nicht in Betracht. Der Streit um die Organhaftung ist hier ein Streit um die dogmatischen Prinzipien. 1. Kritik der eine Organbaftung ablehnenden herrschenden Literatur und Rechtsprechung

Nach herrschender Literaturmeinung108 und der Rechtsprechung109 findet eine analoge Anwendung des § 31 BGB auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach den §§ 705 ff. BGBll0 nicht statt. lOB Vgl. Staudinger / Keßler, Rdnr. 17 zu § 713 und 5 zu § 714; Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 11 zu § 714 und 9 zu 718; RGRK (BGB)-Fischer, Rdnr. 9 zu § 714; Westermann, Handbuch, Rdnr. 380; Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse, § 178 B 3, S. 747; Larenz, BGB AT, § 9 I a. E., S. 107; Schumann, Zur Haftung, 53; Geigel, Der Haftpflichtprozeß, 1186. 108 BGHZ 45, 311 (312). Außer diesem Urteil aus dem Jahre 1966 liegt, soweit ersichtlich, keine höchstrichterliche Entscheidung vor. 110 Im folgenden ist von einer Gesellschaftsvermögen besitzenden BGBAußengesellschaft die Rede, vgl. dazu Westermann, Handbuch, Rdnr. 33; auf BGB-Gesellschaften ohne Gesamthandsvermögen oder mit Bruchteilsvermögen kann § 31 schon mangels eines Sondervermögens keine Anwendung finden.

68

Kap. 11. Bdsherige Organhaftullig ndchJt rechtsfähiger Verbände

a) Der geschäftsführende Gesellschafter als Organ der BGB-GeseUschaft Dies wird nahezu gleichlautend damit begründet, daß die BGB-Gesellschaft "anders als die offene Handels- und die Kommanditgesellschaft zuwenig körperschaftlich organisiert" sei, als daß man "die für sie handelnden Gesellschafter als ihre Organe bezeichnen könnte " 111, auch trete sie im Rechtsverkehr nicht als Einheit auf.

Was also beim nicht retion eine ähnliche Bedeutung hat wie die Satzung für einen Verein121 , auch sachlich abgesonderte Zuständigkeiten zugewiesen werden. So wenig bei der OHG und KG Bedenken bestanden, den ges'etzlichen Typus als organschaftlich organisiert zu bezeichnenl22 , so wenig sollte man zögern, wese Sprachregelung auf diejenigen BGB-Gesellschaften auszudehnen, bei denen im Rahmen der Vertrags freiheit von der Gesamtgeschäftsführungs:- und Gesamtvertretungsbefugnis nach §§ 709, 714 BGB zugunsten einer § 710 oder § 711 BGB entsprechenden Organisation abgewichen wurde 123 • Für die Bezeichnung des geschäftsführenden Gesells;chafters als Organ kann es auch hier nicht erheblich sein, daß die Organisation der Gesellschaft auf einem schuldrechtlichen Organisationsvertrag, nicht auf einer vereinsrechtlichen Satzung aufbaut124 • Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die BGB-Gesellschaft nicht - wie nach § 124 I HGB die Personenhandelsgesellschaften - im Rechtsverkehr als Vgl. oben, sub B 2. Vgl. Beuthien, DB 1975, 725 ff. (729). 120 Vgl. Düringer I Hachenburg I Geiler, Allgern. Einl., Rz. 136; Nitschke, Personengesellschaft, 94, 95; Staudinger I Keßler, Rdnr. 17 zu § 713; RGRK (BGB)-Fischer, Anm. 2 zu § 714; vgl. auch BGH NJW 1971, 1698, wonach sich bei der Umwandlung einer KG in eine BGB-Gesellschaft die organschaftliche Vertretungsmacht in eine rechtsgeschäftliche verwandeln soll; dazu Nicknig, Die Haftung, 43. 121 Vgl. Beuthien, 729; Nicknig, 43; Brecher, Festschrift für A. Hueck, 233 ff. (243); Fabricius, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, 171 ff. (187/188). 122 Siehe oben, sub B 2. 123 Vgl. Beuthien, 729; Nicknig, 43; Nitschke, Personengesellschaft, 100 Fn. 22; Esser, Schuldrecht BT, § 95 V 1 und § 173, S. 710; Fabricius, Gedächtnisschrift, 188; Pawlowski, ZHR 136 (1972), 69 ff. (73); a. A. z. B. Rittner, Die werdende juristische Person, 257 mit Hinweisen auf die ältere Literatur, die nur juristischen Personen Organe zuerkennt. 1%4 Fabricius, Gedächtnisschrift, 188; Brecher, 243. 118 119

70

Kap. II. Bisherige Organhaftung ndcht rechtsfähizurechnung bei der OHG demonstrieren. aa) Fallgruppe 1: Unerlaubte Handlung eines oder mehrerer geschäftsführungsbefugter Gesel1schafterl5l einer OHG Neben dem Privatvermögen jedes einzelnen delinquenten Geschäfts.führers will der Geschädigte das Gesellschaftsvermögen in Anspruch nehmen, wozu er einen Titel gegen die Gesellschaft braucht, § 124 II HGB. Der hierfür materiell erforderliche Anspruch ergibt sich keinesfalls aus der individualrechtlichen Haftungsvorschrift des § 831 BGB, für die es, abgesehen von der diffizilen Frage der Geschäftsherrenstellung, tatbestandlich immer152 am Erfordernis der WeiSIUngsgebundenheit des 147 § 278 II AktG verweist in vollem Umfang auf die Vorschriften über die KG, die ihrerseits in § 161 II auf §§ 105 ff. HGB verweisen und insoweit § 128 HGB für anwendbar erklären. 148 Das heißt aber nicht, daß die persönliche Gesellschafterhaftung nach §§ 31 BGB i. Verbg. m. 128 HGB subsidiär wäre, etwa im Sinne einer Einrede der Vorausklage; vielmehr haften die Gesellschafter, wie regelmäßig, primär und unmittelbar; vgl. Westermann, Handbuch, Rdnr. 361; Kornblum, Die Haftung, 84, 90 ff., 127, 128; Schünemann, Grundprobleme, 140, 141; Flume, Festschrift für Rudolf Reinhardt, 223 ff. 149 Ähnlich im Aufbau: Beuthien, DB 1975, 725 ff. (726). 150 Die Vielzahl möglicher Fallgestaltungen ist unübersehbar. 151 Zur Entbehrlichkeit der Vertretungsmacht für die deliktische Organhaftung im einzelnen unten, Kapitel IV und V. 152 a. A. wohl Beuthien, 727; Kornblum, Die Haftung, 43; Esser, Schuldrecht BT, § 95 V 1, 290.

8 Martlnek

114

Kap. III. § 31 BGB als allgemeines Ha&ngsprinzip

geschäftsführungsbefugten Gesellschafters fehlt, der regelmäßig als Partner, nie als bestellter Gehilfe handelt. Vielmehr ist im Wege der "Zurechnung" des Verschuldens an den Verband eine Organhaitung der Gesellschait nach §§ 823, 31 BGB für die unerlaubte Handlung des Geschäftsführers zu befürworten, der die Gesellschafter-Gruppe als ihr Organ repräsentiert, also die schadensersatzpflichtige Handlung "für Rech.nung der Gesellschaft" beging. Daneben haften die Gesellschafter persönlich nach § 128 S. 1 HGB als Gesamtschuldner - übrigens natürlich auch der delinquente Geschäftsführer, der also mit seinem Privatvermögen nach § 823 als Individuum und nach §§ 823, 31 BGB, 124, 128 S. 1 HGB als Gruppenmitglied einzustehen hat1 53• bb) Fallgruppe 2: Gemeinschaitliche unerlaubte Handlung aller OHGGesellschafter, die sämtlich G€schäftsführungsbefugnis besitzen Neben der gesamtsch.uldnerischen Haftung der G€sellschaiter mit ihrem Privatvermögen, §§ 823, 830 I, 840 I BGB, muß dem Geschädigten auch der Zugriff auf das Gesellschaitsvermögen offenstehen, nachdem die unerlaubte Handlung von den Gesellschaitern gerade in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, somit "für Rechnung" des Gesellschaftsvermögens begangen wurde. Es bedürfte hierzu eines Zwangsvollstreckungs;titels gegen die OHG. Unabhängig davon, ob hier schon per se eine Gesellschaftsschuld gegeben ist, weil die Gesellschaitergesamtheit als Gruppe deliktisch mit Gesellschaftsbezug gehandelt hat, interessiert die konstruktiv-dogmatische Lösung dieses Falles im System einer einheitlichen organschaftlichen Verschuldenszurechnung. Die fortgebildete Organhaftung nach § 31 BGB scheint insoweit schwerlich zu passen, denn sie beruht auf dem Gedanken der organschaftlichen Repräsentation und bewirkt eine Zurechnung der Handlungen des Repräsentanten an den Repräsentierten. In dieser Fallgruppe aber sind beide identisch: die gemeinschaftlich deliktisch handelnden OHG-Gesellschafter repräsentieren nicht die Gesellschaft, d. h. die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zu einer Gruppe, wie es ein einzelner geschäftsführungsbefugter Gesellschafter als Organ täte (Fallgruppe 1), sondern sie sind diese Gesellschaft; eine organschaftliche Repräsentation erübrigt sich insoweit. Zwingend aber ist hier auf der Grundlage der fortgebildeten Organhaftung im Wege eines argumentum a minore ad maius die Haftung der Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen zu konstruieren, ohne daß 153 a. A. freilich wieder Flurne, Festschrift für Westermann, 119 ff. (143), vgl. oben Fn. 145.

B.

Konseque~en

der verbaoosrechtlJichen Organhaiitung

115

man der OHG deshalb gleich "Deliktsfähigkeit" zuzuerkennen braucht1M. Daher haftet für das gemeinschaftliche Delikt ihrer geschäftsführungsberechtigten G€sellschaftergesamtheit die OHG "erst recht" nach §§ 823, 31, BGB, 124 HGB. Daneben tritt auch hier die akzessorische Haftung der einzelnen Gesellschafter als Gesamtschuldner mit ihrem Privatvermögen gemäß § 128 S.l HGB166. cc) Fallgruppe 3: Unerlaubte Handlung eines nicht geschäftsführungsbefugten weisungsabhängigen G€sellschafters einer OHG Ist ein Gesellschafter nicht durch den Gesellschaftsvertrag zum Geschäftsführer und damit zum organschaftlichen Repräsentanten der G€seIlschaft berufen, noch kraft seiner Selbständigkeit und Eigenverantwortung einem Organ in der Repräsentation gleichzustellenl58 , sondern lediglich für einen Einzelfall tatsächlich weisungsgebunden mit nur einer Verrichtung beauftragt (vom Partner faktisch zum Gehilfen degradiert), so kommt zwar eine Haftung der Gesellschaft nicht für diesen unmittelbar aus §§ 823, 31 BGB, 124 HGB, wohl aber für den oder die weisungsberechtigten geschäftsführungsbefugten Gesellschafter aus §§ 831 I S. 1, 31 BGB, 124 HGB - also mit der Möglichkeit eines Entlastungsbeweises - in Betracht.Weil der weisungsberechtigte G€schäftsführer nicht für sich als Einzelgesellschafter, sondern im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis für die G€sellschaft die Weisungen erteilt, wird der Gruppe als ganzer zwar nicht die Geschäftsherrenstellung des § 831 BGB zuerkannt (also eine individualrechtliche Norm sozialrechtlich umgedeutet)157, jedoch haftet die Gesellschaft für das Auswahl- oder überwachungsverschulden ihres Organs wiederum nach §§ 831, 31 BGB, 124 HGB. Nicht für die unerlaubte Handlung des weisungsunterworfenen Gesellschafters wird unmittelbar gehaftet - dessen Gesellschaftereigenschaft ist, solange er nicht zugleich Organ oder organgleicher Repräsentant ist - insofern unbedeutend, sondern für die unerlaubte Handlung des weisungsberechtigten Organs nach § 831 BGB. Daneben haften sämtliche G€sellschafter mit ihrem Privatvermögen nach § 128 S. 1 HGBl58; übrigens natürlich auch der weisungsunterworfene Schädiger als G€sellschaftsmitglied. Als solches hat er in diesem praktisch wohl seltenen Spezialfall über das Verschulden des Mitgesell154 So aber Beuthien, 726; der Rechts- und Handlungsfähigkeit der Personenhandelsgesellschaft nach §§ 124 I, 161 11 HGB müsse ihre Deliktsfähigkeit nach § 31 BGB "analog" entsprechen. Zu Unrecht beruft er sich auf Kornblum, Die Haftung, 74, der diesen Fall nicht behandelt. 155 a. A. wieder Flume, vgl. oben Fn. 145. 158 Dazu Kapitel IV und V. 157 So aber Beuthien, 727 und 728; vgl. zu den Konstruktionsschwierigkeiten bei der Geschäftsherrenstellung schon oben, KapitelllA 2. 158 a. A.wieder Flume, vgl. oben Fn. 145.

8-

116

Kap. III. § 31 BGB als aUgemeines Haftungsprinzip

schafters, für das die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Gruppe und jeder einzelne privat kraft Akzessorietät haften, im Ergebnis auch mit seinem Privatvermögen für Fehler in seiner eigenen Auswahl und überwachung einzustehen. 2. Die organschaftliche Verschuldenszurechnung bei der BGB-Gesellschaft 159

Erheblich komplizierter als bei den Personenhandelsgesellschaften ist die organschaftliche Verschuldenszurechnung in die Dogmatik der BGB-Gesellschaft einzubetten.

a) Der vertragliche Bereich aa) Doppelverpflichtungs- und Akzessorietätstheorie Hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit im Rahmen vertraglicher Beziehungen das schadensersatzpflichtige Fehlverhalten einzelner Gesellschafter nach § 278 oder § 31 BGB zu Lasten der Mitgesellschafter wirkt, ist zwischen der Gesamthandsschuld aller Gesellschafter als BGB-Gesellschaft und der Gesamtschuld jedes einzelnen Gesellschafters zu unterscheiden. In das System der Doppelhaftung der BGB-Gesellschafter für die von ihnen gegenüber Dritten eingegangenen Verbindlichkeiten, für die sie also als Gesamthandsschuldner mit ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen und zum anderen als Gesamtschulder mit ihrem Privatvermögen einzustehen haben160 , ist eine organschaftliche Verschuldenszurechnung nur unter Berücksichtigung der dogmatischen Modelle einzufügen, die sich um eine Erklärung dieses Nebeneinanders von Gesamthandsschuld und Gesamtschuld bemühen. Nicht jener Streit zwischen Erfüllungs- und Haftungstheorie zum Inhalt und zum Verhältnis von Gesamthandsschuld und Gesamtschuld161, sondern allein die umstrittene Frage, wie ihr Nebeneinander überhaupt erst entsteht, ist in diesem Zusammenhang von Interesse. 159 Im folgenden ist nur von der gesamthänderisch strukturierten BGBAußengesellschaft die Rede. 160 Vgl. RGRK (BGB)-Fischer, Anm. 9 zu 714; Staudinger / Keßler, Rdnr. 67 zu § 705; Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 9 zu § 718; Westermann, Handbuch, Rdnr. 379; Hueck, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 1; Nicknig, Die Haftung, 6 ff.; Kornblum, Die Haftung, 35 ff. und S. 9 Fn. 5 zur neueren Rechtsprechung; Flume, Festschrift für H. Westermann, 119 ff. (120, 123); J. Blomeyer, JR 1971, 397 ff. (402); a. A. insbes. Buchner, AcP Hi9 (1969), 483 ff., und U. Huber, Vermögensanteil, 86, 87, wonach die Gesellschafter in ihrer Schuldnerrolle ausschließlich als Gesamtschuldner, nicht auch als Gesamthandsschuldner erfaßt werden könnten; dagegen Schünemann, Grundprobleme, 125 ff. 161 Vgl. dazu die Darstellungen und Nachweise bei Kornblum, Die Haftung, 21 ff.; Flume, Festschrift für H. Westermann, 119 ff. (120 ff.) und Schünemann, Grundprobleme, 140 ff.

B. Konsequenzen der verbandsrechtldchen Organhafitung

-

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117

Nach der herrschenden Doppelverpflichtungstheorie162 handeln die vertretungsberechtigten Gesellschafter im Rahmen des § 714 BGB nicht nur im Namen aller Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als die die Gesellschaft formierende Gruppe, sondern zugleich im Namen aller Gesellschafter als Einzelpersonen, §§ 427, 431 BGBl63, so daß durch das Auftreten mit einem sogenannten zweistrahligen Verpflichtungswillen sowohl Gesamthandsschuld wie Gesamtschuld uno actu rechtsgeschäftlich begründet werden. Tatsächlich hielten die Schöpfer des BGB, auf die sich die Doppelverpflichtungstheorie beruft, die Frage der Haftung der Gesellschafter zwar mit dem lapidaren Hinweis auf den jetzigen § 427 BGB für erledigt, aber hinter diesem Hinweis steckte sicherlich keine klare KonzeptionH14, wollte die zweite Kommission doch "eine Entscheidung der wissenschaftlichen Frage nach dem Wesen der Gesamthand ... vermeiden"165. Der Sprung von § 714 zu den § 427, 431 BGB muß daher als gewagt, die Annahme eines zweistrahligen Verpflichtungswillens der doch einheitlich auftretenden BGB-Gesellschafter als Gruppe muß als eine Fiktion erscheinen. Nach der Akzessorietätstheoriel66 entsteht hingegen über § 714 BGB nur eine Gruppenschuld der Gesellschafter (Gesamthandsschuld), an die sich aber von Rechts wegen, also ohne dahingehenden Verpflichtungswillen, die akzessorische Privatschuld jedes einzelnen Gesellschafters anknüpft. Die ProbJematik von Schuld und Haftung wird hier für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als einer Erscheinungsform der Gesamthandsgemeinschaft unter Heranziehung der für andere Gesamthandsgemeinschaften ergangenen gesetzlichen Vorschriften gelöst: Nicht nur findet sich bei der OHG ein Nebeneinander von Gesamthandsschuld, § 124 I HGB, und Gesamtschuld, § 128 S. 1 HGB; auch bei der Erbengemeinschaft 167 besteht neben der Gesamthandshaftung mit dem Nachlaß nach § 2059 II BGB eine gesamtschuldnerische Haftung der Erben für die "gemeinschaftlichen Nachlaßverbindlichkeiten", § 2058 BGB. Diese Rechtslage erlaubt es zufolge der Akzessorietätstheorie, in dem allen Gesamthandsgemeinschaften eigenen Nebenein-

Vgl. statt aller Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 8 bis 10 zu § 718 m. N. Ob die Gesamtschuld aufgrund von § 427 oder § 431 BGB eintritt, soll sich nach der Teilbarkeit der von den Gesellschaftern geschuldeten Leistung richten, vgl. RGRK (BGB)-Fischer, Anm. 4 zu § 420; Soergel / R. Schmidt, Rdnr. 2 zu § 420; Staudinger / Keßler, Rdnr. 14 zu § 714. 164 Vgl. schon oben, Kapitel III A 3. 165 Prot. II, 430 ff. (433). 166 Vgl. Flume, 123 ff. und 128 ff. 167 Die Gütergemeinschaft bleibt wegen ihrer Besonderheiten außer Betracht. 162

163

Kap. rl!. § 31 BOO als allgemeines Hafrungsprinzip

118

ander von Cksamthand als Gruppe und von Gesamthändern als Mitgliedern der Gruppe, somit in der Struktur der Gesamthand selbst, die Wurzel für das Nebeneinander auch von Cksamthandsschuld und Gesamtschuld zu sehen, womit freilich den §§ 128 S. 1 HGB und 2058 BGB nur noch deklaratorische Bedeutung zukommt. Weil die Cksamthandsgemeinschaft als Gruppe aus den Gesamthändern besteht, ist die gemeinsame Sache auch die jedes einzelnen Gesamthänders, so daß den einzelnen Cksamthänder die Haftung für die Verpflichtungen der Cksamthand als Gruppe auch als eine Verpflichtung in eigener Sache trifft188. Hinzu kommt die überlegung, daß bei allen Gesamthandsgemeinschaften effektive Schutzvorschriften zur Erhaltung des Sondervermögens im Interesse der Gläubiger fehlen, die vor einer Aushöhlung des Haftungssubstrats bewahrt werden müssen. Obzwar diese Akzessorietätstheorie der hier vertretenen verbandlichorganschaftlichen Betrachtungsweise der Cksamthandsgemeinschaften, wie schon die wenigen Hinweise gezeigt haben, besser entspricht als die Doppelverpflichtungstheorie, soll doch - unter Verzicht auf eine detaillierte Auseinandersetzung die Problematik organschaftlicher Verschuldenszurechnung aus der Sicht beider Theorien überprüft werden. bb) Die Gesamthandsschuld Die herrschende Meinung wendet hier bislang bei Verscl:Lulden eines geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Cksellschafters § 278 S. 1 Fall 2 BGB189 mit der Begründung an, daß ja die einzelnen Gesellschafter, wenn auch sowohl gesamthands-, als auch gesamtschuldverpflichtet, die Vertragsschuldner seien, so daß sich das pflichtwidrige Verhalten des einzelnen für die Mitgesellschafter als fremdes Verschulden darstelle 170. Dagegen versteht sich nach den bisherigen Ausführungen nunmehr von selbst, daß ein kraft Cksellschaftsvertrages geschäftsführungs- und vertretungsberechtigter Gesellschafter nicht Erfüllungsgehilfe der einzelnen MitgeselIscl1after, sondern (wie bei der OHG) nur Organ der CkseIlschaft als verbandlich einheitlicher Gruppe sein kann, so daß § 278 S. 1 Fall 2 BGB mangels Fremdverschuldens ausscheidet. Flume, Festschrift für H. Westermann, 119 ff. (129). Hinsichtlich § 278 S. 1 Fall 1 BGB gilt das oben, 1 a, Gesagte entsprechend. Auch wenn man der hier vertretenen Meinung nicht folgt, sondern den vertretungsberechtigten Geschäftsführer als kraft gesellschaftsvertraglich eingeräumter Vertretungsmacht Bevollmächtigten ansieht, scheidet § 278 S. 1, Fall 1 BGB jedenfalls aus. 170 Vgl. Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 9 zu § 718; Staudinger I Keßler, Rdnr. 5 zu § 714; Nicknig, Die Haftung, 12, 13. Daß der als Erfüllungsgehilfe in Betracht kommende Gesellschafter zugleich Eigenschuldner ist, weil alle Gesellschafter zusammen schulden, schadet für § 278 S. 1 Fall 2 BGB nicht (Schuldnerteilidentität), vgl. Beuthien, DB 1975, 725 ff. (729). 188

188

B. Konsequenzen der verbandsrechtllichen Organnaftung

119

Hier wirkt das Verschulden des vertretungsbefugten Geschäftsführers als Organverschulden zu Lasten der alle Gesellschafter treffenden Gesamthandsschuld, und zwar gemäß dem fortgebildeten § 31 BGB, so daß etwa die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zur Gruppe mit dem Gesellschaftsvermögen für die nachträgliche Unmöglichkeit zur übereignung der infolge Organverschuldens untergegangenen Kaufsache dem Käufer auf Schadensersatz nach den Vorschriften der §§ 433, 440 I, 325 I S. 1, 31 BGB, 736, 786 analog, 780 ZP0171 haften. cc) Die Gesamtschuld (1) Im Gegensatz zur Akzessorietätstheorie, die überhaupt nicht zur Prüfung des § 425 BGB kommt, fragt die Doppelverpflichtungstheorie, nachdem das Verschulden des tatsächlich verantwortlichen Gesellschafters allen Gesellschaftern als Gesamthandsgesellschaft zugerechnet werden konnte, nunmehr über § 425 BGB erneut, inwieweit sich der einzelne Gesellschafter das Verschulden seines Mitgesellschafters auch mit der Folge der vollen gesamtschuldnerischen Haftung seines Privatvermögens zurechnen lassen muß172. Letzteres wäre nach §§ 714, 427, 431, 42511 BGB nicht der Fall- denn das Verschulden eines Gesamtschuldners hat nur Einzel-, nicht Gesamtwirkung - , falls sich nicht aus dem Schuldverhältnis gemäß § 425 I BGB "ein anderes" ergäbe. Als Schuldverhältnis i. S. des § 425 I BGB kann nur das Verpflichtungsgeschäft mit dem Gläubiger angesehen werden, auf dem die Gesamtschuld beruht, das aber auch durch die allgemeinen Normen des Schuldrechts inhaltlich mitgestaltet wird173. Daher könnte sich aus § 31 oder § 278 BGB "ein anderes", nämlich Gesamtwirkung des Verschuldens ergeben.

Der zum allgemeinen verbandsrechtlichen Haftungsprinzip fortgebildete § 31 BGB eignet sich jedoch nur für die Zurechnung organschaftlichen Verschuldens an die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zu einer Gruppe, nicht auch für die individuelle Zurechnung an jeden einzelnen Gesellschafter. Weil die Wertung des § 31 BGB nur die begrenzte Haftung des verbandsrechtlich gebundenen Sondervermögens trägt, nicht aber die unbegrenzte Haftung jedes einzelnen Gesellschafters mit seinem Privatvermögen, er diese vielmehr ursprünglich verhindern sollte174, ist die Organhaftung des § 31 BGB im Gesamtschuldbereich ~r Begründung der privaten Haftung nicht verwendbar175 • Weil § 31 BGB im Recht der Personen gesellschaften nur die Ge171 Die ZPO-Vorschriften sind zur Kennzeichnung der Verbindlichkeit als auf das Sondervermögen beschränkter Gesamthandsschuld zitiert; zu den prozessualen Fragen vgl. unten, sub 3. 172 Vgl. Beuthien, DB 1975, 725 ff. (728). 173 Vgl. Beuthien, DB 1975, 725 ff. und 773 ff. (773). m Vgl. oben, Kapitel I A 6.

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Kap. IH. § 3'1 BGB als alllgelllleines Haftungsprinzip

samthandhaftung aller Gesellschafter als Verband begründet, kann sich durch ihn hier nicht "ein anderes" i. S. des § 425 I BGB ergeben: Gesamtschuld ist nichts Verbandliches. Es ist aber auch zweifelhaft, ob das Verschulden des geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafters hier als das eines Erfüllungsgehilfen über § 278 S. 1 Fall 2 BGB zugerechnet werden kann, wie dies die herrschende Meinung bedenkenlos tut1 76 . Zwar ist der Geschäftsführer nur Organ der Gesellschaft als Gruppe, so daß im Verhältnis zu den einzelnen gesamtschuldnerisch haftenden Gesellschaftern sein Verschulden durchaus fremdes Verschulden ist. Fraglich ist indes, ob er Erfüllungsgehilfe genannt werden kann. Wenn auch die Tilgung der Gesamthandsschuld eindeutig Gesellschaftsangelegenheit ist, so könnte es doch die persönliche Angelegenheit jedes einzelnen Gesellschafters sein, für die Erfüllung der zusätzlichen Gesamtschuld Sorge zu tragen. Konsequenz wäre dann, daß BGB-Gesellschafter zwar für die primären Erfüllungspflichten der Gesellschaft auch mit ihrem Privatvermögen, §§ 714, 427, 431 BGB, nicht aber für die Folgeansprüche aus schuldhafter Vertragsverletzung einzustehen hätten, sofern dieses Fehlverhalten in der Person eines Mitgesellschafters begründet ist. Eine solche "abgestufte Leistungsgewähr"177 der beiden Vertragsschuldner (vorsichtiger: der bei den Vertragshaftenden), Gesellschaft und Gesellschafter, wie sie Beuthien erwägt178, wäre zwar die dogmatisch-konstruktiv konsequente Folge der Doppelverpflichtungstheorie, die aber hier unter Berufung letztlich auf das Wesen der Gesamthand einlenkt, demzufolge doch jeder Gesellschafter für die Leistungsfähigkeit und die Vertragstreue des' anderen mitverantwortlich sein müsse179. Erst die so postulierte Einheit der Vertragshaftung aller beteiligten Gesellschafter gegenüber dem Gläubiger mit der Haftung der Gesellschaft, der so anerkannte Zusammenhang von Gesamthands- und Gesamtschuld erlaubt der Doppelverpflichtungstheorie, den BGB-Gesellschaftern im vertraglichen Bereich auch in bezug auf die Gesamtschuld das schadensersatzpflichtige Fehlverhalten ihres geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Mitgesellschafters nach § 278 S. 1 Fall 2 BGB zuzurechnen, durch den sich somit "ein anderes" i. S. des § 425 I BGB ergibt. Daß dieses Vorgehen in der Sache erhebliche Zugeständnisse an die Akzessorietätstheorie enthält, liegt auf der Hand'. 175 Im Ergebnis ebenso Beuthien, 773, auf der Grundlage einer analogen Anwendung des § 31 BGB. l7B Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 9 zu § 718; Staudinger / Keßler, Rdnr. 5 zu § 714; Nicknig, Die Haftung, 12. 177 Beuthien, 773. 178 Beuthien, 773, der sie dann "wertend begründet" ablehnt. 179 Beuthien, 773, m. N.

B. Konsequenzen der verbandsrechtllichen Orgaruhaftung

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(2) Für die Akzessorietätstheorie selbst gibt es demgegenüber hier keine Probleme, denn danach ist ja nur zu prüfen, inwieweit das Verschulden von Gesellschaftsorganen nach § 278 S. 1 Fall 2 BGB oder wie hier befürwortet - nach dem fortgebildeten § 31 BGB der Gesellschaft zuzurechnen ist. Das allein führt dazu, daß ohne weiteres, d. h., ohne daß sich die Frage der Verschuldenszurechnung in bezug auf die einzelnen Gesellschafter erneut stellt, auch jeder Gesellschafter für die durch das Geschäftsführungsverschulden verursachten Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft voll mit seinem Privatvermögen einstehen muß. Gesellschafts- und Gesellschafterschuld sind wie bei der OHG (§§ 124 I, 128 S. 1 HGB) akzessorisch hintereinandergeschaltet180.

(3) Es kann festgehalten werden, daß zwar die einzelnen Gesellschafter auch hinsichtlich ihrer gesamtschuldnerischen Haftung das vertragliche Fehlverhalten eines Organs gegen sich gelten lassen müssen, daß dies aber weder nach der AkZ'eSS'Orietätstheorie noch nach der Doppelverpflichtungstheorie im Wege einer organ.scllaftlichen Verschuldenszurechnung gemäß § 31 BGB geschieht - dieser kann nur zu Begründung der Gesamthandshaftung herangezogen werden -, sondern einerseits qua Akzessorietät (entsprechend § 128 S. 1 HGB) , andererseits über § 278 S. 1 Fall 2 BGB, der als Ausnahme von § 425 I, II BGB das Verschulden zur gesamtwirkenden Tatsache stempelt.

Im vertraglichen Bereich kommt es daher in der RegeP81 nicht zu einer isolierten Gesamthandsschuld im Zusammenhang mit der Organhaftung. b) Der deUktische Bereich

Auch hier empfiehlt sich eine nur paradigmatische Darstellung der organschaftlichen Verschuldenszurechnung durch Aufschlüsselung der zahlreichen möglichen Fallgestaltungen in typische Gruppen182. aa) Fallgruppe 1: Gemeinschaftliche unerlaubte Handlung aller BGBGesellschafter, die sämtlich entweder gemeinschaftlich, § 709 I BGB, oder einzeln, § 711 S. 1 Fall 1 BGB, Geschäftsführungsbefugnis haben183 (1) In übereinstimmung mit der herrschenden Meinung tritt hier zunächst eine gesamtschuldnerische Haftung der Delinquenten nach §§ 823,

180 Gegen diese haftungsmäßige Gleichstellung von OHG und BGB-Gesellschaft insbes. Beuthien, 773, dem zufolge § 425 nicht mittels einer Theorie ausgeschaltet werden dürfe. 181 Außer freilich im Fall der Haftungsbeschränkung einzelner Gesellschafter, vgl. Nicknig, Die Haftung, 15 ff. 182 vgl. schon oben Fn. 149 und 150. 183 Zur Entbehrlichkeit der Vertretungsmacht im deliktischen Bereich für die Organhaftung vgl. unten, Kapitel IV und V.

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Kap. III. § 31 BGB als alllgemeines Haftrungsprinzdp

830, 840 BGB einl84 , die, da es sich um alle Gesellscilafter handelt, wegen § 736 ZPO eine Haftung auch der Gesamthand zur Folge hat. Der abweichenden Ansicht von H.-J. Hoffmann, derzufolge nur die einzelnen Gesellschafter, nicht aber die Gesamthand mit dem GeseUschaftsvermögen haften sollten 185 , ist mit Nicknig186 entgegenzuhalten, daß die Gesellschafter bei gemeinschaftlichem Auftreten im Rahmen gesellschaftlicher Tätigkeit sowohl im vertraglichen wie im deliktischen Bereich mit der Gesellschaft identisch sind. Allerdings muß die Haftung des Gesellschaftsvermögens entfallen, wenn die unerlaubte Handlung in keinem Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Tätigkeit steht, etwa nur "anläßlich" der Geschäftsführung begangen wird. Denn entgegen der ganz herrschenden Meinung187 kann es nicht zugelassen werden, daß gemäß § 736 ZPO in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden kann, wenn ein Privatgläubiger sämtlicher Gesellschafter zwar einen Titel gegen sie alle, aber nicht in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, sondern lediglich als Privatpersonen erwirkt hat188. Nur so kann der aus §§ 717, 719 und 725 BGB folgenden besonderen Zweckbindung des Gesamthandsvermögens, das ein "geschlossenes und geschütztes Sondervermögen"189 darstellt, Rechnung getragen werden. Damit ist keineswegs das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers beeinträchtigt, dem das Privatvermögen jedes Schuldners und nach § 859 ZPO, 725 I BGB auch dessen Gesellschaftsanteil zur Befriedigung offensteht190• (2) Auch wenn man in dieser Fallgruppe also ohne Verschuldenszurechnung zum Ziel der Haftung der Gesellschaft mit dem Sondervermögen kommen kann, ist doch von der herrschenden Meinung noch zu erwägen, ob nicht über § 831 BGB schon im Wege der "Zurechnung" der unerlaubten Handlung nur eines einzelnen oder mehrerer der delinquenten Geschäftsführer an die Gesellschaft eine Gesellschaftsschuld begründet werden kann, was etwa bei Schwierigkeiten des Nachweises der Beteiligung aller Gesellschafter relevant werden könnte. 184 Vgl. SoergeI/Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 9 zu § 718; Staudinger I Keßler, Rdnr. 17 zu § 713; Nicknig, Die Haftung, 33; Kornblum, Die Haftung, 14; Beuthin,774. 185 Hans-Joachim Hoffmann, NJW 1969, 724 ff. (726). 188 Nicknig, Die Haftung, 33. 187 Vgl. Enneccerus I Lehmann, Schuldverhältnisse, § 179 III 1; RGRK (BGB)-Fischer, Anm. 10 zu § 714; Stein I Jonas I Münzberg, Anm. II zu § 736; Wieczorek, ZPO, Anm. A I zu § 736; Baumbach I Lauterbach, Anm. 1 zu § 736; vgl. auch Prot. II, 434, 435, wo diese Frage umstritten ist. 188 So auch Kornblum, BB 1970, 1445 ff. (1451); J. Blomeyer, JR 1971, 397 ff. (402); Nicknig, Die Haftung, 33. 188 So Esser, Schuldrecht BT, 1. Aufl. 1949, S. 296, 1, S. 412; vgl. auch Kornblum, Die Haftung, 62; Nicknig, Die Haftung, 132, 133, der § 736 ZPO um das Tatbestandsmerkmal ergänzen will, daß die Vollstreckung in das Gesamthandsvermögen nur wegen einer Gesellschaftsschuld erfolgen darf. 180 Vgl. Kornblum, 63 Fn. 97.

B. Konsequenzen der verbandsrechtldchen Ol'ganhaftung

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Indes fehlt es, abgesehen wieder von der diffizilen Frage der Geschäftsherrenstellung, sowohl bei einer Organisation nach § 709 I BGB als auch bei einer Regelung der Geschäftsführung nach § 711 Satz 1 Fall 1 BGB an einer "Bestellung" i. S. des § 831 BGB, denn hier wie dort beauftragten die Gesellschafter keinen "anderen" mit einer Tätigkeit, sondern mit Abschluß des Gesellschaftsvertrages sich selbst in arbeitsteiliger Verbandsorganisation. Daneben werden die Geschäftsführer nicht in die betriebliche oder wirtschaftliche Sphäre eines anderen eingegliedert, sie leisten keine Fremdarbeit, sondern handeln als selbständige und eigenverantwortliche Träger der Betriebs- und Wirtschaftssphäre auf der Grundlage partnerschaftlicher Gleichberechtigung191 • (3) Unabhängig davon, daß aus dem gemeinsamen gesellschaftsbezogenen Delikt aller Gesellschafter ohnehin gesamthänderische und gesamtschuldnerische Haftung resultiert und eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvennögen nach § 736 ZPO stattfinden kann, ist zu überlegen, wie dieser Fall aus der Sicht organschaftlicher Verschuldenszurechnung mit Hilfe des § 31 BGB zu konstruieren ist192 • Nach der hier vertretenen Ansicht ist es nur folgerichtig, wie bei der OHG zusätzlich neben der gesamtschuldnerischen Haftung aus §§ 823, 830, 840 BGB eine Gesellschaftsschuld nach § 31 BGB entstehen zu lassen, wobei wie dort die Besonderheit, daß alle Geschäftsführer schon die Gesellschaft sind, sie nicht erst repräsentieren, zu einer "erst recht"Anwendung der fortgebildeten Organhaftung führt. Und im obigen Fall von Beweisschwierigkeiten kann das Delikt schon eines oder mehrerer der delinquenten Geschäftsführer der Gesellschaft nach §§ 823, 31 BGB zugerechnet werden, was zu der Fallgruppe 2 führt, bei der auch die Frage der Privathaftung für die Gruppensch.uld zu erörtern ist. bb) Fallgruppe 2: Unerlaubte Handlung eines Einzelgeschäftsführers, § 710 Satz 1 Fall 1 BGB, oder mehrerer - einzeln, § 711 Satz 1 Fall 2 BGB, oder gemeinschaftlich., §§ 710 Satz 1 Fall 2, 709 I BGB - geschäftsführungsbefugter, aber nicht aller Gesellschafter (1) In dieser praktisch häufigsten Fallgruppe haftet zunächst jeder handelnde Geschäftsführer dem Geschädigten nach §§ 823 ff. BGB persönlich. Dieser kann als Privatgläubiger auch in den Gesellschaftsanteil vollstrecken, §§ 725 BGB, 859 ZPO. Sein Interesse ist jedoch auf einen direkten Zugriff auf das Gesellschaftsvennögen und auf eine persönliche Haftung möglichst auch der übrigen Gesellschafter gerichtet, wozu das deliktische Geschäftsführerverhalten den übrigen als Gruppe zugerechnet werden müßte. Vgl. oben, Kapitel II C 2 und SeHert, AcP 175 (1975), 77 ff. (90). Nicknig, 33 und SeHert, 104/105, halten ihre "Analogie" zu § 31 in dieser Fallgruppe für "nicht erforderlich". 181

182

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Kap. III. § 31 BGB als allgemeines Ha.ftungsprinzlip

(2) Entgegen der herrschenden Meinung193 kann hier ebensowenig wie in der Fallgruppe 1 eine Haftung aller Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit oder auch nur der übrigen Geschäftsführer aus der Individualnorm des § 831 BGB (mit Entlastungsmöglichkeit) hergeleitet werden. Daran ändert sich auch durch das in § 709 I 2. Halbs. normiert Recht nichts, daß die nichthandelnden den handelnden Gesellschaftern ihre Zustimmung zu einer konkreten Tätigkeit versagen können. Aus dieser vor dem Hintergrund partnerschaftlicher Gleichberechtigung zu deutenden Befugnis kann sich ebensowenig ein einseitiges Weisungsrecht, aus dem allein ein Abhängigkeitsverhältnis i. S. des § 831 BGB gefolgert werden könnte, ergeben wie etwa aus dem Widerspruchs recht des § 711 BGBI94. Insbesondere aber ist auch hier das Organ nicht "ein anderer". In allen Fällen ist die Vorschrift des § 831 BGB unanwendbar. (3) Vielmehr ist diese Fallgruppe für eine verbandlich-organschaftliche Auffassung der Gesamthandsgesellschaften der Paradefall einer Anwendung der Organhaftung nach § 31 BGB mit der Folge einer Haftung des gesamthänderischen Gesellschaftsvermögens, §§ 823, 31 BGB, 736, 786 analog, 780 ZPOI95. Problematisch ist freilich, ob neben diese deliktische Gesamthandsschuld auch eine gesamtschuldnerische Haftung der untätig gebliebenen Mitgesellschafter tritt, obwohl § 31 BGB bei Personengesellschaften nur eine Gesamthands:schuld begründet. Während es für die Doppelverpflichtungstheorie keinerlei Anlaß gibt, auch im deliktdschen Bereich zu einer Haftung aller Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen zu gelangen l96, müßte jedoch eine konsequente Akzessorietätstheorie entsprechend dem Haftungssystem der §§ 124 I, 128 Satz 1 HGB bei der OHG auch für die BGB-Gesellschaft zu dem Ergebnis kommen, daß sich die Privathaftung ohne weiteres anschließt, sobald erst das Verschulden des für den Schaden tatsächlich verantwortlichen Geschäftsführers allen Gesellschaftern als Gesellschaft zugerechnet ist.

Allerdings versucht Flume 197 , sonst eifriger Befürworter strikt akzessorischer GeS'amtschuld-Haftung, dieses Ergebnis einer Doppelhaftung im deliktischen Bereich im Wege einer teleologischen Reduktion zu vermeiden. Weil es nach dem geltenden Haftungsrecht allgemein keine Haftung für fremdes deliktisches Verschulden gebe, sei das deliktische Ver193 Vgl. oben, Kapitel II C 1 b. 194 Vgl. Sellert, 92, 94 und BGHZ 45, 311 (312). 195 Die ZPO-Vorschriften sind zur Kennzeichnung der Verbindlichkeit als

auf das Sondervermögen beschränkter Gesamthandsschuld zitiert. 196 Westermann, Handbuch, Rdnr. 380, wonach eine Anwendung des § 31 BGB zu einer auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung führen müßte; vgl. auch Fabricius, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, 171 ff. (196). 197 Flume, Festschrift für H. Westermann, 119 ff. (142, 143), freilich auf der Grundlage einer "analogen" Anwendung des § 31 BGB.

B. Konsequenzen der verbands rechtlichen Organiha.ftung

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schulden des geschäftsführungsberechtigten Gesellschafters, auch wenn man es mit der Organhaftung des § 31 BGB der Gesellschaft als Organisation zurechne, doch "für die anderen Gesellschafter als fremdes deliktisches Verschulden nicht ihre Eigensache", so daß sich die Haftung der Gesellschaft nach § 31 BGB insoweit nicht auf die Gesellschafter persönlich erstrecken dürfe198 • Eine Analogie zu § 128 HGB könne die gesamtschuldnerische Haftung hier nicht mehr tragen, denn diese Vorschrift sei "nicht konzipiert, als ob sie auch diese Haftung umfassen würde" 199. Wenn diese teleologische Reduktion auch keineswegs die Selbstaufgabe der Akzessorietätstheorie in toto bedeutet200, ist Flume doch entgegenzuhalten, daß unmöglich dasselbe Fehlverhalten erst, um § 31 BGB überhaupt auf die Personengesellschaft anwendbar zu machen, als organschaftliches Verschulden, dann aber beim Umfang der Gesellschafterhaftung wiederum als Fremdverschulden gewertet werden kann. Aus einem verbandlich-organschaftlichen Verständnis der Gesamthandsgesellschaft heraus, das die Gemeinsamkeit der Sache der Gesamthand als Gruppe mit der jedes einzelnen Gruppenmitgliedes betont, bestehen keine Bedenken gegen eine Haftung der BGB-Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen für delikti.sclles Organverschulden. Das aber bedeutet, daß in diesem zwar einzigen, aber doch entscheidenden Punkt Doppelverpflichtungstheorie und "streng.e" Akzessorietätstheorie zu gegensätzlichen Ergebnissen gelangen: die Doppelverpflichtung;stheorie gelangt im deliktischen Bereich zu einer isolierten Gesamthandsschuld. cc) Fallgruppe 3: Unerlaubte Handlung eines nicht geschäftsführungsbefugten weisungsunterworfenen Gesellschafters Ist ein Gesellschafter nicht durch den Gesellschaftsvertrag zum Geschäftsführer und damit zum organschaftlichen Repräsentanten der Gesellschafter-Gruppe berufen, hat er auch nicht kraft Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit eine dem Organ in der Repräsentation vergleichbare Stellung inne2° 1, sondern ist er lediglich für einen Einzelfall weisungsgebunden zu einer Verrichtung bestellt, vom Partner faktisch zum Gehilfen degradiert, so kommt, wie schon bei der OHG202, eine Haftung der Gesellschaft aus §§ 823, 31 BGB für dieses Nicht-Organ nicht in Betracht. IgS Flume, 143; dies soll entgegen § 128 S. 1 HGB auch für die OHG und KG gelten. 199 Flume, 143. 200 So aber Beuthien, DB 1975, 725 ff. und 773 ff. (775). 201 Zu diesem Fall vgl. unten, Kapitel IV und V. 202 Vgl. oben, 1 b, cc).

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Kap. 111. § 31 BGB als allgemeines Ha,ftungsprinzip

Es ist aber auch nicht der herrschenden Meinung zu folgen, die hier allein den oder die für die Gehilfenbestellung konkret zuständigen Geschäftsführer als Geschäftsherrn i. S. des § 831 I Satz 1 BGB ansieht, die anderen, von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter aber von jeder Haftung freistellt, weil ihnen bei fehlender Weisungs- und Einwirkungsmöglichkeit niemals ein Verschulden bei der Auswahl oder Überwachung des Verrichtungsgehilfen vorgeworfen werden könne2 03 • Hiermit würde dem Geschädigten faktisch der Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen wegen § 736 ZPO von vornherein versagt204 • Man kann auch nicht der Gesellschaftergruppe als ganzer die GeschäftsherrensteIlung nach § 831. I Satz 1 BGB zuerkennen, weil diese Vorschrift nicht sozialrechtlich umgedeutet werden kanni!°5, auch nicht mit dem Hinweis darauf, daß anerkanntermaßen die Bestellung i. S. des § 831 I Satz 1 BGB nicht unmittelbar durch den Geschäftsherrn erfolgt sein müsse, sondern die Vornahme durch dessen Beauftragten ausreiche2o e• Vielmehr gilt hier wie schon bei der OHG: weil der einzelne Geschäfts... führer den Mitgesellschafter nicht als Privatmann, sondern in seiner Eigenschaft als Organ der durch ihn repräsentierten und als Einheit auftretenden BGB-Gesellschaft und in deren Interesse bestellt, weil nun die Gesellschafter-Gruppe die Konsequenzen aus dieser organschaftlichen Repräsentation ziehen und die Nachteile aus dem gesellschaftsbezogenen schadensersatzpflichtigen Handeln tragen muß, ist der Gesellschafter-Gruppe das Organverschulden bei der Auswahl und Überwachung mit der Folge einer Gesamthandshaitung aus §§ 831, 31 BGB, 736, 786 analog, 780 ZP()2°7 zuzurechnen. Der Entlastungsbeweis jenes Geschäftsherrn und Geschäftsführers ließe diese Haftung freilich entfallen. Neben die Haftung der Gesellschafter-Gruppe mit dem Gesellschaftsvermögen tritt auch hier (wie in Fallgruppe 2) eine gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Gesellschafter, wenn man - und dies ist im Sinne einer grundlegenden Vereinfachung gesellschaftsrechtlicher Verschuldenszurechnung vorzugswürdig - der Akzessorietätstheorie folgt. 3. Die prozessuale Durchsetzung der Organhaftungsanspriche

a) Die PersonenhandeZsgeseUschaften Der vertraglich oder deliktisch durch das Organ einer Personenhandelsgesellschaft Geschädigte muß, wenn seine Schadensersatzforderung 203 Vgl. insbes. Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 9 zu § 718 und Nicknig, Die Haftung, 51, 52 m. w. N. 204 Dies nimmt Nicknig, 53, bewußt in Kauf. 205 Vgl. dazu oben, KapitelllA 2. 208 So aber Beuthien, DB 1975, 725 ff. und 773 ff. (776) unter Hinweis auf Soergel / Zeuner, Rdnr. 24 zu § 831 und RGRK (BGB)-Haager, Anm. 11 zu § 831. 207 Siehe Fn. 195.

B. Konsequenzen der verbandsrechtlichen Organhaftung

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nicht freiwillig beglichen wird, die Hilfe der Gerichte bemühen. Soweit er die Gesel.lschafter als gesamthänderisch verbundene Gruppe und Träger des Sondervermögens in Anspruch nehmen will, bedarf es einer Klage gegen die Gesellschaft, § 124 H, 161 H HGB, die nach herrschender Meinung selbst (aktiv wie passiv) materiell parteifähig ist208 • Die Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen gegen die Gesellschafter einer OHG oder KG als mit ihrem Privatvermögen akzessorisch Haftende erfolgt durch Klage gegen die betreffenden Gesellschafter (einen, einzelne oder alle), §§ 128 Satz 1, 129 IV, 161 II, 171 HGB. Weder im Erkenntnisverfahren noch zwangsvollstreckungsrechtlich ergeben sich bei den Personenhandelsgesellschaften Probleme, da die Sphäre der Gesellschaft, § 124 H HGB, von der der Gesellschafter, § 129 IV HGB, insoweit209 scharf und eindeutig getrennt ist wie die zweier verschiedener Personen210. b) Die BGB-Gesel'Lschaft (1) Weil demgegenüber die BGB-Gesellschaft wegen ihrer fehlenden Rechtsfähigkeit auch keine Parteifähigkeit besitzt211 (arg. e contr. § 50 I ZPQ212) würde doch eine Klage deSi durch Organverschulden Geschädigten gegen die BGB-Gesellschaft "als solche" abgewiesen werden213 . Gemäß § 736 ZPO muß er vielmehr, will er in das Gesellschaftsvermögen unmittelbar vollstrecken, die einzelnen Gesellschafter alle verklagen. Dabei kann er neben der Gesamthandsschuldklage, die sich gegen die Gesellschafter - in notwendiger Streitgenossenschaft gemäß § 62 I 2. Altern. ZPO - als gesamthänderisch verbundene Gruppe richtet und auf Zwangsvollstreckung in das Sondervermögen zielt, auch d!ie Gesamtschuldklage gegen die Gesellschafter als einzelne - zusammen als einfache Streitgenossen, § 60 ZPO, oder nacheinander - erheben, sofern diese zugleich gesamtschuldnerisch mit ihrem Privatvermögen haften214. Beide Klagen können gleichzeitig oder getrennt erhoben werden215 .

Vgl. die Nachweise bei Kornblum, Die Haftung, 96 Fn. 1. Anderes gilt freilich für das Problem des Schuldinhalts, vgl. nur Schünemann, Grundprobleme, 125 ff. 210 So Kornblum, 97, 168, 169. 211 Vgl. Baumbach I Lauterbach, Anm. 1 zu § 736; Kornblum, BB 1970, 1445 ff. (1446, 1447); ders., Die Haftung, 22; Stein I Jonas I Münzberg, Anm. I zu § 736; Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 12 zu 714; RGRK (BGB)-Fischer, Anm. 10 zu § 714; Nicknig, Die Haftung, 126. Bei Stein I Jonas I Münzberg, a.a.O., heißt es: "Die BGB-Gesellschaft ist trotz (sie) ihres Aufbaus nach dem Grundsatz der gesamten Hand nicht parteifähig. " 212 Vgl. Kornblum, Die Haftung, 60 Fn. 89. 213 Vgl. auch SeHert, AeP 175 (1975),77 ff. (1011102). 2U Letzteres ist nach der Akzessorietätstheorie regelmäßig, nach der Doppelverpflichtungstheorie dagegen niemals im deliktischen Bereich der Fall. 208 209

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Kap. III. § 31 BGB als allgemeines HaftungspriiIlZ'ip

Zur Zwangsvollstreckung wegen einer Gesellschaftsschuld in das Sondervermögen reicht auf Grund der Verknüpfung von Gesamthands- und Gesamtschuld auch ein Urteil gegen alle Gesellschafter als Gesamtschuldner aus, sofern die zugrunde liegende Forderung eine Gesellschaftsverbindlichkeit ist218 • Eine Forderung, die sich auf die Zurechnung von Geschäftsführerverschulden an die Gesellschaft nach § 31 BGB stützt und erst daraus die Privathaftung der Gesellschafter in Gesamtschuld ableitet, ist immer "gesellschaftsbezogen", da für § 31 BGB das Organ "in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen" gehandelt haben muß. Auch folgt aus der der Struktur der Gesamthandsgesellschaft entsprechenden Verknüpfung von Gesamthands- und Gesamtschuld, daß der Geschädigte auf Grund des im Wege der Gesamthandsschuldklage gegen die Gesellschafter-Gruppe erstrittenen Urteils auch in das private Vermögen der einzelnen Gesellschafter vollstrecken kann217 , sofern kein Haftungsvorbehalt gemäß § 786 analog, § 780 ZPO erfolgt ist. Abzulehnen ist nämlich die Auffassung218 , bereits im Urteilstenor müsse der Ausschluß jeder persönlichen Verpflichtung bei der Gesamthandsschuld vom Erkenntnisgericht ausgesprochen werden, wohingegen ein Haftungsvorbehalt nach § 780 ZPO, da hier lediglich eine Verpflichtung des Gesamthandsvermögens vorliege, nicht möglich sei. Entgegen dieser Meinung, derzufolge auch der Gläubiger seinen Klagantrag von vornherein auf Leistung aus dem Gesellschaftsvermögen richten müßte, um Kostennachteile (§ 92 ZPO) zu vermeiden, muß es dem Ermessen des Erkenntnisgerichtes überlassen bleiben, die Haftungsbeschränkung rechtskräftig zu erklären oder dem Beklagten ihre Geltendmachung im Wege der §§ 780 ff. ZPO zu überlassen219 , Dies entspricht nicht nur dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers220 ; das Abstellen auf den Einzelfall genießt auch die Vorzüge der Prozeßökonomie und des effektiven Gläubigerschutzes im Falle von Vermögensverschiebungen zu Lasten des Gesamthand&215 Vgl. im einzelnen Kornblum, BB 1970, 1445 fi. (1448 ff.) und ders., Die Haftung, 60, 61 und 22, 23 m. N. 216 Anders bei der OHG, § 12'4 II HGB. 211 Vgl. Kornblum, BB 1970, 1445 ff. (1451); anders bei der OHG, § 129 IV HGB. 218 Westermann, Handbuch, Rdnr. 378; RGRK (BGB)-Fischer, Anm. 10 zu § 714; Stein / Jonas / Münzberg, Anm. II zu § 736; Roquette, ZZP 49 (1925), 160 ff. (173 ff.). 2U Vgl. Nicknig, Die Haftung, 133 - 136. 220 Vgl. die Begründung zu den Entwürfen eines Gesetzes, betreffend Änderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung sowie eines Gesetzes, betreffend Änderung der Civilprozeßordnung und eines zugehörigen Einführungsgesetzes, S. 123, wonach "das Bürgerliche Gesetzbuch ... noch eine Reihe von weiteren Fällen der beschränkten Haftung (enthält) . .. . In allen diesen erscheint es angemessen, auch die prozessualische Geltendmachung der beschränkten Haftung auf der Grundlage des § 695 Abs. I (des heutigen § 780 I ZPO) und der §§ 696, 696 d (der heutigen §§ 781, 785 ZPO) zu regeln", zitiert nach Nicknig, Die Haftung, 134,135 Fn. 37.

B. Konsequenzen der verbandsrechtlichen Orgaooaoftung

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und zugunsten des Privatvennögens. Dann nämlich sollte die Möglichkeit gegeben sein, daß der Gläubiger zunächst ebenfalls in das Privatvennögen vollstrecken kann, die Initiativlast gemäß § 781 ZPO liegt ja bei dem Beklagten. Eine leichtfertige Inanspruchnahme des Privatvermögens wird durch das Risiko der Vollstreckungsgegenklage gemäß §§ 785, 767 ZPO verhindert221 •

(2) "Verfahrensrechtliche Probleme" bei der Anwendung des § 31 BGB auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gibt es nur für Fabricius222 , nach dem es nicht angehe, ,,§ 31 in eine individualrechtliche Nonn umzuwandeln, die Gesellschafter aus dieser Norm als einzelne zu verklagen und die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvennögen dann wiederum auf Grund der §§ 785, 786223 ZPO herbeizuführen"224. Fabricius befürchtet, daß man die organschaftliche Verschuldenszurechnungsvorschrilt des § 31 BGB ihres sozial rechtlichen Charakters entkleiden, sie "durch das Prozeßrecht zur individualistischen Norm gestempelt" würde22 5• Damit ist die Anwendung des § 31 BGB auf die BGB-Gesellschaft im prozessualen Bereich genau dem umgekehrten Vorwurf ausgesetzt, den ihre Befürworter in materieller Hinsicht gegen die Anwendung des § 831 BGB durch die herrschende Meinung erheben226 • Ob Fabricius vorhat, § 50 II ZPO, der dem nicht rechtsfähigen Verein passive Pa.rteifähigkeit verleiht, auf die BGB-Gesellschaft anzuwenden, oder gar entsprechend der zur aktiven Pa.rteifähigkeit bestimmter nicht rechtsfähiger Vereine (Gewerkschaften) von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Thesen die BGB-Gesellschaft (contra legem: § 736 ZPO) "als solche" für auch aktiv parteifähig zu erklären227 , ist offen; die zu diesem Thema von Fabricius in Aussicht gestellte gesonderte Untersuchung228 ist bisher, soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht229• Vgl. im einzelnen Nicknig, Die Haftung, 135. Vgl. Fabricius, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, 171 ff. (196, 197) und schon (allerdings für den nicht rechtsfähigen Verein) ders., Relativität, 205,206. 223 ,,876" im Originaltext, Gedächtnisschrift, 197, 2. Zeile oben, ist ein Druckfehler. 224 Fabricius, Gedächtnisschrift, 197. 225 Fabricius, Relativität, 206. 228 Vgl. oben, Kapitel II C 2 a. 221 Hierfür spricht Fabricius' Theorie der BGB-Gesellschaft als teilrechtsfähiger Rechtsgemeinschaft, vgl. Relativität, 158 ff., sowie seine Anerkennung der aktiven Parteifähigkeit aller nicht rechtsfähiger Vereine, vgl. Relativität, 206. 228 Fabricius, Gedächtnisschrift, 197. m Sie wird vermißt von KombIum, Die Haftung, 22 Fn. 74 und Nicknig, Die Haftung, 126. !21 222

9 Martlnek

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Kap. II!. § 31 BGB als alJigemeines Haftungsprinzip

Zu einer solchen Lösung vom Gesetz besteht indes auch kein Anlaß230. Abgesehen von der dogmatischen Unmöglichkeit und Unnötigkeit, die BGB-Gesellschaft im materiellen Recht als (teilweise) rechtsfähig anzuerkennen231 - wie dies Fabricius tut232 , der dann freilich prozessual der Vorschrift des § 736 ZPO konfrontiert ist - , behält insbesondere § 31 BGB auch verfahrensrechtlich durchaus seinen S'ozialrechtlichen Charakter, wenn mit ihm das Organverschulden immer nur der Gruppe, den Gesamthändern in ihrer Gruppenverbundenheit zugerechnet und eine Gesamthandsverbindlichkeit der Gesellschaft begründet wird. Warum es nicht angehen soll, einen solchen Organhaftungsanspruch aus fortgebildetem § 31 BGB wie andere Gesellschaftsverbindlichkeiten auch gegen "die Gesellschaft" als die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit klageweise nach §§ 736, 780 analog, 786 ZPO geltend zu machen, also die Gesellschafter nicht "als einzelne", sondern als Gruppe zu verklagen, ist nicht ersichtli~3.

C. Die Erweiterung des horizontalen Anwendungsbereiches der fortgebildeten Organhaftung nach § 31 BGB auf Normadressaten außerhalb des Gesellschaftsrechts Nachdem erkannt wurde, daß § 31 BGB in seiner Rechtsidee nicht nur über den Rahmen des Rechts der juristischen Personen hinausgeht, sondern selbst den Bereich des Gesellschaftsrechts sprengt und in den des Verbandsrechts übergreift, ist die Anwendbarkeit der fortgebildeten Organhaftung auf gesamthänderisch strukturierte Personengemeinschaften außerhalb des Gesellschaftsrechts zu überprüfen. Daneben ist auf in der Literatur anzutreffende Vorschläge zur Erweiterung des Anwendungsbereiches der Organhaftung auf andere, nicht verbandliche' Normadressaten einzugehen. 1. Die Anwendbarkeit des § 31 BGB auf die Miterbengemeinschaft

Angesichts der Verwurzelung der Organhaftung im Bereich der eine VerbandS'einheit bildenden personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisse, die zu einer rechtsfortbildenden Anwendung des § 31 BGB auf alle Gesellschaften unabhängig von ihrer Rechtsfähigkeit, auch also auf gesamthänderisch strukturierte Verbände inklusive der nur "losen bürgerlichen Gesel~aft"234 führte, gewinnt der Hinweis Sellerts~5 Aktualität, daß man "dann ... schließlich auch die Erbengemeinschaft, da 230 281 232 233 234 235

So auch Nicknig, Die Haftung, 127. Vgl. oben, Kapitel I! C 2 a. Fabricius, Relativität, 158 ff. Vgl. KombIum, 60 Fn. 89 a. E. und Nicknig, 126, 127. Wieland, Handelsrecht Bd. I, 427. Sellert, AcP 175 (1975), 77 ff. (103 Fn. 134).

c. Normadressaten außerha1b des Gesellschaftsrechts

131

sie Gesamthandsgemeinschaft ist, nach § 31 BGB haften lassen (müßte) " 230. Tatsächlich ist die Miterbengemeinschaft in erster Linie eine durch Erbgang begründete personale Gemeinschaft, erst in zweiter Linie eine Rechtsgemeinschaft2S7 • Wie in allen Fällen der Gesamthand ist auch bei ihr die personenrechtliche Verbindung das Primäre und die Gemeinschaftlichkeit der Berechtigung und Verpflichtung das Sekundäre288 , denn die Zuständigkeit des "Rechtsanteils" wird erst durch die Zugehörigkeit zu der Personengemeinschait vermittelt239 • Deshalb bedeutet auch die übertragung des "Anteils an dem Nachlaß" (§ 2033 I Satz 1 BGB) in Wahrheit den Austausch der Mitgliedschaft in der Erbengemeinschaft: der Anteilserwerber wird Mitglied der Gruppe von Miterben, die in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Rechtsträger sind (nicht: ist)240. Wie bei allen Gesamthandsverhältnissen beruht auch in den §§ 2032 ff. BGB die Ausgestaltung im einzelnen auf dem Rechtsgedanken der vermögensrechtlichen Wirksamkeit einer personenrechtlichen Gemeinschaft. "Während bei dem einfachen Miteigentum und sonstigen Mitberechtigungen und Mitverpflichtungen die Gedanken des Sachenrechts oder Obligationenrechts in voller Reinheit zum Ausdruck kommen, empfangen hier die sachenrechtlichen und obligationsrechtlichen Verhältnisse einen aus der Verbindung der Subjekte stammenden Zusatz und werden deshalb von eigentümlichen Normen beherrscht, welche das Sachenrecht oder Obligationenrecht mit Gedanken des Personenrechts durchdringen "241. In dieses Bild fügt sich die Anwendung d~s § 31 BGB mit der Folge einer Haftung der Miterbengemeinschaft gegenüber Dritten für die schadensersatzpflichtigen Handlungen ihrer Mitglieder, die im Rahmen der Verwaltung oder Erhaltung des Sondervermögens erfolgen, nahtlos und widerspruchslos ein; sie ist der bislang einhellig angewandten individualrechtlichen Vorschrift des § 831 I OOB242, die auch hier wie über23& Sellert allerdings hatte diesen Hinweis wohl als Argument gerade gegen eine Organhaftung der BGB-Gesellschaft, quasi als reductio ad absurdum, geplant; er leugnet die Bedeutung des § 31 BGB als "allgemeines Prinzip für alle verbundenen Personenmehrheiten", S. 103. m v. Lübtow, Erbrecht Bd. II, 816, 817. 238 Ebenso Larenz, Jherings Jahrb. 83, 147 und 156. 239 Zur Gesamthandsgemeinschaft als Verband vgl. oben, sub A 3. 240 Vgl. Leonhard, Schuldrecht AT, 745 ff.; v. Lübtow, Erbrecht Bd. II, 817 unter Berufung auf Prot. V, S. 838; Soergel / Manfred Wolf, Rdnr. 4 vor § 2032; Staudinger / H. Lehmann, Rdnr. 5 ff. zu § 2032. 241 So O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 354 über die Gesamthandsgemeinschaften; vgl. auch schon daselbst, 343 und 353. 242 Lange, Erbrecht, 568, der die "entsprechende" Anwendung des § 31 BGB auf die Miterbengemeinschaft damit ablehnt, daß sie "keine organisierte Gemeinschaft mit geregelter Vertretung" sei; Soergel/ Manfred Wolf, Rdnr. 19 zu § 2038, wonach sich die Deliktshaftung der Miterben für einen der ihren



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Kap. II!. § 31 BGB als allJgemeines Haftungsprnwip

all im sozialrechtlichen Bereich zu den bekannten Schwierigkeiten führt, und dem § 278 BGB im vertraglichen Bereich vorzuziehen. Denn die Erbengemeinschaft bildet eine von ihren Einzelgliedern repräsentierfähige Verbandseinheit mit verselbständigtem Sondervermögen, bei dessen Verwaltung die Individualinteressen verbandlich gefiltert werden. Jene drei allgemeinen verbandsrechtlichen Haftungsgrundsätze, die die Rechtsidee der Organhaftung ausmachen 243 , treffen auf die Erbengemeinschaft wie auf die BGB-Gesellschaft zu. Allerdings kann eine Organhaftung der Erbengemeinschaft mit dem Sondervermögen nicht in den Fällen der Verwaltung des Nachlasses durch einen Nachlaßverwalter (§ 1984 BGB), Konkursverwalter (§ 6 KO) oder einen Testamentsvollstrecker (§ 2205 BGB) in Betracht kommen, in denen der Erbengemeinschaft die Verwaltungsbefugnis entzogen ist244 : diese fremdbestimmten Verwalter, die auch außergemeinschaftliche Interessen zu berücksichtigen haben, sind keine in einem Akt autonomer willensintegrierender Verbandsorganisation berufene Organe der Miterbengemeinschaft, auch wenn sie äußerlich so auftreten. Selbst wenn der Erblasser einem der Miterben unmittelbar Verwaltungsrechte mit dinglicher Wirkung einräumt245, also einen Miterben zum Testamentsvollstrecker einsetzt (§ 2209 BGB)246, fehlt es diesem Verwalter an der für § 31 BGB erforderlichen Organeigenschaft. Ob die Miterben den Nachlaß gemeinschaftlich verwalten (§ 2038 I Satz 1 BGB) oder ob sie die Art der Verwaltung weniger schwerfällig regeln und etwa einem von ihnen (oder auch einem Dritten, Drittorganschaft) die Alleinverwaltung übertragen (§§ 2038 11, 745 BGB)247, der durch ein die Erbengemeinschaft repräsentierendes Organ vertraglich oder deliktisch Geschädigte muß seinen Schadensersatz anspruch auch gegen die Miterben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit - im Wege der Gesamthandsklage gegen die notwendigen Streitgenossen, §§ 2059 11 BGB, 62 ZPO - durchsetzen und auf den Nachlaß ebenso und aus denselben Gründen wie auf das Sondervermögen einer BGBGesellschaft zugreifen können. Die Anwendbarkeit der fortgebildeten Organhaftung nach § 31 BGB ist unmittelbare Konsequenz der gesamthänderischen Struktur der Erbengemeinschaft; in ihr bestätigt sich die ebenso wie bei der BGB-Gesellschaft gestaltet; das heißt nach der h. M.: § 831 BGB ist anzuwenden. So auch RG WarnR 1930 Nr. 103. 243 Vgl. oben, sub A 2. 244 Vgl. dazu Soergel/ Manfred Wolf, Rdnr. 19 zu § 2038; Staudinger / Felgenträger, Rdnr. 9 zu § 2038. 245 Vgl. Staudinger / Felgenträger, Rdnr. 11 zu § 2038. 246 Zu Unrecht deutete RG HRR 29, 500 die übertragung besonderer Verwaltungsbefugnisse durch den Erblasser auf einen Miterben als Auflagen zu Lasten der anderen Miterben; dagegen RGRK, Anm. 1 zu § 2038. 241 Vgl. zu den einzelnen Möglichkeiten Staudinger / Felgenträger, Rdnr. 10 zu § 2038; Soergel / Manfred Wolf, Rdnr. 19 zu § 2Q38.

c. Normadreooaten al\lßerhalb des Gesellschaftsrechts

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Organhaftung als eine im allgemeinen Verbandsrecht wurzelnde Rechtsidee. 2. Die Organhaftung bei der ehelichen Gütergemeinsdlaft

Nach all dem scheint sich die Anwendung des § 31 BGB auf die eheliche Gütergemeinschaft der §§ 1416 ff. BGB, der neben der BGB-GeseIlschaft und der Miterbengemeinschaft dritten Gesamthandsgemeinschaft des BGB, geradezu als denknotwendige Konsequenz aufzudrängen. In der Tat beruht die Gütergemeinschaft, deutlicher noch als die Erbengemeinschaft248 , auf genossenschaftlichem Gedankengut249 , da sich bei ihr die eheliche Lebensgemeinschaft vermögensrechtlich in der Vermögensgemeinschaft der Eheleute widerspiegelt. über diese personenrechtliche Bedingtheit darf die strikt vermögensrechtliche Konzeption der Gütergemeinschaft im BGB250 nicht hinwegtäuschen. Was im Gesetz ungenügend Ausdruck gefunden hat, die Vorstellung einer gesamthänderischen Personalgemeinschaft der Eheleute, ist von Lehre und Praxis ergänzt worden, die - unterstützt durch das Gleichberechtigungsgesetz - die Gütergemeinschaft nach dem Vorbild der Handelsgesellschaften über eine bloße Rechtsgemeinschaft hinaus zu einer Personengemeinschaft fortentwickelt haben 251 . Während das Gesetz etwa nur einen persönlichen Rechtserwerb der Ehegatten kennt, deren Vermögen dann kraft Gesetzes (§ 1416 I Satz 2 BGB) zum Gesamtgut gehört252, aber keinen unmittelbaren Rechtserwerb "des Ehepaares" zur gesamten Hand, ist es heute herrschende Meinung, daß im rechtsgeschäftlichen Verkehr der handelnde Ehegatte nicht erst für sich persönlich, sondern sofort und unmittelbar für die eheliche Gütergemeinschaft erwirbt253 . Der erwerbende Ehegatte wird mithin nicht mehr vermögensrechtlich als der Rechtsvorgänger des Gesamtgutes, sondern verbandsrechtlich als Repräsentant der ehelichen Gütergemeinschaft qualifiziert. Jedoch erübrigt sich die Anwendung des § 31 BGB mit der Folge einer Haftung der ehelichen Gütergemeinschaft mit dem Gesamtgut für die schadensersatzpflichtigen Handlungen eines ihrer beiden "Mitglieder"254 248 Vgl. zum Verhältnis beider als Personengemeinschaften: Larenz, Jherings Jahrb. 83, 108 ff. (155). 248 Vgl. schon Georg Beseler, System, Bd. I, § 128; O. v. Gierke, Die Genossenschaftstheorie, 367 ff.; Buchda, Geschichte und Kritik, 301, 302; Dölle, Familienrecht, Band I, 867. 2S0 Vgl. im einzelnen Dölle, Familienrecht, Band I, 872. 2S1 Vgl. Dölle, Familienrecht, Band I, 872, 873. 2S2 SO die frühere sogenannte Zwischenerwerbstheorie. ISS Vgl. Soergel/ Gaul, Rdnr. 4 zu § 1416; Dölle, Familienrecht, Band I, 873 m. w. N.; zu weitgehend freilich Fabricius, Relativität, 152 ff. 254 Vgl. Buchda, Geschichte und Kritik, 302, zur "Mitgliedschaft" in der ehelichen Gütergemeinschaft.

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Kap. III. § 31 BGB als aUgemeines Haftungsprinzdp

durch die Vorschriften der §§ 1437 I, 1459 I BGB. Bei der Einzelverwaltung durch einen der Ehegatten wie bei der gemeinschaftlichen Verwaltung des Gesamtgutes durch beide steht nach diesen Vorschriften dem von einem der Ehegatten vertraglich oder deliktisch geschädigten Dritten der Zugriff auf das Gesamtgut in aller Regel!55 offen, selbst wenn die Schadensersatzpflicht schon vor Eintritt der ehelichen Gütergemeinschaft begründet wurde258 : seine Forderung ist für die Gütergemeinschaft eine Gesam tgutsverbindlichkeit257 • Dabei sollen die in der Wirkung über die Rechtsfolgen des § 31 BGB hinausgehenden Vorschriften der §§ 1437 I und 1459 I BGB, durch die als Spezi al regeln die Frage der Anwendbarkeit des § 31 BGB auf die eheliche Gütergemeinschaft redundant wird, auf der Überlegung beruhen, daß einem geschädigten Dritten durch den Güterstand kein Nachteil entstehen dürfe, daß vielmehr das gemeinschaftliche Vermögen die Funktion des Vermögens sowohl für den einen als auch für den anderen Ehegatten behalten mfu;se258: eine angesichts des hohen rechtsethischen Gehalts der Gütergemeinscllaft von Ehegatten259 sehr profane, im Vorfeld ihrer vermögensrechtlichen Wirkungen steckengebliebene Begrünrdung. Demgegenüber liegt doch nach den bisherigen Darlegungen zur Organhaftung der - hier nur anzudeutende - Verdacht nahe, daß jedenfalls für bei bestehender Gütergemeinschaft entstehende Schadensersatzansprüche die personenrechtlich verstandenen §§ 1437 I, 1459 I BGB dem Institut der Organhaftung eng verwandt sind, wenn nicht s0gar in ihnen dieselbe Rechtsidee wie in der Vorschrift des § 31 BGB verborgen ist. Bilden sie nicht einen Spezialfall der Organhaftung? 3. Die Unanwendbarkeit des § 31 BGB anf einzelkaufmännische Unternehmen

(1) Der rechtspolitische Billigkeitstopos einer notwendigen Korrelation von Vorteil und Nachteil bei der Verwaltung eines Vermögens durch Organe, der neben anderen Rechtsgedanken der Organhaftung nach § 31 BGB zugrundeliegt-, läßt sich auf die Grundform der sogenannten theorie du risque-profit reduzieren: der Erweiterung des Tätigkeitsbereiches eines Geschäftsherrn durch Hilfskräfte muß das Risiko Vgl. im einzelnen §§ 1437 - 1440 und 1459 - 1462 BGB. Vom Zeitpunkt des Entstehens der Schadensersatzpflicht kann allerdings die Ausgleichspflicht im Innenverhältnis abhängen, vgl. §§ 1441 f. und 1463 f. BGB; vgl. dazu Soergell Gaul, Rdnr. 5 zu § 1441 und Rdnr. 3 zu § 1463. 257 Vgl. Soergell Gaul, Rdnr. 2 zu § 1459, Rdnr. 3 zu § 1438 und Rdnr. 5 zu § 1441; Staudinger I Felgenträger, Rdnr. 4 - 6 zu § 1437; Mot. IV, 263, 282. 258 Vgl. Mot. IV, 364; Staudinger I Felgenträger, Rdnr. 2 zu § 1437; Soergell Gaul, Rdnr. 1 zu § 1459 und Rdnr. 3 zu § 1463. 258 Vgl. Soergell Gaul, Rdnr. 6 vor § 1415; Staudinger I Felgenträger, Rdnr. 2 vor 1415. 280 Vgl. oben, Kapitel lAI. 255

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C. Normadressaten außerhalb des Gesellschaftsrechts

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deliktischer Schadenshaftung aus der Tätigkeit dieser Gehilfen entsprechen. Diese theorie du risque-profit aber wird heute für die Notwendigkeit einer strikten Geschäftsherrenhaftung für Gehilfen in Abwandlung des § 831 BGB ins Feld geführt~l. Wohl diese Brücke von Rechtsgedanken veraniaßt einige Stimmen der neueren Literatur262 dazu, bereits de lege lata eine strikte Haftung aller Unternehmensträger ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform in Anwendung des § 31 BGB für die den verfassungsmäßig berufenen Vertretern juristischer Personen entsprechenden "Gehilfen" zu befürworten, also in Modifizierung des § 831 BGB ein unbedingtes Einstehenmüssen auch des unternehmerischen Einzelkaufmannes für Leute in leitenden Positionen anzunehmen. (2) So begrüßenswert dieses Bemühen um eine Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 831 BGB und zugleich um eine Gleichbehandlung von juristischen und natürlichen Personen ist, muß doch eine Heranziehung der Organhaftung des § 31 BGB zu diesen Zwecken kritisiert werden. Zunächst läßt sich jener Billigkeitsgedanke der theorie du risque-profit - wie in Kapitel I A gezeigt - nicht als der dem § 31 BGB einzig und allein zugrunde liegende hinstellen263 , will man nicht dem Verdacht ausgesetzt sein, dadurch ein erwünschtes, mit jenem Gedanken in Wirklichkeit nur in lockerem assoziativen Zusammenhang stehendes Ergebnis erschleichen zu wollen. Weiter ist die Ausdehnung der Organhaftung auf alle Einzelkaufleute keineswegs "in konsequenter Fortführung der bereits praktizierten Gesetzeskorrektur"264 zu bewerkstelligen, sondern löst die Organhaftung aus der oben gefundenen Verwurzelung im allgemeinen Verbandsrecht - und auf dieser gründet die Fortbildung des § 31 BGB - heraus. Denn auch die vom Wortlaut gänzlich abstrahierte Rechtsidee der Organhaftung nach § 31 BGB setzt doch erstens ein von einem Privatvermögen abgrenzbares Sondervermögen voraus; bei der natürlichen Person als Unternehmensträger stellen aber privates und geschäftliches Vermögen allenfalls zwei bilanziell, nicht zwei rechtlich getrennte Vermögensmassen dar265 • Zweitens und insbesondere aber verlangt die Organhaftung eine gerade verbandsrechtliche Bindung dieses von Einzelpersonen einer personenrechtlich.en Gemeinschaft zusammengetragenen Sondervermögens. § 31 BGB ist eine sozialrechtliche Norm, d. h. er beruht auf der Beteiligung mehrerer Personen 281 Vgl. statt aller v. Caemmerer, zmv 1973, 241 ff., insbes. 246 ff. m. w. N.; Näheres unten, Kapitel V. !82 Erstmals Nitschke, NJW 1969, 1737 ff., insbes. 1741, 1742; Steindorff, AcP 170 (1970), 93 ff. (107); v. Westphalen, WiR 1972, 67 ff. (83); andeutungsweise schon Ballerstedt, JZ 1951, 486 ff. (492). !83 So aber Nitschke, 1740; v. Westphalen, 83, und Steindorff, 107. !G( So aber Nitschke, 1742. 265 So richtig Beuthien, DB 1975, 773 (773) gegen Nitschke.

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Kap. !II. § 31 BGB als aillgemeines Haftungsprinzip

an einem Rechtskrei,s286. Diese verbandsrechtliche Wurzel der Organhaftung verbietet eine soziologische Umdeutung des § 31 BGB in eine unternehmensrechtliche Norm. (3) Es ist gleichfalls ausgeschlossen, unter Hinweis auf die Stiftung, der allerdings das für den Verband begriffsnotwendige personelle Substrat mangelt, quasi in Analogie zu §§ 86, 31 BGB eine Organhaftung für Unternehmen zu konstruieren. Die Verweisungsnormen der §§ 86, 88 BGB sind sicherlich nicht in spezifisch verbandsrechtlichen Relationen, sondern allein in der äußerlichen Ähnlichkeit der Stiftung mit dem rechtsfähigen Verein in puncto Zuordnungssubjektivität begründet267 • Die Stiftung ist ein selbständiger, gesonderten Rechtsschutzes bedürftiger und fähiger Interessenkomplex, der vom Gesetzgeber mit Rechtsfähigkeit ausgestattet ist268 • Erst diese Rechtsfähigkeit rechtfertigt in überwindung des fehlenden verbandlichen Substrats die "entsprechende Anwendung" des verbandsrechtlichen § 31 BGB, dessen dogmatische Nebenfunktion der haftungsmäßigen Gleichstellung von natürlichen und juristischen Personen für die Stiftung in den Vordergrund rückt. Im Gegensatz zur Stiftung fehlt es dem Interessenkomplex "Unternehmen" an einer Rechtsfähigkeit. Erst am Horizont der Rechtsentwicklung zeichnet sich die Emanzipation des Unternehmens vom sozialen Phänomen über den Rechtsgegenstand zum Rechtssubjekt ab; noch herrscht Begriffsverwirrung268 •

(4) Soweit man sich auf die Ähnlichkeit von verfassungsmäßig berufenen Vertretern juristischer Personen und leitenden Angestellten von Einzelkaufleuten hinsichtlich des tatsächlichen Tätigkeitsbereiches und auf das Erfordernis der Gleichbehandlung beruft27il , um im Unternehmensbereich in beiden Fällen eine gleichmäßige Anwendung des § 31 BGB statt des als unbillig empfundenen § 831 BGB zu begründen, löst man die Argumentation von der Problematik des horizontalen Anwenckmgsbereichs des § 31 BGB (der Frage: wer ist Normadressat) und vermischt sie mit Elementen der hiervon strikt zu trennenden Problematik seines vertikalen Anwendungsbereiches (der Frage des haftungsauslösenden Personenkreises). 28B Vgl. Larenz, Jherings Jahrb. 83, 108 ff. (142, 143) zum Begriff der sozialrechtlichen Norm. !B7 Vgl. Rittner, Die werdende juristische Person, 205. 2B8 Vgl. Wieland, Handelsrecht, Band I, 407 Fn. 28. 2B9 Vgl. nur Fr. Brecher, Das Unternehmen als Rechtsgegenstand; V. Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 50, 212 ff.; J. v. Gierke, Das Handelsunternehmen, ZHR 111 (1948), 1 - 17; P. Raisch, JZ 1966, 501 ff.; E. Rehbinder, Konzernaußenrecht, 57 ff.; Th. Raiser, Das Unternehmen als Organisation, 13 - 89 m. w. N.; K. Ballerstedt, ZHR 134 (1970), 251 ff.; Rittner, Die werdende juristische Person, 307 ff. 270 Nitschke, 1742, sieht hierin einen Anwendungsfall des Art. 3 GG, der den Richter zur Anwendung des § 31 BGB auch auf natürliche Personen als Unternehmensträger zwinge.

C. Nonnadressaten außerhalb des Gesellschaftsrechts

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Daß es zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen, insbesondere zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung von juristischen und natürlichen Personen eines solchen "volitiven übergriffs"271 auf § 31 BGB bei Einzelkaufleuten nicht bedarf, sondern die Probleme ganz anders und methodisch vielleicht sauberer gelöst werden können, wird im Rahmen des vertikalen Anwendungsbereichs der Organhaftung zu zeigen sein272 . 4. Die Unanwendbarkeit des § 31 BGB auf die Fälle der gesetzlidlen Vermögensverwaltung

Der Testamentsvollstreelrung273 , der Nachlaßverwaltung274, dem Konkurs2 75 und der Zwangsverwaltung276 ist gemein, daß eine Vermögensmasse vom übrigen Vermögen einer Person getrennt, dem Inhaber die Befugnis zu ihrer Verwaltung entzogen und für sie ein Verwalter bestellt wird. In diesen Fällen der gesetzlichen Vermögensverwaltung277 wird bei schadensersatzpflichtigen Handlungen des Verwalters, dessen rechtliche Stellung bekanntlich zwischen der Vertretertheorie, der Amts... theorie, der Theorie des neutralen Handelns und der Organtheorie umstritten ist2 78 , im vertraglichen Bereich zugunsten des geschädigten Dritten und zu Lasten der weiterhin rechtlich Vermögensinhaber bleibenden Person jedenfalls § 278 Satz 1 Fall 1 BGB (unmittelbar oder entsprechend) angewandt279 • Ob aber im Bereich der unerlaubten Handlungen, in dem § 831 BGB schon mangels Bestellung des Verwalters durch den Vermögensinhaber ausscheidet280 , über die Eigenhaftung des Verwalters nach §§ 823 ff. BGB hinausgehend dem deliktisch geschädigten Dritten auch das verwaltete Sondervermögen haftet, ist demgegenüber umstritten. Während vom überwiegenden Teil der Literatur die hierfür erforderliche Zurechnung deliktischen Verwalterhandelns an das Sondervermögen entweder abgelehnt oder mit dogmatisch unzureichenden Hinweisen auf eine globarle BindungSlWirkung der Verwalterhandlungen für das 271 Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, 70. 272 Vgl. unten, Kapitel V.

!73 Sofern der Testamentsvollstrecker den Nachlaß oder einen Teil des Nachlasses zu verwalten hat, vgl. §§ 2205, 2208, 2211 I BGB. m Vgl. §§ 1984 I, 1985 I BGB. 275 Vgl. § 6 KO. 276 Vgl. § 146 I i. V. m. §§ 23, 148 II, 152 I ZVG. 277 Von "gesetzlicher Vennögensverwaltung" spricht neutral Soergel! Schultze-v. Lasaulx, Vorbem. 86 ff. zu § 164. 278 Vgl. den überblick bei Soergel! Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 88 vor § 164, m.N. 279 Statt aller Esser! Schmidt, Schuldrecht AT, Teilb. 2, § 27 II 2, S. 61, und Soergel/Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 30 vor § 164; RGZ 144, 399 (402) für den Testamentsvollstrecker. 280 Vgl. etwa Jaeger! Lent, Anm. 1 zu § 59 und Bötticher, ZZP 77 (1964), 55 ff., 73.

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Kap. III. § 31 BGB als allgemeines Haftungsprinrzip

Vermögen erklärt wird281 , erhält eine die Haftung des verwaltenden Vermögens in Anwendung des § 31 BGB befürwortende, noch in sich uneinheitliche Ansicht Zulauf: (1) Für die sogenannte Organtheorie, die die Vermögensmasse als Rechtsträger und den Verwalter als ihr Organ begreift282 , ergibt sich die Anwendung des § 31 BGB, die Bötticher als den "Prüfstein" seiner Auffassung bezeichnet283, beinahe zwangsläufig284, ja es scheint stellenweise, als habe Bötticher die Organ theorie nur entwickelt, um zur Anwendbarkeit des § 31 BGB zu gelangen285 . Immerhin geht die Organtheorie richtigerweise davon aus, daß zur unmittelbaren Anwendung des § 31 BGB seinem dogmatisch-systematischen Zusammenhang nach die Rechtsfähigkeit des Normadressaten unbedingte Voraussetzung ist286 • Ebenso wie Hellwig287 erkennt Böttiche~8 ferner, daß das Gesetz die Vermögensmassen nicht zu eigenen Rechtssubjekten erhoben hat. Beide289 wollen indes die mangelnde Rechtsfähigkeit im Wege einer Fiktion überwinden, weil "das Fehlen des förmlichen Stempels der Rechtsfähigkeit"290 unbedeutend sei, sofern "nur das Gesamtbild der Erscheinungen" einer Rechtsträgerschaft des Sondervermögens entspreche291 . Entgegen dem Gesetz, wonach der Vermögensinhaber trotz ruhender Inhaberrechte das Zuord.nungssubjekt der Rechte und Pflichten während der gesetzlichen Vermögensverwaltung bleibt, gelangt die Organtheorie zu einer ungerechtfertigten "Quasi-Enteignung"292 des VermögensinhabersH3 • Insbesondere aber kann - wie schon oben erörtert294 - die Rechtfähigkeit einer real organisatorischen Einheit nicht induktiv auf Grund einzelner Rechtssätze für den Einzelfall konstruiert werden, da Vgl. im einzelnen Derpa, Die Zurechnung, 64 - 99 m. N. So bezeichnet von Bötticher, ZZP 77 (1964), 55 ff., dessen Ausführungen sich auf die Konkursmasse beschränken; vgl. auch schon ders., ZZP 71 (1958), 314 ff.; ders., JZ 1963, 582 ff.; ihm folgend Erdmann, KTS 1967, 87 ff.; vgl. schon (ohne Beschränkung auf die Konkursmasse) Hellwig, Anspruch, 235 ff.; ders., Lehrbuch Bd. I, 292 ff., 295, 308 ff.; ders., System Bd. I, 152 ff. 283 Bötticher, ZZP 77, 55 ff. (71). 284 Vgl. auch Hellwig, Anspruch, 239; ders., Lehrbuch Bd. 1,309 Anm. 5, und ders., System Bd. I, § 69 II 2. 285 Vgl. dazu Derpa, Die Zurechnung, 40 - 42 unter Hinweis auf Bötticher, ZZP 77, S. 77. 288 Vgl. Bötticher, ZZP 77, S. 77; vgl. auch oben, Kapitel I A 7. 287 Hellwig, System Bd. I, § 69 III 1. 288 Bötticher, ZZP 77, 58 und 62, 63. 289 Bötticher, ZZP 77, 62, 63, und Hellwig, System Bd. I, § 69 III 1: "Diese Vermögensmassen haben die Stellung von juristischen Personen." 290 Bötticher, ZZP 77, 62/63. 291 Bötticher, ZZP 77,62/63. 292 So selbst Bötticher, ZZP 77, 67. 293 Vgl. im einzelnen Derpa, Die Zurechnung, 48 m. w. N. 294 Vgl. oben, Kapitel II C 2 a. 281 282

c. Nonnadressaten außerhalb des GeseUsmaftsrechts

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die Rechtsfähigkeit unseres Privatrechts eben die abstrakte Fähigkeit ist, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Nur solche Gebilde, die das Gesetz expressis verbis mit konstitutiver Wirkung für rechtsfähig erklärt, besitzen neben den natürlichen Personen Rechtsfähigkeit. Die Organtheorie ist daher zur Begründung einer Anwendbarkeit des § 31 BGB auf die Fälle der gesetzlichen Vermögensverwaltung ungeeignet. (2) Nach Soergel / Schultze-v. Lasaulx295 soll in den Fällen der gesetzlichen Vermögensverwaltung eine Deliktshaftung der verwalteten Vermögensmasse für unerlaubtes Verwalterhandeln auch ohne die Fiktion der Rechtsfähigkeit jener Sondervermögen, nämlich im Wege einer analogen Anwendung des § 31 BGB möglich sein295 . Weil der Verwalter dem Vermögen "ähnlich ,vorsteht' wie ein geschäftsführender Gesellschafter hinsichtlich der unter einer Firma (OHG) zusammengefaßten Mittel", sei ein "Vergleich mit der Rechtslage einer OHG hinsichtlich der Haftung nach § 31" durchaus zugelassen!97.

Weil es - wie oben dargelegt298 - aber zur Rechtsfähigkeit kein Analogon gibt, bereits die Anwendung des § 31 BGB auf die OHG nicht Analogie, sondern Rechtsfortbildung ist, muß die von Soergel / Schultzev. LasauIx vorgeschlagene Analogiebildung als methodisch unhaltbar abgelehnt werden. (3) Auf methodisch nicht immer nachvollziehbarem Weg gelangt neuerdings auch Derpa209 zu einer Haftung der Sondervermögen für die unerlaubten Handlungen ihrer Verwalter, wobei er nach nur oberflächlicher Analyse der die Organhaftung nach § 31 BGB bestimmenden Rechtsgedanken300 bei einseitiger Betonung des von Westermann in die Diskussion gebrachten RepräsentationsgesichtspunktesSOl nicht von einer Analogie, sondern von einer "Erweiterung des Sinngehalts"302 des § 31 BGB spricht. Daß es bei diesem im Ziel der Gesamtanalogie ähnlichen methodischen Institut der "Erweiterung des Sinngehalts" einer NormsOlI 295 Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 12 zu § 31, allerdings auf die Konkursmasse beschränkt. In Rdnr. 90 vor § 164 werden aber auch die anderen FäHe der gesetzlichen Vermögensverwaltung in die analoge Anwendbarkeit des § 31 BGB einbezogen. Z98 Wohl ebenso Erman I H. Westermann, Rdnr. 1 zu § 31. 287 Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 12 zu § 31. 298 Vgl. oben, Kapitel II A 4 und B 3. 219 Derpa, Die Zurechnung, 99 - 1'31>; er geht dabei von der Vertretertheorie aus (64 ff., insbes. 97, 98). 300 Derpa, 99 - 116. 301 Derpa, 132 - 134. 802 Derpa, 135. 303 Vgl. Larenz, Methodenlehre, 2. Aufl. (I), 366, 367; ob diese "Erweiterung des Sinngehalts" einer Norm überhaupt ein methodisches Institut ist, erscheint zweifelhaft. Bei Larenz, Methodenlehre, 3. Aufl. 1975, ist die der 2. Auf!. 1969 entsprechende Stelle weggelassen; nunmehr scheint dieses Institut Larenz un-

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Kap. IIr. § 31 BGB als alligemeines Haftungsprinzip

aber auf eine detaillierte Herausarbeitung crer ratio legis und eine dogmatische Begründung für die Erweiterung über den Wortlaut der Vorschrift hinaus ankommt, wird gerade an der von Derpa zitierten304 Stelle von Larenz hervorgehoben305 • Derpa, der die verbandsrechtlichen Komponenten des § 31 BGB stark unterschätzt, genügt seinen eigenen Anforderungen nicht. (4) Weil zur Anwendung auf solche Normadressaten, die - wie die Stiftung - keine Verbände sind, deren Rechtsfähigkeit die unabdingbare Voraussetzung auch eines fortgebildeten § 31 BGB bleibt, können alle Versuche, eine Organhaftung des verwalteten Sondervermögens für unerlaubtes Verwalterhandeln zu begründen, nicht mit den bisherigen überlegungen zum horizontalen Anwendungsbereich des § 31 BGB akkordiert werden. Andererseits darf die Frage der Zurechnung deliktisehen Verwalterhandelns in den Fällen der gesetzlichen Vermögensverwaltung nicht bei den bisherigen Unsicherheiten von Theorie308 und PraxisS°7 in Ergebnis und Begründung sein Bewenden haben. Daß der Schlüssel zu einer adäquaten Lösung doch in § 31 BGB, allerdings in seinem vertikalen Anwendungsbereich in Gegenüberstellung zu den Verrichtungsgehilfen des § 831 BGB verborgen ist, wird unten30S zu zeigen sein.

D. Zusammenfassung Ausgangspunkt dieses Kapitels III sind die dogmatisch-konstruktiven Schwierigkeiten und Widersprüchlichkeiten sowie die teilweise unbilligen Ergebnisse und methodischen Unsauberheiten bei der gegenwärtigen Handhabung der §§ 31, 831 BGB im Bereich nicht rechtsfähiger Gesellschaften in PUIliCto Zurechnung von Organverschulden. Aber nicht nur versagen die herkömmlichen Instrumentarien und das gängige Argumentationsrepertoire bei der Anknüpfung an die formell-klassHika1;o.risch verstandenen Typen des Gesellschaftsrechts; jene stellen slich zudem nur noch als bloße Begriffshülsen ohne soziologische Entsprechung in faktischen Gesellungsformen dar, so daß die typologische Gegenpoligkeit von rechtsfähigen Körperschaften und gesarnthänderischen Personengesellschaften für die unabweisbar notwendige Neuordnung der Haftungsfrage keine Anhaltspunkte bietet. Weil auch keine hierfür brauch~ bekannt geworden zu sein. Der Sache nach wird es von Canaris, Die Feststellung von Lücken, 90 ff., und von Sauer, Juristische Methodenlehre, 306, 309 als Art des Induktionsschlusses erwähnt. 304 Derpa, 135 Fn. 2. 305 Larenz, Methodenlehre, 2. Aufl., 366, 367; ähnlich Canaris, Die Feststellung von Lücken, 90. 306 Vgl. im einzelnen die Nachweise bei Derpa, insbes. S. 64 Fn. 3. 307 Vgl. die Entscheidungsrezensionen von Derpa, 32 - 36. 308 Vgl. unten, Kapitel V B.

D. Zusammenfassung Kap. III

141

bare materielle Neueinteilung in Sicht ist, müssen die verbandlichen Gemeinsamkeiten aller Gesellschaften als Ausgangspunkt für ein einheitliches gesellschaftsrechtliches System der Zurechnung von Organverschulden ins Blickfeld treten. Der sich von der Rechtsfolge wie dem Interesse des durch das Verschulden von Gesel1schaftsorganen Geschädigten her (Haftung mit dem abgrenzbaren Gesellschaftsvermögen) als Anknüpfungspunkt anbietende sozialrechtliche § 31 BGB beruht in der Tat unter anderem auf allgemein verbandsrechtlichen Haftungsgrundsätzen von apodiktischer Interessengerechtheit und Billigkeit, denen heute gegenüber der für den Gesetzgeber bei der Normierung des § 31 BGB entscheidend gewesenen Zuordnungssubjektivität des Verbandes der Vorrang eingeräumt werden muß: -

Das Gerechtigkeitspostulat einer notwendigen positiven Korrelation von Vorteil und Nachteil bei der Verwaltung eines verbandlichen Sondervermögens durch Organe.

-

Die Betrachtung des verbandlichen Sondervermögens als primäre Haftungsgrundlage bei Organverschulden infolge seiner Verselbständigung unter Ausschluß der Individualinteressen der die Verwaltung auf Organe übertragenden Mitglieder.

-

Der Gesichtspunkt der Repräsentation der das Sondervermögen tragenden Gruppe als eine verbandliche Einheit durch die handelnden Organe.

Weil dieser rechtsobjektive Kern des § 31 BGB, der als Rechtsidee der Organhaftung über den Wortlaut der Norm wie das gesetzgeberische Blickfeld hinausgeht, in allen personenrechtlichen Gemeinschafisverhältnissen, in denen Entscheidungsmacht verbandlich institutionalisiert und ein Sondervermögen zweckhaft für die verbandliche Einheit von diesen repräsentierenden Organen verwaltet wird, Gültigkeit beansprucht, kann der gesel1schaftsrechtliche Bereich transzendiert und die Organhaftung rechtsfortbildend als allgemeines verbandsrechtliches Haftungsprinzip installiert werden, das auch auf gesamthänderisch strukturierte Verbände außerhalb des Gesellschaftsrechts Anwendung finden kann. Denn nicht nur die rechtsfähige Körperschaft, auch die Gesamthand bringt unabhängig von verbandlichen Elementen des Gesellschaftsbegriffs als primär personenrechtliches Verbands-, erst sekundär vermögensrechtliches Zuordnungsprinzip eine (wenn auch nichJt rechtsfähige) personale und damit durch Organe repräsentierbare Einheit hervor. Der Prozeß einer solchen Rechtsfortbildung ist gegenwärtig in Rechtsprechung und Literatur in vollem Gange, freilich noch latent, nämlich als Gesetzesanwendung per analogiam § 31 BGB getarnt. Nachdem die entscheidenden Schritte de facto irreversibel getan sind, zögert man al-

142

Kap. III. § 31 BGB als alligemeines Hafbungsprinzip

lerdings noch überwiegend, offen die letzten Konsequenzen dieser Rechtsfortbildung zu ziehen. Zu Unrecht, denn die allgemeine verbandliehe Organhaftung kann nicht nur in die Dogmatik der Personenhandelsgesellschaften und der BGB-Gesellschaft unschwer eingebettet werden, wenn man das herrschende Gesamthandsverständnis um die verbandliche Komponente ergänzt; sie vereinfacht nicht nur bei interes;engerechten Ergebnissen drastisch - insbesondere wenn man zum Verhältnis von Gesamthands- und Gesamtschuld der Akzessorietätstheorie folgt - das System der personengesellschaftsrechtlichen Verschuldenszurechnung gegenüber den vielfältigen gegenwärtigen Unzulänglichkeiten. Vielmehr kann auch eine Organhaftung der Miterbengemeinschaft, denn auch sie ist Gesamthand, als Sproß der verbandsrechtlichen WUl'Z€l der Organhaftung entwickelt und als Fortschritt gegenüber der del'Z€itigen Verschuldenszurechnung über §§ 831,278 BGB angesehen werden. Demgegenüber können die in der neueren Literatur anzutreffenden Vorschläge einer Anwendung des § 31 BGB auf Einzelkaufleute zur Haftungsbegründung für das Verschulden leitender Angestellter und auf die Fälle der gesetzlichen Vermögensverwaltung keinen dogmatischen Halt finden.

Kapitel IV

Analyse und Kritik der Rechtsprechung und Literatur zur Abgrenzung des eine Organhaftung auslösenden Personenkreises A. Organe und "andere verfassungsmäßig berufene Vertreter" von Verbänden Umstritten ist auch der vertikale Anwendungsbereich der Organhaftung nach § 31 BGB, also das Problem der Abgrenzung des Kreises derjenigen Personen, für deren zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen der Verband haften soll. Mehr noch als im horizontalen Anwendungsbereich dieser strapazierten Norm ist hier kein eigentlicher Meinung'$Streit mit halbwegs geklärten Fronten, sondern globale Unklarheit über die Art und Weise zu konstatieren, wie angesichts des selbst bei teleologischer Auslegung als zu eng empfundenen Wortlauts des § 31 BGB dogmatisch widerspruchslos praktikable Ergebnisse produziert werden können. Zur Untersuchung der Frage, wer bei den einzelnen Verbänden, die als Normadressaten der zum allgemeinen verbandsrechtlichen Haftungs.prinzip fortgebildeten Organhaftung in Betracht kommen, jeweils deren Organe bzw. welche Personen diesen gleichzustellen sind, ist zunächsrt; wieder vom Wortlaut des 31 BGB und seinem gesetzlichen Anwendungsbereich auszugehen. Diese Vorschrift enthält den Organbegriff selbst nichtt, sondern nennt als mögliche, eine verbandliche Ersatzpflicht begründende Schädiger: den Vereinsvorstand, dessen Mitglieder und andere verfassungsmäßig berufene Vertreter des Vereins. 1. Die WiIIensorgane

(1) Soweit eine Haftung für den Vorstand bzw. seine einzelnen Mitglieder in § 31 BGB angesprochen ist, kann der Personenkreis möglicher Schädiger zunächst für die juristischen Personen als die gesetzlichen Normadressaten allerdings noch klar bestimmt werden: "Vorstand" bzw. "ein Mitglied des Vorstandes" ist das jeweilige gesetzliche, den rechts1

Von Vereins-"organen" spricht allerdings § 32 BGB.

144

Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungs auslösenden Personen

fähigen Verband bzw. die juristische Person nach außen repräsentierende Leitorgan2 , also - der Vorstand bzw. dessen Mitglieder, §§ 76, 77 bei der AG AktG; - der persönlich haftende Gesellschafter als Vorbei der KGaA stand, §§ 283, 76 AktG; - der Geschäftsführer, §§ 6,35 GmbHG; bei der GmbH bei der Genossenschaft - der Vorstand bzw. dessen Mitglieder, § 24 GenG; - der berufene Stiftungsvorstand bzw. dessen Mitbei der Stiftung glieder, §§ 86, 26 BGB; bei der bergrechtlichen - der Repräsentant bzw. Grubenvorstand, z. B. §§ Gewerkschaft 117 ff. des alten preußischen, heute etwa noch in NRW geltenden AllgemBergG3; - der Vorstand bzw. dessen Mitglieder, § 29 VAG; beimVVaG bei juristischen Perso- - die nach den maßgebenden Organisationsbestimmungen berufenen Leitorgane4. nen des öffentlichen Rechts (2) Bei einer rechtsfortbildenden Anwendung der Organhaftung nach § 31 BGB auf alle Verbände mit verselbständigtem Sondervermögen und organschaftlicher Verbandsorganisation haften auch die gesamthänderisch strukturierten Gesellschaften, wenngleich sie nicht rechtsfähig sind, für die sie als Einheit repräsentierenden gesetz- bzw. vertragsmäßigen Leitorgane, also die OHG und KG - für den/die geschäftsführenden Gesellschafter, §§ 125, 161 II HGB; die BGB-Gesellschaft - für den/die geschäftsführenden Gesellschafter, §§ 709, 710, 711 BGB.

Als Gesamthandsgemeinschaft außer halb des Gesellschaftsrechts unterliegt, wie gezeigt, die Miterbengemeinschaft der §§ 2032 ff. BGB der fortgebildeten Organhaftung, so daß die Miterben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Gruppe für das Verschulden ihres "Organs" haften, das sie als verbandliche Einheit bei Maßnahmen zur Verwaltung oder Erhaltung des Sondervermögens (Nachlaß) repräsentiert5 • (3) Daß für den Sonderfall des nicht rechtsfähigen Vereins bei schadensersatzpfiichtigen Handlungen des Vorstandes bzw. eines Vorstandsmitgliedes die Organhaftung eingreift, bereitet nunmehr selbst dann keine Schwierigkeiten, wenn man § 54 Satz 1 BGB wörtlich nimmt: auch die BGB-Gesellschaft ist ja wie jeder gesamthänderische Verband der

Eigentlich: "Organwalter", vgl. oben, Einleitung Fn. 6. Vgl. aber die Sonderregelung des § 2 RHaftpflG für Bergwerks-, Steinbruch- und Grubenbetriebe. 4 Vgl. StaudingerlCoing, Rdnr. 15 a zu § 31; RGZ 74, 21; 157, 228 und 162, 2

3

129 (168). 5

Vgl. oben, Kapitel III CL

A. Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter

145

Organhaftung unterworfen; insoweit sind die Unterschiedlichkeiten von Gesamthand und juristischer Person, Gesellschaft und Verein, wie immer man sie im einzelnen spezifizieren mag, jedenfalls im Haftungsbereich neutralisiert, sie sind im Verbandsbegriff als dem entscheidenden Anknüpfungspunkt für das Prinzip der Organhaftung synthetisiert. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß sich der Haftungsumfang nicht wie bei der BGB-Gesellschaft, sondern entsprechend dem rechtsfähigen Verein gestaltet, so daß weder im vertraglichen, noch im deliktischen Bereich eine Privathaftung der Mitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins für schadensersatzpflich.tiges Fehlverhalten des Vorstandes in Betracht kommt. {4} Die bislang umstrittene Frage der Anwendbarkeit des § 31 BGB auf die in der Entstehung begriffene juristische Person' ist vor dem Hintergrund der obigen Untersuchungen dahingehend zu beantworten, daß mit dem Entstehen einer verbandlichen Einheit und eines zweckgebundenen, durch Organe verwalteten Sondervermögens eine Haftung für das Verschulden der Repräsentanten Platz greift. Dies ist regelmäßig noch nicht bei der Vorgründungsgesellschaft, wohl aber bei der Gründungs{BGB-)Gesellschaft der Fall. Am Gedanken der Kapitalerhaltung (Stichwort: Vorbelastungsverbot) orientierte Spezialbestimmungen wie § 41 AktG, § 11 GmbHG gehen der allgemeinen Organhaftung allerdings vor. {5} Einen weiteren Sonderfall im System des Verbandsrechts bildet die Partenreederei, §§ 489 ff. HGB, als eine nicht rechtsfähige Personengesellschaft sui generis. Eine Organhaftung läßt sich hier nicht global damit bejahen, daß die Reederei trotz des Fehlens firmenrechtlicher Vorschriften in den §§ 489 - 505 HGB unter Verwendung des Schiffsnamens aufzutreten pflegt, nach herrschender Meinung unter diesem Namen auch Rechte haben, klagen und verklagt werden kann und auf sie deshalb die Vorschriften über die Handelsgesellschaften ergänzend angewandt werden sollten7 • Vielmehr ist zu beachten, daß das Schiff im Bruchteilseigentum der Partner bleibt, nicht aber "gemeinschaftliches" Gesellschaftsvermögen wird8 • Weil aber die Bildung eines Sondervermögens für die Organhaftung nach § 31 BGB wesentliche Voraussetzung ist, kann für schadensersatzpflichtige Handlungen eines Geschäftsführers oder eines Korrespondentenreeders, § 492 HGB, eine Organhaftuug e Vgl. die Nachweise bei Rittner, Die werdende juristische Person, 362. So aber J. v. Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 596 ff., 597 m. w. N.; Reinhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 309. S Vgl. Reinhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 307; Schaps / Abraham, Anm. 4 zu § 489; Schlegelberger / Liesecke, Rdnr. 1 zu § 489; Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 149, 150; a. A. aber Schulze-Osterloh, Das Prinzip, 138 ff., der in Anlehnung an eine frühere Mindermeinung (Krieger, DJ 1941, 209, 211; Röhreke, Hansa 1953, 1035, 1036) in der Partenreederei eine echte Gesamthandsgemeinschaft sieht. 7

10 Martinek

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

"der Reederei" in Ergänzung zur proratarischen Haftung der Mitreeder nach § 507 HGB nur zu befürworten sein, soweit neben der Schiffsparl sonstiges Vermögen in die "Gesellschaft eigener Art"9 eingebracht wurde. Denn nach richtiger Auffassung10 steht nur das Schiff selbst in Bruchtei1seigentum, während das sonstige Vermögen wie BGB-Gesellschaftsvermögen gesamthänderisch gebunden ist und den allgemeinen Regeln über Personalgesellsch:aftsvermögen unterliegt. Soweit die Reederei Gesamthandsgesel1schaft ist, haftet sie demgemäß nach § 31 BGB. (6) Juristische Personen wird man in übereinstimmung mit einem Teil der Literaturl l auch für zum Schadensersatz verpflichtende Handlungen anderer Organe nach § 31 BGB haften lassen müssen, die zwar grundsätzlich nicht vertretungsbefugt sind, aber im Einzelfall nach außen rechtsgeschäftlich oder tatsächlich tätig werden. Auch die Mitgliederversammlung und der Aufsichtsrat nämlich sind, wenn sie bei der Schädigungshandlung den Verband gegenüber dem Geschädigten repräsentieren, Organe i. S. des § 31 BGB, wobei die fehlende Vertretungsmacht wegen des in § 31 BGB untechnisch verwandten Vertreterbegriffs12 nicht schadet: § 31 BGB ist Haftung für Organe, nicht für Vertreter. Bei Beschlüssen der Mitgliederversammlung, die zwar in der Regel erst durch die Ausführung des Leitorgans nach außen wirken, die aber in Einzelfällen schon ohne eine solche Umsetzung zum Schadensersatz verpflichten können (etwa Beschlüsse beleidigenden Inhalts), folgt diese - durchaus unmittelbare, nicht erst analoge - Anwendung des § 31 BGB aus einem argumentum a fortiorP3. (7) Dieser Gedanke ist mit Vorsicht auf gesamthänderisch strukturierte Verbände zu übertragen. Weil es bei ihnen kein Zuordnungssubjekt neben den Gesellschaftern in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zu einer Gruppe gibt, kann die Gesellschafterversammlung einer ORG, KG oder BGB-Gesellschaft eigentlich nicht als Organ angesehen werden, wenn alle Gesellschafter vollständig versammelt an der Beschlußfassung mitwirken; anders aber, wenn jemand fehlt und die VersammSchlegelberger I Liesecke, Rdnr. 1 zu § 49l. J. v. Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, § 82 I la und I 2; Reinhardt, Gesellschaftsrecht, Rdnr. 307. 11 Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 16 zu § 31; Staudinger I Coing, Rdnr. 18 zu § 31 (anders noch die 10. Auflage); Enneccerus I Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 110 I Fn. 3; Rittner, Die werdende juristische Person, 273; Rhomberg, Körperschaftliches Verschulden, 22; Fußhöller, Der Organbegriff, 12 ff., der dies allerdings zu Unrecht aus § 32 BGB ableiten will. 12 Vgl. dazu Näheres unten, sub 2 b. 18 So auch Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 16 zu § 31 und Staudinger I Coing, Rdnr. 18 zu § 31; a. A. Planck I Knoke, Bem. 2 d zu § 31 (ohne Begr.); v. Tuhr, BGB AT, Band I, § 37 VIII, S. 538 f., für den allein das gesetzliche Leitorgan (Vorstand) den Verband nach außen repräsentieren kann; a. A. auch Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (482 Fn. 1). 9

10

A. Die verfassungsmäß[g berufenen Vertreter

147

lung auch mit Wirkung für ihn Beschlüsse faßt, denn hier repräsentiert sie die Gesellschaftergesamtheit. Zwar bedarf es im ersten Fall regelmäßig keiner Organhaftung, weil das Sondervermögen vom Geschädigten nach den Vorschriften der §§ 823, 831, 840 BGB, 736 ZPO ohnehin in Anspruch genommen werden kann, doch scheint es entsprechend dem oben angesprochenen Fall deliktischen Handeins aller geschäftsführungsbefugter Gesellschafter14 folgerichtig, auch hier die Organhaftung "erst recht" anzuwenden, weil die Gesellschafter-Gruppe nicht repräsentiert zu werden braucht, wenn sie als solche, in Form der Mitgliedergesamtheit handelt. Im zweiten Fall besteht dagegen ein praktisches Bedürfnis zur Anwendung des § 31 BGB auf die mit Außenwirkung handelnde und eine Schadensersatzpflicht begründende (unvollständige) Gesellschafterversammlung. Auch andere den Verband im Einzelfall repräsentierende Gremien einer etwa kapitalistisch strukturierten Personengesellschaft kommen als Organe i. S. des § 31 BGB in Betracht. Es ist allerdings eine Differenzierung unvermeidbar: für die Beurteilung eines solchen Beirates, Verwal tungsrates, Arbeitsausschusses, Gesellschafterausschusses etc. 15 muß es - gleichviel ob er beratende oder kontrollierende Funktion hatausschlaggebend sein, ob es sich um ein Organ der Gesellschaft, vergleichbar dem Aufsichtsrat im Aktienrecht oder um ein Organ lediglich einer Gesellschaftergruppe handelt. Die Repräsentanten einer Gesellschafterklasse lassen sich, da die Organeigenschaft die Interessenwahrnehmung des Gesamtverbandes voraussetzt, nicht als Organe ansprechenl6 • Beiräte sind Organe, wenn bzw. weil sie ihre Funktion aus dem gemeinsamen Recht aller Gesellschafter zur Mitverwaltung herleiten, ihre überwachungs- oder Beratungsaufgaben im Interesse aller Gesellschafter auszuführen haben17 • Für einen formellen extensiven Organbegriff mag es heute ausreichen, daß einer Person oder Personengruppe kraft Gesetzes oder Statuts die gebündelte Wahrnehmung von Rechten im Rahmen der Verbandsorganisation zugewiesen ist. Im Bereich der Organhaftung kann aber nur ein spezieller und materieller, an Zielsetzung und Verhaltensmaßstab des Organs und seiner faktischen Funktion zur Repräsentation der verbandlichen Einheit orientierter Organbegriff beachtlich sein. Vgl. oben, Kapitel UI B 1 bund III B 2 b. Vgl. zu den Arten und Aufgaben von Beiräten etc.: Wiedemann, Festschrift für Schilling, 105 ff. (107 - 109); Uwe H. Schneider, DB 1973, 953 ff. 18 Vgl. Wiedemann, 108; Uwe H. Schneider, 954; zu eng allerdings v. Tuhr, BGB AT, Band I, 460, wonach nur diejenigen Personengruppen als Organe bezeichnet werden sollen, deren Willensentscheidung für die Gesellschaft "maßgebend" ist, also nicht Aufsichts- oder Kontrollorgane. 17 Vgl. Schneider, 954; BGH WM 1968, 98. 14

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10'

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftuiligsauslösenden Personen

In den genannten Fällen der noch unproblematischen Haftung der Verbände für ihre unmittelbaren Funktionseinheiten, die man als ihre Willensorgane bezeichnen kann, entspricht die Anwendung des § 31 BOB noch seinem Wortlaut ("der Vorstand oder ein Mitglied des Vorstandes") bzw. der ratio der zum all~meinen verbandsrechtlichen Haftungsprinzip fortentwickelten Organhaftung. 2. Die "anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreter" (Sonderorgane)

Waren diese eigentlichen Verbands(willens)organe noch unschwer zu bestimmen, so ist eine Deutung der Wendung "oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter" in § 31 BGB sehr viel diffiziler. Weil in der Literatur dieses Auslegungsproblem und die diesbezügliche Entwicklung der Rechtsprechung oft nur unvollkommen dargestellt, insbesondere aber beides mit dem Problemkreis des sogenannten Organisationsmangels oder Organisationsverschuldens18 vermischt wird18, empfiehlt sich zunächst ein diese Mängel vermeidender überblick über die Bemühungen der Judikatur, diese Formel für den deliktischen Bereich - und nur hier ist die Abgrenzung von Sonderorgan und Verrichtungsgehilfe wegen § 831 I S. 2 BGB bedeutsam20 - praktikabel zu interpretieren.

a) Die 1J,,'rspT'Üngliche methodengerechte Auslegung u.nd ihre u.npraktikablen Erg€bnisse (1) über den ursprünglichen Sinn dieser Wendung kann im Lichte ihrer Entstehungsgeschichte kein Zweifel bestehen. Nachdem die zweite Kommission im heutigen § 30 BGB für den Verein die Möglichkeit geschaffen hatte, neben d~m Vorstand auch besondere Vertreter als Sonderorgane einzurichten, da für größere Körperschaften die Bestellung besonderer Organe für einen begrenzten Geschäftskreis unentbehrlich sei!1, erschien ihr die Erstreckung der Haftung des Vereins nach § 31 BGB auch auf diese neben dem Vorstand fungierenden Sonderorgane nur folgerichtig und selbstverständlich22 • Bezieht sich danach § 31 BGB 18 Zu diesem von der Auslegungsfrage durchaus zu trennenden Komplex vgl. unten, sub B. lU Vgl. Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 13, 17 - 19 zu § 31; Rdnr. 9 -13 zu § 30; Staudinger I Coing, Rdnr. 15 ff. zu § 31, insbes. 15 b - 15 d; Erman I H. Westermann, Rdnr. 6 und 7 zu § 89 und Rdnr. 5 zu § 30; Esser, Schuldrecht BT, 263; Esser I Schmidt, Schuldrecht AT, Teilbd. 2, § 27 11 2, S. 62; Westermann, JuS 1961, 333 ff. (336); Brox, BGB AT, Rdnr. 701; Steindorff, AcP 170 (1970), 93 ff. (103, 104}; exakt allerdings Wussow, Unfallhaftpfiichtrecht, Rdnr. 344 ff., S.184 -187. 20 Vgl. schon oben, Kapitel I B 1. !1 Vgl. Prot. I, 520, 521; RGZ 157,228 (235). 22 Vgl. Staudinger I Coing, Rdnr. 14 zu § 31; Erman I H. Westermann, Rdnr. 2 zu § 31; Landwehr, AcP 164 (1964),482 ff. (483).

A. Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter

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in seiner FO'nnulierung "anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter" unzweifelhaft auf § 30 BGB23, so erfaBte er seinem ursprünglichen Sinn nach nur solche Personen, die neben dem VO'rstand eine in der Satzung durch ausdrückliche Bestimmung eingerichtete Stellung als besonderer Vertreter i. S. des § 30 BGB innehabenl!4. Damit wäre der Kreis der "verfassungsmäßig berufenen Vertreter" beim rechtsfähigen Verein und! den juristischen PersO'nen überhaupt durch fO'rmale Kriterien klar abgegrenzt: sie müßten erstens Vertreter und zweitens verfassungsmäßig berufen sein!5. In der Tat wurde in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des BGB in Teilen der Literaturll8 und einzelnen Entscheidungen des RG27 dies als "die sichere Grundlage" angesehen, "auf die das BGB die Deliktshaftung der juristischen Person gestellt hat"28. Erst daraus, daß die Person in der Satzung zum Vertreter bestimmt ist, sollte sich ergeben, daß ihre FunktiO'n dem Verband sO' wichtig erscheint, daß sie in betreff der Verrichtungen, zu denen sie bestellt ist, dessen Organen gleichgestellt sein soll29. Auf die objektive Wichtigkeit der Tätigkeit, auf den Umfang des Wirkungskreises und die Selbständigkeit der Stellung kam es nicht an30• Im Gegenteil: der Begriff des Vertreters in § 31 BGB wurde sogar arg. e § 30 S. 2 BGB - durchaus im Sinne rechtsgeschäftlicher Stellvertretung interpretiert. Damit sollte zwar nicht gesagt sein, daß der Vertreter die unerlaubte Handlung, für welche die juristische Person haften muß, gerade auf Grund seiner Vertretungsmacht ausgeführt haben müsse; denn auf unerlaubte Handlungen erstreckt sich seine Vertretungsmacht regelmäßig nicht. Er mußte aber überhaupt, wenn auch in einem begrenzten Rahmen, zur rechtsgeschäftlichen Vertretung der juristischen Person berechtigt seinlt . Nur die Handlungen solcher Personen, die die juristische Person im rechltsgeschäftlichen Verkehr als ihre bevoll23 Vgl. im einzelnen O. Lenel, DJZ 1902, 9 ff. (12); Planck I Knoke, Anm. 2 zu § 31; Prot. I, 522. 24 Vgl. Stau dinger I Coing, Rdnr. 14 zu § 31; Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 1 zu § 30. 25 Vgl. Geigel, Haftpftichtprozeß, Rdnr. 9, 11 und 12 zu § 31; Staudinger I Coing, Rdnr. 14 zu § 31; Wussow, Unfallhaftpftichtrecht, Rdnr. 344, S. 184; RG JW 1938, 1938. 2S Vgl. die Nachweise bei O. Lenel, DJZ 1902,9 ff. (10). 21 RGZ 45, 168; 53, 276; 62, 31; 74, 21; RG JW 11, 640; RGZ 91, 1; 74, 250 (257); 70, 118. 28 So RGZ 74, 250 (257); vgl. dazu Müller-Erzbach, Jherings Jahrb. Bd. 73, 135 ff. (138 f.). 29 Vgl. Planck I Knoke, Anm. 2 c zu § 31, der aber für juristische Personen des öffentlichen Rechts eine großzügigere Auffassung vertritt. 30 Vgl. Oertmann, Erl. 3 c zu § 31; Planck I Knoke, Anm. 2 c zu § 31; Co sack, Lehrbuch, Band I, § 299 I; v. Tuhr, BGB AT, Band I, S. 623; RGZ 74, 250 (256). 31 Vgl. RGZ 74, 250 (257); so heute nur noch Geigel, Haftpftichtprozeß, Anm. 11 zu § 31 und Wussow, Unfallhaftpftichtrecht, Rdnr. 346, S. 185 1186.

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

mächtigten Repräsentanten vertreten, sollten danach, auch wenn sie unerlaubt sind, als Handlungen der juristischen Person geIten32 • Dieses früher bevorzugte Abstellen auf das Erfordernis rechtsgeschäftlieher Vertretungsmacht im technischen Sinne der § 164 ff. BGB für die Sonderorgane der §§ 30, 31 BGB anstelle einer objektiv wohl ebenso denkbaren Betonung des faktischen Wirkungskreises eines untechnisch verstandenen Interessen-"vertreters" ist nur als Relikt der sogenannten Vertretertheorie zu begreifen, derzufolge auch der Vorstand als Willens organ "echter" Vertreter ist33 • Ein sachlich begründeter Zusammenhang zwischen dem deliktischen Verhalten und einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht des Sonderorgans besteht dagegen nicht. Die Vertretungsmamt ist vielmehr von der Vertretertheorie konzipiert als eine den Personenkreis einschränkende objektive Haftungs-vorausetzung des § 31 BGB, als tatbestandlicher Annex, nicht als das die Organhaftung sachlich begründende Element. Dies erhellt schon daraus, daß dem Gesetz nicht entnommen wurde, der Vertreter müsse die juristische Person für sich allein rechtsgeschäftIich verpflichten können. Vielmehr ließ die Vertretertheorie unter Hinweis auf die Worte "ein Mitglied des Vorstandes" in § 31 BGB auch im Falle der Gesamtvertretung mehrerer Sonderorgane die Delikte eines einzelnen "Vertreters" als Delikte der juristischen Person gelten34 • Es ging nur darum, daß eine Person ohne jede rechtsgescltäftliche Vertretungsmacht die juristische Person auch nicht durch Delikte verpflichten können sollte, wenigstens nicht nach § 31 BGB, sondern allenfalls nach § 831 BGB: die so in Form eines Junktims geforderte Vertretungsmacht bot neben der verfassungsmäßigen Berufung das zweite klare Abgrenzungskriterium für den eine Organhaftung auslösenden Personenkreis35 • Vor einer extensiven Auslegung des Begriffs des anderen verfassungsmäßigen Vertreters scheute man zurück, weil sonst die juristische Person in ausgedehnterem Umfang haften würde als die natürliche Person, die ein größeres Unternehmen betreibt36 • Insbesondere wurde gegen ein untechnisches Verständnis des Vertreterbegriffs in § 31 BGB vorgebracht, daß sich schließlich jede Bestellung eines Interessenvertreters auf die Satzung zurückführen ließe, so daß die juristische Person im Ergebnis für jede ordnungsgemäß bestellte Person nach § 31 BGB zu haften hätte und § 831 BGB für juristische Personen gar nicht mehr in Betracht käme37 • RGZ 74, 250 (257). Vgl. schon oben, Kapitel I A 3. 34 Vgl. Planck I Knoke, Anm. 2 b zu § 31; v. Tuhr, BGB AT, Band I, 539; Geigel, Haftpflichtprozeß, Anm. 11 zu § 31; RGZ 110, 146; 134,375 (377). 35 Besonders deutlich: RGZ 74, 250 (257). 38 Planck I Knoke, Anm. 2 c zu § 31; Wussow, Unfallhaftpfiichtrecht, Rdnr. 346, S. 185. 32

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Die verfassungsmäß1ig berufenen Vertreter

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(2) Indes zeigte sich bald, daß eine solche Abgrenzung, gegen die auslegungsmethodisch keinerlei Bedenken bestehen, in der praktischen Anwendung des Gesetzes zu Schwierigkeiten und Unbilligkeiten führte; dies weniger im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 31 BGB auf Vereine, als vielmehr bei dessen Anwendung auf juristische Personen des Handelsrechts und insbesondere des öffentlichen Rechts sowie auf den Fiskus38 : Bei weitverzweigten Organisationen etwa von Großbetrieben der Industrie, Großbanken und staatlichen Verwaltungen, bei denen die unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten des Vorstandes auf den Einzelfall naturgemäß beschränkt sind, verliert die in § 31 BGB vorgesehene Haftung für den Vorstand an praktischer Bedeutung, sofern eben keine besonderen Vertreter i. S. des § 30 BGB für diejenigen Aufgaben bestellt sind, die der Vorstand bei einer solchen Großorganisation nicht wahrnehmen kann 39 • Dem Vorstand kann man dann keine Versäumnisse zur Last legen, so daß auch die juristische Person nicht auf diesem Wege haftbar gemacht werden kann. Das heißt, mit der Größe der Organisation wächst für den Geschädigten die Wahrscheinlichkeit, daß er nicht das Organ nach den §§ 823 ff. BGB und damit die juristische Person nach § 31 BGB, sondern nur die bloßen Angestellten unterer Organisationsebenen haftbar machen kann, für die sich der Verband wegen der Entlastungsmöglichkeit nach § 831 I S. 2 BGB von seiner Haftung unschwer wird befreien können. Dies wurde insbesondere des'halb als unbillig empfunden, weil es der Verein bzw. die juristische Person in der Hand! hat, den Kreis der Personen, für die nach § 31 BGB gehaftet werden muß, trotz äußerlicher Gleichheit der Tätigkeit der Personen durch die Satzung selbst frei festzulegen: so kann die Bestellung eines Chefarztes eines Krankenhauses durch die Satzung der Körperschaft, die das Krankenhaus trägt, bestimmt sein, so daß er als Sonderorgan unter die §§ 30, 31 BGB fällt; möglich ist aber auch, daß der Chefarzt in Ermangelung von Satzungsbestimmungen von dem Vorstand bestellt wird und nur Verrichtungsgehilfe mit der Folge einer Entlastungsmöglichkeit der Körperschaft nach § 831 I S. 2 BGB ist40 •

Vgl. Planck / Knoke, Anm. 2 c zu § 31. Vgl. Staudinger / Coing, Rdnr. 15 zu § 31. 39 Vgl. die Beispiele bei Staudinger / Coing, Rdnr. 15 zu § 31, wo zugunsten des Vorstandes der Satz "minima non curat Praetor" angeführt wird. 40 Vgl. RG JW 1912, 338; RGZ 139, 149 (151); 155, 257 (267, 275); 163,21 (30); RG DR 1944, 287; vgl. RGRK (BGB)-Haager, Anm. 5 zu § 831 und Planck / Knoke, Anm. 2 c zu § 31, wo dies in Kauf genommen wird, weil die Bestellung besonderer Vertreter nach § 30 dem Verein auch Vorteile bieten könne, hinter denen die Nachteile der Haftung nach § 31 zurückblieben. 37

88

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

b) Die "Auslegung" gegen das Gesetz-

Topik statt Subsumtion

Um dem Geschädigten bei dieser Sachlage durch eine Ausdehnung der Organhaftung auf leitende Personen in der Verwaltung der juristischen Personen, insbesondere auf Filialleiter, selbständige Sachbearbeiter etc. zu helfen, versuchten Literatur und Rechtsprechung, den Begriff des verfassungsmäßig berufenen Vertreters extensiv auszulegen. In zweifacher Hinsicht erweiterte vor allem das Reichsgericht die Anwendbarkeit der §§ 30, 31 BGB und gab der Organhaftung damit eine über die Absichten des Gesetzgebers hinausgehende Bedeutung41. (1) Zunächst hat das Reichsgericht·! in Übereinstimmung mit großen Teilen der Literatur43 auf das Erfordernis einer rechtsgeschäftlich eingeräumten Vertretungsmacht des Sonderorgans allmählich "verzichtet"·· und zunehmend auf die Wirksamkeit des Handeins nach außen und die Selbständigkeit der Entscheidungen sowie die Eigenverantwortlichkeit des Tätigkeitsbereiches abgestellt". Daß sich die Rechtsprechung indes bereits durch ein solches untechnisches Verständnis des Vertreterbegriffs in § 31 BGB "praktisch vom Gesetz gelöst"4t habe, ist ein von gewichtigen Literaturstimmen vorgebrachter47, jedoch schwer zu begründender Vorwurf, stellt man die Unsicherheiten im Sprachgebrauch des Gesetzes bei der Normierung der Organhaftung48 sowie den Umstand in Rechnung, daß der Gesetzgeber sich weder auf die Organtheorie noch auf die Vertretertheorie festlegen wollte4t• Der methodische Grundsatz der wörtlich-systematischen Auslegung, daß der Gesetzgeber ein und denselben Begriff ("Vertreter") auch an verschiedenen Stellen derselben Kodifikation im Zweifel in einheitlichem Sinn verwende1;6o, hilft daher nicht weiter. Vom Stand-

Vgl. Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 9 zu § 30. RGZ 53, 276; 57, 38; 62, 31; 70, 118; 110, 145 (147); 157, 228 (237); 162, 202 (207); 162, 129 (168); RG JZ 1930, 2927 (2930); RG JW 1911, 85; RG DR 1944, 287; anders allerdings RGZ 74, 250 (256, 257), diese Entscheidung ist nur retardierendes Moment in der Gesamtentwicklung; dies übersieht Wussow, Unfallhaftpfiichtrecht, Rdnr. 346, S. 185. 43 Planck / Knoke, Anm. 2 c zu § 31; Hölder, Komm., Erl. 3 b zu § 31; Oertmann, Erl., 3 c zu § 31; Cosack, Lehrbuch, Band I, § 299 I; Dernburg, Lehrbuch, Band I, § 66 IV; v. Tuhr, BGB AT, Band I, 540; Lenel, DJZ 1902, 9 ff. (10). 44 So Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 10 zu § 30 und 13 zu § 31. 45 Vgl. ebenda; Erman / H. Westermann, Rdnr. 2 zu § 31; Enneccerus / Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 110 I 2, Fn. 8; Staudinger / Coing, Rdnr. 15 ff. zu § 31; RGRK (BGB)-Denecke, Rdnr. 2 zu § 30. 48 So Staudinger / Coing, Rdnr. 15 d zu § 31. 47 Ebenso wie Staudinger / Coing auch Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 10 zu § 30. 48 Vgl. schon oben, Kapitel I A 3, insbes. Fn. 89. 48 Vgl. schon oben, Kapitel I A 3. 50 Vgl. dazu Larenz, Methodenlehre, 308. 41

u

A. Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter

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punkt der Organtheorie jedenfalls spricht einiges dafür, daß das Gesetz selbst den Vertreterbegriff in § 31 BGB untechnisch verwendet: weil die Wendung "oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter"51 ja auch den Vorstand als Vertreter inkludiert, jener aber nicht automatisch, sondern nur bei individueller Vollmacht ein Vertreter im technischen Sinne der §§ 164 ff. BGB ist, mag dies nach der Organtheorie auch für das Sonderorgan gelten52• Auch aus der Sicht einer objektiven Auslegungstheorie läßt sich eine untechnische Deutung des Vertreterbegriffs begründen, denn jedenf.alls bei den hier interessierenden unerlaubten Handlungen kann es für die Organhaftung nur auf den dem Organ zustehenden Tätigkeitsbereich, nicht auf die rechtsgeschäftliche Vertretungsrnacht als den entscheidenden Anknüpfungspunkt ankommen53 . Nicht durch das zusätzliche Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht, sondern durch das Tatbestandsmerkrnal "in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen", also nicht personenbezogen, sondern tätigkeitsbezogen enthält § 31 BGB ein die Haftungsfälle eingrenzendes Tatbestandsrnerkrnal. Aber auch ohne daß man sich auf die methodologisch grundsätzlich zweifelhafte objektive Auslegungstheoriell4 zu stützen oder der Organtheorie anzuschließen braucht, ist die von der Vertretertheorie aufgestellte Behauptung, das Sonderorgan der §§ 30, 31 BGB müsse notwendig zur Einschränkung und klaren Abgrenzung des die Organhaftung auslösenden Personenkreises rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht besitzen, mit den Mittelnsubjektiv...historischerAuslegung zu widerlegen. Wenn auch an sehr verdeckter Stelle, nämlich bei den Beratungen zum heutigen § 831 BGB, fiel in der zweiten Kommission die klärende Bemerkung: "Besonders sei in dem § 30 das Wort ,Vertreter' nicht nur i. S. des zu Rechtsgeschäften bestellten Vertreters gebraucht, sondern gelte für jeden, der in irgend einern verfassungsmäßigen Wirkungskreise die juristische Person zu vertreten berufen sei55 ." Damit dürfte der Vertretertheorie, soweit sie nicht nur den Vorstand als gesetzlichen Vertreter, sondern auch das Sonderorgan, soll der Verband für dessen Verschulden nach §§ 30, 31 BGB haften müssen, aJs notwendig rechtsgeschäftlich zu bevollmächtigenden Verteter ansieht, die Grundlage entzogen sein. Es liegt die Vermutung nahe, daß es dem Gesetzgeber bei dem Gebrauch des Vertreterbegriffes in der Formulierung "ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter" primär um eine Abgrenzung der durch Stellung und Tätigkeit hervorgehobenen Angestellten von den anderen Hilfskräften und VerrichtungsgehilHervorhebung vom Verf. So Lenel, DJZ 1902, 9 ff. (10/11); vgl. aber auch oben, Kapitel I A 3 Fn. 94. 53 VgI. Westermann, Handbuch, Rdnr. 343; Staudinger / Coing, Rdnr. 15 g zu § 31; Hueck, OHG, § 19 IV; RG JW 1936, 915 Nr. 1; RG DB 1944, 287. 54 Dazu Larenz, Methodenlehre, 303 ff. ss Prot. II, S. 2779. 51

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

fen i. S. des § 831 I BGB ,der juristischen Personen ging - ein Ziel, das aber bei der Unsicherheit des Sprachgebrauchs in den anzuwendenden Bezeichnungen nicht erreicht werden konnte66 • Ist also "Vertreter" i. S. des § 31 BGB, wer durch das Gesetz oder durch die Verfassung der juristischen Person berufen ist, die Interessen des Verbandes zu wahren und zu "vertreten", so ist jeder Vorwurf, die Auslegung des ReichSgericht sehe "sicher entgegen dem Willen des Gesetzgebers"57 vom Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsbefugnis des Sonderorgans ab, ungerechtfertigt58. Gegen diese Auslegung ist in Wirklichkeit nichts einzuwenden. Freilich entfällt ein deutliches Abgrenzungskriterium für den die Organhaftung nach § 31 BGB auslö~ senden Personenkreis, wenn nun statt Stellvertreter mit rechtsgeschäftlicher Vollmacht Interessenvertreter in gehobener Stellung angesprochen werden. Gewonnen ist eine Ausdehnung des haftungsauslösenden Personenkreises gegenüber der Vertretertheorie ; diese war beabsichtigt. (2) Entgegen der Forderung des Gesetzes, daß der verfassungsmäßig berufene Vertreter durch die Satzung, der bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts die durch Gesetz oder Verwaltungsvorschriften getroffenen allgemeinen organisatorischen Bestimmungen über die Gliederung der Körperschaft entsprechen59, ausdrücklich als Sonderorgan

Vgl. dazu Klingmüller, Die Haftung, 41. So Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 10 zu § 30. 58 Allerdings ist zu beachten, daß es auf das Bestehen rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht im Rahmen des Merkmals "in Ausführung ihm zustehender Verrichtungen" ankommen kann, wenn die schädigende Handlung durch ein Rechtsgeschäft (Abschluß eines Vertrages, pflichtwidrige Kündigung etc.) erfolgt. Hier kann nur bei bestehender Vertretungsmacht des Organs ein sachlicher Zusammenhang mit seinem Aufgabenbereich bestehen. Hat jedoch das Organ völlig außerhalb einer Vertretungsmacht gehandelt, so haftet es als falsus procurator ausschließlich nach der Sonderregelung des § 179 BGB allein, die dem § 31 BGB vorgehen muß; denn anderenfalls würden die vom Gesetzgeber gewollten S'chutzwirkungen bei überschreitung der (bei satzungsmäßiger Festlegung nach außen wirkenden) Beschränkung der Vertretungsmacht des Organs (§§ 64, 68) überspielt werden. Jedoch spielt das Bestehen einer Vertretungsmacht keine Rolle, sobald gleichzeitig der Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt ist. Vgl. Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 29 zu § 31; Staudinger I Coing, Rdnr. 10 a zu § 31; Enneccerus I Nipperdey, BGB AT, 1. Halbbd., § 110 Fn. 12; Westermann, JuS 1961, 333 ff. (383); RGZ 162, 129 (156). Entsprechendes gilt bei Gesamtvertretung. Die juristische Person kann zwar in der Satzung eine Gesamtvertretungsmacht des Vorstandes schaffen und sich so dagegen schützen, daß sie im rechtsgeschäftlichen Verkehr schon durch das Handeln nur eines Organs verpflichtet wird. Hier scheidet eine Haftung nach § 31 aus, da sonst der Zweck des Erfordernisses des Zusammenwirkens mehrerer Vorstandsmitglieder vereitelt würde. All dies spielt im deliktischen Bereich keine Rolle. Vgl. Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 31 zu § 31; Staudinger I Coing, Rdnr. 13 zu § 31; RGZ 157, 228 (233) einerseits (Delikt) und RG DR 1941, 1937 andererseits (Vertrag). 59 Vgl. Soergell S'chultze-v. Lasaulx, Rdnr. 6 zu § 30 und 45 zu § 89; Staudinger I Coing, Rdnr. 15 a zu § 31; Staudinger I Schäfer, Rdnr. 55 zu § 831; RGZ 53, 280; 62, 36; 70, 119; 74, 21; 162, 129 (168). 58

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A. Die

verfassungsmäß~g

berufenen Vertreter

155

vorgesehen sein muß, sahen es Literatur und Rechtsprechung mehr und mehr als ausreichend an, daß sich: die Notwendigkeit eines derartigen Sonderorgans aus der Satzung durch Auslegung erschließen läßt8°: es genügte schon, daß die Satzung eine bestimmte Einrichtung oder einen abgegrenzten Tätigkeitsbereich, etwa ein Sachgebiet oder eine örtlich getrennte Abteilung vorsieht, die wegen ihrer Bedeutung und ihres Umfangs durch einen dem Vorstand hinsichtlich seiner Befugnisse, seiner Selbständigkeit und des Maßes der Verantwortung ähnlichen Leiter wahrgenommen werden soll. Daß in der Satzung abstrakt die Einrichtung von Stellen geplant ist, die die Bestellung besonderer Vertreter in der Regel erforderlich machen, betrachtete man zur Begründung einer Organhaftung im Falle einer schadensersatzpflichtigen Handlung des die Stelle dann ausfüllenden Angestellten bereits als ausreichend'l. Schließlich aber verzichtete man, da bisher die Anwendung der Organhaftung doch von der mehr oder weniger zufälligen Gestaltung der Satzung bzw. Zuständigkeitsregelung im Einzelfall noch immer abhing, überhaupt auf einen Zusammenhang zwischen Sonderorgan und Satzung, indem man es für die Subsumtion unter den Begriff des "anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreters" als entscheidend und hinreichend ansah, daß die "allgemeine Betriebsregelung und Handhabung" im Einzelfall dazu geführt hat, daß gewisse Aufgaben einzelnen Abteilungen oder Filialleitern zur selbständigen und eigenverantwortlichen Entscheidung zugewiesen wurden, die gewöhnlich der Betriebsführung obliegen62 • Hatte die Rechtsprechung des Reichsgerichtes zuerst noch verlangt, daß die Stellung des Sonderorgans besonders nach außen wirken müsse63 , so rückte sie in der Folgezeit hiervon teilweise wieder ab und bewegte sich in die Richtung einer Ausweitung des Organbegriffs auf alle kraft ihrer Stellung im gesellschaftlich-wirtschaftlichen Wirkungsbereich des Verbandes unentbehrlichen Personen. Der Bundesgerichtshof, der diese Rechtsprechung nach dem Kriege fortführte, GO Vgl. schon o. v. Gierke, Gutachten zum 28. DJT (1906), Bd. T, 102 ff. (111), wonach eine Berufung des Sonderorgans "im Rahmen der Verbandsorganisation" genügt; ähnlich Endemann, Lehrbuch, Bd. T, § 44 Anm. 17,20; Staudinger 1 Coing, Rdnr. 15 a zu § 31 und 3 zu § 30; RG JW 1930, 2927 mit Anm. Hoeniger; RGZ 91, 1 (4); 94, 320; schon RG JW 1917, 285; weitere Nachweise bei Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, Rdnr. 345, S. 184/185. &1 Vgl. Silberschmidt, JW 1928, 1540 ff. (1541) mit Nachweisen zur Einordnung von Filialdirektoren von Zweigniederlassungen großer Bankunternehmen; vgl. auch RGZ 91, 1 (4). 62 Vgl. RGZ 94, 318 (320); 117, 61 (64); 157, 228 (235); 163, 21 (29/30); RG DR 1942, 1703, wonach der Generaldirektor eines Hüttenwerkes nach den "Verhältnissen des Wirtschaftslebens" als "naturgemäß berufener Vertreter des Eigentümers" erscheint. Vgl. Staudinger / Coing, Rdnr. 15 c zu § 31; Soergell Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 11 zu § 30; RGRK (BGB)-Denecke, Rdnr. 2 zu § 31. 83 So noch RGZ 157, 228 (236).

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsa'llslösenden Personen

nimmt in einer zentralen EntscheidungM zu der Frage Stellung, ob der Filialleiter einer Auskunftei "verfassungsmäßig berufener Vertreter" i. S. des § 31 BGB ist. EB heißt dort: "Verfassungsmäßig berufener Vertreter i. S. des § 31 BGB sind nicht nur Personen, deren Tätigkeit in der Satzung der juristischen Person vorgesehen ist; auch brauchen sie nicht mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ausgestattet zu sein. Es braucht sich auch nicht um einen Aufgabenbereich zu handeln innerhalb der geschäftsführenden Verwaltungstätigkeit der juristischen Person. Vielmehr genügt es, daß dem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, daß er also die juristische Person auf diese Weise repräsentiert. Bei einer solchen Sachlage wäre es unangemessen, der juristischen Person den Entlastungsbeweis nach § 831 S. 2 BGB zu eröffnen." Auf diese Formeln des Fillialleiter-Falles hat sich die Rechtsprechung in teilweise stereotypen Wiederholungen inzwischen festgelegt65. Statt auf die Verankerung der Stellung des Interessenvertreters in der Satzung stellt man also ab auf die Bedeutsamkeit der Funktion für die satzungsgemäßen Aufgaben, auf die objektive Bedeutung der Stellung des Leiters und auf seine gewisse Selbständigkeit". Da es den juristischen Personen nicht freistehen dürfe, selbst darüber zu b€stimmen, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften wollen, dürfe es nicht entscheidend auf die Frage ankommen, ob die Stellung des "Vertreters" in der Satzung vorgesehen ist67 • Wie weit diese Rechtsprechung führt, zeigt sich deutlich an den Personenhandelsgesellschaften, auf die ja § 31 BGB fälschlicherweise "analog" angewandt wird: hier kann sogar der Nichtgesellschafter ohne jede rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht auch außerhalb des Aufgabenbereiches der geschäftsführenden Verwaltung unter den die Organhaftung der Gesellschaft auslösenden Personenkreis fallen, sofern er eine nicht unbedeutende Tätigkeit eigenverantwortlich und selbständig ausübtfS • 14 BGHZ 49, 19 ff. (21) = NJW 1968, 391 = LM Nr. 14 zu § 31 mit zust. Anm. von Rietschel. Der BGH beruft sich auf: RGZ 94, 318; 117, 6,1 (64); 157, 228 (235); 163\ 21 (29) und auf BGH VersR 1962, 664. es Vgl. BGH LM Nr. 17 zu § 31; BGH VersR 1971, 1123; BGH BB 1970, 685; BGH NJW 1972, 334; OLG Köln NJW 1972, 1950; OLG Hamburg BB 1974, 1266 (1267); vgl. auch schon BGH VersR1962, 664 (665). In BGH NJW 1972, 334 f. wird die Argumentation von BGHZ 49, 19 gleich abschnittweise wörtlich übernommen. 68 Vgl. auch Larenz, BGB AT, § 10 11, S. 130, 131; Erman/H. Westermann, Rdnr. 2 zu § 31; Staudinger I Schäfer, Rdnr. 53 zu § 831; Esser I Schmidt, Schuldrecht AT, Teilbbd. I, § 27 111, S. 62; Geigel, Haftpfiichtprozeß, Rdnr. 10 zu § 31. 67 So zuletzt BGH NJW 1972, 334. 68 Vgl. Baumbach I Duden, HGB-Komm., Anm. 3 B zu § 124.

A. Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter

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Die Rechtsprechung vollzieht durch diese Ausweitung des Organbegriffs auf praktisch alle krait ihrer Stellung im gesellschaftlich-wirtschaftlichen Wirkungsbereich des Verbandes unentbehrlichen Personen69 eine vollständige Lösung vom Gesetz, was trotz des billigenswerten Motives, eine rechtstechnische Hilfe zur Einschränkung des Anwendungs.bereiches des § 831 BGB schaffen zu wollen70, aus mehreren Gründen fragwürdig erscheint: -

Der Verzicht auf eine Verankerung der Stellung des Sonderorgans in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag, das begriffsjuristische Bemühen, eine "Betriebsregelung und Handhabung" als verfassungsmäßige Berufung i. S. des § 31 BGB darzustellen, verstößt offenkundig gegen den methodischen Grundsatz, daß Grenze jeder Auslegung auch einer teleologischen - der noch mögliche Wortsinn des Gesetzes sein muß71. Eine solche "Auslegung" - und eine Analogie lehnt die Rechtsprechung ausdrücklich (ohne Begründung) ab 72 - kann auch um der "Ernielung brauchbarer Ergebnisse" willen nicht hingenommen werden73. In § 31 BGB steht nun einmal "verfassungsmäßig berufener" Vertreter; der Gesetzeswortlaut ist eindeutig und nicht disponibel.

-

Die überblicke in der Kommentarliteratur zu der Frage, wer von der Rechtsprechung als verfassungsmäßig berufener Vertreter i. S. des § 31 BGB angesehen wurde und wer dagegen nicht74, bieten ein so uneinheitliches und widersprüchliches Bild, daß allein die Billigkeit des Einzelfalles über die Subsumtion zu entscheiden scheint, nachdem die klaren Abgrenzungskriterien der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht und: der verfassungsmäßigen Berufung des Sonderorgans aufgegeben sind. Die verbandsrechtliche Verschuldenszurechnung hängt nicht mehr von intersubjektiv verifizierbaren, weil am Gesetz ausgerichteten Maßstäben ab, sondern wird dem Billigkeitsurteil des Tatrichters als eines sozialen Administrators, nicht als eines Gesetzesanwenders anvertraut. Die Qualüizierung einer Person im Verwaltungsaufbau des Verbandes als verfassungsmäßig berufener Vertreter entbehrt jeder systematisch-dogmatischen

oa Vgl. Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 11 zu § 30 und 13 zu § 31. Vgl. Staudinger / Coing, Rdnr. 15 zu § 31; Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 12 zu § 31; vgl. insbes. RGZ 157, 228 ff. (237): "Der Verkehr würde im 70

Falle einer geringen Bemessung des Kreises der besonderen Vertreter dadurch leiden, daß die Haftung der juristischen Person zu deren Gunsten mehr eingeschränkt und die Entlastungsbefugnis nach § 831 erweitert würde." 71 Vgl. Larenz, Methodenlehre, 304. 72 Ausdrücklich RG JW 1938, 1651 Nr. 12; jüngst BGH NJW 1972, 334 gegen Staudinger / Coing, Rdnr. 15 e zu § 31, wo eine Analogie befürwortet wird. 73 So aber Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 12 zu § 30. 74 Vgl. zur älteren Rechtsprechung: Planck / Knoke, Anm. 2 c zu § 31 a. E.; zur neueren Rechtsprechung: Geigel, Haftpftichtprozeß, Anm. 13, 14 zu § 31.

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

Grundlage. Die Dogmatik bildet aber das positive Entscheidung$System "als das ausschließliche Milieu, in welchem Wertungen und Urteile die Qualität des Subjektiven und den Verdacht des Emotionalen verlieren und objektive Bedeutung gewinnen"75. Der Zweck. des § 31 BGB, eine haftungsmäßige Gleichstellung von juristischer und natürlicher Person zu erreichen, wird verfehlt. Während das Großunternehmen eines Einzelkaufmannes in den Genuß der Entlastungsmöglichkeit nach § 831 I S. 2 BGB für einen leitenden Angestellten kommt, muß die juristische Person für einen leitenden Angestellten desselben Tätigkeitsbereiches und derselben Stellung nach außen im Wege der Organhaftung unbedingt einstehen. Die Organhaftung wird so für die juristische Person und nach der hier vertretenen Auffassung für alle Verbände gegenüber Einzelpersonen zu einem "Privileg in peius"76.

-

Die von Otto LeneF7 nach Inkrafttreten des BGB in Voraussicht der durch die Fassung des § 31 BGB auf die Rechtsanwendung zukommenden Probleme gestellte Frage, ob es der Rechtsprechung gelingt, hier eine "zugleich haltbare und praktisch befriedigende Antwort zu finden", muß inzwischen verneint werden. Um so erstaunlicher ist es:, daß die jüngere Literatur, soweit sie nicht nur die Entwicklung oder den Stand der Rechtsprechung kommentarlos wiedergibt und soweit sie dieses Auslegungsproblem, wer "anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter" i. S. des § 31 BGB ist, überhaupt scharf genug von der Problematik des Organisationsmangels bzw. Organisationsverschuldens trennt, im Ergebnis der Rechtsprechung zustimmt, allenfalls empfiehlt, § 31 BGB auf leitende Angestellte von juristischen Personen nicht unmitelbar, sondern analog anzuwenden78. Demgegenüber muß daran festgehalten werden, daß Voraussetzung einer Haftung für den besonderen Vertreter i. S. des § 31 BGB dessen verfassungsmäßige Berufung bleiben muß, daß also seine Stellung in der Satzung b!Zw. im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehen ist oder sich doch darauf gründet und unmittelbar ableiten läßt7 9 • Nicht, daß es auf den Gesichtspunkt der Publizität durch Aufnahme des Tätigkeitsbereiches in die Satzung ankäme; Publizität spielt bei außerSo Esser, AcP 172 (1972), 97 ff. (98). So Lenel, DJZ 1902, 9 ff. (9). 77 Lenel, 12. 78 Vgl. Esser, Schuldrecht BT, § 39 VI, S. 263,; Erznan / Westermann, letzte Rdnr. zu § 30; Esser / Schmidt, Schuldrecht AT, Teilbbd. 1, § 27 IH, S. 62; Brox, BGB AT, Rdnr. 699; Larenz, BGB AT, § 10 H, S. 130,131; Staudinger/ Coing, Rdnr. 15 e zu § 31; Soergel / Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 12 zu § 31; Nitschke, NJW 1969, 1737 ff. (1739). n So auch Fikentscher, Schuldrecht, § 107 lId, S. 673; wohl auch Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 11 zu § 30, aber andererseits Rdnr. 20 ff. zu § 31. 75

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A. DIe vedassungsmäßig berufenen Vertreter

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kontraktlicher Haftung keine Rolle. Aber erst die wirklich verfassungsmäßige Berufung begründet im Innenverhältnis des Verbandes eine die Haftung rechtfertigende Gleichstellung des besonderen Vertreters mit den verbandllchen Willensorganen und verdeutlicht dem Verband die für ihn generell und dann auch haftungsmäßig besondere Stellung des Sonderorgansso. Dies ist die Grenze der Auslegung - und nur um Auslegung" nicht um Analogie geht es hier -, bei deren Überschreitung pari passu der Boden herkömmlicher Auslegungsmethode verlassen wird. Einzuräumen ist freilich, daß mit dem FesthaUen an der verfassungsmäßigen Berufung das Problem einer gerechten und praktikablen Abgrenzung des haftungsauslösenden Personenkreises noch ungelöst bleibt, zumal es der Verband bei diieser Formel in der Hand behält, den Kreis der eine unbedingte Einstandspflicht begründenden Personen selbst durch das Statut zu bestimmen. Doch kann dem Problem hier nicht der Primat gegenüber Norm und System eingeräumt werden. Daß der Jurisprudenz nicht das System, sondern die Probleme vorgegeben sind, darf nicht dazu führen, den geschlossenen Kanon der klassisch-hermeneutischen Auslegungsregeln zum Reservoir potentieller, frei heranmehbarer, in ihren Ergebnissen aber letztlich unverbindlicher Problemlösungsgesichtspunkte heraobzustufen. Gerade solche Betrachtung der juristischen Interpretation als eines offenen Argumentationsprozesses, der einen bestimmten Norminhalt und das dogmatische System nur als Gesichtspunkte für die Problemlösung neben anderen heranzieht81, statt daß er seinen Orientierungsmaßstab in einem zu ermittelnden und dann anzuwendenden Norminhalt sucht, handelt der Rechtswissenschaft den Vorwurf mangelnder Seriosität ein. Die topisch-problemorientierte Methode, bei der ein konsensgetragenes Vorverständnis normativ wirksam wird und Begründungen volitiv zurechtgestutzt werden, führt mit ihrem Axiom, dem Primat des Problems vor der Norm, nicht nur zur Infragestellung der Normgeltung des Gesetzes, sondern zur Auflösung der Jurisprudenz als Wissenschaft82 • Die Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs des anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreters i. S. des § 31 BGB, die um der Beschränkung des Anwendungsbereiches des als unbillig empfundenen § 831 I S. 2 BGB und um der "billigen" Erweiterung des eine Organhaftung auslösenden Personenkreises willen das Erfordernis der ver80 Diesen Gesichtspunkt vernachlässigen insbesondere Staudinger I Coing, Rdnr. 15 f. zu § 31, wo allein auf die unnötige Publizität der Satzung für die Sonderorganhaftung eingegangen wird. 81 Grundlegend Viehweg, Topik und Jurisprudenz, 95 ff. 82 Vgl. Friedrich Müller, Juristische Methodik, 68 ff., insbes. 70; Diederichsen, NJW 1966, 697 ff.

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

fassungsmäßigen bzw. gesellschaftsvertraglichen Berufung des besonderen Vertreters ignoriert statt es auszulegen und dann zu subsumieren, die auf das Ergebnis schielend an Stelle des § 831 die Vorschrift des § 31 BGB hinstellen will als die sententia, quae rei gerendae aptior est, diese zur Zeit uneingeschränkt herrschende, im Kern topische Rechtsprechung ist ohne Einschränkung abzulehnen. B. Die Haftung für Organisationsverschulden bzw. wegen Organisationsmangels Neben dieser methodisch nicht zu verantwortenden "Auslegung" des Begriffs des anderen verfassungsmäßig berufenen Vertreters hat die Rechtsprechung auf außerordentlich verworrenem und einer Analyse schwer zugänglichem Wege zusätzlich eine Konstruktion entwiclrelt, um die Haftung des Verbandes für schadensersatzpflichtige Handlungen einer für ihn handelnden Person überall dort ohne die Entlastungsmöglichkeit des § 831 I S. 2 BGB zu erreichen, wo dies aus Billigkeitsgründen dringend angeraten schien. Diese unter den Bezeichnungen "Organisationsverschulden", "Organisationspflicht" und vorwiegend - obgleich von der Rechtsprechung eingeführt und weiterentwickelt - als "Lehre vom Organisationsmangel" bekannte Konstruktion gipfelt in der These, eine juristische Person müsse für objektiv vom Vorstand allein nicht übersehene Tätigkeitsbereiche ein besonderes Organ i. S. des § 30 BGB schaffen, für dessen Verschulden sie dann, ohne Entlastungsrnöglichkeit, nach §§ 823, 31 BGB hafte; sei dies nicht geschehen, dann liege ein Organisationsmangel vor, der per se eine unbedingte Haftung für die schadensersatzpflichtige Handlung der eigentlich zu bestellenden Person zur Folge habe8ll • Freilich ist dies keine creatio e nihilo. Wie diese These entwickelt wurde und wo sie ihren systematischen Standpunkt hat, ist vor der Frage zu klären, ob und wie sie insbesondere angesichts der Satzungsautonomie der Verbände, denen doch eine Entscheidung über die Bestellung von Sonderorganen nach dem Wortlaut des § 30 BGB selbst überlassen bleiben soll, zu rechtfertigen ist. Es geht insoweit um dasselbe Problem, das auch die unhaltbare "Auslegung" des § 31 BGB provozierte: für welche Personen soll ein Verband mit und für welche ohne eine Entlastungsmöglichkeit haften. Daß dem Verband die Entscheidung hierüber nicht dadurch selbst selbst überlassen bleiben darf, daß er ad libitum verfassungsmäßige Berufungen solcher Personen vornimmt oder unterläßt, die funktionell Vorstandsaufgaben wahrnehmen, erscheint prima facie selbstverständlich. Obzwar das Problem nicht auf juristische Personen beschränkt ist, sondern sich im Zuge der hier befürworteten Ausdehnung der fortge83

Detaillierte Nachweise im folgenden.

B. Organisatioruwerschulden bzw. Organisationsmangel

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bildeten Organhaftung auf alle nicht rechtsfähigen Personenverbände ebenso bei den Gesamthandsgesellschaiten stellt, bei denen "verfassungsmäßig berufene Vertreter" die gesellschaftsvertraglich bestellten Sonderorgane sind und bei denen insofern gleichfalls eine Haftung wegen "verschuldeten Organisationsmangels" in Frage kommen müßte 84, soll die Darstellung zunächst von den einen Großbetrieb führenden juristischen Personen ausgehen, da diese den Anlaß zur Entwicklung der Haftung wegen Organisations:mangels bildeten. 1. Das Baftungsnetz für Großbetriebe bei ungenügender Organisation

Hinter dem Kürzel "Organisationsmangel" wie es in Rechtsprechung und Literatur oft ohne nähere Differenzierungen gebraucht wird, verbirgt sich eine Reihe ganz unterschiedlicher Ansatzpunkte im System der Haftung von Großbetrieben86• Eine sachgerechte Erfassung und Behandlung der anstehenden Fragen erfordert angesichts dieser "Gemengelage verschiedenartiger Probleme"86 zunächst eine Sondierung des von der Rechtsprechung unter Zustimmung der Literatur für Großbetriebe bei ungenügender Organisation geknüpften Haftungsnetzes.

a) Der Mangel in der besonderen Vberwachungsorganisation im Rahmen MS § 831 BGB (1) Im Rahmen seiner Haftung für Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB obliegt jedem Großbetrieb nicht allein die erst- und einmalige sorgfältige Auswahl der bestellten Arbeitnehmer, sondern auch - und zwar unabhängig von der in § 831 I S. 2 BGB angesprochenen, nur eventuell bestehenden Leitungspflicht - deren sorgfältige laufende überwachung. Weil nämlich der Sorgfaltsbeweis nach § 831 I S. 2 BGB hinsichtlich der Auswahl letztlich für den Zeitpunkt derjenigen konkreten Verrichtung erbracht werden muß, in deren Ausführung die Hilfsperson einen Dritten widerrechtlich schädigt (so die formale Begründung87), kann sich der 114 BGH VersR 1962, 664 wendet die "Lehre vom Organisationsmangel" auf eine KG an: Konsequenz der "Analogie" zu § 31 BGB bei Personenhandelsgesellschaften. 85 Unter "Großbetrieb" soll in Anlehnung an die von Jacobi entwickelte Definition des Betriebsbegriffs verstanden werden: eine umfangreiche organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte, arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, vgl. Jacobi, Festschrift für Ehrenberg, 1 ff.

(9).

88 Soergel/ Zeuner, Rdnr. 129 zu § 823. Von den mehr verwirrenden als klärenden Darstellungen des Problemkreises "Organisationsmangel" in der Literatur hebt sich die übersichtliche Auflistung der Rechtsprechung bei Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (483 - 499) zwar ab, doch kann auch den Deutungen, Definitionen und der Terminologie von Landwehr (vgl. insbes. S. 498 ff.) nicht durchgehend gefolgt werden. 87 Vgl. RGZ 53, 53 (57); BGH LM Nr. 1 zu § 831.

11 Martlnek

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftuIllgsauslösenden Personen

Geschäftsherr nicht schon mit dem Nachweis der verkehrserforderlichen Sorgfalt bei der Einstellung des Verrichtungsgehilfen als Arbeitnehmer entlasten. Vielmehr gilt angesichts des regelmäßig längeren Zeitraumes zwischen der Einstellung und der konkret schädigenden Handlung der Grundsatz, daß nur ein wohl beaufsichtigtes und überwachtes Personal als wohl ausgewählt gelten darf88. Aus diesem vom Reichsgericht erst spät anerkannten88, heute jedoch nicht mehr bezweifelten Grundsatz" der Umwandlung der Auswahl- in eine überwachungspflicht folgt aber, daß der Geschäftsherr bei längerer Dauer der Anstellung gehalten ist, sich über die allgemeine Dienstführung seiner Angestellten planvoll auf dem laufenden darüber zu halten, daß es keinen Anlaß zu Zweifeln an deren fortbestehender Eignung zu den aufgetragenen Verrichtungen gibt91 • Zur Erfüllung dieser Beaufsichtigungs- und überwachungspflicht, auf deren Erfüllung sich also der Entlastungsbeweis zu erstrecken hat, bedarf es nolens volens einer Aufsichts- und überwachungsorganisation des Großbetriebes, sei er von einem Einzelunternehmer oder sei er von einem Verband des privaten oder öffentlichen Rechts getragen. Fehlt es an dieser besonderen Oberwachungsorganisation überhaupt oder ist sie lückenhaft, so hat dies im Falle eines' von einem Verrichtungsgehilfen verursachten Schadens das Mißlingen des Entlastungsbeweises und die Haftung wegen eines Organisationsmangels als Sonderfall des vermuteten Auswahlverschuldens nach § 831 I BGB zur Folge, falls nicht als letzter Ausweg die Entlastungsmöglichkeit nach § 831 I S. 2 a. E. (alternative Kausalität) wahrgenommen werden kann. Daß sich in der Rechtsprechung diese Fallgruppe inzwischen vom Sonderfall des Aus>wahlverschuldens zu einer eigenständigen Entlastungsobliegenheit emanzipiert hat92, wobei die Installation einer zusätzlichen Vermutung für überwachungs- und Organisationsverschulden bedauerlicherweise das Prinzip der Kanalisierung der Verschuldensvermutung auf die Aus:88 RGZ 78, 107; 79, 101 (105); 87, 1 (4); 128, 149; 136, 4 (11); 142, 356 (361); RG JW 1920, 492; vgl. RGRK (BGB)-Haager, Anm. 26, 27 zu § 831; Soergelf Zeuner, Rdnr. 38 zu § 83l. 89 Als Grundlage einer delikts rechtlichen Haftung wegen Verletzung der Aufsichtspflicht über eine Hilfsperson wurde vorher nur § 823 herangezogen; vgl. etwa RG JW 1907, 674 Nr. 9. Für die Entlastung im Rahmen des § 831 I S. 2 war der Nachweis gehörig ausgeübter Kontrolle also entbehrlich, vgl. RGZ 53, 123 (125); RG JW 1911, 403 Nr. 16; vgl. auch RGZ 53, 53 (57). 90 Vgl. nur Staudinger I Schäfer, Rdnr. 168 zu § 831; Soergell Zeuner, Rdnr. 38 zu § 83l. 91 Vgl. Staudinger I Schäfer, Rdnr. 168 zu § 831; Soergell Zeuner, Rdnr. 38 zu § 831; BGHZ 8, 239 (243 m. w. N.); BGH VersR 1955, 746 (747); BGH VersR 1960, 473; BGH VersR 1961, 330; BGH VersR 1965, 37; BGH VersR 1965, 183 (185); BGH NJW 1964, 240l. 92 Etwa BGH VersR 1959, 994 (995); BGH VersR 1959, 375 ff.; vgl. schon RGZ 78, 107 (109); BGHZ 8, 239 (243).

B. Organisationsverschiulden bzw. Organisationsmangel

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wahl des Gehilfen aufweichtt3 , braucht hier nicht weiter zu interessieren: jedenfalls führt diese Art des Organisationsmangels zu einer Haftung des Geschäftsherrn nach § 831 I BGB. (2) Dies gilt unabhängig davon, ob man mit BGHZ 4, 1 (2 f.) an der Rechtsprechung des ReichsgerichtesD4 zum sogenannten dezentralisierten Entlastungsbeweis festhält. Weil die Vermutung eines Verschuldens des Geschäftsherrn da eine Grenze finden muß, wo er nach den gegebenen Verhältnissen nicht vorwerfbar gehandelt haben kann, soll nach dieser Rechtsprechung zur Entlastung der Großbetriebe, bei denen dem Unternehmer die Auswahl und überwachung des gesamten Personals nicht zuzumuten ist, bereits die Exkulpation für die Auswahl und überwachung jenes leitenden Angestellten genügen, dem seinerseits Auswahl und überwachung des den Schaden konkret verursachenden Verrichtungsgehilfen anvertraut sind95 • Ist in einem großen Betrieb eine Mehrheit von Personen in der Weise beschäftigt, daß die eine der anderen nachgeordnet ist, so richtet sich der (somit erleichterte) Sorgfaltsbeweis des Geschäftsherrn zunächst auf die Auswahl und überwachung des höheren Angestellten. Darüber hinaus jedoch bedarf es zur Entlastung des Geschäftsherrn des zusätzlichen Nachweises einer ausreichenden Organisation des Betriebes, die jenem Zwischengehilfen die laufende überwachung der unteren Organisationsebenen jedenfalls ermöglicht96• Durch dieses Erfordernis eines zusätzlichen Entlastungsbeweises hinsichtlich der Durchorganisiertheit des Betriebes, die eine ordnungsgemäße Ausführung der einzelnen Verrichtungen abstrakt gewährleistet, hat die Rechtsprechung den dezentralisierten Entlastungsbeweis ausdrücklich eingeschränkt97• Fehlt diese besondere überwachungsorganisation oder ist sie lückenhaft, so tritt, und zwar auch ohne daß es sich um einen außergewöhnliche Schadensrisiken in sich bergenden und daher verkehrssicherungspflichtigen Betrieb handelt, eine Haftung nach § 831 (nicht nach § 823 98) BGB wegen eines Organisationsmangels als Sonderfall des vermuteten Auswahlverschuldens selbst bei Anwendung des dezentralisierten Entlastungsbeweises ein. Dies bedeutet letztlich, Vgl. im einzelnen Helm, AcP 166 (1966),398 ff. RGZ 78,107; 89,136; 128, 149. 15 Vgl. Soergel / Zeuner, Rdnr. 40, 41 zu § 831; Staudinger / Schäfer, Rdnr. 176 ff. zu § 831; RGRK (BGB)-Haager, Anm. 29 zu § 831; Esser, Schuldrecht BT, § 110 I 1 b, S. 429. 90 Vgl. RGZ 87, 1; RG JW 1906, 547; RG JW 1911, 986; RG JW 1913, 919; RG JW 1914, 754; BGHZ 4,1 (2 f.); BGH VersR 1959, 104. 97 Vgl. RG JW 1938, 1651; BGHZ 4, 1 ff.; BGH VersR 1964, 297; vgl. hierzu die Begründung des RegEntw. zum Schadensersatzrecht, S. 79, und Helm, AcP 166 (1966), 398 ff. (399). 18 Daß § 823 BGB insoweit nur bei Bestehen von Verkehrssicherungspflichten zur Anwendung kommen kann, wird nicht immer klar gesehen. Vgl. etwa Staudinger / Schäfer, Rdnr. 177 ff. zu § 831; RGRK (BGB)-Haager, Anm. 26 und 29 zu § 831. 93

It

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

daß der derentralisierte Entlastungsbeweis (nur) bei bestehender und an sich ausreichender überwachungsorganisation den Vorteil bringt, nicht die tatsächliche sorgfältige Auswahl und Überwachung des speziellen Verr.ichtungsgehilfen im Einzelfall, also das fallbezogene Funktionieren der Organisation nachweisen zu müssen. Weil indes diese Rechtsprechung die Großbetriebe gegenüber den Kleinbetrieben ungerechtfertigt bevorzugt und ihr Personalhaftpflichtrisiko in einer Weise einengt, die zwar auf die Betriebsverhältnisse, kaum jedoch auf einen gleichmäßigen Verkehrsschutz Rücksicht nimmt99 , sieht man zunehmend zur Entlastung den weitergehenden Nachweis für erforderlich an, daß auch der mit der Ausübung der Aufsichts- und Kontrollpflicht besonders beauftragte Zwischengehllfe seinerseits den schadenstiftenden Betriebsangehörigen sorgfältig ausgewählt und überwacht hatl oo, d. h. d1aß eine überwachungsorganisation zur laufenden Kontrolle nicht nur besteht, sondern - weitergehend - von dem Zwischengehilfen auch im Einzelfall in Anspruch genommen wurde und funktioniert hat. Aber auch eine solche Abkehr vom dezentralisierten Entlastungsbeweis zugunsten dieser in der Tat vorzugswürdigen Konstruktion ändert n.ichts daran, daß der Geschäftsherr jedenfalls bei fehlender oder lückenhafter Organisation der Überwachung der konkreten Verrichtungen für den vom Gehilfen verursachten Schaden nach § 831 I BGB einstehen muß. Diese Art des Organisationsmangels, dogmatisch-konstruktiv ein Sonderfall der Haftung für vermutetes Verschulden bei der Auswahl des schädigenden Verrichtungsgehilfen, die hier nur zu Abgrenzungszwecken interessiert, ist wegen der Anknüpfung allein an die Geschäftsherrenstellung kein Specificum des Verbandsrechts, sondern gilt gleichermaßen für alle Großbetriebe unabhängig von der Form ihrer Trägerschaft.

U9 Vgl. Esser, Anm. zu BGH MDR 1957, 214 ff., daselbst. -216; Weigert, Die außervertragliche Haftung von Großbetrieben für Angestellte; Ruth, AcP 126 (19Q6)', 353 ff.; Nipperdey, Gutachten zum 34. DJT (1927), 395 ff. (411); v. Caemmerer, ZfRV 1973, 241 ff. (249, 250); Enneccerus I Lehmann, Schuldverhältnisse, § 241 1111 c; Helm, AcP 166 (1,966), 389 (395); Jakobs, über die Notwendigkeit einer Reform der Geschäftsherrenhaftung, VersR 1969, 1061 ff.; Begründung des RegEntw. zum Schadensersatzrecht, 97; BGH NJW 1968, 247 (248) ließ es ausdrücklich offen, ob an den Grundsätzen zum dezentralisierten Entlastungsbeweis festgehalten werden kann. Der dezentralisierte Entlastungsbeweis wurde mit ähnlichen Argumenten schon von Oertmann, Recht der Schuldverhältnisse, 2 b zu § 831 und von Planck I Greiff, Bem. 2 a zu § 831 bekämpft. 100 Vgl. insbes. Helm, AcP 16ii (1966), 398 ff. (400 ff.); jetzt auch BGH DB 1973,

1645.

B. Organisationsvel'schulden bzw. Organisationsmangel

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b) Der Mangel in der allgemeinen Betriebsorganisation bei Verkehrssicherungspjlichten im Rahmen des § 823 I, II BGB (1) Neben jener aus § 831 I BGB als Ergebnis der konkreten Aufsichts- und Überwachungsobliegenheit herzuleitenden (deshalb:) besonderen Organisationspfticht hinsichtlich der einzelnen Verrichtungen des Gehilfen trifft einen Großbetrieb eine davon konstruktiv strikt zu trenmende allgemeine Aufsichts-, überwachungs- und damit wieder OrganisationspftichtlOl , sobald Hilfspersonenl02 zur Erfüllung von Verkehrssicherungspftichten herangezogen werden. Denn derjenige, ob natürliche oder juristische Person, dem eine Verkehrssicherungspflicht in dem in Ergänzung zu § 823 I BGB entwickelten SinnelO3 obliegtl04, kann sich nach den von Rechtsprechungl05 und Lehre 106 aufgestellten Grundsätzen seiner Verantwortlichkeit im allgemeinen107 nicht dadurch entledigen, daß er mit der Wahrnehmung der Sicherungsaufgaben Hilfspersonen betraut und sich selbst bereits womöglich mit deren sorgfältiger Auswahl von jeglicher Verantwortung für deren Verhalten und für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht befreitl°8 • Vielmehr folgt aus der Unmöglichkeit, Verkehrssicherungspflichten mit befreiender Wirkung delegieren zu können, daß dem Sicherungspflichtigen selbst - d. h. bei einer juristischen Person dem Organ oder dem verfassungsmäßig berufenen Vertreter i. S. der §§ 30, 31 BGB - wegen der besonderen Gefährlichkeit der übertragenen Aufgaben die Pflicht verbleibt, nun im allgemeinen öffentlichen Interesse für die erforderlichen Anoronungen, die 101 Praktisch fällt die besondere mit der allgemeinen Organisationspflicht oft zusammen, sobald eine Verkehrssicherungspflicht besteht. 102 Diese brauchen nicht notwendig auch Verrichtungsgehilfen i. S. des § 831 BGB zu sein. 103 Vgl. Esser, Schuldrecht BT, § 108 I - III, S. 412 - 422; Staudinger 1 Schäfer, Rdnr. 262 - 272 zu § 823. 104 Entsprechendes gilt, wo eine Sicherungspflicht auf Grund eines Schutzgesetzes i. S. des § 823 II BGB besteht. 105 RGZ 53, 53 (57); 53, 27ß (281); RG JW 1903 Beil., S. 132 Nr. 294; RG JW 1906, 247 Nr. 13 und 745 Nr. 16; RG JW 1911, 95 Nr. 20; RGZ 95, 180 (185); 113, 293 (297); RG JW 1939, 560 Nr. 22; BGHZ 4,1 (2}; 19, 151 (153 ff.); BGH VersR 1954, 223 (224); 1956, 621 (622); 1958, 33; BGH MDR 1957, 214 (215) mit zust. Anm. von Esser; BGH VersR 1962, 1013 (1014); BGHZ 11, 151 (155/156); 24, 200 (213); OLG Hamburg BB 1974, 1266 (1267). 108 Vgl. Enneccerus 1 Lehmann, Schuldverhältnisse, § 234 II 2 e; Weigert, Die außervertragliche Haftung, 19; Oertmann, Bem. 2 b zu § 831; Planck 1Flad, Anm. 2 a zu § 831; Esser in Anm. zu BGH MDR 1957, 214, daselbst (215); Landwehr, AcP 166 (1966), 482 ff. (499/500). 107 Zu den eng umgrenzten Ausnahmen vgl. BGH VersR 1953, 358; BGH MDR 1965, 111; Erman 1Drees, Rdnr. 60 zu § 823. 108 Vgl. Staudinger 1 Schäfer, Rdnr. 15 und 171, 172 zu § 831; Soergell Zeuner, Rdnr. 125 zu § 823; RGRK (BGB)-Haager, Anm. 73 -78 zu § 823 und Anm. 29 zu § 831; Erman 1Drees, Rdnr. 60 - 62 zu § 823; Staudinger 1Schäfer, Rdnr. 297, 298 zu § 823; Esser, Gefährdungshaftung, 35; RGRK (BGB)-Denecke, Anm. 4 zu

§31.

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

laufende überwachung der zu eigenem Nutzen und Vorteil eingesetzten Gehilfen bei Ausführung der eigentlich ihm selbst obliegenden Tätigkeiten und damit gegebenenfalls für eine gehörige Betriebsorganisation Sorge zu tragen. Wer etwa sein Eigentum dem allgemeinen Verkehr eröffnet oder einen irgendwie gefährlichen Gewerbebetrieb ausübt, kann die Verantwortung für davon ausgehende Gefahren nicht auf einen anderen privativ übertragen, sondern muß seiner Pflicht weiterhin, nunmehr durch Beaufsichtigen des Gehilfen, in Großbetrieben durch eine Betriebskontrollorganisation zur laufenden Überwachung der Tätigkeit der Bediensteten nachkommen109 • Der Betriebsinhaber, d. h. bei einem Verband: ein Org.an, muß alles tun, um das sichere Funktionieren der den Umständen nach vielleicht unvermeidbaren Arbeitsteilung zu gewährleisten, so daß bei pflichtgemäßem Verhalten aller in die Aufgabenbewältigung eingeschalteten Personen Schädigungen eben nicht denkbar sind; denn die Allgemeinheit darf nicht mit dem Organisationsrisiko belastet werden. Die Verkehrssicherungspflicht verlangt die Sicherheit der Gemeinschaft für die Erfüllung und für das haftungsrechtliche Einstehen im Falle der Nicht-Erfüllung dieser Organisationspflicht. Auch diese allgemeine betriebliche Organisationspflicht, deren praktische Bedeutung insbesondere auf dem Gebiet der Produzentenhaftpflicht liegtllO , ist also keine Besonderheit des Verbandsrechts111 , sie gilt bei allen Großbetrieben, soweit andere Personen mit der Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten beauftragt sind. Sie ist in keiner speziellen Gesetzesvorschrift geregelt, besteht insbesondere unabhängig von der Organisationspflicht des § 831 BGBl12, entfällt aber - und dies wird bisweilen übersehen - bei Fehlen einer Verkehrssicherungspflicht. Denn die allgemeine betriebliche Organisationspflicht ist nur eine Erscheinungsform einer anderweitig begründeten Verkehrssicherungspflicht, rechtfertigt sich allein aus der vom Inhaber zu erwartenden Vorsorge bei der Abwehr typischer Gefahren. Bei atypischen Gefahren, die keine lOg Vgl. insbes. Enneccerus 1Lehmann, Schuldverhältnisse, § 234 II 2 e; Landwehr, AcP 166 (1966), 482 (499/500); Helm, AcP 166 (1966), 398; Esser, Gefährdungshaftung, 35 und ders., in Anm. zu BGH MDR 1957, 214 (215). 110 Vgl. Fikentscher, Schuldrecht, § 107 I 2 e, S. 677; Larenz, Schuldrecht BT, § 41 IV, S. 67. 111 Vgl. Landwehr, AcP 166 (1966),482 (494, 500). 112 Nachdem sich somit sowohl aus § 823, als auch aus § 831 BGB eine Aufsichts-, Überwachungs- und damit Organisationspflicht ergeben kann, stellt sich die Frage einer systematischen Abgrenzung beider Pflichtbereiche, bei der "gewisse Unschärfen und Überschneidungen ... freilich nicht ausgeschlossen sind", so Soergell Zeuner, Rdnr. 130 zu § 823; vgl. zu diesem hier nicht weiter interessierenden Problem Soergell Zeuner, Rdnr. 10 und 11 zu § 831; Staudinger 1Schäfer, Rdnr. 14 H. zu § 831; Larenz, Schuldrecht BT, § 41 IV, S. 67; Esser, in Anm. zu BGH MDR 1957, 214 (215); RGZ 120, 154 (161); 128, 149 (153); 142,356 (359); BGHZ 4,1 (3); sowie speziell für den Bereich der Produzentenhaftpflicht v. Westphalen, WiR 1972, 81 (82).

B. Organisationsverschiulden bzw. Organisatdonsmangel

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organisierte Vorsorge verlangen, muß es bei der Regelung des § 831 BGB bewenden. (2) Ihren Voraussetzungen nach sind beide Organisationspflichten insofern verschieden, als die Pflicht zur besonderen überwachungsorganisation im Rahmen des § 831 BGB nur bei Dienstverhältnissen von längerer Dauer, jedoch unabhängig von der Art der übertragenen Verrichtung besteht, wohingegen die - weiterreichende, umfassendere, "quantitativ schärfere"113, deshalb: allgemeine - betriebliche Organisationspflicht auf Grund des § 823 BGB nur bei Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht eingreift114• Ist eine verkehrssicherungspflichtige Tätigkeit aber auf eine Hilfsperson übertragen, ist diese Hilfsperson Verrichtungsgehilfe i. S. des § 831 BGB und ist seit ihrer Einstellung längere Zeit vergangen, so fallen beide Verpflichtungen zusammen, so daß der Geschädigte seinen Ersatzanspruch sowohl auf § 823, als auch auf § 831 BGB stützen kann 115• Dann wird der Unterschied in der Beweislastverteilung relevant: bei Ansprüchen aus Verletzung der allgemeinen betrieblichen Organisationspflicht ist grundsätzlich, d. h. abgesehen von der Möglichkeit einer Beweislastumkehr bei der Produzentenhaftpflicht116, die Kausalität dieser Verletzung für den Schaden sowie das Verschulden des Geschäftsherrn zu beweisen; beruft sich der Geschädigte auf die Vernachlässigung der aus § 831 BGB folgenden Organisationspflicht des Geschäftsherrn, so obliegt nicht dem Verletzten die Beweislast bezüglich der Kausalität und des Verschuldens, sondern der Geschäftsherr muß insoweit den Entlastungsbeweis führen 117 • Inoweit kann die Haftung wegen eines betrieblichen Organisationsmangels nach § 823 BGB im Einzelfall als Korrektiv für den dezentralisierten Entlastungsbeweis des § 831 BGB wirken, wird doch die Bevorzugung der Großbetriebe im Ergebnis neutralisiert118 • Ein Verstoß gegen die allgemeine betriebliche Organisationspflicht liegt - zunächst noch ohne verbandsrechtliche Besonderheiten - nach alledem vor, wenn in der durch die Verkehrssicherungspflicht geforderten Kontrollorganisation eine Lücke oder ein Mangel besteht. Bei einem hierdurch verursachten Schaden kann der Großbetrieb den Geschädig113 Medicus, Bürger!. Recht, Rdnr. 656; vgl. auch Neumann-Duesberg, NJW 1966,624 (629); RGRK (BGB)-Haager, Anm. 73 zu § 823. 114 Vgl. im einzelnen die in Fn. 112 Genannten. 115 Vgl. Erman I Drees, Rdnr. 62 zu § 823. 118 Vgl. dazu Giesen, NJW 1969, 582 ff. (585). 117 Vgl. Staudinger I Schäfer, Rdnr. 172 zu § 831; Erman I Drees, Rdnr. 62 zu § 823; RGZ 142,356 (361); BGH LM Nr. 22 zu § 823. 118 Zu Unrecht sehen Ruth, AcP 126 (1926), 353 ff. (354) und Fikentscher, Schuldrecht, § 107 I 2 e, S. 677 in dieser möglichen Wirkung die einzige Funktion und die eigentliche Ursache für die Entwicklung der Haftung wegen eines betrieblichen Organisa tionsmangels.

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

ten nicht auf die "stumpfe Waffe"119 des Anspruchs aus § 831 BGB mit seinem "nachgerade fatalen Entlastungsbeweis"120 verweisen, er haftet vielmehr selbst wegen eines betrieblichen Organisationsmangels121 aus § 823 BGB.

c) Der Mangel in der Verbandsorganisation aal Der Mangel in der Verbandsorganisation als besonderer Verstoß gegen die allgemeine betriebliche Organisationspflicht bei Verkehrssicherungspflichten Von spezifisch verbandsrechtlichem Interesse aber wird die allgemeine Betriebsorganisationspflicht dadurch, daß die Kontrolle und laufende Dienstaufsicht zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung der Angestellten unter der persönlichen Verantwortung des Verkelmmcherungspflichtigen selbst stehen muß, daß also bei einem Verband das letzte Glied der Kontrollkette immer bei einem Organ i. S. des § 31 BGB, damit bei einem Teil der Verbandsperson und damit bei dem Verband selbst unter Ausschluß jeder Entlastungsmöglichkeit enden mußl!!. Dies aber heißt, das auch bei einem funktionell bestens organisierten Betrieb doch ein betrieblicher Organisationsmangel bereits vorliegt, wenn die Kontrollendperson ein sei es auch noch so tüchtiger Angestellter, nicht aber ein Organ ist, das letzte Glied in der Kontrollkette alsO! fehlt. Eigentlich dürfte ein solcher betrieblicher Organisationsmangel keine Besonderheit darstellen. Vielmehr müßte, falls jemand durch diese Verletzung der Or~isationspflicht der bestehenden Organe zu Schaden kommt, als nach allem einzig richtige Schlußfolgerung eine Haftung des Verbandes nach §§ 823, 31 BGB eintreten, also eine Zurechnung der pflichtwidrigen Nichtausübung der Kontrollpflicht durch die bestehenden Organe an den Verband vorgenommen werden. Entsprechend einer natürlichen Person, die als Inhaber eines Großbetriebes entgegen der persönlichen Verkehrssicherungspflicht die gesamte Organisationsverantwortung auf einen leitenden Angestellten übertragen hat, wäre so der Verband über das Verschulden des für die Schaffung der Organisationsstruktur verantwortlichen Organsl23 nach §§ 823, 31 BGB wegen eines betrieblichen Organisationsmangels' haftbar zu machenl24 • 119 Fikentscher, § 107 I 1 a, S. 672. uo Giesen, NJW 1969, 582 ff. (585).

1!1 Der Begriff "betrieblicher Organisationsmangel" geht auf Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (498) zurück; ihm folgend Neumann-Duesberg, NJW 1966, 624 ff. (627 und 629); die Rechtsprechung spricht undifferenziert schlechthin von Organisationsmangel, vgl. zuletzt OLG Hamburg BB 1974, 1266 (1267). 1!Z Vgl. Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (486 und 498); Esser, Gefährdungshaftung, 35, 36; Medicus, Bürgerl. Recht, Rdnr. 657, 814.

B. Organisationsverschulden bzw. OrganiS'ationsmangel

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Die Rechtsprechung des Reichsgerichtes aber - und genau an diesem Punkt beginnt überhaupt der Problemkreis "Organisationsmangel" brisant zu werden - legte hier, wo die Kontrollkette nicht in einem bestehenden Organ endet, den Schwerpunkt des Vorwurfs darauf, daß eine juristische Person dann eben ein Sonderorgan nach § 30 BGB hätte bestellen müssen, sie postulierte also für den Fall, daß die bestehenden Organe nicht selbst die Verkehrssicherungspflicht durch überwachung der Angestellten und ihrer Tätigkeit wahrnehmen (z. B. wegen Überlastung), die Pflicht zur Einrichtung zusätzlicher Sonderorgane125 • Diese noch abstrakte verbandliehe Organisationspflicht konkretisierte sich im Laufe der nach dem Krieg fortgesetzten Rechtsprechung128 bald dahingehend, daß speziell dieser leitende Angestellte zum Organ hätte bestellt werden müssen, in dessen Person die Kontrollkette statt in der Person eines Organs endet. Diese bedeutende Verschiebung des Blickwinkels, die Erweiterung der betrieblichen zu einer verbandlichen Organisa,tionspflicht war insofern folgenschwer, als damit ein neuer Haftungstatbestand geschaffen wurde: neben127 die Haftung des Verbandes aus dem betrieblichen Organisationsmangel im Wege der Zurechnung der Verletzung der persönlichen Aufsichts-, überwachungs- und: Organisationspflicht durch die bestehenden Organe nach §§ 823, 31 BGB tritt eine zweite, von jener abhängigen127 , aber gesondert gewürdigte Haftung wegen eines verbandlichen Organisationsmangels, die gleichfalls auf die §§ 823, 31 BGB gestützt wird. Tatsächlich lassen einzelne Entscheidungen den Verband zweimal nach §§ 823, 31 BGB in Anspruchskonkurrenz haften: der allgemeine betriebliche Organisationsmangel und sein Spezialfall, der verbandliche Organisationsmangel werden einander gegenübergestellt128• 1!S Das kann auch die Mitgliederversammlung oder Gesellschafterversammlung sein, auf die § 31 BGB a fortiori anzuwenden ist. tU So nach RGZ 89, 136; RGZ 153,356 (359); RG JW 1936, 915 Nr. 1; RG JW 1932,3702 Nr.1; RG JW 1931, 2235 Nr. 7. m So insbes. RG JW 1938, 1651 Nr. 12; RGZ 153, 228 (234 f.); RGZ 162, 129 (166). Das Urteil RGZ 153, 228 (234 f.) wurde zur Grundlage der nachfolgenden Rechtsprechung zum Organisationsmangel, obwohl es die betreffenden Grundsätze nur obiter ausspricht, da im konkreten Fall kein Organisationsmangel vorlag. 128 Im Anschluß an RG DR 1944, 287: Hans OLG, MDR 1953, 167 und MDR 1954, 355; OLG Celle, VersR 1961, 1143 und insbes. BGHZ 27, 278 (280) sowie OLG Hamburg, BB 1974, 1266 (1267). 127 Dies wird oft verkannt. Vgl. die dies nicht berücksichtigenden Definitionen des "betrieblichen Organisationsmangels" und des "körperschaftlichen Organisationsmangels" bei Neumann-Duesberg, NJW 1966, 624 ff. (627 und 629). Der Satz: "Körperschaftlicher und betrieblicher Organisationsmangel schließen sich richtigerweise aus" (so Neumann- Duesberg, a.a.O., 6·29) widerspricht den von ihm zitierten Entscheidnungen. Ähnlich schief auch Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (498), weshalb Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 24 zu § 31, die Unterscheidungen Landwehrs zu Recht für "unpraktikabel" halten.

Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

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Dabei wird aber nicht etwa den bestehenden Organen das unterlassene NichtbestelIen des leitenden Angestellten zum Sonderorgan als zweite selbständige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen; hierfür sind ja nicht die bestellten Organe, sondern die Mitgliederversammlung bzw. die Gesellschaftergesamtheit zuständig. Vielmehr wird der verbandliche Orgmrisationsmangel von den bestehenden Organen in zwei gedanklichen Schritten vollends gelöst: -

Zunächst soll der Verband bei Verletzung der verbandlichen Organisationspflicht so haften, als wäre der betreffende leitende Angestellte "pflichtgemäß" zum Sonderorgan bestellt worden. Es soll für ihn keine Entlastungsmöglichkeit nach § 831 I Satz 2 BGB in Betracht kommen, wenn der Schaden durch den leitenden Angestellten unmittelbar oder - eine zweite Lücke in der Organisationskette vorausgesetzt - mittelbar durch eine Verletzung der ihm übertragenen Aufsichtspflicht verursacht wird. Ergebnis ist eine Kausalitätsverkürzung: Eigentlich müßte für eine Haftung wegen des Mangels in der Verbandsorganisation als eines Sonderfalls des Mangels in der Betriebsorganisation doch die Nichtbeaufsichtigung des leitenden Angestellten durch ein bestehendes Organ, also das zu frühe Ende der Organisationskette für den eingetretenen Schaden kausal gewesen sein. Wendet man dagegen schon auf den leitenden Angestellten als Fiktivorgan §§ 823 ff., 31 BGB an, so reicht bereits eine Kausalität zwischen dessen Verhalten als des mit der Verrichtung Betrauten und dem eingetretenen Schaden aus129 •

-

Schließlich wird in einigen Entscheidungen sogar die Verletzung der verbandlichen Orgmrisationspflicht auch von einer Schadensverursachung des leitenden Angestellten losgelöst: unabhängig von seiner Pflichtverletzung soll der Verband bereits allein auf Grund der unterlassenen OrganbesteIlung für jeden auf unterer Organisationsebene verursachten Schaden haften l30 • Als ein die Haftung nach §§ 823, 31 BGB begründender Organisationsfehler wird es bereits angesehen, daß mit der Wahrnehmung eines wichtigen Aufgabenkreises nicht ein besonderer Vertreter i. S. des § 31 BGB bestellt istt31 • Hier wird, wie Neumann-Duesberg richtig feststellt 132 , mit einer doppelten Fiktion gearbeitet: der Verband haftet für das erforderliche 128

So deutlich RG JW 1938, 1651 Nr. 12; BGHZ 24, 200 (212 ff.) und BGHZ

39, 124 (129).

Vgl. Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (498). Besonders deutlich RG JW 1938, 1651 Nr. 12; vgl. auch die Nachweise aus dem Presserecht bei Neumann-Duesberg, NJW 1966, 624 ff. (627). 131 Vgl. Soergell Zeuner, Rdnr. 126 und 128 zu § 823 m. N. und Soergell Zeuner, Rdnr. 4 zu § 831. 13! Neumann-Duesberg, NJW 1966, 624 ff. (627) und ders., NJW 1966, 715 f. 128

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B. Organisationsverschulden bzw. Organisationsmangel

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fiktive Sonderorgan (den leitenden Angestellten), als ob er es eingesetzt hätte und als ob es dann als Sonderorgan die betriebliche Kontrollpflicht versäumt hätte l83 • Nicht das unterlassene Bestellen des Sonderorgans durch die bestehenden Organe der juristischen Person l34 , sondern "das unterstellte schadenstiftende Nichtbeaufsichtigen durch das fiktive Sonderorgan"135 soll hier die Haftung nach §§ 823, 31 BGB für den von einem Gehilfen der unteren Organisationsebene verursachten Schaden begründen. Die Kausalitätsproblematik bleibt insoweit im Dunkeln136. An die Verwurzelung der betrieblichen Organisationspflicht in der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht erinnert nunmehr nur noch, daß die Haftung des Verbandes wegen eines betrieblichen Organisationsmangels nach §§ 823, 31 BGB nur bei Fahrlässigkeit des Angestellten, nicht bei Vorsatz (etwa § 826 BGB) eingreift137. bb) Der Mangel in der Verbandsorganisation als eigenständiger, vom Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht unabhängiger Organisationsmangel War insoweit ein verbandlicher Organisationsmangel nur bei Vorliegen einer Verkehrssicherungspflicht angenommen und nur unter diesen Voraussetzungen eine gesonderte Haftung nach §§ 823, 31 BGB bejaht worden, so vollzog die Rechtsprechung nun einen dritten gedanklichen Schritt, durch den die Lehre vom (verbandlichen) Organisationsmangel zu dem heranreifte, was sie heute darstellt. Dieser entscheidende letzte Schritt ist einerseits durch eine Rückkehr zum Erfordernis der Schadensverursachung durch den leitenden Angestellten, das Fiktivorgan, andererseits aber durch eine Abkehr vom Erfordernis einer bestehenden Verkehrssicherungspflicht des Verbandes gekennzeichnet. Nicht nur bei einer bestehenden Verkehrssicherungspflicht soll die Endperson der bestehenden Organisationskette zum Organ bestellt werden müssen, sondern schon und immer dann, wenn es die "tatsächlichen Umstände des täglichen Lebens, insbesondere des wirtschaftlichen Verkehrs"138 erfordern, müsse die juristische Person das zusätzliche Sonderorgan berufen, für das eine Entlastung Dritten gegenüber nicht möglich ist139. 183 Dies verkennt Steindorff, AcP 170 (1970), 93 ff. (103/104), der den verbandlichen Organisationsmangel als eine von den Organen gegenüber Dritten begangene Verletzung der Sorgfaltspflicht versteht. Vgl. auch Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (498). 134 So aber irrigerweise Steindorff, AcP 170 (1970), 93 ff. (103/104). 135 Neumann-Duesberg, NJW 1966, 624 ff. (627); ähnlich Landwehr, AcP 164 (1964), 482 ff. (492). 138 Vgl. etwa BGH VersR 1965, 1055 (1056). 131 Vgl. RGZ 163, 21 (30); Staudinger 1Schäfer, Rdnr. 61 zu § 831; RGRK (BGB)-Haager, Anm. 7 zu § 831. 138 So RGZ 157, 228 (235) und RGZ 162, 129 (165/166).

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Kap. IV. Bisherige Abgrenzung der haftungsauslösenden Personen

Diese überführung des Mangels in der Verbandsorganisation von einem Spezialfall des Verstoßes gegen die allgemeine Pflicht zur Betriebsorganisation zu einer eigenständigen, vom Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht unabhängigen Form des Organisationsmangels, diese Loslösung von der Verkehrssicherungspflicht als dem ursprüng,.. lichen und eigentlichen Haftungsgrund, der die Rechtfertigung für die verbandliche Organisationspflicht hatte bilden sollen, entwickelte sich nach jener Formel zur ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts140 , der sich der Bundesgerichtshof nach dem Krieg im bekannten Spätheimkehrer-Fall anschloß141, so daß das Oberlandesgericht München142 paradigma-tisch für die Nachkriegsrechtsprechung l43 ausführen konnte: "Nach der ständigen Rechtsprechung des früheren Reichsgerichts (vgl. RGZ 157,228,235; 162, 129, 166), die vom Bundesgerichtshof übernommen wurde (vgl. BGHZ 24, 200, 213), liegt bei allen Geschäften des täglichen Lebens und des wirtschaftlichen Verkehrs ein sogenannter Organisationsmangel, der zur Haftung der juristischen Person gemäß § 31 BGB unter Ausschluß der Entlastungsmöglichkeit des § 831 BGB führt, schon diann vor, wenn für einen wichtigen und verantwortungsvollen Aufgabenkreis, der von den verfassungsmäßigen Organen der juristischen Person nicht mehr in allen wesentlichen Einzelheiten eigenverantwortlich wahrgenommen werden kann, kein besonderer Vertreter i. S. des § 30 BGB bestellt ist." Dabei klingt es bisweilen so, als handele es sich regelmäßig um Fälle der überlastung der bestehenden Organe, die, weil selbst zur Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten nicht mehr zeitlich bzw. umfangmäßig in der Lage, die an ihrer Stelle mit der Wahrnehmung befaßten Personen als Sonderorgane hätten einsetzen müssen. Tatsächlich wurde aber nur in einigen älteren Entscheidungen die verbandliche Organisationspflicht damit begründet, daß "der Vorstand infolge des Umfanges oder der Art der zu erlectigenden Geschäfte nicht imstande ist, von d~r ihm durch das Gesetz gegebenen Befugnis zur Vertretung der juristischen 138

Vgl. Larenz, BGB AT, § 10 II, S. 131; Enneccerus / Nipperdey, BGB AT,

1. Halbband, § 110 I 4, S. 663; Enneccerus / Lehmann, Schuldverhältnisse,

§ 243 I 2 c, S. 955; Lehmann / Hübner, BGB AT, § 61 III 5 b; Planck / Flad, § 823 B II 2; Soergel/ Schultze-v. Lasaulx, Rdnr. 13 zu § 30 und Rdnr. 17, 18 zu § 31; Erman / H. Westermann, Rdnr. 5 zu § 30; RGRK (BGB)-Haager, Anm. 7 zu § 831; Soergel / Zeuner, Rdnr. 126 ff. zu § 823; RGRK (BGB)-Denecke, Rdnr. 2 zu § 30; Erman / Drees, Rdnr. 7 zu § 831; Neumann-Duesberg, NJW 1966, 624 ff. (628). 140

Vgl. RGZ 157, 228 (235); 162, 129 (166) m. w. N.

tu BGHZ 24, 200 (213).

OLG Z Nr. 48 in Schultze Urheber Rspr. BGHZ 13, 198 (203); nach BGHZ 24,200 (213) dann: BGHZ 39, 124 (129 f.); OLG Köln BB 1960,964; BGH NJW 1963, 904; 1965, 685; 1963, 484; 1963, 393 (395). 14!

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