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Italian Pages 554 [557] Year 1981
STUDI E TESTI 71
STEPHAN KUTTNER
REPERTORIUM DER KANONISTIK ( 1140-1234) PRODROMUS CORPORIS GLOSSARUM I
CITTÀ DEL VATICANO BIBLIOTECA APOSTOLICA VATICANA M C M X X X V II
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ED IZIO N E ANASTATICA Anno 20 13
Tip. Cardimi s.a.s. - Roma
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STUDI E TESTI 71
STEPHAN KUTTNER
REPERTORIUM DER KANONISTIK ( 1140-1234) PRODROMUS CORPORIS GLOSSARUM I
CITTÀ DEL VATICANO BIBLIOTECA APOSTOLICA VATICANA MCMXXXVII
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E D I POTEST
E Civitate Vaticana die 11 N o v . 1936.
Φ F r . A u g . Z a m p in i E p . Porphyreonen. V ic. gen. Civitatis Vaticanae
ISBN -88-210-0108-3
RISTAMPA ANASTATICA - DINI MODENA 1981
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IOANRI MERCATI EVGENIO TISSERANT E MODER ATORIBVS BYB LIO TH EC AE APOSTOLICAE AD SACRAE PVRPVRAE FASTIGIVM MAGNO LITTERATORVM HOMINVM PLAVRV N YP E R EVECTIS GRATVS GRATVLABVNDVS D. D. D. AVCTOR
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VORWORT
Als Seine Heiligkeit, Papst Pius X I., den Unterzeichneten in väterlicher Güte mit dem Unternehmen eines Corpus Glossarum zum gratianischen Dekret und zu den älteren Dekretalensammlungen be traute, ergab sich zunächst die Notwendigkeit, den Umfang des vor handenen Materials festzustellen. Aus dieser Notwendigkeit ist das hier vorgelegte Repertorium entstanden. Dass es nicht bloss ein Repertorium der Glossenhandschriften des Dekrets und der Com pilationes antiquae, sondern darüber hinaus ein Repertorium der Kanonistik zwischen Gratian und Gregor IX . überhaupt wurde, hat seinen Grund in der Natur der Sache. Bei der engen Verflech tung, die in der kanonistischen Frühzeit zwischen dem Glossieren und fast allen anderen Zweigen der literarischen Produktion obwal tet, ist es unmöglich, ohne die Kenntnis dieser anderen Zweige zu einer historisch richtigen Anschauung oder gar zu einer kritisch unter bauten Ausgabe der Glossenliteratur zu gelangen. Das gilt für die Dekretalisten gleichermassen wie für die Dekretisten. So erstreckt sich das Repertorium auch auf die Summen, Distinktionen, Quaestionen, Casus, Notabilien und Brocarda der Epoche vor den Dekretalen Gre gors I X . 1, ferner auf die Abbreviationen oder Epitomierungen der Rechtsquellen, die wie diese selbst zum Teil glossiert wurden, end lich aüf die zahlreichen Dekretalensammlungen, die vor und zwischen den rezipierten. Compilationes entstanden und deren Ermittlung für die Beurteilung der Dekretalenkenntnis der Glossatoren, wie für die Quellengeschichte überhaupt von grösster Bedeutung ist. 1 A n einzelnen Stellen wird auch Gelegenheit genommen, auf Fragen der nach gregorianischen Literaturgeschichte kritisch einzugehen; vgl. pp. 202 (Johannes de Phintona, Joh. de Fantutiis), 33l (Johannes Hispanus de Petesella), 39’ (Petrus de Salinis), 1091, 3941, 420 (Bartholomaeus Brixiensis), 155 s. (Gerardus de Senis), 266 s. (Joh. de Cadomo), 3181 (Bernardus Compostellanus iunior, Petrus Ilerdensis), 3742 (Vincentius), 3896. 393 (Bernardus Parmensis).
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V III
Vorwort
Glossen, sonstige Glossatorenschriften, Dekretalensammlungen: über diese drei einen möglichst vollständigen systematischen Ueberblick zu geben, ist also der Zweck unseres Eepertoriums. Yon ihm ausgeschlossen sind nur folgende Gattungen von Schriften: die monographische Spezialliteratur (Prozess- und Eherecht, Bussdiszi plin) und die blossen Inhaltstabellen und -aufzählungen zu den Eechtsquellen. Lediglich im letzten Paragraphen wird diese grund sätzliche Beschränkung einmal aufgegeben, um einen Gesamtüber blick über die Schriften des hl. Eaymund von Penafort zu ermögli chen, womit freilich auch das Prinzip der sachlichen Einteilung nach literarischen Gattungen, welches dies Eepertorium im übrigen be herrscht, für ein Mal zugunsten einer personalen Ordnung durchbro chen wird. Doch schien mir dieser Methodenwechsel und diese Mate rialerweiterung die angemessene Form für die - in einem Eepertorium der Frühkanonistik notwendige - Auseinandersetzung mit der Liste und der Chronologie der Schriften des grossen Heiligen, mit dessen Dekretalenkompilation die hier behandelte Epoche schliesst. Grundlage des Eepertoriums muss eine Aufnahme und literargeschichtliche Ordnung der vorhandenen Handschriftenbestände sein. Diese Bestandsaufnahme ist noch nicht abgeschlossen. Viel mehr beruhen die Angaben des Eepertoriums auf Autopsie nur für die kanonistischen Handschriften der Bibliotheken in Belgien, England, Frankreich (mit Ausnahme einiger Bibliotheken1), Vati kanstadt, Rom, Neapel, Berlin und für eine Eeihe von Handschriften aus Danzig und aus deutschen Bibliotheken, die ich in Berlin benutzen konnte. Alles übrige Material ist aufgrund von Hand schriftenkatalogen und literarischen Zeugnissen zusammengestellt und soll in den nächsten Jahren auf weiteren Eeisen nachgeprüft und ergänzt werden. Es ist nicht zu leugnen, dass etwas Missliches in der damit von vornherein gegebenen Vorläufigkeit und Bevisionsbedürftigkeit eines Teiles der Angaben über die Handschriftenbe stände liegt ; aber schwerer als dies Bedenken schien mir die Tat sache zu wiegen, dass anstatt des gewählten Weges weder eine Be schränkung auf die bereits besuchten Bibliotheken, noch eine Zurück stellung der Veröffentlichung bis zum Abschluss aller notwendigen
1 Nicht selbst gesehen habe ich die Hss. von Liège (Belgien), Cheltenham (England), Abbebille, Alençon, A m anches, Besançon, Bordeaux, Carpentras, Cha lon-sur-Saône, Épinal, Grenoble, Lille, L yo n Université,
M etz,
Moulins, Saint-
Claude, Saint- Mihiel, Toulouse (Frankreich).
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Vorwort
IX
Eeisen eine nur halb so befriedigende Lösung bedeutet hätte : jene Beschränkung hätte dazu genötigt, entweder statt eines systematisch geordneten Eepertoriums die sachlich unübersichtliche Form des Eeiseberichts zu wählen, oder bei systematischer Ordnung überall sachliche Lücken (durch Nichterwähnung der literarisch ermittel ten, aber noch nicht gesehenen Handschriften eines Werkes) zu las sen. Eine Zurückstellung der Veröffentlichung aber hätte eine un angenehme Verzögerung in der Mitteilung publikationsreifer For schungsergebnisse bedeutet. Denn schon die Handschriften der bisher besuchten Biblio theken bringen eine so gewaltige Vermehrung des bisher bekannten Materials, dass - so unbescheiden diese Feststellung klingt - sämt liche bisherigen Darstellungen der Quellen- und Literaturgeschichte für die hier behandelte Zeit damit völlig überholt werden. So wer den, um nur einige Beispiele herauszugreifen, über hundert Hand schriften mit vorjohanneischen Glossenmassen künftiger Untersuchung dargeboten, von denen bisher knapp ein Dutzend untersucht war; es werden ferner zwei grosse vorjohanneische Glossenapparate aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts zum erstenmale und in mehr facher Ueberlieferung bekannt gemacht; es ergeben sich zahlreiche bisher unbekannte Summen und Kommentarwerke sowie unbekannte Handschriften bekannter Werke (z. B. acht gegenüber bisher zwei Handschriften für Simon von Bisignano); ganze Literaturgattungen heben sich neu aus den bisher bekannten Schriften ab (z. B. die Distinktionen der Dekretisten) oder lassen sich erstmals exakt von einander sondern (z. B. die Casus, die Notabilien und die Brocarda); neue Werke bekannter Autoren (z. B. die Dekretglossen des hl. Eaymund) kommen ans Licht. Insbesondere sind es die Bibliotheken Frankreichs und Eng lands, deren Durchforschung zu einer solchen (hier nur durch einige Beispiele angedeuteten) Fülle neuer Ergebnisse geführt hat. Der Eeichtum beider Länder an kanonistischen Handschriften ist erstaun lich gross; und es bleibt unfasslich, dass aus der Pariser Bibliothèque Nationale, in der Kanonisten wie Maassen und Schulte gearbeitet haben, nur ein Bruchteil der vorhandenen Schätze bisher gehoben war und dass Städte wie Arras, Cambrai, Douai, Eouen, St.-Omer, Eeims (alle nicht in Schultes Iter Gallieum), London, Oxford, Cam bridge bisher überhaupt kaum beachtet wurden. Erheblich und zum grössten Teil unbekannt ist auch der kanonistische Bestand der Vaticana.
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X
Vorwort
Der Vorstudien-Charakter dieses Bepertoriums besteht aber nicht nur hinsichtlich der (eben nur teilweise autoptischen) Mate rialkenntnis, sondern auch hinsichtlich der Bearbeitung des Mate rials. Erstrebt wird eine literarhistorische Gruppierung und Ein ordnung der Schriften (Feststellung der Entstehungszeit, der Heimat, der literarischen Beziehungen usw.); erreicht wird aber in vielen Fäl len nur eine vorläufige Einordnung. Ausgedehnte literarkritische Untersuchungen wären bei den meisten der erstmals mitgeteilten Schriften noch notwendig; ein Bepertorium kann mit ihnen nicht belastet werden und muss sich mit einem Minimum von Textpro ben und kritischen Analysen für die literarhistorische Beweisführung begnügen. Soweit Neufunde verzeichnet sind, geschieht ihre Da tierung, Einordnung und Charakterisierung also stets nur mit dem Vorbehalt künftiger Korrektur durch eingehende Analyse, für welche die notwendigen Mengen von Textabschriften (statt blosser Stichproben) zu nehmen, mir während der Bestandsaufnahmen auf den Bibliotheksreisen aus zeitlichen Gründen garnicht immer mög lich war. So erhebt dies Bepertorium nicht den Anspruch, eine neue ‘ Geschichte der Quellen und der Literatur des kanonischen Bechts’ zu sein, sondern nur den, die notwendigen Vorarbeiten zu einer sol chen in Angriff zu nehmen. Ein zweiter Band wird die Ergänzun gen bringen, die sich aus der Durchsicht weiterer Handschriften bestände, besonders in Italien, Oesterreich und Spanien, in den nächsten Jahren ergeben. Es bleibt mir noch die schöne Pflicht, für vielfache Förderung und Unterstützung, die ich bei der Herstellung des Bepertoriums empfangen habe, zu danken. Mein Dank gilt zunächst allen Leitern der Bibliotheken, deren Handschriften ich einsehen und benutzen durfte. Oft habe ich die liebenswürdigsten schriftlichen Auskünfte auf Anfragen erhalten, insbesondere mehrmals von Herrn Dr. A l fons A d a m s , beim Deutschen Akademischen Austauschdienst in Madrid, von Sir Ivor A t k i n s , D. M u s . E. S. A., Bibliothekar der Kathedrale in Worcester, von den Hochw. Herrn Jean D e s t k e z in Bellevue bei Paris und Wilhelm S c h o n a t h , Schlossgeistlichem in Pommersfelden bei Bamberg, von Herrn Prof. M e i j e r s in Leiden, von Herrn Dr. A. B o e c k l e r , an der Berliner Staatsbibliothek, von Herrn B. F l o w e r , am British Museum, endlich vor allem in freund schaftlich unermüdlicher Weise von Herrn Émile A. v a n M o é , an der Bibliothèque Nationale in Paris. Herr Prof. Erich G e n z m e r
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Vorwort
XI
in Frankfurt am Main hat mir ein in seinem Besitz befindlichesManuskript aus dem Nachlass Emil S e c k e l s , enthaltend eine Be schreibung der Hs. Fulda D. 10, gütigst zur Verfügung gestellt. Durch die grosszügige Erlaubnis des Hochw. Herrn Propstes von St. Florian und durch die freundliche Vermittlung des Herrn Prof. Philipp D e n g e l konnte ich die Hs. X I. 605 des genannten Stiftes in den Bäumen des Oesterreichischen Instituts in Bom benutzen. Zum Schlüsse bekenne ich mit besonderer Verehrung meine tiefe Dankesschuld gegen Herrn Professor Hermann U. K a n t o r o w i c z , Caius and Gonville College in Cambridge, der stets fördernd und hilfreich an der Entstehung dieses Bandes Anteil genommen und bei Durchsicht der Korrekturfahnen aus dem reichen Schatze seines Wissens Ergänzungen und literargeschichtliche Anregungen freigebig beigesteuert hat. Ihm und allen Vorgenannten, deren hilfreiches Entgegenkommen mir die Veröffentlichung des Bandes ermöglichte, spreche ich meinen wärmsten Dank aus.1 8 18. Juni 1936. Stephan
K
uttner
.
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X II
Technische Grundsätze
E IN IG E T E C H N IS C H E G R U N D S Ä T Z E D E S R E P E R T O R IU M S
* Der Asteriskus vor der Signatur einer Hs. bedeutet, dass ich die Hs. selbst gesehen habe. Die Verzeichnung und Bescheibung von Hss., die ich aufgrund der mir zugänglichen Nachrichten nur vermutungsweise und unter Bedenken bestimmen und einordnen kann, geschieht in Kleindruck. In den Hss.-Listen für die einzelnen Werke wird hinter jeder Hs. nur die erste literarische Notiz über sie nachgewiesen und, soweit es sich um edierte Werke handelt, ihre etwaige Benutzung in der Edition vermerkt. Soweit nicht besondere Gründe vorliegen (wie Umstossung der ersten Zuschreibung usw.), wird die weitere Biblio graphie nicht in der Hss.-Liste, sondern in den Noten zur auf sie folgenden kurzen Besprechung des Werkes gegeben. Aeussere katalogmässige Hss.-Beschreibungen unterbleiben in der Begel. Bei Textabdrucken ist die mittelalterliche Orthographie zugrun degelegt, nur anstelle des willkürlichen Wechsels vpn u und v, von ci und ti in den Hss. die normalisierte Orthographie eingeführt. [ ] Eckige Klammern umschliessen Worte und Buchstaben eines Textes, die nach meiner Ansicht zu tilgen, spitze Klammern solche, die nach meinerAnsicht einzufügen sind. ( ) Bunde Klammern umschliessen erklärende Zusätze und Nach weisungen. . . . Mehrere Punkte deuten eine Auslassung beim Abdruck, — zwei Gedankenstriche die wörtliche Wiederholung eines be reits abgedruckten Passus zwischen den Eckworten an. IlII Mehrere schräge Striche bedeuten Lücken und Verstümme lungen des Textes. Bei vergleichender Gegenüberstellung zweier verwandter Texte werden in der Begel im abhängigen Text die wörtlich entlehnten Stellen durch kleineren Druck, die verändert entlehnten durch kleineren Kursivdruck gekennzeichnet. Die Auswahl der Textstücke aus neuentdeckten Schriften zur annäherungsweisen Bestimmung ihrer literarhistorischen Beziehun gen erfolgte vorzugsweise aus dem Gebiet der strafrechtlichen Schuld lehre, da mir nur auf diesem ein vollständiges Vergleichsmaterial für die bisher bekannten Schriften zur Hand ist.
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xm
Literatur
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X V II
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INHALTSVERZEICHNIS
§
1. - Dekrethandsehriften mit vorjohanneischen Glossen . . . .
§
2.
- Der Apparat ‘Ecce
§
3.
- Der
§
4. - Der Apparat des Laurentius Hispanus zum D e k r e t .................
76
§ §
5. - Die Glossa P a la tin a .................................................................................... 6. - Die Glossa Ordinaria des Johannes Teutonicus zum Dekret . . . .
81
$
7. - Glossenschichten aus der Zeit zwischen Johannes Teutonicus und
ij
8. -
¡5
9.
Apparat
vicit leo’
Tus naturale’
Seite
1
.............................................................
59
..............................................................................
67
93
Bartholomaeus B r ix ie n s is ................................................................................. Die Glossa Ordinaria in der Bearbeitung des Bartholomaeus B ri xiensis und sonstige D e k reth a n d sch rifte n ................................................ -- Der Laurentiustyp der bartholomäischen Glossa Ordinaria.
.
.
.
100 103 116
§ 10.
- Dekretsummen der
Bologneser S c h u l e ................................................ 123
§ 11.
- Dekretsummen der
französischen S c h u le .....................................
§ 12.
- Distinktionen der D ekretisten .....................................................................208
§ 13.
- Casus,
§ 14.
- Quaestionen
Notabilien, der
B r o c a r d a .....................................................................228
D ek retiste n ..................................................................... 243
15.
- Abbreviationen und Transformationen des D e k r e ts.....................257
§ 16.
- Dekretalensammlungen vor der Compilatio prima: Primitiver Typus
§ 17.
- Dekretalensammlungen vor der Compilatio prim a: Systematischer
§ 18.
T y p u s ....................................................................... - Dekretalensammlungen nach der Compilatio prima: Primiver Typus
§ 19.
168
272 289 300
- Dekretalensammlungen nach der Compilatio prima: Systematischer T y p u s .......................................................................................................................309
§ 20.
- Die Compilatio prima und ihre G l o s s e n ........................................................ 322
§ 21.
- Die Compilatio secunda und ihre G l o s s e n ....................................................345
§ 22.
- Die Compilatio tertia und ihre G l o s s e n ............................................................. 355
§ 23.
- Glossen zu den Konstitutionen des IV . L a te r a n k o n z ils ............................369
§ 24.
- Die Compilatio quarta und ihre G l o s s e n ........................................................ 372
§ 25.
- Die Compilatio quinta und ihre G l o s s e n ........................................................ 382
§ 26.
- Summen der D ekretalisten ..........................................................................386
§ 27.
- Casus der D e k r e t a li s t e n ...............................................................................397
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I nhaltsVerzeichnis
XX
§ 28. -
Notabilien der Dekretalisten
§ 29. -
Brocarda der D e k r e t a l i s t e n ............................................................................. 416
§ 30. -
Quaestionen
der
§ 31. - Abbreviat.ionen
.
.
.....................................................Seite
408
Dekretalisten
..........................................................................423
der Dekretalen
..........................................................................434
Anhang: § 32. -
Die Schriften des hl. Raym und von P e n a f o r t ............................................ 438
N a c h t r ä g e ...................................................................................................................................453
In d i c e s : H a n d s c h r ift e n ........................
465
Initia o p e r u m ....................................................................................................................................493 N am en- und S a c h r e g is t e r ........................................................................................................... 517
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§ ]. - Dekrethandschriften mit vorjohanneisclien Glossen
Bei der Betrachtung der überreichen Fülle von Dekrethand schriften, deren Blattränder Glossenmassen der Dekretistengenerat.ionen vor Johannes Teutonicus enthalten, ergibt sich eine solche Vielfalt des Materials und der Formen seiner Ueberlieferung, dass eine Ordnung zunächst fast unmöglich erscheint. Denn erst etwa in dem Jahrzehnt, welches der Glossa Ordinaria des Johannes (nach 1215) vorangeht, lassen sich bis jetzt feststehend überlieferte Appa rate, d. h. zusammenhängende, von einem Autor herausgegebene Glossenwerke (mit selbstverfasstem oder zusammengestelltem Mate rial) nachweisen. Es sind dies die Apparate ‘Ecce vicit leo’ (unten p. 59), ‘Ius naturale’ (unten p. 67), der des Laurentius und die Glossa Palatina (unten pp. 76, 81). Anders aber liegt es für die Zeit von Gratian bis in den Beginn des 13. Jahrhunderts; denn nicht jede in zahlreichen Einzelglossen sich äussernde Tätigkeit eines Dekretisten bedeutet, dass der betreffende einen Apparat veröffentlicht habe. Vielmehr sind die Glossen der älteren Dekre tisten, auch der bedeutendsten und fruchtbarsten (z. B. des Johan nes Faventinus, Simons, des Bazianus) \ jeweils in den einzelnen Hss. in so stark verschiedener Anzahl, Auswahl und Zusammen1
Schulte QL. I pp. 155, 221, Glosse pp. 50, 55 spricht für Albertus, Gan-
dulplius, .Toll. Faventinus, Cardinalis und Bazianus wegen ihrer zahlreichen Glos sen von ‘Apparaten’ .
Dagegen schon J u n c k e r , Summen u. Glossen p. 400;
Simon pp. 352, 358. - Einen ‘Apparatus Cardinalis’ hat A ccursius (t 1263) beses sen; vgl. K a n to r o w ic z , Accursio e la sua Biblioteca, 1iiv. stör. dir. ital. 2 (1929) p. 199 Nr. 12.
W äre dies Buch mit Kantorowicz als der ‘Apparat’ des Dekre
tisten Cardinalis anzusprechen, so würde freilich die im Text vertretene A u ffas sung' hinfällig.
Doch braucht in der (von K . loc. cit. edierten) Yerkaufsurkunde
der gänzlich unbestimmte Ausdruck ‘ Apparatus Cardinalis’ keinen technischen Sinn gehabt zu haben; er kann vielleicht eine Dekreths. mit Einzelglossen, da runter solchen des Cardinalis meinen; möglicherweise aber auch die Lectura d es Kardinals Hostiensis zu den Dekretalen.
1
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2
Dekrethandschriften m it vorjohanneisehen Glossen
Setzung überliefert*, dass sich die Annahme einer einheitlichen Eedaktion und zusammenhängenden Veröffentlichung verbietet, während wir bei den Dekretalisten schon im 12. Jahrhundert ‘Appa rate’ zur Compilatio Prima besitzen 1 2. Wir sind infolgedessen genötigt, zunächst jede Hs. mit vorjohanneischen Glossen als eine Individualität zu betrachten. Es steht dabei ausser Frage, dass sich für die einzelnen Glossenhss. eine Fülle von Gruppierungen nach näheren und weiteren Verwandt schaftsbeziehungen ergibt, die von übereinstimmend überlieferten Einzelglossen - deren viele eine ganz allgemeine Verbreitung haben bis zur Uebereinstimmung nach Material und Zusammenhang gan zer Glossenmassen variieren. Derartige Ueberlieferungsgruppen sind bereits bekannt geworden3 und noch in reicher Anzahl zu erwarten 4; doch wird ihre Feststellung und Erforschung erst in Angriff ge nommen werden können, wenn aus der Fülle der in Europas Biblio theken verstreuten Dekretexemplare diejenigen mit vorjohanneischem Glossenmaterial überhaupt einmal nachgewiesen und in ihren gröbsten Unterscheidungsmerkmalen beschrieben sind. Bis dahin wird man sich mit einer mehr formalen, die Frage der materiellen Ueberlieferungsgruppen noch nicht berührenden Einteilung begnü gen müssen, um in das vielfältige Material die erste Ordnung zu bringen. Ein solches praktikables Einteilungsprinzip für die Bologneser Glossen vor den Apparaten des 13. Jahrhunderts liefert uns der aus dem Gesamtaspekt einer Handschrift beim Vergleich mit anderen Hss. sich ergebende Begriff des Typus der Glossierung. Unter einem Glossentypus wird hier der Inbegriff der formalen Merkmale verstanden, die eine erste, grobe Einordnung der Glossenschichten nach quantitativen Gesichtspunkten (im Fortschreiten von anfäng licher Spärlichkeit zu grösserer Dichte) und methodischen Kriterien (der Art des Glossierens) ermöglichen. Für die Gewinnung der 1 V g l. J u n c k e r , Summen u. Glossen p . 419. 2 Richardus Anglicus und Petrus Hispanus: vor 1198.
3 J u n c k e r , Simon p. 357 für Codd. Wolfenbüttel *H elm st. 33, Bamberg *Can. 13, München *10244, Leipzig, TJniv. *H aen. 18. 4 So
besteht
ein
Ueberlieferungszusammenhang
zwischen
dem
aus
der
vorigen Gruppe herausfallenden Material von München *10244 und Jena *E1. fol. 56; zwischen dem ‘R ’ - und ‘b ’ -Material in Cambridge, Sidney Sussex *101 und London, B eatty *46; zwischen den Continuationen in Cambridge, Corp. Chr. *10 und Pembroke *162 etc. etc.
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Einleitung
3
zeitlichen Entwieklungslinie und etwaiger Ueberlieferungsfamilien wird die Typeneinteilung von Nutzen sein; doch sei gleich bemerkt, dass es weder eine strenge zeitliche Trennung noch eine strenge Trennung des Glossenmaterials nach den Typen gibt; dasselbe Mate rial taucht vielmehr in verschiedenen Typen auf (Beispiele unten p. 5), die Grenze zwischen ihnen ist in der lebendigen Entwicklung oft fliessend. Wir können in der Hauptsache drei solche Typen in der Ge schichte der Bologneser Glosse unterscheiden. Was aus diesem Bahmen (I-III) gänzlich herausfällt, wird noch besonders (IV).· zu erwähnen sein. I. Her älteste Glossentypus, dem wir begegnen1, besteht im wesentlichen aus Allegationen, d. i. aus Parallel- und Konträrstel lenzitaten zu einzelnen Kanones, deren erste Aufstellung, nach Aus sage der Summa Parisiensis (um 1170), auf Paucapalea zurückgehen soll2. Die grosse historische Bedeutung der reinen Zitatenglosse ist erst neuerdings gewürdigt worden3; es handelt sich um die in unscheinbarste Form gekleidete Material- und Problemgrundlage fast aller späteren Arbeiten. Uebrigens kommt es zuweilen, aber durchaus noch selten, bereits im ersten Glossentypus vor, dass sich ‘solutiones’, Auflösungen an die ‘contrarietates’ , die Nachweisungen der einander widersprechenden Quellenstellen anschliessen4. Zu weilen wird auch aus der glossierten Stelle eine kurze Bechtsregel (meist in der Form eines ‘argumentum . . .’ mit folgendem acc. c. inf.) ausgezogen und mit Parallelstellen versehen. Diese Glossen wie auch die (häufig mit Schnörkeln und farbiger Initial versehenen) eigentlichen ‘Notabilia’, in denen auf allgemeine oder spezielle Bechtssätze mit dem Einleitungswort ‘Nota . . .’ ‘Notandum . . .’ hingewiesen wird, bilden die Grundformen der späteren Sammlun gen von ‘Brocarda’ oder ‘Generalia’; diese unterscheiden sich aber von jenen durch die Hinzufügung von ‘contraria’ 5. Ferner finden 1 Vgl. z. B . S c h u lte , Glosse p. 9 für die Hs. München 4505. 2 Vgl. M a a sse n , Paucapalea pp. 465, 486: S c h u lte , Glosse p. 32.
3 J u n ck er Coli. Berol. p. 3443; Sum. Glos. pp. 404, 4601. Für die zivilistischen Glossen schon P e sc a t o r e , Irnerius p. 58, K a n to ro w ic z , Digestenvulgata p. S81. 4 Zum Solutionenbegriff vgl. P e scatore Irnerius p. 61 (zivilistiseh); u. p. 209. 5 Vgl. Ge n zm e r , Glossatoren p. 423 (für die zivilistischen Glossen); unten p. 239; zum Notabilienbegriff (zivilistiseh) P e sc a t o r e , Irnerius p. 52, Beiträge I V p. 195 ss.
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4
Dekrethandschrifteu m it vorjohanneisehen Glossen
sich* Rubrikenglossen, in denen der Inhalt von Stellen oder A b schnitten kurz formuliert (wie in Gratians Kapitelrubriken) ange zeigt wird 1; vereinzelt kommen auch schon ‘Continuationes’ vor, welche den Zusammenhang der einzelnen Causae und Distinktionen erläutern 2. Auch einzelne Worterläuterungen, interlinear wie mar ginal, begegnen schon in den ältesten Glossensehichten: ausführ liche diskursive sachliche Erörterungen sind noch selten. Handschriften, die nur diesen primitiven, ältesten Glossentyp aufweisen, sind sofort äusserlich durch die nur spärliche Ausnüt zung der Blattränder erkennbar, wobei die Quantität der Glossen von Vorkommen auf nur wenigen Seiten eines ganzen Codex bis zum Vorkommen mehrerer Glossen auf einer Seite variiert. Reich haltig, geschweige denn eine zusammenhängende Masse bildend, ist dieser älteste Typus aber niemals, mag er nun allein oder als erste von späteren Glossen überwucherte Schrift auf den Blatträndern einer Dekrethandschrift stehen. Glosseuschicliten des ersten Typus aus dem unten gegebenen H an d schriftenverzeichnis : Gent *55, Danzig *Mar. F . 77, Dartmsladt 907, Erlangen 342, Köln 127, Leipzig Haen. 17, München 4505, 13004, 18096, Pommersjelden 2927, Cambridge Caius *6, Corpus Christi *10, Fitzwilliam Mus. *McClean 135, Pembroke *162, University *add. 3447, Hereford *P. V I I . 3. London, Brit. Mus. *add. 24658, Samml. Beatty *46, Arras *500, *507, Beatme *5, Boulogne *118, Cambrai *967, Ghambery *13, Douai *591, Grenoble 474, 475, Paria N a t. *3884, *3887, *3890, *11712, *14317, Arsenal *677, Ste.-Genevieve *168, Keims *676, >St.-Omer *191, *192, *453, Tours *557, Troges *60, (Lucca Areivesc. 6 ?), Montecassino 64, Napoli * X I I . A . 5, (Innsbruck 90 ?), Prag Mus. X V I I . A . 12.· Vatikan *Chis. E . 206, *Pal. 621. *Pal. 622. *Pal. 625.
II. Der zweite Typus von Glossenschichten bringt· den IJebergang von den primitiven Formen der ältesten Zeit zu einer in stär kerem Masse den Dekrettext erklärenden, kommentierenden und analysierenden Tätigkeit. Eine Zunahme der Worterklärungen, ein Uebergang von der blossen Aufstellung von Allegationenreihen zur Auflösung der Parallel- und Konträrstellen durch distinguierende Solutionenglossen (die im ersten Typus noch sehr selten sind), bezeugen das Fortschreiten der wissenschaftlichen Durchdringung.
1 V g l. S c h u l t e , Glosse p. 3; für eine Glosse des zweiten Typus mit Rubri ken s. unten Durham *C. IV . 1. 2 V g l. unten Cambridge, Corp. Chr. *10 und Pembroke *162; zur Sache
P e s c a t o r e , Irnerius p. 61, G e n z m e r , Glossatoren p. 407 (zivilistisch).
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Einleitun
5
Vor allem aber finden sich jetzt neben den älteren Formen des Glossierens solche, die ein Problem mehr oder weniger ausführlich erläutern, welches in der glossierten Quellenstelle behandelt oder gestreift wird. Diese erläuternden, über die blosse Wortexegese hinausgehenden Glossen sind bald zusammenfassende Kapitelsum m en1 (oder auch schon Summen zu grösseren Textabschnitten, zu Causae, Quaestionen und Distinktionen Gratians), bald Distink tionen 1 2 in schematischer Form oder in· fortlaufender Rede, bald sachliche Erörterungen ohne bestimmte Form. Ein zusammenfas sender technischer Name für diese Glossenarten im Gegensatz zu den primitiven Argumenta, Notabilia etc. fehlt; man könnte sie viel leicht ‘diskursive’ Glossen nennen. Die Tätigkeit des Glossierens tritt aus dem Stadium des Materialsammelns in das der sachlichen Rechtsauslegung, des eigentlichen Kommentierens, das von nun an in den späteren Glossentypen in allmählicher Fortführung zum voll ständigen Kommentar, dem Glossenapparat weiterleiten wird. Dieser Typus gehört den Anfängen der zum ersten Male durch Namen greifbarer werdenden Bologneser Schule (bis in die sechziger Jahre des 12. Jhdts.) an; er weist neben anonymen Glossen solche auf, die sich den ersten Dekretisten Paucapalea, Rufinus, Stephanus durch Siglentradition oder durch kritische Gegenüberstellung mit ihren Summenwerken3 zuweisen lassen. Es ergibt sich also, dass Paucapalea als mutmasslicher Sammler von Parallelstellen schon zu den Urhebern des ersten Glossentypus gehört, als Verfasser von diskursiven Glossen aber vor allem im zweiten Typus hervortritt; wie andererseits Rufinglossen ausser im zweiten vereinzelt auch in Glossenschichten des dritten Typus auf treten 4, oder wie vereinzelt auch Glossen des Cardinalis, des Johannes Faventinus, obwohl ihre Hauptmasse in der Regel erst in Schichten des dritten Typus ent halten ist, schon im zweiten Typus Vorkommen 5. Solche Erschei
1 S c h u lte , Glosse p. 34. 2 Gegen S chultes unbegründete Ansicht, die Distinktionen träten erst nach der Summa des Sicardus (1 1 7 9 -8 1 ) in der Glosse auf (Glosse pp. 3 3 -3 4 ), wendet sich m it Recht J u n c k e r , Simon p. 368 3 a. E .
Vgl. auch unten p. 209.
Freilich,
nehmen die Distinktionenglossen, wie alle Glossenarten, im ‘dritten Typus’ quan titativ stark zu.
V gl. aber schon das sehr alte Schichtfragment St.-Om,er *453.
3 V gl. dazu grundsätzlich J u n c k e r , Sum. Glos. p. 408. * V gl. z. B . J u n c k e r , Sum . Glos. p. 428. Für Cardinalis vgl. Innsbruck 90 (M a a sse n , Beitr. p. 10 ss., S c h u l t e , Glosse p. 3); für Johannes Rom Angelina, *1270; für beide
(stark vermehrbare) Eeihe von Summen - bekannt12 ; nunmehr zeigt es sich, dass auch für die Glossengeschichte die französische Schule mehrfach heranzuziehen ist und bedeutsames geleistet hat; sie hat sogar einen grossen geschlossenen Apparat zum Dekret (‘E ccevicit leo’ , s. unten § 3) hervorgebracht, der aber - ebenso wie die Bolo gneser wirklichen ‘Apparate’ - im gegenwärtigen Zusammenhang noch garnicht mitgerechnet werden soll. - Einen besonderen Zweig bildet neben der rein französischen sodann noch jene Tradition,sgruppe, die man am besten als ‘anglo-normannisch’ bezeichnen wird, da ihre Entstehung gleichermassen auf England wie auf Aordfrankreich weist und so die politisch-kulturelle Einheit der Länder zu beiden Seiten des Kanals im Mittelalter auch kanonistiseh belegt. Glossenschichten der ‘atypischen’ Gruppe aus dem im folgenden vor gelegten H andschriftenm aterial3: Antwerpen Plantin-Moretus *M. 13 (Schicht a: normannische Schult·, 1179-1190), Leipzig *Haenel 18 (Schicht b: bolognesisch, Anfang s. x m ) , Cambridge Caius *676 (Schicht a: normannisch-englisch, um 1200), Durharn *C. I I . 1 (normannisch, s.
x ii
ex.), *C. I I I . 1 (Schicht e: desgl.), Edinburgh
* 3 -1 -1 2 (Iluguccio-Johannes-Auszüge, s. x m in.), Arras *500 (Schicht d: Bologneser Sondermaterial, s. x m in.), Beaune *5 (Schicht b: desgl.), JDouai *592 (französisch, s. x m in.), Evreux *106 (Schicht b: desgl.), Paris Nation. *3885 (französisch, Einzelglossen, s. x m in.), *39 05 B (normannisch? s. x m in.), Reims *676 (Schicht d: bolognesisch? s. x m in.), St.-Omer *476 (Schicht b: desgl.?), Vatikan *V at. lat. 1367 (Schicht b: Bologneser Sondermateral, auch Zivilisten, s. x m in.), *Ross. 595 (desgl.).
*
*
*
Das im folgenden vorgelegte Handschriftenmaterial ist in der Weise beschrieben, dass die einzelnen Schichten - von den ältesten Glossen bis zur Ordinaria und den späteren Zusätzen - mit a) b) c) usw. bezeichnet werden. Dem Sinn dieser Studie entsprechend, erstreckt sich die Beschreibung nur auf die Glossenschichten, nicht auf eine Untersuchung des Dekrettextes und aller einzelnen paläo-
1 Ueber Dekretsummen der französischen Schule eingehend unten § 11, über Distinktionen unten pp. 215, 219 s.,
Quaestionen unten pp. 247, 251, Abbrevia-
tionen unten p. 264. 2 Unter Auslassung von ‘Schichten’ , die nur aus vereinzelten, unregelmäs sigen Eintragungen bestehen.
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IÖ
Dekretliandselirilten mit. vorjohanneischen Glossen
graphischen Merkmale der jeweiligen Hs. Es handelt sich um ein erstes kanonistisches Inventar, nicht nm einen allseitig ansgearbei teten Katalog. So sind auch die üblichen Bestandteile alter Dekrethss. (Summarien am Beginn, schematische oder figürliche ‘arbores con sanguinitatis’ etc.) in der Regel nicht erwähnt; wohl aber beigege bene Papstkataloge (wegen der Datierung) und Dekretalenanhänge.
L IS T E D E R IM F O L G E N D E N E R W Ä H N T E N G L O S S A T O R E N
a. Ala. = Alanus: Reims 676, Vatic. lat. 1367, Ross. 595. Albertus: München 10244, Gividale 96, Napoli X II. A. 9?, Praq Mus. X V II. A. 12 1 ar. == Arnulfus ? Napoli X II. A. 9. az. = Azo: Vatic. lat. 1367. B . , Bar., Baz. = Bazianus: Leipzig Haen. 18, Marburg C. 1?, Mün chen 10244, Trier 906, Wolfenbüttel Heimst. 33, Hereford P. VII. 3, Durham C. I. 7, London Addit. 24658, Beaune 5, Cambrai 646, Paris Xat. 14317, Ste.-Genevieve 342, Reims 676, Gividale 96, Napoli X II. A. 5, X II. .A· 9, Roma Angelica 1270, Prag Ka pitel I. X I X ? , Vatic. lat. 2494, Pal. 625, Ross. 595. Bartholomaeus Brixiensis: s. unten § 8. b. = Bernardus ?: Berlin Phill. 1742, Cambridge Sidney Sussex 101, Hereford P. VII. 3, London Stowe 378, Samml. Beatty 46, Ox ford New 210, Paris 3888. ber., Bernardus: Arras 500, St.-Omer 476, Vatic. lat. 1367. Bertrandus: s. unten p. 100. C. = Cardinalis: Berlin Phill. 1742, München 10244, Trier 906, Wolfenbüttel Heimst. 33, Hereford P. VII. 3, London Stowe 378, Oxford New 210, Arras 500, Cambrai 646, Douai 586, Paris Nat. 3888, 3903, 14317, Ste.-Genev. 342, Reims 676, Tours 559, Napoli X II. A. 9, Roma Angelica 1270, Innsbruck 90, Prag Kapitel I. X IX , Vatic. lat. 2494, lat. 2495. Oy.: Arras 500. d.: München 10244, Innsbruck 90. da. = Damasus: Vatic. lat. 1367. f.: München 10244. F. C.: Hereford P. VII. 3. G. = Gandulphus: RerimPhill. 1742, München 10244, Trier 906,Wolfen büttel Heimst. 33, Cambridge Caius 676, Durham C. III. 1, Oxford
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Liste der G-Iossatoren
11
New 210, Beaune 5, Cambrai 646, Paris 14605 (?), Troyes 103, Cividale 96, Roma Angeliea 1270, Vatic. lat. 2494, 2495, Boss. 595. G. de bornardo: Paris 14605. g. de (TL: Wolfenbüttel Heimst. 33. Ger. = Gérard Pucelle ?: Durham C. III. 1. (Glosse ‘Ecce vicit leo’ : s. unten § 2). (Glosse ‘lus naturale’ : s. unten § 3). (Glossa Palatina: s. Paris 3886 A; unten § 5). (Glossae Stuttgardienses: s. Durham C. II. 1). G., Guido: s. unten p. 101. Guilelmus de Poresta: Trier 906. Guilelmus: s. W. h. = Huguccio: Bamberg Can. 13, München 10244, Trier 906, Wol fenbüttel Heimst. 33, Cambridge Caius 676, Edinburgh 3-1-12, Douai 586, Paris 3885, 3903, 14317, Reims 676, St.-Omer 192, Napoli X II. A. 9, Vatic. lat. 1367, lat. 2494. hugol. = Hugolinus: Vatic. lat. 1367. Johannes de Fantutiis: Trier 906 (Anm.). Johannes Faventinus: Bamberg Can. 13, Berlin Phill. 1742, Jena El. fol. 56, Leipzig Haen. 18, München 10244, Trier 906, Wolfen büttel Heimst. 33, Cambridge Caius 676, Durham C. I. 7, Hereford P. VII. 3, London Stowe 378, Oxford New 210, Arras 32, 500, Cambrai 646, Douai 586, Paris Nat. 3888, 3903, 3905 B, 14317, Arsenal 677, Ste.-Genev. 341, 342, Reims 676, Tours 559, Cividale 96, Napoli X II. A. 5, X II. A. 9, Roma Angel. 1270, Inns bruck 90, Prag Kapitel I. X IX , Vatic. St. Petr. A. 27, Vat. lat. 2494, 2495, Pal. 622, 625, Boss. 595. Johannes de Petesella: Beaune 5 (Anm.). Johannes de Phintona: Trier 906 (Anm.). Johannes Teutonicus: Edinburgh 3-1-12, Vatic. lat. 1367; s. im übrigen unten § 6. Jo. (de) Ti.: Cambridge Caius 676. 1., lau. = Laurentius: Bamberg Can. 13, München 10244, Cambrai 646, Paris 3903, 14317, Reims 676, St.-Omer 192, Troyes 60, Tours 559, Vatic. 1367, Eoss. 595; s. im übrigen unten §§ 4, 5. Mar. = Martinus: Vatic. lat. 1367. M. , Mel. = Melendus: Paris Arsenal 677, Cividale 96, Vatic. S. Petr. A. 27, Vat. lat. 1367, 2494, Eoss. 595. Merandus: Leipzig Haen. 18. N. = Huguceio (vgl. München 10244).
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]·2
Dekrethandschriften mit. vorjohaimeischen Glossen
Paueapalea: Erlangen 342 (mit Verweisungen), München 4505, Cam bridge Caius 676, Pembroke 162, Charleville 150, Troges 103, Cividale 96, Innsbruck 90, Vatic. lat. 2494, Chis. E. VII. 206. Pe. = Pelagius: Vatic. lat. 1367. Pe. = Petrus Apulus ?: Vatic. lat. 1367. (Petrus Blesensis: s. Berlin Phill. 1742). (Petrus Brito: s. Berlin Phill. 1742). P. = Petrus Hispanus: Bamberg Can. 13, Berlin cit., Leipzig H. 18, München 10244, Trier 906, Wolfenbüttel Heimst. 33, London Stowe 378, Arras 500, Cambrai 646, Paris- Ste.-Genev. 342, Na poli X II. A. 9, Roma Angel. 1270, Innsbruck 90, Vatic. lat. 2495. (Petrus de Lovencenis: s. Berlin Phill. 1742). Petrus de Salinis: Paris 3903 (Anm.). Pri. = Princivallus Montecassino 66. K. Eay. = Eaymundus: Tours 559, Vatic. lat. 1367; s. unten p. 102. E. = Bichardus Anglicus: Leipzig Haen. 18, St.-Omer 476. Eo. = Eodoicus ?: Trier 906, Napoli X II. A. 5. E. = Bolandus: Vatic. lat. 3529. B., Eufinus: Bamberg Can. 14, Trier 906, Wolfenbüttel Heimst. 33, Cambridge Caius 676, Sidney Sussex 101, Durham C. III. 1, C. IV. 1, London Harl. 3256, Arundel 490, Samml. Beatty 46, Arras 32, 507, Cambrai 646, Charleville 150, Douai 590, Paris Hat. 3888, 14317, 14605 (?), Arsenal 677, St.-Genev. 342, Reims 676, Cividale 96, Roma Angel. 1270, Innsbruck 90, Vatic. lat. 2494, 2495, Chis. E. VII. 206, Pal. 622. s. si., sy. = Simon: Berlin Phill. 1742, Trier 906, Wolfenbüttel Heimst. 33, Durham C. II.1, London Arundel 490, Arras 500, Douai 590, Paris 14605, Napoli X II. A. 9, Roma Angel. 1270, Innsbruck 90, Prag Kapitel I. X IX . It’, Ste. = Stephanus ?: Leipzig Haen. 18, München 10244, Trier 906, Paris 14317, Cividale 96, Vatic. lat. 2494. Silvester: s. Leipzig Haen. 18. (Summa ‘Animal est substantia’ : s. Douai 592). (Summa ‘Omnis qui iuste: s. Antwerpen Plant. M. 13, Cambridge Caius 676, Pembroke 162, Durham C. II. 1). tu., tv., ty.: Paris 3905B. V. = Vincentius: Vatic. lat. 1367. W. = Guilelmus Xaso ? Arras 500, Beaune 5, Vatic. lat. 1367. = Guilelmus de bar. ?: eod. = Guilelmus Guascus (Vasco)?: eod.
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Belgien
13
B E L G IE N
ANTWERPEN, Musée Plantin-Moretiis *M. 13 [Katalog Kr. 9]. a) Eine sehr reiche Schicht von Glossen, deren Anfang durch Rasur (für Schicht e) leider zerstört ist. Zierliche Schrift (s. x n ex. x m in.) bis Cs. 26; von Cs. 27 ab gröbere Schrift. Gegen Schluss ist die Glossierung dürftig. Inhaltlich bildet die Glosse, die ihrer Kontinuität und Ausführlichkeit nach fast Apparat heissen kann, eine selbständige, wohl in den nordfranzösischen (normannischen) Kreis gehörige Ueberlieferungseinheit mit wertvollem Material, wel ches z. T. Verwandtschaft mit der Summa ‘Omnis qui iuste iudicaV (Summa- Lipsiensis, um 1186) aufweist1. Die Entstehungszeit ist zwischen 1179 und der Compilatio I (vor 1192) anzusetzen: die Kanones des III. Laterankonzils werden zitiert (fol. 12 : ‘ . .. ut in extrav. ex romano concilio Licet de (vitanda)’ ), und die Dekretalenzitate passen noch nicht auf die Comp. I, vielleicht auf eine Sammlung der Bambergensisgruppe 2. b) Einzelne, in unregelmässiger Folge von Zeit zu Zeit ein getragene Zusätze (s. x m in.), mit unsigniertem Material aus der Glos. Ord. des Johannes Teutonicus. c) Vereinzelte, meist längere Zusätze (s. xm ) aus der Glossa Pa latina (unten p. 81).
1 Beispiele: ad Munzone] pridie ydus iulii, ego Jo. Ba.
ego y apud b. Bononiensem iudicem
äpudBaiam ontem iudicem sive comitem
facio Menium reum legis Cornelie de
defero Talaferum reum legis Cornelie-de
sicariis; quod
dico eum occidisse Ticium
sicariis, quia dico eum servum meum ci-
Pamphilium occidisse mense aprilis in
1-3 Das Datum ist in Ordnung; die Indik tion stimmt, und Heinrich VI. ist am 15. Aprii 1191 gekrönt, also 20. Mai 1192 = an. 2. 1 ‘im peratoris’ P2. - ‘h.’ P>. 3 et] om. P2. - a. etg. consulibus] Der Bischof Gerardus Gislaist 1192 Podestà; als diplomatischer Begleiter tritt neben ihm bei einem Vertragsschluss Albertus Gisla (und Bencevenne) auf. Des Antikisierens we gen müssen zwei ‘Konsuln’ da sein (vgl. Seckel, loc. cit. p. 3042). - ‘X IIII.’ P1. 5 ‘R.’ P2, ‘r.· P'. - Die Namen nicht ermittelt. 7 ‘Menum’ M, ‘Mevium’ P2. S quod] om. M.
1-8] Das Datum ist in Unordnung. PENC ‘MCLXXX. ind. III’ ist unmöglich, gleichfalls A: ‘MCLXXXVII ind. VI’. S konjiziert aus der Indiktionszahl von PE und dem ‘consulatu Rolandi et Prendipartis’ (Zeile 13) das Jahr 1185, wo Prendiparte Podestä und Rolando Guarini diplomatischer Vertreter der Stadt waren. Dem nach ist das Regierungsjahr Friedrichs I. (rich tig Zeile 13 fiir April 1185) für 30. Juni 1185 in ‘X X X I’ zu korrigieren (PEC: ‘X X X V ’, AN: ‘XX V’, beide chronologisch in sich widerspruchs voll: PEC ergäbe 30. 6. 1189, AN 1179. 2 ‘III., Frederici sanc-’ E. 4 Die Namen sind nach S als Glossem zu streichen, aus sprachlichen Grün den (Widerspruch zu ‘tali’), wie aus sachlichen (Widerspruch zu Z. 13), obwohl (gegen S) die bezeichneten Personen für Bologna nachweis bar sind: Matheus Radulfi unterzeichnet für Bo logna den Konstanzer Vertrag vom 27. Juni 1183 (Savioli, A n n a li B olognesi II 2 p. 138); Ugo de Munzone kommt in einem Notariatsin strument vom 2. Nov. 1186 vor (eod. p. 148) und wird von H uguccio als Beklagter in einem durch Clemens III. entschiedenen Rechtsstreit erwähnt (Huguccio ad c. 5 D. 89; die Stelle steht bei Gillmann, A rchiv 94 [1914] p. 2403). ‘Mathei de Rodulfo’ N, ‘Matheo de Rodulfo’ C. - ‘Ugonis’ EN, ‘Ugone* C. 5 ‘Muzone’ N, ‘Monzone* C, ‘Mittone’ A. - ‘lob.’ A, ‘Jo. B.’ N, ‘Johanes ba.’ C. 6 ‘Linamontem’ E, ‘Balamontem’ C, ‘Pinamontem ?5S (P?). Einen ‘Rolandus de Baiamonte’ habe ich nur für Modena, einen ‘Pinamons de Vicomercato’ für Mailand ermit teln können (S a v io l i II 2 pp. 142, 138). 7 ‘de foro’ E. - ‘lege Cornelia’ E. 8 sicar.] ‘facio* add. E. - quia] ‘quod’ AN, ‘quem’ C. - eum] om. C. - meum] om. A. 9 ‘Pamphilum’ E N.
in
1 M fol. 1 4 3 r - v ; P 1 fol. 2 5 v ; P2fol. 104v. Herr Jean D e strez hatte die Güte, die Hss. noch einmal für mich zu kollationieren. 2 Auch Johannes Bassianus hat die Forme] bereits einer älteren Vorlage nach gebildet, Se c k e l loc. cit. p. 3043.
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70
Der Apparat ‘Ius naturale’ (■Ius naturale’ :)
(Joh. Bassianus:)
vitate Bononie in curia Sancti Ambrosii mense aprili anno tali,
civitate Bononie in curia Sancti Ambrosii
imperii li. anno tali,
indictione tali, imperii Federici im pe
consulibus p. et t. Ego R . profiteor
me hunc libellum accu
anno dm nostri 1 esu Christi m c l x x x v ., ratoris x x x ., consulatu Kolandi et Prendipartis.
Item subscriptio: Ego Jo. Ba.
professus sum me hunc libellum accu
sationis dedisse.
sationis dedisse.
10 ‘bonon.’ M, ‘bo.’ P1, ‘bononia’ P2*. 11-13 Kann nur zwischen 15. April 1191 und dem Akkusations datum sein (wegen ‘imp. h.’). ‘Kon suln* P. und T. sind f iir diese Zeit nicht zu ermit teln. 14 ‘Ego b.5M P2im Widerspruch zu Zeile 5.
11 ‘MCLXXX’ P E N C , ‘MCLXXXVII’ A, 1185 S; vgl. oben zu 1-3. 13 ‘ Rollandini* PE. - ‘Prindipartis’ AN . 14 ‘subscribo’ PE. ‘lob.’ A, ‘Jo. B.’ N, ‘Johs. Bax.’ C. 15 ‘hunc me’ PE. 10 ‘Jo. B.’ N, ‘lob.’ C, om. A.
Jo. Ba.
Die (ob unmittelbare oder mittelbarex) Abhängigkeit bedarf hier keines Beweises mehr. Das zivilistische Beispiel (Mordanklage aus der Lex Cornelia de sicariis) statt des in der Kanonistik sonst stets üblichen Ehebruchsbeispiels2, die Lokalisierung des Tatbe standes (‘Bononie in curia S. Ambrosii’ ) genügen, abgesehen von den formalen Uebereinstimmungen, um die Nachahmung des bassianischen Libells aufzuzeigen. Wäre nun der Verfasser der Glosse ‘Ius naturale’ kein Bologneser Dekretist, so hätte er zwar auch das Schriftchen ‘de accusationibus' des Johannes Bassianus zu Gesicht bekommen können, aber kaum in dieser Form nachgebildet: die Nennung des Kaisers im Formular lässt die Möglichkeiten Frankreich und England fortfallen, und für Deutschland fehlt jeder Anhalts punkt, fehlt vor allem jedes Zeugnis von einer Dekretistenschule, aus der ein solch hochentwickeltes Werk stammen könnte. Die Hss. überliefern den Apparat - denn um einen solchen han delt es sich, trotz Praefatio und zweimaliger summenförmiger Ueberlieferung, aus den gleichen Gründen wie bei ‘Eece vicit leo’ (oben p. 62 s.) - in verschiedenen Rezensionen. Wenn wir V, wo die Glos sen ja ohne jede Absicht auf Vollständigkeit nur in Auswahl kopiert sind, beiseite lassen, so bleiben zwei Hauptüberlieferungsgruppen: 1 Für mittelbare spricht das D atum : W elchen Anlass hätte ein nach 1210 schreibender Autor, den 20. Mai 1192 (mit Indiktion und Regentenjahr) zu er rechnen, wenn seine Vorlage ein anderes, älteres D atum h a t? So scheint mir, ihm habe eher ein um 1192 entstandenes Formular aus der Schule des Joh. Bassianus Vorgelegen. 2 V gl. R u f in u s , Summa ad pr. C. 2 q. 8 (S in g e r , p. 259), H uguccio (G il l m a n n , Archiv 94 [1914] p. 2412) und
T a n c r e d , Ordo iud. (ed. B e r g m a n n , G ö t
tingen 1842, p. 162), um nur drei repräsentative Nam en herauszugreifen.
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Der Apparat ‘Ius naturale’
71
P1MC, welche eine kürzere Rezension auf weisen, und P2, welches eine sehr viel ausführlichere, stark erweiterte Fassung bietet. (Vgl. als Beispiel die Beilage unten p. 75, ad C. 9 q. 1). Doch auch innerhalb der ersten Gruppe kommen starke Abwandlungen vor; z. B. ist in den bei M überlieferten Text ad c. 37 D. 50 v. in penitentia: ’ E x hoc (M: ‘extra’ ) videtur intelligendum de illo qui culpa occidit; si enim non peccasset, dispensatiorie non egeret, ut infra ead. d. Ilii qui. Potest tarnen intellegi de eo . . . ’
bei P1 ein längeres Stück inseriert: ‘E x hoc —
egeret, secundum vg. ( = Huguccionem). Dicit enim quod
pro homicidio . . . ’ etc.
Aber trotz solcher Divergenzen 1 bilden die drei Hss. P1M C ge genüber P2 eine Familie, innerhalb deren dann wiederum Rezensions unterschiede zweiten Grades auftreten und noch weiter zu unter suchen wären. Der Apparat zitiert die älteren Bologneser Autoren, besonders häufig aber Huguccio, und von zeitlich ihm Nahestehenden häufig Melendus. Für die Glossengeschichte der letzten Zeit vor der Ordinaria gewinnt er ein besonderes Interesse durch ein offensichtlich nahes Verwandtschaftsverhältnis zur Glossa Palatina. Ich gebe als Beispiel die Anfangsglosse (zu pr. D. 1 v. Humanum genus), und zwar, zur Aufhellung der Textgeschichte, synoptisch bei Huguccio (nach Vatic. *lat. 2280), der Glosse lIus naturale’ (nach P1P2MO), der Glossa Palatina 2 (nach Vatic. *Pal. 658 [Vp] und Durharn *C. III. 8 [D]) und der Glossa Ordinaria des Johannes Teutonicus (nach Bamberg *Can. 13 [B], Vatic. *Pal. 624 [Vp1]). Wörtliche Entleh nungen sind durch Kleindruck, freie Entlehnungen durch Meinen K u rsiv druck gekennzeichnet.
1 Auch zwischen V und M lassen sich solche Divergenzen - soweit V über haupt eine Beurteilungsgrundlage bildet - feststellen.
So lautet die lange Glosse
über Schuldformen der Tötung ad dict. p. c. 35 D. 50 (woraus oben p. 67 die A lle gation von Comp. II bereits erwähnt ist) am Schluss in M : ‘ . . . Illud quoque sciendum, quod, ut hug. dicit, ubicumque homicidium sine peccato committitur, irregularitas contrahitur. Set melius distinguitur, ut dictum est’ .
V , sonst völlig
(bis auf geringe Varianten) übereinstimmend, fügt ein: ‘ . . . I l l u d ----- quod Ugo d i c i t ----- contrahitur. R(icardus?) dicit, nisi casu et etiam sine culpa committitur [irregularitas contrahitur (Homöoteleuton)]. Set —
est’ .
2 Zur Frage, ob Glos. Pal. ad pr. D . 1 von L au r e n tiu s stam m t, s. unten p. 911.
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Der Apparat ‘ Ius naturale’
72
‘Ius nat.’ :
I lu g .: Tractaturus m a
Tractaturus Gratianus de iure canonico a n a turali iure non disD cordat. incipit enim incipiens et progreditur a sim plicibus ad co m p o sita, a primis secun a primis secun dum naturam ad podum naturam 10 steriora, i . e. a iure naturali procedit ad ius canonicum quod ius naturale anti quius est et d igniu s Tractaturus de iure
gister Gratianus de canonico Gratianus iure canonico1 incipit
ab alti ori, sc. a iure naturali quod anti quius est tempore
O rd.:
P a i:
15
et excellentius d i
Tractaturus Gratianus de iure canonico prim o incipit a sim plicioribus secun dum naturam sc. a iure naturali quod anti quius et dignius est.
cepit enim
cepit enim ipsa rationa bili creatura, ut bili 1 creatura ut Inst. de rer. div. Inst. de rer. div. 20 § Commodius 2. § Commodius.
gnitate 2.
cum ipsa rationa
et
premittit3 ergo
quasi premissa d if quasdam iu ris d ivisio finitione iuris divi nes prem ittit,
quasdam iuris divisio
dit ius bimembri di
nes
visione, sc. in ius naturale et mores,
ab
iu ris species quasdam exem - 25
utrum que dividen p lifica n d o 1 usque ad tium exequens. po quartam di. os
et eas p ro sequitur usque ad quartam di.
stea iterum dividit dit. ius trimembri divi sione, sc. in ius n a turale et civile et
30
gentium 3, et unum quodque membrum exequitur, de qui busdam
aliis iuri-
35
bus quasi per transi tum mentionem fa ciens. exinde, inter sertis
appellatione in quarta di. aperit in quarta aperit iuris of- -iO officium tam iuris ec-
ecclesiastici iuris et
1 Vgl. R ufinus ad 1 ‘ [exemplificando loc. cit. (getilgt)] describendo, 2 Vgl. R ufinus . quasdam exemplifi3 Vgl. (von ‘et quasi’ cando* P3. ali) Stephanus ad loe. cit.
1 ‘dignius est’ D. - In s t. 2,1,11. 53 ‘premit’ Vp.
1 ‘ [ipsa] ab ipsa rationali’ B.
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73
Der Apparat ‘ Ius naturale’ (H ug.:)
(‘Iu s nat.’ :)
officio et causa in- fid u m , causa?«, et m o ventionis iuris tam ecclesiastici
dum
constitutionis
1.
quam
secui aris usque ad
a
V . di., post assignat4 V . di.
differen
multiplices differen
tias iuris naturalis tias inter iu ris species ad cetera i ur a et hoc assignat usque ad X V . di., ubi incipit tractare aggressurus a 2X V 3. di. de principali propo proposita?« principale. sito, se. de iure ca nonico.
1 ‘ass. postea’ Vat.
(P al.:,
(Ord.:)
clesiastici et causam inventionis quam etiam secularis. post assignat multiplices differen tias iuris naturalis ad a lia iura usque ad *XV. di. i n qua incipit tractare de principali nego tio, sc. de iure ca nonico.
assignat multas differen tias iuris naturalis ad alia iura usque ad XV. di. in qua a ggreditu r principale propo situm, sc. de iure ca nonico l . ergo
1 Der in den Drukken stehende Schlusszusatz ‘originem eius assignans’, gehört der bartholomäischen Re daktion an. Auch an dere von mir eingese hene H6S. der reinen Glos. O rd . haben ihn nicht, oder von frem der Hand.
j ‘causam constitu tionis et modum’ P}. 2 'in* P>. 3 'quinta’ C.
A nmerkungen zur Textgeschichte : 1 -3 ‘T ra c ta tu ru s----- canonico’ (bei Huguccio in Anlehnung an Rufin), geht nur unter Weglassung von ‘magister’ und Umstellung, in Glos. 1. n. ein. Glos. Pal. hat die gleiche Auslassung, bleibt aber in der Satzstellung unmittelbar von Hug. abhängig.
Glos. Ord. aus Glos. Pal.
5 Glos. I . n. verändert, Glos. Pal. behält
p. 3511).
§ hu. dicit quod mortaliter p ec
cat repercutiens ferientem iuste vel iniuste, sive statim [M s.: statö] siv e -p o st, sive pro se sive pro alio, nisi fiat auctoritate iudicii (iudicis I); et si aliter evadere non possit quam repercutiendo, debet potius quelibet m ala tollerare quam malo consentire, ut 32 q. II Ita ne. et quod dicitur « vim vi repellere omnes leges et o m nia iura permittunt », ita intellegitur: i. e. non puniunt, vel melius: licet repellere non repercutiendo, set aliter obstaculum opponendo (o~ p. 3513)’ . Der Anschluss an Huguccio ist z. T . wörtlich. 1 ‘lex Anglicana’ bedeutet auch: ungeschriebenes Recht.
V gl. für diesen
Sprachgebrauch bei Glanville und Bracton: P ollock and M a it l a n d , The H istory oj English Law before the Time of Edward I , vol. I (21898) p. 175. 2 V gl. H u gu ccio , loc. cit. p. 3642.
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'“Prima, primi’ -
‘ Anim ai est substantia’
207
Die Summa ‘Animal est substantia’, bisher seit ihrer Entdeckung durch Schulte wenig beachtet*, ist eine grossangelegte, bedeutende Apparat-Summe, die sich durch besonders starke romanistische Technik und romanisierende Tendenz1 2 auszeichnet. Durch die Zitationen der französischen Theologen Petrus Cantor und Petrus von Corbeil3 wie durch die Beziehungen zum Glossenapparat ‘Ecce vicit leo’ (oben p. 64 s.) werden wir auf die Zugehörigkeit des Verfas sers zur französischen Schule hingewiesen. (Verbindungslinien zur Glosse der Hs. JDouai *592 s. oben p. 36). Die Entstehungszeit ist auf 1206-1210 anzusetzen 4; welcher nachbernhardischen Dekretalensammlung sich der Verfasser bei Allegation von Extravagan ten bedient habe, bleibt noch festzustellen56 . Inc.: ‘Animal est substantia animata sensibilis . . . ’
1 S c h u lte , Dritter Beitrag p. 59 s. gibt eine kurze Erstbescbreibung; ferner Uebergangen bei v an H o v e , Prolegomena, in G illm an ns zahlrei chen Arbeiten zur Dekretistik, bei L o ttin , Droit naturel, B r y s und T e e t a e r t . Zur Lehrgeschichte erstmals herangezogen bei Sa l t e t p. 337 (mit falscher D a Q L. I p. 226.
tierung), ausführlicher in Kanonistisehe Schuldlehre, passim. 2 Schon bei S chulte loc. cit. p. 60 beobachtet. 3 Kanonistisehe Schuldlehre pp. 2881, 2911.
p . x eod. erster Hinweis auf
Frankreich als Ursprungsland. 4 K u ttn e r , Dainasus als Glossator p. 3813: vor Comp. I I I , nach der Dekretala Po. 2763 ‘Licet quibusdam’ von 1206.
6 S chulte Q L. I p. 226 nahm Compilatio Gilberts (nicht die des Alanus,. wie ich ungenau, Dam. als Gloss. loc. cit. berichtet habe) als Vorlage an, meinte aber doch wohl Alanus; die Allegation ‘extra t. Urbani I I I . E x transmissa’ in Sum. B am b. (S c h u lte , Dritter Beitrag pp. 62 -6 3 ) geht auf Alanus: I I I , 7, 1 = Comp. I I: I I I , 7, 1.
Die Dekretale steht aber bei Alanus (richtig) Alexander I I I . zuge
schrieben (J a .-L . 14134), und die Zuschreibung an Urban I I I . bleibt so unaufgehellt wie die gleichfalls in keiner der bisher bekannten Sammlungen nachzuweisende Fehlzuschreibung von Clemens’ I I I . ‘Scripsisti’ (Comp. I I : V , 6, 3; J a.-L . 16649) an Innozenz I I I . (vgl. Cod. Bam b. ad c. 50 D . 50, Kanonistisehe Schuldlehre p. 2061; auch ad c. 37 D . 50 daselbst wird mit ‘distinguit Papa’ fälsch lich der lebende Papst, also Innozenz gemeint sein).
Aehnlich unaufgeklärte
Fehlzuschreibungen hat die Glosse ‘Ecce vicit leo’ (Beispiele vgl. bei G illm an n Archiv 94 [1914] p. 2423).
A u f keine bekannte Sammlung passt ferner folgende
Allegation ad c. 22 C. 6 q. 1 (Kanonist. Schuldlehre p. 562): ‘. . . unde punitur etiam si non perveniat ad efiectum iuris, ut patet in illo qui eontrahit simul cum duabus; extra tit. de bigamis c. 3’ , w om it X : I, 21, 4 = Comp. I I I : I, 14, 1 = I, 12, 2 gemeint ist.
G ilb .:
Eine naehbernhardische Sammlung m it mehr als zwei D e-
kretalen im tit. de bigamis ist bisher nicht bekannt.
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§ 12. - Distinktionen der Dekretisten
Die literarische Gattung der Distinktionen ist für die Kanonistik bisher arg vernachlässigt worden. Infolgedessen haben wir zwar einige zutreffende Einzelmitteilungen über Schriften dieser G ruppe1, aber auch manche falsche Vorstellungen über das, was ‘distinctiones’ sind 2 und über die Entstehungsverhältnisse3. Die Gat tung als solche findet in Schultes Literaturgeschichte wie in spä teren Darstellungen keinen Eaum 4*. Der folgende Katalog ist ein erster Versuch, die bisher bekannten und unbekannten Distinktio nensammlungen als Glieder einer besonderen Klasse von Dekretistenschriften zu erfassen; die gegenwärtigen einleitenden Bemer kungen erheben keinen Anspruch darauf, eine Geschichte der ‘distinctiones decretistarum’ zu sein; bis dahin «hat es noch gute 1 L a ppe n b e r g (1831) und R e im ar u s (1837) über die Distinktionen des P e trus Blesensis, s. unten p. 22 0; T a il l ia r (1847) über Richardus Anglicus, s. unten p. 222; S in g e r (1893) über D ist. Monae., s. unten p. 215.
2 S chulte bezeichnete fälschlich die Summa ‘Permissio quedam’ als ‘Distinc tiones’ (oben p . 192), S in g e r ebenso das Summenfragment ‘B oni a D eo’ (oben p . 183).
Falsche Charakterisierung des Begriffs der D istinctio: S ch ulte Q L. 1
p. 218, der Distinktionen des Richardus bei Sc h u lte : s . unten p. 2232; der D istinc tiones ‘Consuetudo’ bei Schulte und S in g e r : unten p. 219.
3 S c h u lte , Glosse p. 33 hält Sicardus, S in g e r Beiträge I p . 37411 die franzö sischen Dekretisten für Urheber der schematischen Distinktionen.
V gl. dazu
J u n c k e r , Simon p . 3683; oben pp. 52, 153, 1807*. 4 S c h u lte Q L. I p. 207: « D ie beiden folgenden Schriftsteller gehören weder zu den Dekretisten noch zu den Dekretalisten; dies möge ihre Stellung rechtfer tigen ».
F olgt § 50 über Petrus Blesensis, § 51 über Rob. Flamesburiensis.
Der
Autor der Distinktionen wird also neben den Poenitentialjuristen sozusagen in den Anhang gestellt, während Richardus Anglicus’ Distinktionen p. 226 unter den Summen auftreten. - V an H o v e , Prolegomena pp. 2 2 9 -2 3 0 nennt unter ‘D i stinctiones’ nur die des Richardus, während die D ist. Monac. übergangen und die des Petrus Blesensis zu den ‘Brocarda’ gerechnet werden (vgl. dazu unten p . 221).
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Distinktionen der Dekretisten
209
Wege » 1, hier noch mehr als in der Legistik, für die Seckel in genialer Weise das Gebiet der ‘distinctiones glossatorum’ durchfurcht und seine historischen Grundlinien und Probleme herausgearbeitet h a t2. ‘Distinctio’ ist die Zerlegung eines Oberbegriffs durch Heran ziehung entgegengesetzter Sondermerkmale. Gegenstand der Zer legung können Tatbestände, quellenmässige Begriffe und Ausdrücke, Rechtsregeln und Rechtsbeziehungen sein 3. Wie in der Legistik, bildet in der Kanonistik die Glosse den Ausgangspunkt der Distink tionen 4 und durchziehen Distinktionen das gesamte Schrifttum der Dekretisten5: es handelt sich eben bei der ‘distinctio’ primär nicht um eine literarische Gattung, sondern um eine der gesamten mittelalterlichen Wissenschaft gemeinsame - wenn auch zum Teil aus vormittelalterlichen Vorbildern erwachsene6 - Methode und Form des wissenschaftlichen Denkens. Was nun die kanonistischen Distinktionen als Literaturgattung anlangt, so ergeben sich für sie einige Unterschiede zur Legistik. Der erste betrifft das Verhältnis zum literarischen Typus der Solu tiones contrariorum, d. h. der Auflösungen von Widersprüchen mit einander verglichener Quellenstellen. Solutionen können, aber müssen nicht nach -distinguierender Methode gearbeitet sein. In der Zivilistik sind sie von den eigentlichen ‘distinctiones’ genetisch getrennt, obwohl im Laufe der Entwicklung die Grenzen zuweilen verfliessen und manche Distinktionen als Solutionen auftreten7*. 1 Ausdruck von S e c k e l , Distinctiones Glossatorum p. 286. 2 Seither sind vor allem zu nennen: K a n t o r o w ic z , Rezension zu Seckel D isi. Gloss. in Deutsche Lit.-Zeitung 1912 p. 949 ss. P e sc a t o r e , Rezension zu Seckel, D isi. Gloss. in Sav.-Zeitschr. Rom. Abt. 33 (1912) p. 519 ss., Verzeichnis legist. Distinktionen, eod. p. 493 ss., Distinktionensammlung des M s. Bonon. Coli. H isp. N r. 73 (Greifswald 1913). T o r e l l i , Distinctiones di Pillio (Modena 1928). G e n z m e r , Glossatoren p. 397 s., Distinctione)i. 3 Se c k el loc. cit. p. 281, K a n to r o w ic z loc. cit. p. 950, G e n z m e r , Glossatoren p. 398, Distinctionen p. 348. 4 Für die Legistik vgl. Se c k e l , D isi. Gloss. p. 282 s. P e sc a t o r e , Irnerius p. 67 und Rezension Seckel p. 523.
Für die Kanonistik oben p . 5 und unten zu
D ist. Carnot. 5 Um ein beliebig herausgegrifienes Beispiel aus der Summenliteratur zu geben: bei R u fin u s ad C. 7 q. 1 finden sich drei Distinktionen: ad pr. (ed. Singer pp. 2 8 6 -2 8 8 ), ad c. 8 (p. 288), ad dict. a. c. 19 (pp. 2 9 0 -2 9 4 ); eine Fülle von D istin k tionen findet man in der Glossa Ordinaria. 6 G e n zm e r , Glossatoren p. 399 s., Distinctionen passim. 7 V gl. Se c k e l , Distinctiones Glossatorum p. 41710, G e n z m e r , p. 40 1238, Distinctionen p. 349.
Glossatoren
Zur Trennung im Ursprung: P e sc a t o r e , Irn e-
14
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Distinktionen der Dekretisten
Dagegen spielt für die Entstehung der dekretistischen Distinktio nen die Anknüpfung an Contraria eine entscheidende Eolle. Der Grund hierfür lag wohl hauptsächlich in dem methodischen Vor bild des Dekretes seihst, das den Rechtsstoff als ‘concordia discor dantium canonum’ darbot, zur Fortführung der gratianischen Me thode anreizte und noch reichlich Gelegenheit dazu gab. Die ‘solu tio contrariorum’ steht am Anfang der wissenschaftlichen Reflexion über die kanonistischen Quellen*1; sie ist ebensosehr Zweck des Distinguirens wie es die systematische Darstellung ist. Lediglich der Systematik dient dagegen die ‘distinctio’ in ta bellarisch-schematischer Form 2; ein Typus, der nicht nur auf einer primitiven Stufe der Entwicklung auftritt 3, sondern auch die Sum menliteratur beeinflusst 4 und noch am Ende des 12. Jahrhunderts von Richardus Anglicus seinem Distinktionenwerk zugrunde gelegt wird. Die in fortlaufender Rede ausgeführte ‘distinctio’ , genetisch (wenn auch nicht notwendig zeitlich) eine zweite Stufe gegenüber dem Schema 5, dem Wesen nach aber wie dieses auf systematische Erfassung einer Materie gerichtet, ist in den Distinktionen der Dekretistik gleichfalls vertreten, steht aber nicht so im Vordergründe wie bei den Legisten. Ein weiterer Unterschied zur Legistik betrifft den Aufbau der Distinktionenwerke. Für die Legisten sprechen wir von ‘Distink tionensammlungen’, d. h. Zusammenstellungen von Einzeldistink tionen in variabler Reihenfolge; nur vereinzelt findet man Anord nung nach der Legalfolge 6. Dagegen ist in den meisten Distink tionenwerken der Dekretisten, die der folgende Katalog mitteilt, die Reihenfolge des Dekrets bei der Auswahl der Anknüpfungsstellen rius pp. 61, 64 und Rezension Seckel p. 544 s. mit freilich zu starker Betonung des genetischen Unterschiedes und pseudonaturwissenschaftlicher Geringschät zung der Kreuzungen ( ‘ H ybriden’ ). 1 Ueber Konkordanzbestrebungen vorgratianischer Zeit vgl. jetzt F o u r n ie r -L e
B r a s , Histoire des eollections canoniques II (1932) p. 334 ss.; zu D istink tionen bei Bonizo s. jetzt G e n z m e r , Distinctionen p. 357. 2 V gl. Se c k e l , Distinctiones Glossatorum p. 281 s. 3 V gl. P e sc a to r e , Rezension Seckel p. 522 für die Legisten. F ic k e r , F o r
schungen zur Reichs- und Rechtsgeschichte Italiens II I 1 (1870) p. 142 hatte von « diirftige(r) tabellarischer Darstellung » gesprochen. 1 V gl. oben p. 153 zu Sicardus, p. 1801 zur Summa ‘Inperatorie m aiestati’ p. 183 zu ‘Boni a Deo patre’ . 5 V gl. Se c k e l , Distinctiones Glossatorum· p. 281. 6 V gl. loc·. eit. p. 283.
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Distinctiones Carnotenses
für die Einzeldistinctio gewahrt. Eine Ausnahme machen hier nur die tabellarischen Distinctiones Parisienses und das sog. Speculum des Petrus Blesensis, welches vielleicht die einzige Schrift ist, welche man als ‘Distinktionensammlung’ in Parallele zu dem in der Legistik üblichen Typus setzen kann, da es in freier Folge textlich ausge führte Distinktionen enthält. Unter den übrigen, nach dem Auf bau des Dekrets geordneten Werken überwiegen die beiden Typen der contrariorum solutiones und der tabellarischen Schemata bei weitem; nur die Distinctiones ‘Consuetudo’ geben fortlaufende, nicht-solvierende Erörterungen. Kanonistische Distinktionen treten auch in den Agglomeraten von ‘Kleinschriften’ vermischten Inhalts auf, denen man so häufig in Miszellancodices und auf Anfangs-, End- und Schutzblättern anderer Codices begegnet1. Diese kommen im vorliegenden Re pertorium noch nicht zur Besprechung.
Die Distinctiones Carnotenses Hs.: Chartres, Stadtbibi. *169 [fol. Tö'^-HO*] s. xn. unbekannt.
Bisher
Die Distinktionen gehören zum Typus der ‘solutiones contra riorum’ ; sie knüpfen an ausgewählte Quellenstellen in der Reihen folge des Dekrets an. Und zwar scheinen wir es mit einem der ältesten Vertreter dieses Typus zu tun zu haben, wofür einmal Alter und Zusammensetzung der Hs. 2 spricht, sodann aber auch der 1 Vgl. die Sammlung von Kleinstücken teils legistischen, teils kanonistisohen Inhalts, die S e c k e l , Distinctiones Olossatorum p. 341 ss. aus der H s. Erlan gen 375 [515] bekanntgemaclit hat, m it folgenden, zum Teil auch in Berlin, *lat.
qu. 193 überlieferten kanonistischen Distinktionen:
Se ck el p. 341 N r. 3, p. 342
Nr. 5, 343 N r. 7 a, d, e, g, h, Nr. 10 a, (p. 344) d, g (rectius: ‘Coactionum’ ), i, k, m , n. S eck els Analyse ist im Katalog der Universitätsbibliothek nicht berücksichtigt worden. - Andere Sammlungen, z. T . m it Distinktionen: Antwerpen, Musée Plantin *M 13, Vorsatzbl. und fol. 2 0 0 *-2 0 2 *; London, Brit. Mus. *Addit. 24659 fol. 1; Troyes *6(1 fol. 22 9*-23 0*; Vatikan, *Pal. 678 fol. 100* (unten p. 215).
Die Keihe ist b e
trächtlich zu vermehren. - Distinktionen in Notabilien eingesprengt: unten p. 234. 2 Ein Paucapaleafragment (s. o. p. 125), im übrigen theologische Stücke (vgl. K atalog; dort ist zu korrigieren, dass das Stück ‘Omni tempore sint vestimenta . . . ’ fol. 75 gleichfalls theologischen Inhalts ist).
Fol. 1-80* halte ich
im (fgs. zum K atalog für s. x n (dort s. x m ) .
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212
Distinktionen der Dekretisten
Inhalt selbst; gleich die erste Distinctio (beg. ohne Vorrede) lautet (c. 7 D. 1): ‘§ Jus naturale est etc. nunquam iniustum·. Illud autem quod in § infra tercie questionis X X I I I . cause videtur huic capitulo contrarium esse, con silium perfectionis est; illud vero minus perfectis licite remissionis (?) rem e dium’ .
Es handelt sich um die Scheindiskordanz zwischen Notwehr recht und Evangelium *; die hier gegebene ‘solutio’ kennt aber die sachliche Distinktion der Notwehr noch nicht, die seit Rufinus Schulgut wird 1 2. - Eine andere Distinktion (c. 4 [a. E.] D. 5): ‘ § Bonarum·. His que de X X I I . [Ms.: X X . ] ca. q. I I . Hum ilitatis causa etc. (c. 9) et. ead. q. V . Si non licet (c. 9 C. 23 q. 5) solent assignari contraria, responderi potest ita, ut dicatur hic fleri mentio(nem) de illis que ignora mus et incerti sumus, dubitamus tam en nos ea commisisse, de quibus do lere debemus; ibi de his de quibus certioramur’ .
Hier liegt nahe Beziehung zu einer Glosse vor, die als eine der ersten Solutionen in alten Glossenschichten begegnet3. Ueberhaupt ist es nicht ausgeschlossen, dass wir es mit einer aus Glossen entstandenen Sammlung von Solutiones contrariorum zu tun haben 4. fol. 79 erscheinen, ohne irgendwelche äussere Absonderung, 23 kurze Lehrfragen 5, beginnend: ‘ § Singula sigillatimi com m itti singulis titulata, ne sit illi contrarium X X I c. q. I. Relatio (c. 5). § Interroganti ne ep.s debeat permittere, ut relicta propria ecclesia clericus monasterium ingrediatur, respondemus quod sic. § Interroganti utrum clerico invito . . . ’
Die Antworten auf die meist mit ‘Interroganti’ eingeleiteten Probleme sind nur zum Peil etwas länger oder distinguierend. Ob wir es hier mit einem Bestandteil der Distinktionensammlung oder mit einem eingesprengten Fremdstück zu tun haben, ist zweifelhaft. 1 V gl. Kanonistische Schuldlehre p. 349 s. 2 loc. cit. p. 336 ss. 8 Abdruck bei J u n c k e r , Sum. Glos. p. 440; vgl: auch oben pp. 42’ , 501. 4 V gl. dazu (zivilistische Distinktionensammlungen aus Glossen) Se c k e l , Distinctiones Glossatorum p . 283. 5 V gl. zu diesem Begriff oben p . 152.
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Distinctiones Carnotenses - Cantabrigienses
213
Nach der letzten dieser Fragen (‘utrum malis vindicta sit in ferenda’ cf. C. 23 q. 4) beginnt wieder der anfängliche Stil mit einer Distinctio zu ‘C. XV. q. VIII. c. primo’ (fol. 80); den Schluss bildet ein Notabile zur Affinitätslehre: ‘§ Notandum est tria esse genera affinitatis . . . ’ ; expl. ‘ . . . personam meam non transcendit’. Ich möchte Entstehung bald nach Paucapalea, jedenfalls vor Rufinus annehmen.
Die Distinctiones Cantabrigienses
59].
Hs.: Cambridge, University Libr. *Addit. 3321 [vol. 1, fol. 36(Maitland, des e r . in e d ita ).
Die Distinctiones gehören zum Typus der ‘solutiones contra riorum’ ; sie knüpfen an ausgewählte Quellenstellen in der Reihen folge des Dekrets an, bringen diese Stellen aber ohne Allegation, als freibehandelte Textexzerpte unter nur vager Quellenangabe (wie ‘Gregorius’, ‘iuxta illud Ieronimi’ usw.). Es folgen in der gleichen Weise, oft durch einen ‘Sed si’-Satz oder ähnlich einge leitet, die Konträrstellen (meist nur eine) und mit ‘Ad hoc dicimus’ die Solution h Die solvierenden Distinktionen sind von sehr ver-1 1 z. 15. fol. 40 ad c. 1 D . 16: ‘(I)sidorus : Canones qui dicuntur apostolorum scii, eorum gesta, canonica auctoritate constat esse removenda et inter apocrifa depu tanda. Alibi habemus quod canones apostolorum sunt recipienda. Ad hoc dicimus quod . . . ’
‘Canones - apost.’ ist der Anfang von c. eit., ‘scii.’ freie Zutat, ‘eorum gesta’ Vor wegnahme; hier werden die beiden Subjekte des anakoluthen Quellensatzes zusammenge zogen. ‘canon, auct.’: kontrahiert aus ‘auct. tarnen can. et apostolica’, davor ist der grösste Teil des Kanons fortgelassen, ‘removenda et’: bei'Gratian ‘removenda atque’. ‘Alibi habemus’ rell.: freier Text, gemeint sind c. 2 seqq. D. 16. Aus der Distinktion zu c. 1 D . 13: ‘Gregorius. Duo mala, licet omnino sunt precarenda, minus tamen semper agendum, ut maius devitetur. Unde et hic ponit de eo qui iurat se hominem occidere et dicit quod melius est ei deierare quam hominem occidere. Set si hominem non occidat, non videtur deierare. ex quo enim iuravit, et deiuravit iuxta illud Ieronimi·. Iusiurandum hos habet com ites----- periurium. Cum ergo qui . . . A d hoc dicimus, quod non sunt ibi duo m ala quantum ad Deum , set quantum ad ecclesiam . . . ’
‘Gregorius’: Vorverlesen aus o. 2 D. 13. Der folgende Satz [anakoluth] ist zusammen gesetzt: ‘ Duo - precavenda’ aus c. 1, ‘minus - agendum’ frei nach der Inscriptio Gratians ‘minus malum de duobus est eligendum’, der Rest nach c. 2 § 4 eod. ‘ut maiora declina rent’. Satz 2 eigner Text. ‘Iusiurandum’ rell. —c. 2 C. 22 q. 2, vom 5. Wort an. Zur Sache vgl. K a von istisch e Schuldletire p. 257 ss.
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214
Distinktionen der Dekretisten
schiedener Länge, oft nur wenige Sätze, zuweilen mehrere der Ok tavseiten einnehmend (z. B. reicht die Dist. ad c. 1 D. 25 von fol. 49®-51), im Durchschnitt etwa eine Seite. Die Sammlung beginnt verstümmelt mit den Worten ‘maior fuerit in honore ille . . . die ersten vollständigen Distinktionen fangen an: ‘—1
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