Das Prinzip der Analogie als juristische Methode: Ein Beitrag zur Geschichte der methodologischen Grundlagenforschung vom ausgehenden 18. bis zum 20. Jahrhundert [1 ed.] 9783428472994, 9783428072996


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Das Prinzip der Analogie als juristische Methode: Ein Beitrag zur Geschichte der methodologischen Grundlagenforschung vom ausgehenden 18. bis zum 20. Jahrhundert [1 ed.]
 9783428472994, 9783428072996

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Hamburger Rechtsstudien Heft 82

Das Prinzip der Analogie als juristische Methode Ein Beitrag zur Geschichte der methodologischen Grundlagenforschung vom ausgehenden 18. bis zum 20. Jahrhundert

Von

A. W. Heinrich Langbein

Duncker & Humblot · Berlin

A. W. HEINRICH LANGHEIN

Das Prinzip der Analogie als juristische Methode

Hamburger Rechtsstudien herausgegeben von den Mitgliedern des Fachbereichs Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg Heft 82

Das Prinzip der Analogie als juristische Methode Ein Beitrag zur Geschichte der methodologischen Grundlagenforschung vom ausgehenden 18. bis zum 20. Jahrhundert

Von A. W. Heinrich Langhein

Duncker & Humblot * Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Universität Hamburg

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Langhein, A. W. Heinrich: Das Prinzip der Analogie als juristische Methode : ein Beitrag zur Geschichte der methodologischen Grundlagenforschung vom ausgehenden 18. bis zum 20. Jahrhundert / von A. W. Heinrich Langhein. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Hamburger Rechtsstudien ; H. 82) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07299-5 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Hagedornsatz, Berlin 46 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0072-9590 ISBN 3-428-07299-5

Vorwort Das Herausarbeiten einer Methode für die Rechtswissenschaft führt gleichzeitig zur Eingrenzung des Bereiches, mit dem man sich im Rahmen der Rechtswissenschaft zu befassen hat. Deswegen ist es auch verständlich, daß bei der historischen Verfolgung einer Methode wie der Analogie, ständig eine Auseinandersetzung mit dem Bereich, in dem Rechtswissenschaft stattzufinden hat, hervortritt. A n der Zeitwende zum 19. Jahrhundert wird mit P. J. Anselm v. Feuerbach eine grobe Aufteilung der Rechtswissenschaft in die Rechtsbegründungslehre und die Rechtsanwendungslehre vorgenommen, wobei sich die Rechtsanwendungslehre mit den vom Gesetzgeber ausgebrachten Normen beschäftigt, die Rechtsbegründungslehre mit der Schaffung neuer Normen befaßt. In beiden Bereichen der Rechtswissenschaft können Methoden zur Anwendung gelangen, sofern eine einigermaßen bewußte Festlegung dessen erfolgt, was unter dem jeweiligen Bereich zu verstehen ist. Die Analogiemethode kommt in beiden Bereichen zur Anwendung und führt darüber hinaus auch aus dem Bereich der Rechtsanwendungslehre heraus. Die zuletzt aufgeführte Tatsache zeigt, daß mit der Analogiemethode in den Bereich der Rechtsbegründungslehre aus der Rechtsanwendungslehre vorgestoßen wird. Damit ist ein Grundproblem der Anwendung von Analogieschlüssen in der Rechtsanwendungslehre aufgezeigt, dem es sich zu stellen gilt, wenn man nicht ein Verbot der Analogiemethode befürwortet. Da die Analogiemethode im Rahmen der Rechtsanwendungslehre vorwiegend ein Instrument des Richters darstellt, ist eine Handhabung dieser Methode von der Rechtsanwendungslehre zu bieten, die möglichst wenig bzw. voraussehbar den Bereich der Rechtsbegründungslehre berührt. Denn letztere steht grundsätzlich dem gesetzgebenden Organ in einem gewaltengeteilten Ordnungssystem zu. Die vorgelegte Arbeit orientiert sich grundsätzlich an der Aufteilung in Rechtsbegründungs- und Rechtsanwendungslehre in der Rechtswissenschaft. Dabei ist diese Orientierung auch nur der bloße „Versuch" einer Festlegung, um einen Ausgangspunkt zu haben. Herrn Professor Dr. Götz Landwehr danke ich für die Anregung zu diesem Thema und für die Betreuung während der Bearbeitung. Meinen Eltern danke ich für die Unterstützung bei der Ausarbeitung dieses Themas. Für die Betreuung der Erstellung des Manuskripts und der Bearbeitung des Stichwortverzeichnisses danke ich meiner Mutter Frau Irene Langhein. Dem Hanseatischen Forschungskolleg, insbesondere Herrn Matthias Lobe, danke ich für die anregenden und kontroversen Diskussionen zum Thema der Arbeit. Bei Herrn Professor Dr. Hans Hermann Seiler bedanke ich mich für die Aufnahme in die „Hamburger Rechtsstudien". Hamburg, im September 1991 A. W. Heinrich Langhein

Inhaltsverzeichnis

Einführung

13

Erster Teil Grundlagen I. Allgemeines

15 15

II. Grundzüge der klassischen Lehre zur Analogie 1. Die Lehre von der Induktion

16 16

a) Die unvollständige Induktion

19

b) Die vollständige Induktion

20

2. Die Lehre von der Analogie

22

3. Zusammenfassung

31

Zweiter Teil Die Juristischen Lehren zum Analogieverfahren

33

Erster Abschnitt Das ausgehende 18. Jahrhundert

33

I. Das induktive Schlußverfahren als juristische Ausprägung der Analogie

33

1. Die Absicht des Gesetzgebers als Grundlage der Analogie bei Schnaubert

33

2. Die Analogie als Mittel zur Findung allgemeiner Rechtsgrundsätze bei Tafìnger

34

3. Die Analogie als induktives Schlußverfahren und als Umkehrschluß bei Glück 36 II. Analogie als dem Natur- und Völkerrecht innewohnender „reiner Ähnlichkeitsschluß"

38

1. Analogie als „Reiner Ähnlichkeitsschluß" und als Umkehrschluß bei Geisler

38

nsverzeichnis

8

2. Die Rechts- und Gesetzesanalogie als „reiner Ähnlichkeitsschluß" aus dem Geist des Gesetzes bei Grolman

40

III. Die grammatisch unvollständige Induktion als Analogie bei Kleinschrod

42

Zweiter Abschnitt Das 19. Jahrhundert

46

I. Analogie als induktiv-deduktives Doppelverfahren im Rahmen der klassischen Lehre

46

1. Die moralische und physische Analogie bei Globig

46

2. Böcking

50

II. Analogie als reines induktives Schlußverfahren juristischer Ausprägung 1. Die vom Gesetzgeber gedachte Vorgabe des Rechts als Grundlage des Analogieverfahrens a) Gönner

51 52

b) Der Wille des Gesetzgebers als Maßstab der Analogie — Jordan . c) Der Wahrscheinlichkeitscharakter im Analogieverfahren bei Brinz d) Der Richter als Gedankenträger des Gesetzgebers — Thibaut

51

...

52 54 56

e) Vangerow in der Nachfolge von Thibaut

59

f) Die Übernahme der Methodenlehre Thibauts durch Windscheid

61

g) Analogie als Überschreitung des gesetzgeberischen Willens auf der Grundlage der Wesensgleichheit — Regelsberger

62

2. Das vorgegebene naturrechtlich-idealistische Prinzip als Grundlage des Analogieverfahrens 64 a) Der analogisch reine „Ähnlichkeitsschluß" als indirekte und induktive Anwendung einer positiven Norm — Ulrich

64

b) Die in der Rechtswissenschaft verkörperte Rechtswahrheit als axiomatische Grundlage des Rechts — Puchta

69

c) Die Anwendung eines „Prinzips" als Analogie — Thöl

70

d) Goldschmidts eklektizistischer Methodenansatz im Recht

73

e) Merkel als ein Begründer der „modernen Lückentheorie" und ihres Zusammenhangs mit der Analogie

76

f) Binding

78

III. Analogie als induktives Schlußverfahren und als reiner „Ähnlichkeitsschluß"

80

1. Das gesetzte Recht als Grundlage des Analogieverfahrens

80

a) Feuerbachs strenge Unterscheidung von der Ursache und der Existenz des positiven Rechts

81

nsverzeichnis

b) Der historisch gewachsene RechtsstofF als Kernpunkt des Analogieverfahrens bei Savigny 87 c) Der reine „Ähnlichkeitsschluß" als Analogie in der von KierulfF ausgeprägten Art 95 d) Mühlenbruch 99 2. Das menschlich konkrete Lebensverhältnis als Grundlage der Analogie bei Jhering 100 3. Das gesetzte Recht und die Natur der Sache als Grundlage des Analogieverfahrens bei Wächter 104 a) Allgemeine Grundlagen 104 b) Das Analogieverfahren Wächters im Strafrecht 105 c) Das Analogieverfahren Wächters im Zivilrecht 109 IV. Die Bestimmung der Reichweite des Rechts durch Bergbohm

113

Dritter Abschnitt Das 20. Jahrhundert I. Die Lücke im Gesetz oder im Recht

117 117

1. Zitelmanns Lehre vom „allgemeinen negativen Satz"

117

2. Kelsens Auffassung über „Lücken" im Recht

119

3. Würdigung

120

II. Die Überleitung der klassischen Analogielehre in den juristischen Bereich 123 1. Der Ansatz zu einer Überführung der klassischen Logik in den Bereich der Rechtslehre durch Rudolf Stammler 123 2. Die Einfuhrung der formalen Logik für die juristische Methodenlehre durch Klug 129 III. Analogie als Findung des gesetzlichen Grundgedankens oder des Prinzips über die unvollständige Induktion 135 1. Der „Standpunkt" des Gesetzgebers als generaler Rechtssatz einer unvollständigen Induktion — Herrfardt

135

2. Der „gemeinsame Grundgedanke" als Anhaltspunkt des unvollständigen Induktionsverfahrens — Sauer

137

3. Die „Gleichheit des Grundes" als Maßstab für analoge Rechtsanwendung — Nawiasky

139

4. Der induktiv ermittelte Gesetzeszweck als Grundlage zur Regelung ungeregelter Fälle — Bartolomeyczik

141

5. Die analoge Rechtsanwendung als Wirksamwerden von gesetzlichen Prinzipien — Enneccerus — Nipperdey

143

6. Der Grundgedanke des Gesetzes als Kernpunkt des Analogieverfahrens bei Heller 147

10

nsverzeichnis

IV. Juristische Analogie als unvollständige Induktion zur Findung eines gesetzlichen Prinzips und als Ähnlichkeitsschluß 152 1. Die analoge Rechtsanwendung als Prinzip von Ursache und Wirkung — von Tuhr 152 2. Die Herausarbeitung der Analogie als „Ähnlichkeitsschluß" und als unvollständige Induktion — Larenz

154

3. Die gleichzeitige Feststellung und Ausfüllung von Lücken mit Hilfe der Analogie — Canaris 161 V. Die juristische Analogie als Gleichheit der Interessenlage und als konsequente Verfolgung gesetzlicher Zweckrichtung 167 1. Die bezugslose „Gleichheit der Interessenlage" im Analogieverständnis Hecks 167 2. Wüstendörfers Analogieverständnis als Annäherung an eine Induktion 3. Rümelin

172 175

VI. Der gesetzliche Subsumtionsvorgang verstanden als Analogiemethode 1. Die normierte „Zweckrichtung" als Auslegungsmaßstab einer Norm anstelle des Analogieverfahrens — Sax

177 177

2. Analogie als Angleichung von Gesetzesnorm und Lebenssachverhalt über das Denken aus der „Natur der Sache" und dem Typus — Kaufmann 186 VII. Die subjektive Vorbewertung eines Rechtsfalles als juristische Analogie — Esser 198 Dritter Teil Historisch-kritische Einordnung der Analogieverfahren

203

I. Die Suche nach dem „Gedanken", der „Absicht" und dem Geist — „ratio legis" — des Gesetzgebers als Maßstab zur Regelung ungeregelter Fälle 204 II. Die Erfassung eines generalen Satzes mittelst der unvollständigen Induktion aus „Tatbestand", „Volksgeist" und „konkretem Lebensverhältnis" 210 III. Sonderwege zur Handhabung der Juristischen Analogie" im 20. Jahrhundert 1. Die „lnteressenjurisprudenz" als Wegbereiter der „Wertungsjurisprudenz" 2. Die Gesetzliche Subsumtion als Analogie

211 211 212

IV. Die versuchte Überführung der klassischen Analogielehre in den juristischen Bereich 213 V. Ergebnis

215

VI. Ausblick

216

Literaturverzeichnis

220

Stichwortverzeichnis

231

Abkürzungsverzeichnis a. Α. a.a.O. ABGB Abschn. AcP ALR Art. Aufl. Bd. BGB ders. d.h. d.i. DStZ f. ff. FN FS HdR HGB Hrsg. hrsg. v. insbes. i.S.d. JuS Kap. m.w.N. N.F. N.J.W. o.a. o.g. P.G.O. Pkt. Rdn. RStGB S. seil. sog. StGB ThZ U.S.W.

vgl.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

anderer Ansicht am angegeben Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch für Österreich Abschnitt Archiv für civilistische Praxis Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Artikel Auflage Band Bürgerliches Gesetzbuch derselbe das heißt das ist Deutsche Steuerzeitung folgend (e) (Seite) folgende ( Seiten ) Fußnote Festschrift Handwörterbuch der Rechtswissenschaft Handelsgesetzbuch Herausgeber herausgegeben von ... insbesondere im Sinne des Juristische Schulung Kapitel mit weiteren Nachweisen Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift oben angegeben oben genannt Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. Punkt Randnummer Reichsstrafgesetzbuch (1871) Seite scilicet sogenannt Strafgesetzbuch Theologische Zeitschrift und so weiter vergleiche

12

Zeitschr. f. Civilr. u. Pro. ZNR ZSR ZStW 2 1853

Abkürzungsverzeichnis

Zeitschrift für Civilrecht und Process Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte Zeitschrift für Schweizer Recht Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Hochgestellte und vorangestellte Zahlen geben die Auflage im Jahr des Erscheinens an.

Einführung Gegenstand dieser Abhandlung ist alleinig die Darlegung des Inhalts und der Bedeutung des Analogieverfahrens in der Jurisprudenz vom ausgehenden 18. bis ins 20. Jahrhundert. Als Ausgangspunkt und Maßstab bei der Ausforschung des juristischen Umgangs mit dem Begriff der Analogie werden grundlegend die Ausführungen von Aristoteles zur Analogie — und darauf aufbauend die Erläuterungen des allgemeinen Verständnisses dazu im ausgehenden 18. und im gesamten 19. Jahrhundert — benutzt. Diese Vorgehensweise findet seine Rechtfertigung in dem gemeinhin inhaltlich belegten Analogiebegriff, der nur aus seinem historischen Ursprung verständlich wird. Das Verständnis zur Analogie ist demnach nur an den jeweils historisch-geistigen Rahmenbedingungen zu messen.1 Deswegen werden Ausführungen von Kant und nachfolgenden philosophischen Autoren zum Begriff der Analogie der gesamten Abhandlung vorangestellt. 2 I m Rahmen einer historischen Grundlagenforschung würde auch ein Maßstab, der vom Ergebnis seiner eigenen Entwicklung her das beurteilt, was die eigene Grundlage ist, lediglich zur unkritischen Beobachtung von menschlichen Gedankengängen führen. 3 Der tatsächliche Wert einer Gedankenleistung zu einer bestimmten Methode ist nämlich an dem jeweils geschichtlichen Umfeld festzumachen. Denn der Fortschritt einer Entwicklung läßt sich wohl nur auf der Grundlage des Vorhandenen feststellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Begriff inhaltlich schon eine Prägung gefunden hat und damit seine Bedeutung in der Geschichte ein allgemeines Verständnis hervorgerufen hat. Die Abhandlung gliedert sich grundsätzlich in chronologischer Reihenfolge nach den Ausführungen juristischer Autoren, die zur Analogie und ihrer Bedeutung und Brauchbarkeit für die Jurisprudenz schreiben. Allerdings werden jeweils die Autoren zusammengefaßt, die vom gleichen Grundansatz in der Analogiemethode ausgehen. Im Anschluß an die dargelegten Ausführungen jedes einzelnen Autors zur Analogie, wird die zeitgenössische Kritik anderer Autoren daran aufgeführt. Dabei lassen sich manchmal Vorgriffe auf andere Autoren, die ein eigenes — und damit von einem anderen Grundansatz ausgehendes — Analogie Verständnis haben, nicht vermeiden. Dieser Nachteil 1

Insoweit wird dem grundlegenden Verständnis von Wieacker, in: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 14 ff. zur Rechtsgeschichte Rechnung getragen. 2 Vgl. dazu Erster Teil. 3 Steinwenter, in: Prolegomena zu einer Geschichte der Analogie (I), FS für F. Schulz Bd. 2, 356 und Falk, in: Die Analogie im Recht, 41 beurteilen aber das juristische Analogieverfahren in seiner geschichtlichen Entwicklung anhand ihres jeweils gegenwärtig in der Literatur herrschenden Verständnisses zur juristischen Analogie.

14

Einführung

ist in der Zusammenfassung derjenigen Autoren, die einen gleichen Grundansatz in der Analogiemethode haben, begründet. Der Überblick, bezogen auf gleiche Methodenansätze, rechtfertigt aber gerade diesen Aufbau der Arbeit und läßt auch den Ausgangspunkt und Maßstab, der in der klassischen Analogielehre liegt, deutlicher zur Geltung kommen. I m Anschluß an die Ausführungen zur zeitgenössischen Kritik an dem jeweiligen Autor wird dann eine eigene Bewertung angefügt, die sich von der klassischen Analogielehre leiten läßt. A n Literatur, die die Analogie beginnend mit den römischen Rechtsquellen bis in das 19. Jahrhundert verfolgt, sind vor allem die Arbeiten Steinwenters 4 zu erwähnen, die jedoch in einleitenden Bemerkungen zur juristischen Analogieentwicklung verbleiben. Die Arbeit Falks 5 zur geschichtlichen Entwicklung der Analogie behandelt den AnalogiebegrifT hauptsächlich im Hinblick auf seine juristische Herkunft, weniger seine Bedeutung. Die reichhaltige Aufführung von Quellenmaterial drängt insoweit die inhaltliche Auseinandersetzung mit der (juristischen) Analogie etwas zurück und wird auch nur bis in das 18. Jahrhundert verfolgt. 6 A n der Wende zum 19. Jahrhundert setzt die hier vorgelegte Abhandlung zur juristischen Analogie in Fortführung der genannten Vorarbeiten an und verfolgt die intensive Auseinandersetzung mit der Analogiemethode bis ins 20. Jahrhundert hinein. Insoweit handelt es sich hier um eine fortgesetzte Untersuchung, deren Gegenstand noch keine intensive Auseinandersetzung erfahren hat. 7 In Bezug auf die Entwicklung der Analogie in der Jurisprudenz ist kaum eine Trennung zwischen zivil- und strafrechtlicher Anwendung dieser Methode möglich, so daß dort, wo Berührungspunkte auftauchen, beide Rechtsgebiete verfolgt werden. 8 Inwieweit die juristischen Analogiemethodenansätze mit der tatsächlichen Bedeutung und Brauchbarkeit der Analogie zusammenhängen, ist Hauptgegenstand dieser Arbeit.

4

Steinwenter, in: Prolegomena zu einer Geschichte der Analogie II: Das Recht der kaiserlichen Konstitutionen, in: Studi Vincenzo Arangio Ruiz Bd. 2,169-186; in: Analoge Rechtsanwendung im römischen Recht, in: Studi Emilio Albertario Bd. 2, 105-127. 5 Falk, a.a.O. 6 Vgl. dazu auch Steinwenter, in: Prolegomena..., a.a.O., (I), 356. 7 Steinwenter, in: Prolegomena, ... a.a.O., (I), 360ff. deutet lediglich in Selbstbeschränkung hinsichtlich seiner Abhandlung („Prolegomena") oberflächig eine Entwicklung an. Schott, in: Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur beschränkt sich insgesamt auf die Geschichte gesetzlicher Rechtsfindungsregeln. 8 v. Weber, in: Zur Geschichte der Analogie im Strafrecht, in: ZStW Bd. 65 (1937), 653 675 erfaßt das eigentliche Wesen des Analogiebegriffes und der daran hängenden Methode nicht. Vielmehr wird eine allgemeine Rechtsentwicklung zur Entscheidungsweite des Richters im Strafrecht geboten.

Erster Teil

Grundlagen I. Allgemeines Zur Standortbestimmung für den Gegenstand dieser Arbeit ist eine übergreifende Erfassung von Begriff, Inhalt und Bedeutung der Analogie erforderlich. Dabei mag für das Verständnis zur Analogie zunächst ganz allgemein eine Umschreibung des gegenwärtig anerkannten Begriffsinhaltes herausgestellt werden, bevor auf die klassische Lehre zur Analogie, die diesen Begriff ursprünglich festgelegt hat, im besonderen eingegangen wird. Das vom griechischen „ana-logon" kommende Wort „Analogie" bedeutet „dem Logos entsprechend, verhältnismäßig (nach Verhältnis), übereinstimmend". 1 Die entsprechende lateinische Übersetzung „comparatio" und „proportio" verdeutlicht diese Bedeutungen.2 In der Alltagssprache soll jede Erkenntnis durch Ähnlichkeit oder Vergleich eine "Analogie" sein, wobei zwischen logischer und translogischer Bedeutungsebene nicht unterschieden wird. 3 Darüber hinaus wird Analogie als eine besondere Art von Ähnlichkeit dargestellt. Allgemein bezeichnet dabei die Analogie den Schluß von dem Bekannten oder dem Bekannteren auf das Unbekannte oder Minderbekannte. 4 Das Sein eines Seienden wird danach durch Vergleich mit einem anderen erschlossen oder verdeutlicht. 5 Bei Höffding, der die Analogie neben der Totalität und der Relation zu den Kategorien zählt, wird die Analogie als Übergangsform zur Identität (der absoluten Gleichheit), als Qualitätsähnlichkeit, zusammengesetzte Ähnlichkeit und Dekkungsähnlichkeit bezeichnet, die sich nur auf einzelne Eigenschaften oder Teile zweier Dinge bezieht.6 1

Krug, in: Allgemeines Handwörterbuch der philosophischen Wissenschaften Bd. 1, 129; Lötz, in: Philosophisches Wörterbuch, Hrsg. W. Brugger, 11; Meyers kleines Lexikon — Philosophie, 27; Streller, in: Philosophisches Wörterbuch, 17. 2 Vgl. auch Krug, a.a.O., Holz, in: Handbuch Philosophischer Grundbegriffe Bd. 1, Hrsg. H. Klings u.a., 52. 3 Holz, a.a.O., 52. 4 Krug, a.a.O., 130; Streller, a.a.O. 5 Lötz, a.a.O. 6 Höffding, in: Der Begriff der Analogie, Iff. und dazu die Ausführungen zur klassischen Analogielehre unten. Vgl. insgesamt auch den allgemeinen Überblick zur Analogie bei Kluxen, in: Ritter (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Sp. 214ff.

16

1. Teil: Grundlagen

Zur Darlegung von Begriffsbestimmung, Inhalt und Bedeutung der klassischen Lehre zur Analogie ist insgesamt das Verständnis zur Lehre von der Induktion erforderlich. Deswegen müssen der Analogielehre Ausführungen zur klassischen Lehre der Induktion vorangestellt werden. Im Rahmen dieser Gliederung, die für ein Verständnis zur Analogie zwingend ist, wird gleichzeitig eine beispielhafte Überführung dieser Methode in den juristischen Bereich vorgenommen. Diese Überführung soll das Wesen der Analogie verdeutlichen und ihre Bedeutung für die Jurisprudenz aufzeigen. In Verfolgung der historischen Entwicklung einer juristischen Analogiemethode zeigt sich auch das erforderliche Verständnis zur Induktion besonders deutlich, so daß die Grundlagen dazu voranzustellen sind. II. Grundzüge der klassischen Lehre zur Analogie M i t einer Darlegung der klassischen, vor allem auf Aristoteles gründenden Lehre zur Analogie ist keineswegs eine Vorwegnahme der juristischen Analogiemethode, die eine Festlegung auf das richtige Analogieverständnis zum Inhalt hätte, gewollt. Vielmehr wird eine Standortorientierung geboten, die dem Leser die Möglichkeit einer Beurteilung der jeweils dargelegten Autoren, die sich zum juristischen Analogieverfahren äußern, gibt. Insoweit wird hier auch der Versuch unternommen, den historisch gewachsenen Vorbau philosophischer Grundlagenforschung den juristischen Ausführungen zur Analogiemethode voranzustellen, um einen Ausgangs- und Ansatzpunkt für diese Abhandlung zu markieren. Daß die klassische Analogielehre in der juristischen Wissenschaft bekannt sein konnte, ergibt sich aus der Beschäftigung mit dieser Methode in der Literatur seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert. 7 Die Behandlung der Frage, inwieweit die klassische Lehre zur Analogie auch für das juristische Analogieverfahren maßgebend ist, bleibt dem dritten Teil dieser Arbeit vorbehalten. 1. Die Lehre von der Induktion8 Aristoteles führt zur Lehre der Induktion aus: „Induktion ist der Fortschritt vom Einzelnen zum Allgemeinen, ζ. B. wenn der kundige Steuermann der beste ist und wieder der kundige Wagenlenker, so wird auch überhaupt in jedem Ding der Kundige der beste sein. Es hat die Induktion eine größere Kraft der Überredung und Gewißheit und ist nach der sinnlichen Auffassung hin erkennbarer und bei der Menge gang und gäbe; der Schluß hat eine zwingendere Gewalt und ist gegen Streitende wirksamer" (Aristoteles Topica (et Sophistici Elenchi) 112, 105 a 13, ed. W.D. Ross, Oxford 1958)9. 7 H.S. Reimarus, in: Vernunftslehre (Bd. 1), 334-337 (§ 181); (Bd. 2) 290-293 (§§ 267269) — zu den syllogistischen Schlüssen im Allgemeinen vgl. Bd. 1,194-248 (§§ 134-156); Bd. 2, 172-223 (§§ 172-211); Jungius in Logica Hamburgensis, liber tertius, cap. XXI, XXII, S. 235-236 (i.d. Ausgabe v. R.W. Meyer 1957 S. 166ff.). 8 Zum historischen Werdegang der Induktion vgl. Ziehen, in: Lehrbuch der Logik, 782 ff.

II. Grundzüge der klassischen Lehre zur Analogie

17

„Induktion und der Schluß aus Induktion ist die Weise, durch den einen äußersten Terminus den andern für den mittlem zu erschließen, ζ. B., wenn zwischen a und c die mittlere Bestimmung b liegt, durch c zu zeigen, daß a dem b zukommt; denn so führen wir Induktionen. — Man muß aber unter c das aus allen Einzelnen Zusammengesetzte verstehen; denn die Induktion geschieht durch alle hindurch" (Aristoteles Analytica priorum II 23, 68 b 15; 27, ed. W.D. Ross und L. Minio-Paluello, Oxford 1964). „Die Induktion steht auf gewisse Weise dem Schluß entgegen; denn dieser weist durch den Mittelbegriff die höchste Bestimmung für die niedrigste nach; jene durch die niedrigste Bestimmung die höchste für den Mittelbegriff. Der durch den Mittelbegriff geschehende Schluß ist der Natur nach früher und erkennbarer, uns aber ist der Schluß der Induktion anschaulicher" (Aristoteles Analytica priorum II 23, 68 b 32)10. Die Induktion wird allgemein zu den mittelbaren (syllogistischen) Schlüssen gezählt, d. h. der Schlußsatz wird nicht nur aus einer, sondern aus mehreren Prämissen gefolgert. Nach Aristoteles liegt danach dem Schluß die Unterordnung der Begriffe als das gemeinsame Prinzip zum Grunde, das am deutlichsten in der ersten aristotelischen Figur hervortritt: 11

9

Übersetzung von Trendelenburg, in: Elemente der aristotelischen Logik, 36 ff. Übersetzung von Trendelenburg, a.a.O., 38. 11 Trendelenburg, in: Logische Untersuchungen, Bd. 2, 341 ff.; Zu den unmittelbaren Schlüssen, d.h. Subalternation, Conversion, Opposition, Aequipollenz, Contraposition vgl. Trendelenburg, a.a.O., 331 ff. m.w.N. Einführend zum mittelbaren Schluß seien kurz seine Grundlagen dargelegt: Im (mittelbaren) Schluß (Syllogismus), d.i. der Schluß vom Allgemeinen auf das Besondere, soll ein Urteil aus einer Mehrheit von begründeten Urteilen abgeleitet werden. Die letzteren heißen Vordersätze (praemissae), das daraus abgeleitete Urteil Schlußsatz (conclusio). Nimmt man nun zwei Vordersätze an, von denen der eine das Subjekt S, der andere das Prädikat Ρ des Schlußsatzes enthalten müssen, so heißt letzterer der Obersatz (propositio major), und übereinstimmend damit das in ihm enthaltene Prädikat des Schlußsatzes der Oberbegriff (terminus major), ersterer dagegen der Untersatz (propositio minor), und das in ihm enthaltene Subjekt des Schlußsatzes der Unterbegriff (terminus minor). Um den Oberbegriff mit dem Unterbegriff zu verknüpfen, muß der in jedem der beiden Vordersätze außerdem noch enthaltene zweite Begriff ein und derselbe sein. Dieser S und Ρ vermittelnde Begriff heißt der Mittelbegriff (terminus médius). Die Lehre von den (mittelbaren) Schlüssen (Syllogismus) besteht nun darin, zu bestimmen, „ob und in welcher Form aus zwei einen gemeinsamen Mittelbegriff enthaltenden, ihrer Form nach gegebenen Vordersätzen ein Schlusssatz folgt". Vgl. zu diesen Ausführungen insgesamt Drobisch, in: Neue Darstellung der Logik nach ihren einfachsten Verhältnissen, 93 ff. (§§ 84ff.). Auf dieser Grundlage, und nach der Stellung des Mittelbegriffs innerhalb der Prämissen werden Schlußfiguren unterschieden. Nennt man die beiden im Schlußsatz zu verbindenden Begriffe A und B, den Mittelbegriff M, so kann M entweder in einer Prämisse Subjekt und in einer anderen Prädikat, oder in beiden Prämissen Prädikat, oder in beiden Subjekt sein. Hieraus ergeben sich die drei aristotelischen Schlußfiguren: 1. M ist A 2. A ist M 3. M ist A Β —Μ Β —Μ Μ —Β Für den Schlußsatz bleibt es nach dieser Einteilung unbestimmt, welcher von den beiden Begriffen A und Β Subjekt und welcher Prädikat wird. Unterscheidet man aber in den Prämissen von vornherein Subjekt S und Prädikat P, so entstehen drei (vier) Schlußfiguren: 10

2 Langhein

1. Teil: Grundlagen

18

Alle Β sind A (= Obersatz) Alle C sind Β (= Untersatz) Also alle C sind A (= Schlußsatz) Aristoteles stellt nun aber die Induktion dem Syllogismus, das ist der eigentliche mittelbare Schluß, gegenüber, indem der Syllogismus mit dem beginnt, was an sich früher und erkennbarer ist, die Induktion hingegen beginnt mit dem, was für uns (Menschen) früher und erkennbarer ist. 1 2 Dennoch ist die Induktion keine, neben den syllogistischen Figuren stehende, selbständige Art zu schließen, sondern stellt einen Schluß in der dritten aristotelischen Figur dar, den man wegen der reinen Umkehrbarkeit des Untersatzes auf die erste Figur zurückführen kann. 1 3 Ein für den juristischen Gebrauch geeignetes Beispiel der unvollständigen Induktion, welches hier willkürlich von Larenz 14 übernommen wird, mag dies verdeutlichen: Beispiel Eine Reihe von Schuldverhältnissen (M) schreibt eine Kündigung aus wichtigem Grund vor (P). Diese Reihe von Schuld Verhältnissen (M) stellen Dauerschuld Verhältnisse dar (S). Alle Dauerschuldverhältnisse (S) schreiben also eine Kündigung aus wichtigem Grund vor (P). Man sieht jetzt sehr deutlich, daß die Umkehrung des Untersatzes die erste Schlußfigur zeigt, und damit den Syllogismus herausstellt: Alle Dauerschuldverhältnisse (M) schreiben eine Kündigung aus wichtigem Grund vor

(P).

Eine Reihe von Schuldverhältnissen (S) sind Dauerschuldverhältnisse (M).

Eine Reihe von Schuldverhältnissen (S) schreibt also eine Kündigung aus wichtigem Grund vor (P). Dennoch erkennt man sofort, daß der Induktionsschluß nicht zwingender Art, d. h. notwendig ist, da die Induktion das Allgemeine als die Allheit der Summe des Einzelnen zum Ziel hat, die durch eine sammelnde Beobachtung nicht I II III MP PM MP SM SM MS SP SP SP Die vierte (galenische) Schlußfigur bleibe hier unerwähnt, sie ist eine Unterabteilung der Ersten. Vgl. dazu insgesamt Hoffmeister, in: Wörterbuch der Philosophischen Begriffe, 614f. Schluß, Schlußfiguren; Prantl, in: Geschichte der Logik im Abendlande Bd. 1,263 ff. 12 Vgl. Trendelenburg, in: Elemente ..., a.a.O., 153 (§§34-36). 13 Drobisch, a.a.O., 187 (§ 147). 14 Larenz, in: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 368 ff. bezeichnet das von ihm vorgeführte Beispiel als „Gesamtanalogie", verkennt aber dabei die logische Bedeutung von unvollständiger — und vollständiger Induktion.

II. Grundzüge der klassischen Lehre zur Analogie

19

erreichbar ist. 15 Das Einzelne als solches ist eine unbegrenzte Menge, da die absolute Gewissheit einer Endlichkeit durch die widersprechende Assoziation einer Ausnahme nie ausgeschaltet werden kann. 1 6 Man unterscheidet deswegen auch allgemein die unvollständige — und die vollständige Induktion 1 7 , wobei nur die erstere von Aristoteles anerkannt ist und damit die eigentliche klassische Form dieses Schlusses darstellt. a) Die unvollständige Induktion Bei der unvollständigen Induktion erweitert man das empirisch Gegebene vom Besonderen aufs Allgemeine in Ansehung vieler Gegenstände.18 Was also vielen Dingen, die zu einer Gattung gehören, zukommt, wird als allen Dingen, die zu einer Gattung gehören, zukommend angesehen.19 Auf diese Weise kommt man zwar nicht zu universalen aber zu generalen Sätzen.20 Mithin ist der unvollständige Induktionsschluß ein mittelbar fortschreitender, ohne Mittelbegriff gezogener Schluß, bei dem aufgrund mehrerer Prämissen, welche ähnlichen Subjekten (S) dasselbe Prädikat (P) zuordnen, im Schlußurteil einem den Subjekten (S) übergeordneten Allgemeinbegriff (SA) dieses Prädikat (P) gleichfalls zugeschrieben wird. 2 1 Der Schluß lautet also: Sowohl A als auch B, C ... und Ν sind Ρ A, B, C ... und Ν sind S S A ist also Ρ Überträgt man diesen Schluß auf das oben genannte juristische Induktionsbeispiel, so sieht man, daß der Mittelbegriff (M), hier mit A, B, C ... Ν bezeichnet, unvollständig ist, und insoweit fehlt. Das oben genannte juristische Induktions15

Trendelenburg, in: Elemente ..., a.a.O., 153f. Trendelenburg, in: Elemente ..., a. a. O., 154; Ziehen, a. a. O., 773; Vgl. auch Wundt, in: Allgemeine Logik und Erkenntnislehre, 422ff., insbes. 424ff. der von der Prämisse ausgeht, daß nur das unmittelbar Gegebene gewiß sein kann. Dagegen ist das mittelbar Gegebene nur gewiß, wenn zwingende Gründe seine Annahme fordern. Bleiben widerstreitende Gründe aber möglich, so hat eine solche Annahme nur Wahrscheinlichkeitswert. Die Unterscheidung in qualitative und quantitative Wahrscheinlichkeit führt Wundt letztlich zum gleichen Ergebnis, das Aristoteles für die Induktion vorgegeben hat. 17 Jungius,a.a.O.,lib. tertius,cap.XXII,S. 237-239Nr. 5u.6,11 u. 12(AusgabeR.W. Meyer S. 168); Kant, in: AA Bd. XXIV Logik Blomberg, 287. „Es giebt eine compiette, auch eine incompiette Induction. Complett, wenn seine membra dem gegebenen Begrif gleich sind, oder wenn alles aus einem besonderen Begrif kann hergeleitet werden". Die Werke Kants werden zitiert nach der Gesamtausgabe, hrsg. von der Berliner Akademie = AA, 29 Bde. 18 Jungius, a.a.O.; Kant, in: AA Bd. XVI Reflexion 3280, S. 756. 19 Kant, in: AA Bd. XVI Reflexion 3281 f., S. 756f.; AA Bd. XXIV Logik Pölitz, 594; AA Bd. XXIV Logik Dohna-Wundlaken, 777. 20 Kant, in: AA Bd. XVI Reflexion 3281, S. 756; Jäsche/Kinkel, in: Immanuel Kants Logik, 147 (§84). 21 Ziehen, a.a.O., 768f. mit anderen Buchstabenzuordnungen; vgl. auch Pfander, in: Logik, 481 ff. Drobisch, a.a.O., 188f. (§148). 16

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1. Teil: Grundlagen

beispiel zeigt im Mittelbegriff (M) nur eine Reihe von Schuldverhältnissen, nicht alle auf. Würden nämlich alle Schuldverhältnisse Dauerschuldverhältnisse sein, dann bedürfte es dieser ganzen Operation nicht, weil dann auch die Rechtsfolge einer Kündigung aus wichtigem Grund von vornherein festgelegt ist und keinem Zweifel unterliegt. (Dies wäre auch ein Fall der vollständigen Induktion 2 2 ). Die Grundstruktur der Induktion ist somit dargelegt und führt zum Ergebnis, daß die Gewißheit eines (unvollständigen) Induktionsschlusses niemals mit derjenigen eines Syllogismus zu vergleichen ist. Der Syllogismus ist formal absolut und stets richtig. 23 Die unvollständige Induktion begründet demgegenüber lediglich eine Wahrscheinlichkeit 24 , was keine apodiktische Gewißheit gibt. 2 5 Denn, so Kant, „es können immer noch einzelne Fälle von unseren sogenannten Regeln Ausnahmen machen". 26 Dies führt dann auch zur Annahme von Fries, daß die unvollständige Induktion, die von vielen (aber damit begrenzten) Fällen auf die Gültigkeit einer allgemeinen Regel schließt, die auch nicht erfaßte Fälle unter sich begreift, eine Analogie ist. „Die (seil, unvollständige) Induktion redet nur von der Allgemeinheit eines Gesetzes, ohne noch auf einzelne Fälle zu kommen; dieser Rückschritt vom Allgemeinen auf das übrige Besondere ist vielmehr das einzige Eigenthümliche der Analogie". 27 b) Die vollständige Induktion U m neben der Darlegung der unvollständigen Induktion, die im Rahmen des klassischen Analogieverständnisses grundlegend ist, die Bedeutung einer exakten, bzw. vollständigen Analogie darzustellen, bedarf es auch einer Erläuterung der vollständigen Induktion. Wichtig wird eine solche Untersuchung, wenn man den Wert des Analogieverfahrens richtig einschätzen will. Denn ob eine Analogie lediglich Wahrscheinlichkeitswert aufweisen kann oder nicht, ist für seine Anwendbarkeit maßgeblich. Die vollständige Induktion beruht darauf, daß z.B. zu einem Einzel-, oder Partikularurteil noch alle diejenigen Einzelurteile hinzugenommen werden, die 22 Vgl. dazu insbes. auch Sigwart, in: Logik, Bd. 1,490 ff. (§57) u. Bd. 2,420 f. (§ 93), der den logischen (vollständigen) Induktionsschluß in seinem Erkenntniswert für überflüssig hält. 23 Ziehen, a.a.O., 773, der allerdings eine vollständige Induktion ablehnt. Vgl. dort S. 770 f. 24 Drobisch, a.a.O., 188f. (§ 148). 25 Kant, in: AA Bd. XXIV Logik Busholt, 679. 26 Kant, in: AA Bd. XXIV Logik Busholt, 679. 27 Fries, in: System der Logik, vgl. S. 255 ff. (§ 60), insbes. S. 462ff. (§ 103) (466); vgl. dazu auch Jungius, a.a.O., cap. XXI, XXII, XXIII, S. 235ff. (Ausgabe R.W. Meyer S. 166 ff.), der die Analogie in die Induktion aufnimmt und hinsichtlich der primären (unvollständigen) Induktion keine Verschiedenheit zur Analogie sieht; Sigwart, in: Logik Bd. 2, 311 ff. (§ 83) u. 420 f. (§ 93).

II. Grundzüge der klassischen Lehre zur Analogie

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sich auf die noch übrigen Gegenstände des Umkreises beziehen und von jedem einzelnen behaupten, daß es das Universalurteil sei. Dann ist durch die Gesamtheit dieser Prämissen die hinreichende Grundlage für die Wahrheit des zugehörigen Universalurteils gegeben.28 Wenn also zu dem Einzel- oder Partikularurteil „Ein S oder einige S sind P" noch alle diejenigen Einzelurteile hinzugenommen werden, die sich auf die noch übrigen Gegenstände des Umkreises S beziehen und von jedem behaupten, er sei P, dann ist die hinreichende Grundlage für das Universalurteil „Alle S sind P" gegeben. Allerdings ist das Universalurteil dann nur die Zusammenfassung der die Prämissen bildenden Einzel- und Partikularurteile, „da sein Behauptungsgehalt gar nicht über den der Gesamtheit der Prämissen hinausgeht". 29 Neben der „incomplette(n) Induction" läßt Kant auch die „Compiette" zu, die in folgender Darlegung wohl seinen Ausdruck findet: „Sonst giebts auch eine Art von Inductionen aus Systematischen Säzzen d.i. wenn etwas einer Gattung/ praedicirt wird, weil es schon in der analysis des Begriffs selbst liegt. Z.E. der Mensch ist Vernünftig". 30 Zu den Regeln der „vollständigen Induktionen" führt Fries aus: „Was von den Theilen einer Sphäre im Besonderen oder allgemeinen gilt, das gilt eben so von dem allgemeinen Begriffe, welchem diese Sphäre zukommt". Von diesem Schluß, so Fries, mache man im Leben und in der Wissenschaft den häufigsten Gebrauch. „Wir schließen nach ihm, sobald wir ein Geschäft nach allen möglichen Fällen in Ueberlegung nehmen und daraus unseren Entschluß fassen; die Mathematik bedient sich desselben, wenn sie einen Beweis für alle Fälle eines Satzes einzeln führt und ihn dadurch allgemein macht". 3 1 Als einen Schluß der dritten aristotelischen Figur bezeichnet Drobisch die vollständige Induktion. Ist es gewiß, daß ein Prädikat Ρ jedem einzelnen Glied des Umfangs eines Subjekts S zukommt, so folgt mit Notwendigkeit, daß es S selbst nach seinem ganzen Umfang zukommt. „Der Schluß von allen einzelnen Theilen eines Begriffsumfangs auf das Ganze hat also apodiktische Gewissheit". 32 Der Schluß nach der vollständigen Induktion lautet danach: Sowohl A als auch Β und C sind Ρ Α, Β und C sind alle S also sind alle S .. Ρ Bezieht man nun diesen Schluß auf das oben genannte juristische Induktionsbeispiel, so wird deutlich, daß eine begrenzte Anzahl von Schuldverhältnissen A,B und C (M) eine Kündigung aus wichtigem Grund vorsieht (P). Die Schuldverhältnisse A,B und C (M) stellen Dauerschuldverhältnisse dar (S). 28 29 30 31 32

Pfänder, a.a.O., 482ff. Pfänder, a.a.O., 482f. Kant, in: AA Bd. XXIV Logik Busholt, 679. Fries, a.a.O., 256ff. (§60). Drobisch, a.a.O., 186 (§ 147).

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1. Teil: Grundlagen

I m Schlußsatz steht nun, daß die Dauerschuldverhältnisse (S), die die Schuldverhältnisse A,B und C (M) umfassen, eine Kündigung aus wichtigem Grund vorsehen (P). Durch diesen vollständigen induktiven Schluß gelangt man zur Kenntnis der allgemeinen Eigenschaften gleichartiger, also unter demselben Gattungsbegriff stehender Objekte. 33 Trendelenburg weist aber darauf hin, daß bei dem vollständigen Induktionsschluß außer jener Zerlegung des Unterbegriffs in sämtliche seiner einzelnen Arten noch eine besondere Bedingung hinzugefügt wird, die über die dritte Schlußfigur, wie sie hier bei der vollständigen Induktion dargelegt ist, hinausgeht und das partikuläre Resultat in ein universelles verwandelt. „Es soll nämlich der Untersatz so beschaffen sein, dass er schlechthin umgekehrt werden könne. Ist dies der Fall, so ist dadurch das Partikuläre vermieden, das durch die beschränkte Conversion des Untersatzes in den Schluss hineinkommt. Subject und Prädicat sind nun identisch; dies aber kann nur der Fall sein, wenn die Arten vollständig aufgezählt sind". Diese Bedingung, so Trendelenburg, bleibe aber bei Aristoteles verborgen, so daß dieser die Induktion nicht der dritten Schlußfigur zugeordnet habe. 34 Für den juristischen Gebrauch könnte die vollständige Induktion neben der Wortinhaltsauslegung, der Sinn- und Zweckfeststellung einer Norm und der historischen Auslegung lediglich zur Herausstellung des vom Gesetzgeber festgelegten Gesetzeszusammenhangs, bzw. seiner begrenzten Systematik, dienen. Darüber hinaus ist kein weiterer Nutzen dieser Schlußform ersichtlich, was allerdings nicht ihre Abqualifizierung für den juristischen Gebrauch bedeutet. 2. Die Lehre von der Analogie35 Ausgangspunkt der Ausführungen zur Analogie soll wie zuvor bei der Induktion Aristoteles und die Erläuterung seiner Darlegungen durch Trendelenburg sein. Dabei wird auch versucht, das allgemeine Verständnis zur Analogie im ausgehenden 18. Jahrhundert und im 19. Jahrhundert in einem Zusammenhang darzulegen, der die damalige Sichtweise zu diesem Themenkomplex abgibt. Nur auf dieser Basis kann auch die Grundlage der jeweiligen Juristen, die sich ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert zur Analogie geäußert haben, sichtbar gemacht werden, bzw. festgestellt werden, ob die juristischen Autoren sich an wissenschaftlichen Grundlagenforschungen orientiert haben. Aristoteles führt zur Lehre der Analogie aus: „Ein Beispiel (eine Analogie) hat dann statt, wenn gezeigt wird, daß dem mittlem Begriff der obere zukommt, und zwar aus einem dem dritten Ähnlichen. Es muß dabei 33

Drobisch, a.a.O., 186 ff (§ 147). Trendelenburg, in: Logische Untersuchungen, Bd. 2, 370 ff. 35 Zum historischen Werdegang der Analogie vgl. Ziehen, a. a. O., 766 ff. Einen kurzen Überblick im Rahmen der klassischen Logik zum Analogieschluß bietet auch Klug, in: Juristische Logik, 115ff. 34

II. Grundzüge der klassischen Lehre zur Analogie

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aber bekannt sein, daß der mittlere dem dritten und der erste dem ähnlichen zukommt. Z.B. es sei a Übel, b gegen Grenznachbarn Krieg anfangen, c Athener gegen Thebaner, d Thebaner gegen Phokier. Wenn wir nun zeigen wollen, daß mit den Thebanern zu kriegen ein Übel sei: so muß gesetzt werden, daß mit den Grenznachbarn zu kriegen ein Übel ist. Dies wird nun aus den ähnlichen Fällen glaublich, ζ. B. weil den Thebanern der Krieg mit den Phokiern verderblich war. Da nun der Krieg mit den Grenznachbarn ein Übel ist und der Krieg mit den Thebanern ein Krieg mit den Grenznachbarn: so ist offenbar mit den Thebanern zu kriegen ein Übel. Daß nun b dem c und d zukommt, ist augenscheinlich; denn beide sind Kriege mit den Grenznachbarn; und ebenso daß a dem d; denn den Thebanern brachte der Krieg mit den Phokiern kein Heil; daß aber a dem b zukommt, wird durch d gezeigt werden; und auf dieselbe Weise, wenn aus mehrerem Ähnlichen glaublich wird, daß der mittlere Begriff zu dem obersten gehört. Es ist also offenbar, daß sich das Beispiel weder wie ein Teil zum Ganzen, noch wie ein Ganzes zum Teil verhält, sondern wie ein Teil zum Teil, wenn beide unter denselben Begriff fallen, einer aber erkennbar ist; und es unterscheidet sich dadurch von der Induktion, daß diese aus allen Einzelnen zusammen den höchsten Begriff für den mittlem nachwies und an den höchsten keinen Schluß weiter anknüpfte; aber das Beispiel knüpft sowohl unmittelbar wieder an als es auch nicht aus allen Einzelnen nachweist". (Aristoteles Analytica priorum II 24, 68 b 38)36 Die von Aristoteles hier dargelegte Erörterung des Beispiels ist insgesamt als Schluß der Analogie zu verstehen. 37 I m Schlüsse des Beispiels, so Trendelenburg, wird eine doppelte Bewegung nachgewiesen. Es fehlt sowohl der allgemeine Oberbegriff, als auch der Mittelbegriff. „Die ähnlichen Fälle (d), die mit dem Unterbegriff (c), für welchen etwas erschlossen werden soll, parallel stehen, nötigen uns einen solchen Obersatz zu entwerfen (b ist a)". 3 8 Der unglückliche Grenzkrieg der Thebaner mit den Phokiern, der sich zu dem Grenzkriege der Athener mit den Thebanern wie ein Fall zu dem anderen, wie Teil zu Teil verhält, gibt den Grund zur Bestimmung des Obersatzes her, d.h. jeder Krieg mit Grenznachbarn (b) ist verderblich (a). „Dann folgt die zweite Bewegung, welche das gewonnene Allgemeine sogleich auf den vorliegenden Fall (scil.(c)) bezieht, in dem sie einen Syllogismos der ersten Figur anschließt (synhâptei)". Folglich ist die Analogie nicht wie die Induktion darauf gerichtet, ein Allgemeines als solches für die Erkenntnis zu bilden, sondern ein Einzelnes durch ein Allgemeines zu erkennen. 39 Trendelenburg erläutert anschaulich, daß der Mittelbegriff (b) im Rahmen der Analogie in doppelter Bedeutung genommen werden muß, einmal als Einzelnes, dann als Allgemeines, so daß eigentlich vier Termini vorliegen. 40 Im 36

Übersetzung von Trendelenburg, in: Elemente ..., a.a.O., 40 ff. Trendelenburg, a.a.O., 163f. (§38). 38 Trendelenburg, a.a.O., 164 (§38). 39 Trendelenburg, a.a.O., 164 (§38). 40 Vgl. dazu auch Erdmann, in: Logische Elementarlehre, 788ff., der den Analogieschluß nicht zur logischen Elementarlehre zählt, sondern ihn als in das Gebiet der Methodenlehre hineinführend bezeichnet. 37

1. Teil: Grundlagen

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von Aristoteles gegebenen Beispiel ist (b) mit (c) und (d) hinsichtlich des gemeinsamen Merkmals des Grenzkrieges zu sehen: Der Krieg der Thebaner gegen die Phokier (d) war ein Übel (a). Als Grenzkrieg (b) ist sowohl der Krieg der Athener gegen die Thebaner (c), als auch der Krieg der Thebaner gegen die Phokier (d) zu bezeichnen. Also alle (?) Grenzkriege (b) sind ein Übel (a). Folglich kann die Analogie unter keine der Figuren des strengen dreigliedrigen Syllogismus untergebracht werden. „Die Kraft der Analogie liegt in der Bildung und Einführung eines Allgemeinen, das den Unterbegriff, für den der Schluß geschieht, und das verglichene Einzelne, das als Mittelbegriff auftreten will, aber nicht auftreten kann, gemeinsam umfasst"... „Dass dem neu gebildeten Allgemeinen das Prädikat des verglichenen Einzelnen beigelegt wird, ist die zweifelhafte Seite der Analogie. Denn was berechtigt dazu?". 41 In Bezug zum Beispiel des Aristoteles besteht die Frage: „War denn der Krieg der Thebaner mit den Phokiern gerade darum verderblich, weil er überhaupt ein Krieg mit Grenznachbarn war, oder hatte dies Allgemeine vielleicht gar keinen Einfluß, so daß er nur in seinem eigentümlichen Verlauf und Zusammenhang unglücklich war". 4 2 Allgemein und zusammenfassend führt Trendelenburg aus: „Die Analogie ist richtig, wenn sich wirklich das Einzelne des Beispiels (d) zu dem vorliegenden Einzelnen (c) in der Beziehung des erforderten Ganzen und Allgemeinen wie ein Teil zum anderen verhält und wenn dadurch die einzelnen Fälle volles Recht geben, den nötigen Obersatz allgemein zu bilden; die Analogie ist hingegen verfehlt, wenn in dem sonst ähnlichen Begriff (d) nur die besondere und eigentümliche Beschaffenheit, aber nicht das allgemeine Wesen (b), das er mit dem vorliegenden Einzelnen (c) teilt, die Aussage (a) hervorgebracht hat. Eine Vermittlung durch (b) ist dann nicht möglich". 43 Ein für den juristischen Gebrauch geeignetes Beispiel der Analogie, welches von Bovensiepen44 angeführt wird, mag dies verdeutlichen. Beispiel Grundsätzlich finden die Vorschriften zum Kauf gem. §§ 433 ff. BGB nur dort Anwendung, wo ein von der Person ablösbarer, in diesem Sinne übertragbarer Vermögensgegenstand für dauernd aus dem Vermögensbereich des einen in den eines anderen übergeführt wird und dafür ein Preis gezahlt werden soll. 45 41 42

(§38). 43

Trendelenburg, in: Logische Untersuchungen, Bd. 2, 372 f. Trendelenburg, a.a.O., 374 dort in der FN 2; ders., in: Elemente

a.a.O., 165

Trendelenburg, in: Elemente ..., a.a.O., 165f. (§38). Vgl. Bovensiepen, in: Analogie und per argumentum e contrario, H.d.R. Bd. 1,134; Klug, a.a.O., 133. 45 So Larenz, in: Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 2, 164 (§45 II); A.A. wohl K. Schmidt, in: Handelsrecht, 131 ff. (§6 II. 2), der die unkörperlichen Vermögenswerte (know how, good will u.s.w.), von der Person abtrennbar sieht, und sie dem Kaufrecht i.S.d. §§433ff. BGB beim „Unternehmenskauf 4 unterstellt; d.h. die unkörperlichen 44

II. Grundzüge der klassischen Lehre zur Analogie

25

Fraglich ist nun, ob die §§ 433 ff. BGB auch auf die entgeltliche Übertragung von Handelsgeschäften im ganzen („Unternehmenskauf"), einschließlich der Kundschaft, dem Ruf, Geschäftsgeheimnissen, Warenzeichen, der Firma, Rechte aus Wettbewerbsregelungen und Know-how Anwendung finden. Der nach Aristoteles auszuführende Analogieschluß wäre folgender: Entgeltliche Verträge, die sich auf die Übertragung von Sachen und Rechte beziehen (d), sind Kaufverträge i.S.d. §§433 ff. BGB (a). Als schuldrechtliche Verträge, gerichtet auf den endgültigen Erwerb von Vermögenswerten (b) sind sowohl entgeltliche Verträge, die sich auf die Übertragung von Sachen und Rechte beziehen (d); als auch entgeltliche Verträge, die sich auf die Übertragung von „Dingen", die nicht Sachen oder Rechte sind beziehen (c), zu bezeichnen. Alle (?) schuldrechtlichen Verträge, die sich auf den endgültigen Erwerb von Vermögenswerten richten (b), sind46 also Kaufverträge i.S.d. §§433ff. BGB (a). Man sieht ganz deutlich, der Schlußsatz ist unrichtig, denn ein Werkvertrag i.S.d. § 631 BGB oder ein Reisevertrag gem. § 651a BGB, hier nur als Beispiel angeführt, ist zwar ein schuldrechtlicher Vertrag, der auf endgültigen Vermögenserwerb gerichtet ist 4 7 , gleichwohl stellen beide Vertragstypen keinen Vermögenswerte werden unmittelbar unter die §§433 ff. BGB subsumiert, und nicht aufgrund einer analogen Anwendung. Bemerkenswert stehen dazu allerdings die Ausführungen K. Schmidts zum Gewährleistungsrecht beim „Unternehmenskauf", wo die „analoge" Anwendung der §§459 ff. BGB, die sich auf die Vorschriften zum Kauf i.S.d. §433 BGB rückbeziehen, grundsätzlich eine Zustimmung erfahrt. Vgl. K. Schmidt, a.a.O., 139 (§6 II. 3) . 46 Klug, a. a. O., 133 setzt im gleichen Beispiel folgende Zuordnungen ein: Für (c) wird α, d.i. die Klasse der auf die entgeltliche Übertragung von Handelsgeschäften gerichteten Verträge, gesetzt; für (d) wird δ, d.i. die Klasse deijenigen Verträge, aufweiche die §§ 433 ff. BGB Anwendung finden, gesetzt; für (b) wird ß, d.i. die Klasse der kaufahnlichen Verträge, gesetzt; und für (a) wird γ, d.i. die Klasse der Kaufverträge, gesetzt. Der von Klug daran anschließende formale Analogieschluß arbeitet mit den jeweils eingesetzten Buchstaben als Größenangaben, die die Sicherheit eines mathematischen Schlusses vortäuschen. Die von Klug formal richtige Operation mit den Größenangaben arbeitet jedoch mit Rechtsinhalten, die den Größenangaben widersprechen. Denn kaufahnliche Verträge sind nicht zwingend identisch mit den Verträgen, auf welche die §§ 433 ff. BGB Anwendung finden, so daß auch daraus keine generelle „Vereinigungsklasse" gebildet werden kann, die eine Identität von β und γ darstellt, was Klug verlangt, und somit den Schlußsatz vorwegnimmt. Die von Klug vorgenommene exakte Analogiemethode täuscht also durch Verwendung von Größenangaben, die als solche wegen inhaltlicher Rechtsgehalte nur willkürlich sein können, über den nicht zwingenden Charakter des Analogieschlusses, und kommt somit über das Beispiel (die Analogie) des Aristoteles nicht hinaus (vgl. dazu insgesamt die Ausführungen zu Klug im zweiten Teil, dritter Abschnitt). 47 Thomas, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, zu Einf. v. §631 Anm. 1, der die Leistungspflicht des Unternehmers beim Werkvertrag in der entgeltlichen Wertschöpfung durch seine Arbeitsleistung für den Besteller sieht. Die Wertschöpfung i.S.d. § 631 BGB ist letzlich auf einen endgültigen Vermögenserwerb beim Besteller gerichtet. Gleiches gilt auch beim Reisevertrag nach § 651a BGB, denn dort ist die Gesamtheit von Reiseleistungen des Reiseveranstalters auf den endgültigen Erwerb beim Reisenden ausgerichtet.

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1. Teil: Grundlagen

Kaufvertrag nach § 433 BGB dar. Der zwingende Charakter, der bei einem Syllogismus gegeben ist, fehlt also auch bei der rechtlichen Analogie, und kann somit nicht immer hergestellt werden. Der von der gesamten Jurisprudenz angenommene zwingende Charakter gerade dieses Analogieschlusses, der für sich noch nicht einmal kritisch diskutiert wird, wirkt sich allerdings problematisch in der anschließenden Gesetzesanwendung aus. Denn die völlige Unsicherheit beim Gewährleistungsrecht, die sich beim „Unternehmenskauf" auswirkt, gründet alleinig auf der analogen Anwendung der §§433 ff. BGB auf entgeltliche Verträge, die sich auf die Übertragung von „Dingen", die nicht Rechte oder Sachen sind 4 8 , beziehen. I m Anschluß an Aristoteles wird in der Mitte des 18. Jahrhunderts von Reimarus die Analogie als „die Aehnlichkeit verschiedener Dinge in einem entfernten Grunde; als in einem allgemeineren Geschlechte der Beschaffenheit oder des Zwecks oder der Wirkung" definiert. 49 Bei der Analogie, so Reimarus, folgere man, „daß dasjenige, welches dem einen Dinge wegen einer gewissen Beschaffenheit zukommt, auch dem anderen, welches so ferne einerley ist, zukommen müsse". 50 I m Rahmen dieser Analogiedefinition wird auch deutlich der Zusammenhang mit der (unvollständigen) Induktion herausgestellt, was gleichzeitig auch auf den Wahrscheinlichkeitscharakter der Analogie hinweist. Reimarus schreibt: „Die Reduction bringt die Dinge unter einen andern Begriff, damit sie etwas gemein haben, um dasjenige, was von diesem bekannt ist, auch von jenen zu schliessen".51 Der Wahrscheinlichkeitscharakter im Analogieverfahren wird aber nicht nur über die Herausstellung der Ähnlichkeit von verschiedenen Dingen von Reimarus betont, er wird auch mit der Bezeichnung der Analogie als Witz deutlich gemacht. „Der Witz bedienet sich aber eines Theils der Vergleichung eines wahren und wirklichen Dinges mit dem anderen; und daraus entstehet 1) der Schluß nach der Analogie; 2) die Erwartung ähnlicher Fälle in sonst verschiedenen Dingen". 5 2 I m gleichen Sinne, wie Reimarus die Analogie begreift, wird sie auch von Jungius verstanden, der die Analogie allerdings in die unvollständige Induktion mit hineinnimmt. 53 Zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert analysiert vor allem Kant die Analogie und stellt in diesem Zusammenhang die Konformität von mathematischer und philosophischer Analogie heraus, wobei beides auf der Grundlage des Analogieschlußverfahrens steht. 54 I m Einzelnen wird jedoch die philosophische von der mathematischen Analogie geschieden. „ I n der Philosophie bedeuten Analogien etwas sehr verschiedenes von demjenigen, was sie in der Mathematik vorstellen. 48 49 50 51 52 53 54

Vgl. dazu K. Schmidt, a.a.O., 134fT. (§6 II 3) m.w.N. Reimarus, in: Vernunftlehre (Bd. 2), 291 (§268); (Bd. 1), 334 (§ 181). Reimarus, a.a.O. (Bd. 1), 334 (§ 181). Reimarus, a.a.O. (Bd. 1), 339 (§ 181); (Bd. 2), 294 (§272). Reimarus, a.a.O. (Bd. 1), 334 (§ 181), (Bd. 2) 290 f. (§267). Jungius, a.a.O., lib. tertius, cap. XXI, S. 235-236 (Ausgabe R.W. Meyer S. 166f.). Vgl. Kant, in: AA Bd. XXIV Logik Philippi, 478.

II. Grundzüge der klassischen Lehre zur Analogie

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In dieser sind es Formeln, welche die Gleichheit zweier Größenverhältnisse aussagen, und jederzeit constitutiv 55 , so daß, wenn drei Glieder der Proportion gegeben sind, auch das vierte dadurch gegeben wird, d.i. construirt werden kann. In der Philosophie aber ist die Analogie nicht die Gleichheit zweier quantitativen, sondern qualitativen Verhältnisse, wo ich aus drei gegebenen Gliedern nur das Verhältnis zu einem vierten, nicht aber dieses vierte Glied selbst erkennen und a priori geben kann, wohl aber eine Regel habe, es in der Erfahrung zu suchen, und ein Merkmal, es in derselben aufzufinden". 56 Daß in der Mathematik mit Größenangaben gearbeitet werden kann, bei denen aus drei bekannten Gliedern einer geometrischen Proportion (analogia) das vierte unbekannte gefunden wird, liegt daran, daß dem ein vorausgesetztes allgemeines Gesetz der Zahlenerzeugung zugrunde liegt, das sich in der Beziehung des Exponenten darstellt. 57 Auf das von Aristoteles zur Analogie gegebene Beispiel rückbeziehend weist Trendelenburg für die qualitative Analogie daraufhin, daß dort ein Allgemeines vorausgesetzt wird, das die Eigenschaft des Einzelnen gleichmäßig erzeugt. „So wäre, um die Zusammenstellung durchzuführen, in jenem aristotelischen Beispiel der allgemeine Begriff (Krieg mit Grenznachbarn) dem gemeinschaftlichen Exponenten zu vergleichen". 58 I m Vergleich zum Beispiel über den Unternehmenskauf, welches oben für den juristischen Gebrauch zur Analogie gegeben ist, wäre der gemeinschaftliche Exponent in (b) zu sehen, d.h. „schuldrechtliche Verträge, gerichtet auf den endgültigen Erwerb von Vermögenswerten". Daraus ergibt sich nun für den Gebrauch der juristischen Analogie, daß dort keineswegs mit Größenangaben, also quantitativ, gearbeitet werden kann, da die o.g. Bedeutung begrifflich qualitativ ausgestaltet ist, d.h. Merkmale, die den Inhalt des Begriffs ausmachen, aufweist. 59 Insgesamt gilt auch für gegebene Rechtsregeln, bzw. Normen, daß dort ausschließlich mit Begriffen gearbeitet wird, deren inhaltliche Ausgestaltung zumeist eine begrenzte Anzahl von Bedeutungsgehalten umfasst. Die erfaßten Bedeutungsgehalte können jedoch insbesondere bei unbestimmten Rechtsbegriffen, d.h. Gattungsbegriffen, Unsicherheiten unterliegen, die einer gefestigten Systematik, welche nur in der Mathematik gegeben ist, widersprechen. Demnach dürften für den 55 Vgl. dazu Schmidt / Schischkoff, in: Philosophisches Wörterbuch, 370 konstitutiv: objektiv bestimmend, das Wesen einer Sache ausmachend. Nach Kant sind die Kategorien erkenntnistheoretisch konstitutiv, weil sie objektive Erfahrung begründen und weil diese ohne sie nicht möglich ist. Gegensätzlich dazu steht bei Kant regulativ. In der Logik heißen die unerläßlichen Merkmale des Begriffs, d. h. die, bei deren Verlust er seinen Sinn verliert, konstitutiv. 56 Kant, in: AA Bd. III Kdr V Rdn. 222, 160 f. (Hervorhebungen von uns). 57 Trendelenburg, in: Elemente a.a.O., 168 (§38); Wundt, a.a.O., 331, vgl. insbes. S. 332, wo Wundt ebenso wie Kant den „gewöhnlichen Analogieschluß" (nach Aristoteles) als qualitative Form-, den mathematischen als quantitative Form der Analogie sieht. Ebenso auch Sigwart, a.a.O., 312 (§84). 58 Trendelenburg, a.a.O., 168 (§38). 59 Vgl. Hoffmeister, in: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, 567f.: Qualität; und die Ausführungen dazu.

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1. Teil: Grundlagen

juristischen Gebrauch der Analogie die Ausführungen Kants zur philosophischen Analogie maßgeblich sein, deren Geltung jedoch „nicht constitutiv, sondern bloß regulativ 60 " ist. 6 1 Aber selbst der später insbesondere von Drobisch angeführte vollständige Analogieschluß, von dem in der Mathematik der häufigste Gebrauch gemacht werden soll, kann häufig auch nur eine Wahrscheinlichkeit begründen. 62 (Vgl. dazu die Ausführungen unten). Kant zählt die Analogie zu den indirekten (apagogischen) Beweisen, deren Anwendungen „zwar Gewißheit, aber nicht Begreiflichkeit der Wahrheit in Ansehung des Zusammenhanges mit den Gründen ihrer Möglichkeit hervorbringen". 63 Die Grundlage dieser Beweise zeigt sich, „wenn die Gründe, von denen eine gewisse Erkenntnis abgeleitet werden soll, zu mannigfaltig oder zu tief verborgen liegen: so versucht man, ob sie nicht durch die Folgen zu erreichen sei". „Dieses Verfahren aber ist unthunlich, weil es über unsere Kräfte geht, alle möglichen Folgen von irgend einem angenommenen Satze einzusehen; doch bedient man sich dieser Art zu schließen,... wenn es darum zu thun ist, um etwas bloß als Hypothese zu beweisen, indem man den Schluß nach der Analogie einräumt: daß wenn so viele Folgen, als man nur immer versucht hat, mit einem angenommenen Grunde wohl zusammenstimmen, alle übrige mögliche auch darauf einstimmen werden". 64 Die Analogie ist danach für Kant ein aus Induktion und Deduktion zusammengesetzter Schluß. Denn der Analogieschluß ist nichts anderes, „als eine / induction, aber nur eine Induction in Ansehung des Praedicats. Wenn nemlich 2 Dinge in Ansehung aller Eigenschaften, die ich an ihnen habe erkennen können, zusammen gekommen sind, so werden sie auch in den übrigen Eigenschaften, die ich nicht an ihnen habe erkennen können, mit einander zusammenkommen und so lautet der schluß in Ansehung der Analogie". 65 Die Schlußart nach der Induktion geht von vielen Besonderen zum einen Allgemeinen, so daß deutlich wird, „Analogie ist hierbey der Grund". 6 6 Der Analogieschluß unterscheidet sich vom Induktionsschluß also dadurch, daß „wenn zweyen Dingen so viel stükke als ich durch die scharfeste Untersuchung wahrgenommen habe, gemein sind, so können sie auch 60 Vgl. dazu Schmidt/Schischkoff, a.a.O., 577 regulativ: Kant nennt regulativ ein Prinzip der Vernunft, das nur die Betrachtung, das Denken regelt und zu Erkenntnissen leitet, nicht aber objektiv vorhanden angesehen werden darf. 61 Vgl. Kant, in: AA Bd. III Kdr V Rdn. 222f., 161. 62 Vgl. Drobisch, a.a.O., 189ff. (§ 149ff). 63 Kant, in: AA Bd. III Kdr V Rdn. 817, 513f. Dementsprechend auch Weinberger, in: Rechtslogik, 280 f. und 3 52 f. der die klassische Analogielehre, wie sie von Aristoteles ausgeht und von Kant dargelegt ist, in den wesentlichen Grundzügen für den juristischen Bereich übernimmt. Allerdings erfahren die Ausführungen Weinbergers zur Analogie keine Übertragung auf den juristischen Bereich. (α C δ)

Die Vereinigungsklasse β u γ lasse sich nun als ein Ähnlichkeitskreis definieren; als Ähnlichkeitskreis auf die etwa mit RS zu bezeichnende Ähnlichkeitsrelation „annähernd die gleiche rechtliche Struktur haben wie". Eine weitergehende Analyse des Analogieverfahrens müßte bei der Untersuchung dieser „Ähnlichkeitskreise" ansetzen, welche den Umkreis der „rechtsähnlich" geltenden Fälle festlege. 63 Der dargelegte formale Rahmen der Analogie zeige, welche Möglichkeiten man bei der praktischen Anwendung zur Entscheidung der Frage habe, ob ein bestimmter Analogieschluß zulässig sei oder nicht. Das Kriterium für diese Frage biete aber nicht der nunmehr als „der das juristische Analogieverfahren beendende Schluß", sondern die Definition des Ähnlichkeitskreises. Hierin liegen die inhaltlich entscheidenden Fragen der Analogie, so daß ohne eine präzise Definition sich keine Folgerung ziehen lasse. Solange der betreffende Ähnlichkeitskreis nicht definiert sei, seien die Kriterien für die Zulässigkeit des Analogieschlusses keine logischen, sondern teleologische. Andererseits könne für die unterschiedlichsten Dinge ein Ähnlichkeitskreis definiert werden, wie etwa die Ähnlichkeit zweier Gegenstände im Hinblick auf ihre Eigenschaft des Gegenstand-Seins.64 Klug stellt heraus, daß sich das Verhältnis zwischen Analogie- und Umkehrschluß nicht bedingt, und auch nicht vertauschbar ist. Ausgehend von dem in der Rechtswissenschaft gegebenen Schema des argumentum e contrario wird zunächst verdeutlicht, wann ein Umkehrschluß zulässig oder unzulässig ist. Interpretiere man die „Wenn-so"-Relation zwischen den gesetzlichen Voraussetzungen V l 9 V 2 , . . . V n und den Rechtsfolgen R 1 ? R 2 , ... R n als „extensive Implikation", so sei ein Umkehrschluß unzulässig, denn die o.g. Prämisse lasse nicht eine zwingende Konklusion zu. 6 5 Gehe man jedoch davon aus, daß die „Wenn-so"-Relation zwischen den Voraussetzungen V und den Rechtsfolgen R eine „intensive Implikation", daß also die Voraussetzungen V notwendige Voraussetzungen für den Eintritt der Rechtsfolge R seien, so sei der Umkehrschluß zulässig.66

62

Klug, a.a.O. 133. Alexy, in: Theorie der juristischen Argumentation, 343f. übernimmt diese Endformel in modifizierter Weise. 63 Klug, a.a.O., 134. 64 Klug, a.a.O., 136. 65 Klug, a.a.O., 137ff. (141). 66 Klug, a.a.O., 141 f. 9*

132

2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

Interpretiere man schließlich die zwischen den Voraussetzungen und Rechtsfolgen obwaltende „Wenn — so"-Relation als „gegenseitige Implikation", derart, daß die Voraussetzungen V zugleich notwendige und hinreichende Voraussetzungen für die Rechtsfolgen R seien, so sei ebenfalls der Umkehrschluß zulässig.67 Ob eine dieser drei Möglichkeiten vorliege, sei eine Frage der Textinterpretation und hänge von dem gesetzlich Festgesetzten ab. Unter Verweis auf Friedrichs wird herausgestellt, daß die Worte „nur", „es sei denn, daß" und ähnliche den Ausnahmecharakter kennzeichnende Worte einer Vorschrift das argumentum e contrario zulässig machen, also vor allem wenn „enge" Ausdrücke gewählt sind. 68 Die Unabhängigkeit des Analogieschlusses vom Umkehrschluß ergebe sich, so Klug, aus den dargelegten unterschiedlichen Methoden. Lediglich bei der „intensiven Implikation" bestehe eine gewisse Wechselseitigkeit insofern, als die Frage, ob ein gegebener Sachverhalt durch den betreffenden Ähnlichkeitskreis erfaßt werde, entscheidend ist für die weitere Frage, ob der Umkehrschluß den besagten Sachverhalt treffe oder nicht. 69 c) Der von Klug dargebotene formale Rahmen des Analogieschlusses ist, soweit es die logische Operation mit der Symbolik betrifft, richtig. Inwieweit jedoch eine Übersetzung der syllogistischen Operationen des herkömmlichen modus barbara in das der Logistik eigene Logikkalkül erforderlich ist, bleibt unklar, denn das herkömmliche Verfahren reicht vollkommen aus. 70 Hinsichtlich der Definition der Ähnlichkeit, „deren etwa mögliche formale Präzisierung" 7 1 in der Arbeit Klugs leider nicht weiter verfolgt wird, bleibt allerdings einiges offen, obwohl die Bestimmung des Ähnlichkeitsgrades eigentliches Ziel der Arbeit war. 7 2 Gerade die präzise Definition der Ähnlichkeit muß aber Hauptgegenstand in einem vollständigen, d.h. formal zwingenden, juristischen Analogieverfahren sein, wenn man den Analogieschluß mit einer exakten Logik erfassen will. Denn ein formaler Nachweis der logischen Zulässigkeit eines vollständigen Analogieschlusses bleibt immer nur im Rahmen seines eigenen Systems. So wird auch insgesamt kein Gewinn für die Rechtswissenschaft in den Analogieausführungen Klugs gesehen.73 Einen Ansatz, wie eine exakte Ähnlich67

Klug, a.a.O., 142. Klug, a.a.O., 143 unter Bezugnahme auf Friedrichs, in: H.d.R., 453f. 69 Klug, a.a.O., 143ff. (145). 70 So auch Bund, in: Die Analogie als Begründungsmethode im deutschen Recht der Gegenwart, ZVgl.RWiss. Bd. 77, 117. 71 Klug, a.a.O., 136 . 72 Vgl. die Kritik von Klug, a.a.O., 129ff. an der traditionellen Logik. 73 Wagner-Haag, in: Die moderne Logik in der Rechtswissenschaft, 30. Vgl. auch Arthur Kaufmann, in: Analogie und Natur der Sache, 33 f.; Zippelius, in: Juristische Methodenlehre, 102 f., der den „inexakten Bedeutungsumfang" des Wortes herausstellt und eine exakte Rechtssprache ablehnt; Dressler, in: Die entsprechende Anwendung handelsrechtlicher Normen auf Nichtkaufleute.. .,36 unter Befürwortung des einfachen Analogiesyllogismus. 68

II. Analogie im Rahmen der klassischen Lehre

133

keit zu definieren ist, bietet nur das von Klug dargelegte extreme „Gegenstandsbeispiel", wobei hier darauf hinzuweisen ist, daß eine partielle Ähnlichkeit zweier Gegenstände im Hinblick auf ihr Gegenstand-Sein ungenau ausgedrückt ist, denn das Gegenstand-Sein zeigt zwingend ein Verhältnis auf, etwa zur Umwelt, und darin besteht eine völlige Identität. Entscheidend für die Unpraktikabilität des Analogieverfahrens bei Klug in der juristischen Praxis, dürfte aber vor allem schon die unmögliche Formalisierung der im Gesetz enthaltenen Begriffe sein. Die Begriffe in einem Gesetz, die den Lebenssachverhalt im Tatbestand darstellen, geben nur inhaltlich einen abstrakten Tatbestand, der unter sich bestimmte konkrete Lebenssachverhalte begreift, ab. Die willkürlich zu diesem Tatbestand gesetzte Rechtsfolge ist ebenfalls nur inhaltlich, also nicht mit endlichen Größenangaben versehen, erfaßbar. Insofern erscheint es schon ein unmögliches Unterfangen zu sein, aus einer inhaltlichen Eigenschaft eine endliche Größenangabe zu schaffen, die es erlaubt, mit festen Proportionen zu arbeiten. Es wäre demzufolge dienlich, wenn Klug sein Analogieverfahren an mehreren Beispielen des positiven Rechts dargelegt hätte. Das auch bei Klug zu findende juristische Beispiel des Unternehmenskaufes für eine Analogie 74 zeigt, daß der „Ähnlichkeitskreis" die genaue Definition der Ähnlichkeit nur ersetzt. In der Logistik Klug's wird die nähere Ausdeutung der Ähnlichkeit in die endliche Größe des „Ähnlichkeitskreises" überführt. Die Vereinigung von β und γ führt nämlich nicht zur Identität von β und γ, die aber erforderlich ist, will man einen zwingenden Charakter im Sinne der Logistik Klugs für die Analogie bewirken. Klug selbst sieht auch diese Problematik; denn der „Ähnlichkeitskreis" kann nur „annähernd" die gleiche rechtliche Struktur haben wie die jeweils herangezogenen Beispiele (Analogie), die in dem zu entscheidenden rechtlichen Fall für das Analogieverfahren benutzt werden. U m das Scheitern des von Klug gewollten zwingenden Charakters der Analogie herauszustellen, sei auf das auch von Klug benutzte Beispiel des Unternehmenskaufs verwiesen. Dort müßte ß, d.i. die Klasse der kaufahnlichen Verträge, mit γ, d.i. die Klasse der Kaufverträge, identisch sein, wollte man einen zwingenden Schluß, auch im Sinne Klugs, haben. Eine Identität dieser Rechtsinhalte ist aber in keiner Hinsicht sichtbar. Es ist lediglich die Identität über eine Gattung, welche β und γ unter sich begreift, möglich. Danach gewinnt die Analogie jedoch einen hypothetischen Charakter, wie er sehr deutlich schon von Kant herausgearbeitet wurde. 75 Im Analogieverfahren Klugs wird also insgesamt dem inhaltlich ausgestalteten rechtlichen Analogieschluß ausgewichen und dafür die endliche Größenangabe gesetzt, von der jedoch Klug selbst sagt, daß sie für den juristischen Gebrauch untauglich ist. 7 6 Infolgedessen sieht man sich außer Stande, eine exakte Umsetzung des Analogieverfahrens von 74

Klug, a.a.O., 133, vgl. auch dazu die Ausführungen im ersten Teil. Vgl. dazu die Ausführungen im ersten Teil; Heller, in: Logik und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, 46. 76 Klug, a.a.O., 130. 75

134

2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

Klug auf konkrete Beispiele vorzunehmen, ohne dabei auf strittige Definitionen der Ähnlichkeit zu kommen. 77

77 Herberger/ Simon, in: Wissenschaftstheorie für Juristen, 112 u. 171 f. zeigen ähnlich wie Klug den juristischen Analogieschluß im Rahmen einer „Prädikatenlogik" auf. Von „Analogie aus dem Grunde" sei dann zu sprechen, „wenn zwei Sachverhalte" hinsichtlich des „Grundes" verglichen werden. Voraussetzung für einen juristischen Analogieschluß dieser Art sei eine sogenannte „Planwidrige Regelungslücke", deren Präzisierung jedoch über den Rahmen der Logik hinausführe. Herberger und Simon veranschaulichen ihren Analogieschluß an einem Beispiel: Grundsätzlich gilt für natürliche Personen gem. § 12 BGB ein absoluter Namensrechtsschutz. Fraglich ist nun, ob dieser absolute Namensrechtsschutz auch einer juristischen Person zukommt. Hierzu wird folgende „Schlußart" dargeboten:

(Px) Nx

Ax

(P2) Nx λ Fy (P3) Sxy (P4) (Αχ λ Sxy)

(S) Fy

Wenn χ der Name einer natürlichen Person ist, dann ist χ als absolutes Recht geschützt χ ist der Name einer natürlichen Person, und y ist der (Firmen-) Name einer juristischen Person χ ist in gleichem Maße schutzwürdig wie y. Ay Wenn χ als absolutes Recht geschützt ist, und χ in gleichem Maße schutzwürdig wie y ist, dann ist auch y als absolutes Recht geschützt.

Ay

Wenn y der (Firmen-)Name einer juristischen Person ist, dann ist y als absolutes Recht geschützt. Die von Herberger und Simon dargelegte Operation als Analogieschluß zu kennzeichnen, wäre dann nachvollziehbar, wenn nicht schon vor der eigentlichen Konklusio (S) dieselbe in (P4) vorweggenommen worden wäre. Darüber hinaus fehlt es auch an einem verwendungsfahigen Mittelbegriff, der auf natürliche -und juristische Personen zukommt. Denn die eigentliche Frage ist in dem Warum einer Schutzwürdigkeit, nicht in ihr selbst begründet. Das Eigentliche der Analogie kommt also in der Operation von Herberger und Simon nicht heraus. Die Identität von natürlichen und juristischen Personen ist wohl schlechthin über die Gattungseigenschaft der Rechtsfähigkeit gegeben. Unter der Rechtsfähigkeit wird „die Fähigkeit einer Person, Subjekt von Rechtsverhältnissen, daher Inhaber von Rechten und Adressat von Rechtspflichten zu sein", verstanden. Diese Rechtsfähigkeit kommt auch im gleichen Maße juristischen Personen zu, indem man diese als „mögliche Inhaber von Rechten und Adressaten von Pflichten" ansieht. Infolgedessen sei noch einmal das oben dargelegte Beispiel in dem von Aristoteles vorgegebenen Analogieschluß, der in der ersten aristotelischen Figur funktioniert, nachgezeichnet: Für natürliche Personen (d) gilt über § 12 BGB ein absoluter Namensrechtsschutz (a) Die Rechtsfähigkeit (b) kommt sowohl der natürlichen (d) — wie auch der juristischen Person (c) zu Also gilt für alle rechtsfähigen Personen (b) über § 12 BGB absoluter Namensrechtsschutz

Diese Ubersetzung des von Herberger und Simon angeführten Beispiels in die klassische Analogielehre weist einige Wahrscheinlichkeit, aber vor allem einen nachvollziehbaren Schluß auf.

III. Analogie als induktives Schlußverfahren

135

I I I . Analogie als Findung des gesetzlichen Grundgedankens oder des Prinzips über die unvollständige Induktion 1. Der „Standpunkt" des Gesetzgebers als generaler Rechtssatz einer unvollständigen Induktion — Herrfardt 1915 a) Die Auseinandersetzung mit der Lehre Zitelmanns 78 führt Herrfardt zur Methode der Analogie als Lückenausfüllung. Dabei wird als „Lücke im Recht" keineswegs eine Systembetrachtung im Sinne der Vorstellung eines „Ganzen" geboten. Vielmehr steht eine Begriffsfestlegung und deren Behandlung im Vordergrund. Die Begriffsfestlegung beschränkt sich im Grundsatz auf die Ausführungen Zitelmanns über die „Lücken im Recht". 79 „Lücken" bestehen vom Standpunkt des vorhandenen Rechts, wenn im Gesetz ein Satz zu vermissen ist. „Mängel" hingegen liegen in den Fällen vor, „wo wir den Satz nur von irgendeinem rechtspolitischen Standpunkt aus vermissen". 80 Innerhalb der „Lücken" ist zwischen „echten Lücken", d.h. Fälle, „in denen wir ohne Ergänzung des fehlenden Satzes überhaupt nicht zu einer Entscheidung gelangen können, und „unechten Lücken", d.h. Fälle, bei denen formal aufgrund des „allgemeinen negativen Satzes" eine Entscheidung getroffen werden kann, in denen aber im Gesetz ein Satz fehlt, „der, vom Standpunkt des Gesetzgebers aus betrachtet im Gesetz enthalten sein müßte". 8 1 b) Herrfardt wendet sich zunächst der Frage zu, wie der Analogieschluß als Ausfüllungsmittel zu rechtfertigen ist. Erst nach Beantwortung dieser Frage legt er dar, wie ein Analogieschluß zu funktionieren hat. Die stillschweigende Zustimmung des Gesetzgebers, der die bisherige Praxis der Lückenausfüllung in der Form des allgemein angewandten Analogieschlusses gutgeheißen habe, besage nicht, wie ein juristisch zulässiger Analogieschluß beschaffen sein müsse, in welchen Fällen er anzuwenden sei, und ob neben ihm noch andere Mittel der Lückenausfüllung zulässig seien. Vielmehr könne gesagt werden, daß der Gesetzgeber die Lösung dieser Fragen der Wissenschaft überlassen habe. 82 Dementsprechend definiert Herrfardt die „Natur des Analogieschlusses" in folgender Weise: Die Subsumtion des Lückenfalles unter eine gesetzliche Bestimmung müsse dem „Standpunkt" des Gesetzgebers entsprechen, wobei der „Standpunkt" die Gesamtheit aller Werturteile, die wir aus dem Gesetz entnehmen können, ohne Rücksicht darauf, ob sie einen Willen des Gesetzgebers für den vorliegenden Einzelfall erzeugt haben, bedeute. Diese Natur des 78

Zitelmann, in: Lücken im Recht (Rede). Zitelmann, a.a.O. 80 Herrfardt, in: Lücken im Recht, 31 f. 81 Herrfardt, a.a.O., 32; vgl. im einzelnen auch die Ausführungen über Zitelmann, a.a.O. 82 Herrfardt, a.a.O., 39f. 79

2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

136

Analogieschlusses führe zum Ergebnis, daß der Gesetzgeber in Fällen ohne gesetzliche Anordnung eine von den möglichen gesetzlichen Entscheidungen „mehr billigen" würde als andere. 83 Ob in dieser Erkenntnis ein genügender Rechtsgrund, bzw. eine Verpflichtung des Richters für die Anwendung der Analogie enthalten ist, bezeichnet Herrfardt zwar als zweifelhaft, jedoch im wesentlichen als überzeugend. Denn wenn die Verpflichtung des Richters zur Anwendung der Analogie auch nicht unbedingt bewiesen werden könne, so können wir doch voraussetzen, daß die Mehrzahl der zur Rechtsanwendung Berufenen sich ebenso wie an das Gesetz selbst, so auch an den mittelbar zu erschließenden Standpunkt des Gesetzgebers gebunden fühlen werde. 84 Die Frage danach, welche Entscheidung der Gesetzgeber billigen würde, falle mit der Frage zusammen, welche Regelung der Gesetzgeber für den in Frage stehenden Fall bei Kenntnis getroffen haben würde. Dies weise auf die Beschaffenheit der Prämissen des Analogieschlusses hin, denn wenn aus der Ähnlichkeit zweier Tatbestände Schlüsse daraus gezogen werden, daß der Gesetzgeber diese Tatbestände gleich oder ähnlich behandelt haben würde, so müsse die Ähnlichkeit in einer Übereinstimmung derjenigen Merkmale bestehen, welche für die Stellungnahme des Gesetzgebers bestimmend gewesen seien.85 U m zu erkennen, welche Merkmale eines Tatbestandes für den Gesetzgeber erheblich waren, müsse gefragt werden, aus welchen „Werturteilen" die Stellungnahme des Gesetzgebers geflossen sei. Die Antwort auf diese Frage habe nur Wahrscheinlichkeitswert, aber die Wahrscheinlichkeit sei um so größer, je umfangreicher das induktive Material, auf dem die Behauptung über die Werturteile des Gesetzgebers gestützt werde, sei. 86 Daher sei auch ein summarischer Blick über unsere ganze Rechtsordnung erforderlich, um die Unterschiede zwischen dem zu entscheidenden und dem analog herangezogenen Fall als im Sinne des Gesetzgebers unerheblich zu bezeichnen. Diese Notwendigkeit führe zur Forderung, die „Zwecke" des Gesetzgebers in den Vordergrund zu rücken. Eine Unterscheidung zwischen Gesetzes- und Rechtsanalogie sei folglich nur äußerlich. 87 c) Die Zugehörigkeit Herrfardts zu den Vertretern der Wertungsjurisprudenz ist deutlich, wie auch das unvollständige Induktionsverfahren für den Ähnlichkeitsgrad der analogen Anwendung ausschlaggebend ist. Daß der „Standpunkt" des Gesetzgebers Maßstab für ungeregelte Sachverhalte ist, die darüber aus einem positiven Gesetz eine Regelung erhalten, zeigt den Versuch auf, dem geschichtlich existenten Gesetzgeber „hinterher zu denken". Damit wird vordergründig die Autorität einer Norm, die ihren Ursprung im ordnenden Staat hat, aufrecht erhalten. Die durchaus auch vorhandenen positivistischen 83 84 85 86 87

Herrfardt, Herrfardt, Herrfardt, Herrfardt, Herrfardt,

a.a.O., 40f. a.a.O., 41 f. a.a.O., 43. a.a.O., 43. a.a.O., 43f.

III. Analogie als induktives Schlußverfahren

137

Ansätze Herrfardts verdeutlichen dies, denn das Gesetz dient zur Ermittelung von generalen Rechtssätzen mittelst der zunächst vollständigen Induktion. Erst die Übertragung der induktiv ermittelten generalen Sätze des Rechts auf ungeregelte Sachverhalte zeigt einen von Herrfardt bemerkten Wahrscheinlichkeitscharakter auf, der der unvollständigen Induktion eigen ist. 2. Der „gemeinsame Grundgedanke" als Anhaltspunkt des unvollständigen Induktionsverfahrens — Sauer 1940 Unter dem Gesichtspunkt der „Gerechtigkeit", d. h. des Geistes der Rechtsordnung, der Rechtsidee oder des „allgemeinen Grundgedankens" steht bei Sauer jede Analogie. 88 Diese Überbegrifflichkeiten, zu denen sich mitunter noch das „Gemeinwohl" oder der „Rechtsgedanke" gesellt, stehen durchaus häufig grundlegend hinter den einzelnen Ausführungen zur juristischen Analogie im 20. Jahrhundert. a) Ohne hier im Einzelnen auf die „Lücken" im Recht einzugehen, die nach Sauer auf dem „unvermeidbaren Widerspruch zwischen einer abstrakten Norm und dem konkreten Bedürfnis nach gerechter Entscheidung" beruhen, werden sie u. a. durch die Analogie ausgefüllt. 89 Bei den „Lücken" in der Rechtsordnung werde vom Beurteiler eine „passende, zu erwartende Rechtsnorm" vermißt. 90 Diese Art der Handhabung von „Lücken" im Gesetz oder der Rechtsordnung findet sich auch später noch bei anderen Autoren. 9 1 b) Die von Sauer der Analogie gegebene Bedeutung ist eine „„entsprechende Behandlung", ein entsprechendes, proportionales Verhältnis, die Proportion zwischen zwei gleichartigen Gebilden, die GleichartigkeitSpeziell für das Recht bedeute demnach Analogie „die gleichartige, normgemäße Behandlung der Rechtsfalle : bei gleichen Voraussetzungen gleiche Rechtsfolgen, bei verschiedenen Voraussetzungen entsprechend abweichende Rechtsfolgen". Formelhaft ausgedrückt heißt dies: a verhält sich zu m wie b zu x. Der Fall a wird durch die im Gesetz ausgedrückte Rechtsfolge m behandelt; für den verwandten Fall b fehlt aber eine gesetzliche Regelung. Ist nun b = a, so ist die Rechtsfolge χ für b ebenfalls = m. In demselben Maße, in dem sich b von a unterscheidet, soll „entsprechend" auch χ von m abweichen.92 Von den einzelnen „Merkmalen der Analogie" und deren Wesen, ist neben anderem die Trennung zwischen Analogieschluß und Induktionsschluß hervorzuheben, die Sauer herausstellt. 93 Der Analogieschluß, so Sauer, betrachte die Ähnlichkeit zweier Rechtsgedanken, der Induktionsschluß dagegen den ihnen 88 89 90 91 92 93

Sauer, in: Juristische Methodenlehre, 312. Sauer, a.a.O., 280ff. und 287ff. Sauer, a.a.O., 287. Vgl. statt vieler Engisch, in: Einführung u.s.w., 140f. m.w.N. Sauer, a.a.O., 305. Sauer, a.a.O., 306ff.

138

2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

gemeinsamen Gedanken (Grundgedanken). Lediglich richtig und unerläßlich bei der Verbindung beider Verfahrensweisen sei die Tatsache, „zur Erkenntnis der Rechtsähnlichkeit nur über den Weg zum gemeinsamen (!) Grundgedanken zu gelangen". Der ursprüngliche Gedanke der Analogie werde verschoben, wenn die durch Induktion zu findende Rechtsnorm in einer allgemeineren, übergeordneten, für mehrere rechtsähnliche Fälle geltenden gemeinsamen Norm gesucht werde. 94 Über das Erfordernis des „Gemeinsamen" und des „Grundgedankens" bei der Analogie sei der Schritt zur „Gesamtordnung und zum Geist des Rechts" unerläßlich und bedeute nichts geringeres als eine „Orientierung an der Rechtsidee selbst". 95 Zusammenfassend wird dargelegt, daß für die Induktion der allgemeine Gedanke Zweck der juristischen Tätigkeit sei, der rechtsähnliche Satz dagegen Mittel; für die Analogie sei umgekehrt, der rechtsähnliche Satz Ziel, der allgemeine Gedanke Mittel der juristischen Tätigkeit. 96 Zur Unterscheidung von Gesetzes und Rechtsanalogie bemerkt Sauer, daß jede Analogie sowohl Gesetzes- wie Rechtsanalogie ist. Sie ist „Gesetzesanalogie, weil sie von einem Gesetz (oder mehreren) ausgeht und wieder zu einem neu zu schaffenden, unmittelbar anwendbaren Gesetz als dem „rechtsähnlichen Gedanken hinstrebt". Rechtsanalogie sei insofern jede Analogie, als sie von einer Rechtsnorm ausgehe und zu einer hinstrebe, wie oben dargelegt. Die Unterscheidung beider Formen habe nur insofern eine Berechtigung, als erstere von einem positiven konkreten Gesetz, zweitere von einer sonstigen Rechtsnorm (Gewohnheits-, Gerichtsrecht) ausgehe.97 Hervorzuheben ist die Trennung von ausdehnender Auslegung und Analogie. Jene setzte eine passende Rechtsnorm voraus, diese suche aber mangels einer solchen nach einer verwandten Rechtsnorm. 98 Schließlich wird der Analogie die Fähigkeit der Rechtsschöpfung aberkannt, da sie nur die Schöpfung einer neuen konkreten Norm für den vorliegenden Fall, anhand einer alten sei. 99 Die Zulässigkeit der Analogie steht nach Sauer zunächst im Belieben eines Gesetzes. Der Gesetzeswille sei aber seinerseits dadurch beschränkt, daß an einige Wesenszüge zwingender Natur kein Gesetzgeber heranreiche (?). Zu den Wesensmerkmalen der Analogie gehöre u. a. die Rechtsähnlichkeit zweier Fälle, die nach dem Grundgedanken eines Gesetzes entsprechende Behandlung erfordere. Nur diese Voraussetzung sei dem Willen des Gesetzgebers unterstellt, da er den Grundgedanken eines Gesetzes und die Behandlungsweise 94 95 96 97 98 99

Sauer, a.a.O., 306 und 309. Sauer, a.a.O., 306. Sauer, a.a.O., 309. Sauer, a.a.O., 311 f. Sauer, a.a.O., 308. Sauer, a.a.O., 310.

III. Analogie als induktives Schlußverfahren

139

bestimme. 100 I m Zivilrecht habe man sich nicht für die Einengung oder den Ausschluß der Analogie entschieden, denn das Verbot einer Analogiebildung müßte vom Gesetz selbst durch ausdrückliche, zwingende Vorschriften, ausgeschlossen sein. 101 Als „Wille des Gesetzgebers" versteht Sauer, wie bei der Auslegung, nicht den zur Zeit des Erlassens, sondern den, wie er zur Zeit der Entscheidung gemäß den Rechtsgedanken unter Berücksichtigung der jetzigen Wertanschauungen aufgefaßt werden müsse. 102 c) Bei Sauer erscheint die Analogie als unvollständiges Induktionsverfahren. Insofern weist Sauers Analogieverständnis eine deutliche Ähnlichkeit zur klassischen Analogielehre auf. Unklar bleibt aber dabei, was unter einem „gemeinsamen Grundgedanken" zu verstehen ist. Die Grundstruktur der klassischen Analogielehre ist dennoch bei Säuer insgesamt beibehalten worden. Dies grenzt ihn entschieden gegen andere Autoren ab. Insofern mag der „gemeinsame Grundgedanke" als induktiv verstandener Generalsatz verstanden werden, der auf ungeregelte Sachverhalte übertragen wird. Zusammenfassend ist herauszustellen, daß Sauer ein richtiges Bild der Analogie in ihrem klassischen Sinne herausstellt. Sein Abgleiten in die Rechtsbegründungslehre über das Analogieverfahren läßt aber die eigentlich festen Konturen des juristischen Analogieverfahrens zerfließen. Die starke rechtsmetaphysische Bindung, wie auch der Rückgriff auf gegenwärtige Wertungen bei der jeweiligen Rechtsanwendung ist daneben unübersehbar. Insoweit hat es seine Berechtigung Sauer, der die „Rechtsidee" zum Maßstab seiner Methode werden läßt, zu den Vertretern der „Wertungsjurisprudenz" zu zählen. 3. Die „Gleichheit des Grundes" als Maßstab für analoge Rechtsanwendung — Nawiasky 21948 (11941) a) Der allgemeinen „Lückentheorie" folgend, teilt Nawiasky in „echte Lücken", und in „unechte Lücken" ein. Die „echte Lücke" wird als ein Gegenüberstehen gesetzlich gleichrangiger Individualinteressen, zwischen denen entschieden werden muß, angesehen. Als „unechte Lücken" bezeichnet Nawiasky das Problem, daß eine Regel für einen Spezialfall vermißt wird. Da die vorhandene Regel nicht zu passen scheine, sei aus sachlichen oder aus Gerechtigkeitsgründen eine andere Entscheidung geboten. Letztere Lücke bestehe in einem rechtspolitischen Problem, da keine Rechtsnorm fehle, aber die gegebene dem Rechtsanwender mißfalle. 103 Die Berechtigung zur Ausfüllung 100

Sauer, a. a. Ο., 313 f. ist in seinen Ausführungen häufig nicht logisch nachvollziehbar bzw. unverständlich. Gleichwohl findet hier sein „Gedankengang" in jeder Hinsicht eine Darlegung. 101 Sauer, a.a.O., 314 propagiert hier die Umkehrung des „allgemeinen negativen Satzes" (vgl. dazu die Ausführungen zu Zitelmann). 102 Sauer, a.a.O., 314. 103 Nawiasky, in: Allgemeine Rechtslehre als System der rechtlichen Grundbegriffe, 142 f.

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

„echter Lücken" sei bei Rechtssystemen ohne ausdrückliche Ermächtigung eine „stillschweigend" erteilte. 104 Nawiasky gibt allgemein die Grundlagen einer „Lückenausfüllung" an, indem er sich auf Art. 1 Schweizer ZBG und § 7 österr. ABGB bezieht. Eine Lückenausfüllung aus der „Natur der Sache" wird abgelehnt. 105 Eine einschränkende Zustimmung der auch von Kelsen befürworteten Lehre vom allgemeinen negativen Satz läßt Nawiasky zu, indem er „echte Lücken" bei Normen über Leistungen an den Staat verneint. 106 b) Als mit der Lückenausfüllungslehre verwandt bezeichnet Nawiasky die Analogie. Er versteht darunter „die Anwendung einer auf einen anderen Tatbestand gerichteten Rechtsnorm auf einen ähnlichen wegen Gleichheit des Grundes". Als Gesetzesanalogie werde das Ausgehen von einer einzelnen Norm verstanden, bei der Rechtsanalogie werde ein ganzer Komplex von Rechtsnormen übertragen, indem ein allgemeiner Rechtsgedanke auf ungeregelte Fälle angewandt werde. Der Unterschied zwischen beidem sei ein solcher des Grades oder Maßes. 107 Die Rechtfertigung der Analogie sieht Nawiasky in dem „Charakter der Rechtsordnung als eines einheitlichen Systems, das von großen sachlichen Grundsätzen beherrscht werde". M i t anderen Worten, „es wird von der erkennbaren Auffassung des Normgebers an der einen Stelle des Systems auf die vermutete Auffassung an der anderen geschlossen". Es werde nicht neues Recht geschaffen, sondern man werde vor die Aufgabe gestellt, bereits vorhandenes Recht zu finden. 108 Der Analogieschluß werde nicht nach logischen Prinzipien bestimmt, sondern nach sachlichen, d.h. nach Werturteilen. 109 Als Spezialfälle des Analogieschlusses sieht Nawiasky das argumentum a maiore ad minus, das argumentum a fortiori und das argumentum a minore ad majus an. 1 1 0 c) Zur Lückentheorie sei angemerkt, daß die Befürwortung des allgemeinen negativen Satzes bei Normen über Leistungen an den Staat willkürlich und in Anbetracht der allgemeinen Bejahung einer „Lücke" im Gesetz unvermittelt erscheint. Die Frage, warum der allgemeine negative Satz nur bei Normen über Leistungen an den Staat zum Tragen kommt, bedarf einer gesamten methodischen und in sich stimmigen Begründung, die die Berechtigung einer derartigen Aussage vermittelt. 111 104

Nawiasky, a.a.O., 143. Nawiasky, a.a.O., 143ff. loa Nawiasky, a.a.O., 143f. 105

107

Nawiasky, a. a. O., 146 f. Dem entsprechend Cosack, in: Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, 28, der den Grund eines gesetzlich geregelten Falles auf ungeregelte Fälle überträgt. 108 Nawiasky, a.a.O., 147. 109 Nawiasky, a.a.O., 148. 110 Nawiasky, a.a.O., 148. 111 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Völker, in: Zum Ausfüllen von Gesetzeslücken im Steuerrecht — Eine Stellungnahme für die Praxis —, DStZ 1989, 235 ff., der den

III. Analogie als induktives Schlußverfahren

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Nawiasky's Analogieverfahren läßt den Rechtsanwender in nahezu allen Fällen ohne Rüstzeug. Welche Gleichheit des Grundes gemeint ist, von welchen großen sachlichen Grundsätzen das einheitliche Rechtssystem beherrscht wird, und in wieweit logische Prinzipien unsachlich sind, bleibt offen. Als Grundlage des Analogieverfahrens ist das Gesetz maßgebend. In wieweit sich eine Anlehnung an die Inversionsmethode mit Wertungen verträgt, die eine nicht näher umschriebene Rolle spielen, findet bei Nawiasky keine Erhellung. Die Festlegung auf die stetige Sachlichkeit von Werturteilen läßt die Frage aufkommen, was Nawiasky unter einer Sachlichkeit versteht, denn wenn jedes Werturteil das Attribut der Sachlichkeit aufweist, ist jegliche Unsachlichkeit bei Wertungen zwingend nicht existent. Dieses Urteil wäre aber im Sinne Nawiasky's logisch und deswegen unsachlich. Insgesamt ist bei Nawiasky herauszustellen, daß die Handhabung seines Analogieverfahrens in Leerformeln endet, die einer logischen Auseinandersetzung nicht zugänglich sind. Dennoch erfahren seine Ausführungen in einigen Punkten eine Rezeption, wie etwa bei Larenz. (vgl. dazu die Ausführungen zu Larenz).

4. Der induktiv ermittelte Gesetzeszweck als Grundlage zur Regelung ungeregelter Fälle — Bartolomeyczik 1951 Eine im Rahmen der insgesamt herrschenden Lehre des 20. Jahrhunderts sich bewegende formale Ausdeutung der juristischen Analogie bietet Bartolomeyczik. a) Da Analogie die Anwendung der Rechtsfolgen bestimmter Rechtssätze oder mehrerer bestimmter Rechtssätze auf einen anderen, als den geregelten Sachverhalt, wegen der Rechtsähnlichkeit der Gesetzes- oder der Fallentscheidung darstellt, bestimmt sich, so Bartolomeyczik, die Methode der Analogie zunächst nach der Feststellung einer Gesetzeslücke, danach auf die Gewinnung eines „analogen Ober satzes". 112 Die „logische Geschlossenheit" des positiven Rechts sei ein unerreichbares Hochziel; die Feststellung einer Gesetzeslücke müsse ergeben, daß der Gesetzgeber den zu entscheidenden Fall mit seinen Vorschriften nicht habe regeln wollen, d. h. nicht in den Kreis seiner rechtspolitischen Zwecksetzung aufgenommen habe. „Eigentliche Gesetzeslücken" werden in drei Fällen gekennzeichnet:

Meinungsstand zur Analogiediskussion im Steuerrecht mit einer ablehnenden Haltung gegenüber einer steuerbelastenden Analogie darlegt; dort m.w.N. in den FN. Daß im Rahmen der Rechtsanwendungslehre im öffentlichen Recht die Exekutive nicht ohne Gesetzesgrundlage Eingriffe gegenüber den Bürger tätigen kann, ergibt sich allerdings schon aus der Wesentlichkeitstheorie. Vgl. dazu Β Verf. GE 40, 237 (250); 58, 257 (269). 112 Bartolomeyczik, in: Die Kunst der Gesetzesauslegung, 81 ff. Den analogen Obersatz- oder das induktive Prinzip im Rahmen des teleologischen Ähnlichkeitsgrundes befürworteten schon Baumgarten, in: Grundzüge der jurististen Methodenlehre, 38f.; Brütt, in: Die Kunst der Rechtsanwendung, 154 ff.

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

1. Die fortlaufende Entwicklung habe soziale Erscheinungen gebildet, die nicht vorhanden und voraussehbar gewesen seien. 2. Der Gesetzgeber habe den Lebenssachverhalt infolge ungenügender Rechtstatsachenforschung übersehen. 3. Der Gesetzgeber habe eine sozial erscheinende Entscheidung wegen Unreife abgelehnt. 113 Bei der „uneigentlichen Gesetzeslücke" sei eine nach wörtlicher Anwendung und Auslegung anwendungsfahige Norm vorhanden, gleichwohl dürfe ihr die Entscheidung nicht entnommen werden, da sie mit dem „Richtigkeitsgedanken der rechtspolitischen Zwecksetzung in der als Einheit gesehenen Gesamtrechtsordnung nicht im Einklang stände". 114 b) Der zweite Schritt zum Analogieschluß sei der, aus dem rechtspolitischen Zweck eines gesetzlich geregelten Tatbestandes einen analogen Obersatz zu gewinnen, aus dem sich die positive Regelung des Gesetzes als Untersatz ebenso ableite, wie beim gesetzlich nicht geregelten Fall. 1 1 5 Der analoge Obersatz werde erstens durch Herausarbeitung der rechtspolitischen Zwecksetzung des positiven Rechtssatzes gebildet, früher ratio legis genannt, und zweitens durch weitere Herausarbeitung der „tragenden Grundsätze" dieser Zwecksetzung, indem alles Unwesentliche und Beiläufige fortgelassen werde, bis sich für die Entscheidung des Gesetzgebers und die des Richters ein gemeinsamer Obersatz ergebe. 116 Im Unterschied zur freien Rechtsfindung der Freirechtsschule sei die analoge Rechtsschöpfung an „die gesetzliche Interessenwertung innerhalb der Richtigkeitsgedanken, die in der rechtspolitischen Zwecksetzung zum Ausdruck kommen", gebunden. 117 Zwischen Rechts- und Gesetzesanalogie bestehe kein sachlicher Unterschied, denn die erstere leite den analogen Obersatz aus der Gesamtregelung der Rechtsordnung, aus einem bestimmten Rechtsgebiet oder einem umfassenden Rechtsinstituts ab. Die zweitere baue auf einer oder mehreren Vorschriften auf. Der Übergang zwischen beiden sei flüssig. 118 Eine abschließende gesetzliche Regelung begründe den Gegenteilsschluß (argumentum e contrario), die Feststellung einer Gesetzeslücke bereite dagegen den Weg zur Analogie. Allerdings sei die Feststellung, daß eine Regel nur für bestimmte Fälle beschränkt sei, sehr schwer zu treffen. Hier versagen logische Mittel, der rechtspolitische Zweck weise den Weg. 1 1 9 113

Bartolomeyczik, a.a.O., 81 f. Bartolomeyczik, a.a.O., 82f. 115 So auch Bund, in: Die Analogie als Begründungsmethode im deutschen Recht der Gegenwart, ZVgl.RWiss. Bd. 77,117. Vgl. zur Darstellung auch Sax, in: Das strafrechtliche Analogieverbot, 151. 116 Bartolomeyczik, a.a.O., 83f. 117 Bartolomeyczik, a.a.O., 90. 118 Bartolomeyczik, a.a.O., 99. 119 Bartolomeyczik, a.a.O., 92. 114

III. Analogie als induktives Schlußverfahren

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c) Als unzutreffende Möglichkeit wird von der Kritik die Herausbildung eines analogen Obersatzes bezeichnet, da es zweifelhaft sei, damit Prinzipien zu finden, die über den Sinnbereich einer Norm hinausführen. Die „tragenden Grundsätze" der Zwecksetzung stehen nicht außerhalb des Zweckes, seien nicht weiter als er, sondern seien der Zweck, der Sinn einer Norm selbst, der durch Auslegung und Nichtbeachtung des Unwesentlichen klargestellt werde. Speziellere Formulierungen als „Ausgleich gegenseitiger Interessen" oder „Verwirklichung der Gerechtigkeit" seien schwerlich zu finden, so daß über diesen Obersatz keine Analogie vollzogen werden könne. 1 2 0 d) Bartolomeyczik zeichnet insgesamt die unvollständige Induktion nach, um eine Regelung für ungeregelte Sachverhalte zu erhalten. Dabei will er aus dem Gesetz die rechtspolitische Zweckrichtung entnehmen, die zu einem induktiv ermittelten Generalsatz führt. Sofern die rechtspolitische Zweckrichtung aus dem Gesetz entnehmbar ist, bewegt sich Bartolomeyczik noch in den Bahnen einer Rechtsanwendungslehre. Zieht er aber die rechtspolitischen Zwecke aus sozialen Erscheinungen des Rechtslebens heraus, dann betritt er das Gebiet der Rechtsbegründungslehre, was wohl sein hauptsächliches Anliegen ist. 5. Die analoge Rechtsanwendung als Wirksamwerden von gesetzlichen Prinzipien — Enneccerus-Nipperdey 151959 Grundlage der „Rechtsfindung", und damit auch Grund für die Zulässigkeit einer Analogie, soll, nach Eneccerus — Nipperdey, die gewohnheitsrechtlich bestehende oder gesetzlich 121 ausgesprochene Pflicht des Richters sein, für jede im Leben auftauchende Rechtsfrage rechtsprechend eine Antwort zu geben. a) Enneccerus-Nipperdey arbeiten vier Arten von Lücken heraus, bei denen dem Richter eine „ergänzende Rechtsfindung", die zu einer unbestimmten Rechtsnorm führt, geboten ist. 1 2 2 Als Lücke intra legem oder als „Wertungslücke" sei eine allgemeine, mehr oder weniger unvollkommene Anweisung des Gesetzes anzusehen, die im Gegensatz zu den bestimmten Rechtsbegriffen nur einen kleinen sicheren Bedeutungskern, aber einen ungewöhnlich großen, in der Bedeutung allmählich verschwimmenden Begriffshof hat. 1 2 3 Das völlige Schweigen des Gesetzes, entweder absichtlich, weil die Frage zur Entscheidung noch nicht reif sei, der Wissenschaft und Rechtsprechung nicht habe vorgegriffen werden sollen, oder weil die Frage übersehen worden sei, oder weil eine 120 Teichmann, in: Die Gesetzesumgehung, 84. Dem entsprechend auch Sax, a.a.O., 131 f. (131 dort in der FN 4). 121 Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil d. Bürgerlichen Rechts Bd. I, § 58, 336 f. verweisen hier in der FN 2 auf Code Civil Art. 4; Pr. ALR Einleitung § 49; Sächs. BGB §§ 22 ff. u. § 1 EI; vgl. auch Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 341. So auch Boversiepen, in: Analogie und per argumentum e contrario, H.d.R Bd. 1,134; v. Tuhr, in: Der Allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts Bd. 1, 41. 122 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 339. 123 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 337.

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

Veränderung der Lebensverhältnisse entstanden sei, stelle die zweite Lückenart dar. 1 2 4 Die dritte Lückenart kennzeichne sich durch zwei sich widersprechende Gesetze, von denen keines den Vorrang vor dem anderen habe. 125 Bei der vierten Lückenart handele es sich um Normen, die unanwendbar seien, weil sie Folgen umfasse, die der Gesetzgeber bei deren Kenntnis nicht so geordnet hätte. Die Handhabung dieser Lückenart erfolge im Wege der abändernden Rechtsfindung („Restriktion"). 1 2 6 b) Enneccerus-Nipperdey bezeichnen die Rechtsfindung aus dem Gesetz, d. h. die Schöpfung aus dem Geist des Gesetzes, aus den Interessenbewertungen, die sich in seinen Vorschriften offenbaren, als Analogie, welche zur Herausstellung einer unbestimmten Rechtsnorm dient. Analogie sei die Ausdehnung der aus dem Gesetz zu entnehmenden Prinzipien auf Fälle, die den im Gesetz entschiedenen rechtsähnlich seien, ihnen in den für den Grund der Entscheidung maßgebenden Teilen wesensgleich seien. 127 Zu unterscheiden sei Gesetzes- und Rechtsananlogie. Die Gesetzesanalogie, ausgehend von einem einzelnen Rechtssatz, entwickele seinen Grundgedanken unter Ausscheidung aller unwesentlichen Voraussetzungen reiner und wende den so geläuterten auf Fälle an, die unter ihn fallen, sich also von den im Gesetz entschiedenen nur in unwesentlichen, die Regel innerlich nicht berührenden Punkten unterscheiden. Die Rechtsanalogie, von einer Mehrzahl einzelner Rechtsvorschriften ausgehend, entwickele aus den einzelnen Rechtsvorschriften durch Induktionsschluß allgemeinere Prinzipien und wende diese auf ungeregelte Fälle an. 1 2 8 Enneccerus-Nipperdey unterscheiden streng zwischen der ausdehnenden Auslegung und der Analogie, die nicht wie die ausdehnende Auslegung eine Klarstellungsfunktion für Gesetze zum Inhalt habe, sondern eine Fortbildung des Rechts „ i n der vom Gesetze eingeschlagenen Richtung" umfasse. 129 Die Berechtigung eines bestimmten Analogieschlusses hänge davon ab, daß sich die 124

Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 338. Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 339 unter Bezugnahme auf Heck, in: Begriffsbildung, a.a.O., 110; ders., in: ACP 112,179f.; Engisch, in: Einheit der Rechtsordnung, 50, 84f.; ders., in: Festschriftf. W. Sauer (1949), 89 dort in der FN 15; Staudinger-Brändl Einl. Rdn. 62; Meyer-Hayoz, in: Der Richter als Gesetzgeber, 69 f. 126 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 339; vgl. auch §59, 344ff. Die hier so benannte „Restriktion" ist mit der von Larenz, in: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 391 ff. so genannten „teleologischen Reduktion" identisch. 127 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 339. Es sei jedoch angemerkt, daß EnneccerusNipperdey die Ausfüllung von „Wertungslücken" wohl kaum mittelst der Analogie erfolgen lassen wollten, obwohl die Voranstellung dieser Lückenart vor den Ausführungen zur Analogie durchaus mißverständlich ist. Zu diesem Themenkomplex vgl. auch Bovensiepen, a.a.O., 133 dessen Analogieausführungen parallel zu Enneccerus-Nipperdey stehen; Schack, in: „Analogie" und „Verwendung allgemeiner Rechtsgedanken"..., 278. 128 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 340; Bovensiepen, a.a.O., 133; vgl. auch Schack, a.a.O., 278. 129 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 340; Bovensiepen, a.a.O., 134. 125

III. Analogie als induktives Schlußverfahren

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ungeregelten Fälle zu den Geregelten nicht in wesentlichen Beziehungen zueinander unterscheiden, und mit ihm ein „vernünftiges Ergebnis" erzielt werde. 130 Das argumentum e contrario schließe die Analogie aus, weil der Wille des Gesetzgebers die enge Fassung einer Vorschrift gerade in dieser Ausgestaltung wähle.131,132 Nach Enneccerus-Nipperdey sind darüber hinaus „singuläre Rechtssätze", das sind solche, „die ein allgemeines Rechtsprinzip für besonders geartete Fälle durchbrechen" 133 , nicht zu allgemeiner analoger Anwendung geeignet, „da sie das höhere Prinzip nicht aufheben, sondern für besonders geartete Fälle durchbrechen wollen". 1 3 4 Sofern jedoch dem singulären Rechtssatz ein engeres Prinzip zugrunde liege, sei innerhalb dieses Prinzips die Analogie gestattet, wie auch bei Abänderung oder Aufhebung eines früher engeren Prinzips des singulären Rechtssatzes die Analogie erlaubt sei. 135 Enneccerus-Nipperdey weisen insgesamt mit Nachdruck darauf hin, daß nicht jeder Rechtssatz eine singuläre Natur hat, weil er anderenfalls überflüssig und durch eine „oberste allgemeinste Rechtsvorschrift" ersetzbar wäre. Vielmehr werden allgemeine Prinzipien durch mehrere Vorschriften zum Ausdruck gebracht, da Vorschriften „allgemeinsten" Charakters kaum vollziehbar seien, und bei vielen verwandten Vorschriften eine Ableitung aus einem einheitlich höheren Prinzip nicht mehr möglich sei, es sei denn, man leite es aus der „Gerechtigkeit" ab. 1 3 6 130 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 341; vgl. auch Schneider, in: Logik für Juristen, 172 f., der sogar in seinen Ausführungen herausgestellt: „Juristische Entscheidungen werden eben, wie alle Wertentscheidungen, häufig zunächst intuitiv gefallt und erst nachträglich verstandesmäßig begründet". Das Analogieproblem, so Schneider, laufe somit auf eine Frage der Wertethik hinaus, so daß der Rechtsstreit über „objektive Kriterien" für die „Ähnlichkeit" der „wesentlichen" Merkmale ein Scheinproblem behandele. Der Versuch, das als eine Analogie fundierende „Gerechte" als allgemeingültigen inhaltlichen Maßstab für die Einzelentscheidung aufzuweisen, sei hoffnungslos. Doch kann das „richtige" Ergebnis „durch die redliche Anspannung der Vernunft und des Gewissens eines rechtlich gesinnten und erfahrenen Beurteilers mit verhältnismäßig großer intuitiver Sicherheit ergriffen werden". Schneider, a.a.O., 174 unter Bezugnahme auf Weinkauff dort in der FN 21. 131 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 341 geben für diese Feststellung keine weiteren zwingenden Gründe an, und bleiben somit lediglich bei einem Dogma.; vgl. auch Bovensiepen, a.a.O., 135; Sauer, in: Juristische Methodenlehre, 310. 132 Ygi ^azu Bovensiepen, a.a.O., 135. 133 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 295f. geben als Beispiel hierfür u.a. die Formvorschriften für Schuldverträge im Hinblick auf die als Prinzip angenommene Formfreiheit solcher Verträge im BGB an. 134 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 297. 135 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 297f.; Bovensiepen, a.a.O., 135. 136 Enneccerus-Nipperdey, a.a.O., 297 dort in der FN 8 in Erwiderung auf die Kritik von Klug, in: Juristische Logik, 113 f. 10 Langhein

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

c) Gegen die Ansicht, die Gesetzesanalogie sei nur statthaft bei lediglich unwesentlicher Abweichung des gesetzlich geregelten Falles von dem an sich nicht unter den Rechtssatz fallenden Fall, wird von Klug kritisch eingewandt, daß damit kein unmittelbar anwendbares Kriterium als Richtschnur für die Behandlung des Analogieproblems gegeben sei. 137 Es fehle für die Feststellung dessen, was wesentlich und unwesentlich ist, der logische oder teleologische Maßstab. 138 Diese Kritik ist richtig, sofern man auf die logische Handhabung des Analogieschlusses abstellt. Allerdings wird übersehen, daß ein Kernproblem in der logischen Handhabbarkeit des juristischen Begriffes hegt, der auf eine logisch operative Ebene gehoben werden muß, um nutzbar gemacht werden zu können. Die Umsetzung des Begriffes in ein Logiksymbol, wie es Klug in seiner Abhandlung anstrebt, wird jedoch selbst dem dort ausgearbeiteten Anspruch nicht gerecht. 139 Gegen die Ansicht Enneccerus-Nipperdeys, daß „singuläre Rechtssätze nicht zu allgemeiner analoger Anwendung geignet sind", wendet Klug ein, daß fast alle Vorschriften einen singulären Charakter haben, so daß sich aus der Regel keine präzise Konsequenz für die Anwendung der Analogie herleiten lasse. 140 Nur insoweit sei eine oberflächliche Maxime gegeben, als zwischen singulären Vorschriften verschiedener Stufe zu unterscheiden sei. Je spezialisierter die betreffende Vorschrift sei, desto weniger sei sie zur Analogie geeignet. Ein völliger Ausschluß der Analogie nach dieser Regel bestehe aber nicht. 1 4 1 Dieser Kritik ist insoweit zuzustimmen, als sie die Ungenauigkeit eines „höheren Prinzips" mit seinen logischen Folgen herausstellt. Darüberhinaus ist festzuhalten, daß Enneccerus-Nipperdey bei „singulären Rechtsvorschriften", denen ein engeres Prinzip zugrunde liegt, durchaus eine „besondere analoge Anwendung" anerkennen. Demnach entscheidet letztlich der Analogieschluß im speziellen Rechtsfall über dessen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit, so daß die Aufstellung einer allgemeinen „Vorabregel" über die Analogieunfahigkeit singulärer Rechtssätze im Prinzip keine Lösung bietet. Daß ein Gesetz von Prinzipien beherrscht wird, die es mittelst eines Induktionsschlusses, gleich welcher Art, zu ermitteln gilt, wurde insbesondere schon von Thöl vertreten. 142 Dabei kann auch kein Unterschied zwischen einer Gesetzes- und Rechtsanalogie in der von Enneccerus-Nipperdey dargelegten 137

Klug, a. a. Ο., 111 ; vgl. auch Teichmann, in: Die Gesetzesumgehung, 83; Sax, in: Das strafrechtliche Analogieverbot, 131 ff. 138 Klug, a.a.O., 111. 139 Vgl. dazu die Ausführungen zu den Grundlagen — im ersten Teil, zweiter Abschnitt — und zu Klug im zweiten Teil, dritter Abschnitt. 140 Klug, a.a.O., 113f. 141 Klug, a. a. O., 114; vgl. auch Reichel, in: Gesetz und Richterspruch, 104f; Schneider, a.a.O., 176. 142 Vgl. dazu die Ausführungen zu Thöl, zweiter Teil, zweiter Abschnitt.

III. Analogie als induktives Schlußverfahren

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Verfahrensart festgestellt werden. Als problematisch erweist sich aber darüber hinaus die geforderte Rechtsähnlichkeit zwischen gesetzlich entschiedenen und unentschiedenen Fällen. Nach Enneccerus-Nipperdey muß nämlich die Deduktion aus einem höheren Rechtsprinzip zur Regelung eines gesetzlich nicht geregelten Falles dem entschiedenen Falle ähnlich sein und sogar in seinem „Grund" wesensgleich sein. Die erforderliche Ähnlichkeit kann durchaus auch als teilweise Identität von Merkmalen des geregelten und ungeregelten Falles verstanden werden. Was aber die Wesensgleichheit des Grundes sein soll, ist fraglich. Denn wenn von einem aus einer oder mehreren Normen induktiv ermittelten Prinzip eine Regelung für den unentschiedenen Fall ermittelt wird, dann ist damit doch zwingend ein sogar identischer Grund zur Anwendung gekommen. Die Wesensgleichheit wäre demzufolge eine überflüssige Erwähnung. Der Versuch einer verständlichen Interpretation des Verfahrens von Enneccerus-Nipperdey wird diesem aber wohl nicht gerecht, denn letzlich soll dieses Verfahren ein „vernünftiges Ergebnis" erzielen, so daß damit eine Relativierung dessen, was als Analogie dargelegt ist, zum Ausdruck gebracht wird. 1 4 3 6. Der Grundgedanke des Gesetzes als Kernpunkt des Analogieverfahrens bei Heller 1961 Eine Auseinandersetzung mit der traditionellen Logik, die den Analogieschluß als nicht zwingend nachweist, und der Logistik, die im Rahmen des Logikkalküls den Analogieschluß als ungesichert entlarvt, ergibt bei Heller die Erkenntnis, daß die Logik keine materiellen Maßstäbe dafür angibt, wann zwischen mehreren Tatbeständen Rechtsähnlichkeit besteht. 144 Der von Heller dabei erkannte bloße Wahrscheinlichkeitscharakter des Analogieschlusses führt zur These, daß ein Geltungsanspruch der Analogie nur außerhalb der eigentlichen Logik gegeben ist. Dementsprechend verläßt Heller die formale Struktur des Analogieschlusses und geht in den Bereich der Metalogik über. 145 a) Die Kontroverse der Literatur über den „Lückenbegriff" wird von Heller als „wenig fruchtbar" bezeichnet, da weder mit den Mitteln der reinen Logik, noch mit denen der Metalogik eine Beschränkung der Analogie auf die Ausfüllung von Gesetzeslücken vorgenommen werden kann. Die Begründung dafür bestehe darin, daß nur die sachliche Tragweite des (Analogie-) Schlusses darüber entscheiden könne, inwieweit er für die Rechtswissenschaft verwertbar sei. Eine zu lösende Einzelaufgabe vermag keinesfalls die Grenze bestimmen, innerhalb deren eine bestimmte Methode der Rechtsfindung anzuwenden sei. 140 143 Ygi d a z u a u c h Schneider, a.a.O., 172ff., der die Intuition des Richters als „Analogiebildung" ansieht. 144

bis 17. 145 146 10*

Heller, in: Logik und Axiologie der analogen Rechtsanwendung, vgl. dort die §§ 1 Heller, a.a.O., 54f. Heller, a.a.O., 82.

2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

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b) In formeller Hinsicht unterscheidet Heller die „normschaffenden, normvergleichenden und innertatbestandlichen" Analogieschlüsse.147 Der normschaffende Analogieschluß bezeichne die herkömmliche Verfahrensart, indem eine Rechtsfolge ohne unmittelbare Bezugsnorm hergeleitet werde, der normvergleichende Analogieschluß behandle die Ausgestaltung einer unklaren Norm, die zu Zweifeln Anlaß gebe, und der innertatbestandliche Analogieschluß schließlich beruhe auf der unterschiedlichen Schwierigkeit der Subsumtion von Sachverhalten, die unter eine Gesetzesnorm fallen. 14® Ansatzpunkt für den später zu vollziehenden Analogieschluß ist bei Heller ein „Gesamtbereich der Metalogik des Rechts", der seinen übergeordneten Rahmen in der „Rechtsaxiologie" findet. 149 Der reinen Logik bleibe das „Rechtliche" der Norm verschlossen, denn dieses sei nicht von der formalen Struktur, sondern nur von dem sozialen „Sinn" der Normierung von Lebensvorgängen her zu verstehen. Einen Lebensvorgang normieren bedeute, ihn in einer bestimmten Weise zu bewerten und ihn bestimmten Rechtsfolgen zu unterwerfen. 150 Den Ansatzpunkt erster rechtlicher Werturteile müsse man bereits dort suchen, wo noch ohne jede nähere Gestaltung nach Einzeltatbeständen und Rechtsfolgen, bestimmte Lebenssachverhalte als rechtlich beachtenswert erkannt werden. Damit werde bereits von ihrem Ansatzpunkt her die juristische Begriffsbildung werturteilsbezogen (axiologisch). 151 Eine genauere Umschreibung einer allgemeinen „Axiologie der Rechtsnorm" wird von Heller nicht geboten, vielmehr wird festgestellt, „daß die Rechtsnorm sowohl in ihrer tatbestandlichen Seite als auch in der Rechtsfolge auf einer Vielzahl rechtlicher Werturteile beruht". 1 5 2 Sie nehme ihren Ausgangspunkt vom Lebenssachverhalt und ziele wieder auf ihn zurück, sie sei daher in zweifacher Hinsicht rechtlich gewertete Wirklichkeit. 1 5 3 Ausgehend von einer beispielhaften kalkülisierten gesetzlichen Bestimmung ( V I & V2 & V3) > Rf, von der aus für die Gegebenheiten (VI & V2 & V4) gefolgert wird, daß gleichfalls ( V I & V2 & V4) • Rf gilt, meint Heller, daß die Folgerung auf die Implikation ( V I & V2 & V4) • Rf nur zutreffen kann, wenn Ausgangs- und analoge Norm auf gleichen Wertungen beruhen. Die Gleichheit der Rechtsfolgen könne nur mit der Gleichwertigkeit der Tatbestände begründet werden. 154 147

Heller, a.a.O., 85. Heller, a.a.O., 85, 86, 87. 149 Heller, a.a.O., 89ff. (91). 150 Heller, a.a.O., 89 unter Bezugnahme auf Coing, in: Die obersten Grundsätze des Rechts, 132; ders., in: Grundzüge der Rechtsphilosophie, (1. Aufl.), 255; Schreier, in: Die Interpretation des Gesetzes und Rechtsgeschäfte, 25; Brütt, in: Die Kunst der Rechtsanwendung, 56 ff.; Riezler, in: Das Rechtsgefühl, 44, 83 ff.; Heck, in: Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 87. 151 Heller, a.a.O., 90. 152 Heller, a.a.O., 92 vgl. auch die Zusammenfassung dort auf S. 93. 14e

1 3

Heller, a.a.O.,

.

III. Analogie als induktives Schlußverfahren

149

Die Grundlage einer tragfahigen Analogie ist nach Heller nur durch eine axiologische Betrachtung zu ermitteln, „die sich mit dem Gefüge der Wertungen auseinandersetzt, welches hinter der Ausgangsnorm steht, und die auf eine Regelung konkreter Lebensverhältnisse ausgerichtet ist". 1 5 5 Für die konkreten Lebensverhältnisse bestehe die notwendige Vergleichsebene jedoch nicht in der Gleichordnung der Rechtssubjekte, sondern in der Abwägbarkeit ihrer Ansprüche, so daß es möglich und für die Rechtsanwendung notwendig erscheine, sich einer vergleichenden Abwägung der aufeinanderstoßenden Ansprüche der Gemeinschaft einerseits und der aus dem Streben nach Selbstgestaltung entspringenden Ansprüche des Individuums anderseits nicht zu entziehen. 156 Diese konkurrienden Ansprüche stellen sich rechtssoziologisch als Lebensinteressen dar, wobei der Begriff des Interesses weit gefaßt werden müsse, da er schlechthin die materiellen wie ideellen menschlichen Strebungen, die „Begehrensdisposition" auf Objekte hin umgreife, an denen demjenigen, der das Interesse hegt, in irgendeiner Weise gelegen sei. 157 Die Betrachtung der soziologischen Interessen, welche von Anfang an axiologisch sei, lasse nur die Problemstellung deutlich werden, gebe aber noch nicht die Lösung des Interessenkonfliktes durch eine Rechtsregel. Es sei durch Abwägung das Angemessene zu suchen, so daß es entscheidend auf die Gesichtspunkte ankomme, unter denen sich diese Abwägung vollziehe. I m Rahmen der Rechtsanwendung können diese Gesichtspunkte nur in Anlehnung an die vorgegebene Rechtsmaterie festgelegt werden, die eine Regelung typischer Interessenlagen darstelle. Die Wertmaßstäbe des Gesetzes können aber nur aufgefunden werden, wenn sie gesehen werden in ihrem Bezug auf die zu regelnden Einzelfalle. Diese Wechselwirkung sei für die Analogie bedeutsam, komme aber nicht in der beliebten Formel, Analogie sei bei Gleichheit der Interessenlage und des gesetzgeberischen Grundes geboten, genügend zum Ausdruck. „Die Verhältnisse werden zutreffender gefaßt, wenn man den „gesetzgeberischen Grund", oder genauer die dem Gesetz zugrundehegenden Werturteile, zum Bewertungsmaßstab der ins Auge gefaßten Interessen nimmt und danach entscheidet, ob eine Gleichheit der Interessenlage angenommen werden kann oder nicht". 1 5 8 Der Weg zu den im axiologischen Sinne gedeuteten Grundgedanken des Gesetzes werde von der Rechtsmaterie selbst, deren Wertbestrebungen es aufzudecken gelte, bestimmt. 159 Die Analogie lasse sich allerdings nicht ausschließlich auf eine Interessenabwertung nach den Maßstäben der Grundgedanken der Ausgangsnorm gründen. U m einen Grundgedan154

Heller, a.a.O., 109f. unter Bezugnahme auf v. Hippel, in: Einführung in die Rechtstheorie, 126. 155 Heller, a.a.O., 110. 156 Heller, a.a.O., 111 unter Bezugnahme auf Riezler, a.a.O., 171. 157 Heller, a. a. Ο., 111 unter Bezugnahme auf Heck, in: Gesetzesauslegung, a. a. Ο., 17; ders., in: Begriffsbildung, a.a.O., 28 u.37. 158 Heller, a.a.O., 112f. 159

Heller, a.a.O., 113f.

150

2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

ken zu entwickeln, für den ( V I & V2 & V3) wie ( V I & V2 & V4) gleicherweise Spezialfälle darstellen, bleibe es offen, ob nicht durch das Hinzutreten der Tatbestandselemente V3 einerseits und V4 andererseits auch die entsprechende Rechtsfolge einer weitergehenden Konkretisierung oder Modifizierung bedarf. A n dieser Stelle sei der Entscheidung nach dem Grundgedanken des Gesetzes eine deutliche Grenze gesetzt, bei der sich die Wertung der Sachverhalte in einem stärkeren Maße vom Gesetz löse und sich zur Eigenwertung des Rechtsanwendenden hinkehre. 160 Für den Normsinn und damit für den Grundgedanken der Norm sei es wesentlich, daß die Gesetze nicht für alle einzelnen Fälle auf einen einheitlichen Geltungsgrund zurückgeführt werden können. Zwar gründe sämtliche Rechtssetzung letztlich in einem höchsten Rechtsprinzip, in der Gerechtigkeit, der Rechtsidee, oder wie immer man den höchsten Rechtswert, aus dem alles Recht seine Geltungskraft bekomme, bestimmen mag, aber die gesetzlichen Werturteile richten sich auch nach anderen Werten aus, weil sie in die Ganzheit des Soziallebens hineingreifen. 161 Für den juristischen Analogieschluß zwinge die axiologische Betrachtung zur Annahme, daß die Rechtsfolge des einen Falles nur dann auch in einem weiteren Falle Anwendung finden könne, „wenn beide Fälle vom dem Grundgedanken des Gesetzes oder allgemeiner noch nach den für die Rechtsanwendung maßgeblichen Wertungsmaßstäben als rechtlich gleichwertig gelten können". 1 6 2 Alles weitere sei dann Sache einer logischen Schlußfolgerung, die sich folgendermaßen darstelle: „Rechtlich gleichwertige Sachverhalte lösen die gleiche Rechtsfolge aus. Die Sachverhalte A und Β sind rechtlich gleichwertig. Folglich lösen beide die gleiche Rechtsfolge aus." Durch die axiologische Betrachtungsweise werde die problematische Natur des logischen Analogieschlusses beseitigt. Es gehe nun nicht mehr im Rahmen der Syllogistik darum, aus einer partiellen eine weitergehende Übereinstimmung zu erschließen, sondern darum, die in allen maßgeblichen Bestimmungsrichtungen bereits durch wertende Vergleichung bekannten Gemeinsamkeiten mit Hilfe der Syllogistik, die in den Prämissen implicite enthaltenen Konsequenzen aufzudecken. 163 „Die festgestellten Gemeinsamkeiten berechtigen dazu, bereits als Ausgangspunkt der Schlußfolgerung eine Äquivalenz der vergleichenden Sachverhalte hinsichtlich der für die Rechtsfolge bedeutsamen Tatbestandselemente anzunehmen und damit die weitere Betrachtung auf eine Basis zu stellen, die bei dem eigentlichen Analogieschluß nur als Konsequenz der problemati160 Heller, a. a. Ο., 114 zeigt hier am deutlichsten, daß es ihm bei der Analogiemethode grundlegend um einen unkontrollierbaren Machtzuwachs in derrichterlichen Rechtsanwendung geht. Die kontrollierbare Methode wird damit negiert. 161 Heller, a.a.O., 115f. 162 Heller, a.a.O., 118. 163

Heller, a.a.O., 118.

III. Analogie als induktives Schlußverfahren

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sehen Folgerung auftaucht". 164 Die metalogische Betrachtung verwandele also nicht den problematischen Analogieschluß in einen solchen zwingenden Charakters, sondern hebe ihn auf und bilde ein aliud, das sich nicht ausschließlich nach formalen Denkgesetzen abspiele. Als „Rechtsanzeichen" leiste der logische Analogieschluß dennoch Dienste in der Art, daß er als vorläufige, versuchsweise Schlußfolgerung denkbare Möglichkeiten herausteile, die von der axiologischen Betrachtung zu überprüfen sei. 165 In Abgrenzung zur Induktion im Sinne der Logikwissenschaft verweist Heller auf den bei seiner Analogie zu verwendenden metalogischen Rückgriff auf die Wertungen der Norm, dessen Ausgangspunkt sich von der Induktion unterscheidet. 166 c) Unübersehbar ist die Verknüpfung der Heller'schen Lehre mit der Interessenjurisprudenz, die eine „Weiterentwicklung" zur „Wertungsjurisprudenz" erfahrt. Eine Anlehnung an die von Klug entwickelten „Ähnlichkeitskreise" zeigt sich in den zuletzt genannten Ausführungen. Die Erforschung des „Gesetzgeberischen Grundes" oder der dem Gesetz zugrunde liegenden „Werturteile" wird allerdings bei den Untersuchungen Hellers nicht vorgenommen und läßt den Rechtsanwendenden vor Unbekanntem stehen. Der Hauch metaphysischer Abgehobenheit ist damit unverkennbar und äußert sich zusätzlich in einer Unterscheidung von einem höchsten Rechtsprinzip, das sich in den gesetzlichen Werturteilen niederschlagen soll, und „anderen Werten", die in die „Ganzheit des Soziallebens hineingreifen". Dies macht denn auch die Schwierigkeit aus, die in einem Erfassen einer handhabbaren Vorgabe für die juristische Analogiemethode liegt. Die Festlegung auf ein „Oben" und ein „Unten", das mit „Wertungen" versehen wird, deren Maßstab ungewiß, vielleicht sogar beliebig ist, erschwert die logische Nachvollziehbarkeit der Heller'schen Analogieoperation. Der von Heller gesetzte Ausgangspunkt der „Rechtsaxiologie" markiert gleichzeitig die gesamte Endbetrachtung und zeigt somit einen Kreis auf, aus dem es kein Entrinnen gibt, solange die „Axiologie der Rechtsnorm" keiner Klärung zugeführt wird. Demzufolge ist auch eine umfassende Auseinandersetzung mit der Lehre Hellers nahezu unmöglich, denn die Beschäftigung mit Unbekanntem, „das sich nicht ausschließlich nach formalen Denkgesetzen abspielt", verlangt zumindest eine Ebene, auf der eine Verständigung stattfinden kann. Diese Ebene kann jedoch nicht so ausgestaltet sein, daß die Eigenwertung des Rechtsanwendenden (Richters) Grundlage der Analogiemethode wird, sondern bedarf einer systematisch nachvollziehbaren Hinleitung, ansonsten bleibt sie als autoritativer Torso stehen. 167 Der Begriff des Werturteils, der sowohl in dem geregelten, als auch in 164

Heller, a.a.O., 118f. Heller, a.a.O., 119f. 166 Heller, a.a.O., 121 f. 167 Das Heller von der klassischen Logik abgeht und stattdessen in eine „Metalogik" übergeht, verschiebt nur die gesamte Problemstellung, die in der Regelung von Lebens165

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dem ungeregelten Tatbestand enthalten sein soll, und zum Bewertungsmaßstab der ins Auge gefaßten Interessen zu nehmen ist, um für das Analogieverfahren eine Gleichheit festzustellen, stellt eine leere Worthülse dar, die beliebig gefüllt werden kann. Das Fehlen einer Umschreibung der allgemeinen „Axiologie der Rechtsnorm" führt zur Argumentation mit Unbekanntem. Das Analogieverfahren Hellers ist insgesamt — wie er selbst auch betont — mit der klassischen Lehre zur Analogie nicht vergleichbar. Denn das Auffinden eines Grundgedankens des Gesetzes, der sowohl im geregelten, wie auch im nicht geregelten Fall seinen Niederschlag finden soll, zeigt noch nicht einmal eine Ähnlichkeit zur klassischen Analogielehre auf, was allerdings im vollen Bewußtsein und der Kenntnis zur klassischen Analogielehre geschieht. Den Grundgedanken des Gesetzes zum Kriterium einer Gleichheit zwischen geregeltem und ungeregeltem Sachverhalt zu machen, um dann mit dem Schema der ersten aristotelischen Figur zu arbeiten, ist logisch nicht nachvollziehbar. Es mag sein, daß hier eine unvollständige Induktion als Grundlage des Analogieverfahrens gilt, welche zumindest äußerlich in der ersten aristotelischen Figur zum Ausdruck kommt; dennoch muß aber bei Heller eher von einem festen Ausgangspunkt, dem Grundgedanken des Gesetzes, ausgegangen werden, der alles Recht von einem Axiom her beherrscht und möglicherweise erst vom jeweils rechtsanwendenden Richter bestimmt werden kann.

IV. Juristische Analogie als unvollständige Induktion zur Findung eines gesetzlichen Prinzips und als Ähnlichkeitsschluß 1. Die analoge Rechtsanwendung als Prinzip von Ursache und Wirkung — v. Tühr 1910 Die Ausgestaltung und Handhabung der Analogie als über den Wortlaut des Gesetzes und seiner Auslegung hinausgehenden A k t wird bei v. Tuhr in sehr offener und lebensnaher Art dargelegt. Als zwingende Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Analogie wird die Lücke im Gesetz nicht herausgestellt, vielmehr wird die Rechtfertigung der Analogie und ihr Nutzen behandelt. 168 a) Die Anwendung eines Rechtssatzes, welchen das Gesetz für einen bestimmten Tatbestand aufstelle, auf einen anderen Tatbestand, der in den juristisch relevanten Stücken mit dem ersten Tatbestand übereinstimme, ihm sachverhalten durch Normen per analogiam erfolgt. Wieland, in: Aporien der praktischen Vernunft, 19 f. bemerkt bezüglich der Metaregeln zu Recht, daß damit lediglich eine Hierarchie von Stufen eingeführt wird, „die in einen unendlichen Regreß führt, da sich auf jeder Stufe die Applikationsfrage aufs neue stellen läßt". „Auch ein gestuftes Normensystem kann niemals die Instanz in sich begreifen, die mit den Normen umgeht". 168 v. Tuhr, a. a. O., 41 f. unter Verweis auf Zitelmann, in: Lücken im Recht, 17 f. u. 27 f. Das Erfordernis einer Lücke im Gesetz, bevor es zur Anwendung der Analogie kommt, wird bei v. Tuhr in distanzierter Haltung erwähnt, und unter Verweis auf Zitelmann als seltenes Phänomen abgetan.

IV. Analogie als Induktions- und als Ähnlichkeitsschluß

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rechtsähnlich sei, bezeichne man als Analogie. 169 Die analoge Anwendung eines Rechtssatzes erfolge unter Berücksichtigung der die beiden Tatbestände unterscheidenden Faktoren, sie sei „entsprechende" Anwendung. 170 Die Analogie, so v. Tuhr, beruhe auf dem Postulat, daß, wie man es in der Ordnung der Natur für ein Axiom halte, daß aus gleichen Ursachen gleiche Wirkungen hervorgehen, ebenso verlangt werden könne, daß das Gesetz für wesentlich gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen anordne. 171 Die uns innewohnende Vorstellung der Rechtsordnung als eines harmonischen Ganzen verlange, daß wir nach dem Vorbild eines geschriebenen Rechtssatzes einen analogen ungeschriebenen anzuerkennen haben. 172 V. Tuhr weist daraufhin, daß die Analogie auf einer Abwägung des juristischen Werts der Tatbestandsmomente beruht und sofern das vom gesetzlichen Tatbestand abweichende Stück juristisch gleichgültig ist, die Analogie geboten ist. Habe jedoch das Unterscheidungsmerkmal eine vielleicht auf den ersten Blick nicht erkennbare Bedeutung, so sei Analogie unzulässig, und stattdessen ein argumentum a contrario am Platze. 173 Rückgreifend auf das jenseits des positiven Rechts liegende subjektiv, der Billigkeit entsprechend „richtige Recht", stellt v. Tuhr die Schwierigkeit einer objektiven Handhabung der Analogie als Rechtsfindungsmethode heraus. Das Recht sei durch Ort und Zeit bedingt und erscheine in den mannigfaltigsten Gestalten; es sei richtig, wenn es den Bedürfnissen des betreffenden Volkes und seinen Kulturbegriffen entspreche. 174 Was allerdings als billiges oder richtiges Recht im Gegensatz zum positiven Recht empfunden werde, sei je nach dem Standpunkt, von dem der Beurteiler ausgehe, verschieden. Der Richter habe jedoch das Recht zu befolgen, obwohl er bei zweifelhaften Auslegungsfragen über die Zulässigkeit der Analogie mehr oder minder unbewußt der Entscheidung den Vorzug geben werde, welche seiner Vorstellung von dem, wie das Recht sein sollte, am nächsten komme. 1 7 5

169 v. Tuhr, a.a.O., 40 verweist hierzu auf die Regel: „ubi eadem legis ratio, ibi eadem disposito". 170 v. Tuhr, a.a.O., 40. 171 v. Tuhr, a.a.O., 41. 172 v. Tuhr, a.a.O., 41. 173 v. Tuhr, a.a.O., 43f. 174 v. Tuhr, a.a.O., 44. 175 v. Tuhr, a.a.O., 45f.; vgl. hierzu u.a. auch Zitelmann, a.a.O., 34f., der den juristischen Analogieschluß dem logischen als nahe verwandt bezeichnet, ihn doch aber als „spezifisch verschieden" ansieht. Teichmann, in: Die Gesetzesumgehung, 86 der die Ausführungen von BGH NJW 1951, 809 und BGH St. 7, 190 (193f.) dahingehend korrigiert: „Der Beurteilende, der eine partielle Gleichheit zwischen Sachverhalt und Norm erkennt, wird zur Entscheidung aufgefordert, ob er es für gerechter hält, den fraglichen Tatbestand jener Norm zu unterstellen oder für ihn eine andere Regelung zu treffen". Genauer könne der Begriff der Analogie nicht gefaßt werden, was auch nicht erforderlich erscheine, weil die Wertung im Einzelfall eine legitime Aufgabe der Rechtswissenschaft sei.

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b) Kritik erfahrt die Ansicht v. Tuhrs dahingehend, daß keine Angabe dafür gegeben werde, wann bei der Analogie ein vom gesetzlichen Tatbestand abweichendes Stück juristisch gleichgültig ist. 1 7 6 Darüber hinaus ist eine gewisse Konzeptlosigkeit in der Methodenlehre v. Tuhrs herauszustellen, was sich darin äußert, daß die von ihm propagierte Analogie weder als induktives noch als klassisches Analogieverfahren eingeordnet werden kann.

2. Die Herausarbeitung der Analogie als „Ähnlichkeitsschluß" und als unvollständige Induktion — Larenz 61991 (11960) Als ein Hauptvertreter des „wertorientierten, teleologischen Denkens" 177 im 20. Jahrhundert ist Larenz zu nennen, der die sogenannte „Wertungsjurisprudenz" im ganzen zusammenfaßt. Das Nebeneinanderstehen nahezu gleicher Ausführungen zur Analogie in der Literatur des 20. Jahrhunderts, welches bei vielen Autoren festzustellen ist, macht es gerade bei Larenz schwer, seine eigene Position herauszuarbeiten. Denn welche Ansicht von wem übernommen wird, kann kaum herausgeforscht werden, da eine Auseinandersetzung mit einzelnen Literaturansichten bei vielen Autoren nicht im Vordergrund steht. Der Eindruck eines starken Rechtseklektizismus, wie er auch bei Arthur Kaufmann hinsichtlich der „Philosophischen Hermeneutik" zu verzeichnen ist, läßt sich nicht vermeiden, zumal Larenz ganz eindeutig eine Bezugnahme auf Zitelmann 1 7 8 , Canaris und andere 179 aufzeigt. I m Rahmen des Analogieverfahrens führt dann auch die Einbeziehung einiger Autoren in die Konzeption von Larenz zur doppelten Belegung verschiedener Verfahren in Bezug zu einer Methode, so daß sich die Frage stellt, ob das Analogieverfahren bei Larenz nicht einer Eigenständigkeit entbehrt. a) Grunderfordernis zur Anwendung der Analogie als sogenannte „gesetzesimmanente Rechtsfortbildung" ist nach Larenz die „Gesetzeslücke". 180 Eine Lücke im Gesetz, das als Gesamtheit der in den Gesetzen oder im Gewohnheitsrecht gegebenen, einer Anwendung fähigen Rechtsregeln verstanden wird, liege nicht vor, wenn es für eine bestimmte Fallgestaltung bewußt keine Regel enthalte. Der Ausdruck „Lücke" weise auf eine Unvollständigkeit 176

Teichmann, a.a.O., 83; obwohl im Grundansatz sein Ansatz dem v. Tuhrs entspricht. 177 Larenz, in: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 391 u. 119 ff. bezeichnet so seine Methodologie. 178 Vgl. dazu die Ausführungen unten, dort insbes. in den Fußnoten. Vor allem aber die inhaltlich zu Larenz nahezu identischen Vorgaben von Rumpf, in: Gesetz und Richter, 146 f. 179 Vgl. dazu im Folgenden die in den FN genannten. 180 Larenz, a. a. O., 370ff. (insbes. 370 dort in der FN 9). Dem entsprechend Bydlinsky, in: Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 473; Zippelius, in: Juristische Methodenlehre, 60 f.; K. Roth-Stielow, in: Die Auflehnung des Richters gegen das Gesetz, 84.

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hin, so daß man von ihr nur dann sprechen könne, wenn das Gesetz für einen bestimmten Bereich eine einigermaßen vollständige Regelung anstrebe. 181 Es sei zwischen den äußerst seltenen „Normlücken" und den „Regelungslücken" zu unterscheiden. Erstere liege vor, wenn eine Gesetzesnorm nicht angewandt werden könne, ohne ihr eine weitere Bestimmung hinzuzufügen, die das Gesetz vermissen lasse. 182 Das zweite sei dann gegeben, wenn eine bestimmte Regelung im ganzen unvollständig sei, da sie „keine Regel für eine solche Frage enthalte", die nach der der Regelung „zugrunde liegenden Regelungsabsicht einer Regelung bedarf. Larenz betont, daß das Gesetz die jeweilige Frage nicht regele, „der betreffende Sachverhalt daher ohne Rechtsfolge bleibe". 183 Darauf folgend wird ausgeführt, daß Norm- und Regelungslücken als Lücken innerhalb des Regelungszusammenhangs des Gesetzes zu betrachten seien. Daher seien sie vom Standpunkt des Gesetzes selbst zu beurteilen, „der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht, der mit ihr verfolgten Zwecke, des gesetzgeberischen Plans". Der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan sei aus ihm selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu erschließen. 184 Diese Art der Lückenfeststellung stellt bei Larenz gleichzeitig einen Abgrenzungsmaßstab zum rechtspolitischen Fehler dar. Lückenfeststellung sei eine Frage der Wertung des Gesetzes, die anhand seiner eigenen Teleologie, der historischen Auslegung und der „Gleichbehandlung des Gleichsinnigen" vorzunehmen sei, und kein Tatsachenurteil. 185 In formeller Hinsicht unterscheidet Larenz zwischen „Rechts- und Gesetzeslücken". Als „Rechtslücke" wird die Nichtregelung einer regelungsbedürftigen Ordnung oder eines Rechtsinstituts, welches aufgrund eines Verkehrsbedürfnisses erforderlich wäre, bezeichnet. Die Ausfüllung derartiger Rechtslücken wird dem Gesetzgeber überlassen. Die Gesetzeslücken werden in offene, d.h. in Lücken, die sich darin zeigen, daß das Gesetz für eine bestimmte Fallgruppe keine Regel enthält, die auf sie anwendbar wäre, und verdeckte Lücken, d.h. solche Lücken, die in dem Fehlen einer Einschränkung der Norm bestehen, unterschieden. 186 A u f den Zeitfaktor bezogen wird zwischen anfanglichen und nachträglichen Lücken differenziert. Innerhalb der anfanglichen Lücken wird 181

Larenz, a.a.O., 371. Larenz, a.a.O., 372 unter Berufung auf Burckhardt, in: Methode und System des Rechts, 260; Nawiasky, in: Allgemeine Rechtslehre, 142; Zitelmann, in: Lücken im Recht, 27 ff., der diese Lückenart ursprünglich als „echte Lücken" in die Rechtswissenschaft eingeführt hat. 183 Larenz, a. a. O., 372 gibt als Beispiel dafür die „positive Forderungsverletzung" an; im übrigen stützt er seine Ausführungen auf Zitelmann, a.a.O., 27ff. 184 Larenz, a.a.O., 373. 185 Larenz, a.a.O., 374ff. u. 401 f. 186 Larenz, a. a. Ο., 377; so auch Meier-Hayoz, in: Der Richter als Gesetzgeber, 62 f. der diese Lückenarten als Unterart der materiellen Lücke ansieht. Germann in: ZSR 68 (1949), 309 der in gleicher Bedeutung von der Lücke praeter- und intra legem spricht. Reichel, in: Gesetz und Richterspruch, 95 f. 182

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weiter zwischen den dem Gesetzgeber bewußten Lücken, d.h. den vom Gesetzgeber offen gelassenen Fragen, und unbewußten Lücken, d.h. dem Übersehen einer nach der Grundabsicht des Gesetzgebers regelungsbedürftigen Frage, die auch irrtümlich für bereits geregelt gehalten wird, unterschieden. 187 b) Die Ausfüllung nur „offener Gesetzeslücken" geschieht nach Larenz im Wege der Analogie, durch Rückgang auf ein im Gesetz angelegtes Prinzip, oder auch durch Orientierung an der „Natur der Sache". 188 Analogie bezeichne die Übertragung der für einen Tatbestand (A) oder für mehrere, untereinander ähnliche Tatbestände im Gesetz gegebenen Regel auf einen vom Gesetz nicht geregelten, ihm „ähnlichen" Tatbestand (B). „Die Übertragung gründet sich darauf, daß infolge ihrer Ähnlichkeit in den für die gesetzliche Bewertung maßgebenden Hinsichten beide Tatbestände gleich zu bewerten sind, also auf die Forderung der Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln". 189 Der Rückgang auf ein im Gesetz angelegtes Prinzip gründe sich darauf, daß der im Gesetz nicht geregelte Sachverhalt ein solcher sei, auf den das Prinzip ebenfalls zutreffe, ein Gegenprinzip nicht eingreife. Hinsichtlich der „Natur der Sache" bezieht sich Larenz im wesentlichen auf vorgegebene Literatur. 1 9 0 Inwieweit mit der „Natur der Sache" eine Ausfüllung offener Gesetzeslücken erfolgt, bleibt dabei aber offen. Als „Gesetzesanalogie", nach Larenz „Einzelanalogie", sei die Übertragung der für einen Tatbestand gegebenen Regel auf einen anderen ihm „ähnlichen", wertungsmäßig gleich zu erachtenden Tatbestand zu bezeichnen. Die Tatbestände dürfen einander weder gleich noch absolut ungleich sein, sondern sie müssen in den „für die rechtliche Bewertung" maßgebenden Hinsichten übereinstimmen. Dies sei nicht nur anhand der logischen Kategorien von „Identität" und „Nichtidentität" zu bestimmen, „sondern erfordert zunächst die Offenlegung der für die in der gesetzlichen Regel zum Ausdruck kommende Wertung maßgeblicher Hinsichten", die über die ratio legis der Regel herausgefunden werde. Daran schließe sich dann die positive Feststellung an, daß der zu beurteilende Sachverhalt dem gesetzlich geregelten in allen diesen Hinsichten gleiche, sowie die negative 187

Vgl. auch Engisch, in: Einführung in das juristische Denken, 145 f.; Meier-Hayoz, in: Der Richter als Gesetzgeber, 68. 188 Larenz, a.a.O., 381; Soergel, in: Kommentar zum BGB, Anh. §133 Rdn. 13; Engisch, a.a.O., 156ff. verweist das gesamte Problem der Lückenausfüllung in den Bereich der Rechtsphilosophie. „Die Frage woher eigentlich all diese Grundsätze der Lückenausfüllung kommen und in welchelm Rangverhältnis sie zueinander stehen (ob etwa bei Versagen von Gewohnheitsrecht und Analogie zuerst die Wertungen der führenden Schicht und danach erst allgemeine Rechtsgrundsätze zu bemühen sind oder umgekehrt, ob ferner die eigene Wertung des Richters primär bedeutsam ist oder ultimum refugium sein soll), müssen wir auf sich beruhen lassen. Sie ist eine rechtsphilosophische Frage par excellence". 189 Larenz, a. a. Ο., 381. Daß der Analogieschluß ein „Anwendungsfall des Gleichheitsgrundsatzes" ist, bestätigt u.a. auch Zippelius, a.a.O., 62; Keller, in: Die Kritik, Korrektur und Interpretation des Gesetzeswortlautes, 70ff. (72) m.w.N. dort in den FN. 190 Larenz, a.a.O., 417ff. dort in der FN 120.

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Feststellung, daß die verbleibenden Unterschiede nicht von solcher Art seien, die gesetzliche Wertung hier auszuschließen. Es handele sich bei der juristischen Analogie also um einen Vorgang wertenden Denkens, nicht um eine formallogische Gedankenoperation. 191 Als „Rechtsanalogie", Larenz tritt für den Begriff „Gesamtanalogie" ein, wird der Vorgang bezeichnet, der aus mehreren gesetzlichen Bestimmungen, die an verschiedene Tatbestände die gleiche Rechtsfolge anknüpfen, einen „allgemeinen Rechtsgrundsatz" entnimmt, der auf den im Gesetz nicht geregelten Tatbestand wertungsmäßig ebenso zutrifft, wie auf die geregelten Tatbestände. 192 In „Logischer" Folge sieht dieser Vorgang folgendermaßen aus : Das Gesetz schreibt für eine Reihe von Rechtsverhältnissen A die Rechtsfolge Β zwingend vor. Bei allen diesen Rechtsverhältnissen A handelt es sich um das gemeinsame C. Der von Larenz nun als „Gesamtanalogie" bezeichnete Schluß besagt: Wenn für eine Reihe von Rechtsverhältnissen A die Rechtsfolge Β gilt, dann muß für das Gemeinsame der rechtsverhältnisse A, nämlich C, auch die Rechtsfolge Β gelten. Folglich gilt in der Rechtsordnung, daß bei allen C die Rechtsfolge Β eintritt. 1 9 3 Gegen den Einwand der Literatur 1 9 4 , es handele sich 191

Larenz, a. a. Ο., 381 f. u. 383 f.; so auch Dressier, in: Die entsprechende Anwendung handelsrechtlicher Normen auf Nichtkaufleute, 42 f.; Oertmann, in: Interesse und Begriffe in der Rechtswissenschaft, 27; Dahm, in: Deutsches Recht, 52; Obermayer, in: Gedanke zur Methode der Rechtserkenntnis, NJW 1966, 1889; K. Roth — Stielow, a.a.O., 86f.; Zippelius, a.a.O, 62; Hefermehl, in: Soergel, Kommentar zum BGB Anh. § 133 Rdn. 13; Bydlinsky, a.a.O., 475; Burckhardt, a.a.O., 283; Boehmer, in: Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung, 165ff.(168) durch Einkleidung in ein Beispiel. Engisch, a.a.O., 149; Schreiner, in: Die Intersubjektivität von Wertungen, 49ff. Schon Rumpf, a.a.O., 146f. hob in diesem von Larenz dargebotenen Zusammenhang die Schwierigkeit hervor, worauf die analoge Rechtsanwendung im eigentlichen beruht. Nämlich „offenbar doch darauf, daß hier komplizierte Wertabwägungen, Werturteile und Willensentscheidungen nötig sind. Aber diesen überlogischen Gehalt der mit Analogie bezeichneten Rechtsanwendungsfalle hat man nie klar hervorgehoben und sich auch wohl nicht zum Bewußsein gebracht, bisweilen statt dessen die Analogie positiv dem reinen Denken vindiziert". Rumpf ist es denn auch gewesen, der mit ätzender Schärfe die herrschende Analogielehre des 19. Jahrhunderts kritisierte, indem er deutlich machte, was hinter der formalen Decke der Analogielehre insbesondere bei Windscheid steckte. In diesem Zusammenhang stellt Rumpf auch die von Windscheid vorgegebene Mangelhaftigkeit des § 1 EL heraus. „So übersorgfaltig die Analogielehre demnach formal durchgebildet ist, so kümmerlich steht es mit der Prüfung ihres materialen Inhalts". Rumpf, a.a.O., 146 (Vgl. dazu auch die kritischen Anmerkungen zu Windscheid im zweiten Teil, zweiter Abschnitt). 192 Larenz, a.a.O., 383f. So auch Bydlinsky, a.a.O., 478; Dahm, a.a.O., 53; Obermayer, a.a.O., 1890; Soergel, a.a.O.Rdn.13.; K. Roth — Stielow, a.a.O., 86f.; Boehmer, a.a.O., 168, der die Rechtsanalogie als gegeben ansieht, „wenn die in einem Komplex von Normen enthaltenen Rechtsgedanken auf nicht geregelte Phänomene ausgedehnt werden, die ähnlichen Charakter haben". 193 Larenz, a.a.O., 383f. Der Verf. hat das von Larenz vorgegebene Beispiel in eine logische Folge gebracht, um die Allgemeingültigkeit des Gedankenganges zu verdeutlichen. Vgl. aber auch Larenz, a.a.O., 384 dort in der FN 37. 194 Canaris, in: Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 97 ff.; Bochenski, in: Die zeitgenössischen Denkmethoden, 117 ff. der allerdings lediglich von Larenz kritisiert wird.

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bei diesem Verfahren um eine „Induktion" wendet Larenz ein, daß die Gewinnung eines allgemeinen Grundsatzes im Wege der Gesamtanalogie auf der Erkenntnis beruhe, daß die gemeinsame „ratio legis" aller herangezogenen Einzelbestimmungen nicht nur in den geregelten Einzelfallen, sondern immer schon dann zutreffe, wenn bestimmte, in allgemeiner Weise angebbare Voraussetzungen vorliegen. Dabei sei immer sorgfaltig zu prüfen, wie weit die Gesamtanalogie verallgemeinerungsfahig sei, und ob nicht Besonderheiten bestimmter Fallgruppen eine abweichende Bewertung rechtfertigen. 195 Insgesamt kommt Larenz zu dem Schluß, daß die Erwägungen, die man zur Lückenfeststellung anstellt, oft auch schon zur Ausfüllung der Lücke selbst führen. Dies sei immer dann der Fall, wenn für eine bestimmte Fallgruppe eine Regel vermißt werde, die der für eine wertungsmäßig gleich zu erachtende Fallgruppe im Gesetz gegebenen Regel entspreche. Die im Gesetz vermißte Regel sei dann zugleich die, die zur Ausfüllung der Lücke hinzuzufügen sei. 196 Larenz schließt diese Schlußerwägung jedoch bei den von ihm so bezeichneten Normlücken, und teilweise auch bei den Regelungslücken, die nach Canaris als „Rechtsverweigerungslücke" bezeichnet wird, aus. 197 Er weist in diesem Zusammenhang auch auf die Unausfüllbarkeit von Lücken im Gesetz hin, obwohl zumeist die Wertungen des Gesetzes, die der Rechtsordnung immanenten Rechtsprinzipien, oder auch die „Natur der Sache" eine Antwort auf die im Gesetz offen gebliebene Rechtsfrage ermögliche. 198 c) Hinsichtlich der Theorie von der „Lücke" im Gesetz oder Recht und der an ihr geübten Kritik sei insbesondere auf die Ausführungen zu Canaris verwiesen. Sax kritisiert entschieden die traditionelle Unterscheidung von Gesetzes- und Rechtsanalogie, die hier auch stellvertretend für alle diejenigen Autoren angeführt wird, die ebenfalls in Gesetzes- und Rechtsanalogie unterteilen. „Ein Verfahren, in dem, nach Ableitung einer allgemeinen aus einer Mehrzahl von gesetzten Normen oder gar aus dem „Geist der Rechtsordnung" schlechthin, diese so gefundene Norm zur Entscheidung eines Falles verwendet wird, der einem bestehenden Gesetz nicht unterfallt, entbehrt alles dessen, was Analogie begrifflich ausmacht": Der rechtlich nicht geregelte Fall werde nicht einem rechtlich geregelten wegen „Rechtsähnlichkeit" entsprechend behandelt, sondern er unterfalle der induktiv gewonnenen Rechtsnorm unmittelbar, so daß von „Rechtsanalogie" nicht gesprochen werden könne. Die für den Analogieschluß begriffswesentliche Ähnlichkeitsbeziehung fehle, und sei nur zwischen zwei oder mehreren normierten „Rechtssätzen", unter denen Sax „die Gesamtheit der einen „Rechtsfall" bildenden rechtssatzmäßigen Voraussetzungen" versteht 199 , gegeben, aus denen, angeblich im Wege der „Rechtsanalogie", ein 195

Larenz, a.a.O., 383ff. u. 384 dort in der FN 37. Larenz, a.a.O., 401. 197 Larenz, a. a. O., 401 unter Verweis auf Canaris, in: Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 140 u. 144 ff. 198 Larenz, a.a.O., 402. 196

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neuer Rechtssatz für einen ungeregelten Fall gefolgert werde. Die Ähnlichkeitsbeziehung mehrerer normierter Rechtssätze sei aber nur „Mittel zur Bildung eines neuen rechtlichen Besonderen", das diesem übergeordnet sei. Das aber, so Sax, sei Induktion, nicht Analogie. 200 Die „Rechtsanalogie" sei kein formal ansetzendes und zunächst formal durchgeführtes Schlußverfahren, sondern „eine rechtsinhaltliche Argumentation, die an eine bestimmte Rechtsinhaltserkenntnis anknüpft" und damit noch nicht einmal die Feststellung einer „Rechtsähnlichkeit" als konstitutives Hilfsmittel verwende. Der logischen Inkongruenz von „Gesetzes"- und „Rechtsanalogie", so Sax, sei man sich deshalb nicht bewußt geworden, „weil man aus der Unvereinbarkeit der alten Konzeption einer an den Gesetzeswortlaut gebundenen Auslegung jenseits derer Analogie beginne, mit teleologischer Auslegung die notwendigen Folgerungen für den Analogiebegriff bisher nicht gezogen h a t " . 2 0 1 Deutsche Gründlichkeit führte in der alten Konzeption zur genauen Unterscheidung, ob „ein" Gesetz oder eine "Mehrheit" von Rechtsnormen oder gar die „immanenten Prinzipien des Rechts" zur Ausgangsgrundlage für ungeregelte Fälle genommen wurden. 202 Die von Sax geäußerte Kritik an der Unterscheidung von „Gesetzes"- und „Rechtsanalogie" ist also vor dem Hintergrund zu verstehen, daß Sax das herkömmliche Analogieverfahren als zur Bildung eines neuen Rechtssatzes dienendes Verfahren versteht, das er durch ein „teleologisches" Auslegungsverfahren ersetzt (vgl. dazu die Ausführungen zu Sax). Für weitere Einwände gegen die Unterscheidung von Rechts- und Gesetzesanalogie sei auf die einzelnen Darlegungen dieser Abhandlung insbesondere bei Wächter im zweiten Teil, zweiter Abschnitt verwiesen. 203 d) Neben den schon dargelegten Bedenken gegen die Lückentheorie 204 ist hinsichtlich der Ansicht von Larenz eines zu ergänzen. Larenz meint, daß man von einer Lücke im Gesetz nur dann sprechen kann, wenn das Gesetz „für einen bestimmten Bereich eine einigermaßen vollständige Regelung anstrebt". Dies entspricht auch der Auffassung zur Aufgabe und Möglichkeit einer juristischen Systembildung, die Larenz bei dem äußeren oder abstrakt begrifflichen System äußert. Die Vollständigkeit eines „abstrakt begrifflichen Systems" stellt allerdings auch Larenz in Frage, obwohl er unter anderem auch die Konstruktion aus einem abstrakten Begriffssystem befürwortet. 205 „Als ,offenes' ist das System immer unvollendet und un vollendbar", bemerkt Larenz ganz allgemein und fügt bezogen auf das von ihm so benannte „innere System" hinzu, daß es 199 Sax, in: Das Strafrechtliche Analogieverbot, 102. Vgl. dazu auch die Ausführungen zu Sax und die Darlegung der klassischen Logik im ersten Teil, zweiter Abschnitt. 200 Sax, a.a.O., 103. 201 Sax, a.a.O., 104. 202 Sax, a.a.O., 104f. 203 Vgl. u. a. auch die Ausführungen zu Heller. 204 ygi dazu di e Ausführungen im zweiten Teil, dritter Abschnitt I. 205

Larenz, a.a.O., 437ff. (insbes. 438).

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„fragmentarisch" in dem Sinne sei, daß ihm nicht alle Normen oder Regelungen integriert werden können. 2 0 6 Wie schon dargelegt, ist es jedoch sinnwidrig, dort von Lücken zu sprechen, wo nur eine einigermaßen vollständige Regelung angestrebt wird, denn wo sie verwirklicht werden soll, kann keine Lücke sein, weil es logisch unmöglich ist, bei Unvollständigem mehr als Unvollständiges zu finden. In unerwähnter Anerkennung dieser Widersprüchlichkeit betont Larenz dann auch, daß die Festellung einer Lücke kein Tatsachenurteil, sondern eine Frage der Wertung des Gesetzes ist, die anhand seiner eigenen Teleologie, der historischen Auslegung und der Gleichbehandlung des Gleichsinnigen erfolgt. Inwieweit diese Kriterien dem Richter eine konkrete Handhabung zur Ermittlung einer „Lücke" bieten, ist zu bezweifeln; keineswegs ist aber damit eine Abgrenzung zu rechtspolitischen Fehlern gegeben, oder gar ein Unterscheidungskriterium für „gesetzesimmanente" und „gesetzesübersteigende" Rechtsfortbildung gefunden. Denn der tatsächlichen Gleichbehandlung des Gleichsinnigen könnte ein rechtspolitischer Fehler entgegenstehen. Auch stellt die Gleichbehandlung des Gleichsinnigen eine „gesetzesübersteigende" Rechtsfortbildung dar, denn dieses Verfahren „übersteigt" ja den eigentlichen Regelungsbereich des jeweiligen Normtatbestands, indem etwas Gleichsinniges erfaßt wird, was sonst ungeregelt bliebe. Was das Analogieverfahren aber eigentlich überflüssig macht, ist die Gleichheit zum Verfahren der Lückenfeststellung. Die Forderung, „Gleichartiges gleich zu behandeln", ist beiden Verfahren eigen, was Larenz auch zur Aussage nötigt, daß die Erwägungen, die zur Lückenfeststellung angestellt werden, auch schon zu ihrer Ausfüllung führen. Wenn dies aber so ist, so widerspricht es der Forderung von Larenz, zunächst eine „Lücke" im Gesetz festzustellen, die zur Analogie als gesetzimmanente Rechtsfortbildung befugt. Denn wenn die Lückenausfüllung durch Analogie erfolgt, welche nicht unterschiedlich zum Lückenfeststellungsverfahren steht, dann zirkelt diese Vorgehensweise bis ins unendliche. Die doppelte Belegung verschiedener Verfahren in Bezug zu einer Methode bei der Lückenfeststellung und der Analogie läßt also die Befugnis zur Analogie, die zuvörderst eine „Lücke" im Gesetz verlangt, ins Leere abgleiten. Eine dieser beiden Verfahrensarten kann fortgelassen werden, was Canaris auch in konsequenter Art tut. (Vgl. dazu die folgenden Ausführungen zu Canaris.) Das von Larenz dargelegte Verfahren der Gesamtanalogie unterscheidet sich nach den Regeln der klassischen Logik nicht von einer unvollständigen Induktion, denn daß die Ermittlung eines Rechtsverhältnisses, welches einer bestimmten Anzahl von Normtatbeständen eigen ist und somit induktiv gewonnen ist, auf einen ungeregelten Tatbestand übertragen wird, ist nichts anderes als eine Übertragung des aus Einzelnormen gefundenen Gattungsbegriffes auf ungeregelte Sachverhalte, was jedoch sehr nahe an die eigentliche Analogie herankommt. Inwieweit dazu ein Unterschied zum Verfahren, welches durch Rückgang auf ein im Gesetz angelegtes Prinzip erfolgt, besteht, bleibt 206

Larenz, a.a.O., 489.

IV. Analogie als Induktions- und als Ähnlichkeitsschluß

161

offen. Zusammenfassend ist der sogenannte reine Ähnlichkeitsschluß, den Larenz als Analogie ansieht, herauszustellen. Lediglich die „Gesamtanalogie", wie sie Larenz versteht, kommt der unvollständigen Induktion gleich. 3. Die Gleichzeitige Feststellung und Ausfüllung von Lücken mit Hilfe der Analogie — Canaris 21983 (11964) Der von Larenz vorgegebenen Richtung folgend geht der Denkansatz von Canaris dahin, daß der Analogie als eigenständige Rechtsfortbildungsmethode geringere Bedeutung zukommt. Vielmehr wird die Gleichzeitigkeit des Vorganges der Lückenfeststellung und der Lückenausfüllung in den Vordergrund gestellt und eine Verschmelzung der Lückenfeststellung mit der Analogiemethode vorgenommen. a) Canaris geht im Grundsatz von der „eigentlichen" Vollständigkeit des Gesetzes aus, um darüber die „Unvollständigkeit" eines mehr oder weniger geschlossenen Ganzen festzustellen. Neben diese bloße Tatsachenfeststellung, es fehle etwas, tritt dann nach Canaris das Werturteil, „daß etwas vorhanden sein sollte", was dem „Plan" des Gesetzes entspricht. 207 Die Unvollständigkeit als wesentliches Merkmal des Lückenbegriffs sei demnach gleichzeitig die Voraussetzung der „Ergänzungsbedürftigkeit", so daß der Lückenbegriff damit seine konkrete praktische Aufgabe erhalte. 208 Zur Rechtfertigung der Ergänzung des Gesetzes bei Lückenhaftigkeit („Rechtsfindung praeter legem"), prüft nun Canaris zunächst, wann das Gesetz unvollständig ist und von welchem Standpunkt aus sich die „Planwidrigkeit" einer festgestellten Unvollständigkeit bestimmt. Da die gesetzliche Anordnung ausschließlich durch Worte in Erscheinung trete, sei als Abgrenzungskriterium zur Lücke, bzw. zur Unvollständigkeit im Gesetz, der Wortsinn desselben zu verwenden. Dies begründe sich einerseits daraus, daß ein Gesetz primär aus Befehlen, Geboten und Anordnungen bestehe, und dahinter erst die „Wertungen" stehen, und andererseits aus der Tatsache, daß eine Entscheidung sich unmittelbar auf die Autorität des Befehls des Gesetzgebers berufen könne. 2 0 9 Daß die Abgrenzung von Auslegung des möglichen Wortsinns und Lückenausfüllung fließend sei, stehe der Brauchbarkeit dieser Unterscheidung nicht entgegen, da insbesondere die Auslegung ein wertendes und sogar schöpferisches Element enthalte. 210 Canaris schließt weiter eine Lücke, bzw. eine gesetzliche Unvollständigkeit, bei der „gewohnheitsrechtlichen Regelung" aus, da der Richter bei seiner Anwendung secundum legem, 207 Canaris, in: Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 16. Das Erfordernis eines Werturteils bei der Lückenfeststellung wird als h.L. bezeichnet; deutliche Bestätigung findet dies bei Larenz, a.a.O., 372f.; Binder, in: Philosphie des Rechts, 983; Esser, in: Grundsatz und Norm, 252 dort in der FN 56; Engisch, in: FS für W. Sauer, 90 f. 208 Canaris, a.a.O., 17f. 209 Canaris, a.a.O., 20ff. 210 Canaris, a.a.O., 29. 11 Langhein

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

d. h. auslegend, tätig wird und seine Entscheidung unmittelbar auf die Autorität des positiven Rechts stützt. 211 Der Standpunkt, von dem aus die Planwidrigkeit der festgestellten Unvollständigkeit zu bestimmen ist, richtet sich nach der „Rechtsordnung als Ganzes", die dem Richter als Bewertungsmaßstab für die Feststellung einer Lücke dient. Abschließend definiert Canaris die Lücke nunmehr als „eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts (d. h. des Gesetzes im Rahmen seines möglichen Wortsinnes und des Gewohnheitsrechts) gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung". 212 Die Abgrenzung der Lücke als planwidrige Unvollständigkeit vom „rechtsfreien Raum" wird von Canaris nach Maßgabe einer negativen Prozeßvoraussetzung vorgenommen. Wenn eine Frage „für ein bestimmtes prozessual selbständiges Gebiet unter jedem Gesichtspunkt unerheblich ist", dann muß sie dem rechtsfreien Raum zugeordnet werden. 213 Fälle, in denen das Fehlen einer Regelung nicht bedeutet, es solle keine Rechtsfolge eintreten, sondern wo das Gesetz umgekehrt eine mittelbare negative Lösung gibt, sind nach Canaris aus o.a. Argument kein Hinweis auf die Lückenhaftigkeit eines Gesetzes (sog. „argumentum e contrario"). 2 1 4 Problematisch und letzlich offen bleibt der Bereich, der weder einen Umkehrschluß noch eine Analogie zuläßt. Die Bejahung eines Umkehrschlusses schließe zwar einerseits die Analogie aus, dessen Ablehnung andererseits führe jedoch nicht ohne weiteres zur Annahme einer Analogie. Grund dafür sei, daß ein argumentum e contrario nur dort zulässig sei, wo ein Rechtssatz ausschließenden Charakter besitze, wo also eine bestimmte Rechtsfolge nur dann eintreten soll, wenn gerade diese in der Norm vorhandenen tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben seien. Da aber ein argumentum e contrario sich nicht mit völliger Sicherheit nachweisen lasse, andererseits der Analogieschluß zusätzlich noch die Feststellung der Rechtsähnlichkeit erfordere, bleibe zwischen argumentum e contrario und Analogie ein verhältnismäßig breiter Raum. 2 1 5 211

Canaris, a.a.O., 29. Canaris, a.a.O., 38f. 213 Canaris, a.a.O., 43. Das insbesondere hier ein Umgehen der von Canaris vorausgesetzten materiellen Systematik einer Rechtsordnung vorgenommen wird, um die „planwidrige Unvollständigkeit", also die Lücke zu rechtfertigen, wird besonders deutlich. 214 Canaris, a.a.O., 44ff. kennzeichnet damit auch den „allgemeinen negativen Satz". Vgl. dazu zweiter Teil, dritter Abschnitt I. 215 Canaris, a.a.O., 48f. Dem folgend Engisch, in: Einführung in das juristische Denken, 141. Als Beispiel wird hier Art 103 I GG mit der Frage angeführt, ob auch rechtliches Gehör vor den Verwaltungsbehörden unter Zuhilfenahme des Umkehrschlusses oder der Analogie gewährt werden solle. Die „eigentliche" Vollständigkeit des Gesetzes findet hier ihre deutlichste Grenze, und nähert sich dem von Zitelmann dargestellten „allgemeinen negativen Satz", der hinter jeder positiven Rechtsregei steht, an. 212

IV. Analogie als Induktions- und als Ähnlichkeitsschluß

163

Nach der Festlegung des „als vollständig erkannten Gesetzes" ist nach Canaris das sog. „argumentum e silentio", d. h. das Fehlen jeglicher Rechtsgrundlage, zulässig, welches zur Annahme führt, daß das Gesetz für einen bestimmten Sachverhalt keine Regelung anbietet. 216 Canaris grenzt nach diesen Ausführungen nunmehr seine allgemeine Definition der Lücke durch Einteilung in drei konkretere Stufen ein. Für die hier anzustellende Untersuchung wird bei der Abgrenzung von Lücke und Fehler im Gesetz der Analogieschluß im Rahmen der „zweiten Stufe" angewandt. Die Analogie als logisch-teleologisches Schlußverfahren diene nicht nur der Ausfüllung von Gesetzeslücken, sondern auch bereits ihrer Feststellung. Knüpfe das Gesetz an den Tatbestand Ί ί die Rechtsfolge R, fehle aber für den gleichliegenden Tatbestand T 2 eine Rechtsfolge, so stelle dies eine Lücke dar. Der Gleichheitssatz fordere eine entsprechende Regelung, da er als wesentliches Element der überpositiven „Rechtsidee" einer jeden Rechtsordnung immanent sei, und nach der gegebenen Definition der Lücke als Maßstab zur Feststellung der Unvollständigkeit des Gesetzes diene. Dabei sei der Rückgriff auf die Wertungen des positiven Rechts unerläßlich, denn daß Gleiches gleich zu behandeln sei, lasse noch nicht durchblicken, was gleich oder ungleich sei. 217 Wenn folglich die Unvollständigkeit des positiven Rechts mit Hilfe des Gleichheitssatzes ermittelt werde, und wenn für diesen Vergleich auf die Wertungen des Gesetzes zurückgegriffen werde, dann bedeute dies nichts anderes, als daß schon für die Frage der Lückenhaftigkeit die Rechtsähnlichkeit eines gesetzlich geregelten und eines ungeregelten Falles maßgeblich sei, also die Lücke durch den Analogieschluß festgestellt werde. 218 Rückgreifend auf seine Lückendefinition führt Canaris aus, daß die Gesamtrechtsordnung als Ganzes eine zu unbestimmte Bezeichnung für die Lückenfeststellung abgebe, so daß oft nichts anderes übrig bleibe, als auf bestimmte Normen und die in ihnen verkörperten Wertungen zurückzugreifen. Erst durch den Analogieschluß lasse sich klären, ob ein empfundener Mangel eine Lücke oder lediglich ein rechtspolitischer Fehler sei, ob also dem Richter die Rechtsfortbildung erlaubt oder verboten sei. 219 Die von der h.L. so bezeichnete „Rechtsanalogie" 220 ordnet Canaris den von ihm so benannten „allgemeinen Rechtsprinzipien" zu, die auch als Wertmaßstab 216 Canaris, a.a.O., 50ff. zeichnet hier ebenfalls den „allgemeinen negativen Satz" Zitelmanns nach. Vgl. dazu zweiter Teil, dritter Abschnitt I. 217 Canaris, a.a.O. 56f.; 71 f.; vgl. auch 16 u. 25. Canaris geht alleinig davon aus, daß die Analogie ihre Rechtfertigung in dem Gleichheitssatz findet. 218 Canaris, a.a.O., 71 f. 219 Canaris, a.a.O., 73, vgl. auch 95. Inwieweit diese Ausführungen mit dem von Canaris zwingend geforderten Erfordernis einer Lücke als Voraussetzung zur Anwendung der Analogie zu vereinbaren ist (vgl. Canaris, a. a. Ο., 25 ), wird Gegenstand der kritischen Würdigung sein. 220 Vgl. statt vieler Larenz, a.a.O., 383f. 11*

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

für die Ermittlung der Ergänzungsbedürftigkeit des Gesetzes, also für die Lückenfeststellung und gleichzeitige Ausfüllung heranzuziehen sind. 2 2 1 Als Mittel der Auffindung „allgemeiner Rechtsprinzipien", deren Grundlage auf „tiefgreifenden Ordnungsgesichtspunkten und Grundwertungen" 222 beruhe, diene die Induktion, die in der Literatur falschlich als „Rechtsanalogie" bezeichnet werde. 223 Hierbei werde aus mehreren gesetzlichen Vorschriften ein gemeinsamer Grundgedanke gewonnen, dem dann der Charakter eines allgemeinen Rechtsprinzips zugesprochen werde. Das induktiv gewonnene allgemeine Rechtsprinzip beanspruche also für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen seine Geltung. Gegensätzlich dazu stehe der Analogieschluß, wo in Wahrheit nur zwei Tatbestände verglichen werden sollen und dabei der Rückgriff auf die ratio legis das Mittel zu diesem Zweck darstelle. 224 Entsprechend der von Canaris vorgenommenen Einteilung der Lückendefinition in drei konkrete Stufen 225 werden auch die Lückenarten festgelegt. 226 Der inhaltliche Zusammenhang von Lückenfeststellung und Lückenausfüllung wird von Canaris besonders bei der Darlegung der „drei verschiedenen Funktionen der Analogie" herausgestellt. Als Fall der „möglichen" Analogie wird die methodologische Rechtsfindung bei den von Canaris so bezeichneten „Rechtsverweigerungslücken" bezeichnet. Dies ergebe sich daraus, daß Feststellung und Ausfüllung der Lücke hier zwei völlig verschiedene Vorgänge seien, weil sich die Lücke bereits aus dem Gesetz selbst ergebe, und die Analogie nur eine unter mehreren in Betracht kommenden Ausfüllungsmöglichkeiten darstelle. 227 Die Fälle der „notwendigen" Analogie, die Canaris als den Regelfall bezeichnet, werden den „teleologischen Lücken" zugeordnet. Bei ihnen stellt sich der Vorgang der Feststellung und Ausfüllung von Lücken als notwendig identisch dar. 2 2 8 221

Vgl. Canaris, a.a.O., 93ff. Canaris, a.a.O., 97 erklärt dieses damit, daß hinter lex und ratio legis die „ratio iuris" (?) liegt. Was unter der „ratio iuris" zu verstehen ist bleibt opak. 223 Vgl. im Gegensatz dazu Larenz, a.a.O., 383ff. und die Ausführungen dazu. 224 Canaris, a.a.O., 98. Ob hier ein Induktionsschluß, gleich welcher Art, vorliegt ist fraglich, denn was soll ein „Grundgedanke" oder ein „allgemeines Rechtsprinzip darstellen?(!) Daß der Analogieschluß nach Canaris „gegensätzlich" zum Induktionsschluß steht, deutet auf die Unkenntnis der klassischen Analogiedefinition hin. 225 Canaris, a.a.O. Im einzelnen vgl. 59ff.; 71 ff.; 93ff. 226 Canaris, a.a.O., 140f. 227 Canaris, a. a. Ο., 144ff.; vgl. zur „Rechtsverweigerungslücke" und seiner Grundlage S. 59 ff., 127,140 f. Die „Rechtsverweigerungslücke" ist nach Canaris dadurch charakterisiert, daß das Vorliegen einer Rechtsfrage feststeht und nur die rechtliche Antwort, die durch das Rechtsverweigerungsverbot geboten ist, noch offen ist. Vgl. dazu auch Larenz, a.a.O., 401 und das von ihm dort aufgeführte Beispiel. 222

228

Canaris, a.a.O., 148.

IV. Analogie als Induktions- und als Ähnlichkeitsschluß

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Die oben dargelegte Abgrenzung von Lücke und Fehler im Gesetz auf der sog. zweiten konkreten Stufe kennzeichnet die von Canaris angestellte Methode und begründet damit auch die Namensgebung als „teleologische Lücke", und als „notwendige Analogie". 2 2 9 Die als letztes anzuführende „konkretisierende Funktion" der Analogie befaßt sich mit dem Verhältnis von Feststellung und Ausfüllung bei den von Canaris so bezeichneten „Prinzip- und Wertlücken", deren Namensgebung auf die dritte konkrete Stufe der Lückenfeststellung, den „allgemeinen Rechtsprinzipien", zurückzuführen ist. 2 3 0 Die Feststellung der Lücken, die auf der mangelhaften Verwirklichung eines allgemeinen Rechtsprinzips oder eines Wertes beruhen, haben, so Canaris, mit deren Ausfüllung die erforderliche Abstimmung mit höherrangigen Prinzipien gemein. Allerdings gelte diese Gemeinsamkeit bei der Lückenausfüllung nicht im allgemeinen, da die Prinzipien keinen rechtssatzmäßigen Charakter haben, und regelmäßig nicht unmittelbar unter sie subsumiert werden könne. Folglich biete das zur Lückenfeststellung verwandte Prinzip keine ohne weiteres anwendbare Regelung, sondern weise nur in die Lösungsrichtung. Es bedürfe also noch eines besonderen Prozesses, durch den das Prinzip in Rechtssätze verwandelt werde, es bedürfe des hoch interessanten Vorgangs der „Konkretisierung". 231 b) Vorweg ist herauszustellen, daß die Methode zur Feststellung einer „Lücke" im Gesetz mit Hilfe des Analogieverfahrens sich schon bei Herrfardt, der das ausdrücklich betont, findet. 232 Einer näheren Prüfung bedarf der von Canaris vorgegebene Grundsatz der „eigentlichen" Vollständigkeit des Gesetzes, über den die Unvollständigkeit, die „Lücke", festgestellt werden soll. Folgerichtig ist davon auszugehen, daß nur dort etwas nicht sein kann, wo ein Ganzes, eine Reihe, ein System vorhanden ist. Es stellt sich also die Frage, ob das hier zu behandelnde Gesetz ein Ganzes, bzw. ein System darstellt. Canaris indessen geht nicht in dieser Absolutheit davon aus, da er bei dem Gesetz ein „offenes" System, d. h. ein dem Einbruch neuer Prinzipien zugängliches Ganzes, annimmt, und deswegen wohl auch nur von einer „eigentlichen" Vollständigkeit spricht. 233 Dieses findet auch seine Bestätigung, indem hervorgehoben wird, daß das gesetzliche System deswegen offen ist, weil die Rechtsfortbildung aus außerhalb 229

Canaris, a.a.O., 71 ff.; 140f.; 148ff. unter Angabe von Beispielen. Canaris, a.a.O., vgl. 93ff.; 141; 160ff. 231 Canaris, a.a.O., 160f. führt für den Konkretisierungsvorgang keine allgemeine methodologische Grundlage an, sondern beschränkt sich dabei auf Beispiele. Eine offene Prüfungsfolge des Konkretisierungsvorgangs wird jedoch von Canaris, a.a.O., 169f. dargeboten. 232 Herrfardt, a.a.O., 37. 233 Canaris, a.a.O., 107 dort in der FN 172; und ders., in: Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 61 ff. 230

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der Systemproblematik liegenden Gründen, nämlich der „Rechtsordnung als Ganzes", die ihre Grundlage in den „Wertungen des Gesetzes" hat, zulässig ist. 2 3 4 Ist aber nun das System offen, weil die Rechtsfortbildung erlaubt ist, richtet sich die „Lücke" im System auch danach, ob eine noch unbestimmte Rechtsfortbildung erfolgt oder nicht. Dieser Gedankengang deckt sich mit den von Canaris so benannten teleologischen Lücken und den Prinzip- und Wertlücken. Es kann aber dort von „Lücken" nicht gesprochen werden, wo erst das System, welches „Lücken" haben kann, geschaffen werden muß, d. h. wo ein System noch nicht vorhanden ist. Spricht man nach erfolgter Rechtsfortbildung davon, daß dort, wo sie ihren Niederschlag gefunden hat, doch eine „Lücke" war, so verwechselt man die Methode mit dem Festzustellenden. Einfacher ausgedrückt: Dort wo noch nichts ist, kann nicht mehr als Nichts sein; also auch keine „Lücke". Der hier festgestellte Mangel im Denkansatz von Canaris zeigt sich an entscheidenden Punkten seiner Abhandlung. Das von Canaris vorgegebene Postulat, daß jede Analogie das Bestehen einer „Lücke" erfordert 235 , widerspricht auch der Auffassung, die Analogie diene schon der Feststellung von Lücken. 2 3 6 Wenn vor einer Analogie als Rechtsfortbildungsmethode eine „Lücke" festgestellt werden muß, wäre es absurd, die Feststellung erst durch eine Analogie zu ergründen, denn diese Feststellung bedürfte ja nach dem geforderten Erfordernis wiederum einer „Lücke". Die von Canaris auf der zweiten Stufe der Lückenfeststellung stehenden so benannten teleologischen Lücken stellen das Ergebnis einer Rechtsfortbildung u. a. durch die Analogie dar, so daß dort, wo die Rechtsfortbildung erfolgt, nach Canaris immer eine „Lücke" im Gesetz vorhanden ist. Das dementsprechende Eingeständnis der Mangelhaftigkeit, die Gesamtrechtsordnung zum Maßstab der Lückenfeststellung heranzuziehen, stellt die Utopie einer „eigentlichen" Vollständigkeit des Gesetzes heraus, und reduziert den Denkansatz von Canaris auf die Aussage, daß nach erfolgter Rechtsfortbildung an der Stelle, wo sie ihren Niederschlag fand, eine Unvollständigkeit, eine „Lücke" im Gesetzessystem war. Gleiches gilt für die auf der dritten Stufe stehenden, von Canaris so benannten „Prinzip- und Wertlücken", wobei nur nebenbei hier auf die sogenannten „allgemeinen Rechtsprinzipien" eingegangen wird. Grundlage der „allgemeinen Rechtsprinzipien" sollen „tiefgreifende Ordnungsgesichtspunkte und Grundwertungen", das "innere System", die „ratio iuris" sein. Dieser metaphysisch anmutende Ansatz ist im Bereich der Rechtsanwendungslehre fragwürdig, solange man die Anwendung von vorhandenen für ein geregeltes Miteinander der Menschen geschaffenen Gesetzen als vornehmlichsten Gegenstand der Jurisprudenz ansieht. 237 234 235 236

Canaris, in: Systemdenken a.a.O., 65. Canaris, a.a.O., 25. Canaris, a.a.O., 56f.; 71 f.

V. Analogie als Gleichheit der Interessenlage

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V. Die juristische Analogie als Gleichheit der Interessenlage und als konsequente Verfolgung gesetzlicher Zweckrichtung 1. Die bezugslose „Gleichheit der Interessenlage" im Analogieverständnis Hecks 1914 Als Hauptvertreter der nach ihm selbst so benannten Interessenjurisprudenz behandelt Heck die Analogie im Rahmen der „modernern Lückenlehre". Die dabei deutlich zum Ausdruck kommende Ablehnung der Begriffsjurisprudenz ist auf die Befürwortung einer „wertenden Gebotsbildung" zurückzuführen, die nicht nach der Lehre der Inversionsmethode, die die jeweils fehlenden Rechtssätze aus dem Rechtssystem auf „kognitivem" Wege gewinnt, um eine Subsumtion zu gestatten, erfolgt. Insoweit steht die Begrifflichkeit der Analogie im Verhältnis der Unterordnung zur „wertenden Gebotsbildung", so daß zum Gesamtverständnis der Analogiemethode bei Heck Grundzüge der „wertenden Gebotsbildung" eine Darlegung erfahren müssen. 238 a) I m Grundansatz von der Unmöglichkeit einer Schaffung von vollständigen Gebotsordnungen ausgehend, statuiert Heck, daß der Gesetzgeber „dem Richter für manche Sachlagen eine freiere Stellung einräumen (muß), in der er die Befugnis der wertenden Gebotsbildung hat". Fälle solcher wertenden Gebotsbildung seien es, die von der Reformbewegung als „Lücken" bezeichnet werden. 239 Vom Standpunkt der lnteressenjurisprudenz aus sei der Richter nicht nur an Gebote und die erkennbaren Werturteile des Gesetzgebers gebunden, sondern, soweit Werturteile nicht eingreifen, auch zur Eigenwertung berufen. 240 In einem weiteren Sinn soll das Wort „Lücke" alle Fälle der „wertenden Gebotsbildung" bezeichnen, in denen der Richter Rechtsschutz gewähren soll, obgleich es an einer deckenden Norm fehle. Dies seien die eigentlichen Delegationsfalle, „bei denen eine besondere Anordnung vorliegt, und die „Blankogebiete", deren Behandlung „der Wissenschaft und Rechtsprechung" überlassen wurde". Die beiden letzterwähnten Fallgruppen seien zusammenfassend als Blankette im weiteren Sinne zu bezeichnen. In einem engeren Sinn beschränke sich die Bezeichnung auf denjenigen Teil dieser Fälle, für die der Gesetzgeber die wertende Gebotsbildung weder besonders angeordnet, noch als selbstverständlich vorausgesehen habe, also die „ungewollten" Lücken. Die Ausdehnung des Wortes Lücke rechtfertige sich aus der Abgrenzungsschwierigkeit der drei Fallgruppen und der gleichen Behandlung in den Hauptzügen. 241 237 Als Absage an die von der Theologie und Philosopie sich gestellte Aufgabe zur Ergründung der Gerechtigkeit (Rechtsbegründung)ist diese Bemerkung nicht zu werten, vielmehr handelt es sich um eine Ausgrenzung bzw. Eingrenzung des zu behandelnden Stoffes, in dem Rechtsbegründung und Rechtsanwendung auseinander gehalten werden. 238 Vgl. zum Überblick Heck, in: Gesetzesauslegung und lnteressenjurisprudenz, 100, 161 f., 194. 239 Heck, a.a.O., 158. 240 Heck, a.a.O., 159f. zeigt damit in aller Deutlichkeit seine Ablehnung gegenüber einer methodologisch nachvollziehbaren und lehrbaren Rechtswissenschaft.

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

Die Angriffe gegen die Lückenbezeichnung wehrt Heck ab, indem er darauf hinweist, daß das Wort „Lücke" in einem ungeeigneten Sinn verstanden werden kann, wenn man es aus dem Zusammenhang nimmt. Da die Beziehung des Wortteils „Recht" auf den Komplex der empirisch vorhandenen Gebote gehe, besage der Wortteil „Lücke", daß die dem Subsumtionsideale entsprechenden Gebote nicht vorhanden seien. Die Lückentheorie rede von Rechtslücken als Allgemeinbegriff, der das Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht nur bei der Frage der Rechtsanwendung zusammenfasse. 242 Ein besserer Ausdruck für die Fälle der wertenden Gebotsbildung sei nicht ersichtlich und werde von seinen Gegnern auch nicht angeboten. 243 Je nach Bedarf können die Lücken im obigen Sinn formal gruppiert werden. Heck stellt dabei die genetischen Unterschiede heraus: Primäre Lücken seien schon mit der Entstehung des Gesetzes gegeben, sie können aber auch „sekundär", durch Änderung der Verhältnisse im Laufe der Zeit vorkommen. Innerhalb der Gebotslücken gebe es Fälle, in denen gesetzliche Werturteile die ergänzende Gebotsbildung vollständig leiten, und Fälle, in denen Werturteile fehlen, also „Wertungslücken" vorhanden sind. Zitelmanns echte- und unechte Lücken teilt Heck in „Tatbestandslücken" und „Rechtsfolgelücken" ein. Fälle, in denen kein Gebot vorliege, könne man als „Totallücken" von „relativen Lücken" und „Alternativlücken" trennen, je nachdem nur ein Element des Gebots unbestimmt sei, oder aber mehrere mögliche Obersätze zur Wahl stehen. Zu den alternativen Lücken gehören auch die mehrdeutigen Gesetzesgebote, sowie die Gesetzeswidersprüche (Kollisionslücken). 244 Zur Ausschaltung der richterlichen Initiative bezogen auf die wertende Gebotsbildung bemerkt Heck, daß eine generelle Abgrenzung nicht möglich sei, und die Unterscheidung zwischen der strikten Regelung und den ergänzungsfahigen Geboten nur im Einzelfall zu gewinnen sei. Über allgemeine Gesichtspunkte komme man nicht hinaus. 245 Für die Abwägung der beiden Forderungen nach spezieller Angemessenheit und Rechtssicherheit könne keine Methodenlehre einen genauen Maßstab angeben. Die Unzulänglichkeit des Gebotssystems sei von den Vertretern der Reformbewegung oft betont worden. 246 Heck veranschaulicht die Mangelhaftigkeit eines Gebotssystems anhand der „primären", „sekundären" und „Kollisionslücken", und hebt immer wieder die legislativen Werturteile hervor, wobei er als Ideal die einheitliche Durchführung der legislativen Werturteile hinstellt. Es wird aber auch die Unmöglichkeit eines 241

Heck, a.a.O., 161 f. Heck, a. a. Ο., 167 f., vgl. auch S. 165 zeigt damit die lediglich subjektive Bedeutung des Begriffs „Lücke" auf. 243 Heck, a.a.O., 168. 244 Heck, a.a.O., 168f. 245 Heck, a.a.O., 169ff. destruiert damit jeglichen Versuch einer überprüfbaren Rechtswissenschaft. 246 Heck, a.a.O., 172. 242

V. Analogie als Gleichheit der Interessenlage

169

einheitlichen Wertesystems eingeräumt und das Bedürfnis nach Stabilität und Erhaltung von Interessen bestätigt. 247 Für eine angemessene Abwägung der Rechtsfortbildungs- und der Stabilitätsinteressen sieht Heck die historische Gesetzesauslegung als erforderliche Grundlage. Die historische Forschung ergebe, ob der Gegensatz zu anderen Gesetzesgeboten unbeabsichtigt oder beabsichtigt sei. Heck räumt jedoch ein, daß auch die historische Methode keinen exakten Maßstab liefere. 248 Als im Verhältnis der Unterordnung zur wertenden Gebotsbildung stehend sieht Heck die Analogie. Jede Rechtsfindung durch Analogie müsse eine Lückenergänzung nach gesetzlichen Werturteilen sein. Die Beschränkung der Analogie auf die Übertragung von Werturteilen ergebe sich aus dem Grundgedanken der Gebotsauslegung. Die Analogie sei nur als „teleologische" Analogie zulässig. Irreführend sei es, wenn gesagt werde, daß die Gesetzesanalogie bei rechtsähnlichen Tatbeständen Platz greife. Nicht jede Ähnlichkeit genüge, es müsse eine „Gleichheit in der Interessenlage" bestehen.249 Heck betont, daß es Formen richterlicher Gebotsbildung gebe, die sich nicht unter den herkömmlichen Begriff der Analogie einordnen ließen. Es sei nicht möglich, den ganzen Umfang richterlicher Gebotsbildung in die Analogie einzuordnen. Zwei Elemente der „Lückenergänzung" gehen über diesen Begriff hinaus, „einmal die Eigenwertung und dann die Befugnis der Gebotsberichtigung". 250 Die in der Literatur vorherrschende Schwierigkeit der Unterscheidung einer Rechtsfindung durch Analogie von der „ausdehnenden Auslegung" führt Heck auf die Ablehnung einer Anerkennung des Gesetzesinhalts außerhalb des Wortlauts zurück. Es sei vom Standpunkt der Interessenjurisprudenz möglich und geboten, „die Einstellung der historisch erkannten Gebotsvorstellungen an die Stelle des sprachlich nächstliegenden Bildes von der Ergänzung der erkannten Gebotsvorstellung durch Neubildung begrifflich zu trennen". 251 Zur Problematik der Analogieanwendung bei „Ausnahmevorschriften" nach der Formel, „singularia non sunt extendenda", bemerkt Heck, daß sie nur als „Nominaldefinition" richtig sein kann. „Die Bezeichnung „ausnahmsweise" bedeutet Analogieverbot". 252 Die Gefahr dieser Formel liege aber in ihrer Mehrdeutigkeit, da eine Vorschrift sowohl im „logischen" als auch im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit im „statistischen" Sinne als Ausnahmevorschrift bezeichnet werde. Jede Vorschrift, so Heck, erscheine im logischen Sinne als Ausnahme, wenn man ihr eine allgemeinere gegenüberstelle. Die Formel ergebe die Gefahr, daß eine Vorschrift aus logisch oder statistisch beeinflußtem Gefühl heraus unter den Begriff „Ausnahmevorschrift" subsu247 248 249 250 251 252

Heck, a.a.O., Heck, a.a.O., Heck, a.a.O., Heck, a.a.O., Heck, a.a.O., Heck, a.a.O.,

172f. 192f. 194. 194f. 196. 186f.

170

2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

miert werde und dann aus der Subsumtion mit Hilfe der Formel das Analogieverbot abgeleitet werde. Ein solches Verfahren sei echte Begriffsjurisprudenz, und daher habe die Formel keinen Wert, „weder einen normativen, noch einen heuristischen". Sie wirke im besseren Falle als „hermeneutische Eselsbrücke". 253 b) In Anlehnung an die schon dargelegten Ausführungen über die „Lücke" im Gesetz finden hier diejenigen Gegner der „Lückentheorie" eine Erwähnung, auf die sich Heck im direkten bezieht. Eine derartige Vorgehensweise bietet sich an, da es im Rahmen der Literatur nur wenige Autoren gibt, die sich mit den von Heck erarbeiteten Grundlagen direkt auseinandersetzen. Im strengen Positivismus verharrend, der sogar die Analogie in nur bestimmten Fällen gestattet, wendet sich Somló gegen die Rechtslücken. Sei dem Richter, so Somló, nicht gestattet, vom Wortlaut abzuweichen, so könne es für die Rechtsanwendung keine Lücke geben, denn alles Denkbare sei entweder vom Wortlaut her befohlen oder nicht, verboten oder nicht, es sei kein Fall denkbar, in dem sich nicht konstatieren ließe, ob er vom Wortlaut des Rechts befohlen, verboten oder gestattet sei. 254 Bei einem Abweichen vom Wortlaut werde dem Richter angegeben, in welcher Weise er über den Wortlaut hinausgehen könne oder müsse, so daß bei der Rechtsanwendung eine Lücke unmöglich sei. 255 Spiegel vertritt einen Standpunkt, der logisch unangreifbar ist, wenn man von dem Gesetz als einem „eigentlichen" geschlossenen Ganzen ausgeht, d. h. von dem noch nicht erreichten Ideal eines geschlossenen Gesetzessystems, welches alle Sachverhalte regeln könnte. Das Recht, kürzer das Gesetz, so Spiegel, wie es zunächst erscheine, habe Lücken, wenn man sich auf den Standpunkt „vor" Ausfüllung der Lücken stelle. Nach Ausfüllung der Lücke finde lediglich die „Bestätigung" des ungesetzten Rechts statt, so daß man im Nachhinein nicht von der Lückenhaftigkeit des Rechts sprechen könne. „Wo nämlich eine solche Bestätigung fehlt, ist ein „rechtsleerer Raum", wo sie vorhanden ist, keine Lücke". 2 5 6 Jellinek lehnt grundsätzlich die „freien individuellen Anschauungen)" des Richters bei „Lücken" in der Rechtsordnung ab, und läßt nur die Freiheit des „Gelehrten" und des „Historikers", die der „Methode" und des „Augenmaßes" z u . 2 5 7 , 2 5 8

253

Heck, a.a.O., 187ff. Somló, in: Die Anwendung des Rechts, Grühnhuts Zeitschr., 38, 62. 255 Somló, a.a.O., 62. 256 Spiegel, in: Gesetz und Recht, 118 f. 257 Jellinek, in: Gesetz, Gesetzesanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 177. 258 Elze, in: Lücken im Recht, 59. Bezogen auf das von Heck gebotene Analogieverfahren bemängelt Elze, daß es an einem festen Maßstab, an dem die Ähnlichkeit, die teilweise Gleichheit der Interessenkonflikte gemessen werden könnte, fehlt. „Wann sind zwei Interessenkonflikte einander ähnlich"? 254

V. Analogie als Gleichheit der Interessenlage

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c) Heck und die Hauptvertreter der sogenannten Interessenjurisprudenz nehmen im Vergleich zu den meisten Vertretern des 20. Jahrhunderts hinsichtlich des Analogieverständnisses eine Sonderrolle ein. Dies ist deswegen bemerkenswert, weil die sog. Wertungsjurisprudenz ihren gänzlichen Unterbau in der vom späten Ihering wohl unbeabsichtigt vorgezeichneten Interessenjurisprudenz hat, die jedoch im Gegensatz zu Jhering eine teilweise Loslösung vom streng soziologisch positivistischen Verfahren vollzieht. Die Analogie verschwindet bei Heck in seiner „wertenden Gebotsbildung", deren Überbau in der „modernen Lückenlehre" gründet. Dies ist bei den Vertretern der Wertungsjurisprudenz nicht ersichtlich, denn dort steht die Analogie noch immer als selbständige Methode da. Geschickt verteidigt Heck die Lückentheorie, indem er von der „Lücke" nur bei der Frage der Rechtsanwendung spricht. Dies ist indes nicht schlüssig, denn Heck selbst gruppiert die Lücken nach verschiedenen Kriterien im Voraus, was einer konkreten Konstatierung erst bei der Rechtsanwendung des Einzelfalles widerspricht. Außerdem widerspricht sich Heck auch im Rahmen eines aufgeführten Beispiels. 259 Vergleicht man zwei Sachverhalte, im Beispiel einen heilen und einen beschädigten Zaun, so setzt man zwingend eine geschlossene Gesamtheit, ein Ganzes, nämlich einen Zaun als vollständige Grenze zwischen zwei Gebieten voraus. Folglich muß auch Heck bei einer Kodifikation von einer geschlossenen Gesamtheit, von einem Ganzen ausgehen, was er aber nicht tut; denn er geht im Grundansatz von der Unmöglichkeit einer vollständigen Gebotsordnung aus. Dieser Widerspruch in der Abhandlung Heck's wiederholt sich, indem einerseits festgelegt wird, daß die Beziehung „Recht" auf den Komplex der empirisch vorhandenen Gebote gehe, andererseits aber der Wortteil „Lücke" festlegt, daß die dem Subsumtionsideale entsprechenden Gebote nicht vorhanden sind. Etwas anderes als die vollständige Regelung aller Sachlagen kann das Subsumtionsideal Heck's nun nicht sein, ebenso wie auch das Subsumtionsideal als „Recht" eine Beziehung zur gänzlichen Rechtsregelung hat, so daß der Widerspruch zu Heck's Unmöglichkeit der Schaffung einer vollständigen Gebotsordnung deutlich ist. Die Abgrenzung „wertender Gebotsberichtigung" oder „Gebotsbildung" von der Analogie muß Heck betonen, um nicht die Berechtigung der „wertenden Gebotsberichtigung" oder „Gebotsbildung" in Frage zu stellen. Heck räumt ein, daß die Analogie nicht in den ganzen, wohl aber in einem erheblichen Umfang richterlicher Gebotsbildung eingeordnet werden kann. Das Prinzip der von Heck dargelegten „wertenden Gebotsbildung" deckt sich aber nahezu vollständig mit dem der herkömmlichen, bis dahin von vielen Autoren vertretenen juristischen Analogie, nämlich in dem Gewähren von Rechtsschutz, obgleich es an einer deckenden Norm fehlt. Grundlage des Analogieverfahren Heck's ist die „Gleichheit der Interessenlage", bezogen auf den geregelten und einen ungeregelten Fall. Die an sich befürwortete Eigenwertung des Richters bei der 259

Heck, a.a.O., 167f. dort in der FN 259.

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

Erforschung gleicher Interessenlagen wird aber dabei unvermittelt von Heck ohne Begründung ausgeschlossen und als Abgrenzungsmaßstab zur „wertenden Gebotsbildung" festgelegt. Dies überrascht, denn es fragt sich, ob nun Heck für das Analogieverfahren, abweichend von seinem Konzept, die begriffsjuristische Inversionsmethode zuläßt, was eine konsequente Folge wäre. Die Inversionsmethode verbietet sich jedoch, denn die Erforschung gleicher „Interessenlagen" steht im Vordergrund. Es können aber nur die Interessen des historischen Gesetzgebers und die des Klägers oder Beklagten in Bezug auf den ungeregelten Fall in Betracht kommen, so daß allzu häufig eine Übereinstimmung fehlen muß, wenn nicht die Eigenwertung des Richters unter Zuhilfenahme eines Verhältnismaßstabes vermittelte. Ob nun Heck alle Fälle der fehlenden Interessenübereinstimmung der „wertenden Gebotsbildung" überlassen will, bleibt offen. Liegt dies jedoch in der Intention Heck's, was nahe liegt, wenn die jeweilige Klage vom Richter nicht abgewiesen werden soll, so stellt sich die Frage, ob Heck die „wertende Gebotsbildung" nicht doch als eine Analogie im eigenen Sinne, nur mit einer anderen Bezeichnung darstellt. 260 Folglich bleibt festzuhalten, daß die willkürlich gesetzte Eigenwertung des Richters als Abgrenzungsmaßstab zwischen „wertender Gebotsberichtigung" oder Gebotsbildung und Analogie keinen grundsätzlichen Anhaltspunkt für die Unterschiedlichkeit beider Verfahren gibt. Die schwer erfaßbare „Interessenlage", die Heck in seinen Ausführungen unzureichend definiert, läßt insgesamt auch jede Methodik zerfließen. Nur ansatzweise könnte mit einer „Gleichheit der Interessenlage" eine Identität über die Gattung, bezogen auf vorhandene „Interessenlagen", gemeint sein. In diesem Sinne wäre auch der Begrifflichkeit der Analogie, welche einem gemeinhin anerkannten Verfahren klassischer Art zuzuordnen ist, annähernd Rechnung getragen worden. Was allerdings Heck unter einer Analogie versteht, bleibt für denjenigen, der hier den Versuch eines logisch nachzuvollziehenden Gedankenaktes unternimmt, Spekulation. Die „Gebotsberichtigung" oder „Gebotsbildung" als Abgrenzungsmaßstab zur Analogie anzusehen, bereitet Schwierigkeiten; denn wenn die Analogie als „Lückenergänzung" im Verhältniss der Unterordnung zur „wertenden Gebotsbildung" steht, so leitet sich die Befugnis zur Analogie zwingend von der ihr übergeordneten „wertenden Gebotsbildung" bzw. „Gebotsberichtigung" ab. Eine andere Befugnis zur Verwendung der Analogie wird nicht angegeben, so daß die Argumentation Heck's keinen Bezugspunkt hat. 2. Wüstendörfers Analogieverständnis als Annäherung an eine Induktion (1915 /16) Als soziologische Rechtsfindungsmethode kennzeichnet Wüstendörfer seine Lehre, die eine intensive Beschäftigung mit den historisch vorgegebenen methodologischen Positionen vornimmt. 2 6 1 Die Auseinandersetzung mit diesen 260

Im Ergebnis so auch Elze, a.a.O., 57 u. 75 dort in der FN 15. Wüstendörfer, in: Zur Methode soziologischer Rechtsfindung (identisch mit: Zur Hermeneutik der soziologischen Rechtsfindungstheorie, aus: Archiv f. Rechts- u. Wirtschaftsphilosophie IX 1915/16), 143ff. (§2). 261

V. Analogie als Gleichheit der Interessenlage

173

Methodenpositionen führt ihn jedoch zu einem Urteil, welches den tatsächlichen Ausführungen der zitierten Autoren nicht gerecht wird. Dies trifft vor allem bei der Beurteilung von Savigny zu, dem eine „hohe Bewertung des logischen Elements der Auslegung" im Recht zugeschrieben wird. 2 6 2 Wüstendörfer wirft Savigny insbesondere vor, die Entstehungsgeschichte des Gesetzes als Auslegungsmittel auszuklammern, um dafür die formallogische „Inversionsmethode" in den Vordergrund zu stellen. Wüstendörfer versteht unter der „Inversionsmethode" einerseits „die gedankliche Herausarbeitung beherrschender Oberbegriffe — Tatbestandsbegriffe und Normbegriffe — aus der Fülle der Einzelrechtssätze und die Verknüpfung dieser Begriffe zu einem System", und andererseits die Herausstellung von übergeordneten Rechtssätzen, die aus höheren Rechtsprinzipien aufzustellen sind, „aus denen dann neue Sondersätze zum Zwecke der Lückenausfüllung abgeleitet werden". 263 Daß Savigny gerade derjenige ist, der die geschichtliche Relevanz im Recht herausgestellt hat, ist insgesamt unbestritten und bedarf auch keiner näheren Erläuterung. 264 Darüber hinaus legt sich Savigny in keiner Weise auf eine formallogische Auslegungstheorie im Recht fest, was in den Ausführungen zu Savigny nachgewiesen worden ist. 2 6 5 Daß die Analogie in der von Savigny verstandenen Ausprägung im Zentrum einer ihm zugeschriebenen (so auch zutreffend bezeichneten) „Inversionsmethode" steht, zeigt Wüstendörfer mit exemplarischer Genauigkeit auf. Allein die richtige Bewertung dieses methodischen Verfahrens wird von Wüstendörfer etwas verkannt; denn der gemeinhin belegte Begriff einer formalen Logik kann Savigny in diesem Fall nicht zugeschrieben werden, was die Anmerkungen zu Savigny zeigen. 266 M i t dem Analogieverfahren Wüstendörfers wird der Leser in eine Sondersprache eingeführt, die einen Einblick in die positivistisch soziologische Methode bietet. Insofern muß Wüstendörfer auch eine „Vorreiterrolle" im Hinblick auf die spätere Interessen- und Wertungsjurisprudenz zugeschrieben werden, denn seine soziologische Methode führt gegensätzlich zu Jhering letztlich auch zur subjektiven Metaphysik des Richters. 267 a) Wüstendörfer unterteilt die Analogie im Recht in Fälle einer „einfachen Analogie" und in die „qualifizierte Analogie". Zur Erläuterung der „einfachen Analogie" erfolgt ein Rückbezug Wüstendörfers auf die Ausführungen Heck's. 268 Voraussetzung für sie ist die „Gleichheit der Interessenlage, womit 262

Wüstendörfer, a.a.O., 144 (§2). Wüstendörfer, a.a.O., 146ff. (§3). 264 Vgl. dazu auch die Ausführungen zu Savigny im zweiten Teil, zweiter Abschnitt. 265 Vgl. dazu Zweiter Teil, zweiter Abschnitt zu Pkt. III 1) b). 266 Vgl. dazu Zweiter Teil, zweiter Abschnitt zu Pkt. III 1) dd). 267 Zur Methodenlehre Wüstendörfers siehe auch den Überblick bei Landwehr, in: Hans Wüstendörfer (1875-1951)- Ein Hamburger Rechtsgelehrter, JuS 1987, 347ff. 268 Wüstendörfer, a.a.O., 149 (§ 3) dort in der FN 39. 263

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

dann in der Regel auch eine Gleichheit der normativen Zwecksetzung gegeben ist". „Die Vollziehung der Analogie liegt darin, daß die vom Gesetz für den Sondertatbestand a gegebene Norm α auf den Sondertatbestand b zur Anwendung gebracht w i r d " . 2 6 9 Man könne bei diesem Verfahren auch davon sprechen, „daß hier ein „höheres Rechtsprinzip" zur Anwendung k o m m t " . 2 7 0 Die von Wüstendörfer so benannte „qualifizierte Analogie" „bedeutet eine organische Fortbildung dieses Phänomens (gemeint ist die Anwendung eines „höheren Rechtsprinzips") zu einer höheren Entwicklungsstufe, wenn im Gesetz bei einer Mehrheit von Sondertatbeständen a,b,c die gleiche Norm α wiederkehrt und diese Norm dann auch auf den Sondertatbestand d wegen Gleichheit der Interessenlage zur Anwendung kommt". 2 7 1 Wüstendörfer sieht in diesem Analogieverfahren, welches auch als „eine graduelle Steigerung extensiver Auslegung" 272 angesehen wird, „Gesichtspunkte einer sozialwissenschaftlich geleiteten Interessenwägung, die das gesellschaftlich Gleichartige gleicher Normen zu unterstellen wünscht". Daher sei das Analogieverfahren als Rechtsgrundsatz „ein soziologisches Rechtsprinzip". 273 Diese soziologischen Rechtsprinzipien seien „vom Standpunkt des Tatbestandes aus gesehen, „mehrtätige", „polypraktische" Prinzipien, und, vom Standpunkt der Norm aus gesehen, „einnormige", „mononomische" Prinzipien: Sie umschließen eine Mehrheit von Sondertatbeständen, aber nur eine, inhaltlich sich gleichbleibende Norm α " . 2 7 4 b) Der Rückbezug Wüstendörfers auf die Ausführungen Heck's zur Analogie ist nicht derartig ausgestaltet, daß es mit einer bloßen Verweisung auf die Ausführungen zu Heck zur ausreichenden Beurteilung kommt. Wüstendörfer nimmt bei der „einfachen Analogie" die gegebene Norm zum Gegenstand seines Analogieverfahrens, so daß eine Eingrenzung hinsichtlich des Begriffs der Interessenlage erkennbar wird. So wird unter der Interessenlage auch die gegebene normative Zwecksetzung verstanden, die im Verhältnis zum ungeregelten Sondertatbestand zu setzen ist und eine Gleichheit hervorzubringen hat, um die Regelung des Sondertatbestandes zu erreichen. Die Eingrenzung einer normativen Zwecksetzung wird jedoch nicht weiter verfolgt und endet in einem „höheren Rechtsprinzip", das Wüstendörfer bei der Analogie wirksam werden läßt. 2 7 5 Dieses Verfahren erinnert mehr an eine nicht näher umrissene Induktion als an die Analogie im klassischen Sinne. Deutlicher wird diese Erkenntnis bei 269

Wüstendörfer, a.a.O., 149 (§3) vgl. auch S. 81 (identisch mit: Die deutsche Rechtsprechung am Wendepunkt, aus: ACP Bd. 110 (1913), 294). 270 Wüstendörfer, a.a.O., 150 (§3). 271 Wüstendörfer, a.a.O., 150f. (§3). 272 Wüstendörfer, a.a.O., 111. 273 Wüstendörfer, a.a.O., 151 (§3). 274 Wüstendörfer, a.a.O., 151 (§3) ist hier logisch nicht nachvollziehbar. 275 Vgl. zum methodologischen Grundansatz Wüstendörfers die Ausführungen von Landwehr, a.a.O., 347ff.

V. Analogie als Gleichheit der Interessenlage

175

Wüstendörfers „qualifizierter Analogie", denn dort zeigt sich sogar ein Bild der vollständigen Induktion. Das eben nachgezeichnete Bild eines Verfahrens bei Wüstendörfer erfahrt allerdings letztlich einen logisch nicht nachvollziehbaren Knick. Denn die Definition des Analogieverfahrens als Unterstellung des „gesellschaftlich Gleichartige(n) gleicher Normen" 2 7 6 ist ohne Anknüpfungspunkt ausgestaltet. Der von Wüstendörfer so dargelegte Satz ist unverständlich und bleibt jeder Deutung fern. Kryptisch ist auch die weitere Ausführung Wüstendörfers in diesem Zusammenhang. Denn das unverstehbare „soziologische Rechtsprinzip" soll „vom Standpunkt des Tatbestandes aus" „mehrtätige", „polypraktische" Prinzipien und vom Standpunkt der Norm aus gesehen, „einnormige", „mononomische" Prinzipien" enthalten. 277 Dér tiefere Sinne dieser Ausführungen, so ist hier einzugestehen, bleibt verborgen. Wie im Sinne Wüstendörfers vom „Standpunkt" der Norm oder des Tatbestandes aus „gesehen" werden kann, ist nur über ein behelfsweises Vorstellungsvermögen möglich. Steigt man nämlich in die Phantasie Wüstendörfers hinein, so muß man sich zwingend ein im Tatbestand oder in der Norm sitzende Person vorstellen, die eine eigene Sichtweise hat, die dem Rechtsanwendenden mitgeteilt wird. Die Sicht des Wissenschaftlers mag viele Erkenntnisse, die andere nicht haben, zutage fördern; allein der Bereich des Nachvollziehbaren darf dabei nicht verlassen werden. Allerdings zeigen diese Ausführungen auch den Versuch Wüstendörfers auf, eine Begrenzung der Tätigkeit des Richters zu erwirken. Eine Lossagung des Richters vom geschichtlichen Gesetzesinhalt wird von ihm nur im äußersten Falle zugelassen, „wenn nach seiner (seil, des Richters) Überzeugung ein deutlich erkennbar gewordenes allgemeines Werturteil der führenden Kulturschicht des Volkes bzw. der betreffenden Volksgruppe ihm die dringende soziale Notwendigkeit des Schrittes vor das Auge rückt". 2 7 8 3. Rümelin 1924 a) Ganz im Sinne der von Heck geprägten Interessenjurisprudenz steht Rümelin, der die Analogie auf Zweck- und Interessenwertungen beruhen läßt. Dem Vorbild des späten Jhering entsprechend versteht Rümelin unter „Werten" das „Unterordnen unter Zwecke", „unter möglicherweise nur intuitiv oder instinktiv empfundenen Zwecksbestrebungen oder -beziehungen". 279 Die Zwekke und Wertungen, so Rümelin, stammen aus dem Gesetz. Auch wo keine bestimmte Gebotsvorstellung in den Gesichtskreis des Gesetzgebers getreten sei, 276

Wüstendörfer, a.a.O., 151 (§3). Wüstendorfer, a.a.O., 151 (§3). 278 Wüstendörfer, a.a.O., 117; Landwehr, a.a.O., 347. 279 M. Rümelin, in: Gesetz, Rechtsprechung und Volksbetätigung auf dem Gebiet des Privatrechts, ACP Bd. 122 (NF Bd. 2), 283. 277

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

ließen sich doch häufig aus erkennbaren allgemeinen Interessenwertungen, „aus der Rangordnung der verschiednen Zwecke in der Gesetzgebung, Anhaltspunkte für die Lösung des Konflikts gewinnen". 280 Auf solchen Schlüssen beruhe die Analogie. Ein nicht geregelter Fall könne mit einem geregelten jedoch nur gleich behandelt werden, wenn die unterschiedlichen Merkmale im Hinblick auf die maßgebenden Zwecksetzungen nicht von wesentlicher Bedeutung seien. Seien Zwecke und Wertungen mit Sicherheit zu erkennen, so werde über die Berechtigung oder Nichtberechtigung des Analogieschlusses wohl kein Zweifel sein. So komme es, daß manche Analogieschlüsse im Bewußtsein völliger Sicherheit vollzogen werden, „als ob es einfache logische Operationen wären". 2 8 1 „Statt nun auf diese teleologischen Elemente zurückzugehen, den „Geist des Gesetzes" in seinen Zweckgedanken zu suchen", habe die Begriffsjurisprudenz letzteres in Begriffsbildungen und technischen Ausdrucksformen zu finden geglaubt. 282 b) Die Vorstellungen Rümelins, die eine Gleichbehandlung von geregeltemund ungeregeltem Fall bei nur unwesentlicher Unterscheidung in den maßgebenden Zweckmerkmalen bejahen, ziehen sich über das gesamte 20. Jahrhundert bis in die neuesten Methodenabhandlungen hin. Die Ungenauigkeit der Vorgabe, die in der unbeantworteten Frage gründet, wann etwas „wesentlich" ist, wird offen gelassen. Die als „überlebte" 283 Methode gebrandmarkte Begriffsjurisprudenz steht dabei im Vordergrund, so daß eine gegensätzliche Auseinandersetzung mit dem vorgegebenen Analogieverfahren ausbleiben muß. Wann Zwecke und Wertungen mit Sicherheit zu erkennen sind, ist unersichtlich, und welche „allgemeinen Interessenwertungen" maßgeblich sind, bleibt offen. Herauszustellen ist jedoch, daß Rümelin im Gegensatz zu Jhering intuitiv oder instinktiv empfundene Zweckbestrebungen aus dem vorgegebenen Gesetz entnimmt und darüber Regelungen für Lebenssachverhalte herauszieht. A n diesem Punkt wird eine Entfernung von dem soziologisch-positivistischen Rechtsbegründungsansatz Jherings sichtbar, denn Jhering bemühte sich um eine Grundlage des Rechts, die er in einer „geschichtlich-gesellschaftlichen Theorie" zu finden glaubte. 284 Allerdings wird bei Rümelin eine Annäherung an das positive Gesetz auch hervorgehoben, was für eine juristische Methodenlehre existentiell ist. Ein logisch nachvollziehbares Verfahren, das den Begriff der Analogie zum Gegenstand hat, wird bei Rümelin jedoch nicht geboten.

280 281 282 283 284

M. Rümelin, a.a.O., 283. M. Rümelin, a.a.O., 383f. M. Rümelin, a.a.O. 384f. Vgl. bei M. Rümelin, a.a.O., 283. Jhering, in: Der Zweck im Recht, Bd. 2, 174ff.

VI. Analogie als gesetzliche Subsumtion

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VI. Der gesetzliche Subsumtionsvorgang verstanden als Analogiemethode 1. Die normierte „Zweckrichtung" als Auslegungsmaßstab einer Norm anstelle des Analogieyerfahrens — Sax 1953 Die Untersuchungen von Sax über das Analogieverfahren sind sowohl hinsichtlich ihres intensiven Eingehens auf die „teleologische" Erfassung des Gesetzes als auch hinsichtlich der Besonderheit, das Analogieverfahren als Gesetzesauslegung oder als Subsumtion zu verstehen, beachtenswert. Hinzu kommt, daß dieses Verfahren vermutlich eine teilweise Rezeption durch Arthur Kaufmann erfahren hat. 2 8 5 Eine genaue Zuordnung von Sax zu den Vertretern der „Interessen"- oder „Wertungsjurisprudenz", oder gar zu den Vertretern der „Begriffsjurisprudenz", den Positivisten und ähnlichen Richtungen ist schwierig, was wohl letztlich auch dazu geführt hat, daß die Untersuchungen von Sax in methodologischer Hinsicht bisher nicht deutlich zur Kenntnis genommen worden sind. 2 8 6 Die Arbeit von Sax unterscheidet streng zwischen der „formallogischen" und der „rechtsinhaltsbezogenen Schicht" des Analogieverfahrens. a) Die für das Analogieverfahren erforderliche Behandlung der „Rechtsähnlichkeit" ordnet Sax der „rechtsinhaltsbezogenen Schicht" dieses Verfahrens zu, so daß zunächst die „formallogische Schicht" eine Erörterung erfahrt. Unbeeinflußt von vorschnellen spezifisch juristischen Vorstellungen sei das „formale Grundgefüge" der Analogie, das sie gegen andere formale Schlußweisen faßbar abgrenze zu ergründen. 287 Im Grundansatz von der logischen Möglichkeit ausgehend, daß die Analogie aus der Existenz eines für bestimmte Fälle aufgestellten Rechtssatzes dessen Anwendbarkeit auch auf gleichgeordnete „rechtsähnliche" Fälle folgert, untersucht Sax, was das „gesetzlich geregelte Besondere", aus dem mittelst eines Analogieschlusses Folgerungen für ein nicht geregeltes „rechtsähnliches" Besonderes gezogen werden, ist. Für Sax ist das „gesetzlich geregelte Besondere", welches eine „Größe" darstellt, die neben das „nicht geregelte rechtsähnliche Besondere" als andere „Größe" zu stellen ist, der Rechtssatz in seiner durch den Gesetzeswortlaut geformten Gestalt. Dieser „Ansatzpunkt", so Sax, gelte sowohl für die Analogie als auch für die Auslegung, wobei damit das Verhältnis beider Verfahrensweisen zueinander noch nicht festgelegt sei. 288 Die nähere Bestimmung des „rechtlich geregelten Besonderen" als eine der zwei „Größen" des Analogieverfahrens sei in den „Rechtsvoraussetzungen", die in einem „Rechtssatz" neben der gesetzten „Rechtsfolge" bestehen, vorhanden. Die geregelten „Rechtsvoraussetzungen" könne man in dem Begriff des „Rechtsfalles", oder auch als „Rechtssatz" 285 vgl dazu die Ausführungen unten unter Pkt. VI 2.c). Im Ergebnis so auch Kaufmann, in: Analogie und Natur der Sache, 6. 287 Sax, in: Das strafrechtliche Analogieverbot, 98 f. 288 Sax, a.a.O., 99f. 286

12 Langhein

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

zusammenfassen, der normalerweise, aber nicht notwendig immer, in begrifflich abstrakter Form einen Lebensvorgang, einen Fall, umschreibe, und „die Gesamtheit der einen „Rechtsfall" bildenden rechtssatzmäßigen Voraussetzungen" meine. 289 Die andere Größe des Analogieverfahrens ist nach Sax anscheinend der „konkrete" Fall, der vom Rechtssatz seinem reinen gesetzlichen Wortlaute nach nicht erfaßt wird. Da der „Rechtsfall" den Ausgangspunkt des formalen Zuordnungsverfahrens durch den Analogieschluß bilde, sei dieses Verfahren nur erfolgreich, wenn und soweit dem zuzuordnenden konkreten Fall dieselbe logische Figur eigne wie dem rechtlich geregelten Fall. Der zuzuordnende „konkrete" Fall könne daher nicht in seiner „konkret-organischen Ganzheit", sondern allein in seinen abstrakt-begrifflich umgeformten Einzelelementen zu den entsprechenden begrifflichen Elementen des „Rechtsfalles" oder „Rechtssatzes" in Relation gesetzt werden. Das Gleichordnungsverfahren des Analogieschlusses vollziehe sich also „zwischen Begriffen". Zusammenfassend hebt Sax hervor, daß „das „rechtlich geregelte Besondere" der Gesamtkomplex der in einer Gesetzesformel enthaltenen und die „Rechtsvoraussetzungen umschreibenden Rechtsbegriffe" ist, und dementsprechend das „,nicht geregelte rechtsähnliche Besondere' die Gesamtheit der in ihrer begrifflichen Qualität erfaßten konkreta eines Lebensvorganges" darstellt. Dieses letztere Besondere sei also deshalb „rechtlich nicht geregelt", weil die jeweilige Anzahl ihrer Begriffselemente sich nicht mit denen des „Rechtssatzes" decke. 290 Da es „Rechtssatzbegriffe" seien, an die das formale Verfahren des Analogieschlusses anknüpfe, werde der „Rechtssatz" aus der „Isolierung" gelöst, denn über die Einzelbegriffe, die den „Rechtssatz" bilden, werden alle diejenigen Gesetzesbestimmungen in ihn einbezogen, die der Erläuterung, Ergänzung und Ausfüllung dieser Begriffe dienen. „Der Rechtssatz, von dem das Analogieverfahren ausgeht, kann und wird in der Regel mehrere Gesetzesbestimmungen umfassen". 291 Als Folge dieser Überlegung komme man, so Sax, zu dem Ergebnis, daß, auch wenn man berechtigt sein sollte, ein an den Gesetzeswortlaut anknüpfendes Verfahren der Gleichordnung von Rechtsähnlichem zu rechtlich Geregeltem als Analogie zu bezeichnen, damit keinesfalls die rechtsinhaltliche Aussage gemacht werde, dieses Verfahren bilde einen neuen Rechtssatz. „Denn dieser kann ja, wenn er auch dem reinen Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen ist, nunmehr das Ergebnis einer teleologischen Auslegung des Gesetzes sein, die ebenfalls über die Grenzen von dessen Wortlaut hinausgeht und die ebenfalls an ihn ein Gleichordnungsverfahren zwischen rechtlich geregeltem Besonderen und nicht geregelten „Rechtsähnlichem" anknüpfe". 292 Der logische Gehalt der formalen Beziehungen der oben dargelegten Größen 289 290 291 292

Sax, a.a.O., lOOf. Sax, a.a.O., 101 f. Sax, a.a.O., 102. Sax, a.a.O., 105.

VI. Analogie als gesetzliche Subsumtion

179

zueinander lasse sich also nur über „Begriffe" verstehen, so daß „rechtliche Analogie die Gleichstufigkeit des rechtlich geordneten und des ihm Zuzuordnenden in der logisch — rechtlichen Begriffsskala voraussetzt". „Nur für Begriffe, die die gleiche begriffliche Stufe einnehmen, kann sich daher die weitere Frage ihrer Rechtsähnlichkeit stellen". 293 Die begriffliche Gleichstufigkeit erfordert es, daß die von rechtlich geordnet eingenommene Begriffsstufe eine solche „Variationsbreite" besitzt, daß es logisch möglich ist, das zuzuordnende ohne Verwechslung der logischen Begriffsschichten dem Geordneten beizugesellen". Dabei werden, so Sax, die logischen Begriffe der Kontradiktion und Kontrarietät insoweit bedeutsam, als eine Analogie bereits formallogisch unmöglich sei, „wo ein gesetzlich geregelter Begriff sämtliche Möglichkeiten seiner Variierung auf der gleichen Allgemeinstufe so umfaßt, daß, logisch gesehen sein kontradiktorisches Gegenteil die einzige Abänderungsmöglichkeit darstellt". 294 Um die logische Verschiedenheit von Kontradiktion und Kontrarietät nicht zu verkennen, erläutert Sax das oben Dargelegte anhand von zwei Beispielen: Jeder gesetzliche Begriff, so Sax, werde durch Zuordnung eines gleichgeordneten „ähnlichen" zunächst in sein kontradiktorisches Gegenteil verkehrt. Die Zuordnung von „Frau" zum Begriff „Mann" in § 175 StGB ergebe zunächst die Relation „Mann — Nicht-Mann". Der Begriff „Mann" werde aber durch einen eigenen positiven Inhalt, eben „Frau" ersetzt, so daß es sich in Wirklichkeit um Kontrarietät von Begriffen handele, die als Abstufungen des gemeinsamen Oberbegriffs „Mensch" die gleiche Allgemeinheitsstufe einnehmen, deren Gleichordnung im Wege der Analogie formallogisch daher zulässig sei. Andererseits könne in Ansehung eines isolierten Rechtssatzes eine nur „scheinbare" Kontrarietät in Wirklichkeit eine Kontradiktion sein, wenn man den Rechtssatz in seinem rechtlichen Zusammenhang betrachtet. Treffe ein Rechtssatz χ eine Regelung für „deutsche Staatsangehörige", der Rechtssatz y eine andersartige für „Ausländer", d.h. alle Nichtdeutschen, so scheine es logisch zulässig, dem Begriff „französischer Staatsangehöriger" als einen konträren, der gleichen Allgemeinstufe angehörigen Begriff zuzuordnen. Aus dem rechtlichen Zusammenhang zwischen Rechtssatz χ und y ergebe sich jedoch, daß der Begriff „deutsche Staatsangehörige" richtigerweise „nicht Angehörige irgendeines Staates oder Staatenlose, sondern nur Angehörige des deutschen Staates" meine, so daß er durch die Zuordnung von „französische Staatsangehörige" in Wirklichkeit in sein kontradiktorisches Gegenteil verkehrt würde. 295 Die logische Beziehung zwischen den im Analogieschluß einander zugeordneten Größen lasse sich also folgendermaßen feststellen: „sie müssen Begriffe sein, die einander auf derselben Stufe der begrifflichen Allgemeinheit konträr gegenüberstehen". 296 293 29+ 295 296 1*

Sax, a.a.O., Sax, a.a.O., Sax, a.a.O., Sax, a.a.O.,

105f. 107. 107f. 108.

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

b) Sax kommt nach einer kritischen Auseinandersetzung mit der bis 1951 erschienenen Literatur zum Ergebnis, daß die logische Bestimmbarkeit der „Rechtsähnlichkeit" zwischen den oben dargelegten zwei Größen nicht möglich ist. Bei der theoretischen Bestimmung hinsichtlich der Rechtsähnlichkeit sei man über Schlagworte und allgemeine Umschreibungen nicht hinausgekommen. 2 9 7 Davon ausgehend, daß die Analogie im Hinblick auf die „differentia specifica" der in ihr enthaltenen Rechtsähnlichkeitsrelation — ebenso wie die Auslegung in Bezug auf die Entfaltung des Gesetzessinnes — ein „teleologisches Verfahren" darstellt, meint Sax, daß die Analogie, wie auch die Auslegung, einer einheitlichen methodologischen Aussage zugänglich ist. 2 9 8 Zur Ergründung ihrer „Rechtsähnlichkeit" seien die zwei Größen, so Sax, einem „Vergleich" zu unterziehen, dessen „Vergleichsgesichtspunkt" oder „Maßprinzip" ermittelt werden müsse. Angesichts des Vergleichszieles, zwischen den zu vergleichenden Größen eine „Rechts"-Ähnlichkeit festzustellen, um sie bei der Rechtsfolge gleich zu behandeln, müsse auch der Vergleichsgesichtspunkt ein „rechtlicher" sein. 299 Da aber nur die Zuordnungsgröße rechtlich geregelt sei, könne das „Vergleichsprinzip" oder „Maßprinzip" nur aus dem Bereich der Zuordnungsgröße entnommen werden. Dabei scheine einzig die Möglichkeit offen zu bleiben, „daß der durch den Gesetzeswortlaut vordergründig verkörperte und durch teleologische Auslegung zu entfaltende Gesetzessinn selbst als der rechtliche Vergleichspunkt anzusehen ist". „ I m Hinblick hierauf verglichen, wären Zuordnungs- und zuzuordnende Größe einander rechtsähnlich, wenn beide — ungeachtet ihrer Verschiedenheit im übrigen —jedenfalls in denjenigen „Voraussetzungen" übereinstimmen, die — vom Sinn des Gesetzes her gesehen — sich als wesentlich für die gesetzlich statuierte Rechtsfolge erweisen". 300 M i t der Messung der beiden Größen an „demselben" Gesetzessinn wären beide Vergleichsgrößen nicht rechtsgleich, wie Sax hervorhebt, denn der Gesetzessinn erfasse nur die Zuordnungsgröße. Das „tertium comparationis" gewinne man aber nicht durch einen „Obersatz", der „durch Verallgemeinerung des Sinngehaltes der zu erstreckenden Rechtsnorm, also durch Eliminierung ihrer spezifischen Sinnbestandteile" entstehe, und eine Unterordnung beider Größen gestattete. Denn die „Wesentlichkeit" derjenigen Voraussetzungen, in denen beide Größen dann übereinstimmten, ließe sich aus rechtlicher Sicht nicht begründen, da man von Bestandteilen des Gesetzessinnes absehen müßte, um einen allgemeineren „Obersatz" zu gewinnen. Nach Sax deute also alles daraufhin, daß als „Maßprinzip" der beiden auf Rechtsähnlichkeit zu vergleichenden Größen der „Gesetzessinn" zu nehmen sei. Daraus folge, „daß Analogie in ihrer Rechtsähnlichkeitsschicht notwendig in den Bereich teleologischer Gesetzesauslegung einmündet und sich notwendig innerhalb der Grenzen dieses Bereiches halten muß". 3 0 1 297 298 299 300

Sax, a.a.O., 130ff. (134). Sax, a.a.O., 130ff. (134). Sax, a.a.O., 136f. Sax, a.a.O, 139.

VI. Analogie als gesetzliche Subsumtion

181

Die bisherige Ergründung der Rechtsähnlichkeit sei, so Sax, allerdings nur auf die Prämissen des Analogiesyllogismus, d. h. auf die beiden Größen, bezogen gewesen, so daß nun zu fragen sei, was zu dem Schluß von den ähnlichen, d.h. wesensgleichen rechtlichen Voraussetzungen auf die gleichen rechtlichen Folgen berechtige. Diese Frage führe zum eigentlichen Kern des Rechtsähnlichkeitsproblems, da sie nicht von der Frage getrennt werden könne, die das „worin" der Rechtsähnlichkeit beider Vergleichsgrößen ergründet. In der Naturwissenschaft seien die Prämissen im Ober- und Untersatz „durch die latente Prämisse der Gesetzlichkeit des (wirklichen oder fingierten) Naturgeschehens ausgerichtet", so daß von der Ähnlichkeit der verglichenen Größen, d. h. der Gleichheit ihrer „wesentlichen Voraussetzungen", auf die Gleichheit der Folgen geschlossen werden könne. 302 Nun werde eine rechtliche Analogie aber nicht von der latenten Prämisse der Naturwirklichkeit beherrscht, so daß so lange kein einwandfreies und überzeugendes Ergebnis erzielt werde, als das Prinzip nicht erkannt sei, das den rechtlichen Analogieschluß steuere. Dieses Gestaltungsprinzip offenbare die nähere Beleuchtung des „Zusammenhanges", in den die auf Rechtsähnlichkeit zu vergleichenden Größen hineingestellt seien. Es ist weder als ein „Seinszusammenhang", in dem das Kausalprinzip den Analogieschluß gestatte, noch als ein „Recht s Wertzusammenhang", den die Gerechtigkeit als höchstes Regulativ beherrsche, oder als der „Zusammenhang vernunftbestimmter menschlicher Geistestätigkeit" hinreichend konkretisiert. „Er ist vielmehr zu kennzeichnen als der Zusammenhang menschlich-willkürlich gesetzter Zwecke". 303 Die Gesamtfunktionsweise des Rechtssatzes sei „sollensgesetzlich" nicht „seinsgesetzlich" begründet, da der Rechtssatz in seiner äußeren Gestalt „in den Zusammenhang menschlicher Zweckbestimmung" eingebettet sei. Das Gesolltsein der Rechtswirkung in der Beziehung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge ruhe aber nicht in sich selbst, sondern es gründe im „Wollen des Normsetzenden". „ M i t Setzung der Sollensnorm will er ein bestimmtes rechtliches Ordnungsziel erreichen". 304 Unter Rückgriff auf Nicolai Hartmann 3 0 5 konstatiert Sax, daß im Hinblick auf denkbare Konfliktsfalle der „Gesetzgeber" das Ordnungsziel antizipiere, das bei ihrem Eintritt zweckmäßig zu verwirklichen sei, in der er den Konfliktsfall am System der Werte messe. Dies sei der „erste", im Bewußtsein gesetzte A k t des Finalprozesses. Der „zweite", rückläufige Bewußtseinsakt bestehe in der „Selektion der Mittel", die das antizipierte Ziel am zweckmäßigsten verwirkliche. Während im Zweckhandeln als „drittem" A k t die „Realisation" des im 301 Sax, a. a. Ο., 140 zeigt jedoch nicht die „Notwendigkeit" seiner Logik auf, so daß es sich allenfalls um eine subjektive Notwendigkeit handeln kann. 302 Sax, a. a. Ο., 141 ff. (143) übergeht hier die wesentliche Unterscheidung in quantitative- und qualitative Analogie. Vgl. dazu die Ausführungen im Ersten Teil, zweiter Abschnitt. 303 Sax, a.a.O., 143f. (144) offenbart hier seine Nähe zu Jhering. 3C * Sax, a.a.O., 144f. 305 Sax, a.a.O., 146 dort in der FN 1.

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„wollenden Bewußtsein" antizipierten Zieles durch den Gesetzesanwender, im Privatrecht den Rechtsgenossen erfolge, finde der Finalprozeß der Normsetzung mit dem zweiten A k t sein Ende. Der Rechtssatz verkörpere daher einen dreiaktigen Finalnexus. 306 Da es Zweckprinzipien seien, die die Entstehung der positiven Rechtssätze, wie auch das innere Gefüge des einzelnen Rechtssatzes bestimmen, könne das Prinzip, das den rechtlichen Analogieschluß steuere, nur ein „teleologisches" Prinzip sein. „Dieses ist zu bestimmen als der Grundsatz, daß die Einfügbarkeit auch der zuzuordnenden Größe in die vom Gesetz verkörperte Zweckrichtung ihre rechtliche Gleichbehandlung mit der Zuordnungsgröße nach sich zieht". Das sei das Bildungsgesetz des rechtlichen Analogieschlusses. Die zuzuordnende Größe sei der Zuordnungsgröße also dann rechtsähnlich, „wenn sie sich in die Zweckrichtung einfügt, die der Rechtssatz in Ansehung der in ihm enthaltenen Zuordnungsgröße des rechtlich geregelten Falles verkörpert". Die Rechtsähnlichkeit sei daher auf den durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Rechtssatzes, den Gesetzessinn, bezogen („Rechtsinhaltsbezogenheit des Analogiebegriffs"), „und die Möglichkeit ihrer Feststellung findet dort ihre Grenze, wo die Gesetzesauslegung endet". Die „Rechtsähnlichkeit" lasse sich abschließend präzisieren als „die Übereinstimmung des nach dem Gesetzeswortlaut vordergründig rechtlich geregelten Falles und des ihm zugeordneten nicht geregelten Falles in Ansehung des teleologisch ermittelten Gesetzessinnes desjenigen Rechtssatzes, dessen Erstreckung auf den nicht geregelten Fall erwogen wird". 3 0 7 c) Eine direkte Auseinandersetzung mit der durch Sax erfolgten Festlegung der rechtlichen Analogie auf ein „im Bereich teleologischer Gesetzesauslegung sich vollziehendes logisch-rechtliches Schlußverfahren" 308 hat, soweit ersichtlich, bisher nicht stattgefunden. I m Vordergrund der strafrechtlichen Diskussion steht nur die Auseinandersetzung über die Grenzziehung zwischen zulässiger (belastender) Auslegung und verbotener Analogie gem. Art 103 I I G G und § 1 StGB. Dabei begrenzt sich der Streit im wesentlichen auf die Frage, ob der „Wortlaut" oder der wahre „Sinn" des Gesetzes bei der Gesetzesauslegung maßgebend ist. 3 0 9 In Abgrenzung von „naturwissenschaftlichen Analogien" und denen „des täglichen Lebens", die der „Erweiterung der Erkenntnis vom Gegebenen auf das Nichtgegebene dienen", strebt laut Sax die rechtliche Analogie „nach Erstreckung der menschlichen Zwecksetzung vom ausdrücklich zweckgesetzten 306 Sax, a. a. Ο., 146 zeigt hier sehr deutlich, aber unbewußt, eine Parallele zu Thibauts Ansatz auf, in dem der Richter in das vom Gesetzgeber in mente antizipierte Ordnungsziel „hineinschlüpft", um daraus auftretende Konfliktsfalle zu lösen (vgl. dazu die Ausführungen zu Thibaut im zweiten Teil, zweiter Abschnitt). 307 Sax, a.a.O., 147. 308 Sax, a.a.O., 148. 309 Vgl. Schönke/Schröder/Eser zu § 1 Rdn. 26ff.; Rudolphi, in: Systematischer Kommentar Rdn. 22 m.w.N.; Stratenwerth, in: Strafrecht Allgemeiner Teil I, Rdn. 98ff. m.w.N.

VI. Analogie als gesetzliche Subsumtion

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Fall auf einen nichtgesetzten". 310 Sax grenzt sich demzufolge im Gegensatz zu Stammler von der Grundstruktur der klassischen Analogie, die als Verfahren vom Bekannten oder Bekannteren auf das Unbekannte oder Minderbekanntere schließt, ab, und erläutert in positivistisch (teleologisch) strengem Maße die Bedeutungsfunktion einer Norm und ihrer Handhabung. Sax erläutert die „Erstreckung" eines vom Normgeber zweckgesetzten Falles (seil. „Tatbestand") auf den „nichtgesetzten" Fall — den festgestellten oder gedachten Lebenssachverhalt. Für Sax ist es unbegreiflich, einen vom Gesetz nicht erfaßten Lebenssachverhalt über ein Verfahren eine Regelung „aus" dem Gesetz zukommen zu lassen. Dies wird deutlich bei der Auseinandersetzung mit dem von Bartholomeyczik vorgelegten Analogieverfahren. 311 Für Sax schwebt eine Entscheidung, die den gesetzlich nicht geregelten Fall weder nach der Auslegung des Gesetzes bestimmt, noch aus dem „analogen Obersatz", der „kein Rechtssatz", sondern ein methodisches Hilfsmittel der Rechtsfindung sein soll, regelt, „völlig im leeren Räume"! „Sie ist weder im Gesetz noch im außergesetzlichen Recht verankert". 312 Sax meint, daß ein Schlußverfahren, welches auf die rechtliche Entscheidung eines gesetzlich nicht erfaßten Falles abzielt, „aber keinen Rechtssatz ergibt und doch die rechtliche Entscheidung des Falles ermöglicht", ein unlösbarer Widerspruch ist, der sich verdoppelt, wenn man die Analogie als „eine neue Rechtsquelle" bezeichnet, „die neben Gesetz und Gewohnheit selbständige Bedeutung h a t " . 3 1 3 , 3 1 4 Aus dem dargelegten Analogieverständnis von Sax bezogen auf Bartholomeyzik, der stellvertretend für viele Literaturdeutungen über die Analogie herangezogen wird, ist deutlich, daß „konkrete" Fälle, die nicht im Sinne von Sax dem „Rechtsfall" zugeordnet werden können, aus dem Bereich rechtlicher Regelung fallen. Sax lehnt jegliche Jurisdiktion von gesetzlich nicht erfaßten Fällen ab und klammert sich ausschließlich an die positive Norm. Schon mit der Vorgabe, daß die eine Größe, welche das „nicht geregelte rechtsähnliche Besondere" darstellt, dieselbe logische Struktur aufweisen muß, wie sie der „Rechtssatz" als andere Größe hat, zeigt die Ausgrenzung des Analogieverfahrens auf. Denn die Gegenüberstellung der zwei Größen dient Sax letztlich dem Ziel, konkrete Fälle den jeweils passenden Normtatbeständen, den „Rechtsfallen", zuzuordnen. Der aus Oberbegriffen zusammengesetzte Normtatbestand soll also das „nicht geregelte rechtsähnliche Besondere" übermanteln 3 1 5 , was nichts anderes als die herkömmliche Subsumtion darstellt. Hier liegt auch die Parallele zu Kaufmann. 3 1 6 Daß Sax in einer umständlichen, aber 310

Sax, a.a.O., 148. Vgl. dazu die Ausführungen zu Bartholomeyczik im Zweiten Teil, dritter Abschnitt zu Pkt. III 4. 312 Sax, a.a.O., 151. 313 Bartholomeyczik, in: Die Kunst der Gesetzesauslegung, 119. 314 Sax, a.a.O., 151 f. 315 Sax, a.a.O., 146 spricht in Anlehnung an N. Hartmann von „überformt".

311

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eindrucksvollen Weise den methodischen Vorgang der Subsumtion als Analogie ausgibt 317 , ist nur über das von ihm im Mittelpunkt stehende „teleologische" Auslegungsverfahren zu verstehen. Dieses ermöglicht Sax die Ausdehnung des „Rechtsfalles" auf den „konkreten" Fall mittelst der Erforschung des Gesetzeszweckes, der den „Rechtsfall" leitet. Dabei übersieht Sax die eigentliche Aufgabenstellung des Analogieverfahrens, welche nicht eine Erstreckung des Rechtsfalles auf den ihm zuzuordnenden „konkreten" Fall darstellt, sondern die rechtliche Regelung eines vom Gesetz nicht erfaßten konkreten Lebenssachverhaltes ermöglichen soll. Für Sax ist das „nicht geregelte rechtsähnliche Besondere" als die eine Größe deswegen nicht geregelt, weil es den „konkreten" Fall darstellt, der in seiner Besonderheit als Lebenssachverhalt nicht vom Gesetzgeber kasuistisch erfaßt ist. Die kasuistische Erfassung des „konkreten" Falles ist aber durch den Normtatbestand, der in einer modernen Kodifikation aus Oberbegriffen zusammengesetzt ist, unter die der „konkrete" Fall untergeordnet wird, ersetzt worden. Mithin behandelt der Subsumtionsvorgang das Verhältnis von Normtatbestand und „konkretem" Fall, die Sax als die „zwei Größen" bezeichnet. Erfaßt der Normtatbestand durch die Auslegung nicht den darunter zu ordnenden „konkreten" Fall, so entfallt die der jeweiligen Norm eigene Rechtsfolge. Dieses Ergebnis findet auch bei Sax Anerkennung, allerdings mündet dabei die Analogie in die Auslegung. Erst nach Feststellung dieses Urteils beginnt aber seiner Grundstruktur zufolge die Analogie, die „weder im Gesetz noch im außergesetzlichen Recht verankert" sein soll. 3 1 8 Zusammenfassend ist festzuhalten, daß Sax die Methode der Subsumtion als Analogie sieht und damit den Bereich „teleologischer" Gesetzesauslegung definiert. Die Grundstruktur der Analogie wird dabei ausgegrenzt, um die Gesetzlichkeit der Jurisdiktion in den Vordergrund zu stellen. Interessant ist, daß in den Ausführungen von Sax zu „seiner" Analogie Parallelen zu Stammler und im weitesten Zusammenhang auch zu Jhering festzustellen sind. Während Stammler das „richtige Recht" in dem Zuge zum richtigen Wollen begründet sieht 319 , meint Sax, daß im dritten durch das Bewußtsein gesetzten Akt des Finalprozesses die Realisation des im wollenden Bewußtsein antizipierten Zieles erfolge, das im Privatrecht dem anwendenden Rechtsgenossen vorbehalten sei. 320 Dieser Hang zum absoluten Positivismus, 316 Vgl. dazu die Ausführungen zu Kaufmann im Zweiten Teil, dritter Abschnitt zu Pkt. VI 2. Zur Problematik des richtigen Subsumtionsverfahrens vgl. auch Wieland, in: Aporien der praktischen Vernunft, 11 ff. 317 Vgl. schon Elze, in: Lücken im Gesetz, 62f.; Wieland, a.a.O., 18. 318 Vgl. dazu auch die Ausführungen zu Bartholomeyczik im Zweiten Teil, dritter Abschnitt zu Pkt. III 4. Es ist allerdings einzuräumen, daß im Rahmen der Subsumtion die nahezu unüberwindliche Schwierigkeit besteht, Normenbegriffe auf eine unmittelbar vorgefundene Wirklichkeit (konkreter Lebenssachverhalt) anzuwenden. Beim Subsumtionsvorgang geht man nämlich grundsätzlich von der begrifflich erfaßten Wirklichkeit aus, die selbst bereits das Resultat von Abstraktionen, Konstruktionen oder Konventionen ist. Wieland, a.a.O., 15. 319 Stammler, a.a.O., 392.

VI. Analogie als gesetzliche Subsumtion

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den Sax im soziologisch empirisch festgestellten Menschheitsbild erblickt, steht auch parallel zu Jhering, was Ebbinghaus im Verhältnis zwischen Stammler und Jhering herausgeforscht hat. 3 2 1 Allerdings rückt der Positivismus von Sax auch auf die grundlegende Vorgabe von Thibaut zurück, der den Richter in die Gedankenwelt des Gesetzgebers versetzt, um darüber Regelungsnormen zu schöpfen. 322 Insoweit findet hier eine Verschmelzung der positivistischen empirischen Vorgabe Jherings mit den persönlichen Anschauungen des Rechtsanwendenden statt. Diese Entwicklung zeichnet auch Wieacker nach, der sich dabei diesen Rechtsbegründungsakt auch selbst zu eigen macht. 3 2 3 Neben diesem Grundeinwand zu den Ausführungen von Sax ist im folgenden kurz auf die Logik in der Gedankenführung einzugehen. Die Untersuchung von Sax ist insgesamt von der Vorstellung einer neuen „Rechtssatz"-Bildung bei dem herkömmlichen rechtlichen Analogieverfahren geprägt. Insoweit steht die vorgegebene Gesetzestreue von Sax dem entgegen. M i t Darlegung der „formallogischen Schicht" des Analogieverfahrens wird durch Sax das Material, mit dem der Jurist umzugehen hat, nicht aber ein Verfahren aufgezeigt. Die Festlegung der im Analogieschluß einander zuzuordnenden Größen auf Begriffe, welche einander konträr gegenüberstehen müssen, entspricht zwar der Gesetzestreue von Sax, ist aber eine unbegründete Vorgabe. Bei Behandlung der „rechtsinhaltsbezogenen Schicht" des Analogieverfahrens setzt Sax zur Ermittelung der Rechtsähnlichkeit der zwei Größen den „Gesetzessinri" als Vergleichsgesichtspunkt ein. Von der Möglichkeit einer Erfassung des „Gesetzessinnes" absehend, ist aber schon fraglich, was im Hinblick auf letzteres „wesentlich" für die Übereinstimmung der „Voraussetzungen" beider Größen ist. „Wesentlich" ist doch das Teil, das zur Funktion eines Verfahrens benötigt wird, dementsprechend muß es auch benannt werden. Sax benutzt mit dem Wesentlichkeitskriterium gerade das, was er an anderen Rechtsähnlichkeitskriterien der Literatur kritisiert hat, nämlich eine Umschreibung ohne „spezifischen Aussagewert". 324 Die Ergründung einer rechtlichen latenten Prämisse bei dem Schluß von den ähnlichen rechtlichen Voraussetzungen auf die gleichen rechtlichen Folgen, gehört insgesamt zu einen Kernproblem des Analogieverfahrens. Warum sich Sax aber der gründlichen Erforschung dieser latenten Prämisse widmet, ist unverständlich, denn sie ist im Rahmen seiner Untersuchung schon festgelegt. Die Festlegung auf die Kontrarität der zu vergleichenden Begriffsgrößen lenkt und steuert das Verfahren von Sax und bedarf keiner weiteren latenten Prämisse. Die doppelte Steuerung, wie Sax sie 320

Sax, a.a.O., 146. Ebbinghaus, in: Kants Rechtslehre und die Rechtsphilosophie des Neukantianismus, in: G. Prauss (Hrsg.) Kant zur Deutung seiner Theorie vom Erkennen und Handeln, 322 ff. 322 Vgl. dazu insbesondere die Ausführungen zu Thibaut und auch Windscheid im Zweiten Teil, zweiter Abschnitt. 323 wiacker, in: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 610. 321

324

Vgl. Sax, a.a.O., 131 f.

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vorgibt, könnte sich aufgrund unterschiedlicher Ansatzpunkte widersprechen, denn das Einfügen der zuzuordnenden Größe in die Zweckrichtung des Rechtssatzes ist von dem „teleologisch ermittelten Gesetzessinn" geprägt, der von dem vorgegebenen Gattungsbegriff abweichen kann. 2. Analogie als Angleichung von Gesetzesnorm und Lebenssachverhalt über das Denken aus der „Natur der Sache" und dem Typus — Kaufmann 21982 (11965) Eine Gesamtdarstellung des rechtswissenschaftlichen Denkens, das sich aus der „Analogie", der „Natur der Sache" und dem „Typus" zusammensetzen soll, ist Gegenstand der Untersuchungen Arthur Kaufmanns. Die Rezeption der „Philosophischen Hermeneutik" steht dabei im Vordergrund 3 2 5 , wobei ein Festlegen auf eine systematische Begrifflichkeit ausbleibt und stattdessen aus der Fülle unterschiedlichster philosophischer wie rechtstheoretischer Ansätze geschöpft wird. Dies führt dann auch zur Schwierigkeit einer Festlegung auf vorgegebene Grundsätze, so daß einerseits der Vorteil eines recht offenen Umgangs mit dem von Kaufmann Vorgegebenen, andererseits jedoch die Möglichkeit einer genauen, bzw. gegensätzlichen Auseinandersetzung genommen wird. So ist beispielsweise der Rückgriff auf Kant, der für den Leser als bekannt vorausgesetzt wird, verbaut, da weitgehend die direkte Angabe von Fundstellen ausbleibt. 326 Auch wird der Eindruck erweckt, daß ein Nachvollziehen des Denkens aus der „Natur der Sache" nur über ein Medium erfolgen kann, das sich der Leser erst selbständig erarbeiten muß. a) Daß alle Gesetze Lücken haben, so Kaufmann, sei nachgerade ein Gemeinplatz geworden. Demgegenüber herrsche immer noch die von der rationalistisch-absolutistischen Naturrechtsdoktrin, wie auch vom normativistischen Rechtspositivismus ausgehende Meinung, daß man das lückenhafte Gesetz durch Auslegung, Analogie, Umkehrschluß, teleologische Reduktion und dergleichen Argumentationen „aus sich heraus" vervollständigen könne. Diese Vorstellung sei irrig, da weder die Rechtsnormen vollständig und fertig in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen (der Rechtsidee), noch die Rechtsentscheidungen (das konkrete Recht) vollständig und fertig in den Rechtsnormen enthalten seien. Damit fehle es an der Voraussetzung aus dem Naturrecht, das positive Gesetz und daraus das konkrete Urteil im Wege logisch stringenter Syllogismen zu gewinnen. Diesem trage die allgemeine Überzeugung insofern Rechnung, als man in der juristischen Methode eine „teleologische" Methode, eine „transzendentale Logik", die noch weitgehend im Dunkeln liege, sehe. 327 b) Kaufmann stellt dogmenhaft die Nichtexistenz eines „überpositiven Rechts", d. h. der „reinen Wesenheiten", die rein ideele Gehalte bezeichnen, wie die Rechtsidee und die allgemeinen Rechtsgrundsätze (Rechtsprinzipien), 325 326 327

Arthur Kaufmann, in: Analogie und Natur der Sache, 76 ff. Kaufmann, a.a.O., 29, 32, 47. Kaufmann, a.a.O., 16f.

VI. Analogie als gesetzliche Subsumtion

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heraus, da diese mangels Konkretheit kein Recht im vollen Wirklichkeitssinne seien. Bei dem Verhältnis von Gesetz und Recht gelte, daß es für einen realen Lebenssachverhalt immer nur „ein" Recht gebe, welches positiv, konkret und geschichtlich sei. Jede Rechtsentscheidung setze eine Norm voraus, wobei letztere nur ein Maßstab für viele „mögliche", Fälle, niemals aber die Entscheidung eines wirklichen Falles darstelle. 328 Gleiches gelte für das Verhältnis von Gesetz und Rechtsidee, denn es sei nicht zu bezweifeln, daß bei aller Gesetzgebung schon gewisse Grundgebote der Gerechtigkeit, der Sittlichkeit, des „bonum commune", als das zu Verwirklichende vorausgesetzt seien. Somit könne nichts gegen die „Absolutheit vorgegebener Rechtsgehalte" eingewendet werden. Zwar könne das Gesetz oder die konkrete Rechtsentscheidung aus solchen Rechtsgrundsätzen nicht einfach deduziert werden, dennoch bleibe es aber richtig, „dass es ohne allgemeine Wertgesichtspunkte nicht geht". 3 2 9 Kaufmann unterscheidet dementsprechend drei Stufen im Prozeß der „Rechtsverwirklichung": Die erste Stufe besteht aus den „abstrakt-allgemeinen, überpositiven und übergeschichtlichen Rechtsgrundsätzen"; die zweite Stufe ist das „konkretisiert allgemeine, formell positive für einen Zeitabschnitt („Gesetzesperiode") geltende Gesetz"; die dritte Stufe ist das „konkrete, materiellpositive, geschichtliche Recht". 3 3 0 Zur Darlegung des Analogieverständnisses bei Kaufmann sind nun zwei Thesen maßgebend: Erstere besagt, „daß im Prozess der Rechtsverwirklichung keine der genannten Stufen entbehrlich ist", zweitere, „daß keine Stufe aus der (logisch) nächst höheren (allgemeineren, abstrakteren) einfach deduziert werden kann". 3 3 1 M i t der ersten These bekennt sich Kaufmann zur „Vor-Gegebenheit des Wertgesichtspunktes"; mit der zweiten These wird eine Absage an jene einseitig „normativistischen" Richtungen erteilt, die „nur auf den Wertgesichtspunkt, die Idee, die Norm, das Sollen sehen und es für möglich erachten, man könne von hier aus ohne weiteres zum realen Recht gelangen". M i t der zweiten These wendet sich Kaufmann auch gegen Puchtas „Genealogie der Begriffe" und gegen die „naturhistorische Methode" des frühen Jhering, und damit gegen die „Begriffsjurisprudenz". „Die Deduktion der Existenz aus der Essenz, der Wirklichkeit aus der Möglichkeit, des Seins aus blossen Begriffen ist der Kernpunkt der Begriffsjurisprudenz: die Begriffe drücken nicht nur Wesenheiten aus, sie produzieren Sein". 332 328

Kaufmann, a.a.O., lOf. Kaufmann, a.a.O.,12. 330 Kaufmann, a. a. Ο., 11 f. Die Widersprüchlichkeit zum vorher dargelegten Postulat der Nichtexistenz eines „überpositiven" Rechts übergeht Kaufmann. 331 Kaufmann, a.a.O., 13. 332 Kaufmann, a.a.O., 14f. 329

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2. Teil, 3. Abschn.: Das 20. Jahrhundert

Von der zweiten These ausgehend fragt sich Kaufmann, woraus die volle Wirklichkeit des Rechts erwächst. Die Antwort darauf sieht Kaufmann in den „konkreten Lebensverhältnissen", da die Norm als ein Sollen nicht aus sich heraus reales Recht hervorbringt; „es muss ein Seinshaftes hinzutreten". „Erst wo Norm und konkreter Lebenssachverhalt, Sollen und Sein, zueinander in Entsprechung treten, entsteht reales Recht". 3 3 3 Das Recht sei eine Entsprechung, eine Einheit von Verhältnissen. „Verhältniseinheit, Entsprechnung: das aber bedeutet Analogie". 3 3 4 Unter Rückgriff auf die „klassisch einfachen Formulierungen" zur Analogie, die in der „Übereinstimmung gemäß einem Verhältnis" besteht (Thomas von Aquin), in der „Zusammengehörigkeit von Identität und Differenz" (Heidegger), in der „Mitte zwischen Identität und Widerspruch" (Lakebrink), in der „Einheit der Entsprechnung zwischen Wesensverschiedenem"(Söhngen), in der „dialektischen Identität", in der „Einheit von Einheit und Gegensatz", „Identität der Identität und Nichtidentität" (Hegel), sagt Kaufmann, „daß die Wirklichkeit des Rechts selbst in einer Analogie gründet und daß demzufolge Rechtserkenntnis immer analogische Erkenntnis ist. Das Recht ist ursprünglich analog". 335 „Gleichsetzungen von Ungleichem nach Maßgabe eines sich als wesentlich erweisenden Gesichtspunktes, also Analogien, finden sich nun aber überall im Recht", was Kaufmann u.a. anhand der „exemplifizierenden Methode" des Gesetzgebers durch Angabe nur einiger Beispiele für die Festlegung „besonders schwerer Fälle" in analoger Form durch den Strafrichter herausstellt. 336 Damit sei aber das „Gleichheitsproblem" aufgeworfen, das Kernproblem des Rechts überhaupt, da die Rechtsidee, die Gerechtigkeit, Gleichbehandlung des Gleichen und Verschiedenbehandlung des Ungleichen fordere. 337 Unter Rückgriff auf Heller 3 3 8 gibt es aber nach Kaufmann nur partielle Gleichheit- und Ungleichheit, so daß nur die Analogie des Seienden gegeben ist: „denn noch bevor ein Prinzip der Gleichsetzung oder Ungleichsetzung bewußt wird, werden die Dinge in ihrer Ähnlichkeit respektive Unähnlichkeit erfaßt". 339 Demzufolge münde das Gleichheitsproblem in das Problem der Analogie. Nach Aristoteles sei das Gerechte nicht eine formale Gleichheit, sondern eine Gleichheit der Verhältnisse, ein Proportionales, ein Entsprechendes, eine Mitte — die Mitte aber eine Analogie. 340 333 Kaufmann, a.a.O., 18 versteht unter „konkreten Lebensverhältnissen" und „Lebenssachverhalt" ein- und dasselbe. Eine andere Deutung ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. 334 Kaufmann, a.a.O., 18. 335 Kaufmann, a. a. Ο., 19. Für die Bezugnahme auf die im Text genannten Autoren vgl. Kaufmann, a.a.O., 19 dort in den FN 42, 43, 44, 45, 46. 336 Kaufmann, a.a.O., 26ff. (28). 337 Kaufmann, a.a.O., 29. 338 Heller, in: Logik und Axiologie der analogen RechtsanWendung, 3 ff. 339 Kaufmann, a.a.O., 30. 340 Kaufmann, a.a.O., 30 unter Bezugnahme auf Aristoteles dort in der FN 71.

VI. Analogie als gesetzliche Subsumtion

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Der Analogieschluß, so Kaufmann, sei kein logischer Schluß; er gehe nicht vom Besonderen zum Besonderen, sondern über ein Allgemeines zum Besonderen. 341 Er komme erst zum Zug, wenn die Analogate vergleichbar gemacht, d.h. in eine Ähnlichkeitsbeziehung gebracht worden seien (diese „extensio" sei das Herzstück der Analogie). Dazu bedürfe es eines tertium comparationis, welches das eigentlich Problematische an der Analogie sei; denn der Vergleichspunkt stehe nicht fest, er sei, wenn auch nicht völlig beliebig, auswechselbar. Die latente Prämisse sei, jedenfalls im Sinn- und Werthaften, eine variable Prämisse. Statt Ähnlichkeit könne immer auch Unähnlichkeit festgestellt werden, so daß es auf den Aspekt ankomme, unter dem verglichen werden solle. 342 A n Stelle des Analogieschlusses ist nach Kaufmann ohne nähere Begründung „logisch (freilich nicht teleologisch!) immer auch der Umkehrschluß möglich", „entscheidend ist die Wahl des tertium comparationis, unter dem die zu Vergleichenden betrachtet werden". 343 Für Kaufmann weist nach dem nunmehr Dargelegten jede „Rechtserkenntnis", jede „Rechtsfindung, jede sog. „Subsumtion" die „Struktur der Analogie" auf, denn „subsumieren" heißt, daß Norm und konkreter Lebenssachverhalt zueinander „in Entsprechung gebracht", „gleichgemacht" werden. 344 Diese Tatsache erkläre auch „das immer wieder bestaunte Phänomen, „daß das Gesetz klüger ist als der Gesetzgeber". 345 Gesetzgebung als Angleichung von Rechtsidee und künftigen möglichen Lebenssachverhalten, und Rechtsfindung als Angleichung von Gesetzesnorm und wirklichem Lebenssachverhalt, ein solches „In-die-Entsprechung-bringen von Sollen und Sein" setze nun das „Tertium" voraus. Dieses „Tertium" als „Mittler des Gesetzesgebungs- wie RechtsfindungsVerfahrens ist der „Sinn", in dem Rechtsidee bzw. Gesetzesnorm und Lebenssachverhalt identisch sein müssen". Kaufmann nennt diesen Sinn auch „Natur der Sache". Die „Natur der Sache" sei „der Angelpunkt des Analogieschlusses". 346 Das Denken aus der „Natur der Sache" sei, so Kaufmann, typologisches Denken, „der gesetzliche Tatbestand als vertypter Lebenssachverhalt". „Der Typus bildet die Mittelhöhe 341

Kaufmann, a.a.O., 33ff. (34f.) zeigt damit durchaus das klassische Analogieverständnis des Aristoteles, wie es im Ersten Teil, zweiter Abschnitt dieser Abhandlung dargelegt ist, auf. Allerdings stellt Kaufmann die logische Bedeutung von vollständiger — und unvollständiger Analogie wie Induktion nicht deutlich genug heraus, so daß dem Kernpunkt der klassischen Analogielehre ausgewichen wird. Daß Kaufmann keine ausreichende Erklärung zur Analogie herausarbeitet, wirkt sich über den weiteren Gang seiner Abhandlung problematisch aus, denn Kaufmann verliert sich bei der Umsetzung des eigentlichen, klassischen Analogieverständnisses für den juristischen Gebrauch in ein geradezu klassisches Zirkelargument. 342 Kaufmann, a.a.O., 36. 343 Kaufmann, a.a.O., 36. 344 Kaufmann, a.a.O., 37. 345 Kaufmann, a.a.O., 41. 346 Kaufmann, a.a.O., 44.

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zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen, er ist ein vergleichbares konkretes, ein universales in re". „Der Typus in seiner größeren Wirklichkeitsnähe, Anschaulichkeit und Gegenständlichkeit ist demgegenüber (seil, dem „abstrakt allgemeinen Begriff") nicht definierbar, sondern nur „explizierbar", er hat zwar einen festen Kern, aber keine Grenzen". „Deutlicher kann der analogische Charakter des Typus kaum herausgestellt werden". 347 Ein „Typus" könne im Gegensatz zum Begriff nicht „definiert", sondern nur beschrieben werden, so daß es für die Gesetzgebung entweder nur die Benennung des Typus, z.B. Beleidigung, oder nur die kasuistische Beschreibung des Typus, z.B. die Regelung des § 250 StGB, gebe. Ziel der Gesetzgebung sei die unerreichbare restlose Verbegrifïlichung der Typen. Deswegen sei bei der konkreten Rechtsfindung auf die im Gesetz gemeinten Typen zurückzugreifen, worin auch das Wesen der „teleologischen Interpretation" bestehe.348 In Verfolgung eines gemäßigten Realismus, bei dem das Allgemeine „ i n re" erfaßt wird, stellt Kaufmann heraus, daß die Dinge die Merkmale der Ähnlichkeit allererst an sich selbst tragen. 349 Kein Ding existiere völlig beziehungslos für sich selbst; das Aufeinanderbezogensein der Dinge sei eine „Seinstatsache". Das Denken aus der „Natur der Sache", das analogische, typologische Denken sei kein formal logisches Denken, es sei ein „vor-logisches Denken". Von der Logik aus sei der Analogieschluß und der Schluß aus der „Natur der Sache" ein „Vor-Urteil", ohne das es keine logischen Urteile gebe. 350 c) Eine grundlegend generelle Auseinandersetzung mit der Untersuchung Kaufmanns im Hinblick auf das juristische Analogieprinzip im Sinne seiner handhabbaren Anwendung ist, soweit ersichtlich, bisher nur in geringem Maße erfolgt. Vielmehr steht die Diskussion über das strafrechtliche Analogieverbot, dem allgemeinen Rechtsfindungsprozeß, die Problematik von „Natur der Sache" und „Typus" im Vordergrund, wobei letzteres auf sehr verschlungenen Pfaden verfolgt w i r d . 3 5 1 , 3 5 2 347

Kaufmann, a.a.O., 46ff. Kaufmann, a.a.O., 50f. 349 Kaufmann, a.a.O., 55f. 350 Kaufmann, a.a.O., 56ff. (58) zeigt hier am deutlichsten seine Abneigung gegenüber einer nachvollziehbaren Methodenlehre. An die Stelle eines nachvollziehbaren Urteils rückt dabei die persönliche Anschauung des Rechtsanwenders. Eine Ähnlichkeit zu den Ausführungen von Sax dazu ist unübersehbar. 351 Vgl. dazu Kaufmann, a.a.O., 61 ff., 69ff., 74ff. jeweils m.w.N. 352 Kuhlen, in: Typenkonzeptionen in der Rechtstheorie, 165 f. bezeichnet im direkten Eingehen auf Kaufmanns weitläufige Betrachtungen über die Vermittlung von Sein und Sollen die „hinreichende Verweisung" der „Natur der Sache" auf den „Typus" als unvermittelt. Die Deutlichkeit dieser „Verweisung" sei, wie die der gesamten Untersuchung Kaufmanns, durch den Begriff „hinreichend" „mehr als ungenau charakterisiert". „Man darf vielmehr die suggestive Formulierung Kaufmanns getrost darauf zurückführen, daß es an einer halbwegs plausiblen Begründung für den behaupteten Zusammenhang fehlt". 348

VI. Analogie als gesetzliche Subsumtion

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Haba wendet sich grundsätzlich gegen jene Strömung im Recht, welche die „Philosophische Hermeneutik" zum Gegenstand ihrer Studien nimmt. 3 5 3 Haba richtet sich mit seiner Abhandlung nicht nur gegen Kaufmann, sondern vor allem gegen alle diejenigen Vertreter, die bei der Rechtsauslegung in Anlehnung vor allem an Gadamer die „Philosophische Hermeneutik" zur Legitimation „jeder" Interpretation benutzen und sich damit auf eine „hermeneutische", also per definitionem nicht nachprüfbare Einsicht berufen. 354 Soweit die „Hermeneutik" für juristische Ergebnisse in Anspruch genommen werde, so Haba, bedeute sie im wesentlichen eine Ideologie zur Rechtfertigung möglichst weitgehender Freiheit des Richters in der Gesetzesanwendung. Im Recht fungiere sie als moderne metaphysisch beladene Version der Freirechtsbewegung. 355 Zur Verdeutlichung des Einwandes von Haba ist ein kurzes Eingehen auf Gadamers Verständnis der „Hermeneutik" erforderlich, die nach Haba in der Rechtstheorie in unterschiedlichster Form Eingang gefunden hat. Die Akzeptanz der „Hermeneutik" Gadamers, so Haba, führe zur Auflösung der Rechtswissenschaft in „Gefühlsjurisprudenz" und zum Verzicht auf jegliche Rechtswissenschaft. 356 Gadamers Anliegen ist es, das methodisch geleitete Verstehen zugunsten eines im unmittelbar existenziellen Akt liegenden Verstehens eines Textes zu ersetzen. „Das Verstehen ist selber nicht so sehr als eine Handlung der Subjektivität zu denken, sondern als Einrücken in ein Überlieferungsgeschehen, indem sich Vergangenheit und Gegenwart beständig vermitteln". Das, so Gadamer, sei es, was in der hermeneutischen Theorie zur Geltung kommen müsse, die viel zu sehr von der Idee eines Verfahrens, einer Methode beherrscht sei. 357 Davon ausgehend, daß jeder Text die Antwort auf eine Frage darstellt, die nicht als reine Leistung historischer Methodik rekonstruiert werden kann, gelangt Gadamer zu der Erkenntnis, daß das Überlieferte, das uns anspricht — „der Text, das Werk, die Spur" — selbst eine Frage und damit unser Meinen ins Offene stellt. 358 Die Rekonstruktion dieser Frage könne aber niemals allein in ihrem ursprünglichen Horizont erfolgen, da dieser selbst noch vom Horizont umfaßt sei, der uns als die Fragenden und von dem Wort der Überlieferung Betroffenen umschließe. Zum wirklichen Verstehen gehöre deswegen, „die Begriffe einer historischen Vergangenheit so wiederzugewinnen, daß sie zugleich unser eigenes Begreifen mit enthalten", und somit diese Begriffe eine Horizonten-Verschmelzung genannt werden können. 3 5 9 Die Rekonstruktion der Frage, aus der sich der Sinn 353 354 355 356 357 358 359

Haba, in: Hermeneutik contra Rechtswissenschaft, 163 ff. Haba, a. a. O., 163 wendet sich neben Kaufmann u. a. auch gegen Esser und Larenz. Haba, a.a.O., 180. Haba, a.a.O., 164. Gadamer, in: Wahrheit und Methode, 295. Gadamer, a.a.O., 379. Gadamer, a.a.O., 380.

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eines Textes als Antwort verstehe, gehe, so Gadamer, in unser eigenes Fragen über, denn der Text müsse als Antwort auf ein wirkliches Fragen verstanden werden. „Eine Frage verstehen heißt, sie fragen. Eine Meinung verstehen heißt, sie als Antwort auf eine Frage verstehen". Somit gebe es einen Standort außerhalb der Geschichte, von dem aus sich die Identität eines Problems im Wandel seiner geschichtlichen Lösungsversuche denken ließe in Wahrheit nicht. Alles Verstehen von Texten verlange zwar Wiedererkenntnis des in ihnen Erkannten, aber ein Heraustreten aus der geschichtlichen Bedingtheit, in der wir stehen und aus der wir verstehen, erfolge keineswegs. „Der überstandpunktliche Standpunkt von dem aus seine wahre Identität gedacht würde, ist eine reine Illusion". 3 6 0 Haba stellt bei seiner Auseinandersetzung mit Kaufmann vor allem heraus, daß eine Methode dazu da ist, Kriterien anzugeben, die erlauben, „angemessene" Ideen von „unangemessenen" als Grundlage für die Interpretation konsequent zu unterscheiden, d.h. um gewisse Vorverständnisse zu akzeptieren. „Angemessenheit" bedeute bestimmte Aspekte eines Gegenstandes auf der Basis von „intersubjektiven" Maßstäben zu erfassen. „Solche Kriterien erlauben, daß die verschiedenen Forscher — auf dem jeweiligen Gebiet — zu einheitlichen Feststellungen über die Richtigkeit bzw. die Unrichtigkeit einer Auslegung gelangen". 361 Gegen Gadamer gerichtet, der in seiner Hermeneutik die Wahrheit hervorhebe, die „den Kontrollbereich wissenschaftlicher Methodik übersteigt" 362 , zeigt Haba unterschiedliche Typen von „Interpretations-Wahrheiten" auf: „(a) Jeder Sinn, von dem Interpreten überzeugt sind, daß er zum Text „gehört", ist eine „wahre" Deutung dieses Textes — also sind (in der Tat) alle Interpretationen wahr, (b) Nur Deutungen, die nach bestimmten Methoden nachvollziehbar sind, kommt eine Bezeichnung als „wahrer Sinn" des Textes zu — hier sind also intersubjektive Kriterien entscheidend, (c) Nur Deutungen, mit denen ein bestimmter Interpret (ich oder eine von mir anerkannte Autorität), bzw. gewisse Gruppe oder Schicht von Interpreten, einverstanden ist (aus welchen—nicht methodischen—Gründen auch immer), sind als „wahrer" Sinn zu erkennen — hier sind also Personen entscheidend". 363 Da es mehrere Wahrheiten gebe, kommen aber nur die intersubjektiven (seil, von jedem nachprüfbaren) für die Rechtswissenschaft in Frage, wolle man nicht den Anspruch auf eine relative Unparteilichkeit des Richters fallen lassen. Wenn man sich keinen Methoden unterzöge, wäre es besser, bzw. weniger irreführend, das Wort „Wahrheit" wegzulassen, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. 364 Wesentlicher Grund für die Versagung einer höheren Präzision bei Gadamers Thesen sei die beständige Vermengung von Sein und Sollen. 360 Gadamer, a. a. Ο., 380 f. Vgl. insgesamt auch die Ausführungen über die exemplarische Bedeutung der juristischen Hermeneutik, a.a.O. 330ff., die eine Gleichsetzung zwischen dem Vorgehen des Rechtshistorikers und des praktischen Juristen darlegt. 361 Haba, a.a.O., 166. 362 Gadamer, a.a.O., 1. 363 Haba, a.a.O., 177f.

VI. Analogie als gesetzliche Subsumtion

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Da Gadamer die Beziehungen von Sein und Sollen als zwei Glieder nicht unterscheidet, werde ihm erlaubt, seine Werturteile so ins Spiel zu bringen, als ob es sich dabei um ganz allgemeine Tatsachen handele. 365 Gadamers „Wahrheit" beziehe sich hauptsächlich auf bestimmte Werturteile, so daß damit deutlich werde, warum die Methoden keine echten „Wahrheiten" hervorbringen können. Sie seien lange nicht so wichtig wie dieses „etwas", das anscheinend nur „hermeneutischen" Einstellungen zugänglich sei. 366 Dies mag zunächst zur Herausstellung der Gegensätzlichkeiten zwischen dem rechtswissenschaftlichen Anspruch Habas und dem „hermeneutischen" Gadamers genügen, um die Position Kaufmanns, der die Hermeneutik „auf fast jeder Seite" seiner Abhandlung thematisiert sieht 367 , zu verstehen. d) Die unreflektierte Übernahme der „Lückentheorie" durch Kaufmann ist im Zusammenhang mit dem Rechtsverständnis des Denkens aus der „Analogie", der „Natur der Sache" und dem „Typus" zu sehen. Die Rechtsnorm als solche ist dabei nicht im Mittelpunkt, vielmehr steht sie in einem Geflecht eines Prozesses der „Rechtsverwirklichung", in dessen Zentrum die Analogie steht. Insgesamt fallt auf, daß es für Kaufmann sowohl bei dem Verhältnis von Gesetz und Recht, als auch bei dem von Gesetz und Rechtsidee nur „ein" Recht gibt. Dieses findet zusätzlich seine Manifestation, indem die Nichtexistenz eines überpositiven Rechts festgelegt wird. Eine Deckung dieser Auffassung mit der Gadamers ist leicht aufzeigbar, denn die Leugnung eines „überstandpunktlichen Standpunktes" ist Grundlage der Gadamerschen Hermeneutik. Die Rezeption der „Philosophischen Hermeneutik" in der von Gadamer geprägten Gestalt wird also tatsächlich von Kaufmann thematisiert 368 , ohne daß dies von Kaufmann selbst aber explizit gesagt wird. 3 6 9 Dabei hätte die allgemeine Berufung Kaufmanns auf die „Philosophische Hermeneutik" einen verständlicheren Charakter, wenn entweder eine Übernahme der Theorie Gadamers herausgestellt oder aber auf die eigene Begründung einer „Philosophischen Hermeneutik" verwiesen worden wäre. Im Widerspruch zur Nichtexistenz des überpositiven Rechts steht jedoch die Festlegung Kaufmanns auf die „Absolutheit vorgegebener Rechtsgehalte". Es stellt sich also die Frage, was den Unterschied zwischen dem überpositiven Recht und der „Absolutheit vorgegebener Rechtsgehalte", der „Vorgegebenheit des Wertgesichtspunktes" ausmacht. Die gegensätzliche Gegenüberstellung des überpositiven Rechts und der „Absolutheit vorgegebener Rechtsgehalte" leuchtet nicht ein, denn vorgegebene 3