Religiös und politisch gebundene öffentliche Ämter: Anschauungsgebundene Vergabe von Staatsämtern im Spannungsfeld zwischen besonderen Gleichheitssätzen und gegenläufigem Verfassungsrecht [1 ed.] 9783428544363, 9783428144365

Ausgezeichnet mit dem CBH-Promotionspreis 2015 der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu KölnDie Arbeit u

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German Pages 551 Year 2015

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Religiös und politisch gebundene öffentliche Ämter: Anschauungsgebundene Vergabe von Staatsämtern im Spannungsfeld zwischen besonderen Gleichheitssätzen und gegenläufigem Verfassungsrecht [1 ed.]
 9783428544363, 9783428144365

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1286

Religiös und politisch gebundene öffentliche Ämter Anschauungsgebundene Vergabe von Staatsämtern im Spannungsfeld zwischen besonderen Gleichheitssätzen und gegenläufigem Verfassungsrecht

Von

Christian Jasper

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN JASPER

Religiös und politisch gebundene öffentliche Ämter

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1286

Religiös und politisch gebundene öffentliche Ämter Anschauungsgebundene Vergabe von Staatsämtern im Spannungsfeld zwischen besonderen Gleichheitssätzen und gegenläufigem Verfassungsrecht

Von

Christian Jasper

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-14436-5 (Print) ISBN 978-3-428-54436-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-84436-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die religiös und politisch beeinflusste Vergabe öffentlicher Ämter ist ein Thema, das es zuletzt bis in die Leserbrief-Spalten großer Tageszeitungen gebracht hat. Verstärkt diskutiert wurde in der Öffentlichkeit etwa, unter welchen Bedingungen islamische Religionslehrer in den Staatsdienst eingestellt werden können oder welche Voraussetzungen für Einstellung und Entlassung politischer Beamter gelten sollten. Diesen Fragen geht die vorliegende Arbeit auf der Basis des geltenden Verfassungsrechts nach. Sie wurde im Wintersemester 2013 / 2014 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 30. Januar 2014 statt. Für den Druck wurde das Manuskript ebenfalls auf diesen Stand gebracht. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Michael Sachs. Er hat maßgebliche Anregungen zur Themenstellung der Arbeit gegeben und stand mir stets als wertvoller Ansprechpartner zur Verfügung. Die zahlreichen positiven Erfahrungen, die ich während meiner langjährigen Tätigkeit am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität zu Köln sammeln konnte, werden meine juristische Denk- und Arbeitsweise sicher mein Leben lang prägen. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Dr. Wolfram Höfling, M. A., der das Zweitgutachten verfasst hat, dessen Anregungen ich für die Drucklegung gern übernommen habe. Für die herzliche Atmosphäre und manches gute Gespräch auf dem Flur, in der Mensa oder bei anderer Gelegenheit danke ich den Kollegen aus dem Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, dem Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wissenschaftsrecht und Medienrecht sowie dem Institut für Deutsches und Europäisches Wissenschaftsrecht. Bei der Korrektur der Arbeit geholfen haben mir Frau Kathrin Kaupmann, M. Ed., Herr Rechtsanwalt Sascha Noack und mein Vater, Herr Dr. Karlbernhard Jasper. Ich weiß die Mühe zu schätzen, die Ihr mit dem Lesen des Textes auf Euch genommen habt! Ich freue mich, dass der Verlag Duncker & Humblot diese Arbeit in seine Reihe „Schriften zum Öffentlichen Recht“ aufgenommen hat. Dem Bundesministerium des Innern danke ich für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses, der die Veröffentlichung dieser Dissertationsschrift erst ermöglicht hat.

6 Vorwort

Schließlich und vor allem wäre die Entstehung dieser Arbeit nicht denkbar gewesen ohne die stete Ermutigung durch gute Freunde und meine Familie – besonders meine Eltern Marianne und Dr. Karlbernhard Jasper –, die mich auf jede erdenkliche Weise unterstützt haben. Euch allen gilt mein herzlicher Dank! Köln, im April 2014

Christian Jasper

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung 23

Kapitel 2

Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die anschauungsgebundene Vergabe öffentlicher Ämter 30

A. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Ämtervergabe in Abhängigkeit von religiösen Anschauungen . . . . . . . 31 1. Verfassungen des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Weimarer Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Ämtervergabe in Abhängigkeit von politischen Anschauungen . . . . . . 42 III. Staatsbürgerliche Gleichheit und gleicher Ämterzugang . . . . . . . . . . . . 47 B. Öffentliches Amt im Sinne der besonderen Gleichheitssätze . . . . . . . . . . . . 50 I. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Entstehungsgeschichtliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 IV. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 V. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 VI. Ergebnis zu B.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 C. Reichweite der Verfassungsbindung im Hinblick auf öffentliche Ämter der Länder  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundrechtsbindung der Bundesstaatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundrechtsbindung der Landesstaatsgewalt im Allgemeinen . . . . . . . III. Grundrechtsbindung des Landesverfassunggebers . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 70 70 71

D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen gem. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 II. Grundrechtlicher Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Tatbestandsmerkmale Glaube und religiöse Anschauungen . . . . . . . 77 2. Tatbestandsmerkmal politische Anschauungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Tatbestandsmerkmale Benachteiligung und Bevorzugung . . . . . . . . 79 a) Verhältnis von Benachteiligungen und Bevorzugungen . . . . . . . 81 b) Nicht benachteiligende Unterscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

8 Inhaltsverzeichnis 4. Verbotene Anknüpfung an ein Merkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Modelle des Kausalzusammenhangs und der Finalität . . . . . . . . 86 b) Wertungsoffenes Gleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Gebot rechtlicher Gleichstellung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 d) Modell eines strikten Anknüpfungsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 e) Anknüpfungsmodelle in der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . 89 f) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 g) Zwischenergebnis zu 4.   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5. Modus der Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 6. Vergleichbarkeit als Voraussetzung des grundrechtlichen Tatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 III. Grundrechtsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Begrenzungen auf der Ebene des grundrechtlichen Tatbestandes . . 101 a) Beschränkung auf sachwidrige Benachteiligungen und Bevorzugungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Quasi-tatbestandliche Begrenzungen durch Landesverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Quasi-tatbestandliche Begrenzungen durch Bundesverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 d) Zwischenergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Begrenzungen auf der Ebene der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Schrankenleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Natur einer Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Vertragliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Kollidierendes Landesverfassungsrecht als rechtfertigender Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 e) Kollidierendes Bundesverfassungsrecht als rechtfertigender Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Kollision mit Individualgrundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Sonderfall: Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als Unterscheidungsgebot . 124 cc) Kollision mit sonstigem Verfassungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . 125 dd) Anforderungen an grundrechtsbegrenzende Normenkolli­ sionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 ee) Zwischenergebnis zu e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 f) Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . 134 g) Zwischenergebnis zu 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 3. Zwischenergebnis zu III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 IV. Zwischenergebnis zu D. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 E. Unabhängigkeit der Zulassung zu öffentlichen Ämtern vom religiösen Bekenntnis gem. Art. 33 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Grundrechtlicher Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Öffentliches Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

Inhaltsverzeichnis9 2. Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Unabhängigkeit vom religiösen Bekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 III. Grundrechtsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 IV. Zwischenergebnis zu E. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 F. Unabhängigkeit der Zulassung zu öffentlichen Ämtern vom religiösen Bekenntnis gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Technik der Inkorporation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Grundrechtlicher Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 IV. Grundrechtsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 V. Zwischenergebnis zu F.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 G. Gleicher Ämterzugang gem. Art. 33 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Vor- und Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Gewährleistungsgehalt und Subjektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 III. Grundrechtlicher Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Öffentliches Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Deutscheneigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4. Auswahlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Befähigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Fachliche Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Ausschließlichkeit der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 e) Auswahlkriterien als relationale Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . 159 IV. Grundrechtsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 V. Zwischenergebnis zu G.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 H. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG im Verhältnis zu Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Verhältnis zu Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 III. Art. 33 Abs. 2 GG im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Zwischenergebnis zum 2. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Kapitel 3

Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe öffentlicher Ämter 170

A. Grundrechtsbeeinträchtigung durch religiös gebundene Vergabe öffentlicher Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Beeinträchtigung religionsbezogener Gleichbehandlungsinteressen . . . 170

10 Inhaltsverzeichnis 1. Ausdrückliche Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Über Mitwirkungsrechte vermittelte Kettenanknüpfung . . . . . . . . . . 172 3. Fehlende Vergleichbarkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 II. Beeinträchtigung des Prinzips der Bestenauslese . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Verbot der Staatskirche gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4. Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 5. Zusammenfassende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 III. Religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Ansätze der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Ansätze der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Positive Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Distanzierende Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Begründungsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 d) Gehaltlosigkeit des Neutralitätskonzeptes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Festhalten am Neutralitätsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 b) Distanzierende Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 c) Begründungsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 d) Positive Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Nichtidentifikation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 bb) Verbot religiöser Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 cc) Parität der Religionsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 IV. Zwischenergebnis zu B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Religionslehrer an staatlichen Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 235 2. Grundrechtsbegrenzung durch Art. 7 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Religionslehrer als Inhaber öffentlicher Ämter . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Anforderungen an das Bekenntnis von Religionslehrern . . . . . . 238 3. Art der Begrenzungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 4. Zwischenergebnis zu I.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 II. Lehrer an staatlichen Bekenntnisschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 243 2. Grundrechtsbegrenzung durch Art. 7 Abs. 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . 244 a) Verfassungsmäßigkeit staatlicher Bekenntnisschulen . . . . . . . . . 244

Inhaltsverzeichnis11 b) Anforderungen an das Bekenntnis von Lehrern staatlicher Bekenntnisschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 3. Art der Begrenzungswirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 4. Zwischenergebnis zu II.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 III. Lehrer an Gemeinschaftsschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 252 2. Grundrechtsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Zwischenergebnis zu III.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 IV. Theologieprofessoren an theologischen Fakultäten . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 256 2. Grundrechtsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Garantie theologischer Fakultäten gem. Art. 149 Abs. 3 WRV  . 258 b) Landesverfassungsrechtliche Gewährleistungen . . . . . . . . . . . . . 260 c) Vorkonstitutionelle Verträge i. V. m. Art. 123 Abs. 2 GG  . . . . . 261 d) Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 e) Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . 264 f) Garantie des Religionsunterrichts gem. Art. 7 Abs. 3 GG . . . . . 267 g) Zwischenergebnis zu 2.   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3. Art der Begrenzungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 4. Zwischenergebnis zu IV.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 V. Theologieprofessoren nicht-theologischer Fakultäten . . . . . . . . . . . . . . 272 VI. Professoren sogenannter Konkordatsprofessuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 275 2. Grundrechtsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 a) Vertragliche Vereinbarungen mit dem Heiligen Stuhl i.  V.  m. Art. 123 Abs. 2 GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Landesverfassungsrechtliche Gewährleistungen . . . . . . . . . . . . . 277 c) Schulrechtliche Regelungen des Art. 7 Abs. 3 bis 5 GG . . . . . . 278 d) Religiöse Selbstbestimmung gem. Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 3. Zwischenergebnis zu VI.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 VII. Professoren religiös-weltanschaulich ungebundener Fachbereiche . . . . 282 VIII. Seelsorger in der Bundeswehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 290 2. Grundrechtsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 a) Vertragliche Regelungen i. V. m. Art. 123 Abs. 2 GG . . . . . . . . . 291 b) Garantie der Militärseelsorge gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 aa) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 bb) Entstehungsgeschichtliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 cc) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 dd) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

12 Inhaltsverzeichnis (1) Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG . . . . . . . . . . 298 (2) Zweckmäßigkeit der amtlichen Militärseelsorge  . . . . . 301 (3) Beamtenrechtlicher Schutz der Militärseelsorger . . . . . . 301 (4) Funktionsfähigkeit der Bundeswehr . . . . . . . . . . . . . . . . 303 (5) Zwischenergebnis zu dd) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 ee) Zwischenergebnis zu b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 3. Art der Begrenzungswirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 4. Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 308 a) Anforderungen des Art. 19 Abs. 1, 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 b) Sonstige Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 aa) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 bb) Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 dd) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 ee) Zwischenergebnis zu b)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 5. Zwischenergebnis zu VIII.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 IX. Militärbischöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 X. Seelsorger in Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 325 2. Grundrechtsbegrenzung durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV. . 325 3. Art der Begrenzungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 4. Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 327 5. Zwischenergebnis zu X.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 XI. Seelsorger im Strafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 331 2. Grundrechtsbegrenzung durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV. . 332 3. Art der Begrenzungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 4. Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 b) Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 d) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 e) Zwischenergebnis zu 4.   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 5. Zwischenergebnis zu XI.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 XII. Seelsorger in der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 338 2. Grundrechtsbegrenzung durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV. . 338 3. Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 339 a) Bundespolizeiseelsorger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 b) Landespolizeiseelsorger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 4. Zwischenergebnis zu XII.   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 XIII. Religiös gebundene Vergabe anderer öffentlicher Ämter . . . . . . . . . . . 342 D. Zwischenergebnis zum 3. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

Inhaltsverzeichnis13 Kapitel 4

Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe öffentlicher Ämter 345

A. Grundrechtsbeeinträchtigung durch politisch gebundene Vergabe öffentlicher Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 I. Beeinträchtigung politischer Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . 345 1. Ausdrückliche Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 2. Über politische Entscheidungsformen vermittelte Kettenanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 3. Fehlende Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 II. Beeinträchtigung des Prinzips der Bestenauslese . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 III. Zwischenergebnis zu A.   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 B. Modifizierungen aufgrund politischer Entscheidungsformen . . . . . . . . . . . . . 350 I. Ämterbesetzung durch grundgesetzlich vorgeschriebene Wahl oder ­Bestimmung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 1. Wahlen   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 2. Bestimmung durch besonders ermächtigte Stellen . . . . . . . . . . . . . . 354 3. Zwischenergebnis zu I.  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 II. Ämterbesetzung durch grundgesetzlich nicht vorgeschriebene Wahl oder Bestimmung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 III. Zwischenergebnis zu B.   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. Politische Ämter innerhalb der obersten Organe von Bund, Ländern und kommunalen Körperschaften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 1. Bundestagsabgeordnete  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 2. Volksvertreter in Ländern, Kreisen und Gemeinden  . . . . . . . . . . . . 360 3. Bundespräsident  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 4. Bundeskanzler  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 5. Bundesminister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 6. Sonstige Ämter im unmittelbaren Umfeld von Bundestag und Bundesrat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 a) Mitglieder einzelner Organisationseinheiten von Bundestag und Bundesrat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 b) Parlamentarische Mitglieder des Richterwahlausschusses gem. Art. 95 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 c) Parlamentarische Staatssekretäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 d) Wehrbeauftragter gem. Art. 45b GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 e) Mitarbeiter von Fraktionen und Parlamentsabgeordneten  . . . . . 376 7. Richter des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 8. Verfassungsorgane der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 II. Bundes- und Landesrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

14 Inhaltsverzeichnis 1. Richter im Bundesdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 2. Richter im Landesdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 III. Politische Beamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 1. Beeinträchtigung politischer Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . 391 2. Beeinträchtigung des Prinzips der Bestenauslese  . . . . . . . . . . . . . . 394 3. Grundrechtsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 a) Natur der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 b) Verfassungstreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 c) Mitwirkung politischer Parteien gem. Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG . . 401 d) Hergebrachte Grundsätze gem. Art. 33 Abs. 5 GG  . . . . . . . . . . 403 e) Funktionsfähigkeit der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 aa) Funktionsfähigkeit der Bundesregierung als Verfassungswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 bb) Ressortkompetenz der Bundesminister gem. Art. 65 S. 2 GG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 cc) Transformations- und Steuerungsfunktion politischer Be­ amter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 dd) Repräsentationsfunktion politischer Beamter . . . . . . . . . . . . 415 ee) Rechtsvergleichende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 ff) Zwischenergebnis zu e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 f) Funktionsfähigkeit anderer Bundesverfassungsorgane . . . . . . . . 418 g) Funktionsfähigkeit der Landesverfassungsorgane . . . . . . . . . . . . 418 h) Art der Begrenzungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 i) Zwischenergebnis zu 3. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 4. Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen im Hinblick auf einzelne Ämter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 a) Beamtete Staatssekretäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 b) Ministerialdirektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 c) Beamte im Auswärtigen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 d) Beamte in den Sicherheitsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 e) Leitende Beamte in der Pressearbeit der Regierung . . . . . . . . . . 433 f) Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . 435 g) Beamte im Polizeidienst von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . 437 h) Präsidenten der Bundesämter für Personalmanagement, für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung sowie für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr . . . . . 439 i) Parlamentsdirektoren von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . 441 j) Direktor des Bundesrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 k) Chef des Bundespräsidialamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 l) Regierungspräsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 IV. Politische Soldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 V. Kommunale Wahlbeamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen . . . . . . . . . . . . . 451

Inhaltsverzeichnis15 2. Grundrechtsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 a) Landesverfassungsrechtliche Gewährleistungen . . . . . . . . . . . . . 451 b) Grundsätze demokratischer Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 c) Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 1, 2 GG  . . . . . . . . . . . . . 454 d) Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 Abs. 5 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 e) Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 aa) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 bb) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 cc) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 dd) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 ee) Zwischenergebnis zu e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 3. Art der Begrenzungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 4. Anwendung auf betroffene Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 a) Bürgermeister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 b) Landrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 c) Kommunaler Beigeordneter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 d) Allgemeiner Vertreter des Landrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 e) Ämter der Landschaftsverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 f) Sonstige Ämter auf kommunaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 VI. Sonstige öffentliche Ämter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 1. Mitglieder und Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes sowie der Landesrechnungshöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 2. Vorstand und Mitarbeiter der Bundesbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 3. Leitungsämter sonstiger Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 4. Leitungsämter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten . . . . . . . . . 487 5. Leitungsämter der Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 6. Ämter sonstiger Körperschaften der funktionalen Selbstverwaltung . 490 7. Unterschiedliche Beauftragte von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . 493 D. Zwischenergebnis zum 4. Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 Kapitel 5

Ergebnisse und Ausblick 497

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548

Abkürzungsverzeichnis Im Text verwendete Abkürzungen entsprechen, sofern sie nicht nachstehend aufgeführt sind, der bei Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 7. Aufl., Berlin / Boston 2013, angegebenen Bedeutung. AAS

Acta Apostolicae Sedis

ABl.

Amtsblatt (der jeweiligen Behörde)

AK-GG

Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. v. Denninger, Erhard / Hoffmann-Riem, Wolfgang / Schneider, Hans-Peter / Stein, Ekkehart (s. Literaturverzeichnis)

Akkommodations- Dekret der Kongregation für das katholische Bildungswesen über dekret I die Katholisch-Theologischen Fakultäten in den Staatlichen Universitäten im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz zur ordnungsgemäßen Anpassung und Anwendung der Vorschriften der Apostolischen Konstitution „Sapientia Christiana“ und der ihr beigefügten „Ordinationes“ v. 1.1.1983, AAS 75 (1983) I, 336 BayVGH

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

BayVGHE

Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs

BBbg Berlin-Brandenburg BBG 1953

Bundesbeamtengesetz v. 14.7.1953, BGBl. I 551

BEGTPG

Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen v. 7.7.2005, BGBl. I 1970 (2009)

BK

Bonner Kommentar zum Grundgesetz, hrsg. v. Kahl, Wolfgang /  Waldhoff, Christian / Walter, Christian (s. Literaturverzeichnis)

BPräsWahlG

Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung v. 25.4.1959, BGBl. I 203

BWahlG

Bundeswahlgesetz in der Bekanntmachung v. 23.7.1993, BGBl. I 1288

can. canon CDU

Christlich Demokratische Union Deutschlands

CIC

Codex Iuris Canonici, auctoritate Ioannis Pauli PP. II promulgatus, in: AAS 75 (1983) pars II; dt. Übersetzung: Codex Iuris Canonici, Codex des kanonischen Rechts. Lateinisch-deutsche Ausgabe mit Sachverzeichnis, 7. Aufl., Kevelaer 2012

Abkürzungsverzeichnis

17

CSU

Christlich-Soziale Union in Bayern

DBG 1937

Deutsches Beamtengesetz v. 26.1.1937, RGBl. I 39

DBK

Deutsche Bischofskonferenz

DDP

Deutsche Demokratische Partei

DP

Demokratische Partei

EKV BE 2006

Vertrag des Landes Berlin mit der Evangelischen Kirche BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz v. 20.2.2006, GVBl. 715

EKV Nds. 1955 Vertrag des Landes Niedersachsen mit den Evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen v. 19.3.1955, GVBl. 159 EKV SH 1957

Vertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Landeskirchen in Schleswig-Holstein v. 23.5.1957, GVBl. 73

ErfK

Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, begr. v. Dieterich, Thomas / Hanau, Peter / Schau, Günter (s. Literaturverzeichnis)

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

GBl.

Gesetzblatt (der jeweiligen Körperschaft)

GO BW

Gemeindeordnung für Baden-Württemberg v. 24.7.2000, GBl. 581

GO NW

Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Bekanntmachung v. 14.7.1994, GV 666, zuletzt geändert durch Gesetz v. 19.12.2013, GV 878

GO NW 1984

Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Bekanntmachung v. 13.8.1984, GV 475

GO NW 1994

Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Bekanntmachung v. 14.7.1994, GV 666

GOBMin

Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien

GOLT NW

Geschäftsordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen

GV(Bl.)

Gesetz- und Verordnungsblatt (des jeweiligen Landes)

HChE

Herrenchiemseer Entwurf für ein Grundgesetz für einen Bund deutscher Länder

HE Hessen HG Bbg

Gesetz über die Hochschulen des Landes Brandenburg i. d. F. v. 6.7.2004, GVBl. I 394

HG NRW

Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen v. 31.10.2006, GV 474

Hs. Halbsatz JFDG

Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten v. 16.5. 2008, BGBl. I 842

JMBl.

Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen

18 Abkürzungsverzeichnis KHG BW

Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg v. 29.11.2007, GBl. 2008, 13

Konk. Bad.

Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Freistaate Baden v. 12.10.1932, Badisches GVBl. 1933, S. 20

Konk. BY

Konkordat zwischen Seiner Heiligkeit Papst Pius XI. und dem Staate Bayern v. 29.3.1924, GVBl. 1925, 53

Konk. Nds.

Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Lande Niedersachsen v. 26.2.1965, GVBl. 192

LBG Bbg

Beamtengesetz für das Land Brandenburg v. 3.4.2009, GVBl. I, 26

LBG BE

Landesbeamtengesetz Berlin v. 19.3.2009, GVBl. 70

LBG BR

Bremisches Beamtengesetz v. 22.12.2009, GBl. 2010, 17

LBG BW

Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg v. 9.11.2010, GBl. 793

LBG HE

Hessisches Beamtengesetz v. 11.1.1989, GVBl. I, 26

LBG HH

Hamburgisches Beamtengesetz v. 15.12.2009, GVBl. 405

LBG LSA

Beamtengesetz des Landes Sachsen-Anhalt v. 15.12.2009, GVBl. 648

LBG MV

Beamtengesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern v. 17.12. 2009, GVBl. 687

LBG Nds.

Niedersächsisches Beamtengesetz v. 25.3.2009, GVBl. 72

LBG NW

Beamtengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen v. 21.4.2009, GV 224

LBG RP

Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz v. 20.10.2010, GVBl. 319

LBG SH

Landesbeamtengesetz Schleswig-Holstein v. 26.3.2009, GVBl. 93

LBG SL

Saarländisches Beamtengesetz v. 11.3.2009, ABl. 514

LBG SN

Beamtengesetz für den Freistaat Sachsen v. 12.5.2009, GVBl. 194

LBG TH

Thüringer Beamtengesetz v. 20.3.2009, GVBl. 238

LG

Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“, AAS 57 (1965), 5

Lit. Literatur Lk Lukas-Evangelium LKU

Lebenskundlicher Unterricht

(L)SA Sachsen-Anhalt LWKG NW

Gesetz über die Errichtung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen v. 11.2.1949, GV 53

MD

Grundgesetz. Kommentar, begr. v. Maunz, Theodor / Dürig, Günter (s. Literaturverzeichnis)

Abkürzungsverzeichnis19 MSV

Vertrag der Bundesrepublik Deutschland mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge v. 22.2.1957, BGBl. II 702

Mt Matthäus-Evangelium n. v.

nicht veröffentlicht

NW, NRW

Nordrhein-Westfalen

ParlRat

Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, hrsg. vom Deutschen Bundestag und vom Bundesarchiv (s. Literaturverzeichnis)

POG NW

Gesetz über die Organisation und die Zuständigkeit der Polizei im Lande Nordrhein-Westfalen v. 5.7.2002, GV 242

RBG 1873

Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten v. 31.3.1873, RGBl. 61

RBl. Regierungsblatt RGBl. Reichsgesetzblatt RiG Bbg

Richtergesetz des Landes Brandenburg v. 12.7.2011, GVBl. II, Nr. 18

RiG BE

Richtergesetz des Landes Berlin v. 9.6.2011, GVBl. 238

RiG BW

Landesrichtergesetz Baden-Württemberg i. d. F. v. 22.5.2000, GBl. 503

RiG HE

Hessisches Richtergesetz i. d. F. v. 11.3.1991, GVBl. I, 54

RiG HH

Hamburgisches Richtergesetz v. 2.5.1991, GVBl. 169

RiG RP

Landesrichtergesetz Rheinland Pfalz v. 22.12.2003, GVBl. 2004, 1

RiG SH

Richtergesetz Schleswig-Holstein i.  d.  F. v. 23.1.1992, GVBl. S. 46

RiG TH

Thüringer Richtergesetz v. 17.5.1994, GVBl. 485

RK

Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich v. 20.7.1933, RGBl. II, 679

RV 1849

Verfassung des deutschen Reiches v. 28. März 1849, RGBl. 101 (Paulskirchenverfassung)

RV 1871

Verfassung des Deutschen Reiches v. 16.4.1871, RGBl. 63

SchulG Nds.

Niedersächsisches Schulgesetz v. 3.3.1998, GVBl. 137

SchulG NW

Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen v. 15.2.2005, GVBl. 102

SGB III

Sozialgesetzbuch Drittes Buch (III) – Arbeitsförderung v. 24.3. 1997, BGBl. I 594

SGB XI

Sozialgesetzbuch XI – Soziale Pflegeversicherung v. 26.5.1994, BGBl. I 1014

SKV Bbg

Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Brandenburg v. 12.11.2003, GVBl. I 2004, 223

20 Abkürzungsverzeichnis SKV BR

Vertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen und dem Heiligen Stuhl v. 21.11.2003, GBl. 2004, 151

SKV HE

Vertrag des Landes Hessen mit den Katholischen Bistümern in Hessen v. 9.3.1963

SKV HH

Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Freien und Hansestadt Hamburg v. 29.11.2005, GVBl. 2006, 435

SKV LSA

Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land SachsenAnhalt v. 15.1.1998, GVBl. 263

SKV MV

Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land Mecklenburg-Vorpommern v. 15.9.1997, GVBl. 2

SKV NW

Vertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Heiligen Stuhl v. 26.3.1984, GVBl. 582

SKV SH

Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Land SchleswigHolstein v. 12.1.2009, GVBl. 381

SKV SL

Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Saarland über die Ausbildung von Lehrkräften für das Fach Katholische Religion und über die Erteilung katholischen Religionsunterrichts an den Schulen im Saarland v. 12.2.1985, ABl. 793

SKV SN

Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Sachsen v. 2.7.1996, GVBl. 17

SKV TH

Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen v. 11.6.1997, GVBl. 266

SN Sachsen SoldG

Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten i. d. F. v. 30.5.2005, BGBl. I 1482

StädteO 1808

Ordnung für sämtliche Städte der preußischen Monarchie mit dazu gehöriger Instruktion behufs der Geschäftsführung der Stadtverordneten bei ihren ordnungsgemäßen Versammlungen v. 19.11.1808, PrGS 324

StVollzG BY

Bayerisches Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe v. 10.12. 2007, GVBl. 866

StVollzG HE

Hessisches Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung v. 28.6.2010, GVBl. I 185

StVollzG HH

Hamburgisches Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung v. 14.7.2009, GVBl. 257

Urt. Urteil UVollzG NW

Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen v. 27.10.2009, GVBl. 540

Verf. Baden 1947 Verfassung des Landes Baden v. 22.5.1947, RBl. 129 Verf. Bbg

Verfassung des Landes Brandenburg v. 20.8.1992, GVBl. I, 298

Verf. BE

Verfassung von Berlin v. 23.11.1995, GVBl. 779

Abkürzungsverzeichnis21 Verf. BE 1950

Verfassung von Berlin v. 1.9.1950, VOBl. 433

Verf. BR

Verfassung der Freien Hansestadt Bremen v. 21.10.1947, GBl. 251

Verf. BW

Verfassung des Landes Baden-Württemberg v. 11.11.1953, GBl. 173

Verf. BY

Bayerische Verfassung v. 2.12.1946 i. d. F. v. 15.12.1998, GVBl. 991

Verf. BY 1818

Verfassungs-Urkunde des Königreichs Baiern v. 6.6.1818, GBl. 101

Verf. HE

Verfassung des Landes Hessen v. 1.12.1946, GVBl. 229

Verf. LSA

Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt v. 16.7.1992, GVBl. 600

Verf. Nds.

Niedersächsische Verfassung v. 19.5.1993, GVBl. 107

Verf. NW

Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen v. 18.6.1950, GVBl. 127

Verf. Preuß. 1850 Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat v. 31.1.1850, PrGS 17 Verf. RP

Verfassung für Rheinland-Pfalz v. 18.5.1947, GVBl. 209

Verf. SL

Verfassung des Saarlandes v. 15.12.1947, ABl. 1077

Verf. SN

Verfassung des Freistaates Sachsen v. 27.5.1992, GVBl. 243

Verf. SN 1947

Verfassung des Landes Sachsen v. 28.2.1947, GBl. 103

Verf. Württ. Hoh. Verfassung für Württemberg-Hohenzollern v. 20.5.1947, RBl. 1 1947 Verf. Württ. Bad. Verfassung für Württemberg-Baden v. 28.11.1946, RBl. 277 1946 VerfG Verfassungsgericht VerfGH Verfassungsgerichtshof WVK

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge v. 23.5.1969, BGBl. 1985 II, 926

ZHF

Zeitschrift für historische Forschung

ZThK

Zeitschrift für Theologie und Kirche

Kapitel 1

Einführung „Ist jemandem ein Amt gegeben, so diene er“, so heißt es im Brief des Paulus an die frühchristliche Gemeinde in Rom.1 Die Verteilung der verschiedenen Aufgaben soll sich Paulus zufolge nach den unterschiedlichen (gottgegebenen) Charismen der Menschen richten. Jedenfalls unmittelbar beantwortet der Autor des Briefes dagegen nicht die Frage, wer die weltlichen Ämter unter den Menschen vergeben soll und nach welchen Maßstäben die Qualifikation dafür festzustellen ist. Schnell kam es darüber zu Diskussionen: So wurde im Zuge der fortschreitenden Institutionalisierung der frühchristlichen Gemeinden statt auf das Ansehen eines Kandidaten bei den Gemeindeangehörigen bald stärker auf eine Beauftragung durch die entstehende kirchliche Hierarchie abgestellt. Das bundesrepublikanische Verfassungsrecht greift diese Fragen der Ämtervergabe auf: Gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG darf niemand wegen seines Glaubens oder wegen seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Ferner sind Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG sowie Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV einschlägig, wonach öffentliche Ämter unabhängig vom religiösen Bekenntnis der Bewerber zu vergeben sind. Diese speziellen Gleichheitssätze basieren auf der für einen demokratischen Staat essentiellen, durch Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG abgesicherten Annahme, dass allen Menschen als vernunftbegabten, freien Personen gleiche Qualität und Würde zukommen.2 Gleichheit vor dem Gesetz soll überall dort gelten, wo grundrechtsberechtigte Individuen der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt gegenüberstehen, insbesondere im sensiblen Bereich der Vergabe öffentlicher Ämter. Das verdeutlicht Art. 33 Abs. 2 GG, der allein Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zum Maßstab der Vergabe öffentlicher Ämter macht. Die besondere Sensibilität der Vergabe solcher Ämter resultiert aus grundrechtlichen und staatsorganisationsrechtlichen Gründen: Erstens sollen öffentliche Ämter und die mit ihnen verbundenen Rechte allen Deutschen unabhängig von ihren religiösen oder politischen Anschauungen offenste1  Röm

12, 7. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1707; zur demokratischen Gleichheit der Mitwirkungsmöglichkeiten etwa Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 19. 2  Vgl.

24

Kap. 1: Einführung

hen. Zweitens ist zu beachten, dass öffentliche Ämter zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingerichtet werden: Viele Inhaber3 öffentlicher Ämter treffen Tag für Tag hoheitlich Entscheidungen mit Auswirkungen auf grundrechtsberechtigte Bürger. Diese Entscheidungen müssen – auch das schreibt Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG vor – ohne Benachteiligung oder Bevorzugung der Beteiligten wegen ihrer politischen oder religiösen Anschauungen getroffen werden, vielmehr unparteiisch und unter strikter Bindung an das Gesetz. Vor diesem Hintergrund sind etwa Verwaltungsakte, die offensichtlich parteiliche Regelungen treffen, nichtig gem. § 44 Abs. 1 VwVfG.4 Wegen der hohen Grundrechtsrelevanz sind an die Neutralität der Inhaber öffentlicher Ämter strenge Anforderungen zu stellen, was für die Beamten des Bundes § 60 BBG vorschreibt. Die Bürger können verlangen, dass die Organwalter des Staates unabhängig von den in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG aufgezählten Diskriminierungsmerkmalen entscheiden, nicht die „Gefangene[n]“5 der durch sie abgegrenzten Gruppen und damit „befangen“6 sind. Ohne diese Neutralität ließe sich das Prinzip der Ernennung der Beamten auf Lebenszeit insbesondere gegenüber den von der Amtsausübung betroffenen Bürgern nicht rechtfertigen.7 Gleichwohl sind in Deutschland über Jahrhunderte religiöse – insbesondere christliche – Strukturen gewachsen und in Traditionen sowie in das Wertefundament der Gesellschaft eingegangen.8 Zwar gilt in Deutschland seit Inkrafttreten der sogenannten Weimarer Reichsverfassung von 1919 ein Verbot der Staatskirche (Art. 137 Abs. 1 WRV, seit Inkrafttreten des Grundgesetzes i. V. m. Art. 140 GG), doch arbeitet der Staat weiterhin mit den Religionsgemeinschaften9 zusammen. Die Wirkungskreise von Staat und 3  Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden auch im Folgenden ausschließlich grammatikalisch maskuline Formen gebraucht, die jedoch grundsätzlich gleichermaßen weibliche und männliche Amtsinhaber meinen. 4  Vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 44 Rn. 54; ferner ebd., § 40 Rn. 55; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 178. 5  Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 143. 6  Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 143. Befangenheit folgt freilich nicht bereits aus der Zugehörigkeit zu einer von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG erfassten Gruppe; vgl. BVerfG (K), NVwZ 2013, 1335 LS, wonach die Konfessionszugehörigkeit eines Richters nicht zu dessen Ablehnung berechtigt. 7  Vgl. Battis, BBG, § 60 Rn. 8; Ipsen, in: FS Kirchhof, 2013, § 65 Rn. 9; Isensee, in: FG BVerwG, 1978, S. 337 (341); dagegen kritisch zum Argument der Amtsdauer Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16. 8  Vgl. BVerfGE 93, 1 (19) – Kruzifix, zum Einfluss christlicher Tradition auf die Rechtsauslegung. 9  Während Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG das Substantiv Religionsgemeinschaft verwendet, ist in Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3, Art. 137 Abs. 2–6, Art. 138 Abs. 1, 2, Art. 141 WRV von Religionsgesellschaften die Rede, ohne dass die beiden Begriffe



Kap. 1: Einführung25

Religionsgemeinschaften lassen sich im modernen Gemeinwesen „nicht so aseptisch trennen“10, dass es nicht Angelegenheiten von beiderseitigem Interesse gäbe.11 Kindergärten oder Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft, konfessioneller Religionsunterricht in öffentlichen Schulen gem. Art. 7 Abs. 3 GG, staatliche Bekenntnisschulen, die staatliche Ermöglichung konfessioneller Privatschulen gem. Art. 7 Abs. 4, 5 GG12 und die Erhebung von Kirchensteuern durch die staatliche Finanzverwaltung unter Berufung auf Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV sind nur wenige Beispiele dafür. Aus der aktuellen politischen Diskussion lässt sich der Wunsch des Staates hinzufügen, islamische Imame an staatlichen deutschen Hochschulen auszubilden;13 in welchen Strukturen dies geschehen könnte, ist noch in vielerlei Hinsicht ungeklärt.14 Gleichheitsrechtliche Probleme treten in diesem Zusammenhang auf, wenn der Staat eine bestimmte Konfession der Bewerber zur Voraussetzung für die Vergabe eines öffentlichen Amtes macht oder den Religionsgemeinschaften diesbezüglich weitreichende Mitspracherechte einräumt. Herkömmlich geschieht dies insbesondere in der Anstaltsseelsorge15 sowie bei bestimmten Universitätsprofessoren und Lehrern. Die Inhaber dieser sogenannten konfessionsgebundenen Ämter16 sollen Aufgaben erfüllen, die der Staat jedenfalls nicht ohne Mitwirkung der Renäher definiert werden. In Anbetracht der Wirkungen der Inkorporation der Weimarer Kirchenartikel durch Art. 140 GG (s. dazu noch 2. Kap. F. II.) bestehen keine inhaltlichen Differenzen zwischen beiden Begriffen; die Unterschiede sind rein sprachlicher Natur, vgl. BVerwGE 110, 326 (342); 123, 49 (54); VGH BW, DVBl. 2013, 519 Rn. 39. Im Folgenden verwendet diese Arbeit jeweils den Begriff der im Einzelfall einschlägigen Norm, sofern eine solche eindeutig zu identifizieren ist. 10  Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 40. 11  Vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1374; ähnlich Heckel, VVDStRL 26 (1968), 5 (32 ff.). Siehe aus katholischer Sicht die Enzyklika Sapientiae Christianae von Leo XIII. aus dem Jahr 1890 mit dem vielzitieren Ausdruck civis idem et christianus, wonach der (katholische) Staatsbürger immer zugleich Christ ist. 12  Vgl. BVerfGE 75, 40 – Privatschulfinanzierung; OVG SN, SächsVBl. 2014, 83 (88). 13  Vgl. Walter, FAZ v. 2.12.2010, S. 8; Bundesministerium für Bildung und For­ schung, Pressemitteilung v. 14.10.2010; juristisch Nolte, DÖV 2008, 129 ff. 14  Welche Grenzen das Grundgesetz einer solchen – zum Teil tatsächlich schon bestehenden – Zusammenarbeit von Staat und Religionsgemeinschaften in allen genannten Bereichen setzt, wird im Folgenden jedenfalls insoweit zu untersuchen sein, als mit der Zusammenarbeit die Einrichtung konfessionsgebundener öffentlicher Ämter verbunden ist; zu religionsverfassungsrechtlichen Vorgaben s. insbes. 3. Kap. B. 15  Vgl. zur Begrifflichkeit: Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1349, sowie Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 687, die von Sonderseelsorge sprechen. 16  Unter dem Grundgesetz war und ist zwar auch die Bezeichnung „konfessionelle Ämter“ verbreitet (so etwa Ott, Religionslehrer, pass.; Preuß, in: AK-GG, Art. 140

26

Kap. 1: Einführung

ligionsgemeinschaften erfüllen kann. Anders als sonst im öffentlichen Dienst üblich verweisen die Amtsinhaber auch während ihrer Amtsausübung auf den Wahrheitsanspruch ihres religiösen Bekenntnisses.17 Thema dieser Arbeit wird dementsprechend die Frage sein, ob und gegebenenfalls inwiefern die Einrichtung konfessionsgebundener öffentlicher Ämter unter besonderer Berücksichtigung der speziellen Gleichheitssätze18 verfassungsrechtlich zulässig ist. Vergleichbare Fragen stellen sich an der Schnittstelle von Diskriminierungsverboten und der Besetzung öffentlicher Ämter nach Maßgabe der politischen Anschauungen der Bewerber. Schon früh konzedierte die Literatur in der Verfassungsrealität eine gewisse Reibung zwischen der Idee des politisch ungebundenen öffentlichen Amtes und einer bürgernahen Demokratie.19 Leibholz versteht die junge demokratische Bundesrepublik schon 1952 gar generell als „Parteienstaat“20, und in der Tat: Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG erkennt die Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes ausdrücklich an; das BVerfG spricht insofern von einer Schlüssel- und Mittlerfunktion.21 Gleichwohl gibt Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG dem Bürger ein Recht auf Vollziehung der Gesetze durch die Verwaltung ohne [2001] Rn. 37; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1226, 1310, 1354; noch Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 233); präziser ist allerdings die Rede vom konfessionsgebunde­ nen Amt (so etwa v. Campenhausen, ZevKR 47 [2002], 425 [427]; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 9; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1800), da – anders als „konfessionelles Amt“ vermuten lassen könnte – keine Ämter der Religionsgemeinschaften gemeint sind. Faktisch hing die Vergabe solcher Ämter in der Vergangenheit in Deutschland in aller Regel von der Zugehörigkeit zu einer der großen christlichen Konfessionen ab. Trotz dieser tatsächlichen Bezogenheit auf das Christentum lassen sich die folgenden Ausführungen im Allgemeinen ebenso auf – zumindest denkbare – Bindungen an jedes beliebige religiöse oder weltanschauliche Bekenntnis übertragen. Soweit diese Arbeit gleichwohl den hergebrachten Begriff der Konfession verwendet, ist regelmäßig der skizzierte denkbar weite Bekenntnisbegriff gemeint; s. zu weiteren Präzisierungen noch 3. Kap. A. I. 17  Vgl. Heckel, ZevKR 12 (1966 / 67), 1 (33). 18  Zusätzlich kann im Zusammenhang mit konfessionsgebundenen Staatsämtern die Religionsfreiheit beeinträchtigt sein, vgl. Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 9; schon früh Anschütz, Verf. Preuß., Art. 12, S. 220, der davon ausgeht, dass Religionsfreiheit ohne volle bürgerlich-staatsbürgerliche Parität aller Gläubigen und Glaubenslosen in Wahrheit keine Religionsfreiheit sei. 19  Vgl. so etwa Eschenburg, Ämterpatronage, S. 21; Isensee, ZBR 2004, 3 (8). 20  Leibholz, Strukturprobleme, S. 93; vgl. ähnlich: BVerfGE 1, 208 (224) – Sperrklausel; Kloepfer, ZBR 2001, 189 (189); Menzel, DÖV 1970, 433; kritisch: Klein, in: MD, GG, Art. 21 (2012) Rn. 179 ff.; Landau / Steinkühler, DVBl. 2007, 133 (137). Zu Dimensionen der politischen Ämterpatronage vgl. Dippel, NordÖR 2009, 102 (103 ff.). 21  St. Rspr., vgl. BVerfGE 2, 1 (13) – SRP-Verbot; 107, 339 (358) – NPD-Verbot; 112, 118 (135) – Vermittlungsausschuss; dazu Lindner, ZBR 2006, 402 (405 f.).



Kap. 1: Einführung

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Bevorzugung oder Benachteiligung wegen der politischen Anschauungen. Der Grat zwischen wünschenswertem politischen Verständnis und unzulässiger übermäßiger politischer Aktivität der staatlichen Bediensteten ist umso schmaler, da die Verwaltung konkreten Zielsetzungen der Regierung oder des Gesetzgebers dient, diese zu realisieren hat und deswegen stets wertund interessenbezogen und in diesem Sinne auch politisch handelt.22 Das deutsche Beamtenrecht sieht traditionell Amtsträger vor, bei denen die Ausübung des betroffenen Amtes von den politischen Anschauungen der Amtsträger abhängig sein soll.23 Damit knüpft die Rechtstradition an vorrepublikanische, vor allem preußische Gepflogenheiten an, die allgemein von allen Beamten neben Treue zur Verfassung in Analogie zur militärischen Gehorsamspflicht eine absolute Unterordnung unter den Willen und die politischen Vorstellungen des Monarchen forderten.24 Spezielle Regelungen für sogenannte politische Beamte finden sich im deutschen Beamtenrecht ab der Mitte des 19. Jahrhunderts.25 Die Inhaber dieser einzeln aufgezählten Ämter sollten nach der einfachgesetzlichen Regelung jederzeit durch Verfügung des Monarchen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können – etwa wenn die politische Übereinstimmung mit der Regierung nicht mehr gewährleistet war. Die ausdrückliche Bezeichnung dieser Amtsträger als politische Beamte war zwar allgemein verbreitet, findet sich in gesetz­ lichen Regelungen allerdings erst spät.26 Heute wird der Begriff des politischen Beamten etwa in § 54 Abs. 1, 2 BBG27 verwendet. Gem. § 30 Abs. 1 BeamtStG28 sind damit diejenigen 22  Vgl. Battis, BBG, § 60 Rn. 8; Benda, Stabilitätsauftrag, S. 29 (34); Menzel, DÖV 1970, 433 (439); Wiese, Staatsdienst, S. 168 f. 23  Vgl. § 44 DBG 1937; § 36 BBG 1953; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1829, m. w. N.; zur Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts BVerfGE 8, 332 (347 ff.) – Kommunalbeamte; Battis, BBG, § 54 Rn. 3, m. w. N. 24  Vgl. Mommsen, in: Brandt, Treuepflicht, S. 19; Püttner, in: FS Ule, 1977, S. 383 (383). 25  Vgl. etwa § 25 RBG 1873. 26  s. wohl zuerst die amtliche Überschrift zu § 47a Beamtenversorgungsgesetz („Übergangsgeld für entlassene politische Beamte“), eingefügt durch Art. 6 Gesetz zur Umsetzung des Versorgungsberichts v. 29.6.1998, BGBl. I 1666; zur Begriffsgeschichte Kugele, Beamte, S. 9 ff.; Runge, Beamtentum, S. 21 Fn. 25. 27  Vgl. ebenso zahlreiche Beamtengesetze der Länder: § 105 LBG Bbg, § 37 LBG BR, § 39 LBG Nds., § 59 LBG SN, § 51 LBG SL, § 41 LBG RP. Hingegen enthalten § 42 LBG BW, § 46 LBG BE, § 37 LBG HH, § 57 LBG HE, § 37 LBG MV, §§ 37 Abs. 1, 107 Abs. 2 LBG NW, § 41 LBG LSA, § 37 LBG SH, § 48 LBG TH den Begriff nicht wörtlich, bestimmen aber in der Sache Vergleichbares. Allein Bayern macht von § 30 Abs. 1 S. 2 BeamtStG keinen Gebrauch und sieht keine politischen Beamten vor. 28  Vgl. zur vorherigen Rechtslage den außer Kraft getretenen § 31 BRRG.

28

Kap. 1: Einführung

Beamten gemeint, die „ein Amt bekleiden, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen“.29 Allerdings muss die Verwaltung auch nach einem Wechsel der parlamentarischen Mehrheiten noch handlungsfähig sein, muss sich auf politisch neu ausgerichtete Regierungen einstellen können und darf nicht politisch „einfarbig“30 sein. Schon 1976 stellte Mommsen vor diesem Hintergrund fest, dass die „historisch geronnenen Formen des öffentlichen Dienstrechts und das Verhältnis von öffentlichen Verwaltungsapparaten zum System der repräsentativen Demokratie einer grundlegenden Überprüfung“31 bedürften, um rechtsstaatliche Sicherungen zu verbessern und die notwendige Transparenz modernen Verwaltungshandelns durchzusetzen. Gemessen wird die Zulässigkeit der Einrichtung religiös und politisch gebundener öffentlicher Ämter im Rahmen dieser Untersuchung primär an den bundesverfassungsrechtlichen Bevorzugungs- und Benachteiligungsverboten. Hingegen bleiben Europäisches Recht oder das AGG grundsätzlich außer Betracht.32 Die Untersuchung beschränkt sich weiterhin im Wesent­ lichen auf deutsches Recht und zieht ausländisches Recht nur dann hinzu, wenn sich daraus rechtsvergleichende Argumente für die Auslegung des Erstgenannten ergeben. Soweit Landesrecht relevant ist, wird exemplarisch regelmäßig das Landesrecht von Nordrhein-Westfalen herangezogen. Zur Untersuchung der aufgeworfenen Fragen werden im zweiten Teil dieser Arbeit zunächst allgemein die gleichheitsrechtlichen Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter dargestellt und erörtert. Zudem ist der umstrittene Begriff des Amtes zu klären. Sodann geht es im dritten Teil um die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit sich die religiös gebundene Vergabe öffentlicher Ämter vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Gleichheitssätze rechtfertigen lässt. In der Literatur wird zudem diskutiert, ob religiös gebundene Staatsämter aufgrund von Verstößen gegen die sogenannten religionsverfassungsrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes verfassungswidrig seien. Deswegen sollen die wesentlichen Aussagen des Grundgesetzes zum Verhältnis von Staat und Religion ebenfalls dargestellt werden, bevor sodann die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einzelner religiös gebundener Ämter untersucht wird. 29  Vgl. BVerfGE 7, 155 (166) – Bürgermeisterabwahl; 121, 205 (223) – Leitungsamt auf Zeit; BVerwGE 115, 89 (95), dazu Nichtannahmebeschluss BVerfGK 1, 303 (304 f.); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1829. 30  Battis, BBG, § 60 Rn. 9. 31  Mommsen, in: Brandt, Treuepflicht, S. 18. 32  Grds. gilt das AGG allerdings auch für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse, vgl. § 24 AGG; zur Anwendbarkeit für die Bestellung kommunaler Wahlbeamter OVG Nds., NVwZ-RR 2010, 247 f.; NVwZ-RR 2012, 733.



Kap. 1: Einführung29

Im vierten Teil dieser Arbeit geht es um Einrichtung und Vergabe politisch gebundener Staatsämter. Auch diesbezüglich ist für die betroffenen Ämter einzeln zu prüfen, ob Beschränkungen der besonderen Gleichheitssätze verfassungsgemäß sind. Die Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG bedingt, dass nach der Zulässigkeit von Anknüpfungen an politische Anschauungen gefragt wird. Ob zusätzlich oder alternativ an andere spezielle Einstellungskriterien, wie etwa das Vorliegen eines von politischen Anschauungen unabhängigen besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Amtsinhaber und Vorgesetztem, angeknüpft werden könnte, ist daher nicht Thema dieser Arbeit. Während zu religiös gebundenen Ämtern bereits umfangreiches Schrifttum existiert, ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit politisch gebundener öffentlicher Ämter in Anbetracht der Vorgaben des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG bislang in der rechtswissenschaftlichen Literatur nicht hinreichend diskutiert worden.33 Gleichwohl lohnt sich die Diskussion beider Fragestellungen: einmal, um zu überprüfen, ob die zum Teil bereits seit Jahrzehnten vertretenen Argumente für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit religiös gebundener Ämter heute trotz religiöser Veränderungen in der deutschen Bevölkerung34 und trotz höherer Sensibilisierung gegenüber Diskriminierungen im Allgemeinen35 noch Gültigkeit für sich beanspruchen können, und andererseits, um mögliche parallele Argumentationsmuster für oder gegen die Berücksichtigung politischer und religiöser Anschauungen bei der Vergabe öffentlicher Ämter gegenüberstellen zu können. Im Hinblick auf politisch gebundene Ämter soll zudem die von manchen Autoren festgestellte Resignation36 aufgebrochen werden, die dazu führe, dass trotz fortbestehender Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens eine eingehende Diskussion unterbleibe. Der fünfte Teil dieser Arbeit stellt dazu die diskutierten Rechtfertigungsgründe für religiös und politisch gebundene Staatsämter gegenüber. So soll versucht werden, die teilweise sehr unübersichtliche Diskussionslage zu strukturieren und die Argumente zu systematisieren, um den besonderen Gleichheitssätzen des Grundgesetzes für das Gebiet der Vergabe öffentlicher Ämter diejenige Geltung zu verschaffen, die ihnen verfassungsrechtlich zukommt. 33  Vgl. drastisch Herzog, in: MD, GG, Art. 62 (2008) Rn. 37: „[…] es fehlen bislang selbst die primitivsten Überlegungen zu einer theoretisch sauberen und politisch vertretbaren Lösung.“; Dietlein, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 114 S. 154; Muß­ gnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (261); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122, S.  1836 ff. 34  Vgl. etwa Loffeld, Volk Gottes, S.  89 ff., m. w. N. 35  Vgl. europäische Antidiskriminierungsbemühungen (Anti-Rassismus-RL 2000 /  43 / EG, Rahmen-RL 2000 / 78 / EG u. a.) und daraus hervorgegangenes deutsches Recht, wie insbes. das AGG. 36  Vgl. Lindner, ZBR 2011, 150 (150 Fn. 12); Dippel, NordÖR 2009, 102 (106).

Kapitel 2

Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die anschauungsgebundene Vergabe öffentlicher Ämter Im Folgenden sind die gleichheitsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes für die Vergabe öffentlicher Ämter mit Bezug zu Religion und Politik zu untersuchen.

A. Historische Entwicklung Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz lässt sich auf älteste Wurzeln zurückführen, und auch die speziellen Gleichheitssätze besitzen im Hinblick auf einzelne Merkmale eine lange Tradition.1 Geistesgeschichtlich beruhen sie auf der Idee der Menschenwürde, die eine diskriminierungsfreie Achtung bestimmter naturgegebener, geschichtlich oder in freier Entscheidung begründeter Unterschiede zwischen den Menschen verlangt.2 Ungeachtet dieser Jahrhunderte alten Wurzeln kann die historische Entwicklung im Rahmen dieser Arbeit nur im Überblick und mit Fokus auf den diskriminierungsfreien Zugang zu öffentlichen Ämtern dargestellt werden. Dazu bietet es sich an, sich auf diejenigen Verfassungsordnungen zu konzentrieren, die nach der Französischen Revolution entstandenen sind, da erst diese Verfassungstexte im Zuge des Konstitutionalismus in Europa der Grundrechtsidee und mit ihr dem Menschenwürde- und Gleichheitsgedanken zum tatsächlichen Durchbruch verholfen haben.3 Dieses neue Denken provozierte eine verstärkte Kritik an der hergebrachten Verbindung von geistlicher und welt­ licher Macht, die sich etwa in der Säkularisierung4 entlud und dazu führte, 1  Vgl. Sachs, Der Staat 23 (1984), 549 (551 ff.), m. w. N.; ders., Diskriminierungsverbot, S. 93 Fn. 4; zu geschichtlichen Grundlagen Hattenhauer, Grundlagen, S.  29 ff. 2  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1707; Starck, in: v. Mangoldt /  Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 366. 3  So etwa die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen v. 26.8.1789, Art. 6 S. 2; vgl. Fehrenbach, Wiener Kongress, S. 29; Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 94, m. w. N. 4  Vgl. zum Säkularisierungs-Begriff Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 2 ff.; zur davon zu unterscheidenden Säkularisation, die enger verstanden und überwiegend nur auf die Verweltlichung vormals kirchlichen



A. Historische Entwicklung31

dass religiöse und weltliche Ämter zunehmend nicht mehr in Personalunion, sondern mit verschiedenen Personen besetzt wurden.5 Schwerpunkt dieser Arbeit ist im Folgenden das Verbot der Benachteiligung und Bevorzugung wegen religiöser und politischer Anschauungen.

I. Ämtervergabe in Abhängigkeit von religiösen Anschauungen Die Anfänge der Diskussion über konfessionsgebundene Ämter im weitesten Sinne reichen bis weit in die Geschichte zurück. An das antike Religionswesen anknüpfend entwickelte sich das Christentum im Römischen Reich zur Staatsreligion, seit es unter Kaiser Konstantin zu Beginn des vierten Jahrhunderts von einer verfolgten zur geduldeten Religion geworden war.6 Die Kaiser des römisches Reiches nahmen in für sie selbstverständlicher Weise eine Kompetenz zur Regelung der religiösen Belange der Bevölkerung für sich in Anspruch, um die so etablierte Staatsreligion zur Legitimation und Festigung ihrer eigenen Herrschaft zu nutzen.7 Zur Erläuterung dieses Kondominiums von Sacerdotium und Imperium wurden Papst und Kaiser später als Organe eines einzigen übergreifenden Menschheitsverbandes angesehen, der als von Gott gestiftet galt und in seinen religiösen Grundlagen unangefochten war. Papst und Kaiser standen sich als Institutionen antithetisch gegenüber und waren doch notwendig Eigentums bezogen wird, Weitlauff, in: ders., 19. Jahrhundert, S. 15 (31); ferner Bielefeldt, Rechtsstaat, S. 15 ff.; zu den Grenzen einer „Gleichsetzung des Religiösen mit dem Säkularen“ Heckel, Gleichheit, S. 43. 5  Vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 10; Heckel, Menschenrechte, S. 28. Roger Williams und Georg Jellinek machten die Religionsfreiheit gar als erstes Menschenrecht vor dem Recht auf körperliche Unversehrtheit aus, konnten sich damit aber nicht durchsetzen, vgl. Jellinek, Menschen- und Bürgerrechte, S. 42 ff., 57; ferner Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (351), m. w. N.; dagegen v. Campenhau­ sen, in: HStR VII, § 157 Rn. 30; Kriele, Staatslehre, § 34 S. 113 ff., der aber gleichwohl jüdisch-christliche Impulse für die Entwicklung der Menschenwürdeidee betont, ebd., § 53 S. 185; zweifelnd Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 15. Zum Menschenwürdekern der Religionsfreiheit s. etwa BVerfGE 109, 279 (322) – Großer Lauschangriff. Kritisch zur These, Säkularisierung sei eine Voraussetzung moderner Verfassungsstaatlichkeit Möllers, VVDStRL 68 (2009), 47 (56); so aber Böckenförde, Entstehung; ihm folgend Augsberg, ZevKR 53 (2008), 445 (447). 6  Vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 6 Fn. 12; Starck, JZ 2000, 1 (2). 7  Vgl. noch in der Antike etwa die Entlassung aller höheren christlichen Beamten des römischen Staates unter Kaiser Valerian wegen deren Religionszugehörigkeit, dazu Freudenberger, Art. Christenverfolgungen, in: TRE, S. 27.

32 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

miteinander verknüpft und aufeinander angewiesen.8 In diesem Zusammenhang entwickelte sich unter Berufung auf biblische Texte9 die sogenannte Zwei-Schwerter-Lehre, wonach Gott den Menschen zwei Schwerter verliehen habe: Ein Schwert streite als Sinnbild der kirchlichen Gewalt für das Seelenheil der Menschen, während das andere den Erhalt der irdischen Reiche gewährleiste, so ein seit der Spätantike verwendetes Bild.10 Zwar war umstritten, ob beide Schwerter der Kirche übergeben worden seien11 oder ob das weltliche Schwert unmittelbar dem Kaiser anvertraut worden sei, doch stand lange als gemeinsame Diskussionsgrundlage fest, dass beide Machtdimensionen den Menschen von ein und demselben Gott verliehen worden waren. Weltliches und geistliches Regiment ließen sich nicht getrennt voneinander betrachten, sondern waren in beide Richtungen miteinander verschränkt.12 Das machen beispielsweise die Bezeichnung fränkischer Herrscher als rex et sacerdos oder die seit der Kaiserkrönung Ottos V. durch Papst Johannes XII. im Jahr 962 weit verbreiteten kirchlichen Weihen weltlicher Herrscher augenfällig;13 mittelalterliche Könige wurden so teilweise zu „Stellvertretern Christi“14 geweiht. Mit Blick auf die allgemein anerkannte Gottesherrschaft über die Welt behauptete die Kirche weithin ihren Anspruch, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.15 Zugleich hatten die Machthaber jener Zeiten ein ausgeprägtes Interesse an einer stabilen Kirche, die seit dem 9. Jahrhundert explizit Reichskirche genannt wurde,16 weil von ihr wichtige Beiträge zur 8  Vgl. Obermayer, in: BK, GG, Art. 140 (1971) Rn. 1; ders., in: Fuchs, Staat und Kirche, S. 166 (167 f.); Hattenhauer, Grundlagen, S. 16 f.; Heckel, ZevKR 12 (1966 / 67), 1 (2); ferner Levison, DA 9 (1952), 14, 23 f. 9  Vgl. etwa Lk 22, 38: „Herr“, riefen die Jünger, „wir haben hier zwei Schwerter.“ Doch Jesus unterbrach sie: „Genug damit!“ 10  Vgl. Knecht, Reichsdeputationshauptschluß, S. 240; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 2; ferner Borst, in: Fuchs, Staat und Kirche, S. 34 ff. Schae­ fer, VerwArch 103 (2012), 136 (147), sieht darin die Grundlage für den modernen „Dualismus von Staat und Gesellschaft“. 11  Vgl. dafür etwa die Bulle Bonifaz’ VIII. Unam Sanctam v. 18.11.1302: „Uterque ergo in potestate ecclesiae, spiritualis scilicet gladius et materialis […].“ 12  Hartung, Verfassungsgeschichte, S. 71, und Zippelius, Staat, S. 41, betonen vor allem den schon frühen Einfluss der weltlichen Herrscher auf Interna der Kirche(n), der im Bereich der Vergabe kirchlicher Ämter unter dem Begriff Laieninvestitur diskutiert wird, die oft mit Simonie verbunden war. 13  Vgl. Angenendt, Frühmittelalter, S. 154 f.; Link, Rechtsgeschichte, S. 32; Möl­ ler, Geschichte des Christentums, S. 146, 155; Uertz, Gottesrecht, S. 33. 14  Vgl. so zu Konrad II. im Jahr 1024 Zschoch, Mittelalter, S. 55. 15  Vgl. Knecht, Reichsdeputationshauptschluß, S. 240; Di Fabio, EssGespr. 42 (2008), 129 (130 f.). 16  Vgl. Weitlauff, in: ders., 19. Jahrhundert, S. 15 (19).



A. Historische Entwicklung33

Stabilisierung der Herrschaft und zur Einheit des Reiches erwartet wurden.17 Dementsprechend war der wechselseitige Einfluss kaum zu überschätzen; geistliche und weltliche Ämter ließen sich in dieser Zeit kaum unterscheiden beziehungsweise voneinander trennen. Auch sprachlich wird dies deutlich, wenn Herrscher im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ab 1356 kraft päpstlicher Anordnung Fürst-Erzbischöfe heißen und so weltliche und geistliche Macht in einer Person vereinen.18 Beginnend mit dem Investiturstreit19 als Vorstufe der Säkularisierung und später insbesondere mit Reformation und Aufklärung20 löste sich ab dem elften Jahrhundert das einheitliche, Politik und Religion umfassende, christlich-politische Weltbild schrittweise auf; der orbis christianus wurde in einen geistlichen und einen weltlichen Bereich geschieden.21 Dieser Dualismus machte eine spätere Trennung von Kirche und Staat in der Neuzeit erst denkbar. Zwar folgte historisch eine Phase der Konfessionalisierung,22 in der einzelne Staaten fest mit einer christlichen Konfession verbunden waren, doch ist diese Verbindung nur noch kontingent, nicht mehr notwendig.23 Nach den Glaubenskriegen, die im 16. und 17. Jahrhundert in weiten Teilen Europas andauerten, bildete sich die Idee religiöser Toleranz24 zur Friedenssicherung heraus, die Michel de L’Hopital, Kanzler des Königs von Frankreich, schon 1562 pragmatisch so formulierte: „Nicht darauf komme es an, welches die wahre Religion sei, sondern wie man beisammen leben 17  Vgl. ebenso noch zum 16. / 17. Jahrhundert als Zeit der Konfessionalisierung Reinhard, ZHF 10 (1983), 257 (268 ff.). 18  Vgl. zur neuzeitlichen Kritik an dieser Entwicklung Weitlauff, in: ders., 19. Jahrhundert, S. 15 (21 ff.), m. w. N. 19  Vgl. Böckenförde, Entstehung, S. 47 ff.; ders., Recht, Staat, Freiheit, S. 92 ff.; Link, Rechtsgeschichte, S. 31 ff.; zu den Folgen Goez, Investiturstreit, S. 185 ff. 20  Vgl. Jeand’Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (442 f.). 21  Vgl. Böckenförde, Entstehung, S. 47; ders., Recht, Staat, Freiheit, S. 92 ff.; ihm folgend Augsberg, ZevKR 53 (2008), 445 (447); Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 2; Heckel, ZevKR 12 (1966 / 67), 1 (2 f.); ders., VVDStRL 26 (1968), 5 (8 ff.); Hömig, Reichsdeputationshauptschluß, S. 7; Jeand’Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (442 f.); Starck, JZ 2000, 1 (2); Uertz, Gottesrecht, S. 33 f. Hingegen sei dem Islam als „monistische[r] Religion“ diese Unterscheidung tendenziell fremd, so Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 (119). 22  Vgl. Goez, Art. Investiturstreit, in: TRE, S. 245; Reinhard, ZHF 10 (1983), 257 ff. 23  Vgl. Augsberg, ZevKR 53 (2008), 445 (447); Hillgruber, Religion, S. 26. 24  Toleranz ist im Unterschied zur Neutralität des Staates in religiös-weltanschaulicher Hinsicht eine bürgerliche Tugend, die einen ideologischen Standpunkt des Tolerierenden voraussetzt, vgl. Czermak, Weltanschauungsrecht, Rn. 154 ff.; Muckel, in: HGR IV, § 96 Rn. 32; ders., in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 43; s. zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates noch 3. Kap. B. III.

34 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

könne.“25 Damit trat das Bewusstsein für – zunächst freilich nur anfanghaft entwickelte – Religionsfreiheit des Einzelnen und für Verbote religiöser Diskriminierungen seinen Siegeszug durch die Geschichte an.26 Eine frühe positivrechtliche Umsetzung dieses neuen Denkens findet sich im deutschsprachigen Raum im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794, das mit Ausnahme der Juden27 allen Menschen in Bezug auf die bürgerlichen Rechte Gleichstellung unabhängig von der Religion garantierte.28 Grundsätzlich sah das ALR vor, dass der Staat vom einzelnen Un­ terthan29 nicht verlangen könne, anzugeben, zu welcher Religionspartei er sich bekenne. Selbst wenn die Angabe der Konfessionszugehörigkeit ausnahmsweise zulässig sei, dürften damit nur diejenigen nachteiligen Folgen verbunden werden, „welche aus seiner, dadurch, vermöge der Gesetze, begründeten Unfähigkeit zu gewissen bürgerlichen Handlungen oder Rechten von selbst fließen“30. Benachteiligungen wegen der Religionszugehörigkeit waren danach nur dann zu rechtfertigen, wenn der Betroffene gerade wegen seiner Religionszugehörigkeit unfähig war, gewisse bürgerliche Rechte wie etwa die Ausübung eines öffentlichen Amtes wahrzunehmen. Indes sucht man im ALR vergeblich nach konkretisierenden Regelungen, wann dies der Fall sein sollte. Auch in der zeitgenössischen Literatur wurde diese Frage, soweit ersichtlich, nicht erörtert. Kurz vor seinem endgültigen Auseinanderbrechen trieb das Heilige Römische Reich mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 die Säkularisation noch einmal kräftig an, was zu den größten territorialen Umwälzungen führte, die sich in Deutschland bis dahin vollzogen hatten.31 Im Unterschied zu vorherigen Säkularisationsbewegungen sollte kirchliche Macht nun nicht mehr bewahrt werden, sondern zur Erreichung gesellschaftspolitischer und nicht zuletzt fiskalischer Ziele verweltlicht werden: Die landesherrliche, weltliche Gewalt der geistlichen Reichsfürsten wurde aufgehoben; von der großen Zahl geistlicher Reichsfürstentümer, die sich im alten Reich nach Böckenförde, Entstehung, S. 46. die Beschlüsse des Augsburger Reichstages von 1555 und des Westfälischen Friedenskongresses von 1648, dazu etwa Willoweit, Verfassungsgeschichte, §§ 19, 21. 27  Vgl. zu deren Minderheitenposition Breitenborn, Randgruppen im ALR, S. 95 ff. Seinerzeit war ein so großer Anteil der Bevölkerung christlich oder jüdisch, dass Angehörige anderer Religionen in der öffentlichen Wahrnehmung vernachlässigt wurden. 28  Vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 22. 29  II. Teil, 11. Titel, § 5 ALR. 30  II. Teil, 11. Titel, § 6 ALR; vgl. Breitenborn, Randgruppen im ALR, S. 118; v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 23. 31  Vgl. Weitlauff, in: ders., 19. Jahrhundert, S. 15 (33). 25  Zitiert 26  Vgl.



A. Historische Entwicklung35

entwickelt hatten, verblieb nur ein einziges.32 Damit gab das alte Reich seinen geistlichen Charakter fast vollständig auf; der Staat nahm den Vertretern der (christlichen) Religionsgemeinschaften ihre politische Herrschaft und löste die Einheit von Staat und Religion „in der Wurzel“33. Der gleichzeitige Abbau alter Standesschranken trug zur rechtlichen Gleichstellung aller Reichsbewohner bei.34 Hinsichtlich der Folgen dieser Machtverschiebungen sind durchaus konfessionelle und regionale Unterschiede zu beobachten: Insbesondere auf protestantischer Seite entwickelte sich für einige Jahrhunderte ein ausgeprägtes landesherrliches Kirchenregiment,35 da dort im Unterschied zur römisch-katholischen Kirche mit dem Papst als Zentralinstanz nur weniger stark ausgeprägte Strukturen außerhalb der staatlichen Verwaltung bestanden. 1. Verfassungen des 19. Jahrhunderts Während sich Vorläufer der Diskriminierungsverbote etwa in der französischen36 oder in der nordamerikanischen37 Verfassung bereits im 18. Jahrhundert finden, beginnt diese Entwicklung im deutschsprachigen Raum erst im 19. Jahrhundert, insbesondere in der Zeit des deutschen Frühkonstitu­ tionalismus im Vormärz; Vorreiter waren insoweit unter französischem Einfluss die Rheinbundstaaten.38 Von vernunft- und naturrechtlichem Gedankengut inspiriert stellten die Verfassungen in der Tradition der Französischen Revolution in der Folgezeit vermehrt das Individuum in den Mittelpunkt der 32  Von der allgemeinen Säkularisation verschont blieb aus politischen Gründen einzig das Kurfürstentum Aschaffenburg-Regensburg, das allerdings wenige Jahre später aufgelöst wurde; vgl. Knecht, Reichsdeputationshauptschluß, S. 51 ff., insbes. S. 54. Die Literatur beschreibt dieses Phänomen als Herrschafts-Säkularisation, vgl. Hömig, Reichsdeputationshauptschluß, S. 1; Hufeld, Reichsdeputationshauptschluß, S. 10. 33  Heckel, in: FS Smend, 1952, S. 103 (118). Trotz dieses prinzipiellen Wandels gingen weltliche Herrscher zunächst weiterhin wie selbstverständlich davon aus, dass ihr Volk tatsächlich ganz überwiegend einer der großen christlichen Kirchen angehörte; vgl. Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 99. 34  Vgl. Knecht, Reichsdeputationshauptschluß, S. 261; zum Streit um die Kirche im Zusammenhang mit der Französischen Revolution Fehrenbach, Wiener Kongress, S.  32 f. 35  Vgl. Jeand’Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (466); Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 6; Mausbach, Kulturfragen, S. 10. 36  Titel I Abs. 1 Französische Verfassung v. 3.9.1791. 37  Amendmend 1 zur Verf. der Vereinigten Staaten von Amerika v. 17.9.1787. 38  Vgl. Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 6; Sachs, Der Staat 23 (1984), 549 ff., ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1708 ff.; allgemein Willoweit, Verfassungsgeschichte, §§ 28 f.

36 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Rechtsgewährleistungen.39 Mit den ersten Gleichheitsrechten, die nicht mehr nur nach gesellschaftlichen Schichten abgestufte Gleichheit innerhalb der jeweiligen Personengruppe gewährleisteten, setzte auch eine Diskussion um den konfessionsunabhängigen Zugang zu öffentlichen Ämtern ein. Oft beschränken die Verfassungen des 19. Jahrhunderts den Grundsatz der glaubensunabhängigen Gleichheit – der Idee eines christlichen Staates40 verpflichtet – auf christliche Konfessionen:41 So schrieb die deutsche Bundesakte von 1815 in Art. 16 Abs. 1 vor, dass „die Verschiedenheit der christ­ lichen Religions-Partheyen in den Ländern und Gebiethen des deutschen Bundes keinen Unterschied in dem Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte begründen“42 dürfe. Damit waren den Anhängern der drei „Hauptkonfessionen“43 in den Mitgliedstaaten des deutschen Bundes gleiche Bürgerrechte gewährleistet. Erst Abs. 2 formuliert sodann einen Auftrag für die Bundesversammlung, die beraten solle, wie der Status der Anhänger des jüdischen Glaubens verbessert werden könne. Ausdrücklich beschränkt die Ergänzungsakte der alten Frankfurter Stadtverfassung von 1816 den Zugang zu öffentlichen Ämtern auf die Angehörigen christlicher Konfessionen, indem Art. 6 Abs. 2 vorschreibt, bei Besetzung der „Staats-Verwaltungs- und Justiz-Stellen, auch bei allen andern Stadt- und Gerichts-Aemtern, Anstellungen und Diensten“ sei zwar das „Bekenntniß der christlichen Religion schlechterdings“ zu berücksichtigen, nicht hingegen aber, ob sich jemand zu dieser oder jener der drei christlichen Konfessionen bekenne.44 Noch deutlicher heißt es im vorhergehenden Art. 6 Abs. 1 S. 2: „Die kirchliche Verschiedenheit der drei christlichen Confessionen, hat auf die Rechte und Verhältnisse, welche aus dem bürgerlichen Staatsverbande entstehen, fernerhin nicht den mindesten Einfluß; vielmehr sind alle hießige[n] christliche[n] Bürger der drei Confessionen einander an Rechten und Obliegenheiten

39  Vgl. Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 108 f.; Knecht, Reichsdeputationshauptschluß, S. 264. 40  Vgl. Art. 14 Verf. Preuß. 1850; Schoeps, in: Fuchs, Staat und Kirche, S. 146 ff.; Obermayer, in: BK, GG, Art. 140 (1971) Rn. 13. 41  Vgl. Hömig, Reichsdeputationshauptschluß, S. 95 f.; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1710. 42  Zitiert nach Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte, S. 84 (89); vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 32; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1710, m. w. N.; Zippelius, Staat, S. 133. 43  Obermayer, in: BK, GG, Art. 140 (1971) Rn. 17: katholisch, lutherisch und reformiert. 44  Constitutions-Ergänzungs-Acte zu der alten Stadt-Verfassung der freien Stadt Frankfurt v. 18.10.1816, zitiert nach Heun, Verfassungsdokumente III, S. 49 (52); ähnlich Religionsedikt für Neuwürttemberg vom 14.2.1803, dazu Hömig, Reichsdeputationshauptschluß, S. 94.



A. Historische Entwicklung

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durchaus gleich“. In anderen Verfassungen finden sich jedoch auch schon konfessionsunabhängige Regelungen.45 Die Begrenzung der besonderen Gleichheitssätze auf die großen christlichen Konfessionen ist nicht etwa bloße historische Reminiszenz, sondern eine bewusste politische Forderung im Zeitalter der Restauration. Um 1850 sprachen einflussreiche Autoren um Friedrich Wilhelm IV. vom christlichen Staat wieder als einer Selbstverständlichkeit.46 Ludwig von Gerlach verstand darunter etwa einen Staat, der sein Tun an der Norm des Evangeliums messe und dessen Vertreter die von der Kirche repräsentierten Gebote Gottes in Herz und Gewissen aufnähmen.47 Damit machte Gerlach praktisch alle staatlichen Ämter zu konfessionellen Ämtern, die ein christliches Bekenntnis des Bewerbers voraussetzten, und brachte so die mittelalterliche Einheit von „Thron und Altar“48 als Idee wieder ins Gespräch. Durchsetzen konnte sich diese Idee in Deutschland indes nicht. Den Durchbruch in der Entwicklung zu einem nicht nur auf christliche Konfessionen bezogenen Diskriminierungsverbot hätte die Verfassung des deutschen Reiches vom 28. März 1849, die sogenannte Paulskirchenverfassung, bringen können.49 Deren Grundrechtsteil wurde durch das Reichsgesetz, betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27.12.1848 vorab verkündet50 und sah in Art. 5 § 16 vor, dass der Genuss der bürger­ lichen und staatsbürgerlichen Rechte51 nicht durch das religiöse Bekenntnis 45  So etwa aus der Mitte des 19. Jahrhunderts § 11 i. V. m. § 23 Verfassungsurkunde für das Herzogthum Anhalt-Dessau vom 29.10.1848, zitiert nach Heun, Verfassungsdokumente I, S. 153 (154): „Jeder Staatsangehörige, ohne Unterschied der Geburt und Religion, kann jeden gesetzlich erlaubten Erwerbszweig ergreifen und zu allen Aemtern gelangen“. Gleichzeitig verbot allerdings § 23 Abs. 14 bestimmte Orden und die Errichtung von Klöstern, sodass aus heutiger Sicht keine volle Religionsfreiheit gewährleistet war. 46  Vgl. zum Begriff der Restauration Schoeps, in: Fuchs, Staat und Kirche, S. 146. 47  Vgl. Schoeps, in: Fuchs, Staat und Kirche, S. 146 (161). 48  Hattenhauer, Grundlagen, S. 201. 49  Siehe vorher schon das Edikt, betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem Preußischen Staate v. 11.3.1812, PrGS 17 ff., hier insbesondere § 8: „Sie [sc. die inländischen Juden] können daher akademische Lehr- und Schul- und Gemeinde-Aemter, zu welchen sie sich geschickt gemacht haben, verwalten. § 9: In wie fern die Juden zu andern öffentlichen Bedienungen und Staats-Aemtern zugelassen werden können, behalten Wir Uns vor, in der Folge der Zeit, gesetzlich zu bestimmen“. Vgl. dazu Hattenhauer, Grundlagen, S. 55. 50  Vgl. Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 31 Rn. 14. 51  Vgl. zum Ausdruck staatsbürgerliche Rechte früh Titel IV, § 1 Verf. BY 1818, wo bürgerliche und öffentliche Rechte von Privatrechten unterschieden werden. Gemeinsam decken bürgerliche und staatsbürgerliche Rechte die Gesamtheit der Rech-

38 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

bedingt sei.52 Wörtlich heißt es auch in § 146 S. 1 RV 1849: „Durch das religiöse Bekenntnis wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt“.53 Indes trat die Paulskirchenverfassung selbst nie in Kraft und auch das genannte Grundrechte-Gesetz von 1848 wurde in wichtigen Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes nicht publiziert.54 Einerseits waren der Verfassungsentwurf und das Grundrechte-Gesetz gleichwohl wirkmächtiges Vorbild für die weitere Verfassungsentwicklung, weil viele deutsche Staaten vergleichbare Bestimmungen in ihre Verfassungen aufnahmen.55 Die Idee allgemeiner Diskriminierungsverbote im Hinblick auf die Religion ließ sich nicht mehr dauerhaft zurückdrängen.56 Andererseits machten allerdings auch einige Staaten nach dem Scheitern der Paulskirchenverfassung die verbesserte Gleichstellung insbesondere von Juden und Deutschkatholiken zumindest teilweise wieder rückgängig. So bestimmt Art. 12 S. 2 Verf. Preuß. 1850 ausdrücklich, der Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte sei vom religiösen Bekenntnis unabhängig. Zu diesen staatsbürgerlichen Rechten zählte man insbesondere die Befähigung zur Bekleidung öffentlicher Ämter.57 Zur Begründung hieß es, Religionsfreiheit ohne volle bürgerlich-staatsbürgerliche Parität aller Gläubigen und Glaubenslosen sei in Wahrheit keine Religionsfreiheit.58 Dennoch räumte Art. 14 Verf. Preuß. 1850 der christlichen Religion im Hinblick auf alle religionsbezogenen Einrichtungen des Staates einen Vorrang ein. Auf Reichsebene wurde die religionsbezogene Gleichheit nach 1867 wie auch andere Grundrechte aus politischen Gründen59 nur einfachgesetzlich gete des Einzelnen gegenüber dem Staat ab, vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 393; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1798. 52  Vgl. ähnlich Art. 12 S. 2 Verf. Preuß. 1850; dazu Anschütz, Verf. Preuß., Art. 12, S. 220; vgl. Zippelius, Staat, S. 134. 53  Vgl. Kühne, Paulskirche, S. 294, auch zum Verständnis dieser Vorschrift in Verbindung mit § 137 Abs. 6 RV 1849. 54  Vgl. Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 31 Rn. 14. 55  Vgl. Kühne, Paulskirche, S. 301 f. 56  Vgl. ausführlich Kühne, Paulskirche, S. 73 ff.; 301 f.; Roske, Grundrechte, S. 100, wonach dem Frankfurter Vorbild speziell in der preußischen Nationalversammlung „sorgfältigste Berücksichtigung“ zukommen sollte; v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 35, 65; Dreier, in: ders., GG I, Vorb. Rn. 14; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1711; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 6. 57  Vgl. Anschütz, Verf. Preuß., Art. 12, S. 222; zu den staatsbürgerlichen Rechten zählte schon historisch vor allem der Zugang zu öffentlichen Ämtern, vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 1, § 64 S. 399 ff. 58  Vgl. Anschütz, Verf. Preuß., Art. 12, S. 220. 59  Vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 37; Pieroth, Jura 1984, 568 (575 f.).



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regelt. Zunächst wurde im Norddeutschen Bund eine entsprechende Regelung durch § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 186760 getroffen, bevor das Gesetz vom 3. Juli 1869 betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung61 in S. 1 seines einzigen Artikels alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses abgeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte aufhob und in S. 2 „die Befähigung zur Theilnahme an der Gemeinde- und Landesvertretung und zur Bekleidung öffentlicher Aemter vom religiösen Bekenntniß unabhängig“ sein ließ. Ausdrückliche Begrenzungen der religionsbezogenen Gleichheitssätze62 finden sich in den historischen Verfassungstexten in unterschiedlichem Maße. Die älteren religionsbezogenen Gleichheitssätze sind – wie bereits dargestellt – überwiegend auf die Anhänger der hergebrachten christlichen Konfessionen beschränkt. Insoweit mag man von einer schon tatbestandlichen Begrenzung des Anwendungsbereichs der besonderen Gleichheitssätze sprechen, die nicht universell galten, sondern auf Anhänger der christlichen Religionen beschränkt waren. Darüber hinaus finden sich vereinzelt Begrenzungen, die man in der heutigen Dogmatik als Rechtfertigungsgründe für grundsätzlich verbotene Diskriminierungen bezeichnen könnte. So eröffnet § 42 Landesgrundgesetz Schwarzburg-Sondershausen von 1841 zwar prinzipiell allen Angehörigen der christlichen Bekenntnisse gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern; allerdings gelte dies nicht, soweit die Konfession des Bewerbers um ein öffentliches Amt eine „nothwendige Ausnahme“63 begründe. Davon abgesehen finden sich in den Verfassungstexten auffällig wenige ausdrückliche Begrenzungen der Diskriminierungsverbote.64 Geht man vom textlichen Normbefund aus, wurde das einzelne Individuum im weltlichen Bereich also vom Staat ab dem zu Ende gehenden 19. Jahrhundert nicht mehr primär als Christ behandelt, sondern unabhängig von seiner Religion als Bürger. Das Christsein verlor seine entscheidende Bedeutung für den Zugang zu öffentlichen Ämtern, weil der Staat statt des Glaubens etwaiger Bewerber mehr und mehr religiös-weltanschaulich neu­ trale Qualifikationsmerkmale berücksichtigte.65 Die tatsächliche Durchset60  BGBl.

des Norddeutschen Bundes, S. 55. des Norddeutschen Bundes, S. 292; vgl. Sachs, Der Staat 23 (1984), 549 (557 f.). 1919 ging dieses Gesetz im weitgehend inhaltsgleichen Art. 136 WRV auf. 62  Vgl. Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 93 ff., 98 ff. 63  Zitiert nach Heun, Verfassungsdokumente VI, S. 147 (151); vgl. Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 109. 64  Vgl. Sachs, Diskriminierungsverbot, S.  98 ff., m. w. N. 65  Vgl. Heckel, ZevKR 12 (1966 / 67), 1 (27). 61  BGBl.

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zung dieser Gleichberechtigung stand indes noch aus. Das macht etwa folgende Statistik deutlich: Im Jahr 1907 waren 9,5 Prozent der deutschen Akademiker Juden; unter den höheren Beamten des Reiches und der Einzelstaaten lag der Anteil der Juden hingegen nur bei 1,93 Prozent. Angesichts eines Judenanteils von nur einem Prozent der deutschen Bevölkerung waren die Juden folglich zwar höher qualifiziert als der Durchschnitt der Bevölkerung, unter dem Gesichtspunkt fachlicher Eignung jedoch in der Gruppe der höheren Beamten statistisch deutlich unterrepräsentiert.66 Unbeschadet der programmatischen Aussage, es bestehe „keine Staatskirche“, in § 147 Abs. 2 RV 1849 waren Staat und (christliche) Religionsgemeinschaften in Deutschland bis in das 20. Jahrhundert hinein eng miteinander verflochten. Lange blieb aus den genannten Gründen insbesondere bei den evangelischen Landeskirchen das landesherrliche Kirchenregiment als Rest des früheren Landeskirchentums erhalten, bei dem der politische Landesherr zugleich als oberster Bischof für seine Untertanen fungierte und sich als solcher um die Ordnung in der Kirche und die Reinhaltung der religiösen Lehre sorgte.67 Der Staat führte weiterhin eine – wenngleich unterschiedlich stark ausgeprägte – Aufsicht über das Wirken der Kirchen. Diese staatliche Kirchenhoheit umfasste in Einzelfällen eine Pflicht der Kirchen, vor jeder Verkündung kirchlicher Verordnungen die Zustimmung des Landesherrn einzuholen,68 eine Kontrolle innerkirchlicher Entscheidungen durch staatliche Gerichte, eine Überwachung der Kommunikation zwischen katholischen Einrichtungen in Deutschland und dem Heiligen Stuhl in Rom, Mitwirkungsrechte des Staates bei der Ausbildung und Einstellung der Geistlichen, die Genehmigungsbedürftigkeit von Klostergründungen und Prozessionen oder eine Beschränkung der kirchlichen Rechte zum Vermögenserwerb.69 Insbesondere die Katholiken mussten in der Zeit des Kulturkampfes unter Bismarck massive Beeinträchtigungen ihrer Rechte hinnehmen, die mit der freiheitlichen preußischen Verfassung wohl unvereinbar waren.70 Auch nach Kühne, Paulskirche, S. 304, m. w. N. Anschütz, WRV10, Art. 137 Anm. 1; Jeand’Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (445, 455); ferner Heinig, in: Groschopp, Konfessionsfreie, S. 29 (31). 68  Vgl. ALR 1794, Zweiter Theil, Elfter Titel, § 117: „Kein Bischof darf in Religions- und Kirchenangelegenheiten, ohne Erlaubniß des Staats, neue Verordnungen machen, oder dergleichen von fremden geistlichen Obern annehmen.“ § 118: „Alle päpstliche Bullen, Breven und alle Verordnungen auswärtiger Obern der Geistlichkeit müssen, vor ihrer Publication und Vollstreckung, dem Staate zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden.“ 69  Vgl. Zippelius, Staat, S. 118 f. 70  Vgl. Morsey, in: Weitlauff, 19. Jahrhundert, S. 163 ff. Bismarck sah durch die katholische Kirche unter der Führung des seit dem Ersten Vatikanischen Konzil (1870) als unfehlbar bezeichneten Papstes die Konsolidierung des Reiches gefährdet. Er versuchte deswegen, die als fortschritts- und freiheitsfeindlich geltenden Katho66  Vgl. 67  Vgl.



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dessen Ende bestellte etwa das preußische Kultusministerium noch am 5. Dezember 1918 einen Priester zum Propst einer Kirche mit dem Recht zur Teilnahme an genau bestimmten Sitzungen kirchlicher Behörden.71 Reichsleitung wie preußische Staatsleitung erkannten jedoch bald, dass radikale kirchenpolitische Aktionen in Gebieten mit überwiegend kirchentreuer (katholischer) Bevölkerung die Separationsbestrebungen fördern mussten. Um dies zu verhindern, ließen sie die Anerkennung der Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts unangetastet.72 Nach und nach unterblieben Einmischungen des Staates in innerkirchliche Angelegenheiten. 2. Weimarer Reichsverfassung Nach der Revolution von 1918 / 1919 traf in der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, die am 6. Februar 1919 in Weimar zusammentrat, eine tendenziell kirchenfreundliche Gruppe auf eine sozialistische Gruppe, die – mit Unterschieden im Detail – eine möglichst weitreichende Trennung von Religion und Staat durchzusetzen versuchte.73 Während das Verhältnis von Religion und Staat also hoch umstritten war, enthielt schon der Regierungsentwurf der Verfassung einen kaum in Frage gestellten Art. 30 Abs. 3, der bekenntnisunabhängigen Zugang zu öffentlichen Ämtern gewährleistete.74 Der Absatz wurde ohne Änderungen als Art. 136 Abs. 2 WRV übernommen. Damit greift Art. 136 Abs. 2 WRV einen Rechtszustand auf, den bereits § 146 S. 1 RV 1849 normiert hatte:75 Der Zugang zu öffentlichen Ämtern sollte unabhängig vom religiösen Bekenntnis sein; eine Beschränkung auf christliche Konfessionen enthielt Art. 136 Abs. 2 WRV nicht.76 Diese Regeliken durch vielfältige Maßnahmen aus der Gesellschaft zu verdrängen oder sie jedenfalls unter staatliche Aufsicht zu stellen. 71  Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte V, S. 876 f.; Jacke, Kirche, S. 20 ff. Während bei manchen dieser Beschränkungen kirchlicher Freiheit zweifelhaft ist, ob es sich tatsächlich um staatskirchliche Elemente handelt, sind insbesondere die Personalunion zwischen Landesherrn und Bischof sowie die staatliche Einflussnahme auf die Besetzung kirchlicher Ämter typische Merkmale staatskirchlicher Strukturen. 72  Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte V, S. 881. 73  Vgl. Gusy, WRV, S. 321; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 2 f.; Maus­ bach, Kulturfragen, S. 46 ff.; kirchliche Protestschreiben gegen eine Trennung von Staat und Kirche, abgedruckt bei Huber / Huber, Staat und Kirche, S. 16 ff. 74  Abgedruckt etwa bei Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 6. Siehe dazu noch im Zusammenhang mit Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, 2. Kap. F. I. 75  Vgl. generell zu solchen Anknüpfungen Gusy, WRV, S. 63, 71. 76  Vgl. Gusy, WRV, S. 322.

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lung ist gem. Art. 140 GG bis heute als geltendes Verfassungsrecht in das Grundgesetz inkorporiert.77 Erneut blieb die tatsächliche Umsetzung der besonderen Gleichheitssätze in der Weimarer Zeit allerdings problematisch.78 Das wird etwa daran deutlich, dass Bayern vorerst seine Praxis beibehielt, bei Lehramtsbewerbern auch außerhalb von bekenntnisgebundenen Schulen die Zugehörigkeit zu einer Kirche als Einstellungskriterium heranzuziehen.79

II. Ämtervergabe in Abhängigkeit von politischen Anschauungen In den vorrepublikanischen deutschen Staaten herrschte die Überzeugung, dass Staatsdiener in einem besonderen Treueverhältnis zum Herrscher stünden. Es entsprach vor allem preußischen Gepflogenheiten, vom Beamten neben Treue zur Verfassung die absolute Unterordnung unter den Willen und die politischen Vorstellungen des Monarchen zu verlangen.80 Dementsprechend bezog sich der Treueeid in der konstitutionellen preußischen Monarchie und später auch im Deutschen Reich stets personal auf den regierenden Monarchen und war etwa nach einem Thronwechsel neu zu leisten. Noch die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 verpflichtete die Reichsbeamten ausdrücklich, kaiserlichen Anordnungen Folge zu leisten;81 sie waren auf die persönliche Treue zum Kaiser zu vereidigen.82 Die politische Brisanz dieses Eides auf die Person des Monarchen zeigte sich besonders im ausgehenden 19. Jahrhundert, als die Sozialdemokraten 77  Zur

Inkorporation s. noch 2. Kap. F. II. zur Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechtssätze der WRV, die nur zögernd und zunächst inkonsequent bejaht wurde, Stern, StaatsR III / 1, § 59 S. 125 f.; Mausbach, Kulturfragen, S. 37; wegweisend Thoma, in: Nipperdey, GR der RV I, S. 3 ff.; s. generell zu dieser Problematik aus dem Verfassungstext Art. 48 Abs. 2 WRV. Unter dem Grundgesetz ist die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers durch Art. 1 Abs. 3 GG festgeschrieben, vgl. JöR n. F. 1 (1951), 67. 79  Vgl. Gusy, WRV, S. 323, ohne Nachweise. 80  Vgl. Kugele, ZBR 2007, 109 (110); Mommsen, in: Brandt, Treuepflicht, S. 19. 81  Vgl. Art. 50 Abs. 3 S. 1, Art. 64 Abs. 1 S. 1 RV 1871. 82  Vgl. Art. 50 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 1, Art. 53 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 RV 1871; Verordnung v. 29.6.1871, abgedruckt bei Wiese, Staatsdienst, S. 63: „Ich schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß, nachdem ich zum Beamten des Deutschen Reiches bestellt worden bin, ich in dieser meiner Eigenschaft Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser treu und gehorsam sein, die Reichsverfassung und die Gesetze des Reichs beobachten und alle mir vermöge meines Amtes obliegenden Pflichten nach meinem besten Wissen und Gewissen genau erfüllen will, so wahr mir Gott helfe.“ Siehe ferner Absolon, Wehrmacht, S. 163 ff.; Köttgen, in: FS Smend, 1962, S. 119 (120); Wiese, Staatsdienst, S. 164 f. 78  Vgl.



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aus der Beamtenschaft herausgedrängt werden sollten.83 Bismarck suchte schon in seiner frühen Regierungszeit für die preußische Verwaltung bewusst Kandidaten mit spezifischem politisch-sozialen Hintergrund aus. Zur Legitimation dieser Auswahl berief er sich auf den königlichen Regierungsauftrag, der beispielsweise nur mit Landräten umgesetzt werden könne, „die durch ihre Tätigkeit die volle und entschiedene Parteinahme für die Regierung“84 an den Tag legten. Generell sei von allen Beamten zu erwarten, dass sie oppositionellen Überzeugungen nicht äußerlich erkennbar Ausdruck gäben. Das erklärt, warum Stadelmann sogar eine zunehmende Ungleichbehandlung feststellt, wenn er kritisiert, der Typus des fortschrittlichen Verwaltungsbeamten habe nach 1850 immer mehr „dem starr konservativen Regierungsmann Platz [gemacht], der den Kontakt mit dem lebendigen Gesellschaftsprozeß verlor und seine Aufgabe in der Unterdrückung volkstümlicher Strömungen sah“85. Prinzipiell konnte der preußische König jeden Beamten, mit dem er unzufrieden war, frei entlassen.86 Die Forderung nach politischer Neutralität und Unabhängigkeit der staatlichen Amtsträger wurde vor allem mit dem Übergang von der konstitutionellen Monarchie zum parlamentarisch-demokratischen Parteienstaat aktuell, weil die bisherige persönliche Treuepflicht gegenüber dem Monarchen nach dem Ende des Kaiserreiches nicht mehr in Betracht kam. Nach der Gründung der Weimarer Republik87 sowie in der Bundesrepublik88 wurden die Beamten daher fortan auf die Verfassung vereidigt. Sie entwickelten sich von Fürsten- zu Staatsdienern,89 doch stellte sich in einer demokratischen Parteiengesellschaft verstärkt die Frage nach der parteipolitischen Neutralität der staatlichen Bediensteten.90 Art. 130 Abs. 1 WRV bestimmte, dass die 83  Siehe etwa Fraktionsvorsitzender v. Westarp, in: Ritter, Deutsches Kaiserreich, S. 73. 84  Bismarck, Werke, S. 653 f.; vgl. zu politischer Einflussnahme auf die Beamten des Reiches Kugele, Beamte, S. 24 ff.; Menzel, DÖV 1970, 433 (440), m. w. N. 85  Stadelmann, Revolution 1848, S. 190. 86  Vgl. BVerfGE 8, 332 (347 ff.) – Kommunalbeamte, wonach die Versetzung in den Wartestand noch bis 1919 in den meisten Staaten rechtlich kaum wirksam gebunden war; Beilke, Fortentwicklung, S. 32 f.: Goldberg, Politische Beamte, S. 10; Grünning, VR 1988, 80 (83); Hintze, Beamtenstand, S. 34; Wacke, AöR 91 (1966), 441 (445 ff.); Wiese, Staatsdienst, S. 161 f. 87  Art. 176 S. 1 WRV. 88  Vgl. den Amtseid von Bundespräsident (Art. 56 GG), entsprechend für Bundeskanzler und -minister gem. Art. 64 Abs. 2 GG; ferner den Amtseid der Bundesbeamten (§ 64 Abs. 1 BBG), der Bundesverfassungsrichter (§ 11 S. 1 BVerfGG) oder der Bundesrichter im Übrigen (§ 38 Abs. 1 DRiG). 89  Vgl. BVerfGE 119, 247 (260) – Zwangsteilzeit; 121, 205 (219) – Leitungsamt auf Zeit; Kugele, Beamte, S. 59 ff. 90  Vgl. Steinkemper, Grenzbereich, S.  86 f., m. w. N.

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Beamten in der Weimarer Republik Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei seien. Sie sollten ihre Arbeit nicht an Parteiinteressen, sondern am Allgemeinwohl ausrichten und so ein Korrektiv zu wechselnden politischen Mehrheiten darstellen sowie Kontinuität gewährleisten.91 Die Rede vom politischen Beamten im modernen Sinne setzt zwei weitere Entwicklungen voraus: Erstens muss es politische Parteien geben, da diese das Institut des politischen Beamten und die Kritik an ihm heute maßgeblich beeinflussen, und zweitens muss die prinzipielle Anstellung auf Lebenszeit anerkannt sein, um sodann über eine Ausnahme von diesem Prinzip – nämlich die vorzeitige Versetzung in den einstweiligen Ruhestand – diskutieren zu können. Politische Parteien sind in Deutschland ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden.92 Mit dem Wertepluralismus begann im 19. Jahrhundert geradezu ein Kampf um die politischen Gesinnungen der Beamten: „Was durfte ein Beamter denken? Wie laut durfte er seine politische Meinung sagen?“93 Sollte neben fachlicher Eignung auch fortgesetztes politisches Wohlverhalten zu den an einen Beamten zu stellenden Anforderungen gehören? Hattenhauer zitiert einen unbekannten Autor, der die Situation 1844 wie folgt beschreibt: „Leider fehlt es heut zu tage […] nicht an Beispielen, dass bei Besetzung höherer Ämter nach nichts Anderem, als nach sogenannter Gesinnung und gutem Menschenverstande gefragt wird.“94 Das führe dazu, dass man viele Beamte innerhalb kürzester Zeit Gegenteiliges „fabeln“95 höre, je nachdem, was politisch gerade gefragt sei. Es sei dem immer stärker werdenden Einfluss der Parlamente zuzuschreiben, dass die Regierungen mehr und mehr Wert darauf legten, dass die Beamten nicht nach privater Einsicht ihr Amt verwalteten, sondern die politische Gesinnung der Regierung Maßstab für die Amtsausführung der Beamten sein solle.96 Um von politischen Beamten sprechen zu können, die – im Unterschied zu anderen Beamten – jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, muss weiterhin anerkannt sein, dass Beamte ihr Amt prinzipiell auf Lebenszeit erhalten. Erst nachdem die Rechtsstellung der Beamten durch Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen wenigstens in Grundzü91  Vgl. BVerfGE 7, 155 (162) – Bürgermeisterabwahl; 8, 1 (16) – Teuerungszulage; Benda, Stabilitätsauftrag, S. 29 (32); Lenze, Beamte S. 7; Steinkemper, Grenzbereich, S. 87; Stern, StaatsR I2, § 11 S. 376; Wiese, Staatsdienst, S. 22 ff. 92  Vgl. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 318; Kugele, Beamte, S. 83, wonach es bis 1871 keine (starke) deutschlandweit agierende politische Partei gab. 93  Hattenhauer, Geschichte, S. 240. 94  Hattenhauer, Geschichte, S. 241. 95  Hattenhauer, Geschichte, S. 241. 96  Vgl. Hattenhauer, Geschichte, S. 241.



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gen gefestigt worden war, was beispielsweise in Preußen durch die März­ revolution von 1848 und später reichsweit durch §§ 2, 23 RBG 1873 und dann durch Art. 129 Abs. 1 S. 1 WRV geschah,97 kam das Institut des politischen Beamten auf, dessen Amt dem Amtsinhaber jederzeit durch die sogenannte Dimission oder Quieszierung entzogen werden konnte.98 Freilich bestand diese Möglichkeit in Sachsen und einigen anderen Staaten weiterhin für alle Verwaltungsbeamten, wenn auch teilweise nur unter Wahrung näher bestimmter Voraussetzungen und Rechte.99 Um die Befugnisse der Regierung gegenüber den Beamten gesetzlich abzusichern, bestimmte § 21 des preußischen Gesetzes, betreffend das gerichtliche und Disziplinar-Strafverfahren gegen Beamte vom 29. März 1844:100 „Die Entlassung aus dem Dienst soll besonders dann eintreten, wenn der Beamte sich einer fortgesetzten mangelhaften Amtsführung schuldig, oder durch seinen außeramtlichen Lebenswandel, namentlich durch Trunk, Verschwendung, leichtsinniges Schuldenmachen, oder überhaupt durch ein die Religion oder die Sittlichkeit betreffendes Betragen des zu dem Amte erforderlichen Ansehens oder Vertrauens verlustig gemacht hat.“ Als nach den revolutionären Ereignissen von 1848 / 1849 eine neue Regierung an die Macht kam, reichten dieser die vorhandenen Machtmittel nicht aus, um die Beamten zu weisungsgemäßem Handeln zu zwingen:101 Die Regierung forderte, dass ihr zur Erfüllung ihrer Anordnungen kräftig handelnde Organe zur Verfügung stehen müssten; es dürfe kein Schwanken der Beamten bei der regierungstreuen Erfüllung ihrer Aufgaben geben.102 Eine preußische Verordnung aus dem Jahr 1848103 bestimmte deshalb, Unter97  Vgl. Beilke, Fortentwicklung; S. 34 f.; Weber, Politische Beamte, S. 25, zu Ansätzen eines Beamtenrechts im ALR und zur sukzessiven Anerkennung des Lebenszeitprinzips. 98  Vgl. Goldberg, Politische Beamte, S. 10 f.; Kugele, ZBR 2007, 109 (110); Wiese, Staatsdienst, S. 162 f.; zu Art. 129 WRV Anschütz, WRV, Art. 129 Rn. 2. 99  Vgl. Goldberg, Politische Beamte, S. 11 f.; Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 274: „an sich freie ‚Quieszierung‘“. 100  PrGS 77. Ule, DÖV 1964, 293, bewertet diese Regelung als „entschiedenen Rückschritt“ (ebd.). Weber, Politische Beamte, S. 28, weist zur Begründung der politischen Beamten zudem auf einen Rollenkonflikt der Beamten hin, der daraus resultiert habe, dass das Parlament seinerzeit weitgehend aus Beamten bestand, diese also eine Doppelrolle als Parlamentarier und Mitarbeiter der Exekutive hatten; vgl. ähnlich Kugele, Beamte, S. 100 ff., auch zu weiterem Konfliktpotenzial. 101  Vgl. Kugele, Beamte, S. 20 ff., der die Jahre 1848 / 49 als „Geburtsstunde des politischen Beamten“ (S. 20) bezeichnet; Runge, Beamtentum, S. 21. 102  Vgl. so wiedergegeben von Hattenhauer, Geschichte, S. 242 f.; Menzel, DÖV 197, 433 (440). 103  § 94 Verordnung, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand v. 11.7.1849, PrGS 271.

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staatssekretäre, Ministerialdirektoren, Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten und Vicepräsidenten, Beamte der Staatsanwaltschaft bei den Gerichten, Vorsteher Königlicher Polizeibehörden, Landräthe sowie die Gesandten und andere diplomatische Agenten könnten jederzeit durch königliche Verfügung unter Gewährung eines Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand versetzt werden. Soweit ersichtlich, handelt es sich bei dieser Verordnung um die früheste Regelung des Instituts der politischen Beamten. Ungeachtet einzelner Abweichungen in den Katalogen der betroffenen Ämter finden sich ähnliche Regelungen fortan häufiger im Beamtenrecht der deutschen Einzelstaaten sowie später des deutschen Reiches.104 § 25 RBG 1873105 sah ebenfalls ausdrücklich die Möglichkeit vor, die Inhaber genau benannter Beamtenpositionen durch Verfügung des Reichspräsidenten in den Ruhestand zu versetzen – etwa wenn die politische Übereinstimmung mit der Reichsregierung nicht mehr gewährleistet war.106 Später wurde die Weimarer Republik schon kurz nach ihrer Entstehung in ihrer Staatsform bedroht.107 Schlink konzediert etwa eine „Fremdheit der Beamten gegenüber dem demokratischen und republikanischen Staat“108. Der Reichstag reagierte darauf unter anderem mit einem Gesetz über die Pflichten der Beamten zum Schutze der Republik vom 21.7.1922,109 dessen Art. 3 vorsah, dass im Interesse der Festigung der verfassungsmäßigen re104  Vgl. §§ 2, 87 Gesetz, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand v. 21.7.1852, PrGS 465. Im Jahre 1899 wurden auf Grundlage dieser Regelungen zwei Regierungspräsidenten und 18 Landräte als Kanalrebellen einstweilig in den Ruhestand versetzt, weil sie als Abgeordnete gegen eine vom preußischen König gewünschte Vorlage über den Mittellandkanal gestimmt hatten; dazu Hartung, Aufsätze, S. 178 (266 f.); ferner Wacke, AöR 91 (1966), 441 (449 ff.). 105  Auszugsweise abgedruckt bei Brandt, Treuepflicht, S. 79 (80): § 25: „Außer dem im § 24 bezeichneten Falle können durch Kaiserliche Verfügung die nachbenannten Beamten jederzeit mit Gewährung des gesetzlichen Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand versetzt werden: der Reichskanzler, der Präsident des Reichskanzler-Amts, der Chef der Kaiserlichen Admiralität, der Staatssekretär im Auswärtigen Amte, die Direktoren und Abtheilungs-Chefs im Reichskanzler-Amte und in den einzelnen Abtheilungen desselben, sowie im Auswärtigen Amte und in den Ministerien, die vortragenden Räthe und etatsmäßigen Hülfsarbeiter im Auswärtigen Amte, die Militär- und Marine-Intendanten, die diplomatischen Agenten einschließlich der Konsuln.“ 106  Vgl. dazu etwa Arndt, RBG, § 25 Rn. 1; Brand, RBG, § 25 Rn. 21 ff.; Fisch­ bach, RBG, § 25 Rn. 1; ferner Eschenburg, Ämterpatronage, S. 71. Auf dieser Grundlage wurden 1920 nach dem sogenannten Kapp-Putsch gegen die Weimarer Republik 96 Beamte einstweilig in den Ruhestand versetzt, vgl. Runge, Beamtentum, S.  121 ff. 107  Vgl. Menzel, DÖV 1970, 433 (441); Kugele, Beamte, S. 31 ff. 108  Schlink, Der Staat 15 (1976), 335 (338). 109  RGBl. I 590; dazu etwa Stern, StaatsR I2, § 11 S. 374 f.



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publikanischen Staatsform nichtrichterliche Beamte ab der Besoldungsgruppe A XII jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, wenn sie in leitender Stellung arbeiteten oder politische Entscheidungen zu treffen hatten. Gleiches galt für einzeln bestimmte Ämter, die besonders mit dem Schutz der Republik betraut waren. Das nationalsozialistische Regime knüpfte daran mit dem noch rigoroseren Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933110 an. Nach dessen § 4 konnten Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür boten, jederzeit vorbehaltlos für den nationalen Staat einzutreten, aus dem Dienst entlassen werden. Damit war die Tradition eines grundsätzlich un­ politischen Beamtentums durchbrochen.111

III. Staatsbürgerliche Gleichheit und gleicher Ämterzugang Schon Platon und Aristoteles forderten für die Polis im antiken Griechenland die Vergabe öffentlicher Ämter nach Maßgabe von Würde und Fähigkeiten.112 Ein besonderes Diskriminierungsverbot im Hinblick auf staatsbürgerliche Rechte findet sich früh in der Württembergischen Verfassung von 1819, wo es in § 21 heißt: „Alle Württemberger haben gleiche staatsbürgerliche Rechte, und eben so sind sie zu gleichen staatsbürgerlichen Pflichten und gleicher Teilnahme an den Staatslasten verbunden.“113 Zu den staatsbürgerlichen Rechten zählte insbesondere das Recht auf gleichen Zugang zum öffentlichen Dienst.114 Das verdeutlicht die Verfassungssystematik, wenn es im 110  RGBl. I 175; vgl. dazu etwa BVerfGE 8, 332 (350) – Kommunalbeamte, wonach das NS-Regime Beamtenrechte generell nicht als unantastbar ansah; Kugele, ZBR 2007, 109 (111). Siehe ferner den (großen) Kreis der politischen Beamten gem. § 44 Abs. 1 Nr. 1 DBG 1937. 111  Vgl. Beilke, Fortentwicklung, S. 51 f.; Fehlig, Staatssekretär, S. 59; Grünning, VR 1988, 80 (84 f.); Kugele, Beamte, S. 35 ff.; Weber, Politische Beamte, S. 34 f.; zu Beeinträchtigungen der kommunalen Selbstverwaltung Voigt, Selbstverwaltung, S. 239. 112  Vgl. Thoenißen, Gleichheit, S. 371, der allerdings darauf hinweist, dass nach Platons Konzeption de facto der Reichtum des Einzelnen zum allein bestimmenden Faktor wird; ferner Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 120 S. 1444 f., m. w. N. 113  Verfassungsurkunde v. 25.9.1819, abgedruckt bei Zachariä, Verfassungsgesetze, S. 295 (299); ähnlich schon Verf. BY 1818; zur historischen Bedeutung der Bestimmung vgl. v. Sarwey, Staatsrecht Württemberg I, S. 179 f. 114  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 1, § 64 S. 401; zum heutigen Recht Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 6; Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 15. Dementsprechend ist im Kontext des Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG eine Abgrenzung der staatsbürgerlichen von bürgerlichen Rechten entbehrlich, so Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 42; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1798.

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folgenden § 22 heißt: „Kein Staatsbürger kann wegen seiner Geburt von irgend einem Staatsamte ausgeschlossen werden.“ Die zeitgenössische Literatur interpretierte diesen Rechtssatz auch als Verbot, ein „bestimmtes religiöses Bekenntniß“115 bei der Besetzung von Staatsämtern zur Bedingung der Anstellung zu machen. Allerdings enthält § 21 2. Hs. einen Vorbehalt widersprechenden Verfassungsrechts. So ist der volle Genuss der staatsbürgerlichen Rechte gem. § 27 Abs. 2 auf die Angehörigen der christlichen Glaubensbekenntnisse beschränkt. Auch § 158 des Grundgesetzes für das Königreich Hannover von 1833116 verbot grundsätzlich die Berücksichtigung der Geburt bei der Besetzung von Staatsämtern, behielt sich aber zugleich Abweichungen vor, sofern „bei einzelnen Dienststellen eine ausdrückliche, gesetzlich bestimmte Ausnahme besteht“.117 Den gleichen Zugang zu allen ­Civil-, Militaire- und Kirchen-Aemtern normiert in dieser Zeit etwa Titel IV, § 5 Verfassungsurkunde für das Königreich Bayern vom 26.5.1818.118 An prominenter Stelle im Verfassungsrecht der deutschen Bundesebene wird der gleiche Zugang zum öffentlichen Dienst erstmals in § 137 Abs. 6 RV 1849 normiert. Dort heißt es: „Die öffentlichen Ämter sind für alle Befähigten gleich zugänglich.“ Maßgeblicher Anlass für diese Forderung waren ausweislich der Beratungen im Plenum der Nationalversammlung Bevorzugungen des Adels beim Zugang zu öffentlichen Ämtern.119 Im Schrifttum des beginnenden 20. Jahrhunderts war umstritten, ob die damit intendierte Beseitigung von Restbeständen feudaler Privilegien zugunsten staatsbürgerlicher Gleichheit auch eine politische Dimension besaß. Schon im Hinblick auf Art. 4 S. 3 Verf. Preuß. 1850120, der – abgesehen vom fehlenden Verweis auf eine gesetzliche Regelung – der Vorschrift der Paulskirchenverfassung fast wörtlich entsprach, bestand diesbezüglich keine Einigkeit. So behauptete beispielsweise Anschütz, das Gebot gleichen Ämterzugangs wende sich allein gegen geburtsständige Privilegien, nicht aber gegen 115  v.

Sarwey, Staatsrecht Württemberg II, S. 268. bei Heun, Verfassungsdokumente III, S. 117 (144). 117  Vgl. Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 107. 118  Abgedruckt bei Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte, S. 155 (161); s. aber Titel IV, § 9 Abs. 2, der (nur) den „in dem Königreiche bestehenden drey christlichen Kirchen-Gesellschaften“ gleiche bürgerliche Rechte gewährleistet; ähnlich § 9 Abs. 1 der Verfassung des Großherzogtums Baden v. 22.8.1818, abgedruckt bei Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte, S. 172 (173), ebenfalls mit Beschränkung auf Anhänger der „drey christlichen Confessionen“. Vgl. Zippelius, Staat, S. 134 f., m. w. N. 119  Vgl. Mohl, in: Wigard, Verhandlungen II, S. 1296; Kühne, Paulskirche, S. 294 Fn. 75. 120  Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte, S. 501: „Die öffentlichen Aemter sind, unter Einhaltung der von den Gesetzen festgestellten Bedingungen, für alle dazu Befähigten gleich zugänglich.“ 116  Abgedruckt



A. Historische Entwicklung

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andere – etwa politisch motivierte – Bevorzugungen.121 Sofern nicht ganze Stände betroffen seien, habe der Gesetzgeber freie Hand, Zulassungsbedingungen für öffentliche Ämter festzulegen und damit unter Umständen auch ganze Personengruppen von der Erlangung bestimmter öffentlicher Ämter auszuschließen. In diesem Sinne ließe sich gegen die Erfassung politisch motivierter Bevorzugungen anführen, dass entsprechende politische Vereinigungen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch nicht bestanden und der Gedanke staatsbürgerlicher Gleichheit dementsprechend noch nicht gegen parteipolitisch bedingten Ämterzugang gerichtet sein konnte. Dagegen ist allerdings mit Kühne anzuführen, dass die Bevorzugung des Adels jedenfalls nicht ausschließlich geschah, um das geburtsständige Prinzip an sich aufrechtzuerhalten.122 Vielmehr setzte man beim Adel voraus, dass dieser gegenüber dem Monarchen eine erhöhte Gefolgschaftstreue zeigen werde. Jedenfalls mittelbar war mit dem Adel eine ganz überwiegend monarchisch-konservative Gesinnung gefördert worden, selbst wenn diese parteipolitisch noch ungebunden war. Gerade diese politisch motivierte Bevorzugung des Adels sollte durch die Verfassungen aus der Mitte des ­ 19.  Jahrhunderts – § 137 Abs. 6 RV 1849 ebenso wie Art. 4 Verf. Preuß. 1850 – beseitigt werden.123 Diesen hehren Zielen der verfassunggebenden Versammlung zum Trotz dauerte die Bevorzugung des Adels noch bis ins 20. Jahrhundert hinein fort.124 In der Tradition des § 137 Abs. 6 RV 1849 bestimmte die WRV in ihrem zweiten Hauptteil zu Grundrechten und -pflichten in Art. 128 Abs. 1: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied sind nach Maßgabe der Gesetze und entsprechend ihrer Befähigung und ihren Leistungen zu den öffentlichen Ämtern zuzulassen.“ Sonstige Gesichtspunkte durften also keine Rolle spielen, insbesondere nicht konfessionelle oder politische Anschauungen. Nur Befähigung und Leistung sollten bei der Übertragung von Ämtern ausschlaggebend sein.125 Bereits 1930 formulierte Brand allerdings, diese Forderung könne im Hinblick auf die Besetzung „rein politischer Ämter“126 schwer durchzuhalten sein, und er folgerte daraus die Zulässigkeit „gewisse[r] Ausnahmen“127. Anschütz, Verf. Preuß., Art. 4, S. 128; vgl. auch ebd., S. 130. Kühne, Paulskirche, S. 295. 123  Vgl. Kühne, Paulskirche, S. 295; vgl. zu den Problemen der Umsetzung v. Meier, Verwaltungsgeschichte, S. 467 ff., für Hannover; ebd., S. 501 ff., für Preußen. 124  Vgl. etwa Hintze, Beamtenstand, insbes. S. 44 ff. 125  Vgl. ausdrücklich Brand, in: Nipperdey, GR der RV II, S. 219 f.; ferner An­ schütz, WRV10, Art. 128 Rn. 1. 126  Brand, in: Nipperdey, GR der RV II, S. 220. 127  Brand, in: Nipperdey, GR der RV II, S. 220; a. A. rechtshistorisch Köttgen, Berufsbeamtentum, S. 256 ff., der auch für die Anstellung der höchsten politischen Beamten die politische Anschauung der Bewerber unberücksichtigt lassen und die 121  Vgl. 122  Vgl.

50 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Nichtsdestotrotz forderte Brand, die Regierung dürfe neben der von ihm für das Gebiet der Ämterbesetzung abgelehnten konfessionellen Parität nicht noch eine parteipolitische großziehen. Zunächst hielten die wechselnden Regierungen an diesem Grundsatz fest, wonach es ein Recht auf gleichmäßige Berücksichtigung bei der Bewerbung um ein öffentliches Amt in der Regel unabhängig von Konfession, Rasse, Religion und Geschlecht gebe.128 Pervertiert wurde die Regelung des Art. 128 Abs. 1 WRV hingegen ab der Machtergreifung Adolf Hitlers. Statt der Bewerber mit den besten Leistungen wurden nun diejenigen Bewerber um ein öffentliches Amt bevorzugt, die „nach ihrer Gesinnung dem nationalsozialistischen Staat als besonders wertvoll erscheinen müssen“129, solange sie irgendwie dienstfähig seien.

B. Öffentliches Amt im Sinne der besonderen Gleichheitssätze Die Wortfelder Amt, Beamter und öffentlicher Dienst werden im Grundgesetz an unterschiedlichen Stellen verwendet. Im Kontext dieser Arbeit interessiert insbesondere, wie der Ausdruck öffentliches Amt in den Gleichheitssätzen auszulegen ist. Aus der Gruppe dieser Normen erwähnen Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV das öffent­ liche Amt als Tatbestandsmerkmal und regeln den Zugang zu solchen Ämtern: Während Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV das religiöse Bekenntnis als Auswahlkriterium ausschließen, legt Art. 33 Abs. 2 GG positiv bestimmte Zugangskriterien fest. Was mit öffentlichem Amt gemeint ist, ist in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend geklärt,130 sodass Höfling zu Recht von einer „problematische[n] Kategorie“131 spricht. Die Rechtsprechung unterscheidet herkömmlich zwischen dem Amt im statusrechtlichen Sinne, das einem strikt von Regierungsämtern zu trennenden Beamtenpositionen stattdessen in die Hand Unparteiischer legen will. 128  Vgl. Hattenhauer, Geschichte, S. 347. 129  Erlass des Reichsministeriums des Innern v. 7.8.1933 über die bevorzugte Verwendung national gesinnter Wartestandsbeamter, abgedruckt bei Mommsen, Beamtentum, S. 166 (167). 130  Vgl. im Überblick Hebeler, DVBl. 2011, 317 ff.; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 73 ff.; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1817 ff., m. w. N.; zur strafrechtlichen Amtsträgereigenschaft etwa BGHSt 49, 214 ff. 131  Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 73; vgl. Feurer, Amtshaftung, S. 191; Jung, Öffentlicher Dienst, S. 12 f.; Köttgen, in: FS Smend, 1962, S. 119 (119).



B. Öffentliches Amt51

Beamten übertragen wird, und dem Amt im funktionellen Sinne, womit der abstrakte Aufgabenkreis gemeint ist, der der Rechtsstellung des Beamten entspricht.132 Außerdem wird im konkret-funktionellen Sinne auch der übertragene Dienstposten Amt genannt. Die genaue Bedeutung im Kontext der Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV soll im Folgenden durch Auslegung mittels der hergebrachten Auslegungsmethoden133 ermittelt werden.

I. Grammatikalische Auslegung Im Zuge einer grammatikalischen Auslegung134 ist festzuhalten, dass das Substantiv Amt den lateinischen Begriffen ministerium, munus oder officium entspricht und sich vom mittelhochdeutschen ambeht ableiten lässt.135 Es meint einen Dienst, den eine natürliche Person erbringt.136 Für eine tendenziell weite Auslegung im Kontext des Art. 33 Abs. 2 GG wird angeführt, dass der Ausdruck öffentliches Amt dort in Verbindung mit dem Indefinitpronomen jedes verwendet wird.137 Ein solcher Dienst kann vom Wortlaut her zunächst auch im privaten Bereich geleistet werden, doch ist in Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV vom öffentlichen Amt die Rede. Öffentlich ist ein Amt dem allgemeinen Sprachverständnis nach, wenn es grundsätzlich allen zugänglich ist und für die Öffentlichkeit bestimmt beziehungsweise für alle wahrnehmbar ist.138 Nach dieser sehr weiten Definition ist jedenfalls jedes Amt erfasst, das einer Person vom Staat oder von einem Träger mittelbarer Staatsverwaltung anvertraut wird;139 Positionen innerhalb 132  Vgl. BVerwGE 49, 64 (67 f.); 60, 144 (146); 65, 270 (272), m. w. N.; im Überblick Schnellenbach, Beamtenrecht, § 3 Rn. 10. 133  Vgl. zum Kanon überkommener Auslegungsgesichtspunkte aus jüngerer Zeit BVerfGE 109, 190 (212); 110, 226 (248 ff.); 111, 54 (91); Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 38 ff.; Tettinger / Mann, Arbeitstechnik, Rn. 214 ff. 134  Zur Auslegung nach dem Wortlaut s. Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 40, m. w. N. 135  Vgl. Art. Amt, in: Grimm, Wörterbuch, Sp. 280; zu keltischen Wurzeln: Schmitz, Landrat, S. 38; v. Unruh, Landrat, S. 17. 136  Vgl. Feurer, Amtshaftung, S. 191; Isensee, ZBR 2004, 3 (7). 137  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 75; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1817. 138  Vgl. Bulitta / Bulitta, Synonyme, S. 600. 139  Vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 66; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 74; dem folgend Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 41; auch die politikwissenschaftliche Definition von Ämterpatronage von Eschenburg, Ämterpatronage, S. 10: beschränkt auf den „öffentlichen Dienst“.

52 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

der Verfassungsorgane von Bund und Ländern sind nicht von vornherein auszuschließen.140 Unscharf bleibt bei grammatikalischer Auslegung die Abgrenzung zu öffentlichkeitswirksamen Ämtern juristischer Personen des Privatrechts ohne Beteiligung des Staates sowie zu Ämtern öffentlichrechtlicher141 Religionsgemeinschaften, was insbesondere die verbreitete Rede von geistlichen Ämtern142 der Kleriker zeigt. Sprachlich lässt sich der Begriffsinhalt des Wortlautes öffentliches Amt also nur sehr grob konturieren. Erfasst sein können alle Positionen des Staates sowie der mittelbaren Träger der Staatsverwaltung; eine Ausdehnung auf öffentlichkeitswirksame Positionen anderer Rechtssubjekte erscheint – unabhängig von deren rechtlicher Organisationsform – nicht ausgeschlossen.

II. Historische Auslegung Historisch143 war ein sehr umfassendes Amtsverständnis weit verbreitet, weil alles Öffentliche wie selbstverständlich auch staatlich erschien.144 Etlichen Tätigkeiten – als Beispiel nennt Merk ganz generell Fährleute145 – wurde eine erhöhte Gemeinnützigkeit und in der Folge auch der Charakter als „officium“ zuerkannt, was mit besonderen rechtlichen Vergünstigungen für die Amtsinhaber verbunden sein sollte. Weiterhin sollten nach teilweise vertretener Auffassung alle „durch öffentliche Berufspflichten gekennzeich­ neten“146 Tätigkeiten öffentliche Ämter sein; als Beispiel werden Rechtsanwälte147 genannt, aber unabhängig von ihrer Konfession auch Geistliche, die 140  Siehe etwa Art. 48 Abs. 2 S. 1 GG zum Amt eines Abgeordneten; ohne nach Auslegungsmethoden zu differenzieren wohl anders Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 75. 141  Gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 4 WRV erwerben die Religionsgesellschaften die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts und sind damit grds. privatrechtlich organisiert, sofern sie nicht nach Art. 137 Abs. 5 S. 1 WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts bleiben oder nach S. 2 gleiche Rechte gewährt bekommen. 142  Vgl. can. 232 ff. CIC. 143  Zur Methodik s. etwa Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 41, m. w. N. 144  Vgl. Mirbt, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 135, 136 S. 335; Köttgen, in: FS Smend, 1962, S. 119 (121). 145  Vgl. Merk, in: FS Schultze, 1934, S. 451 (489); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1817. 146  v. Mangoldt / Klein, GG2, Art. 33 S. 807. 147  Vgl. v. Mangoldt / Klein, GG2, Art. 33 S. 807; Mirbt, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 135, 136 S. 335; ferner Anschütz, WRV10, Art. 128 Rn. 7, zum Streit um die Einbeziehung der Ämter der Religionsgesellschaften. s. zum Notar als Inhaber eines öffentlichen Amtes BVerfG (K), NJW 2005, 50 (50): Zugang zum Notariat durch „Art. 12 I i. V. mit Art. 33 II GG“ (ebd.) geschützt; ebenso BVerfGK 7, 458 (462).



B. Öffentliches Amt53

gar als „Urbild und Vorbild der weltlichen, staatlichen Beamtenhierarchie“148 gesehen wurden. Erst mit der Auflösung des alten, einheitlichen Gemeinwesens setzte sich eine stärkere Unterscheidung des Staates von der Gesellschaft durch,149 die es unmöglich machte, die Stellung des Einzelnen im Gemeinwesen weiterhin als umfassende Gliedschaftlichkeit zu verstehen.150 Otto Mayer sprach 1917 vom Amt als einem „Kreis von Geschäften des Staates […], welche mit öffentlicher Dienstpflicht zu besorgen sind“151. Öffentliches Amt wurde im Kontext von Art. 136 Abs. 2 WRV definiert als „Kreis von Aufgaben, die kraft öffentlicher Dienstpflicht zu verrichten sind“152. Zum Staat in diesem Sinne wurden nicht nur Bund und Länder gezählt, sondern auch die Selbstverwaltungskörperschaften sowie öffentlichrechtliche Anstalten.153 Da Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG fast wörtlich an Art. 136 Abs. 2 WRV anknüpft, können die in der Weimarer Zeit zum Amtsbegriff entwickelten Grundlagen grundsätzlich für die Auslegung von Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV herangezogen werden.154 Allerdings haben Rechtsprechung und Literatur den Begriff des öffentlichen Amtes in der Weimarer Zeit einerseits in der geschilderten Tradition auf manche Berufe erstreckt, die aus heutiger Perspektive keine hoheitlichen Aufgaben sind und die deshalb nun von Privaten ausgeübt werden, und ihn andererseits sehr beamtenzentriert ausgelegt,155 was angesichts der zunehmenden Differenzierung der Dienstverhältnisse innerhalb der Staatsorganisation heute nicht mehr sachgerecht erscheint.156 Dementsprechend kann die historische Auslegung allenfalls einen ersten Ansatzpunkt für die Entwicklung des Begriffs des öffentlichen Amtes im Zusammenhang der grundgesetzlichen Gleichheitssätze darstellen. 148  Hintze,

Beamtenstand, S. 4; vgl. ähnlich Beilke, Fortentwicklung, S. 32. Böckenförde, in: FG Hefermehl, 1972, S. 11 (12 ff.). 150  Vgl. Loschelder, Sonderbindung, S. 258. 151  Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 249; vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 88. 152  Jellinek, in: Anschütz / Thoma, HDStR II, § 62 S. 28. 153  Vgl. v. Mangoldt, GG1, Art. 33 S. 210. 154  Vgl. v. Mangoldt, GG1, Art. 33 S. 209. 155  Vgl. Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 251, wonach ein vom Staat Angestellter kein öffentliches Amt ausübe; ferner die Annahme, die Übertragung hoheitlicher Befugnisse mache einen Angestellten zum Beamten, so RGZ 125, 420 (421); zustimmend Jellinek, in: Anschütz / Thoma, HDStR II, § 62 S. 22 ff. Wohl deshalb nimmt Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 21, an, die Begriffsgeschichte streite für eine enge Interpretation. Vgl. zum damaligen „Beamtenstaat“ Köttgen, in: FS Smend, 1962, S. 119 (121). 156  Vgl. Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 20 f. 149  Vgl.

54 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Die wenigen Hinweise zu historischen Begrenzungen dieses Amtsbegriffes sind nur bedingt weiterführend. Es fragt sich in diesem Zusammenhang insbesondere, wie das Verhältnis der allgemeinen Vorschriften über den Zugang zu öffentlichen Ämtern zum sogenannten konfessionsgebundenen Staatsamt oder zu Wahlämtern und anderen politisch gebundenen Ämtern im weitesten Sinne gesehen wurde. Schon in Weimarer Zeiten wurden Ämter, bei denen die Konfession unverzichtbare Eignungsvoraussetzung sein sollte, zu einer Gruppe von Ämtern mit „konfessionell oder religiös orientierte[m] Charakter“157 zusammengefasst. Dazu zählten herkömmlich vor allem Lehrer an (konfessionellen) Volksschulen,158 Theologieprofessoren159 und Anstaltsseelsorger160. Jedenfalls im Ergebnis stand für die seinerzeit ganz herrschende Meinung fest, dass bei diesen Ämtern die Konfession ein verfassungskonformes Kriterium für den Zugang zu den betroffenen Ämtern sei.161 Ganz überwiegend wurde dies nicht mit rechtfertigenden Erwägungen begründet, sondern mit einer tatbestandlichen Ausnahme von Art. 136 Abs. 2 WRV.162 Einen einschlägigen ausdrücklichen Ausnahmetatbestand zu Art. 136 Abs. 2 WRV sucht man in der WRV vergeblich. Kontroverser wurde die Verfassungsmäßigkeit von kirchlich gebundenen Konkordatsprofessuren diskutiert. Zwar wurde auch insoweit die Verfas157  Mirbt,

in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 135, 136 S. 336. BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale; VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (77); Gusy, WRV, S. 323, zur damals vorerst beibehaltenen bayerischen Praxis, bei Lehramtsbewerbern auch außerhalb von bekenntnisgebundenen Schulen die Zugehörigkeit zu einer Kirche als Einstellungskriterium heranzuziehen. 159  Vgl. VerfGH BY, BayVGHE 7 (1954), 41 (48). 160  Vgl. Albrecht, Anstaltsseelsorge, S. 39, wonach amtliche Anstaltsseelsorge für „keiner Rechtfertigung bedürftig gehalten“ (ebd.) wurde. 161  Vgl. Brand, RBG, § 4 S. 40; daran festhaltend BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale; VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (73); Matthey, in: v. Münch, GG2, Art. 33 Rn. 27; MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (Erstbearb.) Rn. 8. Andere Autoren sprachen sich zwar für eine strikte Geltung der Benachteiligungsverbote aus, problematisierten die gleichwohl vorhandene Praxis der konfessionsgebundenen Ämtervergabe aber nicht; vgl. so noch Anschütz, WRV10, Art. 136 Rn. 2; ders., Verf. Preuß., Art. 4 S. 128, der zwar Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern nur im Wege der Verfassungsänderung zulassen will und damit im Ergebnis kollidierendes Verfassungsrecht verlangt, sich aber gleichwohl nicht für die Verfassungswidrigkeit konfessionsgebundener Ämter ausspricht. Vgl. dann aber Anschütz, WRV, Art. 136 Rn. 3: ausgenommen diejenigen Staatsämter, „die mit einer bestimmten Konfession in einem untrennbaren Zusammenhang“ (ebd.) stehen, weil sie den Amtsinhaber verpflichten „seelsorgerisch, lehrend oder sonstwie tätig“ (ebd.) zu sein. 162  Vgl. noch zur WRV VerfGH BY, BayVGHE 7 (1954), 41 (48); aus der frühen Kommentarliteratur zum GG Matthey, in: v. Münch, GG2, Art. 33 Rn. 27, ausdrücklich gegen Rechtfertigung. 158  Vgl.



B. Öffentliches Amt55

sungsmäßigkeit im Ergebnis wohl überwiegend bejaht, die Ausnahme aber teilweise mit kollidierendem Verfassungsrecht gerechtfertigt, weil diese Professuren jedenfalls nicht zu den „konfessionsgebundenen Ämtern im engeren Sinne“163 zählten, für die Art. 136 Abs. 2 WRV nicht anwendbar sei. Andere Autoren stützten die Verfassungsmäßigkeit auch insoweit durch einen bloßen Verweis auf die Konfessionsgebundenheit, die die Unanwendbarkeit von Art. 136 Abs. 2 WRV für Konkordatsprofessuren bedinge.164 Ferner fragt sich, ob politisch gebundene Ämter historisch als öffentliche Ämter im Sinne der besonderen Gleichheitssätze angesehen wurden. Seit der Einführung von politischen Wahlämtern war im Ergebnis unbestritten, dass diese durch freie Wahl besetzt werden dürften.165 Ob die Wahl insoweit als Mittel zur Feststellung der Befähigung von Bewerbern oder als aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts gerechtfertigte Beeinträchtigung der Zugangsgleichheit verstanden wurde, ist nicht ersichtlich. Unabhängig von solchen Wahlämtern wurde etwa im preußischen Beamtengesetz von 1852 die Institution des politischen Beamten verankert, der durch königliche Verfügung jederzeit einstweilig in den Ruhestand versetzt werden konnte.166 Auch insoweit bleibt allerdings unklar, woraus die behauptete Verfassungsmäßigkeit solcher Regelungen167 folgen sollte.168 Jedenfalls gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Positionen nicht als öffentliche Ämter im Sinne der damaligen verfassungsrechtlichen Maßstabsnormen angesehen worden wären. Für einen weiten Amtsbegriff spricht auch das Verhältnis von § 6 S. 1, 2 der Verfassung von Mecklenburg-Schwerin von 1920169, wonach die öffentlichen Ämter (grundsätzlich) allen dazu Befähigten gleich und ohne Einfluss des politischen Bekenntnisses zugänglich waren, zu S. 3 dieser Bestimmung, wonach politische Erwägungen nur (ausnahmsweise) bei der Besetzung politisch leitender Ämter zulässig waren. Wären solche Leitungsämter von 163  VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (74); vgl. ähnlich v. Campenhausen, in: FS Maunz, 1981, S. 27 (33): „Mitwirkungsrecht hier nicht aus der Natur der Sache“. 164  Vgl. Solte, Theologie, S. 227. 165  Mangels eines historischen verfassungsrechtlichen Verbots der Benachteiligung wegen der politischen Anschauungen, wie es heute Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG enthält, sind diesbezügliche Quellen allerdings nicht ersichtlich. 166  Vgl. in der Folge etwa § 25 RBG 1873. 167  Vgl. die Verfassungsmäßigkeit voraussetzend Laband, StaatsR I, § 51 S. 518 f.; kritisch, aber doch für die Zulässigkeit eines Minimums an politischen Beamten Goldberg, Politische Beamte, S. 52 ff. 168  Vgl. Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 274. 169  Verfassung des Freistaats Mecklenburg-Schwerin v. 17.5.1920, abgedruckt bei Ruthenberg, Verfassungsgesetze, S. 143 (144).

56 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

vornherein keine öffentlichen Ämter gewesen, so hätte man auf die Ausnahmebestimmung verzichten können. Festzuhalten bleibt, dass der Ausdruck öffentliches Amt historisch tendenziell weit ausgelegt wurde, aber doch auf staatliche oder mittelbar staatliche Ämter beschränkt blieb oder jedenfalls „öffentliche Berufspflichten“170 ­voraussetzte. Im Hinblick auf religiös und politisch gebundene Ämter wurden die verfassungsrechtlichen Gleichheitssätze überwiegend als unanwendbar angesehen, ohne dass mit der so lautenden Behauptung tragfähige Begründungen beziehungsweise Rechtfertigungskonzepte verbunden gewesen wären.

III. Entstehungsgeschichtliche Auslegung Die Entstehungsgeschichte der Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV ist unübersichtlich, da sich die verfassunggebende Versammlung insbesondere über Regelungsinhalt und -ort der religionsbezogenen Grundgesetzbestimmungen erst nach langen Diskussionen einigen konnte.171 Das Leistungsprinzip gem. Art. 33 Abs. 2 GG wurde auch auf Wunsch der alliierten Militärgouverneure in das Grundgesetz aufgenommen. Die Militärgouverneure hatten gefordert, das Grundgesetz solle in möglichst hohem Grade vorsehen, „daß der öffentliche Dienst unpolitischen Charakters“172 ist. Das könnte für eine Beschränkung des Amtsbegriffes auf die Ämter des öffentlichen Dienstes sprechen. Andererseits folgt aus dem Wunsch der Militärgouverneure hinsichtlich des öffentlichen Dienstes nicht, dass der Begriff des Amtes nicht gleichwohl weiter gefasst sein könnte und der öffentliche Dienst dann lediglich einen Teil der öffentlichen Ämter i. S. d. Art. 33 Abs. 2 GG ausmachen würde. So verdeutlichte der Abgeordnete v. Mangoldt im Parlamentarischen Rat, der Begriff des öffentlichen Amtes solle sowohl Beamte als auch Ehrenbeamte erfassen.173 Dementsprechend ist der Amtsbegriff der besonderen Gleichheitssätze seinem Zweck nach nicht auf hauptamtliche Positionen beschränkt, sondern es kommen auch neben- oder ehrenamtliche Tätigkeiten als öffentliche Ämter in Betracht. Mangoldt / Klein, GG II2, Art. 33 S. 807. noch 2. Kap. E I., F. I. 172  Aide Memoire der Militärgouverneure v. 22.11.1948, auszugsweise abgedruckt in JöR n. F. 1 (1951), 313 f. 173  Vgl. v. Mangoldt, in: ParlRat 5 / I, Nr. 7 S. 117 (135); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 75; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 9; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1814, 1820. 170  v.

171  Siehe



B. Öffentliches Amt

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Soweit ersichtlich, wurde in den Gremien der verfassunggebenden Versammlung über Art. 33 Abs. 3 GG nicht gesondert diskutiert.174 Ebenso wurde Art. 136 WRV mit seinem hier maßgeblichen Abs. 2 erst nachträglich auf Vorschlag des Redaktionsausschusses in die Liste der zu inkorporierenden Artikel aufgenommen, ohne dass eine Diskussion über den Amtsbegriff ersichtlich wäre.

IV. Systematische Auslegung Im Zuge einer systematischen Auslegung175 sind Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV mit Blick auf andere einschlägige Grundgesetzbestimmungen auszulegen. Die Wortfelder Amt, Beamter, öffentlicher Dienst werden im Grundgesetz an unterschiedlichsten Stellen verwendet. Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG ist gegenüber Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV nur um den Zusatz „die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte“ ergänzt und davon abgesehen wortgleich. Auch Art. 33 Abs. 2 GG steht als besonderer Gleichheitssatz in enger inhaltlicher Verbindung zu den beiden zuerst genannten Gleichheitssätzen. In diesen drei besonderen Gleichheitssätzen geht es jeweils um den Zugang zu öffentlichen Ämtern, wobei Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV die Konfession als Zugangskriterium ausschließen, während Art. 33 Abs. 2 GG positiv bestimmte Zugangskriterien festlegt. Die systematische Auslegung spricht also dafür, dass Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV mit öffentlichem Amt jeweils das gleiche meinen.176 Weiterhin verwendet Art. 34 S. 1 GG die Bezeichnung öffentliches Amt im Zusammenhang der Regelung für Pflichtverletzungen in Ausübung eines solchen Amtes. Danach haftet der Staat für alle Amtspflichtverletzungen, die jemand in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt begeht,177 174  Vgl. JöR 1 (1951), 313 f.; v. Mangoldt, GG1, Art. 33 S. 206; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1796 f., m. w. N.; kritisch zu der Bestimmung Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 56: „verunglückt“. s. zur Verbindung von Zugangsgleichheit und Benachteiligungsverboten Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 139; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 167; vgl. Art. 134 Verf. HE, der beide Bestimmungen in einem Satz zusammenfasst. 175  Siehe dazu Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 42, m. w. N. 176  Vgl. Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 43; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 395; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1798. 177  Vgl. Art. 131 Abs. 1 WRV als Vorgängernorm des Art. 34 GG, der aber wiederum seinem Wortlaut nach auf Beamte beschränkt ist; aus der Lit. Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 57; Gurlit, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 34 Rn. 12; Papier, in: MD, GG, Art. 34 (2009) Rn. 121; Feurer, Amtshaftung, S.  12 ff.

58 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

sodass insoweit Beamte ebenso wie Angestellte im öffentlichen Dienst oder Beliehene erfasst sind. Entscheidend ist, ob die Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist.178 Nach der amtshaftungsrechtlichen Definition sollen außerdem Personen in besonderen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnissen wie Parlamentsabgeordnete oder Minister in Ausübung eines öffentlichen Amtes handeln;179 auch das Fehlverhalten einer Institution als solcher soll in Betracht kommen.180 Außerdem sollen nach BGHZ 154, 54 öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften nach Art. 34 GG, § 839 BGB für Amtspflichtverletzungen ihrer Mitarbeiter haften können.181 Obwohl die Gleichheitssätze und die staatshaftungsrechtliche Haftungsüberleitungsnorm den gleichen Ausdruck öffentliches Amt benutzen, unterscheiden sich die Konstellationen doch grundlegend, da im Amtshaftungsrecht ein Bürger dem Staat gegenübersteht und diesen für eine amtspflichtwidrige Ausübung hoheitlicher Befugnisse in Verantwortung nehmen will. Das schützenswerte Interesse der durch die öffentlich-rechtliche Gewalt Geschädigten spricht in diesem Zusammenhang für eine bereichsspezifische Auslegung des Amtsbegriffes. Demgegenüber geht es beim Zugang zu öffentlichen Ämtern um die Besetzung eines Amtes durch eine bestimmte Person, sodass für den gleichheitsrechtlichen Amtsbegriff jedenfalls ein personaler Bezug notwendig ist, was für das Staatshaftungsrecht umstritten ist.182 Dies spricht dafür, dass der Amtsbegriff der Art. 33 Abs. 2, 3, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV nicht mit dem des Art. 34 S. 1 GG identisch ist.183 In Art. 33 Abs. 3, 4, 5, Art. 131 S. 1, Art. 132 Abs. 2, Art. 137 GG ist außerdem vom öffentlichen Dienst die Rede, was freilich ein nicht weniger 178  Vgl.

zuletzt BGH, NVwZ 2012, 381 Rn. 13, m. w. N. BGHZ 78, 41 (44), zu Amtspflichten eines Bundesministers; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 55; Maurer, VerwR AT, § 26 Rn. 13. 180  Vgl. BGHZ 170, 260 ff., zu Amtspflichten der „Justizbehörden“; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 56, zur str. Haftung für legislatives und judikatives Unrecht insbes. ebd. Fn. 180; Maurer, VerwR AT, § 26 Rn. 48 ff., 51 ff. 181  Vgl. BGHZ 154, 54 (57 ff.); Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 56; dagegen Gurlit, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 34 Rn. 12. 182  Vgl. zum „haftungsrechtlichen Beamtenbegriff“ etwa Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 55 f.; Papier, in: MD, GG, Art. 34 (2009) Rn. 104 ff.; ferner v. Danwitz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 34 Rn. 57, der auch für das Amtshaftungsrecht eine „personale Konstruktion“ fordert; ähnlich Gurlit, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 34 Rn. 11. 183  Vgl. Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 20, unter fälschlicher Bezugnahme auf Art. 33 Abs. 1 GG; jedenfalls für die Möglichkeit spezifischer Begriffsbildung Köttgen, in: FS Smend, 1962, S. 119 (119, 134); Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 20; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822 Fn. 739. 179  Vgl.



B. Öffentliches Amt59

problematischer Begriff ist.184 Das Grundgesetz selbst legt nicht fest, wer zum öffentlichen Dienst zählt. Zur Abgrenzung des Begriffes werden eine funktionelle Definition je nach Art der ausgeübten Tätigkeit oder eine formelle Definition nach dem Status dessen, dem man Dienste schuldet, vorgeschlagen.185 Gegen die funktionelle Abgrenzung nach Art der ausgeübten Tätigkeiten spricht die kaum überschaubare Vielfalt staatlicher Aufgaben beziehungsweise Tätigkeiten, die zu massiven Abgrenzungsproblemen führen würde.186 Ebenso schwierig erscheint eine Abgrenzung nach der Definition des Amtes als „Inbegriff staatlicher Geschäfte, die vom betrauten Amtswalter ‚uneigennützig‘ wahrzunehmen sind“187, da erneut offen bleibt, was staatliche Geschäfte sind. Zudem lässt sich fremdnützige, treuhänderische Tätigkeit auch in privatwirtschaftlichen Unternehmen sowie nicht zuletzt in den Religionsgemeinschaften finden, die aber überwiegend zu Recht aus dem Begriff des öffentlichen Amtes i. S. v. Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV ausgeschlossen werden.188 Im Übrigen ist flächendeckende Uneigennützigkeit im öffentlichen Dienst wohl allenfalls verfassungsrechtliches Ideal, nicht aber abgrenzungstaugliche Realität. Ob eine besonders intensive „Sonderbindung“189 zum Staat eine zur Abgrenzung taugliche Voraussetzung des Tatbestandes öffentliches Amt oder vielmehr dessen Folge ist, bleibt ebenfalls fraglich. Der öffentliche Dienst ist daher nach dem Status dessen, dem man Dienste schuldet, zu bestimmen. Erfasst sind im weitesten Sinne alle Tätigkeiten im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, also der öffentlich-rechtlichen Anstalten, Körperschaften und Stiftungen, außer den öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgemeinschaften.190 Um die vielbezu unterschiedlichen Definitionen Stern, StaatsR I2, § 11 S. 340. Stern, StaatsR I2, § 11 S. 338 f. 186  Vgl. Stern, StaatsR I2, § 11 S. 339; trotz zugestandener Definitionsschwierigkeiten für einen solchen Amtsbegriff Depenheuer, in: HStR III, § 36 Rn. 26, 44. 187  Loschelder, Sonderbindung, S. 279; vgl. v. Arnim u. a., Korruption, S. 15; Kirchhof, in: HStR V, § 99 Rn. 94, 96; Landau / Steinkühler, DVBl. 2007, 133 (138), die ein besonderes Amtsethos als wesentliche Voraussetzung des Berufsbeamtentums ansehen. 188  Siehe dazu sogleich; vgl. dagegen Stern, StaatsR IV / 2, § 118 S. 1051 f., der Dienstverhältnisse der korporierten Religionsgemeinschaften „tendenziell“ (ebd.) unter den Oberbegriff des öffentlichen Dienstes fassen will. 189  Loschelder, Sonderbindung, S. 230 ff., 354, freilich gegen ein besonderes Gewaltverhältnis. 190  Vgl. BVerfGE 6, 257 (267); BVerwGE 30, 81 (87 f.); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 50; Lecheler, in: HStR V, § 110 Rn. 2; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 71; Stern, StaatsR I2, § 11 S. 340. 184  Vgl. 185  Vgl.

60 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

schworene „Flucht ins Privatrecht“191 zu verhindern, gehören außerdem diejenigen Arbeitnehmer zum öffentlichen Dienst, deren Arbeitgeber zwar eine privatrechtliche Organisationsform hat, der aber unter beherrschendem Einfluss der öffentlichen Hand steht und deswegen grundrechtsgebunden ist.192 Dies gilt zumal dann, wenn ein solches Unternehmen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllt und daher lediglich eine besondere Erscheinungsform öffentlicher Verwaltung im funktionellen Sinne darstellt. Nicht zum öffentlichen Dienst zählen hingegen Parlamentsabgeordnete, da sie gem. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ihr Mandat frei ausüben und zu keinerlei Dienst verpflichtet sind.193 Allerdings lässt die Verwendung unterschiedlicher Begriffe (öffentliches Amt, öffentlicher Dienst) vermuten, dass unterschiedliche Inhalte gemeint sind. So üben zwar wohl alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes ein öffentliches Amt aus, doch ist der Kreis der Inhaber eines öffentlichen Amtes nicht auf die Angehörigen des öffentlichen Dienstes beschränkt.194 Art. 36 Abs. 1 S. 1, Art. 60 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 27, Art. 85 Abs. 2 S. 2, Art. 108 Abs. 2 S. 2, Art. 132 Abs. 1 S. 1, Art. 137 Abs. 1, Art. 143a Abs. 1 S. 3, Art. 143b Abs. 3 S. 1 GG erwähnen die (Bundes-)Beamten in unterschiedlichen Kontexten. Zum Teil werden diese ausdrücklich von An191  Maurer, VerwR AT, § 3 Rn. 26 f., m. w. N.; vgl. ähnlich Wendt, in: HGR V, § 127 Rn. 73; s. ferner zuletzt BVerfGE 130, 76 (111 ff.) – Maßregelvollzug. 192  Vgl. Schenke, in: FS Stober, 2008, S. 221 (222); auf Grundrechtsbindung abstellend wohl auch Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1819; allein auf die Natur der wahrgenommenen Aufgaben abstellend Hense, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 33 Rn. 9; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 29; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 26 f.; Werres, Beamtenverfassungsrecht, Rn. 132. In diesem Zusammenhang ist insbesondere an ehemals staatliche, privatisierte Unternehmen zu denken; vgl. zur Grundrechtsfähigkeit solcher Unternehmen BVerfG (K), NJW 1990, 1783 (1783); NVwZ 2009, 1282 (1283); zuletzt für Grundrechtsbindung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens unter beherrschendem Einfluss der öffentlichen Hand BVerfGE 128, 226 (244 ff.) – Fraport; im Überblick Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 110 ff. Hingegen soll die Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst selbst für Beamte entfallen, wenn die Betroffenen keine hoheitliche Aufgabe mehr erfüllen, so OLG Hamburg, ArchivPT 1995, 217 (219); dagegen Kämmerer, Privatisierung, S. 338; ähnlich Köttgen, in: FS Smend, 1962, S. 119 (134 f.). 193  Vgl. Stern, StaatsR I2, § 11 S. 340, § 24 S. 1069 ff.; Isensee, in: HdbVerfR, § 32 Rn. 2; zur Unterscheidung zwischen Amt und Mandat Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16. 194  Vgl. Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 23; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 74, 88; wohl anders BGH, NJW 1993, 2536 (2536), gegen die Einbeziehung von Notaren ausdrücklich mangels Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 20; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 17.



B. Öffentliches Amt61

gestellten im öffentlichen Dienst195 oder sonstigen bei Bundesbehörden beschäftigten Personen196 unterschieden; in Art. 132 Abs. 1 S. 1 GG werden Beamte von Richtern abgegrenzt, in Art. 137 Abs. 1 GG zusätzlich von Soldaten. Dass das Grundgesetz also sehr wohl an besagten Stellen zwischen Beamten und anderen Mitarbeitern im öffentlichen Dienst unterscheidet, in den besonderen Gleichheitssätzen hingegen allgemein von öffentlichen Ämtern spricht, deutet darauf hin, dass die Gleichheitssätze jedenfalls den gesamten öffentlichen Dienst einbeziehen.197 Ihr Anwendungsbereich ist danach nicht etwa auf die Zulassung zu Beamtenpositionen beschränkt. Daher ist etwa auch die Besetzung von Richterstellen einzubeziehen, selbst wenn Art. 92, 95 Abs. 2, Art. 97 Abs. 1 GG für diese Berufsgruppe manche Sonderregelungen aufstellen.198 Soldaten der Bundeswehr sind zwar keine Beamten i. S. v. § 1 BBG, doch stehen sie in einem Wehrdienstverhältnis199 zum Bund, aufgrund dessen sie zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben i. S. d. SoldG eingesetzt werden, sodass sie ebenfalls ein öffentliches Amt ausüben.200 Allerdings sprechen systematische Argumente nicht für eine grenzenlose Weite des Amtsbegriffes: Gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG gewährleisten Art. 33 Abs. 2, 3 GG verfassungsbeschwerdefähige, grundrechtsgleiche201 Rechte. Als solche binden sie entsprechend Art. 1 Abs. 3 GG alle staatliche Gewalt, also Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung. Im 195  Art. 85

Abs. 2 S. 2, Art. 137 Abs. 1 GG. Abs. 1 S. 2 GG. 197  Vgl. OVG BBbg, LKV 2010, 85 (85); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 75, 78; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 20; Trute, in: AKGG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 19, 23. 198  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 111; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 20; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 23; speziell für die Einbeziehung von Landesrichtern in den Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG: BVerwGE 138, 102 Rn. 16 ff.; OVG HH, NordÖR 2013, 21; OVG SN, Sächs­ VBl. 2013, 190; BayVGH, BayVBl 2013, 335. Aus § 839 Abs. 2 S. 1 BGB lässt sich zudem ableiten, dass im Sinne dieser Norm auch Richter haftungsrechtlich Beamte sein können, s. dazu Maurer, VerwR AT, § 26 Rn. 49. Vgl. prinzipiell ebenfalls für ein umfassendes Amtsverständnis Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 24; Jach­ mann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 15. 199  Vgl. Battis, BBG, § 1 Rn. 22; auch Art. 17a GG. 200  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 81; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 20; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 23; Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 24; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 17. 201  Siehe zudem zum grundrechtsähnlichen Charakter von Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV etwa Sachs, in: Stern, StaatsR III / 1, § 63 S. 374 f.; ähnlich Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 Rn. 3; ferner Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 207: „Grundrechtsgehalt“; zurückhaltend Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 140 Rn. 2: „sonstige verfassungsmäßige Rechte“. 196  Art. 36

62 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Hinblick auf diese Staatsfunktionen schreibt Art. 1 Abs. 3 GG eine lückenlose Grundrechtsbindung vor, enthält damit aber zugleich auch einen negativ-ausgrenzenden Norminhalt, wonach die Grundrechte im Verhältnis der Privatrechtssubjekte untereinander nicht unmittelbar gelten.202 Daraus lässt sich ableiten, dass auch Art. 33 Abs. 2, 3 GG nur die Ämter von mindestens partiell203 Grundrechtsgebundenen meint, sodass etwa die uneigennützige Aufgabenerfüllung in privatwirtschaftlichen Unternehmensbürokratien204 nicht erfasst ist. Dass allein die Exekutive Verpflichtungsadressat der für die Vergabe öffentlicher Ämter einschlägigen Gleichheitssätze sei, lässt sich hingegen nicht am Grundgesetz belegen.205 Weiterhin machen die kollektive Komponente der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG sowie das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgesellschaften gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV verfassungsrechtlich deutlich, dass Religionsgesellschaften grundsätzlich nicht Adressaten des grundrechtlichen Pflichtenprogramms sind, soweit sie nicht ausnahmsweise wie hoheitlich Beliehene handeln.206 Eine Grundrechtsbindung der Religionsgesellschaften, die nicht Teil des Staates, sondern der Gesellschaft sind, würde die Freiheitsrechte in einen Pflichtenkatalog umdeuten und die Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft einebnen, die eine Grundvoraussetzung für eine verfassungsgemäße Wirkung der Grundrechtsgarantien bildet.207 Auch aus dem Status einer Religionsgesellschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV ergibt sich keine Grundrechtsbindung der Religionsgesellschaften; die Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 111. partiell Grundrechtsgebundene sind insbesondere Universitäten und Rundfunkanstalten erfasst, die sich zugleich gem. Art. 19 Abs. 3 GG auf einzelne Grundrechte berufen können, s. noch 4. Kap. C. VI. 4., 5.; zu öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften s. sogleich. 204  Vgl. dazu Loschelder, Sonderbindung, S. 248. 205  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1819 f.; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 74: „jede vom Staat selbst oder einem Träger der mittelbaren Staatsverwaltung vergebene […] öffentliche Position“; daran anschließend Ma­ sing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 41: Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 9, explizit für „gewählte Richter“; anders aber: OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496); Dietrich, Richterwahlausschüsse, S. 163; s. auch Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 20: jedes „Amt, das von einem Träger öffentlicher Verwaltung […] vergeben wird“, der allerdings nicht darauf eingeht, ob und in welchem Fällen etwa Legislativorgane Träger öffentlicher Verwaltung sind. 206  Vgl. Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 109 f.; Kempen, in: HGR II, § 54 Rn. 79 ff.; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2011) Rn. 76; allgemein zum Selbstbestimmungsrecht zuletzt BVerwGE 144, 171 Rn. 16 ff. 207  Vgl. Heckel, Gleichheit, S. 15, 17; für die Grundrechtsberechtigung der Religionsgemeinschaften wg. eines Erst-Recht-Schlusses aus Art. 9 GG Herzog, in: MD, GG, Art. 4 (1988) Rn. 40. 202  Vgl. 203  Als



B. Öffentliches Amt63

öffentlich-rechtliche Korporationsqualität ist eine Rechtsfigur sui generis, die sich von öffentlich-rechtlichen Organisationsformen im Übrigen un­ terscheidet:208 Den öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgesellschaften wird grundsätzlich keine staatliche Hoheitsgewalt übertragen, und sie sind nicht umfassend in den weltlichen Staat eingebunden. Grundrechtsgebunden sind Religionsgesellschaften nur ausnahmsweise, soweit sie kraft staatlicher Delegation Hoheitsgewalt ausüben, nicht hingegen bei der Vergabe ihrer Ämter.209 Dementsprechend können die Kirchen ihren kirchlichen Dienst aufgrund der Grundsätze der Vertragsfreiheit und des Selbstbestimmungsrechts grundsätzlich nach ihrem Selbstverständnis ordnen.210 Auch die vom 208  Vgl. Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 109; zum Körperschaftsstatus Mikat, in: Bettermann u. a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (158 ff.). Danach sind Körperschaften des öffentlichen Rechts „die dem Staat organisch eingegliederten Verbände zur Erfüllung von öffentlichen Aufgaben im Interesse des Staates, deshalb von ihm mit bestimmten Hoheitsrechten ausgestattet, aber auch aus dem gleichen Grunde meist einer besonderen gesteigerten Staatsaufsicht unterstellt“ (S. 160 f.). Mangels Eingliederung in den Staatsorganismus seien die Kirchen keine öffentlichen Körperschaften im engeren Sinne, so Mikat. BVerfGE 18, 385 (387) – Teilung einer Kirchengemeinde, unterscheidet zwischen öffentlicher und staatlicher Gewalt, um die religiösen Körperschaften des öffentlichen Rechts zu charakterisieren; gleichwohl hält OVG NW, DVBl. 2012, 1585 (1587), Religionsgesellschaften bei der Begründung von (öffentlichrechtlichen) Kirchenbeamtenverhältnissen für unmittelbar grundrechtsgebunden. 209  Vgl. BVerfGE 18, 385 (387) – Teilung einer Kirchengemeinde; 30, 415 (422) – Kirchenmitgliedschaft; BVerfGK 14, 485 (487); Heckel, Gleichheit, S. 18, mit weiteren Ausnahmen. 210  Vgl. grundlegend BVerfGE 70, 138 (164, 167) – Loyalitätspflicht, wo es konkret um kirchliche Ämter ging, was aber auf nicht-kirchliche Religionsgesellschaften zu übertragen ist; ferner BVerfG, NJW 1980, 1041 (1041); BVerfGK 14, 485 (486 f.); BVerwGE 25, 226 (230); BAG, NJW 1990, 2082 (2083); NZA 2000, 208 (213); VG Oldenburg, KirchE 46, 101 (107); Dill, ZRP 2003, 318 (319); Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (357); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1398; zusammenfassend etwa LAG RP, KirchE 51, 91, wonach die Religionsgemeinschaften ihre Ämter gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV ohne Mitwirkung des Staates und der bürgerlichen Gemeinde verleihen. Damit erkenne der Staat die Kirchen als Institutionen mit dem Recht zur Selbstbestimmung an, die ihrem Wesen nach unabhängig vom Staat seien und ihre Gewalt nicht vom ihm herleiteten. Infolge der öffentlichen Rechtsstellung und der öffentlichen Wirksamkeit der Kirchen, die sich aus ihrem besonderen Auftrag ergebe und durch die sie sich von anderen gesellschaftlichen Gebilden grundsätzlich unterschieden, sei kirchliche Gewalt zur öffentlichen, nicht aber zur staatlichen Gewalt zu rechnen. Werde eine Kirche nur im innerkirchlichen Bereich tätig, liege kein Akt öffentlicher Gewalt vor; vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 40 Rn. 39; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 40 Rn. 92; Solte, in: HStKR I, § 18 S. 561 ff.; neuerdings für Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs für Streitigkeiten um Beendigung eines Kirchenbeamtenverhältnisses aber OVG NW, DVBl. 2012, 1585 (1585 f.), mit Nachweisen zur a. A. Bedienen sich die Religionsgemeinschaften zur Erfüllung ihrer Aufgaben der Gestaltungsfreiheit des staatlichen Rechts – etwa durch den Abschluss von Arbeitsverträgen –, so haben sie allerdings das für alle geltende

64 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

BGH angenommene Erstreckung der Art. 34 GG, § 839 BGB auf öffentlichrechtliche Religionsgesellschaften kann daher nicht überzeugen.211 Ämter der Religionsgesellschaften sind in Anbetracht dieser systematischen Erwägungen keine öffentlichen Ämter i. S. d. Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV.212 Vielmehr gewährleistet Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV den Religionsgesellschaften ausdrücklich das Recht, ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates zu verleihen. Anders verhält es sich mit den konfessionsabhängigen Zulassung zu Ämtern des Staates: Die systematische Auslegung liefert keine Argumente dafür, staatliche Religionslehrer, Lehrer staatlicher Konfessionsschulen, Theologieprofessoren oder Anstaltsseelsorger generell aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Ämter auszuklammern.213 Für die Besetzung einiger anderer Positionen enthält das Grundgesetz Sonderregelungen, so etwa für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG),214 den Bundespräsidenten (Art. 54 Abs. 1 Gesetz zu beachten. Gleichwohl ist den Religionsgemeinschaften auch im Rahmen des staatlichen Arbeitsrechtes zuzugestehen, von ihren im verkündigungsnahen Bereich eingesetzten Arbeitnehmern die Einhaltung ihrer wesentlichen Lehren zu verlangen; vgl. wohl zu restriktiv zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht im Hinblick auf Professoren katholischer Universitäten EGMR, NVwZ 2011, 153; zur Beschäftigung eines wiederverheirateten Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus BAG, NJW 2012, 1099 Rn. 40 ff.; zum sogenannten Dritten Weg im kollektiven Arbeitsrecht BAG, NZA 2013, 448; zur Kündigung wegen Kirchenaustritts eines Caritas-Mitarbeiters BAG, NJW 2014, 104. 211  Vgl. BGHZ 154, 54 (57 ff.); kritisch Feurer, Amtshaftung, S. 391 ff.; Gurlit, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 34 Rn. 12; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 109 Fn. 405. 212  BVerfGK 14, 485 (486 ff.); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 23; Bat­ tis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 25; v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 66; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 113; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 22; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1821 f.; historisch v. Man­ goldt, GG1, Art. 33 S. 210; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 27; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 32; Wagner, Bestenauslese, S. 21. Vgl. ferner Feurer, Amtshaftung, S. 477 et pass., der grds. auch für den Bereich des Amtshaftungsrechts zwischen kirchlichen und staatlichen Ämtern unterscheidet. Bis 1945 war diese Frage durchaus umstritten. Noch Anschütz, WRV10, Art. 128 Anm. 7, geht davon aus, dass der Begriff des Amtes im öffentlich-rechtlichen Sinne durchaus auf die Ämter der Kirchen zutreffe und Geistliche als „öffentliche Beamte“ (ebd.) bezeichnet werden könnten; gleichwohl lehnt er die Anwendbarkeit von Art. 128 WRV auf Ämter der Kirchen wegen deren Selbstbestimmungsrechts im Ergebnis zu Recht ab. s. auch Stern, StaatsR I2, § 11 S. 337, der den Kirchendienst – jedenfalls eingeschränkt – zum öffentlichen Dienst zählt, dagegen ebd., S. 339. 213  So aber Solte, Theologie, S. 133: Anknüpfungsverbot kann „nur für den Typus des staatlichen Amtes ohne kirchlichen Bezug Geltung beanspruchen“. 214  Ob Bundestagsabgeordnete ein öffentliches Amt i.  S. d. Art. 33 Abs. 2 GG ausüben, hat das BVerfG in einigen Entscheidungen offen gelassen; vgl. BVerfGE



B. Öffentliches Amt65

GG),215 den Bundeskanzler (Art. 63 Abs. 1 GG),216 die Richter des Bundesverfassungsgerichts (Art. 94 Abs. 1 GG) oder Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes (Art. 95 Abs. 2 GG). Ausdrücklich werden diese Positionen nicht aus dem Anwendungsbereich der Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV ausgeschlossen.217 Ob einzelne Positionen gleichwohl wegen grundgesetzlicher Spezialvorschriften auszuschließen sind, weil die allgemeinen Bestimmungen über die Vergabe öffentlicher Ämter insoweit nicht passen, ist unten im Hinblick auf Begrenzungen der besonderen Gleichheitssätze für einzelne Ämter zu prüfen. Hingegen ist die Gruppe der sogenannten politischen Beamten im Grundgesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Folglich spricht die systematische Auslegung im Hinblick auf diese Positionen erst Recht dafür, die besonderen Gleichheitssätze für die Vergabe diese Ämter prinzipiell für anwendbar zu halten. Begrenzungen der Gleichheitssätze wären insoweit ämterspezifisch festzustellen. Überdies ist zu beachten, dass das Interesse eines Be6, 376 (384 f.) – Wahlperiodenverkürzung: „Es kann dahingestellt bleiben, ob zu den Ämtern im Sinne der [Art. 33] Abs. 2 und 3 auch die Mitgliedschaft in einer aus allgemeinen Wahlen hervorgehenden Vertretung des Volkes (Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG) gehört“; ebenso BVerfGE 6, 445 (448) – Mandatsverlust; s. aber auch BVerfGE 32, 157 (166) – Stichtagregelung; 40, 296 (314) – Diätenurteil; 76, 256 (341) – Doppelversorgung, wo Abgeordnete ausdrücklich als Inhaber eines öffentlichen Amtes bezeichnet werden – freilich in anderem Kontext ohne Bezugnahme auf Art. 33 Abs. 2 GG; daran anknüpfend Epping, DÖV 1999, 529 (531 ff.). Für die Charakterisierung von Parlamentsmandaten als öffentliche Ämter i. S. der grundgesetzlichen Gleichheitssätze spricht, dass Parlamentsabgeordnete als natürliche Personen für eine Wahlperiode und folglich für gewisse Dauer für den Bund beziehungsweise ein Land als Teil der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt i. S. v. Art. 1 Abs. 3 GG zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben tätig werden. Diese These wird bestätigt durch den üblichen Sprachgebrauch, in dem Abgeordnete als Inhaber eines öffentlichen Amtes angesehen werden. Zwar in anderem Kontext, aber ohne deutliche Abgrenzung gehen im Übrigen sowohl der Verfassunggeber als auch der einfache Gesetzgeber davon aus, dass Parlamentsabgeordnete ein (öffentliches) Amt ausüben, wenn in Art. 48 Abs. 2 GG vom Amt eines Abgeordneten oder in § 12 Abs. 1 AbgG von einer Amtsausstattung des Abgeordneten die Rede ist; vgl. Depenheuer, HStR, § 36 Rn. 16, 22; Klein, HStR III, § 51 Rn. 1; Köttgen, in: FS Smend, 1962, S. 119 (138 f.); zum unpräzisen Gesetzeswortlaut schon Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 252. 215  Siehe aber Art. 54 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1 GG: „Amtszeit“, Art. 55 Abs. 2: kein „anderes […] Amt“, Art. 56 S. 1 GG: „Amtseid“, wo das Grundgesetz in Bezug auf den Bundespräsidenten ausdrücklich den Begriff Amt verwendet; ferner historisch für die Beamteneigenschaft des Reichspräsidenten Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 252. 216  Das Grundgesetz verwendet in Bezug auf den Bundeskanzler teilweise ausdrücklich den Begriff Amt, was für eine Bindung des Zugangs an die besonderen Gleichheitssätze sprechen könnte; vgl. etwa Art. 69 Abs. 2 GG; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822 Fn. 744. 217  Zu den Folgen der Ausgestaltung eines Amtes als Wahlamt s. noch 4. Kap. B.

66 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

werbers an einer merkmalsunabhängigen Vergabeentscheidung subsidiär über Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG geschützt sein dürfte, wenn man Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV für die anschauungsgebundene Vergabe einzelner Positionen mangels Vorliegen eines öffentlichen Amtes tatbestandlich für nicht einschlägig hielte. Als Ergebnis der systematischen Auslegung bleibt also festzuhalten, dass der Begriff des öffentlichen Amtes in Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV mit identischer Bedeutung verwendet wird. Die äußerste Grenze dieses Amtsbegriffes markiert die Grundrechtsbindung desjenigen, der das Amt verleiht. Wer nicht (partiell) grundrechtsgebunden ist, kann jedenfalls kein öffentliches Amt i. S. dieser Normen verleihen. Noch weitergehend Ämter aus dem Anwendungsbereich der amtsbezogenen besonderen Gleichheitssätze auszuschließen, ist dagegen systematisch nicht zwingend. Insoweit bleibt allenfalls Raum für quasi-tatbestandliche oder quasi-vorbehaltliche Begrenzungen.218

V. Teleologische Auslegung Weiterhin ist nach Sinn und Zweck von Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV und daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für den Amtsbegriff in diesem Kontext zu fragen.219 Öffentliche Ämter dienen dem Staat zur Wahrnehmung seiner öffentlichen Aufgaben.220 Dementsprechend werden öffentliche Ämter den Amtsinhabern nicht in deren Eigeninteresse anvertraut, sondern zur treuhänderischen, rechtmäßigen Erfüllung der übertragenen Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit.221 Die einschlägigen besonderen Gleichheitssätze sollen politische Ämterpatronage und den lange Zeit weit verbreiteten religiösen Konfessionsproporz222 bei der Vergabe öffentlicher Ämter verhindern.223 Der grundgesetzlich konstituierte demokratische Rechtsstaat hat ein Interesse daran, die von ihm zu vergebenden Positionen mit möglichst optimal geeigneten Personen zu besetzen, um von diesen bestmöglich repräsentiert zu werden und durch 218  Siehe

zu diesen Kategorien und ihrer Abgrenzung noch 2. Kap. D. III. Auslegung nach dem Telos s. Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 43, m. w. N. 220  Vgl. Depenheuer, in: HStR III, § 36 Rn. 26; zum Kreis der staatlich wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben zuletzt BVerfGE 130, 76 – Maßregelvollzug. 221  Vgl. Depenheuer, in: HStR III, § 36 Rn. 29 f. 222  Vgl. Brand, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 128–131, Rn. 5. 223  Vgl. OVG Berlin, NVwZ 1996, 500 (500); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 42 f.; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 396; Pieper, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 66. 219  Zur



B. Öffentliches Amt

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diese bestmöglich handeln zu können.224 Ein Staatsapparat, der von staatlicher Seite nicht gezielt konfessionell oder politisch gebunden ist, ist ein wesentlicher Faktor, um das Recht der Bürger auf eine dem Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG entsprechende Staatstätigkeit zu gewährleisten. Insbesondere ließe sich im Hinblick auf die Beamten das Lebenszeitprinzip als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG,225 das gerade die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Beamten fördern soll, nicht rechtfertigen, wenn schon bei der Besetzung der Beamtenstellen gegen das Neutralitätsprinzip verstoßen würde.226 Zudem sind mit staatlichen Ämtern in der Regel wie auch immer geartete Vorteile wie der Alimentationsanspruch, Treuerechte oder unter Umständen gesellschaftliche Anerkennung verbunden, die allen Bürgern gleichermaßen, prinzipiell unabhängig von ihrer Konfession und ihrer politischen Anschauung zur Verfügung stehen sollen. Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV dienen also dem Schutz der grundrechtsberechtigten Bürger vor konfessioneller oder politischer Benachteiligung durch staatliche Amtsträger sowie dem verfassungsrechtlich anerkannten Interesse der Allgemeinheit an leistungsfähigen und qualifizierten Inhabern öffentlicher Ämter. Diese teleologischen Argumente sprechen für eine weite Auslegung des Amtsbegriffes, der alle Positionen erfasst, in denen eine natürliche Person für eine gewisse Dauer für den grundrechtsgebundenen Staat auf der Ebene von Bund, Ländern und Gemeinden tätig wird. Dieser Amtsbegriff ist im Grundsatz nicht auf Ämter der Exekutive oder der Judikative beschränkt, sondern lässt sich auf besondere öffentlich-rechtliche Amtsverhältnisse ohne Beamtenstatus übertragen und schließt daher auch Parlamentsabgeordnete, Regierungsämter sowie andere öffentlich-rechtliche Amtsverhältnisse ein.227 Freilich ist zugleich nicht ausgeschlossen, dass die amtsbezogenen Gleichheitssätze dennoch kraft grundgesetzlicher Anordnung für bestimmte Positionen durchbrochen werden. 224  Vgl. Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 23; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 74; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 16; Ma­ sing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 41. Vgl. zur verfassungsrechtlichen Grundlage des Rechtsstaatsprinzip etwa Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 75; BVerfGE 132, 372 Rn. 62 – Selbsttitulierungsrecht, verweist zuletzt allein auf Art. 20 Abs. 3 GG; s. ferner insbesondere Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG. 225  Vgl. zum Lebenszeitprinzip BVerfGE 121, 205 (209, 220 f.) – Leitungsamt auf Zeit; BVerwGE 140, 342 Rn. 31; 142, 59 Rn. 16; Herrmann, NJW 2011, 653 (654). 226  Vgl. Battis, BBG, § 60 Rn. 8; Isensee, in: FG BVerwG, 1978, S. 337 (341); dagegen kritisch zum Argument der Amtsdauer Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16. 227  Vgl. Frenzel, ZBR 2008, 243 (251); Köttgen, in: FS Smend, 1962, S. 119 (138 f.); grds. anders Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 20.

68 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

VI. Ergebnis zu B. Die grammatikalische Auslegung lässt kaum Einschränkungen des Begriffs des öffentlichen Amtes zu. Erfasst sein könnten danach alle Positionen mit wie auch immer gearteter Öffentlichkeitsrelevanz. Historisch wurde der Begriff des öffentlichen Amtes ebenfalls weit ausgelegt, allerdings beschränkt auf staatliche oder mittelbar staatliche Ämter oder auf solche Ämter, die jedenfalls durch „öffentliche Berufspflichten“228 konstituiert waren. Den größten Ertrag zur Bestimmung des Begriffs des öffentlichen Amtes liefert die systematische Auslegung. Danach ist der Begriffsinhalt in Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV eigenständig etwa gegenüber dem Amtsbegriff in Art. 34 S. 1 GG. In Anlehnung an die dargestellten Definitionen des öffentlichen Dienstes verwendet diese Arbeit eine formelle Definition des Begriffs des öffentlichen Amtes. Danach wird der Begriff weit ausgelegt und umfasst grundsätzlich alle Positionen der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt i. S. v. Art. 1 Abs. 3 GG, in denen natürliche Personen für eine gewisse Dauer tätig werden mit dem Auftrag, uneigennützig229 öffentliche Aufgaben zu erfüllen.230 Letzteres beschreibt den grundgesetzlichen Anspruch an die Inhaber öffentlicher Ämter; ob der jeweilige Amtsträger dem gerecht wird, entscheidet nicht über die Qualifikation seiner Beschäftigung als öffentliches Amt.231 Nach dieser Definition haben die Beamten ebenso wie die Angestellten von Bund und Ländern sowie der öffentlich-rechtlichen Anstalten und Körperschaften ein öffentliches Amt inne. Hauptamtliche Amtsträger sind ebenso erfasst wie neben- oder ehrenamtlich Tätige.232 Aus dem Kontext der vorliegenden Arbeit gehören dazu Religionslehrer und sonstige Lehrer an staatlichen Schulen, Theologieprofessoren an öffentlichen Universitäten, sogenannte Konkordatsprofessoren sowie Anstaltsseelsorger mit Beamtenoder Anstellungsverhältnis zum Staat ebenso wie die Mitglieder der VerfasMangoldt / Klein, GG2, Art. 33 S. 807. Verständnis von Uneigennützigkeit steht nicht entgegen, dass Inhaber öffentlicher Ämter überwiegend gleichwohl einen Alimentations- oder Lohnanspruch haben und insoweit mit Erwerbsabsicht handeln mögen. In Ausübung ihres Amtes sollen Amtsinhaber gleichwohl uneigennützig handeln, mag das äußere Motiv für die Amtsausübung auch teilweise eigennützig sein. 230  Vgl. für einen ähnlich weiten Amtsbegriff v. Arnim u. a., Korruption, S. 14 ff.; Isensee, ZBR 2004, 3 (4 ff.); Kirchhof, in: HStR V, § 99 Rn. 94; Werres, Beamtenverfassungsrecht, Rn. 131 f.; Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 23, zur Ausübung öffentlicher Gewalt als Tatbestandsvoraussetzung. 231  Vgl. Isensee, ZBR 2004, 3 (5). 232  Vgl. Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 24; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 17 f.; zur Erstreckung auf den Zugang zu einer Ausbildung BVerwGE 144, 186 Rn. 18. 228  v.

229  Diesem



B. Öffentliches Amt69

sungsorgane, Richter,233 politische Beamte234 und Soldaten, kommunale Wahlbeamte235 sowie die Inhaber anderer Positionen, die vom Staat unter Berücksichtigung politischer Anschauungen ausgewählt werden. Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang die Beschränkung auf Ämter der grundrechtsgebundenen deutschen Staatsgewalt. Demgegenüber sind Religionsgemeinschaften in Deutschland – gegebenenfalls trotz ihres Status als öffentlich-rechtliche Körperschaften – grundsätzlich nicht grundrechtsgebunden, sondern grundrechtsberechtigt und durch das Selbstverwaltungsrecht gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV geschützt. Ihre Ämter sind daher nicht Thema dieser Arbeit. Ebenso wenig geht es in dieser Arbeit um religiöse Differenzierungen bei der Begründung von Dienstverhältnissen mit grundrechtsberechtigten, privaten Arbeitgebern.236 Art. 33 Abs. 2, Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV setzen als Amtsinhaber eine natürliche Person voraus. Das belegt unter anderem der enge inhaltliche Zusammenhang dieser Vorschriften zu Art. 33 Abs. 5 GG, der sich auf das Recht der Beamten und des öffentlichen Dienstes bezieht und damit ebenfalls Rechtsverhältnisse zu natürlichen Personen meint. Daher ist die Erstreckung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Ämter auf Beliehene jedenfalls dann abzulehnen, wenn juristische Personen beliehen werden sollen.237 Die Vergabeentscheidung für öffentliche Aufträge im Zusammenhang mit einer Beleihung dürfte zwar ebenfalls an 233  Vgl. BVerwGE 138, 102 Rn. 18 ff.; insoweit auch VGH BW, NJW 1996, 2525 (2525); Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 20; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 23; Wagner, Bestenauslese, S. 111. 234  Vgl. dafür BVerwGE 128, 329 Rn. 45; Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 7: „uneingeschränkt“; Franz, DÖV 2009, 1141 (1141); speziell zu Parlamentsdirektoren: OVG Bremen, NordÖR 2009, 364 (Juris: Rn. 33); VG Bremen, Beschl. v. 10.1.2013 – 6 V 893 / 12 – Juris; vorausgesetzt wird die Geltung von Art. 33 Abs. 2 GG auch von BVerwGE 115, 89 (92). 235  Vgl. Birkenfeld-Pfeiffer, DÖV 1992, 813 (815); ferner BVerfG, NVwZ 2013, 1540 Rn. 22, wo Anforderungen an den Zugang zu den Ämtern berufsmäßiger Bürgermeister und Landräte über Art. 33 Abs. 2 GG gerechtfertigt werden; dagegen Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 112; wohl auch Kunig, in: v. Münch /  Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; unklar Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 25 („eingeschränkt“); m. w. N. auch zur a. A. 236  Vgl. § 7 i. V. m. § 1 AGG; zur Begrenzung des Schweigerechts gem. Art. 136 Abs. 3 WRV auf Kommunikation mit staatlichen Stellen Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1315. 237  Vgl. ebenso Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 25, zu beliehenen Unternehmern; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 9; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 26; dagegen allgemein für die Einbeziehung Beliehener: Ba­ dura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 23; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 104; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 42; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1821.

70 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

die Kriterien der Bestenauslese unter Ausschluss religiöser und politischer Anschauungen gebunden sein, doch ergibt sich dies insoweit aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG.

C. Reichweite der Verfassungsbindung im Hinblick auf öffentliche Ämter der Länder Es fragt sich, inwiefern die bundesverfassungsrechtlichen Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter für Ämter der Länder gelten. Dabei ist zu differenzieren zwischen einer Bindung der Bundesstaatsgewalt im Hinblick auf (bundesgesetzliche) Vorgaben für Ämter der Länder, einer Bindung der Landesstaatsgewalt im Allgemeinen und einer Bindung der Landesverfassunggeber.

I. Grundrechtsbindung der Bundesstaatsgewalt Die Grundrechtsbindung der Bundesstaatsgewalt gem. Art. 1 Abs. 3 GG gilt umfassend auch im Hinblick auf Regelungen, die die Vergabe öffentlicher Ämter der Länder betreffen. Insbesondere bei der Ausgestaltung des BeamtStG oder anderer allgemeiner bundesrechtlicher Vorgaben für das öffentliche Dienstrecht ist der Bundesgesetzgeber an die grundgesetzlichen Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter gebunden.

II. Grundrechtsbindung der Landesstaatsgewalt im Allgemeinen Ausgangspunkt für die Frage nach der Grundrechtsbindung der Landesstaatsgewalt im Allgemeinen ist ebenfalls Art. 1 Abs. 3 GG. Aus der Perspektive der Grundrechtsberechtigten formuliert, bezweckt Art. 1 Abs. 3 GG eine lückenlose, umfassende Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalt, vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG. Diese umfassende Grundrechtsbindung gilt auch für die staatliche Gewalt der Länder.238 Das Verhältnis des Einzelnen zur Landesstaatsgewalt ist an den bundesverfassungsrechtlichen Grundrechten zu messen.239 Insbesondere binden die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes, soweit sie einschlägig sind, die Landesstaatsgewalt daher bei der Vergabe ihrer öffentlichen Ämter. 238  Vgl. BVerfGE 97, 298 (314 f.) – Private Rundfunkanbieter; 103, 332 (347 f.) – Landesnaturschutzgesetz SH; BVerfGK 8, 169 (171); Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 35; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 83 ff., 85. 239  Vgl. Sachs, ThürVBl. 1993, 121 (123).



C. Reichweite der Verfassungsbindung

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III. Grundrechtsbindung des Landesverfassunggebers Es fragt sich allerdings, inwieweit Landesverfassunggeber an grundgesetzliche Vorgaben gebunden sind. Möglicherweise gelten Sonderregelungen für solche Ämter, die im Landesrecht nicht bloß einfachgesetzlich, sondern landesverfassungsrechtlich verankert sind. Gemäß der grundgesetzlichen föderalen Staatsordnung besitzen die deutschen Länder eigene, unabgeleitete Staatsqualität, vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 1 Verf. NW. Dies wird aus dem Bundesstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitet und in den Homogenitätsanforderungen gem. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG vorausgesetzt.240 Folge der Staatsqualität der Gliedstaaten ist die Anerkennung von Verfassungsautonomie der Länder, die für ihre Verfassungen selbst verantwortlich sind.241 Die Verfassungsräume von Bund und Ländern stehen grundsätzlich „selbständig nebeneinander“242, sodass die Länder insbesondere über ihre staatsorganisationsrechtlichen „Staatsfundamentalnor­ men“243 einschließlich der Besetzung ihrer Verfassungsorgane grundsätzlich selbst bestimmen können.244 Die auch für Landesverfassungen als Sonderform von Gesetzgebung nötige Landesgesetzgebungskompetenz folgt aus der Verfassungsautonomie der Länder.245 Allerdings stehen Rechtsnormen von Bund und Ländern nicht beziehungslos nebeneinander. Im Verhältnis von bundes- und landesstaatlichen 240  Vgl. nur Grzeszick, in: MD, GG, Art. 20 IV (2006) Rn. 15, 89 ff.; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 65 ff. 241  Vgl. st. Rspr., BVerfGE 1, 14 (34) – Südweststaat; 36, 342 (361) – LBesG Nds.; 96, 345 (368 f.) – Landesverfassungsgerichte; 98, 145 (157 f.) – Inkompatibilität; 102, 224 (234) – Funktionszulage; 103, 332 (347 ff.) – Landesnaturschutzgesetz SH; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rn. 22; Grzeszick, in: MD, GG, Art. 20 IV (2006) Rn. 96; Hillgruber, in: MD, GG, Art. 98 (2010) Rn. 54; Löwer, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 28 Rn. 4 f.: „Gliedstaatenverfassungshoheit“; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 66; Sachs, in: FS Stern, 1997, S. 475 (486, 498); Sommer­ mann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 29. 242  St. Rspr., s. BVerfGE 4, 178 (189) – Verwaltungsgerichtsbarkeit BW; 107, 1 (10) – Kommunale Verwaltungsgemeinschaften; BVerfGK 8, 169 (171); vgl. ähnlich BVerfGE 99, 1 (7, 11 ff.) – Kommunalwahlen BY; VerfGH TH, ThürVBl. 2012, 55 (Juris: Rn. 124); Schneider, DÖV 1987, 749 (750). 243  BVerfGE 36, 342 (361) – LBesG Nds.; vgl. Schneider, DÖV 1987, 749 (750 f.). 244  Vgl. BVerfGE 1, 14 (34) – Südweststaat; Sachs, in: FS Stern, 1997, S. 475 (488 f.); ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822 f.; ferner Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 66: „Eigenverantwortung für die jeweilige Verfassung im materiellen Sinne“. 245  Allerdings ist strittig, ob die Landesverfassunggeber an die Kompetenzordnung des Grundgesetzes gebunden sind; vgl. dafür Huber, in: Sachs, GG, Art. 31 Rn. 16; Sachs, DVBl. 1987, 857 (863); ders., ThürVBl. 1993, 121 (122 f.); wohl auch Uhle, in: MD, GG, Art. 70 (2008) Rn. 108.

72 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Verfassungsordnungen ist zwischen grundgesetzlichen Durchgriffsnormen und sogenannten Normativbestimmungen zu differenzieren. Grundgesetzliche Durchgriffsnormen enthalten auf der Ebene des Bundesrechts Regelungen, die materiell (auch) zum Landesverfassungsrecht gehören.246 Zu diesen Durchgriffsnormen zählt unter anderem Art. 1 Abs. 3 GG mit den dort angesprochenen Grundrechten, der die Landesstaatsgewalt unmittelbar an die grundgesetzlichen Grundrechte bindet.247 Begrenzt wird diese Grundrechtsbindung durch die Verfassungsautonomie der Länder lediglich, soweit die Länder danach die Besetzung ihrer Landesverfassungsorgane durch freie Wahl vorsehen dürfen beziehungsweise dies aufgrund von grundgesetzlichen Normativbestimmungen im Einzelfall sogar müssen.248 Diese Normativbestimmungen, zu denen insbesondere Art. 28 Abs. 1 S. 1 und 2 GG gehört, enthalten an die Länder adressierte Gesetzgebungsaufträge und machen den Ländern Vorgaben für die Gestaltung ihrer Verfassungsordnungen.249 Dadurch soll das Mindestmaß an Übereinstimmung gewährleistet werden, ohne das ein Bundesstaat kaum vorstellbar ist. Denkbar wäre es allerdings weiterhin, einschlägigen grundgesetzlichen Regelungen für bestimmte Regelungsmaterien nur eine Reservefunktion zuzusprechen, sodass ihr Geltungsanspruch gegenüber abweichendem Lan­ des­(verfassungs-)recht zurückträte.250 Behauptet wird etwa, angesichts der Kultur- und Schulhoheit der Länder sei diese Materie der Kollisionsnorm des Art. 31 GG entzogen; das Landesverfassungsrecht bilde insofern eine immanente Schranke der bundesverfassungsrechtlichen Grundrechte.251 Sachs, ThürVBl. 1993, 121 (121). Sachs, ThürVBl. 1993, 121 (121), der ferner Art. 33 Abs. 4, 5 GG erwähnt; auch Art. 20 Abs. 2, 3 GG gehört zu dieser Gruppe; vgl. Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 5. 248  Vgl. BVerfGE 99, 1 (7) – Kommunalwahlen BY, wonach Verletzungen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zu Volksvertretungen der Länder nicht unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht angreifbar sind; auch BVerfG (K), NVwZ-RR 2010, 945 (945): „Die Länder gewährleisten den subjektivrechtlichen Schutz des Wahlrechts bei politischen Wahlen in ihrem Verfassungsraum allein und abschließend […]“; BVerfGK 18, 141 (143); BVerfG (K), Beschl. v. 8.8.2012 – 2 BvR 1672 / 12 –, Juris: Rn. 10 f. Daraus lässt sich indes nicht ableiten, dass gegenüber etwaigen willkürlichen Wahlrechtsregelungen nicht doch bundesverfassungsrechtlicher Schutz gewährt würde. 249  Vgl. Sachs, ThürVBl. 1993, 121 (122), m. w. N. auch zu a. A. 250  Vgl. zu solchen Überlegungen Sachs, in: FS Stern, 1997, S. 475 (503), m. w. N.; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4 Rn. 48, wonach ein „gewisser föderaler Einschätzungsspielraum“ des Landesgesetzgebers bei der Abwägung zwischen staatlichem Erziehungsauftrag und Grundrecht auf religiöse „Beeinflussungsfreiheit“ bestehe. 251  Vgl. Müller-Volbehr, JZ 1995, 996 (997, 999). 246  Vgl. 247  Vgl.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 

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Nach der Rechtsprechung des BVerfG wird eine landesverfassungsrecht­ liche Norm indes nur insoweit nicht gem. Art. 31 GG gebrochen, als das Grundgesetz „die Freiheit gibt, daß der Gliedstaat in seine Verfassung eine Bestimmung aufnehmen kann, unterscheide sie sich von einer Regelung des Grundgesetzes oder stimme sie mit ihr überein“252. Danach hängt die Gültigkeit einer vom Grundgesetz abweichenden landesverfassungsrechtlichen Norm also jedenfalls davon ab, ob sie den Rahmen der grundgesetzlich anerkannten Landesverfassungshoheit einhält. Diesen vom Landesverfassunggeber zu beachtenden Rahmen entnimmt das BVerfG nicht allein Art. 28 Abs. 1 GG, sondern „insbesondere“253; hinzu kommt eine Bindung an die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte.254 Dann aber müssen die Länder grundsätzlich bei der Vergabe ihrer öffentlichen Ämter die grundgesetzlichen Gleichheitssätze beachten;255 insoweit eröffnet das Grundgesetz keinen ämter­ unabhängigen allgemeinen Spielraum. Folglich beeinflussen sich die Grundrechtsbindung der Länder und deren Verfassungshoheit gegenseitig: Die Länder können ihr Verfassungsrecht nur im Rahmen ihrer Verfassungsautonomie unabhängig von grundgesetzlichen Vorgaben autonom gestalten, wobei der Umfang der Verfassungsautonomie am Maßstab des Grundgesetzes zu ermitteln ist.256

D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen gem. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG Gemäß Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG dürfen Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, Glaube sowie religiöse und politische Anschauungen eines Grundrechtsträgers nicht Grundlage einer Benachteiligung oder Bevorzugung durch die grundrechtsgebundene Staatsgewalt sein.257 252  BVerfGE 36, 342 (362) – LBesG Nds.; vgl. v. Mutius, VerwArch 66 (1975), 161; Sachs, ThürVBl. 1993, 121 (123 f.). 253  BVerfGE 36, 342 (362) – LBesG Nds. 254  Vgl. für Grundrechtsbindung der verfassunggebenden Landesstaatsgewalt explizit v. Mutius, VerwArch 66 (1975), 161 (167); Schneider, DÖV 1987, 749 (751). 255  Vgl. aber anders Schmitt, Landesverfassungen, S. 230: „nicht an Art. 33 Abs. 2 GG direkt, sondern an Art. 28 Abs. 1 GG zu messen.“ 256  Vgl. zum Verhältnis der Verfassungsordnungen von Bund und Ländern BVerfGE 1, 14 (34); StGH BR, NVwZ-RR 2001, 1 (1 f.); VerfGH NW, DÖV 2009, 676 (Juris: Rn. 44), zum Landes- und Kommunalwahlrecht; Sachs, in: FS Stern, 1997, S. 475 (488 f.); ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822 f. 257  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 10.

74 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Eine inhaltliche Zusammenfassung der genannten Kriterien ist schwierig.258 Teilweise sind die genannten menschlichen Eigenschaften prinzipiell unveränderlich (Abstammung, Geschlecht, Heimat und Herkunft); zum anderen, und dazu gehören die hier einschlägigen Kriterien religiöse und politische Anschauungen, ist es zwar denkbar, dass der Einzelne seine Überzeugungen – jedenfalls in ihren äußerlich wahrnehmbaren Manifestationen – ändert, doch schützt das Grundgesetz gerade das Recht, diese persönlichen Auffassungen frei entwickeln zu dürfen. Sie beruhen auf freiheitsgrundrechtlich garantierter Selbstbestimmung im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG und den Freiheiten der politischen Betätigung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 8, 9, 21 GG und sollen von möglichem Anpassungsdruck freibleiben.259

I. Entstehungsgeschichte Weder die Paulskirchenverfassung von 1849 noch die Weimarer Reichsverfassung enthielten besondere Gleichheitssätze mit vergleichbar breiten Anwendungsbereichen, die als Vorbild für Art. 3 Abs. 3 GG hätten dienen können.260 Gleichwohl gibt es eine Tradition261 spezieller Verfassungsnormen, die in unterschiedlichem Maße die Berücksichtigung von Religionszugehörigkeit oder Adelsvorrechten verboten.262 Hingegen gibt es für das Diskriminierungsmerkmal politische Anschauung in den Verfassungen der deutschen Bundesebene aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg keine ausdrücklichen Vorbilder.263 Auf der Ebene der Gliedstaaten enthielt im deutschen Sprachraum vor 1945 die Verfassung von Mecklenburg-Schwerin von 1920 ein ausdrückliches Verbot der Benachteiligung wegen der politischen Anschauungen. Gem. § 6 S. 2 dieser Verfassung durfte das politische Bekenntnis bei der Besetzung öffentlicher Ämter nicht berücksichtigt werden, 258  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1727. Kannengießer, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 3 Rn. 57, geht überdies davon aus, dass die aufgezählten Merkmale nicht abschließend seien. 259  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1727; Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 34 f.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 118; ähnlich trotz Hinweis auf die Unvollständigkeit einer Systematisierung der Merkmale Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 383; zum Schutz vor Anpassungsdruck selbst bei prinzipiell unveränderlichen Merkmalen Somek, Der Staat 43 (2004), 425 (429 ff.). 260  Vgl. Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 536. 261  Fraglich ist, ob man daraus mit Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 543, folgern kann, die Diskriminierungsverbote seien – vom Geschlecht abgesehen – bereits „im gesellschaftlichen Bewußtsein“ (ebd.) gewesen. 262  Siehe 2. Kap. A. 263  Vgl. Sachs, Der Staat 23 (1984), 549 (574).



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 

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wenngleich mit Vorbehalt für „politisch leitende[…] Ämter“264. Auch das Unterscheidungsverbot in Art. 19 Verf. RP von 1947, das sich auf die Parteizugehörigkeit als Diskriminierungsmerkmal bezieht, zeigt, dass das Problem politischer Ämterpatronage schon vor Inkrafttreten des Grundgesetzes erkannt worden war.265 Die fehlende Anerkennung der Würde aller Menschen – gerade nicht auf die Angehörigen einer bestimmten Abstammung, Rasse oder Religion beschränkt – war eine der Ursachen für die Katastrophe des Nationalsozialismus. Vor diesem Hintergrund erschien es dem Parlamentarischen Rat geboten, die besonderen Diskriminierungsverbote ausdrücklich zu betonen.266 Zwar ging man unwidersprochen davon aus, dass Diskriminierungen wegen der in Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG genannten Merkmale schon nach dem allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG verboten seien, doch schien es in der konkreten Beratungssituation bei der Entstehung des Grundgesetzes wichtig, dem nationalsozialistischen Unrecht explizit eine Absage zu erteilen; der gleiche Wertanspruch aller Menschen sollte unmissverständlich festgeschrieben sein.267 Nach dem Vorbild der UN-Charta268 und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte269 sind Gleichheitssätze nach 1945 in das Verfassungsrecht zahlreicher Staaten270 sowie in das Völkervertragsrecht271 aufgenommen worden und haben so fast universelle Geltung erlangt.272 Varia­ 264  § 6 S. 3 Verfassung des Freistaats Mecklenburg-Schwerin v. 17.5.1920, abgedruckt bei Ruthenberg, Verfassungsgesetze, S. 143 (144). 265  Vgl. Sachs, Der Staat 23 (1984), 549 (574). 266  Vgl. JöR n. F. 1 (1951), 67; ferner Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1725. 267  Vgl. BVerfGE 3, 225 (240) – Gleichberechtigung; Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 1, 31; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 226; Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 323 f.; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 367. 268  Siehe Art. 1 Nr. 3, Art. 13 Abs. 1 lit. b, Art. 55 lit. c, Art. 76 lit. c UN-Charta. 269  Siehe Art. 2 Abs. 1, Art. 16 Nr. 1 S. 1 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte v. 10.12.1948, insbes. deren Präambel: „Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet […].“ 270  Vgl. exemplarisch Art. 3 S. 1 ital. Verf., Art. 13 Abs. 2 portug. Verf., Art. 14 span. Verf. 271  Vgl. exemplarisch Art. 20 f. Charta der Grundrechte der EU, ABl. 2000 / C 364 / 01; Art. 14 EMRK; Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung v. 21.12.1965, BGBl. 1969 II 961; Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung v. 25.11.1981; s. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1716 ff. 272  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 39; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 366.

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tionsreich enthalten auch die Nachkriegsverfassungen der Länder religionsbezogene Diskriminierungsverbote273 sowie diesbezügliche Garantien in Spezialzusammenhängen.274 Sowohl im Hinblick auf die Reichweite der ausgeschlossenen Merkmale als auch im Hinblick auf die nicht vorhandene Begrenzung des Anwendungsbereichs des Gleichheitssatzes ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ohne Vorbild in der deutschen Verfassungsentwicklung.275 Möglicherweise gerade deshalb steht die Norm allerdings im Zentrum der Bemühungen, die aus den Gleichheitssätzen des Grundgesetzes folgenden Einschränkungen staatlicher Handlungsmöglichkeiten aufzulockern.276 Die heutige Fassung des Art. 3 Abs. 3 GG geht auf ein Änderungsgesetz aus dem Jahr 1994277 zurück, das dem unveränderten ersten Satz einen Satz 2 zum Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung hinzufügte.

II. Grundrechtlicher Tatbestand Im Folgenden sollen Tatbestand und Begrenzungen des Benachteiligungsund Bevorzugungsverbots in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG mit besonderem Blick auf die angesichts der Themenstellung dieser Arbeit relevanten Diskriminierungsmerkmale Glaube, religiöse Anschauungen und politische Anschauungen untersucht werden.

273  Siehe etwa Art. 10 Abs. 1 Verf. Württ. Bad. 1946 (aufgehoben 1953 durch Art. 94 Abs. 2 Verf. BW): „Niemand darf seiner Abstammung, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen wegen bevorzugt oder benachteiligt werden“; ähnlich Art. 2 S. 4 Verf. Baden 1947; Art. 19 Verf. RP 1947: „Alle Deutschen, ohne Unterschied der Rasse, des Religionsbekenntnisses, der Parteizugehörigkeit oder des Geschlechtes, sind nach Maßgabe der Gesetze und entsprechend ihrer Befähigung und ihrer Leistungen zu den öffentlichen Ämtern zugelassen, sofern sie die Gewähr dafür bieten, ihr Amt nach den Vorschriften und im Geiste der Verfassung zu führen“; Art. 13 Verf. BE 1950 = Art. 19 Abs. 2 Verf. BE 1995: „Der Zugang zu allen öffentlichen Ämtern steht jedem ohne Unterschied der Herkunft, des Geschlechts, der Partei und des religiösen Bekenntnisses offen, wenn er die nötige Eignung besitzt“; aus späterer Zeit der mit Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG identische Art. 3 Abs. 3 S. 1 Verf. Nds. 1993. 274  Siehe gegen die Benachteiligung nicht bekenntnisgebundener Lehrer Art. 37 Abs. 3 S. 5 Verf. Württ. Bad. 1946. 275  Vgl. Sachs, Der Staat 23 (1984), 549 (576). 276  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 38. 277  Gesetz zur Änderung des GG v. 27.10.1994, BGBl. I 3146; s. auch Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 225. Da Art. 3 Abs. 3 GG ursprünglich also nur aus einem Satz bestand, entfällt in älteren Texten im Rahmen der Zitation der Norm die Nennung eines bestimmten Satzes.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 

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1. Tatbestandsmerkmale Glaube und religiöse Anschauungen Gegenstand der religionsbezogenen Gleichheitssätze war historisch jedenfalls ganz überwiegend das äußerlich greifbare Bekenntnis im Sinne einer Zugehörigkeit zu einer Kirche oder sonstigen Religionsgemeinschaft.278 Demgegenüber betrifft Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ausweislich seines Wortlauts Bevorzugungen und Benachteiligungen wegen des Glaubens und der reli­ giösen Anschauungen. Beide Begriffe gehören juristisch zusammen und können nicht getrennt werden,279 sodass eine Differenzierung entbehrlich ist. Sie schützen zunächst die innere Einstellung des Grundrechtsberechtigten als Teil des forum internum280 und umfassen jede, auch ganz individuelle religiöse Einstellung, ebenso wie die Ablehnung von Religion.281 Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verlöre indes einen Großteil seiner praktischen Bedeutung, wenn er neben der reinen Innerlichkeit nicht auch die Manifestation reli­ giöser Überzeugungen insbesondere durch die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft schützen würde.282 Eine solche Auslegung ließe den engen Zusammenhang283 zwischen religionsbezogenem Benachteiligungsverbot und der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG außer Acht. Dementsprechend umfasst die Formulierung Glaube und reli­ giöse Anschauungen in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ebenso wie die Formulierung Freiheit des Glaubens und des religiösen Bekenntnisses in Art. 4 Abs. 1 GG in einem weiten Sinne neben dem inneren Bekenntnis das äußere und insbesondere die Zugehörigkeit zu einer Bekenntnisgemeinschaft.284 278  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 50; ders.; in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1736. 279  Vgl. Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 94; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 401. 280  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 50. 281  Vgl. BVerwGE 109, 40 (54 f.); Ehlers, ZevKR 54 (2009), 253 (260); Oster­ loh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 302; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 50; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 402, je m. w. N. 282  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 51, 134; ders.; in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1737; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 303; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 402; ferner Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 185. 283  Vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 48; Heckel, Gleichheit, S. 94. 284  St. Rspr., vgl. BVerfGE 123, 148 (177) – Jüdische Gemeinde Bbg; vgl. aus der Lit. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 50 f.; Ehlers, ZevKR 54 (2009), 253 (260); Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 303; v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 71; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 128: „durch den Glauben […] bedingte Eigenschaften“; Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 96, hält Außenrelevanz sogar für „erforderlich“; vgl. zur gebotenen Erstreckung auf Weltanschauungsgemeinschaften Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 848. Zum grundrechtlichen Tatbestand von Art. 4 Abs. 1, 2 GG vgl. Mückl, Der Staat 40 (2001), 96

78 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

In der Rechtspraxis stehen Probleme der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ganz im Vordergrund, während die übrigen Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG lange ein „merkwürdiges Schattendasein“285 führten. Insoweit sind greifbare Auswirkungen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG – namentlich in der Rechtsprechung des BVerfG festgestellte Verfassungsverstöße – selten.286 Speziell hinsichtlich des Verhältnisses der Benachteiligungsverbote zur Religionsfreiheit ist jedoch spätestens seit dem sogenannten Kopftuch-Streit287 eine zunehmende Bedeutung festzustellen. 2. Tatbestandsmerkmal politische Anschauungen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbietet außerdem Benachteiligungen und Bevorzugungen wegen der politischen Anschauungen der Grundrechtsträger. Der Begriff der politischen Anschauungen wird oft als selbstverständlich vorausgesetzt,288 obwohl Definitionen nicht einfach sind.289 Erfasst sind alle Anschauungen, die sich auf die Zuweisung und Ausübung von Macht vor allem im Staat und seinen Gliederungen beziehen, gruppengebundene Auffassungen im Rahmen politischer Parteien und anderer Gruppierungen ebenso wie ganz individuelle Überzeugungen.290 Der Wortlaut („Anschauungen“) könnte wie im Zusammenhang mit der Religion darauf hindeuten, dass allein die innere Einstellung des Betroffenen gemeint ist, obwohl diese als Teil des forum internum nicht ohne Weiteres feststellbar ist.291 Erfasst wäre dann das Haben einer politischen Anschauung, nicht hingegen deren Äußerung und praktische Umsetzung; Letzteres wäre hingegen möglicherweise durch die einzelnen Freiheitsgrundrechte geschützt.292 (107 ff.); Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 847; Sachs; in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1736; für enge Parallele auch in Bezug auf Einschränkungen Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 102. 285  Sondervotum Simon zu BVerfGE 63, 266, 298 (303) – Anwaltszulassung; vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 223; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1723 f. 286  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 78; ferner Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 304, auch zu Ausnahmen. 287  Siehe BVerfGE 108, 282 – Kopftuch, mit Sondervotum Jentsch / Di Fa­ bio / Mellinghoff, S. 314, 323 ff.; aus der älteren Rspr. BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale; BVerfG (K), NVwZ 1994, 477; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 301. 288  Vgl. etwa Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 480. 289  Vgl. allgemein Stern, StaatsR I, § 1 S. 18 f., m. w. N. 290  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 52; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1738; Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 91. 291  Siehe zu dieser Kritik Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 134. 292  Vgl. so BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale; „grundsätzlich“ ebenso BVerfGE 124, 300 (338) – Heß-Gedenkveranstaltung.



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Gegen eine solche Beschränkung auf das forum internum spricht hingegen, dass geäußerte politische Anschauungen aufgrund ihrer Vernehmbarkeit ein weitaus höheres Benachteiligungsrisiko in sich tragen als nicht geäußerte innere Anschauungen. Ohnehin sind staatliche Benachteiligungen und Bevorzugungen, die an nicht öffentlich bekannte innere Ansichten anknüpfen, kaum vorstellbar. Dementsprechend unterfallen neben inneren politischen Anschauungen auch daraus abgeleitete Äußerungen und Handlungen dem Schutz des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG;293 (öffentliche) Manifestationen politischer Anschauungen wie insbesondere durch den Beitritt zu einer politischen Partei sind einzubeziehen, um einen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten.294 Das Diskriminierungsverbot entspricht damit in seinem Anwendungsbereich der politischen Freiheit, wie sie Art. 5 Abs. 1, Art. 8, 9, 21 GG gewährleisten.295 Auch das Diskriminierungsmerkmal politische Anschauungen hat bislang in der Rechtsprechung keine große Aufmerksamkeit erfahren.296 3. Tatbestandsmerkmale Benachteiligung und Bevorzugung Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbietet Benachteiligungen und Bevorzugungen der Grundrechtsberechtigten durch die grundrechtsgebundene Staatsgewalt. Das setzt zunächst ein unterscheidendes Staatshandeln voraus. Keine Grundrechtsbeeinträchtigung liegt dementsprechend mangels staatlicher Ungleichbehandlung bei einheitlichen Regelungen vor, selbst wenn diese in einem Zusammenhang mit einem der genannten Merkmale stehen. Daher wird es in der Literatur etwa für gleichheitsrechtlich unbedenklich erachtet, wenn der Gesetzgeber kulturelles, religiöses und politisches Leben insgesamt fördert.297 293  Vgl. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 129; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 564 f.; Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 123; wohl auch Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 411, für geäußerte politische Anschauungen („Forum internum interessiert das Recht nicht“, ebd.); aus pragmatischen Gründen gar ausschließlich für den Schutz geäußerter Anschauungen Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 116; Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 134; Sacksofsky, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 Rn. 329; gegen diese Beschränkung aber Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1738. 294  Auf eine dahinter stehende Überzeugung kommt es hingegen nicht an; s. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 52; anders wohl BVerfGE 3, 58 (146 f.); Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 411. 295  Vgl. Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 862, 865. 296  Vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 304; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1724; s. aber BVerfGE 63, 266 – Anwaltszulassung – mit abw. Meinung Simon, S. 298 (300 ff.); ferner BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale, wo die Unterscheidungsproblematik allerdings auf knapp vier Seiten abgehandelt wird. 297  Vgl. Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 119; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG11, Art. 3 Rn. 118; Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 484.

80 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Weiterhin muss die Ungleichbehandlung den Merkmalsträger irgendwie betreffen; dieser muss ein wie auch immer geartetes wirtschaftliches, ideelles oder emotionales Interesse an dem staatlichen Handeln haben,298 womit auch (angeblich) bloß geringfügige Benachteiligungen und Bevorzugungen tatbestandlich erfasst sind.299 Ob eine merkmalsbezogene staatliche Ungleichbehandlung als benachteiligend oder bevorzugend empfunden wird, mag von subjektiven Befindlichkeiten der Beteiligten abhängen. So kann eine Ungleichbehandlung vom unmittelbar Betroffenen als Benachteiligung empfunden werden, während andere sie als Bevorzugung ansehen.300 Gleichwohl widerspräche es jeder allgemeinen Grundrechtsdogmatik und rechtsstaatlichen Prinzipien, über das Vorliegen einer Benachteiligung oder Bevorzugung allein anhand subjektiver Empfindungen der Betroffenen zu entscheiden.301 Kempny / Reimer plädieren in diesem Zusammenhang dafür, die Tatbestände der Freiheitsgrundrechte als Maßstab heranzuziehen und eine gleichheitsrechtliche Benachteiligung dann anzunehmen, wenn eine Ungleichbehandlung zugleich (objektiv) den Tatbestand eines Freiheitsgrundrechts beeinträchtigt.302

Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 56. Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 3 Rn. 103; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 60; allgemein ders., in: Stern, StaatsR III / 2, § 78 S. 205 f.; StaatsR IV / 2, § 121 S. 1639. 300  Vgl. VGH BW, DVBl. 2013, 519 Rn. 72, zur Einführung von Ethikunterricht, die wegen der Lernerfolge als vorteilhaft, wegen der mit ihr verbundenen Schulpflicht aber auch als nachteilhaft empfunden werden kann; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 76, die als Beispiel die Feststellung der Wehrdienstfähigkeit nennen. 301  Vgl. ebenfalls – allerdings ohne Begründung – gegen rein subjektive Feststellung einer Benachteiligung Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 73, 76 f. Über Beeinträchtigungen von Freiheitsgrundrechten entscheiden Rspr. und Literatur, soweit ersichtlich, zu Recht ebenfalls auch anhand objektiver Kriterien, wenngleich unter dem Stichwort Grundrechtsverzicht zugleich subjektive Elemente berücksichtigt werden, vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 77 S. 56 f.; ebd., § 78 S. 81 f., 155: „prinzipielle gebotene Orientierung am objektiven Beeinträchtigungseffekt“ (155, Hervorhebung nicht im Original); Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (418 ff.); Peine, in: HGR III, § 57 Rn. 40; jedoch zur Abhängigkeit vom Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften im Hinblick auf den Tatbestand von Art. 4 Abs. 1, 2 GG: BVerfGE 24, 236 (247) – Rumpelkammer; BVerfGK 10, 216 (223); VGH HE, NVwZ 2013, 159 (160); Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4 Rn. 78. Siehe ferner Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 48 Rn. 116, wo zur Definition einer rechtlich erheblichen Begünstigung primär auf (objektive) Wertungen der Rechtsordnung abgestellt wird, die indes im Zweifelsfall durch (subjektive) Einschätzungen des Betroffenen ergänzt werden können. 302  Vgl. Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 73; s. ferner Uerpmann-Wittzack, in: HGR V, § 128 Rn. 9, der „auch die subjektive Sichtweise“ (ebd.) berücksichtigen will. 298  Vgl. 299  Vgl.



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a) Verhältnis von Benachteiligungen und Bevorzugungen Ob ein derartiges Verhalten des Staates als Benachteiligung des einen oder als Bevorzugung des anderen Betroffenen zu bewerten ist, hängt in der Regel von der Perspektive des Betrachters ab. Ob ein Land etwa für seine Schulen – positiv formuliert – nur christliche Lehrer einstellt oder – negativ formuliert – Anhänger anderer Religionen ausschließt, ist eher eine Frage der Formulierung denn sachlicher Unterschiede in Bezug auf die Rechtfertigung dieses Vorgehens. Weil jedoch gerichtlicher Rechtsschutz erfolgreich regelmäßig nur von den Benachteiligten in Anspruch genommen werden kann,303 wird Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG landläufig stärker als Benachteiligungs-, denn als Bevorzugungsverbot304 wahrgenommen. Verboten sind jedoch sowohl Bevorzugungen als auch Benachteiligungen. b) Nicht benachteiligende Unterscheidungen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte in Anbetracht seines Wortlauts allerdings schlechthin jede Differenzierung anhand eines der genannten Merkmale ausschließen oder durch die Tatbestandsmerkmale Benachteiligung und Bevorzugung auf besonders zu qualifizierende Differenzierungen beschränkt sein.305 Die Rechtsprechung fällt im Hinblick auf diese Frage uneinheitlich aus. Insbesondere im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG differenziert das BVerfG zum Teil ausdrücklich zwischen dem Oberbegriff Unterscheidung beziehungsweise Ungleichbehandlung und dem logisch untergeordneten Begriff Benachteiligung, wenn es etwa formuliert: „Benachteiligung bedeutet nachteilige Ungleichbehandlung.“306 In anderen Entscheidungen sieht 303  Vgl. Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 78, die den nur Begünstigten für nicht schutzwürdig halten; pragmatischer, aber im Ergebnis ähnlich Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 378; hingegen für die Möglichkeit einer Verletzung der Gleichheitssätze durch gleichheitswidrige Begünstigungen gegen den Willen des Betroffenen Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 120 S. 1493 (zu Art. 3 Abs. 1 GG); ebd., § 121 S. 1628; § 122, S. 1725 (zum Unterscheidungsverbot), was auch entsprechenden Rechtsschutz nach sich ziehen würde. 304  Einer der seltenen Fälle, in denen sich die Rspr. mit verbotenen Bevorzugungen beschäftigt hat, findet sich etwa in OVG NW, RiA 2007, 125 (127). 305  In diesem Kontext s. noch 2. Kap. D. III. 1. a) zu der Frage, ob das Vorliegen einer Benachteiligung bereits ein Unwerturteil hinsichtlich der Unsachlichkeit der Unterscheidung impliziert. 306  BVerfGE 99, 341 (357) – Testierausschluss Taubstummer; vgl. BVerfGE 96, 288 (302) – Sonderschulzuweisung; BVerfG (K), Beschl. v. 2.9.2009 – 1 BvR 1997 / 08 –, Juris: Rn. 7, am Rande BVerfGE 110, 177 (198) – Spätaussiedler; 124, 300 (338) – Heß-Gedenkveranstaltung; BVerfG (K), NJW 2004, 2150 (2151); NVwZ

82 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

das BVerfG dagegen allgemein merkmalsabhängige Unterscheidungen als gegenüber Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG rechtfertigungsbedürftig an.307 Hingegen konzediert wiederum das BAG im Zusammenhang mit dem AGG ausdrücklich, dass im Hinblick auf das Alter nur solche Ungleichbehandlungen erfasst seien, die für den Betroffenen einen eindeutigen Nachteil bewirkten.308 und setzt damit die Möglichkeit nicht benachteiligender Unterscheidungen voraus. Für eine Beschränkung auf Benachteiligungen und Bevorzugungen spricht der Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, wo es nicht etwa heißt, jede Differenzierung anhand der genannten Merkmale sei verboten. Bei unbefangener Betrachtung muss nicht jede Differenzierung zugleich zwingend Benachteiligung oder Bevorzugung sein.309 Folgte man dem, läge eine verbotene Benachteiligung also nur vor, wenn das fragliche staatliche Verhalten bei dem Betroffenen auch tatsächlich zu einem Nachteil führt.310 Für ein Verständnis von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als Unterscheidungsverbot wird demgegenüber angeführt, tatsächlich wirke „nahezu jede[…] Differenzierung“311 benachteiligend oder bevorzugend. Daher wende sich Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gegen merkmalsbezogene Unterscheidungen, also gegen jedes Staatshan2009, 389; BVerwGE 140, 83 Rn. 21, wo jeweils von einem Benachteiligungs- statt von einem Unterscheidungsverbot die Rede ist. 307  Vgl. etwa BVerfGE 114, 357 (364) – Bleiberecht; 121, 241 (254) – Teilzeitbeamter; BVerfG (K), NJW 2008, 209 (210); BVerfGK 14, 381 (385 ff.). Nach BVerfGE 105, 313 (351 f.) – Lebenspartnerschaft, liegt in der Anknüpfung an die Geschlechtskombination für Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft keine Benachteiligung wegen des Geschlechts, anders Sondervotum Haas, S. 359 (362 f.). 308  Vgl. BAG, NZA 2010, 561 (563); weniger deutlich zum Diskriminierungsmerkmal Behinderung BAG, NZA-RR 2010, 32 (35 f.), wo die benachteiligende Wirkung der zu prüfenden Vereinbarung aber nicht bestritten wurde; für Beschränkung auf benachteiligende Ungleichbehandlungen Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 3 Rn. 7; Hey, in: ders., AGG, § 3 Rn. 1; Mohr, in: Adomeit / Mohr, AGG, § 3 Rn. 29. 309  Vgl. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 88; Kannengießer, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 3 Rn. 58; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 79 f.; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 552, 556; Traulsen, Art. Gleichbehandlung / Diskriminierungsverbot / Parität, in: Heinig / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 67; ferner Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 119; ambivalent Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 378; dagegen Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1636, 1743, m. w. N. 310  Vgl. ausdrücklich Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 88; Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 69, der ein staatliches „Unwerturteil“ (ebd.) voraussetzt. 311  Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 119. Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 24 ff.; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1743 ff.; ders., Diskriminierungsverbot, S. 265 ff., der insofern konsequent durchgängig nur von Unterscheidungsverboten spricht; Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 190, der ausnahmslos jede Ungleichbehandlung für benachteiligend oder bevorzugend hält.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 83

deln, das generell (persönliche) Voraussetzungen für den Eintritt von Folgen tatsächlicher oder rechtlicher Art aufstellt, so diese Auffassung.312 Gleichwohl mag es indes Differenzierungen wegen eines in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmals geben, die nicht mit einer Benachteiligung oder Bevorzugung verbunden sind. Bei deren Annahme ist allerdings größte Zurückhaltung geboten, um einen effektiven Schutz vor verbotenen Diskriminierungen zu gewährleisten. Dennoch heißt es in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG – jedenfalls insoweit ist der Wortlaut eindeutig –, niemand dürfe wegen der genannten Merkmale benachteiligt oder bevorzugt werden; Formen des Verbs unterscheiden verwendet das Grundgesetz nicht. Deshalb wird in Anbetracht dieses Wortlauts in dieser Arbeit von Benachteiligungs- und Bevorzugungsverboten und grundsätzlich nicht von Unterscheidungsverboten gesprochen.313 Weiterhin wurde eine Bevorzugung beziehungsweise Benachteiligung teilweise abgelehnt, wenn der Staat zwar zwischen unterschiedlichen Personengruppen differenzierte, für beide aber Einrichtungen vorhielt, die gleichwertig sein sollten. In der Literatur wird dies als Konzept des „separate but equal“314 diskutiert. Früh fiel dieses Schlagwort im Zusammenhang mit US-amerikanischen Rassendiskriminierungen, wo etwa getrennte Schulen für Dunkel- und Weißhäutige verbreitet nicht als Diskriminierung der Dunkelhäutigen angesehen wurden, weil beide Gruppen zwar in getrennte Schule gehen müssten, diese aber gleichwertig seien.315 Ähnlich wurde schon argumentiert im Hinblick auf Vorschriften über die getrennte Benutzung von Verkehrsmitteln.316 Abgesehen von der Tatsache, dass es sehr zweifelhaft ist, ob tatsächlich menschliche Rassen existieren,317 sind die genannten 312  Vgl. etwa BVerfGE 97, 35 (43) – Ruhegeldgesetz HH; 114, 357 (364) – Bleiberecht; 121, 241 (254) – Teilzeitbeamter; BVerfG (K), NJW 2004, 1095 (1095); NJW 2008, 209 (210); BVerfGK 14, 381 (385 ff.); Dürig / Scholz, in: MD, GG, Art. 3 III (1996) Rn. 1; Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 75; Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 119; Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 190; Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 70 ff., 244 ff., 265 et pass.; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1723 et pass.; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 24, 55 ff.; Stein / Frank, Staatsrecht, S. 424. 313  Vgl. Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 115 et pass.; demgegenüber sehen Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 45, die „Ungleichbehandlung [als] das zentrale Tatbestandsmerkmal eines Gleichheitssatzes“ (ebd.) an. 314  Etwa Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 58. 315  Vgl. U.S. Supreme Court, in: Cumming v. Richmond County Board of Education, U. S. 175 (1899), S. 528 ff. 316  Vgl. U.S. Supreme Court, in: Plessy v. Ferguson U. S. 163 (1896), S. 537 ff., zu „equal, but separate, accommodations for the white and colored races“ in Zügen und Bussen im Bundesstaat Luisiana. 317  Dagegen etwa die Gesetzesbegründung zu § 1 AGG, BT-Drs. 16 / 1780, S. 31; vgl. Bauer / Göpfert / Krieger, AGG, § 1 Rn. 14 f. Jedenfalls schützt Art. 3 Abs. 3 S. 1

84 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Regelungen offensichtlich Ausdruck einer Gesinnung, die die gleiche Würde von hell- und dunkelhäutigen Menschen nicht anerkennt. Daher lehnt der U.S. Supreme Court318 das Konzept des separate but equal in jüngeren Entscheidungen in diesem Zusammenhang zu Recht ab, weil die alternativen Einrichtungen bloß vermeintlich gleichwertig sind.319 Anders zu beurteilen könnten hingegen diejenigen Fälle sein, in denen trotz eines weiten Nachteilsbegriffs bei tatsächlich gleichwertigen Alternativeinrichtungen mit einer merkmalsabhängigen Unterscheidung keine Benachteiligungen verbunden wären.320 Dafür wird in der Literatur das banale, aber vielleicht gerade dadurch überzeugende Beispiel geschlechtergetrennter öffentlicher Sanitäreinrichtungen genannt.321 Ob die verfassunggebende Versammlung diese durch Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG tatsächlich verbieten wollte, erscheint sehr fraglich. GG auch vor Benachteiligungen wegen der bloß behaupteten Zugehörigkeit zu einer Rasse; vgl. zu insoweit angeführten Kategorien Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 293. 318  U.S. Supreme Court, in: Brown v. Board of Education, U. S. 347 (1954), S. 483 ff.; United States v. Fordice, U. S. 505 (1991), S. 717 ff. 319  Vgl. BVerfG (K), NJW 1997, 1062 (1063); BayVGH, BayVBl. 1997, 561 (563); Heckel, in: HStKR I, § 21 S. 632; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 58, der vor diesem Hintergrund BVerfG (K), NVwZ 1999, 756 (757), für problematisch hält, weil der Beschl. zu einer Gleichwertigkeitsprüfung zwischen Ethik- und Religionsunterricht auffordere; ferner Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 190; für Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Ethik- und Religionsunterricht VGH BW, DVBl. 2013, 519 Rn. 75; anders aber Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (262). Äußerst zweifelhaft ist auch, ob Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG tatsächlich nicht einschlägig ist, wenn Konfessionsfremden das Ablegen von Examina an theologischen Fakultäten verweigert wird; vgl. dafür aber Christoph, in: Holzner / Ludyga, Entwicklungstendenzen, S. 343 (368 ff.), weil Betroffene lediglich „gleichwertig und unter Beachtung des respektiven Selbstverständnisses“ (ebd.) unter Berücksichtigung ihrer eigenen freien Entscheidung an die Fakultät verwiesen würden, die ihrem eigenen Bekenntnis entspreche; aus katholischer Sicht insoweit gegen die Notwendigkeit konfessioneller Homogenität Hallermann, ebd., S. 303 (329 f.). Weiterhin im Sinne des separate but equal argumentiert auch BVerwG, NVwZ-RR 2013, 363 (369), wonach in Art. 3 Abs. 2 GG ein „Anspruch von Angehörigen des weiblichen Geschlechts, Zugang zu einer materiell gleichwertigen Schulausbildung zu erlangen“, verankert sei, der „im Allgemeinen nicht dadurch verletzt [werde], dass eine einzelne Bildungseinrichtung sich auf die Unterrichtung von Angehörigen des männlichen Geschlechts beschränkt“, wobei es im zu entscheidenden Fall um den Zugang zu einer Privatschule ging; ähnlich Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 340: Koedukation nicht durch Art. 3 Abs. 2 oder eine andere Verfassungsvorschrift gesichert. 320  Vgl. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 88; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 251. 321  Vgl. Heckel, Gleichheit, S. 82 f.; ders., in: HStKR I, § 21 S. 623 (632); Ja­ rass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 88; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 553.



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Im Übrigen bleibt zu konstatieren, dass der Streit um nicht benachteiligende Unterscheidungen im Kontext dieser Arbeit nicht abschließend entschieden werden muss, da im Bereich religiös und politisch gebundener Ämter mit jeder Unterscheidung unabhängig von im Einzelfall zu prüfenden sachlichen Gründen eine Benachteiligung beziehungsweise eine Bevorzugung verbunden ist. Wird Grundrechtsträgern unter Anknüpfung an ein in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genanntes Merkmal der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen gewährt, hat diese Ablehnung jedenfalls im Grundsatz auch und gerade dann bevorzugende Wirkung, wenn anderen Bewerben alternativ Zugangsmöglichkeiten zu (bloß vermeintlich) gleichwertigen öffentlichen Einrichtungen eröffnet werden.322 Unerheblich ist insoweit, ob die betroffenen Ämter paritätisch unter den Anhängern unterschiedlicher religiöser und politischer Anschauungen vergeben werden,323 weil Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG nicht bloße Gruppenparität gewährleistet, sondern bevorzugendes und benachteiligendes Verhalten des Staates wegen der genannten Merkmale individuell und in jedem Einzelfall verbietet. Zudem sind auch bei einer Ämtervergabe nach Konfessions- oder Parteiproporz jedenfalls diejenigen Bewerber benachteiligt, die sich keiner religiösen oder politischen Anschauung zugehörig fühlen. Da keine Ämter spezifisch nur für die Angehörigen dieser Gruppe ausgeschrieben werden (dürfen),324 liegt ihnen gegenüber eine rechtfertigungsbedürftige Benachteiligung wegen ihrer religiösen oder politischen Anschauungen vor, wenn der Staat bei der Vergabe öffentlicher Ämter diese Merkmale berücksichtigt. 4. Verbotene Anknüpfung an ein Merkmal Von zentraler Bedeutung für Reichweite und verfassungsrechtliches Gewicht des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist weiterhin die Frage, wie die maßgeb­ liche Verknüpfung von Benachteiligung oder Bevorzugung einerseits und Diskriminierungsmerkmal andererseits beschaffen sein muss. Im Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG wird diese Diskussion an der Präposition wegen festgemacht: Wegen ihrer religiösen oder politischen Anschauungen dürfen Menschen weder benachteiligt noch bevorzugt werden; dies gilt insbesondere für das Verfahren zur Besetzung öffentlicher Ämter.325 Variantenreich 322  Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 119; Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 190; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 121 S. 1638. 323  Siehe zu religiös-weltanschaulicher Parität noch 3. Kap. B. III. 3. d) cc). 324  Siehe zur negativen Konfessionsbindung noch 3. Kap. C. VII. 325  Vgl. VGH Mannheim, NJW 1967, 2028; zu Spezialitätsregeln im Verhältnis der besonderen Gleichheitssätze untereinander noch 2. Kap. H.

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haben Rechtsprechung und Schrifttum lange Zeit aus diesem wegen unterschiedlichste Anforderungen abgeleitet, welche Art von Verknüpfungen zwischen Diskriminierungsmerkmal und Differenzierung Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbiete und welche (gerade noch) zulässig sein sollte. Die Ansätze reichen von einem strikten Verbot jeder Anknüpfung bis hin zu einer Interpretation als wertungsoffenes, relatives Begründungsverbot.326 a) Modelle des Kausalzusammenhangs und der Finalität Es wird vertreten, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG greife (nur) ein, wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Benachteiligung oder Bevorzugung und dem betroffenen Diskriminierungsmerkmal bestehe.327 Allerdings liegt diesem Modell kein einheitlicher Kausalitätsbegriff zugrunde. Teilweise wird verlangt, das Unterscheidungsmerkmal dürfe keine nicht hinwegzudenkende Bedingung für den Eintritt einer Folge sein (conditio sine qua non).328 So verstanden, entspricht das Modell des kausalen Zusammenhangs einem strikten Anknüpfungsverbot.329 Vor allem die ältere Rechtsprechung hat unter Berufung auf einen erforderlichen Kausalzusammenhang hingegen nach den Gründen gefragt, die ein Staatsorgan zu dem fraglichen Verhalten bewegt hätten; verboten seien nur intendierte Diskriminierungen.330 In aller Regel sollte so eine Möglichkeit eröffnet werden, trotz objektiv festzustellender Anknüpfung an ein verbotenes Diskriminierungsmerkmal die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG mit der Begründung zu verneinen, die Benachteiligung oder Bevorzugung sei subjektiv nicht wegen dieser Kriterien erfolgt.331 326  Diese Bandbreite sieht auch Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 76 ff.; ähnlich Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 239 ff. 327  Vgl. BVerfG (K), NJW 1993, 3316 (3317); bei gleichzeitig vorhandener Nähe zum Anknüpfungsverbot ausdrücklich das Kausalitätserfordernis betonend Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 379. 328  Vgl. in diesem Sinne Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 151; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 131: „(objektive) Kausalität“; schon Sachs, NJW 1983, 2924 (2924 f.); im Überblick ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1753, m. w. N.; gegen äquivalente Kausalität Heckel, in: HStKR I, § 21 S. 623 (642 f.). 329  Vgl. Sachs, in: Stern, Staatsrecht IV / 2, § 122 S. 1753; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 70. 330  Vgl. in diese Richtung BVerfGE 2, 266 (286) – Notaufnahmegesetz; 5, 17 (22) – Volljährigkeit; 75, 40 (70) – Privatschulfinanzierung; BVerfG (K), NJW 1993, 3316 (3317); zur einschlägigen älteren Judikatur auch Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 405 ff., m. w. N.; aus der Lit. etwa Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 107; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 3 Rn. 104: „ursächlich i. w. S.“; dagegen Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 252; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 560; allgemein Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1755. 331  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1753.



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Vergleichbar argumentieren die Anhänger des Modells der Finalität. Sie stellen darauf ab, ob ein in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genanntes Merkmal das motivierende Element für das handelnde Staatsorgan war, ob die staatliche Handlung gerade vorgenommen wurde, um anhand eines der aufgezählten Kriterien zu differenzieren.332 Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG verbiete nur Benachteiligungen oder Bevorzugungen, die bezweckt seien, nicht hingegen Ungleichbehandlungen als Folge einer „ganz anders intendierten Regelung“333. Auch die Vertreter dieses Modells interpretieren Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG also ausdrücklich als Verbot subjektiv bezweckter Diskriminierungen.334 So verstanden, ähnelte der besondere Gleichheitssatz einem Willkürverbot, das bloß stereotype Differenzierungen verböte, für die sich keinerlei sachlicher Grund finden ließe.335 Dagegen ist einzuwenden, dass eine grundsätzlich unzulässige Anknüpfung an eines der aufgezählten Merkmale vorliegen kann, obwohl zusätzlich weitere Motive den Anstoß für das staatliche Handeln gegeben haben. Ein gleichheitsrechtlich relevantes, von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbotenes Verhalten liegt bereits dann vor, wenn in dem ausschlaggebenden „Motiv­ bündel“336 nur ein verbotenes Kriterium enthalten ist.337 Wären ausschließlich spezifisch intendierte Diskriminierungen von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG erfasst, liefe der besondere Gleichheitssatz weitgehend leer.338 332  In diesem Sinne etwa BVerfGE 13, 46 (49) – Entschädigungsausschluss; 19, 119 (126) – Kuponsteuer; 39, 334 (368) – Radikale; 75, 40 (70) – Privatschulfinanzierung; BVerwGE 75, 86 (96); Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 3 Rn. 20; Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 154 ff.; Schlink, Der Staat 15 (1976), 335 (350); ambivalent Heckel, in: HStKR I, § 21 S. 623 (643); dagegen: Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 131; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 3 Rn. 104; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 252; Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 105. 333  BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale; vgl. Britz, JZ 2000, 1127 (1131). 334  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1754; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 71. 335  Vgl. Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 77. 336  BVerfGE 89, 276 (289) – Frauendiskriminierung; unter Bezugnahme darauf ebenso zur Kausalität i. S. v. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AGG BAG, NZA 2010, 872 (874). 337  Vgl. BVerfGE 85, 191 (206) – Nachtarbeitsverbot; 97, 35 (43) – Ruhegeldgesetz HH; 97, 186 (197) – Kleinbetriebsklausel II; 114, 357 (364) – Bleiberecht; Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 105; Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 3 Rn. 104; Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 124; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 131; Rüfner BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 561; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1754 f.; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 72. Auch auf die Evidenz einer Diskriminierung kann es nicht ankommen, vgl. Sachs, NJW 1983, 2924 (2925); ferner BVerfGE 126, 369 (397) – Fremdrentengesetz, das eine Benachteiligung ablehnt, da „allein“ (ebd.) nicht in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannte Gründe die Ungleichbehandlung erklärten. 338  Vgl. Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 64.

88 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

b) Wertungsoffenes Gleichbehandlungsgebot Jedenfalls rechtstechnisch einen völlig anderen Ansatz verfolgen diejenigen Vertreter in der Literatur, die Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als wertungsoffenes Gleichbehandlungsgebot verstehen. Mit Nachdruck geht etwa Heckel davon aus, dass Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG – in Bezug auf religiöse Anschauungen – lediglich einen relativen Gleichheitssatz normiere, der nicht jede Anknüpfung an die Religion als Benachteiligungs- oder Bevorzugungskriterium verbiete, sondern je nach Einzelfall eine Wertung zwischen konkurrierenden Grundrechten und eine Abwägung mit fundamentalen Gemeinschaftsbelangen erfordere.339 Er sieht in dem Verweis auf Kausalitäts- oder Finalitätstheorien lediglich „rechtstechnische Konstruktionen“340, die entscheidende Wertungsaufgaben verdunkelten. Andere halten nur die „unsachliche Un­ gleichbehandlung“341 für verboten. c) Gebot rechtlicher Gleichstellung Anhand einiger jüngerer bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen342 will Englisch eine Konzeption des Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG als Gebot rechtlicher Gleichstellung identifiziert haben.343 Danach sei das Benachteiligungsverbot Ausdruck der verfassungsrechtlichen Anerkennung rechtlicher Statusgleichheit von Angehörigen verschiedener, anhand der verpönten Differenzierungsmerkmale gebildeter Personengruppen. Garantiert werde die gleichberechtigte Teilhabe an staatsbürgerlichen Rechten wie dem Recht auf Berücksichtigung bei der Besetzung öffentlicher Ämter, doch erkenne das Modell an, dass das Gebot der Statusgleichheit nicht absolut gelte, so Englisch. Es bestehe Raum für Durchbrechungen um der Verwirklichung gegenläufiger Prinzipien von Verfassungsrang willen. Derartige Durchbrechungen seien jedoch strikt an die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gebunden.344 Heckel, Gleichheit, S. 98. Gleichheit, S. 96. 341  Jung, Öffentlicher Dienst, S. 51; auch Matthey, in: v. Münch, GG2, Art. 33 Rn. 27. 342  BVerfGE 85, 191 (206 f.) – Nachtarbeitsverbot; 92, 91 (109) – Feuerwehrabgabe; 113, 1 (15 f.) – Erziehungszeiten; 114, 357 (364) – Bleiberecht; 121, 241 – Teilzeitbeamter. 343  Vgl. Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 78. 344  Vgl. Englisch ebd.; eine ähnlich hohe Bedeutung wird der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit den als Begründungsverboten verstandenen Gleichheitssätzen zugemessen von Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 72 ff., die von einer „qualifizierte[n] Verhältnismäßigkeitsprüfung“ (S. 72) schreibt. 339  Vgl.

340  Heckel,



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 89

d) Modell eines strikten Anknüpfungsverbots Wohl am energischsten verficht Sachs ein Verständnis, wonach Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ein striktes Anknüpfungsverbot ist, das vorbehaltlich der Rechtfertigung durch kollidierendes Bundesverfassungsrecht jede Anknüpfung an eines der genannten Merkmale verbietet.345 Er schreibt, die Präposition wegen weise nur darauf hin, dass im Tatbestand einer einschlägigen Unterscheidung eine Anknüpfung notwendig sei. Es komme lediglich darauf an, ob eines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmale Ursache der Diskriminierung im Sinne einer conditio sine qua non gewesen sei.346 Dieses Modell sei das einfachste, zugleich aber das in seiner Wirkung konsequenteste, weil es jede Verwendung eines der genannten Merkmale als Voraussetzung für staatliches Handelns grundsätzlich ausschließe.347 Nur in verfassungsrechtlich gerechtfertigten Ausnahmefällen darf die grundrechtsgebundene öffentliche Gewalt nach diesem Verständnis Benachteiligungen oder Bevorzugungen an eines der genannten Merkmale anknüpfen. e) Anknüpfungsmodelle in der Rechtsprechung des BVerfG In der Rechtsprechung des BVerfG ist die Grundsatzproblematik der Verknüpfung von Unterscheidung und Merkmal lange Zeit nicht klar herausge345  Vgl. Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 390 ff., 428 ff.; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1752; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 69; aus der früheren Rspr. BVerfGE 5, 17 (22) – Volljährigkeit; 23, 258 (262) – Kindergeld; 52, 369 (374) – Hausarbeitstag; 64, 135 (157) – Gerichtssprache; 75, 40 (69 f.) – Privatschulfinanzierung, die zwar oftmals das Wort Anknüpfung verwenden, aber keine klare Abgrenzung zu anderen Modellen vornehmen und zum Teil in der Sache abweichen; ferner Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 131; Hesse, Grundzüge, Rn. 436; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 118; Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 191; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 561; Sacksofsky, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 Rn. 315; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 379 (dürfen nicht „unmittelbar“ anknüpfen); kritisch dagegen Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 107. Klar gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als Anknüpfungsverbot in Bezug auf Religiöses Heckel, in: HStKR I, § 21 S. 623 (635 ff.); ders., Gleichheit oder Privilegien, S. 87 ff., unter Berufung auf BVerfGE 85, 191 (207) – Nachtarbeitsverbot: „Allerdings verstößt nicht jede Ungleichbehandlung […] gegen Art. 3 Abs. 3 GG.“; zu Heckels Konzeption etwa Borowski, Gewissensfreiheit, S. 717 ff. 346  Vgl. Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 560. Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 92, weisen mit Recht darauf hin, dass auch „versteckte Diskriminierungen“ (ebd.) erfasst sind, bei denen zwar objektiv kein Katalogmerkmal vorliegt, der Handelnde sich dies aber vorstellt; zu diesem Begriff auch Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 121 S. 1642, § 122 S. 1758. 347  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1752; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 69.

90 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

stellt worden. So will das BVerfG in einer Entscheidung zur Ersatzschulenfinanzierung zugleich die Modelle der Anknüpfung, der Kausalität und der Finalität zugrunde legen. Danach sollte ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG nur dann vorliegen, wenn eine Sonderbehandlung „ihre Ursache in den durch dieses besondere Grundrecht bezeichneten Gründen“348 habe und ein „kausaler Zusammenhang“349 zwischen einem der aufgeführten Gründe und der Ungleichbehandlung bestehe. Das Verbot betreffe nur die „bezweckte Benachteiligung oder Bevorzugung“350, nicht hingegen bloße Folgen anders intendierter Regelungen. Mit dieser Argumentation gelangt das BVerfG zu dem zweifelhaften Ergebnis, ein Schulgesetz, das Bekenntnisschulen finanziell stärker fördert als sonstige Ersatzschulen, verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG. Der Gesetzgeber bevorzuge Bekenntnisschulen nicht „gerade wegen“351 ihrer inhaltlichen Ausrichtung, sondern aus fiskalischen Gründen und, um das Vertrauen der konfessionellen Schulträger nicht zu enttäuschen. Ebenfalls weit verbreitet war in der früheren Rechtsprechung die Annahme, zwischen dem Diskriminierungsmerkmal und der Unterscheidung müsse ein besonders enger Zusammenhang bestehen; Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG betreffe ausschließlich Benachteiligungen und Bevorzugungen, die nur, „allein“352 oder „gerade“353 wegen eines der aufgezählten Kriterien beziehungsweise ohne anderen „beachtlichen Grund“354 erfolgt seien. Seit einer als „Klarstellung“355 bezeichneten Änderung seiner früheren Rechtsprechung im Nachtarbeitsurteil aus dem Jahr 1992 formuliert das 75, 40 (70) – Privatschulfinanzierung. 75, 40 (70) – Privatschulfinanzierung. 350  BVerfGE 75, 40 (70) – Privatschulfinanzierung. 351  BVerfGE 75, 40 (71) – Privatschulfinanzierung; wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist die Regelung im Privatschulgesetz HH freilich dennoch nichtig. 352  BVerfGE 43, 213 (225) – Rentenbemessungsgrundlage; 57, 335 (342) – Angestelltenversicherung. 353  BVerfGE 2, 266 (267, 6. LS) – Notaufnahmegesetz; BVerwGE 91, 140 (147 f.); 106, 191 (194 f.); ähnlich OVG HH, NVwZ 1986, 406 (408); Heckel, in: FS Dürig, 1990, S. 241 (244 f.). 354  BVerfGE 52, 369 (374) – Hausarbeitstag. Problematisch die Formulierung von Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 379, der nicht jedes Kausalitätsverhältnis als verboten ansieht und die Einschlägigkeit von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Einzelfall verneint, weil eine Ungleichbehandlung „begründet werden“ könne, „ohne auf ein Merkmal des Art. 3 Abs. 3 S. 1 abzustellen.“ Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1754; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 72, weist darauf hin, dass es sich dabei nicht um ein eigenes Modell handelt, sondern lediglich ein engerer kausaler oder finaler Zusammenhang vorausgesetzt werde. 355  BVerfGE 85, 191 (206) – Nachtarbeitsverbot, gegenüber BVerfGE 75, 40 (70) – Privatschulfinanzierung. 348  BVerfGE 349  BVerfGE



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BVerfG dagegen: „Das Geschlecht darf grundsätzlich – ebenso wie die anderen in Abs. 3 genannten Merkmale – nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn eine Regelung nicht auf eine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt […].“356 Gegenstand des Nachtarbeitsurteils war eine Benachteiligung von Frauen wegen ihres Geschlechts, doch erstreckt das Gericht seine Rechtsprechung auf die anderen in Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG genannten Diskriminierungsmerkmale. Danach enthalten die Diskriminierungsverbote „grundsätz­ lich“357 ein Verbot der Anknüpfung an die genannten Merkmale. f) Stellungnahme Gegen das Finalitätsmodell ist einzuwenden, dass ein wirksamer Schutz vor verbotenen Benachteiligungen und Bevorzugungen allzu leicht vereitelt werden könnte, indem man die verbotene Diskriminierung durch Motive verdeckte, die zwar an sich verfassungskonform sind, die aber die fragliche Maßnahme nur scheinbar tragen.358 Ferner ist zu konstatieren, dass das BVerfG auch im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 GG bei der Prüfung auf willkürliche Ungleichbehandlungen in ständiger Rechtsprechung nicht darauf abstellt, ob der Handelnde subjektiv von einer willkürlichen Absicht getrieben war, sondern ob objektiv ein sachlicher Grund für die Differenzierung vorlag.359 Es ist kein Grund dafür ersichtlich, davon abweichend bei Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG auf subjektive Motive der Handelnden abzustellen. Weiterhin wäre die Berücksichtigung einer diskriminierenden Absicht als subjektive Motivation für differenzierendes Verhalten mit erheblichen Beweisproblemen verbunden. Das BVerfG betont daher in seiner jüngeren 356  BVerfGE 85, 191 (206) – Nachtarbeitsverbot; vgl. BVerfGE 89, 276 (288 f.) – Frauendiskriminierung; 97, 35 (43) – Ruhegeldgesetz HH; 114, 357 (364) – Bleiberecht; 121, 241 (254 f.) – Teilzeitbeamter; 113, 1 (20) – Erziehungszeiten: „[…] kann in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein“. 357  BVerfGE 85, 191 (206) – Nachtarbeitsverbot; BVerfG (K), NVwZ 1999, 756 (756); ganz ähnlich Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 250. Vgl. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 131; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 73; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1755. Abschließend geklärt ist das Verständnis von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG in der Rechtsprechung des BVerfG allerdings bis heute nicht, wie Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 80, anhand zweifelhafter Beispiele, doch im Ergebnis wohl zu Recht darlegt. 358  Vgl. Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 125; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 252; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 77. 359  Vgl. BVerfGE 64, 243 (249) – Kinderzuschlag; 85, 238 (245) – Taxenverkehr; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 20, 560.

92 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Rechtsprechung zu Recht, eine Ungleichbehandlung könne auch dann vorliegen, wenn eine Regelung nicht auf eine solche angelegt sei, sondern (auch) andere Ziele verfolge. Dass allein das Verständnis als Anknüpfungsverbot richtig ist, belegt Sachs durch Argumente anhand aller traditionellen Auslegungsmethoden.360 In der Tat lassen sich überzeugende Gründe dafür anführen, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als striktes Anknüpfungsverbot zu verstehen. So spricht die Präposition „wegen“ im Wortlaut des Verfassungstextes im Zusammenhang mit der passivischen Formulierung (benachteiligt oder bevorzugt werden) dafür, dass sich der besondere Gleichheitssatz nicht nur gegen bestimmte diskriminierend motivierte Verhaltensweisen richtet, sondern jeden beim Grundrechtsträger eintretenden Diskriminierungserfolg verhindern will.361 Ebenso wenig bieten Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1, 2 WRV einen Anhaltspunkt für Anforderungen kausal-finaler Art, sondern sie verbieten ebenso unbeabsichtigte Diskriminierungswirkungen. Beide Normen werden durchweg als insoweit gleichbedeutend mit Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG angesehen362 und sind deswegen aus systematischen Erwägungen in gleicher Weise auszulegen. Weiterhin spricht die Existenz eines gesonderten dritten Absatzes in Art. 3 GG dafür, diesem eine strikte Verbotswirkung zuzumessen und ihn nicht in gleichem Maße für rechtfertigende Abwägungen zu öffnen wie Art. 3 Abs. 1 GG.363 Der Zweck des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, unmittelbar durch die Verfassung bestimmte Merkmale als Differenzierungskriterien auszuschließen, würde unterlaufen, wenn man den Gleichheitssatz in einer Weise interpretierte, die die Anwendung der aufgezählten Differenzierungskriterien je nach Motiv und Ziel der Regelung doch zuließe.364 Denn damit könnte – wie im Anwendungsbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes, zumindest in seiner Bedeutung als Willkürverbot – praktisch jede mehr oder weniger plausible Rechtfertigung von merkmalsbezogenen Benachteiligungen oder Bevorzugungen, die doch ausgeschlossen sein sollen, akzep360  Vgl. schon früh Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 428 ff.; ders., in: HStR VIII, § 182 Rn. 73 ff.; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1755 ff., je m. w. N.; kritisch Huster, Rechte und Ziele, S. 316 f. 361  Vgl. Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 431; ders., in: HStR VIII, § 182 Rn. 74. 362  Vgl. Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 42; Ehlers, ebd., Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 2. 363  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 75; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1756; ferner Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 54, die alle „Wertungsfragen“ (ebd.) auf der Prüfungsstufe der Rechtfertigung bündeln wollen. 364  Ablehnend auch BVerfGE 121, 241 (254) – Teilzeitbeamter; vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 77.



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tabel erscheinen. Es bliebe unberücksichtigt, dass der Verfassunggeber Art. 3 Abs. 3 GG bewusst nicht unter einen Gesetzesvorbehalt gestellt hat; Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verlöre weitgehend seine eigenständige Bedeutung.365 Ein striktes Anknüpfungsverbot besitzt demgegenüber die größtmögliche Effektivität.366 Gegen das Modell eines strikten Anknüpfungsverbotes spricht nicht, dass dieses die Rechtsfigur mittelbarer Diskriminierungen nicht in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG integriert.367 Aus der US-amerikanischen Rechtsprechung kommend hat dieser Begriff über das Recht der Europäischen Gemeinschaft Eingang in das deutsche Recht gefunden,368 sodass seit einigen Jahren zunehmend auch im deutschen Verfassungsrecht über die Behandlung mittelbarer Benachteiligungen diskutiert wird. Eine mittelbare beziehungsweise indirekte Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regelung zwar nicht unmittelbar an eines der aufgezählten Kriterien anknüpft und deswegen dem Anschein nach neutral ist, gleichwohl aber faktisch Personen wegen eines solchen Merkmals benachteiligt oder bevorzugt werden, vgl. § 3 Abs. 2 AGG. Gemäß den einschlägigen europäischen Richtlinien müssen solche mittelbar anknüpfenden Regelungen durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sein, und die eingesetzten Mittel müssen zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein.369 Ob auch Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG solche mittelbaren Diskriminierungen verbietet oder sich nur gegen die unmittelbare Anknüpfung an die genannten Merkmale wendet, ist umstritten.370 Das BVerfG greift seit 1997 die fach- und europarechtliche Rechtsprechung auf, wonach eine Benachteili365  Vgl. Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 434; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1757 f. 366  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 77; ferner Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 65. 367  Vgl. Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 78, 82; ferner Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 107. 368  Vgl. Koch / Nguyen, EuR 2010, 364 (365 ff.); Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 86; aus der Rspr. früh etwa EuGHE 1974, 153 Rn. 11 ff. – Sotgiu / Deutsche Bundespost. 369  Art. 2 Abs. 2 lit. b) RL 2000 / 43 / EG, Art. 2 Abs. 2 lit. b) RL 2000 / 78 / EG, Art. 2 Abs. 2 2. Hs. RL 2002 / 73 / EG zur Änderung der RL 76 / 207 / EWG, Art. 2 lit. b) RL 2004 / 113 / EG, Art. 2 Abs. 1 lit. b) RL 2006 / 54 / EG; dazu etwa Hey, in: ders., AGG, § 3 Rn. 15. 370  Vgl. für die Einbeziehung mittelbarer Diskriminierungen: Jarass, in: ders. / Pieroth, Art. 3 Rn. 87, 119; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 255 ff.; Uerp­ mann-Wittzack, in: HGR V, § 128 Rn. 15; ebenfalls noch Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 3 Rn. 103; anders im Grundsatz nun Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 130, 145; gegen die Einbeziehung auch Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 95.

94 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

gung wegen des Geschlechts auch dann vorliegen könne, wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung überwiegend Frauen treffe und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen sei.371 Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass (angeblich) mittelbar diskriminierende Regelungen gerade nicht an ein verbotenes Merkmal anknüpfen. Mag das verwendete Differenzierungskriterium auch typischerweise auf ein von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genanntes Merkmal hindeuten,372 so wird doch gerade nicht an ein solches angeknüpft; dieses ist nicht conditio sine qua non für die Unterscheidung. Weiterhin eignen sich die strikten Normen der besonderen Gleichheitssätze auch nicht zur Lösung der Probleme mittelbarer Diskriminierungen,373 sofern man in deren Prüfung nicht ausnahmsweise systemwidrig eine Art Verhältnismäßigkeitsprüfung integriert. Wollte man Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG auf mittelbare Diskriminierungen anwenden, müsste man im gleichen Zug insoweit die strikten Anforderungen der Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbote aufgeben, die diesen jedoch neben dem allgemeinen Gleichheitssatz erst ihre Bedeutung verleihen.374 Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG darf deswegen nicht auf an sich neutrale Merkmale ausgedehnt werden. Stattdessen sind solche Fälle am Maßstab des Art. 3 371  Noch offen gelassen von BVerfGE 97, 35 (43 f.) – Ruhegeldgesetz HH; vgl. später BVerfGE 104, 373 (393) – Familiendoppelnamen; 113, 1 (15) – Erziehungszeiten; 121, 241 (254 f.) – Teilzeitbeamter; BVerfGE 132, 72 Rn. 57 – Elterngeld, zur Einbeziehung rechtlich bedingter Unterscheidungen; anders die frühere Judikatur, vgl. BVerfGE 64, 135 (156 f.) – Gerichtssprache, das einen Anspruch einer fremdsprachigen Prozesspartei auf Übersetzung schriftlicher Gerichtsentscheidungen ablehnt; zuletzt BVerfGE 131, 239 (258 f.) – Homo-Ehe, für Gleichstellung von unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungen; allgemein Osterloh, in: Sachs, GG, Art.  3 Rn.  255, m. w. N. 372  Vgl. BVerfGE 124, 199 (221 f.) – Hinterbliebenenversorgung; 126, 400 (419) – Erbschaftssteuer; 131, 239 (258 f.) – Homo-Ehe; BVerfGE 132, 179 – Homo-Ehe: Grunderwerbssteuer, wonach Benachteiligungen eingetragener Lebenspartnerschaften gegenüber der Ehe „in Anknüpfung an die sexuelle Orientierung“ (Rn. 35) erfolgten, weil erstere „typischerweise“ (Rn. 34) homosexuelle Menschen beträfen. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt in diesen Fällen nicht vor, weil eingetragene Lebenspartnerschaften nicht vom (gleichen) Geschlecht der Beteiligten abhängig sind. Die genannten Entscheidungen messen die betroffenen Regelungen an Art. 3 Abs. 1 GG, berufen sich jedoch wegen der Nähe zu den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG auf verschärfte Anforderungen an den Differenzierungsgrund. Sachs, JuS 2010, 561 (563), spricht insoweit bei erkennbarer Absicht des Normsetzers, homosexuelle Lebenspartner zu benachteiligen, von einer „versteckten“ (ebd.) und nicht bloß mittelbaren Diskriminierung, die wie eine unmittelbare Anknüpfung zu behandeln sei. 373  Vgl. Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 567. 374  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 32; Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 144 f.; zurückhaltend aus anderer Richtung Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (116).



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 95

Abs. 1 GG auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.375 Da es für dessen Anwendung nicht auf die Anknüpfung an einzeln vorgegebene Kriterien ankommt, sondern auf die tatsächlichen Wirkungen einer Regelung und zudem der Prüfungsmaßstab flexiblere Abwägungen ermöglicht, ist der allgemeine Gleichheitssatz die richtige Norm zur Bewältigung der Probleme, die rund um den Begriff der mittelbaren Diskriminierung bestehen.376 Angesichts dieser interessengerechten Lösungsmöglichkeit über den allgemeinen Gleichheitssatz ist es nicht angezeigt, Fälle mittelbarer Diskriminierungen in die besonderen Gleichheitssätze einzubeziehen.377 Schließlich gebietet ein Verständnis der besonderen Gleichheitssätze als Anknüpfungsverbote auch keine „schematische[…] Gleichbehandlung, ohne differenzierende Ausnahmen“.378 Denn, wie noch zu zeigen sein wird, kann kollidierendes Verfassungsrecht grundrechtsbegrenzende Wirkung haben, sodass im Ergebnis nur, aber immerhin, nicht so gerechtfertigte Benachteiligungen und Bevorzugungen wegen eines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmale verboten sind. g) Zwischenergebnis zu 4. Folglich ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als Anknüpfungsverbot zu verstehen. Dieses Verständnis hat sich zu Recht seit dem Nachtarbeitsurteil des BVerfG durchgesetzt379 und wird im Rahmen dieser Arbeit zugrunde gelegt. 375  Vgl. Borowski, Gewissensfreiheit, S. 720 f.; Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 145; Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 125; Rüfner, in: FS Friauf, 1996, S. 331 ff.; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 96; grds. auch Sacksofsky, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 3 Rn. 315; Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 194; Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 110, hält dies für konsequent, sofern man in Art. 3 Abs. 3 GG ein striktes Anknüpfungsverbot sehe. 376  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2 S. 1758 f.; Britz, JZ 2000, 1127 (1131). 377  Gegen eine Überbewertung dieses Streits Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 95, weil sich die unterschiedlichen Lösungswege im Ergebnis nahe kämen. 378  So aber Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 65 f. Ähnliches befürchtet wohl Heckel, Gleichheit, S. 97, der als Beispiel die Bestrafung eines religiös fanatischen Straftäters anführt, die nicht durch Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verboten sein dürfe, obwohl die religiöse Motivation des Täters conditia sine qua non für die strafrechtliche Verurteilung ist. 379  Vgl. BVerfGE 85, 191 (206) – Nachtarbeitsverbot; 89, 276 (288 f.) – Frauendiskriminierung; 92, 91 (109 ff.) – Feuerwehrabgabe; 97, 35 (43) – Ruhegeldgesetz HH; 114, 357 (364) – Bleiberecht; 121, 241 (254 f.) – Teilzeitbeamter; BVerfG (K), NVwZ 1999, 756 (756); BVerfGK 14, 381 (385). Ein spätes Beispiel für die vorherrschende Verwirrung bietet BVerfGE 75, 40 (69 f.) – Privatschulfinanzierung, das die Modelle der Anknüpfung, der Kausalität und der Finalität zugleich zugrunde legt, um die bevorzugte Behandlung von Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen

96 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

5. Modus der Anknüpfung Eine Anknüpfung der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt liegt vor, wenn gesetzliche Regelungen eines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Kriterien ausdrücklich zur tatbestandlichen Voraussetzung für Benachteiligungen oder Bevorzugungen machen oder wenn der Staat diese Kriterien im Einzelfall als (geschriebene oder ungeschriebene) Entscheidungsmaximen heranzieht.380 Weiterhin sind jedoch auch Anknüpfungen denkbar, die keines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG aufgezählten Merkmale ausdrücklich nennen. Dies gilt für die Ersetzung eines Merkmals durch ein Synonym ebenso wie für die Anknüpfung an solche Eigenschaften, die nur, aber nicht immer bei Trägern eines der genannten Merkmale auftreten, wie etwa die Schwangerschaft bei Frauen.381 Anders gelagert und von Rechtsprechung und Schrifttum bislang, soweit ersichtlich, im Hinblick auf die Gleichheitssätze nicht hinreichend herausgestellt, sind demgegenüber Konstellationen, in denen die grundrechtsgebundene Staatsgewalt ihre Entscheidung vom Votum eines Dritten abhängig macht, der selbst (insoweit) nicht grundrechtsgebunden ist. So mag sich der Staat beispielsweise an Entscheidungen einzelner Bürger, politischer Parteien oder der Religionsgemeinschaften binden. Knüpft der Dritte bei dieser Entscheidung – aus seiner Perspektive durchaus berechtigter Weise –382 an eines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmale an, so darf sich der Staat diese Anknüpfung grundsätzlich nicht zu eigen machen. Handelt der Staat unter Berufung auf ein solches Verhalten des Dritten in dessen Sinne, so ist das staatliche Verhalten an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu messen, so als ob der Staat selbst an eines der dort genannten Merkmale angeknüpft hätte. bei der Privatschulförderung zu legitimieren; BVerwGE 74, 134 (137 f.), begnügt sich in ähnlichem Zusammenhang gar mit sachlich vertretbaren Gründen; ebenfalls noch im älteren Sinne BVerfG (K), NJW 1993, 3316 (3317). Vgl. aus der Literatur für ein Verständnis als Anknüpfungsverbot etwa: Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 390 ff., 428 ff.; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1752; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 68 f.; Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 131; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 560; ablehnend Heckel, in: HStKR I, § 21 S. 623 (635 ff.); zu dessen Konzeption etwa Borowski, Gewissensfreiheit, S. 717 ff. 380  Vgl. zu Besonderheiten bei einer „Anknüpfung außerhalb der Normsetzung“ Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 451 ff.; ders., in: HStR VIII, § 182 Rn. 30. 381  Vgl. Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 145; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 31; ders., Diskriminierungsverbot, S. 459 f., je m. w. N. 382  Vgl. Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 139, wonach Art. 3 Abs. 3 GG keine unmittelbare Drittwirkung hat, sondern es dem Bürger vielmehr prinzipiell erlaubt ist, nach den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 GG zu differenzieren; ebenso so zu Art. 33 Abs. 3 GG Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 33; allgemein Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 90.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 

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Prinzipiell ist eine Berücksichtigung solcher aus der Gesellschaft stammender Auffassungen nicht verwerflich, sie mag sogar aus grundrechtlichen Erwägungen geboten sein. Jedoch ist dem Staat weder eine „Flucht aus der Grundrechtsbindung“383 zuzugestehen, noch kann er sich dadurch aus seiner Verantwortung befreien, dass er grundrechtsrelevante Entscheidungen Dritten mit fortbestehender Entscheidungsfreiheit überlässt, soweit sich diese wiederum im Rahmen des Vorhersehbaren verhalten. Verschafft der Staat Dritten die Gelegenheit zur Einwirkung auf Grundrechte,384 ist er jedenfalls bei der Entscheidung über die Delegation von Entscheidungsbefugnissen an die Grundrechte gebunden. Diese Bindung ist nicht auf einzelne (Freiheits-) Grundrechte beschränkt; sie umfasst auch die besonderen Gleichheitssätze. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist dabei insbesondere dann relevant, wenn derjenige, dem ein Mitentscheidungsrecht eingeräumt werden soll, eine besondere Nähe zu einem der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmale aufweist, wie etwa die Religionsgemeinschaften oder politische Parteien und andere politisch besetzte Gremien. Eine Benachteiligung eines einzelnen Grundrechtsträgers liegt in diesen Konstellationen dann vor, wenn die von einem Dritten getroffene Entscheidung wiederum Auswirkungen auf das weitere Verhalten der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt hat, die Entscheidung des Dritten möglicherweise sogar vom Staat vollzogen wird. Es handelt sich dabei nicht um Drittbeeinträchtigungen im Sinne von Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgegenstände durch das Verhalten anderer Grund­ rechtsträger,385 sondern um staatliche Grundrechtsbeeinträchtigungen, die der Staat (lediglich) auf Veranlassung Dritter vornimmt. 383  Im Kontext einer etwaigen „Flucht“ ins Privatrecht zuletzt BVerfGE 128, 226 (245) – Fraport. 384  Vgl. BVerfGE 123, 148 (178, 183 ff.) – Jüdische Gemeinde Bbg, zu Anforderungen an die staatliche Überlassung von Fördergeldern an einen religiösen Verband mit dem Auftrag, die Gelder an andere Vereinigungen auszuzahlen; zu Maßnahmen eines gerichtlich bestellten Betreuers sehr vorsichtig BVerfG (K), NJW 2002, 206; allgemein: Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 78 S. 195 f.; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 89 f.; im Ergebnis ähnlich Peine, in: HGR III, § 57 Rn. 37, der den Maßnahmen Privater ausnahmsweise Eingriffsqualität zuschreibt, wenn der Staat sie begünstige, indem er Genehmigungen dazu erteile oder Sanktionen androhe, „und auf diese Weise die Zurechnung zu einem Hoheitsträger möglich ist“ (ebd.). 385  Vgl. zu diesem Verständnis der Bezeichnung Drittbeeinträchtigung etwa Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 89. Als Fall einer solchen Drittbeeinträchtigung ließe sich die BVerfGE 123, 148 – Jüdische Gemeinde Bbg, zugrunde liegende Konstellation ansehen, in der ein religiöser Verband öffentliche Fördergelder erhält, die dieser zur Unterstützung der Ortsgemeinden – jedenfalls teilweise – angemessen weiterverteilen soll (vgl. ebd. S. 159). Abweichend vom oben geschilderten Verfahren trifft dabei also der Dritte in eigenem Namen außenwirksame Entscheidungen, sodass das BVerfG ihn – ähnlich einem Beliehenen – als an grundrechtliche Vorgaben gebunden ansieht (S. 183 f.). Ähnliches dürfte für die Verteilung von Stipendien

98 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Obwohl die Anknüpfung an eines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmale in solchen Fällen nur vermittelt über die Entscheidung des jeweils eingeschalteten Dritten erfolgt, handelt es sich dabei nicht um mittelbare Diskriminierungen im herkömmlichen Sinn, die nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung nicht von den besonderen Gleichheitssätzen erfasst wären.386 Denn bei der vom Staat auf Veranlassung eines Dritten vollzogenen gleichheitsrelevanten Bevorzugung oder Benachteiligung ist das Anknüpfungsmerkmal – namentlich die religiösen oder politischen Anschauungen – sehr wohl conditio sine qua non für die Rechtsfolge.387 Aus der Perspektive eines Benachteiligten liegt die Ursache für das staatliche Verhalten gerade darin, dass er Träger eines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmale ist. Der Unterschied zu einer klassischen ausdrücklichen, unmittelbaren Anknüpfung besteht darin, dass der Staat die Anknüpfung nicht selbst vornimmt, sondern stattdessen eine ihrerseits an ein solches Merkmal anknüpfende Entscheidung eines Dritten vollzieht. Im Folgenden wird diese Form der Anknüpfung durch Maßnahmen des Staates in Abhängigkeit von Entscheidungen Dritter, die ihrerseits an in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannte Kriterien anknüpfen, als Kettenanknüpfung bezeichnet. Mit dieser Terminologie soll zum Ausdruck gebracht werden, dass zwar der Staat nicht selbst ausdrücklich und unmittelbar an religiöse oder politische Anschauungen anknüpft, dass die staatliche Entscheidung aber gleichwohl mit der (potenziell) benachteiligenden oder bevorzugenden Anknüpfung des Dritten verkettet ist. Unter diesem Aspekt werden als relevante Beeinträchtigungen auch die Regelungen erfasst, die den Staat zu solchen Kettenanknüpfungen verpflichten. Solche abstrakten Regelungen enthalten zwar noch keine individuelle Benachteiligung oder Bevorzugung, doch sind sie in Anbetracht der besonderen Gleichheitssätze gleichwohl rechtfertigungsbedürftig. Die Einbeziehung dieser Kettenanknüpfungen in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG (und der anderen besonderen Gleichheitssätze) stellt sicher, dass religiöse und politische Anschauungen auch tatsächlich durch den Staat „in keinerlei Zusammenhang [mit den gewährleisteten Rechtspositionen] gebracht“388 werden.

aus Bundesmitteln durch partei- oder religionsnahe Stiftungen gelten, wobei die Details insoweit indes näher zu untersuchen wären. 386  Siehe schon 2. Kap. D. II. 4. f). 387  Vgl. zu diesem Kriterium Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 32, m. w. N. 388  Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 399.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 99

6. Vergleichbarkeit als Voraussetzung des grundrechtlichen Tatbestandes Eine Bevorzugung oder Benachteiligung setzt eine Vergleichsperson voraus, der gegenüber der fragliche Vor- oder Nachteil besteht. Maßgeblich ist ein Vergleich der Lage des vom Staatsverhalten Betroffenen mit derjenigen Nichtbetroffener.389 Möglicherweise muss jedoch zudem Vergleichbarkeit zwischen zwei merkmalsbedingt unterschiedlich Behandelten gegeben sein, um Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG überhaupt anwenden zu können. Das BVerfG geht davon aus, dass sich Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG nicht anwenden lässt, wenn keine sinnvolle Vergleichsgruppe existiert, weil etwa biologische Unterschiede den Lebenssachverhalt so entscheidend prägen, dass vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten.390 Kann der geregelte Lebenssachverhalt von den verschiedenen Trägern eines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmale überhaupt nicht verwirklicht werden, fehlt die Vergleichbarkeit der geregelten Fälle, die unerlässliche Voraussetzung für die Anwendung jeder Gleichheitsregelung ist.391 Wegen der „biologischen Besonderheit der Frau“392 sei Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG in solchen Fällen mangels Unterscheidung nicht anwendbar, obwohl die fraglichen Vorschriften nur Angehörige eines Geschlechts betrafen, so das BVerfG in seiner früheren Rechtsprechung.393 Später bejahte das BVerfG auch in solchen Fällen eine „Ungleichbehandlung“394, nahm aber an, differenzierende Regelungen könnten zulässig sein „soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich“395 seien. 389  Vgl. Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 3 Rn. 103; Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 38 ff.; allgemeiner Adomeit, in: ders. / Mohr, AGG, Einf. Rn. 55; zu pauschal Stein / Frank, Staatsrecht, S. 424. 390  Vgl. jeweils bezogen auf das Geschlecht BVerfGE 3, 225 (242) – Gleichberechtigung; 5, 9 (12) – Arbeitszeitbeschränkung; 6, 389 (422 ff.) – Homosexuelle; 10, 59 (74 f.) – Stichentscheid; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 272; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 33 ff.; ausführlich ders., Diskriminierungsverbot, S. 330 ff.; s. aber zuletzt Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 40 ff., die die „Vergleichbarkeit“ als wertendes Element nicht dem Tatbestand, sondern der Prüfungsstufe der Rechtfertigung zuordnen wollen. 391  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 33 ff.; ausführlich ders., Diskriminierungsverbot, S.  330 ff. 392  BVerfGE 5, 9 (12) – Arbeitszeitbeschränkung. 393  Vgl. BVerfGE 3, 225 (242) – Gleichberechtigung; 5, 9 (12) – Arbeitszeitbeschränkung; 6, 389 (422 ff.) – Homosexuelle; 10, 59 (74 f.) – Stichentscheid. 394  BVerfGE 85, 191 (207) – Nachtarbeitsverbot. 395  BVerfGE 85, 191 (207) – Nachtarbeitsverbot; 92, 91 (109) – Feuerwehrabgabe; 132, 72 Rn. 58 – Elterngeld; BVerfGK 14, 381 (385), st. Rspr.; vgl. ferner Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 76.

100 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Allerdings sieht die jüngere Literatur Vergleichbarkeitsvorbehalte auf der Ebene des grundrechtlichen Tatbestandes von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG kritisch: Wegen ihrer wertenden Elemente sollten die entsprechenden Erwägungen besser auf der Prüfungsebene der Rechtfertigung angestellt werden, so etwa die Forderung von Kempny / Reimer.396 Zudem hat auch die Rechtsprechung die Vergleichbarkeit bislang, soweit ersichtlich, nur in ausgewählten Fällen geschlechtsabhängiger Unterscheidungen verneint.397 Folglich bietet fehlende Vergleichbarkeit kein Argument für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der anschauungsgebundenen Vergabe öffentlicher Ämter.398

III. Grundrechtsbegrenzungen Grundsätzlich sind zwei verschiedene Formen von Grundrechtsbegrenzungen zu unterscheiden:399 Einerseits sind Begrenzungen auf der Ebene des Grundrechtstatbestandes möglich, die dazu führen, dass die in der Grundrechtsbestimmung vorgesehene Rechtsfolge für die betroffenen Fälle von vornherein nicht durchgreift. Werden solche, den Grundrechtstatbestand verkleinernden Voraussetzungen außerhalb des Grundrechtsgewährleistungssatzes aufgestellt, so können sie im Anschluss an Sachs als quasi-tatbestandliche Begrenzungen bezeichnet werden, die sich lediglich äußerlich durch ihren Standort von unmittelbar in der Grundrechtsbestimmung normierten Elementen des Grundrechtstatbestandes abheben.400 Davon zu unterscheiden ist die Begrenzung von Grundrechten durch Vorbehalte, die der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt ein Verhalten ermöglichen, das andernfalls als Grundrechtsbeeinträchtigung verfassungswidrig wäre.401 Dazu zählen insbesondere Gesetzesvorbehalte, die der Legislative ausdrücklich Gestaltungsmöglichkeiten unter Begrenzung grundrecht­ 396  Vgl. Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 44; kritisch auch Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 76. 397  Grds. für die natürliche Unvergleichbarkeit als Begrenzungskriterium, aber gegen Einschlägigkeit im Einzelfall etwa BVerfGE 85, 191 (207 ff.) – Nachtarbeitsverbot; 132, 72 Rn. 59 f. – Elterngeld. Vgl. Ehlers, ZevKR 54 (2009), 253 (269); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1759: „spielt für die übrigen Merkmale des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG [sc. abgesehen vom Geschlecht] keine wesentliche Rolle“. 398  Vgl. für praktische Irrelevanz Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1761, bezogen auf die Befreiung von Geistlichen von der Wehrpflicht (sog. Geistlichenprivileg). 399  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 79 S. 230; Sachs, Grundrechte, A9 Rn. 1. 400  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 79 S. 230; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 100; ders., Grundrechte, A9 Rn. 2. 401  Vgl. zur Wirkungsweise Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 79 S. 231 ff.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 101

licher Gewährleistungen einräumen.402 Von ihrer Wirkung her vergleichbar sind Grundgesetzbestimmungen, die zwar nicht explizit dazu ermächtigen, ein Grundrecht einzuschränken, dem Gesetzgeber aber gleichwohl – insbesondere in Folge einer Kollision von Verfassungsbestimmungen – Gestaltungsspielraum gegenüber grundrechtlichen Gewährleistungen einräumen beziehungsweise ihn mit einer entsprechenden Entscheidung beauftragen. Solche nicht-expliziten Grundrechtseinschränkungsvorbehalte lassen sich in Anlehnung an den Begriff der quasi-tatbestandlichen Begrenzungen als Quasi-Gesetzesvorbehalte bezeichnen. 1. Begrenzungen auf der Ebene des grundrechtlichen Tatbestandes Zu untersuchen ist daher, ob und gegebenenfalls inwiefern Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG tatbestandlich begrenzt wird. a) Beschränkung auf sachwidrige Benachteiligungen und Bevorzugungen Das Verständnis von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als Anknüpfungsverbot führt zu einem vergleichsweise strengen Rechtssatz, der jegliche benachteiligende oder bevorzugende Anknüpfung des Staates an eines der genannten Merkmale verbietet. Weil diese Verbotswirkung in der Staatspraxis der Bundesrepublik nicht immer erwünscht war, gibt es in Rechtsprechung403 und Schrifttum404 variantenreiche Ansätze, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu einem bloSachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 80 S. 369 ff. BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale; BVerwGE 74, 134 (137); ferner BVerfGE 7, 155 (171 f.) – Bürgermeisterabwahl; 75, 40 (70) – Privatschulfinanzierung: „Verbot […] gilt nicht absolut“. BFHE 230, 93 Rn. 48 hält „sachbezogene Differenzierungen in Anknüpfung an religiöse oder weltanschauliche Sachverhalte“ für nicht von Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG verboten und ist damit mindestens missverständlich. 404  Vgl. mit Unterschieden im Detail in eine solche Richtung Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 3 Rn. 58; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 240 ff., unter Berücksichtigung auch der Freiheitsgrundrechte; Stein / Frank, Staatsrecht, S. 424; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 556, zufolge soll Art. 3 Abs. 3 GG insbes. für Religionsgemeinschaften „eine unterschiedlich den besonderen Verhältnissen angepasste und gleichwertige Behandlung zu[lassen].“ Für bloße Gleichwertigkeit der religiösen Anschauungen Heckel, in: FS Dürig, 1990, S. 241 ff. (insbes. S. 244); ders., Gleichheit oder Privilegien, S. 53, 69 ff.; ähnlich ders., in: HStKR I, § 21 S. 623 (627 f.); differenzierend ebd., S. 633 f.; ferner Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1310, wonach aus der Natur der Sache folgende Gründe zur Zulässigkeit einer Differenzierung führen. 402  Vgl. 403  Vgl.

102 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

ßen Gleichwertigkeitsgebot herabzustufen, die sich dadurch ähneln, dass sie das Benachteiligungsverbot im Hinblick auf angeblich sachgerechte Unterscheidungen für unanwendbar halten. Teils wird diesem Sachgerechtigkeitskriterium tatbestandsbegrenzende, teils rechtfertigende405 Wirkung zugemessen; oft erfolgt die Argumentation ohne diese Unterscheidung. Ähnlich argumentiert Heckel, der Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG für nicht einschlägig hält, wenn einer fraglichen Bevorzugung beziehungsweise Benachteiligung eine Kompensation gegenüberstehe. Das betreffe – so Heckel – etwa die „getrennte, aber gleichwertige Einrichtung des katholischen und evangelischen Religionsunterrichts, der Religionslehrerausbildung, Theologenfakultäten usw.“406. Eine konfessionsbedingte Benachteiligung im Fall a könnte dann durch eine korrespondierende Bevorzugung im Fall b kompensiert werden. Die in der separate but equal-Diskussion im Fall von in Rasse- und Geschlechtsdifferenzierungen geltend gemachten Bedenken könnten allenfalls eingeschränkt auf religiöse Benachteiligungen übertragen werden, da Lebenswirklichkeit und Ordnungsprinzipien verschieden seien.407 Weil die Zugehörigkeit zu einer Konfession durch die Religionsfreiheit in die Hand der Grundrechtsträger gelegt sei, dürfe und müsse der Staat diese freie Entscheidung des Einzelnen respektieren und im Religionsrecht differenziert berücksichtigen; nur in manchen Rechtsbereichen sei eine unterschiedslose, formalparitätische Gleichbehandlung geboten; in allen anderen Fällen reiche Gleichwertigkeit suo modo, so Heckel.408 Indes setzt diese Argumentation eine wertende Entscheidung über Hinlänglichkeit, Gleichwertigkeit und Sachgerechtigkeit einer Kompensationsmaßnahme voraus. Gegen ein solches Verständnis als bloßes Sachwidrigkeitsverbot lassen sich wichtige Argumente anführen. Vor allen anderen begründet Sachs409 seine Ablehnung ausführlich anhand der gängigen Auslegungsmethoden, deren wichtigsten Ergebnisse hier kurz zusammengefasst werden sollen: Während die grammatikalische Auslegung zu keinem eindeutigen Befund über das Sachgerechtigkeitskriterium führt,410 ist aus der 405  Vgl.

BVerwGE 74, 134 (137). Gleichheit, S. 82; ders. in: HStKR I, § 21 S. 623 (632); vgl. Isak, Selbstverständnis, S. 223, für eine differenzierte Behandlung je nach Selbstverständnis der Religionsgemeinschaften. 407  Vgl. Heckel, Gleichheit, S. 84. 408  Vgl. Heckel, Gleichheit, S. 84; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 3 Rn. 58; ferner BVerwG, NVwZ-RR 2013, 363, wo geschlechtergetrennte, aber „gleichwertige[…] Schulausbildung“ gebilligt wird; BVerwGE 94, 82 (94). 409  Siehe insbes. Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 304 ff., m. w. N.; auch ders., in: HStR VIII, § 182 Rn. 62 ff.; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1744 ff. 410  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 63; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1744 f. 406  Heckel,



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 103

Entstehungsgeschichte des Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG belegt, dass sich der Parlamentarische Rat nach dem Zweiten Weltkrieg explizit vom nationalsozialistischen Unrecht abwenden und den gleichen Wertanspruch aller Menschen unmissverständlich festschreiben wollte.411 Das spricht dafür, dass die zu konstatierende Relativität des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG – insbesondere in dessen Interpretation als bloßes Willkürverbot – gerade nicht für das besondere Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot gem. Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG gelten sollte.412 Besonders deutlich wird dies in einem frühen Entwurf der grundgesetzlichen Gleichheitssätze, der den Inhalt des allgemeinen Gleichheitssatzes ganz im Sinne eines Sachlichkeitsgebots dahingehend umschrieben hatte, dass der Gesetzgeber „Gleiches gleich, Verschiedenes nach seiner Eigenart behandeln“413 müsse. Daran angeschlossen werden sollte ein spezielles Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot im Hinblick auf einzeln aufgezählte Kriterien, das im Entwurf mit „Jedoch“414 eingeleitet wurde und daher offensichtlich strenger sein sollte. Auf das Verhältnis von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zum allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG sowie der dazu ergangenen Judikatur des BVerfG zur sogenannten Neuen Formel415 stellt auch eine systematische Auslegung ab. Gemeinhin werden die besonderen Gleichheitssätze zu Recht als spezieller angesehen,416 da sie andernfalls jede eigenständige Bedeutung verlören. Dieses Spezialitätsverhältnis spricht dagegen, ein wertendes Element wie die Sachwidrigkeit in den Tatbestand der besonderen Diskriminie411  Vgl. JöR n. F. 1 (1951), 67; BVerfGE 3, 225 (240) – Gleichberechtigung; Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 1, 31; Heckel, in: HStKR I, § 21 S. 623 (626); Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 226; Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 323 ff.; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 367. 412  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 65; ders., Diskriminierungsverbot, S.  325 f. 413  Art. 1b Abs. 2 in der vom Allgemeinen Redaktionsausschuss in erster Lesung formulierten Fassung, in: ParlRat 5 / II, Nr. 28 S. 578 (578). 414  Art. 1b Abs. 3 in der vom Allgemeinen Redaktionsausschuss in erster Lesung formulierten Fassung, in: ParlRat 5 / II, Nr. 28 S. 578 (578). Gleiches zeigt die Entscheidung, das relativierende „grundsätzlich“ aus Art. 109 Abs. 1 S. 2 WRV hinsichtlich der gleichen staatsbürgerlichen Rechte von Männern und Frauen nicht in Art. 3 Abs. 3 GG zu übernehmen. 415  Vgl. BVerfGE 55, 72 (88) – Präklusion; 71, 39 (58 f.) – Ortszuschlag; heute st. Rspr., s. aus jüngerer Zeit etwa BVerfGE 124, 199 (219 f.) – Hinterbliebenenversorgung; 127, 263 (280) – Haftungsprivilegierung, je m. w. N.; vgl. zur Entwicklung aus der Literatur Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 8 ff. 416  Vgl. BVerfGE 3, 225 (239 f.) – Gleichberechtigung; Heckel, in: HStKR I, § 21 S. 623; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 236; Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 306 ff.; ders., in: HStR VIII, § 182 Rn. 64; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1756.

104 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

rungsverbote aufzunehmen und eine positive Feststellung der Sachwidrigkeit einer Benachteiligung zu verlangen.417 Denn so verstanden unterschieden sie sich allenfalls noch graduell vom allgemeinen Gleichheitssatz; eine derartige Wiederholung von inhaltlich Identischem beabsichtigt zu haben, kann dem Verfassunggeber nicht ohne Weiteres unterstellt werden.418 Weiterhin wird zum Teil versucht, aus dem Zusammenhang zwischen den beiden religionsbezogenen Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und anderen religionsverfassungsrechtlichen Grundgesetzbestimmungen419 eine Relativierung der besonderen Gleichheitssätze herzuleiten.420 Dies wird etwa damit begründet, dass Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV zwischen öffentlich-rechtlich korporierten und sonstigen Religionsgesellschaften unterscheidet.421 Hingegen weist Sachs darauf hin, dass die insoweit anerkannten Unterscheidungen zwischen unterschiedlichen Rechtsformen für Religionsgesellschaften ihrerseits unter Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu verstehen sind.422 Soweit danach Unterscheidungsmöglichkeiten verblieben, seien diese als Begrenzungen des Gleichheitssatzes zu verstehen, sie könnten aber dessen strikten Verbotsgehalt nicht relati­ vieren.423 Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 239. in diesem Sinne Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 99. Trotz der grundlegenden Beziehung der Gleichheitsrechte zur Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG ist eine Beschränkung der Gleichheitsrechte auf einen Menschenwürdekern ebenso wie bei Freiheitsgrundrechten abzulehnen mangels gegenläufiger Anhaltspunkte in den Gleichheitssätzen; vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1745, m. w. N. 419  Zu diesem Begriff s. noch 3. Kap. B. 420  Vgl. Heckel, in: FS Dürig, 1990, S. 241 (248 ff.); ders., in: HStKR I, § 21 S. 623 (633); Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 403, sieht in Art. 136 ff. WRV immerhin „zahlreiche Differenzierungserlaubnisse“ (ebd.), ohne allerdings die großen Kirchen deswegen über ihren derzeitigen Status hinaus privilegieren zu wollen. 421  Für die Zulässigkeit von Differenzierungen nach dem Korporationsstatus gem. Art. 137 Abs. 5 WRV BVerfGE 19, 129 (134 f.) – Umsatzsteuer; gegen Differenzierungen zwischen Religionsgemeinschaften nach ihren inhaltlichen Anschauungen BVerfGE 19, 1 (6 ff.) – Gebührenfreiheit; vgl. zum Sonderurlaub für Beamte zur Teilnahme an Veranstaltungen nur bestimmter religiöser Gemeinschaften zuletzt BVerwG, DÖV 2011, 367 LS. 422  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1746; allgemeiner BVerfGE 19, 226 (236) – Kirchensteuer; 102, 370 (386 f.) – Zeugen Jehovas; ferner BVerfGE 19, 206 (219) – Kirchenbausteuer; 53, 366 (400 f.); Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 147; generell zum Status der Religionsgemeinschaften Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1268 ff. 423  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1746; s. aber Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 403, wonach die fortgeltenden Art. 136 ff. WRV den Art. 3 Abs. 3 GG „verdrängen“. 417  Vgl. 418  Vgl.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 105

Schließlich ist im Rahmen der teleologischen Auslegung nach Sinn und Zweck424 von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu fragen. Diesbezüglich gibt es unterschiedliche Ansätze. Heckel betont, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verfolge keine „Nivellierungsziele“425. Die Gleichheitssätze sollten nicht die Vielgestaltigkeit und Individualität, Differenziertheit und fortschreitende Differenzierung des religiösen Lebens in der pluralistischen Gesellschaft bekämpfen, weil diese als notwendige Folgen in der religiösen Freiheit des Grundgesetzes angelegt und zu respektieren seien.426 Dem ist im Ansatz zuzustimmen: Die in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Kriterien sind selbstverständlich nicht an sich fragwürdig, sondern lediglich als Anknüpfungspunkt für staatliche Benachteiligungen oder Bevorzugungen ein „verpöntes Merkmal“427. Dagegen sind das Haben und Äußern politischer und religiöser Auffassungen nicht verpönt, sondern durch die Freiheitsgrundrechte geschützt. Der Staat darf die Grundrechtsträger gerade deshalb nicht aus religiösen oder politischen Gründen benachteiligen oder bevorzugen, weil die Ausübung dieser Freiheiten nicht verpönt, sondern grundrechtlich geschützt ist. Vor diesem Hintergrund folgert Heckel: Weil das Grundgesetz Religiöses nicht ignoriere, dürfe der Staat entsprechend geprägtes Verhalten seiner Bürger nicht ignorieren.428 Andernfalls bestehe die Gefahr, dass der Staat durch sein Ignorieren selbst eine säkulare Weltanschauung etablierte und Religiöses seinerseits diskriminiere, was ihm aber mangels religiös-weltanschaulichen Wahrheitsanspruchs und aufgrund der inhaltlich einschlägigen Freiheitsgrundrechte verwehrt ist.429 Daraus folgt freilich ebenso wenig, dass der Staat entsprechende Anschauungen inhaltlich bewerten dürfte. Die Zustimmung zu der These, der Staat dürfe politische und religiöse Anschauungen der Bürger nicht ignorieren, wird man von der Frage abhängig machen, was unter staatlichem Ignorieren zu verstehen ist. Tatsächlich geht eine starke Meinung in Literatur und Rechtsprechung davon aus, der Auslegung nach dem Telos Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 43, m. w. N. Gleichheit, S. 74; ders., in: HStKR I, § 21 S. 623 (627). 426  Vgl. Heckel, Gleichheit, S. 74. 427  Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1715 et. pass.; vgl. auch Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 255. Ohne den Vorgenannten ein solches Verständnis zu unterstellen, vermeidet diese Arbeit die Rede von „verpönten Merkmalen“, um anschauungsfeindlichen Fehlinterpretationen vorzubeugen. 428  Vgl. Heckel, in: FS Dürig, 1990, S. 241 (242); ders., Gleichheit oder Privilegien, S. 77, mit kritischem Verweis („fragwürdige Argumentationsmuster“) auf Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 112 ff., 132–146. Gegen eine „Ignorierung“ der aufgezählten Merkmale wohl auch Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 143; Isak, Selbstverständnis, S. 319; Korioth / Augsberg, JZ 2010, 828 (834). 429  Vgl. Heckel, in: HStKR I, § 21 S. 623 (625); Herzog, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 107; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2003) Rn. 9; Ober­ mayer, in: BK, GG, Art. 140 (1971) Rn. 79; Waldhoff, NJW-Beil. 2010, 90 (90). 424  Zur

425  Heckel,

106 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Staat habe politische oder religiöse Anschauungen seiner Bürger zu ignorieren: Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG sei „klar darauf ausgerichtet“430, alle genannten Kriterien als Argumente innerhalb staatlicher Entscheidungsfindungsprozesse „auszuschließen“431. Insoweit gingen die besonderen Gleichheitssätze gerade über ein allgemeines Sachlichkeitsgebot mit Abwägungsspielraum im Einzelfall hinaus. Eine Lösung dieses Streits lässt sich indes nicht mit Spekulationen über den vom Grundgesetz nicht verwendeten Begriff des Ignorierens herbeiführen. Stattdessen ist auf die Verfassungsauslegung zu verweisen. Insbesondere die entstehungsgeschichtliche und die systematische Auslegung im Verhältnis zu dem wertungsoffeneren Art. 3 Abs. 1 GG sprechen dagegen, dass bloße Erwägungen über die Sachgerechtigkeit einer Bevorzugung oder Benachteiligung wegen eines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Kriterien ausreichen, um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Regelungen zu begründen.432 Die Unterscheidungsverbote des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG beanspruchen daher strikte Geltung und dürfen nicht auf den Ausschluss als sachwidrig zu bewertender Diskriminierungen beschränkt werden.433 Vielmehr enthält das Grundgesetz selbst bereits die Bewertung, dass Benachteiligungen und Bevorzugungen anhand der genannten Kriterien prinzipiell sachwidrig und deswegen grundsätzlich unzulässig sind.434 Nicht einmal tatbestandsmäßig von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG erfasst sind dagegen – mit größter Vorsicht anzunehmende, aber gleichwohl denkbare – Unterscheidungen, die mit keinerlei Benachteiligung und Bevorzugung verbunden sind.435

430  Sachs,

in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1747. in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1747. 432  Vgl. Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 304 ff.; ders., in: HStR VIII, § 182 Rn. 62 ff.; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1744 ff.; ferner Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 99, vgl. aber Rn. 107; Hesse, AöR 109 (1984), 174 (184). 433  Vgl. Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 99; Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 74; Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 119; Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 190; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 545, beachte aber Rn. 556; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 62; einschränkend noch zur Benachteiligung wegen des Geschlechts: BVerfGE 63, 181 (195) – Eheliches Güterrecht; 68, 384 (390) – Staatsangehörigkeit; 71, 224 (228) – Scheidungsprozess. 434  Vgl. Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 545, beachte aber Rn. 556; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1744 ff.; vgl. ebenso BVerwGE 81, 22 (26), zu Art. 33 Abs. 3 GG. 435  Vgl. etwa das bereits erwähnte Beispiel geschlechtergetrennter Sanitäreinrichtungen, die mit keinerlei Nachteil verbunden und daher nicht Ausdruck einer diskriminierenden Anschauung sind; ebenso Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 553. 431  Sachs,



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen  107

b) Quasi-tatbestandliche Begrenzungen durch Landesverfassungsrecht Es fragt sich, ob landes(verfassungs)rechtliche Bestimmungen quasi-tatbestandliche Begrenzungen des Anwendungsbereichs grundgesetzlicher Gleichheitssätze normieren können. Dann könnten die Landesverfassunggeber im grundgesetzlichen Rahmen über die Verfassungsmäßigkeit konfes­ sionell und politisch gebundener Staatsämter entscheiden, indem sie entsprechende Bestimmungen (zusätzlich beziehungsweise verstärkt)436 in ihre Landesverfassungen aufnähmen. Indes besitzen die Länder Verfassungsautonomie nur innerhalb des grundgesetzlichen Rahmens, der insbesondere durch die Homogenitätsanforderungen gem. Art. 28 GG und die Grundrechte beschrieben wird. Soweit das Grundgesetz eine Materie regelt, geht es dem Landesrecht einschließlich des Landesverfassungsrechts gem. Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG vor. Mit dieser Systematik ist es unvereinbar, Beschränkungen der Bundesverfassung aus niederrangigem Landesrecht herzuleiten. Möglich ist allenfalls ein grundgesetzlicher Vorbehalt zugunsten abweichenden Landesrechts, wie er etwa für die Verfassungsorgane der Länder besteht.437 Ob und inwiefern das Grundgesetz weitere solcher Vorbehalte enthält, ist im 3. und 4. Teil dieser Arbeit im Zusammenhang mit den einzelnen betroffenen Ämtern zu prüfen. c) Quasi-tatbestandliche Begrenzungen durch Bundesverfassungsrecht Es fragt sich, ob Bundesverfassungsrecht, das außerhalb des grundrechtlichen Gewährleistungssatzes niedergelegt ist, die grundgesetzlichen Grundrechte tatbestandlich begrenzen kann. Der Unterschied solcher Begrenzungen zu gewöhnlichen negativen Merkmalen des grundrechtlichen Tatbestandes besteht lediglich im Regelungsstandort, weshalb hier von quasi-tatbestandlichen Begrenzungen gesprochen werden soll.438 Die Annahme solcher quasi-tatbestandlichen Grundrechtsbegrenzungen bedeutet keine Verdeckung staatlicher Grundrechtseingriffe zur Umgehung einer rechtfertigenden Ab436  Siehe Art. 12 Abs. 3 S. 2 Verf. NW zu Bekenntnisschulen, Art. 14 Abs. 1 Verf. NW zum Religionsunterricht, Art. 15 S. 3 Verf. NW zur Theologie an wissenschaftlichen Hochschulen, Art. 20 Verf. NW zur Anstaltsseelsorge. 437  Bei der Wahrnehmung eines solchen Vorbehalts wären die einfachen Landesgesetzgeber ferner zusätzlich an Landesverfassungsrecht gebunden. Dieses erklärt zum Teil die Grundrechte des Grundgesetzes zu unmittelbar geltendem Landesrecht (vgl. Art. 4 Abs. 1 Verf. NW) oder enthält selbst umfangreiche Grundrechtskataloge. 438  Vgl. mit derselben Terminologie Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 79 S. 230.

108 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

wägung.439 Vielmehr macht das Grundgesetz selbst deutlich, dass die betroffenen Grundrechte für die genannten Materien keine Geltung haben sollen, soweit die quasi-tatbestandliche Begrenzung reicht.440 Gegenläufiges Verhalten der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt ist insoweit dem Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG vollständig entzogen und unterliegt damit anders als bei Quasi-Gesetzesvorbehalten qua grundgesetzlicher Anordnung nicht den Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen.441 Quasi-tatbestandliche Grundrechtsbegrenzungen setzen daher eine grundgesetzliche Regelung voraus, wonach unabhängig von den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Regelungen kein Schutz durch die betroffene Grundrechtsbestimmung eingreifen soll, sofern die in der Begrenzung verlangten Voraussetzungen erfüllt sind.442 Der entscheidende Unterschied zwischen quasi-tatbestandlichen Begrenzungen und Quasi-Vorbehaltsbestimmungen besteht darin, dass erstere anordnen, dass die quasi-tatbestandlich begrenzte Grundrechtsbestimmung für die betroffene Regelungsmaterie keinerlei Grundrechtsschutz vermittelt, ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssten.443 Es ist daher im Einzelfall durch Auslegung der kollidierenden Grundgesetzbestimmung zu ermitteln, ob diese den Grundrechtsschutz von vornherein ausschließen oder lediglich Rechtfertigungsmöglichkeiten schaffen soll. Bleibt für eine Abwägung kollidierender Grundgesetzbestimmungen qua verfassungsrechtlicher Anordnung keinerlei Raum – so etwa bei der geschlechtsspezifischen Unterscheidung gem. Art. 12a Abs. 1 GG –, so ist von einer quasi-tatbestandlichen Grundrechtsbegrenzung auszugehen, andernfalls von einem Quasi-Gesetzesvorbehalt, der die Grundrechtsdurchbrechung durch die Staatsgewalt lediglich ausnahmsweise vorschreibt oder zumindest zulässt. Solche quasi-tatbestandlich begrenzenden Vorschriften können sowohl in der seltenen Form einer bloßen Nichtgeltungsanordnung existieren, wodurch ausschließlich der Eintritt grundrechtlicher Rechtsfolgen ausgeschlossen wird, als auch in der Form grundgesetzlicher Einschränkungsnormen, die durch die Begrenzung gewonnene Regelungsmöglichkeiten selbst ausfüllen.444 439  Vgl. aber gegen die „‚Einstiftung verfassungsimmanenter Grenzen‘ schon in Begriffe des Schutzbereichs“ Kahl, Schutzergänzungsfunktion, S. 21. 440  Vgl. darüber hinaus für ungeschriebene tatbestandsimmanente Grundrechtsgrenzen Hillgruber, in: HStR IX, § 200 Rn. 25 ff. 441  Vgl. zur Verteilung der Rechtfertigungslast Hillgruber, in: HStR IX, § 200 Rn. 27. 442  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 79 S. 230 f.; s. ebd., S. 257 ff., zu verfassungsgeschichtlichen Beispielen; ebd., S. 277 ff., mit rechtsvergleichenden Hinweisen. 443  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 79 S. 230. 444  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 503 ff.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 109

Quasi-tatbestandliche Begrenzungen können ein Grundrecht explizit445 begrenzen oder die begrenzende Wirkung kann sich aus der Systematik446 des Grundgesetzes ergeben. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG umfasst die Freistellung von der Grundrechtsbindung jedoch nur diejenigen Unterscheidungsmerkmale, auf die sich die Grundrechtsbegrenzung bezieht; die Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG wird also nicht zwangsläufig in jeder Hinsicht aufgehoben. d) Zwischenergebnis zu 1. Die in der Literatur zum Teil diskutierte Begrenzung der Freiheitsgrundrechte auf der Ebene des grundrechtlichen Tatbestandes aufgrund systematischer Erwägungen447 ist schon im Hinblick auf die Freiheitsgrundrechte nicht unproblematisch, weil sie oft die besondere Gliederung der Grundrechtsbestimmungen in grundrechtlichen Tatbestand und rechtfertigende Grundrechtsschranken unberücksichtigt lässt.448 Diese Kritik gilt auch im Hinblick auf die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes: Diese werden nur dann durch kollidierendes Verfassungsrecht in ihrem grundrechtlichen Tatbestand begrenzt, wenn ranggleiches Bundesverfassungsrecht die Nichtgeltung eines Grundrechts anordnet. Erforderlich ist eine grundgesetzliche Regelung, die die Anwendbarkeit eines Grundrechts für bestimmte Regelungsmaterien unabhängig von den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Regelungen ausschließt. Soweit die begrenzenden Normen nicht Teil des grundrechtlichen Tatbestandes sind, sondern an anderer Stelle im Grundgesetz zu finden sind, werden sie im Folgenden als quasi-tatbestandliche Grundrechtsbegrenzungen bezeichnet. 2. Begrenzungen auf der Ebene der Rechtfertigung Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist keinem Gesetzesvorbehalt unterworfen449 und enthält deswegen – ebenso wie die anderen vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte – verfassungsrechtliche Wertungen, die besonders weitgehend 445  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 503 f., der Art. 16a Abs. 2 S. 1, Art. 42 Abs. 1 S. 3, Art. 45a Abs. 3 GG als Beispiele nennt. 446  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 503 f., der Art. 16a Abs. 2 S. 3, Art. 46 Abs. 1 S. 1 GG als Beispiele nennt. 447  Vgl. Hesse, Grundzüge, Rn. 71 f., 312. 448  Vgl. deshalb ablehnend Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 334 ff.; Rohloff, Grundrechtsschranken, S.  51 ff. 449  Vgl. zum inhaltlich begrenzten und zudem zeitlich befristeten Vorbehalt in Art. 117 Abs. 1 GG für Art. 3 Abs. 2 GG Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 121 S.  1665 f.

110 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

gegen Relativierungen durch die Staatsgewalt geschützt sind.450 Wie oben gezeigt, sind tatbestandliche Durchbrechungen des Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbotes weitgehend ausgeschlossen. Es fragt sich allerdings, ob daraus folgt, dass Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG schrankenlos gewährleistet ist.451 Daher ist im Folgenden zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie sich staatliche Benachteiligungen oder Bevorzugungen wegen eines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Kriterien rechtfertigen lassen. Literatur und Rechtsprechung sehen unterschiedliche Einbruchstellen, aus denen sich die Zulässigkeit von solchen Differenzierungen ergeben soll. a) Schrankenleihe Denkbar ist es, die Gesetzesvorbehalte inhaltlich verknüpfter Freiheitsgrundrechte – also Art. 5 Abs. 2 GG für Unterscheidungen nach der politischen Anschauung beziehungsweise der Meinung des Betroffenen oder Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV für Unterscheidungen nach der religiösen Anschauung – auf das Diskriminierungsverbot zu übertragen.452 Ein solcher Ansatz ist in der Literatur unter dem Stichwort Schrankenleihe diskutiert worden.453 Dafür könnte sprechen, dass Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG Gleichbehandlungsinteressen nicht nur mit Rücksicht auf das bloße Haben einer politischen oder religiösen Auffassung schützt, sondern auch und gerade mit Rücksicht auf deren Betätigung.454 Gegen die Übertragbarkeit von Gesetzesvorbehalten inhaltlich verknüpfter Freiheitsgrundrechte spricht allerdings die bewusste Differenziertheit der verfassungsrechtlichen Regelung. Mag sich der Parlamentarische Rat auch im Einzelfall der Tatsache, keinen Gesetzesvorbehalt formuliert zu haben, nicht bewusst gewesen sein,455 so hat er sich doch bewusst für gewährleistungsspezifische dreistufige Schrankenregelungen entschieden und somit die 450  Vgl. zur Diskussion darüber im Parlamentarischen Rat Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 79 S. 271, m. w. N.; auch Hillgruber, in: HStR IX, § 201 Rn. 10 f. 451  Vgl. BVerfGE 13, 46 (49) – Entschädigungsausschluss; 30, 1 (20) – Abhörurteil; 39, 334 (368) – Radikale: „gilt […] nicht absolut“; vgl. OVG NW, RiA 2007, 125 (126); ausführlich Pecher, Schranken, S. 6 ff. 452  Vgl. Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 576; Herzog, in: MD, GG, Art. 4 Rn. 114. 453  So etwa Klein, in: v. Mangoldt / Klein, GG2, Vorbem. B XV 3a, S. 130; vgl. dagegen Rohloff, Grundrechtsschranken, S. 37 ff.; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 119. 454  Zu gegenteiligen BVerfG-Aussagen s. schon 2. Kap. D. II. 1.; vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1763; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 402, 412. 455  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 501.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 111

Idee allgemeiner Schrankenvorbehalte abgelehnt.456 Durch die Übertragung nicht ausdrücklich normierter Gesetzesvorbehalte würden also bewusste Entscheidungen des Verfassunggebers umgangen. Daher ist am Grundsatz der „Schrankenspezialität“457 festzuhalten. b) Natur einer Sache Immer wieder findet sich in Rechtsprechung und Literatur zur Rechtfertigung anschauungsgebundener Staatsämter ein Verweis auf die „Natur der Sache“458. Diese bewirke, dass eine zulässige Verbindung zwischen Amt und religiöser beziehungsweise politischer Anschauung bestehe.459 Staatliche Beamten- und Angestelltenverhältnisse könnten insoweit nicht von den religiösen Anschauungen der Amtsinhaber losgelöst werden, ohne dass der Charakter der Einrichtung verloren gehe. Die Konfessionsgebundenheit sei daher insoweit „nicht zu beanstanden“460. Rüfner verweist darauf, dass Ausnahmen von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG für die „sog. konfessionsgebundenen Staatsämter anerkannt“461 seien. Die Notwendigkeit solcher Ämter ergebe sich daraus, dass der Staat Raum schaffe für religiöse Lehre und Religionsausübung. Offen bleibt bei dieser Argumentation allerdings, inwieweit der Staat in seinen Institutionen Raum für Religion schaffen darf oder muss. 456  Vgl. Hillgruber, in: HStR IX, § 201 Rn. 10 f.; Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 79 S. 267 ff., je m. w. N. 457  v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 108; Starck, in: v. Mangoldt /  Klein / Starck, GG, Art. 4 Rn. 88; vgl. ebd., Art. 1 Rn. 275; gegen die Übertragbarkeit auch etwa Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 330; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4 Rn. 133; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 4 Rn. 35; Mückl, in: BK, GG, Art. 4 (2008) Rn. 159; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1763; gegen die Anwendbarkeit fremder Gesetzesvorbehalte auf Art. 4 Abs. 1, 2 GG BVerfGE 32, 98 (107) – Gesundbeter. 458  So etwa in BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale; VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (73); Anschütz, WRV, Art. 136 Rn. 3; Baldus, in: GS Krüger, 2001, S. 21 (43); Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 6: „im Rahmen einer zulässigen Religionsförderung aus der Natur der Sache erforderlich“; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1310; ähnlich Mussinghoff, Fakultäten, S. 417; v. Cam­ penhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 67; ders., in: FS Maunz, 1981, S. 27 (29); vorsichtiger Hollerbach, in: HStR VI2, § 140 Rn. 48; grundlegend Radbruch, in: FS Laun, 1948, S. 157 ff.; zur „‚Relativität‘ der Natur der Sache“ Stratenwerth, Natur der Sache, S. 29. 459  Vgl. BVerfGE 7, 155 (170 f.) – Bürgermeisterabwahl; VerfGH BY, BayVGHE 7 (1954), 41 (48); v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 136 WRV Rn. 15; Steinkemper, Grenzbereich, S. 85: Berücksichtigung der Konfessionszugehörigkeit, wenn von „sachlicher Bedeutung“ (ebd.). 460  Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1310; vgl. ähnlich VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (73); bereits Anschütz, Verf. Preuß., Art. 14 S. 271 ff. 461  Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 855, auch zu Art. 33 Abs. 3 GG.

112 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Zwar mag man formulieren, dass für die Vergabe eines verfassungsgemäß konstituierten konfessionsgebundenen Amtes naturgemäß die Konfessionszugehörigkeit berücksichtigt werden muss. Dann ist allerdings in einem vorgelagerten Schritt zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solches Amt überhaupt eingerichtet werden darf. Diese Prüfung fehlt bei den zitierten Autoren regelmäßig. Jedenfalls ist die Natur einer Sache kein verfassungsrechtliches Argument, das einen Verstoß gegen die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes rechtfertigen kann.462 Eine Rechtfertigung von Unterscheidungen nach der Natur einer Sache würde die Tradition einzelner Diskriminierungen bloß fortschreiben. Es handelt sich bei dieser Argumentationsweise meist um bloße „Evidenzappelle[…]“463, die eine Rechtfertigung selbstverständlich erscheinen lassen sollen, statt stichhaltige Begründungen zu nennen. Gleiches gilt für die behauptete Rechtfertigung aus „objektiven, zwingend erforderlichen Faktoren“464. Unklar ist bereits, was solche Faktoren sein könnten, die offensichtlich über kollidierendes Verfassungsrecht hinausgehen sollen. Genannt werden „Gründe des gemeinsamen Wohls, z. B. die Bedrohung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik oder die Abwehr von Angriffen auf die freiheitliche demokratische Grundordnung“465. Es ist kein handhabbarer Maßstab ersichtlich, woraus solche „Faktoren“466 zu bestimmen sein sollen. Daher ist eine Begrenzung durch Faktoren, die keinen Niederschlag im Grundgesetz gefunden haben, abzulehnen.

462  Vgl. dagegen grundlegend Sachs, Diskriminierungsverbot, zusammenfassend S. 490; ders., in: HStR VIII, § 182 Rn. 159; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1800 ff.; anders wohl Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1310, der ausdrücklich nur „teilweise“ (ebd.) eine Rechtfertigung durch die Verfassung selbst annimmt, konfessionsgebundene Ämter aber auch darüber hinausgehend für verfassungsgemäß hält. 463  Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1800 ff., m. w. N.; vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 414; Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 181. 464  Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 2; ähnlich Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 107; Jarass, in: ders. / Pieroth, Art. 3 Rn. 134. Vgl. unklar Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 230, der verlangt, die Einrichtung konfessionsgebundener Ämter müsse „für einzelne Sachgebiete verfassungsrechtlich konkret nachvollziehbar“ (ebd.) sein, sodann aber „unspezifische Erwägungen“ (ebd.) als Begrenzungsgrund ablehnt. 465  Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 3 Rn. 58, unter Verweis auf BVerfGE 5, 85 (317 f.) – KPD-Verbot. 466  Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 2.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 113

c) Vertragliche Vereinbarungen Als Argument für die Verfassungsmäßigkeit religiös gebundener öffentlicher Ämter werden weiterhin vertragliche Vereinbarungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften genannt. Das gilt insbesondere für die Verträge mit den evangelischen Landeskirchen und die Konkordate mit dem Heiligen Stuhl.467 Verfassungsgeschichtlich nimmt das Reichskonkordat, das der Heilige Stuhl und die damalige Reichsregierung am 20. Juli 1933 geschlossen haben, unter diesen Verträgen eine besondere Stellung ein.468 Tatsächlich sehen das Reichskonkordat und andere Verträge staatlich verbeamtete Anstaltsseelsorger469, staatliche Religionslehrer470 sowie Theologieprofessoren an staatlichen Fakultäten471 vor. Über das Verhältnis völkerrechtlicher Verträge zu nationalem (Verfassungs-)Recht herrscht nach wie vor keine Einigkeit; das Grundgesetz trifft insoweit keine abschließende Regelung.472 Das BVerfG hat 2004 im Görgülü-Beschluss festgestellt, dem Grundgesetz liege „deutlich die klassische Vorstellung zu Grunde, dass es sich bei dem Verhältnis des Völkerrechts zum nationalen Recht um ein Verhältnis zweier unterschiedlicher Rechtskreise handelt und dass die Natur dieses Verhältnisses aus der Sicht des nationalen Rechts nur durch das nationale Recht selbst bestimmt werden kann“473. Einer radikalen dualistischen Lehre zufolge sind Überschneidungen und Widersprüche zwischen Völkerrecht und nationalem Recht möglich, ohne dass dadurch etwa eine der beiden Rechtsnormen nichtig würde.474 Damit Völkerrecht innerstaatliche Geltung erlangt, muss es in das nationale Recht einbezogen werden. Für diese Einbeziehung haben sich wiederum unterschiedliche Formen entwickelt.475 Der Rang einer völkerrechtlichen Norm leitet sich aus 467  Vgl. etwa für rechtfertigende Wirkung Huber, EssGespr. (42) 2008, 7 (21): „besonders […] wichtige Rechtsquelle“. 468  Vgl. zur Entstehungsgeschichte ausführlich Mussinghoff, Fakultäten, S. 148 ff.; zur völkerrechtlichen Qualifikation des Hl. Stuhls Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 59; Schweitzer, StaatsR III, Rn. 122 f. 469  Vgl. Art. 19 MSV, Art. 27 RK. 470  Vgl. Art.  21 f. RK. 471  Vgl. Art. 19 RK, Art. 1 SKV NW 1984: „Pflege und Entwicklung der Katholischen Theologie durch Forschung, Lehre und Studium gehören zum Auftrag wissenschaftlicher Hochschulen des Landes“. 472  Vgl. Kempen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 59 Rn. 83 ff.; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 11 ff. 473  BVerfGE 111, 307 (318) – Görgülü, mit Bezugnahme auf Art. 25, 59 Abs. 2 GG. 474  Vgl. Kempen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 59 Rn. 84; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 13. 475  Vgl. Kempen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 59 Rn. 88 ff.; Rausch­ ning, in: BK, GG, Art. 59 (2009) Rn. 144 ff.; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 15 ff.

114 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

ihrer Einbeziehungsnorm ab.476 Handelt es sich bei dieser – wie bei völkerrechtlichen Verträgen üblich – um ein einfaches Gesetz, so erhält auch das einbezogene Recht Gesetzesrang, wenn nicht eine verfassungsrechtliche Ermächtigung den Rang erhöht.477 So lässt sich etwa Art. 23 Abs. 1 S. 2, Art. 24, Art. 25 S. 2 GG entnehmen, dass die EU-Verträge, Vereinbarungen über kollektive Sicherheitssysteme wie die Nato oder allgemeine Regeln des Völkerrechts den Gesetzen vorgehen.478 Um Grundrechtsbegrenzungen durch vertragliche Vereinbarungen im Hinblick auf religiös gebundene Ämter annehmen zu können,479 müsste das Grundgesetz für die betroffenen Verträge eine entsprechende Bestimmung enthalten. Es fragt sich, ob sich eine grundrechtsbegrenzende Wirkung des Reichskonkordats aus Art. 123 Abs. 1, 2 GG ergibt. Innerstaatlich trat das Reichskonkordat durch Bekanntmachung im Reichsgesetzblatt vom 12. September 1933480 in Kraft. Dieses Verfahren stand im Widerspruch zu Art. 45 Abs. 3 WRV, der für Verträge mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung bezogen, die konstitutive Zustimmung des Reichstags vorsah. Abweichend davon bestimmte allerdings Art. 4 des nationalsozialistischen Ermächtigungsgesetzes481, dass Verträge des Reichs mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung bezögen, nicht der Zustimmung der an der Gesetzgebung beteiligten Körperschaften bedürften. Im Streit um die Verfassungsmäßigkeit des Ermächtigungsgesetzes hat das BVerfG 1957 in seinem Konkordatsurteil festgestellt, das Ermächtigungsgesetz müsse „als eine Stufe der revolutionären Begründung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft angesehen werden“482. Es habe anstelle der bisherigen eine neue Kompetenzordnung 476  Vgl. Kempen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 59 Rn. 92; Rauschning, in: BK, GG, Art. 59 (2009) Rn. 139, Streinz, in: Sachs, GG, Art. 25 Rn. 17. 477  Vgl. Kempen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 59 Rn. 92; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 59 Rn. 65; Wengenroth, Staatskirchenverträge, S. 170; zum Gesetzesrang der EMRK vgl. BVerfGE 111, 307 (317) – Görgülü. 478  Vgl. zum Verhältnis allgemeiner Regeln des Völkerrechts zum Grundgesetz BVerfGE 6, 309 (362 f.) – RK; Koenig, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 25 Rn. 50 ff., für Ranggleichheit der allgemeinen Regeln des Völkerrechts mit dem Bundesverfassungsrecht. 479  Vgl. ausdrücklich für die Grundrechtsbindung auswärtiger öffentlicher Gewalt durch Art. 1 Abs. 3 GG als Regelfall: BVerfGE 123, 148 (170 f.) – Jüdische Gemeinde Bbg, Pernice, in: Dreier, GG II, Art. 25 Rn. 53; Rauschning, in: BK, GG, Art. 59 (2009) Rn. 199. 480  RGBl. II S. 679. 481  Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich v. 24.3.1933, RGBl. I 141; die Verkündungsformel enthält den Hinweis, „nachdem festgestellt ist, daß die Erfordernisse verfassungsändernder Gesetzgebung erfüllt sind“. 482  BVerfGE 6, 309 (331) – RK.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 115

geschaffen, die sich im September 1933 zum Zeitpunkt der Ratifikation des Reichskonkordats bereits tatsächlich durchgesetzt habe.483 Deswegen sei das Reichskonkordat als ein beide Teile verpflichtender Vertrag gültig zustande gekommen, ohne dass es angesichts des klar ausgedrückten Vertragswillens beider Parteien auf Motive und innere Vorbehalte der Reichsregierung ankomme.484 Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes zählt das Reichskonkordat dementsprechend konsequenterweise zum Recht aus der Zeit vor Zusammentritt des Deutschen Bundestages i. S. v. Art. 123 GG, der bezüglich der grundsätzlichen Fortgeltungsfähigkeit allein formal auf die Positivität des alten Rechts abstellt.485 Gem. Art. 123 Abs. 1 GG gilt vorkonstitutionelles Recht fort, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Abs. 2 enthält eine Regelung für Staatsverträge, die das Deutsche Reich geschlossen hat, soweit für die Regelungsmaterie gemäß dem Grundgesetz nun die Länder zuständig wären. Diese Staatsverträge – beziehungsweise angesichts der systematischen Stellung der Norm entgegen dem Wortlaut die sie umsetzenden nationalen Transformationsgesetze – gelten fort.486 Aufgrund des ergänzenden Spezialitätsverhältnisses von Art. 123 Abs. 2 GG zu Abs. 1487 gilt allerdings für fortgeltendes Recht und daher auch für Transformationsgesetze zu Staatsverträgen der Vorbehalt der Verfassungsmäßigkeit:488 Recht gilt nur fort, 483  Vgl.

BVerfGE 6, 309 (331) – RK. BVerfGE 6, 309 (332) – RK; dem folgend Schulze, in: Sachs, GG, Art. 123 Rn. 8. Vgl. Obermayer, in: Fuchs, Staat und Kirche, S. 166, 176 f., zu den Motiven der Nationalsozialisten, denen es wohl vor allem darum ging, durch den Abschluss des Konkordats und die damit verbundene Anerkennung der nationalsozialistischen Regierung einen Prestigegewinn zu erzielen; anders noch beim Abschluss des Badischen Konkordats gegen den Willen der Nationalsozialisten, dazu Hollerbach, in: GS Conrad, 1979, S. 283 ff. 485  Vgl. Schulze, in: Sachs, GG, Art. 123 Rn. 3; Stettner, in: Dreier, GG III, Art. 123 Rn. 13; Wolff, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 123 Rn. 20 f. 486  Eine Bindung der Landesgesetzgeber etwa an die Schulbestimmungen des Reichskonkordats soll daraus freilich nicht folgen; vgl. BVerfGE 6, 309 (342) – RK; darauf verweisend Giegerich, in: MD, GG, Art. 123 (2012) Rn. 79; Koutnatzis, Verfassungsnormen, S. 264 f. Über die Fortgeltung des Vertrages soll hingegen allein Völkerrecht entscheiden; vgl. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 123 Rn. 11; Kirn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 123 Rn. 15; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 123 Rn. 21; Schulze, in: Sachs, GG, Art. 123 Rn. 14; Wolff, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 123 Rn. 50 f. 487  Vgl. Wolff, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 123 Rn. 43, der Abs. 2 als „Sonderfall“ zu Abs. 1 ansieht, „der nur der Klarstellung für eine ganz besondere Situation dient“ (ebd.). 488  Vgl. Giegerich, in: MD, GG, Art. 123 (2012) Rn. 16, 40 ff.; Schulze, in: Sachs, GG, Art. 123 Rn. 15; Wolff, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 123 Rn. 53. 484  Vgl.

116 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht, also dessen materielle Anforderungen gewahrt bleiben. Zu diesen materiellen Anforderungen zählen vor allem die Grundrechte.489 Das Reichskonkordat ist ein Staatsvertrag im Sinne des Art. 123 Abs. 2 GG.490 Soweit es Gegenstände regelt, für die nun die Länder die Gesetzgebungskompetenz besitzen – also insbesondere für die Schulbestimmungen491 –, bestimmt sich die Fortgeltung der Transformationsgesetze dementsprechend nach Art. 123 Abs. 2 GG. Soweit Gegenstände der Bundesgesetzgebung betroffen sind, richtet sich die Fortgeltung nach Art. 123 Abs. 1 GG.492 Gleichwohl erscheint eine Rechtfertigung religiös gebundener Staatsämter durch Konkordatsbestimmungen zirkelschlüssig und daher nicht überzeugend, weil fortgeltendes Recht dem Grundgesetz – wie gerade festgestellt – materiell nicht widersprechen darf. Denn soweit das Reichskonkordat die Einrichtung solcher Ämter gebietet, ohne dass sie durch das Grundgesetz selbst gerechtfertigt sind, müsste man einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG annehmen. Dann würde das Reichskonkordat aber gerade insoweit nicht fortgelten.493 Art. 123 GG verändert im Übrigen nicht den Rang des Reichskonkordats; es bekommt keinen Verfassungsrang.494 Auch die Fortgeltungsanordnung beziehungsweise die Einräumung der Möglichkeit von vertraglichen Regelungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in einigen Lan489  Vgl. Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 123 Rn. 5; Schulze, in: Sachs, GG, Art. 123 Rn. 10; Wolff, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 123 Rn. 32; insoweit zu Recht gegen die Relevanz formeller Mängel Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 123 Rn. 8; Kirn, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 123 Rn. 15; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 123 Rn. 7. 490  Vgl. Schier, Bestandskraft, S. 27 ff., mit ausführlicher Begründung, weshalb es sich bei Verträgen mit dem Heiligen Stuhl um völkerrechtliche Verträge handelt, obwohl dieser kein auswärtiger Staat i. S. v. Art. 32 Abs. 1 GG sein soll; dazu auch Schweitzer, StaatsR III, Rn. 122 f.; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 32 Rn. 16. Demgegenüber zählt Schier, Bestandskraft, S. 27 ff., Verträge mit evangelischen Landeskirchen zu den innerstaatlichen Verträgen. 491  Vgl. BVerfGE 6, 309 (340) – RK; zu Unrecht verallgemeinernd Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 123 Rn. 12, der suggeriert, das Reichskonkordat betreffe ausschließlich Gegenstände der Landesgesetzgebung. 492  Vgl. Schulze, in: Sachs, GG, Art. 123 Rn. 13. 493  Vgl. aber Mikat, in: Bettermann u. a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (122), der keinen Widerspruch zwischen Grundgesetz und Reichskonkordat sieht. 494  Vgl. VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (75); Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 69; Pirson, in: FS Liermann, 1964, S. 177 (187 ff.), mit Nachweisen auch zur gegenteiligen Auffassung; Schachten, Staatsamt, S. 205; allgemein BVerfGE 123, 148 (171) – Jüdische Gemeinde Bbg: „Gesetzesrang“; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 123 Rn. 2; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 123 Rn. 9.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen  117

desverfassungen495 können einen Eingriff in die grundgesetzlichen Gleichheitsrechte nicht rechtfertigen. Es widerspräche dem Rang der Grundrechte, wenn man die Grundrechte Dritter (der religionsbedingt Benachteiligten) allgemein zur Disposition bipolarer vertraglicher Vereinbarungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften stellen wollte. Folglich können vertragliche Vereinbarungen zwischen Staat und Reli­ gionsgemeinschaften die Einrichtung religiös gebundener öffentlicher Ämter allenfalls dann rechtfertigen, wenn und soweit das Grundgesetz Vorbehalte für abweichendes Vertragsrecht enthält.496 d) Kollidierendes Landesverfassungsrecht als rechtfertigender Vorbehalt In der Diskussion um religiös gebundene Ämter an Schulen oder Universitäten wird immer wieder auf entsprechende Bestimmungen in den Verfassungen der Länder verwiesen, die zahlreiche religiöse Bezüge enthalten.497 So ist die Jugend gem. Art. 7 Abs. 1 Verf. NW zur Ehrfurcht vor Gott, der Achtung vor der Würde des Menschen und zur Bereitschaft zu sozialem Handeln zu erziehen.498 Art. 12 Abs. 3–6 Verf. NW sieht vor, dass Grund495  Vgl. Art. 8 Verf. BW: „Rechte und Pflichten, die sich aus Verträgen mit der evangelischen und katholischen Kirche ergeben, bleiben von dieser Verfassung unberührt.“ Art. 9 Abs. 2 Verf. MV: „Das Land und die Kirchen sowie die ihnen gleichgestellten Religions- und Weltanschauungsgesellschaften können Fragen von gemeinsamen Belangen durch Vertrag regeln.“ Art. 21 Verf. NW: „Die den Kirchen oder den Religionsgemeinschaften gemäß Gesetz, Vertrag oder anderen Rechtstiteln zustehenden Leistungen des Staates, der politischen Gemeinden oder Gemeindeverbände können nur durch Vereinbarungen abgelöst werden; soweit solche Vereinbarungen das Land betreffen, bedürfen sie der Bestätigung durch Landesgesetz.“ Art. 23 Abs. 1 Verf. NW: „Die Bestimmungen der Verträge mit der Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union, die im früheren Freistaat Preußen Geltung hatten, werden für die Gebiete des Landes NordrheinWestfalen, die zum ehemaligen Preußen gehörten, als geltendes Recht anerkannt.“ 496  Vgl. gegen grundrechtsbegrenzende Wirkung solcher Verträge: Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 231; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 43. 497  Vgl. etwa VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (76 ff.); VGH München, NVwZ 1986, 405 (405); Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 39. 498  Vgl. ähnlich Art. 131 Abs. 2 Verf. BY (dazu BayVGH, NVwZ-RR 2010, 606 [607]) oder Art. 12 Abs. 1 Verf. BW, der außerdem den Geist der christlichen Nächstenliebe als Erziehungsziel nennt. Als verantwortliche Träger dieser Erziehung nennt Art. 12 Abs. 2 Verf. BW neben den Eltern und dem Staat auch die Religionsgemeinschaften, beschränkt die Verantwortung eines jeden Trägers aber jeweils auf seinen „Bereich[…]“. Art. 16 Abs. 3 Verf. BW sieht gemeinsame Beratungen zwischen Staat, Religionsgemeinschaften, Lehrern und Eltern vor, um eventuelle Zweifelsfragen bei der Auslegung des christlichen Charakters der Volksschule zu beheben.

118 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

und Hauptschulen Gemeinschafts-, Bekenntnis- oder Weltanschauungsschulen sein können. In den beiden zuletzt genannten Schultypen werden die Schüler nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses beziehungsweise der betreffenden Weltanschauung unterrichtet und erzogen; für Gemeinschaftsschulen sieht Art. 12 Abs. 6 Verf. NW vor, dass die Kinder auf der „Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen gemeinsam unterrichtet und erzogen“ werden. Außerdem gewährleisten zahlreiche Landesverfassungen parallel zu Art. 7 Abs. 3 GG den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach, das in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgemeinschaft erteilt wird.499 Für die religiöse Unterweisung bedarf der Lehrer der Bevollmächtigung durch die Kirche oder durch die Religionsgemeinschaft.500 Über den Wortlaut des Grundgesetzes hinausgehend werden landesverfassungsrechtlich zum Teil theologische Fakultäten an staatlichen Hochschulen garantiert.501 Schließlich gewährleistet Landesverfassungsrecht in Anlehnung an Art. 141 WRV die Zulassung der Religionsgesellschaften zur Anstaltsseelsorge in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten.502 Es fragt sich also, ob kollidierendes Landesverfassungsrecht das Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG begrenzen kann. Zwar besitzen die Länder im grundgesetzlichen Bundesstaat Verfassungsautonomie, doch besteht diese ausschließlich im grundgesetzlichen Rahmen, zu dem insbesondere die Homogenitätsanforderungen gem. Art. 28 Abs. 1 GG sowie die Grundrechte zählen [s. schon 2. Kap. C.]. Eine Rechtfertigung von Begrenzungen bundesverfassungsrechtlicher Grundrechte durch kollidierendes Landesverfassungsrecht setzt eine Kolli­ Art. 127 Verf. BY gewährleistet unbeschadet des Erziehungsrechtes der Eltern ein eigenes Recht der Religionsgemeinschaften und staatlich anerkannten weltanschaulichen Gemeinschaften auf einen angemessenen Einfluss bei der Erziehung der Kinder ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung; anders Art. 55 Verf. HE, der stärker die Stellung der Eltern betont. 499  Vgl. Art. 14 Abs. 1 S. 1 Verf. NW, Art. 18 S. 1 Verf. BW, Art. 136 Abs. 2 S. 1 Verf. BY, Art. 57 Abs. 1 S. 1 Verf. HE. 500  Vgl. Art. 14 Abs. 1 S. 2 Verf. NW. 501  Art. 150 Abs. 2 Verf. BY; wohl auch Art. 15 Abs. 1 S. 1, 3 Verf. NW, wonach sicherzustellen ist, dass an wissenschaftlichen Hochschulen die Befähigung zur Erteilung des Religionsunterrichts erworben werden kann; s. dazu noch 3. Kap. C. IV. 2. b). 502  Vgl. Art. 148 Verf. BY, Art. 62 S. 1 Verf. BR, Art. 54 S. 1 Verf. HE, Art. 20 Verf. NW. Das Heer wird, da es sich um Landesverfassungen handelt und die Verteidigung – seit 1956 gem. Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG – Sache des Bundes ist, nicht genannt. Art. 38 Verf. Bbg erstreckt das Recht zur Anstaltsseelsorge ausdrücklich auf die Polizei.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 119

sion zweier Bestimmungen aus den beiden Normbeständen voraus. Zu einem solchen Normwiderspruch kann es jedoch ausschließlich zwischen zwei gültigen Normen kommen. Sofern die landesrechtliche Norm gegen bundesverfassungsrechtliche Grundrechte, Homogenitätsanforderungen oder grundgesetzliche Kompetenzregeln503 verstößt, ist das Landesrecht indes nichtig wegen des Vorrangs der Bundesverfassung, vgl. Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG; zudem gilt der Vorrang des Bundesrechts gem. Art. 31 GG. Mangels gültigen Landesrechts besteht in solchen Fällen keine Normenkollision. Sofern das Landesrecht hingegen den grundgesetzlichen Rahmen beachtet, liegt deshalb keine Normenkollision vor. Dementsprechend kann Landesverfassungsrecht für sich genommen Verstöße gegen die Grundrechte des Grundgesetzes nicht rechtfertigen. Möglich ist auch auf Rechtfertigungsebene allenfalls ein grundgesetzlicher Vorbehalt zugunsten der Landesverfassungen beziehungsweise einfacher Landesgesetze.504 Ob und inwiefern das Grundgesetz solche Vorbehalte enthält, ist im 3. und 4. Teil dieser Arbeit im Zusammenhang mit den einzelnen betroffenen Ämtern zu prüfen. e) Kollidierendes Bundesverfassungsrecht als rechtfertigender Vorbehalt Möglicherweise können die anschauungsgebundene Zulassung zu öffentlichen Ämtern und damit verbundene Beeinträchtigungen grundrechtlicher Gleichbehandlungsinteressen aufgrund kollidierenden Bundesverfassungsrechts gerechtfertigt werden. Zur Einschränkung vorbehaltlos gewährleisteter Freiheitsgrundrechte gibt es eine lange Rechtsprechungstradition, der das Schrifttum505 im Wesent­ 503  Vgl. zum Streit um die Bindung des Landesverfassunggebers an Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes schon 2. Kap. C. III. 504  Bei der Wahrnehmung eines solchen Grundrechtsvorbehalts wären die zuständigen Landesorgane ferner zusätzlich an landesverfassungsrechtliche Regelungen gebunden. Diese erklären zum Teil die Grundrechte des Grundgesetzes zu unmittelbar geltendem Landesrecht (vgl. Art. 4 Abs. 1 Verf. NW; ähnlich Art. 2 Abs. 1 Verf. BW, Art. 5 Abs. 3 Verf. MV, Art. 2a Verf. SH) oder enthalten eigenständige umfangreiche Grundrechtskataloge einschließlich eigener, mit Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG vergleichbarer Diskriminierungsverbote (vgl. Art. 10 Abs. 2 Verf. BE, Art. 12 Abs. 2 Verf. Bbg, Art. 2 Abs. 2 Verf. BR, Art. 3 Abs. 3 S. 1 Verf. Nds., Art. 12 Abs. 3 Verf. SL, Art. 18 Abs. 3 Verf. SN, Art. 7 Abs. 3 Verf. LSA, Art. 2 Abs. 3 Verf. TH; ähnlich Art. 1 Verf. HE). 505  Vgl. Bethge, in: HGR III, § 72 Rn. 47 ff.; Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 550 ff., 571 ff.; Pischel, JA 2006, 357 (359). Kritisch sieht das Schrifttum insbesondere die Gefahr einer Relativierung der Grundrechtsgeltung durch unbegrenzte Abwägungen; vgl. Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 120 ff., m. w. N.

120 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

lichen folgt. Erstmals hat das BVerfG 1970 das Recht eines Soldaten auf Kriegsdienstverweigerung gem. Art. 4 Abs. 3 S. 1 GG der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr gegenübergestellt. In diesem Zusammenhang führt das BVerfG aus, Konflikte zwischen Verfassungsbestimmungen506 ließen sich nur lösen, indem ermittelt werde, welche Bestimmung für die zu entscheidende Frage das höhere Gewicht habe. Die schwächere Norm dürfe nur so weit zurückgedrängt werden, wie das logisch und systematisch zwingend erscheine; ihr sachlicher Kerngehalt müsse in jedem Fall respektiert werden.507 In zahlreichen Folgeentscheidungen508 hat das BVerfG diese Rechtsprechung später präzisiert und insbesondere den „Grundsatz der praktischen Konkordanz“509 etabliert. Aus dem systematischen Auslegungsgrundsatz der Einheit der Verfassung510 folge, dass mit Ausnahme der unantastbaren Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG511 einzelne Freiheitsgrundrechte an506  Terminologisch unterscheiden Rechtsprechung und Literatur nicht immer klar, ob kollidierende Verfassungsrechtsgüter oder die Verfassungsbestimmungen, die solchen Rechtsgütern zu dienen bestimmt sind, eine Grundrechtsbegrenzung bewirken; vgl. etwa BVerfGE 28, 243 (261) – Kriegsdienstverweigerung: „Konflikte zwischen Verfassungsbestimmungen“; gegenüber BVerwGE 122, 237 (243): „verfassungsrechtliches Schutzgut, das auch eine Beschränkung […] zu rechtfertigen vermag“. Tatsächlich kann ein Normbefehl nur durch einen anderen durchbrochen werden. Grundlage der Begrenzungswirkung können daher ausschließlich Grundgesetzbestimmungen sein, dies jedoch nur insoweit, als sie dem Schutz eines Grundrechtsbegrenzungen legitimierenden Verfassungsrechtsgutes zu dienen bestimmt sind (und nicht etwa nur eine Kompetenzzuweisung vornehmen; s. dazu noch sogleich). 507  Vgl. BVerfGE 28, 243 (261) – Kriegsdienstverweigerung. 508  Vgl. nur BVerfGE 32, 98 (108) – Gesundbeter; 33, 23 (31) – Eidesformel; 41, 29 (50) – Gemeinschaftsschule; 44, 37 (49 f.); 52, 223 (246 f.) – Schulgebet; 93, 1 (21 ff.) – Kruzifix, zu Art. 4 Abs. 1, 2 GG; BVerfGE 69, 1 (21 ff.) – Kriegsdienstverweigerung, zu Art. 4 Abs. 3 GG; BVerfGE 30, 173 (193 ff.) – Mephisto; 77, 240 (253) – Plakataktion; 81, 278 (292 f.) – Bundesflagge, zur Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG); BVerfGE 47, 327 (368 ff.) – Universitätsgesetz HE; 57, 70 (99 ff.) – Universitäre Krankenversorgung; 122, 89 (107) – Lüdemann, zur Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG); VG Berlin, NVwZ 1992, 91 (92); Pecher, Schranken, S. 171 ff. 509  BVerfGE 122, 89 (107) – Lüdemann, st. Rspr., auch in anderem Kontext BVerfG (K), NJW 2011, 3428 (3432). s. aus dem Schrifttum Hesse, Grundzüge, Rn. 317 ff.; Heckel, Gleichheit, S. 8 f.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 135; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 574, der einen Abgleich nach dem „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ (ebd.) fordert; Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 124; Stein / Frank, Staatsrecht, S. 424. 510  Vgl. die Einheit der Verfassung betonend etwa BVerfGE 33, 23 (29) – Eidesformel; 44, 37 (50), m. w. N.; ferner VGH München, NVwZ 1986, 405 (405). 511  Vgl. BVerfGE 107, 275 (284) – Benetton; 115, 118 (152) – Luftsicherheitsgesetz; BVerfG (K), NJW 2010, 2193 Rn. 26; auch Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 11 f., m. w. N.; Papier, in: HGR III, § 64 Rn. 33; Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 123.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 121

deren Bestimmungen des Grundgesetzes nicht absolut vorgeordnet werden dürfen, so das BVerfG.512 Vielmehr seien sie als prinzipiell gleichgeordnet anzuerkennen513 und im konkreten Konfliktfall „nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung“514 in harmonisierender Auslegung so gegeneinander abzuwägen, dass alle betroffenen Verfassungssätze möglichst weitgehend Geltung für sich beanspruchen können. Der Grundsatz fordere, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren.515 Ob und inwiefern eine Grundrechtskollision zu einer Begrenzung einzelner Grundrechte führt, entscheidet nicht etwa der Gesetzgeber, sondern ist der Verfassung selbst zu entnehmen.516 Durch Auslegung der kollidierenden Grundgesetzbestimmungen ist zu ermitteln, ob dem Gesetzgeber in solchen Fällen eine Befugnis zum Erlass einschränkender Gesetze zusteht.517 Dazu ist das Verhältnis zu bestimmen, in das das Grundgesetz die von seinen einschlägigen Bestimmungen geschützten Verfassungsrechtsgüter zueinander setzt. Es findet also eine Abwägung auf der Ebene des grundrechtlichen Maßstabes statt, die vom Bundesverfassungsgericht vollständig überprüft werden kann, da es ausschließlich darum geht, die Bedeutung der ein­ schlägigen Verfassungsbestimmungen zu klären.518 Mangels allgemeiner 512  Vgl. BVerfGE 52, 223 (247) – Schulgebet; Pecher, Schranken, S. 190; ebenso gegen absolute Geltung von Art. 3 Abs. 3 GG BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale. 513  Vgl. Hillgruber, in: HStR IX, § 201 Rn. 13: „relative Vorrangrelation“; v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 137. 514  BVerfGE 47, 327 (369) – Universitätsgesetz HE. Nach OVG NW, RiA 2007, 125 (126), soll die „vom Grundgesetz anerkannte Gemeinschaftsbindung des Individuums“ (ebd.) auch bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten gewisse äußerste Grenzziehungen ermöglichen. 515  Vgl. BVerfGE 28, 243 (261) – Kriegsdienstverweigerung; 93, 1 (21) – Kruzifix; OVG Nds., NVwZ-RR 2002, 658 (659); Hesse, Grundzüge, Rn. 72, 317 f. Nach VGH BW, VBlBW 2008, 437 (440), zum Kopftuch der Lehrerin soll der Gesetzgeber allerdings eine Lösung wählen dürfen, nach der eines der beteiligten (Grund-)Rechte zu weichen hat. 516  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 569; zurückhaltend („nach verbreiteter Auffassung“) Dreier, in: ders., GG I, Vorb. Rn. 141; unklar Hesse, Grundzüge, der einerseits im Hinblick auf ausdrückliche Gesetzesvorbehalte betont, der Gesetzgeber begrenze die jeweiligen Freiheiten nicht selbst, sondern „nur deklaratorisch“ (Rn. 312), andererseits feststellt, die Verfassung nehme die Zuordnung von Freiheitsrechten und anderen Rechtsgütern nur zu einem geringeren Teil selbst vor, sondern vertraue die „Grundrechtsbegrenzung grundsätzlich [dem Gesetzgeber zur] Herstellung praktischer Konkordanz“ (Rn. 317; Hervorhebung im Original weggelassen) an. 517  Vgl. Badura, Staatsrecht, C Rn. 25. 518  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 569, der diese Abwägung strikt von derjenigen unterscheidet, die stattfindet, nachdem eine Grundrechtsbegrenzung

122 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Wertrangordnung519 ist jeweils unter Berücksichtigung der im jeweiligen Zusammenhang an der Kollision beteiligten Verfassungsrechtsbestimmungen zu bestimmen, ob und gegebenenfalls inwieweit die eine Verfassungsbestimmung die andere begrenzt. Lediglich soweit die kollidierende Bestimmung grundrechtsbegrenzend wirkt, eröffnet sie der Staatsgewalt, im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes namentlich der Gesetzgebung, Verhaltensmöglichkeiten, die ihr sonst durch die Grundrechte von vornherein verwehrt wären.520 Indes beziehen sich die genannten Entscheidungen auf die Rechtfertigung von Begrenzungen vorbehaltlos gewährleisteter Freiheitsgrundrechte.521 Im Bereich der besonderen Gleichheitsgrundrechte ist die Diskussion der Begrenzungsproblematik unübersichtlicher. Das lässt sich einerseits auf die insgesamt geringere Anzahl von Entscheidungen zu den besonderen Gleichheitssätzen zurückführen, aber auch auf die im Unterschied zu den Freiheitsgrundrechten erst spät einsetzende Erörterung, ob und wie die Gleichheitsrechte begrenzt seien.522 Dass an dieser Stelle überhaupt nach Rechtfertigungsmöglichkeiten für Differenzierungen zu fragen ist, hängt mit dem in dieser Arbeit vertretenen Anknüpfungsmodell523 zusammen. Wollte man – mit der oben dargestellten älteren Rechtsprechung – Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG etwa als bloßes Verbot explizit beabsichtigter Diskriminierungen sehen, bekäme die erste Prüfungsstufe ein größeres Gewicht, weil angeblich sachgerechte oder nicht intendierte Benachteiligungen und Bevorzugungen schon tatbestandlich nicht festgestellt und damit die Möglichkeit der Staatsgewalt zu grundrechtsbeschränkenden Regelungen prinzipiell bejaht wurde; zur Kontrollkompetenz des Verfassungsgerichts Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 127. 519  Ansätze einer abstrakten Wertrangordnung finden sich noch in BVerfGE 7, 198 (215) – Lüth; dagegen aber: Hillgruber, in: HStR IX, § 201 Rn. 14; Papier, in: HGR III, § 64 Rn. 32 f.; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 123, je m. w. N. Überwiegend anerkannt wird nunmehr allein der absolute Vorrang der unantastbaren Menschenwürde; selbst diesbezüglich schließt indes BVerfGE 115, 118 (159) – Luftsicherheitsgesetz, eine Relativierung nicht aus, soweit es „um die Abwehr von Angriffen [geht], die auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet sind“ (ebd.). Für solche Fälle erwägt das BVerfG eine „solidarische Einstandspflicht“ (ebd.) des Einzelnen, im Interesse des Staatsganzen notfalls „sein Leben aufzuopfern“ (ebd.). 520  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 79 S. 231. 521  Vgl. etwa den Beitrag von Papier, in: HGR III, § 64, der unter der Überschrift „Vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte“ die besonderen grundgesetzlichen Gleichheitssätze allenfalls am Rande behandelt; ähnlich Stern, StaatsR III / 2, § 82 S. 659 f.; Pischel, JA 2006, 357 (359). 522  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 121 S. 1665. 523  Siehe schon 2. Kap. D. II. 4.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 123

verboten wären.524 Der Bedarf an Rechtfertigungsgründen ist dann gering. Versteht man Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG dagegen zu Recht als striktes Anknüpfungsverbot, bleibt kaum Raum, um unterscheidendes Staatshandeln unter Anknüpfung an die in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmale schon tatbestandlich aus dem Anwendungsbereich dieses Gleichheitssatzes auszuschließen. Grundsätzlich erscheint es hingegen trotz mancher Besonderheiten geboten, die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts von den Freiheitsgrundrechten auf die grundgesetzlichen Unterscheidungsverbote zu übertragen.525 Im Hinblick auf staatliche Benachteiligungen wegen (radikaler) politischer Anschauungen hat das BVerfG entschieden, es sei „schlechterdings ausgeschlossen, daß dieselbe Verfassung, die die Bundesrepublik Deutschland aus der bitteren Erfahrung mit dem Schicksal der Weimarer Demokratie als eine streitbare, wehrhafte Demokratie konstituiert hat, diesen Staat mit Hilfe des Art. 3 Abs. 3 GG seinen Feinden auszuliefern geboten“526 habe. Ausgehend von diesen Judikaten ist die Begrenzung der besonderen Gleichheitssätze durch kollidierendes Bundesverfassungsrecht in der Rechtsanwendung heute gängige Praxis.527 Folgt man der Dogmatik der Begrenzung vorbehaltloser Freiheitsgrundrechte, so ist zwischen der Kollision mit Grundrechten und der mit sonstigen Rechtsgütern von Verfassungsrang zu unterscheiden. aa) Kollision mit Individualgrundrechten Typisch für eine Grundrechtskollision ist eine Konstellation, in der die grundrechtsverpflichtete Staatsgewalt gegenläufige grundrechtliche Positionen zu beachten hat, wobei jedoch die staatliche Regelung notwendig die eine oder die andere Position schmälert. Häufig handelt es sich um Drei524  Vgl. Englisch, in: Stern / Becker, GR, Art. 3 Rn. 152, der für diesen Fall von Art. 3 Abs. 3 GG als einem bloßen Willkürverbot spricht. 525  Vgl. Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 102 f.; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 121 S. 1669; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 154; ferner Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 132; Jarass, in: ders. / Pieroth, Art. 3 Rn. 134; ­Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 253 f.; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 577. 526  BVerfGE 39, 334 (368 f.) – Radikale; vgl. BVerfGE 13, 46 (49) – Entschädigungsausschluss; 30, 1 (19 f.) – Abhörurteil. 527  Vgl. allgemein Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 3 Rn. 58. Zur Begrenzung von Art. 3 Abs. 2 GG durch das Institut der Ehe gem. Art. 6 Abs. 1 GG noch Schmitt-Kammler / v. Coelln, in: Sachs, GG5, Art. 6 Rn. 6; zur Begrenzung durch die Wehrpflicht gem. Art. 12a Abs. 1 GG s. Kokott, in: Sachs, GG, Art. 12a Rn. 5. BFHE 108, 393 (429), stellt zu Art. 3 Abs. 1 GG fest, dieser gelte, soweit nicht das Grundgesetz selbst einen Vorbehalt mache.

124 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

eckskonstellationen mit zwei oder mehr Grundrechtsberechtigten, die sich einerseits gegenseitig mit gegenläufigen, grundrechtlich fundierten Interessen und zugleich dem Staat als Grundrechtsverpflichtetem gegenüberstehen. Dem Staat ist es in dieser Situation nicht möglich, die grundrechtlichen Ansprüche beider Grundrechtsträger vollständig einzulösen. Er muss dann zwischen den beteiligten Grundrechtspositionen abwägen, indem er bei Grundrechten mit Gesetzesvorbehalt in dessen (qualifizierten) Rahmen die Verhältnismäßigkeit wahrt und sonst praktische Konkordanz zwischen den beteiligten Grundrechten herstellt. Es ist nicht ersichtlich, warum nicht auch Konflikte zwischen Gleichheits- und Freiheitsgrundrechten, etwa zwischen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und der Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG oder der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG, als Grundrechtskollision zu bezeichnen sein sollten.528 Dementsprechend können auch im Kontext des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG Grundrechtskollisionen auftreten, die Einschränkungen der besonderen Gleichheitssätze rechtfertigen. Dabei wird es sich in der Regel um Kollisio­ nen mit grundrechtlichen Schutzpflichten zugunsten anderer Grundrechtsträger handeln.529 Zur Lösung ist im konkreten Einzelfall – nicht anders als für die Freiheitsgrundrechte dargestellt – eine Regelung zu finden, die allen betroffenen Rechtspositionen möglichst weitgehend Geltung verschafft und einen schonenden Ausgleich herstellt. bb) Sonderfall: Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als Unterscheidungsgebot Im Schrifttum existieren – insbesondere im Zusammenhang mit der Religion – Versuche, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG auch Unterscheidungsgebote zu entnehmen.530 Danach soll im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 3 S. 1 528  Den Begriff der Grundrechtskollision hingegen auf den Widerstreit von Freiheitsgrundrechten beschränkend Bethge, in: HGR III, § 72 Rn. 1; Dreier, in: ders., GG I, Vorb. Rn. 159; wohl auch v. Münch / Kunig, in: dies., GG, Vorb. Art. 1–19 Rn. 49; anders aber Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 1 Rn. 318, 319 ff., mit Verweis auf Art. 3 Abs. 3 GG; Stern, StaatsR III / 2, § 82 S. 631, mit Verweis auch auf Art. 3 Abs. 1, 2 GG. 529  Siehe ferner Vosgerau, AöR 133 (2008), 346 (383), gegen eine strukturelle Unterlegenheit grundrechtlicher Schutzpflichten gegenüber grundrechtlichen Abwehrrechten; ähnlich die Argumentation von v. Campenhausen, in: FS Maunz, 1981, S. 27 (28), der konfessionsgebundene Staatsämter genau in den Bereichen angesiedelt sieht, in denen Religionsfreiheit nicht anders gewährleistet werden könne als durch Institutionalisierung in einer öffentlichen Einrichtung. 530  Vgl. Heckel, in: HStKR I, § 21 S. 623 (631 f.); ders., in: FS Dürig, 1990, S. 241 (254 ff.); Link / Pahlke, in: Listl, Religionsunterricht, S. 13 (46); Rüpke, Ermessen, S. 56 ff., 73 ff.; Tilmann, Konkordatsprofessuren, S. 198.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 125

GG „Materialparität durch gleichwertige Differenzierung“531 nicht nur zulässig, sondern „teilweise geboten“532 sein können. Ein solches Verständnis ist indes ausgeschlossen, wenn man ein differenzierendes Verhalten der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt als Voraussetzung von Benachteiligungen und Bevorzugungen ansieht. Ferner steht der Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG allen Versuchen entgegen, dieser Bestimmung Gebote zur Differenzierung zu entnehmen.533 Auch gibt es keine Belege, dass besondere Bevorzugungs- oder Benachteiligungsverbote historisch als Unterscheidungsgebote verstanden worden wären.534 Schließlich würde eine Auslegung der besonderen Gleichheitssätze als Unterscheidungsgebote das grundgesetzlich intendierte strikte Verbot jeglicher Bevorzugung oder Benachteiligung wegen der aufgezählten Merkmale konterkarieren. Folglich ist ein Verständnis von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als Unterscheidungsgebot abzulehnen.535 cc) Kollision mit sonstigem Verfassungsrecht Weiterhin werden vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte begrenzt bei Kollisionen mit sonstigem Verfassungsrecht, das einzelne Rechtsgüter unter besonderen Schutz stellt. Denn ein geordnetes menschliches Zusammenleben erfordert nicht nur die gegenseitige Rücksichtnahme der Bürger, sondern auch eine funktionierende staatliche Ordnung, welche die Effektivität des Grundrechtsschutzes überhaupt erst sicherstellt.536 Diese Fälle kann man mit Stern als „unechte Grundrechtskollisionen“537 bezeichnen, weil ein Grundrechtsberechtigter nicht auf andere konfligierende Grundrechtspositionen trifft (so aber bei einer „echten Grundrechtskollision“538), sondern anderen 531  Heckel,

in: HStKR I, § 21 S. 623 (631). in: HStKR I, § 21 S. 623 (631 f.); ferner ders., in: FS Dürig, 1990, S. 241 (243 f.); ders., Gleichheit oder Privilegien, S. 95; Link / Pahlke, in: Listl, Religionsunterricht, S. 13 (46). 533  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 23, m. w. N. 534  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1749, m. w. N. 535  Vgl. ebenso Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, S. 1477 ff.; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 23; ablehnend auch zu Art. 3 Abs. 1 GG als Gleichbehandlungsgebot ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 120 S. 1477 ff. Daraus folgt freilich nicht, dass nicht Freiheitsgrundrechte im Einzelfall unterscheidendes Staatshandeln fordern könnten, wenn jedes andere Verhalten (Freiheits-)Grundrechte des Betroffenen unverhältnismäßig einschränkt. 536  Vgl. BVerfGE 81, 278 (292) – Bundesflagge; v. Münch / Kunig, in: dies., GG, Vorb. Art. 1–19 Rn. 42; v. Kielmansegg, JA 2012, 881 (884), zur strukturellen Fähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen, alle verfassungsrechtlich legitimen Staatsaufgaben zu erfüllen. 537  Stern, StaatsR III / 2, § 82 S. 657. 538  Stern, StaatsR III / 2, § 82 S. 629 ff. 532  Heckel,

126 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Verfassungsbestimmungen gegenübersteht. Prinzipiell k ­ ommen zur Begrenzung Verfassungsbestimmungen aller Art in Betracht,539 doch kann andererseits nicht jede bloße Erwähnung einer Materie im Grundgesetz ausreichen, um eine Grundrechtsbegrenzung annehmen zu können.540 Das BVerfG scheint diese Gefahr zu sehen, wenn es formuliert, Einschränkungen vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte ließen sich „nicht for­melhaft mit allgemeinen Zielen“541 rechtfertigen. Vielmehr müssten Verfassungsrechtsgüter in spezifischen Grundgesetzbestimmungen normativ verankert sein und durch Auslegung herausgearbeitet werden. Gleichwohl zieht das BVerfG den Kreis der rechtfertigenden Verfassungsbestimmungen eher weit.542 In seiner Rechtsprechungspraxis hat das BVerfG ganz unterschiedliche Topoi als Rechtsgüter mit Verfassungsrang anerkannt. Aus den im Umfeld dieser Arbeit relevanten Rechtsgebieten sind das etwa ein ungestörter Dienstbetrieb der Bundeswehr sowie die Sicherheit des Staates, abgeleitet aus Art. 12a, 17a, 65a, 87a, 87b, 96 Abs. 2, 115b GG,543 das Gebot einer funktionstüchtigen Rechtspflege, abgeleitet aus Art. 92 GG sowie der Auf539  Vgl. BVerfGK 12, 284 (287); BVerwGE 122, 147 (150); 124, 99 (102); 132, 110 (113); VG Wiesbaden, NVwZ 2007, 482 (483); Jarass, Art. 3 Rn. 134, m. w. N. 540  Gefährlich weit daher BVerfGE 121, 241 (257) – Teilzeitbeamter: „sonstige Güter von Verfassungsrang“; BVerwGE 109, 295 (301): „verfassungslegitime Ziele“; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 89; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 30; vgl. Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 7: „gewichtige personalwirtsch. Gründe“; Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 39: „verfassungsgeschützte Rechtsgüter“; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u.  a., GG, Art. 33 Rn. 50; vgl. Bethge, in: HGR III, § 72 Rn. 47; Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 (105); Papier, in: HGR III, § 64 Rn. 25 f.; Rohloff, Grundrechtsschranken, S. 72; Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 552 ff.; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1836. 541  BVerfGE 81, 278 (293) – Bundesflagge. 542  Vgl. BVerfGE 81, 278 (293) – Bundesflagge, das den Schutz der Nationalflagge als mittelbar durch Art. 22 GG begründet ansieht, sodass bei einem Konflikt mit der vorbehaltlos gewährleisteten Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG Einschränkungen des Grundrechts gerechtfertigt sein könnten; ferner zu fiskalischen Belangen als Rechtfertigungsgrund BVerfGE 121, 241 (257 ff.) – Teilzeitbeamter. 543  So – allerdings unter Verweis auf zum Teil abweichende Normen, insbesondere wird zusätzlich noch Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG erwähnt – BVerfGE 28, 243 (261) – Kriegsdienstverweigerung; 28, 282 (293 f.) – Kriegsdienstgegner; 32, 40 (46) – Kriegsdienstverweigerer; 69, 1 (58 ff.) – Kriegsdienstverweigerung (Sondervotum Mahrenholz / Böckenförde); BVerfGE 69, 1 (21), weist zusätzlich auf die Übereinstimmung dieser Rechtsprechung mit Art. 26 Abs. 1 GG hin; vgl. insgesamt Pecher, Schranken, S. 292 ff.; Rohloff, Grundrechtsschranken, S. 73 ff. Siehe ferner BVerfGE 49, 24 (53) – Kontaktsperregesetz; Isensee, in: HStR IX, § 191 Rn. 211, zur grundrechtlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, wonach jedes menschliche Leben – gegebenenfalls mit militärischen Mitteln – zu schützen ist.



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gabe der staatlichen Gerichte, die Grundrechte der Bürger zu sichern.544 Weiterhin soll eine besondere politische Treuepflicht der Beamten als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG eine Einschränkung von Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG rechtfertigen können.545 Rechtfertigende Wirkung wurde in Rechtsprechung und Literatur ferner dem staatlichen Interesse an behördlichen Arbeitszeitregelungen für Beamte zugeschrieben, weil diese für eine zuverlässige Aufgabenerfüllung der öffentlichen Verwaltung unentbehrlich seien.546 Kritisch zu hinterfragen sind dabei Art und Weise, in der das BVerfG die Verfassungsrechtsgüter herleitet.547 Insbesondere deren Ableitung aus den Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes führt zu einer unüberschaubaren Ausweitung des Kreises der Verfassungsbestimmungen mit potenziell grundrechtsbegrenzender Wirkung:548 Kompetenznormen im Grundgesetz regeln die Verteilung von hoheitlichen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern, sie sind nicht generell darauf angelegt, vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte zu begrenzen. In letzter Konsequenz würden andernfalls faktisch alle Grundrechtsbindungen des Staates unter einen allgemeinen Abwägungsvorbehalt gestellt, weil jede Materie entweder dem Bund oder gem. Art. 30 Abs. 1 GG der Residualkompetenz der Länder zugewiesen ist und folglich in diesem Sinne immer eine Kompetenznorm einschlägig ist. Allenfalls kompetenzbegründende Normen, die Anhaltspunkte dafür bieten, dass neben der Zuständigkeitsregelung zusätzlich die Staatsgewalt von ihrer Grundrechtsbindung freigestellt werden soll, können ausnahmsweise eine grundrechtsbegrenzende Wirkung haben.549 544  So BVerfGE 33, 23 (32) – Eidesformel, st. Rspr.; vgl. BVerfGE 38, 312 (320 f.); 117, 202 (241) – Vaterschaftstest. BVerfGE 122, 248 (271) – Rügeverkümmerung, führt zudem das Rechtsstaatsprinzip als normative Verankerung dieses Rechtsguts an; zurückhaltender BVerfGE 81, 278 (293) – Bundesflagge. 545  So ohne letzte Klarheit im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, der mit einem Halbsatz abgehandelt wird, BVerfG (Vorprüfungsausschuss), NJW 1981, 2683 f.; vgl. BVerfGE 39, 334 (366 ff.) – Radikale. 546  Vgl. OVG NW, RiA 2007, 125 (127); Pecher, Schranken, S. 282 f., der ausdrücklich einen fachlich qualifizierten, parteipolitisch unabhängigen öffentlichen Dienst gewährleistet sieht. 547  Pecher, Schranken, S. 196 ff., will deswegen Einschränkbarkeit nur bei „kollidierenden Rechtsgütern von materieller Verfassungsbedeutsamkeit“ (S. 233) zulassen; vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 582 ff. 548  Strikt dagegen Bethge, in: HGR III, § 72 Rn. 60; vgl. Sondervotum zu BVerfGE 69, 1 (57, 59 ff.) – Kriegsdienstverweigerung; Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 345; Rohloff, Grundrechtsschranken, S. 75; Sachs, in: HStR, § 182 Rn. 160. 549  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 585 ff.; wohl ähnlich Papier, in: HGR III, § 64 Rn. 30: „wenn der Gebrauch einer Kompetenz notwendigerweise zu einer Grundrechtsbeeinträchtigung führt, […] kann ausnahmsweise davon ausgegan-

128 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Bedenken bestehen weiterhin auch gegenüber der großzügigen Ableitung von grundrechtsbegrenzenden Normenkollisionen aus den Verfassungsstrukturprinzipien, wie sie etwa Art. 20 Abs. 1–3 GG normiert. Staatsziel- und Staatsaufgabenbestimmungen kommen zwar durchaus als beschränkende Verfassungsbestimmungen in Betracht,550 sie sind allerdings so abstrakt formuliert, dass allenfalls konkreten Ausprägungen rechtfertigende Wirkung beigemessen werden kann.551 Demgegenüber können diejenigen Grundgesetzgesetzbestimmungen, die den Bestand des Staates und die Funktionsfähigkeit seiner Einrichtungen voraussetzen, vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte begrenzen, wenn und soweit die Grundrechtsbegrenzung zur Aufrechterhaltung mindestens förderlich ist.552 dd) Anforderungen an grundrechtsbegrenzende Normenkollisionen Weiterhin fragt sich, in welchem Verhältnis eine potentiell begrenzende Verfassungsbestimmung zu dem tatbestandlich einschlägigen Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbot stehen muss, um grundrechtsbegrenzende Wirkung zu haben. Es geht mithin um die nähere Spezifizierung des vorausgesetzten Verfassungsnormkonfliktes. Ein solcher Normkonflikt liegt vor, wenn eine Verfassungsbestimmung in einer Weise auf Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG trifft, die die gleichzeitige Beachtung beider Normen unmöglich macht.553 Für solche Fälle ist unter Berücksichtigung der konkret kollidierenden Verfassungsrechtsgüter zu ermitteln, ob eine Verfassungsbestimmung gen werden, daß der Verfassungsgeber mit der Aufnahme dieser Kompetenzvorschrift auch die Grundrechtsbeschränkung in Kauf genommen hat“; v. Kielmansegg, JA 2012, 881 (884), will statt auf die textliche Erwähnung im Grundgesetz auf – wohl ungeschriebene – Verfassungsprämissen abstellen. 550  Vgl. Papier, in: HGR III, § 64 Rn. 29; Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 594 ff. 551  Vgl. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 99, Art. 33 Rn. 17; Papier, in: HGR, § 64 Rn. 28, Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 574 f.; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 130; ders., in: HStR, § 182 Rn. 160. Gegen eine Rechtfertigung im Einzelfall BVerfGE 59, 231 (263) – Freie Rundfunkmitarbeiter; 92, 91 (109) – Feuerwehrabgabe; 113, 1 (20) – Erziehungszeiten; 121, 241 (257 ff.) – Teilzeitbeamter; prinzipiell für Einschränkbarkeit durch das Sozialstaatsprinzip Pecher, Schranken, S. 258; generell gegen eine Rechtfertigung durch allgemeine „Belange von ‚Verfassungsrang‘“ Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1836; kritisch für Art. 33 Abs. 2 GG Malinka, Leistung, S. 110. 552  Vgl. BVerwGE 122, 237 (242 f.): „Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen“; zurückhaltend Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 30. 553  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1836; ebenso für Art. 33 Abs. 2 GG Malinka, Leistung, S. 110.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 129

Grundrechtseinschränkungen durch die grundrechtsgebundene Staatsgewalt ermöglicht. Im Hinblick auf die anschauungsgebundene Vergabe öffentlicher Ämter ergeben sich daraus unterschiedliche Möglichkeiten: In Betracht kommt, dass das rechtfertigende Verfassungsrecht entgegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gebietet, ein anschauungsgebundenes Staatsamt einzurichten, oder dass es die Einrichtung eines solchen Amtes lediglich zulässt, ohne sie vorzuschreiben. Vergleichsweise unproblematisch ist der erstgenannte Fall, in dem die Verfassung die Einrichtung eines Staatsamtes unter Bindung des Stelleninhabers an bestimmte religiöse oder politische Anschauungen vorschreibt. Dann besteht ein Normkonflikt zwischen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, der die Berücksichtigung der Anschauungen verbietet, und der gegenläufigen Norm. Mithin liegt eine Grundrechtsbegrenzung durch kollidierendes Verfassungsrecht vor, die einschränkende Regelungen durch den Gesetzgeber legitimieren kann. Im zweiten Fall bleibt hingegen zu klären, ob eine grundgesetzliche vorgesehene bloße Möglichkeit, ein anschauungsgebundenes Staatsamt einzurichten, ausreicht, um eine Begrenzung von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG anzunehmen. Gegen die begrenzungsfreundlichere Auffassung ließe sich anführen, in dieser Konstellation liege mangels widersprüchlicher Aussagen kein Normkonflikt vor. Sachs schlussfolgert: „Läßt sich dieser Widerspruch in irgendeiner verfassungsrechtlich zulässigen Weise vermeiden, scheidet die Begrenzung des Grundrechtsgewährleistungssatzes aus.“554 Der Staat könnte einen Normkonflikt mit dem Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbot vermeiden, indem er allenfalls solche anschauungsgebundenen Ämter einrichtete, die verfassungsrechtlich ausdrücklich vorgeschrieben sind. Es fehle an einem Normwiderspruch zu den besonderen Gleichheitssätzen, solange die Möglichkeit bestehe, den Lebenssachverhalt für jedermann einheitlich und damit ohne Berücksichtigung politischer oder religiöser Anschauungen zu regeln.555 Folgte man dem, wäre Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf die anschauungsgebundene Vergabe öffentlicher Ämter nur dann begrenzt, wenn das Grundgesetz sie ausdrücklich vorschreibt. Anschauungsgebundene 554  Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 559, ähnlich wohl Hillgruber, in: HStR IX, § 201 Rn. 15, der „gegenläufige Verhaltenspflichten“ (Rn. 15) fordert. 555  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1762; so schon Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 559. Demzufolge bleibt vor der übereilten Annahme einer rechtfertigenden Normkollision prinzipiell zu prüfen, ob die Auflösung eines Normkonfliktes tatsächlich entgegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG nach Anschauungen differenzierende Regelung erfordert oder ob eine Berücksichtigung partikulärer religiöser Interessen – etwa dem über Art. 4 Abs. 1, 2 GG geschützten Interesse an religiösem Schächten – auch in religionsunspezifischen, einheitlichen Regelungen möglich ist – beispielsweise durch eine Freigabe für Jedermann.

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Ämter, die verfassungsrechtlich nur zugelassen, aber nicht geboten sind, könnten dann nicht auf verfassungskonforme Weise eingerichtet werden. Indes ist das Vorliegen eines grundrechtsbegrenzenden Normkonfliktes nicht zwingend abzulehnen, wenn das Grundgesetz ein anschauungsgebundenes Staatsamt nur ermöglicht, es aber nicht vorschreibt. Zur Verdeutlichung ist das kontradiktorische Gegenteil zu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu bilden. Dafür gibt es sprachwissenschaftlich unterschiedliche Möglichkeiten: Antonyme können durch schlichte Negation gebildet werden oder aus inhaltlichen Wortgegensätzen bestehen.556 Wenn sich das Benachteiligungsverbot also wiedergeben lässt mit: „Man darf nicht wegen seiner politischen oder religiösen Anschauungen benachteiligt werden.“, kommt als dem widersprechende gegenteilige Aussage zweierlei in Betracht: Entweder: „Man darf wegen seiner politischen oder religiösen Anschauungen benachteiligt werden.“ oder „Man muss wegen seiner politischen oder religiösen Anschauungen benachteiligt werden.“557 Begrenzt werden kann Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG also sowohl durch solche Grundgesetzbestimmungen, die eine Benachteiligung oder Bevorzugung wegen der politischen oder religiösen Anschauungen vorschreiben, als auch durch solche, die bloß die Möglichkeit einer Benachteiligung oder Bevorzugung eröffnen.558 Dafür spricht auch ein Vergleich zur Begrenzung vorbehaltlos gewährleistete Freiheitsgrundrechte.559 In BVerfGE 28, 243 wurde darüber gestritten, ob Arrest gegen einen Soldaten verhängt werden darf, der von ihm geforderte militärische Dienstleistungen verweigert, obwohl noch nicht rechtskräftig über seinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entschieden worden ist. Es fragt sich also, ob es dem Staat tatsächlich geboten war, in die grundrechtliche Freiheit aus Art. 4 Abs. 3 S. 1 GG einzugreifen, oder ob er den Konflikt auf andere Weise hätte beilegen beziehungsweise vermeiden können. Das Grundgesetz begründet die Wehrpflicht nicht unmittelbar.560 Aus einer systematischen Zusammenschau insbesondere der Art. 12a, 17a, 65a, 87a, 87b, 96 Abs. 2 GG lässt sich jedoch die verfassungsrechtliche Grund­ Bulitta / Bulitta, Synonyme, S. 8. zum Verb dürfen Bulitta / Bulitta, Synonyme, S. 223. Siehe zur Gegenprobe ebd., S. 574, wo als Antonyme zu „müssen“ die Verben „dürfen“, „erlauben“ und „gestatten“ angegeben werden, nicht aber deren Verneinung „nicht dürfen“. 558  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1746, der ebenfalls von verbleibenden „Unterscheidungsmöglichkeiten“ [Hervorhebung nicht im Original] spricht, die als Begrenzungen von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG wirksam werden könnten; auch ders., ebd., § 121 S. 1679; in speziellem Kontext Ennuschat, Militärseelsorge, S. 289. 559  Zu deren Einschränkbarkeit s. schon oben. 560  Vgl. Kokott, in: Sachs, GG, Art. 12a Rn. 2. 556  Vgl. 557  Vgl.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 131

entscheidung für eine militärische Landesverteidigung ableiten. Aus dieser verfassungsrechtlichen Entscheidung ergibt sich allerdings jedenfalls nicht zwangsläufig eine Kollision mit Art. 4 Abs. 3 GG, soweit auch eine Berufsarmee die Landesverteidigung hinreichend gewährleisten kann.561 Der 1968 in das Grundgesetz eingefügte Art. 12a Abs. 1 GG eröffnet immerhin die Möglichkeit, Männer zum Dienst in den Streitkräften zu verpflichten. Allerdings heißt es dort explizit „können […] verpflichtet werden“; es muss also keine Wehrpflicht geben. Dementsprechend war die mit der Verhängung eines Arrests verbundene Beeinträchtigung des Kriegsdienstverweigerungsrechts nicht alternativlos geboten; der deutsche Staat hätte die Wehrpflicht auch abschaffen können. Nach der engeren Auffassung müsste man daher bereits einen Normwiderspruch und dementsprechend eine Begrenzung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte ablehnen. Indes würde eine solche Argumentation verkennen, dass Art. 12a Abs. 1 GG dem Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, Männer im Rahmen einer Wehrpflichtigenarmee ab dem vollendeten 18. Lebensjahr zum Dienst in den Streitkräften zu verpflichten (vgl. Art. 12a, 17a, 65a, 87a, 87b, 96 Abs. 2 GG).562 Der Gesetzgeber kann dies – wie lange Zeit durch § 1 Abs. 1 WPflG geschehen – tun, er muss es aber nicht und kann daher die Wehrpflicht – wie durch § 2 WPflG zum 15.8.2011 geschehen – wieder aussetzen.563 Verfassungsrechtliche Maßgaben für diese gesetzgeberische Entscheidung sind sowohl die Grundrechte betroffener Wehrpflichtiger (vgl. insbes. Art. 4 Abs. 3 GG) als auch die verfassungsrechtlich eröffnete Op­ tion, eine Wehrpflicht vorzusehen. Wenn der Gesetzgeber aber eine Wehrpflicht einführen darf, so muss er die dazu nötigen Verfahrensregelungen treffen dürfen, die zugleich die von Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Wehrgerechtigkeit gewährleisten. Die Herausforderung besteht also darin, ein geordnetes Kriegsdienstverweigerungsverfahren zu schaffen, das drei Verfassungspositionen – das Kriegsdienstverwei561  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 559, der das Vorliegen einer Kollision zwischen Art. 4 Abs. 3 GG und dem Erfordernis stets einsatzbereiter Streitkräfte verneint, weil der Normkonflikt durch einen Verzicht auf die Wehrpflicht und die Entscheidung für eine reine Berufsarmee vermieden werden könne. Allerdings erachtet Sachs gleichwohl einen Konflikt zwischen Art. 4 Abs. 3 GG und der dem Gesetzgeber eröffneten Option einer Wehrpflichtigenarmee für „noch nicht von vornherein ausgeschlossen“ (ebd.). 562  Vgl. BVerfGE 28, 243 (261) – Kriegsdienstverweigerung; 69, 1 (21) – Kriegsdienstverweigerung, das zusätzlich auch Art. 73 (Abs. 1) Nr. 1 GG zitiert. Vgl. Ko­ kott, in: Sachs, GG, Art. 12a Rn. 1; Listl, DÖV 1985, 801 (803 f.), der auf den grundlegenden Charakter der Verteidigungsaufgabe im Zusammenhang mit der Entstehung moderner Staaten hinweist. 563  Vgl. Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011 v. 28.4.2011, BGBl. I 678.

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gerungsrecht, die Wehrgerechtigkeit sowie das Gebot einer wirksamen Landesverteidigung einschließlich der Option einer Wehrpflichtigenarmee – möglichst weitgehend wahrt.564 Jedenfalls lässt sich eine Normenkollision nicht mit dem Argument ablehnen, das Grundgesetz sehe die Wehrpflicht nur optional vor. Denn andernfalls käme dem Gesetzgeber faktisch kein Entscheidungsspielraum zwischen den verfassungsrechtlich eröffneten Möglichkeiten (reine Berufsarmee, Verpflichtung von Wehrpflichtigen oder Kombinationen aus beidem) mehr zu.565 Vor diesem Hintergrund nahm das BVerfG einen Normkonflikt zwischen Art. 12a Abs. 1, Art. 73 (Abs. 1) Nr. 1, Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG und Art. 4 Abs. 3 S. 1 GG an und löste diesen durch Abwägung der betroffenen Verfassungsrechtsgüter.566 BVerfGE 47, 327 lehnte eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG durch die Einführung einer Informationspflicht für Wissenschaftler in Bezug auf gefährliche Forschungsergebnisse ab, weil der mit der Einführung der Pflicht bezweckte Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und zur Förderung eines friedlichen Zusammenlebens der Menschen i. S. v. Art. 26 Abs. 1 S. 1 GG das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit begrenze.567 Anders gelagert war der Fall hingegen in BVerfGE 33, 23, wo eine Verpflichtung zur Ableistung eines Eides vor Gericht unabhängig von dagegen gerichteten religiösen Bedenken trotz der Beachtung von Art. 140 GG Kokott, in: Sachs, GG, Art. 12a Rn. 110. Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 559; Sachs, Grundrechte, B4 Rn. 74, der eine Kollision zwischen Art. 4 Abs. 3 GG und der Option einer Wehrpflichtigenarmee nicht von vornherein ausschließt, sich aber im Hinblick auf die sodann gebotene Abwägung wohl für ein Überwiegen von Art. 4 Abs. 3 GG ausspricht; ferner Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 270, 277, die die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 2, 3 GG für generell „durch Art. 12a GG ausgeschlossen“ (ebd. Rn. 270) erachtet, wobei sich eine Beschränkung der Spezialität von Art. 12a GG auf Differenzierungen wegen des Geschlechts allenfalls aus dem Kontext erschließen lässt. 566  Vgl. BVerfGE 28, 243 (261) – Kriegsdienstverweigerung; ebenso BVerfGE 69, 1 (21 ff., 25) – Kriegsdienstverweigerung, wo nochmals der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers betont wird; dafür auch Eckertz, JuS 1985, 683 (688 f.); Listl, DÖV 1985, 801 (803 f.); kritisch dagegen Sondervotum Mahrenholz / Böckenförde, BVerfGE 69, 1 (57 ff.) – Kriegsdienstverweigerung. 567  Vgl. BVerfGE 47, 327 (368 ff., 382) – Universitätsgesetz HE. Recht knapp fällt in der Entscheidung freilich die Darlegung aus, dass die verfassungsrechtlichen Bestimmungen zugunsten von Leben und gegen Angriffskrieg implizieren, dass ihretwegen die Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt werden können soll. Das Gericht stellt zu Recht fest, dass der „allgemeine Vorrang“ (ebd., S. 382) der zuerst genannten Rechtsgütern gegenüber der Wissenschaftsfreiheit nicht feststeht und nimmt dann ohne weitere Begründung „jedenfalls“ (ebd.) einen rechtfertigenden Normkonflikt im Einzelfall an. 564  Vgl. 565  Vgl.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 133

i. V. m. Art. 136 Abs. 4 WRV als Verletzung von Art. 4 Abs. 1 GG angesehen wurde. Da eine funktionsfähige Rechtspflege568 ohne das Mittel der Vereidigung gewährleistet werden kann und das Grundgesetz den parlamentarischen Gesetzgeber nicht explizit zur Einführung von Eiden ermächtigt, liegt kein grundrechtsbegrenzender Normkonflikt vor.569 Eine Normenkollision mit potenziell grundrechtsbegrenzender Wirkung besteht also bereits dann, wenn ein Diskriminierungsverbot die Berücksichtigung eines Merkmals verbietet, während eine andere Verfassungsbestimmung eben jenes Merkmal als Unterscheidungskriterium zulässt, ohne die Unterscheidung zu gebieten. Unter den wie ein Gesetzesvorbehalt wirkenden Begrenzungen dürfte dieser Kollisionstyp sogar häufiger vorkommen als Kollisionen mit Normen, die Abweichungen von den besonderen Gleichheitssätzen strikt vorschreiben, weil sonst in der Regel eine quasi-tatbestandlich begrenzende Wirkung anzunehmen sein dürfte. Weil Begrenzungen eines im Verfassungstext vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts nach Auffassung des BVerfG „nur von der Verfassung selbst, d. h. nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundlegenden Wertsystems gezogen werden“570 dürfen, ist in solchen Fällen gegenläufiger Verfassungsbestimmungen durch Auslegung derselben festzustellen, ob eine Grundrechtsbegrenzung beabsichtigt ist. Bejaht man eine Begrenzung, so wirkt sich diese wie ein ausdrücklich formulierter Gesetzesvorbehalt aus, sodass von einem Quasi-Gesetzesvorbehalt gesprochen werden kann.571 Es obliegt sodann dem grundrechtsgebundenen Gesetzgeber, die kollidierenden Verfassungsbestimmungen unter Verhältnismäßigkeitsaspekten so gegeneinander abzuwägen, dass die grundrechtsbeschränkende gesetzliche Regelung praktische Konkordanz wahrt und möglichst alle gegenläufigen verfassungsrechtlich fundierten Interessen in einen optimierenden Ausgleich bringt.572 Grundsätzlich darf der Gesetzgeber bei der Auflösung des Normkonflikts nicht von vornherein einen Belang gegenüber dem anderen zurücksetzen, doch darf und muss er durchaus berücksichtigen, ob das Grundgesetz eine dazu etwa Rohloff, Grundrechtsschranken, S. 76 f., m. w. N. BVerfGE 33, 23 (31) – Eidesformel. 570  BVerfGE 33, 23 (29) – Eidesformel; s. aber Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 561 ff., zu möglichen Gehalten und Grenzen dieser Formulierung. 571  Vgl. Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 125; ders., in: Stern, StaatsR III / 2, § 80 S. 489. 572  Vgl. BVerfGE 57, 70 (99) – Universitäre Krankenversorgung: „Aufgabe des Gesetzgebers ist es, zwischen diesen möglicherweise gegensätzlichen Grundrechtspositionen einen Ausgleich zu finden“; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 574; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 128; ferner Uerpmann-Wittzack, in: HGR V, § 128 Rn. 4. 568  Vgl. 569  Vgl.

134 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Abweichung von den besonderen Gleichheitssätzen vorschreibt oder sie lediglich ermöglicht. Wird die Abwägung auf die Ebene der Einzelfallentscheidung verlagert, so haben die Rechtsanwender diese Anforderungen sicherzustellen.573 ee) Zwischenergebnis zu e) Kollidierendes Bundesverfassungsrecht kommt in Betracht, um Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu begrenzen. Allerdings ist dazu eine begrenzungstaugliche Verfassungsbestimmung erforderlich, die nicht bereits dann angenommen werden kann, wenn das Grundgesetz eine bestimmte Regelungsmaterie – etwa in den Kompetenzkatalogen – nur erwähnt. Eine Kollisionssituation liegt sowohl dann vor, wenn zwei Verfassungsnormen es der Staatsgewalt unmöglich machen, beide zugleich zu beachten, als auch dann, wenn eine Verfassungsnorm bloß die Möglichkeit eröffnet, von einer anderen Bestimmung abzuweichen. f) Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen Durchbrechungen von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Rahmen eines QuasiGesetzesvorbehalts sind nur durch einschränkendes, verfassungsmäßiges Gesetz oder auf der Grundlage eines solchen zulässig.574 Lediglich im Falle quasi-tatbestandlicher Begrenzungen der besonderen Gleichheitssätze ist – abgesehen von der Begrenzungsbestimmung selbst – mangels rechtfertigungsbedürftigen Eingriffs kein zusätzliches Gesetz erforderlich,575 wenngleich solche verfassungsunmittelbar ohne weiteres Gesetz begründeten Ämter die Ausnahme bleiben dürften.576 Kollidierende Verfassungsnormen, die den prinzipiell strikten Verbotsgehalt der Gleichheitssätze begrenzen, wirken in aller Regel wie Gesetzesvor573  Vgl. etwa BVerfGE 119, 1 (22 f.) – Esra; 122, 89 (116) – Lüdemann; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 128; zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch ders., ebd., Art. 20 Rn. 152 f. 574  Vgl. BVerwGE 124, 99 (102 f.); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 121 S. 1685, § 122 S. 1765, 1802; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 50, der eine gesetzliche Grundlage nur für entbehrlich hält, soweit es um die Abwendung einer unmittelbar drohenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung geht. 575  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1765. 576  Als Beispiel für ein verfassungsunmittelbar konstituiertes konfessionsgebundenes Amt könnte das Amt des Religionslehrers an staatlichen Schulen in Frage kommen, s. dazu noch 3. Kap. C. I. Die diesbezüglich faktisch gleichwohl existierenden einfachgesetzlichen Bestimmungen wären dann insoweit entbehrlich.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen 135

behalte.577 Diese sind dadurch qualifiziert, dass „sie nur Einschränkungen erlauben, die den Wert schützen, dem die als Begrenzung herangezogene Grundgesetzbestimmung verpflichtet ist“.578 Folglich setzt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines anschauungsgebundenen öffentlichen Amtes ein die Gleichheitssätze einschränkendes Gesetz voraus, das die qualifizierenden Anforderungen wahrt. Dazu darf das Gesetz die Gleichheitssätze nur insoweit beschränken, als dies unter Berücksichtigung der Grundsätze praktischer Konkordanz unerlässlich ist, was praktisch mit den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit korrespondiert.579 Ferner sind, soweit einschlägig, die Anforderungen des Art. 19 Abs. 1, 2 GG zu beachten. Dazu darf das nach dem rechtsstaatlichen Vorbehalt des Gesetzes erforderliche Gesetz gem. Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG kein Einzelfallgesetz sein.580 Zudem – und praktisch relevanter – müssen nachkonstitutionelle581 einschränkende Gesetze gem. Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG eingeschränkte Grundrechte unter Angabe des Artikels nennen. Allerdings soll das Zitiergebot nach der Rechtsprechung des BVerfG nur für diejenigen Grundrechte gelten, die aufgrund ausdrücklicher Ermächtigung vom Gesetzgeber eingeschränkt werden dürfen, was die Anwendbarkeit auf die vorbehaltlos gewährleisteten besonderen Gleichheitssätze ausschlösse.582 Zudem soll das Zitiergebot seine Warnfunktion583 bei offensichtlichen Grundrechtsbeschränkungen nicht erfüllen können und daher in solchen Fällen unanwendbar 577  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 161; für den hier relevanten Fall unmittelbarer Benachteiligung Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 134, 94; gegen die Notwendigkeit eines förmlichen Gesetzes BVerwG, NVwZ 2003, 92 (94); anders Sondervotum Jentsch / Di Fabio / Mellinghoff BVerfGE 108, 282 (314, 318) – Kopftuch, wonach ein Gleichheitsverstoß nicht zu einem Eingriff in ein Freiheitsrecht führen soll, „der den Gesetzesvorbehalt auslösen könnte“ (ebd.). 578  Sachs, Grundrechte, A9 Rn. 44. 579  Vgl. Sachs, Grundrechte, A9 Rn. 44. 580  Vgl. Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 20 ff.; s. auch ebd. Rn. 24, zur bislang fehlenden praktischen Bedeutung; den Anwendungsbereich im Hinblick auf Gleichheitsrechte einschränkend Remmert, in: MD, GG, Art. 19 I (2008) Rn. 34. 581  Vgl. zu dieser Einschränkung BVerfGE 2, 121 (122 f.) – Einweisung; 124, 43 (66) – Mail-Beschlagnahme; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 6; Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 15. 582  Vgl. BVerfGE 21, 92 (93) – Landwirtschaftlicher Grundstücksverkehr; 24, 367 (396 f.) – Deichordnungsgesetz, beide zu Art. 14 GG; BVerfGE 83, 130 (154) – Josefine Mutzenbacher, zur Kunstfreiheit; dem folgend Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 5; ebenso jedenfalls für die Gleichheitsrechte: Dreier, in: ders., GG, Art. 19 I Rn. 24; Remmert, in: MD, GG, Art. 19 I (2008) Rn. 56; dagegen: Hillgru­ ber, in: HStR IX, § 201 Rn. 45; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1765; Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 30. 583  Vgl. BVerfGE 64, 72 (80) – Prüfingenieur, zu berufsregelnden Gesetzen; BVerfGE 130, 1 (39) – Al Quaida-Fall.

136 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

sein.584 Gleiches soll schließlich für den Fall gelten, dass Gesetze ältere (insbesondere vorkonstitutionelle) Grundrechtsbeschränkungen unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholen.585 Folgt man dieser Rechtsprechung, so führt die fehlende Nennung der beschränkten Grundrechte nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung. Schließlich dürfen grundrechtsbeschränkende Gesetze gem. Art. 19 Abs. 2 GG nicht den Wesensgehalt eines Grundrechts antasten.586 Darüber hinaus muss die Grundrechtsbeschränkung durch den Gesetzgeber sonstigen Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügen, darf insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen.587 g) Zwischenergebnis zu 2. Eine Rechtfertigung von Benachteiligungen und Bevorzugungen wegen der politischen oder religiösen Anschauungen kommt mangels eines Gesetzesvorbehalts in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG nur dann in Betracht, wenn kollidierendes Bundesverfassungsrecht den Gleichheitssatz begrenzt.588 Ein QuasiGesetzesvorbehalt aus kollidierendem Verfassungsrecht ermächtigt die grundrechtsgebundene Staatsgewalt zu einem Verhalten, welches das Grundrecht für den Regelfall verbietet, wenn bei einer Abwägung der widerstrei584  Vgl. BVerfGE 35, 185 (189) – Wiederholungsgefahr, zu Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG; dagegen Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 28; zweifelnd Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 6. 585  Vgl. zu schon vorkonstitutionell bestehenden Grundrechtsbeschränkungen: BVerfGE 5, 13 (16) – Zitiergebot; 15, 288 (293) – Rundfunkgerät; 16, 194 (199 f.) – Liquor-Entnahme; 61, 82 (113) – Sasbach; erweiternd allgemein gegenüber schon bestehenden, also auch nachkonstitutionellen Grundrechtsbeschränkungen: BVerfGE 35, 185 (188 f.) – Wiederholungsgefahr; 129, 208 (237) – TKÜ-Neuregelung; dem folgend Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 6: „Anwendung unnötig“; dagegen Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 28. 586  Vgl. zur Reichweite dieser Garantie Remmert, in: MD, GG, Art. 19 II (2008) Rn. 19 ff.; Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 333 ff., m. w. N. 587  Vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 111; Heckel, Gleichheit, S.  98 f. 588  Vgl. BVerfGE 85, 191 (209) – Nachtarbeitsverbot; 92, 91 (109) – Feuerwehrabgabe; 114, 357 (364) – Bleiberecht; zusammenfassend Sachs, Diskriminierungsverbot, S. 490 ff.; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1762 ff.; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 154; ders., in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 120 ff., je m. w. N.; Kannen­ gießer, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 3 Rn. 58; Pieper, ebd., Art. 33 Rn. 76; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 134, 93; ferner Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 314: „zwingende Gründe“; zusätzlich weitere Begrenzungstatbestände anführend: Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 170; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 6.



D. Verbot merkmalsabhängiger Bevorzugungen und Benachteiligungen  137

tenden Interessen die Argumente für die Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung überwiegen. Im Rahmen dieser Abwägung ist unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit praktische Konkordanz zwischen den widerstreitenden Verfassungsbestimmungen herzustellen. 3. Zwischenergebnis zu III. Mangels Gesetzesvorbehalts wird Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ausschließlich durch kollidierendes Bundesverfassungsrecht begrenzt. Dieses kann je nach Regelungsintention zu einer quasi-tatbestandlichen Grundrechtsbegrenzung oder zu einer Grundrechtsbegrenzung aufgrund eines Quasi-Gesetzesvorbehalts führen. Welche Wirkung im Einzelfall beabsichtigt ist, muss durch Auslegung der kollidierenden Bestimmungen ermittelt werden.

IV. Zwischenergebnis zu D. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG normiert ein striktes Anknüpfungsverbot, das alle Benachteiligungen oder Bevorzugungen erfasst, die die grundrechtsgebundene Staatsgewalt unter Anknüpfung an eines der genannten Merkmale vornimmt. Das Verständnis von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als Anknüpfungsverbot hat sich zu Recht seit dem Nachtarbeitsurteil des BVerfG gegenüber allen anderen Anknüpfungsmodellen weitgehend durchgesetzt. Abzulehnen ist deswegen eine einschränkende Auslegung der Begriffe Benachteiligung und Bevorzugung, wonach nur angeblich sachwidrige Unterscheidungen erfasst sein sollen. Verbreitet wird daraus allerdings der Schluss gezogen, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG sei als Differenzierungs- beziehungsweise Unterscheidungsverbot zu bezeichnen. Dem folgt diese Arbeit unter Berufung auf den Wortlaut nicht; vielmehr ist eine Benachteiligung oder Bevorzugung Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG; nicht allein ausreichend ist eine bloß unterschiedliche Behandlung. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG enthält keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt, doch ist er unter Wahrung der Einheit der Verfassung zu lesen und darf anderen Verfassungsbestimmungen nicht übergeordnet werden. Aus diesen beiden Prämissen – kein Gesetzesvorbehalt und Prinzip der Einheit der Verfassung – folgt, dass ausschließlich589 kollidierendes Bundesverfassungs589  Insoweit nicht überzeugend daher Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1311: „Teil­ weise findet sich sogar eine Rechtfertigung in der Verfassung selbst […].“ [Hervorhebung nicht im Original].

138 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

recht in Betracht kommt, um das Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbot zu begrenzen. Kollidierendes Verfassungsrecht kann sich auf zwei unterschiedlichen Ebenen auswirken: Es begrenzt Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG quasi-tatbestandlich, wenn es bestimmt, dass dieser unabhängig von den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Regelungen für eine bestimmte Regelungsmaterie nicht gelten soll. Solche quasi-tatbestandlichen Begrenzungen sind nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn dies eindeutig beabsichtigt ist, weil alle Grundgesetzvorschriften grundsätzlich einen umfassenden Geltungsanspruch besitzen. Zudem trägt Zurückhaltung bei der Annahme solcher Begrenzungen der grundgesetzlichen Gliederung in grundrechtlichen Tatbestand und Vorbehalt Rechnung. Alternativ kann kollidierendes Verfassungsrecht als Quasi-Gesetzesvorbehalt wirken. Ein solcher ermächtigt die grundrechtsgebundene Staatsgewalt nur dann zu einem Verhalten, welches das Grundrecht für den Regelfall verbietet, wenn bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen die Argumente für die Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung überwiegen. Im Rahmen dieser Abwägung ist unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit praktische Konkordanz zwischen den widerstreitenden Verfassungsbestimmungen herzustellen. Voraussetzung einer solchen verfassungsmäßigen Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist eine Kollisionssituation, in der die Staatsgewalt nicht zugleich das Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot und die kollidierende Verfassungsnorm voll zur Geltung bringen kann. Erfasst sind im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG auch solche Konstellationen, in denen eine kollidierende Grundgesetzbestimmung die Berücksichtigung eines der genannten Merkmale ungeachtet des grundrechtlichen Verbots lediglich zulässt und dem Gesetzgeber so einen Entscheidungsspielraum einräumt. Dieser verfassungsrechtlich vorgesehene Entscheidungsspielraum würde verkannt, wenn man die Staatsgewalt verpflichtet sähe, sich stets in einer Weise zu entscheiden, die mögliche Konflikte mit vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten verhindert. Dieses Modell eines strikten Anknüpfungsverbotes gewährleistet größtmögliche Klarheit und Stringenz im Hinblick auf das von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG beabsichtigte umfassende Abwehrrecht gegenüber staatlichen Benachteiligungen und Bevorzugungen wegen eines der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmale. Zugleich reagiert es hinreichend flexibel auf kollidierende Verfassungsentscheidungen, die sich quasi-tatbestandsbegrenzend oder wie rechtfertigende Gesetzesvorbehalte auswirken können.



E. Unabhängigkeit vom religiösen Bekenntnis gem. Art. 33 Abs. 3 GG139

E. Unabhängigkeit der Zulassung zu öffentlichen Ämtern vom religiösen Bekenntnis gem. Art. 33 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG Gem. Art. 33 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG ist die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig vom religiösen Bekenntnis. Die Norm gehört wie Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu den besonderen Gleichheitssätzen des Grundgesetzes. Art. 33 Abs. 3 GG garantiert ein grundrechtsgleiches Recht590, dessen Verletzung Grundrechtsträger gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG mit einer Grundrechtsverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht geltend machen können.

I. Entstehungsgeschichte Schon § 146 RV 1849 bestimmte, dass die staatsbürgerlichen Rechte, zu denen herkömmlich auch der Zugang zu öffentlichen Ämtern zählt, durch das religiöse Bekenntnis nicht beschränkt werden. Art. 12 S. 2 der Verfassungsurkunde für Preußen von 1850 griff die Bestimmung auf, die schließlich durch das Gesetz vom 3. Juli 1869 betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung591 allgemeine Geltung erlangte. 1919 ging dieses Gesetz im weitgehend inhaltsgleichen Art. 136 WRV auf. Soweit ersichtlich, wurde im Parlamentarischen Rat über Art. 33 Abs. 3 GG nicht gesondert diskutiert.592 Deswegen lässt sich allenfalls mutmaßen, warum dieser besondere Gleichheitssatz – abgesehen vom unterschiedlich speziellen Anwendungsbereich – in ganz ähnlicher Form auch in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG enthalten ist und mit Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV fast wörtlich identisch ist. Ein Erklärungsversuch führt die Vielzahl der Unterscheidungsverbote mit Bezug zur religiösen Anschauung darauf zurück, dass der Parlamentarische Rat nach dem Zweiten Weltkrieg massiv die Katastrophe vor Augen gehabt habe, zu der auch der Religionshass der Nationalso­ zialisten geführt habe. Wegen dieser und anderer historischer Erfahrungen, dass die Religionsfreiheit in der Zeit vor der Entstehung des Grundgesetzes besonders gefährdet war, habe sich der Parlamentarische Rat bewusst und explizit auf Menschenwürde- und Gleichheitsgedanken rückbesonnen.593 Wezu diesem Begriff Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 43. des Norddeutschen Bundes, S. 292; vgl. Sachs, Der Staat 23 (1984), 549 (557 f.). 592  Siehe schon 2. Kap. B. III. 593  Vgl. Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 42; Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 42; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 388; Sachs, Der Staat 23 (1984), 549 (551). 590  Vgl.

591  BGBl.

140 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

niger bedeutungsschwer, aber ebenfalls nicht von der Hand zu weisen, ist die Überlegung, dass bei der Inkorporierung von Art. 136 Abs. 2 WRV die Dopplung mit Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG als „gesetzgebungstechnisches Versehen“594 schlicht übersehen wurde, weil Art. 136 WRV erst in vierter Lesung im Hauptausschuss in die Liste der zu inkorporierenden Bestimmungen aufgenommen wurde.595 Schließlich könnte die Regelung auch dem Kompromisscharakter von Art. 140 GG zuzuschreiben sein oder darauf beruhen, dass die Bezugnahme auf einzelne Absätze der WRV zu einer noch komplizierteren Inkorporationsregelung durch Art. 140 GG geführt hätte.596

II. Grundrechtlicher Tatbestand Die Zulassung zu öffentlichen Ämtern ist gem. Art. 33 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG unabhängig vom religiösen Bekenntnis. 1. Öffentliches Amt Im Unterschied zu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist Art. 33 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG sachlich auf die Zulassung zu öffentlichen Ämtern beschränkt. Die genaue Definition des Amtsbegriffes ist in Rechtsprechung und Literatur nicht abschließend geklärt. Im Kontext der anschauungsgebundenen Ämtervergabe verwendet diese Arbeit – wie oben dargelegt [2. Kap. B.] – einen weiten Amtsbegriff, der grundsätzlich alle Positionen der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt i. S. v. Art. 1 Abs. 3 GG umfasst, in denen natürliche Personen für eine gewisse Dauer tätig werden mit dem Auftrag, uneigennützig öffentliche Aufgaben zu erfüllen.597 Dementsprechend sind tatbestandlich jedenfalls die hergebrachten bekenntnisgebundenen Ämter, also Anstaltsseelsorger, Lehrer staatlicher Schulen einschließlich der Religionslehrer und (Theologie-)Professoren staatlicher Universitäten, erfasst, sodass der Begriff an dieser Stelle keiner weiteren Diskussion bedarf.

594  Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 6; vgl. v. Campen­ hausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 65. 595  Siehe JöR n. F. 1 (1951), 907. 596  Vgl. Kästner, in: BK, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2010) Rn. 207; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 6. 597  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 395, 75 ff.; unter fälschlichem Verweis auf Art. 33 Abs. 1 GG Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 43.



E. Unabhängigkeit vom religiösen Bekenntnis gem. Art. 33 Abs. 3 GG 141

2. Zulassung Zulassung zu öffentlichen Ämtern meint sowohl die Einstellung in den öffentlichen Dienst als auch die weitere Besetzung von entsprechenden Ämtern etwa im Rahmen von Beförderungen.598 Bewerber dürfen nicht wegen ihres religiösen Bekenntnisses ausgeschlossen werden, was im Schrifttum auch als Ämterfähigkeit bezeichnet wird.599 Bei der Neubesetzung eines öffentlichen Amtes sind alle Stufen des Auswahlverfahrens von der Ausschreibung und der Festlegung eines Anforderungsprofils bis hin zur Auswahlentscheidung betroffen; das religiöse Bekenntnis darf bei diesen Verfahrensschritten grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes ist zusätzlich das Recht erfasst, aus einem einmal verliehenen öffentlichen Amt nicht unter Anknüpfung an das religiöse Bekenntnis entlassen zu werden.600 Um die staatliche Organisationsgewalt und Personalhoheit zu wahren,601 vermittelt Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG allerdings keinen Anspruch auf Übernahme in ein öffentliches Amt, sondern ausschließlich einen Abwehranspruch gegen Benachteiligungen wegen des religiösen Bekenntnisses im Zusammenhang mit der Zulassung zu öffentlichen Ämtern. 3. Unabhängigkeit vom religiösen Bekenntnis Im Unterschied zu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbietet Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG Anknüpfungen an das religiöse Bekenntnis. Nach der verfassungsrechtlichen Tradition ist damit vor allem die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft als einer Konfession gemeint.602 Allerdings ist von Zugehörigkeit zu einem Bekenntnis nur in Art. 33 Abs. 3 S. 2 GG die Rede, nicht hingegen im hier maßgeblichen S. 1. Die beiden Begriffe stehen in einem Speziali598  Vgl. Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 25; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 37; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 57. 599  Vgl. Jellinek, Öffentliche Rechte, S. 168; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1807 ff. 600  BVerfGE 96, 152 (163 ff.) – Parteilehrer, prüft die Aufrechterhaltung eines Dienstverhältnisses deshalb an Art. 33 Abs. 2 GG; ebenso Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 35; unentschieden Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 124 ff.; Lindner, BayVBl. 2012, 581 (583), der „eher“ (ebd.) das Lebenszeitprinzip für betroffen erachtet, das Leistungsprinzip aber gleichzeitig (nur) „praktisch aufgehoben“ (ebd.) sieht; dagegen Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 41; Wag­ ner, Bestenauslese, S. 65, unter Berufung auf den Wortlaut von Art. 33 Abs. 2 GG. 601  Vgl. Jellinek, Öffentliche Rechte, S. 168, der sich gegen jeglichen „Contrahirungszwang“ (ebd., S. 169) des Staates ausspricht. 602  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, S. 1799.

142 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

tätsverhältnis: Der Ausdruck religiöses Bekenntnis in Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG umfasst individuelle innerliche Glaubensüberzeugungen603 ebenso wie äußerliche Manifestationen, die tatbestandlich von der Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG erfasst sind604 und zu denen auch die objektive Zugehörigkeit zu einer Bekenntnisgemeinschaft zählt.605 Das religiöse Bekenntnis darf für die Zulassung zu öffentlichen Ämtern keine Rolle spielen. Das Adjektiv unabhängig verlangt eine strikte Deutung, wonach jede Anknüpfung verboten ist, sodass Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG weniger Anlass für Diskussionen um das richtige Anknüpfungsmodell bietet als Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG mit der präpositionalen Anknüpfung wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauungen.606 Folglich ist auch eine proportionale Berücksichtigung verschiedener Bekenntnisse verboten.607 Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, Benachteiligungen oder Bevorzugungen nur in Abhängigkeit von einer als verwerflich bewerteten Motivation zu erfassen. Gleichwohl wird bei der Vergabe religiös gebundener Ämter eine bestimmte religiöse Anschauung – unmittelbar oder vermittelt über Mitentscheidungsrechte der Religionsgemeinschaften –608 vorausgesetzt, wenn der Staat das betroffene öffentliche Amt verleiht. Tatbestandlich verstößt dies gegen Art. 33 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG. Ebenfalls einschlägig ist Art. 33 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG, wenn negativ die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bekenntnis als Ausschlusskriterium für den Zugang zu öffentlichen Ämtern verwendet werden soll.609 603  Vgl. Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 57; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, S. 1799; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 134. 604  Vgl. Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 43; Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 43; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 401; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 26; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 37; wohl auch: OVG Nds., NVwZ-RR 2002, 658 (658); Wendt, in: HGR V, § 127 Rn. 78; unklar Hense, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 33 Rn. 24 f. 605  So verstanden besteht kein Unterschied zwischen religiösen Anschauungen i. S. v. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und religiösem Bekenntnis i. S. v. Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG. 606  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 400; Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 32; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, S. 1797; Sachs, ZBR 1994, 133 (135); ders., JuS 1989, 753; a. A. noch BVerfGE 75, 40 (70) – Privatschulfinanzierung; wie hier später aber BVerfGE 85, 191 (206) – Nachtarbeitsverbot. Siehe ferner zur Benachteiligung einer muslimischen Bewerberin wegen des Tragens eines Kopftuchs vor dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 3 GG Muckel, in: FS Link, 2003, S. 331 (334 ff.). 607  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 401; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 27; Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 (126). 608  Vgl. dazu 2. Kap. D. II. 5., 3. Kap. A. I. 2. 609  So unter Anknüpfung an religiös begründetes Verhalten in sog. Kopftuchfällen; vgl. BVerfGE 108, 282 (313) – Kopftuch; OVG Nds., NVwZ-RR 2002, 658



E. Unabhängigkeit vom religiösen Bekenntnis gem. Art. 33 Abs. 3 GG 143

III. Grundrechtsbegrenzungen Es fragt sich, ob und inwieweit das religiöse Bekenntnis ausnahmsweise aufgrund verfassungsrechtlicher Grundrechtsbegrenzungen berücksichtigt werden darf. In Anlehnung an das zu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG Ausgeführte610 kommen diesbezüglich auch im Hinblick auf Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG quasitatbestandliche Begrenzungen und rechtfertigende Normenkollisionen in Betracht. Einer vereinzelt gebliebenen Auffassung in der Rechtsprechung zufolge können die „durch das dienstliche Interesse und das Wohl der Allgemeinheit bestimmten Dienstpflichten eine Beschränkung [des Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG] erfordern“611. Ob es sich dabei um eine tatbestandliche oder eine rechtfertigende Grundrechtsbegrenzung handeln soll, wird nicht klar unterschieden. Jedenfalls kann dieser These in ihrer Allgemeinheit nicht zugestimmt werden, da der Grundrechtsschutz so bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen ausgeliefert und relativiert würde. Grundrechtsbegrenzungen kommen auch im Anwendungsbereich von Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG ausschließlich durch kollidierendes Bundesverfassungsrecht in Betracht.612 Ob eine quasi-tatbestandliche Begrenzung oder ein Quasi-Gesetzesvorbehalt beabsichtigt ist, ist für jedes Kollisionsverhältnis durch Auslegung der kollidierenden Grundgesetzbestimmung zu ermitteln.

(658); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 28; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 409; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 57; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 135, m. w. N. 610  Siehe 2. Kap. D. III. 611  OVG HH, NVwZ 1986, 406 (408). Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 44, sieht „sachgerechte“ Eignungsvoraussetzungen als gerechtfertigt an; jedenfalls in der Begründung äußerst zweifelhaft ferner Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 27, wonach die Berücksichtigung der Konfes­ sion als Eignungsmerkmal durch Art. 33 Abs. 3 GG (und Art. 4 Abs. 1 GG) geboten sein soll, „um die Gefahr einer Fremdbestimmung der Konfessionslehre vorzubeugen.“ 612  Vgl. OVG Nds., NVwZ-RR 2002, 658 (658); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 406; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 31; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1800; Wendt, in: HGR V, § 127 Rn. 80. Siehe ferner die bereits erwähnte Entscheidung OVG HH, NVwZ 1986, 406 (408), wo nach der zu weit gehenden Vorrede auf die (Grund-)Rechte anderer und die durch Art. 33 Abs. 5 GG mit Verfassungsrang ausgestalteten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums Bezug genommen wird.

144 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

IV. Zwischenergebnis zu E. Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG verbietet die Berücksichtigung des religiösen Bekenntnisses bei der Vergabe öffentlicher Ämter. Religiös gebundene Ämter sind vor diesem Hintergrund nur verfassungsgemäß, soweit das Grundgesetz selbst die Berücksichtigung des religiösen Bekenntnisses beziehungsweise die Einrichtung entsprechender Ämter vorschreibt oder zulässt.613 Im Falle quasi-tatbestandlicher Begrenzungen geht die begrenzende Bestimmung dem Gleichheitssatz uneingeschränkt vor; bei Grundrechtsbegrenzungen, die wie ein Gesetzesvorbehalt wirken, obliegt es dem Gesetzgeber, die Kollisionssituation so aufzulösen, dass die grundrechtsbeschränkende gesetzliche Regelung praktische Konkordanz wahrt und möglichst alle gegenläufigen verfassungsrechtlich fundierten Interessen in einen optimierenden Ausgleich bringt. Ob diese Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen erfüllt sind, ist im dritten Teil dieser Arbeit im Hinblick auf die einzelnen religiös gebundenen Ämter zu prüfen.

F. Unabhängigkeit der Zulassung zu öffentlichen Ämtern vom religiösen Bekenntnis gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV Gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 Var. 2 WRV ist die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig vom religiösen Bekenntnis.614

I. Entstehungsgeschichte Die Gewährleistung zählte schon 1919 zum „altliberale[n] Gemeingut“615. Bereits gem. § 146 S. 1 RV 1849, Art. 12 S. 2 Verf. Preuß. 1850 war der Genuss der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte unabhängig vom religiösen Bekenntnis und durch dieses weder bedingt noch beschränkt. Daran orientierte sich das Reichsministerium des Inneren, dessen Entwurf für die Weimarer Reichsverfassung vom 21. Februar 1919616 den späteren 613  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 407; Jarass, in: ders. /  Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 32 f.; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u.  a., GG, Art. 33 Rn. 76; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1800 f.; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 159. 614  Siehe auch die Parallelvorschrift zu Art. 136 Abs. 2 WRV in Art. 13 Verf. BE 1950 = Art. 19 Abs. 2 Verf. BE n. F. 615  Anschütz, WRV10, Art. 136 Anm. 2; vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1308. 616  Drs. 59, Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 335 (1920), S. 48.



F. Unabhängigkeit vom religiösen Bekenntnis gem. Art. 136 Abs. 2 WRV 145

Art. 136 Abs. 2 WRV bereits wortgleich in Art. 30 Abs. 3 enthielt. Insbesondere die institutionellen Regelungen des Verhältnisses von Staat und Kirche und die Frage der Staatsleistungen an die Kirchen waren hoch umstritten, sodass man sich diesbezüglich nur auf einen Kompromiss einigen konnte.617 Demgegenüber standen das Verbot der Unterscheidung hinsichtlich des religiösen Bekenntnisses sowie das korrespondierende Fragerecht der Behörden beim Zugang zu öffentlichen Ämtern zwar nicht im Mittelbpunkt der politischen Diskussionen, sie waren aber gleichwohl nicht unumstritten.618 Keine weiteren Diskussionen sind im Zusammenhang mit der Aufnahme des Unterscheidungsverbotes aus Art. 136 Abs. 2 WRV in das Grundgesetz ersichtlich: Vom 10. bis zum 23. August 1948 tagte auf der Insel Herrenchiemsee der sogenannte Herrenchiemseer Konvent, um im Auftrag der Ministerpräsidenten der Länder der westlichen Besatzungszonen einen Verfassungsentwurf für den Parlamentarischen Rat zu erarbeiten. Die Konventsmitglieder gingen davon aus, es sei nicht mit dem provisorischen Charakter des Grundgesetzes zu vereinbaren, Regelungen über Lebens- oder Gemeinschaftsordnungen, zu denen auch das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften gezählt wurde, in das Grundgesetz aufzunehmen.619 Zudem wollten manche die detaillierte Ausgestaltung des kulturellen und sozialen Lebens den Landesverfassungen überlassen, weil im Hinblick auf diese Materie große inhaltliche Differenzen bestanden und der Bund in der beabsichtigten bundesstaatlichen Gliederung der Bundesrepublik keine Kompetenz für diese „spezifisch föderative Angelegenheit“620 besitze.621 Dementsprechend enthielt der Entwurf des Verfassungsausschusses noch keine diesbezüglichen Bestimmungen. Die Kirchen hingegen pochten nach den Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Herrschaft auf eine bundesverfassungsrechtliche Gewährleistung der Rechtspositionen, die auch die WRV seinerzeit gewährleistet hat617  Vgl. Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336 (1920), S. 187 ff., 515 ff.; Gusy, WRV, S. 321 ff., m. w. N.; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 8 ff., 23; Richter, Kirche und Schule, S. 524 ff., 608 ff.; zum Weimarer Kompromiss Koutnatzis, Verfassungsnormen, S. 151 ff.; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1308. 618  Vgl. Stellungnahme des Abg. Gröber, in: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336 (1920), S. 187; zur Beschlussfassung ohne weitere Diskussionen Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336 (1920), S. 514. 619  Vgl. Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 Rn. 9; allgemein Sachs, ebd., Einf. Rn. 15. 620  Abg. Heuß, JöR n. F. 1 (1951), 901. 621  Vgl. ParlRat 5 / II, S. 636 f.; Diskussionsbeiträge der Teilnehmer des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee, in: ParlRat 2, S. 214, 471, 475, 513; ferner Smend, ZevKR 1 (1951), 4 (11); Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 24 26 ff.

146 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

te.622 Ein staatskirchenrechtlicher Passus über die Kirche sei die „logische Fortsetzung“623 des Gedankens der Religionsfreiheit im Sinne dieses Grundrechts. Diese Forderung griffen CDU / CSU, DP und Zentrum auf, konnten sich damit jedoch nicht durchsetzen. Daraufhin beantragte Süsterhenn in der Sitzung des Hauptausschusses vom 8. Dezember 1948, die Bestimmungen der Art. 137, 138 Abs. 2, 139 und 141 der WRV sollten „aufrechterhalten“624 bleiben. Trotz rechtstechnischer und redaktioneller Bedenken nahm der Hauptausschuss diesen Antrag schließlich an.625 Im Unterschied zu diesen sogenannten „Kirchenartikeln“626, die das institutionelle Verhältnis von Kirchen und Staat regeln, wurde Art. 136 WRV mit seinem hier maßgeblichen Abs. 2 zur Ausformung der individuellen Religionsfreiheit erst nachträglich auf Vorschlag des Redaktionsausschusses in die Liste der zu inkorporierenden Artikel aufgenommen627 und der Art. 140 GG in seiner heutigen Fassung beschlossen. Ebenso wie die Nationalversammlung im Jahr 1919 das Verhältnis von Staat und Kirche erst nach zähem Ringen in Form eines Kompromisses hatte beschließen können, stellt also auch Art. 140 GG einen Verfassungskompromiss dar, was der Inkorporationslösung die Bezeichnung doppelter Kompromiss (von Weimar und von Bonn) einbrachte.628 Art. 136 Abs. 1 und 2 WRV sichert den freiheitsgrundrechtlichen Raum, in dem Grundrechtsträger vom Staat unbehelligt agieren können. Insofern soll die Vorschrift noch einmal einschärfen, dass die Rechte und Pflichten des Individuums von seiner Religion unabhängig sind und dass die Religion für den Zugang zu öffentlichen Ämtern ohne Belang ist. Art. 136 Abs. 2 WRV enthält also – ebenso wie dessen Abs. 1 – ein absolutes Differenzierungsverbot in Bezug auf die Religion.629 Grundgedanke der Norm ist das Verbot staatlichen Glaubenszwanges sowie eines Verhaltens, das faktisch zwangsgleich wirkt. Eine solche verbotene Einflussnahme auf die Glaubensentscheidung des Einzelnen könnte der Staat auf zwei unterschiedliche ArKästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 24. Süsterhenn, in: ParlRat 5 / II, S. 836. 624  So der Antrag von Süsterhenn, in: ParlRat 14 / I, S. 655. 625  Hauptausschuss, in: ParlRat 14 / I, S. 658. 626  Zu diesem Begriff und der systematisch verfehlten Stellung des Art. 136 WRV im Gefüge des Grundgesetzes Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 207; Kori­ oth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 3. 627  Vgl. JöR n. F. 1 (1951), 907. 628  Zur Kompromisshaftigkeit vgl. ausführlich Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 24 ff.; Koutnatzis, Verfassungsnormen, S.  253 ff., m. w. N. 629  Vgl. BVerfGE 79, 69 (75) – Eidespflicht; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 2; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 210; Kori­ oth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 28 ff.; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1309; Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 11. 622  Vgl. 623  So



F. Unabhängigkeit vom religiösen Bekenntnis gem. Art. 136 Abs. 2 WRV 147

ten bewirken: Unmittelbar durch die Verpflichtung, die eigene religiöse Überzeugung zu offenbaren oder an einer religiösen Handlung teilzunehmen630 – dann wären Art. 136 Abs. 3 und 4 WRV einschlägig –, oder mittelbar, indem der Staat an ein bestimmtes religiösen Bekenntnis Vor- oder Nachteile anknüpft – davor schützen Art. 136 Abs. 1 und 2 WRV.631

II. Technik der Inkorporation Art. 136 Abs. 2 WRV ist gem. Art. 140 GG vollwertiger Bestandteil des Grundgesetzes,632 „vollgültiges Verfassungsrecht“633, das gegenüber anderen Bestimmungen nicht auf einer Stufe minderen Ranges steht.634 Die inkorporierten Bestimmungen der WRV bilden mit den unmittelbar in der Verfassungsurkunde des Grundgesetzes niedergelegten religionsbezogenen Bestimmungen ein „organisches Ganzes“635, so „als ob sie auch äußerlich aneinandergefügt wären“636. Feststellen lässt sich allerdings, dass Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG den Art. 140 GG und die inkorporierten Vorschriften der WRV nicht zu den subjektiven Rechten zählt, die der Einzelne im Wege der Grundrechtsverfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen kann.637 Nach der Rechtsprechung des BVerfG gewährleistet Art. 140 GG daher keine 630  Vgl. zu solchen Konstellationen BVerfGE 33, 23 – Eidesformel; 35, 366 (375 f.) – Kreuz im Gerichtssaal: gegen jeden „Zwang, entgegen der eigenen reli­ giösen oder weltanschaulichen Überzeugung in einem mit einem Kreuz ausgestatteten Gerichtssaal verhandeln zu müssen“; 93, 1 (18) – Kruzifix; BVerwGE 141, 223 Rn. 30, zum staatlich veranlassten Aufeinandertreffen von Anhängern unterschiedlicher Glaubensrichtungen in der öffentlichen Schule. 631  Zu dieser Unterscheidung Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 1. 632  Siehe auch Art. 5 Verf. BW, Art. 9 Abs. 1 Verf. MV, Art. 22 Verf. NW, die ebenfalls einzelne religionsbezogene Artikel der WRV inkorporieren. 633  BVerfGE 19, 206 (219) – Kirchenbausteuer; dem folgend Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 Rn. 2. 634  Vgl. BVerfGE 19, 206 (219) – Kirchenbausteuer; v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 50; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 Rn. 2; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 145; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1167. Freilich geht das BVerfG in ständiger Rspr. gleichwohl davon aus, dass das einheitliche Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG durch Art. 136 Abs. 1 WRV keinem Vorbehalt unterworfen werde, s. etwa BVerfGE 33, 23 (30 f.) – Eidesformel; Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 543, 577; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4 Rn. 127 ff. 635  BVerfGE 19, 226 (236) – Kirchensteuer; 70, 138 (167) – Loyalitätspflicht. 636  v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 50. 637  Vgl. gleichwohl für Grundrechtsgehalt von Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 WRV Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 1; Kästner, in: BK, GG,

148 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Grundrechte.638 Allerdings sollen behauptete Verletzungen von Art. 140 GG gleichwohl mittelbar Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein können, wenn gleichzeitig Art. 4 Abs. 1, 2 GG639 oder Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG berührt ist, weil die Gewährleistungen der Weimarer Reichsverfassung funktional auf die Inanspruchnahme der Religionsfreiheit angelegt seien.640 Auch soweit im Übrigen in der Literatur strukturelle Unterschiede zwischen Art. 4 GG und den über Art. 140 GG inkorporierten Bestimmungen betont werden, zielt dies nicht darauf, eine Rangordnung zwischen beiden Normkomplexen aufzubauen; es geht vielmehr bloß um eine begriffliche Unterscheidung, die zu sachgerechten Ergebnissen führen soll.641 Daher wird Art. 136 Abs. 2 WRV auch als grundrechtsähnliches Recht bezeichnet.

III. Grundrechtlicher Tatbestand Art. 136 Abs. 2 WRV ist fast wortgleich mit Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG; letztere Norm ist lediglich um die im öffentlichen Diente erworbenen Rech­ te erweitert. Da sich beide Vorschriften im Hinblick auf die religiös gebundene Ämtervergabe gleichen, kann dementsprechend auf die obigen Ausführungen verwiesen werden:642 Art. 136 Abs. 2 2. Hs. WRV normiert ein striktes Verbot, bei der Zulassung zu öffentlichen Ämtern Rechtsfolgen an das religiöse Bekenntnis der Bewerber zu knüpfen.

IV. Grundrechtsbegrenzungen In Anlehnung an das zu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG Ausgeführte [s. schon 2. Kap. D. III.] wird auch Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV ausschließlich Art. 140 / Art. 136 WRV (2010) Rn. 207; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 23. 638  St. Rspr., BVerfGE 19, 129 (135) – Umsatzsteuer; zuletzt BVerfGE 125, 39 (79 f.) – Adventssonntag; aus der Lit. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 140 Rn. 2; Wißmann / Heuer, Jura 2011, 214 (216); gleichwohl für Grundrechtsgehalt von Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 WRV Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 Rn. 3; ebd., Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 1; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2010) Rn. 207. 639  So zuletzt in BVerfGE 125, 39 (79 ff.) – Adventssonntag, m. w. N. 640  Vgl. BVerfGE 102, 370 (387) – Zeugen Jehovas; 125, 39 (80) – Adventssonntag; daher für eine systematische Zugehörigkeit zu den Grundrechten Morlok, in: Dreier, GG I, Art. 4 Rn. 109. 641  Vgl. Mückl, EssGespr. 40 (2007), 41 (44); für „interpretatorische Wechselwirkung“ Borowski, Gewissensfreiheit, S. 295. 642  Siehe 2. Kap. E.; im Übrigen etwa Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 28; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1310.



G. Gleicher Ämterzugang gem. Art. 33 Abs. 2 GG

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durch geltendes kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt.643 Dieses kann entweder wie eine tatbestandliche Begrenzung oder wie ein Gesetzesvorbehalt wirken. Notwendige Voraussetzung für ein verfassungsmäßiges religiös gebundenes öffentliches Amt ist also eine Grundgesetzbestimmung, die die Einrichtung eines solchen Amtes vorschreibt oder zulässt.

V. Zwischenergebnis zu F. Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV verbietet die Berücksichtigung des religiösen Bekenntnisses bei der Vergabe öffentlicher Ämter. Religiös gebundene Ämter sind vor diesem Hintergrund nur verfassungsgemäß, soweit das Grundgesetz selbst die Einrichtung solcher Ämter vorschreibt oder zulässt. Im Falle quasi-tatbestandlicher Begrenzungen geht die begrenzende Verfassungsbestimmung dem Gleichheitssatz uneingeschränkt vor; bei Grundrechtsbegrenzungen, die wie ein Gesetzesvorbehalt wirken, obliegt es dem Gesetzgeber, die konkret kollidierenden Verfassungsbestimmungen mit dem Ziel der Herstellung praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen. Ob die Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen erfüllt sind, ist im 3. Teil dieser Arbeit im Hinblick auf die einzelnen religiös gebundenen Ämter zu prüfen.

G. Gleicher Ämterzugang gem. Art. 33 Abs. 2 GG Gem. Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt.

I. Vor- und Entstehungsgeschichte Das damit grundgesetzlich verankerte sogenannte Prinzip der Idoneität hat eine lange Tradition. Die westeuropäische Geschichte maßgeblich beeinflusst hat schon Papst Zacharias, als er im Jahr 751 den Karolinger Pippin zum König erhob, um damit dem besser geeigneten Kandidaten das Führungsamt zu verleihen, statt auf die dynastische Legitimität der Merowinger zu setzen.644 643  Vgl. Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 2; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 3; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 136 WRV Rn. 16; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1802; ausdrücklich gegen absolute Geltung Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 3. 644  Vgl. Angenendt, Frühmittelalter, S. 284.

150 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Ein gutes Jahrtausend später hieß es in der Französischen Menschenrechtserklärung vom 26.8.1789: „Tous les citoyens étant égaux à ses yeux sont également admissibles à toutes dignités, places et emplois publics, selon leur capacité, et sans autre distinction que celle de leurs vertus et de leurs talents.“645 Gleichwohl war in den folgenden Jahrzehnten in Europa nicht etwa Frankreich Vorreiter in Bezug auf einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst, sondern es waren insbesondere deutsche Staaten.646 Im europäischen Vergleich recht früh erkannten die Machthaber dort, dass es sinnvoll sei, die Beschäftigten in der staatlichen Verwaltung angemessen zu alimentieren und sie prinzipiell auf Lebenszeit einzustellen (vgl. § 2 RBG 1873), um politische Einflussnahme und Patronage zu vermeiden. Weiterhin bestimmte Art. 47 Abs. 1 der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17.12.1820, niemand könne ein Staatsamt erhalten, „ohne seine Fähigkeit dazu, durch ordnungsgemäße Prüfung, bewiesen“647 zu haben. Art. 4 S. 3 Verf. Preuß. 1850 stellte fest, die öffentlichen Ämter seien unter Einhaltung der von den Gesetzen festgestellten Bedingungen „für alle dazu Befähigten gleich zugänglich“. Gleichwohl ließen sich diese hehren Ziele im Verwaltungsalltag nur mühsam durchsetzen.648 In der Sache vergleichbar griff die WRV die preußische Bestimmung auf, indem es in Art. 128 Abs. 1 WRV hieß: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied sind nach Maßgabe der Gesetze und entsprechend ihrer Befähigung und ihren Leistungen zu den öffentlichen Ämtern zuzulassen“. Insbesondere sollte nicht nach religiöser oder politischer Anschauung differenziert werden.649 Allerdings maß das damalige Schrifttum Art. 128 Abs. 1 WRV keine große praktische Bedeutung zu, sondern betonte im Gegenteil das „Recht der Anstellungsorgane des Staates […] auf freie Auswahl unter den befähigten Anwärtern auf ein Amt“650, das durch die Vorschrift nicht geschmälert werde. Vor dem Hintergrund dieser Bestimmung und in Anbetracht des Wunsches der alliierten Militärgouverneure, im Grundgesetz in möglichst hohem Grade vorzusehen, „daß der öffentliche Dienst unpolitischen 645  Art. 6 S. 2 der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (Hervorhebung nicht im Original). 646  Vgl. Eschenburg, Ämterpatronage, S. 33 f. 647  Abgedruckt bei Huber, Dokumente zur Verfassungsgeschichte, S. 221 (226). 648  Vgl. zur Geschichte der religiös oder politisch bedingten Ämterpatronage 2.  Kap. A. et pass.; besonders zur gegen Katholiken gerichteten „negative[n] Patronage“ in Preußen Eschenburg, Ämterpatronage, S. 36. 649  Vgl. etwa Anschütz, WRV, Art. 128 Anm. 1, unter Verweis auf Art. 130 Abs. 2, Art. 136 Abs. 2 WRV, wo gerade diese Kriterien als Unterscheidungsmerkmale ausgeschlossen werden. 650  Anschütz, WRV, Art. 128 Anm. 2; vgl. zustimmend zu Art. 33 GG v. Man­ goldt, GG1, Art. 33 S. 210.



G. Gleicher Ämterzugang gem. Art. 33 Abs. 2 GG151

Charakters“651 ist, war die Entstehung des Grundgesetzes vorgezeichnet: Schon Art. 13 HChE enthielt sinngemäß652 den späteren Art. 33 Abs. 2 GG.653

II. Gewährleistungsgehalt und Subjektivität Art. 33 Abs. 2 GG gewährt allen Deutschen ein Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Unter Berücksichtigung dieses Wortlauts, des verfassungsgeschichtlichen Hintergrundes654 und der gleichheitsrechtlichen Struktur ist Art. 33 Abs. 2 GG zu den besonderen Gleichheitssätzen des Grundgesetzes zu zählen.655 Allerdings schließt Art. 33 Abs. 2 GG als einziger besonderer Gleichheitssatz des Grundgesetzes nicht bestimmte Kriterien als Anknüpfungspunkte für staatliches Handeln aus, sondern schreibt positiv eine Bindung an Unterscheidungskriterien vor:656 Die Personalauswahl für öffentliche Ämter erfolgt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Zugleich folgt daraus trotz des Wegfalls der Worte „ohne Unterschied“, dass alle anderen Bewerber-Eigenschaften infolge dieser positiven Festlegung grundsätzlich bedeutungslos bleiben müssen.657 Bei Verletzung dieses Rechts kann ein Schadensersatzanspruch des leistungswidrig Abgelehnten gegen den Dienstherrn bestehen, sofern der Abgelehnte seinen primären Zugangsanspruch nicht mehr durchsetzen kann.658 Das in Art. 33 Abs. 2 GG ausdrücklich verankerte Prinzip der Bestenauslese, vom BVerfG als Element des wiederum über Art. 33 Abs. 5 GG aufgegriffenen, hergebrachten Leistungsprinzips bezeichnet,659 wird als einzi651  Aide Memoire der Militärgouverneure v. 22.11.1948, auszugsweise abgedruckt in JöR n. F. 1 (1951), 313 f. 652  Vgl. aber zu Unterschieden jedenfalls in der Formulierung Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1808 ff., der zu Recht darauf hinweist, dass die Worte „ohne Unterschied“ sowie „nach Maßgabe der Gesetze“ entfallen sind. 653  ParlRat 2, Nr. 14 S. 504 (581); vgl. zur Entstehungsgeschichte weiterhin die Beratung im Ausschuss für Grundsatzfragen, in: ParlRat 5 / I, Nr. 7 S. 117 (135 f.); ferner Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1814 f., m. w. N. 654  Vgl. die Französische Menschenrechtserklärung, wo Zugangsgleichheit und besondere Diskriminierungsverbote in einer Norm kombiniert werden. 655  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 60; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, S. 1815; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 166. 656  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 13. 657  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 137; Pieper, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 35; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 13. 658  Vgl. zum Schadensersatzanspruch: BVerwG, NVwZ 2009, 787; BVerwGE 141, 361 Rn. 15 ff.; BVerwG, NVwZ 2013, 955 Rn. 13. 659  St. Rspr., vgl. aus jüngerer Zeit etwa BVerfGE 121, 205 (226) – Leitungsamt auf Zeit, m. w. N.

152 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

ges verfassungsrechtlich benanntes Prinzip zur Personalsteuerung angesehen.660 Danach soll das Berufsbeamtentum, gegründet auf Sachwissen und fachliche Leistung, eine stabile Verwaltung sichern und so einen ausgleichenden Faktor gegenüber politischen Kräften bilden, die das Staatsleben gestalten.661 Einfachgesetzlich wird Art. 33 Abs. 2 GG etwa durch § 9 BeamtStG, § 9 BBG konkretisiert, wonach Beamtenernennungen nach Eignung, Befähi­ gung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauung, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen sind. Außer dem Grundsatz der Bestenauslese werden damit die grundgesetzlichen Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbote aufgegriffen und deren Katalog wird noch erweitert, wodurch ein möglichst einheitliches Anti-Diskriminierungsrecht erreicht werden sollte.662 § 9 BeamtStG bringt außerdem zum Ausdruck, dass nicht nur eine fehlerhafte Auswahlentscheidung in die Rechte aller Bewerber eingreift, sondern auch die daran anknüpfende Ernennung im beamtenrechtlichen Sinne.663 § 3 Abs. 1 SoldG übernimmt diese Maßstäbe für die Ernennung und Verwendung von Soldaten.664 Art. 33 Abs. 2 GG dient einerseits dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung öffentlicher Ämter und hat dadurch einen objektiv-rechtlichen Gehalt, der Aspekte von Bundesstaats-, Rechtsstaats-, Sozial­ staats- und Demokratieprinzip konkretisiert.665 Zugleich soll die Bestimmung trotz anzuerkennender Organisations- und Personalhoheit des öffentlichen Dienstherrn dem berechtigten Interesse eines Bewerbers um ein öffentliches Amt an einem angemessenen beruflichen Fortkommen Rechnung 660  Höfling,

in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 62. BVerfGE 7, 155 (162 f.) – Bürgermeisterabwahl; 11, 203 (216 f.) – Beförderungsschritt; 117, 372 (380); 119, 247 (260 f.) – Zwangsteilzeit; 121, 205 (219) – Leitungsamt auf Zeit; BVerwGE 47, 330 (334 f.); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 25; allgemein Malinka, Leistung. 662  Vgl. die Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum BeamtStG (2008), BT-Drs. 16 / 4027, S. 23, die ausdrücklich auf Art. 3 (Abs. 3 S. 1 GG) und das AGG verweist. Die Vereinheitlichung ist allerdings insofern nicht gelungen, als das AGG insbesondere kein Benachteiligungsverbot wegen politischer Anschauungen enthält. 663  So BVerwGE 138, 102 Rn. 28, m. w. N., entgegen BVerwGE 118, 370 (372). 664  Vgl. BVerwGE 140, 384 Rn. 26. Vgl. zur Befähigung für ein Richteramt §§ 5 ff. DRiG; § 4 Abs. 1 RiG NW i. V. m. § 15 Abs. 3 S. 1 LBG NW i. V. m. § 9 Abs. 1 BeamtStG. 665  Vgl. etwa BVerfG (K), DRiZ 2013, 106 Rn. 10; Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 26; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 67 ff., m. w. N.; Werres, Beamtenverfassungsrecht, Rn. 115. 661  Vgl.



G. Gleicher Ämterzugang gem. Art. 33 Abs. 2 GG153

tragen.666 So erhält sie auch die für Grundrechte typische Subjektivität: Art. 33 Abs. 2 GG normiert ein grundrechtsgleiches Recht, dessen Verletzung der Einzelne gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG mit einer Grundrechtsverfassungsbeschwerde geltend machen kann.667 Allerdings vermittelt Art. 33 Abs. 2 GG Bewerbern um ein öffentliches Amt grundsätzlich keinen Anspruch, ein solches Amt anvertraut zu bekommen, sondern regelmäßig vielmehr ein (bloßes) Recht auf eine sachgerechte Verfahrensgestaltung und auf eine beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung, die den Auswahlkriterien gerecht wird.668 Wegen der bestehenden Spielräume erstarkt dieser sogenannte Bewerbungsverfahrensanspruch nur in den seltenen Ausnahmefällen zum Anspruch auf Vergabe des Amtes, in denen der Beurteilungsspielraum für die Gewichtung der Leistungskriterien auf Null schrumpft, weil „ein Bewerber eindeutig am besten geeignet ist“669 und die Besetzung des Amtes zudem aus anderen Gründen zwingend geboten ist. Unabhängig davon muss das Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern wegen der Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls trotz eventuell bestehender Beurteilungsspielräume effektiv gerichtlich einklagbar sein.670

666  Vgl. BVerfGE 1, 167 (184) – Kriegsfolgen; BVerfG (K), NVwZ 2011, 1191 Rn. 10, m. w. N.; DRiZ 2013, 106 Rn. 10; BVerwGE 122, 147 (149); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 26; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 65, 120. 667  Vgl. BVerfG (K), NJW 1990, 501; BVerwGE 138, 102 Rn. 21; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 36; Werres, Beamtenverfassungsrecht, Rn. 116; allgemein Sachs, in: Stern, StaatsR III / 1, § 63 S. 358 ff. 668  Vgl. BVerfGE 1, 167 (184) – Kriegsfolgen; 39, 334 (354) – Radikale; BVerfG (K), NVwZ 2003, 200 (201); BVerfGK 1, 292 (295); 12, 265 (268); 14, 492 (496); BVerfG (K), NVwZ 2012, 366; DRiZ 2013, 106 Rn. 10; BVerwGE 122, 147 (149 f.); 124, 99 (102 f.); 138, 102 Rn. 21 f.; 140, 83 Rn. 14; 142, 59 Rn. 15; BayVGH, BayVBl. 2011, 602 Rn. 19; VGH BW, VBlBW 2011, 306 (307), für Beförderungsposten; zum Abbruch eines Berufungsverfahrens: BVerfG (K), NVwZ 2012, 366 Rn. 22: „erfordert einen sachlichen Grund“; BVerwGE 141, 361; OVG Bremen, ZBR 2011, 381 (383); BayVGH, BayVBl. 2012, 408; BayVBl 2013, 335; Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 22; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 121; Jung, Öffentlicher Dienst, S. 156 ff.; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 36; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1834; Wagner, Bestenauslese, S. 59. 669  BVerwGE 138, 102 Rn. 22; vgl. BVerwGE 86, 244 (246 f.); Sachs, ZBR 1994, 133 (135); allgemein zur Ermessensschrumpfung auf Null Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, § 40 Rn. 56 ff. 670  Vgl. BVerfG (K), NJW 1990, 501; BVerfGK 12, 206 (209); BVerwGE 138, 102 Rn. 36 ff., m. w. N. BVerwG, NVwZ-RR 2012, 32 Rn. 31 f., leitet daraus die Pflicht ab, grds. die aktuellste Beurteilung zum Kriterium einer Auswahlentscheidung zu machen.

154 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

III. Grundrechtlicher Tatbestand Art. 33 Abs. 2 GG gilt sachlich begrenzt ausschließlich im Zusammenhang mit öffentlichen Ämtern (1.) und gewährleistet allen Deutschen (2.) ein Recht auf Zugang (3.) nach Maßgabe festgelegter Auswahlkriterien (4.). 1. Öffentliches Amt Für den Tatbestand von Art. 33 Abs. 2 GG ist das öffentliche Amt die zentrale Kategorie. Art. 33 Abs. 2, 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV verwenden einen einheitlichen Amtsbegriff. Daher kann auf das Ergebnis der obigen Auslegung verwiesen werden, wonach ein weiter Amtsbegriff gemeint ist, der grundsätzlich alle Positionen der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt i. S. v. Art. 1 Abs. 3 GG umfasst, in denen natür­ liche Personen für eine gewisse Dauer tätig werden mit dem Auftrag, un­ eigennützig öffentliche Aufgaben zu erfüllen.671 Dies gilt in besonderem Maße für Art. 33 Abs. 2 GG, wo das vor dem öffentlichen Amt eingefügte Indefinitpronomen jedes die weite Auslegung zusätzlich stützt. Verfassungsrechtliche Begrenzungen sind daher nur in engem Rahmen zulässig. 2. Deutscheneigenschaft Seinem Wortlaut nach garantiert Art. 33 Abs. 2 GG nur Deutschen i. S. v. Art. 116 GG einen Anspruch auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern.672 Besonderheiten im Hinblick auf die anschauungsgebundene Vergabe öffentlicher Ämter ergeben sich daraus nicht, zumal Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV unabhängig von der Nationalität der Betroffenen gelten. 3. Zugang Zugang zu öffentlichen Ämtern meint ebenso wie Zulassung in Art. 33 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG sowohl die Einstellung in den öffentlichen Dienst als auch Beförderungen.673 Nicht erfasst sind bloße Versetzungen, die den Sta671  Siehe schon 2. Kap. B.; vgl. ferner Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 395, 75 ff.; unter fälschlichem Verweis auf Art. 33 Abs. 1 GG Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 43. 672  Allerdings vermitteln europarechtliche Vorschriften EU-Ausländern grds. einen gleichen Schutz, vgl. Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 23, m. w. N.; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 40; Werres, Beamtenverfassungsrecht, Rn. 123 ff. 673  Vgl. BVerfGK 12, 265 (268); BVerwGE 115, 58 (1. LS); 138, 102 Rn. 20; VGH BW, VBlBW 2011, 306 (307), für Beförderungsposten; Höfling, in: BK, GG,



G. Gleicher Ämterzugang gem. Art. 33 Abs. 2 GG155

tus des Betroffenen nicht verändern.674 Im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes ist auch der Verbleib in einem einmal verliehenen öffentlichen Amt geschützt, obwohl sich der Wortlaut nicht auf die Entlassung aus öffentlichen Ämtern bezieht.675 Die Zugangsgleichheit würde faktisch entwertet, wenn eine Entlassung jederzeit entgegen den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zulässig wäre. 4. Auswahlkriterien Die von Art. 33 Abs. 2 GG vorgeschriebenen Auswahlkriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung lassen sich unter dem Oberbegriff Eignung im weiteren Sinne zusammenfassen.676 Eignung im weiteren Sinne umschreibt dann die Gesamtheit der Eigenschaften, die ein konkretes öffentliches Amt von seinem Inhaber fordert.677 Die Kriterien überschneiden sich inhaltlich, was eine eindeutige Zuordnung von Einzelmerkmalen schwierig macht. Einen Versuch einer Abgrenzung unternimmt die BLV, die allerdings als Verordnung der Bundesregierung die grundgesetzlichen Begriffe nicht bestimmen kann, vielmehr an ihnen zu messen ist.678 Praktische Auswirkungen dürfte die genaue Abgrenzung beziehungsweise die Zuordnung von Leistungsmerkmalen zu einer der drei Kategorien jedoch in der Praxis regelmäßig nicht haben. Im Hinblick auf alle Auswahlkriterien ist eine Prognoseentscheidung zu treffen. Maßgeblich ist, ob ein Bewerber für den Fall, dass ihm ein öffentArt. 33 I–III (2007) Rn. 123; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 25; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 37; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 57. 674  Str.; BVerwGE 122, 237 (242); 136, 204 Rn. 26, zufolge soll der Dienstherr sein Organisationsermessen so ausüben können, dass er bei solchen Versetzungen an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist; im Einzelfall gegen eine Bindung OVG SN, LKV 2012, 84; vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 123, m. w. N.; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 188, m. w. N.; Werres, Beamtenverfassungsrecht, Rn. 118, 122. 675  Siehe schon 2. Kap. E. II. 2. 676  Vgl. Art. 19 Abs. 2 Verf. BE, der als Auswahlkriterium nur die Eignung nennt: „Der Zugang zu allen öffentlichen Ämtern steht jedem ohne Unterschied der Herkunft, des Geschlechts, der Partei und des religiösen Bekenntnisses offen, wenn er die nötige Eignung besitzt.“ Aus der Lit. Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 30; Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 27. 677  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 135, 149; Isensee, in: HdbVerfR, § 32 Rn. 38; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1824. 678  Problematisch daher Werres, Beamtenverfassungsrecht, Rn. 129, der die (verfassungsrechtlichen) Begriffe durch die BLV „definiert“ sieht.

156 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

liches Amt anvertraut wird, in Zukunft voraussichtlich bestmöglich im weiteren Sinne geeignet ist.679 a) Eignung Gem. § 2 Abs. 2 BLV erfasst die Eignung insbesondere die Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind. In Abgrenzung zu Befähigung und fachlicher Leistung sind alle Anforderungen einbezogen, die nicht von den beiden anderen Merkmalen erfasst sind.680 Das BVerfG nennt im Hinblick darauf etwa die Eignung in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht.681 Rechtliche Relevanz hat insbesondere die als Bestandteil der Eignung vorauszusetzende Verfassungstreue erlangt, wonach für den gem. Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG an Grundrechte und übriges Verfassungsrecht gebundenen Staat nur tätig werden kann, wer bereit ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv zu verteidigen und seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zum Wohl der Allgemeinheit zu erfüllen.682 Allgemeine Anforderungen sind darüber hinaus die gesundheitliche Dienstfähigkeit eines Bewerbers oder dessen physische Belastbarkeit. Ferner darf der Bewerber nicht gem. § 45 Abs. 1 StGB die Fähigkeit verloren haben, öffentliche Ämter zu bekleiden.683 679  Vgl. Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 30; gegen allgemeinen administrativen Entscheidungsspielraum aufgrund der Charakterisierung als Prognoseentscheidung: Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 40 Rn. 32; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 198. 680  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1824. 681  Vgl. BVerfGE 56, 146 (166) – Überleitung; 92, 140 (151) – Sonderkündigung; 110, 304 (322) – Anwaltsnotariat; BVerwGE 122, 147 (150); entfernt BVerfGE 96, 189 (197) – Fink. Zur Eignung in diesem Sinne dürfte je nach Amt die Bereitschaft zählen, im Dienst eine Kleidung zu tragen, die das gebotene Maß an Neutralität wahrt und nicht Freiheitsgrundrechte anderer verletzt, vgl. BVerfGE 108, 282 – Kopftuch; BVerfGK 7, 320; BVerwG, NVwZ 1988, 937; BVerwGE 144, 186 Rn. 20; Goerlich, NJW 1999, 2929 (2930), alle m. w. N.; ferner BVerfG (K), NJW 2007, 56, gegen pauschales Kopftuchverbot im Gerichtssaal; nicht verallgemeinerungsfähig OVG Berlin, NVwZ 1996, 500, das die Eignung verneint, weil die Bewerberin in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit ihrem potenziellen zukünftigen Vorgesetzen lebt, um den Anschein ihrer ungerechtfertigten Bevorzugung zu vermeiden. 682  Vgl. BVerfGE 39, 334 (346 ff.) – Radikale; Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 33; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1827. Stern, StaatsR I1, S. 284, weißt bereits im Zusammenhang mit der Personalauswahl darauf hin, dass sich dieses Gebot nicht nur an den betroffenen Beamten selbst richtet, sondern auch an denjenigen, der den Beamten auswählt. Siehe dazu noch im Zusammenhang mit der Rechtfertigung politischer Ämter 4. Kap. 683  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1827, zur Legitimität der Bestimmung vor dem Hintergrund der Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG.



G. Gleicher Ämterzugang gem. Art. 33 Abs. 2 GG

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b) Befähigung Befähigung umfasst gem. § 2 Abs. 3 BLV die allgemeinen Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstigen Eigenschaften, die für die dienstliche Verwendung wesentlich sind. Gemeint sein sollen eine einschlägige Vorbildung und Berufserfahrungen des Bewerbers.684 Im Kontext der vorliegenden Arbeit fällt auf, dass § 1 Abs. 2 PartG ebenfalls eine Form des Verbs befä­ higen verwendet, indem er die Parteien in Konkretisierung des Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG beauftragt, zur Übernahme öffentlicher Verantwortung befä­ higte Bürger heranzubilden.685 Dementsprechend kann nach der Rechtsprechung einschlägige Erfahrung eines Bewerbers berücksichtigt werden, obwohl er diese außerhalb des Beamtendienstes im Umfeld einer politischen Partei erworben hat.686 c) Fachliche Leistung Die fachliche Leistung soll nach § 2 Abs. 4 BLV insbesondere nach den Arbeitsergebnissen, der praktischen Arbeitsweise, dem Arbeitsverhalten und – für Beamte, die bereits Vorgesetzte sind –, nach dem Führungsverhalten zu beurteilen sein. Gegenüber der allgemeinen Befähigung geht es dabei also stärker um fachspezifische Fertigkeiten und fachliche Bewährung,687 die in der Praxis insbesondere durch Beurteilungen bisheriger Vorgesetzter zu belegen sind. Dass die Rechtsprechung schon früh ein auf fachliche Leistung gegründetes Berufsbeamtentum als Sicherung einer stabilen Verwaltung und als Ausgleichsfaktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften ansah,688 bedeutet nicht etwa einen Vorrang dieses Kriteriums. Viel684  Vgl. BVerfGE 110, 304 (322) – Anwaltsnotariat; BVerwGE 122, 147 (150); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 30; Klieve, VR 2003, 183 (184). 685  Lenski, PartG, § 1 Rn. 6, sieht darin die „Formulierung einer gesetzgeberischen Verhaltenserwartung“, die mit der „hervorgehobenen Stellung“ und der „rechtlichen Privilegierung“ der Parteien verbunden sei. 686  Vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.1.1987 – 2 B 143 / 86 –, Juris: Rn. 6. Hingegen soll eine von einer politischen Landtagsfraktion erstellte „dienstliche Beurteilung“ mangels Beurteilungszuständigkeit der Fraktion für ein Beförderungsauswahlverfahren unbrauchbar sein, so VG Magdeburg, Beschl. v. 5.3.2007 – 5 B 409 / 06 –, Juris: Rn. 7. Klieve, VR 2003, 183 (184), erachtet die Bereitschaft zu (politischem) Engagement als Ausweis der Bereitschaft zu überobligationsmäßigem Einsatz im Sinne des Leistungsprinzips. Siehe auch BVerfG (K), NVwZ 2012, 368 (370), zum Verhältnis von vorhandenen Erfahrungen zur Laufbahnbefähigung für die Auswahlentscheidung. 687  Vgl. BVerfGE 110, 304 (322) – Anwaltsnotariat; BVerwGE 122, 147 (150); 144, 186 Rn. 20. 688  Vgl. so BVerfGE 7, 155 (162) – Bürgermeisterabwahl.

158 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

mehr sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistung prinzipiell gleichrangig; die Gewichtung ist im Einzelfall je nach Anforderungsprofil vorzunehmen. d) Ausschließlichkeit der Kriterien Als einziger grundgesetzlicher Gleichheitssatz, der positiv Unterscheidungskriterien vorgibt, hat Art. 33 Abs. 2 GG einen prinzipiellen Ausschließlichkeitsanspruch. Vorbehaltlich anderer Verfassungsbestimmungen dürfen öffentliche Ämter nur nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vergeben werden.689 Erst wenn sich in Anbetracht dieser Auswahlkriterien kein Rangverhältnis der Bestqualifizierten aufstellen lässt, dürfen andere gleichheitsgerechte Kriterien als Hilfskriterien herangezogen werden;690 die Auswahl unter den Bestqualifizierten ist dann insoweit nicht mehr von Art. 33 Abs. 2 GG bestimmt.691 Dem Dienstherrn wird bei der Auswahl nach solchen Hilfskriterien ein weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum zugestanden,692 doch sind selbstverständlich andere Rechtsnormen zu beachten, die das Ermessen begrenzen.693 Dazu zählen insbesondere die grundgesetzlichen Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbote.694 689  Vgl. zuletzt BVerwGE 140, 83 Rn. 14; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 137; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 35; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 13. Allerdings relativiert die Rechtsprechung diese Anforderungen, indem sie weitreichende Beurteilungsspielräume der an der Auswahlentscheidung beteiligten Stellen anerkennt, vgl. für Ermessen etwa BVerwGE 140, 384 Rn. 25 ff.; kritisch Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1832 f., m. w. N. 690  Vgl. gegen einen vorschnellen Rückgriff auf Hilfskriterien BVerwGE 122, 147 (150); 140, 83 Rn. 20; Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 30; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 20; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 37 f.; 52 ff.; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 51 ff.; Suerbaum, Der Staat 28 (1989), 419 (440). 691  Vgl. BVerwGE 81, 22 (26); 86, 244 (249 f.); 122, 147 (150); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 26; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 284; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1833; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 173; Franz, ZBR 2008, 236 (237), geht davon aus, dass mehrere Bewerber kaum jemals tatsächlich gleich geeignet seien. 692  Vgl. BVerwGE 81, 22 (26); 86, 244 (252 ff.); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 285; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 20; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 190, m. w. N.; Schenke, in: FS Stober, 2008, S. 221 (223). 693  Vgl. OVG SA, LKV 2011, 517 (519). 694  Vgl. BVerwGE 81, 22 (24 f.); dazu Anm. Sachs, JuS 1989, 753; allgemein etwa Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 284; gegen Differenzierung nach dem Geschlecht OVG NW, NVwZ 1991, 501 (502); Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 8; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 38; insbesondere für Art. 33 Abs. 3 GG BVerfGE 108, 282 (295 ff., 298) – Kopftuch; BVerwGE 81, 22



G. Gleicher Ämterzugang gem. Art. 33 Abs. 2 GG159

e) Auswahlkriterien als relationale Kategorien Welche Anforderungen im Einzelfall an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu stellen sind, lässt sich nur in Abhängigkeit von dem zu besetzenden Amt bestimmen. Deshalb werden die Auswahlkriterien als „rela­ tionale Kategorien“695 bezeichnet. Dementsprechend muss der Dienstherr zunächst auf verfassungskonforme Weise festlegen, welche Aufgaben einem zukünftigen Amtsinhaber übertragen werden sollen. In einem zweiten Schritt ist sodann in der Regel ein Anforderungsprofil aufzustellen, das bestimmt, an welchen Kriterien die Eignung im weiteren Sinne für das konkret zu vergebende Amt zu messen ist.696 Bei der Aufstellung des Anforderungsprofils sind wiederum Leistungskriterien zu berücksichtigen;697 je nach Einzelfall kann etwa relevant sein, ob es sich um ein Leitungsamt handelt.698 Ebenfalls in diesem Zusammenhang ist anhand der spezifischen Anforderungen des Dienstpostens festzulegen, wie die einzelnen Eignungskriterien zu gewichten sind.699 Die Verwaltungsgerichte differenzieren diesbezüglich zwischen konstitutiven und bloß beschreibenden, nicht konstitutiven Elementen eines Anforderungsprofils.700 Nicht konstitutiv sollen solche Quali(24 f.); Werres, Beamtenverfassungsrecht, Rn. 146. Für Vorrang von Art. 33 Abs. 2 GG als lex specialis Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 3 Rn. 102; Isensee, HdbVerfR, § 32 Rn. 40. Klieve, VR 2003, 183 (184), verkennt die Bedeutung von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, wenn sie die politische Gesinnung als „relatives Kriterium“ (ebd.) für Fälle des non liquet akzeptieren will, ohne die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Vorgehens am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu prüfen. Zur Zulässigkeit der Frauenförderung gem. § 20 Abs. 6 S. 2 LBG NRW als Ergänzung von § 9 BeamtStG bei gleicher Qualifikation der Bewerber vgl. OVG NW, DÖV 2010, 1028 Nr. 1113 LS (Juris: Rn. 6 ff.). 695  So Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 136; dem folgend Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1823, m. w. N. 696  Vgl. zum Fehlen eines erkennbaren Aufgabenbereichs BVerfG (K), NVwZ 2013, 1603 Rn. 16 ff.; zur Verbindlichkeit des Anforderungsprofils BVerwGE 115, 58 (60 f.); 141, 271 Rn. 50; Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 30; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 171. 697  Vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2012, 241 Rn. 35; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 16; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 39. 698  Vgl. zu Anforderungsprofilen für Führungskräfte in der Verwaltungspraxis Lorse, DöD 2002, 49 (49 ff.), der aber ausdrücklich nicht ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Vorgesetzten einbezieht und schon gar nicht bestimmte politische Anschauungen der Bewerber. 699  Vgl. BVerwG, NVwZ-RR 2012, 71 Rn. 25; BVerwGE 144, 186 Rn. 20; OVG HH, DÖV 2012, 244 Nr. 222 LS, wonach ein schlechteres Gesamturteil durch erheblich bessere Leistungsmerkmale ausgeglichen werden kann, wenn diesen im Hinblick auf die spezifischen Anforderungen maßgebende Bedeutung zukommt. 700  Vgl. OVG MV, NordÖR 2012, 198 (Juris: Rn. 20 ff.); OVG SN, SächsVBl. 2012, 37 (39); Beschl. v. 15.11.2011 – 2 B 99 / 11 –, Juris: Rn. 9 ff.; OVG RP, DÖV

160 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

fikationsmerkmale sein, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen oder die schon von ihrer Art her nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten festgestellt werden können. Solche Merkmale sollen in einem Stellenbesetzungsverfahren erst dann Bedeutung erlangen dürfen, wenn ein Bewerber das konstitutive Anforderungsprofil erfüllt und deswegen zur näheren Überprüfung seiner Eignung im Übrigen in das weitere Auswahlverfahren einzubeziehen ist.701 Dem Dienstherrn wird bei der Einrichtung von Dienstposten und der näheren Ausgestaltung der Anforderungen grundsätzlich organisatorisches Ermessen zugestanden.702 Auch dabei ist der Dienstherr allerdings an gesetzliche und verfassungsrechtliche Schranken gebunden, weil mit der Festlegung des Anforderungsprofils ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen wird. Daher unterliegt auch dieser Verfahrensschritt der gerichtlichen Kontrolle.703 Vor diesem Hintergrund hat das OVG RP anerkannt, dass es zu den „Kernaufgaben der Schulleiter [gehöre], mit der Schulaufsicht zu kooperieren und in engem Zusammenwirken Maßnahmen zur Schulentwicklung mit zu tragen und zu verwirklichen“704. Der Dienstherr sei insoweit auf eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen Schulleitung und Schulaufsicht angewiesen, die nicht mit unterschiedlichen konzeptionellen Vorstellungen belastet sei. Dementsprechend dürfe die Prognose über diese Zusammenarbeit zu einem wichtigen Maßstab für die Übertragung von Leitungsaufgaben 2012, 404 Nr. 382 LS (Juris: Rn. 4 ff.); BayVGH, BayVBl 2013, 335 Rn. 76 ff.; allgemein zur Bedeutung des Anforderungsprofils und seiner Verbindlichkeit für das Auswahlverfahren BVerwGE 115, 58 (60 f.). 701  Äußerst fraglich bleibt allerdings, ob mit VGH Mannheim, NVwZ-RR 2011, 290 (290), persönlichkeitsbedingte Werturteile generell zum nicht konstitutiven Teil des Anforderungsprofils gezählt werden können. 702  Vgl. BVerfGK 12, 265 (270); 12, 284 (288); BVerwGE 140, 83 Rn. 15; OVG Berlin, NVwZ 1996, 500 (501); VGH BW, VBlBW 2012, 423 (425); Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 27; zu den Grenzen dieses Ermessens OVG Thüringen, ThürVBl. 2013, 79 (80), gegen die Zulässigkeit eines Anforderungsprofils, das von vornherein auf einen bestimmten Bewerber zugeschnitten ist und das Mitbewerber von vornherein sachwidrig ausschließt. 703  Vgl. BVerfGK 12, 265 (270); 12, 284 (288); OVG NW, Beschl. v. 26.9.2011 – 1 B 555 / 11 –, Juris: Rn. 5; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 15. Diese Kontrolle steht in Anbetracht der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht zur Disposition von Gesetzgeber oder Rechtsprechung, soweit subjektive Rechte der Bewerber etwa aus Art. 33 Abs. 2 GG betroffen sind; vgl. zum Grundsatz gerichtlicher Kontrolle etwa Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 165 ff. m. w. N.; zum Ausnahmefall behördlicher Letztentscheidungsrechte Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 132; ders. / Jasper, NVwZ 2012, 649 ff. 704  OVG RP, NVwZ 2007, 109 (110).



G. Gleicher Ämterzugang gem. Art. 33 Abs. 2 GG161

gemacht werden.705 Gleichwohl bleibt im Einzelfall zu prüfen, ob diese grundsätzlichen Erwägungen eine Anknüpfung an die (schul-)politischen Anschauungen der Bewerber rechtfertigen.706 Da ein öffentliches Amt im Regelfall nicht bereits durch das Grundgesetz abschließend konstituiert und gegebenenfalls aus dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG quasi-tatbestandlich ausgeschlossen wird, müssen schon bei der Ausgestaltung des Amtes durch die grundrechtsgebundene Staatsgewalt verfassungsrechtliche und gegebenenfalls einfach-gesetzliche Vorgaben beachtet werden.707 Diese Bindung trifft – auch einfachgesetzlich konkretisiert durch § 9 BBG, § 9 BeamtStG – die Exekutive,708 aber wegen der grundgesetzlichen Vorgaben in den besonderen Gleichheitssätzen auch den einfachen Gesetzgeber. Grundsätzlich dürfen weder der Gesetzgeber noch die Verwaltung – auf einfachgesetzlicher Grundlage – Ämter schaffen, bei deren Besetzung zwangsläufig an Kriterien angeknüpft werden muss, an die die grundrechtsgebundene Staatsgewalt wegen der grundgesetzlichen Gleichheitssätze keine benachteiligenden oder bevorzugenden Rechtsfolgen anknüpfen darf.709 Nur unter der Voraussetzung, dass ein anschauungsgebundenes Amt unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben grundgesetzkonform konstituiert worden ist, können politische oder religiöse Anschauungen Bestandteil der Eignung sein.710 705  Vgl.

OVG RP, NVwZ 2007, 109 (110). mit Zweifeln an der Eignungsrelevanz parteipolitischer Anschauungen unter Berufung auf die Neutralitätspflicht der Amtsinhaber Pieper, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 60, s. aber ebd., Rn. 23, wonach die politische Ausrichtung bei ansonsten gleicher Eignung ein zulässiges Hilfskriterium sein soll; grds. gegen die Berücksichtigung Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 28. 707  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1825; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 168; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 61. 708  Vgl. ausdrücklich für die Exekutive Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1826. 709  Vgl. BVerfGE 122, 89 (113) – Lüdemann: „Art. 33 Abs. 3, nach dem ein öffentliches Amt nicht vom religiösen Bekenntnis abhängig gemacht werden darf“; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 139, 224 ff.; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 17 f.; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 38. 710  Vgl. Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 39; v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 205; Dollinger / Umbach, in: Umbach / Clemens, Art. 33 Rn. 52; Gri­ goleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 35, 39; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 184; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 18; Ku­ nig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 17; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 76, zu konfessionsgebundenen Ämtern; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 46; Wagner, Bestenauslese, S. 35 f., zur Berücksichtigung der „eigentlich verpönten Kriterien“ als „Folge des Art. 33 II GG“ (ebd.). Problematisch ist es allerdings, wenn etwa Battis, BBG, § 9 Rn. 24, keine Kriterien nennt, wann „die 706  Vgl.

162 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

Auf diese Weise setzt Art. 33 Abs. 2 GG also ein verfassungsgemäß kons­ tituiertes Amt voraus, enthält für die Konstituierung selbst aber keine Vorgaben.711 Hingegen hat die Rechtsprechung diesen Zusammenhang lange Zeit jedenfalls nicht ernst genommen und ohne eingehende Prüfung als „auf der Hand liegen[d]“712 angenommen, ein Amt sei anschauungsgebundener Natur, sodass religiöse oder politische Anschauungen als Bestandteile der Eignung berücksichtigt werden dürften.713

IV. Grundrechtsbegrenzungen Art. 33 Abs. 2 GG enthält keinen ausdrücklichen Vorbehalt und gilt daher prinzipiell uneingeschränkt, um das fachliche Niveau und die rechtliche Integrität des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten.714 In Anbetracht des weiten Amtsbegriffes des Grundgesetzes, fragt sich, ob und gegebenenfalls inwieweit Art. 33 Abs. 2 GG quasi-tatbestandlich oder durch die Normierung von Quasi-Gesetzesvorbehalten begrenzt ist. Es hieße, den grundrechtsgleichen Charakter von Art. 33 Abs. 2 GG zu verkennen, würde man Ausnahmen vom Leistungsprinzip aus allgemeinen behördlichen Zweckmäßigkeitserwägungen zulassen. Vielmehr können Begrenzungen von Art. 33 Abs. 2 GG nur anerkannt werden, wenn ein gegenläufiger, kollidierender Belang mit grundrechtsbegrenzender Wirkung im Grundgesetz verankert ist.715 Diesbezüglich kann auf die Ausführungen zur fachliche Eignung für das konkrete Amt ein bestimmtes konfessionelles Bekenntnis voraussetzt“. 711  Vgl. BVerwGE 122, 147 (153 f.); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 39; Lüb­ be-Wolff, in: Dreier, GG II1, Art. 33 Rn. 42; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 19, 21; Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 35; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 43 Fn. 190, m. w. N. zur Entscheidung über die Einrichtung von Wahlämtern; Sachs, ZBR 1994, 133 (133 f.); Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 61; unklar Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 76; anders dagegen Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 22, wonach die Entscheidung, ein Amt als das eines politischen Beamten einzustufen, mit Art. 33 Abs. 2 vereinbar sein müsse; ähnlich auch Wendt, in: HGR V, § 127 Rn. 62. 712  BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale. 713  Vgl. für ein politisch gebundenes Amt: BVerfGE 7, 155 (170 f.) – Bürgermeisterabwahl; für konfessionell gebundene Ämter: BVerwGE 81, 22 (25), wo offen gelassen wird, ob für Religionslehrer etc. die Konfessionszugehörigkeit die Eignung mitbestimmen könne, vgl. Anm. Sachs, JuS 1989, 753; VerfGH BY, BayVGHE 7 (1954), 41 (48); BayVGHE 33 (1980), 65 (73). 714  Vgl. BVerwGE 138, 102 Rn. 20; 140, 83 Rn. 14. 715  Vgl. BVerfGK 12, 265 (268); 12, 284 (287); BVerwGE 122, 147 (150); 124, 99 (102); BVerwG, NVwZ 2009, 787 (788); BVerwGE 136, 140 Rn. 14; OVG NW, Beschl. v. 26.9.2011 – 1 B 555 / 11 –, Juris: Rn. 4; OVG BR, NordÖR 2012, 196 (Juris: Rn. 40), OVG BR, ZBR 2010, 49 (Juris: Rn. 20); VG Münster, Beschl. v.



G. Gleicher Ämterzugang gem. Art. 33 Abs. 2 GG163

Begrenzung von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verwiesen werden [s. schon 2. Kap. D. III.]. Erforderlich ist also eine Verfassungsbestimmung, die mit dem Leistungsgrundsatz kollidiert.716 Die von der Rechtsprechung ständig wiederholte Formel von der Begrenzung durch andere Belange von „Ver­ fassungsrang“717 ist problematisch, wenn zugleich der Kreis solcher Belange übermäßig ausgedehnt wird und eine Rechtfertigung selbst ohne Kollision von Verfassungsbestimmungen angenommen wird.718 Im Falle quasi-tatbestandlicher Begrenzungen geht die begrenzende Verfassungsbestimmung dem Gleichheitssatz uneingeschränkt vor; bei Grundrechtsbegrenzungen, die wie ein Gesetzesvorbehalt wirken, obliegt es dem Gesetzgeber, die konkret kollidierenden Verfassungsbestimmungen zum Ausgleich zu bringen.

V. Zwischenergebnis zu G. Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht auf gleichen Zugang zu allen öffentlichen Ämtern der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt und schreibt als Auswahlkriterien Eignungsmerkmale im weiteren Sinne vor, also die Eigenschaften, die ein Bewerber bestmöglich erfüllen muss, um ein konkretes Amt ausüben zu können. Welche Eigenschaften dies im Einzelfall sind, ist vor der Vergabe eines Amtes in einem Anforderungs3.1.2012 – 4 L 670 / 11 –, Juris: Rn. 25; wohl auch BVerfG (K), NJW 1988, 694 (695); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 26; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 30; Neuhäuser, NVwZ 2013, 176 (179). BVerfG (K), NVwZ 1997, 54 (54), verlangt „zumindest [eine] ausdrückliche gesetzliche Regelung“. 716  Vgl. ausdrücklich so Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 21; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 17; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1836; ähnlich Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 294 ff. (Rn. 297: „Kollisionsfälle“); terminologisch unsauber, weil Schutzbereich und Rechtfertigung nicht getrennt werden, aber im Ergebnis ebenso Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 76; wohl auch OVG Nds., NVwZ-RR 2002, 658 (658), das aber vorrangig Art. 4 Abs. 1, 2 GG prüft. 717  BVerwGE 47, 365 (dort insoweit nicht abgedr., Juris: Rn. 30); s. aus jüngerer Zeit etwa BVerfGK 12, 265 (268); 12, 284 (287); BVerwGE 122, 147 (150); 124, 99 (102); BVerwG, NVwZ 2011, 1528 Rn. 17; OVG SN, SächsVBl. 2012, 37 (38); NVwZ-RR 2012, 481 (482); OVG BR, NordÖR 2012, 196 (Juris: Rn. 40); sehr weit Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 30: „Gründe […], die ihrerseits verfassungsrechtlich getragen sind“. 718  Vgl. zu Recht restriktiv BVerwGE 140, 83 Rn. 21, wonach Art. 3 Abs. 2 S. 2, Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG „nicht darauf gerichtet [seien], die Geltung des Leistungsgrundsatzes nach Art. 33 Abs. 2 GG für die Vergabe öffentlicher Ämter generell einzuschränken“; gegen eine zu leichtfertige Rechtfertigung auch: Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1836; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 54, insbes. zur Rechtfertigung durch das Sozialstaatsprinzip.

164 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

profil festzulegen, bei dessen Aufstellung die grundgesetzlichen Gleichheitssätze zu beachten sind.

H. Konkurrenzen Im Folgenden ist zu klären, in welchem Verhältnis die dargestellten besonderen Gleichheitssätze719 zueinander stehen.

I. Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG im Verhältnis zu Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV Maunz bezeichnete die Inkorporation von Art. 136 WRV als erstaunlich, weil sämtliche Inhalte bereits durch andere Normen des Grundgesetzes geschützt würden.720 In der Tat bestimmen Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV fast wortgleich, dass die Zulassung zu öffentlichen Ämtern unabhängig vom religiösen Bekenntnis sein muss. Dabei geht Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG noch über Art. 136 Abs. 2 WRV hinaus, indem er dieses Gebot auf die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte erstreckt. 719  Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG wurde nicht ausführlicher behandelt, weil dieser subsidiär hinter Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV als leges speciales zurücktritt, soweit diese eine merkmalsabhängige Unterscheidung abschließend regeln, vgl. Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 202; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 8; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 77 f.; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 539; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 120 S. 1577 f.; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 19; Spielmann, Konkurrenz, S. 225; s. aber BVerfGE 51, 1 (22 ff., 30) – Rentenauszahlung, wo zur Benachteiligung von Ausländern zuerst Art. 3 Abs. 1 GG geprüft wird, bevor Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG abgelehnt wird. Da die grundgesetzlichen Diskriminierungsverbote nur bei Differenzierungen wegen der explizit genannten Merkmale eingreifen, verdrängen sie den allgemeinen Gleichheitssatz nicht generell, sondern nur im Rahmen ihres Tatbestandes. Für alle nicht genannten Kriterien – nach der hier vertretenen Auffassung insbesondere bei mittelbaren Diskriminierungen – bleibt Art. 3 Abs. 1 GG anwendbar, vgl. Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 77 f. Auch Art. 33 Abs. 2 GG verdrängt den allgemeinen Gleichheitssatz prinzipiell als Spezial­ vorschrift für den Zugang zu öffentlichen Ämtern im Rahmen seines Anwendungsbereichs, vgl. Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Abs. 2 Rn. 13; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 14; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 19, 166; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 384, der aber in der Literatur diesbezüglich Klarheit vermisst. Lediglich subsidiär – etwa bei der etwaigen Festlegung und Anwendung von Hilfskriterien für Fälle, in denen das Leistungsprinzip keine eindeutige Auswahlentscheidung ermöglicht – mag ein Anwendungsbereich für Art. 3 Abs. 1 GG bleiben. 720  Vgl. Maunz, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (1973) Rn. 1; ähnlich v. Cam­ penhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 136 WRV Rn. 4, 14.



H. Konkurrenzen165

Möglicherweise sprechen prozessuale Vorteile für einen Vorrang von Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG. Diesen zählt Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG nämlich im Unterschied zu Art. 140 GG zu den subjektiven Rechten, die der Einzelne im Wege der Grundrechtsverfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen kann. Hingegen soll Art. 140 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG keine Grundrechte gewähren.721 Dieser verfahrensrechtliche Vorteil soll dafür sprechen, religiös gebundene Staatsämter primär an Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG zu messen.722 Allerdings sollen behauptete Verletzungen von Art. 140 GG gleichwohl (mittelbar) Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein können, wenn gleichzeitig Art. 4 Abs. 1, 2 GG oder Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG berührt sei, weil die Gewährleistungen der Weimarer Reichsverfassung funktional auf die Inanspruchnahme des Grundrechts der Religionsfreiheit angelegt seien. Sofern gleichwohl ein verfahrensrechtlicher Vorteil bestehen sollte, folgt daraus jedenfalls kein materiell-rechtlicher Vorrang. Eine Verstärkung des Schutzes der Benachteiligungsverbote ist mit der Doppelung nicht verbunden.723 Die Inkorporierung von Art. 136 Abs. 2 WRV in das Grundgesetz war also im Ergebnis entbehrlich,724 doch wird Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV dadurch nicht nachrangig. Vielmehr sind Art. 33 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV im Hinblick auf den religiös gebundenen Zugang zu öffentlichen Ämtern gleichrangig; es besteht kein Spezialitätsverhältnis.725

721  Siehe

2. Kap. F. II. mit Nachweisen. Ott, Religionslehrer, S. 205; vorsichtiger Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 6. Die Berücksichtigung der Religionszugehörigkeit bei der Einstellung von Lehrern misst auch BVerwGE 81, 22 (24), primär an Art. 33 Abs. 3 S. 1 2. Hs. GG. Zur Beschwerdebefugnis für Grundrechtsverfassungsbeschwerden vgl. etwa Sturm, in: Sachs, GG, Art. 93 Rn. 88. 723  Vgl. Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 6; Ott, Religionslehrer, S. 204 f. 724  Vgl. Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 1; Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 10 f.; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2010) Rn. 227; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 2; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 136 WRV Rn. 8; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1309; Spielmann, Konkurrenz, S. 211; für eigenständige Konkretisierungsfunktion Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 207 ff. 725  Vgl. ebenso Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 6. 722  So

166 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

II. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Verhältnis zu Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV Im Verhältnis der merkmalsabhängigen Gleichheitssätze untereinander gilt ein Vorrang der lex specialis.726 Im Hinblick auf den religiös gebundenen Zugang zu öffentlichen Ämtern tritt Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG deswegen subsidiär hinter Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV zurück, die noch spezieller – nämlich gerade in Hinblick auf den Ämterzugang – die Unabhängigkeit der zu treffenden staatlichen Entscheidungen vom religiösen Bekenntnis vorschreiben.727 Ein materiell-rechtlicher Unterschied ergibt sich daraus nicht, da Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV keine Anhaltspunkte dafür bieten, andere Anforderungen an die Bewertung des religiös gebundenen Zugangs zu öffentlichen Ämtern zu stellen als Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG.728 Anderes gilt für die Vergabe öffentlicher Ämter unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen der Bewerber. Da für dieses Unterscheidungsmerkmal kein spezielles grundgesetzliches Verbot der Bevorzugung oder Benachteiligung beim Ämterzugang existiert, sind Auswahlentscheidungen diesbezüglich an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu messen.

III. Art. 33 Abs. 2 GG im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV Art. 33 Abs. 2 GG gehört in die Kategorie der besonderen Gleichheitssätze, unterscheidet sich von diesen aber zugleich darin, dass er als einziger 726  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1806; Spielmann, Konkurrenz, S. 225; insoweit generell gegen Spezialitätsverhältnisse Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 202. 727  Vgl. BVerwGE 19, 252 (260); Heckel, Gleichheit, S. 71; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 135, m. w. N.; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1309; anders Ridder, in: AKGG2, Art. 33 I–III Rn. 66. Siehe ferner Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 32, der die konfessionsgebundene Vergabe öffentlicher Ämter zu Unrecht an Art. 136 Abs. 1 WRV messen will. 728  Vgl. Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 113; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 854; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 135, m. w. N. Deswegen ist es wohl im Ergebnis unproblematisch, wenn BVerfGE 41, 29 – Gemeinschaftsschule, ein grundgesetzliches Gebot der religiösen Toleranz gleichrangig aus Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG und Art. 33 Abs. 3 GG herleitet, ohne ein Spezialitätsverhältnis zu erörtern. Hingegen prüft BVerfGE 108, 282 – Kopftuch, das Kopftuchverbot – neben Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 33 Abs. 2 GG – allein am Maßstab des spezielleren Art. 33 Abs. 3 GG. Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 204 f., weisen mit Recht darauf hin, dass es in dieser Konstellation nicht zu einer „echte[n] Kollision“ kommt.



H. Konkurrenzen

167

Gleichheitssatz des Grundgesetzes positiv die Verwendung bestimmter Unterscheidungskriterien vorschreibt, statt wie Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV negativ Kriterien auszuschließen. Entwicklungsgeschichtlich stehen Zugangsgleichheit und Differenzierungsverbote in einer engen Verbindung.729 Es fragt sich, wie das Verhältnis zwischen dem Prinzip der Bestenauslese und den besonderen Unterscheidungsverboten zu bestimmen ist. Teilweise wird Art. 33 Abs. 2 GG für den Zugang zum öffentlichen Dienst allgemein als vorrangige lex specialis gesehen.730 Eine solche Auffassung wird der komplexen Normstruktur indes nicht gerecht. Art. 33 Abs. 2 GG setzt ein verfassungsmäßig konstituiertes Amt mit entsprechendem Anforderungsprofil voraus. Bei der Festlegung dieses Anforderungsprofils sind Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu berücksichtigen. Wenn und soweit hingegen in verfassungsrechtlich zulässiger Weise ein anschauungsgebundenes öffentliches Amt eingerichtet worden ist, sind nur diejenigen Bewerber für das Amt geeignet, die entsprechende politische oder religiöse Anschauungen haben beziehungsweise denen die je maßgebliche Stelle ihr Vertrauen ausgesprochen hat. Die Anschauungen dürfen und müssen dann als Bestandteil der Eignung i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG bei der Entscheidung über die Vergabe des Amtes berücksichtigt werden. Für die Grundrechtskonkurrenzen ergibt sich daraus: Bei der Bestenauslese sind Art. 33 Abs. 2 GG einerseits und Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG andererseits auf unterschiedlichen Ebenen einschlägig und insoweit jeweils speziell. Zunächst ist unter Bindung an die grundgesetzlichen Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbote ein Anforderungsprofil für ein zu besetzendes Amt aufzu­ stellen,731 bevor sodann eine Bestenauslese am Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG durchzuführen ist. Für die Frage, ob ein anschauungsgebundenes öffent729  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 139; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 167. 730  So etwa Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 3 Rn. 101; Isensee, in: HdbVerfR, § 32 Rn. 40, ohne weitere Begründung; Klieve, VR 2003, 183 (186); Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 426: für Spezialität der hergebrachten Eignungsanforderungen zu den Merkmalen Sprache und politische Anschauungen. 731  Vgl. etwa BVerwGE 61, 325 (330); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 139; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1825 f.; ders., in: HStR VIII, § 182 Rn. 167; ferner Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 18; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 8; Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 509; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 46; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 61.

168 Kap. 2: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter

liches Amt überhaupt eingerichtet werden darf, enthält Art. 33 Abs. 2 GG keine Maßstäbe; er greift erst auf einer nachrangigen Ebene ein.732 Für den (seltenen) Fall, dass sich anhand der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung kein abschließendes Auswahlranking aufstellen lässt, weil mehrere Bewerber gleich geeignet sind, ist eine Auswahl nach Hilfskriterien vorzunehmen. Diese ist nicht mehr an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, doch gelten dann ebenfalls Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG.733 Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG behalten also gegenüber Art. 33 Abs. 2 GG einen eigenständigen Anwendungsbereich. Die genannten Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbote bleiben neben Art. 33 Abs. 2 GG anwendbar; beide Normtypen – positive Bestimmung von Auswahlkriterien neben negativem Ausschluss festgelegter Kriterien – greifen ineinander.734

I. Zwischenergebnis zum 2. Kapitel Der Zugang zu öffentlichen Ämtern darf gem. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG grundsätzlich nicht von religiösen oder politischen Anschauungen der Bewerber abhängig gemacht werden. Art. 33 Abs. 2 GG schreibt vielmehr allein Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen als Kriterien der Bestenauslese vor. Der Auswahlprozess für die Besetzung öffentlicher Ämter setzt sich im Hinblick auf diese Normen aus mehreren Stufen zusammen. Um eine leis732  Vgl. Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 168; ders., ZBR 1994, 133 (133 f.). BVerfGE 122, 89 (113) – Lüdemann, misst die Zulässigkeit des konfessionsgebundenen Amtes eines Theologieprofessors dementsprechend an Art. 33 Abs. 3 GG; vgl. aber die Gleichheitssätze kombinierend Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 282: „Art. 33 Abs. 2 i. V. m. Art. 33 Abs. 3 GG“. 733  Vgl. BVerwGE 81, 22 (24 f.), gegen die Konfessionszugehörigkeit als Hilfskriterium bei ansonsten gleicher Eignung; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 166; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1815 f.; Sachs, ZBR 1994, 133 (133); ferner Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 8; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 98; für ein Ineinandergreifen der Vorschriften Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 385. 734  Vgl. OVG NW, NVwZ 1991, 501 f.; wohl auch BVerwGE 19, 252 (260); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 20, 42; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 167; Spielmann, Konkurrenz, S. 211; im Ergebnis ähnlich Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 426, der aber von einem „Prüfungsvorrang“ des Art. 33 Abs. 3 GG ausgeht; anders: Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 22, wonach die Entscheidung, ein Amt als das eines politischen Beamten einzustufen, mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar sein müsse; Klieve, VR 2003, 183 (186): Art. 33 Abs. 2 GG als lex specialis.



I. Zwischenergebnis zum 2. Kapitel169

tungsgerechte Personalauswahl zu ermöglichen, ist zunächst ein Anforderungsprofil für das konkret zu besetzende Amt aufzustellen. Dabei unterliegt die grundrechtsgebundene Staatsgewalt der Bindung an Art. 33 Abs. 3, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und darf folglich grundsätzlich religiöse oder politische Anschauungen der Bewerber nicht zur Voraussetzung für die Vergabe eines öffentlichen Amtes machen. Ausnahmsweise dürfen diese Merkmale nur dann berücksichtigt werden, wenn kollidierendes Verfassungsrecht den Anwendungsbereich der besonderen Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbote quasi-tatbestandlich einschränkt oder deren Durchbrechung wie ein Gesetzesvorbehalt ermöglicht. Ist ein öffentliches Amt auf verfassungskonforme Weise anschauungsgebunden ausgestaltet, so ist zu prüfen, welcher Bewerber die Eignungsanforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG im weiteren Sinne am besten erfüllt. Sofern bei gleicher Eignung mehrerer Bewerber auf zusätzliche Hilfskriterien abgestellt wird, gilt insoweit wiederum eine Bindung an Art. 33 Abs. 3, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Im Folgenden ist daher insbesondere zu untersuchen, für welche öffentlichen Ämter die Verfassung ausnahmsweise eine Anknüpfung an religiöse Anschauungen (3. Teil) oder politische Anschauungen (4. Teil) bei der Vergabe öffentlicher Ämter erlaubt.

Kapitel 3

Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe öffentlicher Ämter Im dritten Teil der Arbeit ist zu untersuchen, ob und inwieweit die Vergabe einzelner öffentlicher Ämter unter Berücksichtigung des religiösen Bekenntnisses verfassungsgemäß ist.

A. Grundrechtsbeeinträchtigung durch religiös gebundene Vergabe öffentlicher Ämter Angesichts der Ergebnisse des zweiten Teils dieser Arbeit könnte die religiös gebundene Vergabe öffentlicher Ämter tatbestandlich die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes beeinträchtigen. Diese Möglichkeit besteht unabhängig davon, ob die bekenntnisgebundene Ämtervergabe einfachgesetzlich angeordnet beziehungsweise zugelassen ist oder ob es sich um eine bloße Verwaltungspraxis der Exekutive handelt.

I. Beeinträchtigung religionsbezogener Gleichbehandlungsinteressen Insbesondere könnte die Vergabe öffentlicher Ämter unter Anknüpfung an das religiöse Bekenntnis der Bewerber Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV beeinträch­ tigen. Lehrer an staatlichen Schulen üben ebenso wie Professoren an Universitäten in öffentlicher Trägerschaft ein öffentliches Amt aus. Das gilt unabhängig davon, ob sie etwa Religionslehre unterrichten, solange sie nur in einem Dienstverhältnis zu einem (prinzipiell) grundrechtsgebundenen Träger öffentlicher Staatsgewalt stehen. Gleichermaßen üben Seelsorger in staatlichen Anstalten ein öffentliches Amt aus, wenn sie in einem Dienst- beziehungsweise Beamtenverhältnis zum Staat stehen. Lediglich Beschäftigte der Religionsgemeinschaften sind insoweit auszuklammern; diese sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. Die Vergabe von Ämtern der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt ist hingegen an Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV zu messen.



A. Grundrechtsbeeinträchtigung

171

1. Ausdrückliche Anknüpfung Eine staatliche Entscheidung ist insbesondere dann nicht unabhängig vom religiösen Bekenntnis, wenn sie einer Person mit einem bestimmten reli­ giösen Bekenntnis Nachteile zufügt, die sie gegenüber einer Person mit anderem Bekenntnis bei sonst gleicher Lage nicht anordnen würde. Zudem ist die Bekenntnisabhängigkeit spiegelbildlich dann zu bejahen, wenn einem Anhänger eines Bekenntnisses ein Vorteil gewährt wird, der einer Vergleichsperson mit anderem Bekenntnis nicht gewährt wird.1 Das Diskriminierungsverbot betrifft also sowohl die Einstellung eines Bewerbers mit der ausdrücklichen Begründung, dass er ein bestimmtes religiöses Bekenntnis hat beziehungsweise einer entsprechenden Religionsgemeinschaft angehört, als auch die Ablehnung eines Bewerbers ausdrücklich wegen eines bestimmten Bekenntnisses. Dabei ist auf die Entscheidung über ein konkretes Amt abzustellen. Unzulässig wäre eine Argumentation im Sinne des sogenannten separate but equal; Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV schwächen sich für religiös gebundene Staatsämter nicht zu einem bloßen staatskirchenrechtlichen Paritätsgebot ab.2 So entfällt beispielsweise die Benachteiligung eines evangelischen Bewerbers um ein an das katholische Bekenntnis gebundenes Amt nicht schon dadurch, dass dieser sich stattdessen um ein Amt bewerben könnte, das an das evangelische Bekenntnis gebunden ist. Ebenso wenig ist eine Benachteiligung des einzelnen Bewerbers wegen seiner Religion abzulehnen, wenn die betroffene Religionsgemeinschaft abstrakt gar kein Interesse an dem Amt und der damit verbundenen Kooperation mit dem Staat hat.3 Auch in solchen Fällen liegt eine rechtfertigungsbedürftige Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis vor. Gleichermaßen sind Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV einschlägig bei der Entscheidung über die vorzeitige Entziehung eines öffentlichen Amtes wegen des religiösen Bekenntnisses des bisherigen Amtsinhabers. Allerdings bleibt eine solche Entziehung in der 1  Siehe schon 2. Kap. D. II. 3. Vgl. im Hinblick auf Benachteiligungen wegen des Geschlechts etwa BVerfGE 85, 191 (206 f.) – Nachtarbeitsverbot; 114, 357 (364) – Bleiberecht; allgemein ferner Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 59; ders., Grundrechte, B3 Rn. 78 f.; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 378; Ja­ rass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 130; Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 163, 191; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 558 ff. 2  So aber Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 133, der deswegen eine Verletzung von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ablehnt; dagegen auch Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 399. 3  So aber Heckel, Gleichheit, S. 87; vgl. dagegen Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 58.

172

Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

deutschen Staatspraxis von vornherein die Ausnahme, solange der Amtsinhaber mit anderen Aufgaben weiterbeschäftigt werden kann.4 Das deutsche Recht sieht eine solche ausdrückliche Anknüpfung des Staates an das religiöse Bekenntnis der Bewerber – soweit ersichtlich, ausschließlich – bei der Einstellung von Lehrern an nordrhein-westfälischen Bekenntnisschulen sowie den niedersächsischen Grundschulen für Schülerinnen und Schüler des gleichen Bekenntnisses vor.5 Dort müssen Lehrer dem betreffenden Bekenntnis angehören und bereit sein, an diesen Schulen zu unterrichten und zu erziehen.6 Für alle anderen, herkömmlich als konfessionsgebunden bezeichneten Staatsämter sind entsprechende Regelungen nicht ersichtlich [dazu aber sogleich unter 2.]. Die Sonderstellung der Lehrer an Bekenntnisschulen dürfte darauf zurückgehen, dass es nur noch in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen solche Bekenntnisschulen gibt, für die Art. 24 Abs. 1 RK bestimmt: „In allen katholischen Volksschulen werden nur solche Lehrer angestellt, die der katholischen Kirche angehören und Gewähr bieten, den besonderen Erfordernissen der katholischen Bekenntnisschule zu entsprechen.“ 2. Über Mitwirkungsrechte vermittelte Kettenanknüpfung Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV könnten jedoch bei der Vergabe weiterer öffentlicher Ämter beeinträchtigt werden, soweit über Mitwirkungsrechte der Religionsgemeinschaften vermittelte Kettenanknüpfungen7 an das religiöse Bekenntnis der Bewerber vorliegen. In den entsprechenden gesetzlichen Regelungen heißt es dazu etwa, Religionslehrer bedürften für die Erteilung des Religionsunterrichts einer Bevollmächtigung durch die Kirche oder die Religionsgemeinschaft,8 vor der 4  Vgl. § 7a Abs. 4 HG Bbg; Heckel, Theologische Fakultäten, S. 68 ff., der den persönlichen Status eines Inhabers eines konfessionsgebundenen Amtes daher als konfessionsneutral beschreibt, mit dieser Bezeichnung aber verdeckt, dass solche Ämter sehr wohl konfessionsabhängig vergeben werden. Vgl. zur Umsetzung eines evangelischen Theologieprofessors an einer staatlichen Universität in Folge des Entzugs der kirchlichen Lehrerlaubnis, die am Rande auch an Art. 33 Abs. 3 GG gemessen wird, BVerfGE 122, 89 (113) – Lüdemann; vgl. zum (ehemals) katholischen Theologen Küng Böckenförde, NJW 1981, 2101 ff. 5  Siehe § 26 Abs. 6 S. 2 SchulG NW, § 129 Abs. 2 SchulG Nds. 6  So § 26 Abs. 6 S. 2 SchulG NW. 7  Zu diesem Begriff s. schon 2. Kap. D. II. 5. 8  § 31 Abs. 3 S. 1 SchulG NW; ähnlich Art. 22 RK: „Bei der Anstellung von katholischen Religionslehrern findet Verständigung zwischen dem Bischof und der Landesregierung statt. Lehrer, die wegen ihrer Lehre oder sittlichen Führung vom



A. Grundrechtsbeeinträchtigung

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Berufung eines Theologieprofessors sei die „Zustimmung der jeweils zuständigen Kirche über das Ministerium herbeizuführen“9 oder Militärseelsorger dürften nur auf Vorschlag des jeweiligen Militärbischofs eingestellt werden.10 Die betroffenen Ämter können also nicht gegen den Willen der jeweiligen Religionsgemeinschaft besetzt werden.11 In der Praxis führt dieses Erfordernis regelmäßig zur bekenntnisabhängigen Besetzung der betroffenen Ämter, weil die Religionsgemeinschaften aus ihrem religiösen Selbstverständnis heraus (herkömmlich) ausschließlich ihre eigenen Konfessionsangehörigen als Anstaltsseelsorger,12 Theologie-13 oder Konkordatsprofessoren14 oder Religionslehrer15 akzeptieren und ihre Vorschlagsrechte entsprechend nutzen. Deswegen werden diese Ämter faktisch ganz überwiegend an Anhänger des betreffenden Bekenntnisses vergeben, obwohl staatliches Recht dies in den genannten Fällen nicht ausdrücklich vorschreibt. Auch in den einzelnen Auswahlverfahren für diese Ämter machen die staatlichen Behörden, soweit ersichtlich, nicht ein religiöses Bekenntnis zur expliziten Einstellungsvoraussetzung.16 Vielmehr setzt der Staat lediglich voraus, dass die betroffene Religionsgemeinschaft der Einstellung des Bewerbers – gegebenenfalls antizipiert durch Erteilung einer Lehrerlaubnis – zustimmt oder jedenfalls keine Einwände erhebt. Aus staatlicher Sicht ist die Bekenntniszugehörigkeit eines Bewerbers in diesen Fällen also keine Einstellungsvoraussetzung, da die Zustimmung der reli­ giösen Autorität ausreicht. Würde eine Religionsgemeinschaft Konfessionsfremden die Zustimmung zur Ausübung eines solchen Amtes erteilen, so könnte der Staat die Einstellung nicht unter Verweis auf die fehlende Konfessionszugehörigkeit verweigern. Denkbar wäre ein solcher Fall etwa für die Besetzung einer Konkordatsprofessur, bei der ein katholischer Diöze­ Bischof zur weiteren Erteilung des Religionsunterrichtes für ungeeignet erklärt worden sind, dürfen nicht als Religionslehrer verwendet werden.“ 9  § 80 Abs. 2 S. 1 HG NW. 10  Art. 18 Abs. 1 S. 1 MSV. 11  Vgl. allerdings § 7a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 HG Bbg, wonach die prinzipiell erforderliche Zustimmung zu dem Berufungsvorschlag in bestimmten Fällen fingiert wird; kritisch dazu Heinig, LT-Drs. P-AWFK 5 / 37, S. 12. 12  Siehe noch 3. Kap. C. VIII., IX., X., XI., XII. 13  Siehe noch 3. Kap. C. IV., V. 14  Siehe noch 3. Kap. C. VI., wonach die Konfessionszugehörigkeit insoweit kirchenrechtlich nicht zwingend ist. 15  Siehe noch 3. Kap. C. I. 16  Feststellen lassen sich in Stellenausschreibungen allenfalls Formulierungen wie die Folgende: „BewerberInnen müssen das Konzept der katholischen, erweiterten Ganztagshauptschule und die im Schulprogramm verankerten Grundsätze mittragen sowie engagiert am Konzept des gebundenen erweiterten Ganztags mitarbeiten.“ (www.schulministerium.nrw.de).

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

sanbischof – etwa aus kirchenpolitischen Gründen oder aus Gründen der wissenschaftlichen Reputation – der Einstellung eines Protestanten zustimmen könnte, wenn er gegen dessen Lehr- und Forschungstätigkeit keine Bedenken hat. Andererseits sind ferner – vermittelt über das Zustimmungsrecht der Religionsgemeinschaften – auch Anknüpfungen an andere Merkmale denkbar, die dem Staat ebenfalls verweigert sind. So könnte die zuständige religiöse Autorität ihre Zustimmung auch wegen des Geschlechts, wegen der sexuellen Orientierung oder einer fehlenden Priesterweihe des Ausgewählten verweigern, was zusätzliche Probleme aufwirft. Die Entscheidung der betroffenen Religionsgemeinschaft ist im Sinne eines unselbständigen Vorbereitungsaktes zu verstehen, der nicht vom Staat ausgeht.17 Die Religionsgemeinschaften handeln bei ihrer Entscheidung über die Zustimmung – unabhängig davon, ob sie Körperschaften des öffentlichen Rechts sind – nicht etwa als vom Staat Beliehene und daher Grundrechtsgebundene. Vielmehr können sie sich auf ihre Ämterhoheit gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 GG berufen.18 Diese schließt jede Verkündigung im Namen einer Religionsgemeinschaft gegen deren Willen aus. Dass bei vielen der sogenannten konfessionsgebundenen Ämter keineswegs eine ausdrückliche staatliche „Anknüpfung an die Konfession“19 vorgesehen ist, hat die Literatur bislang unzureichend berücksichtigt.20 Gleichwohl könnte in diesen Fällen die Unabhängigkeit des Ämterzugangs vom religiösen Bekenntnis i. S. v. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV berührt sein. Für die Annahme einer bekenntnisabhängigen Benachteiligung kommen zwei Anhaltspunkte in Betracht: 17  Vgl. BayVGH, BayVBl. 2010, 115 Rn. 27; daran festhaltend BayVGH, ­ VwZ-RR 2012, 723 (724), wo für die Besetzung eines Konkordatslehrstuhls ebenN falls strikt zwischen solchen Auswahlkriterien, die für den Staat relevant sind, und solchen, die der zuständige Bischof berücksichtigten darf, unterschieden wird. Anders gelagert war demgegenüber der BVerfGE 123, 148 – Jüdische Gemeinde Bbg, zugrunde liegende Fall, in dem der religiöse Landesverband selbst außenwirksam Fördergelder des Landes verteilen sollte. 18  Vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 509, der für Religionslehrer zusätzlich auf Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG verweist. 19  Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 65; vgl. ferner nur Roca, ZevKR 43 (1998), 333 (346), die unter fälschlichem Verweis auf Art. 21 ff. RK die „Rechtszugehörigkeit“ (ebd.) des Lehrers zur jeweiligen Konfession für notwendig hält. 20  Siehe aber Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 64, zu kirch­ lichen „Mitwirkungsrechte[n]“ (ebd.) im Kontext theologischer Fakultäten; Haller­ mann, in: Holzner / Ludyga, Entwicklungstendenzen, S. 303 (339): „konfessionelle Bindung äußert sich in einer […] Mitwirkung der Kirche bei der Berufung in dieses Amt“.



A. Grundrechtsbeeinträchtigung

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Bereits auf der Ebene der abstrakten staatlichen Regelung, wonach sich der Staat verpflichtet, einzelne öffentliche Ämter nicht ohne Zustimmung der jeweils betroffenen Religionsgemeinschaft zu besetzen, liegt eine Beeinträchtigung religionsbezogener Gleichbehandlungsinteressen vor. Wer als Bewerber um ein öffentliches Amt damit zu rechnen hat, dass er die vom Staat vorausgesetzte Zustimmung einer Religionsgemeinschaft wegen seines eigenen religiösen Bekenntnisses nicht erhalten wird, hat von vornherein keine Aussicht auf Zulassung zu dem jeweiligen Amt. Bereits die Selbstverpflichtung des Staates, Bewerber auf Geheiß einer Religionsgemeinschaft nicht zu öffentlichen Ämtern zuzulassen, beeinträchtigt grundrechtliche Gleichbehandlungsinteressen. Eine zweite Beeinträchtigung liegt in der im Einzelfall staatlich versagten Zulassung zu einem öffentlichen Amt auf Veranlassung einer Religionsgemeinschaft. Verweigert eine Religionsgemeinschaft einem vom Staat ausgewählten Bewerber aus religiösen Gründen ihre Zustimmung und lehnt der Staat daraufhin die Einstellung dieses Bewerbers ab, so vollzieht der Staat die von der Religionsgemeinschaft vorgenommene Anknüpfung. Zwar macht sich die staatliche Einstellungsbehörde die bekenntnisabhängige Entscheidung der Religionsgemeinschaft dadurch nicht zwangsläufig in dem Sinne zu eigen, dass sie sie ebenfalls für geboten hält, sie vollzieht sie aber hoheitlich. Berücksichtigt eine Religionsgemeinschaft das religiöse Bekenntnis, handelt es sich dabei auch nicht um ein ganz unvorhersehbares Verhalten, das eine Zurechnung ausschließen könnte.21 Vielmehr räumt der Staat den Religionsgemeinschaften das Mitspracherecht ja ge­ rade zu dem Zweck ein, dass diese religiöse Bedenken geltend machen können.22 Obwohl die Anknüpfung an das religiöse Bekenntnis beziehungsweise ein in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genanntes Merkmal in solchen Fällen nur vermittelt über die Entscheidung der jeweiligen Religionsgemeinschaft erfolgt, handelt es sich dabei nicht um mittelbare Diskriminierungen, die nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung nicht von den besonderen Gleichheitssätzen erfasst wären.23 Denn bei der vom Staat mangels Zustimmung der jeweiligen Religionsgemeinschaft verweigerten Einstellung ist das Anknüpfungsmerkmal – etwa das religiöse Bekenntnis oder das Geschlecht – sehr wohl conditio sine qua non für die Rechtsfolge. Der Unterschied zu einer ausdrücklichen, unmittelbaren Anknüpfung besteht darin, dass der Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 78 S. 195 f. etwa § 7a Abs. 2 S. 2 HG Bbg: „Diese [sc. Religionsgemeinschaft] kann die Zustimmung nur aus Gründen verweigern, die sich auf Lehre oder Bekenntnis beziehen“. 23  Siehe schon 2. Kap. D. II. 4. f). 21  Vgl. 22  Vgl.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Staat die Anknüpfung nicht selbst vornimmt, sondern stattdessen die so anknüpfende Entscheidung einer Religionsgemeinschaft als unselbstständigen Vorbereitungsakt der staatlichen Entscheidung zugrunde legt. Vor diesem Hintergrund ist die verbreitete Rede vom konfessionsgebundenen Staatsamt nicht ganz präzise, weil der Staat bei den meisten Ämtern, die zu dieser Gruppe gehören sollen, nicht explizit die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession zur Voraussetzung für die Zulassung zu einem öffentlichen Amt macht, sondern die (fortdauernde) Zustimmung einer Religionsgemeinschaft. Daher müsste man konsequenter Weise von einem an die Zustimmung einer Religionsgemeinschaft gebundenen öffentlichen Amt sprechen.24 In Anbetracht des eingebürgerten Sprachgebrauchs werden jedoch im Folgenden unter konfessionsgebundenen Staatsämtern auch solche Ämter verstanden, die (lediglich) vermittelt über die Entscheidung einer Religionsgemeinschaft religiös gebunden vergeben werden. Sowohl die abstrakt-generelle Verpflichtung des Staates, Bewerber ohne diese Zustimmung nicht zu öffentlichen Ämter zuzulassen, als auch der staatliche Vollzug einer von einer Religionsgemeinschaft verweigerten Zustimmung im Einzelfall stellen rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigungen religionsbezogener Gleichbehandlungspositionen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV dar. 3. Fehlende Vergleichbarkeit Allerdings könnte fehlende Vergleichbarkeit zwischen den Angehörigen unterschiedlicher religiöser Bekenntnisse die Anwendbarkeit der besonderen Gleichheitssätze ausschließen. Das BVerfG geht davon aus, dass Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG nicht anzuwenden ist, wenn keine sinnvolle Vergleichsgruppe existiert.25 An diese Rechtsprechung anknüpfend könnte man er­ wägen, einen Verstoß gegen die besonderen Gleichheitssätze zu verneinen, wenn ein religiös gebundenes Amt erforderlich wäre, um Probleme zu lösen, die ausschließlich bei den Anhängern einzelner Konfessionen auftreten. Ein solches Amt könnten beispielsweise staatlich angestellte Ärzte bekleiden, von denen die Zugehörigkeit zum jüdischen oder islamischen Bekenntnis erwartet würde, damit diese entsprechend religiös motivierte Beschneidungen medizinisch sachgerecht und religiös anerkannt vornehmen könnten. Insoweit bestünden so entscheidende Unterschiede zum christlichen Initia­ 24  Vgl. auch VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (81), der Konkordatsprofessuren als „staatsvertragsgebundene[…] Ämter“ bezeichnet, die „konfessionsgebundenen Ämtern“ (ebd.) gleichzustellen seien. 25  Zu solchen Vergleichbarkeitsvorbehalten s. schon 2. Kap. D. II. 6.



A. Grundrechtsbeeinträchtigung

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tionsritus der Taufe, dass eine mit der religiös gebundenen Ämtervergabe grundsätzlich verbundene Grundrechtsverletzung möglicherweise mangels Vergleichbarkeit abgelehnt werden könnte. Indes verkennt dieser Ansatz, dass die deutsche Staatsgewalt schon bei der Entscheidung über das Ob der Einrichtung eines öffentlichen Amtes und bei dessen Aufgabenzuschnitt an Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV gebunden ist. Unvergleichbarkeit folgt insbesondere nicht daraus, dass eine Religionsgemeinschaft die Anhänger anderer Religionen im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts für unvergleichbar hält. Denn die staatliche Grundrechtsbindung schon bei der Einrichtung eines öffentlichen Amtes führt zu der vorgelagerten Frage, ob der Staat überhaupt ein solches Amt einrichten darf, wenn diesem Aufgaben zugewiesen werden, die zwingend eine Konfes­ sionszugehörigkeit des Amtsinhabers erfordern. Um auf das oben konstruierte Beispiel zurückzukommen: Verfassungsrechtlich begründungsbedürftig ist bereits, warum für einen Arzt, der religiös motivierte Beschneidungen durchführen soll und dazu einem bestimmten religiösen Bekenntnis angehören muss, überhaupt ein öffentliches Amt eingerichtet werden darf und warum der Arzt nicht stattdessen im Auftrag der Religionsgemeinschaften oder einzelner religiöser Bürger tätig werden kann. Etwa bestehende Unterschiede zwischen den religiösen Bekenntnissen führen jedenfalls nicht zu einer die Anwendbarkeit von Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV ausschließenden Unvergleichbarkeit. Die Berücksichtigung religiöser Anschauungen bei der Einstellung ist daher verfassungswidrig, sofern die genannten Gleichheitssätze nicht im Hinblick auf einzelne Ämter verfassungsrechtlich begrenzt sind.26

II. Beeinträchtigung des Prinzips der Bestenauslese Die religiös gebundene Ämtervergabe könnte zudem das Prinzip der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigen. Allerdings setzt Art. 33 Abs. 2 GG ein verfassungsmäßig konstituiertes Amt mit entsprechendem Anforderungsprofil voraus. Wenn und soweit auf verfassungsrechtlich zulässige Art und Weise ein religiös gebundenes öffentliches Amt eingerichtet worden ist, sind nur diejenigen Bewerber für das Amt geeignet, die das entsprechende religiöse Bekenntnis haben; ihr Bekenntnis darf und muss dann als Bestandteil der Eignung i. S. v. Art.  33 Abs. 2 GG bei der Entscheidung über die Vergabe des Amtes berücksichtigt werden. Eine Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV begrenzende Wirkung erwächst deswegen nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG. Zur Beantwortung der Frage, ob aber ein anschauungsgebundenes öffentliches 26  Vgl.

Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 282.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Amt überhaupt eingerichtet werden darf, enthält Art. 33 Abs. 2 GG keine Maßstäbe; er greift erst auf einer nachrangigen Ebene ein.27

B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen Verfassungsrechtlicher Maßstab für Einrichtung und Vergabe religiös gebundener Staatsämter ist neben den besonderen Gleichheitssätzen auch das übrige Religionsverfassungsrecht28 des Grundgesetzes. Unter diesem Begriff sollen hier alle Vorschriften des Bundesverfassungsrechts verstanden werden, die im weitesten Sinne speziell auf Religion bezogen sind und damit das Verhältnis von Staat und Religion regeln, also neben dem Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2 GG) die bereits erörterten religionsbezogenen Gleichheitssätze, die Grundgesetz-Präambel mit ihrem Gottesbezug, Vorschriften über Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 3 GG), Bekenntnisschulen (Art. 7 Abs. 5 GG) sowie die über Art. 140 GG inkorporierten Artikel der WRV. 27  Siehe

schon 2. Kap. H. III. Diskussion um diesen Begriff statt der Bezeichnung „Staatskirchenrecht“ vgl. schon früh Häberle, DÖV 1976, 73 ff.; für Religions(-verfassungs)-recht: v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 14 f., Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 140 Rn. 27; Czermak, NVwZ 1999, 743 (744); Holz­ ke, NVwZ 2002, 903 (904); wohl auch Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 1; offen Walter, in: Grote / Marauhn, Religionsfreiheit, S. 215 (215 ff.; 240), der die Gefahr sieht, dass die „staatskirchenrechtlichen Regelungen“ der WRV unter Berufung auf die Religionsfreiheit in Frage gestellt werden könnten, dabei aber unterschlägt, dass sich traditionell die Kirchen über Art. 4 GG auf Vorschriften der WRV berufen, um so ihre Positionen gerichtlich durchzusetzen; diese kollektive Bedeutung betonend zuletzt Augsberg, AöR 138 (2013), 493 (524 f.); differenziert: Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (128 ff.); Muckel, in: Friauf /  Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 27, der beide Begriffe nebeneinander verwenden will; Waldhoff, Art. Religionsrecht / Religionsverfassungsrecht, in: Heinig / Munso­ nius, Staatskirchenrecht, S. 204; dagegen: Grzeszick, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 131 ff.; Papier, in: FS Scholz, 2007, S. 1123 (1124); tendenziell auch Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1168 ff. (1171), m. w. N.; Kirchhof, EssGespr. 39 (2005), 105 (113), der seine Ablehnung programmatisch untermauert: „Persönliche Religionsfreiheit ist auf die Kirchen angewiesen.“ Mit Waldhoff, EssGespr. 42 (2008), 55 (80 ff., 98), kann der Streit um die Begrifflichkeit als zweitrangig angesehen werden, da er allein keine Positionierung in der Diskussion über das Verhältnis der grundrechtlichen Religionsfreiheit zu institutionellen Regelungen bedeutet. Im Folgenden wird grds. der Begriff Religionsverfassungsrecht verwendet, um zu verdeutlichen, dass die herkömmlich als Staatskirchenrecht bezeichneten Verfassungsvorschriften ebenso für nichtchristliche Religionsgemeinschaften gelten, die sich nicht als Kirchen verstehen. Eine verstärkte Betonung der Religionsfreiheit gegenüber institutionellen Regelungen (dagegen etwa Di Fabio, EssGespr. 42 [2008], 129 [141]) ist mit der Begriffswahl nicht beabsichtigt. 28  Zur



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen

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Von dem so bestimmten Religionsverfassungsrecht könnten zweierlei Wirkungen ausgehen: Einerseits ist es denkbar, dass das Religionsverfassungsrecht legitimierende Wirkung entfaltet, indem es religiös gebundene Staatsämter vorschreibt oder zumindest zulässt, andererseits könnte das Religionsverfassungsrecht zusätzliche Anforderungen an die Einrichtung religiös gebundener Ämter aufstellen, an deren Einhaltung die Verfassungskonformität dieser Ämter dann zu messen wäre. Daher sollen im Folgenden die wesentlichen Grundzüge des Religionsverfassungsrechts dargestellt werden.

I. Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG Schutzgut der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG sind persönliche Gewissheiten, die den Zusammenhang zwischen dem Einzelnen und dem Weltganzen mit transzendenten Bezügen erklären.29 Nach der Rechtsprechung bilden die Freiheit des Glaubens und des weltanschaulichen Bekenntnisses (Abs. 1) sowie die Religionsausübungsfreiheit (Abs. 2) ein einheitliches Grundrecht,30 das zweierlei schützt: die innere Freiheit, einen Glauben zu bilden und zu haben, sowie die äußere Freiheit, diesen Glauben im praktischen Leben zu verwirklichen. Neben der positiven Religionsfreiheit schützt Art. 4 Abs. 1, 2 GG die negative Freiheit, kein religiöses Bekenntnis zu bilden.31 Da Art. 4 Abs. 1, 2 GG keinen Gesetzesvorbehalt formuliert, sind nach der von einem Teil der Literatur unterstützten Rechtsprechung des BVerfG „alleine kollidierende Grundrechte Dritter sowie andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter in der Lage, die Glaubensfreiheit einzuschränken“32. 29  Vgl. Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4 Rn. 19; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 4 Rn. 16. 30  St. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 24, 236 (245 f.) – Rumpelkammer; 125, 39 (79) – Adventssonntag; BVerwGE 141, 223 Rn. 18; dem folgend Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4 Rn. 11 ff.; dagegen mit beachtlichen Argumenten: Herzog, in: MD, GG, Art. 4 (1988) Rn. 5, 63 ff.; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 4 Rn. 11; Muckel, in: HGR IV, § 96 Rn. 63; ders., in: Friauf / Höfling, GG, Art. 4 (2009) Rn. 6 f.; Mückl, in: BK, GG, Art. 4 (2008) Rn. 56, je m. w. N. Im Kontext konfessionsgebundener Staatsämter kann eine Streitentscheidung mangels Ergebnisrelevanz dahinstehen. 31  Vgl. Herzog, in: MD, GG, Art. 4 (1988) Rn. 55; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4 Rn. 27. 32  Mückl, in: BK, GG, Art. 4 (2008) Rn. 163, wesentlich aus entstehungsgeschichtlichen Gründen; vgl. herkömmlich BVerfGE 33, 23 (30 f.) – Eidesformel, unter Bezugnahme auf BVerfGE 19, 206 (219 f.) – Kirchenbausteuer; 24, 236 (246) – Rumpelkammer; auch BVerfGE 93, 1 (21) – Kruzifix; 108, 282 (297) – Kopftuch; dem folgend: VGH HE, NVwZ 2013, 159 (160 f.); Herzog, in: MD, GG, Art. 4 (1988) Rn. 112; aus rechtspraktischer Perspektive Sachs, Grundrechte, B4 Rn. 24. Im Rahmen seines Anwendungsbereiches wird Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV freilich durchaus als Begrenzung anerkannt. Vgl. dagegen allgemein für die Beschränkung

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Es lassen sich unterschiedliche subjektivrechtliche Funktionen der Religionsfreiheit unterscheiden: abwehrrechtliche und leistungsrechtliche Berechtigungen. Als Abwehrrecht schützt die Religionsfreiheit vor Verkürzungen des Gewährleistungsgehaltes, die vom Staat ausgehen oder diesem zurechenbar sind. Zusätzlich lassen sich der Religionsfreiheit nach hergebrachter Lesart33 Leistungspflichten34 entnehmen, die schon im Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 GG anklingen, wonach ungestörte Religionsausübung gewährleistet wird.35 Ein solches Gewährleisten meint kein rein passives Verhalten des Staates. Vielmehr bedeutet die Religionsfreiheit nach der Rechtsprechung des BVerfG mehr als bloßes Ignorieren alles Religiösen durch den Staat.36 So formuliert der Erste Senat: „In einem Staat, in dem die menschliche Würde oberster Wert ist, [sic] und in dem der freien Selbstbestimmung des Einzelnen zugleich ein gemeinschaftsbildender Wert zuerkannt wird, gewährt die Glaubensfreiheit dem Einzelnen einen von staatlichen Eingriffen freien Rechtsraum, in dem er sich die Lebensform zu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht. Insofern ist die Glaubensfreiheit mehr als der Religionsfreiheit durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 1 WRV etwa: Heckel, AöR 134 (2009), 309 (377 f.); Muckel, Freiheit, S. 224 ff.; ders., in: Friauf / Höfling, GG, Art. 4 (2009) Rn. 52, m. w. N.; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 4 Rn. 88. 33  Vgl. Anschütz, WRV, Art. 141 Rn. 1, wonach die staatliche Kirchenhoheit als Schutzrecht und -pflicht fortbestehe; Ebers, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 137, 138, 140, 141 S. 364, wonach Schutz und Förderung der Kirchen weiterhin zulässig bleiben sollen. 34  Vgl. BVerfGE 41, 29 (49) – Gemeinschaftsschule, wo allerdings explizit weder von Leistungs- noch von Schutzpflichten die Rede ist; BVerfGE 125, 39 (78) – Adventssonntag: „Schutzpflicht“; BVerfG (K), NVwZ 2001, 908 (908), zum Schutz der Religionsgemeinschaften voreinander; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 23; Ehlers, in: EssGespr. 28 (1994), 26 (27); Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4 Rn. 18, 81 f.; Mückl, in: BK, GG, Art. 4 (2008) Rn. 132; Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 961 (969); zurückhaltend: Herzog, in: MD, GG, Art. 4 (1988) Rn. 85 ff.; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 4 Rn. 19; Stern, StaatsR IV / 2, § 118 S. 1018. Unabhängig von der Religionsfreiheit ist auch von einer allgemeinen „sozialstaatlichen Schutzpflicht“ (Isensee, in: HStR IX, § 191 Rn. 202) die Rede, wonach der Staat durch geeignete und hinreichende Förderung dafür sorgen müsse, dass die sozialen Voraussetzungen erfüllen seien, damit die Grundrechtsberechtigten ihre Grundrechte materiell wahrnehmen können, vgl. aber kritisch zu Ansprüchen auf „Realisierungshilfe“ Sachs, in: Stern, StaatsR III / 1, § 67 S. 745 ff.; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 49, der auf den „Vorbehalt des Möglichen“ (ebd.) hinweist; Falterbaum, Der Staat 37 (1998), 624 (634), wonach die tatsächliche Nutzbarkeit staatlich garantierter Möglichkeiten „jedenfalls nicht vorrangig“ (ebd.) vom Staat zu gewährleisten ist. 35  Vgl. Sachs, Grundrechte, B4 Rn. 48; auch Stern, StaatsR IV / 2, § 118 S. 1010 f., für eine Verankerung dieser Grundrechtsfunktion in der geschichtlichen Entwicklung. 36  Vgl. BVerfGE 32, 98 (106) – Gesundbeter, im Anschluss an BVerfGE 12, 1 (3) – Glaubenswerbung.



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen181

religiöse Toleranz, d. h. bloße Duldung religiöser Bekenntnisse oder irreli­ giöser Überzeugungen […].“37 Weitergehend hat der Erste Senat des BVerfG 1975 zur Christlichen Gemeinschaftsschule entschieden, die Religionsfreiheit gebiete dem Staat, „auch in positivem Sinn, Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugungen und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern“38. Die vom Gericht betonte Positivität lässt sich jedenfalls so verstehen, dass nicht nur ein (negativer) Schutz gegen Beeinträchtigungen durch den Staat oder durch Dritte gemeint sein soll, sondern ebenso eine staatliche Förderung unabhängig von bestehenden oder drohenden Beeinträchtigungen.39 In der Literatur ist diese Rechtsprechung teilweise fortentwickelt worden.40 Von solchen originären Leistungspflichten zu unterscheiden41 sind Schutzpflichten, die aus der Religionsfreiheit ebenso wie aus anderen 37  BVerfGE 32, 98 (106) – Gesundbeter, im Anschluss an BVerfGE 12, 1 (3) – Glaubenswerbung; vgl. ähnlich Starck, JZ 2000, 1 (6). 38  BVerfGE 41, 29 (49) – Gemeinschaftsschule; vgl. daran anknüpfend BVerfGE 52, 223 (241) – Schulgebet: „Staat gibt […] der positiven Bekenntnisfreiheit Raum in einem Bereich, den er ganz in seine Vorsorge genommen hat“; BVerfGE 93, 1 (16) – Kruzifix, wonach die Gesellschaft „unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt“; BVerfGE 108, 282 (300) – Kopftuch: „Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gebietet auch in positivem Sinn, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern“; BVerfGE 125, 39 (78) – Adventssonntag BVerwG, Beschl. v. 24.10.1990 – 1 B 98 / 90, Juris: Rn. 5; BVerwGE 89, 368 (378); 141, 223 Rn. 24; BSG, NJW 2001, 2197 (2198); BFHE 230, 93; BayVGH, NVwZ 2002, 1000 (1004), wonach der Staat den Bürgern einen religiös-weltanschaulichen Betätigungsraum „sichern“ (ebd.) muss; VGH BW, DVBl. 2013, 519 Rn. 76; ähnlich v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, § 33 S. 289: „Aufgabe der Grundrechtsförderung“; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2: „Verwirk­ lichung durch Schaffung der notwendigen Ausgangsbedingungen ermöglichen“; ­Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 25; Mückl, in: BK, GG, Art. 4 (2008), Rn. 131; Stern, StaatsR IV / 2, § 118 S. 996, 1002 f., 1010, der insoweit von einer „objektiv-rechtlichen Dimension“ (ebd. Fn. 536) spricht. 39  Vgl. BVerfGE 91, 1 (16) – Kruzifix, wonach der Staat einen religiösen Betätigungsraum zu sichern „und“ (ebd.) Religionsgemeinschaften vor Behinderungen durch Dritte zu schützen hat. 40  Vgl. Ehlers, EssGespr. 28 (1994), 26 (27), wonach den Grundrechten neben ihrem Abwehrgehalt ein „auf Optimierung gerichtete[s] Rechtsprinzip[…]“ (ebd.) zu entnehmen sei; ähnlich Robbers, HStKR I, § 31 S. 867 (876 f.); auch Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 15, zur freiwilligen staatlichen Förderung der Religionsfreiheit; allgemein Rüfner, in: HGR II, § 40 Rn. 48: „Staatsaufgabe der Grundrechtseffektuierung“. 41  Vgl. anders allerdings BVerfGE 125, 39 (78) – Adventssonntag, wo beide Aspekte als „Schutzpflicht“ (ebd.) zusammengefasst werden. BVerfGE 102, 370 (393) – Zeugen Jehovas; BVerfG (K) NVwZ 2001, 908 (908), behandeln allein den Schutz vor Einwirkungen Dritter.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Grundrechten erwachsen können und die den Staat verpflichten, die Grundrechtsträger vor Beeinträchtigungen durch Dritte zu schützen.42 Die zuletzt genannten allgemeinen Schutzpflichten hat das BVerfG insbesondere in seiner Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Recht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG konkretisiert.43 Danach geht das BVerfG davon aus, dass die Abwehrfunktion der Grundrechte deren Intention nicht ausschöpft, sondern die Geltungskraft durch einen Rückgriff auf weitere Bedeutungen noch verstärkt werden muss.44 Dementsprechend kann ein grundrechtlicher Anspruch auf staatliches Tätigwerden prinzipiell auf zwei unterschiedliche Arten aus der Religionsfreiheit hergeleitet werden: In Anlehnung an ein Urteil des OVG NW aus dem Jahr 2006 ist festzuhalten, dass die Religionsfreiheit Leistungspflichten sowohl mittelbar als Kehrseite eines etwaigen Anspruchs auf Unterlassung45 eines verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriffs in dieses Grundrecht als auch unmittelbar im Sinne eines klassischen Leistungsrechts begründen kann.46 Ebenso könnte vor diesem Hintergrund ein in dieser Allgemeinheit zu Recht abgelehnter Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nicht mit Religiösem konfrontiert zu werden,47 zwei unterschiedliche Grundlagen 42  Vgl. allgemein Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 35; ders., in: Stern, StaatsR III / 1, § 67 S. 728 ff.; Stern, StaatsR III / 1, § 69 S. 931 ff., 937; Isensee, in: HStR IX, § 191 Rn. 146 ff. In religionsfreiheitlichem Kontext könnte man etwa erwägen, ob der Staat religionsunmündige Kleinkinder vor jeglicher Initiation in einer Religionsgemeinschaft auf Initiative der Erziehungsberechtigten schützen müsste – zumal wenn eine solche etwa mit einer Beschneidung oder anderen Eingriffen in die körperliche Integrität des Kindes verbunden ist –, was freilich im Ergebnis angesichts des Erziehungsrechts der Eltern (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) auch in Bezug auf die religiöse Erziehung nicht allgemein zu bejahen ist; vgl. Badura, in: MD, GG, Art. 6 (2005) Rn. 118 ff.; zur Erlaubtheit der Beschneidung jetzt Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes v. 20.12.2012, BGBl. 2749; dagegen zuvor LG Köln, NJW 2012, 2128 Rn. 11 ff. 43  Vgl. grundlegend BVerfGE 39, 1 (41 ff.) – Schwangerschaftsabbruch I; 88, 203 (251 ff.) – Schwangerschaftsabbruch II; 115, 118 (152) – Luftsicherheitsgesetz; im Überblick Isensee, in: HStR IX, § 191 Rn. 149; Stern, StaatsR III / 1, § 69 S. 931 ff., 939 ff. 44  Vgl. BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth; 115, 320 (358) – Rasterfahndung; BVerfG (K), NVwZ 2001, 908 (908), besonders zum Schutz der Religionsfreiheit des Einzelnen vor „Behinderungen“ durch Anhänger anderer Glaubensrichtungen; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2011) Rn. 18; Mückl, in: BK, GG, Art. 4 (2008) Rn. 133; Sachs, Grundrechte, B4 Rn. 48; Stern, StaatsR IV / 2, § 118 S.  1001 f. 45  Vgl. zu abwehrrechtlichen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen Sachs, Grundrechte, A4 Rn. 15. 46  Vgl. OVG NW, ZBR 2007, 106 LS (Juris: Rn. 46). 47  Vgl. BVerfGE 93, 1 (16) – Kruzifix; 108, 282 (302) – Kopftuch; BVerwGE 141, 223 Rn. 30; OVG NW, NJW 2006, 1228 (1228); VerfGH BY, NVwZ 2008, 420



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haben: Er könnte aus der Religionsfreiheit als Abwehrrecht hergeleitet werden, wenn die Konfrontation vom Staat ausgeht,48 oder aus einer grundrechtlichen Schutzpflicht zugunsten des „Integritätsinteresse[s] der Persönlichkeit auf religiös-weltanschaulichem Gebiet“49, wenn das die Religionsfreiheit störende Verhalten von einem grundrechtsberechtigten Dritten ausgeht.50 Ungeachtet der vielfach aufgegriffenen grundsätzlichen Anerkennung leistungsrechtlicher Gehalte der Religionsfreiheit ist allerdings nicht ersichtlich, dass Rechtsprechung oder Literatur bislang konkrete, unmittelbar durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG begründete subjektive Rechte des Einzelnen auf staatliche Religionsförderung anerkannt hätten. Vielmehr wird regelmäßig betont, Art. 4 Abs. 1, 2 GG verleihe dem Einzelnen und den religiösen Gemeinschaften grundsätzlich keinen Anspruch darauf, persönlichen Glaubensüberzeugungen mit Unterstützung staatlicher – insbesondere finanzieller –51 Leistungen Ausdruck zu verleihen.52 (421); OVG BW, DVBl. 2012, 1055 (1056); Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4 Rn. 28; Morlok, Art. Religionsfreiheit I, in: Heinig / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 192; Mückl, in: BK, GG, Art. 4 (2008) Rn. 122 f.; Sachs, Grundrechte, B4 Rn. 10, 48; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 4 Rn. 24 f. 48  Vgl. BVerfGE 93, 1 (16 ff.) – Kruzifix, wonach es unzulässig ist, wenn der Staat eine Lage schafft, in der der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeit religiösen Symbolen ausgesetzt ist; BVerfGE 108, 282 (302) – Kopftuch; gegen eine Verletzung der Religionsfreiheit durch die Verwendung christlicher Symbole beim Großen Zapfenstreich: OVG NW, NJW 2006, 1228 (1228); Scherer u. a., SoldG, § 36 Rn. 9; s. Sachs, Grundrechte, A4 Rn. 30, gegen die Rede von Schutzpflichten gegenüber staatlichen, abwehrrechtlich relevanten Störungen. 49  Sachs, Grundrechte, B4 Rn. 10. 50  Vgl. BVerwGE 141, 223 Rn. 30, wonach die besondere staatliche Verantwortung aber auch darauf zurückzuführen ist, dass die Konfrontation mit religiösem Verhalten in dem vom Staat „in Vorsorge genommenen Bereich der Schule“ (ebd.) stattgefunden hatte. Das Verbot religiöser Werbung an privaten Taxen haben B ­ VerwG, NJW 1999, 805 (805 f.), und BVerfG (K), NJW 2000, 1326, verfassungsrechtlich unbeanstandet gelassen, obwohl diese Situation „nur gelegentlich vom Fehlen einer Ausweichmöglichkeit geprägt“ (BVerwG, S. 806) für den Einzelnen geprägt sei. 51  Vgl. BVerwGE 65, 52 (57); BSG, NJW 2001, 2197 (2198); BayVGH, NVwZ 2002, 1000 (1004). 52  Vgl. BVerfGE 93, 1 (16) – Kruzifix; BVerwGE 87, 115 (133), gegen einen Anspruch auf Bereitstellung eines Kirchengebäudes; BFHE 230, 93 Rn. 38; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 4 Rn. 81; besonders zurückhaltend im Hinblick auf Leistungsrechte: Herzog, in: MD, GG, Art. 4 (1988) Rn. 108: „Art. 4 II nur ein Abwehrrecht“; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 4 Rn. 29: „klassisches Freiheitsgrundrecht, dessen Wahrnehmung in die Verantwortung der Grundrechtsträger fällt“; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 4 Rn. 18; wohl auch Stern, StaatsR IV / 2, § 118 S. 1019. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 25, bejaht eine Grundrechtsverletzung durch Unterlassen von Leistung nur (aber auch immer dann), „wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen oder die getroffenen Regelungen

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Berechtigt ist diese Zurückhaltung im Hinblick auf (angeblich) unmittelbar durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG begründete Leistungsansprüche gegen den Staat, die in der Tat nicht ersichtlich sind. Anderes gilt indes für mittelbar aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG abgeleitete Schutzpflichten, wenn der Staat tatbestandsausschließendes oder rechtfertigendes Handeln unterlässt und daher durch sein Verhalten die Religionsfreiheit des Einzelnen Beeinträchtigungen aussetzt. Es geht also um Situationen, in denen es ohne Einwilligung des Grundrechtsberechtigten zu einer nicht bloß geringfügigen Beeinträchtigung des grundrechtlichen Tatbestandes von Art. 4 Abs. 1, 2 GG kommt.53 Zwar sind diese faktischen Beeinträchtigungen speziell der Religionsfreiheit vom Staat in der Regel nicht beabsichtigt, doch können sie ein solches Gewicht erhalten, dass die Religionsfreiheit berührt ist und bei Passivität des Staates eine zurechenbare Grundrechtsbeeinträchtigung zu bejahen ist.54 Dies gilt insbesondere für diejenigen Bereiche, für die der Staat eine besondere Verantwortung übernommen hat und in denen es deshalb nicht mehr im Belieben des Einzelnen steht, ob er seine Religionsfreiheit wahrnehmen kann.55 In Anbetracht der Weite der grundrechtlichen Schutz- beziehungsweise Leistungspflichten ist dem Gesetzgeber mit dem BVerfG ein großer Ermessens- und Gestaltungsspielraum zuzugestehen:56 Je nach Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse, der konkreten Zielsetzungen und ihrer Priorität sowie der Eignung der denkbaren Mittel sind meist verschiedene Lösungen möglich. Die Entscheidung darüber, die häufig Kompromisse erfordert, geund Maßnahmen offensichtlich gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind“; s. aber ebd. Rn. 41, 43a, regelmäßig gegen konkrete Leistungsansprüche; Ehlers, in: EssGespr. 28 (1994), 26 (27); hingegen recht weitgehend Robbers, in: HStKR I, § 31, S. 867 (876). Auch BVerfGE 123, 148 (178) – Jüdische Gemeinde Bbg, sieht Leistungsrechte nicht unmittelbar in Art. 4 Abs. 1, 2 GG begründet, sondern betont einen Teilhabeanspruch lediglich unter der Voraussetzung, dass sich der religiösweltanschaulich neutrale Staat [s. dazu noch 3. Kap. B. III.] überhaupt für eine finanzielle Religionsförderung entscheiden habe. Das schließt freilich nicht aus, dass andere Verfassungsbestimmungen – beispielsweise Art. 7 Abs. 3 GG für die Einrichtung von Religionsunterricht – solche Leistungsrechte begründen, vgl. zu diesem Beispiel Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 4 Rn. 29; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 4 Rn. 19. 53  Vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 118 S. 998. 54  Vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 118 S. 998, m. w. N., der einen ähnlich weit verstandenen Einwirkungstatbestand in der Rechtsprechung des BVerfG ausgemacht hat. 55  Vgl. Mückl, in: BK, GG, Art. 4 (2008) Rn. 132, der insofern insbesondere die „verwaltungsrechtlichen Sonderverhältnisse“ nennt, zu denen er etwa das Strafgefangenen- und das Soldatenverhältnis zählt. 56  Vgl. BVerfGE 56, 54 (80 f.); 77, 170 (214 f.); 77, 381 (405); 115, 118 (159 f.) – Luftsicherheitsgesetz; 117, 202 (227) – Vaterschaftstest; aus der Lit. Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 35; ders., in: Stern, StaatsR III / 1, § 67 S. 737 ff.; Stern, StaatsR III / 1, § 69 S. 950 ff.



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hört nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem demokratischen Prinzip in die Verantwortung des vom Volk unmittelbar legitimierten Gesetzgebers. Grundsätzlich vermittelt die Religionsfreiheit dem Einzelnen danach keinen Anspruch gegen den Staat auf Religionsförderung durch Einrichtung religiös gebundener öffentlicher Ämter. Das schließt allerdings nicht aus, dass sich der abwehrrechtliche Gehalt der Religionsfreiheit im Einzelfall gleichwohl zu einer Leistungspflicht verdichtet, wenn ein staatliches Tätigwerden erforderlich ist, um eine dem Staat zurechenbare Beeinträchtigung der Religionsfreiheit zu verhindern beziehungsweise zu beseitigen. Soweit diesbezügliche Vorkehrungen erforderlich sind, ist es denkbar, dass Art. 4 Abs. 1, 2 GG die Einrichtung eines religiös gebundenen öffentlichen Amtes gebietet und gegenüber den Benachteiligungsverboten rechtfertigt.57

II. Verbot der Staatskirche gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV Gem. Art. 140 GG i. v. m. Art. 137 Abs. 1 WRV besteht in Deutschland keine Staatskirche. Art. 137 Abs. 1 WRV wird durch die Inkorporation vollgültiges Verfassungsrecht [s. schon 2. Kap. F. II.]; einige Landesverfassungen enthalten Parallelvorschriften.58 Wie Art. 137 Abs. 1 WRV zu verstehen ist, ist seit jeher umstritten. Bei vielen unterschiedlichen Nuancierungen im Detail sind für das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften im Wesentlichen drei Modelle denkbar: ein Staatsreligionsmodell, ein Modell einer strikten Trennung zwischen Staat und Religionsgemeinschaften und ein vermittelndes Kooperationsmodell mit einer als partnerschaftlich zu bezeichnenden Trennung.59 Unmissverständlich erteilt Art. 137 Abs. 1 WRV jeder staatskirchlichen Struktur eine Absage. Das ist insofern unproblematisch, als in Deutschland derzeit niemand in ernst zu nehmender Weise die (Wieder-)Einführung einer Staatsreligion fordert.60 Hingegen besteht im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wohl ähnlich Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 3. Art. 142 Abs. 1 Verf. Bay, Art. 36 Abs. 1 Verf. Bbg, Art. 48 Abs. 3 Verf. HE; mit anderer Formulierung Art. 59 Verf. BR: „Die Kirchen und Religionsgesellschaften sind vom Staate getrennt.“ 59  Vgl. Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (346). 60  Zu denken wäre allenfalls an salafistische Bestrebungen, mit der Scharia islamisches Recht in Deutschland allgemeinverbindlich zu machen. Dass – möglicherweise entgegen ersten Vermutungen – auch in den modernen westlichen Staaten ein staatskirchliches Modell keineswegs ausgeschlossen ist, zeigen etwa die Beispiele Dänemark (Evangelisch-lutherische Kirche gem. § 4 Grundgesetz des Reiches Däne57  Vgl. 58  Vgl.

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keine Einigkeit, in welchem Maße Art. 137 Abs. 1 WRV darüber hinaus das Verhältnis von Staat, Religion und Religionsgemeinschaften regelt. In Abkehr von jedem Staatskirchentum wird Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV zum Teil als striktes Trennungsgebot interpretiert.61 Unter Berufung auf Art. 4 Abs. 1, 2 GG argumentieren die Anhänger dieser Auffassung, die Sphäre der Religion müsse grundsätzlich staatsfrei bleiben und im Gegenzug müsse die Sphäre des Staates grundsätzlich religionsfrei bleiben.62 Dem Grundrecht der Religionsfreiheit komme als wertentscheidender Grundsatznorm eine systemprägende „Vorrangstellung“63 zu. Prinzipiell dürften sich danach staatliche und religiöse Sphäre nicht berühren. Alle grundgesetzlich zugelassenen Kooperationen von Staat und Religionsgemeinschaften sollen Ausnahmen, systemwidrige Durchbrechungen der Regel einer strikten Trennung und als solche eng auszulegen sein.64 Noch weitergehend ist zum Teil etwa in Bezug auf Art. 137 Abs. 6 WRV von einem „Fall verfassungswidrigen Verfassungsrechts“65 die Rede, weil der Kirchenmark [Danmarks Riges Grundlov] v. 5.6.1953) und Großbritannien (Church of England). Bspw. sind Nicht-Anglikaner von der Thronfolge in Großbritannien ausgeschlossen, vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1416; auch Gabriel, EssGespr. 39 (2005), 11 (23), zu aktuellen Entwicklungen in den skandinavischen Ländern; Hill­ gruber, Religion S. 68. Norwegen hat seine bis dahin bestehende evangelisch-lutheri­ sche Staatskirche zum 21.5.2012 abgeschafft. 61  Vgl. Fischer, Volkskirche, S. 99; Renck, NVwZ 1987, 669 (670); in diese Richtung auch Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 41 f. 62  Diese zwei Richtungen der Regelung sehen auch Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 31, ohne dass es dort allerdings um die Intensität einer Trennung ginge. Historische Beispiele sind Frankreich, wo tendenziell der republikanische Staat von der Kirche befreit werden sollte, wohingegen die Einwanderer in den USA eher die Kirche vom Staat befreien wollten; dazu Walter, in: Grote / Marauhn, Religionsfreiheit, S. 215 (219). 63  Renck, BayVBl. 1999, 70 (73); vgl. Fischer, Volkskirche, S. 92 ff.; vorsichtiger zu Art. 137 Abs. 1 WRV Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 149. 64  Vgl. Fischer, Volkskirche, S. 99; Renck, NVwZ 1987, 669 (669); Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 41 f.; Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 162. Hingegen lässt sich in dieser Allgemeinheit nicht begründen, warum Ausnahmevorschriften generell eng auszulegen und nicht analogiefähig sein sollen, vgl. BGHZ 26, 78 (83); vehement gegen generell enge Auslegung Würdinger, JuS 2008, 949 ff.; kritisch auch Sprau, in: Palandt, Einleitung Rn. 53; Larenz / Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 175 f.; Sodan, in: ders. / Ziekow, VwGO, § 40 Rn. 481 f.; anders im römischen Recht die Grundsätze „Exceptio est strictissimae interpretationis“ und „Singularia non sunt extendenda“; vgl. den gleichnamigen Beitrag von Muscheler, in: FS Kruse, 2001, S. 135 ff., gegen undifferenzierte Übertragung in deutsches Recht; hingegen ohne Begründung für enge Auslegung von Ausnahmevorschriften als „allgemeine Auslegungsregel“ OVG NW, NVwZ 2011, 1207 (1208). 65  Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 212 ff. (212); vgl. gegen die Verfassungsmäßigkeit einer innerkirchlich nicht demokratisch beschlossenen Kirchensteuer Ba­ rion, DÖV 1968, 532 (533); Fischer, Volkskirche, S. 119: „erhebliche Zweifel an



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steuereinzug durch die staatliche Finanzverwaltung eine staatskirchliche Komponente enthalte.66 Dass Art. 137 Abs. 1 WRV Staat und Religionsgemeinschaften „in der Wurzel“67 trennt, erkennen auch die Anhänger einer „freundlichen“68 Trennung an; unzulässig sei jede „enge[…]“69, „jede institutionelle Verbindung zwischen Staat und Kirche“70 ebenso wie jede Einmischung des Staates in die eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften.71 Jedoch sei bei der Trennung zu berücksichtigen, dass sich Staat und Religionsgemeinschaften von der Natur ihrer Aufgaben her häufig in identischen Bereichen betätigen und dass sich die von beiden angesprochenen Personenkreise überschneiden.72 Diesem moderaten Verständnis von Art. 137 Abs. 1 WRV zufolge, das als „positive Trennung“73, „hinkende[…] Trennung“74 oder als „gelockerte der Verfassungsmäßigkeit des ordentlichen Lehrfachs Religionsunterrichts“; für prinzipienwidriges Verfassungsrecht Renck, NVwZ 1996, 333 (336 ff.); dagegen: v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 21; ebd., Art. 137 WRV Rn. 12; v. Campenhausen, BayVBl. 1999, 65 (68); Jeand’Heur / Ko­ rioth, Staatskirchenrecht, Rn. 165; Korioth, in: MD, GG, Art. 137 WRV (2003) Rn. 8; ferner Mehrle, Trennung, S. 245; Mückl, EssGespr. 40 (2007), 41 (54). 66  Vgl. Fischer, Volkskirche, S. 154 („partielle Gewährung einer staatskirchlichen Rechtsform“); Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 215 f.; Czermak, Weltanschauungsrecht, Rn. 151, 240 ff.; dagegen BVerfGE 30, 415 (422) – Kirchenmitgliedschaft: „keine verfassungswidrige Identifizierung“; vgl. die ebenfalls zweifelhafte Diskussion zu Art. 137 Abs. 5 WRV Schmidt-Eichstaedt, Der Staat 21 (1982), 423 (431), ob der verfassungsrechtlich (!) verliehene Körperschaftsstatus der Kirchen „mit dem Gesamtbild der Verfassung vereinbar ist“. 67  v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 2; Heckel, in: FS Smend, 1952, S. 103 (118); Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), 57 (67 f.). 68  Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 161. 69  Anschütz, WRV10, Art. 137 Anm. 1. 70  Forsthoff, Öffentliche Körperschaft, S. 112; vgl. aber ebd. (S. 14), wo Forst­ hoff den „Widerspruch“ zwischen Art. 137 Abs. 1 und Abs. 5 WRV auflöst, indem er die durch die WRV bewirkte Trennung von Kirche und Staat im „rein formaljuristischen Sinne“ versteht, die den Staat lediglich hindere, die Kirchen in unmittelbare Verbindung mit der Staatsorganisation zu bringen; ausdrücklich gegen eine so weitreichende Trennung Heckel, VVDStRL 26 (1968), 5 (38): „aus der Luft gegriffene petitio principii“; vgl. auch Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 41. 71  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 3, 7. Ausdrücklich so etwa Art. 50 Abs. 2 Verf. HE: „Die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften haben sich, wie der Staat, jeder Einmischung in die Angelegenheiten des anderen Teiles zu enthalten“. 72  Vgl. so auch Huber, EssGespr. (42) 2008, 7 (22), der davon ausgeht, dass jede Religion eine politische Dimension habe. 73  Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2003) Rn. 5. 74  Stutz, Diplomatie, S. 54 Fn. 2; daran anknüpfend BVerfGE 42, 312 (331) – Abgeordnetenmandat und Geistliches Amt; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Man-

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Verbindung von Staat und Kirche“75 bezeichnet wird,76 soll sich Art. 137 Abs. 1 WRV in dem Gebot einer organisatorischen und inhaltlichen Trennung von Staat und Kirche erschöpfen. Verboten wären danach die Einführung einer Staatsreligion, Kirchenaufsichtsrechte (jura circa sacra77), innerkirchliche Leitungsrechte des Staates (jura in sacra) oder die Annahme von res mixtae von Kirche und Staat in dem Sinne, dass die Aufgaben beider untrennbar verbunden oder vermischt würden.78 Hingegen sei die Zusammenarbeit von Kirchen und Staat nicht prinzipiell ausgeschlossen.79 Für und gegen eine strikte oder eine moderate Trennung haben Rechtsprechung und Literatur in der Vergangenheit variantenreich Argumente ausgetauscht und dabei allerdings nicht immer die gebotene Nähe zur normativen Grundlage, dem Art. 137 Abs. 1 WRV, gewahrt. Angesichts des anhaltenden Streits über das richtige Verständnis des Verbots einer Staatskirche soll Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV im Folgenden anhand der klassischen juristischen Methoden ausgelegt werden. 1. Wortlaut Der Wortlaut von Art. 137 Abs. 1 WRV schreibt nicht ausdrücklich eine strikte Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften vor, wie es in laizistischen80 Verfassungen üblich ist,81 sondern verbietet schlicht eine Staats­ goldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 2; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Magen, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 140 Rn. 52. 75  Scheuner, ZevKR 7 (1959 / 60), 225 (245). 76  Vgl. auch die Präambel des EKV Nds. 1955, wonach der Vertrag „das freundschaftliche Verhältnis zwischen Land und Landeskirchen“ festigen und fördern soll; ferner Mikat, in: Bettermann u. a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (142); Scheuner, ZevKR 7 (1959 / 60), 225 (269). 77  Vgl. historisch zu deren Umfang Löhr, ALR und Kirchengesellschaften, S. 3 ff. 78  Vgl. Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Ehlers, ZevKR 32 (1987), 158 (180), deswegen gegen den Begriff res mixtae; Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 161; Korioth, in: MD, GG, Art. 137 WRV (2003) Rn. 5; Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 3 ff. 79  Vgl. Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Jeand’Heur / Kori­ oth, Staatskirchenrecht, Rn. 161; Korioth, in: MD, GG, Art. 137 WRV (2003) Rn. 5; Muckel, in: HGR IV, § 96 Rn. 35; wohl auch Obermayer, in: BK, GG, Art. 140 (1971) Rn. 84. 80  Vgl. zum Begriff Laizismus BVerfGE 46, 73 (92) – Katholisches Krankenhaus: Säkularisierter Mensch, der „der kirchlichen Lehre gleichgültig gegenübersteht“. 81  Vgl. etwa Präambel der Verfassung der Republik Türkei vom 7.11.1982: „daß […] heilige religiöse Gefühle, wie es das Prinzip des Laizismus erfordert, auf keine Weise mit den Angelegenheiten und der Politik des Staates werden vermischt werden […]“; Art. 1 Abs. 1 S. 1 Verf. der Fünften Französischen Republik vom 5.10.1958: „La France est une République indivisible, laïque, démocratique et so­



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kirche. Hätte der Verfassunggeber eine strikte Trennung im Sinne eines Berührungsverbotes zwischen Religionsgemeinschaften und Staat gewollt, so hätte er dies durch wenige zusätzliche Worte unmissverständlich deutlich machen können. Aus dem Fehlen einer solchen ausdrücklich im Wortlaut festgeschriebenen Trennung kann man im Wege eines argumentum e contrario schließen, dass der Wortlaut von Art. 137 Abs. 1 WRV gegen eine Interpretation spricht, die Staat und Religionsgemeinschaften strikt und vollständig voneinander getrennt sieht.82 2. Historie Der historischen Auslegung kommt für das Religionsverfassungsrecht besondere Bedeutung zu, weil die geschichtlichen Entwicklungen und Kompromisse das geltende Recht weiterhin maßgeblich prägen.83 Der Hintergrund von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV reicht zurück in Zeiten lange vor der Entstehung deutscher Verfassungen.84 Obwohl bereits § 147 Abs. 2 RV 1849 die Aussage „Es besteht keine Staatskirche.“ enthielt, waren Staat und (christliche) Religionsgemeinschaften in Deutschland bis hinein in das 20. Jahrhundert eng miteinander verflochten. Insbesondere auf protestantischer Seite hatte sich für einige Jahrhunderte ein landesherrliches Kirchenregiment als Rest des früheren Landeskirchentums entwickelt.85 Der politische Landesherr fungierte dort zugleich als Bischof für seine Untertanen, sorgte sich um die Kirche und ihre religiösen Lehren und führte weiterhin eine unterschiedlich stark ausgeprägte Aufsicht über das cia­le.“ [Hervorhebung nicht im Original]. Siehe ferner Art. 59 Abs. 1 Verf. BR: „Die Kirchen und Religionsgesellschaften sind vom Staate getrennt“; wie hier v. Campen­ hausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 12; selbst Renck, NVwZ 1987, 669 (670). 82  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 12. 83  Vgl. etwa BVerfGE 42, 312 (330) – Abgeordnetenmandat und Geistliches Amt, das die besondere Bedeutung der Entstehungsgeschichte für die Auslegung religionsverfassungsrechtlicher Normen hervorhebt. Heckel, in: FS Smend, 1952, S. 103 (106); Heckel, ZevKR 12 (1966 / 67), 1 (34), hält die „Vergangenheit“ für die Auslegung des „Staatskirchenrecht[s]“ für besonders relevant. Siehe ferner Heinig, JZ 2010, 357 (358); Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 23; Isensee, in: FS Listl, 1999, S. 67 (69), wonach das bestehende „Staatskirchenrecht […] im wesentlichen Werk der Interpretation“ ist; weiterhin allgemein zu Relevanz und Grenzen der Berücksichtigung der Staatspraxis für die historische Auslegung BVerfGE 62, 1 (36 ff.) – Bundestagsauflösung I; 91, 148 (171 f.) – Umlaufverfahren; 114, 121 (153) – Bundestagsauflösung II; Rahe, Staatspraxis, S. 108 ff. 84  Siehe ausführlich schon 2. Kap. A. I. 85  Vgl. Jeand’Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (466).

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kirchliche Wirken. Diese staatliche Kirchenhoheit umfasste in Einzelfällen ein Recht des Landesherrn, vor jeder Verkündung kirchlicher Verordnungen sein Placet zu erteilen,86 eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen innerkirchliche Entscheidungen vor staatlichen Gerichten, eine Überwachung der Kommunikation zwischen katholischen Einrichtungen in Deutschland und dem Vatikan in Rom, Mitwirkungsrechte des Staates bei der Ausbildung und Einstellung der Geistlichen, die Genehmigungsbedürftigkeit von Klostergründungen und Prozessionen oder eine Beschränkung der kirchlichen Rechte zum Vermögenserwerb.87 Gegen diese Art von Verbindung von Staat und Religionsgemeinschaften sowie insbesondere gegen verbliebene Reste des Landeskirchentums richtete sich Art. 137 Abs. 1 WRV.88 Weltlich und nicht mehr als in einen göttlichen Heilsplan eingebunden solle der Staat sich zukünftig verstehen. Er dürfe seine eigene Existenz nicht religiös begründen; eine Staatsreligion sowie intensive Einflussnahmemöglichkeiten und Kontrollrechte des Staates für rein binnenkirchliche Vorgänge nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Personalauswahl der Religionsgemeinschaften sollten nicht mehr mit der Verfassung vereinbar sein. Die Entstehungsgeschichte von Art. 137 Abs. 1 WRV ist gleichwohl die Geschichte einer lange diskutieren Kompromissfindung: Während sozialistische Vertreter im Verfassungsausschuss tendenziell Staat und Religionsgemeinschaften strikt, wenngleich nicht gewaltsam, voneinander trennen wollten, versuchten eher konservative Parteien, Rechte und Freiheiten der Kirchen sowie die religiösen Grundlagen des Volkslebens zu erhalten und verfassungsrechtlich abzusichern.89 Der Kompromiss bestand schließlich darin, im Religionsverfassungsrecht der WRV weitgehende religiös-weltanschauliche Nichtidentifikation des Staates festzuschreiben, gleichzeitig aber den radikalen Trennungsgedanken zugunsten des „geschichtlich Gewordene[n]“90 aufzugeben. Leitbild sollte die „freie Kirche im freien Staat“91 sein, allerdings „in einer bisher unbekannten und eigenartigen Weise, die sich in keines der 86  Vgl.

ALR 1794, Zweiter Theil, Elfter Titel, §§ 117 f. Zippelius, Staat, S. 118 f. 88  Vgl. Anschütz, WRV10, Art. 137 Anm. 1; Mausbach, Kulturfragen, S. 63; Ebers, Staat und Kirche, S. 120; aus jüngerer Zeit Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 137 WRV Rn. 2; Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 30; Mikat, in: Bettermann u. a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (128 f.); Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 2; Richter, Kirche und Schule, insbes. S. 644. 89  Vgl. Di Fabio, EssGespr. 42 (2008), 129 (141); Ebers, Staat und Kirche, S. 110; Huber / Huber, Staat und Kirche, S. 107 ff.; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 /  Art. 137 WRV (2003) Rn. 2; ausführlich Richter, Kirche und Schule. 90  Ebers, Staat und Kirche, S. 110; ebd., S. 122: „radikale Trennung […] bewusst abgelehnt“. 91  Vgl. den gleichnamigen Beschluss des 25. Bundesparteitages der Freien Demokratischen Partei (FDP) in Hamburg im Jahre 1974. 87  Vgl.



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herkömmlichen kirchenpolitischen Systeme eingliedern lässt“.92 Damit traf man in Weimar bewusst eine Entscheidung gegen eine strikte Trennung von Kirche und Staat, wie sie etwa Frankreich 1905 – also keine 15 Jahre vor dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung am 14. August 1919 – mit dem Loi relatif à la séparation des Eglises et de l’Etat eingeführt hatte.93 Von Kompromissen94 geprägt war auch die Entstehung des Religionsverfassungsrechts des Grundgesetzes: Trotz Art. 137 Abs. 1 WRV bestanden in der Weimarer Zeit weiterhin staatliche Aufsichtsrechte über kirchliche Angelegenheiten.95 Diese sollten etwa unter dem Stichwort Korrelatentheorie damit gerechtfertigt werden, dass dem öffentlich-rechtlichen Status der christlichen Kirchen entsprechende staatliche Aufsichtsrechte gegenüberstehen müssten.96 Zum Teil wird bezweifelt, ob man diese Art der staatlichen Aufsicht noch als Staatskirchentum bezeichnen muss,97 doch hat der Parlamentarische Rat als verfassunggebende Versammlung eine solche Diskus­ sion 1948 / 1949 nicht geführt. Ursprünglich sollten die Grundregeln des kulturellen und sozialen Lebens, zu denen man das Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften zählte, im Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelt werden, weil dies seinem Charakter als provisorischer Übergangsverfassung widerspreche und der Bund in der beabsichtigten bundesstaatlichen Gliederung der Bundesrepu­ blik keine Kompetenz für diese „spezifisch föderative Angelegenheit“98 besitze. Auf Drängen der Kirchen stimmte das Plenum des Parlamentarischen 92  Ebers,

Staat und Kirche, S. 119. später ebenso Art. 1 der Französischen Verfassung vom 4.10.1958, wo es heißt: „La France est une République […] laïque […].“ Vgl. Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (348). 94  Smend, ZevKR 1 (1951), 4 (11), spricht von einem „Verlegenheitsergebnis[…]“, das „nicht weit entfernt vom Typus der sogenannten Formelkompromisse“ und nicht das Ergebnis einer „klar bewußten grundsätzlichen staatskirchenpolitischen Entscheidung“ sei. 95  Vgl. Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 32; Mikat, in: Bettermann u. a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (129 f.); Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 2; Scheuner, ZevKR 7 (1959 / 60), 225 (246, 250); Smend, ZevKR 1 (1951), 4 (6). 96  Siehe zur Korrelatentheorie Anschütz, WRV10, Art. 137 Anm. 5; Schoen, Verw­ Arch 29 (1922), 1 (20); dagegen BVerfGE 18, 385 (386 f.) – Teilung einer Kirchengemeinde; 102, 370 (388) – Zeugen Jehovas; BVerfGK 14, 485 (487); Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 25; ders., ZevKR 54 (2009), 253 (264); Jeand’Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (460); ders. / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 32; Mikat, in: Bettermann u. a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (169). 97  Gegen „Staatskirchentum im strengen Sinne“ etwa Anschütz, WRV10, Art. 137 Anm. 1; dafür Gabriel, EssGespr. 39 (2005), 11 (23). 98  Abg. Heuß, JöR n. F. 1 (1951), 901. 93  Siehe

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Rates schließlich nach langwierigen Verhandlungen in Fünfer-, Grundsatz-, Haupt-, und Redaktionsausschuss für Art. 140 GG in seiner heutigen Fassung. Aufgrund der geschilderten Entstehungsgeschichte spricht man von einem doppelten Kompromiss, nämlich dem Kompromiss von Weimar und von Bonn.99 Deutlich wird dadurch, dass der Parlamentarische Rat einen Ausgleich finden wollte und dies letztlich geschafft hat: Für radikale Lösungen gab es keine Mehrheit – für eine laizistische Trennung ebenso wenig wie für engste oder exklusive Verbindungen zwischen Staat und christlichen Kirchen.100 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das Verbot der Staatskirche historisch zunächst primär gegen die Aufrechterhaltung einer wie auch immer gearteten Staatskirche richtete.101 Ursprünglich war dabei vor allem an (regionale) katholisch oder evangelisch geprägte staatskirchliche Strukturen gedacht,102 was auch die Verwendung des Substantives Staatskirche andeutet. Dieses Verbot der Einführung einer Staatsreligion, in deren Zusammenhang sich der Staat wohl für eine Religion entscheiden müsste, wenn er sich nicht widersprüchlich verhalten wollte, gilt weiterhin.103 Zusätzlich war jedoch als Reaktion auf die historische Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Kirche auch ein Bezug auf die Ausgestaltung der Organisationsstrukturen zwischen Staat und der Vielzahl von Religionsgemeinschaften überhaupt beabsichtigt, worin nunmehr die größere praktische Bedeutung des Art. 137 Abs. 1 WRV liegen dürfte.104 Die Entstehungsgeschichte des Art. 140 GG liefert keine Anhaltspunkte dafür, den inkorporierten Art. 137 Abs. 1 WRV im Sinne eines strikten Trennungsge99  Siehe

schon 2. Kap. F. I. m. w. N. Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2003) Rn. 7; v. Campen­ hausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 12; Hennig, Muslimische Gemeinschaften S. 81; zur Kompromisshaftigkeit ferner Muckel, Freiheit, S.  229 f. 101  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 2: „die letzten vorhandenen Reste des Staatskirchentums […] beseitigt.“; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 24; Stern, in: StaatsR IV / 2, § 119 S. 1216. 102  Vgl. Stern, in: StaatsR IV / 2, § 119 S. 1216. 103  Vgl. Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 3: „Staat kann keine Staatsreligion haben oder einrichten“; zur wohl unterstellten notwendigen Bezogenheit auf eine Religion auch v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 6: „Emanzipation des Staates von der Kirche“ (Hervorhebung nicht im Original). 104  Vgl. Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 26; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2011) Rn. 2; Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 3; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 6 f. 100  Vgl.



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botes zu interpretieren. Vielmehr spricht die historische Auslegung dafür, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV ohne Bruch zur historischen Entwicklung ausschließlich als Verbot staatskirchlicher Strukturen105 zu verstehen. Jede Einheit von Staat und Religionsgemeinschaften sollte endgültig beendet und stattdessen die Eigenständigkeit beider bekräftigt werden.106 Die historisch gewachsene Zusammenarbeit sollte hingegen nicht generell beendet werden.107 3. Systematik Im Zuge einer systematischen Auslegung ist Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV mit Blick auf die Gesamtheit der religionsverfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes auszulegen. Das grundgesetzliche Religionsverfassungsrecht ist zentral geprägt durch die individuelle und korporative Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Art. 4 Abs. 1, 2 GG und Art. 137 Abs. 1 WRV stehen insofern in Beziehung, als die Religionsfreiheit dem Staat verwehrt, in unverhältnismäßiger Weise in die Religionswahl- und -ausübungsfreiheit des Einzelnen einzugreifen: Grundrechtsberechtigte haben individuell einen Abwehranspruch gegen einen Staat, der gewaltsam eine Staatsreligion durchzusetzen versuchte,108 und kollektiv – etwa zu einer Kirche zusammengeschlossen – können sie unter Berufung auf Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV vom Staat verlangen, sich grundsätzlich nicht in die Regelung der eigenen innerreli­ giösen Angelegenheiten einzumischen. Weiterhin ist Art. 137 Abs. 1 WRV im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV zu lesen, die die Berücksichtigung des religiösen Bekenntnisses bei staatlichem Handeln im Allgemeinen beziehungsweise der Vergabe öffentlicher Ämter im Besonderen verbieten. All diese Bestimmungen verleihen dem Einzelnen ein subjektives Recht, nicht wegen seines religiösen Bekenntnisses benachteiligt 105  Siehe aber Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 262; Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 3, wonach eine Beseitigung solcher Strukturen nicht beabsichtigt sei, weil dies nach 1949 wohl als obsolet erachtet wird. 106  Vgl. Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 1 ff. Ob man Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 I WRV mit Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2, tatsächlich treffend als „‚Paukenschlag‘“ bezeichnen kann, erscheint angesichts der langen, facettenreichen Entstehungsgeschichte fraglich. 107  Vgl. Mikat, in: Bettermann u. a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (125). 108  Dass sich Religionsfreiheit und eine Staatsreligion nicht zwangsläufig vollständig gegenseitig ausschließen zeigen die bereits erwähnten Beispiele, wonach auch in Staaten mit Staatsreligion die Anhänger anderer Religionsgemeinschaften Glaubensfreiheit haben können.

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zu werden. Nach umstrittener, aber immer wieder vertretener Auffassung erfüllt derjenige Staat diesen Anspruch am besten, der möglichst strikt von den Religionsgemeinschaften getrennt ist und der religiöse Anschauungen seiner Bürger möglichst unberücksichtigt lässt.109 Das spräche also dafür, Art. 137 Abs. 1 WRV aus systematischen Erwägungen im Sinne eines strikten Trennungsgebotes zu verstehen. Allerdings kann diese Interpretation nicht unwidersprochen bleiben. So wendet etwa von Campenhausen ein, eine radikale Trennung von Staat und Kirche schließe Religionsfreiheit in gewisser Weise aus.110 Denn das Religionsverfassungsrecht ist neben den Grundrechten ebenso geprägt durch eine Reihe von Normen, die Staat und Religionsgemeinschaften zur Zusammenarbeit auffordern. Solche Regelungen enthalten namentlich Art. 7 Abs. 3 GG (Religionsunterricht), der in diesem Zusammenhang oft übersehene Art. 7 Abs. 4, 5 GG (Privatschulfreiheit, öffentliche Bekenntnisschulen) sowie Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV (öffentlich-rechtlicher Status für Religionsgemeinschaften), Art. 137 Abs. 6 WRV (Kirchensteuerhoheit), Art. 138 Abs. 1 WRV ([abzulösende] Staatsleistungen) und Art. 141 WRV (Anstaltsseelsorge). Quantität und Qualität dieser von der Verfassung selbst zugelassenen Zusammenarbeit sprechen gegen die dargestellte Interpretation von Art. 137 Abs. 1 WRV im Sinne eines strikten Trennungsgebots. Vielmehr sind Kooperationen von Religionsgemeinschaften und Staat nicht prinzipiell ausgeschlossen. Soweit das Grundgesetz eine Zusammenarbeit explizit zulässt, handelt es sich dabei keineswegs um eng auszulegende Ausnahmetatbestände111 zu einem vermeintlich strikten Trennungsgebot, sondern um die Ausgestaltung des Staat-Religion-Verhältnisses im Sinne des Grundgesetzes.112 Dieses Verhältnis lässt sich nur mit Blick auf die Gesamtheit der religionsverfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes ermitteln; ein bloßer Blick auf tendenziell eher trennende Vorschriften wie Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV reicht dazu nicht aus. Ferner folgt aus der hervorgehobenen Position des Diskriminierungsverbots in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und der Religionsfreiheit in Art. 4 Abs. 1, 2 GG mit ihren primär abwehrrechtlichen Gehalten an der Spitze des Grund109  Vgl. Renck, BayVBl. 1999, 70 (73); Fischer, Volkskirche, S. 92 ff.; vorsichtiger zu Art. 137 Abs. 1 WRV Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 149. 110  Vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 4, m. w. N.; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 263. 111  Vgl. Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 7. 112  Von „Bestätigungen“ spricht Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 161; ebenso Korioth, in: Groschopp, Konfessionsfreie, S. 13 (19); v. Campenhausen / Un­ ruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 39; Falterbaum, Der Staat 37 (1998), 624 (631), erkennt sogar eine „gegenseitige[…] Kooperationsverpflichtung“.



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gesetzes kein Vorrang der Grundrechte vor anderen Verfassungsbestimmungen; einen derartigen „(Überverfassungs-)Rang“113 sieht das Grundgesetz nicht vor. Vielmehr sind die einzelnen Bestimmungen prinzipiell gleichwertig und bei Konflikten in praktische Konkordanz miteinander zu bringen.114 Die systematische Auslegung spricht also gegen eine strikte Trennung von Staat und Religion. Das Grundgesetz enthält neben der Religionsfreiheit und dem Verbot der Staatskirche zwar besondere religionsbezogene Diskriminierungsverbote, gleichzeitig aber auch verbindende Elemente, die für die Zulässigkeit einer Kooperation sprechen. 4. Telos Schließlich ist nach dem Sinn und Zweck des Verbots der Staatskirche gem. Art. 140 i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV zu fragen. Das Verbot soll die Unabhängigkeit von Staat und Religionsgemeinschaften gewährleisten und beiden ermöglichen, ihre je eigenen Zwecke ungehindert zu verfolgen;115 es soll dazu beitragen, dass der Staat „Heimstatt aller Bürger“116 – gleich welcher Religion oder Konfession – sein kann. Ob man diesen Zweck besser durch eine möglichst strikte Trennung oder durch eine Kooperation erreichen kann, ist offen.117 Innere Integration und Einheitsstiftung innerhalb der Gesellschaft sind Aufgaben von Gesellschaft und Staat.118 Der Verfassungsstaat muss – freilich ohne dabei selbst materiale Ordnungs- oder Zielvorstellungen festzulegen –119 die Bedingungen seines dauerhaften Bestandes pflegen, indem er einen freiheitlichen Konsens in der Gesellschaft fördert, um langfristig die Freiheitlichkeit für seine Staatsangehörigen zu gewährleisten. Daraus folgt, dass der Staat religiöse Überzeugungen jedenfalls nicht ignorieren darf,

113  Sachs, in: ders., GG, Art. 79 Rn. 83, 28, im Zusammenhang mit Art. 79 Abs. 3 GG und den darin genannten Grundsätzen. 114  Vgl. Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 266. 115  Vgl. Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 137 WRV Rn. 18. 116  BVerfGE 19, 206 (216) – Kirchenbausteuer. 117  Vgl. Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (351 ff.) mit Nachw. zu unterschiedlichen Ansätzen in der Rspr. des BVerfG: Während BVerfGE 93, 1 (15 ff.) – Kruzifix, die negative Religionsfreiheit betone, gewichte BVerfGE 108, 282 (297 ff.) – Kopftuch, die positive Religionsfreiheit stärker. 118  Vgl. Uhle, in: HStR IV, § 82 Rn. 42 ff.; zurückhaltend zur Integration als Verfassungsfunktion Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 6 Fn. 24, m. w. N. 119  Vgl. Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 6.

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soweit sie integrationserheblich sind.120 Art. 137 Abs. 1 WRV soll ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Religionen in einer pluralen Gesellschaft fördern. Deswegen darf sich der Staat nicht mit einer (Staats-) Religion identifizieren, da er andernfalls Gefahr liefe, selbst Partei eines Konfliktes zwischen Religionen zu werden. Ziel des Verbots ist jedoch die „Förderung der Religionsfreiheit, nicht Unterstützung von Atheismus“121. Vielmehr kann eine Begegnung der unterschiedlichsten religiösen Praktiken und profanen Anschauungen vor allem in der Schule zu Offenheit und Toleranz erziehen und so einen wesentlichen Beitrag zur Vorbereitung auf ein Leben in einer multikulturellen Gesellschaft leisten.122 Die strikte Trennung von Staat und Religion hat sich dafür als ungeeignet erwiesen.123 Nicht zuletzt haben praktische Erfahrungen anderer Staaten gezeigt, dass sich eine vollständige Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften auf Dauer offensichtlich kaum realisieren lässt,124 wenn sie nicht mit massiven Be120  Vgl. Walter, in: Grote / Marauhn, Religionsfreiheit, S. 215 (225); ferner Ham­ mer, in: Böttigheimer / Bruckmann, Religionsfreiheit, S. 82 (89); Hauschild, Christlichkeit, S. 177; Loschelder, in: FS Listl, 1999, S. 349 (357). 121  Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (349); vgl. auch Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 137 WRV Rn. 22; ferner Sacksofsky, VVDStRL 68 (2009), S. 7 (33): Verdrängung widerspricht dem freiheitsrechtlichen Gehalt der Religionsfreiheit; gegen eine Erziehung zum Atheismus Kamp, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NRW, Art. 7 Rn. 39. 122  Vgl. BVerfGE 108, 282 (310) – Kopftuch; VGH HE, NVwZ 2013, 159 (161 f.); Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (353). 123  Vgl. Walter, in: Grote / Marauhn, Religionsfreiheit, S. 215 (225), mit Beispielen aus der französischen Entwicklung. 124  Vgl. zur Lage in den USA, wo der Supreme Court lange ein Konzept einer „wall of separation“ durchzusetzen versuchte, dann aber feststellen musste (Lemon v. Kurtzman, 403 U. S. 602 [614]): „Our prior holdings do not call for total separation between church and state; total separation is not possible in an absolute sense. Some relationship between government and religious organizations is inevitable.“ Schon im Ansatz gegen die Herleitung des strikten Trennungsgrundsatzes aus der US-Verfassung Walter, in: Grabenwarter / Lüdecke, Staatskirchenrecht, S. 235 ff.; kritisch zur Umsetzbarkeit ferner Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1432; Walter, in: Grote / Marauhn, Religionsfreiheit, S. 215 (227); Ladeur / Augsberg, Toleranz, S.  62 ff. Auch in Frankreich gilt keine flächendeckende strikte Trennung. So folgen die östlichen Departements von Elsass und Lothringen einem durch das napoleonische Konkordat aus dem Jahr 1801 geprägten Rechtszustand, da sie erst 1918 und damit 13 Jahre nach der Einführung des laizistischen Systems an Frankreich zurückfielen. Auf Grundlage dieses Konkordats sind Geistliche dort Staatsbeamte und es gibt staatlichen Religionsunterricht; vgl. Basdevant-Gaudemet, in: Robbers, Staat, S. 171 (184, 186 f.); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1411 ff.; Heckel, VVDStRL 26 (1968), 5 (33): „Bereichstrennung Stück für Stück zerbröckelt“; Waldhoff, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 251 (267). Siehe auch Wick, Trennung, S. 29 ff., 200, der etwa darauf hinweist, dass in Deutschland ein so intensiver „Kopftuchstreit“ wie in Frankreich nicht denkbar wäre, weil in Frankreich nicht zuletzt über Kopftücher von



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schränkungen der Religionsfreiheit verbunden ist wie etwa in der ehemaligen DDR.125 Zu berücksichtigen ist ferner, dass der öffentliche Raum in der Bundesrepublik Deutschland zu jeder Zeit „kulturell wertgebunden und damit auch religiös beeinflusst“126 war. Es ist nicht erkennbar, dass das Verbot der Staatskirche dies grundsätzlich hätte ändern wollen: „Ein Staat kann sich nicht völlig von seinen eigenen Wurzeln abschneiden.“127 Man unterläge einer Illusion, wenn man davon ausginge, dass der öffentliche Raum ein religiöses Vakuum sei beziehungsweise sein müsse. Moderne Säkularität verlangt nicht vom Staat, dass dieser indifferent ist oder radikal alles Religiöse aus dem öffentlichen Raum verbannt. Sie fordert keine „rigide Neutralität bis hin zur Selbstaufgabe des staats-ethischen Substrats“128. Eine solche Interpretation des Verfassungstextes würde die historische Abhängigkeit des Grundgesetzes missachten und verkennen, dass demokratische Entscheidungen immer aus einem historisch-kulturellen Umfeld hervorgehen.129 Deswegen führt auch der abnehmende Rückhalt der traditionellen Volkskirchen in der Gesellschaft seit dem zweiten Weltkrieg nicht dazu, dass sich das vom Verfassunggeber normierte Verhältnis von Staat und Kirche gleichsam von selbst zum staatstheoretischen Konzept des Laizismus entwickeln würde.130 Gärditz unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Säkularität des Staates und Säkularität der Gesellschaft:131 Aus der Säkularität des Staates Schülerinnen in öffentlichen Schulen gestritten wurde, deren Zulassung die Religionsfreiheit in Deutschland in aller Regel gebiete; vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 7, m. w. N.; Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), 57 (67 f.); Starck, JZ 2000, 1 (3); historisch Ebers, Staat und Kirche, S. 123. 125  Vgl. zur Situation in der DDR Gabriel, EssGespr. 39 (2005), 11 (27). 126  Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (346). 127  Joseph Ratzinger in einem Briefwechsel mit Böckenförde, zitiert nach Bö­ ckenförde, Säkularisierter Staat, S. 32; vgl. ähnlich Volkmann, DVBl. 2005, 1061 (1069 ff.). 128  Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 25. Vor diesem Hintergrund wird erwogen, ob der Staat danach differenzieren dürfe, ob eine Religion einen „produktiver Beitrag“ zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben leiste, dafür Ladeur / Augsberg, Toleranz, S. 85; ähnlich dies., JZ 2007, 12 (16 ff.); dem folgend Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 49 f.; den „nach weltlicher Vernunft wertlos“ erscheinenden Religionsgemeinschaften spricht v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 58, nur einen begrenzten Anspruch auf staatliche Förderung zu; ähnlich BFHE 230, 93 Rn. 38. 129  Vgl. Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 25. 130  Vgl. Koutnatzis, Verfassungsnormen, S. 259. 131  Vgl. Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 42; ferner Di Fabio, Gewissen, S. 44 ff.

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folge nicht die der Gesellschaft; vielmehr sei eine säkulare Verfassung Voraussetzung für eine pluralistische religiöse Entfaltung in der Gesellschaft. Ein Gemeinwesen sei auf eine gemeinsame sinnstiftende Basis angewiesen. Ein andernfalls drohendes geistiges Vakuum provozierte allenfalls das Entstehen alternativer Wertordnungen, die inhaltlich über das vom Grundgesetz gewährleistete und tolerierte Maß an Meinungs- und Weltanschauungsfreiheit hinausgehen könnten.132 Bestimmte Leistungen des Religiösen für eine Gesellschaft seien nicht durch den Staat zu ersetzen;133 mit den oft zitierten Worten Böckenfördes: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Vo­ raussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“134 Deswegen sei eine radikale Säkularisierung der Gesellschaft auf das Gemeinwesen bezogen ein Verlust, dem der Staat entgegensteuern dürfe.135 Nicht ohne Grund wird in jüngerer Zeit im philosophischen und soziologischen Schrifttum verstärkt in Frage gestellt, ob eine Gesellschaft, die sich ihre normativen Grundlagen selbst legen und dabei keine andere Instanz als die der autonomen Vernunft anerkennen will, überlebensfähig ist.136 Nach Auffassung dieser Autoren ist die religionskritische Moderne von Voraussetzungen ausgegangen, die auf Dauer nicht erfüllt sind: Deutschland müsse als postsäkulare Gesellschaft aufpassen, dass es sich nicht von wichtigen Ressourcen der Sinnstiftung abschneide, indem es Religion aus der Öffentlichkeit verbanne. Die Moralitätsstandards der europäischen Moderne könnten ohne die Unterstützung der Religionen nicht dauerhaft zu halten sein, so eine in der Literatur vertretene Befürchtung.137 Die säkulare Republik sei „geradezu verdammt zu der fragilen Hoffnung“138, dass die Gesellschaft nicht nur von vereinzelten Individuen geprägt wird, die ihre subjektiven Rechte wie Waffen gegeneinander richten, sondern dass möglichst viele Gruppen ihre für das gemeinsame politische Leben gehaltvollen moralischen Überzeugungen in die gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozesse einbrinGärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 42. Di Fabio, Gewissen, S. 45 f.; Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 43. 134  Böckenförde, Entstehung, S. 71; vgl. Kirchhof, EssGespr. 39 (2005), 105 (109 ff.): Kirchen wesentlich als Unterbau für das Grundgesetz; Obermayer, in: BK, GG, Art. 140 (1971) Rn. 79; Mückl, AöR 122 (1997), 513 (554). Siehe allgemein zu Verfassungsvoraussetzungen: Krüger, in: FS Scheuner, 1973, S. 285 (286 ff.); Möl­ lers, VVDStRL 68 (2009), 47 (57); Uhle, in: FS Kirchhof, 2013, § 114. 135  Vgl. Di Fabio, Gewissen, S. 49 f.; Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 42. 136  Vgl. Höhn, in: Gabriel / Höhn, Religion heute, S. 37 (39). 137  Vgl. Habermas, Zeitdiagnosen, S. 249 (256 f.); Große Kracht, in: Gabriel / Höhn, Religion heute, S. 123 (124); Papier, in: FS Scholz, 2007, S. 1123 (1127). 138  Große Kracht, in: Gabriel / Höhn, Religion heute, S. 123 (129). 132  Vgl. 133  Vgl.



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gen statt die Demokratie sukzessive „mürbe“139 zu machen.140 Es trage zur Vitalisierung der Zivilgesellschaft bei, möglichst viele Orte zur Verfügung zu stellen, in denen sich freie Kommunikationserfahrungen zwischen Republik und Religion ereignen können.141 Ein solcher Austausch ist etwa an all den Stellen möglich, an denen konfessionell gebundene Inhaber öffentlicher Ämter mit der Gesellschaft und dem Staat in Kontakt treten. Folglich spricht die teleologische Auslegung gegen eine strikte Trennung von Staat und Religion. 5. Zusammenfassende Stellungnahme Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV verbietet jede Form der Staatskirche in der Bundesrepublik. Die Einführung einer Staatsreligion in Deutschland wäre damit nicht vereinbar, was allerdings derzeit, soweit ersichtlich, von niemandem ernsthaft gefordert wird. Außerdem sind bis in die Weimarer Zeit hinein fortbestehende, besondere staatliche Aufsichtsrechte über die Kirchen unbeschadet ihrer Bindung an das für alle geltende Gesetz verboten. Weiterhin bedeutet das Verbot der Staatskirche, dass die Religionsgemeinschaften als solche nicht Teil des Staatsgebildes sein dürfen; Staat und Religionsgemeinschaften werden ihrem Wesen gemäß unterschieden.142 Um mit einem klassischen Bild zu sprechen: Sie sind durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV „in der Wurzel“143 getrennt. Die Religionsgemeinschaften dürfen weder völlig in die staatliche Organisation „integriert“144 noch vom Staat „regiert“145 werden. Zu den Ausprägungen des Verbots der Staatskirche gehört also insbesondere Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV, der es dem Staat verbietet, in die inneren Angelegenheiten einer 139  Habermas, Grundlagen, S. 26, 33, der einen spürbaren Beitrag konzediert, den Religionsgemeinschaften auch in einer „postsäkularen Gesellschaft“ (ebd.) für das Gemeinwesen leisteten. 140  Vgl. Große Kracht, in: Gabriel / Höhn, Religion heute, S. 123 (129). 141  Vgl. Große Kracht, in: Gabriel / Höhn, Religion heute, S. 123 (137). 142  Vgl. Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 75; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2010) Rn. 261. 143  v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 2; Heckel, in: FS Smend, 1952, S. 103 (118); Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), 57 (67 f.); vgl. Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 6. 144  Hillgruber, Religion, S. 44; Maunz, BayVBl. 1988, 231 (232): Verbot von „Rechts- und Behördenverflechtungen“. 145  Hillgruber, Religion, S. 44.

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Religionsgemeinschaft einzugreifen, sofern sich diese im Rahmen des für alle geltenden Gesetzes bewegen.146 Allerdings schreibt Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV keine strikte, laizistische Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften vor.147 Vielmehr gestattet die Verfassung bei Wahrung der gegenseitigen Unabhängigkeit und Entfaltungsfreiheit „funktionale Zusammenarbeit“148 und gegenseitige Einflussnahme.149 Dafür spricht insbesondere eine systematische Auslegung unter Berücksichtigung der verfassungsmäßig vorgesehenen Felder, auf denen Staat und Religionsgemeinschaften zusammenarbeiten.150 Außerdem steht Art. 140 GG in einer historischen Tradition, die bei der Auslegung nicht übersehen werden darf: Das durch den doppelten Verfassungskompromiss von Weimar und Bonn austarierte Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften lässt sich nicht durch einen Hinweis auf die 146  Vgl. Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 137 WRV Rn. 18; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 42, die weitergehend fordern, kirchliche Funktionen dürften nur von kirchlichen Amtsträgern, staatliche Funktionen nur von staatlichen Amtsträgern erfüllt werden. In dieser Allgemeinheit ist dem nicht zuzustimmen, da sich die von beiden beanspruchten Aufgaben vielfach überschneiden. So sind etwa Daseinsvorsorge oder die Einrichtung von Schulen grds. zwar Staatsaufgaben, die jedoch möglicherweise auch von Privaten erfüllt werden können, sodass nur eine staatliche Gewährleistungsgarantie verbleibt; vgl. die differenzierte Aufgabenverteilung in der Jugendhilfe etwa gem. § 3 Abs. 2 S. 1 SGB VIII: „Leistungen der Jugendhilfe werden von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht“. Gleichwohl müssen staatliche und religiöse Angebote unterscheidbar und die Verantwortungsbereiche klar abgegrenzt bleiben; vgl. Art. 50 Abs. 1 Verf. HE: „Es ist Aufgabe von Gesetz oder Vereinbarung, die staatlichen und kirchlichen Bereiche klar gegeneinander abzugrenzen“. 147  Vgl. Adenau, NWVBl. 2004, 289 (290); v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 11 f.; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 Rn. 9; ebd., Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Ennuschat, KuR 2012, 214 (216); Heinig, Art. Laizismus, in: ders. / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 153; Jeand’Heur / Kori­ oth, Staatskirchenrecht, Rn. 164; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2011) Rn. 3; Muckel, in: HGR IV, § 96 Rn. 34; ders., in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 6; Mückl, EssGespr. 40 (2007), 41 (53); Nolte, DÖV 2008, 129 (131); Sachs, Grundrechte, B4 Rn. 34; Solte, in: HStKR I, § 18 S. 561; Stern, StaatsR IV / 2, § 118 S. 1007; Wick, Trennung, S. 10; wohl anders dagegen OVG HH, NVwZ 1986, 406 (407). 148  Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), 57 (62). 149  Vgl. BVerfGE 42, 312 (330 f.) – Abgeordnetenmandat und Geistliches Amt; Solte, in: HStKR I, § 18 S. 561. 150  Anders Fischer, Volkskirche, S. 92, der den Grundsatz einer strikten Trennung nicht durch systematische Auslegung ermittelt, sondern ihn voraussetzt und sodann die verfassungsrechtlich vorgesehenen „Ausnahmen“ (ebd.) an diesem Grundsatz messen will. Vgl. wie hier v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 12; v. Campenhausen, BayVBl. 1999, 65 (67 f.).



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Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG aushebeln. Aus systematischen Erwägungen lässt sich kein Vorrang einzelner Grundgesetzbestimmungen – insbesondere der grundrechtlichen Religionsfreiheit – vor anderem Verfassungsrecht herleiten. Jede Form von Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften ist kein Selbstzweck, sondern muss dem Ziel dienen, ein freiheitliches, loyales und vernünftiges Zusammenwirken zum Schutz der Religionsfreiheit zu ermöglichen.151 Das bedeutet weder eine monolithische Einheit, in der Staat und Religionsgemeinschaften konspirativ auf Kosten der grundrechtlichen Freiheit Einzelner zusammenwirken und ihre Interessen durchsetzen könnten, noch ein Grundrechtsverständnis, das Religionsfreiheit nur in Abhängigkeit von (angeblicher) gesellschaftlicher Nützlichkeit garantiert sieht.152 Das Grundgesetz will mit seinen wesentlichen Wert-Entscheidungen kein kämpferisches Gegenüber von säkularem Staat und religiös-weltanschaulichen Auffassungen. Weil staatliche und religiös-weltanschauliche Organisationen auf dem gleichen Territorium und mit Blick auf (teilweise) identische Zielgruppen tätig werden, kann man so verstanden sehr wohl davon sprechen, das Grundgesetz bezwecke ein friedliches Miteinander von Staat und Religion.153 Die grundgesetzlich gebotene Aufrechterhaltung von „Vitalität und Dauerhaftigkeit der freiheitlichen Verfassungsordnung“154 fordert vom Staat die – freiheitsgerechte – Pflege seiner geistigen und verfassungstheoretischen Vo­ raussetzungen. Um das oben bereits verwendete Bild der Wurzel noch einmal aufzugreifen: Wie zwei Pflanzen getrennte Wurzeln haben und sich dennoch berühren können, verbietet das Grundgesetz nicht prinzipiell eine wie auch immer zu organisierende Zusammenarbeit von Staat und Religionsgesell151  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 39; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 137 WRV Rn. 22. 152  Vgl. dagegen auch Bahr, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 73 (89); Ehlers, in: FS Kirchhof, 2013, § 130 Rn. 7; Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 52; Möllers, VVDStRL 68 (2009), 47 (68); (historisch) anders Ebers, Staat und Kirche, S. 125. Kirchhof, EssGespr. 39 (2005), 105 (114 ff.) und Marx, in: FS Kirchhof, 2013, § 129 Rn. 18, bejahen dagegen eine staatliche Befugnis zur Differenzierung nach Nützlichkeitserwägungen, soweit nicht abwehrender Grundrechtsschutz, sondern freiwillige staatliche Religionsförderung betroffen sei. 153  Vgl. klassisch Heckel, VVDStRL 26 (1968), 5 (32 ff.); Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 23; ferner Di Fabio, EssGespr. 42 (2008), 129 (144 ff.), bei dessen Formulierung „Einheit, die aus dem sichtbaren Unterschied von weltlichem Staat und transzendent gerichteten Kirchen ihren Sinn erhält“ (S. 144) ein christlicher Theologe an die trinitätstheologische Beschreibung des einen Gottes in drei Personen denken mag. 154  Uhle, in: FS Kirchhof, 2013, § 114 Rn. 11.

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schaften.155 Dies versucht die Literatur durch Begriffe wie „freundliche Trennung“156, „hinkende Trennung“157, „positive[…] Trennung“158 oder Verbot einer „unbotmäßigen“159 institutionellen Verflechtung zum Ausdruck zu bringen.160 Hingegen sind diese Begriffe nicht weniger problematisch als die Rede von Art. 137 Abs. 1 WRV als einem „Trennungs­gebot“161, weil das Substantiv Trennung erstens im Grundgesetz nicht verwendet wird und es zweitens nicht so eindeutig ist, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Ebenso wenig trägt die hergebrachte Formulierung vom Verbot institutioneller Verbindungen162 zur Klärung der Frage bei, welche Kooperationen Art. 137 Abs. 1 WRV verbietet. Unklar bleibt dabei, wann eine solche problematische Beziehung anzunehmen sein sollte, wobei zwischen dem Abschluss zivilrechtlicher Verträge (etwa über die gegenseitige entgeltliche Überlassung von Gebäuden)163 über die Bildung eines gemeinsamen „Runden Tisches“164 bis hin zur Regelung des Kirchensteuereinzugs auf Antrag einer Religionsgemeinschaft (vgl. etwa § 9 KiStG NW) oder zur Schaffung religiös gebundener Staatsämter beinahe beliebig viele Konstellationen denkbar sind, deren Grenzen fließend ineinander übergehen. Diese zwei Pole im Grundgesetz – einerseits die grundlegende Unterscheidung von Staat und Religionsgemeinschaften mit dem Verbot einer 155  Vgl. Marx, in: FS Kirchhof, 2013, § 129 Rn. 3, der das christlich-abendländische Weltbild als „Humus“ (ebd.) bezeichnet, in dem das Grundgesetz erst Wurzeln schlagen könne. 156  Starck, JZ 2000, 1 (6). 157  Stutz, Diplomatie, S. 54 Fn. 2. 158  Marx, in: FS Kirchhof, 2013, § 129 Rn. 16; Mikat, in: Bettermann u.  a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (146). 159  Heinig, JZ 2009, 1136 (1140). 160  Hingegen vorsichtig mit solchen Begriffen Kästner, in: BK, GG, Art. 140 /  Art. 137 WRV (2010) Rn. 263. 161  So aber Renck, BayVBl. 1988, 225 (228); Fischer, Volkskirche, S.  83 ff. 162  Vgl. Heinig, JZ 2010, 357 (359), und Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 24 f., die für solche Verbindungen eine besondere „verfassungsrechtliche[…] Grundlage“ einfordern; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 137 WRV Rn. 18; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 41. 163  Vgl. exemplarisch Sitzungsvorlage 92 / 2012 des Jugendhilfeausschusses der Stadt Königswinter bzgl. eines zwischenzeitlich gekündigten Mietvertrages, durch den der örtlichen katholischen Kirchengemeinde ein städtisches Gebäude zur Einrichtung eines Kindergartens überlassen worden war. Ähnliche Mietverträge dürften etliche Kommunen mit kirchlichen Trägern abgeschlossen haben. 164  Siehe etwa Runder Tisch Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich, eingesetzt durch Beschluss der Bundesregierung vom 24.3.2010 (vgl. www. rundertisch-kindesmissbrauch.de), zu dessen Mitgliedern Vertreter der großen christlichen Kirchen gehörten.



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Staatskirche, andererseits kein grundsätzliches, laizistisches Verbot einer Zusammenarbeit – machen die Verhältnisbestimmung so kompliziert und umstritten. Festmachen lässt sich dieser Streit etwa an der Diskussion über die Zulässigkeit sogenannter „res mixtae“165. Zu diesen gemeinsamen Angelegenheiten von Staat und Religionsgemeinschaften zählt das BVerfG etwa die Kirchensteuererhebung gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV.166 Ebenfalls in diese Kategorie gehört der konfessionelle Religions­ unterricht,167 der nach Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG zwar ordentliches Lehrfach ist, aber gem. S. 2 in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsge­ meinschaften erteilt wird. Ferner werden theologische Fakultäten an staat­ lichen Universitäten sowie die Anstalts- und Militärseelsorge genannt,168 außerdem die von Staat und Kirchen getragene Pflege kirchlicher Kulturdenkmäler.169 Auch res mixtae ist indes kein vom Grundgesetz verwendeter Begriff, sodass die Zuordnung einer Materie zu dieser Kategorie keine unmittelbaren Rechtsfolgen hat, sondern nur deskriptiv ist.170 Vielfach findet sich im Schrifttum die Auffassung, solche gemeinsamen Angelegenheiten seien mit dem Verbot der Staatskirche unvereinbar, soweit staatliche und kirchliche Aufgaben untrennbar verbunden oder vermischt würden.171 Dem ist zuzu165  Siehe zu diesem Begriff schon oben; ferner Mikat, in: Bettermann u.  a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (194 ff.), der die gemeinsamen strikt von „sog. gemischten Angelegenheiten“ aus der Zeit des Staatskirchentums abgrenzt; auch Isak, Selbstverständnis, S. 311: „diejenigen Bereiche […], die weder von der staatlichen noch von der kirchlichen Seite allein geregelt werden können, in denen demnach ein Zusammenwirken von Staat und Kirche erforderlich ist“. 166  BVerfGE 19, 206 (217) – Kirchenbausteuer; 73, 388 (399); aus jüngerer Zeit BVerfGK 14, 60 (64) – Kirchenaustritt; vgl. Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 31. 167  Vgl. BVerwGE 110, 326 (338). 168  BVerfGE 122, 89 (108) – Lüdemann, nennt Religionsunterricht, Kirchensteuer und Anstaltsseelsorge sowie theologische Fakultäten als „wichtige Formen institutionalisierter Zusammenarbeit“; damit sind bereits die größten Bereiche aufgezählt, in denen konfessionsgebundene Staatsämter existieren; zu deren Zulässigkeit sogleich. Speziell zu theologischen Fakultäten s. noch 3. Kap. C. IV. 169  Heckel, Diskussionsbeitrag, EssGespr. 26 (1968), 114. 170  Vgl. v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, § 24; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2011) Rn. 5; Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 33; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 381; de Wall, in: Heinig u. a., Theologie, S. 47 (52 f.). 171  Vgl. BVerfGE 122, 89 (113) – Lüdemann, gegen eine „doppelte Rechtsnatur“; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 166; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2003) Rn. 5; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 137 WRV Rn. 18: „Verflechtungsgebot“. Vgl. zur Ablehnung von corps intermédiaires im französischen Recht Walter, in: Grote / Marauhn, Religionsfreiheit, S. 215 (232 f.).

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stimmen: Das Verbot einer Staatskirche fordert ebenso wie die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und das Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG eine klare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche. Auch im Hinblick auf die zu den res mixtae gezählten Einrichtungen muss erkennbar sein, ob der Staat oder eine Religionsgemeinschaft Träger der jeweiligen Einrichtung ist; andernfalls dürften verfassungswidrige staatskirchliche Strukturen vorliegen. Indes sieht das Grundgesetz selbst in zahlreichen der genannten Bereiche explizit eine Zusammenarbeit von Staat und Religionsgemeinschaften vor, sodass eine solche offensichtlich zulässig sein kann.172 Die Vielzahl von Sachmaterien, für die das Grundgesetz eine Zusammenarbeit von Staat und Religionsgemeinschaften festlegt, ist bei der Bestimmung der Inhalte von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV ebenso zu berücksichtigen wie die oben genannten Verfassungsvorschriften, die eher für eine Trennung sprechen. Das Verhältnis des Staates zu den Religionsgemeinschaften kann also nur mit Blick auf die Gesamtheit der einschlägigen Regelungen ermittelt werden. Danach gibt es keine Hinweise dafür, dass mit dem Verbot der Staatskirche eine laizistische Trennung von Staat und Religion beabsichtigt gewesen wäre. Auch ist die verfassungsrechtlich zugelassene Zusammenarbeit keine Ausnahme von einer prinzipiellen Trennung, sondern grundgesetzliche Ausgestaltung des Verhältnisses des Staates zur Religion.173 Deshalb spricht das Verbot einer Staatskirche nicht dagegen, dass der Staat mit Religionsgemeinschaften zusammenarbeitet, wie er es auch mit anderen gesellschaftlichen Gruppierungen tut. Der Staat darf die Religionsgemeinschaften fördern oder als deren „Partner“174 auftreten, wenn er dies aus allgemeinen Erwägungen für sinnvoll erachtet und die Entscheidung dafür demokratischen Anforderungen entsprechend von einer (parlamentarischen) Mehrheit getragen wird. Zudem ist der Staat bei solchen Aktivitäten zu religiösweltanschaulicher Neutralität verpflichtet.175 Darauf ist im Folgenden näher einzugehen.

172  Vgl. Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2003) Rn. 4; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 137 WRV Rn. 23. 173  Vgl. Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2003) Rn. 5, 7; Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 7. 174  Scheuner, ZevKR 7 (1959 / 60), 225 (260); ähnlich Heckel, ZevKR 12 (1966 / 67), 1 (37 f.); Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 137 WRV Rn. 22: kein Gebot eines staatlichen Laizismus. 175  Vgl. ebenso Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 25; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 137 WRV Rn. 23; Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 3 ff.



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen205

III. Religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates Die Rede von der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates steht zwar im Zusammenhang mit dem Verbot einer Staatskirche, ist aber doch von diesem zu unterscheiden.176 Denn während Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV staatskirchliche Verbindungen von Staat und Religion verbietet und in diesem Sinne durchaus als Trennungsgebot bezeichnet werden kann, steht die Neutralität des Staates in engem Zusammenhang zu den verfassungsrechtlichen Gleichheitssätzen. Eine auf Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 f. WRV zurückgeführte Neutralität des Staates in religiösen und weltanschaulichen Angelegenheiten lässt sich so vor allem als Verpflichtung des Staates verstehen, sein Verhältnis zu allen Grundrechtsträgern gleich auszugestalten, ohne sich mit einzelnen Religionen zu identifizieren oder Einzelne aus religiösen Gründen zu bevorzugen oder zu benachteiligen. In den Jahren nach der Reformation wurde das öffentliche Leben in den Staaten auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik weitgehend konfessio­ nalisiert.177 Einen traurigen Höhepunkt fanden die daraus entstehenden Konflikte im 30-jährigen Krieg von 1618 bis 1648. Als Gegenbewegung zu diesen Konflikten kam im Laufe der folgenden Jahrhunderte zunehmend das Ideal einer friedenstiftenden, religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates auf, mit der sich die Religionsgemeinschaften aus strategischen Gründen arrangieren konnten.178 Religionsfriede sollte gerade dadurch hergestellt werden, dass sich der Staat aufgeschlossen gegenüber den Religionen seiner Bürger verhält.179 Hingegen war mit diesem modus vivendi keine strikte Trennung des Staates von religiösen Zusammenhängen verbunden, was exemplarisch die historischen Beschränkungen der Gleichheitssätze auf die christlichen Konfessionen zeigen180 – religiöse Anschauungen durften also weiterhin vom Staat berücksichtigt werden. Bedingt durch die zunehmende religiöse Pluralität in der deutschen Bevölkerung hat die Idee der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates seit Gründung der Bundesrepublik eine stetig wachsende Bedeutung erlangt. Nach wie vor besteht allerdings keine Einigkeit, welche Rechts176  Vgl. 177  Vgl.

für eine Unterscheidung auch Czermak, NVwZ 2003, 949 (950). Waldhoff, EssGespr. 42 (2008), 55 (76); Böckenförde, Entstehung,

S. 54 ff. 178  Vgl. Hillgruber, Religion, S. 10 ff.; Heckel, ZevKR 12 (1966 / 67), 1 (13 ff.); Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (110 f.); Starck, JZ 2000, 1 (4). 179  Vgl. Papier, in: FS Scholz, 2007, S. 1123 (1125 ff.); Heinig, Art. Kirchliche Schulen, in: ders. / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 225. 180  Siehe dazu schon 2. Kap. A., D. I., E. I.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

wirkungen mit dem Begriff verbunden sein sollen, ob es sich um eine Regel oder ein Prinzip im Sinne Alexys Grundrechtstheorie181 handelt oder vielmehr um eine Maßgabe sui generis.182 Während erstgenannte Regeln, sobald ihre Anwendbarkeit feststeht, strikt zu befolgen sind, bezeichnet Alexy solche Rechtssätze als Prinzipien, die im Sinne eines Optimierungsgebotes in möglichst hohem Maße realisiert werden sollen, dabei aber von rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten abhängen, und bei denen auch eine anteilige Realisierung denkbar ist. Angesichts dieser Unklarheiten kann der Begriff der religiös-weltanschaulichen Neutralität als eines der „am wenigsten erforschten verfassungsrechtlichen Prinzipien“183 beschrieben werden. 1. Ansätze der Rechtsprechung In der Rechtsprechung des BVerfG ist erstmals in einer Entscheidung aus dem Jahr 1960 vom „weltanschaulich neutrale[n] Staat“ die Rede.184 Ausführungen zur Herkunft dieses Neutralitätsgebots sucht der interessierte Leser in der Entscheidung vergebens; ebenso fehlt eine nähere Spezifikation, welche Inhalte mit dem Begriff verbunden sein sollen.185 Ausgehend von der individuellen Glaubensfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG stellt das BVerfG in der genannten Entscheidung fest, die Religionsfreiheit schütze grundsätzlich das Recht, für und gegen einen Glauben zu werben. Um allerdings einen „Mißbrauch dieser Freiheit“186 zu verhindern, formuliert das BVerfG im Sinne einer Grundrechtsschranke, auf die Glaubensfreiheit könne sich nicht berufen, wer die Schranken übertrete, die die „allgemeine Wertordnung des Grundgesetzes“187 errichtet habe. Sodann stellt das BVerfG 181  Vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 75 ff.; ferner Huster, Neutralität, S.  38 f. 182  Vgl. Heinig, JZ 2009, 1136 (1136), der als dritte Kategorie mit noch geringerer Geltungskraft als Alexys Prinzipien die Einordnung der Neutralität als „heuristischen Grundsatz“ (ebd.) zur Diskussion stellt; ferner zu unterschiedlichen Grundrechtsgehalten Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 29, der für die Grundrechte – allerdings explizit nicht für deren objektiven Gehalt – unter Berufung auf Art. 1 Abs. 3 GG zu Recht auf strikter und nicht bloß prinzipieller Geltung besteht. 183  Czermak, DÖV 1998, 107 (113). Zwar ist das Thema Gegenstand einiger Monografien gewesen, insbesondere Schlaich, Neutralität, 1972; Huster, Neutralität, 2002, mit entsprechenden (kritischen) Rezensionen, doch ist ein konsensfähiges Begriffsverständnis nach wie vor nicht ersichtlich. Vgl. auch v. Campenhausen / Un­ ruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 19. 184  BVerfGE 12, 1 (4) – Glaubenswerbung. 185  Kritisch deswegen auch Huster, Neutralität, S. 12. 186  BVerfGE 12, 1 (4) – Glaubenswerbung. 187  BVerfGE 12, 1 (4) – Glaubenswerbung.



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen

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eine Kernthese auf, die bis heute als zentraler Inhalt eines Neutralitätsgebotes genannt wird: Der weltanschaulich neutrale Staat könne und dürfe den Glauben oder Unglauben seiner Bürger nicht bewerten, was ihn freilich vor Herausforderungen stellt, wenn staatliche Stellen – etwa Gerichte – den Umfang der Glaubensfreiheit bestimmen sollen. So hält dieser Ausgangspunkt das BVerfG nicht davon ab, im Folgenden zur Lösung des Falles sehr wohl eine religionsspezifische Wertung vorzunehmen: Danach soll sich ein Strafgefangener nicht auf die Glaubensfreiheit berufen können, wenn er unter „Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Strafvollzuges“188 unter Mitgefangenen für den Austritt aus einer Religionsgemeinschaft wirbt, indem er für einen solchen Schritt strafvollzugsrechtlich rationierten, zusätzlichen Tabak verspricht.189 Trotz der Unklarheiten in Bezug auf Herleitung und Begriffsinhalte des Neutralitätsgrundsatzes haben das BVerfG190 und die ihm folgenden Fachgerichte191 den Ausdruck in den Folgejahren immer wieder aufgegriffen und ihn so zum „Angelpunkt des staatskirchenrechtlichen Gesamtsystems“192 fortentwickelt. Es finden sich kaum religionsrechtliche Streitigkeiten, bei deren Lösung die Gerichte nicht mit dem Neutralitätsgrundsatz argumentieren. Zur Ableitung aus dem Grundgesetz heißt es in einem Urteil des BVerfG aus dem Jahr 1965 zur badischen Kirchenbausteuer, „Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 GG sowie […] Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG“193 legten dem „Staat 188  BVerfGE

12, 1 (5) – Glaubenswerbung. BVerfGE 12, 1 (4 f.) – Glaubenswerbung, wonach ein solcher „Mißbrauch“ der Religionsfreiheit die Würde des Umworbenen verletze. Siehe auch Herzog, in: MD, GG, Art. 4 (1988) Rn. 84, zu den Grenzen dieser Rechtsprechung. 190  BVerfGE 18, 385 (386) – Teilung einer Kirchengemeinde; 19, 206 (216) – Kirchenbausteuer; 24, 236 (246) – Rumpelkammer; 30, 415 (421 f.) – Kirchenmitgliedschaft; 33, 23 (28) – Eidesformel; 35, 366 (375) – Kreuz im Gerichtssaal; 41, 29 – Gemeinschaftsschule; 93, 1 (16) – Kruzifix; 102, 370 (387 f.) – Zeugen Jehovas; 105, 279 (294) – Osho; 108, 282 (299) – Kopftuch; 123, 148 (178) – Jüdische Gemeinde Bbg; 125, 39 (84) – Adventssonntag; BVerfG (K), NJW 2009, 3151. 191  Vgl. etwa BVerwGE 34, 291 (297); 90, 320 (328); 116, 359 (363); BVerwG, NVwZ-RR 2011, 90 Rn. 12: „objektive[s] Prinzip der staatlichen Neutralität“; BVerwGE 141, 223 Rn. 27, 35; BVerwG, NVwZ 2014, 81 Rn. 14; NVwZ 2014, 237 Rn. 22; zum strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrecht eines Geistlichen BGH, NStZ 2010, 646 Rn. 14; BFHE 230, 93 Rn. 35; OVG Nds., NVwZ-RR 2002, 658 (659); BayVGH, NVwZ-RR 2010, 606; BAG, NZA-RR 2011, 162, zur Neutralität einer kommunalen Kindertageseinrichtung. 192  Heinig, JZ 2009, 1136 (1136); ähnlich Huster, Neutralität, S. 23; auch schon Schlaich, in: Mikat, Kirche und Staat, S. 427 (429). 193  BVerfGE 19, 206 (216) – Kirchenbausteuer; vgl. Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 4 Rn. 37, die den Neutralitätsgrundsatz allein aus Art. 136 Abs. 1 WRV 189  Vgl.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

als Heimstatt aller Staatsbürger“194 weltanschaulich-religiöse Neutralität auf. Zum Gehalt führt das Gericht aus, das Grundgesetz verwehre die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersage die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse.195 Allerdings hat das BVerfG sein Verständnis dieses Neutralitätsgebotes auch in den Folgeentscheidungen nicht abschließend definiert, sondern eine Fülle einzelner Ausprägungen entwickelt.196 Ausdrücklich formuliert das Gericht, das konkrete Maß der Zurückhaltung, das dem Staat in Glaubensfragen auferlegt sei, bestimme sich „nach den Umständen des Einzelfalles“197. Zu den Ausprägungen des Neutralitätsgebotes gehört seit den 1970er-Jahren insbesondere das Prinzip der Nichtidentifikation – ein Grundsatz, dessen Existenz das BVerfG zunächst offen gelassen,198 später aber vorausgesetzt199 hat. Je nach Streitgegenstand betont das BVerfG unter Berufung auf die grundgesetzlich gebotene Neutralität des Staates etwa, der Staat dürfe „nicht seinerseits den religiösen Frieden in der Gesellschaft gefährden“200, die Verleihung des Körperschaftsstatus an Religionsgemeinschaften bedeute ableitet; Wick, Trennung, S. 11, der besonders die Ableitung der Neutralität aus dem Gleichheitsgebot betont; Ennuschat, KuR 2012, 214 (215), sieht ihn (nur) in Reli­ gionsfreiheit und Verbot der Staatskirche grundgelegt. 194  BVerfGE 19, 206 (216) – Kirchenbausteuer. 195  BVerfGE 19, 206 (216) – Kirchenbausteuer; seitdem st. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 93, 1 (17) – Kruzifix; 108, 282 (299) – Kopftuch. 196  Beispiele bei Holzke, NVwZ 2002, 903 (905), mit ausführlichen Nachweisen. 197  BVerfGE 105, 279 (295) – Osho. 198  Vgl. BVerfGE 35, 366 (375) – Kreuz im Gerichtssaal. In der Entscheidung lässt das BVerfG die „rechtsgrundsätzliche Würdigung“ (ebd.), ob ein im Gerichtssaal aufgehängtes Kreuz bedeute, dass sich der Staat mit dem Christentum identifiziere, dahinstehen. Unabhängig von einem Prinzip der „Nicht-Identifikation“ (ebd.) verletze das Kreuz Prozessbeteiligte in ihrer Religionsfreiheit, die das Recht beinhalte, von staatlichen Zwängen in weltanschaulich-religiösen Fragen unbehelligt zu bleiben; dazu Sachs, Grundrechte, B4 Rn. 10, der einen Konflikt mit dem „Integritätsinteresse der Persönlichkeit auf religiös-weltanschaulichem Gebiet“ annimmt. Vgl. ferner BVerfGE 41, 29 (52 f.) – Gemeinschaftsschule: „Soweit sich aus diesen kirchenpolitischen Bestimmungen in Verbindung mit weiteren Verfassungsnormen ein Prinzip der ‚Nichtidentifikation‘ herleiten lassen sollte […].“ 199  Vgl. BVerfGE 93, 1 (16) – Kruzifix, unter Verweis auf BVerfGE 30, 415 (422) – Kirchenmitgliedschaft, wo für das Kirchensteuerrecht eine „verfassungswidrige Identifizierung“ (ebd.) des Staates mit der Kirche verneint wird; ferner BVerfGE 105, 279 (294) – Osho; 108, 282 (299 f.) – Kopftuch; 123, 148 (178) – Jüdische Gemeinde Bbg; BVerfG (K), NJW 2009, 3151 Rn. 15; fachgerichtlich etwa BVerwGE 141, 223 Rn. 27. 200  BVerfGE 93, 1 (16 f.) – Kruzifix; 105, 279 (294) – Osho; BVerfG (K), NJW 2009, 3151 Rn. 15; vgl. auch BVerwGE 141, 223 Rn. 42 ff. = JA 2012, 235 (237) mit Anm. Muckel.



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen209

keine Übertragung hoheitlicher Gewalt201 und der Staat dürfe nicht über die Grundsätze bestimmen, nach denen die Religionsgemeinschaften die Inhalte des Religionsunterrichts festlegen.202 Unausgesprochen bleibt allerdings, inwiefern die von der Rechtsprechung zum Neutralitätsgebot zusammengefassten Normen in ihrer Gesamtheit über das hinausgehen sollen, was Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 f. WRV bereits einzeln gewährleisten.203 Dennoch entwickelte die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates in der Rechtsprechung eine gewisse Eigendynamik und verselbständigte sich ein Stück weit gegenüber ihren positivierten verfassungsrechtlichen Grundlagen.204 Deutlich zeigt dies etwa die Osho-Entscheidung des BVerfG: Danach soll die Bezeichnung einer möglicherweise jugendgefährdenden religiösen Gruppierung als Sekte durch die Bundesregierung schon tatbestandlich die Religionsfreiheit der betroffenen Gruppierung nicht berühren, weil die Bundesregierung insoweit das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität gewahrt habe.205 Neben anderen zweifelhaften Passagen enthält die Entscheidung einen Zirkelschluss, weil sie den grundrechtlichen Tatbestand von Art. 4 Abs. 1 GG anhand des Neutralitätsgebotes definiert, das aber seinerseits wiederum durch Auslegung von – unter anderem – Art. 4 Abs. 1 GG entwickelt worden sein soll.206 2. Ansätze der Literatur In der Literatur finden sich zur inhaltlichen Konkretisierung des religiösweltanschaulichen Neutralitätsgrundsatzes unterschiedliche Ansätze.207 201  Vgl. BVerfGE 18, 385 (387) – Teilung einer Kirchengemeinde; anders im Hinblick auf Kirchenbeamte OVG NW, DVBl. 2012, 1585 (1585): „Darunter [sc. öffentliche Gewalt i. S. v. Art. 19 Abs. 4 GG] fällt auch die vom Staat übertragene Hoheitsgewalt der Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.“ 202  Vgl. BVerfGE 74, 244 (255) – Religionsunterricht. 203  Vgl. kritisch deswegen Holzke, NVwZ 2002, 903 (905); Hutzel, Religionsfreiheit, S. 237 f.; zur Abgrenzbarkeit von „Neutralitätsgebot“ und Religionsfreiheit Ladeur / Augsberg, JZ 2007, 12 (16). 204  Vgl. kritisch dazu Heinig, JZ 2009, 1136 (1137, 1140); Holzke NVwZ 2002, 903 (910, 912 f.); Waldhoff, EssGespr. 42 (2008), 55 (76 ff.). 205  Vgl. BVerfGE 105, 279 (295) – Osho. 206  Vgl. Heinig, JZ 2009, 1136 (1137, 1140), der auch auf die Verhandlung des BVerfG über das Berliner Ladenschlussgesetz verweist, wonach Art. 139 WRV nicht religionsschützend verstanden werden dürfe, weil dies dem „ungeschriebene[n] Prinzip“ (ebd.) religiös-weltanschaulicher Neutralität widerspreche. 207  Einen Überblick geben etwa Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 Rn. 9; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 (2003) Rn. 9; Muckel, Freiheit, S. 73.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

a) Positive Neutralität Herkömmlich hat das rechtswissenschaftliche Schrifttum die grundgesetzliche Neutralität im Hinblick auf Religion überwiegend im Sinne einer „‚positive[n]‘ Neutralität“208 verstanden, sodass – anders als das Substantiv Neutralität vielleicht vermuten lassen könnte –209 ein Tätigwerden des Staates im Zusammenhang mit religiösen Angelegenheiten nicht ausgeschlossen sei. Neutralität wirke ambivalent, indem sie staatliche Kompetenzen auf religiös-weltanschaulichem Gebiet begrenze, zugleich aber keine „Enthalt­ samkeit“210 des Staates gebiete, sondern ein aktiv förderndes und moderierendes Tätigwerden.211 Schlaich spricht insofern gar von einem „Aufruf zur Staatlichkeit“212. Dies könne einerseits bedeuten, dass Religionen staatlich unterstützt würden, andererseits aber den Staat verpflichten, gegen (religiöse) Kräfte vorzugehen, die die staatliche Souveränität und die grundgesetzliche Wertordnung in Frage stellten.213 Sofern man diesen sogenannten „etatistischen Affekt“214 akzeptiert, liegt eine Differenzierung zwischen einzelnen Religionen je nach Reflexions­ fähigkeit und Kommunikationsbereitschaft als den Voraussetzungen einer Kooperation von Religion und Staat durchaus nahe.215 Die Distanz, die der Staat gegenüber einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft wahren muss, hinge dann unter anderem davon ab, wie stark die jeweilige Gruppierung die Unterscheidung von Religion und Staat als Teil ihrer eigenen Programmatik verinnerlicht hat. Erkennt eine Religionsgemeinschaft die Religionsfreiheit verbindlich an, wie etwa die römisch-katholische Kirche seit dem II. Vaticanum (1962–1965),216 so könnte sich der Staat eher auf 208  Korioth,

in: MD, GG, Art. 140 (2003) Rn. 31. zum Wortlautverständnis Holzke, NVwZ 2002, 903 (908), wobei zu beachten bleibt, dass der Begriff „Neutralität“ im Grundgesetz nicht verwendet wird und es deswegen nicht auf eine möglichst treffende Auslegung dieses Begriffs ankommt, sondern die Begriffsinhalte vielmehr durch Auslegung der positivierten Regelungen des Grundgesetzes zu ermitteln sind; in diese Richtung auch Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (110): „reiner Kunstbegriff“. 210  v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 22; vgl. Holzke, NVwZ 2002, 903 (906). 211  Vgl. Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 68; Weber, NJW 2010, 2475 (2476). 212  Schlaich, Neutralität, S. 21; dem folgend Muckel, Freiheit, S. 80. 213  Vgl. Badura, Schutz von Religion, S. 84 f.; Muckel, Freiheit, S. 75; Schlaich, Neutralität, S. 134 f. 214  Schlaich, Neutralität, S. 134; ihm folgend Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 68. 215  Vgl. Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (354 f.); ferner Waldhoff, EssGespr. 42 (2008), 55 (77 f.), der Differenzierungen je nach Verfassungskompatibilität erwägt. 216  Vgl. LG 36, dazu Marx, in: FS Kirchhof, 2013, § 129 Rn. 17; Winter, KuR 2009, 65 (68 f.); ferner Heckel, AöR 134 (2009), 309 (356 f.); Hollerbach, VVDStRL 209  Vgl.



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen211

eine Zusammenarbeit einlassen. Unter diesem Gesichtspunkt könnten etwa das (muslimische) Kopftuch einer Lehrerin und das (christliche) Kruzifix im Klassenraum unterschiedliche Symbolgehalte besitzen und Differenzierungen zwischen beiden gerechtfertigt sein.217 Begründet wird diese Auffassung mit einer Zusammenschau aller reli­ gionsbezogenen Grundgesetz-Artikel, die neben trennenden Elementen umfangreiche Verbindungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften vorsähen. Außerdem wird auf den Gottesbezug in der Grundgesetz-Präambel verwiesen.218 Schließlich wird angenommen, der Staat verletze die religiösen 26 (1968), 57 (68 ff.), zu den ekklesiologischen Neuerungen des Konzils; Böcken­ förde, Säkularisierter Staat, S. 20 ff. 217  Vgl. Augsberg, ZevKR 53 (2008), 445 (454); differenzierend auch EGMR, NVwZ 2011, 737 (741) – Lautsi u. a. / Italien. 218  Für eine Relevanz der Präambel für die Auslegung des Grundgesetzes vgl. etwa JöR n. F. 1 (1951), 25; Hillgruber, Religion, S. 56 ff.; Huber, in: Sachs, GG, Präambel Rn. 40; ebd. Rn. 13, auch zur Eignung für Grundrechtsbeschränkungen. Der pouvoir constituant wollte mit der Berufung auf Gott ausdrücken, dass er sich trotz seiner verfassungstheoretischen Ungebundenheit an bestimmte Werte gebunden gefühlt hat; vgl. Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 31; Huber, in: Sachs, GG, Präambel Rn. 38, m. zahlr. N.; ferner etwa BVerfGE 33, 23 (27 f.) – Eidesformel; Janz, Art. Gottesbezug, in: Heinig / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 73: Betonung der „Relativität“ staatlicher Macht; Robbers, in: Rusconi, Säkularisierter Staat, S. 173 (174): „Botschaft der Selbstbescheidung“; ähnlich Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Präambel Rn. 36 f. Vor dem Hintergrund der christlich-abendländischen Tradition, die die deutsche Geschichte geprägt hat, wurde diese moralisch, sittlich oder eben religiös fundierte Wertbindung mit dem Ausdruck Verantwortung vor Gott verdeutlicht; vgl. zur Präambel der Verf. BY VerfGH BY, NJW 1997, 3157 (3158). Dementsprechend widerspräche es dem in der Präambel verankerten Wertefundament des Grundgesetzes, wenn Religiöses vollständig negiert oder aus Staat und Gesellschaft verdrängt würde; vgl. VerfGH BY, NJW 1997, 3157 (3158); Ennuschat, NJW 1998, 953 (956): „Unbefangenheit als Charakteristikum des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts“; Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 31; Huber, in: Sachs, GG, Präambel Rn. 40; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Präambel Rn. 15, gegen staatliche Propagierung von Atheismus; wohl anders Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Präambel Rn. 3. Darüber hinausgehende normative Vorgaben lassen sich der nominatio dei angesichts ihrer Allgemeinheit kaum entnehmen; vgl. Huber, in: Sachs, GG, Präambel Rn. 40; Heusch, in: ders. / Schönenbroicher, Verf. NW, Präambel Rn. 8 ff.; allgemein für einen Verzicht auf einen Gottesbezug in der Präambel Czermak, NJW 1990, 1300 (1303). Jedenfalls rechtfertigt die Präambel mangels entsprechenden Bezugs keine Bevorzugung gerade des christlichen Gottes beziehungsweise seiner Anhänger, mag dieser auch entstehungsgeschichtlich allein gemeint gewesen sein; vgl. Huber, in: Sachs, GG, Präambel Rn. 39, gegen eine Infragestellung der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Präambel Rn. 3, gegen eine „prochristliche Auslegungsmaxime“; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Präambel Rn. 36, gegen eine Charakterisierung der Bundesrepublik als christlicher Staat durch die Präambel; aber ausdrücklich für eine Anrufung des christlichen Got-

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Überzeugungen seiner Bürger geradezu, wenn er sie völlig unberücksichtigt ließe.219 Der Staat dürfe Religion nicht zur bloßen und alleinigen „Privatsache“220 erklären, weil die meisten Menschen zur Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse gesellschaftliche Institutionen wie herkömmlicher Weise insbesondere die christlichen Kirchen benötigten.221 Solche Institu­ tionen könne der (neutrale) Staat nicht bieten, müsse sie aber gerade deswegen fördern, um eine individuelle Religionsausübung zu ermöglichen. Deswegen sei das Grundgesetz Religiösem gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt.222 b) Distanzierende Neutralität Eine gegenläufige Auffassung im Schrifttum versteht Neutralität hingegen im Sinne einer vollständigen Trennung von Staat und Religion und beruft sich dazu insbesondere auf Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV.223 Die vom Grundgesetz vorgesehenen Berührungspunkte seien deshalb ausnahmsweise Durchbrechungen des Neutralitätsgebotes.224 Der Staat dürfe sich nicht mit einer Religion identifizieren und von der „religiösen Gesinnung [seiner Bürger] keine Kenntnis […] nehmen“225, so die Vertreter dieser Auffassung. c) Begründungsneutralität Huster geht in seinem Konzept einer strengen Begründungsneutralität davon aus, dass das Neutralitätsgebot vom Staat religiös-weltanschaulich neutrale Begründungen für sein Verhalten fordert. Dies leitet er aus einem tes Behrendt, Gott, S. 318; Vogt, Gottesbezug, S. 285, als „Manifestation des kulturellen Gedächtnisses“. 219  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 27; Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 71. 220  Offen gelassen von Renck, ThürVBl. 2008, 247 (249); vgl. dagegen schon Häberle, DÖV 1976, 73 (77); Di Fabio, EssGespr. 42 (2008), 129 (138 ff.); Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 41; für einen Öffentlichkeitsauftrag Art. 36 Abs. 3 Verf. Bbg. 221  Vgl. Augsberg, AöR 138 (2013), 493 (518); Starck, JZ 2000, 1 (5). 222  Vgl. Korioth, in: Groschopp, Konfessionsfreie, S. 13 (27). 223  Vgl. etwa Renck, BayVBl. 1988, 225 (230): Trennung als „Ergebnis der staatlichen Religionsneutralität“; allgemein Fischer, Volkskirche. 224  Vgl. Holzke, NVwZ 2002, 903 (908); dagegen Heinig, JZ 2009, 1136 (1138), der von einer „Regelvermutung zugunsten einer offen-kooperativen wechselseitigen Zugewandtheit von Staat und Religionsgemeinschaften“ (ebd.) auf Basis des Grundgesetzes ausgeht; ähnlich Wißmann / Heuer, Jura 2011, 214 (221). 225  Krüger, Staatslehre, S. 49.



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen213

grundrechtlichen Recht jedes Individuums auf „gleiche Achtung“226 ab. Staatliche Maßnahmen müssten allen Bürgern gegenüber ohne Rekurs auf religiös-weltanschauliche Wahrheiten rechtfertigungsfähig sein.227 Die Wirkungen staatlichen Verhaltens könnten hingegen nicht neutral sein und eine solche Wirkungsneutralität sei auch nicht erstrebenswert.228 d) Gehaltlosigkeit des Neutralitätskonzeptes Schließlich will eine vierte Ansicht das Neutralitätsgebot vollständig aus dem Religionsverfassungsrecht verbannen, weil eine strikte Neutralität in einer Demokratie nicht zu gewährleisten sei und das Grundgesetz eine solche nicht vorschreibe.229 Ebenfalls für die Abschaffung sprechen sich andere Autoren aus, weil der Begriff entweder nur die einzelnen verfassungsrechtlichen Garantien des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts bündele – dann sei er überflüssig – oder weil über den Begriff Inhalte postuliert würden, die keine Grundlage im Grundgesetz hätten – dann sei er irreführend.230 3. Stellungnahme Mit Schlaich ist zunächst festzuhalten, dass das Grundgesetz kein einheitliches Rechtsprinzip der Neutralität kennt, das für alle Sachbereiche den gleichen Bedeutungsgehalt hätte.231 Neutralität ist in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes kein allgemeingültiger Wert an sich. Wer das Grundgesetz selbst als wertneutral verstehen wollte, unterläge einem Missverständnis; man denke nur an das Widerstandsrecht gem. Art. 20 Abs. 4 GG und die Ewigkeitsklausel gem. Art. 79 Abs. 3 GG zur Sicherung grundlegender Verfassungswerte. Diese Sicherungsmechanismen dienen gerade dazu, die grundgesetzliche Wertordnung zu verteidigen, in Bezug auf die 226  Huster, 227  Huster,

(112).

Neutralität, S. 652. Neutralität, S. 99; ders., in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107

228  Vgl. Huster, Neutralität, S. 99; ders., in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (114 f.). 229  Vgl. Möllers, VVDStRL 68 (2009), 47 (57); v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 25. 230  Vgl. Holzke, NVwZ 2002, 903 (911, 913); Möllers, VVDStRL 68 (2009), 47 (58): „kaum neue Inhalte“. 231  Vgl. Schlaich, Neutralität, S. 218 ff.; Isak, Selbstverständnis, S. 269; ferner vor dem Kontext unterschiedlicher europäischer Rechtsordnungen de Wall, Jura 2012, 960 (963).

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sich der Staat keine Neutralität leisten kann.232 Die Gesellschaft muss auf der Einhaltung ihrer Rechtsordnung bestehen.233 a) Festhalten am Neutralitätsbegriff Insbesondere im Religionsverfassungsrecht hat sich der Begriff der Neutralität allerdings als langlebig erwiesen.234 Faktisch gibt es in den vergangenen Jahrzehnten kaum eine gerichtliche Entscheidung in einer religionsverfassungsrechtlichen Streitigkeit, in der die religiös-weltanschauliche Neu­ tralität nicht wenigstens zur Unterstützung des Ergebnisses angeführt worden wäre. Begründen lässt sich dieses Phänomen unter anderem mit der Viel­ dimensionalität und Zersplitterung des grundgesetzlichen Religionsverfassungsrechts. Für einen Großteil der religionsrechtlichen Streitigkeiten spielen neben der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2 GG) die religionsbezogenen Gleichheitssätze (Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV) ebenso eine Rolle wie eher organisatorische Regelungen (bspw. Art. 7, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 ff. WRV). Angesichts dieser verfassungsrechtlichen Gemengelage, die entstehungsgeschichtlich durch Kompromisse geprägt ist, scheint es nachvollziehbar, dass Rechtsanwender die Rechtslage auf einen prägnanten Begriff bringen wollen. Diesen Prozess kann man hinnehmen, solange die positiv im Grundgesetz normierten Grundlagen im Blick der Rechtsanwender bleiben. Die religiösweltanschauliche Neutralität des Staates ist eben kein vor-konstitutionelles Gebot, an dem Grundgesetzbestimmungen zu messen wären,235 sondern 232  Wer totale Neutralität des Staates als absoluten Wert postulierte, beginge einen performativen Widerspruch, weil ein neutraler Staat jedenfalls der Neutralität gegenüber nicht gleichgültig eingestellt wäre. Vgl. Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 45, für „religionsunspezifische[…] Wertentscheidungen“ (ebd.); Grzeszick, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 131 (144), für (auch religionsbezogene) Wertungen anhand „säkularer Maßstäbe“; pointiert auch im Hinblick auf Weltanschauungen Hillgruber, Religion, S. 49; ferner Augsberg, ZevKR 53 (2008), 445 (445); Czermak, NVwZ 2003, 949 (951); Huster, Neutralität, S.  112, 635 f., ders., in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (112 f.), der von „‚Selektivität‘ staatlicher Neutralität“ spricht; Loschelder, in: FS Listl, 1999, S. 349 (349 ff.); Püttner, in: FS Dürig, 1990, S. 279 (283), zur notwendigen Wertgebundenheit von Bildung; ähnlich Bäcker, Gemeinschaftsschule, S. 254 f.; Schaefer, Verw­ Arch 103 (2012), 136 (149 ff.); Schlaich, Neutralität, S. 264. 233  Vgl. Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (358), die als Beispiel den Streit um die Befreiung vom koedukativen Sportunterricht für Muslime nennt; dazu auch BVerwG, NVwZ 2014, 81. 234  Vgl. Schlaich, in: Mikat, Kirche und Staat, S. 429. 235  Nicht überzeugend daher Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (260), der Aspekte der Religionsfreiheit ebenso wie Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG als „Ausfluß des Grundsatzes der Religionsneutralität des Staates“ bezeichnet; ebenso Renck, BayVBl. 1999, 70



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vollständig durch Auslegung der zugrunde liegenden Grundgesetz-Artikel zu ermitteln.236 Dabei ergeben sich Parallelen zur Auslegung von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV.237 Vor diesem Hintergrund sind die dargestellten Konzeptionen einer religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates wie folgt zu bewerten: b) Distanzierende Neutralität Neutralität in Anlehnung an ein so verstandenes Verbot der Staatskirche gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV als Gebot strikter Trennung von Staat und Religion zu verstehen, kann vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Religionsverfassungsrechts mit seinen trennenden und verbindenden Elementen nicht überzeugen. Eine solche Argumentation würde die Ambivalenz des Normgefüges verkennen und dem Staat einseitig eine nur passive Rolle auferlegen. Dafür sprechen weder die historische Entwicklung des deutschen Religionsverfassungsrechts noch systematische oder teleologische Erwägungen. Neutralität im Sinne des Grundgesetzes meint keine Verdrängung alles Religiösen aus dem staatlichen Bereich.238 c) Begründungsneutralität Für Husters Konzept der Begründungsneutralität lässt sich anführen, dass es für ein friedliches Zusammenleben in einer multireligiösen Gesellschaft nur hilfreich sein kann, wenn staatliche Maßnahmen prinzipiell gegenüber jedermann „rechtfertigungsfähig“239 sind, das heißt, dass sie sich begründen lassen, ohne auf Werte zurückzugreifen, die nicht für jedermann akzeptabel sind. Zugleich ist die zentrale Bedeutung, die Huster der Begründung staatlicher Maßnahmen zumisst, allerdings auch Schwachstelle seines Konzepts.240 Huster selbst lässt offen, ob dazu auf „die (objektiven) Zwecke eines Gesetzes“241 oder auf die subjektiven Ziele der am Gesetzgebungsver(73); wie hier Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 67; Muckel, Freiheit, S. 44 ff., 47, gegen vorstaatliches Recht und einen „voreilig[n] Rekurs auf das Selbstverständnis“. 236  Das Postulat vollständiger Ableitbarkeit des Neutralitätsprinzips aus dem Grundgesetz schließt dagegen nicht aus, dass sich aus der Zusammenschau aller einschlägigen Grundgesetzbestimmungen mehr bzw. andere Gehalte ergeben als die Summe der einzelnen Vorschriften. 237  Siehe dazu schon 3. Kap. B. II. 238  Siehe schon 3. Kap. B. I. 1.; vgl. ferner Brenner, VVDStRL 59 (2000), 264 (271). 239  Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (112); vgl. ferner Czer­ mak, NVwZ 2003, 949 (953). 240  Vgl. Huster, Neutralität, S. 664 ff. 241  Huster, Neutralität, S. 665.

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fahren Beteiligten abzustellen sei. Wollte man indes den Mitgliedern der Gesetzgebungsorgane verbieten, ihre subjektiven religiösen Überzeugungen in das Verfahren einzubringen, würden solche Überzeugungen vollständig aus dem parlamentarischen Meinungsbildungsprozess verdrängt.242 Nicht ersichtlich ist, wie eine derartige Begründungsneutralität mit Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG zu vereinbaren wäre, der die Abgeordneten des Deutschen Bundestages bei ihren Entscheidungen allein auf deren Gewissen verpflichtet. Was, wenn dieses Gewissen (bei der Mehrheit der Abgeordneten) religiös geprägt ist? Während Huster es als „Zumutung“243 empfände, sich in ethischen Fragestellungen an „irgendwelchen religiösen Mehrheitsüberzeugungen“244 ausrichten zu müssen, sind Gesetze zu entsprechenden Themen doch wohl stets unvermeidlich (auch) durch das religiös oder weltanschaulich fundierte Wertesystem der Bundestagsmehrheit geprägt und begründet, ohne dass der demokratisch-rechtsstaatlich selbstverständliche Geltungsanspruch so zustande gekommener Gesetze dadurch per se zur „Zumutung“245 würde.246 Nicht der Verweis auf religiös-weltanschauliche Überzeugungen allein rechtfertigt dann mögliche Freiheitsbeeinträchtigungen, sehr wohl hingegen eine – unter Umständen Glaubenssätze rezipierende – parlamentarische Mehrheitsentscheidung.247 Angesichts dessen dürfte es sich als vielleicht wünschenswert, jedenfalls aber als illusionär erweisen, staatliche Maßnahmen gegenüber jedermann rechtfertigen zu wollen, ohne dabei mit religiösen Begründungen oder dem schlichten Argument eines parlamentarischen Mehrheitsbeschlusses zu argumentieren, zumal die Grenze zwischen religiösen und säkularen Gründen 242  Vgl. ähnlich Heinig, JZ 2009, 1136 (1138). „Natürlich“ für das Recht der Abgeordneten, religiös zu argumentieren Schlaich, in: Mikat, Kirche und Staat, S. 427 (447); für die Zulässigkeit politischen Eintretens für religiös motivierte Ziele Böckenförde, Säkularisierter Staat, S. 14. 243  So ausdrücklich in JZ 2010, 354 (356); ähnlich wohl Czermak, NVwZ 2003, 949 (953). 244  Huster, JZ 2010, 354 (356). 245  Huster, JZ 2010, 354 (356). 246  Vgl. etwa drei im Bundestag diskutierte Gesetzentwürfe zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, BT-Drs. 17 / 5450, 17 / 5451, 17 / 5452, die unabhängig von der Entscheidung für oder gegen ein Verbot alle dazu geführt hätten, dass sich die deutsche Bevölkerung fortan an Mehrheitsüberzeugungen hätte ausrichten müssen. Die in BT-Drs. 17 / 5450 S. 2, genannten „ethischen und gesellschaftspolitischen Gründe[…]“ für den Gesetzentwurf sind unvermeidlich religiös fundiert. In diesem Sinne auch Möllers, VVDStRL 68 (2009), 47 (56 f.); Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 77, zum Schutz des Sonntags gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV aufgrund einer Mehrheitsentscheidung des Verfassunggebers, die aber ihrerseits ganz offensichtlich religiös fundiert war bzw. ist; allgemein Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 16. 247  Vgl. Huster, JZ 2010, 354 (356).



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fließend ist.248 Ein Beispiel: Wer aus religiösen Gründen und unter Berufung auf die christlich fundierte Menschenwürde schon dem gezeugten Embryo menschliche Würde zuspricht, wird die Erlaubnis seiner Abtötung nach durchgeführter Präimplantationsdiagnostik nicht als „gerecht“249 einsehen; wer hingegen die Würde des Embryos nicht anerkennt, empfände möglicherweise ein Verbot dieses Verfahrens als Gängelung und Freiheitsbeeinträchtigung einer Schwangeren. Es ist kein Gewinn ersichtlich, wenn man an dieser Stelle religiös fundierte Begründungen aus der Diskussion im staatlichen Gesetzgebungsverfahren ausblendete. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte mag man es gar als positives Qualitätsmerkmal einer Mehrheitsentscheidung ansehen, wenn sich diese religiös geprägten, universalen ethischen Standards verpflichtet weiß, denn dass allein eine parlamentarische Mehrheit nicht stets für die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung spricht, hat etwa der nationalsozialistische Unrechtsstaat zur Genüge gezeigt.250 Diese Probleme lassen sich auch nicht lösen, indem man statt auf die im Gesetzgebungsverfahren erörterten – überwiegend wohl über Gesetzesvorlagen der Ministerialbürokratie eingebrachten – Begründungen auf einen sogenannten objektiven Gesetzeszweck abstellt. Unterstellt, man könnte einen solchen überhaupt bestimmen, bleibt fraglich, wer in einer Demokratie über in Husters Sinne „zulässige und unzulässige Motive für politisches Handeln“251 entscheiden sollte. Letztverbindlich müsste dies wohl das Bundesverfassungsgericht tun, sodass der Entscheidungsspielraum, den Huster dem parlamentarischen Gesetzgeber mit seinem Konzept einräumen will,252 unmittelbar wieder durch eine umfassende verfassungsgerichtliche Kontrolle eingeschränkt würde, wenn die Kontrolle nicht wiederum so große gesetzgeberische Spielräume respektierte, dass sie ihre praktische Wirksamkeit einbüßte. Dieser Einwand soll keineswegs die Kontrolle des Gesetzgebers durch das Bundesverfassungsgericht an sich in Frage stellen. Doch während der Gesetzgeber de lege lata materiell-rechtlich vor allem an die GrundrechHabermas, Zeitdiagnosen, S. 249 (256 f.). NVwZ 2003, 949 (953). 250  Vgl. in diese Richtung Benedikt XVI., AAS CIII (2011), 663 (664), in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag: „[…] daß in den Grundfragen des Rechts, in denen es um die Würde des Menschen und der Menschheit geht, das Mehrheitsprinzip nicht ausreicht, ist offenkundig: Jeder Verantwortliche muß sich bei der Rechtsbildung die Kriterien seiner Orientierung suchen.“ Benedikt XVI. plädiert deswegen für den „Gedanke[n] des Naturrechts“ (ebd., S. 666). 251  Heinig, JZ 2009, 1136 (1138). Vgl. etwa Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV, der den Schutz des Sonntags zwar mit dem Schutz von Arbeitsruhe und seelischer Erhebung begründet, aber dennoch kulturgeschichtlich christlich geprägt ist. 252  Vgl. Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (117). 248  Vgl.

249  Czermak,

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te und das aus ihnen abgeleitete Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden ist, käme nach Husters Konzeption zusätzlich noch eine Bindung an das Neu­ tralitätsgebot hinzu: Selbst verhältnismäßige, aber nicht neutral begründete staatliche Maßnahmen, wovon es freilich angesichts der hohen Schutzintensität der Grundrechte nicht viele geben dürfte, wären danach verfassungswidrig. Das scheint angesichts der bereits bestehenden strikten Bindung des Gesetzgebers an Grundrechte und Verhältnismäßigkeit nicht mit Husters Ziel vereinbar, dem parlamentarischen Gesetzgeber zusätzlichen Entscheidungsspielraum einzuräumen, und schwächt die Religionsfreiheit eher, als dass es sie stärkt.253 Die schon herkömmlich anerkannte strikte Grundrechtsbindung spricht auch dagegen, von potentiell religiös-weltanschaulich fundierten Parlamentsentscheidungen abwertend als einem „ethischen Mehrheitsdiktat“254 zu sprechen. Denn selbst knappe parlamentarische Mehrheiten sind durch Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gebunden, sodass das Grundgesetz eine möglichst allgemein anerkannte, von vielen als gerecht einsehbare Ausgangsbasis gewährleistet. Im Ergebnis ist daher das Konzept der Begründungsneutralität nicht geeignet, das grundgesetzlich ausgestaltete Verhältnis von Staat und Religion schlüssig unter Wahrung der Gesamtkonzeption des deutschen Religionsverfassungsrechts wiederzugeben. Indem er die Inhalte des Neutralitätsbegriffs aber auf seine normativ fixierten Grundlagen beschränkt, die sich vor allem in den religionsbezogenen Gleichheitssätzen des Grundgesetzes finden, und dem Begriff für weitergehende Fragestellungen schlicht keine Entscheidungskraft zuspricht, kann Huster gleichwohl wertvolle Hinweise für die weitere Diskussion geben. d) Positive Neutralität Der Parlamentarische Rat hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst an Traditionsbeständen einer „wohlgeordneten Zusammenarbeit“255 von Staat und Kirche orientiert, um die großen christlichen Kirchen fest in den „Legitimationshaushalt“256 der entstehenden Bundesrepublik einzubinden. Dieser „Hintergrund geschichtlich gewachsener Verfassungstraditionen und kultureller Entwicklungen“257 ist bei der Auslegung des Religionsverfas253  Vgl. Heinig, JZ 2010, 357 (359); für Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hinsichtlich religiöser Belange auch Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 82. 254  Czermak, NVwZ 2003, 949 (953), (Hervorhebung nicht im Original). 255  Große Kracht, in: Gabriel / Höhn, Religion heute, S. 123 (134). 256  Große Kracht, in: Gabriel / Höhn, Religion heute, S. 123 (134). 257  Heinig, JZ 2010, 357 (358).



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sungsrechts zu berücksichtigen. Daraus zieht das BVerfG in gefestigter Rechtsprechung die Schlussfolgerung, die dem Staat aufgegebene religiösweltanschauliche Neutralität sei nicht als distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als positive Neutralität im Sinne einer Haltung, die offen für Religiöses ist und die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördert.258 Auch die zwischenzeitlich verstärkte Betonung distanzierender Elemente der Neutralitätspflicht im schulischen Bereich durch das BVerfG259 hat nicht zu einer grundlegenden Änderung der diesbezüglichen Rechtsprechung geführt, wie spätere Entscheidungen zeigen.260 Gleichwohl ist die verbreitete Rede von einer „fördernden Neutralität“261 oder „‚positive[n]‘ Neutralität“262 nicht gänzlich unproblematisch, weil sie verdeckt, dass das grundgesetzliche Religionsverfassungsrecht dem Staat im Hinblick auf den Umgang mit religiösen Themen einen großen Spielraum eröffnet, solange nur der ausdrücklich normierte Rahmen eingehalten wird.263 Das Grundgesetz entscheidet nicht abschließend, wie der Staat auf religiöse Verhaltensweisen der Grundrechtsträger zu reagieren hat. Daher obliegt es dem parlamentarischen Gesetzgeber, sich als „Frage der gesellschaftspolitischen Klugheit“264 für ein aus seiner Sicht sinnvolles Verhältnis zwischen Staat und Religion zu entscheiden. Ein so verstandener Neutrali258  Vgl. für das öffentliche Schulwesen BVerfGE 41, 29 (51) – Gemeinschaftsschule; 108, 282 (300) – Kopftuch; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 15; Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 70. Nicht gemeint ist insoweit eine inhaltliche Gleichheit der Förderung, die unterschiedliche Ausgangs- und Interessenlagen der Religionsgesellschaften unberücksichtigt ließe. Eine Anknüpfung an den öffentlichrechtlichen Status einer Religionsgesellschaft kann zudem durch Art. 140 i. V. m. Art. 137 Abs. 4–6 WRV gerechtfertigt sein. 259  Vgl. etwa BVerfGE 93, 1 (17, 23 f.) – Kruzifix, wonach der Staat wegen seiner Neutralitätspflicht trotz gesetzlicher Grundlage kein Kreuz im Klassenzimmer anbringen darf, ohne den Willen Andersglaubender zu berücksichtigen. 260  Etwa BVerfGE 108, 282 (300) – Kopftuch, wonach einer Lehrerin trotz staatlicher Neutralitätspflicht das Tragen eines religiös motivieren Kopftuches jedenfalls ohne spezialgesetzliche Grundlage nicht verboten werden darf. Vgl. zur Rechtsprechungsentwicklung allgemein etwa Koutnatzis, Verfassungsnormen, S. 260; Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 70. 261  Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 68. DJT II, Beschluss Nr. 1, S. O 199; eine in Deutschland zumindest faktisch befriedende Wirkung verkennend Renck, ThürVBl. 2008, 247 (247). 262  Korioth, in: MD, GG, Art. 140 (2003) Rn. 31. 263  Vgl. Heinig, JZ 2009, 1136 (1140); Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (117). 264  Siehe Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (121), der diese Offenheit sehr positiv bewertet.

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tätsgrundsatz steuert die parlamentarische Religionspolitik zwar, indem er Rahmenbedingungen vorgibt; er darf indes nicht als Aufhänger missbraucht werden, mit dem sich jede religionsrechtliche Streitigkeit – und mag sie noch so marginale Details betreffen – auf eine verfassungsrechtlich abschließend determinierte Ebene ziehen ließe, um so dem parlamentarischen Gesetzgeber jeden Gestaltungsspielraum zu nehmen.265 In diese Richtung weist partiell auch die jüngere Rechtsprechung des BVerfG, die etwa in Bezug auf das Kopftuch der Lehrerin eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage eingefordert, im Übrigen aber den Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung bestätigt hat.266 Zu den durch den Neutralitätsgrundsatz vorgegebenen Rahmenbedingungen gehört, dass sich erstens der Staat nicht mit einzelnen religiösen Anschauungen identifiziert, dass er sich zweitens religiöser Wertungen enthält und dass er drittens die verschiedenen religiösen Anschauungen paritätisch behandelt. aa) Nichtidentifikation Im Zentrum der Erörterungen des Neutralitätsgebotes durch Rechtsprechung und Literatur steht seit jeher der Grundsatz der Nichtidentifikation.267 Das Substantiv Identifikation stammt vom lateinischen idem facere ab und meint wörtlich übersetzt, aus zwei ursprünglich verschiedenen Dingen dasselbe zu machen. Der Grundsatz der Nichtidentifikation verbietet nach diesem wörtlichen Verständnis also, dass sich der Staat mit einer Religionsgemeinschaft gleichsetzt. Historisch ist das Gebot der Nichtidentifikation des Staates mit einer Religion etwa als Gegenentwurf zu Art. 14 Verf. Preuß. 1850 zu sehen. Dort 265  Vgl. Heinig, JZ 2009, 1136 (1140); Kirchhof, EssGespr. 39 (2005), 105 (106): Religionsfreiheit bietet „keinen abschließenden Maßstab“; Möllers, VVDStRL 68 (2009), 47 (78 f., 85). 266  BVerfGE 108, 282 (303, 309) – Kopftuch; vgl. ähnlich BVerfGE 122, 89 (110) – Lüdemann: „Da das GG theologische Fakultäten hiernach weder garantiert noch verbietet […]“; demgegenüber kritisch wegen Vernachlässigung des Neutralitätsprinzips Bäcker, NVwZ 2009, 827 (828). Vgl. BayVGH, NVwZ-RR 2010, 606 (607): Bildungsziele staatlicher „Gestaltung“ überlassen. Von einer politischen Problematik spricht auch Adenau, NWVBl. 2004, 289 (289). 267  Vgl. die Rechtsprechungsentwicklung BVerfGE 24, 236 (247 f.) – Rumpelkammer; 30, 415 (422) – Kirchenmitgliedschaft; 35, 366 (375) – Kreuz im Gerichtssaal; 41, 29 (52) – Gemeinschaftsschule; 93, 1 (17) – Kruzifix; BVerfGK 7, 320 (324); BVerwGE 141, 223 Rn. 35; BFHE 230, 93 Rn. 35; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 24; Czermak, NVwZ 2003, 949 (952); Muckel, in: HGR IV, § 96 Rn. 29; Waldhoff, NJW-Beil. 2010, 90 (90); Wick, Trennung, S. 11; zu den Grenzen BVerfGE 52, 223 (237) – Schulgebet.



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen221

hieß es: „Die christliche Religion wird bei denjenigen Einrichtungen des Staats, welche mit der Religionsübung im Zusammenhange stehen, unbeschadet der im Art. 12 gewährleisteten Religionsfreiheit, zum Grunde gelegt“. Das Christentum war danach zwar nicht Staatsreligion, doch wies die preußische Verfassung ihm gleichwohl eine normative Vorrangstellung im Vergleich zu anderen Religionen zu. Eine solche Identifikation der Bundesrepublik mit dem Christentum verstieße gegen den grundgesetzlichen Neutralitätsgrundsatz. Allerdings liegt Identifikation in diesem Sinne nicht schon immer dann vor, wenn der Staat irgendwie im Zusammenhang mit Religiösem tätig wird.268 Aus Nichtidentifikation folgt weder Ignoranz noch Indifferenz.269 Schlaich setzt deshalb einen gesteigerten Grad an Identifikation voraus, indem er von „Totalidentifikation“270 spricht; nur diese sei verboten. Unterscheidbarkeit und Unabhängigkeit im Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften schließen eine gleichzeitige Kooperation nicht aus.271 Vielmehr kann der freiheitliche Staat, den das BVerfG als Kulturstaat gekennzeichnet sieht,272 durchaus mit grundrechtsgeschützten Werten und Vorstellungen seiner Bürger umgehen, ohne sich zu einzelnen Anschauungen zu bekennen oder andere Vorstellungen auszuschließen.273 Das zeigt sich etwa bei der Parteienförderung gem. §§ 18 ff. PartG, bei der Wahrnehmung der Medienfreiheiten gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten,274 bei der Inanspruchnahme der 268  Vgl. BVerfGE 44, 103 (103 f.): „Die Kirchensteuerverwaltung durch staatliche Finanzämter [bedeutet] keine Identifikation mit einer bestimmten Kirche oder Religionsgemeinschaft.“; Müller-Volbehr, JZ 1995, 996 (998); Schlaich, Neutralität, S. 241. 269  Vgl. Herzog, in: MD, GG, Art. 4 (1988) Rn. 21; Isak, Selbstverständnis, S. 319; Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 71 f. 270  Schlaich, in: Mikat, Kirche und Staat, S. 427 (437). 271  Vgl. Huber, EssGespr. (42) 2008, 7 (21); Schaefer, VerwArch 103 (2012), 136 (152). 272  So BVerfGE 36, 321 (331) – Schallplatten; 81, 108 (116) – Steuervergünstigung; 111, 333 (353) – Hochschulgesetz Bbg; vgl. kritisch Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 199a; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Grimm, VVDStRL 42 (1984), 46 (64); Heckel, in: Rauscher, Religion, S. 141 (144); Huster, VVDStRL 65 (2006), 51 ff.; Robbers, in: Rusconi, Säkularisierter Staat, S. 173 (178); Sommermann, VVDStRL 65 (2006), 7 ff.; Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7 ff. 273  Vgl. Schlaich, Neutralität, S. 241; ders., in: Mikat, Kirche und Staat, S. 427 (442). 274  Nicht überzeugend gegen dieses Beispiel Schmidt-Eichstaedt, Staat 21 (1982), 423 (436), der behauptet im Unterschied zu den Kirchen würden die Rundfunkanstalten in ihren Aufgaben und Zielen von niemandem „bekämpft“ (ebd.), und dabei übersieht, dass sowohl von einer öffentlich-rechtlich veröffentlichten Meinung Betroffene als auch privatwirtschaftliche Konkurrenten der Rundfunkanstalten sehr

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG durch Künstler an staatlichen Kultureinrichtungen275 oder bei der Ausübung der Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG durch verbeamtete Professoren.276 In all diesen Institu­ tionen kommen Kunstauffassungen und ideologische oder politische Überzeugungen zur Sprache, ohne dass sie dadurch zu Ansichten des Staates würden.277 Gegen die Übertragbarkeit dieser Argumentationsmuster auf staatliches Handeln in religiösem Kontext wird teilweise angeführt, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV verbiete eben nur eine Staatskirche, nicht hingegen eine Staatskunst, so etwa Isak.278 Überzeugen kann diese Kritik nicht. Denn nicht jede staatliche Regelung einer religionsbezogenen Thematik beinhaltet eine verbotene Identifikation des Staates mit einer einzelnen Religion. Deswegen kann Gleiches wie für Rundfunk, Kunst oder Wissenschaft auch für staatliches Handeln in religiösem Kontext gelten: Etwa durch den besonderen strafrechtlichen Schutz von religiösen oder weltanschaulichen Bekenntwohl ein Interesse haben könnten, Existenz und Tätigkeiten der staatlichen Rundfunkanstalten in Frage zu stellen. 275  Einen Förderauftrag normiert etwa Art. 34 Verf. Bbg, Abs. 1: „Die Kunst ist frei. Sie bedarf der öffentlichen Förderung, insbesondere durch Unterstützung der Künstler.“ Abs. 2: „Das kulturelle Leben in seiner Vielfalt und die Vermittlung des kulturellen Erbes werden öffentlich gefördert. Kunstwerke und Denkmale der Kultur stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände.“ Vgl. Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 190, für ein bloßes Diskriminierungs- und Differenzierungsverbot für diese Materie; außerdem ders., ebd. Rn. 192, für eine grundrechtstypische Gefährdungslage öffentlich-rechtlicher Kunstschaffender. Vgl. weiterhin OVG BBbg, ZUM-RD 2011, 384 (386 f.), gegen eine umfassende Prüfungspflicht und Störereigenschaft einer öffentlich-rechtlich organisierten Bibliothek im Hinblick auf möglicherweise religiös wertende Buchveröffentlichungen; grds. ebenso BGH, MDR 1969, 918, wonach sich auf einem Markt der Meinungen eine öffentlichrechtliche Fernsehanstalt als Marktbetreiber nicht zwangsläufig jede Aussage identifizierend zu eigen macht, weshalb der BGH im Einzelfall eine Haftung der Fernsehanstalt ablehnt. 276  Universitäten und die dort Forschenden gehören neben Kirchen und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur herkömmlichen Ausnahmetrias, die sich trotz ihrer Eigenschaft als juristische Personen des öffentlichen Rechts (partiell) auf Grundrechte berufen können; vgl. BVerfGE 35, 79 (127) – Gruppenuniversität; 111, 226 (264) – Juniorprofessur; 111, 333 (351 ff.) – Hochschulgesetz Bbg; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 207; Ott, Religionslehrer, S. 173; Scholz, in: MD, GG, Art. 5 III (1977) Rn. 121; Rupp, in: HStR II, § 31 Rn. 32 Fn. 82: Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes „in ‚gekorener‘ Grundrechtsträgerschaft“ (ebd.). 277  Vgl. Robbers, in: Rusconi, Säkularisierter Staat, S. 173 (180); Schlaich, Neutralität, S. 241; Steinhauer, Lehrfreiheit, S. 77 f. 278  Vgl. Isak, Selbstverständnis, S. 267 f., allerdings in anderem Kontext; ebd., S. 321. Selbst ohne explizites grundgesetzliches Verbot von Staatskunst ist eine solche freilich nicht grenzenlos zulässig, vgl. Heckel, in: Rauscher, Religion, S. 141 (145).



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen223

nissen durch § 166 StGB279 oder durch die Normierung von Kirchendiebstahl als besonders schweren Fall des Diebstahls gem. § 243 Abs. 1 Nr. 4 StGB identifiziert sich der Staat weder mit einer religiösen Lehre noch mit allen diesen Lehren, sondern schützt – ganz neutral – den öffentlichen Frieden.280 Diese wenigen Beispiele machen schon deutlich, dass der Begriff der Nichtidentifikation keine letzte Klarheit bringt; seine „Konturen bleiben unscharf“281. So stellt sich die Frage, wann im Einzelfall eine verbotene Identifikation des Staates mit einer Religion oder Weltanschauung vorliegt: Identifiziert sich der Staat tatsächlich mit dem Islam einer Kopftuch tragenden Lehrerin282 oder mit staatlich geförderten Religionen283? Die gleiche Frage ist in Bezug auf religiös gebundene Staatsämter zu stellen: Verstößt der Staat durch die Einrichtung eines solchen Staatsamtes tatsächlich gegen das Gebot der Nichtidentifikation? Preuß geht davon aus, dass der Staat nicht durch die Schaffung konfessionsgebundener Staatsämter „die Verbindlichkeit kirchlicher Glaubenslehren […] in sein institutionelles Gefüge integriere[n]“284 dürfe. Die darin liegende Unterstellung, ein religiös gebundenes Staatsamt führe stets zu einer Identifikation mit der jeweiligen Konfession, bleibt allerdings unbegründet. Ein Ansatz zur Lösung findet sich schon im Schulgebets-Beschluss des BVerfG aus dem Jahr 1979. Dort heißt es, das Schulgebet als religiöser Bekenntnisakt, das außerhalb des 279  Vgl.

Art. 144 Abs. 2 Verf. BY. Lenckner / Bosch, in: Schönke / Schröder, StGB, Vorbem. §§ 166 ff. Rn. 2; Winter, KuR 2008, 58 (66); Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 68. DJT II, Beschluss Nr. 16, S. O 201; ferner Heckel, Gleichheit, S. 97. 281  Ladeur / Augsberg, JZ 2007, 12 (16). Manche ergänzen in Anbetracht dieser Unschärfen Nichtidentifikation um weitere beschreibende Attribute, die zwar meist zutreffende Aspekte hervorheben, aber ebenso wenig im Sinne einer Definition verstanden werden können; vgl. Gabriel, EssGespr. 39 (2005), 11 (27): „respektvolle Nichtidentifikation“. 282  Dagegen ausdrücklich BVerfGE 108, 282 (306) – Kopftuch, obwohl das BVerfG eine solche Identifikation in der Diskussion wohl unterstellt, wenn es der Glaubensfreiheit der Lehrerin die religiös-weltanschauliche Neutralität gegenüberstellt. Skeptisch auch Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (119), solange „deutlich ist, dass es sich nicht um das Kopftuch des Staates, sondern um das Kopftuch der Lehrerin handelt, das der Dienstherr lediglich duldet“. Ferner ablehnend zur Identifikation des Staates mit dem Christentum durch Aufhängen Kreuz im Klassenzimmer BVerwGE 109, 40 (45 ff.) – Kruzifix; anders wohl BVerfGE 93, 1 (18) – Kruzifix. Das an Lehrer öffentlicher Schulen gerichtete Verbot, den Schulfrieden gefährdende religiöse Symbole zu tragen, ist nach BVerfGK 7, 320 zumindest potentiell verfassungskonform, soweit sich der Staat nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifiziert. 283  Vgl. Meyer-Teschendorf, Staat und Kirche, S. 145 ff. 284  Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 42. 280  Vgl.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Religionsunterrichts auf Basis völliger Freiwilligkeit gesprochen werde, sei nicht Teil des allgemeinen Schulunterrichts, der im Rahmen des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags erteilt wird. „Es ist keine Unterweisung, wie sie den Unterricht als solchen kennzeichnet, keine Weitergabe von Wissen an die Schüler, aber auch keine gezielte erzieherische Einflußnahme seitens Schule und Lehrer auf die Kinder, sondern eine im Regelfall gemeinsam mit dem Lehrer ausgeübte religiöse Betätigung“, so das BVerfG wörtlich.285 Deswegen falle das Schulgebet noch nicht einmal unter die „Vermittlung christlicher Kultur- und Bildungswerte“286, die im Rahmen des allgemeinen Unterrichts an christlichen Gemeinschaftsschulen zulässig sein soll.287 Religiöses Verhalten eines Lehrers im Kontext der staatlichen Schule, wenn auch ausdrücklich nicht als „Teil des allgemeinen Schulunterrichts“288, hält das BVerfG also nicht für unzulässig. Prinzipiell erscheint daher auch eine religiös gebundene Besetzung öffentlicher Ämter ohne verbotene Parteinahme des Staates danach durchaus vorstellbar, solange der Staat sich dabei nicht mit einer einzelnen Religion identifiziert.289 Zur Frage, wie der Staat diesen Gleichbehandlungsanspruch gewährleistet, gibt das so begründete Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität keine Antwort; sowohl eine strikte Trennung als auch eine gleichmäßige Förderung können das Gebot der Nichtidentifikation und damit die Neutralität wahren.290 Eine Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften bleibt möglich, das Neutralitätsgebot gebietet sie aber nicht.291 Hier hat also der Gesetzgeber einen bedeutenden Entscheidungsspielraum.292 Er vollzieht nicht bloß die Verfassung, sondern ist an das Grundgesetz als „Rahmenordnung“293 gebunden, hat aber zugleich unterschiedliche Handlungsalternativen, die gleichermaßen dem Grundgesetz entsprechen.

285  BVerfGE

52, 223 (238 f.) – Schulgebet. 52, 223 (239) – Schulgebet. 287  Vgl. BVerfGE 41, 29 (52) – Gemeinschaftsschule. 288  BVerfGE 52, 223 (238) – Schulgebet. 289  Vgl. für Theologieprofessoren Classen, Religionsrecht, Rn. 531; wohl ebenso Böckenförde, Säkularisierter Staat, S. 15; Waldhoff, NJW-Beil. 2010, 90 (92), scheint keine Identifikation des Staates mit der Religion eines staatlichen angestellten Religionslehrers zu sehen. 290  Vgl. Huster, Neutralität, S. 636 f.; ders., in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (117). 291  Vgl. Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (122). 292  Vgl. für staatlichen Entscheidungsspielraum am Maßstab der Menschenrechte EGMR, NVwZ 2011, 737 (740) – Lautsi u. a. / Italien. 293  Bethge, in: HGR III, § 72 Rn. 75; vgl. zu Folgeproblemen aber Sachs, in: Stern, StaatsR III / 2, § 81 S. 569. 286  BVerfGE



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen225

bb) Verbot religiöser Wertungen Im Zuge der fortschreitenden Säkularisation nimmt der Staat keine objektive Wahrheit mehr für sich in Anspruch.294 Die abendländischen Staaten gründen nicht mehr auf einem Wahrheits-, sondern auf einem Geltungsanspruch ihrer Rechtsordnung: „Nicht durch Wahrheit, sondern durch öffentliche Bestätigung wird etwas zum Gesetz.“295 Religion ist im weltanschaulich neutralen Staat nicht mehr „verbindliche Grundlage und Ferment der staatlichen Ordnung“296; der Staat „hat und vertritt keine Religion“297. Es ist ihm verboten, sich in die inneren Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften einzumischen, aus religiösen Gründen Partei für eine Religion zu ergreifen oder Religionen auf ihren religiösen Wahrheitsgehalt hin bewertend zu rezensieren.298 Diese Bewertungskompetenz, die der vorsäkulare Staat für sich in Anspruch genommen hatte, ist ausschließlich auf die (individuellen oder korporativen) Grundrechtsträger übergegangen, weil der Staat keine dahingehende Kompetenz mehr besitzt.299 Davon unberührt bleibt das staatliche Recht, religiös motiviertes Verhalten am „säkularen Maßstab der Verfassung zu prüfen“300. Der Schutz einer (religionsbezogenen) Rechtsposition setzt auch ihre verbindliche Definition voraus.301 294  Vgl. Falterbaum, Der Staat 37 (1998), 624 (627); Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 68; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Präambel Rn. 3: gegen „Verabsolutierung der Staatsgewalt“. 295  Hobbes, Leviathan, S. 234 f.; bekannt die lateinische Ausgabe: „Auctoritas […], non veritas facit legem.“ Vgl. die Anmerkung von Maschke, in: Schmitt, Leviathan, S. 196; ferner Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 17; Hillgruber, Religion, S. 12. 296  Böckenförde, Säkularisierter Staat, S. 12. 297  Böckenförde, Säkularisierter Staat, S. 12. 298  Vgl. BVerwG, NVwZ 2014, 237 Rn. 22: Verbot von staatlicher „Beeinflussung oder gar Agitation“; Meyer-Teschendorf, Staat und Kirche, S. 158 ff. (161); Mückl, EssGespr. 40 (2007), 41 (57). Problematisch sind daher staatliche Warnungen vor religiösen Gruppierungen, vgl. BVerfGE 105, 279 – Osho, die aber durch die Staatsleitungsaufgabe der Bundesregierung legitimiert sein sollen (ebd., S.  301 ff.). 299  Vgl. Grzeszick, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 131 (144 f.); Heckel, in: Rauscher, Religion, S. 141 (157); Schlaich, Neutralität, S. 264. 300  Heinig, JZ 2010, 357 (359). Vgl. mit säkularer Begründung etwa BVerwG, DÖV 2011, 367 LS, gegen einen Anspruch auf Sonderurlaub für die Teilnahme an Bezirkskongressen der Zeugen Jehovas, obwohl gem. § 7 S. 1 Nr. 7 Sonderurlaubsverordnung des Bundes für Kirchentage Sonderurlaub gewährt wird. Denn: Der „Deutsche Katholikentag und der Deutsche Evangelische Kirchentag [zielen] neben ihrer Funktion als Veranstaltungen der privaten Glaubensbetätigung maßgeblich auf die Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung“ (Rn. 22), und dies treffe auf die Bezirkskongresse der Zeugen Jehovas nicht zu. Die Differenzierung erfolge also nicht aufgrund religiöser Wertungen des Staates, sondern wegen der unter-

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Allerdings weisen in jüngerer Zeit zahlreiche Autoren darauf hin, dass ein säkularer Staat in der Gefahr stehe, die einst vorherrschenden Religionen mit ihrem Jenseitsbezug durch eine „materiale, laizistisch-liberale Dies­ seitsphilosophie“302 zu ersetzen, die schnell mit einem absoluten Normierungsanspruch auftrete und so zur Ersatzreligion303 aufgebläht würde. Der säkulare Staat darf seine Säkularität nicht seinerseits zu einer „postreligiösen Weltanschauung“304 überhöhen und nicht einseitig eine areligiöse Gesinnung seiner Bürger fördern oder fordern.305 Denn eine solche Weltanschauung wäre ihrerseits nicht neutral und würde diejenigen benachteiligen, die ihre positive Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG wahrnehmen wollen.306 Die Abkopplung des Staates von religiösen Wahrheiten bedinge aber eine Abkopplung von allen anderen, strukturell vergleichbaren letzten, weltanschaulichen Wahrheiten, so Große Kracht.307 Danach enthält sich der freiheitliche Staat absoluter Wertungen; auch die Demokratie erhebt nicht ihrerseits den Anspruch, im Besitz einer objektiven Wahrheit zu sein.308 Die aktive Verbreitung eines allgemeinen Atheismus ist ebenso wenig wie die einseitige staatliche Verbreitung von Religiosität ein verfassungskonformes Ziel, weil beides die religiös-weltanschauliche Neutralität verletzt.309 Keine 301

schiedlichen „gesellschaftlichen Wirkung“ (Rn. 25) der Veranstaltungen; vgl. Sachs, BayVBl. 1986, 193 ff.; Renck, NVwZ 1987, 669 ff., beide gegen BVerwG, NVwZ 1987, 699 (699 f.); ferner BVerfGE 105, 279 (294); BayVGH, BayVBl. 2009, 629 Rn. 44 ff., zum gesetzlichen Schutz der Feiertagsruhe an religiösen Feiertagen; Gär­ ditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 45; Hillgruber, Religion, S. 54: „Ein striktes Verbot der Glaubensbewertung lässt sich […] nicht durchhalten.“ 301  Vgl. Muckel, Freiheit, S. 61 ff.; Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 (112). 302  Große Kracht, in: Gabriel / Höhn, Religion heute, S. 123 (130 f.). Di Fabio, Gewissen, S. 29, warnt vor einem „antireligiösen Affekt[…]“; vgl. VGH BW, DVBl. 2012, 1055 (1056), gegen einen Anspruch auf Unterlassung von liturgischem Glockengeläut; Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (349). 303  Vgl. EGMR, NVwZ 2011, 737 (739) – Lautsi u. a. / Italien, wonach auch Anhänger der Laizität den Schutz weltanschaulicher Überzeugungen für sich in Anspruch nehmen können. 304  Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 48; vgl. auch Bielefeldt, Rechtsstaat, S. 43 ff.; Schlaich, Neutralität, S. 243. 305  Vgl. ebenso Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 71; Böckenförde, Säkularisierter Staat, S. 22 f., der dazu Papst Johannes Paul II. zitiert. 306  Vgl. Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 107: Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG ist „nicht Trennungsnorm“ in dem Sinne, dass diejenigen zu bevorzugen wären, die ihrerseits von Religion „nichts wissen wollen“. 307  Vgl. Große Kracht, in: Gabriel / Höhn, Religion heute, S. 123 (131). 308  Vgl. Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 25. 309  Vgl. Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (349); Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 31; ferner kritisch zur Förderung des Humanistischen Verbandes Deutschland Mückl, EssGespr. 40 (2007), 41 (55).



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen

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uneingeschränkte Zustimmung verdient deswegen etwa die Behauptung, ein religionsneutraler Staat verwehre der Religion den „Zugriff auf staatliche Institutionen und Ämter“310. cc) Parität der Religionsgemeinschaften Das Grundgesetz erwähnt einen Grundsatz der Parität nicht ausdrücklich, doch hat die Parität als Ausprägung der grundgesetzlichen Gleichheitssätze und als Kernforderung des Religionsverfassungsrechts gleichwohl große Bedeutung erlangt.311 Nach dem Paritätsgrundsatz sind alle Bürger unter religiösen Gesichtspunkten gleich zu behandeln. Insbesondere ist danach die rechtliche Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Religionsgemeinschaften durch den Staat verboten,312 soweit nicht die Bevorzugung der öffentlich-rechtlich verfassten Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV gerechtfertigt ist.313 Dabei ignoriert der Staat allerdings weder religiöse Unterschiede, noch darf er religiöse Positionen nivellieren.314 Paradigmatisch für das rechtswissenschaftliche Schrifttum der jungen Bundesrepublik unterscheidet Heckel drei Gruppen von Religionsgemeinschaften: die großen christlichen Kirchen, andere Religionsgemeinschaften mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und schließlich privatrechtlich organisierte Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.315 Die zwischen diesen Gruppen bestehenden Unterschiede seien zu achten, es dürfe keineswegs eine „nivellierende Auslegung Platz greifen“316. Ein solcher Ansatz lässt sich durch den zwar 310  Böckenförde,

Säkularisierter Staat, S. 14 f. Rspr. seit BVerfGE 19, 1 (8) – Gebührenfreiheit; 24, 236 (246) – Rumpelkammer; 33, 23 (28) – Eidesformel; vgl. Czermak, NVwZ 2003, 949 (952); Wick, Trennung, S. 13. 312  Vgl. BVerfGE 19, 1 (8) – Gebührenfreiheit; 24, 236 (246) – Rumpelkammer; BGH, NStZ 2010, 646 Rn. 14; Wick, Trennung, S. 13; für die Verfassungsmäßigkeit einer Differenzierung im Hinblick auf eine Grundsteuerbefreiung aber BFHE 230, 93 Rn.  31 ff. 313  Vgl. zu Reichweite und Grenzen zulässiger Differenzierungen Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 21. Zudem wird die Brisanz dieser Differenzierung abgeschwächt, indem der Körperschaftsstatus gem. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV unter bestimmten Voraussetzungen allen Religionsgesellschaften offen steht. 314  Vgl. BVerfGE 19, 1 (8) – Gebührenfreiheit: „[…]gebietet das Grundgesetz nicht, daß der Staat alle Religionsgemeinschaften schematisch gleichbehandelt.“; Heckel, Art. Parität in: EvStL, Sp. 2419; Kirchhof, EssGespr. 39 (2005), 105 (116), gegen die „gedankliche Bequemlichkeit […] einer formalen Gleichheit“. 315  Vgl. Heckel, in: FS Smend, 1952, S. 103 (109); dazu v. Campenhausen / Un­ ruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 34 Fn. 75 m. w. N. 316  Heckel, in: FS Smend, 1952, S. 103 (109); für die Verfassungsmäßigkeit von Unterscheidungen zwischen als öffentlich rechtliche Körperschaft organisierten und 311  St.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

sinkenden, aber nach wie noch überwiegenden Anteil der Christen an der deutschen Bevölkerung erklären.317 Über Jahrhunderte hinweg war das Christentum fast unangefochten der einzige maßgebliche religiöse Faktor, sodass auch jegliche Art von Kooperation – wie etwa im Schul- und Universitätswesen oder bei der Anstaltsseelsorge – wie selbstverständlich in christlichem Kontext gedacht wurde. Auch die Verantwortung vor Gott im Sinne der Grundgesetz-Präambel dürften die Mütter und Väter des Grundgesetzes faktisch vor dem christlichen Gott gespürt haben.318 In Rechtsprechung und Literatur wird ein Paritätsgrundsatz zum Teil vorausgesetzt, ohne dass eine normative Grundlage benannt würde.319 An anderer Stelle wird allgemein auf den allgemeinen und die besonderen Gleichheitssätze Art. 3 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3 GG Bezug genommen;320 wieder andere verweisen auf die religiösen Freiheitsrechte (insbes. Art. 4 Abs. 1, 2 GG).321 Praktisch relevant ist diese Kontroverse für die Frage nach Rechtfertigungsmöglichkeiten für Abweichungen vom Paritätsgrundsatz: Wer den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG oder allgemeine religionsverfassungsrechtliche Prinzipien als Grundlage des Paritätsgebotes anführt, mag einen „sachlich vertretbare[n] Gesichtspunkt“322 anderen Religionsgemeinschaften BFHE 230, 93 Rn. 31 ff., zur Beschränkung der Grundsteuerbefreiung auf inkorporierte Religionsgemeinschaften; vgl. Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 36: „Grundsatz gestufter Parität“. 317  Am 31.12.2010 gehörten von den 81 751 600 Deutschen 23 896 000 der Evangelischen Kirche und 24 651 000 der Katholischen Kirche an, was einem Anteil von rund 60 Prozent an der Gesamtbevölkerung entspricht; 104 000 Deutsche waren jüdischen Glaubens, vgl. Angaben des Statistischen Bundesamtes, www.destatis. de / DE / ZahlenFakten / GesellschaftStaat / Bevoelkerung / Bevoelkerungsstand / Tabel len / AltersgruppenFamilienstand.html, abgerufen am 16.4.2012. Am 13.9.1950 lag der Anteil von katholischen und evangelischen Christen noch bei 96,4 Prozent, vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 1952, S. 28. 318  Vgl. Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Präambel Rn. 16; gleichwohl gegen prochristliche Auslegungsmaxime ebd.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Präambel Rn. 3. 319  Vgl. BVerfGE 19, 1 (8) – Gebührenfreiheit; 24, 236 (246) – Rumpelkammer; 33, 23 (28) – Eidesformel; Czermak, Weltanschauungsrecht, Rn. 166; Papier, in: FS Scholz, 2007, S. 1123 (1128). 320  Vgl. v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 91; Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 5. 321  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 32; Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 168. s. aber Muckel, in: de Wall /  Muckel, Kirchenrecht, § 13 Rn. 5: „[V]orverfassungsrechtlicher Ausgangspunkt [ist] die Trennung von Staat und Kirche“. 322  BVerfGE 19, 1 (8) – Gebührenfreiheit; vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 34; Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 168.



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als Rechtfertigungsgrund für Differenzierungen akzeptieren.323 Wer hingegen vom Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbot gem. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ausgeht, kann Abweichungen von diesem nur dann als gerechtfertigt ansehen, wenn die Verfassung selbst sie vorschreibt oder zulässt. Da Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG mit seinem umfassenden Geltungsanspruch nicht erkennen lässt, gerade für religionsbezogene Bevorzugungen oder Benachteiligungen eines Grundrechtsträgers zugunsten eines weniger strikten Paritätsgebotes zurückzutreten, bleibt der besondere Gleichheitssatz für Benachteiligungen und Bevorzugungen in religiösem Kontext die primär anwendbare Norm. Will der grundrechtsgebundene Staat benachteiligende oder bevorzugende Rechtsfolgen an die religiösen Anschauungen eines Grundrechtsträgers knüpfen, so bedarf dies der Rechtfertigung durch kollidierendes Bundesverfassungsrecht. Lediglich für mittelbare Anknüpfungen kommt eine Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG und für einen solchen Fall eine Rechtfertigung durch einen „sachlich vertretbare[n] Gesichtspunkt“324 in Betracht,325 wobei allerdings bei Berührung der grundrechtlichen Religionsfreiheit der verschärfte Maßstab der sogenannten neuen Formel gilt.326 Bei Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass die freiheitliche Religionsverfassung des Grundgesetzes keine Anhaltspunkte dafür hergibt, die christlichen Kirchen aus religiösen Gründen zu bevorzugen. Vielmehr 323  Dann drohte allerdings tatsächlich eine Abschwächung des Diskriminierungsverbotes zum staatskirchenrechtlichen Paritätsgebot, vgl. Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 133, der diese Entwicklung aber als verfassungsgemäß zu erachten scheint. 324  BVerfGE 19, 1 (8) – Gebührenfreiheit; vgl. v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 91: „sachliche Gründe“; Vgl. allgemein zu Art. 3 Abs. 1 GG, der es verbiete, wesentlich Gleiches ohne rechtfertigenden, sachlichen Grund ungleich zu behandeln BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat; 108, 52 (68); ähnlich BVerfGE 120, 125 (144); 121, 317 (369); 122, 39 (52 f.); 126, 400 (416) – Erbschaftssteuer; 127, 224 (244) – Körperschaftssteuer; 127, 263 (280) – Haftungsprivilegierung; zur Formulierung s. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 120 S. 1471 f., m. w. N.; ferner Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 27; der Sache nach ebenso für das Paritätsgebot Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 74. Siehe aber Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 196, der zwar auf die Dogmatik von Art. 3 Abs. 1 GG verweist, den Inhalt einer religiösen Überzeugung aber generell als sachlichen Rechtfertigungsgrund ausschließt; ähnlich Mückl, in: BK, GG, Art. 4 Rn. 155 f., der aber zwischen einer individuellen und einer korporativen Dimension unterscheiden und für letztere prinzipiell einen weniger strengen Rechtfertigungsmaßstab anlegen will. 325  Vgl. Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 106; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 140 Rn. 32; Mückl, in: BK, GG, Art. 4 Rn. 156, der Art. 3 Abs. 1 GG „in Randbereichen“ für anwendbar hält; ferner Jeand’Heur / Ko­ rioth, Staatskirchenrecht, Rn. 168. 326  Vgl. Sachs, Grundrechte, B3 Rn. 27, zu Fällen besonderer Grundrechtsrelevanz.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

sind alle Religionsgemeinschaften in diesem Sinne zunächst als rechtlich gleich-gültig zu betrachten.327 Verfassungsrechtlich angelegt ist dagegen die Unterscheidung zwischen zivilrechtlich organisierten Religionsgesellschaften, dem verfassungsrechtlichen Regelfall gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 4 WRV, und solchen Religionsgesellschaften, die gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben,328 wobei dieser Status gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV auch anderen Religionsgesellschaften zu gewähren ist, sofern diese durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer329 bieten. Im Übrigen soll der öffentlich-rechtliche Status einer Religionsgemeinschaft nicht automatisch zu Privilegien führen.330 Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 7 WRV stellt den Religions- auch die Weltanschauungsgemeinschaften gleich.331 Ausdrücklich betont deswegen das BVerfG, die Freiheit der Religionsausübung erstrecke sich nicht nur auf die christlichen Kirchen, sondern auch auf andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.332 Festhalten lässt sich, dass das grundgesetzliche Religionsverfassungsrecht die verschiedenen Religionsgemeinschaften als gleichwertig betrachtet. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbietet religionsabhängige Benachteiligungen oder Bevorzugungen, sofern diese nicht aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts gerechtfertigt sind. In keinem Fall kommen religiöse Wertungen als Rechtfertigungskriterium in Frage. Wenn der Staat sich vor diesem Hintergrund für eine Kooperation mit den Religionsgemeinschaften entscheidet, kommt es deshalb darauf an, dass er diese Zusammenarbeit allen Religionsgemeinschaften anbietet, unabhängig davon, ob diese das Angebot sodann annehmen oder ablehnen.

327  Vgl. Mückl, in: HStR VII, § 159 Rn. 73; zur Unterscheidung anhand der Rechtsnatur Weiß, KritV 83 (2000), 104 ff. 328  Vgl. etwa § 10 Abs. 1 Nr. 2 JFDG, wonach Religionsgemeinschaften mit dem Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft als Träger eines Freiwilligen Sozialen Jahres in Betracht kommen. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass andere Reli­ gionsgemeinschaften nur mit besonderer Anerkennung Träger sein können. 329  Vgl. zu Verfassungs- und Rechtstreue als ungeschriebenen Voraussetzungen etwa BVerfGE 102, 370 (390 ff.) – Zeugen Jehovas; BVerwG, NJW 2006, 3156 (3156 ff.); BVerwGE 105, 117 (LS 1); 123, 49; zuletzt VG Mainz, NVwZ-RR 2012, 417 (417 f.); v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 211 ff.; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 28, je m. w. N. 330  Vgl. BVerfGE 102, 370 (396) – Zeugen Jehovas; anders Mikat, in: Bettermann u. a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (141), mit Bezug auf Art. 4 Verf. BW. 331  Vgl. etwa v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 275 ff.; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 37. 332  Vgl. BVerfGE 19, 1 (8) – Gebührenfreiheit; 24, 236 (246) – Rumpelkammer.



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Besteht der Anknüpfungspunkt hingegen nicht in religiösen Anschauungen, sondern in anderen Kriterien, die allenfalls in mittelbarem Zusammenhang mit der Religion stehen, ist Art. 3 Abs. 1 GG – wenn man dies so nennen möchte, in Gestalt des religionsverfassungsrechtlichen Paritätsgebots – der Prüfungsmaßstab. Differenzierungen sind danach zulässig, wenn zwischen den zu vergleichenden Sachverhalten Unterschiede von solchem Gewicht vorliegen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Zulässig sind dann auch in Anbetracht des Paritätsgrundsatzes insbesondere solche Differenzierungen, die durch „tatsächliche Verschiedenheiten der einzelnen Religionsgesellschaften bedingt“333 sind. Anlass für eine Differenzierung kann etwa die Nachfrage der Bevölkerung nach staatlichem Religionsunterricht oder anderen staatlichen Ange­ boten sein.334 Verfassungsrechtlich legitim kann es auch sein, „die ‚spirituelle‘ Kraft insbesondere der Kirchen für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zu nutzen“335, soweit daraus keine Bewertung einzelner Reli­ gionsgemeinschaften nach theologischen Kriterien folgt. In Anlehnung an die für das Recht der Parteienförderung geltenden Maßstäbe darf zulässiger­ weise berücksichtigt werden, wie viele Mitglieder eine Religionsgemeinschaft hat,336 inwiefern eine Religion ein „prägende[r] Kultur- und Bildungs­ faktor[…]“337 ist und gesellschaftspolitisch förderungswürdige Belange unterstützt. Ebenso kann es unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften zulässig sein, danach zu differenzieren, ob und wie intensiv eine Religionsgemeinschaft mit dem Staat kooperieren 333  BVerfGE 19, 1 (8) – Gebührenfreiheit; vgl. ebenso Badura, Schutz von Religion, S. 82; VG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2011 – 18 K 5288 / 07 –, Juris: Rn. 15, zu Unterschieden zwischen humanistischen Weltanschauungen und religiösen Auffassungen im Hinblick auf einen Anspruch auf Religionsunterricht gem. Art. 7 Abs. 3 GG; ferner Papier, in: FS Scholz, 2007, S. 1123 (1128). 334  Vgl. Heckel, Gleichheit, S. 102. 335  Ladeur / Augsberg, JZ 2007, 12 (17 f.); vgl. ähnlich Kirchhof, EssGespr. 39 (2005), S. 105 (116); hingegen für die strikte Anerkennung „religiöser Selbstzweckhaftigkeit“ Heinig, JZ 2009, 1136 (1139); ders., JZ 2010, 357 (359); ähnlich Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 68. DJT II, Beschluss Nr. 3, S. O 199; gegen staatliche Religionsförderung als Selbstzweck aber Adenau, NWVBl. 2004, 289 (290). 336  Vgl. Traulsen, Art. Gleichbehandlung / Diskriminierungsverbot / Parität, in: Hei­ nig / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 68. Daraus folgt indes nicht, dass ein bestimmtes Mitgliederquorum je Einwohner schematisch zur Voraussetzung zur Förderung gemacht werden dürfte, vgl. VGH HE, NVwZ 2011, 1531 (1532), zur Verleihung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftstatus. 337  Huster, in: Heinig / Walter, Staatskirchenrecht, S. 107 (123), unter Berufung auf BVerfGE 41, 65 (78) – Schulgesetz BY; vgl. ferner Ladeur / Augsberg, JZ 2007, 12 (17); Stock, RdJB 2005, 94 (96), der von „Binnenpluralität“ spricht und einen Vergleich zum Medienrecht zieht.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

will.338 Keinesfalls darf demgegenüber auf Glaubenswahrheiten abgestellt werden.339 Im Hinblick auf religiös gebundene Ämter ist allerdings keine grundsätzliche rechtliche Sonderstellung der traditionellen christlichen Kirchen ersichtlich, sondern es bestehen lediglich faktische Unterschiede.340 So zielen die staatlichen Bemühungen nicht etwa darauf ab, bekenntnisgebundene islamische Theologie an Universitäten oder Schulen zu verhindern, sondern sie im Gegenteil – trotz aller damit verbundenen verfassungsrechtlichen und praktischen Schwierigkeiten – zu etablieren.341 Auch ist nicht ersichtlich, dass von einer Religionsgesellschaft geforderte Anstaltsseelsorger staat­ licherseits generell abgelehnt worden wären.342

IV. Zwischenergebnis zu B. Die Inhaber religiös gebundener Staatsämter sind kraft staatlichen Rechts verpflichtet, bei ihrer Amtsausübung in religiösem Kontext tätig zu werden.343 Die Verfassungsmäßigkeit dieser Konstruktion setzt neben der Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV die Vereinbarkeit mit den übrigen religionsverfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes voraus. Das bundesrepublikanische Religionsverfassungsrecht ist historisch das Ergebnis eines zweifachen Kompromisses und findet sich deswegen recht zersplittert im 338  Vgl. BVerfGE 102, 370 (396) – Zeugen Jehovas; Heckel, in: HStKR I, § 21 S. 631 f.; skeptisch Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 64, gegen ein Diktat des Staatskirchenrechts über die besonderen Gleichheitssätze; ders., Diskriminierungsverbot, S.  251 ff. 339  Das tut auch BVerwG, DÖV 2011, 367 LS, nicht, wenn es einen Anspruch auf Sonderurlaub für die Teilnahme an Bezirkskongressen der Zeugen Jehovas ablehnt, obwohl gem. § 7 S. 1 Nr. 7 Sonderurlaubsverordnung des Bundes für die Teilnahme an evangelischen und katholischen Kirchentage Sonderurlaub gewährt wird, indem das BVerwG die Ungleichbehandlung ausdrücklich mit der unterschiedlichen gesellschaftlichen Wirkung der Veranstaltungen begründet. 340  Durchweg mit dieser Unterstellung Renck, BayVBl. 1988, 225 (229); ders., ThürVBl. 2008, 247 (248). 341  Siehe zur übergangsweisen Einführung islamischen Religionsunterrichts, obwohl noch keine entsprechende Religionsgemeinschaft existiert, § 132a SchulG NW. 342  Vgl. etwa Frankreich, wo es angesichts des höheren Anteils an Muslimen im Militär auch islamische Seelsorger gibt; s. aber im Einzelfall zu Bedenken gegen einen salafistischen Gefangenenseelsorger Müller, FAZ v. 30.5.2012, S. 5. 343  Vgl. v. Campenhausen, in: FS Maunz, 1981, S. 27 (28); Wagner, Bestenauslese, S. 27, wonach die in Fragen des Glaubens für den Staat verbindliche Würdigung durch die Kirche zu einer „Degradierung“ des staatlichen Amtes „zum bloßen Ausführungssubjekt fremden Willens“ führt.



B. Religionsverfassungsrechtliche Modifizierungen233

Grundgesetz; insbesondere sind wegen der ungewöhnlichen Inkorporationslösung gem. Art. 140 GG einzeln aufgeführte Artikel der Weimarer Reichsverfassung vollgültige Bestandteile des Grundgesetzes. Danach lassen sich die grundgesetzlichen Anforderungen wie folgt zusammenfassen: Das Verbot der Staatskirche gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV besagt, dass die Religionsgemeinschaften als solche nicht Teil des Staatsgebildes sein dürfen; Staat und Religion werden ihrem Wesen nach unterschieden. Daraus folgt insbesondere, dass der Staat nicht in die inneren Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften eingreifen darf, solange sich diese im Rahmen des für alle geltenden Gesetzes bewegen. Soweit man diesen normativen Gehalt mit dem Begriff Trennung bezeichnen will, so lässt sich aus dem Grundgesetz jedenfalls keine feindschaftliche Trennung zwischen Staat und Religion ableiten.344 Vielmehr ist das historisch gewachsene und an vielen Stellen im Grundgesetz verankerte koordinative Verhältnis zu beachten, wonach Staat und Religionsgemeinschaften bei der Erfüllung unterschiedlicher Aufgaben zusammenarbeiten. Zugleich muss der Staat die Vorgaben der grundgesetzlichen religionsbezogenen Benachteiligungsverbote wahren, die im Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates zusammengefasst werden. Diese Neutralität folgt allerdings nicht etwa aus einem der Verfassung vorgeordneten Grundsatz, sondern aus den bereits genannten positivierten grundgesetzlichen Gleichheitssätzen, der Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sowie dem Verbot einer Staatskirche gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV.345 Danach hat sich der Staat gegenüber unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen neutral zu verhalten und darf sich insbesondere nicht mit einer von ihnen identifizieren.346 Hingegen finden „radikallaizistische Deutungen staatlicher Neutralität“347 im Grundgesetz keine Stütze und sind deswegen abzulehnen. „Neutralität besteht nicht in bloßem Nichtstun.“348 Die Rolle des Staates lässt sich vielmehr mit der eines aktiven Moderators (lateinisch von moderare: mäßigen, steuern, lenken) vergleichen, der gegebenenfalls tätig werden kann und soll, um zugleich größtmögliche Freiheit aller und religiösen Frieden in der Gesellschaft zu gewährleisten beziehungsweise herzustellen. Sofern sich beide Ziele als (partiell) unvereinbar erweisen, obliegt es dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber, unter Wahrung des Isensee, in: FS Listl, 1999, S. 67 (78), m. w. N. Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 38. 346  Vgl. Herzog, in: MD, GG, Art. 4 (1988) Rn. 71. 347  Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 34. 348  Schlaich, in: Mikat, Kirche und Staat, S. 427 (445). 344  Vgl. 345  Vgl.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Grundsatzes praktischer Konkordanz eine Lösung herbeizuführen, die beide Aspekte in einen schonenden, verhältnismäßigen Ausgleich bringt. Förderlich mag dazu etwa ein (staatlich angeregter) Dialog unter und mit den verschiedenen Religionen und Weltanschauungen sein.349 Es steht dem Staat also grundsätzlich frei, mit religiös oder weltanschaulich geprägten Gruppierungen zusammenzuarbeiten und dabei auch über die im Grundgesetz explizit vorgesehenen Formen hinausgehend mit ihnen zu kooperieren, solange er sich dabei nicht mit einer Religion identifiziert oder den Paritätsgrundsatz missachtet.350

C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter Die herausgearbeiteten Kriterien zur Bewertung der Verfassungsmäßigkeit religiös gebundener öffentlicher Ämter sollen im Folgenden auf die einzelnen betroffenen Ämter angewendet werden. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Lehrerämter (I.–III.), Professoren (IV.–VII.) sowie Anstaltsseelsorger (VIII.–XII.). Abschließend wird kurz die religiös gebundene Vergabe anderer öffentlicher Ämter diskutiert (XIII.)

I. Religionslehrer an staatlichen Schulen Möglicherweise dürfen die Ämter der Religionslehrer an staatlichen Schulen religiös gebunden vergeben werden. Bis ins Spätmittelalter hinein war die katholische Kirche nahezu alleinige Trägerin des Schulwesens, welches damals in erster Linie der Vorbildung des Klerus und derjenigen jungen Männer diente, die später ein herausragendes Amt im öffentlichen Leben einnehmen sollten.351 Noch in den Verträgen zum Westfälischen Frieden von 1648 wurde Schule als annexum religionis eingestuft.352 Erst lange nach der Reformation bestimmte etwa das Allgemeine Preußische Landrecht, alle öffentlichen Unterrichts- und 349  Vgl. etwa die auf Initiative der Bundesregierung eingerichtete Deutsche Islam Konferenz. 350  Vgl. Bleese, Militärseelsorge, S. 226; Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 136; Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 68. DJT II, Beschluss Nr. 4, S. O 199; Isensee, in: FS Listl, 1999, S. 67 (78), m. w. N., für eine „Chance der Zuwendung zueinander und des freiwilligen Miteinanders“; Schaefer, VerwArch 103 (2012), 136 (163); skeptisch zu diesem Modell Sydow, JZ 2009, 1141 (1145 ff.), für Neutralität als strikte Nichtintervention. 351  Vgl. Lecheler, in: HStKR II, § 53 S. 415 (415); Vondenhoff, Schule, S. 30 ff.; Weineck, Bekenntnisschule, S. 3. 352  Vgl. Nachw. bei Lecheler, in: HStKR II, § 53 S. 415 (415).



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter235

Erziehungsstätten seien Veranstaltungen des Staates;353 eine ähnliche Regelung enthielt § 153 RV 1849. Vor diesem Hintergrund war das Verhältnis zwischen der für alle gemein­ samen Grundschule (Art. 146 Abs. 1 S. 2 WRV) und der christlichen Bekenntnisschule bis zum Abschluss der Verhandlungen über die WRV heftig umstritten.354 Schließlich einigte man sich auf die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht, deren Erfüllung grundsätzlich die staatliche Volksschule diente (Art. 145 WRV). Auf Antrag von Erziehungsberechtigten konnten diese Volksschulen als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschulen eingerichtet werden, soweit hierdurch ein geordneter Schulbetrieb nicht beeinträchtigt wurde. Möglichst zu berücksichtigen war dabei der Wille der Erziehungsberechtigten (Art. 147 Abs. 2 WRV).355 Allenfalls auf Wunsch der Erziehungsberechtigten und unter weiteren Voraussetzungen waren private Schulen als Ersatz für öffentliche vorgesehen (Art. 147 Abs. 1 WRV). Schließlich gewährleistete Art. 149 Abs. 1 WRV außer an bekenntnisfreien (weltlichen) Schulen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach, der in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgesellschaften zu erteilen sei. An diese Regelung knüpfen Art. 7 Abs. 3 GG, Art. 14 Verf. NW an. 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen Gem. § 31 Abs. 3 S. 1 SchulG NW bedürfen Lehrer für die Erteilung des Religionsunterrichts einer Bevollmächtigung durch die Kirche oder die Religionsgemeinschaft. Ausdrücklich knüpft das staatliche Recht die Zulassung zum öffentlichen Amt des Religionslehrers also nicht an ein religiöses Bekenntnis.356 Allerdings liegt eine Kettenanknüpfung des Staates vor, weil die Reli­ gionsgemeinschaften ihre Bevollmächtigung faktisch, soweit ersichtlich, nur 353  2. Teil, 12. Titel, § 1 ALR. Vgl. § 1 Gesetz betreffend die Beaufsichtigung des Unterrichts- und Erziehungswesens in Preußen v. 11.3.1872, PrGS 183, das unter Aufhebung aller in einzelnen Landesteilen entgegenstehenden Bestimmungen die Aufsicht über alle öffentlichen und Privat-Unterrichts- und Erziehungs-Anstalten allein dem Staat zuspricht. Vgl. auch Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 823; Le­ cheler, in: HStKR II, § 53 S. 415 (416). 354  Vgl. Lecheler, in: HStKR II, § 53 S. 415 (417); Nitzschke, Bekenntnisschule, S. 42 ff. 355  Vgl. zur hohen Bedeutung des Elternrechts auch unter dem Grundgesetz Pütt­ ner, in: FS Dürig, 1990, S. 279 (280). 356  Ob gleichwohl ein staatliches Fragerecht i. S. v. Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV besteht, ist daher zweifelhaft, dafür aber Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 97, ohne Begründung; dagegen Roca, ZevKR 43 (1998), 333 (346).

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

den Angehörigen ihrer eigenen Konfession erteilen oder dies zumindest tun dürfen.357 Die Religionsgemeinschaften sind jedenfalls nicht verpflichtet, Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV entsprechend unabhängig vom religiösen Bekenntnis zu entscheiden. Da § 31 Abs. 3 S. 1 SchulG NW die Bevollmächtigung durch eine Religionsgemeinschaft gleichwohl zur konstitutiven Voraussetzung für die Zulassung zum Amt des Reli­ gionslehrers macht und ablehnende Entscheidungen der Religionsgemeinschaften im Sinne eines gesetzlichen Automatismus die Ablehnung der Bewerbung um dieses öffentliche Amt zur Folge haben, sind konfessionsbedingte Bevorzugungen und Benachteiligungen durch die Religionsgemeinschaften dem Staat insoweit zuzurechnen. Folglich liegt eine Kettenanknüpfung an das religiöse Bekenntnis vor [s. schon 2. Kap. D. II. 5., 3. Kap. A. I. 2.]; religionsbezogene Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV werden beeinträchtigt. 2. Grundrechtsbegrenzung durch Art. 7 Abs. 3 GG Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV könnte im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der Religionslehrer an staatlichen Schulen verfassungsrechtlich durch Art. 7 Abs. 3 GG begrenzt sein. a) Religionslehrer als Inhaber öffentlicher Ämter Die Erteilung des Religionsunterrichts durch Inhaber öffentlicher Ämter müsste verfassungsrechtlich zugelassen oder vorgeschrieben sein. Gem. Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG ist der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen grundsätzlich ordentliches Lehrfach. Ausnahmen gelten für bekenntnisfreie 357  Vgl. aus dem Recht der Katholischen Kirche can. 805 CIC, wonach der Ortsbischof für seine Diözese das Recht hat, die Religionslehrer zu ernennen und ggf. aus religiösen oder sittlichen Gründen ihre Abberufung zu fordern. Nach can. 804 § 2 CIC soll er sich um Religionslehrer bemühen, die sich durch Rechtgläubig­ keit, durch das Zeugnis christlichen Lebens und durch pädagogisches Geschick auszeichnen; ähnlich Art. 22 RK: „Bei der Anstellung von katholischen Religionslehrern findet Verständigung zwischen dem Bischof und der Landesregierung statt. Lehrer, die wegen ihrer Lehre oder sittlichen Führung vom Bischof zur weiteren Erteilung des Religionsunterrichtes für ungeeignet erklärt worden sind, dürfen […] nicht als Religionslehrer verwendet werden.“ Vgl. Art. 192 Abs. 2 Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen v. 1.12.1953 i. d. F. der Bekanntmachung v. 14.1.1999, wonach der evangelische Religionsunterricht von Lehrkräften als Glie­ dern der Kirche erteilt wird, die sie zu diesem Dienst bevollmächtigt. Vgl. Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 32, der die Bekenntnisbindung des Lehrers für „unabdingbar“ hält; ebenso Stössel, KuR 2011, 113 (121).



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Schulen358 sowie gem. Art. 141 GG für Länder, in denen am 1.1.1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand.359 Zahlreiche andere Landesverfassungen enthalten eine mit Art. 7 Abs. 3 GG vergleichbare Garantie des Religionsunterrichts;360 eine einfachgesetzliche Konkretisierung findet sich etwa in § 31 SchulG NW. Überwiegend wird Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG als ins­titutionelle Garantie des Religionsunterrichts und als subjektives öffent­ liches Recht der Religionsgemeinschaften auf dessen Einrichtung angesehen.361 Ob die Bestimmung auch ein Grundrecht der Schüler und ihrer Eltern auf Religionsunterricht enthält, ist umstritten.362 Die Qualifikation als ordentliches Lehrfach bedeutet, dass der Religionsunterricht wie auch alle anderen Fächer eine Veranstaltung des Staates ist.363 Seine Einrichtung als Pflichtfach ist – unbeschadet der individuellen Möglichkeit der Erziehungsberechtigten, gem. Art. 7 Abs. 2 GG über die Teilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen364 – für die Länder dazu ausführlich Seel, Religionsunterricht. zur Erstreckung dieser Ausnahme auf die Länder im Geltungsbereich des Einigungsvertrages etwa v. Campenhausen, in: HStR IX2, § 207 Rn. 52; Koutnatzis, Verfassungsnormen, S. 269 ff.; Schmitt-Kammler / Thiel, in: Sachs, GG, Art. 141 Rn. 9 ff.; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 514 ff.; zur Geltung im Land Berlin BVerwGE 110, 326. 360  Vgl. Art. 18 Verf. BW, Art. 136 Abs. 2, 3 Verf. BY, Art. 14 Verf. NW; Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 65, m. w. N.; zu vertraglichen Konkretisierungen Anke, Staatskirchenverträge, S. 243 ff. 361  Vgl. VG Düsseldorf, NWVBl. 2002, 196; Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 87; Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 7 Rn. 60; Schmitt-Kammler / Thiel, in: Sachs, GG, Art. 7 Rn. 43 f.; Seel, Religionsunterricht, S. 34; auch VG Düsseldorf, NVwZ-RR 2000, 789, nur im Einzelfall mangels Bestehen einer entsprechenden Religionsgemeinschaft gegen einen solches Recht; Heckel, in: Rauscher, Religion, S. 141 (164 ff.), für ein staatliches Interesse an religiöser Bildung der Bürger. 362  Vgl. für ein Grundrecht von Schülern bzw. Erziehungsberechtigten auf Einrichtung von Religionsunterricht: Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 83 ff.; Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 7 Rn. 74; Gröschner, in: Dreier, GG I2, Art. 7 Rn. 90, 92; Hildebrandt, Religionsunterricht, S. 216 ff.; Kotzur, in: Stern / Becker, GR, Art. 7 Rn. 61; Robbers, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 7 Rn. 123 ff.; dagegen: Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG I, Art. 7 Rn. 90; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 7 Rn. 11; deutlicher noch Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG11, Art. 7 Rn. 12a; zum Konflikt mit der grundrechtlichen Gestaltungsfreiheit für Privatschulen vgl. Seel, Religionsunterricht, S. 117 ff.; mit Bedenken Schmitt-Kammler / Thiel, in: Sachs, GG, Art. 7 Rn. 44, m. w. N.; gegen einen Anspruch auf Ethikunterricht zuletzt VGH BW, DVBl. 2013, 519. 363  Vgl. Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 75; Grethlein, ZThK 108 (2011), 355 (356); Schmitt-Kammler / Thiel, in: Sachs, GG, Art. 7 Rn. 46 f.; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 499. 364  Vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 518 f., zum Gesetz über die religiöse Kindererziehung v. 15.7.1921 und das Verhältnis des Bestimmungsrechtes der Eltern 358  Vgl. 359  Vgl.

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jedenfalls dann obligatorisch, wenn bestimmte Mindestschülerzahlen erreicht sind.365 Die Länder haben den Religionsunterricht mit derselben Stellung wie andere ordentliche Lehrfächer mit angemessener Stundenzahl in den Stundenplan zu integrieren und die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Dazu zählt insbesondere die Verpflichtung, geeignete Lehrkräfte einzustellen und zu bezahlen.366 Ferner soll die grundgesetzliche Rede vom Religionsunterricht die möglichen Unterrichtsinhalte beschränken, indem sie eine reine Glaubensunterweisung oder eine Beschränkung auf Gebet und Meditation ausschließe, sondern auch Wissensvermittlung fordere.367 Der Staat trägt folglich die Verantwortung für die Einstellung der Reli­ gionslehrer. Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG lässt deren Einstellung in ein öffentliches Amt zu, sofern die Religionslehrer nicht im Rahmen eines Gestellungsvertrages mit der betroffenen Religionsgemeinschaft tätig werden. b) Anforderungen an das Bekenntnis von Religionslehrern Weiterhin müsste Religionsunterricht i. S. d. Art. 7 Abs. 3 GG jedoch zwingend bekenntnisgebundener Unterricht sein und besondere Mitwirkungsrechte der Religionsgemeinschaften bei der Einstellung von Religionslehrern begründen. zum Bestimmungsrecht religionsmündiger Kinder; zuletzt zur Entscheidung über die Teilnahme bei Streit um die elterliche Sorge OLG Köln, Beschluss v. 18.4.2013 – 12 UF 108 / 12 –, Juris, wonach die Teilnahme am Religionsunterricht dem Kindeswohl entspricht. 365  Vgl. BVerfGE 74, 244 (251) – Religionsunterricht; BVerwGE 110, 326 (333), die allerdings die „Schulträger“ verpflichtet sehen, diesen Unterricht als Pflichtfach einzurichten; s. zur Rechtslage in NRW, wo gem. § 78 Abs. 1 SchulG NW grds. die Gemeinden Schulträger sind, hinsichtlich der verpflichteten Stelle anders Sachs / Jas­ per, in: Preis u. a., Examensklausur, S. 396 (404 f.). Siehe ferner BVerfGK 10, 423 (428), wo offen bleibt, ob ein verbindlicher Ethikunterricht gegen Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG verstößt; andererseits BVerfG (K), NVwZ 1999, 756 (757), wo eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Verpflichtung zur Teilnahme am Unterrichtsfach „Werte und Normen“ bei Abmeldung vom Religionsunterricht immerhin für möglich gehalten wird. 366  Vgl. Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 7 Rn. 75: grds. Lehrer in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen; ebenso Robbers, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 7 Rn. 134; Classen, Religionsrecht, Rn. 485 ff.; Link, in: HStKR II, § 54 S. 439 (472 f.); Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 96; Schmitt-Kamm­ ler / Thiel, in: Sachs, GG, Art. 7 Rn. 48, Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 510 ff.; ferner Borowski, Gewissensfreiheit, S. 648. Stern, StaatsR I2, § 11 S. 351, geht gar davon aus, dass der Beamtenstatus der Religionslehrer von der institutionellen Garantie des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 Abs. 5 GG erfasst sei. 367  Vgl. BVerfGE 74, 244 (253) – Religionsunterricht; dem folgend SchmittKammler / Thiel, in: Sachs, GG, Art. 7 Rn. 39.



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Vereinzelt ist bestritten worden, dass Religionsunterricht zwingend auf eine konkrete Religion bezogen und konfessionell ausgerichtet sein muss.368 Hingegen sprechen die deutsche Verfassungstradition und insbesondere der Art. 149 Abs. 1 WRV, an den Art. 7 Abs. 3 GG fast wortgleich anknüpft,369 für einen bekenntnismäßig gebundenen Religionsunterricht.370 Außerdem lässt sich dafür die systematische Auslegung anführen: Gem. Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt, was für eine konfessionelle Ausrichtung spricht. Ferner würden das grundgesetzlich garantierte Bestimmungsrecht der Eltern gem. Art. 7 Abs. 2 GG und die Möglichkeit für Lehrer, gem. Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG das Erteilen von Religionsunterricht zu verweigern, unverständlich, wenn Religionsunterricht bloß eine allgemeine Religionskunde meinte, die sich auf die bekenntnisneutrale Vermittlung von Informationen über Religionen beschränkt. Der verfassungsrechtlich garantierte Religionsunterricht ist vielmehr stets auf eine konkrete Religion be­ zogen, bekenntnismäßig ausgerichtet und konfessionell gebunden.371 Er schließt in diesem Sinne stets den besonderen Wahrheitsanspruch religiösen Glaubens ein und unterscheidet sich gerade darin von Religionskunde. Für die Bekenntnisgebundenheit des Religionsunterrichts i. S. v. Art. 7 Abs. 3 GG spricht auch die Entstehungsgeschichte von Art. 141 GG. Diese 368  Siehe etwa Isak, Selbstverständnis, S. 313; mit Blick auf eine vorgeblich andere Praxis des Religionsunterrichts Stock, RdJB 2005, 94 (105). Vgl. die Rechts­ lage in Großbritannien, wo seit 1870 an staatlich unterhaltenen Schulen nicht-konfessioneller Religionsunterricht unterrichtet wird. Die Religionszugehörigkeit ist dort für Lehrer staatlicher Schulen daher unbeachtlich, bei Privatschulen kann sie Eignungsmerkmal sein; dazu McClean, in: Robbers, Staat, S. 603 (616 ff.); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1416. 369  Vgl. zur Entstehungsgeschichte ausf. Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 385, m. w. N. 370  Vgl. Anschütz, WRV10, Art. 149 Anm. 4: „zwingende konfessionelle Positivität und Gebundenheit“; Mausbach, Kulturfragen, S. 119; Worlitschek, Die Bekenntnisschule, S. 25 f.; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 403, m. w. N. 371  Vgl. BVerfGE 74, 244 (252) – Religionsunterricht; BVerwGE 110, 326 (333); 123, 49 (53); VGH BW, DVBl. 2013, 519 Rn. 40; Anger, Islam, S. 380 f.; Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 70; Böllhoff, Religionsunterricht, S. 41 ff.; Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 7 Rn. 77; Kästner, Art. Religionsunterricht, in: Heinig / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 211; Link, in: HStKR II, § 54 S. 439 (454 ff.); ders. / Pahlke, in: Listl, Religionsunterricht, S. 13 (18); Muckel, JZ 2001, 58 (59); Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 29; Peters, in: Bettermann u. a., Grundrechte IV / 1, S. 369 (417); Robbers, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 7 Rn. 127; SchmittKammler / Thiel, in: Sachs, GG, Art. 7 Rn. 39 f.; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 500 ff.; Stössel, KuR 2011, 113 (121); Stuttmann, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NRW, Art. 14 Rn. 2; hingegen aus religionsdidaktischer Sicht gegen konfessionelle Trennung Grethlein, ZThK 108 (2011), 355 (375 f.).

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sogenannte „Bremer Klausel“372 soll gewährleisten, dass insbesondere in Bremen – abweichend von der Grundregel für das übrige Geltungsgebiet des Grundgesetzes – weiterhin konfessionsübergreifender Unterricht in biblischer Geschichte erteilt werden darf. Dieser Unterricht, dessen Tradition in das 19. Jahrhundert zurückreicht,373 ist ausdrücklich nicht auf Glaubensverkündigung, sondern auf bekenntnisneutrale Wissensvermittlung angelegt.374 Art. 141 GG wäre überflüssig, wenn eine solche Religionskunde Religionsunterricht i. S. v. Art. 7 Abs. 3 GG wäre; Letzterer ist daher stets bekenntnisgebunden.375 372  So die Formulierung etwa von Thiel, in: Sachs, GG, Art. 141 Rn. 1; vgl. zu deren Entstehung JöR n. f. 1 (1951) 107 f. 373  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 Rn. 6 Fn. 1; heute Art. 32 Abs. 1 Verf. BR 1947. 374  Vgl. StGH BR, NJW 1966, 36. 375  Die jeweilige Religionsgemeinschaft kann daher selbst darüber entscheiden, ob sie konfessionsfremde Schüler zum Religionsunterricht i. S. v. Art. 7 Abs. 3 GG zulässt; vgl. BVerfGE 74, 244 (253 f.) – Religionsunterricht; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 501 ff., 509. Siehe ferner § 96 Abs. 2 SchulG BW: „Der Religionsunterricht wird, nach Bekenntnissen getrennt, in Übereinstimmung mit den Lehren und Grundsätzen der betreffenden Religionsgemeinschaft von deren Beauftragten erteilt und beaufsichtigt.“ [Hervorhebung nicht im Original.] Unter anderem an Art. 7 Abs. 3 GG lässt sich also ablesen, dass das staatliche Schulwesen nicht von jeglichen religiösen Bezügen frei zu halten ist, vgl. BVerwGE 141, 223 Rn. 36. Wieso die Einrichtung eines konfessionsgebundenen Religionsunterrichts per se gegen das religionsverfassungsrechtliche Paritätsgebot verstoßen sollte, ist nicht ersichtlich; anders aber ohne Begründung Renck, BayVBl. 1988, 225 (229). Selbst wenn um die Details einer tatsächlichen Einrichtung eines islamischen Religionsunterrichts innerhalb des staatlichen Schulwesens noch gerungen wird (vgl. zu Schwierigkeiten etwa Anger, Islam, S. 350 ff.; Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 7 Rn. 85; Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 36; Sachs, in: Oebbecke u. a., Stellung der Frau, S. 35 ff.; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 501 ff.), eröffnet Art. 7 Abs. 3 GG doch grundsätzlich allen Religionsgemeinschaften ein Recht auf Religionsunterricht im staatlichen Schulsystem (vgl. allerdings zu den Voraussetzungen der Qualifikation einer Gruppierung als Reli­gionsgemeinschaft i. S. v. Art. 7 Abs. 3 GG BVerwGE 123, 49; VGH BW, DVBl. 2013, 519 Rn. 39; VG Düsseldorf, NVwZ-RR 2000, 789; Badura, in: MD, GG, Art. 7 [2006] Rn. 88). Insbesondere hat der Staat jüngst vielfach deutlich gemacht, ungeachtet organisatorischer Schwierigkeiten islamischen Religionsunterricht einführen zu wollen; vgl. § 132 a SchulG NW, zur Einführung einer Übergangsregelung, die bekenntnisgebundenen „Islamischen Religionsunterricht“ seit dem Schuljahr 2012 / 2013 ermöglicht, obwohl noch keine muslimische Religionsgemeinschaft i. S. v. Art. 7 Abs. 3 GG besteht; zur bekenntnisneutralen Islamkunde Stuttmann, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NRW, Art. 14 Rn. 4; ferner Böllhoff, Religionsunterricht, S. 50 f.; Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 68. DJT II, Beschluss Nr. 7b, S. O 200; Stock, NVwZ 2004, 1399; Thormann, DÖV 2011, 945 (947), auch zur Übergangslösung in NRW; Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen, S. 75; kritisch zu dieser Entwicklung Isensee, in: FS Listl, 1999, S. 67 (87 f.). Der Staat hat ein Interesse daran, Religionsunterricht in den organisa-



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Da der grundgesetzlich konstituierte Staat allerdings auf jeden religiösweltanschaulichen Wahrheitsanspruch verzichtet, kann er nicht selbstständig bekennenden, konfessionellen Religionsunterricht i. S. v. Art. 7 Abs. 3 GG anbieten, sondern ist zur inhaltlichen Ausgestaltung des Religionsunterrichts auf die Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften angewiesen.376 Der Staat kann nicht selbst bestimmen, was evangelisch, katholisch, jüdisch oder auch islamisch ist, ohne dadurch Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1, 3 S. 1 WRV zu verletzen. Das erkennt Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG an, wonach der Religionsunterricht unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsge­ meinschaften erteilt wird.377 Dazu wirken die Religionsgemeinschaften an der Ausgestaltung des staatlichen Religionsunterrichts mit; gem. Art. 14 Abs. 3 Verf. NW haben sie ein Inspektionsrecht, um die Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen zu überwachen.378 Sie nehmen Einfluss auf die Unterrichtsinhalte, aber auch auf die Auswahl der Lehrpersonen, da insbesondere Person und individuelle Glaubwürdigkeit des Lehrers große Auswirkungen auf die glaubwürdige Vermittlung der konfessionellen Lehre haben. In personeller Hinsicht wird die Konfessionalität des Religionsunterrichts also dadurch gesichert, dass die staatliche Beauftragung eines Lehrers zum Erteilen von Religionsunterricht davon abhängig gemacht werden kann, ob zuvor die entsprechende religiöse Autorität eine Lehrerlaubnis erteilt hat.379 torischen Rahmen staatlicher Schulen einzugliedern und ihn aus den „Hinterzimmern“ (so Hirschfeld, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 68. DJT II, S. O 159; vgl. Goerlich, NJW 1999, 2929 [2931]; Stössel, KuR 2011, 113 [114]) zu holen, um das Entstehen von Parallelgesellschaften und eine „Fragmentierung von Wertesystemen“ (Di Fabio, Gewissen, S. 25) zu verhindern; vgl. zur integrativen Funktion der öffentlichen Schule BVerfGK 8, 151 (155); Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 133 f.; allgemein ferner Waldhoff, NJW-Beil. 2010, 90 (92). Hingegen besteht nach VG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.2011 – 18 K 5288 / 07 –, Juris, kein Anspruch auf Einrichtung von humanistischer Lebenskunde als ordentliches Lehrfach. 376  Vgl. Anger, Islam, S. 373; Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 79; Hildebrandt, Religionsunterricht, S. 78 f.; Bremer, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 68. DJT II, S. O 139; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 508 f. 377  Vgl. zu dieser Übereinstimmung und ihren Problemen Link, in: HStKR II, § 54 S. 439 (489 ff.); Schmitt-Kammler / Thiel, in: Sachs, GG, Art. 7 Rn. 56 f. 378  Vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 512. 379  Vgl. Art. 22 RK: „Bei der Anstellung von katholischen Religionslehrern findet Verständigung zwischen dem Bischof und der Landesregierung statt. Lehrer, die wegen ihrer Lehre oder sittlichen Führung; vom Bischof zur weiteren Erteilung des Religionsunterrichtes für ungeeignet erklärt worden sind, dürfen, solange dies Hindernis besteht, nicht als Religionslehrer verwendet werden“; Art. 136 Abs. 4 Verf. BY: „Die Lehrer bedürfen der Bevollmächtigung durch die Religionsgemeinschaften zur Erteilung des Religionsunterrichts“; ähnlich Art. 93 S. 2 Verf. SN 1947. Vgl. aus der Lit. Link, in: HStKR II, § 54 S. 439 (491 ff.); Schmitt-Kammler / Thiel, in: Sachs,

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Aus staatlicher Perspektive ist diese Lehrerlaubnis ausreichend; der Staat muss und darf nicht zusätzlich prüfen, ob der Beauftragte auch dem jeweiligen Bekenntnis angehört. Folglich erfordert Art. 7 Abs. 3 GG, dass Religionslehrer öffentlicher Schulen grundsätzlich in ein öffentliches Staatsamt zu übernehmen sind, das nur im Einverständnis mit der jeweils betroffenen Religionsgemeinschaft vergeben werden darf. 3. Art der Begrenzungswirkung Es fragt sich, ob Art. 7 Abs. 3 GG wie eine tatbestandliche Begrenzung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV oder wie ein Gesetzesvorbehalt wirkt. Dies hängt davon ab, ob Art. 7 Abs. 3 GG die Geltung der Gleichheitssätze unabhängig von den Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen ausschließt oder ob er eine ausnahmsweise Abweichung nur unter Wahrung dieser Anforderungen ermöglichen will. Dies ist durch Auslegung der begrenzenden Bestimmung zu ermitteln. Art. 7 Abs. 3 GG gewährleistet den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen grundsätzlich als ordentliches, konfessionsgebundenes Lehrfach. Seine Erteilung kann davon abhängig gemacht werden, dass zuvor die zuständige religiöse Autorität eine Lehrerlaubnis erteilt hat, um die Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft zu wahren. Das auch durch Art. 4 Abs. 1, 2 GG, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV fundierte Recht der Religionsgemeinschaften, unter Berücksichtigung reli­ giöser Erwägungen über die Erteilung einer solchen Lehrerlaubnis zu entscheiden, wird durch Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG absolut geschützt. An die von der jeweiligen Religionsgemeinschaft erteilte Lehrerlaubnis beziehungsweise an deren Verweigerung darf der Staat unabhängig von den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Regelungen anknüpfen und sie bei der VergaGG, Art. 7 Rn. 55; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 509. Ebenso wie nicht bereits aus dem Begriff des Religionsunterrichts i. S. v. Art. 7 Abs. 3 GG abzuleiten ist, dass die Schülerschaft vollständig dem jeweiligen Bekenntnis angehören muss, sofern die beteiligten Religionsgemeinschaften die Zulassung konfessionell nicht oder anders Gebundener für vereinbar mit ihrem Bekenntnis halten (vgl. BVerfGE 74, 244 [253 f.] – Religionsunterricht; daran anschließend etwa Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 501 ff., 509; Winter, ZevKR 32 [1987], 675 [680 f.]), ist auch die Bekenntnisgebundenheit der Lehrkräfte rechtlich nicht zwingend aus Art. 7 Abs. 3 GG abzuleiten. Wird Religionsunterricht bei Lehrermangel, wie aus der Schulpraxis berichtet wird, teilweise von konfessionsfremden Religionslehrern erteilt, so wäre dies verfassungsrechtlich zulässig, sofern die betroffene Religionsgemeinschaft einem solchen Unterricht zustimmen würde. Siehe aber etwa Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 /  Art. 136 WRV (2011) Rn. 7, wo nicht eindeutig formuliert wird, wer die Auswahl anhand des religiösen Bekenntnisses treffen dürfen soll.



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be der öffentlichen Ämter der Religionslehrer berücksichtigen. Art. 7 Abs. 3 GG schließt das Amt des Religionslehrers folglich quasi-tatbestandlich aus dem Anwendungsbereich der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV aus; das (fortdauernde) Einverständnis der zuständigen religiösen Autorität ist verfassungsmäßige Eignungsvoraussetzung für die Vergabe dieses Amtes. 4. Zwischenergebnis zu I. Folglich ist das Amt des Religionslehrers durch Art. 7 Abs. 3 GG auf verfassungsmäßige Weise an eine Zustimmung durch die jeweilige Reli­ gionsgemeinschaft gebunden. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV sind insoweit quasi-tatbestandlich begrenzt, sodass Kettenanknüpfungen an das religiöse Bekenntnis der Bewerber zulässig sind.380

II. Lehrer an staatlichen Bekenntnisschulen Es fragt sich, ob – fächerunabhängig – die Ämter aller Lehrer an staatlichen Bekenntnisschulen in Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis der Bewerber vergeben werden dürfen. 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen Lehrer der nordrhein-westfälischen Bekenntnisschulen müssen gem. § 26 Abs. 6 S. 2 SchulG NW „dem betreffenden Bekenntnis angehören und bereit sein, an diesen Schulen zu unterrichten und zu erziehen“.381 Im gleichen Sinne bestimmt Art. 24 Abs. 1 RK speziell für katholische Bekenntnisschu380  Vgl. BVerwGE 19, 252 (260); 47, 330 (354); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 44; v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 69; ders. / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 136 WRV Rn. 18; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 3; Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 44; Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 133; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 184, 407; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 235; Kotzur, in: Stern / Becker, GR, Art. 7 Rn. 37; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 136 WRV Rn. 16; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 7; Pieper, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 75; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 37; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 856; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 159; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 405; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 509; historisch Ebers, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 137, 138, 140, 141 S. 397; dagegen Fischer, Volkskirche, S. 119: „erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des ordentlichen Lehrfachs Religionsunterrichts“. 381  Vgl. ähnlich § 129 Abs. 2 SchulG Nds.; zur Anknüpfung s. schon 3. Kap. A. I. 1.

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len: „In allen katholischen Volksschulen werden nur solche Lehrer angestellt, die der katholischen Kirche angehören und Gewähr bieten, den besonderen Erfordernissen der katholischen Bekenntnisschule zu entsprechen.“ Damit sehen § 26 Abs. 6 S. 2 SchulG NW, Art. 24 Abs. 1 RK bei der Zulassung zum Amt des Lehrers an einer öffentlichen Bekenntnisschule eine unmittelbare Anknüpfung an das religiöse Bekenntnis der Bewerber vor. Dass diese Anknüpfung in der Praxis wohl nur bei der Einstellung von Rektoren, nicht hingegen bei der Einstellung von Lehrern ohne Leitungsaufgaben stattfindet,382 ändert die verfassungsrechtliche Bewertung der genannten Normen nicht. Folglich beeinträchtigt die religiös gebundene Vergabe der Ämter von Lehrern staatlicher Bekenntnisschulen gleichheitsrechtliche Positionen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV. 2. Grundrechtsbegrenzung durch Art. 7 Abs. 5 GG Die Gleichheitssätze könnten insoweit durch Art. 7 Abs. 5 GG begrenzt werden. Das setzt voraus, dass staatliche Bekenntnisschulen verfassungsgemäß sind [a)] und sie die religiös gebundene Vergabe der Lehrerämter erfordern [b)]. a) Verfassungsmäßigkeit staatlicher Bekenntnisschulen Staatliche Bekenntnisschulen müssten verfassungsrechtlich zulässig sein. Gem. Art. 146 Abs. 2 S. 1 WRV waren innerhalb der Gemeinden auf Antrag von Erziehungsberechtigten Volksschulen als Bekenntnisschulen einzurichten, soweit hierdurch ein geordneter Schulbetrieb nicht beeinträchtigt wurde. Näheres sollten die Länder regeln.383 Weitere Regelungen finden 382  Vgl. Baldus, Bekenntnisschule, S. 5, m. w. N.; ebenso eine Auskunft des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW per E-Mail v. 18.4.2012. Jedenfalls dürfte diese Praxis wegen eines Verstoßes gegen die einfachgesetzlichen Vorschriften rechtswidrig sein. Zudem wäre eine Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 12 Abs. 6 S. 2 Verf. NW zu erwägen, sofern konfessionsfremde Lehrer nicht geeignet sind, nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses zu unterrichten und zu erziehen; vgl. Kraegeloh, VR 1981, 119 (122). 383  Vgl. Anschütz, WRV14, Art. 146 Rn. 2: „nur programmatische Grundsätze“; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 397, m. w. N., wonach Zulassung und Erwähnung der Bekenntnisschule zu den wesentlichen Streitpunkten in der Weimarer Nationalversammlung zählten; Weineck, Bekenntnisschule, S. 17, zur Regelungskompetenz der Länder hinsichtlich der Ausgestaltung mittlerer und höherer Schulen, die keine Volksschulen i. S. v. Art. 146 Abs. 2 S. 1 WRV sind.



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sich in vertraglichen Vereinbarungen von Staat und Religionsgemeinschaften.384 Dieser sogenannte Weimarer Schulkompromiss385 bildete die Grundlage für spätere Diskussionen über die schulrechtlichen Normen des Grundgesetzes. Das Grundgesetz hat die Legislativ- und Exekutivkompetenzen für das Schulwesen im Sinne des föderalistischen Prinzips weitestgehend den Ländern überlassen (vgl. Art. 30, 70 Abs. 1 GG).386 Anträge, die ein konfessionelles Elternrecht und eine grundgesetzliche Sicherstellung der Bekenntnisschulen erstrebten, wurden in den Vorberatungen zu Art. 7 GG abgelehnt.387 Die Entstehungsgeschichte des Art. 7 GG zeigt, dass die Länder im Hinblick auf die weltanschaulich-religiöse Ausprägung der öffentlichen Schulen selbstständig entscheiden können sollten.388 Wiederholt wurde betont, die Länder dürften in ihrer Zuständigkeit für schulpolitische Fragen nicht eingeschränkt werden,389 doch gibt das Grundgesetz gleichwohl einen Rahmen für den Gestaltungsspielraum der Länder vor. Grundgesetzlich geboten ist die staatliche Bekenntnisschule vor diesem Hintergrund nicht.390 Die Garantie in Art. 23 RK besitzt keinen Verfassungsrang.391 Zwischenzeitlich hat die staatliche Gemeinschaftsschule die öffentliche Bekenntnisschule daher in den meisten Ländern abgelöst.392 Landesgesetzlich vorgesehen sind Bekenntnisschulen nunmehr noch in Niedersachen393 und Nordrhein-Westfalen394. So sind nordrhein-westfäli384  Vgl. Art. 23 RK; dazu Pitzer, Bekenntnisschule; Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 17 Fn. 5, m. w. N. 385  Vgl. zu den kontroversen Positionen ausführlich Nitzschke, Bekenntnisschule. 386  Vgl. BVerfGE 41, 29 (45) – Gemeinschaftsschule; Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 17; auch Seel, Religionsunterricht, S. 32 f.; Söbbeke, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NRW, Art. 12 Rn. 3; Robbers, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 7 Rn. 8 f.; Thormann, DÖV 2011, 945 (951), der die „‚umfassende Gestaltungsfreiheit‘ der Länder bei der weltanschaulich-religiösen Ausprägung der öffentlichen Schulen“ jedoch nicht isoliert, sondern nur im Verhältnis zu Art. 4 und Art. 6 GG betrachten will. 387  Vgl. Entstehungsmaterialien in JöR n. F. 1 (1951), 101 ff.; ferner BVerfGE 41, 29 (45 f.) – Gemeinschaftsschule; Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 28 ff.; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 476 f. 388  Vgl. JöR n. f. 1 (1951) 102, 103, 106, 107 f. 389  Vgl. BVerfGE 6, 309 (356) – RK; BVerwG, NJW 1983, 2583 (2584); ferner Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 50; Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 476 f. 390  Hingegen vermittelte Art. 146 Abs. 2 S. 1 WRV den Erziehungsberechtigten noch einen Anspruch auf Einrichtung von Bekenntnisschulen; vgl. Anschütz, WRV, Art. 146 Rn. 7. 391  Zum Rang des Reichskonkordats s. schon 2. Kap. D. III. 2. c). 392  Vgl. Stock, RdJB 2005, 94 (94); ferner Krüger, in: FS Scheuner, 1973, S. 285 (288). 393  Vgl. §§ 129 ff. SchulG Nds. 394  Vgl. Art. 12 Abs. 3, 5 Verf. NW, §§ 26 ff. SchulG NW.

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sche Grundschulen gem. § 27 Abs. 1 S. 1 SchulG NW auf Antrag der Eltern als Bekenntnisschulen zu errichten, soweit die Mindestgröße gewährleistet ist. Hauptschulen werden von Amts wegen als Gemeinschaftsschulen errichtet; sie sind jedoch gem. § 28 Abs. 1 S. 1, 2 SchulG NW auf Antrag der Eltern als Bekenntnisschulen zu errichten, wenn gewährleistet ist, dass eine Gemeinschaftsschule in zumutbarer Weise erreichbar ist. Anders als Art. 7 GG395 vermittelt das nordrhein-westfälische Landesrecht also einen Anspruch der Eltern auf Einrichtung von Bekenntnisschulen. Im Schuljahr 2011 / 2012 gab es in NRW landesweit neben den 2038 öffentlichen Gemeinschaftsgrundschulen 946 katholische, 100 evangelische und zwei jüdische öffentliche Bekenntnisgrundschulen; neben den 559 Gemeinschaftshauptschulen gab es fünf evangelische und 44 katholische Bekenntnishauptschulen.396 Angedeutet wird die Zulässigkeit staatlicher Bekenntnisschulen durch einen Umkehrschluss zur Rede von bekenntnisfreien Schulen in Art. 7 Abs. 3 GG. Dieser Schluss ist allerdings insoweit nicht eindeutig, weil es neben bekenntnisfreien und bekenntnisgebundenen eine dritte Art von Schulen ohne jegliche ausdrückliche diesbezügliche Festlegung oder die Gemeinschaftsschule nach Art. 7 Abs. 5 GG geben kann. Jedenfalls tragen aber die grundgesetzlichen Vorschriften über Privatschulen auch staatliche Bekenntnisschulen. Denn als Kompromiss in dem oben skizzierten Schulstreit gewährleistet das Grundgesetz neben der staatlichen Schulaufsicht (Art. 7 Abs. 1 GG) die Privatschulfreiheit (Art. 7 Abs. 4 GG). Eine private Volksschule ist gem. Art. 7 Abs. 5 GG bei einem besonderen pädagogischen Interesse zuzulassen oder wenn sie als Gemeinschafts-, Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll, sofern ei­ ne öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht. Art. 7  Abs. 5 GG vermittelt also unter näher bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Genehmigung einer privaten Bekenntnisschule397 und setzt dadurch zugleich die Zulässigkeit einer öffentlichen Bekenntnisschule voraus.398 395  Bundesverfassungsrechtlich könnte sich ein solcher Anspruch allenfalls aus den besonderen Gleichheitssätzen ergeben, wenn ein Land grds. Bekenntnisschulen einrichtet und dies lediglich für einzelne Konfessionen ablehnt. 396  Vgl. MSW, Schulwesen 2011 / 12, S. 25. 397  Vgl. für die Zulässigkeit der konfessionsabhängigen Lehrerauswahl bei priva­ ten Bekenntnisschulen Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 407, der allerdings nicht darauf eingeht, dass die dort tätigen Lehrkräfte kein öffentliches Amt ausüben, sodass die grundgesetzlichen Gleichheitssätze jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar sind. 398  Vgl. BVerfGE 41, 29 (45 f.) – Gemeinschaftsschule; 52, 223 (243) – Schulgebet; 93, 1 (22) – Kruzifix; Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 56; Ennuschat,



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b) Anforderungen an das Bekenntnis von Lehrern staatlicher Bekenntnisschulen Es fragt sich weiterhin, welche Anforderungen die Einrichtung von staatlichen Bekenntnisschulen an die Bekenntnisgebundenheit der dort tätigen Lehrkräfte stellt. In Betracht kommt insbesondere, dass der grundgesetzliche Begriff der Bekenntnisschule insoweit keine Aussagen enthält, dass er die Bekenntnisgebundenheit zulässt oder sie für den Regelfall sogar vorschreibt. Dies ist durch Auslegung der schulrechtlichen Vorschriften des Grundgesetzes zu ermitteln. In der Weimarer Zeit wurde die Bekenntnishomogenität von Schülern und Lehrern an Bekenntnisschulen, die in der Tradition kirchlicher Schulen verortet wurden, als selbstverständlich vorausgesetzt.399 Nach dem Inkraftin: Löwer / Tettinger, Verf. NW, Art. 12 Rn. 26; Geis, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 7 Rn. 97; Brosius-Gersdorf, in: Dreier, GG I, Art. 7 Rn. 80, 135; Obermayer, Gemeinschaftsschule, S. 27 f.; ferner Robbers, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 7 Rn. 236. Verfassungsrechtlich irrelevant ist es hingegen, ob man staatliche Bekenntnisschulen mit Thormann, DÖV 2011, 945 (950), als „Anachronismus“ bezeichnen will, weil ihr (fälschlicherweise) die Idee zugrunde liege, die jeweilige Konfession sei für schulische Bildung prägend. Vgl. auch Baldus, in: FS Listl, 2004, S. 573 (583), wonach sich in der katholischen Staatslehre die Auffassung durchgesetzt habe, es gehöre nicht zu den Aufgaben des Staates, konfessionelle Schulen zu betreiben. Demnach könnte die Abschaffung staatlicher Bekenntnisschulen allerdings zu einer Zunahme an Privatschulen in religiöser Trägerschaft führen, die man bei Änderungen im Schulsystem bedenken sollte. Zwar sieht das Grundgesetz kein staatliches Schulmonopol vor, sondern Vielfalt im Schulwesen (vgl. BVerfGE 75, 40 [61 f.] – Privatschulfinanzierung; VGH BW, DVBl. 2013, 519 Rn. 34; Schwaben­ bauer, DÖV 2011, 672 [673]), doch ist die besondere Integrationsaufgabe staatlicher Schulen nicht zu vernachlässigen, die sie jedenfalls anders erfüllen können als sozial und religiös nur bedingt durchmischte Privatschulen, vgl. Hauschild, Christlichkeit, S. 177; Mückl, EssGespr. 40 (2007), 41 (69): „Problemverlagerung“; Vogel, DÖV 2011, 661 (662), m. w. N. auch zu politischen Bedenken gegen weitere Neugründungen von Privatschulen; ferner allgemein zur staatlichen Schulpflicht BayVGH, NVwZ-RR 2010, 606; Waldhoff, NJW-Beil. 2010, 90 (93); stärker zur beabsichtigten integrierenden Wirkung kirchlicher Erziehung Baldus, in: FS Listl, 2004, S. 573 (578); zur Bedeutung der Privatschulen für die Religionsausübung OVG SN, SächsVBl. 2014, 83 (88). 399  Vgl. Landé, in: Nipperdey, GR der RV III, S. 57: „Übereinstimmung der Bekenntniszugehörigkeit der Lehrer mit der der Schüler“. Landé geht davon aus, dass die Bekenntnisschule durch die WRV „von allem Fremden entlastet, ihrem eigentlichen Wesen näher gebracht [worden sei], indem sie allein als besondere Schulform für eine Gruppe von Erziehungsberechtigten des betreffenden Bekenntnisses bestimmt ist“; s. ferner Anschütz, WRV, Art. 146 Rn. 4: „Schule, bei der nur Lehrer eines und desselben Bekenntnisses angestellt […] werden“; ebd., Rn. 8, verweist Anschütz hinsichtlich der Rechtsverhältnisse der Lehrer an Bekenntnisschulen auf die allgemeinen Vorschriften – allerdings vorbehaltlich der „Sonderart“ (ebd.) der

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treten des Grundgesetzes haben sich in den Ländern unterschiedliche Schulformen durchgesetzt. Über die zulässigen religiösen Bezüge insbesondere in der Regelschule wurde teils erbittert gestritten. Maßgeblich ging es dabei um mögliche Konflikte zwischen der grundgesetzlich nicht per se ausgeschlossenen Einführung christlicher Bezüge im öffentlichen Schulwesen und der negativen Religionsfreiheit von Eltern und Schülern, die keine religiöse Erziehung wünschten, der jeweiligen Schule aber nicht ausweichen konnten. In seinem richtungweisenden Beschluss zur baden-württembergischen Gemeinschaftsschule aus dem Jahr 1975 führte das BVerfG aus, es sei in einer pluralistischen Gesellschaft faktisch unmöglich, bei der weltanschaulichen Gestaltung der öffentlichen Pflichtschule allen Elternwünschen voll Rechnung zu tragen.400 Es obliege dem Landesgesetzgeber, das im Bereich des Schulwesens unvermeidliche Spannungsverhältnis401 zwischen negativer und positiver Religionsfreiheit zu lösen. Der Landesgesetzgeber habe unter Berücksichtigung der verschiedenen Auffassungen im öffentlichen Willensbildungsprozess einen für alle zumutbaren Kompromiss zu suchen. Dies schließe ein, dass die einzelnen Länder zu verschiedenen Regelungen kommen könnten, weil bei dem zu findenden Mittelweg Schultraditionen, die konfessionelle Zusammensetzung der Bevölkerung und ihre mehr oder weniger starke religiöse Verwurzelung berücksichtigt werden könnten, so das BVerfG.402 Vor diesem Hintergrund ist Art. 7 GG so auszulegen, dass er dem Landesgesetzgeber größtmögliche Freiheit bei der (konfessionellen) Ausgestaltung des Schulwesens lässt. Art. 7 Abs. 5 GG definiert den Begriff der Bekenntnisschule nicht ausdrücklich. Zwar wurde die Bekenntnisschule historisch als eine Schule verstanden, die sich durch konfessionelle Homogenität von Schülern und Lehrern auszeichnet, doch ist ein solches Verständnis für Bekenntnisschulen grundgesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben. Art. 7 Abs. 5 GG lässt eine in Bezug auf Schüler und Lehrer konfes­ Bekenntnisschulen; Weineck, Bekenntnisschule, S. 3 ff., zur Entwicklung staatlicher Bekenntnisschulen aus der Tradition kirchlicher Schulen; auch ebd. S. 8 ff., zur Konfessionsbindung der Lehrer. 400  Vgl. BVerfGE 41, 29 (45 f.) – Gemeinschaftsschule; auch die teils wortgleichen Parallelentscheidungen BVerfGE 41, 65; 41, 88, zum Schulsystem in Bayern und NRW. 401  Nicht zufällig haben zahlreiche religionsrechtliche Streitigkeiten ihren Ausgangspunkt im Bereich der Schule; vgl. BVerfGE 41, 29 (49 f.) – Gemeinschaftsschule; BVerfGE 93, 1 – Kruzifix; BVerfG (K), NJW 2009, 3151; ferner Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 15; Gärditz, in: Depenheuer / Grabenwarter, Verfassungstheorie, § 5 Rn. 55; Robbers, in: Rusconi, Säkularisierter Staat, S. 173 (176). 402  Vgl. BVerfGE 41, 29 (49 f.) – Gemeinschaftsschule; ferner BVerfGE 6, 309 (356) – RK.



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sionell homogene Ausgestaltung der Bekenntnisschule durch die Länder zu, schreibt sie aber nicht vor.403 In nordrhein-westfälischen Bekenntnisschulen werden die Schüler gem. Art. 12 Abs. 6 S. 2 Verf. NW, § 26 Abs. 3 SchulG NW nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen. Daraus folgt, dass konfessionsfremde Schüler nur bedingt aufgenommen werden können.404 Weiterhin müssen gem. § 26 Abs. 6 S. 2 SchulG NW die Lehrer an Bekenntnisschulen dem betreffenden Bekenntnis angehören und bereit sein, an diesen Schulen zu unterrichten und zu erziehen. Auch Art. 24 Abs. 1 RK sieht vor, dass an katholischen Volksschulen nur solche Lehrer angestellt werden dürfen, die der katholischen Kirche angehören.405 Art. 7 Abs. 5 GG lässt also die Einrichtung religiös gebundener Ämter an öffentlichen Bekenntnisschulen zu. Folglich sind Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV insoweit begrenzt. 3. Art der Begrenzungswirkung Es fragt sich, ob Art. 7 Abs. 5 GG wie eine tatbestandliche Begrenzung oder wie ein Gesetzesvorbehalt wirkt. Die Abgrenzung hängt davon ab, ob 403  Vgl. aber für grundgesetzlich vorgeschriebene Homogenität der Schüler- und Lehrerschaft Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 66; Robbers, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 7 Rn. 236; für Bekenntnishomogenität, aber ohne explizite Aussage zur verfassungsrechtlichen Grundlage VG Minden, Beschl. v. 30.8.2013 – 8 L 538 / 13 –, Juris. 404  Vgl. OVG NW, OVGE 36, 31 (34 ff., 38); NVwZ-RR 2013, 843 (845), für einen kapazitätsabhängigen Aufnahmeanspruch Konfessionsfremder nur, „wenn diese die Ausrichtung der Schule auf die Grundsätze des fremden Bekenntnisses voll und ganz bejahen“ (ebd.); auch zur Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 3 GG; dazu BVerwG, NJW 2583 (2584); Ennuschat, in: Löwer / Tettinger, Verf. NW, Art. 12 Rn. 24; Söbbeke, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NRW, Art. 12 Rn. 12; sehr restriktiv zur Aufnahme Bekenntnisfremder Kraegeloh, VR 1981, 119 (121). Siehe MSW, Schulwesen 2011 / 12, S. 25, wonach die Quote von konfessionsfremden Schülern im Schuljahr 2011 / 2012 landesweit in jüdischen Bekenntnisgrundschulen bei durchschnittlich 16,7%, in katholischen Bekenntnisgrundschulen bei 42,2% und in evangelischen Bekenntnisgrundschulen bei 55,0% lag; zur Relevanz dieser Zahlen für den Charakter einer Bekenntnisschule OVG NW, KirchE 53, 103 (Juris: Rn. 21); VG Gelsenkirchen, KirchE 51, 268; vgl. aber Art. 13 Verf. NW als schulspezifisches Benachteiligungsverbot. 405  Vgl. für landesverfassungsrechtlich vorgegebene „weitgehende Homogenität“ der Lehrerschaft VG Minden, Beschl. v. 30.8.2013 – 8 L 538 / 12 –, Rn. 10. Diese Homogenitätsanforderungen werden allerdings durch § 26 Abs. 7 SchulG NW ein Stück weit relativiert für den Fall, dass eine Schule auch von Schülern anderer Konfessionen besucht wird. Vgl. ähnlich § 129 Abs. 2, 3 SchulG Nds.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Art. 7 Abs. 5 GG die Geltung der religionsbezogenen Unterscheidungsverbote unabhängig von den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Regelungen ausschließt oder bloß eine ausnahmsweise Abweichung unter Wahrung dieser Voraussetzungen ermöglichen will. Dies ist durch Auslegung von Art. 7 Abs. 5 GG zu ermitteln. Der Weimarer Schulkompromiss zielte ausdrücklich darauf ab, die bekenntnismäßig homogene Bekenntnisschule als verfassungsgemäß zu erhalten. Die Bekenntnisbindung bezog sich sowohl auf die Unterrichtsinhalte als auch auf die Zusammensetzung von Lehrern und Schülern an diesen Schulen. Die Abwägung zwischen einer Bekenntnisschule und dem Interesse an einer konfessionell übergreifenden Erziehung und gleichheitsrechtlichen Belangen hatte der Verfassunggeber bereits vorgenommen, indem er in Art. 146 Abs. 2 WRV die Bekenntnisschule nur auf Antrag der Erziehungsberechtigten zuließ. Zwar sollte die Gemeinschaftsschule die Regelschule sein,406 doch sollte – sofern Bekenntnisschulen eingerichtet werden – insoweit die Bekenntnisbindung (auch) der Lehrer unabhängig von weiteren Voraussetzungen zulässig sein.407 An diesen Kompromiss hat der Parlamentarische Rat angeknüpft. Zudem geht das Grundgesetz von der Schulhoheit der Länder aus, denen ein weitreichender Entscheidungsspielraum zuerkannt wird. Folglich schließt Art. 7 Abs. 5 GG, der die Verfassungsmäßigkeit staatlicher Bekenntnisschulen ausdrücklich voraussetzt und damit die angesprochenen Konsequenzen für das Lehrpersonal dieser Schulen akzeptiert, quasi-tatbestandlich die Anwendbarkeit von Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV auf das Amt des Lehrers an einer Bekenntnisschule aus.

406  Vgl. Anschütz, WRV, Art. 146 Anm. 6; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 66; s. aber Art. 12 Abs. 3 Verf. NW, wonach als Schultypus für Grundschulen Gemeinschafts-, Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen gleichrangig als Regelschulformen genannt werden, kritisch dazu Sachs, in: Lhotta u. a., Verfassungsgeschichte, S. 55 (69). 407  Vgl. Pitzer, Bekenntnisschule, S. 17, wonach sich mit Inkrafttreten der Weimarer Verfassung die Auffassung von der Bekenntnisschule mit Lehrern nur eines Bekenntnisses nicht gewandelt habe; Weineck, Bekenntnisschule, S. 47 f., dem es lediglich unmöglich erscheint, „bei der Anstellung der Lehrer weitergehende Forderungen als die nach der Zugehörigkeit zu der betreffenden Konfession zu stellen; Worlitschek, Die Bekenntnisschule, S. 34, der die mit einer Einheitsschule verbundene „Zusammenballung aller religiösen Bekenntnisse“ (ebd.) für „indiskutabel und unannehmbar“ (ebd.) hält; Anschütz, der sich zwar (WRV, Art. 136 Anm. 3) grundsätzlich für die Anwendbarkeit von Art. 136 Abs. 2 WRV auf „Volksschullehrer“ (ebd.) ausspricht, zugleich aber – wohl im Sinne einer vorrangigen Spezialregelung – (WRV, Art. 146 Anm. 4, 6) bekenntnishomogene Schulen als „Sonderschulen“ (Anm. 6) weiterhin zugelassen sieht, an deren „nur Lehrer eines und desselben Bekenntnisses angestellt“ (Anm. 4) werden.



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter251

4. Zwischenergebnis zu II. Das öffentliche Amt des Lehrers an einer Bekenntnisschule darf folglich religiös gebunden ausgestaltet werden.408

III. Lehrer an Gemeinschaftsschulen Möglicherweise dürfen auch die Ämter der Lehrer an sogenannten Gemeinschaftsschulen in Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis der Bewerber vergeben werden. In den Ländern entwickelten sich Gemeinschaftsschulen unterschiedlicher Prägung.409 Gem. Art. 12 Abs. 3 S. 1 Verf. NW sollen die Schüler in den nordrhein-westfälischen Gemeinschaftsschulen auf der Grundlage christlichabendländischer Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für christliche Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen erzogen werden. Der Unterricht wird mit Ausnahme des Religionsunterrichts gemeinsam erteilt. Zur Begründung dieses Schultyps wurde auf die christlich geprägte Kulturgeschichte des europäischen Abendlandes verwiesen, die sich im Schulalltag wiederfinden solle.410 408  Vgl. für Verfassungsmäßigkeit, allerdings meist ohne Differenzierung zwischen quasi-tatbestandlicher Begrenzung und Rechtfertigung einer Durchbrechung der Unterscheidungsverbote aufgrund eines (Quasi-)Gesetzesvorbehalts: BVerfGE 39, 334 (368) – Radikale; 41, 88 (108 f.) – Gemeinschaftsschule NRW; BVerwGE 17, 267 (272 f.); 19, 252 (259 f.); VerfGH BY, DÖV 1966, 715 (716); VGH BW, NJW 1967, 2028 (2029); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 40; Baldus, Bekenntnisschule, S. 3 ff.; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 3; Ennu­ schat, in: Löwer / Tettinger, Verf. NW, Art. 12 Rn. 39; Geiger, Bekenntnisschule, S. 40 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 33; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 235; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 66, auch zur Intensität der Bekenntnisbindung im Hinblick auf den Lebenswandel der Lehrer; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 136 WRV Rn. 16; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 8; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 856; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 37; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 405: Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG „gilt nicht“; Wagner, Bestenauslese, S. 28; wohl auch Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, S. 1801: „in Betracht zu ziehen“; Sachs, in: HStR, § 182 Rn. 159: „nicht ganz zweifelsfrei“; offenlassend: BVerwGE 81, 22 (25); Ipsen, Grundrechte, Rn. 856 Fn. 97; für Begrenzung des Kreises der Ämter Lenz, in: Hamann u. a., GG, Art. 33 Anm. B 2 (mit dem Beispiel einer Turnlehrerin); Anschütz, WRV, Art. 136 WRV Anm. 4 (S. 627 Fn. 1), hält die Frage nach der Konfessionszugehörigkeit für zulässig, nicht aber weitere Fragen zu religiösen Überzeugungen der Bewerber. 409  Siehe die Regelungen in Art. 12 Abs. 3 S. 1 Verf. NW, Art. 15 Abs. 1 Verf. BW, Art. 135 S. 1, 2 Verf. BY. 410  Vgl. etwa die Nachweise in BVerfGE 41, 29 (62 f.) – Gemeinschaftsschule.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Das BVerfG hat 1975 drei Verfassungsbeschwerden gegen die christliche Gemeinschaftsschule als Regelschule zurückgewiesen, weil jeweils religiösweltanschauliche Zwänge, soweit möglich, vermieden würden und das Toleranzgebot beachtet werde.411 Das gemeinsame christliche Leitbild, welches das Schulleben bestimme, sei geprägt durch die Anerkennung der Glaubensverschiedenheiten der beiden christlichen Konfessionen und die Offenheit sowie Toleranz gegenüber nichtchristlichen Religionen und Weltanschauungen, so das BVerfG.412 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen Die Einstellung von Lehrern für Gemeinschaftsschulen könnte grundrechtliche Gleichbehandlungsinteressen beeinträchtigen, soweit sie in Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis erfolgt. Gem. § 26 Abs. 6 S. 1 SchulG NW soll in Schulen aller Schularten bei der Einstellung von Lehrern auf die Konfession der Schüler Rücksicht ge­ nommen werden. Ähnliche Regelungen finden sich in anderen Landesschulgesetzen und auch Teile der Literatur folgen diesem Ansatz.413 Ob und gegebenenfalls wie eine solche Rücksichtnahme auf die Konfession der Schüler bei der Einstellung von Lehrern in Nordrhein-Westfalen tatsächlich stattfindet, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls ist nicht bekannt, dass es dabei zu Benachteiligungen oder Bevorzugungen wegen des religiösen Bekenntnisses käme. Gegen solche bekenntnisabhängigen Benachteiligungen und Bevorzugungen spricht auch die Praxis in anderen Ländern. Dort gibt es teilweise ebenfalls Gemeinschaftsschulen, die etwa Art. 16 Abs. 1 S. 1 Verf. BW so411  Vgl. BVerfGE 41, 29 (44 ff.) – Gemeinschaftsschule; 41, 65 (77 ff.) – Schulgesetz BY; 41, 88 (106 ff.) – Gemeinschaftsschule NRW; dem folgend Frisch, VBlBW 2005, 268 (271); Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 24; Robbers, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 7 Rn. 42 ff.; ders., in: Rusconi, Säkularisierter Staat, S. 173 (180); Stern, StaatsR IV / 2, § 116 S. 560 f. 412  Vgl. BVerfGE 41, 29 (62 f.) – Gemeinschaftsschule. 413  Vgl. Art. 16 Abs. 2 Verf. BW; auch § 52 Abs. 5 SchulG Nds., der ausdrücklich auf Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 2, 3 GG verweist. Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 27, hält die „Rücksichtnahme auf das überwiegende Bekenntnis der Schüler bei der anteiligen Besetzung von Lehrerstellen“ (ebd.) in Gemeinschaftsschulen für gerechtfertigt. Zum Beleg verweist sie indes auf BVerfGE 41, 29 – Gemeinschaftsschule, und die Parallelentscheidungen. Danach sind solche Regelungen zwar innerhalb „des dem Landesgesetzgeber nach Art. 7 GG eingeräumten Gestaltungsbereichs“ (S. 60), doch muss bei der Auslegung berücksichtigt werden, dass „bekenntnismäßig nicht gebundene Lehrer nicht benachteiligt werden dürfen“ (ebd.) und dass Art. 33 Abs. 3 GG „im Zweifelsfall der Vorrang bei der Stellenbesetzung“ (ebd.) gebührt.



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gar ausdrücklich als christlich charakterisiert. Doch obwohl in BadenWürttemberg wie in Nordrhein-Westfalen auf das Bekenntnis der Lehrer Rücksicht zu nehmen sein soll, bestimmt Art. 16 Abs. 2 S. 1 Verf. BW, bekenntnismäßig nicht gebundene Lehrer dürften nicht benachteiligt werden. Dieses Diskriminierungsverbot hebt auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervor; dem Art. 33 Abs. 3 GG gebühre „im Zweifelsfall der Vorrang bei der Stellenbesetzung“414, entschied das Gericht. Legt man § 26 Abs. 6 S. 1 SchulG NW im Sinne der genannten Rechtsprechung verfassungskonform aus, so darf bei der Zulassung zum Amt des Lehrers an einer nordrhein-westfälischen Gemeinschaftsschule keine Benachteiligung oder Bevorzugung wegen des religiösen Bekenntnisses stattfinden. Folglich beeinträchtigt die einfachgesetzliche Regelung bei entsprechender Auslegung keine grundrechtlichen Gleichbehandlungsinteressen. Der gleichwohl vorgesehene konfessionelle Lehrer-Schüler-Proporz415 kann daher allenfalls dadurch ansatzweise verwirklicht werden, dass bereits tätige Lehrkräfte mit ihrem Einverständnis unter Berücksichtigung der Konfes­ sionszugehörigkeit der Schüler der einzelnen Schulen umgesetzt werden, ohne dass dabei Dritte aus religiösen Gründen benachteiligt werden.416 2. Grundrechtsbegrenzungen Wollte man die Ämter der Lehrer an Gemeinschaftsschulen gleichwohl religiös gebunden vergeben, so müssten die Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV insoweit verfassungsrechtlich begrenzt sein. Die Gemeinschaftsschule wird in Art. 7 Abs. 5 GG im Zusammenhang mit Privatschulen erwähnt, wobei Art. 7 Abs. 5 GG wie bei Bekenntnisschulen voraussetzt, dass eine öffentliche Schule dieser Art in der Gemeinde 414  BVerfGE 41, 29 (60) – Gemeinschaftsschule. Vgl. in diesem Sinne BVerfGE 41, 65 (87 f.) – Schulgesetz BY; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 408; unklar hinsichtlich der juristischen Konsequenzen Frisch, VBlBW 2005, 268 (273), wonach der Konfessionsproporz „keine Rolle mehr“ spiele. Siehe ferner Robbers, in: Rusconi, Säkularisierter Staat, S. 173 (188): „Gesellschaftliche Vielfalt muss sich auch in der Lehrerschaft repräsentieren können.“; Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 (124), der betont, dass unabhängig von konfessionellen Bindungen nicht nur fachliche Kompetenz eines Lehrers über die erfolgreiche Erfüllung des Erziehungsauftrages entscheide, sondern dessen gesamtes Auftreten, die persönliche Integrität und Glaubwürdigkeit. 415  Vgl. § 26 Abs. 6 S. 1 SchulG NW. 416  Da das Amt eines Lehrers an einer Gemeinschaftsschule gleichwohl kein verfassungsrechtlich konfessionell gebundenes Amt ist, ist dazu in Anbetracht des Frageverbots des Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV ferner erforderlich, dass die betroffenen Lehrer ihre Religionszugehörigkeit freiwillig offenbaren, vgl. Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 80, 97.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

nicht besteht. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass öffentliche Gemeinschaftsschulen verfassungsmäßig sind. Art. 7 Abs. 5 GG sieht die Gemeinschaftsschule also als verfassungsgemäße Schulform vor, legt diese aber nicht ausdrücklich auf ein christliches Bekenntnis fest.417 Denkbar sind drei unterschiedlichen Typen von – in unterschiedlichem Maße – christlichen Gemeinschaftsschulen: Diese können erstens die Bedeutung des Christentums in profanen Fächern zwar erwähnen, ohne sie aber besonders zu betonen; sie können zweitens die Bedeutung des Christentums für die abendländische Kultur hervorheben, ohne sie aber zu verabsolutieren, oder sie können drittens ihr gesamtes Schulleben im Geiste eines bekennenden Christentums gestalten.418 Die zuletzt genannte Form einer bekennenden christlichen Gemeinschaftsschule würde auch in den profanen Fächern einen Unterricht entsprechend den Grundsätzen der christlichen Religionsgemeinschaften erfordern, ähnlich dem Religionsunterricht gem. Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG. Für eine solche Ausgestaltung liefert das Grundgesetz indes vor allem in Anbetracht der Entstehungsgeschichte der grundgesetzlichen Schulrechtsartikel keine Grundlage, zumal eine explizit religiöse Gemeinschaftsschule im Grundgesetz anders als die Bekenntnisschule nicht ausdrücklich vorgesehen ist.419 417  Vgl. ebenso schon zur WRV Weineck, Bekenntnisschule, S. 45. Gleichwohl entwickelte sich in Deutschland neben der staatlichen Bekenntnisschule das Modell staatlicher christlicher Gemeinschaftsschulen; s. etwa Art. 28 Abs. 1 S. 1 Verf. Baden 1947: „Die öffentlichen Schulen sind Simultanschulen mit christlichem Charakter im überlieferten badischen Sinn“; ähnlich zu öffentlichen Volksschulen Art. 37 Abs. 3 Verf. Württ. Bad. 1946; Art. 16 Abs. 1 Verf. BW; ausführlich dazu Bäcker, Gemeinschaftsschule, S. 5 ff.; Frisch, VBlBW 2005, 268 (268 ff.). 418  Vgl. ebenso differenzierend Bäcker, Gemeinschaftsschule, S. 237 ff.; Frisch, VBlBW 2005, 268 (270). 419  Zu erwägen wäre allenfalls, ob eine bekennende christliche Gemeinschaftsschule mit konfessionsgebundenen Ämtern gleichwohl als Minus zu den grundgesetzlich vorgesehenen Bekenntnisschulen verfassungsgemäß ist. Dagegen spricht die Entstehungsgeschichte der Schulvorschriften des Grundgesetzes: Historisch sollten ausdrücklich konfessionell gebundene Schulen ermöglicht werden, nicht konfessionsübergreifende, christliche Schulen. Vielmehr wurde eine faktische christliche Prägung des Schulwesens bei der Entstehung des Grundgesetzes wohl – unabhängig von besonderen Regelungen – wegen der christlichen Prägung der Gesellschaft als Normalfall erachtet, für den gerade kein Ausnahmetatbestand vom grundgesetzlichen Diskriminierungsverbot geschaffen werden sollte. Soweit ersichtlich, ist eine bekenntnisgebundene öffentliche, christliche Gemeinschaftsschule aber in keinem der deutschen Länder vorgesehen, sodass eine weitere Erörterung ihrer Verfassungsmäßigkeit und der daraus resultierenden Anforderungen an die bekenntnismäßige Bindung der Lehrkräfte hier unterbleiben kann; vgl. auch VG Minden, Beschl. v. 30.8.2013 – 8 L 538 / 12 –, Juris: Rn. 10, wonach eine „allgemein-christliche oder bikonfessionelle Bekenntnisschule“ der Landesverfassung fremd sei; ferner Heckel, in: Rauscher, Religion, S. 141 (163), wonach nicht „missionierend“ vermittelt wer-



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Zudem sind auch bekenntnismäßig nicht gebundene Lehrer – soweit dies seinerseits verfassungsgemäß ist – zu christlich geprägter Erziehung geeignet, wenn sie willens und fähig sind, die Schüler auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte zu erziehen, wie es das Landesrecht teilweise vorschreibt.420 Weitergehende Rechte zur Einflussnahme auf die eingesetzten Lehrkräfte können auch die Religionsgemeinschaften nicht geltend machen, da in den Gemeinschaftsschulen des in Deutschland praktizierten Typs außerhalb des Religionsunterrichts nicht (zwangsläufig) in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften unterrichtet wird, wenngleich der Unterricht gem. Art. 12 Abs. 3 Verf. NW421 auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte stattfinden soll. Einen religiösen Wahrheitsanspruch besitzt dieser Unterricht jedoch nicht. Selbst als Hilfskriterium bei ansonsten gleicher Eignung darf die Konfes­ sion nicht berücksichtigt werden.422 Folglich begrenzt Art. 7 Abs. 5 GG die Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV nicht im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der Lehrer an staatlichen Gemeinschaftsschulen. 3. Zwischenergebnis zu III. Die Ämter der Lehrer an sogenannten Gemeinschaftsschulen des Staates dürfen nicht in Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis der Bewerber vergeben werden.423 den dürfe; dagegen Frisch, VBlBW 2005, 268 (271), der bekennende Gemeinschaftsschulen für verfassungsgemäß hält, wenn jeder faktische Zwang zum Besuch einer solchen Schule unterbleibt. 420  Vgl. Art. 16 Abs. 1 S. 1 Verf. BW; Art. 7 Verf. NW; VGH Mannheim, DVBl. 1968, 255 (257); allgemein zu rechtfertigendem Landesverfassungsrecht MüllerVolbehr, JZ 1995, 996 (997 ff.). 421  Vgl. Lecheler, in: HStKR II, § 53 S. 429, m. w. N. auch zu weitergehenden Bindungen. 422  Vgl. BVerwGE 81, 22 (24 f.). 423  Vgl. mit zunehmender Deutlichkeit BVerfGE 41, 29 (60) – Gemeinschaftsschule; BVerfGE 41, 65 (87 f.) – Schulgesetz BY; BVerwGE 81, 22 (24 f.) m. Anm. Sachs, JuS 1989, 753; VGH BW, NJW 1967, 2028 (2029); VGH Mannheim, DVBl. 1968, 255 (257); OVG Nds., NVwZ-RR 2002, 658 (660); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 44; Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 9; Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 133; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 184, 408; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 33; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 235; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 75; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 857; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, S. 1801; unklar Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 44. Siehe VerfGH BY, DÖV 1966, 715 (716 f.), gegen die Konfessionsgebundenheit einer Schulratsstelle.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

IV. Theologieprofessoren an theologischen Fakultäten Es fragt sich, ob die Ämter der Theologieprofessoren424 an theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten als religiös gebundene öffentliche Ämter ausgestaltet werden dürfen. Seit im 11. Jahrhundert in Europa erste Universitäten gegründet worden waren und diese die bis dahin dominierenden Dom- und Klosterschulen nach und nach in ihrer Rolle als führende Bildungseinrichtungen ablösten, wurden theologische Fakultäten bis hinein ins 20. Jahrhundert als obligatorisch angesehen, um von der Vollgestalt einer Universität sprechen zu können.425 In den deutschen Nationalstaaten – vor allem in Preußen – und später im deutschen Reich gab es seit dem 19. Jahrhundert theologische Fakultäten im modernen Sinn an staatlichen Universitäten.426 Derzeit gibt es in Deutschland 19 evangelische und elf katholische Fakultäten in staatlicher Trägerschaft.427 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen Bei der Besetzung der Ämter der Theologieprofessoren theologischer Fakultäten könnten Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV beeinträchtigt werden. Der Staat kann konfessionelle, bekenntnisgebundene Wissenschaft nicht selbstständig betreiben, ohne gegen das Verbot einer Staatskirche zu verstoßen; vielmehr ist er dazu auf die Kooperation mit den Religionsgemeinschaften angewiesen.428 Zum Professor an einer staatlichen theologischen Fakultät wird daher nur berufen, wem die zuständige Autorität der jeweili424  Auf die besondere Problematik nicht-theologischer Professuren theologischer Fakultäten soll hier nicht eingegangen werden, vgl. dazu etwa Walter, in: Heinig u. a., Theologie, S. 147. 425  Vgl. Hallermann, in: Holzner / Ludyga, Entwicklungstendenzen, S. 303 (303); Hollerbach, in: HStKR II, § 56 S. 549 (549); Kästner, in: Schweitzer / Schwöbel, Theologische Fakultäten, S. 56 (56). 426  Im Jahr 1811 war die Breslauer Universität die erste preußische Hochschule, an der zwei separate theologische Fakultäten errichtet wurden; vgl. May, ZRG 84 (1967), 155 (169); allgemein Vondenhoff, Schule, S. 104 ff. 427  Vgl. Christoph, in: Holzner / Ludyga, Entwicklungstendenzen, S. 343 (343); Hallermann, ebd., S. 303 (304). Hinzu kommen zwei evangelische und neun katholische Fakultäten in kirchlicher Trägerschaft. 428  Siehe schon 3. Kap. B. II., III.; ferner Hennig, Muslimische Gemeinschaften, S. 79; Bremer, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 68. DJT II, S. O 139; auch Art. 60 Abs. 2 S. 2 Verf. HE: „Vor der Berufung ihrer Dozenten [sc. der theologischen Fakultäten] sind die Kirchen zu hören“; Art. 30 Abs. 2 S. 2 Verf. Baden 1947: „Die Besetzung der Lehrstühle erfolgt im Einvernehmen mit der Kirche.“



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gen Religionsgemeinschaft429 zuvor durch das sogenannte nihil obstat ihre Zustimmung ausgesprochen hat. Es obliegt den Religionsgemeinschaften, selbstbestimmt gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV zu entscheiden, welche Theologen sie aus religiöser Sicht für geeignet für die Lehre halten430 und ob sie die Zugehörigkeit von Theologiedozenten zu ihrem Bekenntnis zur Voraussetzung einer Lehrerlaubnis machen.431 Daher besteht aus staatlicher Sicht bei der Einstellung von Theologieprofessoren keine Notwendigkeit i. S. v. Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV, nach der Religionszugehörigkeit der Bewerber zu fragen, da es allein auf die Zustimmung der Religionsgemeinschaft ankommt.432 Faktisch erteilen die Religionsgemeinschaften eine solche Lehrerlaubnis ganz überwiegend ausschließlich den Angehörigen der eigenen Konfession oder dürfen dies zumindest tun, vgl. § 80 Abs. 2 S. 1 HG NRW, speziell für katholische Professuren Art. 7 Abs. 1 RK.433 429  Zuständig ist nach katholischem Kirchenrecht grds. der Diözesanbischof am Ort der jeweiligen Fakultät, vgl. Nr. 3 der Nihil obstat-Normen. Vor der ersten Berufung eines Kandidaten auf Lebenszeit hat der Diözesanbischof eine zustimmende Erklärung des Heiligen Stuhles einzuholen (Nr. 15). 430  Vgl. Begründung eines Gesetzentwurfs der Landesregierung Bbg, LT-Drs. 5 / 6260, S. 7; insbesondere Heckel, Theologische Fakultäten, S. 68 ff., der den persönlichen Status eines Theologieprofessors als konfessionsneutral beschreibt, weil verbeamtete Professoren im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5 GG – im Falle des Entzugs der kirchlichen Lehrerlaubnis an einer anderen Fakultät – weiterbeschäftigt werden müssen. 431  Vgl. BVerfGE 122, 89 (111) – Lüdemann; Nolte, DÖV 2008, 129 (133); Wal­ ter, in: Heinig u. a., Theologie, S. 147 (152); dagegen aber: Bäcker, Der Staat 48 (2009), 327 (337), der in der Bindung „an das Votum der Kirche“ (ebd.) einen Verstoß gegen Trennungs- und Neutralitätsprinzip sieht; ähnlich Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 37, für die Zulässigkeit einer „Institutionalisierung der Theologie an den Universitäten“ (ebd.), aber gegen konfessionsgebundenes Professorenamt, s. aber ebd. Rn. 43. 432  Siehe offenbar anders aber § 7a Abs. 4 HG Bbg, wonach ein Hochschullehrer die Voraussetzungen für seine Lehrtätigkeit in einer theologischen Ausbildung nicht mehr erfüllt, „insbesondere weil er einem anderen Bekenntnis folgt“ (ebd.); ferner Christoph, in: Holzner / Ludyga, Entwicklungstendenzen, S. 343 (363); Walter, in: Heinig u. a., Theologie, S. 147 (152), zur Öffnung für fachfremde Professuren aus Gründen des religiösen Selbstverständnisses; unklar zum Fragerecht Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 97. 433  Vgl. aus dem katholischen Kirchenrecht can. 812 CIC, der ein kirchliches mandatum voraussetzt; detaillierter das Akkommodationsdekret I, wonach für die katholischen Fakultäten staatlicher Universitäten die vom Apostolischen Stuhl für die kirchlichen Fakultäten erlassenen Normen gelten, sodass insbesondere die Apos­ tolische Konstitution „Sapientia Christiana“ vom 15.4.1979 gilt. Danach müssen alle in der Lehre Tätigen das Glaubensbekenntnis ablegen (Akkomodationsdekret I, Nr. 5); darauf verweisend die Nihil obstat-Normen der Kongregation für das Katholische Bildungswesen v. 25.3.2010, ABl. der Erzdiözese Freiburg S. 263 ff., wonach

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Konfessionsbedingte Bevorzugungen und Benachteiligungen durch die Religionsgemeinschaften sind dem Staat zuzurechnen, soweit dieser die Bevollmächtigung durch eine Religionsgemeinschaft zur konstitutiven Vo­ raussetzung für die Zulassung zum Amt des Theologieprofessors macht und ablehnende Entscheidungen der Religionsgemeinschaften im Sinne eines gesetzlichen Automatismus die Ablehnung der Bewerbung um dieses öffentliche Amt zur Folge haben; es liegt eine Kettenanknüpfung an das religiöse Bekenntnis vor [s. schon 2. Kap. D. II. 5., 3. Kap. A. I. 2.]. Folglich werden grundrechtliche Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV beeinträchtigt. 2. Grundrechtsbegrenzungen Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV könnten insoweit jedoch durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt sein. a) Garantie theologischer Fakultäten gem. Art. 149 Abs. 3 WRV Gem. Art. 149 Abs. 3 WRV blieben die theologischen Fakultäten an den (staatlichen) Hochschulen erhalten. Durch diese verfassungsrechtliche Garantie sollte betont werden, wie wichtig die Ausbildung der Geist­ ­ lichen für den Staat ist. Zugleich sollte die freie Pflege christlicher Wissenschaft gefördert werden.434 Allerdings kann allein diese historische Entdie „Lehrtätigkeit persönliches Glaubenszeugnis und aktive Verbindung zum Leben der Kirche voraussetzt“ (Nr. 9) und die „volle Gemeinschaft mit dem authentischen Lehramt der Kirche“ (Nr. 10) erfordert; dazu Mussinghoff, in: Lüdicke, MKCIC, can. 812 (1986) Rn. 10 f.; Neumann, Konkordatsprofessuren, S. 146 ff.; ferner Mückl, in: HStR VII, § 160 Rn. 23, wonach der Staat ein Interesse daran hat, nur „authentische[n] Repräsentanten der jeweiligen Kirche“ entsprechende Ämter zu verleihen. Die katholische Kirche geht zudem davon aus, dass künftige Priester in der Regel von Priestern ausgebildet werden; Nichtpriester können danach (allenfalls) zusätzlich als Professoren berufen werden; vgl. kritisch zu solchen „Priesterquoten“ Classen, Religionsrecht, Rn. 549, m. w. N.; ders., JZ 2014, 111 (115); ferner Müller, in: FS Listl, 2004, S. 231 (231), m. w. N.; EGMR, NVwZ 2011, 153 Rn. 41 – Lombardi Vallauri / Italien. Müller, in: FS Listl, 2004, S. 231 (232), und Baldus, in: FS Listl, 2004, S. 573 (581), weisen darauf hin, dass es neben der fachlichen Kompetenz wesentlich auf die Persönlichkeit des (Theologie-)Dozenten ankommt. Dessen unbeschadet sollte an der evangelisch-theologischen Fakultät Frankfurt eine Professur für Islamische Religion eingerichtet werden, sodass eine konfessionell heterogene Besetzung einer theologischen Fakultät nicht bloß eine theoretische Möglichkeit ist, vgl. dazu Özsoy / Takim / Şahin, in: Weiße, Theologie im Plural, S. 95 ff. 434  Vgl. Mausbach, Kulturfragen, S. 124; Steinhauser, Lehrfreiheit, S. 75, auch zur geringeren Relevanz der staatlichen Kontrolle kirchlicher Seminare seit dem Ende des Kulturkampfes.



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wicklung nicht die Verfassungsmäßigkeit der heutigen Ausgestaltung bewirken.435 Im Unterschied zu anderen religionsbezogenen Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung wurde Art. 149 WRV nicht in das Grundgesetz inkorporiert. Daraus lässt sich jedoch nicht folgern, der Parlamentarische Rat habe den Bestand theologischer Fakultäten nicht dauerhaft gewährleisten wollen.436 Vielmehr ist Art. 149 WRV allein deswegen nicht in das Grundgesetz übernommen worden, weil die neue Kompetenzverteilung im deutschen Bundesstaat berücksichtigt werden sollte:437 Gem. Art. 30, 70 Abs. 1 GG und seit der mit der sogenannten Föderalismusreform I verbundenen Streichung der entsprechenden Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a GG haben allein die Länder die maßgeblichen Gesetzgebungskompetenzen für das Schul- und Hochschulwesen. Das Schweigen des Grundgesetzes zu den theologischen Fakultäten kann vor dem Hintergrund vorkonstitutioneller, landesverfassungsrechtlicher Fakul­ tätsgarantien,438 die den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates 1949 bekannt gewesen sein dürften, und der hergebrachten gegenläufigen Praxis nicht so gedeutet werden, dass diese Fakultäten zukünftig verfassungswidrig sein sollten. Die nicht vorgenommene Inkorporation von Art. 149 WRV in das Grundgesetz sollte die Zulässigkeit konfessionsgebundener Theologieprofessuren an den staatlichen Universitäten nicht beseitigen, sondern die Regelung den Ländern anheimstellen.439

435  Vgl. BVerfGE 19, 206 (223) – Kirchenbausteuer, gegen das „Herkommen“ als Rechtfertigungsgrund; Tetzel, Rechtspositionen, S. 107 f. 436  Vgl. Bäcker, Der Staat 48 (2009), 327 (329 f.), m. w. N. 437  Vgl. Bäcker, Der Staat 48 (2009), 327 (329 f.); v. Campenhausen, ZevKR 47 (2002), 425 (426); Ehlers, ZevKR 32 (1987), 158 (174); Heinig, Der Staat 48 (2009), 615 (620); Hollerbach, in: HStKR II, § 56 S. 549 (552); Mussinghoff, Fakultäten, S. 404; Tetzel, Rechtspositionen, S. 15. 438  Vgl. Art. 30 Abs. 2 S. 1 Verf. Baden 1947: „Die theologische Fakultät an der Hochschule bleibt mit den bisherigen Rechten erhalten“; Art. 150 Abs. 2 Verf. BY 1946: „Die theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben erhalten“; Art. 60 Abs. 2 S. 1 Verf. HE 1946: „Die theologischen Fakultäten an den Universitäten bleiben bestehen“; Art. 39 Abs. 1 S. 2 Verf. RP 1947: „Die theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen bleiben erhalten“; vorausgesetzt auch in Art. 116 Abs. 3 Verf. Württ. Hoh. 1947 (aufgehoben 1953 durch Art. 94 Abs. 2 Verf. BW): „Bevor ein Lehrstuhl in einer theologischen Fakultät besetzt wird, erhält die kirchliche Behörde Gelegenheit, ein begründetes Bedenken geltend zu machen.“ 439  Vgl. BVerfGE 122, 89 (109) – Lüdemann; Schachten, Staatsamt, S. 128.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

b) Landesverfassungsrechtliche Gewährleistungen Aus dieser Perspektive ist es nur schlüssig, dass sich – anders als im Grundgesetz – in den Verfassungen einiger Länder spezielle Garantien theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten finden: Vier Landesverfassungen garantieren ausdrücklich den Bestand theologischer Fakultäten,440 andere setzen ihre Zulässigkeit jedenfalls mittelbar voraus.441 Daraus leiten manche die Vereinbarkeit theologischer Fakultäten mit dem Grundgesetz ab.442 Es fragt sich aber, ob Landesverfassungsrecht die bundesverfassungsrechtlichen Gleichheitsgarantien insoweit begrenzen kann. Zwar sollten die Länder in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes das Hochschulwesen und damit auch das Recht der theologischen Fakultäten umfassend regeln dürfen, doch ist mit der grundgesetzlichen Überlassung der Regelungskompetenz an die Länder nicht zwangsläufig eine Freistellung der Landesstaatsgewalt von der Bindung an Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV verbunden. Die Länder besitzen im deutschen Bundesstaat Verfassungsautonomie. Gleichwohl setzt die Gültigkeit einer vom Grundgesetz abweichenden landesverfassungsrechtlichen Norm voraus, dass sowohl der von Art. 28 GG normierte Rahmen der Verfassungshoheit der Länder als auch die Grundrechte des Grundgesetzes eingehalten wurden, die gem. Art. 1 Abs. 3 GG auch die Staatsgewalt der Länder binden. Kommt es zu einer Kollision zwischen Bundes- und Landesverfassung, so setzt sich gem. Art. 31 GG das ranghöhere Bundesrecht durch, sofern nicht das Grundgesetz die Regelungsmaterie zugunsten abweichender Regelungen durch die Länder freigibt. Landesverfassungsrecht kann daher für sich genommen die Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV nicht begrenzen.443 440  Vgl. Art. 150 Abs. 2 Verf. BY, Art. 60 Abs. 2 S. 1 Verf. HE, Art. 9 Abs. 3 S. 1 Verf. MV, Art. 39 Abs. 1 S. 3 Verf. RP; ferner v. Campenhausen, in: HStR IX2, § 207 Rn. 59, zu Landesverfassungen ostdeutscher Länder. 441  Vgl. Art. 32 Abs. 4 Verf. Bbg: „Die Besetzung der Lehrstühle an den staatlichen theologischen Fakultäten erfolgt im Benehmen mit den Kirchen“; ähnlich Art. 10 Verf. BW. Siehe auch Art. 15 Abs. 1 S. 1, 3 Verf. NW, wonach sicherzustellen ist, dass an wissenschaftlichen Hochschulen die Befähigung zur Erteilung des Religionsunterrichts erworben werden kann. Siehe ferner zur Fortgeltung von Staatskirchenverträgen Art. 23 Abs. 1 Verf. NW; vgl. dazu als indirekter Bestandsgarantie theologischer Fakultäten Hollerbach, in: HStKR II, § 59 S. 549 (552), m. w. N.; zu landesverfassungsrechtlichen Fakultätsgarantien Heckel, Gleichheit, S. 51 f.; Starck, JZ 2000, 1 (6). Das Recht der Religionsgemeinschaften, gem. Art. 16 Abs. 2 Verf. NW eigene Hochschulen einzurichten enthält dagegen keine Garantie staatlicher theologische Fakultäten, vgl. Günther, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NRW, Art. 15 Rn. 28. 442  Vgl. Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 39; allgemein zu rechtfertigendem Landesverfassungsrecht Müller-Volbehr, JZ 1995, 996 (997 ff.).



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter261

Gleiches gilt für vertragliche Vereinbarungen über die Einrichtung theologischer Fakultäten, die zahlreiche Länder mit den Religionsgemeinschaften geschlossen haben:444 Auch die Fortgeltungsanordnung445 sowie die Einräumung der Möglichkeit von vertraglichen Regelungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften in einigen Landesverfassungen446 können die grundgesetzlichen Gleichheitsrechte nicht begrenzen.447 443

c) Vorkonstitutionelle Verträge i. V. m. Art. 123 Abs. 2 GG Weiterhin wird Art. 123 Abs. 2 GG i. V. m. den einschlägigen vertraglichen Vereinbarungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften als Argument für die Verfassungsmäßigkeit theologischer Fakultäten angeführt. So garantiert etwa Art. 19 S. 1 RK den Bestand katholisch-theologischer Fakultäten. Dadurch sollen die bestehenden theologischen Fakultäten nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung gegen eine einseitige Aufhebung durch den Staat geschützt sein.448 443  Allgemein schon 2. Kap. D. III. 2. d). Im Übrigen verweist Art. 4 Abs. 1 Verf. NW allgemein auf die Grundrechte des Grundgesetzes, sodass dessen Benachteiligungsverbote Bestandteile des Landesverfassungsrechts sind. Deren Durchbrechung würde eine weitere landesverfassungsrechtliche Prüfung erfordern. 444  Siehe etwa Art. 1 SKV NW, Art. 3 Abs. 1 EKV Nds. 1955; vgl. dazu Anke, Staatskirchenverträge, S. 246 ff. 445  Vgl. Art. 23 Abs. 1 Verf. NW: „Die Bestimmungen der Verträge mit der Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union, die im früheren Freistaat Preußen Geltung hatten, werden für die Gebiete des Landes Nordrhein-Westfalen, die zum ehemaligen Preußen gehörten, als geltendes Recht anerkannt.“ 446  Vgl. Art. 21 Verf. NW: „Die den Kirchen oder den Religionsgemeinschaften gemäß Gesetz, Vertrag oder anderen Rechtstiteln zustehenden Leistungen des Staates, der politischen Gemeinden oder Gemeindeverbände können nur durch Vereinbarungen abgelöst werden; soweit solche Vereinbarungen das Land betreffen, bedürfen sie der Bestätigung durch Landesgesetz.“ Art. 8 Verf. BW: „Rechte und Pflichten, die sich aus Verträgen mit der evangelischen und katholischen Kirche ergeben, bleiben von dieser Verfassung unberührt.“ Art. 9 Abs. 2 Verf. MV: „Das Land und die Kirchen sowie die ihnen gleichgestellten Religions- und Weltanschauungsgesellschaften können Fragen von gemeinsamen Belangen durch Vertrag regeln.“ 447  Vgl. Bäcker, Der Staat 48 (2009), 327 (341); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 415: allein Bundesverfassungsebene relevant; Hollerbach, in: HStKR II, § 59 S. 549 (553 f.): „Renvoi“ auf das Grundgesetz zurück; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 69; Tetzel, Rechtspositionen, S. 18; s. aber Classen, JZ 2014, 111 (116), der solche Verträge als „im Grundsatz für alle Be­ teiligten verbindlich“ (ebd.) erachtet, ohne eine Grundrechtsbegrenzung zu thematisieren. 448  Vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 91; Gärditz, Hochschulorganisation, S. 598: „mittelbarer Schutz“; Hallermann, in: Holzner / Ludyga, Entwick-

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Soweit das Reichskonkordat die Hochschulen betrifft, regelt es Gegenstände, für die seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes die Länder die Gesetzgebungskompetenz besitzen. Dementsprechend bestimmt sich die Fortgeltung der Transformationsgesetze nach Art. 123 Abs. 2 GG. Gleichwohl ist eine Rechtfertigung der religiös gebundenen Ämter an staatlichen theologischen Fakultäten durch Art. 19 S. 1 RK und die Parallelvereinbarungen zirkelschlüssig und daher nicht überzeugend, weil das fortgeltende Recht gem. Art. 123 Abs. 1 GG dem Grundgesetz materiell nicht widersprechen darf:449 Soweit das Reichskonkordat aber die Einrichtung kirchlich gebundener Ämter gebietet, müsste man, soweit das Grundgesetz dies nicht anderweitig zulässt, einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV annehmen.450 Dann würde das Reichskonkordat aber gerade insoweit nicht fortgelten. Folglich kann das Reichskonkordat die besonderen Gleichheitssätze nicht im Hinblick auf die Einrichtung religiös gebundener öffentlicher Ämter an staatlichen theologischen Fakultäten begrenzen.451 d) Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV Ferner wird zur Rechtfertigung der Konfessionsbindung für Professoren theologischer Fakultäten auf das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV verwiesen.452 Theologische Fakultäten sollen nach dieser Auffassung religionsverfassungsrechtlich res mixtae sein.453 Die Ämter der Professoren dieser Falungstendenzen, S. 303 (306), unter fälschlichem Bezug auf „Art. 123 Abs. 3 GG“ (sic); Christoph, Fakultäten, S. 28; Kästner, in: Schweitzer / Schwöbel, Theologische Fakultäten, S. 56 (61); wohl auch Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 9. 449  Siehe schon 2. Kap. D. III. 2. c); ferner Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 140 Rn. 3. 450  Vgl. dagegen aber Solte, Theologie, S. 133, m. w. N.; kritisch dazu Schachten, Staatsamt, S.  129 f. 451  Vgl. Bäcker, Der Staat 48 (2009), 327 (339 f.); Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 69; Tetzel, Rechtspositionen, S. 15 ff.; ferner Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 43, der aber gleichwohl institutionalisierte konfessionelle Theologie an staatlichen Universitäten für zulässig hält. 452  Vgl. so Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 133, der außerdem auf Art. 4 Abs. 1 GG verweist. 453  Vgl. v. Campenhausen, ZevKR 47 (2002), 425 (425); für eine gemeinsame Angelegenheit BVerwGE 101, 309 (313 ff.); hingegen gegen „eine doppelte Rechtsnatur“ BVerfGE 122, 89 (112) – Lüdemann; Christoph, in: Holzner / Ludyga, Ent-



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter263

kultäten stünden in einem so unmittelbaren Zusammenhang zur jeweiligen Konfession, dass die Konfessionszugehörigkeit Eignungskriterium sei.454 Das Amt des Hochschullehrers an einer theologischen Fakultät dürfe und müsse bekenntnisgebunden ausgestaltet werden, weil gerade dies eine Funktionsbedingung des Amtes sei, behauptet diese Auffassung. Grundgesetz­ liche Gleichheitssätze stünden dem nicht entgegen.455 Keinen Bedenken begegnet die Annahme, dass der Staat nicht selbst religiös-weltanschauliche Lehren beurteilen und mit religiösem Wahrheitsanspruch verkünden kann, ohne das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Religionsgemeinschaften zu verletzen. Diesem Selbstbestimmungsrecht unterliegt insbesondere die Ausbildung künftiger Priester als primär reli­ giöse Aufgabe.456 Je nach Selbstverständnis der betroffenen Religionsgemeinschaft erfordert die Ausbildung von Priestern und Religionslehrern die Konfessionsgebundenheit der Lehrenden. Indes lässt sich so nicht die Einrichtung religiös gebundener öffentlicher Ämter in staatlichen Fakultäten rechtfertigen, da unbegründet bleibt, ob der Staat überhaupt theologische Fakultäten einrichten darf, wenn dies religiös gebundene Staatsämter erfordert.457 Der Verweis auf die Konfessionsgebundenheit eines öffentlichen Amtes ist rein beschreibender Natur, von ihm geht keine verfassungsrechtliche Rechtfertigungswirkung aus.458 Folglich kann das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV für sich genommen die besonderen Gleichheitssätze nicht begrenzen. wicklungstendenzen, S. 343 (354), bejaht eine gemeinsame Angelegenheit, weist aber auf den bloß deskriptiven Charakter der Bezeichnung hin. 454  Vgl. so BVerwGE 19, 252 (260); Solte, Theologie, S. 133, m. w. N.; kritisch dazu Schachten, Staatsamt, S. 129 f.; allgemein Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 25. Auch die Landesregierung Bbg nennt in ihrer Begründung des Gesetzentwurfs zur Einführung eines jüdischen Studiengangs mit konfessionsgebundenen Professorenämtern ausdrücklich nur Art. 33 Abs. 2, Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als eingeschränkte Grundrechte, LT-Drs. 5 / 6260, S. 2. 455  Vgl. BVerfGE 122, 89 (113) – Lüdemann; Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 40; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 69; Mu­ ckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 9. 456  Vgl. Mussinghoff, Fakultäten, S. 410; allgemein zur bekenntnisgebundenen „Theologenausbildung“ Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2011) Rn. 40. 457  Vgl. Tetzel, Rechtspositionen, S. 108. 458  Missverständlich daher Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 405, der bei „konfessionell gebundene[n] Staatsämter[n]“, wie sie zum Beispiel Professoren theologischer Fakultäten innehaben, die Zugehörigkeit zu einer Reli­ gionsgemeinschaft als legitime Voraussetzung für den Zugang zu dem Amt ansieht.

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e) Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG Weiterhin könnte die in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG grundrechtlich verbürgte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre die grundgesetzlichen Gleichheitssätze begrenzen und so die Einrichtung theologischer Fakultäten verfassungsrechtlich legitimieren.459 Das setzt voraus, dass Forschung und Lehre in konfessionsgebundener Theologie an staatlichen Universitäten durch die Wissenschaftsfreiheit grundrechtlich geboten oder jedenfalls zugelassen sind. Dazu müsste konfessionsgebundene Theologie eine Wissenschaft im Sinne des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG sein. Dagegen wird angeführt, Theologie sei – zumal auf katholischer Seite – dogmatisch geprägt; sie gehe von Voraussetzungen aus, deren Berechtigung sie nicht hinterfragen dürfe, ohne mit dem kirchlichen Lehramt in Konflikt zu kommen. Deswegen sei Theologie keine Wissenschaft.460 Allerdings ist mit BVerfGE 35, 79 festzuhalten, dass die Wissenschaftsfreiheit nicht nur eine bestimmte Auffassung von Wissenschaft schützt, erst recht nicht erfordert, dass Wissenschaft voraussetzungslos betrieben werden muss, weil wohl jede Wissenschaft an Voraussetzungen gebunden ist.461 Die grundrechtliche Wissenschaftsfreiheit erstreckt sich daher auf jeden nach Inhalt und Form ernsthaften und planmäßigen Versuch zur Ermittlung von Wahrheit. Dieses systematische Streben nach Wahrheit kann man einer Theologie nicht etwa mit der Begründung absprechen, sie setze die Offenbarkeit Gottes in Jesus Christus für ihre Forschung voraus. Zu den „spezifischen Sachgesetzlichkeiten“462 der christlichen Theologie gehört zwar ihre „intensive Zuordnung zu den Strukturen der verfaßten Kirche“463, doch verkündigt die universitäre Theologie nicht bloß die Lehrsätze einer Religionsgemeinschaft, sondern sie bemüht sich – mit insbesondere geistes- und sprachwissenschaftlichen Methoden – um das richtige Verständnis und die bestmögliche Nachvollziehbarkeit der erkannten Wahrheiten. Folglich ist auch die konfessionelle Theologie als Glaubenswissenschaft vom Schutzgegenstand der Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 459  Vgl. so Hallermann, in: Holzner / Ludyga, Entwicklungstendenzen, S. 303 (307); Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 69. 460  Vgl. Fischer, Volkskirche, S. 135; Renck, NVwZ 1996, 333 (335); mit Vorbehalten Bäcker, Der Staat 48 (2009), 327 (345 f.), m. w. N. 461  So ließe sich etwa der Rechtswissenschaft ein Gesetzes- oder jedenfalls Verfassungspositivismus vorwerfen, ohne dass dadurch der Wissenschaftscharakter der universitären Beschäftigung mit Recht entfiele. Vgl. auch BVerfGE 35,79 (113 ff.) – Gruppenuniversität; 90, 1 (11 ff.); Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 5 Rn. 354; Tetzel, Rechtspositionen, S. 22; ferner Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn.  202 f., 210. 462  Hollerbach, in: HStKR II, § 56 S. 549 (555). 463  Hollerbach, in: HStKR II, § 56 S. 549 (555).



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S. 1 GG erfasst; theologische Fakultäten haben Anteil am Schutz des Grundrechts.464 Die Wissenschaftsfreiheit ist ein organisationsbedürftiges Grundrecht, das Freiheit auch dann sichern will, wenn diese ohne förderndes staatliches Tätigwerden nicht effektiv gewährleistet wäre.465 Dies folgt auch aus dem grundgesetzlichen Kulturstaatsauftrag.466 Zwar enthält das Grundgesetz zur staatlichen Kulturpflege keine expliziten Aussagen, doch wird in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, die zentrale Rolle des Staates im Schulwesen gem. Art. 7 GG und das grundgesetzliche Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verwiesen.467 Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verpflichtet den Staat vor diesem Hintergrund nicht, den Bestand der derzeit existierenden theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten dauerhaft zu garantieren.468 Gleichwohl ist er 464  Vgl. so vorausgesetzt von BVerfGE 112, 89 (105 f.) – Lüdemann; BVerwGE 101, 309 (315); Bäcker, Der Staat 49 (2010), 477 (487); Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 211; Fehling, in: BK, GG, Art. 5 III (2004) Rn. 65; Gärditz, JZ 2009, 515 (516); Heckel, ZThK 103 (2006), 95 (105 ff.); ders., in: FS Link, 2003, S. 213 (231 ff.); Heinig, Der Staat 48 (2009), 615 (616); Hollerbach, in: HStKR II, § 56 S. 549 (555); ders., in: HStR VI2, § 140 Rn. 44; Hufen, in: FS Schiedermair, 2001, S. 623 (629 f.); Mussinghoff, Fakultäten, S. 394; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 5 Rn. 354; Steinhauer, Lehrfreiheit, S. 80 ff., 90; Tetzel, Rechtspositionen, S. 24; Weber, NVwZ 2000, 848 (853, 857). Die namentliche Erwähnung von evangelischer und katholischer Theologie ist nicht abschließend, sondern beispielhaft zu verstehen; auch andere Theologie kann wissenschaftlich betrieben werden, wenn sie die Voraussetzungen des Wissenschaftsbegriffs i. S. v. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG erfüllt. 465  Vgl. BVerfGE 35, 79 (115) – Gruppenuniversität; 111, 333 (353 f.) – Hochschulgesetz Bbg; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 202 f., 210. 466  Vgl. BVerfGE 36, 321 (331) – Schallplatten; 81, 108 (116) – Steuervergünstigung; ferner v. Campenhausen, in: FS Maunz, 1981, S. 27 (28); ders., ZevKR 47 (2002), 425 (425); Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 122; Heckel, in: FS Link, 2003, S. 213 (225 f., 229 f.); Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Lecheler, in: FS Listl 1999, S. 143 (144 f.); Mussinghoff, Fakultäten, S. 394; Robbers, in: Rusconi, Säkularisierter Staat, S. 173 (178); Schachten, Staatsamt, S. 104 ff.; Steinhauer, Lehrfreiheit, S. 75; Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (270). 467  Vgl. Fehling, in: BK, GG, Art. 5 III (2004) Rn. 35 ff.; Steiner, in: HStR IV, § 86 Rn. 3 ff., m. w. N.; ablehnend zu Grundrechtsbegrenzungen durch das Sozialstaatsprinzip Sachs, in: HStR, § 182 Rn. 160; zurückhaltend auch BVerfGE 119, 247 (266 f.) – Zwangsteilzeit. 468  Vgl. BVerfGE 85, 360 (384 f.) – Akademieauflösung; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 215 f.; Tetzel, Rechtspositionen, S. 25. Auch im Hinblick auf andere Fächer gewährleistet Art. 5 Abs. 3 GG grds. keine Bestandsgarantie, vgl. BVerfGE 35, 79 (116 f., 120) – Gruppenuniversität; 47, 327 (404) – Universitätsgesetz HE; 67, 202 (207 f.) – Fachbereich; 85, 360 (382) – Akademieauflösung; 93, 85 (95) – Dekan; 111, 333 (355 f.) – Hochschulgesetz Bbg; BVerfGK 12, 17 (23 f.), wonach der

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verpflichtet, im eingerichteten Wissenschaftsbetrieb eine freie wissenschaftliche Betätigung so weit, wie unter Berücksichtigung anderer Aufgaben und Grundrechte möglich, zu gewährleisten.469 Diese Gewährleistungsverantwortung soll den Staat vor allem im Hinblick auf diejenigen Fächer treffen, die von der Wirtschaft wenig nachgefragt werden, sodass dort kaum privat finanzierte Forschung stattfindet, so etwa Fehling.470 Vor diesem Hintergrund würde es eine nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG unzulässige Benachteiligung konfessionsgebundener Theologen darstellen, wenn diese ihre Wissenschaft – Theologie der jeweiligen konfessionellen Prägung – von Staats wegen nicht an staatlichen Hochschulen betreiben dürften.471 Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG würde in sein Gegenteil verkehrt, „wenn das religiöse Diskriminierungsverbot zur Diskriminierung des Religiösen verwendet“472 würde. Theologie darf daher nicht wegen ihres religiösen, bekenntnishaften Charakters oder ihrer religionsspezifischen Anforderungen gegenüber anderen Wissenschaften benachteiligt werden, indem der Staat sie aus der Universität verbannt.473 Ferner lässt sich konfessionelle Theologie auch nicht durch konfessionell ungebundene Religionskunde ersetzen. So setzt etwa die christliche – auch wissenschaftliche – Theologie in all ihrem Fragen voraus, dass sich in Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, das Wesen Gottes offenbart hat. Diese Annahme vorausgesetzt, ergeben sich wissenschaftliche FragestellunGesetzgeber in näher bestimmten Grenzen frei ist, den Wissenschaftsbetrieb so zu regeln, dass die unterschiedlichen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und die Interessen aller daran Beteiligten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Er soll dabei nicht an überkommene Strukturen gebunden sein, so das BVerfG. Vielmehr sei er berechtigt (und verpflichtet), den Wissenschafts- und Ausbildungsbetrieb kritisch zu beobachten und zeitgemäß zu reformieren. 469  Vgl. BVerfGE 93, 85 (95) – Dekan; 111, 333 (354) – Hochschulgesetz Bbg; BVerwGE 144, 195 Rn. 21, für ein „Recht auf staatliche Maßnahmen auch organisatorischer Art“ (ebd.) zum Schutz des eigenen, grundrechtlich gesicherten Freiheitsraumes; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 215; Fehling, in: BK, GG, Art. 5 III (2004) Rn. 35 ff.; ausdrücklich Erbguth, in: FS Schnapp, 2008, S. 83 (92), für ein Recht der Hochschullehrer aus Art. 5 Abs. 3 GG auf Lehre und Forschung im Fach der jeweiligen Venia Legendi; vermittelnd Schmidt-Aßmann, in: FS Thieme, 1993, S. 697 (709 ff.). 470  Vgl. Fehling, in: BK, GG, Art. 5 III (2004) Rn. 37; ähnlich Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 5 Rn. 385. 471  Vgl. Classen, Religionsrecht, Rn. 531; Hollerbach, in: HStR VI2, § 140 Rn. 44; Schachten, Staatsamt, S. 107; zum Teilhaberecht aus Art. 5 Abs. 3 GG Le­ cheler, in: FS Listl 1999, S. 143 (145); Starck, in: FG BVerfG, 1976, S. 480 (524). 472  Heckel, Gleichheit, S. 72; ferner ders., in: FS Dürig, 1990, S. 241 (243). 473  Vgl. aber BVerfGE 122, 89 (110) – Lüdemann, wonach das Grundgesetz theologische Fakultäten nicht gebietet, sondern nur zulässt; insoweit anders Gärditz, JZ 2009, 515 (516).



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gen und Perspektiven, die eine überkonfessionelle Religionskunde aus der ihr eigenen Perspektive nicht adäquat beantworten kann.474 Folglich gewährleistet Art. 5 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, dass an staat­ lichen Universitäten religiös gebundene Theologie betrieben wird. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV werden dadurch im Hinblick auf den Zugang zu den öffentlichen Ämtern der Theologieprofessoren begrenzt. f) Garantie des Religionsunterrichts gem. Art. 7 Abs. 3 GG Gem. Art. 7 Abs. 3 GG ist Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen grundsätzlich ordentliches Lehrfach. Daraus folgt, dass der Religionsunterricht eine staatliche Veranstaltung ist, für die der Staat – in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften – die organisatorischen und insbesondere personellen Voraussetzungen zu schaffen hat.475 Es gibt also ein staatliches Interesse an universitär ausgebildeten Religionslehrern.476 Da das Grundrecht aus Art. 7 Abs. 3 GG auf Einführung von Religionsunterricht nicht unter dem Vorbehalt steht, dass die jeweilige Reli­ gionsgemeinschaft selbst – staatlichen Anforderungen entsprechende – Einrichtungen zur Ausbildung zukünftiger Religionslehrer schafft, könnte der Staat die Religionsgemeinschaften auch nicht auf diese Möglichkeit verweisen und gleichzeitig staatliche Ausbildungseinrichtungen schließen beziehungsweise verweigern. Dementsprechend muss der Staat Religionslehrer nicht nur einstellen, sondern auch ausbilden. Die Ausbildung solcher Religionslehrer ist eine wesentliche Aufgabe der theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten, die – rein statistisch angesichts der Studierendenzahlen – für die Fakultäten meist sogar bedeutsamer ist als die Ausbildung künftiger Seelsorger.477 474  Vgl. ferner Heckel, in: FS Link, 2003, S. 213 (239 ff.), für die notwendige hochschulrechtliche Trennung zwischen evangelischer und katholischer Theologie. 475  Siehe schon 3. Kap. C. I. 2.; z. T. ausdrücklich das Landesverfassungsrecht, vgl. Art. 15 S. 3 Verf. NW, dazu Günther, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NRW, Art. 15 Rn. 4; Art. 32 Abs. 4 Verf. Bbg, ferner Art. 19 i. V. m. Art. 18 Verf. BW. 476  Vgl. Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 122; ebenso Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 68. DJT II, Beschluss Nr. 8, S. O 200. Siehe auch Art. 15 S. 1, 3 Verf. NW, wonach sicherzustellen ist, dass an wissenschaftlichen Hochschulen die Befähigung zur Erteilung des Religionsunterrichts erworben werden kann. In Anbetracht dieser landesrechtlichen Verpflichtung und aus rechtspolitischen Gründen wäre es (aus staatlicher Sicht) keine gleichwertige Alternative, wenn der Staat Einrichtungen der Religionsgemeinschaften fördern würde, damit diese selbst Religionslehrer ausbilden. 477  Vgl. Ebers, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 137, 138, 140, 141 S. 397; Müller, in: FS Listl, 2004, S. 231 (248); Robbers, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 7 Rn. 135; dagegen Bäcker, Der Staat 48 (2009), 327 (342).

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Folglich gewährleistet auch die verfassungsrechtlich durch Art. 7 Abs. 3 GG vorgesehene Staatsaufgabe, Religionslehrer für öffentliche Schulen478 wissenschaftlich auszubilden, dass an staatlichen Universitäten religiös gebundene Theologie betrieben wird, und begrenzt Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV im Hinblick auf den Zugang zu den öffentlichen Ämtern der Theologieprofessoren.479 478  Zudem werden an den theologischen Fakultäten Religionslehrer für Privatschulen in religiöser Trägerschaft ausgebildet. In Deutschland gab es 2010 3373 allgemeinbildende und 2038 berufsbildende Schulen in privater Trägerschaft; das entspricht 9,8% bzw. 23% der insgesamt vorhandenen Schulen. Von privaten Schulträgern waren in NRW im Schuljahr 2011 / 2012 wiederum rund die Hälfte kirchlich, vgl. MSW, Schulwesen 2011 / 12, S. 43; Statistisches Bundesamt, Bildung und Kultur. Private Schulen, S. 145, 148; zur Steigerung dieses Anteils Schwabenbauer, DÖV 2011, 672 (672). Dem Bedarf dieser Privatschulen an Religionslehrern darf der Staat fördernd nachkommen: Zwar verbindet Art. 7 Abs. 4 GG dieses Freiheitsgrundrecht nicht explizit mit einem Anspruch auf (finanzielle) Förderung von privaten Ersatzschulen durch den Staat, solange im Ergebnis die Ersatzschule als Institution nicht existentiell gefährdet ist, vgl. zuletzt BVerwG, NVwZ-RR 2012, 965, m. w. N. Jedoch errichtet das Grundgesetz hohe Hürden für potenzielle Betreiber von Privatschulen. So verlangt Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG von den Privatschullehrern eine wissenschaftliche Ausbildung, die der Ausbildung der Lehrer an öffentlichen Schulen entspricht. Gleichzeitig haben Privatschulen nur begrenzt die Möglichkeit, die durch die Erfüllung dieser Anforderungen entstehenden Kosten auf die Schüler umzulegen, da Schulgelder nach S. 3 zu einer Versagung der Genehmigung führen können und nach der umstrittenen Rechtsprechung des BVerfG sogar müssen, wenn sie zu einer Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern führen, vgl. für Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG als Genehmigungsvoraussetzung BVerfGE 75, 40 (64) – Privatschulfinanzierung; 90, 107 (115) – Waldorfschule; dagegen Sachs, Grundrechte, B7 Rn. 32; zuletzt zu erforderlichen Eigenmitteln privater Schulträger VGH BW, Urt. v. 11.4.2013 – 9 S 233 / 12 –, Juris. Deswegen schuldet der Staat privaten Schulträgern einen Ausgleich für die vom Grundgesetz errichteten Hürden bei Errichtung Betrieb einer privaten Ersatzschule, vgl. BVerfGE 75, 40 (63) – Privatschulfinanzierung; 90, 107 (115 f.) – Waldorfschule; BVerwG, Beschl. v. 25.8.2011 – 6 B 16 / 11 –, Juris: Rn. 5; VerfGH BY, KirchE 50, 221 (228) = BayVBl. 2008, 78; Badura, in: MD, GG, Art. 7 (2006) Rn. 130; Starck, in: FG BVerfG, 1976, S. 480 (525); Thiel, in: Sachs, GG, Art. 7 Rn. 62 f.; zu landesverfassungsrechtlichen Förderansprüchen VGH BW, Urt. v. 11.4.2013 – 9 S 233 / 12 –, Juris: Rn. 178 ff. Diese kompensierende Förderung lässt sich auch in der Ausbildung der (Religions-) Lehrer privater Schulen sehen. 479  Vgl. BVerfGE 122, 89 (110) – Lüdemann: „Beleg für die Zulässigkeit“; Christoph, Fakultäten, S. 28; ders., in: Holzner / Ludyga, Entwicklungstendenzen, S. 343 (356); Czermak, Weltanschauungsrecht, Rn. 398; Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 122; Heinig, Der Staat 48 (2009), 615 (620 f.); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 417; Hollerbach, in: HStKR II, § 56 S. 549 (554); Kästner, in: Schweitzer / Schwöbel, Theologische Fakultäten, S. 56 (61); Link, in: HStKR II, § 54 S. 439 (473); Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 136 WRV Rn. 16; Steinhauer, Lehrfreiheit, S. 75 f.; Waldhoff, NJW-Beil. 2010, 90 (93): „Grundrechtsvoraussetzungsschutz“; de Wall, in: Heinig u. a., Theologie, S. 47 (48 f.); dagegen



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter269

g) Zwischenergebnis zu 2. Ausweislich der vertraglichen Vereinbarungen zwischen Staat und Reli­ gionsgemeinschaften erscheint es aus Sicht des parlamentarischen Gesetzgebers nach wie vor wünschenswert, dass Theologen – unabhängig von ihrer späteren Tätigkeit – an staatlichen theologischen Fakultäten ausgebildet werden.480 Denn der Staat hat ein „verfassungsrechtlich legitimes“481 Inte­ resse an einem hohen Ausbildungsstand der Geistlichen sowie ein Interesse daran, dass diese Ausbildung zu großen Teilen an staatlichen Universitäten im Blickfeld der (Wissenschafts-)Öffentlichkeit erfolgt.482 Das lässt sich insbesondere an den Verträgen zwischen Staat und Kirchen ablesen, die vorsehen, dass die Geistlichen ein mindestens dreijähriges Studium „an einer deutschen staatlichen Hochschule“483 absolviert haben. Zwar kann von diesem Erfordernis mit beiderseitigem Einverständnis abgesehen werden, Bäcker, Der Staat 48 (2009), 327 (341 f.); Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 69; Renck, NVwZ 1996, 333 (334). 480  Vgl. aus jüngerer Zeit die Zulässigkeit theologischer Fakultäten voraussetzend Art. 6 SKV Bbg; Art. 6 SKV BR; Art. 7 Abs. 2 SKV HH 2005; auch Art. 1 SKV SL 1985: Abs. 1: „An der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes besteht eine Fachrichtung Katholische Theologie.“ Abs. 2: „Aufgabe der Fachrichtung Katholische Theologie ist in der Lehre insbesondere die Ausbildung von Lehrkräften für die Erteilung katholischen Religionsunterrichts an den Schulen im Saarland.“ 481  Solte, in: HStKR I, § 18 S. 561 (565); vgl. BVerfGE 122, 89 (111) – Lüdemann; v. Campenhausen, ZevKR 47 (2002), 425 (426); Scheuner, Beanstandung, S. 32. 482  Vgl. BVerwGE 101, 309 (313 ff., 318 ff.); Heckel, in: FS Link, 2003, S. 213 (215), m. w. N., zum staatlichen Versuch, in Frankfurt eine katholisch-theologische Fakultät gegen den Willen der Kirche einzurichten; zuletzt Zweites Gesetz zur Änderung des HG Bbg v. 20.3.2013, GVBl. I Nr. 11, das die einfachgesetzlichen Vo­ raussetzungen für die akademische Ausbildung jüdischer Rabbiner schaffen soll, dazu LT-Drs. 5 / 6260; 5 / 6927. 483  Art. 14 RK, Art. 8 Abs. 1 lit. c, Art. 9 EKV Nds. 1955. Diese Vereinbarungen gehen zurück auf das sogenannte „Kulturexamen“ bzw. „Triennium“, wonach der Preußische Staat von den Kirchen verlangte, ausschließlich solchen Theologen ein geistliches Amt zu übertragen, die mindestens ein dreijähriges Studium an einer staatlichen Fakultät absolviert hatten; vgl. Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen von 1873, zitiert nach Zippelius, Staat, S. 159; aus heutiger Perspektive dazu v. Campenhausen, ZevKR 47 (2002), 425 (425); Heinig, Der Staat 48 (2009), 615 (616); Huber, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, 68. DJT II, S. O 105 f.; Mückl, in: HStR VII, § 160 Rn. 18; Solte, in: HStKR I, § 18 S. 561 (565). Siehe aber auch Art. 16 Abs. 2 Verf. NW: „Zur Ausbildung ihrer Geistlichen haben die Kirchen und zur Ausbildung ihrer Religionsdiener die Religionsgemeinschaften das Recht, eigene Anstalten mit Hochschulcharakter zu errichten und zu unterhalten“; ähnlich Art. 150 Abs. 1 Verf. BY, Art. 32 Abs. 4 S. 1, 2 Verf. Bbg, Art. 9 Verf. BW; andererseits Art. 34 S. 1 Verf. BR: „Die Hochschulen sind in der Regel staatlich.“

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doch ist es dem Staat offensichtlich wichtig, dass angehende Geistliche zumindest grundsätzlich gerade an einer staatlichen Hochschule ausgebildet werden. Aktuell manifestiert sich das staatliche Interesse an universitär ausgebildeten Theologen vor allem in der Diskussion um die Einführung islamischer Studiengänge an staatlichen Universitäten in Deutschland: Der Wissenschaftsrat empfiehlt, verstärkt theologisch orientierte Islamische Studien in Deutschland durchzuführen, um die Voraussetzungen für die religionspädagogische Ausbildung islamischer Religionslehrer zu schaffen.484 Solche Studiengänge sollen bekenntnisgebunden im Sinne herkömmlicher christlicher Fakultäten ausgestaltet werden und sowohl für religionskundlichen als auch für bekenntnisgeprägten islamischen Religionsunterricht qualifizieren.485 Diese rechtspolitischen Gesichtspunkte haben an verschiedenen Stellen Niederschlag in der Verfassung gefunden: Gem. Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG ist der Religionsunterricht grundsätzlich ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen und somit eine staatliche Veranstaltung. Daraus folgt eine Verantwortung des Staates für die wissenschaftliche Ausbildung der Reli­ gionslehrer und somit die Rechtfertigung staatlicher theologischer Fakultäten. Zudem würden theologisch forschende Wissenschaftler in ihrer Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG beeinträchtigt, wenn religiös gebundene Theologie von Staats wegen generell nicht mehr an staatlichen Hochschulen betrieben werden dürfte. Der Staat darf die Theologie nicht wegen ihres bekenntnishaften Charakters gegenüber anderen Wissenschaften benachteiligen, indem er sie aus der Universität verbannt. Folglich fordert Art. 5 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ein Mindestmaß an theologischen Forschungseinrichtungen an staatlichen Universitäten; jedenfalls sind theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten daher verfassungsrechtlich zulässig. Folglich ist die Vergabe von Ämtern an den theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten in Abhängigkeit vom Einverständnis der jeweils betroffenen Religionsgemeinschaft gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, Art. 7 Abs. 3 GG zulässig.486 484  Vgl. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen, S. 75. So etwa das neue Centrum für Religiöse Studien (CRS) an der Universität Münster zur religionswissenschaftlichen Forschung und Lehre; vgl. dazu Nolte, DÖV 2008, 129 (133); Walter, DVBl. 2010, 993 (996 ff.); kritisch zu dieser Entwicklung Isensee, in: FS Listl, 1999, S. 67 (87 f.). 485  Vgl. Stock, RdJB 2005, 94 (108 f.); Walter, DVBl. 2010, 993 (996 f. Fn. 32). 486  Vgl. Borowski, Gewissensfreiheit, S. 732; Gärditz, JZ 2009, 515 (516); ders., Hochschulorganisation, S. 598 f.; Hallermann, in: Holzner / Ludyga, Entwicklungs-



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3. Art der Begrenzungswirkung Es fragt sich, ob Art. 5 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, Art. 7 Abs. 3 GG wie eine tatbestandliche Begrenzung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV oder wie ein Gesetzesvorbehalt wirken. Dies ist durch Auslegung der begrenzenden Normen zu ermitteln. Entstehungsgeschichtlich wollte der Parlamentarische Rat die Verfassungsmäßigkeit theologischer Fakultäten nicht in Frage stellen, indem er keine mit Art. 149 WRV vergleichbare ausdrückliche Garantie dieser Einrichtungen in das Grundgesetz aufgenommen hat. Vielmehr sollte die Entscheidungskompetenz der Länder gewahrt werden, um landesspezifische Regelungen zu ermöglichen. Zudem ist der historische Befund zu berücksichtigen, wonach die Konfessionsbindung der Professorenämter an theologischen Fakultäten eine lange Tradition hat. Weiterhin ist insbesondere Art. 7 Abs. 3 GG maßgeblich, wonach der konfessionelle Religionsunterricht eine staatliche Veranstaltung ist, sodass der Staat auch eine Verantwortung für die Ausbildung von Religionslehrern trägt. Unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften setzt die religiös gebundene Lehre jedoch stets voraus, dass die betroffene Religionsgemeinschaft jedenfalls keine Bedenken gegen die Person des Lehrenden hat. Dies hat das Grundgesetz anerkannt, ohne die damit verbundene Kettenanknüpfung an das religiöse Bekenntnis der Bewerber von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Folglich sind die Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV insoweit quasi-tatbestandlich begrenzt und auf die Vergabe von Professorenämtern an theologischen Fakultäten nicht anwendbar.

tendenzen, S. 303 (307): „bestand der theologischen Wissenschaft im Verband der übrigen Wissenschaften“; Hollerbach, in: HStKR II, § 56 S. 549 (555 f.); Kästner, in: Schweitzer / Schwöbel, Theologische Fakultäten, S. 56 (64); Czermak, Weltanschauungsrecht, Rn. 398; mit besonderer Betonung des Kulturstaatsauftrags: Baldus, in: GS Krüger, 2001, S. 21 (38); v. Campenhausen, in: FS Maunz, 1981, S. 27 (28); ders., ZevKR 47 (2002), 425 (425); Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 122; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 64; ders., ebd., Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 9; Mussinghoff, Fakultäten, S. 394; Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (270); argumentativ anders, aber im Ergebnis doch für Rechtfertigung aus Art. 5 Abs. 3 GG: Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 69; dagegen Bäcker, Der Staat 48 (2009), 327 (345 ff.).

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

4. Zwischenergebnis zu IV. Die staatliche Verantwortung für die Religionslehrerausbildung gem. Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG sowie das Verbot einer Benachteiligung der Theologie als Wissenschaft gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG begrenzen die Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV quasi-tatbestandlich im Hinblick auf die Vergabe von Professorenämtern an theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten. Folglich ist die Vergabe dieser Ämter trotz Kettenanknüpfung des Staates an das religiöse Bekenntnis der Bewerber verfassungsgemäß.487

V. Theologieprofessoren nicht-theologischer Fakultäten Diese Argumentation lässt sich auf diejenigen Theologieprofessoren übertragen, die nicht einer theologischen, sondern einer profanen Fakultät eingegliedert sind.488 487  Vgl. BVerfGE 122, 89 (108 ff., 113) – Lüdemann; BVerwGE 124, 310 (312 f., 315 f.); VerfGH BY, BayVGHE 7 (1954), 41 (48); VGH BW, NJW 1967, 2028 (2029); v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 67; Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 122; Gärditz, JZ 2009, 515 (516); ders., Hochschulorganisation, S. 604 ff.; Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 44; Gröpl, in: ders. u. a., GG, Art. 33 Rn. 44; Heckel, Theologische Fakultäten, S. 67 f.; ders., ZThK 103 (2006), 95 ff.; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 415; Hofmann, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 140 Rn. 15; Hollerbach, in: HStKR II, § 56 S. 549 (557); ders., in: HStR VI2, § 140 Rn. 48; Isak, Selbstverständnis, S. 323; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 33; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 230; ders., in: Schweitzer / Schwöbel, Theologische Fakultäten, S. 56 (61 f.); Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 69; Muckel, in: HGR IV, § 96 Rn. 35; ders., in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 64; ebd., Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 9; Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 42; Mussinghoff, Fakultäten, S. 417; Nolte, DÖV 2008, 129 (131 f.); Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 858; Scheuner, Beanstandung, S. 33 f.; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 405; Tilmann, Konkordatsprofessuren, S. 195; de Wall, in: Heinig u. a., Theologie, S. 47 (50); kritisch, aber wohl für die Zulässigkeit: Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 334; Renck, NVwZ 1996, 333 (337), wonach das Grundgesetz ihrer Existenz nicht entgegensteht; differenziert Bäcker, Der Staat 48 (2009), 327 (350 ff.). Vgl. zweifelnd: Sachs, in: HStR, § 182 Rn. 159; ders., in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1801; Frerk, Kirchenfinanzen, S. 122; kritisch: Bäcker, NVwZ 2009, 827 (828), wegen Vernachlässigung des Neutralitätsprinzips; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 37, s. aber ebd. Rn. 43. Siehe rechtsvergleichend Basdevant-Gaudemet, in: Robbers, Staat, S. 171 (188); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1412, zur wissenschaftlichen Theologie in Frankreich; McClean, in: Robbers, Staat, S. 603 (618), zu (faktisch) konfessionsgebundenen Staatsämtern der Universitätstheologen in Großbritannien. 488  Beispielsweise kann auf die theologischen Institute an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln verwiesen werden. Vgl. zur Besetzung dieser Ämter § 80 Abs. 3 HG NW; ferner Kästner, in: Schweitzer / Schwöbel, Theologische



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Es handelt sich bei den so organisierten Ämtern ebenfalls um öffentliche Ämter, zu denen Bewerber ausschließlich im Einverständnis mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft zugelassen werden. Verweigert die Religionsgemeinschaft ihr Einverständnis wegen des religiösen Bekenntnisses des Bewerbers und lehnt der Staat eine Bewerbung daraufhin ab, so liegt eine Kettenanknüpfung des Staates an das religiöse Bekenntnis des Bewerbers vor.489 Da die betroffenen Professoren nahezu ausschließlich in der Ausbildung künftiger Religionslehrern tätig sind, erhält Art. 7 Abs. 3 GG als Argument für die Begrenzung der besonderen Gleichheitssätze ein besonders hohes Gewicht. Folglich sind Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV im Hinblick auf den Zugang zu den öffentlichen Ämtern der Theologieprofessoren nicht-theologischer Fakultäten quasi-tatbestandlich begrenzt durch Art. 7 Abs. 3 GG.

VI. Professoren sogenannter Konkordatsprofessuren Möglicherweise dürfen auch die Ämter der sogenannten Konkordatsprofessuren in Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis der Bewerber vergeben werden. Diese Ämter gehen – wie die Bezeichnung schon andeutet – zurück auf Konkordate des Staates mit der katholischen Kirche.490 Betroffen sind Fakultäten, S. 56 (59 f.); Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 136 WRV Rn. 16; Solte, Theologie, S.  230 f. 489  Zum Begriff der Kettenanknüpfung s. schon 2. Kap. D II. 5., 3. Kap. A. I. 2. Da im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit insoweit keine Unterschiede zu den Professoren theologischer Fakultäten bestehen, kann die Frage, ob die Auflösung theologischer Fakultäten verfassungsrechtlich zulässig wäre, wenn die Professoren stattdessen in profane oder konfessionsübergreifende Fakultäten eingegliedert würden, hier offen bleiben. Gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer solchen organisatorischen Zusammenfassung sind gewichtige Bedenken vorgebracht worden, vgl. nur de Wall, in: Heinig u. a., Theologie, S. 47 (57 f.); ausführlich Weber, in: Heinig u. a., Theologie, S. 59 ff. Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV, etwa im Hinblick auf Lehrpersonen, Lehrinhalte oder Prüfungsordnungen, das nicht unangemessen beschränkt werden darf, und zugleich der strikten Begrenzung der konfes­ sionellen Mitwirkung auf die je eigenen Angelegenheiten. Das spricht jedenfalls gegen gemeinsame religionsübergreifende Organisationseinheiten, in denen eine Religionsgemeinschaft in Glaubensfragen durch andere überstimmt werden könnte, vgl. He­ ckel, in: FS Link, 2003, S. 213 (244 f.); Heinig, Der Staat 48 (2009), 615 (629 f.); zurückhaltender Classen, Religionsrecht, Rn. 538 ff. 490  Art. 3 § 5 S. 1 Konk. BY 1924: „Der Staat unterhält an den Universitäten Augsburg, Erlangen-Nürnberg, München (Ludwig-Maximilians-Universität), Passau, Regensburg und Würzburg sowie an der Gesamthochschule Bamberg in einem für das erziehungswissenschaftliche Studium zuständigen Fachbereich je einen Lehrstuhl für Philosophie, für Gesellschaftswissenschaften und für Pädagogik, gegen

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derzeit die Ämter von rund 25 Professoren, die durchweg nicht-theologische Fächer, insbesondere Geschichte, Gesellschaftswissenschaften, Pädagogik und Philosophie, an staatlichen Universitäten lehren.491 Gemäß den vertraglichen Vereinbarungen hat der zuständige katholische Ortsbischof bei der Besetzung dieser Ämter ein Mitspracherecht: in Bayern das sogenannte Erinnerungsrecht und in Baden-Württemberg die Feststellung, dass ein Kandidat zur Theologenausbildung geeignet ist.492 Entstanden sind die entsprechenden Verträge zwischen Staat und Kirche in einer Zeit, als katholische Wissenschaftler in staatlichen – insbesondere preußischen – Einrichtungen gegenüber protestantischen Professoren deutlich in der Unterzahl waren, was sich bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts fortsetzte.493 Außerdem wollte die Reichsregierung erreichen, dass katholische Priesteramtskandidaten zukünftig an staatlichen Universitäten studierten, um deren Bildungsniveau zu erhöhen.494 deren Inhaber hinsichtlich ihres katholisch-kirchlichen Standpunktes keine Erinnerung zu erheben ist“; Schlussprotokoll zu Art. IX Konk. Bad. 1932, wonach der Badische Staat im Hinblick auf die [vom Staat] geforderte wissenschaftliche philosophisch-theologische Ausbildung künftiger Geistlicher Sorge dafür trägt, dass an der Universität Freiburg je eine Professur für Philosophie und Geschichte mit einer „Persönlichkeit besetzt wird, welche für die einwandfreie Ausbildung der Theologiestudierenden geeignet“ ist; Ziffer 4 der Vereinbarung zwischen dem Oberregierungspräsidenten Hessen-Pfalz mit dem Bischof von Mainz über die katholisch-theologische Fakultät der Universität Mainz v. 15. / 17.4.1946, AfkKR 128 (1957 / 1958), 402 f.: „Die zur wissenschaftlichen Ausbildung der katholischen Theologie-Studierenden notwendigen beiden Lehrstühle in der Philosophischen Fakultät (je ein Lehrstuhl für scholastische Philosophie und für Geschichte) sind mit Persönlichkeiten zu besetzen, die nach dem Urteil des Bischofs (bzw. Bistumsverwesers) für eine einwandfreie Ausbildung der Theologie-Studierenden geeignet sind.“ Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (70 ff.). 491  Angesichts der Vielzahl von einschlägigen – zum Teil recht alten – vertraglichen Regelungen ist die genaue Rechtslage unübersichtlich. Außer in Bayern und Freiburg gibt es in Deutschland wohl nur noch in Mainz zwei Konkordatsprofessuren, vgl. Baldus, in: GS Krüger, 2001, S. 21 ff.; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 136 WRV Rn. 21 f., je m. w. N.; zum Wegfall der satzungsrechtlichen Grundlagen für konfessionsgebundene Professuren in Münster und Bonn Neumann, Konkordatsprofessuren, S. 31 ff. 492  Vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1227, 1311. 493  Vgl. etwa May, ZRG 84 (1967), 155 (190 ff.), zur Benachteiligung der Katholiken durch den preußischen König Friedrich Wilhelm III.; für die Zeit des Kulturkampfes: ders., ZRG 85 (1968), 200 (231 ff., 247); Morsey, in: Weitlauff, 19. Jahrhundert, S. 163 (164); allgemein: Baldus, in: GS Krüger, 2001, S. 21 (22, 26); v. Campenhausen, in: FS Maunz, 1981, S. 27 (32 f.); Hollerbach, HStKR II, § 56 S. 549 (598); Solte, Theologie, S. 216 ff.; Tetzel, Rechtspositionen, S. 48, m. w. N.; ferner BVerfGE 74, 163 (180 f.) – Rentenalter, zur Bevorzugung von Frauen zum Ausgleich bestehender Diskriminierungen. 494  Vgl. Baldus, in: GS Krüger, 2001, S. 21 (23).



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Zuletzt ist die Verfassungsmäßigkeit der Konkordatsprofessuren Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren geworden:495 Die spätere Klägerin hatte sich erfolglos auf eine von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Oktober 2007 ausgeschriebene Professur für praktische Philosophie beworben, auf die Art. 3 § 5 S. 1 Konk. BY 1924 anzuwenden ist. Die abgelehnte Bewerberin führt ihre Nichtberücksichtigung auf die Konkordatsbindung des ausgeschriebenen Lehrstuhls zurück, da sie nicht der katholischen Kirche angehört. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob die Konfessionszugehörigkeit bei der hochschulinternen Auswahl der Bewerber berücksichtigt worden ist. 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen Die vertragsgemäße Besetzung von Konkordatsprofessuren könnte grundrechtliche Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV beeinträchtigen. Festzuhalten bleibt mit dem BayVGH, „dass das Kriterium des ‚katholisch-kirchlichen Standpunktes‘ nicht von den am Auswahlverfahren beteiligten Hochschul- und Staatsorganen zu prüfen ist, sondern nur Grundlage einer möglichen Erinnerung seitens des örtlich zuständigen Bischof sein kann.“496 Das Mitspracherecht des Bischofs bezieht sich nur auf den im staatlichen Besetzungsverfahren erfolgreichen Bewerber; es kann daher erst nach Abschluss des Auswahlverfahrens gegenüber dem staatlichen Dienstherrn ausgeübt werden. Bis zu diesem Verfahrensschritt darf es dementsprechend zu keiner Benachteiligung wegen der Konfession kommen, da es nur der jeweiligen religiösen Autorität zusteht, entsprechende Bedenken geltend zu machen. Im Anschluss an die staatliche Auswahlentscheidung kann der Ortsbischof sodann den Konkordaten entsprechend gegebenenfalls Bedenken gegen den staatlich ausgewählten Bewerber geltend machen. Zwar setzt auch die kirchliche Unbedenklichkeitsbestätigung, das nihil obstat, nicht zwangsläufig voraus, dass der zu Berufende katholisch ist,497 doch wird das nihil obstat erstens faktisch ganz überwiegend Katholiken gegenüber ausgesprochen und 495  Vgl. VG Ansbach, Beschl. v. 11.12.2008 – AN 2 E 08.00925 u. a. – n. v.; Beschl. v. 13.12.2010 – AN 2 E 10.01011 –, Juris; Urt. v. 28.7.2011 – AN 2 K 10.01802 – n. v.; BayVGH, NVwZ-RR 2012, 723, dagegen Grundrechtsverfassungsbeschwerde erhoben zum BVerfG; BayVGH, BayVBl. 2013, 308. 496  BayVGH, BayVBl. 2010, 115 Rn. 27; vgl. daran festhaltend BayVGH, NVwZRR 2012, 723 (724); BayVBl. 2013, 308 (309). 497  Vgl. aber Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1311: „Professoren des katholischen Bekenntnisses“. Kirchenrechtlich wird die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche jedenfalls nicht explizit vorausgesetzt, da es sich bei den Gegenständen der Konkordatslehrstühle nicht um theologische Disziplinen i. S. v. can. 812 CIC oder kirchliche

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

darf es zweitens nur aus amtsbezogenen religiösen Gründen, hinsichtlich des katholisch-kirchlichen Standpunktes, versagt werden.498 Die erwähnten vertraglichen Vereinbarungen zwischen Staat und katholischer Kirche verpflichten den staatlichen Dienstherrn, die Ernennung im Falle einer kirchlichen Beanstandung des Ausgewählten zu unterlassen. Der Staat knüpft zwar nicht selbst ausdrücklich an das religiöse Bekenntnis der Bewerber an, doch hat er sich zur Beachtung kirchlicher Beanstandungen verpflichtet. Berücksichtigt die kirchliche Autorität bei ihrer Entscheidung über die Beanstandung das religiöse Bekenntnis des Betroffenen und nimmt der Staat daraufhin eine benachteiligende oder bevorzugende Handlung vor, so ist ihm die kirchliche Anknüpfung zuzurechnen. Es liegt dann eine Kettenanknüpfung des Staates an das religiöse Bekenntnis der Bewerber vor.499 Diese beeinträchtigt grundrechtliche Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV. 2. Grundrechtsbegrenzungen Die besonderen Gleichheitssätze könnten indes insoweit durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt sein. a) Vertragliche Vereinbarungen mit dem Heiligen Stuhl i. V. m. Art. 123 Abs. 2 GG Teilweise wird die Rechtfertigung der Konkordatsprofessuren aus den Verträgen zwischen Staat und katholischer Kirche hergeleitet.500 Indes können die von den Ländern beziehungsweise ihren Vorgängerstaaten abgeschlossenen Verträge keine Verstöße gegen die Bundesverfassung rechtfertigen. Vielmehr sind die sie transformierenden Gesetze am Grundgesetz zu messen.501 Verkündigung handelt, vgl. Neumann, Konkordatsprofessuren, S. 154; Mussinghoff, in: Lüdicke, MKCIC, can. 812 (1986) Rn. 4. 498  Vgl. BayVGH, NVwZ-RR 2012, 723 (724). Versagt der Ortsbischof sein Einvernehmen aus anderen Gründen – etwa wegen des Geschlechts, einer fehlenden Priesterweihe oder wegen der sexuellen Orientierung des Ausgewählten – so liegt keine unmittelbare Benachteiligung wegen des religiösen Bekenntnisses i.  S.  v. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV vor. Die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Vorgehens wäre dann an den anderen grundgesetzlichen Gleichheitssätzen oder an Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV zu messen. 499  Siehe dazu schon 2. Kap. D. II. 5., 3. Kap. A. I. 2. 500  Vgl. Hollerbach, in: GS Conrad, 1979, S. 283 (300): „Trienniums-Verpflichtung“; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 27; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1311. 501  Siehe schon 2. Kap. D. III. 2. c), 3. Kap. C. IV. 2. c); vgl. VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (75 f.); Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 136 WRV Rn. 16; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 10.



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter

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b) Landesverfassungsrechtliche Gewährleistungen In einer Entscheidung vom 11. April 1980 leitet der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Rechtfertigung von Konkordatsprofessuren aus dem bayerischen Landesverfassungsrecht her.502 Ausdrücklich bezieht er sich dabei zwar auf eine mögliche Beeinträchtigung von Art. 107 Abs. 4 Verf. BY, verweist aber gleichwohl häufig auf den fast wortgleichen Art. 136 Abs. 2 WRV.503 Bei der Sorge um die Einhaltung der Bildungsziele gem. Art. 131 Verf. BY und die Gestaltung des Unterrichts gem. Art. 135 S. 2 Verf. BY sei der Staat auf eine Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften angewiesen, so der Verfassungsgerichtshof. Das landesverfassungsrechtlich verankerte Verhältnis von Staat und Kirche sowie die Schulverfassung des Landes rechtfertigten es, „den anerkannten Religionsgemeinschaften für die sachbemäße Erfüllung ihrer Aufgaben in einem bestimmten Umfang Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte“504 bei der Besetzung der Konkordatsprofessuren einzuräumen. Solche „staatsvertragsgebundenen Ämter“505 stellt der Verfassungsgerichtshof im Folgenden „den konfessionsgebundenen Ämtern“506 gleich, sodass mit der Entscheidung für die Rechtmäßigkeit wohl – jedenfalls implizit – eine Begrenzung der besonderen Gleichheitssätze bejaht wird. Indes kann Landesverfassungsrecht eine mit der Ämtervergabe in Abhängigkeit von der Zustimmung einer religiösen Autorität verbundene Beeinträchtigung bundesverfassungsrechtlicher Gleichheitsgarantien nicht rechtfertigen [s. schon 2. Kap. D. III. 2. d), 3. Kap. C. IV. 2. b)]. Zwar besitzen die Länder Verfassungsautonomie, doch setzt die Gültigkeit einer vom Grundgesetz abweichenden landesverfassungsrechtlichen Norm voraus, dass sowohl der von Art. 28 GG normierte Rahmen der Verfassungshoheit der Länder als auch die Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes beachtet wurden. Kommt es zu einer Kollision zwischen Bundes- und Landesverfassung, so setzt sich gem. Art. 31 GG das ranghöhere Bundesrecht durch. Landesverfassungsrecht kann daher die Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV nicht begrenzen.

502  Vgl.

VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (76 ff.). VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (72, 73, 76). 504  VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (65). 505  VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (81). 506  VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (81). 503  Siehe

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

c) Schulrechtliche Regelungen des Art. 7 Abs. 3 bis 5 GG Eine Begrenzung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV könnte sich jedoch aus Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG ergeben. Danach ist der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen grundsätzlich ordentliches Lehrfach, woraus eine staatliche Verantwortung für die Religionslehrerausbildung folgt. Diese rechtfertigt die Existenz theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten und die an ihnen bestehenden religiös gebundenen öffentlichen Ämter [s. schon 3. Kap. C. IV.]. Es fragt sich, ob Konkordatsprofessuren ebenfalls durch Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG vorgeschrieben oder als Ausnahme zugelassen werden. Zur Ausbildung katholischer Theologen gehört traditionell ein Studium der Philosophie. Teilweise sind die dazu erforderlichen Philosophie-Professuren in die katholisch-theologischen Fakultäten eingegliedert, sodass bei der Berufung kirchliche Mitwirkungsrechte bestehen; teilweise übernehmen Professoren profaner Fakultäten diesen Teil der Ausbildung. Letztere Konstruktion war der klassische Anwendungsfall von Konkordaten, wonach auch Professoren nicht-theologischer Fakultäten dem römisch-katholischen Bekenntnis angehören mussten, um vor allem den Theologie-Studierenden zu ermöglichen, sich im Rahmen ihres Studiums auch in philosophischen oder historischen Disziplinen bei Lehrern gleicher Konfession weiterzubilden.507 Indes begründet der Umstand, dass auch nicht-theologische Fächer zum Ausbildungsprogramm von Theologie-Studenten gehören, keine Definitionsmacht der Kirche über deren Lehre und vermag daher keine kirchlichen Kontrollrechte zu begründen.508 Ferner ist insbesondere für profanhistorische Konkordatsprofessuren kein kirchlicher Ausbildungsbedarf erkennbar.509 Im Übrigen zeigt die derzeitige Praxis, dass es – auch aus kirchlicher Sicht – offensichtlich nicht erforderlich ist, künftige Religionslehrer oder andere in der kirchlichen Verkündigung Tätige ausschließlich durch Dozenten auszubilden, denen gegenüber kirchliche Beanstandungsrechte bestehen. So werden Religionslehrer und Theologen etwa in NRW, wo es keine Konkordatsprofessuren mehr gibt,510 philosophisch ausgebildet, ohne dass es 507  Vgl. Hollerbach, HStKR II, § 56 S. 549 (597 f.); Solte, Theologie, S. 223; für die Beachtlichkeit der Bekenntnishomogenität zwischen Lehrenden und Studierenden May, ZRG 84 (1967), 155 (187 ff.). 508  Vgl. Classen, Religionsrecht, Rn. 554; a. A. Tilmann, Konkordatsprofessuren, S. 204, für die Rechtfertigung von Konkordatsprofessuren in Philosophie. 509  Vgl. v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 68; ders., in: FS Maunz, 1981, S. 27 (35); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 417; Hollerbach, HStKR II, § 56 S. 549 (598); Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 33; Tilmann, Konkordatsprofessuren, S. 204. 510  Vgl. zum Wegfall früherer Rechtsgrundlagen wegen der Autonomie der Hochschulen Baldus, in: GS Krüger, 2001, S. 21 (35 f.), der ebd., S. 36 f., freilich feststellt,



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dort kirchliche Beanstandungsrechte gegenüber allen Dozenten gäbe.511 Folglich sind Konkordatsprofessuren für die Ausbildung von Religionslehrern nicht unerlässlich.512 Dass das Grundgesetz gleichwohl die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung oder Einführung solcher Professuren eröffnen wollte, ist nicht ersichtlich, da die Grundrechte auch sonst nicht zur (vertraglichen) Disposition einzelner mehr oder weniger stark Betroffener stehen. Gleiches gilt für die Ausbildung der Lehrer an staatlichen Bekenntnisschulen. Zwar muss der Staat auch für diese Schulen geeignete Lehrer ausbilden, doch ist auch insoweit nicht erkennbar, dass das Grundgesetz dazu die Einrichtung kirchlich gebundener öffentlicher Ämter vorschreibt oder zulässt. Die Berufung auf grundgesetzlich zugelassene staatliche Bekenntnisschulen vermag nicht zu erklären, warum die Lehrer dieser Bekenntnisschulen gerade in den von den Konkordatsprofessuren betroffenen Fächern von kirchlich gebundenen Dozenten ausgebildet werden müssten. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Ausgestaltung der grundgesetzlichen Privatschulfreiheit gem. Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG: Diese gewährleistet das Recht, private Schulen zu errichten und sie mit staatlicher Genehmigung als Ersatz für öffentliche Schulen zu betreiben. Das Grundgesetz erkennt die Privatschule als Einrichtung an und stellt sie unter den Schutz des Staates. Angesichts der grundgesetzlichen Hürden für potenzielle Betreiber von Privatschulen verlangt Art. 7 Abs. 4 GG mittelbar eine staatliche Förderung der Privatschulen. Da zudem ein Großteil der Privatschulen in kirchlicher Trägerschaft steht, soll aus dem Bedarf dieser Privatschulen an theologisch vorgebildeten Lehrern die Rechtfertigung der Konkordatsprofessuren folgen, so eine in der Literatur vertretene Auffassung: Es sei dem Staat nicht verboten, diesem Bedarf fördernd nachzukommen.513 Indes ist auch insoweit nicht erkennbar, dass das Grundgesetz zur Förderung religiöser Privatschulen die Einrichtung religiös gebundener öffentlicher Ämter vorschreibt oder zulässt. dass die einst betroffenen Lehrstühle bislang gleichwohl faktisch mit Katholiken besetzt würden. Neumann, Konkordatsprofessuren, S. 33, erwägt eine gewohnheitsrechtliche Fortsetzung der konfessionellen Besetzung in der Praxis, die freilich nichts daran ändern würde, dass die betroffenen katholischen Bistümer offizielle Mitwirkungsrechte bei der Stellenbesetzung offensichtlich für entbehrlich erachten. 511  Allerdings obliegt die philosophische Bildung der Theologie-Studierenden etwa an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn auch (aber eben nicht ausschließlich) den Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät, die ein konfessionsgebundenes Amt ausüben. 512  Vgl. Neumann, Konkordatsprofessuren, S. 155; anders aber Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 3. 513  Deswegen insoweit für die Verfassungsmäßigkeit, aber insgesamt gleichwohl differenzierend v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 68; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 860.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Folglich können Art. 7 Abs. 3, 4, 5 GG Benachteiligungen oder Bevorzugungen wegen des religiösen Bekenntnisses bei der Vergabe von Konkordatsprofessuren nicht rechtfertigen.514 d) Religiöse Selbstbestimmung gem. Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV Badura hält Konkordatslehrstühle für verfassungskonform, „soweit das durch sie wahrzunehmende Gebiet von Forschung und Lehre unmittelbar für die Kirche und deren Bekenntnis von Gewicht ist – also z. B. nicht in den Fächern der allgemeinen Geschichte oder der Philosophie – und die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 GG) gesichert bleibt“.515 Mangels ausdrücklicher Benennung von Gründen, die diese Auffassung rechtfertigen könnten, lässt sich darüber nur spekulieren: Angesichts des Bezugs zum religiösen Bekenntnis scheint er die Rechtfertigung aus der Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG eventuell i. V. m. dem Selbstbestimmungsrecht gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV herleiten zu wollen. Dagegen bleibt einzuwenden, dass nicht erklärbar wird, warum die katholische Kirche ausgerechnet in den von den Konkordatsprofessuren betroffenen Bereichen Mitspracherechte haben soll, da es sich doch um profane Wissenschaftsdisziplinen handelt. „Von [mehr oder weniger großem] Gewicht“ für die kirchliche Lehre sind aber bei universalem Theologieverständnis alle Wissenschaften, sodass die Konkordatsprofessuren nicht geeignet erscheinen, etwa zu unterstellende kirchliche Einflussrechte auf profane Wissenschaften durchzusetzen. Vielmehr sind solche staatlich abgesicherten Einflussrechte abzulehnen, sofern sie nicht ausnahmsweise durch besondere Verfassungsbestimmungen gerechtfertigt sind. Folglich können Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV Konkordatsprofessuren als kirchlich gebundene öffentliche Ämter nicht rechtfertigen.516

514  Vgl. Classen, Religionsrecht, Rn. 554; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 245, hingegen für Rechtfertigung zur Lehrerausbildung, z. T. differenziert v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 68; de Wall, Art. Konkordatslehrstuhl, in: Heinig / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 136 f.; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 /  Art. 136 WRV Rn. 3; wohl auch Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 10, bei besonderer „Bedeutung für die theologische Ausbildung“ (ebd.). 515  Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 40. 516  Vgl. Solte, Theologie, S. 227.



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3. Zwischenergebnis zu VI. In der Verpflichtung des Staates zur Berücksichtigung kirchlicher Beanstandungen beim Zugang zu Konkordatsprofessuren, über die die katholische Kirche unter Berücksichtigung des religiösen Bekenntnisses der Bewerber entscheidet, sowie im staatlichen Vollzug solcher Beanstandungen durch die Versagung der Zulassung liegt eine Kettenanknüpfung des Staates an das religiöse Bekenntnis der Bewerber. Damit ist eine rechtfertigungsbedürftige Beeinträchtigung der Rechtspositionen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV verbunden. Die Tatsache, dass katholische Wissenschaftler historisch an den staatlichen Universitäten insbesondere in Preußen weniger stark vertreten waren als protestantische Professoren, kann die Einrichtung von Konkordatsprofessuren zur Kompensation heute nicht mehr rechtfertigen. Sofern nicht-katholische Wissenschaftler noch immer bei der Vergabe profaner Professuren bevorzugt werden sollten, würde daraus kein Anspruch katholischer Bewerber auf gegenläufige Bevorzugung folgen, sondern ein Abwehrrecht gegen die konfessionsbedingte Bevorzugung der tatsächlich Eingestellten.517 Es gilt insoweit der Grundsatz „Keine Gleichheit im Unrecht“518, der auch nicht durch das Anliegen, konfessionelle Parität herzustellen, verdrängt wird. Weder vertragliche Vereinbarungen zwischen Staat und katholischer Kirche noch etwaige Verantwortlichkeiten des Staates für die Lehrerausbildung oder grundrechtliche Ansprüche der Kirche können die Einrichtung von Konkordatsprofessuren rechtfertigen. Folglich sind diese verfassungswidrig, weil die mit der kirchlich gebundenen Ämtervergabe verbundene Beeinträchtigung der Rechtspositionen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV nicht gerechtfertigt ist.519 517  Vgl. wie hier: v. Campenhausen, in: FS Maunz, 1981, S. 27 (33); allgemein: Kempny / Reimer, Gleichheitssätze, S. 124 f.; Sachs, StaatsR IV / 2, § 120 S. 1593 f.; anders: Solte, Theologie, S. 224, der katholische Theologen ausreichend durch Art. 3 Abs. 3 (S. 1), Art. 33 Abs. 3 GG geschützt sieht (S. 225), gleichwohl aber eine Nihilobstat-Befugnis für Konkordatsprofessuren „ohne weiteres“ (S. 228) annimmt, ohne den Benachteiligungsschutz von Nicht-Katholiken zu erwähnen; allgemein gegen eine „Popularklage des Neids“ Dürig, in: MD, GG, Art. 3 I (1973) Rn. 468, wobei es sich in diesem Fall nicht um eine „Popularklage“ gegen die Bevorzugung anderer handeln würde, sondern um die Klage eines konkret Benachteiligten. Vgl. etwa gegen eine Verpflichtung des Staates, auch evangelische Konkordatsprofessuren einzurichten: VerfGH BY, BayVGHE 33 (1980), 65 (81 f.); v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 68; ders., in: FS Maunz, 1981, S. 27 (36 f.); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1311; in anderem Kontext zuletzt zum gleichheitswidrigen Ausschluss von Begünstigungen BVerfGE 131, 239 (255 ff.) – Homo-Ehe. 518  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 120 S. 1591 ff. (insbes. Fn. 931 m. w. N.). 519  Vgl. Classen, Religionsrecht, Rn. 554; Czermak, Weltanschauungsrecht, Rn. 398; ders., ZRP 2001, 565 (567); Fischer, Volkskirche, S. 140; Kästner, in: BK,

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

VII. Professoren religiös-weltanschaulich ungebundener Fachbereiche Ebenso läge eine Benachteiligung wegen des religiösen Bekenntnisses i. S. v. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV vor, wenn der Staat – etwa zum Ausgleich für die katholischen Konkordatsprofessuren oder aus anderen Gründen – verlangen würde, dass bestimmte Professoren konfessionell ungebunden sind. Das könnte insbesondere für profane philosophische oder religionswissenschaftliche Forschungsgebiete relevant sein. Wollte etwa eine universitäre Berufungskommission die Ämter von Professoren profaner Religionswissenschaften bevorzugt an religiös ungebundene Bewerber vergeben, so wäre die damit verbundene Benachteiligung der konfessionell gebundenen gegenüber Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV rechtfertigungsbedürftig. Indes ist nicht ersichtlich, dass nicht auch persönlich konfessionell gebundene Wissenschaftler dienstlich religiös-weltanschaulich ungebundene Forschung und Lehre betreiben könnten, solange die Ge- und Verbote der jeweiligen Religionsgemeinschaften Raum dafür lassen oder der Einzelne bereit ist, sich über die Regeln seiner Religionsgemeinschaften hinwegzusetzen. Zudem entsteht auch aus Art. 5 Abs. 3 GG i. V. m. den grundgesetzlichen Gleichheitssätzen kein Anspruch auf Einrichtung explizit areligiös gebundener öffentlicher Ämter, solange entsprechende Personen jedenfalls prinzipiell die Chance haben, als konfessionell Ungebundene auch im Hinblick auf religionsbezogene Themen an der Wissenschaftsfreiheit im Rahmen staatlicher Hochschulen teilzuhaben. Eine ernsthafte Gefährdung dieses Rechts ist derzeit nicht ersichtlich. GG, Art. 140 (2010) Rn. 245; Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 514; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 70, m. w. N.; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 136 WRV Rn. 16; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 43; Weber, NVwZ 2000, 848 (849 f.); skeptisch zur Existenzberechtigung auch Neumann, Konkordatsprofessuren, S.  158 f. Hingegen z. T. differenziert für die Verfassungsmäßigkeit: Baldus, in: GS Krüger, 2001, S. 21 (37 ff.); Borowski, Gewissensfreiheit, S. 733 f.; v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 68; ders., in: FS Maunz, 1981, S. 27 (34 ff.); Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV Rn. 3: soweit zur Ausbildung von Theologen, Religionslehrern oder Lehrern an staatlichen Bekenntnisschulen erforderlich; ebenso Höfling, in: BK, GG, Art. 33 (2007) Rn. 417; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 27: „durch die im Konkordat verwirklichte Freiheit der Kirchen zur Einflussnahme auf die gesellschaftlichen Wertvorstellungen gerechtfertigt“; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 33; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2011) Rn. 10; Hollerbach, in: GS Conrad, 1979, S. 283 (300 f.); Müller, DuR 1976, 175 (178); Solte, Theologie, S. 227 f.; Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 46; unentschieden v. Campenhausen / Un­ ruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 136 WRV Rn. 25 ff.



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VIII. Seelsorger in der Bundeswehr Möglicherweise dürfen die Ämter der Seelsorger in der Bundeswehr520 in Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis der Bewerber vergeben werden. Militärseelsorge hat eine lange Tradition, die sich in unterschiedlichen Formen bis in vorchristliche Zeiten hinein zurückverfolgen lässt.521 Diese Entwicklung haben die abendländischen Staaten und die christlichen Religionsgesellschaften aufgegriffen.522 Insbesondere seit der Aufstellung stehender Heere in Brandenburg-Preußen im 17. Jahrhundert haben sich institutionell verankerte Formen der Militärseelsorge im modernen Sinn herausgebildet,523 die exemt, außerhalb der zivilen kirchlichen Strukturen,524 organisiert wurde. Statt religionsfreiheitlicher Motive hatten Staaten lange Zeit (auch) politische Gründe für eine staatliche Militärseelsorge, die oftmals allein staatlichen Zwecken diente:525 Christlicher Glaube sollte als Fundament für Disziplin und Moral in der Armee sorgen.526 Jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht steht diese Motivation der Militärseelsorge nicht (mehr) im Vordergrund. Militärseelsorge in der Bundeswehr soll ein von den Kirchen geleisteter, vom Staat gewünschter und unterstützter „Beitrag zur Sicherung der freien religiösen Betätigung in den Streitkräften“ sein, so die Zentrale Dienstvor520  Mit dem in Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV genannten „Heer“ ist heute die gesamte Bundeswehr einschließlich der Luftwaffe und der Marine gemeint; vgl. Borowski, Gewissensfreiheit, S. 649; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 4; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 697; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 7; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1353; entsprechend zur Einbeziehung der gesamten Wehrmacht schon Anschütz, WRV, Art. 141 Rn. 1. 521  Vgl. Langhaeuser, Militärkirchenwesen, S. 1, der das jüdische Volksheer, das die Bundeslade mit in den Krieg genommen hat, ebenso als Beispiel nennt wie die Begleitung griechischer und jüdischer Heere durch Opferpriester; Güsgen, Militärseelsorge, S. 13 f.; Zippelius, Staat, S. 19, zu germanischen Feldkirchen. 522  Vgl. Bleese, Militärseelsorge, S. 4 ff.; Koeniger, Militärseelsorge, S. 13 ff., zur karolingischen Militärseelsorge; Volk, Reichskonkordat, S. 44; Werkner, Soldatenseelsorge, S. 20. 523  Vgl. Anschütz, Verf. Preuß., Art. 18, S. 356; Bastian, Art. Militärseelsorge, in: TRE, S. 748; Blaschke, Art. Militärseelsorge, in: EvStL, Sp. 1537; Güsgen, Militärseelsorge, S. 19 ff.; Langhaeuser, Militärkirchenwesen, S. 7 ff., Pohl, Militärseelsorge, S. 1 ff., der die Bevorzugung evangelischer Seelsorge durch Friedrich Wilhelm III. schildert; ebd., S. 6. 524  Exemtion ist ein Fachbegriff des römisch-katholischen Kirchenrechts, der die Ausgliederung von Personen aus der gewöhnlichen Kirchenorganisation bezeichnet. Vgl. zu den Verhandlungen über die Regelung im RK Dörfler-Dierken, Militärseelsorge, S. 25; Volk, Reichskonkordat, S. 44 ff. 525  Vgl. Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 961; im Überblick Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 1. 526  Vgl. Werkner, Soldatenseelsorge, S. 20 ff. (20, 23).

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schrift Militärseelsorge des Bundesverteidigungsministeriums vom 28. August 1956.527 Danach soll die Militärseelsorge unter Wahrung der freiwilligen Entscheidung des Einzelnen das religiöse Leben wecken, festigen und ver­ tiefen. Lediglich zugleich fördere sie dadurch die charakterlichen und sittlichen Werte in den Streitkräften und helfe, die Verantwortung zu tragen, vor die der Soldat als Waffenträger gestellt sei, heißt es in der ministeriellen Dienstvorschrift. Verfassungsrechtlich wird die Existenz der Militärseelsorge religionsfreiheitlich begründet: Die Religionsfreiheit gilt auch in öffentlichen Anstalten und in sogenannten Sonderstatusverhältnissen,528 auch für „Bürger in Uniform“529. Art. 4 Abs. 1, 2 GG schützt religiöses Verhalten überall dort, wo sich Grundrechtsträger faktisch befinden.530 Hingegen vermittelt die Religionsfreiheit den Religionsgesellschaften zunächst kein Recht auf Zutritt zu Räumen, die nicht allgemein zugänglich sind.531 Allerdings ist innerhalb der Bundeswehr die Freiheit, einen Seelsorger aufzusuchen, in aller Regel faktisch reduziert.532 Bundeswehrsoldaten können aufgrund ihrer staatlich veranlassten örtlichen Gebundenheit an eine Kaserne und wegen der strikten Strukturierung nach Befehl und Gehorsam nur eingeschränkt an regulären religiösen Veranstaltungen der lokalen Gliederungen ihrer Reli­ 527  ZDv

66 / 1. nimmt Art. 141 WRV bereichsspezifisch vorweg, was die deutsche Rechtswissenschaft im Übrigen erst ein gutes halbes Jahrhundert später allgemein anerkannt hat, nämlich, dass auch die herkömmlich so genannten besonderen Gewaltverhältnisse Bereiche staatsbürgerlicher Freiheit sind; vgl. grundlegend BVerfGE 33, 1 (10 f.) – Strafgefangene; st. Rspr., s. etwa BVerfGE 108, 282, (296) – Kopftuch; ausführlich Stern, StaatsR III / 1, § 74 S. 1376 ff.; Loschelder, Sonderbindung; v. Kielmansegg, JA 2012, 881 (883); v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 3 ff.; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 1; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 94; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 70; allgemein: Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 131. 529  Hierold, Militärseelsorge, S. 213. 530  Vgl. zur Unterscheidung zwischen kollektiv ausgeübter Versammlungsfreiheit und individueller Meinungsfreiheit auch bei Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG BVerfGE 128, 226 (265) – Fraport. 531  Vgl. für eine Beschränkung der kollektiven Religionsfreiheit auf diejenigen Räume, die den Religionsgesellschaften frei zugänglich sind: Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (996); Pirson, EssGespr 23 (1989), 4 (11); ähnlich v. Cam­ penhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, § 25 S. 198 f.; ferner BVerfGE 128, 226 (251) – Fraport, gegen ein „Zutrittsrecht zu beliebigen Orten“ aus der Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 Abs. 1 GG. 532  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 4; Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1005); Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 687. 528  Damit



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gionsgesellschaften teilnehmen.533 Werkner hat in einer Umfrage aus dem Jahr 2001 ermittelt, dass die befragten Soldaten den militärischen Dienst mehrheitlich für nicht mit dem kirchlichen Leben in einer angrenzenden Ortsgemeinde vereinbar halten.534 Diese tatsächlichen Probleme bei der Religionsausübung kompensiert der Zulassungsanspruch aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV. Er konkretisiert Art. 4 Abs. 1, 2 GG und stellt klar, dass die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen „im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten“ zuzulassen sind, soweit dort ein Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge besteht.535 Die Religionsgesellschaften haben danach ein Recht auf Zutritt zu den genannten Anstalten, weil sie die dort Lebenden sonst nicht für ihre grundrechtlich geschützte Tätigkeit erreichen könnten.536 Je nach Selbstverständnis könnten dann auch die im Anstaltskontext Lebenden ihre Religionsfreiheit nicht uneingeschränkt ausüben. Die Gefahr solcher Freiheitsbeschränkungen erkennend hatte Art. 140 WRV zusätzlich bestimmt, dass den Angehörigen der Wehrmacht die nötige freie Zeit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu gewähren sei, und damit besonders stark die positive Religionsfreiheit des Einzelnen betont.537 Unabhängig von der Frage, ob man mit dem BVerfG generell den Grundrechtscharakter der über Art. 140 GG inkorporierten Artikel der WRV 533  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 23, wonach mit der bloßen Gewährung des Zutritts für Geistliche „nicht viel gewonnen“ sei; Hierold, Militärseelsorge, S. 213 (214); Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 687. 534  Vgl. Werkner, Soldatenseelsorge, S. 167. 535  Zwar vermittelt Art. 4 Abs. 1, 2 GG grds. keine Recht auf Zugang zu nicht allgemein zugänglichen Orten zum Zwecke der Religionsausübung, doch erkennt er sehr wohl das korporative Element der Religionsausübung an, sodass die Religionsgesellschaften wohl auch aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG ein Recht auf Zutritt zu den Angehörigen ihrer Gemeinschaft haben; vgl. daher ebenfalls für Art. 141 WRV als konkretisierende Bestimmung Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1352; ferner Eick-Wild­ gans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1005, 1009). 536  Vgl. auch BVerwGE 114, 356 (362 f.), wonach das Interesse der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft an geistlicher Betreuung bei der Entscheidung über die Erteilung eines Sichtvermerks zur Einreise eines Religionsoberhauptes berücksichtigt werden kann; dazu Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 1, § 102 S. 785 f. 537  Vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1349. In das Grundgesetz wurde Art. 140 WRV nicht übernommen wegen der 1948 / 1949 angeblich „unvorstellbar[en]“ Wiederaufrüstung der Bundesrepublik, so v. Campenhausen / Unruh, in: v. Man­ goldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 22, die indes die Existenz von Art. 4 Abs. 3 GG unerklärt lassen; vorsichtiger Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 3.

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ablehnt,538 normiert jedenfalls Art. 141 WRV kein subjektives Recht für die einzelnen Anstaltsnutzer,539 weil die individuelle Durchsetzbarkeit durch die Anstaltsnutzer nicht intendiert ist. Dagegen spricht auch der Wortlaut von Art. 141 WRV, der ausschließlich Rechte der Religionsgesellschaften begründet.540 Gleichwohl wird – auch ohne Inkorporierung des Art. 140 WRV – deutlich, dass die Anstaltsseelsorge die Freiheit des Individuums zur Religionsausübung gewährleisten soll.541 Das grundrechtsähnliche subjektive Recht542 der Religionsgesellschaften aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV auf Zulassung zur Anstaltsseelsorge wirkt so komplementär zum Individual­ grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG.543 Die Sicherung der Religionsfreiheit werde „‚treuhänderisch‘ in die Hand des Staates“544 gelegt, so eine Auffassung im Schrifttum.545 Durch die Verpflichtung des Staates, Religionsgesellschaften zur Anstaltsseelsorge zuzulassen, verändert sich allerdings nicht der Charakter der eigentlichen Ausübung der Seelsorge. Sie bleibt eine eigene Angelegenheit der Religionsgesellschaften i. S. v. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV, die Gottesdienst und Seelsorge inhaltlich vom Staat grundsätzlich unbeeinflusst ausüben können.546 Wegen des staatlichen Gepräges der öf538  Siehe

schon 2. Kap. F. II. VG Augsburg, NVwZ-RR 2013, 81 (82); Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 688; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1352. 540  Vgl. BVerwGE 123, 49 (54): „Rechtsansprüche der Religionsgemeinschaften“. 541  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 22; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rn. 70. Nach Bleese, Militärseelsorge, S. 222, ist Art. 140 WRV „inhaltlich und sachlich auch heute geltendes Recht“. 542  Vgl. auch allgemein zu dieser Kategorie Sachs, in: Stern, StaatsR III / 1, § 63 S. 365 ff., 374 f. v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 202; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 2; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 1; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 8; Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 148; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1351 f.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 378 ff.; Winter, Staatskirchenrecht, S. 265; ferner Hemmerich, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 140 GG Rn. 43; Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 291. Zur Ablehnung des Grundrechtscharakters s. Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1351 f. Fn. 982 m. w. N. 543  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 10. 544  Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1349; vgl. v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 197; Hollerbach, in: HStR VI2, § 140 Rn. 10. 545  Vgl. Borowski, Gewissensfreiheit, S. 651 f., der aber vom Staat geschuldete Kompensation nur annimmt, soweit der Staat die Situation veranlasst hat; staatliche Verantwortung für die Militärseelsorge bejahend Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 6; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1349. 546  Vgl. VG Oldenburg, KirchE 46, 101 (107); Dammann, NVwZ 1992, 1147 (1151); Ebers, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 137, 138, 140, 141 S. 395; EickWildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1002); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1349; 539  Vgl.



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fentlichen Anstalten und der staatlichen Befugnis, den Zugang zu diesen zu regeln, müssen Staat und Religionsgesellschaften jedoch jedenfalls bei der Zulassung der Seelsorger zusammenarbeiten, weshalb manche von einer gemeinsamen Angelegenheit beider sprechen.547 Richtig ist daran, dass die Anstaltsseelsorge Absprachen zwischen Staat und Religionsgesellschaften erfordert. Ob daraus tatsächlich eine gemeinsame Verantwortung beider für Einrichtung und Durchführung der Seelsorge folgt, bleibt zweifelhaft und ist im Einzelnen zu prüfen. Die gesetzlichen Grundlagen der Militärseelsorge in der Bundeswehr sind vor diesem Hintergrund vielfältig: Einfachgesetzlich konkretisiert werden die genannten verfassungsrechtlichen Grundlagen durch § 36 S. 1 SoldG, der von einem Anspruch auf Seelsorge spricht.548 Den Zulassungsanspruch aus Art. 141 WRV greifen vertragliche Vereinbarungen zwischen Staat und Kirchen auf, wie etwa für die katholische Kirche Art. 27 Abs. 1 RK, wo es heißt: „Der Deutschen Reichswehr wird für die zu ihr gehörenden katholischen Offiziere, Beamten und Mannschaften sowie deren Familien eine exemte Seelsorge zugestanden.“ Gemäß den Verträgen, die evangelische und katholische Kirche mit der Bundesrepublik abgeschlossen haben, wird für je 1500 Soldaten eines Bekenntnisses jeweils ein Militärgeistlicher berufen.549 Anfang 2011 hatte die katholische Militärseelsorge 91 Dienstposten, die evangelische Militärseelsorge 101 Dienstposten für Militärseelsorger.550 Für andere Glaubensbekenntnisse bestehen in Deutschland keine vergleichbar formellen und umfassenden Ausgestaltungsverträge, doch anders dagegen Hoeren, NVwZ 1993, 650 (651): Kirchen nehmen in der Gefängnisund Militärseelsorge staatliche Aufgaben wahr. 547  Vgl. Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 690; v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, § 24, die aus dem Begriff aber keine Konsequenzen deduzieren wollen; ähnlich Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 381; differenzierend Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1349; für Unterscheidbarkeit zwischen staatlichen Angelegenheiten und solchen der Religionsgemeinschaften Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 2, s. aber ebd., Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 1, wo die Anstaltsseelsorge als gemeinsame Angelegenheit bezeichnet wird, die zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichte. 548  Vgl. ähnliche Gewährleistungen in §§ 53 ff. StVollzG; §§ 51 ff. JStVollzG; §§ 15 ff. UVollzG NW; § 13 MRVG NW; § 2 Abs. 3 SGB XI; § 38 S. 1 ZDG, dazu VG Köln, KirchE 27, 229, zu daraus abgeleiteten abwehrrechtlichen Ansprüchen eines Zivildienstleistenden. 549  Vgl. zur Konkretisierung von Art. 27 RK den Art. 27 Päpstliche Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr (approbiert am 23.11.1989; veröffentlicht am 6.12.1989, AAS LXXXI [1989], 1284); Greyer-Wieninger, Militärseelsorge, S. 57 (62). 550  Vgl. BT-Drs. 17 / 4640, S. 2; Sekretariat der DBK, Kirchliches Handbuch, S. 43, wonach 2006 von den insgesamt 15 935 katholischen Priestern in deutschen Bistümern 68 hauptamtlich in der Militärseelsorge tätig waren.

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werden auch jüdische und muslimische Religionsgesellschaften im Bedarfsfall zur Seelsorge zugelassen, wenngleich dies (bislang), soweit ersichtlich, nicht in Form öffentlicher Ämter geschieht.551 Trotz ihres religiösen Charakters ist die Vergabe der Ämter in der Militärseelsorge also wie angedeutet nicht nur innerkirchlich geregelt, sondern eng verwoben mit staatlichem Recht: In der Bundesrepublik existiert eine sogenannte amtliche Militärseelsorge.552 Zum Status der Militärgeistlichen heißt es in Art. 27 RK am Ende: „Die Regelung der beamtenrechtlichen Verhältnisse erfolgt durch die Reichsregierung“. In Kenntnis dieses Vertrages hat die Bundesrepublik Deutschland 1957 mit der Evangelischen Kirche einen Vertrag zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge geschlossen, dem der Deutsche Bundestag durch Art. 1 des Gesetzes über die Militärseelsorge553 zugestimmt hat und dessen beamtenrechtliche Bestimmungen gem. Art. 2 dieses Gesetzes sinngemäß auf katholische Militärgeistliche anzuwenden sind. Gem. Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 MSV werden evangelische Militärgeistliche auf Vorschlag des Militärbischofs ernannt und sodann nach einer Probezeit in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen. Nach der deutschen Wiedervereinigung war der Bundesbeamtenstatus der Militärgeistlichen wegen starker Vorbehalte der evangelischen Landeskirchen in den ostdeutschen Ländern zunächst übergangsweise nicht zwingend; die ostdeutschen Landeskirchen konnten alternativ darauf bestehen, dass die von ihnen freigestellten Militärseelsorger Kirchenbeamte blieben.554 Seit einer Protokollnotiz vom 13. Juni 2002, in der der Bundesminister der Verteidigung und die EKD ihre übereinstimmende Auslegung des Militärseelsorgevertrages festgestellt haben, gilt der Bundesbeamtenstatus der Militärseelsorger wieder bundesweit als Regelfall. Katholische Militärgeistliche werden gem. Art. 15 der Päpstlichen Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Bundeswehr vom Militärbischof kirchlich ernannt, nachdem dieser sich vergewissert hat, dass die in Art. 27 RK vorgesehenen Einstellungsvoraussetzungen erfüllt sind. Der Militärbischof beantragt sodann bei der zuständigen Bundesbehörde die Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Zeit; für 551  Vgl. Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 152.3; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1354. 552  Vgl. Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1007). 553  Gesetz über die Militärseelsorge v. 26.7.1957, BGBl. II 701. 554  Rechtsgrundlage dafür war eine Rahmenvereinbarung zwischen Bundesverteidigungsministerium und EKD, abgedruckt in Evangelisches Kirchenamt, Dokumentation, S. 53 ff.; vgl. v. Campenhausen, in: HStR IX2, § 207 Rn. 63; zur protestantischen Kritik Müller-Kent, Militärseelsorge, S. 153 ff.



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Militärgeistliche in Leitungsfunktionen ist ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit vorgesehen. Die Rechtsverhältnisse der Militärgeistlichen sind folglich zweistufig ausgestaltet:555 Zunächst bedarf es des Einverständnisses beziehungsweise des Vorschlags einer kirchlichen Stelle und erst danach folgt die staatliche Beamtenernennung.556 Während die erste Stufe (die kirchliche Ernennung) ein rein innerkirchlicher Akt ist, bei dem die ernennende Kirche keiner Grundrechtsbindung unterliegt und gegen dessen Versagung die staatlichen Verwaltungsgerichte nach traditioneller Auffassung grundsätzlich keinen Rechtsschutz gewähren,557 ist die zweite Stufe (die Ernennung eines zukünftigen Militärgeistlichen zum Bundesbeamten) ein staatlicher Verwaltungsakt, durch den ein öffentliches Amt des Staates vergeben wird.558 Beim Amt des Militärgeistlichen handelt es sich also zugleich um ein staatlich gebundenes Kirchenamt und um ein kirchlich gebundenes Staatsamt.559 Im Kontext der Fragestellung dieser Arbeit ist die Ausgestaltung als Staatsamt maßgeblich: Die öffentliche Hand unterliegt bei der Vergabe dieses Amtes den Bindungen der grundgesetzlichen Gleichheitssätze. Es fragt 555  Vgl. Ennuschat, Militärseelsorge, S. 72 f.; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Man­goldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 27: „janusköpfig“; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 699: „Doppelcharakter“; Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 167: „Doppelstatus“; ebenso Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 11. 556  Vgl. VG Oldenburg, KirchE 46, 101 (106 ff.); Lubbers, BWV 1957, 16 (17); Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 961 (970). Weiterhin handelt es sich bei dieser Mischform auch um ein staatlich gebundenes Kirchenamt, was unter dem Aspekt der Ämterhoheit der Kirchen (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 GG) problematisiert wird, unter der Fragestellung dieser Arbeit aber nicht weiter diskutiert werden soll; vgl. dazu etwa kritisch v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 25, 29 ff.; wohl für die Rechtfertigung aus „Sicherheits­ aspekte[n]“ Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 18. 557  Siehe schon 2. Kap. B. IV.; vgl. kritisch zur traditionellen Rechtsprechung Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV (2011) Rn. 59. OVG NW, DVBl. 2012, 1585, das die Voraussetzungen von § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO als erfüllt ansieht, dürfte sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen lassen, da es hier nicht um die Begründung eines Kirchenbeamtenverhältnisses geht. 558  Vgl. zur Beamtenernennung allgemein etwa Battis, BBG, § 10 Rn. 2; Schnel­ lenbach, Beamtenrecht, § 3 Rn. 3. Für den staatlichen Verleihungsakt in Bezug auf öffentliche Ämter ist auch die Ämterhoheit der Religionsgesellschaften gem. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV nicht einschlägig, da es sich insoweit nicht um ihre Ämter handelt, vgl. Heinig, Art. Ämterfreiheit, in: ders. / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 2. 559  Vgl. Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 296; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 11; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1354; ähnlich v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 204 ff.

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sich, ob der Staat öffentliche Ämter einrichten darf, die entsprechend dem oben dargestellten Verfahren vergeben werden. Soweit diese Ausgestaltung Rechte aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV beeinträchtigt, kann sie nur dann verfassungsgemäß sein, wenn die reli­ gionsbezogenen Gleichheitssätze insoweit durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt sind. 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen Die Zulassung zum öffentlichen Amt des Militärseelsorgers könnte mit Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV verbunden sein. Das setzt voraus, dass der Zugang abhängig vom religiösen Bekenntnis der Bewerber erfolgt. Explizit bestimmt das staatliche Recht nicht, dass nur Anhänger einer bestimmten Konfession zum Amt des Militärseelsorgers zugelassen werden können: Vielmehr sind gem. Art. 17 Abs. 1 MSV lediglich ein theologisches Studium, die Berechtigung zur Ausübung des Pfarramtes, die sich indes nach innerkirchlichem Recht richtet, sowie Erfahrung in der Seelsorge Voraussetzungen einer Ernennung. Zwar kann nach dem innerkirchlichen Recht etwa der katholischen Kirche gem. can. 1024 CIC nur ein getaufter Mann die Priesterweihe gültig empfangen, doch ist die durch die Taufe begründete Zugehörigkeit zur katholischen Kirche lediglich eine innerkirchliche Voraussetzung. Entscheidend ist aus staatlicher Sicht allein, dass der jeweilige Militärbischof einen Kandidaten für das Amt des Militärseelsorgers vorgeschlagen hat, vgl. Art. 18 Abs. 1 S. 1 MSV. Dass Seelsorge in ihrem Namen nur von ihren Konfessionsangehörigen geleistet wird, können die betroffenen Religionsgesellschaften als Ausfluss ihres Selbstbestimmungsrechts gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV verlangen. Auch faktisch schlagen die evangelische und katholische Kirche aus ihrem religiösen Selbstverständnis heraus ausschließlich ihre eigenen Konfessionsangehörigen als Seelsorger vor. Demnach berücksichtigen also die kirchlichen Autoritäten bei der Ausübung ihres Vorschlagsrechtes das religiöse Bekenntnis der Bewerber. Diese konfessionsabhängige Benachteiligung beziehungsweise Bevorzugung wird dem Staat zurechenbar, wenn er die Zulassung zum öffentlichen Amt des Militärseelsorgers an den kirchlichen Vorschlag bindet. In der Verpflichtung zur Berücksichtigung dieses Vorschlags sowie im staatlichen Vollzug solcher Vorschläge, die die jeweilige Religionsgemeinschaft wegen des reli­ giösen Bekenntnisses des Bewerbers ausspricht oder verweigert, liegt eine



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Kettenanknüpfung des Staates an das religiöse Bekenntnis.560 Damit ist eine staatliche Beeinträchtigung von Rechtspositionen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV verbunden.561 2. Grundrechtsbegrenzungen Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV könnten jedoch insoweit verfassungsrechtlich begrenzt sein. Andernfalls müsste die Militärseelsorge durch Mitarbeiter der Religionsgesellschaften ohne jegliches Arbeits- oder Beamtenverhältnis zum Staat geleistet werden müsste. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV enthalten keinen Gesetzesvorbehalt, sondern sind darauf ausgerichtet, umfassend den konfessionsunabhängigen Zugang zu öffentlichen Ämtern zu gewährleisten. Bloße Praktikabilitätserwägungen können die Einrichtung religiös gebundener Staatsämter daher nicht rechtfertigen.562 Vielmehr kommt zur Begrenzung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV ausschließlich kollidierendes Verfassungsrecht in Betracht, das als quasitatbestandliche Begrenzung oder als Quasi-Gesetzesvorbehalt wirken kann. a) Vertragliche Regelungen i. V. m. Art. 123 Abs. 2 GG Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV könnten im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der Militärseelsorger durch vertragliche Regelungen zwischen der Bundesrepublik und einzelnen Reli­ gionsgesellschaften begrenzt sein. Für katholische Militärseelsorger käme dazu Art. 27 Abs. 4 S. 2 RK in Betracht, der den Beamtenstatus der katholischen Militärpfarrer voraussetzt. Das Reichskonkordat ist zwar ein Staatsvertrag i. S. v. Art. 123 Abs. 2 GG,563 doch sind gemäß der Kompetenzordnung des Grundgesetzes im 560  Zum

Begriff der Kettenanknüpfung s. schon 2. Kap. D. II. 5., 3. Kap. A I. 2. – allerdings ohne genauere Ausführungen zur Art der Anknüpfung an das religiöse Bekenntnis – Ennuschat, Militärseelsorge, S. 288; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 414; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 136 WRV (2003) Rn. 71; ders., in: HGR IV, § 97 Rn. 75; mit Zweifeln an einer Begrenzung der Unterscheidungsverbote, die wohl ihre tatbestandliche Anwendbarkeit voraussetzen: Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, S. 1801 f.; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 159. Im Übrigen wird die Verfassungsmäßigkeit häufig ausschließlich als Problem des Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV diskutiert. 562  Siehe schon 2. Kap. D. III. 2. b); gleichwohl die Praktikabilität – auch aus kirchlicher Sicht – betonend Loschelder, in: FS Hengsbach, 1990, S. 783 (798). 563  Siehe schon 2. Kap. D. III. 2. c). 561  Vgl.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Hinblick auf die Militärseelsorge nicht die Länder zuständig. Gesetzgebung zur Militärseelsorge zählt vielmehr als Annexkompetenz zur Bundeskompetenz zur Gesetzgebung für die Verteidigung gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG zu den ausschließlichen Bundesgesetzgebungskompetenzen;564 die Durchführungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Art. 87a Abs. 1 S. 1 GG. Folglich gilt Art. 27 RK beziehungsweise der entsprechende Teil des Transformationsgesetzes gem. Art. 123 Abs. 1, Art. 124 GG als Bundesrecht fort, soweit565 er dem Grundgesetz nicht widerspricht. Eben wegen dieses Vorbehalts, dass das fortgeltende Recht dem Grundgesetz materiell nicht widersprechen darf, erscheint eine Rechtfertigung der Einrichtung religiös gebundener Staatsämter durch Konkordatsbestimmungen zirkelschlüssig und daher nicht überzeugend. Denn soweit das Reichskonkordat die Einrichtung solcher Ämter gebietet, müsste man einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV annehmen. Dann würde das Reichskonkordat aber gerade insoweit nicht fortgelten. Folglich kann Art. 27 Abs. 4 S. 2 RK die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes nicht begrenzen. b) Garantie der Militärseelsorge gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV könnten jedoch im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der Militärseelsorger durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV begrenzt sein. Gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, soweit im Heer das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge besteht. Obwohl der Wortlaut mit dem Substantiv Heer ein anderes Verständnis andeutet, bezieht sich der Zulassungsanspruch aus Art. 141 WRV auf alle Teilstreitkräfte des Bundes, also die gesamte Bundeswehr. Weiterhin setzt Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV ein Bedürfnis nach Gottesdienst oder Seelsorge voraus. Das Vorliegen eines solchen Bedürfnisses wird widerleglich vermutet, solange sich Angehörige einer Religionsgesellschaft in dem jeweiligen Bundeswehrstandort befinden und eine religiöse Betreuung nicht abgelehnt haben.566 Sind diese 564  Vgl. zum Umfang des Kompetenztitels Stettner, in: Dreier, GG II, Art. 73 Rn. 10. 565  Vgl. Schulze, in: Sachs, GG, Art. 124 Rn. 4; ferner Wolff, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 124 Rn. 9, 12. 566  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 11; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 141 WRV Rn. 4; Eick-Wildgans, in: H ­ StKR



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Voraussetzungen erfüllt, so garantiert Art. 141 WRV den Religionsgesellschaften einen Anspruch auf Zulassung zur Militärseelsorge. Es fragt sich, ob dieser Zulassungsanspruch, also ein Recht auf Zutritt und Betätigung,567 zugleich die Einrichtung eines religiös gebundenen Staatsamtes als verfassungsmäßige Option eröffnet, ob er im Gegenteil die Obergrenze einer zulässigen Zusammenarbeit von Staat und Religionsgesellschaften im Rahmen der Militärseelsorge markiert oder ob er insoweit ohne Aussage ist. Vielfach wird in der Literatur festgestellt, Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV schreibe keine Obergrenze für staatliches Engagement in der Militärseelsorge vor.568 Diese Aussage reicht jedoch – ihre Richtigkeit unterstellt – nicht aus, um eine die grundgesetzlichen Gleichheitssätze begrenzende Normenkollision anzunehmen. Vielmehr liegt eine Normenkollision nur dann vor, wenn Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV religiös gebundene öffentliche Ämter zumindest zulässt und insoweit nicht ohne Aussage ist.569 Sollte Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV lediglich keine Obergrenze normieren, so stünde er zwar religiös gebundenen Ämtern nicht entgegen, käme aber mangels Normenkollision nicht als Grundrechtsbegrenzung in Betracht. Zur Ermittlung des zutreffenden Verständnisses von Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV ist die Norm anhand der klassischen Methoden zur Verfassungsinterpretation auszulegen. aa) Grammatikalische Auslegung Die passive Verbkonstruktion (sind zuzulassen) im Wortlaut des Art. 141 WRV spricht dagegen, die staatliche Verbeamtung der Militärgeistlichen als zwingend vorgeschrieben anzusehen.570 Vielmehr wäre für den Staat danach eine tendenziell passive Rolle als Zulassender vorgesehen. Andererseits ist das Schweigen des Art. 141 WRV zu einer aktiven (fördernden) Tätigkeit II, § 70 S. 995 (1002); Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 7; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 387. 567  Vgl. Classen, Religionsrecht, Rn. 561; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 141 WRV Rn. 6; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 696. 568  Vgl. etwa Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (423); Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 23; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 8, der jedoch sogleich auf die begrenzte Aussagekraft dieses Ansatzes hinweist. 569  Teilweise differenziert die Literatur hingegen nicht klar genug, ob eine Norm zur Einrichtung konfessionsgebundener Ämter ermächtigt oder dazu keine Aussage enthält, vgl. etwa Hömig, in: ders., GG, Art. 140 Rn. 27, wonach die „Übernahme des organisatorischen Aufbaus“ (ebd.) durch Art. 141 WRV nicht ausgeschlossen sei. 570  Vgl. Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (422).

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des Staates kein zwingendes Argument gegen die Zulässigkeit amtlicher Militärseelsorge. Die Norm setzt nämlich im Gegenteil staatliche Aktivität voraus, wenn sie am Ende jeden Zwang verbietet. Dieses Verbot meint im Kontext das Religionsverfassungsrechts staatlichen – auch bloß tatsächlichen oder mittelbaren – Zwang,571 wie er bis in das 20. Jahrhundert durchaus üblich war.572 Das explizite Verbot staatlichen Zwangs wäre überflüssig, wenn der Staat generell Religionsgesellschaften bloß zulassen dürfte und jede darüber hinausgehende staatliche Aktivität in dieser Angelegenheit verboten wäre.573 Anhand des Wortlauts von Art. 141 WRV lässt sich der Streit also nicht abschließend entscheiden.

571  Vgl. Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (422); indirekt durch Bezugnahme auf Art. 4 GG, der ebenfalls nur den Staat bindet Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 i. V. m. Art. 141 WRV Rn. 9; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 702; s. die Beispiele bei v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 136 WRV Rn. 42 ff.; unklar Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 2, der von „religiöse[m] Zwang“ spricht. Dass der Staat generell auch solchen „Zwang“ fernhalten soll, der von den Religionsgesellschaften ausgehen könnte, lässt sich so allgemein nicht behaupten. Denn deren Selbstbestimmungsrecht kann sie durchaus berechtigen, ihre Angehörigen – etwa kirchenrechtlich – zur Vornahme religiöser Handlungen zu verpflichten. Zuwiderhandlungen gegen solche Formen des Zwanges dürfen lediglich nicht staatlich sanktioniert werden, vgl. BVerwGE 144, 171 Rn. 19, zum – nach katholischem Kirchenrecht bestehenden – „Zwang“, als einmal Getaufter Teil der katholischen Kirche zu bleiben, während Rechtsfolgen fortbestehender Zugehörigkeit im staatlichen Bereich bei deren fehlender Freiwilligkeit ausscheiden. 572  So mussten bayerische Soldaten auf Erlass des königlichen bayerischen Kriegsministeriums vom 14.8.1838 vor der nach katholischem Ritus gewandelten Eucharistie ihre Knie beugen, vgl. Huber / Huber, Staat und Kirche, Bd. I, S. 650 f. Vgl. ferner BVerwGE 73, 247 (249 ff.), wonach auf Soldaten keinerlei Druck – hier durch eine für alle nicht Teilnehmenden angeordnete Übung – zur Teilnahme an Veranstaltungen der Militärseelsorge ausgeübt werden darf. Vgl. OVG NW, NJW 2006, 1228 (1228), wo offen gelassen wird, ob die traditionelle Einbeziehung christlicher Symbolik in den Großen Zapfenstreich verfassungsgemäß ist; ohne Bedenken dagegen Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 259. 573  Vgl. Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (422); Scherer u. a., SoldG, § 36 Rn. 1: „Dienstherr […] verpflichtet, durch eigene Maßnahmen die äußeren Bedingungen zu schaffen, unter denen religiöse Handlungen auch im Wehrdienstverhältnis sinnvoll wahrgenommen werden können“; ebenfalls staatliche Aktivität voraussetzend Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 140 Rn. 27, für Übernahme des organisatorischen Aufbaus und der Kosten; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 18, zur Finanzierung; Magen, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 140 Rn. 144, zum Schaffen der „notwendigen Rahmenbedingungen“; Winter, Staatskirchenrecht, S. 265, zur Verpflichtung des Staates, „den organisatorischen Rahmen zur Verfügung zu stellen“; wohl ebenso in Bezug auf einen Zentrums-Antrag in der Weimarer Nationalversammlung Heinig, in: Groschopp, Konfessionsfreie, S. 29 (35).



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bb) Entstehungsgeschichtliche Auslegung Die Anstaltsseelsorge im Allgemeinen und die Militärseelsorge im Besonderen waren bis hinein in das 19. Jahrhundert in besonderem Maße von staatskirchlichen Elementen geprägt.574 Historisch war die staatliche Anstellung der Militärseelsorger weit verbreitet:575 Etwa § 21 der KöniglichPreußischen Militair-Kirchen-Ordnung vom 12. Februar 1832576 sah für die Geistlichen einen Status als „Militairbeamte“ vor. Außerdem enthielt das Gesetz umfangreiche Vorgaben, nach welchen Maßstäben die staatlichen Behörden Militärgeistliche auszuwählen hätten.577 Im Deutschen Reich gab es bis 1918 eine staatlich organisierte und finanzierte Anstaltsseelsorge mit verbeamteten Militärgeistlichen.578 An diese Tradition der staatlich verbeamteten Geistlichen und die bestehende Einrichtung der Militärseelsorge knüpfte Art. 141 WRV an.579 Zwar hat die Weimarer Nationalversammlung bewusst keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates zu Finanzierung und Organisation der Militärseelsorge ausgesprochen,580 doch gab es in der Nationalversammlung ebenso wenig eine Mehrheit für ein Verbot staatlicher Anstaltsseelsorge. Die letztlich beschlossene Formulierung sind zuzulassen geht auf einen Antrag der Nationalversammlungsabgeordneten Meerfeld (SPD) und Naumann (DDP) zurück.581 Für einen weitergehenden Antrag des Abgeordneten Gröber (Zentrum) gab es in der Nationalversammlung keine Mehrheit,582 sodass eine staatliche Militärseelsorge nicht verbindlich vorgeschrieben wurde. GleichKorioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 4. etwa Bastian, Art. Militärseelsorge, in: TRE, S. 748; Bleese, Militärseelsorge, S.  1 ff., m. w. N. 576  PrGS 69, 76. Vgl. Absolon, Wehrmacht, S. 175 ff.; Langhaeuser, Militärkirchenwesen, S.  85 ff. 577  Vgl. auch das Churfürstlich Brandenburgische Kriegsrecht von 1656, wonach die Militärseelsorger sowohl militärischen als auch kirchlichen Behörden untergeordnet waren; zitiert nach Werkner, Soldatenseelsorge, S. 22. Bis 1845 war die institutionelle katholische Militärseelsorge in Preußen allerdings auf Kriegszeiten beschränkt. 578  Vgl. Huber / Huber, Staat und Kirche, Bd. II, S. 63, 108 f.; Bd. IV, S. 261 ff.; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 4. 579  Vgl. Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 2. 580  Vgl. Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 4. 581  Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336 (1920), S. 199. 582  Ebd., S. 521: „In den Strafanstalten und sonstigen mit Freiheitsentziehung verbundenen öffentlichen Anstalten werden Einrichtungen für Gottesdienst und Seelsorge getroffen.“ [Hervorhebung nicht im Original]. Der folgende Satz sah für Krankenhäuser und ähnliche Anstalten ein bloßes Zulassungsrecht vor. Der Abgeordnete Mumm ging weiterhin davon aus, dass die Entscheidung der Nationalversammlung 574  Vgl. 575  Vgl.

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wohl sollte jedoch Art. 141 WRV ein über die Zulassung hinausgehendes freiwilliges Engagement des Staates in der Anstaltsseelsorge nicht ausschließen, sondern die hergebrachte Seelsorge durch Seelsorger im staatlichen Dienst weiterhin ermöglichen.583 Mausbach prophezeite sogar schon früh, praktisch werde es sich als „notwendig erweisen, statt der bloßen Zulassung der Geistlichen irgendeine Form der Anstellung oder des Vertrages zu wählen“.584 Vor diesem Hintergrund wurden Militärseelsorger in der Weimarer Zeit faktisch in konfessionsgebundene öffentliche Ämter übernommen, obwohl Art. 136 Abs. 2 WRV bereits die bekenntnisunabhängige Vergabe öffentlicher Ämter vorschrieb.585 Gegen einen Verstoß gegen das Verbot der Staatskirche in Art. 137 Abs. 1 WRV wurde zudem die Situation in Frankreich und in den Vereinigten Staaten angeführt, wo trotz der besonders strikten Trennung zwischen Kirche und Staat eine besondere Seelsorge durch Geistliche, die zugleich der Armee angehörten, existierte.586 lediglich bedeute, dass die Entscheidung „dem Staat“ (ebd.) – gemeint ist wohl der parlamentarische Gesetzgeber – vorbehalten werden solle. 583  Vgl. Berichterstatter Mausbach, in: Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 328 (1920), S. 1646: „Schließlich wurde jedoch sowohl auf sachliche wie auf formelle Bedenken hin die Aufnahme der Heeresseelsorge in die Verfassung abgelehnt. Damit sollte aber das Institut selbst nicht getroffen werden.“; auch Mausbach, Kulturfragen, S. 80; daran anknüpfend An­ schütz, WRV, Art. 141 Rn. 2, der das Recht des Staates, die religiöse Versorgung der in Betracht kommenden Personenkreise „selbst in die Hand zu nehmen“, unberührt sieht; Ebers, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 137, 138, 140, 141 S. 395; ferner Bleese, Militärseelsorge, S. 146: „keine Zweifel an ihrer Zulässigkeit“; v. Campen­ hausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 18; Ennu­ schat, ZevKR 41 (1996), 419 (422); Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 225; Werkner, Soldatenseelsorge, S. 27. 584  Mausbach, Kulturfragen, S. 80. 585  Vgl. ohne verfassungsrechtliche Bedenken (auch gegen die „vorzugsweise Berücksichtigung der großen christlichen Kirchen“) Anschütz, WRV, Art. 136 Rn. 3; Güsgen, Militärseelsorge, S. 45 f., 294 ff.; ferner Mirbt, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 135, 136, S. 336, wonach diejenigen Staatsämter einer „besonderen Behandlung“ bedürfen, die „gegenwärtig noch einen konfessionell oder religiös orientierten Charakter“ haben; Mirbt leitet daraus indes nicht die Bekenntnisabhängigkeit solcher Ämter ab, sondern lässt ungeklärt, worin die besondere Behandlung bestehen soll; ferner Absolon, Wehrmacht, S. 176 f.; Bleese, Militärseelsorge, S. 261; Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (422 f.); allgemein zur Anknüpfung an den Weimarer Rechtszustand v. Mangoldt, GG1, Art. 140, S. 660. 586  Vgl. so schon für das preußische Kriegsministerium Semler, in: Verhand­ lungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336 (1920), S. 521 f.; Albrecht, Anstaltsseelsorge, S. 150; Bastian, Art. Militärseelsorge, in: TRE, S. 751; v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 197; Ennuschat, Militärseelsorge, S. 136; Huber, Verfassungsgeschichte VI, S. 888; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 2; Walter, Religionsverfassungsrecht, S. 325. v. Campenhau­



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Auch den Entstehungsmaterialien zum Grundgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass dieser Zustand aus Weimarer Zeit zukünftig verfassungswidrig sein sollte. 1949 wurde Art. 141 WRV durch Art. 140 GG in das Grundgesetz inkorporiert, ohne dass eine kritische Diskussion über den Status der Militärseelsorger ersichtlich wäre.587 Es gibt keine Anhaltspunkte, dass dennoch in dieser Angelegenheit ausnahmsweise nicht an den Weimarer Rechtszustand angeknüpft werden sollte. Zwar war die Bundesrepublik nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg entwaffnet worden, und erst 1955 wurden die ersten Bundeswehrsoldaten ernannt. Das könnte dafür sprechen, dass die Frage nach Militärgeistlichen bei der Entstehung des Grundgesetzes als obsolet angesehen wurde. Andererseits belegen Art. 4 Abs. 3, Art. 24 Abs. 2 GG, dass der Verfassunggeber durchaus die fortbestehende Notwendigkeit einer deutschen Verteidigungspolitik gesehen hatte.588 Folglich spricht die entstehungsgeschichtliche Auslegung dafür, dass Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV die Einrichtung religiös gebundener Staatsämter in der Militärseelsorge als Option zulässt.589 cc) Systematische Auslegung Zur systematischen Auslegung schlägt Ennuschat einen Vergleich mit landesverfassungsrechtlichen Parallelnormen zu Art. 141 WRV vor,590 der allerdings speziell im Hinblick auf Militärseelsorger kaum ergiebig ist, weil die Landesverfassungen Militärseelsorger nicht ausdrücklich erwähnen. Ein Vergleich mit Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG, der den Religionsunterricht ausdrücklich zum ordentlichen Lehrfach und damit zur staatlichen Veranstaltung macht, spricht eher dafür, dass Militärgeistliche nicht in ein öffentliches Amt übernommen werden müssen, da insoweit eine entsprechende Verfassungsbestimmung fehlt.591 Gleichwohl lässt sich auch daraus nicht ableiten, dass die Einstellung von Militärseelsorger in öffentliche Ämter nicht durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV ermöglicht werden sollte. sen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 28, gehen davon aus, dass die „Kompatibilität“ (ebd.) von Art. 137 Abs. 1 WRV und Art. 141 WRV in Weimarer Zeit lediglich nicht hinreichend reflektiert worden sei. 587  Vgl. Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 3; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1350. 588  Vgl. BVerfGE 90, 286 (345 f.) – AWACS. 589  Vgl. Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (422 f.). 590  Vgl. Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (423). 591  Vgl. Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 96.

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Schließlich ist auf Art. 17a GG zu verweisen, der Grundrechtsbeschränkungen bei Wehrdienstleistenden im Hinblick auf einzeln aufgezählte Grundrechte zulässt, jedoch gerade nicht für die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG gilt.592 Da der Staat die Religionsfreiheit durch die besonderen Bedingungen des Militärdienstes aber faktisch verkürzt, könnte er zu kompensierenden Maßnahmen verpflichtet sein,593 deren Ausgestaltung dem Gesetzgeber obläge, wenngleich zur Kompensation die bloße Zulassung der Religionsgesellschaften ausreichen könnte. Bei systematischer Auslegung spricht Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV also nicht gegen die Einrichtung religiös gebundener öffentlicher Ämter in der Militärseelsorge; er lässt sie aber auch nicht ausdrücklich zu. dd) Teleologische Auslegung Im Rahmen der teleologischen Auslegung ist Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV unter Berücksichtigung seines Zwecks auszulegen. (1) Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG Die Gewährleistung dient dazu, im Bereich der Bundeswehr freie Reli­ gionsausübung zu ermöglichen. Soweit die Eingliederung in die Bundeswehr als staatliche Organisation zu faktischen Verkürzungen der Religionsfreiheit der Soldaten führt, ist der Staat gehalten, dies durch kompensierende Maßnahmen und damit gegebenenfalls durch aktive Vorkehrungen auszugleichen.594 Denn die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG gewährleistet 592  Vgl. Ennuschat / Muñoz, Art. Seelsorge, in: Heinig / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 233; Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 961 (969); Kokott, in: Sachs, GG, Art. 17a Rn. 7. 593  Vgl. v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 197; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 5; allgemein Starck, in: FG BVerfG, 1976, S. 480 (481 ff.). 594  Vgl. v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 197; Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (423); Jeand’Heur / Korioth, Staatskirchenrecht, Rn. 305; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 5; Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 149: „kompensatorische[r] Leistungsanspruch“; zweifelhaft Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1349, wonach der Staat „religiöses Verhalten“ (ebd.) in den betroffenen Einrichtungen „sicherzustellen“ (ebd.) habe, wobei unklar bleibt, ob nicht vielmehr bloße Verhaltensmöglichkeiten gemeint sind. Siehe ferner Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 15, der den Staat zwar nicht zu über die Zulassung von Anstaltsseelsorgern hinausgehenden Leistungen verpflichtet sieht, aber im Rahmen der religionsverfassungsrechtlicher Grenzen allgemein eine Berechtigung des Staates zur Religionsförderung annimmt.



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auch für Soldaten unter den besonderen Bedingungen der Bundeswehr ein Recht auf prinzipiell uneingeschränkte Religionsausübung.595 Sie verlangt, dass den Bundeswehrsoldaten ihre Religionsausübung nicht – verursacht durch staatliche Entscheidungen im Rahmen der deutschen Verteidigungsund Wehrpolitik – faktisch erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Staatliches Verhalten darf nicht dazu führen, dass der Einzelne innerhalb der Bundeswehr seine Religionsausübungsfreiheit nicht mehr wahrnehmen kann.596 Einerseits machen es die zunehmende Mobilität und die Möglichkeit von Wochenendheimfahrten den Soldaten zwar heute leichter als noch vor einigen Jahren, außerhalb der Militärseelsorge seelsorgliche Begleitung zu erfahren. Andererseits verursachen aber etwa die Kasernierung, mehrtägige Übungen und Einsätze faktisch nach wie vor besondere Schwierigkeiten bei der Inanspruchnahme religiöser Angebote der Religionsgesellschaften. Bedingt durch die vermehrten Auslandseinsätze im Rahmen von Bündniseinsätzen nach Art. 24 Abs. 2 GG, die für die deutsche Verteidigungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst unvorstellbar waren, haben diese Schwierigkeiten in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen, weil sie verstärkt zu organisatorischen Schwierigkeiten bei der Ausübung der Religionsfreiheit führen und sie ein höheres Bedürfnis nach seelsorglicher Begleitung hervorrufen können. In dieser Konstellation kann aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG in seiner Dimension als Abwehrrecht eine staatliche Leistungspflicht erwachsen, die den Staat verpflichten kann, innerhalb staatlicher Einrichtungen aktiv Vorsorge dafür zu treffen, dass auch die in solchen Einrichtungen zusammengefassten Personen ihre Religionsfreiheit ausüben können, um eine andernfalls drohende Verletzung der Religionsfreiheit zu verhindern beziehungsweise zu beseitigen.597 Mit den Worten des BVerfG: Die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG gebietet dem Staat, „Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugungen und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern“598. 595  Siehe schon 3. Kap. B. I.; ferner v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 199, die aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG ein „verfassungsmäßiges Recht auf religiöse Betreuung unter den Bedingungen, die der Anstaltszweck zuläßt“ (ebd.), ableiten. 596  Vgl. BVerfG (K), NStZ 1988, 573 LS; v. Campenhausen, in: HStR VII, § 157 Rn. 53, m. w. N.; Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (996); Isensee, EssGespr. 23 (1989), 37; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 70. 597  Siehe schon 3. Kap. B. I.; vgl. zudem speziell Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 149; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 23; Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 961 (969); Kruk, NZWehrr 1997, 1 (14 f.). 598  BVerfGE 41, 29 (49) – Gemeinschaftsschule; 125, 39 (78) – Adventssonntag.

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Es fragt sich allerdings, welches Maß an staatlichen Anstrengungen diese grundrechtliche Gewährleistungspflicht verlangt, ob also die durch Art. 141 WRV ausdrücklich vorgeschriebene Zulassung zur Anstaltsseelsorge bereits ausreichenden Raum gibt oder ob der Staat zur Kompensation erschwerender Bedingungen zur Einrichtung religiös gebundener öffentlicher Ämter in der Militärseelsorge berechtigt oder verpflichtet ist. Falls Letzteres zutrifft, wäre insoweit eine Begrenzung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV zu bejahen. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu beachten, dass seelsorgliche Angebote von Religionsgesellschaften innerhalb der Umgebung der Bundeswehr stets Absprachen zwischen Staat und Religionsgesellschaften erfordern. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV setzt daher implizit voraus, dass Militärseelsorge auf eine „Ausgestaltung durch Gesetz und Verwaltung […] angewiesen“599 ist und es dafür keines besonderen Vorbehalts bedarf. Stern spricht insoweit von einer „Schutzpflichtenfunktion des Staates zur Verwirklichung des subjektiven verfassungsmäßigen Rechts der Religionsgesell­ schaften“600, der sich die „notwendigen institutionellen Komponenten“601 entnehmen ließen, um die Seelsorge effektiv zu gestalten.602 Andere sehen Art. 141 WRV sogar weitergehend als institutionelle Garantie603 der An599  Magen, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 140 Rn. 144, unter Verweis auf den Charakter der Bestimmung als „institutionelle[…] Gewährleistung“, so BVerfGE 46, 266 (267) – Krankenhausaufnahme. 600  Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1351; vgl. ähnlich Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 381: „Schutzpflichtendimension“ der Religionsfreiheit. 601  Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1351. 602  Nach der oben [3. Kap. B. I.] zu Art. 4 Abs. 1, 2 GG dargestellten Systematisierung der Grundrechtsfunktionen dürfte hier keine Schutzpflicht einschlägig sein, weil es nicht um den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen durch Dritte geht; vielmehr wäre ein solche Effizienzgebot eine originär grundrechtliche bzw. im Fall des Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV grundrechtsähnliche Leistungspflicht. Vgl. ebenfalls für leistungsrechtliche Gehalte: Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 70; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 378; eingeschränkt Borowski, Gewissensfreiheit, S. 649, der nicht ausschließt, dass es sich bei Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV um einen „Spezialfall sozialer Grundrechte“ (ebd.) handeln könnte. 603  Vgl. so v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, § 25 S. 202; Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 152; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 688; Magen, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 140 Rn. 142; Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 55; Wick, Trennung, S. 24; gegen einen besonderen Bedeutungsgehalt dieses Begriffs Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 6; allgemein zu institutionellen Garantien im Unterschied zu Grundrechten Schmitt, Verfassungslehre, S. 170 f.; Klein, Institutionelle Garantien, insbes. S. 67 ff.; 301 ff.; ferner Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 65, 69. Siehe BVerfGE 3, 288 (334) – Berufssoldaten, gegen eine institutionelle Garantie des Berufssoldatentums.



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter301

staltsseelsorge an, die sich so verstehen ließe, dass die gesamte zwischenzeitlich aufgebaute Organisationsstruktur der (christlichen) Militärseelsorge einbezogen und grundgesetzlich garantiert wäre.604 (2) Zweckmäßigkeit der amtlichen Militärseelsorge Eine möglichst feste Verankerung der Militärgeistlichen in der Struktur der Bundeswehr könnte zweckmäßig sein, um ihre seelsorgliche Tätigkeit zu sichern. Ihrer Natur nach ist Militärseelsorge Seelsorge in der Truppe.605 Das setzt voraus, dass die Seelsorge fest in den Bundeswehralltag integriert ist. Für eine wirkungsvolle Seelsorge benötigen Militärgeistliche grundsätzlich ständigen Zugang zu Kasernen und anderen militärischen Einrichtungen, und sie sollten möglichst gemeinsam mit den Soldaten wohnen und leben, um deren Lebenswirklichkeit nachvollziehen zu können und stets als Ansprechpartner vor Ort zu sein. Auch zu Einsatzorten im Ausland begleiten Militärseelsorger die Soldaten. Die kirchliche Seelsorge kann unter diesen Bedingungen nicht losgelöst von den konkreten Lebens- und Entscheidungsbedingungen der Soldaten stattfinden.606 Daher erscheint eine amtliche Seelsorge zweckmäßig im Vergleich zu einer Seelsorge durch Externe. Indes sind diese Zweckmäßigkeitserwägungen für sich allein nicht ausreichend, um den Beamtenstatus der Militärgeistlichen als verfassungsrechtlich geboten oder gestattet anzusehen. Aus der bloßen Zweckmäßigkeit folgt keineswegs, dass die erforderliche und angemessene seelsorgliche Betreuung der Bundeswehrangehörigen nicht auf andere Weise gewährleistet werden könnte. (3) Beamtenrechtlicher Schutz der Militärseelsorger Allerdings könnte der Schutz der Militärseelsorger vor wehrspezifischen Risiken es erfordern, die Seelsorger in ein öffentliches Amt – insbesondere eventuell sogar in ein Beamtenverhältnis – zu übernehmen. Militärgeistliche werden völkerrechtlich besonders geschützt durch die vierte Genfer Konvention vom 12. August 1949 samt Zusatzprotokollen vom 8. Juni 1977.607 604  Vgl. zu einem solchen Verständnis Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1351; wohl auch Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 152. 605  Vgl. BVerwGE 46, 11 (14). 606  Vgl. Werkner, Soldatenseelsorge, S. 29. 607  Vgl. Ennuschat, Militärseelsorge, S. 345; ders., ZevKR 41 (1996), 419 (427), je m. w. N.; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 4.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Indes ist der Beamtenstatus der Militärgeistlichen nicht erforderlich, damit diese am völkerrechtlichen Schutz partizipieren könnten. Völkerrechtlich hängt ihr Schutz also nicht vom Status als Bundesbeamte ab.608 Jedoch könnte der Staat darüber hinausgehend zum Schutz der Militärseelsorger verpflichtet und zu diesem Zweck zur Einrichtung religiös gebundener öffentlicher Ämter berechtigt sein. Die beiderseitige Treuepflicht gehört zu den wichtigsten Folgen eines öffentlich-rechtlichen Beamtenverhältnisses. Diese Treuepflicht ist verfassungsrechtlich in Art. 33 Abs. 4 GG verankert und wird in ihrer Ausprägung als Fürsorge- und Schutzpflicht des Dienstherrn als grundlegendes Auffangrecht der (Bundes-)Beamten einfachgesetzlich konkretisiert in § 78 BBG.609 Zugleich gilt sie als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG.610 Ursprünglich hatte RGZ 92, 179 die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht aus dem bürgerlichen Recht, konkret aus dem dienstrechtlichen § 618 BGB, auf das Beamtenverhältnis übertragen, doch bestehen strukturelle Unterschiede zwischen beiden Rechtsinstituten. Insbesondere hat der Fürsorgeanspruch des Beamten einen erweiterten Schutzkreis: Er bezieht die Familie und gegebenenfalls die Hinterbliebenen des Beamten ein und bindet den Dienstherrn auch nach Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses.611 Da der Anspruch auf Ausübung der Fürsorgepflicht Bestandteil des grundrechtsgleichen Individualrechts aus Art. 33 Abs. 5 GG ist, kann der Beamte die Verletzung der Fürsorgepflicht mit der Verfassungsbeschwerde rügen.612 In der Praxis der Militärseelsorge führt diese bessere Absicherung dazu, dass Bundeswehrsoldaten jedenfalls zu als gefährlich erachteten Auslandseinsätzen so gut wie ausschließlich von verbeamteten Geistlichen begleitet werden. Die etwa in der katholischen Militärseelsorge eingesetzten Pastoralreferenten, die zwar ebenfalls ein religiös gebundenes Amt ausüben, aber lediglich arbeitsvertraglich beauftragt werden, übernehmen in der Praxis allenfalls weniger riskante Einsätze, weil die Versorgungsrisiken für den Fall eines Unfalls oder einer Kriegsverletzung als zu hoch eingeschätzt werden. 608  Vgl. Ennuschat, Militärseelsorge, S. 349 f.; ders., ZevKR 41 (1996), 419 (427); Lunze, Zusammenarbeit, S. 227 (235). 609  Vgl. Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 51. 610  Vgl. BVerfGE 8, 332 (356) – Kommunalbeamte; 44, 249 (263 ff.) – Alimentationsprinzip; 58, 68 (76); 83, 89 (98) – 100%-Grenze; 106, 225 (232) – Krankenhausversorgung; Battis, BBG, § 78 Rn. 3; s. zu einzelnen Ausprägungen des gegenseitigen Treueverhältnisses BVerwGE 140, 351 Rn. 19, zur gegenseitigen Rücksichtnahme; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 29 ff., zu Schadensabwendungspflichten; ebd., Rn. 49 ff., zu Beistandspflichten bei dienstlich bedingten „Sonderbelastungen“. 611  Vgl. Battis, BBG, § 78 Rn. 5. 612  Vgl. BVerfGE 8, 1 (17 f.) – Teuerungszulage; 15, 298 (302) – Gesetzlicher Richter; 38, 1 – Richteramtsbezeichnung; 43, 154 (165 ff.) – Datenzentrale; Battis, BBG, § 78 Rn. 3; Stern, StaatsR I2, § 11 S. 353.



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter303

Indes könnte man fragen, ob die Absicherung der Militärseelsorger Aufgabe des Staates ist oder ob nicht die jeweilige Religionsgesellschaft die Sorge um ihre Geistlichen tragen muss, wenn sie Militärseelsorge anbieten will. Für die Seelsorge an innerdeutschen Bundeswehrstandorten mag man dem zustimmen, solange allein aus den örtlichen Gegebenheiten keine besondere Gefährdung der betroffenen Seelsorger folgt, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. Anders verhält es sich hingegen bei (Auslands-) Einsätzen der Bundeswehr, die für die Militärseelsorger mit einem besonderen Risiko und hohen Gefahren für Gesundheit oder Leben verbunden sind. Der Anspruch auf Zulassung zur Militärseelsorge aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV würde faktisch beeinträchtigt, wollte man zwar Seelsorge zulassen, aber nicht für die Sicherheit der beteiligten Personen sorgen und diese nicht gegen die spezifisch militärischen Risiken absichern. Faktisch wäre es dann keinem Seelsorger zuzumuten, die besonderen Gefahren des Dienstes innerhalb der Bundeswehr auf sich zu nehmen. Derzeit folgt die staatliche Fürsorgepflicht für die Militärgeistlichen unmittelbar aus deren Beamtenstatus. Bislang ist nicht ersichtlich, wie das erforderliche Maß an Sicherheit für die Geistlichen gewährleistet werden könnte, ohne ihnen zugleich ein staatliches Amt anzuvertrauen. Das deutsche Recht kennt kein Dienstverhältnis mit ähnlich stark ausgeprägten und verfassungsrechtlich abgesicherten Fürsorge- und Treuepflichten wie das Beamtenverhältnis.613 Folglich spricht der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Militärseelsorger insbesondere bei gefährlichen Einsätzen dafür, die Seelsorger in ein – dann religiös gebundenes – öffentliches Amt zu übernehmen. (4) Funktionsfähigkeit der Bundeswehr Weiterhin fragt sich, ob militärische Erfordernisse der Bundeswehr verlangen, dass die Bundeswehr dienstrechtlichen Einfluss auf all diejenigen haben muss, die sich dauerhaft in ihrem Inneren bewegen, und die Einrichtung religiös gebundener Staatsämter für Militärgeistliche deswegen notwendig ist. Schon der Nationalversammlungsabgeordnete Mausbach ging davon aus, dass es sich, obwohl Art. 141 WRV eine staatliche Anstellung der Militärseelsorger nicht ausdrücklich vorschreibe, gleichwohl praktisch als „notwendig erweisen [werde], statt der bloßen Zulassung der Geistlichen irgendeine Form der Anstellung oder des Vertrages zu wählen“.614 Erstmals in größerem Maße diskutiert wurde der Status der Militärseelsorger im Zusammenhang mit dem Abschluss des Militärseelsorgevertrags 613  Vgl.

BVerwGE 39, 174 (176); Stern, StaatsR I2, § 11 S. 369 f. Kulturfragen, S. 80.

614  Mausbach,

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

von 1957.615 Vor allem die an den Verhandlungen beteiligten evangelischen Landeskirchen sperrten sich zunächst gegen eine Regelung, wonach Militärgeistliche staatliche Beamte werden sollten. Sie wollten eine stärkere Eingliederung der Militärseelsorge in die Seelsorge der Landeskirchen, also keine Militärkirchengemeinden, keinen Militärbischof und nicht zuletzt keinen Bundesbeamtenstatus der Militärgeistlichen.616 Hingegen war es der Staat, der auf dem letztlich durchgesetzten Maß an Eingliederung bestand, um die Seelsorge in der Bundeswehr mit militärischen Erfordernissen in Einklang zu bringen.617 Insbesondere hielten die Verhandlungspartner auf Seiten der Bundesregierung den Beamtenstatus für unerlässlich, damit die Bundeswehr als besonders sicherheitsrelevante Einrichtung auf Personen, die sich in ihrem Inneren bewegen, ein angemessenes Maß an dienstrechtlichem Einfluss habe. Ein ungestörter Dienstbetrieb der Bundeswehr und die Sicherheit des Staates sind ihrerseits Verfassungswerte, die sich mit dem BVerfG aus Art. 12a, 17a, 65a, 87a, 87b, 96 Abs. 2, 115b GG ableiten lassen und die potenziell eine Begrenzung der grundrechtlichen Gleichheitssätze erfordern können.618 Das Bestehen eines dienstrechtlichen Einflusses auf verbeamtete Militärseelsorger lässt sich an unterschiedlichen Normen des allgemeinen Beamtenrechts festmachen: So darf gem. § 7 Abs. 1 BBG nur derjenige in ein Beamtenverhältnis als Militärgeistlicher berufen werden, der die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Andernfalls hätte die Bundeswehr erheblich größere – auch praktische – Schwierigkeiten, die Verfassungstreue der von den Religionsgesellschaften zur Militärseelsorge entsandten Geistlichen zur verbindlichen Voraussetzung für eine Tätigkeit in der Militärseelsorge zu machen.619 Diese Verpflichtung auf die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und auf das Wohl der Allgemeinheit kann gem. § 60 Abs. 1 BBG auch während der weiteren Amtsausübung von verbeamteten Militärgeistlichen gefordert werden. Außerdem besteht über § 7 Abs. 1 BBG die Möglichkeit, eine bestimmte berufliche Bildung – in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium – von zukünftigen Militärgeistlichen zu verlangen. Für Letzteres wäre keine Grund615  Vgl. Cremers, MSV; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1350; Steuber, Militärseelsorge, S. 235; Werkner, Soldatenseelsorge, S. 30 ff. 616  Scheffler, in: KMBA, Militärseelsorge, S. 200. 617  Cremers, MSV, S. 220; Scheffler, in: KMBA, Militärseelsorge, S. 200. 618  Vgl. speziell zu Art. 87a Abs. 1 GG Schulte-Bunert, Verteidigungsauftrag, S. 106 ff. (135); v. Münch / Kunig, in: dies., GG, Vorb Art. 1–19 Rn. 42. 619  Vgl. für die Voraussetzungen der Verfassungstreue und die Billigung des Anstaltszwecks Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 394.



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lage ersichtlich, wenn es um die bloße Zulassung zur Seelsorge ohne Übertragung eines öffentlichen Amtes ginge. Weiterhin spricht für die Verbeamtung von Militärgeistlichen, dass diese im Inneren der Bundeswehr arbeiten und dort, insbesondere über die militärischen Informationssysteme, aber auch in vertraulichen Gesprächen mit Soldaten, ständigen Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen haben. Dies kann aus Sicht der Bundeswehr allenfalls dann unbedenklich sein, wenn sie sich auf die Verschwiegenheit der Militärgeistlichen verlassen kann.620 Für die verbeamteten Geistlichen ergibt sich die entsprechende Verschwiegenheitspflicht aus § 67 Abs. 1 BBG. Danach haben Beamte über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten dauerhaft Verschwiegenheit zu bewahren. Auch dafür wäre sonst keine entsprechende Grundlage ersichtlich, weil es zur beamtenrechtlichen Treuepflicht keine vergleichbare Alternative gibt. Gegen die Zulässigkeit des Beamtenstatus der Militärseelsorger könnte allerdings möglicherweise die tatsächliche Staatspraxis angeführt werden: Nach der deutschen Wiedervereinigung weigerten sich die evangelischen Landeskirchen in Ostdeutschland aus kirchenpolitischen und historischen Gründen, dem MSV von 1957 beizutreten. Ihre Kritik wendete sich insbesondere gegen den vertraglich vorgesehenen Beamtenstatus der Soldatenseelsorger, der zu einer zu großen Staatsnähe führen könne, unter der der geistliche Auftrag leide.621 Die Bundesregierung bestand hingegen auf die Einhaltung des MSV. Als Kompromisslösung schlossen EKD und Bundesregierung 1996 eine bis 2003 befristete Rahmenvereinbarung, in der die Bundesregierung übergangsweise Soldatenseelsorger im Status eines Kirchenbeamten akzeptierte, sofern die jeweilige Landeskirche den Militärseelsorgevertrag nicht angenommen hatte.622 Zu erkennbaren sicherheitspolitischen Problemen innerhalb der Bundeswehr hat das nicht geführt. Fraglich erscheint aber dennoch, ob dies ein dauerhaft gangbares Zukunftsmodell wäre,623 da sich die Bundesregierung nach dem Auslaufen der Rahmenvereinbarung erneut vehement dafür eingesetzt hat, dass Militärseelsorger aus sicherheitspolitischen Gründen grundsätzlich Bundesbeamte sind. 620  Vgl. Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 13 f.; Pirson, EssGespr. 23 (1989), 4 (21); allgem. zur fehlenden Bindung der Kirchen an das BDSG Hoeren, NVwZ 1993, 650 ff. 621  Vgl. Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 165; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 16; Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 964 f.; Werkner, Soldatenseelsorge, S.  115 ff. 622  Art. 1 Abs. 2 der Rahmenvereinbarung v. 12.6.1996, abgedruckt in: Evangelisches Kirchenamt, Dokumentation, S. 53. 623  So aber Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 17.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Im Ergebnis hat sich der Staat mit dieser Forderung weitgehend durchgesetzt: Gem. Nr. 2 der Protokollnotiz zur Auslegung des Militärseelsorgevertrages von 1957 können Militärseelsorger nur dann ausnahmsweise im Angestelltenverhältnis zur Kirche verbleiben, wenn auf Antrag der Kirche im Einzelfall besondere sachliche Gründe dafür festzustellen sind.624 Im Regelfall erachtet die Bundesregierung also nach wie vor dienstrechtlichen Einfluss auf die Militärgeistlichen aus sicherheitspolitischen Gründen für erforderlich, um die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu gewährleisten. Entgegen mancher Kritik erscheint es durchaus plausibel, dass die Übernahme von Militärgeistlichen in ein öffentliches Amt zur Wahrung eines sicherheitspolitisch erforderlichen dienstrechtlichen Einflusses verfassungsrechtlich jedenfalls zugelassen ist.625 Zur Kompensation andernfalls drohender Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit der Soldaten ermöglicht Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV die Übernahme von Militärseelsorgern in ein öffentliches Amt. Dies gilt jedenfalls, solange die betroffenen Religionsgesellschaften mit der Übernahme ihrer Seelsorger in den öffentlichen Dienst einverstanden sind.626 (5) Zwischenergebnis zu dd) Folglich spricht die teleologische Auslegung dafür, im Anspruch der Religionsgesellschaften auf Zulassung zur Militärseelsorge gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV lediglich ein verfassungsrechtlich garantiertes Minimum zu sehen, das den Staat aber zugleich zur Einrichtung religiös gebundener Staatsämter in der Militärseelsorge ermächtigt.627 624  Protokollnotiz v. 12.6.2002, abgedruckt in: LKV 2004, 22 ff.; wegen dieser Ausnahmefälle für die Unschlüssigkeit des Rechtfertigungsarguments v. Campen­ hausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 28. 625  Vgl. Hamers, RK, S. 87: „erfordert einvernehmliche Personalentscheidungen“; Pirson, EssGespr. 23 (1989), 4 (21); Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 13: „ganz ausnahmsweise vertretbar“; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 18, erkennt zwar an, dass Sicherheitsaspekte berechtigterweise berücksichtigt werden, gelangt aber dennoch nicht zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der derzeitigen Praxis; ferner Werkner, Soldatenseelsorge, S. 237, mit empirischer statt verfassungsrechtlicher Argumentation. 626  Wollte der Staat gegen den Willen einer Religionsgesellschaft die Übernahme in ein öffentliches Amt zur Voraussetzung für die Zulassung zur Militärseelsorge machen, müsste er in Anbetracht des Zulassungsanspruchs aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV präziser darlegen, warum ein öffentliches Amt unerlässlich ist; vgl. aber gegen die Relevanz des Einverständnisses Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 14. 627  Vgl. Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1008); Hemmerich, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 140 GG Rn. 47; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010)



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ee) Zwischenergebnis zu b) Im Streit um die Frage, ob Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV die Einrichtung öffentlicher Ämter in der Militärseelsorge gestattet, führen die grammatikalische sowie die systematische Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis. Die entstehungsgeschichtliche Auslegung spricht demgegenüber in Anbetracht der langen Tradition einer amtlichen Militärseelsorge in den deutschen Staaten dafür, dass eine solche Ausgestaltung auch weiterhin eine verfassungsrechtlich zulässige Option sein soll. Die seit preußischer Zeit gewachsenen Strukturen, wonach Militärseelsorger staatlich verbeamtet werden, sind nach Inkrafttreten des Grundgesetzes weiterhin zulässig. Auch die teleologische Auslegung spricht dafür, dem Gesetzgeber diese Option zu eröffnen, um Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit, die unter den besonderen Bedingungen der Bundeswehr drohen, möglichst zu reduzieren.628 Daher soll der Gesetzgeber durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV zur Entscheidung darüber berechtigt werden, ob er zur Gewährleistung seelsorglicher Angebote unter den besonderen Bedingungen der Bundeswehr beamtete Militärseelsorger vorsieht. Die Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV sind insoweit begrenzt. 3. Art der Begrenzungswirkung Es fragt sich, ob Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV wie eine tatbestandliche Begrenzung oder wie ein Gesetzesvorbehalt wirkt. Die Abgrenzung hängt im Einzelfall davon ab, ob die begrenzende Norm die Geltung der kollidierenden Bestimmung unabhängig von den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Regelungen ausschließt oder ob sie bloß unter Wahrung der Rechtfertigungsvoraussetzungen eine ausnahmsweise Abweichung ermöglichen will. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV schreibt die Einrichtung religiös gebundener Staatsämter für Militärseelsorger nicht vor, sondern ermöglicht sie nur. Der Bundesgesetzgeber soll diese schaffen dürfen, zugleich jedoch die Rn. 696; aber Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 13: „Keine Aussage zur institutionell-organisatorischen Ausgestaltung dieser Garantie“. 628  Vgl. so wohl Ennuschat; Militärseelsorge, S. 159; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 23; ausdrücklich gegen die Zulassung durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 2; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 96; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 71. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 28, sind zwar kritisch, halten schließlich aber lediglich fest, es bestehe „keine Notwendigkeit“ (ebd.) für die Begründung konfessionsgebundener Staatsämter; unentschieden v. Coelln, in: Gröpl u. a., GG, Art. 140 Rn. 53.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

grundgesetzlichen Gleichheitssätze beachten, soweit dies möglich ist. Folglich wirkt Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV nicht quasi-tatbestandlich begrenzend, sondern ermöglicht als Quasi-Gesetzesvorbehalt Beschränkungen der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV. Es obliegt danach dem Bundesgesetzgeber, die relevanten Belange – die Religionsfreiheit der betroffenen Soldaten (Art. 4 Abs. 1, 2 GG), das Zulassungsrecht der Religionsgesellschaften (Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV) sowie die verfassungsrechtliche Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung mit einer funktionsfähigen Bundeswehr (Art. 12a, 17a, 65a, 87a, 87b, 96 Abs. 2, 115b GG) – mit dem Ziel der Herstellung praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen. 4. Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen Die gesetzgeberische Ausgestaltung der verfassungsrechtlich durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV eröffneten Option einer amtlichen Militärseelsorge unter Durchbrechung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV müsste den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Regelungen genügen. a) Anforderungen des Art. 19 Abs. 1, 2 GG Der für Grundrechtsbeschränkungen geltende rechtsstaatliche Vorbehalt des Gesetzes wurde durch das Zustimmungsgesetz zum MSV gewahrt, der in Art. 18 f. die Einstellung von Militärseelsorgern in ein öffentliches Amt auf Vorschlag des Militärbischofs, einer religiösen Instanz, vorsieht. Allerdings nennen weder der MSV noch das dazugehörige Zustimmungsgesetz gem. Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG eingeschränkte Grundrechte. Folgt man der Rechtsprechung des BVerfG, wonach das Zitiergebot bei Beschränkungen vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte ebenso wenig gilt wie bei offensichtlichen Beschränkungen sowie in den Fällen, in denen Gesetze ältere, insbesondere vorkonstitutionelle Grundrechtsbeschränkungen unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholen,629 so führt die fehlende Nennung der beschränkten Grundrechte nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung.

629  Siehe

schon 2. Kap. D. III. 2. f).



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter309

b) Sonstige Anforderungen Weiterhin müsste die Ausgestaltung der Militärseelsorge durch den Gesetzgeber sonstigen Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügen, dürfte insbesondere nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. aa) Legitimer Zweck Legitimer Zweck der amtlichen Militärseelsorge ist die Förderung der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG unter den besonderen Bedingungen einer funktionsfähigen Bundeswehr. Zudem dient die Berücksichtigung von Vorschlagsrechten betroffener Religionsgesellschaften der Wahrung des kooperativen Verhältnisses zwischen Staat und Religionsgesellschaften, das durch vertragliche Regelungen geprägt ist.630 Zwar ermächtigt das Religionsverfassungsrecht nicht zu grundrechtsbegrenzenden Verträgen – diese dürfen dem Grundgesetz vielmehr nicht widersprechen, doch ist dessen besondere Völkerrechtsfreundlichkeit für Materien des Religionsverfassungsrechts631 bei der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung der Militärseelsorge zu berücksichtigen.632 bb) Eignung Die Einstellung von Militärseelsorgern in öffentliche Ämter unter Berücksichtigung kirchlicher Mitspracherechte ist auch geeignet, die Religionsausübungsfreiheit der Bundeswehrsoldaten zu fördern. cc) Erforderlichkeit Die Durchbrechung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV müsste erforderlich sein; es dürften also keine milderen, min630  Vgl. Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 Rn. 8; Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 9 Rn. 3, für Kooperation statt Konfrontation; ebd. § 15 Rn. 1 ff.; Pirson, in: FS Liermann, 1964, S. 177 (178, 188 f.). 631  Vgl. Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 WRV, der Verträge mit den Kirchen voraussetzt; ferner faktisch Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG, Art. 123 Abs. 2 GG, dazu Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 56 f.; Hense, in: FS Kirchhof, 2013, § 132 Rn. 5, für Staatskirchenverträge als angemessenes Instrument zum Austarieren der Beziehungen zwischen Staat und Religion; allgemein zur Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes: Pernice, in: Dreier, GG II, Art. 25 Rn. 40; Streinz, in: Sachs, GG, Art. 24 Rn. 6. 632  Vgl. Rauschning, in: BK, GG, Art. 59 (2009) Rn. 138, für Gebot völkerrechtskonformer Auslegung.

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destens ebenso wirksamen Mittel zur Erreichung des Zwecks zur Verfügung stehen. In Anbetracht der Weite grundrechtlicher Leistungspflichten erkennt das BVerfG dem Gesetzgeber bei der Erfüllung solcher Leistungspflichten zu Recht einen großen Gestaltungsspielraum zu,633 weil je nach Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse, der konkreten Zielsetzungen und ihrer Priorität sowie der Eignung der denkbaren Mittel meist verschiedene Lösungen möglich sind. Die häufig durch Kompromisse geprägte Entscheidung darüber gehört nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem demokratischen Prinzip in die Verantwortung des vom Volk unmittelbar legitimierten Gesetzgebers. Die in Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV ausdrücklich vorgesehene bloße Zulassung zur Anstaltsseelsorge ohne Schaffung entsprechender öffentlicher Ämter würde zwar keine Gleichheitsrechte beeinträchtigten, sie wäre aber weniger gut geeignet, um unter den besonderen Bedingungen der Bundeswehr die Religionsfreiheit der Soldaten zu gewährleisten. Folglich bestehen gegen die Erforderlichkeit einer amtlichen Militärseelsorge keine Bedenken. Allerdings ließe sich überlegen, ob der derzeit bestehende Umfang von einem Militärseelsorger pro 1500 Soldaten erforderlich ist. Zweifel daran resultieren insbesondere aus der Tatsache, dass die Militärseelsorger – neben ihren seelsorglichen Tätigkeiten – faktisch regelmäßig einen großen Teil ihrer Arbeitszeit damit verbringen, Lebenskundlichen Unterricht zu erteilen. Im Gegensatz zum kirchlichen Charakter der Militärseelsorge im Übrigen haben Bundeswehr- und Kirchenleitung den LKU stets als staatliche Aufgabe verstanden, deren Erfüllung den Militärgeistlichen lediglich als Zweitverantwortlichen übertragen werde.634 Gleichwohl war der Unterricht faktisch über viele Jahre konfessionell getrennt erteilt worden. Die Teilnahme am LKU war für die Soldaten der Bundeswehr freiwillig, doch sollten sie vor ihrer Abmeldung mindestens einmal an ihm teilgenommen haben, so die ZDv 66 / 2 vom 5. November 1959.635 633  Vgl. BVerfGE 56, 54 (80 f.); 77, 170 (214 f.); 77, 381 (405); 115, 118 (159 f.) – Luftsicherheitsgesetz; 117, 202 (227) – Vaterschaftstest; aus der Lit.: Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1 Rn. 35; ders., in: Stern, StaatsR III / 1, § 67 S. 737 ff.; Stern, StaatsR III / 1, § 69 S. 950 ff. 634  Vgl. Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 272. 635  Zum damit verbundenen Zwang, faktisch mindestens einmal am LKU teilzunehmen und der daraus resultierenden verfassungsrechtlichen Problematik vgl. En­ nuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (425); Kästner, in: BK, GG, Art. 140 Rn. 702 (2010); ohne Bedenken für die Verfassungsmäßigkeit des LKU Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 961 (979); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1355; dagegen v. Campenhau­ sen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 31 f.; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 19.



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Am 20. Januar 2009 hat der damalige Verteidigungsminister Jung den LKU mit der ZDv 10 / 4 – zunächst vorläufig zur Erprobung, zwischenzeitlich ohne Befristung – teilweise neu geordnet. Nach der neuen Vorschrift soll der LKU einen Beitrag zur weiteren Entwicklung der Persönlichkeit der Soldaten leisten.636 Er soll dazu beitragen, dass sich die Soldaten angesichts der kulturellen und religiösen Vielfalt in der Bundeswehr „der gemeinsamen Werte der freiheitlichen demokratischen Gesellschaft verge­ wissern“637 und dass sie ihr moralisches Urteilsvermögen ausbauen, um verantwortungsbewusstes Handeln zu unterstützen. Der Bundesverteidi­ gungsminister sieht den LKU als „wichtige Ergänzung“638 zur sogenannten „Inneren Führung“639 der Bundeswehr zur Erziehung und Ausbildung in den Streitkräften. Das spiegelt sich im Curriculum der Inhalte wider, das in die drei Themenfelder Individuum und Gesellschaft, Persönliche Le­ bensführung und soldatischer Dienst und Moralische und psychische He­ rausforderungen des soldatischen Dienstes gegliedert ist, hingegen keine religionsspezifischen Inhalte vorsieht. Ausdrücklich betont der Bundesver­ teidigungsminister, der LKU sei kein Religionsunterricht und keine Form der Religionsausübung i. S. v. § 36 SoldG,640 sondern eine „berufsethische Qualifizierungsmaßnahme“641 und soziale Lebenshilfe und als solche „verpflichtend“642. Die früher bestehende Möglichkeit der Soldaten, sich vom LKU befreien zu lassen, ist nicht mehr vorgesehen. Ebenso ist die konfessionelle Trennung für den Unterricht entfallen. Nach wie vor wird der LKU jedoch maßgeblich von Militärgeistlichen erteilt. Dazu heißt es in der neuen Dienstvorschrift, der LKU werde in der Regel von Militärseelsorgern erteilt; im Bedarfsfall können andere berufs­ ethisch besonders qualifizierte Lehrkräfte eingesetzt werden, worunter beispielsweise Religionswissenschaftler, (Rechts-)Philosophen oder Psychologen zu verstehen seien. Dementsprechend tritt der Militärgeistliche im LKU nicht als Prediger auf, sondern als Moderator einer freien Diskussion.643 636  ZDv

10 / 04, Nr. 106. 10 / 04, Nr. 107. 638  ZDv 10 / 04, Nr. 105. 639  ZDv 10 / 04, Nr. 105. Vgl. aus Sicht der Bundesregierung, BT-Drs. 17 / 4640, S. 3. 640  ZDv 10 / 04, Nr. 104; daran anknüpfend BT-Drs. 17 / 4640, S. 3. 641  ZDv 10 / 04, Nr. 104. 642  ZDv 10 / 04, Nr. 104. 643  Vgl. ZDv 10 / 04, Nr. 104; noch zur früheren Dienstvorschrift Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 276 f. Vgl. von den Wenigen, die das Inkrafttreten der ZDv 10 / 4 bereits berücksichtigen, nunmehr ohne Bedenken gegen die Ausgestaltung: Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 25; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 407. 637  ZDv

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Von „kirchlich akzentuierten“644 Unterrichtsinhalten lässt sich in Anbetracht des nun vom Bundesverteidigungsminister festgelegten Curriculums nicht (mehr) sprechen. Indes lässt sich aus dem Umstand, dass die Militärseelsorger faktisch mit dem LKU sehr weitreichend konfessionsübergreifende Aufgaben und Tätigkeiten übernehmen, kein Argument für die religiös gebundene Vergabe von deren Ämtern ableiten. Nach wie vor fehlt es an einer (ausdrücklichen) verfassungsrechtlichen Verankerung des LKU. Schon gar nicht schreibt das Grundgesetz vor, dass der Unterricht von konfessionell gebundenen Geistlichen zu erteilen wäre. Daher erscheint es nicht ausgeschlossen, die Zahl der Militärseelsorger zu reduzieren, wenn diese von der Erteilung des LKU befreit würden. Dann wäre die derzeitige Anzahl an Seelsorgern nicht erforderlich im Sinne der Verhältnismäßigkeit. Allerdings ist diese Schlussfolgerung nicht zwingend. Angemessene Seelsorge lässt sich nicht nur über die Relation von Seelsorgern zu Umsorgten bestimmen, sondern sie erfordert auch, dass die Soldaten ein Vertrauensverhältnis zu ihrem jeweiligen Seelsorger aufbauen können. Verschlechterte man die Betreuungsrelation, würde dieses Vertrauensverhältnis gefährdet, weil in kleineren Bundeswehrverbänden und insbesondere bei Auslandseinsätzen seltener ein Seelsorger vor Ort sein könnte, um – gegebenenfalls sehr kurzfristig – auf religiöse Bedürfnisse aller Art reagieren zu können. Ferner ließen sich die seelsorglichen Angebote der Militärseelsorger nicht in größerem Umfang durch säkulare Beratungsangebote ersetzen, die keine Begrenzung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV erfordern würden. Die Erfahrung zeigt, dass weder militärische Vorgesetzte noch der Soziale und der Psychologische Dienst der Bundeswehr den Soldaten vergleichbar die notwendige Unterstützung geben (können). Gerade in persönlichen Krisen und Notsituationen wird es als sehr wertvoll empfunden, einen Ansprechpartner vor Ort zu haben, dem die Soldaten sich vorbehaltlos anvertrauen können, ohne dass der Dienstherr Kenntnis davon erlangt.645 Bei Gesprächen zwischen Bundeswehrführung und Kirchen besteht Einigkeit, dass insbesondere der Einsatzbegleitung durch Militärgeistliche ein hoher Stellenwert zukommt.646 Auch konfessionell ungebundene Soldaten nähmen das Gesprächsangebot verstärkt in Anspruch, sodass die Militärseelsorge von allen Beteiligten als „unverzichtbar“647 angesehen werde, noch Kästner, in: BK, GG, Art. 140 Rn. 702 (2010). Ennuschat, Militärseelsorge, S. 77; Greyer-Wieninger, Militärseelsorge, S. 57 (66 f.). 646  Vgl. Greyer-Wieninger, Militärseelsorge, S. 57 (59). 647  Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages, Jahresbericht 2010, BT-Drs. 16 / 4400, S. 28; vgl. Greyer-Wieninger, Militärseelsorge, S. 57 (59 f.); Steuber, Militärseelsorge, S. 418. 644  So

645  Vgl.



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so zuletzt der Wehrbeauftragte des Bundestages. Folglich durfte der Gesetzgeber die derzeitige Betreuungsrelation von einem Seelsorger pro 1500 Soldaten als erforderlich ansehen, da eine schlechtere Relation zu einer Verschlechterung der religiösen Betreuung führen würde und daher nicht gleich geeignet im Sinne der Erforderlichkeit wäre. Schließlich durfte der Gesetzgeber auch davon ausgehen, dass zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr ein dienstrechtlicher Einfluss auf die Militärseelsorger erforderlich ist. Nicht im Widerspruch dazu steht die Annahme, dass der Bundesbeamtenstatus gleichwohl nicht zwangsläufig dauerhaft vorgeschrieben sein muss. So erscheint es durchaus denkbar, dass die Bundesregierung in Abstimmung mit dem parlamentarischen Gesetzgeber und den beteiligten Religionsgesellschaften zukünftig ein alternatives Konzept zur Gewährleistung der Sicherheit in der Bundeswehr er­ arbeitet, in dem auch solchen Geistlichen, die weder verbeamtet noch Angestellte im öffentlichen Dienst sind, bedenkenlos freier Zutritt zu den Einrichtungen der Bundeswehr zum Zwecke der Seelsorge gewährt werden kann.648 Folglich haben der parlamentarische Gesetzgeber und die Bundesregierung die Erforderlichkeit der derzeitigen Ausgestaltung der Militärseelsorge im Rahmen ihres Einschätzungsspielraumes vertretbarer Weise bejaht. dd) Angemessenheit Schließlich müsste die Beschränkung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen. Grundsätzlich verbieten Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV die Vergabe öffentlicher Ämter in Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis. Religiös gebundene Staatsämter dürfen nur dann eingerichtet werden, wenn kollidierendes Verfassungsrecht dies zulässt. Zudem verbietet Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV eine Staatskirche. Vor diesem Hintergrund liegt eine prinzipielle Abgrenzung der Bereiche von Staat und Religionsgesellschaften im beiderseitigen Interesse.649 Sie wendet sich etwa gegen die Indienstnahme und Funktionalisierung der Kirche durch den Staat, wie sie vor allem im Zeitalter des Josephinismus Realität war.650 ausführlich Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (427 ff.). Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1007). 650  Vgl. v. Sonnenfels, zitiert nach Zippelius, Staat, S. 106: „Die Religion ist das wirksamste Mittel, den sittlichen Zustand auszubilden.“ und Leopold II., zitiert nach Zippelius, Staat, S. 106: „Da die Verwaltung der Seelsorge unbeschränkten Einfluß auf die Gesinnung des Volkes“ habe, seien Priester als Beamte des Staates in der 648  Vgl. 649  Vgl.

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Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV enthält demgegenüber keine ausdrückliche Ermächtigung zur Ausgestaltung als amtliche Militärseelsorge und der damit verbundenen Einrichtung religiös gebundener öffentlicher Ämter für die Geistlichen. Anders als der durch Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich verankerte Religionsunterricht ist Militärseelsorge grundsätzlich keine Aufgabe des Staates.651 Dienst an Wort und Sakrament sowie Seelsorge sind keine hoheitlichen Aufgaben i. S. v. § 5 Nr. 1 BBG; sie sind überhaupt keine staatlichen Aufgaben. Indes gewährleistet der Staat durch die Einstellung der Militärseelsorger die Bedingungen dafür, dass Soldaten und Religionsgesellschaften in der besonderen Situation der Bundeswehr ihre Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG ausüben können. Der Staat kommt dadurch seinem durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV konkretisierten verfassungsrechtlichen Gewährleistungsauftrag nach. Innerhalb der speziellen Strukturen der Bundeswehr, deren ungestörter Dienstbetrieb durch Art. 12a, 17a, 65a, 87a, 87b, 96 Abs. 2, 115b GG verfassungsrechtlich geschützt ist, lässt sich die Religionsfreiheit nach der sachlich begründeten, fehlerfreien Einschätzung von parlamentarischem Gesetzgeber und Bundesregierung am besten durch das konfessionell gebundene Staatsamt des Militärgeistlichen gewährleisten. Denn die Aufgabe der Militärgeistlichen besteht nicht schlicht in Gottesdienst und Seelsorge, sondern darin, dies im „besonderen staatlichen Gefüge des Verteidigungsapparates“652 unter Berücksichtigung staatlicher Sicherheitsinteressen zu tun, ohne dadurch die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu beeinträchtigen. Solche praktischen Erfordernisse werden in der Organisationsstruktur der Militärseelsorge berücksichtigt. Diese Möglichkeit sollte durch die Formulierung des Art. 141 WRV zugelassen werden.653 Deswegen ist bei der verfassungsrechtlichen Charakterisierung der Militärseelsorge zu differenzieren: Während Seelsorge auch im Kontext der Bundeswehr eine Angelegenheit der Religionsgesellschaften bleibt, ist allein der Staat Adressat des Zulassungsanspruchs aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 Kirche anzusehen. Daraus folge „von selbst“ ein Aufsichtsrecht der öffentlichen Verwaltung über die kirchliche. Vgl. Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (996), die nach wie vor die befriedende Funktion einer systemkonformen Seelsorge in Einrichtungen mit besonderem Konfliktpotential erwähnt. 651  Vgl. Scherer u. a., SoldG, § 36 Rn. 1; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 7; Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 13; Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 266 ff.; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rn. 71; Renck, BayVBl. 1988, 225 (231); Robbers, NStZ 1988, 573 (573); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1355; anders Anke, Art. Kirchenfinanzen, in: Heinig / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 106, der die Militärseelsorge pauschal als staatliche Aufgabe ansieht. 652  Cremers, MSV, S. 239. 653  Vgl. Mausbach, Kulturfragen, S. 80.



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WRV sowie grundrechtlicher Gewährleistungspflichten aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Soweit der Staat die zuletzt genannten Pflichten nicht selbstständig erfüllen kann, ohne die Religionsgesellschaften in ihrem Selbstbestimmungsrecht zu verletzen, ist eine Kooperation zwischen beiden verfassungsrechtlich vorgeschrieben und die Rede von einer gemeinsamen Angelegenheit treffend.654 Insofern drängt sich trotz aller Unterschiede – eine mit Art. 7 Abs. 3 GG vergleichbare Vorschrift existiert im Hinblick auf die Anstaltsseelsorge nicht – ein Vergleich zum Religionsunterricht gem. Art. 7 Abs. 3 GG auf:655 Die Militärseelsorge wird zwar durch Inhaber öffentlicher Staatsämter geleistet und ist insofern eine staatliche Veranstaltung, zugleich bleibt sie aber eine eigene Angelegenheit der Religionsgesellschaften i. S. v. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV, die über Inhalte und Formen der Seelsorge autonom entscheiden.656 Dieses hohe Maß an Unabhängigkeit wird von den Reli­ gionsgesellschaften zu Recht eingefordert, wenn etwa Art. 13 der Päpstlichen Statuten bestimmt, die Militärgeistlichen seien bei ihrer seelsorglichen Tätigkeit ausschließlich kirchlichem Recht unterworfen und von staatlichen Weisungen unabhängig.657 654  Vgl. mit Unterschieden im Detail Cremers, MSV, S. 234; v. Campenhau­ sen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 6; Hamers, RK, S. 86; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 312, 690; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 GG Rn. 90; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 13; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1349, 1355; Mikat, in: Bettermann u. a., Grundrechte IV / 1, S. 111 (195 f.), der die Anstaltsseelsorge zwar zum „Umkreis dieser gemeinsamen Angelegenheiten“ rechnet, sodann aber die strikte Trennung zwischen kirchlichen und staatlichen Materien fordert und so wohl jedenfalls das Vorliegen einer gemischten Angelegenheit ablehnt; kritisch zur Terminologie auch Pirson, EssGespr. 23 (1989), 4 (6). 655  Siehe schon 3. Kap. C. I.; gegen Vergleichbarkeit aber v. Campenhausen / Un­ ruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 28. 656  Wollte etwa ein Grundrechtsträger gegen eine behauptete Verletzung eigener Rechte durch einen Militärseelsorger vorgehen, die der Seelsorger in Ausübung seines öffentlichen Amtes begangen haben soll, so wäre der Bund und nicht etwa die jeweilige Religionsgesellschaft der richtige Anspruchsgegner. Erst in einem zweiten Schritt könnte sich der Bund an den betroffenen Seelsorger beziehungsweise an dessen Religionsgesellschaft wenden, um eine angenommene Verletzung der Rechte Dritter abzustellen. Dabei hat der Bund freilich wiederum das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften zu achten und kann keineswegs dem einzelnen Seelsorger Weisungen in religiösen Angelegenheiten erteilen; vgl. zu dieser Problematik im Hinblick auf Religionsunterricht BayVGH, DVBl. 2008, 1512; Sachs / Jas­ per, in: Preis u. a., Examensklausur, S. 396 ff. 657  Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs; vgl. die Parallelvorschrift Art. 2 Abs. 1 MSV: „Die Militärseelsorge als Teil der kirchlichen Arbeit wird im Auftrag und unter Aufsicht der Kirche ausgeübt“; ferner auch Art. 4, 16 MSV; dazu VG Köln, KirchE 48, 181 (183 f.): Beschäftigung überwiegend

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Allerdings reicht die Unabhängigkeit nicht so weit, wie die Formulierung vermuten lassen könnte: Der Staat kann die Inhaber seiner öffentlichen Ämter nicht aus jeglicher Grundrechtsbindung entlassen. Zudem war die beabsichtigte Bindung der Militärseelsorge an beamtenrechtliche Vorschriften gerade einer der Gründe für die Einrichtung einer amtlichen Militärseelsorge. Beeinträchtigt ein Militärseelsorger in Ausübung seines öffentlichen Amtes in rechtswidriger Weise658 die Rechte Dritter, so ist der Staat verpflichtet, dagegen mit allen ihm zustehenden dienstrechtlichen Möglichkeiten vorzugehen. Allein die Tatsache, dass die Militärseelsorger staatliche Beamte sind, macht die die Militärseelsorge nicht zu einer verfassungswidrigen staatskirchlichen Einrichtung i. S. v. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV, da der Staat dadurch nicht Partei für bestimmte Religions- und Weltanschauungsgesellschaften ergreift.659 Es handelt sich nicht um eine „typisch staatskirchliche Totalidentifikation“660 des Staates mit kirchlichen Aufgaben. Statt – wie für eine staatskirchliche Einrichtung wohl üblich – Einfluss auf Lehre und Tätigkeit der Militärseelsorger zu nehmen, hat der Staat ausdurch Beweggründe religiöser Art bestimmt i. S. v. § 4 Abs. 5 Nr. 1 BPersVG. Vgl. auch v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 27; s. aber auch ebd., Rn. 28, wo gleichwohl Gefährdungen der Unabhängigkeit für möglich gehalten werden, was aber nicht überzeugen kann, wenn weder Staat noch Religionsgesellschaften insoweit eine die Religionsfreiheit gefährdende Abhängigkeit feststellen. 658  Die Beeinträchtigung der Rechte Dritter durch religiöse Amtsträger kann etwa durch das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV gerechtfertigt sein. Prinzipiell gilt dies auch für den hier vorliegenden Spezialfall, dass der Handelnde als Inhaber eines öffentlichen Amtes unmittelbar grundrechtsgebunden ist. 659  Vgl. Bleese, Militärseelsorge, S. 261 ff.; v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 205 f.; Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (424 f.); Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 701; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 23, m. w. N.; Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 969; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1354 f.; Walter, Religionsverfassungsrecht, S. 325; für Unabhängigkeit gerade durch den Beamtenstatus Kruk, NZWehrr 1997, 1 (17 f.); dagegen: v. Campen­ hausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 28; Classen, Religionsrecht, Rn. 567; Czermak, Weltanschauungsrecht, Rn. 415; Ebers, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 137, 138, 140, 141 S. 395 f.; Eckertz-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III, (2001) Rn. 122; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 7; Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 288; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 96; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 16; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 71; Renck, NVwZ 1987, 669 (670); Schmahl, in: Sodan, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 401; wohl auch: Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 13 f.; ders., in: HGR IV, § 97 Rn. 75, für Verstoß gegen „Neutralitätsgebot“; Magen, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 140 Rn. 147: „nicht ohne Grund umstritten“. 660  Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 183.



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drücklich mit den Religionsgesellschaften vereinbart, dass die Militärseelsorge Teil der kirchlichen Arbeit ist und im Auftrag der Kirchen und unter ihrer Aufsicht ausgeübt wird. Die Militärgeistlichen haben einen zivilen Status, stehen in keinem Vorgesetzten- und Untergebenenverhältnis und bekleiden keinen militärischen Rang.661 Auch tragen sie weder Uniform662 noch Waffen. Das unterscheidet die deutschen Militärseelsorger etwa von ihren Kollegen in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo zwar die Verfassung tendenziell eine striktere Trennung von Staat und Kirchen vorschreibt, die Militärgeistlichen aber gleichwohl eine Uniform tragen und in die militärische Hierarchie eingebunden sind.663 Im Vergleich zu anderen Staaten ist der ausgesprochen zivile Charakter des deutschen Militärseelsorgemodells also eine deutsche Besonderheit.664 Nicht überzeugen kann demgegenüber die Kritik, der Aufbau der Militärseelsorge gleiche den „hierarchischen militärischen Strukturen“,665 sofern man daraus eine zu starke staatliche Einflussnahme auf die Geistlichen ableitet. In der Tat unterstehen etwa die katholischen Militärpfarrer in kirch661  Vgl. Ennuschat, Militärseelsorge, S. 73; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 19. 662  Vgl. Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 167 f.; Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 961 (971). 663  Vgl. Muckel / Ogorek, DÖV 2003, 305 (310), die als Argument für die Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Anstellung von Militärseelsorgern in den USA auf die lange diesbezügliche Tradition verweisen. Siehe rechtsvergleichend die Rechtslage in Frankreich, wo trotz Laizität eine staatlich geförderte Militärseelsorge durch Bedienstete in unterschiedlichen Dienstverhältnissen zum Staat nicht als verboten erachtet wird, vgl. Basdevant-Gaudemet, in: Robbers, Staat, S. 171 (197); Walter, Religionsverfassungsrecht, S. 324 f.; speziell zur seit 2005 bestehenden muslimischen Militärseelsorge Wiegel, FAZ v. 11.4.2012, S. 4. Ebenso besteht in Großbritannien eine institutionalisierte Militärseelsorge durch staatliche Bedienstete, vgl. McClean, in: Robbers, Staat, S. 603 (624); Mückl, Europäisierung des Staatskirchenrechts, S. 128 f.; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1416; ferner werden auch in Irland, Italien, Estland, Finnland, Lettland, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, der Slowakischen Republik, Slowenien, Spanien, der Tschechischen Republik und Ungarn Militärseelsorger mit Anstellungsverhältnis zum Staat eingesetzt, vgl. die entsprechenden Nachweise bei Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche. 664  Vgl. Bastian, Art. Militärseelsorge, in: TRE, S. 751; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 27; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 699; Lunze, Zusammenarbeit, S. 227 (234); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1354. Siehe zur Rechtslage in Polen, wo Militärseelsorger auch hohe militärische Ränge haben Rynkowski, in: Robbers, Staat, S. 455 (472); zur Tschechischen Republik, wo Militärgeistliche Offiziere sind, Tretera, in: Robbers, Staat, S. 37 (56). 665  So aber Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 170, der die theologisch unter Berufung auf das evangelische Kirchenverständnis begründete Kritik von Huber, Kirche und Öffentlichkeit, S. 290 f., in falschem Kontext wiedergibt.

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licher Hinsicht Militärdekanen, diese einem Militärgeneralvikar und dieser wiederum dem Militärbischof, doch ist dieser Bischof gerade kein staatlicher Beamter, sondern allein kirchlicher Amtsträger. Deswegen ist es nicht überzeugend, aus der hierarchischen Gliederung übermäßige staatliche Einflussnahme abzuleiten, da insbesondere die römisch-katholische Kirche auch unabhängig von der Militärseelsorge als communio hierarchica gegliedert ist. In die militärische Hierarchie sind die Geistlichen in der Bundeswehr dagegen explizit nicht eingebunden. Der Staat identifiziert sich vor diesem Hintergrund durch die derzeitige Ausgestaltung der Militärseelsorge nicht unter Verstoß gegen ein Neutralitätsgebot mit einer Religion.666 So wie der Staat Parteien, Kunst oder Sport fördert,667 darf er religiösen Bedürfnissen seiner Bürger positiv fördernd begegnen. Soweit die gegenteilige These eine verbotene Identifikation des Staates unterstellt, ist sie schon deswegen unschlüssig, weil der Staat gleichzeitig sowohl evangelische als auch katholische Militärseelsorger als Beamte einstellt. Angesichts der nach wie vor bestehenden grundlegenden theologischen Unterschiede zwischen beiden Konfessionen668 wird nicht plausibel, wie der Staat sich zugleich mit unterschiedlichen Konfessionen identifizieren sollte.669 Damit ist die grundgesetzliche Parität bereits erwähnt: ZDv 66 / 1 Nr. 2 bekundet ausdrücklich die Bereitschaft des Staats, für andere Bekenntnisse ebenfalls Militärseelsorge einzurichten.670 Der Zulassungsanspruch gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV ist nicht etwa auf öffentlich-rechtlich verfasste Religionsgesellschaften beschränkt, sondern gilt unabhängig von deren Organisationsform.671 Zwar bestehen derzeit in Deutschland nur eine evangelische und eine katholische amtliche Militärseelsorge in der Bundeswehr, doch fordert Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV die Zulassung zur Militärseelsorge nur, sofern danach ein Bedürfnis besteht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Parität, der eine Gleichbehandlung der dagegen explizit Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 16. zur Kunst- und Sportförderung Art. 34, 35 Verf. Bbg; aus grundrechtlicher Perspektive Höfling, DÖV 1985, 387 ff.; Stern, StaatsR III / 1, § 69 S. 939: Art. 5 Abs. 3 GG als „Ermächtigung“ zur Kunstförderung; gegen die Übertragbarkeit der Argumentation Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 71; für Zusammenhang zu Partei- und Rundfunkförderung Falterbaum, Der Staat 37 (1998), 624 (645). 668  Vgl. aus dem aktuellen theologischen Schrifttum etwa Menke, Sakramentalität, S. 29 et pass. 669  Vgl. aus historischer Perspektive Hillgruber, Religion, S. 35. 670  Vgl. Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 152.3; Wick, Trennung, S. 26; Zentrum Innere Führung, Bundeswehr, S. 21 ff. 671  Vgl. Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 9; Schmahl, in: Sodan, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV. 666  Vgl. 667  Vgl.



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einzelnen Religionsgesellschaften nur unter dem Vorbehalt vergleichbarer tatsächlicher Bedingungen fordert. Obwohl beispielsweise der Anteil von Muslimen innerhalb der Bundeswehr zunimmt, hat sich daraus bislang offensichtlich kein Bedürfnis für die Einrichtung einer ähnlich formell ausgestalteten Militärseelsorge ergeben,672 doch ist eine Erweiterung auf andere Religionsgesellschaften nicht ausgeschlossen. Dementsprechend bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass (derzeit) nur mit der evangelischen und der katholischen Kirche vertragliche Vereinbarungen über die Militärseelsorge geschlossen wurden. Die derzeitige staatliche Verbeamtungspraxis für Militärseelsorger verletzt nicht den Paritätsgrundsatz.673 Entgegen einem in religionskritischer Literatur vermittelten Eindruck sind es nicht die Religionsgesellschaften, die unnachgiebig an der derzeitigen Ausgestaltung der Militärseelsorge festhalten, sondern der Staat. Er hat selbst ein ausgeprägtes Interesse an der Verbeamtung der Bundeswehrgeistlichen. Durch die Verbeamtung kann sich der Staat den erforderlichen Einfluss auf die von den Religionsgesellschaften zur Seelsorge bestimmten Personen bewahren – nicht im Sinne einer Einflussnahme auf deren Glaubensinhalte, aber doch so, dass der Staat Ausbildungsstand, Verfassungstreue oder Verschwiegenheit in Bezug auf Staatsgeheimnisse fordern und gegebenenfalls bei deren Fehlen die notwendigen dienstrechtlichen Konsequenzen ziehen kann. Dieses Interesse an einem höchstmöglichen Sicherheitsstandard hat der Bundesgesetzgeber konsequent umgesetzt: So bestimmt auch § 14 Abs. 3 SÜG, dass bei sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten in staatlichen Einrichtungen wie insbesondere der Bundeswehr im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen hat. Bei der Anwendung dieser Norm erkennt die Rechtsprechung herkömmlich einen behördlichen Beurteilungsspielraum an.674 672  Vgl. die Beantwortung einer Großen Anfrage durch die Bundesregierung, BTDrs. 14 / 4530, S. 47, wonach unter Berücksichtigung insbesondere der (noch) geringen Anzahl an Muslimen in der Bundeswehr die gottesdienstlichen und seelsorgerischen Bedürfnisse für muslimische Soldaten bislang durch individuelle Maßnahmen erfüllt werden. Siehe auch Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 152.3; Rittau, SoldG, § 36 Rn. 2; Scherer u. a., SoldG, § 36 Rn. 3; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1354; anders aber in Österreich oder Frankreich, wo eine amtliche muslimische Militärseelsorge besteht, vgl. Wiegel, FAZ v. 11.4.2012, S. 4. Auch die Bundeswehr rechnet mit Blick auf die deutsche Einbürgerungsstatistik damit, dass die Anzahl der Muslime in der Bundeswehr steigen wird, vgl. Zentrum Innere Führung, Bundeswehr, S. 2. Vgl. zur Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland die Unterrichtung durch den Wehrbeauftragen des Deutschen Bundes­ tages, BT-Drs. 16 / 850, S. 29. 673  Vgl. Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (425). 674  Vgl. BVerwGE 76, 52, 53; 83, 90, 94 f.; 103, 182, 184; 130, 291 Rn. 24; 140, 384 Rn. 24 ff.; ferner BVerwGE 133, 1 Rn. 41, für einen Beurteilungsspielraum hin-

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Demnach kann man mit Kleine die Bindung des geistlichen Amts eines Militärpfarrers an „die Zulassung“675 durch den Staat durchaus zu Recht als „kuriose Besonderheit der Militärseelsorge“676 bezeichnen. Der Ausnahmecharakter dieses Amtes spricht indes nicht etwa gegen die Zulässigkeit, weil die besonderen Bedingungen für die Seelsorge innerhalb eines militärischen Verbandes diese besondere Konstruktion rechtfertigen. ee) Zwischenergebnis zu b) Folglich ist die Ausgestaltung der Militärseelsorge durch den Gesetzgeber verhältnismäßig. Verstöße gegen sonstige Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze sind nicht ersichtlich. 5. Zwischenergebnis zu VIII. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV sind im Hinblick auf den religiös gebundenen Zugang zu den öffentlichen Ämtern der Militärseelsorger durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt. Das folgt aus einer Zusammenschau von Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV mit der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Diese verpflichtet den Staat, zur Kompensation faktischer Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit von Bundeswehrsoldaten Seelsorge innerhalb der Bundeswehr zu ermöglichen. Dazu darf der Staat in Anbetracht der besonderen Anforderungen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr öffentliche Ämter einrichten, die nur im Einverständnis mit der betroffenen Religionsgesellschaften vergeben werden dürfen.677 Die derzeitige Ausgestaltung der Militärseelsorge ist verfassungsgemäß. sichtlich der Eignung; dagegen zuletzt für uneingeschränkte gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung gem. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SÜG BVerwG, NVwZ-RR 2011, 682 Rn.  36 ff. 675  Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 182. 676  Kleine, Verfassungswidrigkeiten, S. 182. 677  Vgl. BVerwGE 19, 252 (260); 47, 330 (354); VGH BW, NJW 1967, 2028 (2029); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 44; Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 140 Rn. 27; v. Campenhausen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG5, Art. 141 WRV Rn. 14 ff.; v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 205 f.; Ebers, in: Nipperdey, GR der RV II, Art. 137, 138, 140, 141 S. 395 f.; ders., Staat und Kirche, S. 124; Ennuschat, Militärseelsorge, S. 290; ders., ZevKR 41 (1996), 419 (426); Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 152 ff.; Hamers, RK, S. 87; Hemmerich, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 140 GG Rn. 47; Jung, Öffentlicher Dienst, S. 52; ohne Begründung Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 701; Kruk, NZWehrr 1997, 1 (13 ff.); Loschelder, in: FS Hengsbach, 1990, S. 783 (787); Mehrle, Trennung, S. 49, 165, gegen eine Notwendigkeit, aber gleichwohl für Verfassungsmäßigkeit;



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IX. Militärbischöfe Gemäß den Verträgen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den evangelischen Landeskirchen beziehungsweise dem Heiligem Stuhl obliegt die Leitung der Militärseelsorge jeweils einem Militärbischof, über dessen Ernennung und Abberufung die Kirchen im Einvernehmen mit der Bundesregierung entscheiden.678 Wegen der schlechten Erfahrungen während des Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 136 WRV Rn. 16; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 23; Mückl, in: HStR VII, § 161 Rn. 63; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 75; Rüfner, BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 858; Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 691 (968 ff.); Starck, in: v. Mangoldt /  Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 405; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1354 f.; Walter, Religionsverfassungsrecht, S. 325; Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (271); nicht eindeutig: Magen, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 140 Rn. 147; Obermayer, in: BK, GG, Art. 140 (1971) Rn. 95; mit Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit: v. Coelln, in: Gröpl u. a., GG, Art. 140 Rn. 53; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, S. 1801 f., m. w. N.; Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 159. Vgl. – zum Teil unabhängig von konfessionsgebundenen Staatsämtern – für staatliche Finanzierung v. Campenhau­ sen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 18; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 141 WRV Rn. 6; Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 152; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 696. Begründen lässt sich eine staatliche Finanzierungsverantwortung etwa mit den außerordentlichen Kosten der Militärseelsorge, da die umsorgten Soldaten außerhalb des militärischen Rahmens wohl bestehende Einrichtungen der Religionsgemeinschaften nutzen würden, ohne dort zusätzliche Kosten zu verursachen, so aber regelmäßig militärseelsorgespezifische Kosten etwa für zusätzliche Sakralräume und zusätzliches Personal entstehen; zu den Kosten auch Frerk, Kirchenfinanzen, S. 165. Siehe auch Anke, Art. Kirchenfinanzen, in: Heinig / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 106, der die Militärseelsorge pauschal als staatliche Aufgabe ansieht; Weber, ZevKR 36 (1991), 253 (271). Vgl. ferner, obwohl ohne unmittelbare verfassungsrechtliche Relevanz Werkner, Soldatenseelsorge, S. 174, 205, 215 f., wonach die Mehrheit der Bundeswehrkommandeure und die Mehrheit der Militärseelsorger den Status des Bundesbeamten für „eine gute Lösung“ hält. 678  Vgl. Art. 27 Abs. 2 RK; ferner Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1354. Ob die vertraglich vereinbarte Pflicht der Kirchen, vor der Ernennung eines Militärbischofs das Einvernehmen mit dem Staat herzustellen, gegen die Ämterhoheit der Religionsgesellschaften gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 2 WRV, Art. 19 Abs. 2 Verf. NW verstößt, ist im Kontext dieser Arbeit nicht zu klären; vgl. für die Ver­ fassungsmäßigkeit etwa: Ennuschat, Militärseelsorge, S. 284; ders., ZevKR 41 (1996), 419 (425 f.); Mehrle, Trennung, S. 54 ff.; dagegen: Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 9; Solte, in: HStKR I, § 18 S. 561 (569); für verfassungskonforme Auslegung: v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 29; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 404. Diese Problematik ist zudem nicht auf die Militärseelsorge beschränkt, sondern gilt für jede Art von staatlichen Mitsprache- oder Vetorechten im Zusammenhang mit Bischofsernennungen, vgl. etwa Art. 14 Abs. 2, Art. 16 RK; Franzke, NWVBl. 2002, 459 (461 ff.); wohl ohne Bedenken dagegen v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 35: „keine große Bedeutung“; kritisch: Ehlers, in: Sachs,

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Dritten Reichs entschied sich die Katholische Kirche, kein selbstständiges Amt eines Militärbischofs einzurichten, sondern jeweils einen in der Bundesrepublik residierenden Diözesanbischof in Personalunion zugleich zum Militärbischof zu ernennen.679 Dieser wird im Unterschied zu den Militärseelsorgern nicht Bundesbeamter und steht auch sonst in keinem Dienstverhältnis zum Staat. Um seine Unabhängigkeit vom Staat zu betonen, bekleidet er keinen militärischen Rang.680 Folglich übt der Militärbischof kein öffentliches Staatsamt aus, das vom Staat unter Berücksichtigung kirchlicher Mitspracherechte zu vergeben wäre. Vielmehr handelt es sich um ein ausschließlich kirchliches Amt, dessen Vergabe nicht an den grundgesetzlichen Grundrechten zu messen ist.

X. Seelsorger in Krankenhäusern Es fragt sich, ob die Ämter der Seelsorger in staatlichen Krankenhäusern in Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis der Bewerber vergeben werden dürfen. Krankenseelsorge hat eine lange Tradition und lässt sich christlich auf jesuanische Gebote zurückführen.681 Gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV sind die Religionsgesellschaften in Krankenhäusern zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen. Für die Patienten eines Krankenhauses ist es oftmals schwierig, ihre aktive Religionsfreiheit innerhalb der regulären (Gemeinde-)Strukturen ihrer Religionsgesellschaften auszuüben, weil sie faktisch räumlich an das Krankenhaus gebunden sind. Diese tatsächlichen Probleme bei der Religionsausübung kompensiert der Zulassungsanspruch aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV, indem er den Staat verpflichtet, Angebote der Religionsgesellschaften innerhalb der staatlichen (überwiegend kommunalen) Krankenhäuser zuzulassen.682 Neben den in Art. 141 WRV ausdrücklich genannten Krankenhäusern sind Altenpflegeheime, Heime für Menschen mit Behinderungen oder vergleichbare Einrichtungen als sonstige Anstalten erfasst.683 Art. 20 Verf. NW GG, Art. 140 / Art. 137 WRV Rn. 9; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 36. 679  Vgl. Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 11. 680  Vgl. Ennuschat, Militärseelsorge, S. 59; Hierold, Militärseelsorge, S.  213 (216); Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 11. 681  Vgl. Mt 25, 36: „Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht“; ausführlich Klessmann, in: ders., Krankenhausseelsorge, S. 56 ff. 682  Vgl. Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1005, 1009). 683  Vgl. § 2 Abs. 3 SGB XI; Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1000); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1356; auch Muckel, in: Friauf / Höfling, GG,



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nennt zusätzlich Erziehungsanstalten. Ob nur Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft erfasst sind, ist umstritten, in Anbetracht des Wortlauts von Art. 141 WRV („oder sonstigen öffentlichen Anstalten“ [Hervorhebung nicht im Original]) aber zu bejahen.684 Die zunehmende Anzahl von Krankenhäusern in der Trägerschaft privatwirtschaftlicher Unternehmen mag zwar zu einem Bedürfnis nach Seelsorge in diesen Einrichtungen führen; ein Anspruch darauf lässt sich allerdings allenfalls mittelbar aus der Religionsfreiheit gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG ableiten, nicht hingegen aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV.685 Das Vorliegen eines Bedürfnisses nach Seelsorge wird wie bei der Militärseelsorge widerleglich vermutet, sobald Anhänger einer Religionsgesellschaft als Patienten im Krankenhaus sind und einer Seelsorge nicht widersprochen haben. Dazu müssen die Träger der exemplarisch behandelten nordrhein-westfälischen Krankenhäuser gem. § 5 Abs. 3 KHGG NW686 sowie vertraglichen Regelungen mit den Religionsgesellschaften687 die Krankenhausseelsorger informieren, wenn sie einen Anhänger der jeweiligen Religionsgemeinschaft aufnehmen, damit die Religionsgesellschaften zu adäquater Seelsorge in der Lage sind. Zur Erfüllung dieser Pflicht dürfen staatliche Krankenhäuser bei der Aufnahme nach der Religionszugehörigkeit fragen, ohne gegen die Religionsfreiheit der Befragten zu verstoßen, wenn sie darauf hinweisen, dass die Angabe freiwillig ist.688 Ferner ist zum Teil Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 6, der zu Recht darauf hinweist, dass mit dem Begriff der öffentlichen Anstalt nicht notwendig Anstalten des öffentlichen Rechts i. S. d. Verwaltungsorganisationsrechts gemeint sind. 684  Vgl. ebenso Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1000); Hemmerich, in: v. Münch / Kunig, GG5, Art. 140 Rn. 44; Kästner, in: BK, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2010) Rn. 693; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 91; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 382. 685  Faktisch haben auch private Krankenhausträger oft ein Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Religionsgesellschaften, sodass sie deren Angebote in der jeweiligen Einrichtung teilweise refinanzieren. Da dort aber keine öffentlichen Ämter i. S. d. Grundgesetzes eingerichtet werden, ist diese Zusammenarbeit nicht Thema dieser Arbeit. 686  Siehe auch Parallelvorschriften anderer Länder, etwa § 45 Abs. 2 KHG BW; vgl. aus der Lit. Kästner, in: BK, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2010) Rn. 705; Un­ ruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 411. 687  Vgl. Art. 28 S. 1 RK: „In Krankenhäusern […] wird die Kirche im Rahmen der allgemeinen Hausordnung zur Vornahme seelsorgerlicher Besuche und gottesdienstlicher Handlungen zugelassen“; auch Art. 8 SKV BR 2003; Art. 8 Abs. 1, 2 SKV HH 2005; Art. 8 SKV MV 1997; Art. 11 Konk. Nds. 1965; Art. 8 Abs. 1, 2 SKV SH 2009; Art. 14 SKV TH 1997. 688  Vgl. BVerfGE 46, 266 (267 f.) – Krankenhausaufnahme; Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1010); Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 29. Ferner verstößt die Frage nach der Religionszugehörigkeit

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

vorgesehen, dass der Krankenhausträger adäquate Räume für die Seelsorge stellt.689 Darüber hinausgehend sehen einzelne ältere vertragliche Regelungen die Möglichkeit vor, Geistliche zur Krankenhausseelsorge als staatliche Beamte einzustellen,690 während andere Verträge ausdrücklich betonen, Kranken­ hausseelsorger seien von den Religionsgesellschaften zu berufen und einzustellen.691 Tatsächlich waren 2012 im Erzbistum Köln nach dessen Angaben rund 140 Seelsorger – davon 35 Priester – in der katholischen Kranken­ hausseelsorge in insgesamt 128 staatlichen, kirchlichen und privaten Krankenhäusern tätig. Von diesen Seelsorgern ist keiner beim Staat angestellt, sondern stehen alle in einem Arbeits- beziehungsweise Dienstverhältnis zu einem kirchlichen Träger. Bis in die 1980er-Jahre kam es hingegen durchaus vor, dass Krankenhausseelsorger – oft historischen Traditionen entsprechend – staatlich verbeamtet wurden. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass solche Traditionen in der Bundesrepublik nach wie vor bestehen; vielmehr gibt es wohl keine Krankenhausseelsorger mehr in staatlichem Dienst.692 Mangels nicht gegen Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 S. 1 GG, da keine Offenbarungspflicht besteht, und nicht gegen Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 3 S. 2 GG, da von der Beantwortung abhängt, ob ein Bedürfnis nach Seelsorge i. S. v. Art. 141 WRV und ein damit korrespondierendes Recht des zu Befragenden auf Zulassung eines Seelsorgers besteht; vgl. auch wegen eines entsprechenden Rechts der Religionsgesellschaften gegen Verletzung von Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV BVerwG, NJW 1976, 383 (384); zu Anforderungen an die Freiwilligkeit der Angabe Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1315. 689  Vgl. Art. 48 Abs. 2 Verf. RP 1947: „Für die entsprechenden Voraussetzungen [der Anstaltsseelsorge] ist Sorge zu tragen“. Art. 8 Abs. 1 S. 1 SKV Bbg: „Der Träger stellt geeignete Räume unentgeltlich zur Verfügung“. Vgl. ähnlich Art. 8 Abs. 2 S. 1 SKV MV; Art. 14 Abs. 1 S. 2 SKV TH; v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 38. 690  Vgl. Art. 28 S. 2 RK: „Wird in solchen Anstalten eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet und müssen hierfür Geistliche als Staats- oder sonstige öffentliche Beamte eingestellt werden, so geschieht dies im Einvernehmen mit der kirchlichen Oberbehörde“. Art. 8 EKV SH 1957: Abs. 2: „Wird in den vom Land betriebenen Anstalten eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet und werden hierfür Geistliche haupt- oder nebenamtlich angestellt, so wird der Geistliche vom Land im Einvernehmen mit der zuständigen Kirche bestellt. […]“. Abs. 3: „Die vom Land bestellten Geistlichen unterstehen, unbeschadet der Disziplinargewalt des Landes, der geist­ lichen und disziplinaren Aufsicht der zuständigen Kirche, soweit es sich um die Ausübung der durch die Ordination erworbenen Rechte handelt. Das Land wird einen Geistlichen, sobald er die durch die Ordination erworbenen Rechte verloren hat, zu pfarramtlichem Dienst in staatlichen Einrichtungen nicht mehr zulassen“. Vgl. ähnlich Art. 11 Abs. 1, 2 Konk. Nds. 691  Vgl. Art. 8 Abs. 3 S. 1 SKV MV: „Die Kirche beruft die Seelsorger“; ähnlich Art. 15 Abs. 2 EKV BE. 692  Vgl. ähnlich bereits Albrecht, Anstaltsseelsorge, S. 28 Fn. 47; auch v. Cam­ penhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 38; Unruh,



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter325

religiös gebundener öffentlicher Ämter in der Krankenhausseelsorge bestehen insoweit also keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die derzeitige Ausgestaltung der Krankenhausseelsorge.693 Gleichwohl ist allerdings wegen der jedenfalls vertraglich vorgesehenen Möglichkeit, Krankenhausseelsorger als solche in ein öffentliches Amt zu berufen, die Verfassungsmäßigkeit dieser Vereinbarungen zu prüfen. 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen Die Einstellung von Krankenhausseelsorgern durch staatliche Krankenhausträger könnte grundrechtlich geschützte Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV beeinträchtigen. Einzelne vertragliche Vereinbarungen zwischen Staat und Reli­ gionsgesellschaften sehen – jedenfalls als Option – vor, dass Krankenhausseelsorger im Einvernehmen mit der kirchlichen Oberbehörde in ein öffentliches Amt übernommen werden.694 In der Verpflichtung zur Herstellung eines solchen Einvernehmens vor der Entscheidung über den Zugang zum Amt des Krankenhausseelsorgers sowie im staatlichen Vollzug solcher Entscheidungen, die die jeweilige Religionsgemeinschaft unter Berücksichtigung des religiösen Bekenntnisses des Bewerbers trifft, liegt eine Kettenanknüpfung des Staates an das religiöse Bekenntnis.695 2. Grundrechtsbegrenzung durch Art. 140 GG i. V. m. Art.  141 WRV Die grundgesetzlichen Gleichheitssätze könnten insoweit durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV begrenzt werden. Zur Auslegung der Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV kann prinzipiell auf die oben [3. Kap. C. VIII.] im Zusammenhang mit der Militärseelsorge ermittelten Ergebnisse zurückgegriffen werden. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV verlangt explizit nur die Zulassung zur Anstaltsseelsorge und schreibt Religionsverfassungsrecht, Rn. 412, die allerdings die vertraglich vorgesehene Möglichkeit abweichender Gestaltung nicht behandeln. 693  Auch gegen eine staatliche (Re-)Finanzierung der von den Religionsgesellschaften angestellten Krankenhausseelsorger bestehen keine durchgreifenden Bedenken; vielmehr kann diese unter Schutzpflichtaspekten geboten sein; vgl. v. Campen­ hausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 209; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 392; allgemein Mückl, in: HStR VII, § 160 Rn. 48. 694  So Art. 28 RK. 695  Zum Begriff der Kettenanknüpfung s. schon 2. Kap. D. II. 5., 3. Kap. A. I. 2.

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die Einrichtung diesbezüglicher Ämter nicht vor.696 Ähnlich wie für die Militärseelsorge ist Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV jedoch auch für die Krankenseelsorge von der Annahme geleitet, dass die Betroffenen wegen ihrer räumlichen Gebundenheit faktisch meist Schwierigkeiten haben, ihre Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG auszuüben. Deswegen soll innerhalb der staatlichen Krankenhäuser Seelsorge ermöglicht werden. Für die verfassungsrechtlich eröffnete Option einer amtlichen Kranken­ hausseelsorge spricht insbesondere die systematische Auslegung, bei der in diesem Kontext zusätzlich landesverfassungsrechtliche Parallelnormen zu Art. 141 WRV zu berücksichtigen sind.697 Überwiegend orientieren sich diese eng am Vorbild des Art. 141 WRV698 oder erklären ihn zu unmittelbar geltendem Landesrecht699, teilweise enthalten sie eine ausdrückliche Verpflichtung des Staates zu aktiver Ermöglichung und Förderung700 der Anstaltsseelsorge. Zwar kann allein aus der Existenz dieser landesverfassungsrechtlichen Normen nicht auf deren Grundgesetzkonformität geschlossen werden, doch ist der Vergleich dennoch aufschlussreich für die Bewertung der amtlichen Anstaltsseelsorge insgesamt: Sofern der Erlass der Lan696  Vgl. VG Augsburg, NVwZ-RR 2013, 81 (82), gegen einen Anspruch eines einzelnen individuellen Angehörigen einer Religionsgemeinschaft auf institutionalisierte Klinikseelsorge. 697  Vgl. mit diesem Vorschlag im Zusammenhang mit Militärseelsorgern Ennu­ schat, ZevKR 41 (1996), 419 (423). 698  Vgl. Art. 148 Verf. BY, Art. 38 S. 1 Verf. Bbg, Art. 62 S. 1 Verf. BR, Art. 42 Verf. SL. 699  Vgl. Art. 22 Verf. NW: „Im übrigen gilt für die Ordnung zwischen Land und Kirchen oder Religionsgemeinschaften Art. 140 des Grundgesetzes als Bestandteil der VerfNW und unmittelbar geltendes Landesrecht“; ähnlich Art. 5 Verf. BW; Art. 9 Abs. 1 Verf. MV. 700  Art. 48 Verf. RP: Abs. 1: „In Krankenhäusern, Strafanstalten und sonstigen öffentlichen Anstalten und Einrichtungen ist den Kirchen und Religionsgemeinschaften Gelegenheit zur Vornahme von Gottesdiensten und Ausübung der geordneten Seelsorge zu geben.“ Abs. 2: „Für die entsprechenden Voraussetzungen ist Sorge zu tragen.“ Vgl. dazu Süsterhenn / Schäfer, Verf. RP, Art. 48, für ein Recht der Anstalten, „die religiöse Versorgung der in Betracht kommenden Personenkreise selbst in die Hand zu nehmen, indem sie Geistliche der Kirchen oder Religionsgemeinschaft selbst berufen und anstellen“ (S. 216). Art. 33 Abs. 2 Verf. Württ. Bad. 1946: „Die freie Religionsausübung in den öffentlichen Krankenhäusern, Wohlfahrts- und Fürsorgeanstalten sowie in den Strafanstalten wird geschützt und gefördert.“ Vgl. dazu Nebinger, Verf. Württ. Bad., Art. 33 S. 98 f., wonach der Staat der Seelsorge „in positiver Weise Raum geben soll[…]“ (S. 98) und dazu auch selbst Seelsorger anstellen können soll. Siehe ähnlich weiterhin Art. 122 Abs. 2 Verf. Württ. Hoh. 1947, Art. 48 Abs. 2 Verf. RP 1947. Stuttmann, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NRW, Art. 20 Rn. 7, sieht die (nachkonstitutionelle) landesverfassungsrechtliche Garantie einer geordneten Seelsorge als Rechtfertigungsgrund an; dagegen aber allgemein 2. Kap. D. III. 2. c).



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desverfassungen dem Grundgesetz zeitlich vorausging, dürften die Mitglieder des Parlamentarischen Rates das Landesrecht und wohl auch seine Auslegung gekannt haben. Dennoch sahen sie offensichtlich keinen Anlass, abweichende oder klarstellende Bestimmungen in das Grundgesetz aufzunehmen.701 Das spricht dafür, in Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV die verfassungsrechtlich eröffnete Option einer amtlichen Krankenhausseelsorge zu sehen. Weiterhin ist ein funktionierendes Krankenhauswesen im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 GG ein Wert von Verfassungsrang.702 Daher dürfen öffentliche Ämter für Krankenhausseelsorger eingerichtet und in Abhängigkeit vom Einverständnis der jeweils betroffenen Religionsgemeinschaft besetzt werden, soweit dies die Ausübung der Religionsfreiheit durch Krankenhauspatienten unter den besonderen Anforderungen der Funktionsfähigkeit des Krankenhauswesens sichert oder jedenfalls fördert. Es liegt also eine Normenkollision vor zwischen Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV, der solche Ämter als Option zulässt, und Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, der die Berücksichtigung religiöser Anschauungen prinzipiell verbietet. 3. Art der Begrenzungswirkung Diese Normenkollision wirkt als Quasi-Gesetzesvorbehalt.703 4. Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen Der Gesetzgeber muss jedoch bei der Einführung bekenntnisgebundener Ämter für Krankenhausseelsorger die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze beachten. Problematisch ist gegenüber der Militärseelsorge [s. dazu schon 3. Kap. C. VIII.] vor allem die Erforderlichkeit einer amtlichen Krankenhausseelsor701  Vgl. Frommer / Dillmann, BayVBl. 1972, 405 (407); Ennuschat, ZevKR 41 (1996), 419 (423), der im Hinblick auf nachkonstitutionelle Landesverfassungen zusätzlich anführt, dass der Bundesverfassunggeber offensichtlich keinen Anlass zu einer nachträglichen ausdrücklichen Korrektur oder Missbilligung gesehen habe, was freilich im Falle eines Widerspruchs zwischen Bundes- und Landesverfassungen angesichts des Vorrangs des Bundesrechts gem. Art. 31 GG nicht erforderlich wäre und daher als Argument nur geringe Überzeugungskraft besitzt. 702  Vgl. BVerfGE 57, 70 (99) – Universitäre Krankenversorgung, zu Recht ohne Verweis auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7, 19, 19a GG als Kompetenztitel zur Begründung des Verfassungsrangs. 703  Siehe entsprechend zu Militärseelsorgern oben 3. Kap. C. VIII. 3.

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ge. Denn zwischen Krankenhäusern und der Bundeswehr bestehen erhebliche Unterschiede: Krankenhäuser sind sehr viel offener organisiert704 als das geschlossene, in höchstem Maße sicherheitsrelevante System der Bundeswehr. Der von Krankenhausseelsorgern zu fordernde Datenschutz kann ohne öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis zum Staat gewährleistet werden, da in Krankenhäusern im Allgemeinen keine für die nationale Sicherheit bedeutsamen Informationen verarbeitet werden. Daher erfordert die Seelsorge unter den besonderen Anforderungen eines funktionierenden Krankenhauswesens nicht, dass die Krankenhausseelsorger in öffentliche Ämter übernommen werden. Anders als im Bereich der Militärseelsorge sind die faktischen Schwierigkeiten von Krankenhauspatienten bei der Religionsausübung zudem nicht dem Staat zuzurechnen, sondern sie zählen zum allgemeinen Lebensrisiko. So ist die Ortsgebundenheit in der Bundeswehr staatlich veranlasst, während der Staat für Krankenhausaufenthalte – vom Sonderfall staatlicher Unterbringungen etwa nach §§ 10 ff. PsychKG NW abgesehen – nicht verantwortlich ist. Zudem lassen sich faktische Einschränkungen der Religionsfreiheit bei Krankenhauspatienten nur in Abhängigkeit von deren individueller Diagnose feststellen, die sich maßgeblich auf die Mobilität und die Dauer des Krankenhausaufenthaltes auswirkt.705 Daher kann eine Kompensation faktischer Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit für die Krankenhausseelsorge jedenfalls nicht als Abwehr eines andernfalls drohenden staatlichen Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG verstanden werden. Folglich ist die Einrichtung von religiös gebundenen öffentlichen Ämtern für Krankenhausseelsorger nicht erforderlich, um die Religionsausübungsfreiheit von Krankenhauspatienten sicherzustellen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Übernahme von Krankenhausseelsorgern in öffentliche Ämter die Erreichung dieses Zwecks fördern würde. 5. Zwischenergebnis zu X. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV eröffnet dem Gesetzgeber die Möglichkeit, unter Durchbrechung der Maßgaben der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV religiös gebundene öffentliche Ämter in 704  Vgl. v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 37. 705  Vgl. Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1356, zum Regelfall, dass Krankenhäuser keine geschlossenen Einrichtungen sind. s. aber Mückl, in: BK, GG, Art. 4 (2008) Rn. 132, der nicht nach Verantwortlichkeit differenziert, sondern herausstellt, dass Grundrechtsträger in den genannten Situationen ohne staatliche Hilfe nicht zu freier Grundrechtsausübung in der Lage wären.



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der Krankenhausseelsorge einzurichten. Allerdings sind dabei die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze zu wahren. Mangels Erforderlichkeit entsprechender Ämter ist dies (derzeit) nicht der Fall. Öffentliche Ämter in der Krankenhausseelsorge dürfen daher nicht entgegen Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV unter (Ketten-)Anknüpfung an das religiöse Bekenntnis vergeben werden.706

XI. Seelsorger im Strafvollzug Es fragt sich, ob die Ämter der Seelsorger im Strafvollzug in Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis der Bewerber vergeben werden dürfen. Gefangenenseelsorge hat im Christentum eine lange Tradition, die zurückgeht auf das Matthäus-Evangelium707 und die organisatorisch ausgebaut wurde, nachdem die moderne Freiheitsstrafe in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als reguläres Mittel der Rechtspflege aufgekommen war.708 Gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen709 in den Strafanstalten zuzulassen, 706  Vgl. im Ergebnis ebenso Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 17; allgemein gegen Anstaltsseelsorge durch staatliche Bedienstete: Czermak, Weltanschauungsrecht, Rn. 417; Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 7; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 96; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 13; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 71; zweifelnd Höf­ ling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 414; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1803 f.; Sachs, HStR VIII, § 182 Rn. 159; hingegen für Verfassungsmäßigkeit: Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 44; Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1008), die aber nicht begründet, warum sich die Anstaltsseelsorge ihrer Meinung nach „an die Vorgaben des Grundgesetzes hält“; Frommer / Dillmann, BayVBl 1972, 405 (407), wonach der Krankenhausträger sicherstellen muss, dass „Patienten in den Genuß ihrer kirchlichen Rechte kommen können“; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 75; unklar Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1356. Aus der hier vertretenen Auffassung folgt hingegen nicht die Verfassungswidrigkeit einer staatliche (Re-)Finanzierung der von den Religionsgemeinschaften angestellten Kranken­ hausseelsorger; vielmehr kann diese sogar unter Schutzpflichtaspekten geboten sein. 707  Mt 25, 36: „Im Gefängnis war ich, und ihr seid zu mir gekommen“. Vgl. Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1010); Sekretariat der DBK, Gefangene. 708  Vgl. Gareis, EssGespr 23 (1989), 58 (62 ff.); Laubenthal, Strafvollzug, Rn. 91 ff.; zu spätmittelalterlichen Vorläufern Willoweit, in: Hilgendorf / Weitzel, Strafgedanke, S. 37 (52 f.). Während der Freiheitsentzug vor dem 16. Jahrhundert meist der Vergeltung und der Spezialprävention diente, sollten später auch eine Besserung der Insassen und eine Erziehung zu einem gesetzmäßigen Leben erreicht werden. Diese veränderte Zielsetzung wirkte sich zunehmend auf die Ausgestaltung des Strafvollzuges aus. 709  Vgl. zu diesem Begriff Robbers, NStZ 1998, 573 (574), für die Einbeziehung eines Gesprächskreises; ähnlich weit Laubenthal, Strafvollzug, Rn. 279.

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soweit ein Bedürfnis danach besteht. Eine ähnliche Regelung enthält Art. 20 Verf. NW, der allerdings nicht explizit ein Bedürfnis nach Seelsorge voraussetzt. Konkretisierende Vorschriften zur Gefängnisseelsorge finden sich in §§ 53–55 StVollzG, die Aspekte der Religionsfreiheit der Gefangenen gem. Art. 4 Abs. 1, 2 GG spezifizieren, sowie in § 155 Abs. 2, § 157 StVollzG,710 wonach die Seelsorger für jede Justizvollzugsanstalt im Hauptamt zu bestellen oder vertraglich zu verpflichten und in den Kreis der im Vollzug Beschäftigten einzubinden711 sind. Die seit der Föderalismusreform 2006 in Kraft getretenen, Bundesrecht ersetzenden Strafvollzugsgesetze der Länder sind insoweit identisch.712 Vergleichbare Regelungen finden sich in § 57 UVollzG NW, §§ 51 ff., 120 JStVollzG NW. Schließlich enthalten auch vertragliche Vereinbarungen zwischen Staat und Religionsgesellschaften einschlägige Regelungen.713 Die Ausführung des StVollzG und damit die praktische Durchführung des Strafvollzugs ist in der Bundesrepublik eine Angelegenheit der Länder. Anders als im Bereich der Militärseelsorge ist die arbeitsrechtliche Ausgestaltung der Gefängnisseelsorge weder bundes- noch landesgesetzlich vorgeschrieben; es heißt lediglich, die Seelsorger seien im Hauptamt zu bestellen oder vertraglich zu verpflichten, vgl. § 157 Abs. 1 StVollzG. Daher gibt es erhebliche regionale Unterschiede bei der Anstellung der Gefängnisseelsorger.714 Die katholischen Gefängnisseelsorger in NRW sind der einschlägigen Ausführungsverordnung des Landesjustizministeriums entsprechend unabhängig vom Beschäftigungsumfang in das Beamtenverhältnis zu übernehmen. Sofern das nicht möglich ist, sind sie als Angestellte des Landes zu beschäftigen und nur ausnahmsweise in begründeten Einzelfällen im 710  Vgl. KG Berlin, KirchE 48, 442, gegen daraus resultierenden Anspruch auf Aushändigung von Räucherstäbchen; KirchE 47, 5, gegen Anspruch auf Ausstattung des Haftraums mit einem Weihnachtsbaum; LG Zweibrücken, KirchE 22, 189, für Anspruch auf Erwerb einer Kerze. 711  Vgl. KG Berlin, NStZ 1987, 295 mit Anm. Wittkopf. 712  Vgl. Art. 178 Abs. 1 StVollzG BY; § 106 Abs. 1 StVollzG HH; § 77 Abs. 1 StVollzG HE. Im Zuge der Föderalismusreform 2006 ist die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Strafvollzug gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG a. F. entfallen, sodass das StVollzG nunmehr gem. Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG nur fortgilt, soweit es nicht gem. S. 2 durch Landesrecht ersetzt worden ist. 713  Siehe etwa Art. 28 RK: „Wird in solchen Anstalten [sc. Strafanstalten] eine regelmäßige Seelsorge eingerichtet und müssen hierfür Geistliche als Staats- oder sonstige öffentliche Beamte eingestellt werden, so geschieht dies im Einvernehmen mit der kirchlichen Oberbehörde.“ 714  Vgl. zu unterschiedlichen Ausgestaltungen Albrecht, Anstaltsseelsorge, S. 27 ff.; v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 208; Huchting / Müller-Monning, in: Feest / Lesting, StVollzG, vor § 53 Rn. 6; zu innerkirchlichen Statusdiskussionen Brandt, Strafgefangenenseelsorge, S. 294 ff.



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Rahmen eines zwischen dem jeweiligen Bistum und dem Land zu schließenden Gestellungsvertrages.715 Am 31.12.2005 waren 27 der in deutschen Bistümern inkardinierten katholischen Priester hauptamtlich in Justizvollzugsanstalten tätig;716 hinzu kommen zahlreiche Laien mit kirchlichem Auftrag zur Gefängnisseelsorge.717 Für die evangelischen Anstaltsseelsorger ist ein Gestellungsvertrag als Regelfall vorgesehen,718 doch sind die Gefängnisseelsorger im Bereich der westfälischen Landeskirche aufgrund historischer Wurzeln faktisch überwiegend Landesbeamte.719 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen Soweit die Gefängnisseelsorge durch staatlich verbeamtete Seelsorger ausgeübt wird, sind die Seelsorger gem. § 157 Abs. 1 StVollzG im Einver­ nehmen mit der jeweiligen Religionsgemeinschaft einzustellen; Einvernehmen setzt auch Art. 28 S. 2 RK für die Einstellung katholischer Anstaltsgeistlicher voraus, sofern diese als Beamte eingestellt werden. In der Bindung des Staates an das Einvernehmen der Religionsgemeinschaften sowie im Vollzug von deren Entscheidungen liegt eine Kettenanknüpfung des Staates an das religiöse Bekenntnis der Bewerber. Folglich beeinträchtigt dieses Vorgehen grundrechtliche Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV.

715  Dienstordnung für den Dienst der katholischen Seelsorge in den Justizvollzugs – einschließlich der Abschiebungshaftanstalten und der Jugendarrestanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen, Ausführungsverordnung d. Justizministeriums v. 17.6.2003, JMBl. 23, i. d. F. v. 14.6.2011, JMBl. 130, Nr. I. 3. Im Fall der Gestellungsverträge sind die Seelsorger ausschließlich ihrer Religionsgesellschaft gegenüber arbeitsvertraglich verpflichtet. Diese Konstellation ist daher vergleichbar mit der Beleihung juristischer Personen, bei der es sich nicht um die Vergabe eines öffentlichen Amtes handelt. 716  Sekretariat der DBK, Kirchliches Handbuch, S. 47; vgl. Laubenthal, Strafvollzug, Rn. 257, wonach 2010 in Bayern 28 Stellen für Seelsorger im Strafvollzug existierten. 717  Vgl. zur Geltung des Schweigerechts der Seelsorger für Laien i. S. d. Kirchenrechts BVerfGK 10, 216 (220 ff.); BGHSt 51, 140 (Juris: Rn. 9). 718  Dienstordnung für den Dienst der evangelischen Seelsorge in den Justizvollzugs- einschließlich der Abschiebungshaftanstalten und der Jugendarrestanstalten des Landes NRW v. 30.7.2009, JMBl. 189, Nr. I. 2. 719  So eine Auskunft der Evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge in NRW per E-Mail v. 2.2.2011; vgl. ferner Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1355 f.; EickWildgans, Anstaltsseelsorge, S. 177, 324; dies., in: HStKR II, § 70 S. 995 (1011 f.); Kästner, in: BK, GG, Art. 140 (2010) Rn. 706.

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2. Grundrechtsbegrenzung durch Art. 140 GG i. V. m. Art.  141 WRV Die grundgesetzlichen Gleichheitssätze könnten insoweit durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV begrenzt werden. Zu kurz greift die Behauptung, bei Gefängnisseelsorgern dürfe nach der Konfession differenziert werden, um die Gefahr einer Fremdbestimmung religiöser Inhalte zu verhindern.720 Richtig ist zwar, dass religiöse Seelsorge ausschließlich durch solche Personen ausgeübt werden kann, die von ihrer Religionsgesellschaft dazu beauftragt worden sind,721 doch bleibt offen, wa­ rum die Seelsorger überhaupt Inhaber eines öffentlichen Amtes sein sollten. Ausdrücklich gebietet der Wortlaut von Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV bloß die Zulassung zur Gefängnisseelsorge und nicht die Einrichtung religiös gebundener Ämter.722 Andererseits ist im Zuge der historischen Auslegung zu beachten, dass es zwar es in der Nationalversammlung keine Mehrheit für eine staatliche Seelsorge in den Strafvollzugsanstalten gab, diese dadurch aber nicht ausgeschlossen werden sollte.723 In Anbetracht der oben [3. Kap. C. VIII. 2.] festgehaltenen Auslegungsergebnisse lässt Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV die Ausgestaltung der Gefangenenseelsorge durch religiös gebundene öffentliche Ämter als Option zu. Die betroffenen Religionsgesellschaften können als Ausfluss ihres Selbstbestimmungsrechts gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV zudem verlangen, dass Seelsorge in ihrem Namen nur von ihren Konfessionsangehörigen geleistet wird, sodass die Konfessionszugehörigkeit Voraussetzung für die Tätigkeit als Anstaltsseelsorger ist.724 Folglich werden Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, wonach öffentliche Ämter nicht religiös gebunden vergeben werden dürfen, begrenzt durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV, wonach eben dies in der Gefängnisseelsorge als Option möglich sein soll.725

720  So aber Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 27; Wendt, in: HGR V, § 127 Rn. 82; ähnlich wohl v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 208; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 75. 721  Vgl. BVerfGE 122, 89 (113) – Lüdemann. 722  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 414. 723  Vgl. Mausbach, Kulturfragen, S. 80; Albrecht, HStKR II1, § 38 S. 701 (707); s. ferner Eick-Wildgans, Anstaltsseelsorge, S. 147, die in der Entscheidung über die Organisation religiöser Betreuung eine „den Anstalten obliegende Ermessensentscheidung“ (ebd.) sieht. 724  Vgl. Eick-Wildgans, Anstaltsseelsorge, S. 148. 725  Siehe zur Auslegung des Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV im Hinblick auf die Militärseelsorge schon 3. Kap. C. VIII.



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3. Art der Begrenzungswirkung Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV eröffnet dem Staat zur Abwehr von Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit der Gefängnisinsassen unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten. Danach kommt der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt bei der Auswahl der kompensierenden Maßnahmen sowie bei der Einschätzung der Erfordernisse des Vollzugs von Freiheitsstrafen ein Spielraum zu, der die Übernahme der Gefängnisseelsorger in ein öffentliches Amt als Option einschließt.726 Handelt der Staat in Ausfüllung dieser Begrenzung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, so ist er an die Vorgaben für Grundrechtsbeschränkungen gebunden. Folglich wirkt Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV als Quasi-Gesetzesvorbehalt. 4. Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen Die gesetzgeberische Ausgestaltung der verfassungsrechtlich durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV eröffneten Option einer amtlichen Gefängnisseelsorge unter Durchbrechung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV müsste den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügen. Gegenüber den Ausführungen zu Militärseelsorgern727 ist insbesondere zu prüfen, ob die Ausgestaltung der Gefängnisseelsorge durch den Gesetzgeber die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wahrt. a) Legitimer Zweck Legitimer Zweck der amtlichen Gefängnisseelsorge ist die Förderung der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG unter den besonderen Bedingungen eines funktionsfähigen Strafvollzuges. Ein funktionsfähiger Strafvollzug ist nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich geschützt durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Art. 104 Abs. 1, 2 GG.728

726  Vgl. Albrecht, HStKR II1, § 38 S. 701 (707), der die Mittel zur Grundrechtsverwirklichung als Frage der „Zweckmäßigkeit“ ansieht; Eick-Wildgans, Anstaltsseelsorge, S. 147: „Ermessensentscheidung“ der Anstalten über die Organisation religiöser Betreuung. 727  Siehe oben 3. Kap. C. VIII. 4. 728  Vgl. BVerfGE 33, 1 (12 f.) – Strafgefangene; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 12.

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b) Eignung Die Einstellung von Gefängnisseelsorgern in öffentliche Ämter unter Berücksichtigung kirchlicher Mitspracherechte ist förderlich, um die Reli­ gionsfreiheit der Gefängnisinsassen zu fördern, und mithin geeignet. c) Erforderlichkeit Die Durchbrechung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV müsste erforderlich sein; es dürften also keine milderen, mindestens ebenso wirksamen Mittel zur Erreichung des Zwecks zur Verfügung stehen. Nicht mit einer Beeinträchtigung grundrechtlicher Gleichbehandlungsinteressen verbunden wäre die bloße Zulassung der Religionsgesellschaften zur Seelsorge ohne Einrichtung öffentlicher Ämter. Es fragt sich aber, ob dies ebenso wirksam wäre. Gegen die Notwendigkeit, für die Gefängnisseelsorge religiös gebundene öffentliche Ämter einzurichten, spricht die derzeitige Praxis, in der ein Teil der nordrhein-westfälischen Seelsorger in keinem Dienstverhältnis zum staatlichen Anstaltsträger steht, sondern im Rahmen von Gestellungsverträgen tätig wird. Es ist nicht ersichtlich, dass dies in den betroffenen Justizvollzugsanstalten zu nennenswerten Sicherheitsrisiken oder einer Beeinträchtigung der Erreichung der Vollzugsziele geführt hätte.729 Andererseits können Strafgefangene aufgrund ihrer räumlichen Gebundenheit nur sehr bedingt reguläre Angebote ihrer Religionsgesellschaft wahrnehmen.730 Der Staat schränkt die Religions(-ausübungs-)freiheit der Gefangenen durch den Vollzug der Freiheitsstrafe jedenfalls faktisch ein.731 Ein Anspruch der Gefangenen auf Abwehr solcher Beeinträchtigungen folgt aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG, der den Staat auch zu aktivem Tun zur faktischen Gewährleistung der Religionsfreiheit verpflichteten kann [s. schon 3. Kap. B. I.].732 Die Durchführung seelsorglicher Angebote in einer Strafvollzugsanstalt bedarf aufgrund der besonderen Gegebenheiten und Sicherheitsanforderungen zudem einer engen organisatorischen Absprache und Kooperation von 729  Vgl. aber zu Bedenken gegen einen ehrenamtlichen salafistischen Gefangenenseelsorger Müller, FAZ v. 30.5.2012, S. 5. 730  Vgl. Albrecht, HStKR II1, § 38 S. 701 (707); Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1005 f.); Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 5. 731  Vgl. Borowski, Gewissensfreiheit, S. 651 f. 732  Vgl. ferner Eick-Wildgans, Anstaltsseelsorge, S. 143, für ein leistungsrechtliches Verständnis der Religionsfreiheit im Strafvollzug.



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Staat und Religionsgesellschaften.733 Gefängnisseelsorger bewegen sich dauerhaft im inneren, sicherheitsrelevanten Bereich einer Strafvollzugsanstalt. Sie haben potentiell als Gesprächspartner intensiven Einfluss auf die Strafgefangenen und sollen daher nach der gesetzlichen Regelung bei Aufgaben des Strafvollzugs mitwirken.734 Daher würde es die Ziele des Strafvollzugs konterkarieren, wenn die Seelsorger nicht ein Mindestmaß an Loyalität hinsichtlich der Vollzugsziele besäßen und sie nicht die Einhaltung der notwendigen Sicherheitserfordernisse gewährleisteten.735 Zudem mögen Gefängnisseelsorger in der Praxis durchaus ein Interesse daran haben, zur Gruppe der im Vollzug Tätigen i. S. v. § 155 StVollzG zu gehören und so etwa ein Recht auf Zugang zu staatlichen Akten und anderen Informationen zu bekommen.736 Folglich ist die Begründung öffentlicher Ämter für die Gefängnisseelsorger mangels gleich wirksamer, milderer Mittel auch erforderlich. d) Angemessenheit Schließlich müsste die Beschränkung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen. Die Entscheidung des Landes Nordrhein-Westfalen, jedenfalls den überwiegenden Teil der Seelsorger im Strafvollzug in ein öffentliches Amt zu übernehmen, beruht auf sachlichen Gründen zur Kompensation andernfalls drohender Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit der Gefangenen aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG unter Berücksichtigung der besonderen Sicherheitsanforderungen des Strafvollzuges. Es erscheint sachgerecht und konsequent, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Gefängnisseelsorger ganz überwie733  Vgl. Heckel, in: Rauscher, Religion, S. 141 (149); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1356. 734  Vgl. etwa § 154 Abs. 1 i. V. m. § 155 Abs. 2 StVollzG, wonach alle im Vollzug Tätigen – auch die Seelsorger – zusammenarbeiten und daran mitwirken, die Aufgaben des Vollzuges zu erfüllen. Art. 176 Abs. 2 StVollzG BY: Für jede Anstalt ist entsprechend ihrer Aufgabe die erforderliche Anzahl von Bediensteten der verschiedenen Berufsgruppen, insbesondere des allgemeinen Vollzugsdienstes, des Werkdienstes, des Krankenpflegedienstes und des Verwaltungsdienstes, sowie von Seelsorgern, Ärzten, Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeitern vorzusehen. [Hervorhebung nicht im Original.] 735  Vgl. v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 208; Morlok, in: Dreier, GG III, Art. 141 WRV Rn. 18, 20; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1356. 736  Vgl. Huchting / Müller-Monning, in: Feest / Lesting, StVollzG, § 157 Rn. 2, zum Streit um einen Dienstausweis und datenschutzrechtliche Probleme kirchlicher Anstaltsseelsorger.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

gend in ein Dienstverhältnis zum Land übernimmt, zugleich aber abweichende Wünsche Evangelischer Landeskirchen berücksichtigt und in solchen Fällen auch eine Beschäftigung über Gestellungsverträge akzeptiert. Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Anzahl der Gefängnisseelsorger insgesamt unverhältnismäßig hoch bemessen wäre. Zudem bleibt die Gefängnisseelsorge nach diesen Regelungen in jedem Fall eine eigene Angelegenheit der jeweiligen Religionsgesellschaft; allein die Erfüllung einer gegebenenfalls bestehenden grundrechtlichen Gewährleistungspflicht ist eine Aufgabe des staatlichen Anstaltsträgers.737 Hingegen liegt der Strafvollzug allein in staatlicher Verantwortung738 und darf die Seelsorge mit seinen Zielen nicht vereinnahmen.739 e) Zwischenergebnis zu 4. Folglich gewährleistet die nordrhein-westfälische Regelung über die Dienstverhältnisse der Gefängnisseelsorger praktische Konkordanz zwischen Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV einerseits und Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV sowie den besonderen Anforderungen des Strafvollzugs andererseits und schließlich der Selbstbestimmung der beteiligten Religionsgesellschaften. 5. Zwischenergebnis zu XI. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV sind im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der Gefängnisseelsorger durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV begrenzt. Das Land NRW darf die Ämter seiner Gefängnisseelsorger in Abhängigkeit vom Vorliegen eines kirch­ lichen Einverständnisses vergeben, weil die damit verbundene Ketten­ anknüpfung an das religiöse Bekenntnis verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.740 737  Missverständlich daher Anke, Art. Kirchenfinanzen, in: Heinig / Munsonius, Staatskirchenrecht, S. 106, der eine staatliche Finanzierungsverantwortung daraus ableitet, dass die Anstaltsseelsorge zu den „eigenen Aufgaben“ des Staates gehöre. 738  Diese Verantwortung verliert der Staat auch nicht durch eventuelle Privatisierungen, vgl. BVerfGE 130, 76 (121) – Maßregelvollzug. 739  Vgl. diese Gefahr sehend auch v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 207 f.; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 410. 740  Vgl. BVerwGE 19, 252 (260); Albrecht, HStKR II1, § 38 S. 701 (707 f.); Bat­ tis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 44; v. Campenhausen / de Wall, Staatskirchenrecht, S. 208; Hamers, RK, S. 87; Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1008), s. aber auch ebd., S. 1011, zur Unangemessenheit dieser Ausgestaltung; Hemmrich, in:



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter

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XII. Seelsorger in der Polizei Gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV741 gilt der Anspruch der Religionsgesellschaften auf Zulassung zur Anstaltsseelsorge auch für sonstige öffentliche Anstalten. Die historische Entwicklung und der Telos dieses Anspruchs sprechen dafür, ihn auf solche Einrichtungen zu erstrecken, in denen die betroffenen Personen aufgrund besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Bedingungen allenfalls eingeschränkt an der allgemeinen Seelsorge der Religionsgesellschaften teilhaben können.742 Das gilt auch für die Angehörigen der kasernierten Polizei, wie sie sowohl auf Ebene der Bundespolizei als auch auf Ebene der Landespolizeibehörden existiert.743 Art. 38 Verf. Bbg erstreckt den Anspruch auf Zulassung zur Seelsorge ausdrücklich auf die Polizei.

v. Münch / Kunig, GG5, Art. 140 Rn. 47; Germann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 152; Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 44; wohl auch Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 26; Pieper, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 75; Diskussionsbeitrag Pirson, EssGespr 23 (1989), 43 (45 f.); dagegen Maurer, EssGespr 23 (1989), 46 (47); Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 410; wohl auch der Diskussionsbeitrag von Isensee, EssGespr 23 (1989), 36 (38); allgemein gegen die Verbeamtung von Anstaltsseelsorgern Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 7; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 140 Rn. 96; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 (2001) Rn. 71; Schmahl, in: Sodan, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV; mit Bedenken: v. Campenhausen / Unruh, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 141 WRV Rn. 36; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1801 f. Eine staatliche (Re-)Finanzierung der Gefangenenseelsorge ist unabhängig davon zulässig, weil den Religionsgemeinschaften zusätzliche Kosten durch die seelsorgerischen Angebote in Strafvollzugsanstalten entstehen, die sie nicht hätten, wenn sie die Gefangenen innerhalb ihrer regulären Strukturen betreuen könnten; vgl. im Ergebnis ebenso KG Berlin, NStZ 1987, 295 mit Anm. Wittkopf; Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 140 Rn. 27; Eick-Wildgans, in: HStKR II, § 70 S. 995 (1008); Ger­ mann, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 140 Rn. 152; Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 392; dagegen Czermak, Weltanschauungsrecht, Rn. 417; Frerk, Kirchenfinanzen, S. 170 f.; rechtsvergleichende Hinweise bei Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1410 ff. (insbes. Fn. 1310, 1337). 741  Vgl. zur Geschichte der Polizeiseelsorge Arnemann, Kirche und Polizei, S. 32 ff.; Schwark, Polizeiseelsorge, S. 1 ff. 742  Vgl. Heintzen, in: HStKR II, § 69 S. 985 (988); ders., ZevKR 37 (1992), 58 (58 ff.). 743  Freilich haben die Kasernierung und die räumliche Bindung von Polizisten in den vergangenen Jahren nachgelassen, was sich auch auf die Notwendigkeit einer separaten Polizeiseelsorge auswirkt; vgl. Heintzen, in: HStKR II, § 69 S. 985 (989); ders., ZevKR 37 (1992), 58 (61), zur preußischen Gendarmerie, für die ebenfalls eine gesonderte Seelsorge bestand; ferner Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 383. Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1353, zählt Polizeikräfte von Bund und Ländern wohl auch zum Heer i. S. v. Art. 141 WRV.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

In der Bundespolizeiseelsorge arbeiten auf evangelischer Seite derzeit elf hauptamtliche und sechs nebenamtliche evangelische Seelsorgerinnen und Seelsorger;744 auf katholischer Seite gibt es neben dem Dekan der Bundespolizei zehn hauptamtliche und drei nebenamtliche Pfarrer.745 Gem. §§ 10 ff. der Vereinbarungen über die Seelsorge im Bundesgrenzschutz aus dem Jahr 1965746 ist für diese Seelsorger ein Dienstverhältnis zum Staat vorge­ sehen.747 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen Soweit der Staat diese Ämter in Abhängigkeit von einer Zustimmung der jeweiligen Religionsgesellschaften vergibt, die diese unter Anknüpfung an das religiöse Bekenntnis der Bewerber verweigern können, liegt eine dem Staat zurechenbare Kettenanknüpfung an das religiöse Bekenntnis vor. Verweigert der Staat auf dieser Grundlage die Zulassung zum öffentlichen Amt des Polizeiseelsorgers, so beeinträchtigt er grundrechtliche Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV. 2. Grundrechtsbegrenzung durch Art. 140 GG i. V. m. Art.  141 WRV Bezüglich der Rechtfertigung dieser religiös gebundenen öffentlichen Ämter kann weitgehend auf die Ausführungen zu den Militärseelsorgern verwiesen werden [s. schon 3. Kap. C. VIII.].748 Die mit der konfessionsabhängigen Ämtervergabe verbundene Beeinträchtigung der Rechtspositionen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV kann danach allenfalls durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden. Wie bei Bundeswehrsoldaten wird die Religionsfreiheit kasernierter Polizisten oder Polizeischüler faktisch eingeschränkt, soweit die Betroffenen reguläre seelsorgliche Angebote an ihrem Wohnort allenfalls eingeschränkt 744  Siehe

www.bundespolizei-seelsorge-evangelisch.de, aufgerufen am 20.8.2013. www.bundespolizei-seelsorge-katholisch.de / organisation / index.php, aufgerufen am 20.8.2013. 746  Vereinbarung über die evangelische Seelsorge im Bundesgrenzschutz v. 12.8.1965, abgedruckt bei Listl, Konkordate I, S. 120 ff.; Vereinbarung über die katholische Seelsorge im Bundesgrenzschutz v. 12.8.1965, abgedruckt bei Listl, Konkordate I, S. 85 ff. 747  Vgl. Seiler, in: HStKR II, § 68 S. 961 (982), wonach alle Grenzschutzseelsorger Angestellte im öffentlichen Dienst seien. 748  Vgl. Schwark, Polizeiseelsorge, S. 258 ff. (264). 745  Siehe



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter339

wahrnehmen können. Zugleich gelten innerhalb der Polizei besondere Sicherheitsanforderungen, sodass dem Staat ein Mitspracherecht bei der Frage zukommt, welchen Seelsorgern er zu welchen Bedingungen Zutritt zu den Polizeieinrichtungen gewährt. Es liegt eine wie ein Gesetzesvorbehalt wirkende Normenkollision mit Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV vor, der die Einrichtung religiös gebundener Ämter in der Polizeiseelsorge zulässt. 3. Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen Die gesetzgeberische Ausgestaltung der verfassungsrechtlich durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV eröffneten Option einer amtlichen Gefängnisseelsorge unter Durchbrechung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV müsste den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügen. Zu den Anforderungen des Art. 19 Abs. 1, 2 GG kann auf die Ausführungen zu Militärseelsorgern verwiesen werden [3. Kap. C. VIII. 4.], sodass hier vor allem die Anforderungen des Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu diskutieren sind. a) Bundespolizeiseelsorger Für die Bundespolizei hat sich die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesinnenminister, vertraglich darauf festgelegt, dass die Bundespolizeiseelsorger grundsätzlich in ein Angestelltenverhältnis zum Staat zu berufen sind, um eine hinreichend vertrauensvolle Zusammenarbeit zu gewährleisten. Ohne institutionelle Polizeiseelsorge wäre die Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG für die betroffenen Polizisten faktisch eingeschränkt. Die Kompensation dieser Grundrechtsbeeinträchtigungen ist ein legitimer Zweck. Bei der Entscheidung darüber, wie diese Grundrechtsbeeinträchtigungen zu kompensieren sind, ist dem Staat ein Entscheidungsspielraum zuzugestehen, da unterschiedliche Kompensationsmaßnahmen in Betracht kommen.749 Dass insoweit sachwidrige Erwägungen in den Entscheidungsprozess eingeflossen wären, ist nicht ersichtlich. Vielmehr stellt die seelsorgliche Arbeit in der Bundespolizei besondere Anforderungen an die Zuverlässigkeit der einzelnen Seelsorger. Es trägt zur Wahrung der Sicherheitsinteressen der Bundespolizei bei, die Seelsorger in ein Dienstverhältnis zum Bund zu übernehmen, um entsprechenden dienstrechtlichen Einfluss auf die eingesetzten Seelsorger ausüben zu können. Da mildere, gleich geeignete Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks nicht ersichtlich sind und die 749  Vgl.

Heintzen, in: HStKR II, § 69 S. 985 (989).

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Übernahme der Militärseelsorger in ein öffentliches Amt auch nicht außer Verhältnis zum Zweck steht, bestehen gegen die Verhältnismäßigkeit keine Bedenken. Folglich ist die Einrichtung religiös gebundener Staatsämter für Bundespolizeiseelsorger durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV i. V. m. Art. 4 Abs. 1, 2 GG unter Berücksichtigung der besonderen Sicherheitserfordernisse der Bundespolizei gerechtfertigt.750 b) Landespolizeiseelsorger Weiterhin haben die Länder eine Polizeiseelsorge eingerichtet. Allerdings stehen diese Landespolizeiseelsorger grundsätzlich nicht in einem Beamtenoder Angestelltenverhältnis zum jeweiligen Land, sondern zu ihrer Reli­ gionsgesellschaft. Da es sich bei diesen Gestellungsverträgen nicht um öffentliche Ämter handelt, ist diese Ausgestaltung unproblematisch im Hinblick auf die Frage dieser Arbeit nach der Verfassungsmäßigkeit religiös gebundener öffentlicher Ämter. Hingegen sind von den derzeit 29 bayerischen Polizeiseelsorgern je zwei evangelische und katholische staatlich verbeamtet.751 Soweit ersichtlich, sind dies die einzigen religiös gebundenen öffentlichen Ämter in der Landespolizeiseelsorge. Aus Sicht der Betroffenen mag für die Einrichtung dieser religiös gebundenen Ämter sprechen, dass die amtlichen Polizeiseelsorger so besonders engen Kontakt zu den Polizeibeamten aufbauen und auf die polizeiliche Logistik zurückgreifen können, was eine besonders intensive Seelsorge ermöglichen kann. Im Übrigen mag auch die Landespolizeiseelsorge besondere sicherheitspolitische Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Polizei­ seelsorger stellen, was einen entsprechenden dienstrechtlichen Einfluss erfordern könnte. Zweifel an dieser Argumentation erwachsen indes daraus, dass offensichtlich nur für einen kleinen Teil der Seelsorger die Verleihung eines öffentlichen Amtes für erforderlich gehalten wird. Es ist nicht ersichtlich, anhand welcher sachlicher Kriterien sich der Freistaat Bayern in Ausübung seines Entscheidungsspielraumes aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV für die bloß teilweise Übernahme seiner Polizeiseelsorger in ein religiös gebundenes öffentliches Amt entschieden hätte. 750  Vgl. Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 27; Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 44, allgemein für Polizeiseelsorger; Heintzen, in: HStKR II, § 69 S. 985 (989); Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1353 f.; anders hingegen Unruh, Religionsverfassungsrecht, Rn. 408. 751  So die Beantwortung einer E-Mail-Anfrage an das bayerische Landespolizeidekanat v. 7.5.2012; vgl. Korioth, in: MD, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2003) Rn. 17.



C. Einzelfälle religiös gebundener öffentlicher Ämter

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Folglich begrenzt Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV die Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV im Hinblick auf den religiös gebundenen Zugang zu den Ämtern der Landespolizeiseelsorger und ermöglicht es so den Landesgesetzgebern, entsprechende Ämter einzurichten, soweit sie dabei die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze wahren. Die derzeitige Ausgestaltung der bayerischen Polizeiseelsorge genügt diesen Anforderungen mangels sachlichen Grundes für die (bloß teilweise) Übernahme der Polizeiseelsorger in öffentliche Ämter nicht.752 4. Zwischenergebnis zu XII. Es besteht eine Kollisionslage zwischen Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV, der die religiös gebundene Übernahme von Polizeiseelsorgern in ein öffentliches Amt zulässt, und Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV. Dieser Quasi-Gesetzesvorbehalt ermöglicht die Einrichtung religiös gebundener Ämter jedoch nur im Rahmen der Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze, insbesondere der Verhältnismäßigkeit. Im Hinblick auf die öffentlichen Ämter in der Bundespolizei besteht eine solche Regelung, sodass die Bindung an eine Zustimmung der jeweiligen Religionsgesellschaft insoweit gerechtfertigt ist. Hingegen wahrt die bloß teilweise Übernahme einzelner bayerischer Polizeiseelsorger in religiös gebundene öffentliche Ämter mangels Verhältnismäßigkeit nicht die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze und ist daher verfassungswidrig.

752  Als gesetzliche Grundlage kommt, soweit ersichtlich, lediglich Art. 158 Verf. BY in Betracht, dessen Wortlaut allerdings einen bloßen Zulassungsanspruch begründet. Zudem wäre die Polizei dann als sonstige öffentliche Anstalt neben Krankenhäusern und Strafanstalten zu subsumieren, was anders als auf Bundesebene nicht unproblematisch ist, weil das Heer als am ehesten vergleichbarer Anhaltspunkt entfällt. Art. 11 Konk. BY 1924, der zwar die Anstellung von Anstaltsseelsorgern vorsieht, erwähnt weder die Polizei noch sonstige Einrichtungen als Auffangtatbestand. Vgl. für Verfassungswidrigkeit der Polizeiseelsorge Czermak, Weltanschauungsrecht, Rn. 417; mit Zweifeln Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1801 f.; allgemein für Verfassungswidrigkeit staatlich eingestellter Anstaltsseelsorger Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV Rn. 7; hingegen allgemein für Verfassungsmäßigkeit staatlicher Polizeiseelsorger: Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 44; Heint­ zen, in: HStKR II, § 69, S. 985 (989); wohl auch: Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 / Art. 141 WRV (2011) Rn. 27 f.; Stern, StaatsR IV / 2, § 119 S. 1353 f.

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

XIII. Religiös gebundene Vergabe anderer öffentlicher Ämter Möglicherweise darf die grundrechtsgebundene Staatsgewalt auch andere öffentliche Ämter bekenntnisgebunden vergeben. Aufgrund der damit verbundenen Beeinträchtigung der Rechtspositionen aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV setzt dies eine Begrenzung der Gleichheitssätze durch kollidierendes Verfassungsrecht voraus. Im Falle einer quasi-vorbehaltlichen Begrenzung hat der Gesetzgeber zudem die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze zu wahren. Sofern eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist, ist die religiös gebundene Besetzung öffentlicher Ämter verfassungswidrig.

D. Zwischenergebnis zum 3. Kapitel Religionen prägen die Kultur der Gesellschaft, in der sie vorkommen, entscheidend mit. Das spiegelt die deutsche (Verfassungs-)Rechtsordnung wider, die an unterschiedlichen Stellen religiöse Bezüge enthält. Zum grundgesetzlichen Religionsverfassungsrecht zählen neben der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG die ebenfalls grundrechtlichen beziehungsweise grundrechtsgleichen oder -ähnlichen Gleichheitssätze aus Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV und subsidiär Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Danach darf niemand bei der Zulassung zu öffentlichen Ämtern von der grundrechtsgebundenen deutschen Staatsgewalt wegen seines religiösen Bekenntnisses benachteiligt oder bevorzugt werden. Die vorstehende Untersuchung hat herausgestellt, dass die grundgesetzlichen Gleichheitssätze einen strikten Geltungsanspruch haben und keinem Gesetzesvorbehalt unterworfen sind. Sie hat zudem gezeigt, dass die Gleichheitssätze insbesondere nicht hinter religionsverfassungsspezifischen Zweckmäßigkeitserwägungen oder der etwaigen Natur einer Sache zurücktreten. Vielmehr ist die Zulassung zu öffentlichen Ämtern in Abhängigkeit vom religiösen Bekenntnis beziehungsweise von der Zustimmung einer Reli­ gionsgemeinschaft nur dann ausnahmsweise verfassungsgemäß, wenn das Grundgesetz selbst sie vorschreibt oder sie unter Abweichung von den prinzipiell einschlägigen grundgesetzlichen Gleichheitssätzen immerhin zulässt. Landesverfassungsrecht oder vertragliche Vereinbarungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften können die grundgesetzlichen Gleichheitssätze dagegen nicht begrenzen. Allerdings: Soweit Integration eine Staatsaufgabe ist, darf der Staat religiöse Überzeugungen nicht ignorieren, wenn sie integrationserheblich ­



D. Zwischenergebnis zum 3. Kapitel

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sind.753 Die strikte Trennung von Staat und Religion hat sich dafür als ungeeignet erwiesen.754 Deshalb erkennt das Grundgesetz etwa durch die Gewährleistung der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2 GG), durch religiöse Bezüge in der Schule (Art. 7 GG), den Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV) und die Zulassung von Seelsorge in staatlichen Anstalten (Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV) die hohe Bedeutung der Religionsfreiheit für den Einzelnen und die besondere Rolle der Religionsgemeinschaften für das gesamtgesellschaftliche Leben an. Auch das Verbot einer Staatskirche gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV oder die aus einer Zusammenschau religionsverfassungsrechtlicher Vorschriften abgeleiteten Grund­ sätze der religiös-weltanschaulichen Neutralität und Parität verbieten eine Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften nicht. Insbesondere bedeuten religiös gebundene Ämter nicht per se verbotene staatskirchliche Strukturen. Durch kollidierendes Verfassungsrecht quasi-vorbehaltlich begrenzt sind die Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV im Hinblick auf die Staatsämter von Religionslehrern staatlicher Schulen gem. Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG. Der Staat darf diese Ämter in Abhängigkeit von der Zustimmung der jeweils betroffenen Religionsgemeinschaft besetzen, die dabei wiederum an das religiöse Bekenntnis der Bewerber anknüpfen darf (sogenannte Kettenanknüpfung). Quasi-vorbehaltlich begrenzt werden die Gleichheitssätze auch im Hinblick auf die Vergabe der Ämter von Lehrern staatlicher Bekenntnisschulen, deren Existenz Art. 7 Abs. 5 GG voraussetzt. Hingegen dürfen Bewerber beim Zugang zum Amt eines Lehrers an Gemeinschaftsschulen mangels verfassungsrechtlicher Rechtfertigung nicht wegen ihres religiösen Bekenntnisses benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Begrenzung der Gleichheitssätze für den religiös gebundenen Zugang zu Professorenämtern an theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten ergibt sich aus der staatlichen Verantwortung für die Religionslehrerausbildung gem. Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG sowie einer andernfalls drohenden, gegen Art. 5 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verstoßenden Benachteiligung der konfessionell gebundenen theologischen Wissenschaften. Gleiches gilt für Theologieprofessoren, die zwar an staatlichen Universitäten, aber außerhalb theologischer Fakultäten in der Religionslehrerausbildung tätig sind. Hingegen sind die fortbestehenden Konkordatsprofessuren in profanen 753  Vgl. Nolte, DÖV 2008, 129 (132); Walter, in: Grote / Marauhn, Religionsfreiheit, S. 215 (225); ferner Hauschild, Christlichkeit, S. 177; Muckel, JZ 2001, 58 (64), der die Integration durch die staatliche Berücksichtigung religiöser Bedürfnisse gefördert sieht; zur Integrationsfunktion der staatlichen Schule zuletzt etwa BVerwG, NVwZ 2014, 81 Rn. 13. 754  Vgl. Walter, in: Grote / Marauhn, Religionsfreiheit, S. 215 (225).

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Kap. 3: Nach religiösem Bekenntnis differenzierende Vergabe

Fächern mangels verfassungsrechtlicher Begrenzung der Gleichheitssätze verfassungswidrig. Bei ihrer Besetzung sind staatliche (Ketten-)Anknüpfungen an das religiöse Bekenntnis der Bewerber unzulässig. Die Verfassungsmäßigkeit staatlicher Militärseelsorger ergibt aus einer Zusammenschau von Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV mit der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Diese verpflichtet den Staat, zur Kompensation faktischer Beeinträchtigungen der Religionsfreiheit von Bundeswehrsoldaten Seelsorge innerhalb der Bundeswehr zu ermöglichen. Dazu darf der Staat in Anbetracht der besonderen Anforderungen zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (vgl. Art. 12a, 17a, 65a, 87a, 87b, 96 Abs. 2, 115b GG) öffentliche Ämter einrichten, die nur im Einverständnis mit den betroffenen Religionsgesellschaften vergeben werden dürfen. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV sind insoweit quasi-vorbehaltlich begrenzt. Ähnliche Erwägungen rechtfertigen auch religiös gebundene Staatsämter bei Bundespolizei- und Gefangenenseelsorge. Im Hinblick auf die Landespolizeiseelsorge sind Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV zwar durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV quasi-vorbehaltlich begrenzt, doch genügt die derzeitige Ausgestaltung in Bayern mangels verhältnismäßiger gesetzlicher Grundlage nicht den Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze und ist daher verfassungswidrig. Ebenso wirkt Art. 140 GG i. V. m. Art. 141 WRV im Hinblick auf die Ämter der Krankenhausseelsorger als Quasi-Gesetzesvorbehalt, der eine Durchbrechung der besonderen Gleichheitssätze ermöglicht, doch ist auch insoweit kein verfassungsmäßiges grundrechtsbeschränkendes Gesetz ersichtlich.

Kapitel 4

Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe öffentlicher Ämter Im vierten Teil dieser Arbeit ist die Verfassungsmäßigkeit der Vergabe öffentlicher Ämter unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen der Bewerber zu untersuchen. Dabei ist – differenziert für jedes einzelne Amt – danach zu fragen, ob eine Anknüpfung an politische Anschauungen bei der Vergabe dieser Ämter verfassungsrechtlich zulässig ist.

A. Grundrechtsbeeinträchtigung durch politisch gebundene Vergabe öffentlicher Ämter Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG schreiben vor, öffentliche Ämter ausschließlich unter Berücksichtigung des Prinzips der Bestenauslese zu vergeben, ohne die Bewerber dabei wegen ihrer politischen Anschauungen zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

I. Beeinträchtigung politischer Gleichbehandlungsinteressen Gem. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG darf niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. 1. Ausdrückliche Anknüpfung Eine Entscheidung stellt dann eine wegen politischer Anschauungen erfolgende Benachteiligung i. S. v. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG dar, wenn sie einer Person mit einer bestimmten politischen Anschauung Nachteile zufügt, die sie gegenüber einer Person mit anderer politischer Anschauung bei sonst gleicher Lage nicht anordnen würde, ferner spiegelbildlich dann, wenn einem Anhänger einer Anschauung ein Vorteil vorenthalten wird, der einer Vergleichsperson einer anderen Anschauung gewährt werden würde.1 1  Siehe schon 2. Kap. D. II. 3. Vgl. allgemein etwa Sachs, in: HStR VIII, § 182 Rn. 55 ff.; ders., Grundrechte, B3 Rn. 78 f.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Zugleich verbietet Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG Bevorzugungen wegen der politischen Anschauungen. Dieser besondere Gleichheitssatz gilt auch für die Vergabe öffentlicher Ämter. Dabei genügt als Nach- beziehungsweise Vorteil die Beeinträchtigung beziehungsweise Förderung irgendeines Interesses der betroffenen Person. Keine Benachteiligung oder Bevorzugung wegen der politischen Anschauungen liegt danach vor, wenn gemäß dem beamtenrechtlichen Leistungsgrundsatz vorhandene Erfahrungen berücksichtigt werden, obwohl diese bei einer politischen Tätigkeit gewonnen worden sind. Denn in diesem Fall ist der Anknüpfungspunkt nicht eine Anschauung des Bewerbers, sondern seine berufliche Erfahrung, die bei der Vergabe eines öffentlichen Amtes auch dann berücksichtigt werden darf, wenn sie außerhalb des Beamtendienstes, etwa bei einer politischen Tätigkeit, gewonnen worden ist.2 Hingegen betrifft das Diskriminierungsverbot sowohl die Ablehnung eines Bewerbers, weil er eine politische Auffassung vertritt, die nicht mit der des einstellenden Amtswalters übereinstimmt, als auch die Einstellung eines Bewerbers mit der Begründung, dass er eine bestimmte politische Anschauung vertritt. Gleichermaßen ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG einschlägig bei der Entscheidung über die (vorzeitige) Entziehung eines öffentlichen Amtes wegen der politischen Anschauungen des bisherigen Amtsinhabers.3 2. Über politische Entscheidungsformen vermittelte Kettenanknüpfung Ebenso wie im Zusammenhang mit den sogenannten konfessionell gebundenen öffentlichen Ämtern ist auch im Zusammenhang mit der nach politischen Anschauungen differenzierenden Ämtervergabe der Modus der Anknüpfung näher zu untersuchen. Neben ausdrücklichen Anknüpfungen durch die grundrechtsgebundene Staatsgewalt sind als Kettenanknüpfungen bezeichnete Konstellationen denkbar, bei denen nicht der Staat selbst an politische Anschauungen anknüpft, sondern ein Dritter, dessen Verhalten dem jeweiligen Hoheitsträger indes zurechenbar sein kann. Diesbezüglich mag man zum einen an freie Wahlen4 denken, wenn die Kompetenz zur Besetzung auf ein demokratisches Wahlgremium übertragen wird. In gewisser Weise sind solche Wahlen mit der oben diskutierten Über2  Vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.1.1987 – 2 B 143 / 86 –, Juris: Rn. 6; allgemein zu alternativen Qualifikationsnachweisen BVerfG (K), NVwZ 2012, 368 (370). 3  Anders als bei Art. 33 Abs. 2 GG mit dem Tatbestandsmerkmal Zugang [s. oben 2. Kap. G. III. 3.] ist die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG auf die Entziehung öffentlicher Ämter unproblematisch. 4  Siehe ausführlicher dazu noch 4. Kap. B.



A. Grundrechtsbeeinträchtigung

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tragung von Mitspracherechten an Religionsgemeinschaften vergleichbar, sofern die Mitglieder des Wahlgremiums keiner Grundrechtsbindung unterliegen, also insbesondere bei Volkswahlen. Wird hingegen ein grundrechtsgebundenes Wahl- oder Entscheidungsorgan eingeschaltet, so ist keine Zurechnung einer über Mitwirkungsrechte vermittelten Anknüpfung erforderlich, weil eine mögliche Anknüpfung an politische Anschauungen unmittelbar von einem Hoheitsträger ausgeht, der sich für sein Verhalten – anders als etwa eine Religionsgemeinschaft – in der Regel nicht seinerseits auf Grundrechte berufen kann. Weiterhin ist die Verleihung von sonstigen Mitwirkungsrechten an grundrechtsberechtigte Dritte denkbar. Knüpft ein solcher Mitwirkungsberechtigter an politische Anschauungen an und verweigert deswegen eine Zustimmung, an die der Staat die Zulassung zu einem öffentlichen Amt konstitutiv knüpft, so muss sich der Staat die Anknüpfung des Dritten zurechnen lassen. Dann liegt wiederum eine Kettenanknüpfung vor. Vor dem Hintergrund dieser Anknüpfungsmodalitäten ist die Rede von politisch gebundenen öffentlichen Ämtern ähnlich wie bei den sogenannten konfessionsgebundenen Ämtern nicht unproblematisch. Denn tatsächlich macht die grundrechtsgebundene Staatsgewalt den Zugang zu einem öffentlichen Amt nur in einzelnen Fällen ausdrücklich davon abhängig, dass ein Bewerber eine bestimmte politische Anschauung hat. Stattdessen wird die Entscheidungskompetenz häufig besonderen Organen übertragen, die durch Wahl oder sonstige freie Entscheidung über die Vergabe eines Amtes entscheiden sollen. Politische Anschauungen sind dann nur ein im Einzelfall mögliches Entscheidungskriterium neben anderen Kriterien; in der Praxis mögen sie insbesondere konstitutiv für ein etwa zu forderndes Vertrauensverhältnis zwischen dem Amtsinhaber und seinem Vorgesetzten sein. Trotz dieser Schwierigkeiten hält diese Arbeit an der Bezeichnung politisch ge­ bundene öffentliche Ämter fest und versteht sie als Sammelbegriff für all diejenigen öffentlichen Ämter, bei deren Vergabe – unabhängig von den konkreten Modalitäten – politische Anschauungen der Bewerber berücksichtigt werden dürfen. Die folgende Prüfung orientiert sich dabei an den verfassungsrechtlichen sowie einfachgesetzlichen Regelungen, die eine Berücksichtigung politischer Anschauungen zulassen, sodass auch solche Ämter angesprochen werden, die im Ergebnis auf der Basis des Grundgesetzes nicht als politisch gebundene öffentliche Ämter anzusehen sind. 3. Fehlende Vergleichbarkeit Indes könnte fehlende Vergleichbarkeit zwischen Bewerbern unterschiedlicher Parteipräferenz die Anwendbarkeit der besonderen Gleichheitssätze

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

ausschließen. Das BVerfG geht davon aus, dass Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG nicht anzuwenden ist, wenn keine sinnvolle Vergleichsgruppe existiert. In Bezug auf Benachteiligungen wegen des Geschlechts soll das der Fall sein, wenn biologische Unterschiede den Lebenssachverhalt so entscheidend prägen, dass eine Unterscheidung „zwingend erforderlich“5 ist zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können.6 Trotz einer Anknüpfung an politische Anschauungen läge danach kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor, wenn die geforderte Anschauung zwingend erforderlich ist, um Probleme zu verhindern beziehungsweise zu lösen, die ihrer Natur nach auftreten würden, wenn das Amt mit einem Angehörigen einer anderen politischen Anschauung besetzt würde. Dann fehlte es an der für die Anwendung von Gleichheitsrechten erforderlichen, ungeschriebenen Voraussetzung der Vergleichbarkeit der verschieden behandelten Personengruppen. Allerdings lässt sich diese Unvergleichbarkeit zwischen Amtsträgern mit unterschiedlicher Parteipräferenz nicht plausibel bejahen. Weder fehlt etwa stets das erforderliche Vertrauen in eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Inhaber eines öffentlichen Amtes, wenn der Betroffene und sein Vorgesetzter unterschiedliche parteipolitische Anschauungen haben, noch ist das Vertrauen bei identischer parteipolitischer Ausrichtung stets zu bejahen.7 Folglich ist nicht ersichtlich, dass fehlende Vergleichbarkeit in Bezug auf Benachteiligungen wegen der politischen Anschauungen erheblich sein könnte, sodass die Vergabe öffentlicher Ämter unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen das Recht der Bewerber aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG beeinträchtigt.8

5  BVerfGE 85, 191 (207) – Nachtarbeitsverbot; 92, 91 (109) – Feuerwehrabgabe; BVerfGK 14, 381 (385), st. Rspr. 6  Siehe schon 2. Kap. D. II. 6., mit zahlreichen Nachweisen; ferner stets für Vergleichbarkeitsprüfung Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 538, Prüfungsschritt I. 1. 7  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, S. 1760 f.; hingegen für eine „notwendig […] entscheidende Rolle“ der politischen Überzeugung eines Bürgermeisters BVerfGE 7, 155 (170 f.) – Bürgermeisterabwahl; daran anschließend BVerfG (K), NVwZ 1994, 477. 8  Vgl. dagegen aber etwa Wacke, AöR 91 (1966), 441 (444), weil nicht an politische Anschauungen des Betroffenen angeknüpft werde, sondern an dessen Eignung, wobei indes offen bleibt, ob die Eignung in Abhängigkeit von politischen Anschauungen bestimmt werden darf.



A. Grundrechtsbeeinträchtigung

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II. Beeinträchtigung des Prinzips der Bestenauslese Die Vergabe öffentlicher Ämter unter Anknüpfung an politische Anschauungen des Amtsträgers könnte zudem das Prinzip der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigen. Art. 33 Abs. 2 GG setzt ein verfassungsmäßig konstituiertes Amt mit entsprechendem Anforderungsprofil voraus.9 Für ein öffentliches Amt, das auf verfassungsrechtlich zulässige Art und Weise als anschauungsgebundenes Amt eingerichtet worden ist, sind daher nur diejenigen Bewerber geeignet, die entsprechende Anschauungen haben. Diese dürfen und müssen dann als Bestandteil der Eignung i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG bei der Entscheidung über die Vergabe des Amtes berücksichtigt werden. Für die Frage, ob ein solches Amt eingerichtet werden darf, enthält Art. 33 Abs. 2 GG hingegen keine Maßstäbe; er greift erst auf einer nachrangigen Ebene ein. Dementsprechend verstößt der politisch gebundene Zugang zu öffentlichen Ämtern jedenfalls nicht per se gegen das Leistungsprinzip.10 Sofern jedoch ein öffentliches Amt nicht als politisch gebundenes Amt ausgestaltet werden darf, so verstößt eine Amtsvergabe, die gleichwohl unter Anknüpfung an politische Anschauungen statt an Leistungskriterien vorgenommen wurde, neben Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG auch gegen das Prinzip der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG.11

III. Zwischenergebnis zu A. Die Vergabe öffentlicher Ämter unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen der Bewerber beeinträchtigt also Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Zusätzlich kann – insbesondere in Abhängigkeit von der verfahrensmäßigen Ausgestaltung – eine Beeinträchtigung des Prinzips der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG vorliegen. Verfassungsgemäß sind diese Grundrechtsbeeinträchtigungen nur, soweit die genannten Gleichheitssätze insoweit durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt sind.

9  Siehe

schon 2. Kap. G. III. 4. OVG BBbg, LKV 2010, 85 (86); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 39; Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 35; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein /  Starck, GG, Art. 33 Rn. 19, 21; Lübbe-Wolff, in: Dreier, GG I1, Art. 33 Rn. 42; Bra­ cher, DVBl. 2001, 19 (20 ff.); wohl auch Kugele, ZBR 2007, 109 (109 f.). 11  Vgl. Lindner, ZBR 2011, 150 (154): „Leistungsprinzip ist unmittelbar […] tangiert.“; ähnlich Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 17; Rupp, in: HStR II, § 31 Rn. 54. 10  Vgl.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

B. Modifizierungen aufgrund politischer Entscheidungsformen Die dargestellten grundgesetzlichen Maßgaben für die Vergabe öffentlicher Ämter könnten dadurch modifiziert werden, dass manche dieser Ämter durch Wahl beziehungsweise auf Vorschlag besonders ermächtigter Stellen vergeben werden statt durch rein fachliche Besetzungsentscheidungen monokratischer Stellen. Dies betrifft insbesondere Ämter mit Bezug zu politischen Aufgaben, was eine Diskussion im Zusammenhang mit politisch gebundenen Ämtern rechtfertigt, doch kann die Besetzung öffentlicher Ämter durch Wahl auch zu einer Vergabe in Abhängigkeit von religiösen Anschauungen führen, sofern die Wahlberechtigten ihre Wahlentscheidung mehrheitlich davon abhängig machen. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Wahlgremium im Einzelfall an die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes gebunden ist, wird insbesondere zu berücksichtigen sein, ob die Wahl als Entscheidungsform verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist, wer zu der Wahlentscheidung ermächtigt wird und welches Amt jeweils zu besetzen ist.

I. Ämterbesetzung durch grundgesetzlich vorgeschriebene Wahl oder Bestimmung Der Begriff der Wahl soll nach gängiger Definition eine Abstimmung bezeichnen, „durch die eine oder mehrere Personen aus einem größeren Personenkreis ausgelesen werden“12. Das Grundgesetz verwendet Formen des Wortes wählen im hier maßgeblichen Sinn in Art. 13 Abs. 6 S. 2, Art. 20 Abs. 2 S. 2, Art. 28 Abs. 1 S. 2, 3, Art. 38 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Art. 39 Abs. 1, 2, Art. 40 Abs. 1 S. 1, Art. 42 Abs. 2 S. 2, Art. 52 Abs. 1, Art. 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Art. 63 Abs. 1, Art. 67 Abs. 1, Art. 94 Abs. 1 S. 2, Art. 95 Abs. 2, Art. 115h Abs. 2 GG. Grundlegend ist Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, wonach die Staatsgewalt vom Volk insbesondere durch Wahlen ausgeübt wird. Die ausführlichste Regelung erfahren im Folgenden die Wahlen zum Abgeordneten des Deutschen Bundestages gem. Art. 38 Abs. 1 GG sowie die Wahlen zum Mitglied einer Volksvertretung in Ländern, Kreisen und Gemeinden gem. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG. Die weiteren genannten Vorschriften regeln die Besetzung anderer öffentlicher Ämter vor allem durch parlamentarische Wahlen. 12  Dietlein, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 115 S. 178; vgl. zur Abgrenzung gegenüber den sachbezogenen Abstimmungen ferner Grzeszick, in: MD, GG, Art. 20 II (2010) Rn. 108; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 4; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 31.



B. Modifizierungen aufgrund politischer Entscheidungsformen351

1. Wahlen Bundesverfassungsrechtlich vorgesehene Wahlen könnten notwendig die Freiheit der jeweils Wahlberechtigten implizieren. Teilweise wird pauschal behauptet, die besonderen Gleichheitssätze – hervorgehoben wird meist Art. 33 Abs. 2 GG – seien auf Wahlen nicht anwendbar.13 Aus dem „Wesen der Wahl als einer freien, nur den Bindungen des Gesetzes und des Gewissens unterworfenen Entscheidung“14 folge jedenfalls eine Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit solcher Auswahlentscheidungen, da eine Wahl nach Ermessen und in dessen Grenzen keine echte Wahl sei, so die Argumentation.15 Dagegen lassen sich indes Bedenken vorbringen. Zu belegen wäre insbesondere die Behauptung, dass Wahlen tatsächlich durchweg notwendig frei und ohne Bindung an negativ wie positiv formulierte Wahlkriterien sein müssen. Zur Klärung dieser Pro­ blematik soll zunächst der verfassungsrechtliche Begriff der Wahl ausgelegt werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird die Freiheit der Wahlentscheidung ganz überwiegend als notwendiges Merkmal einer Wahl angesehen. Ebenso deutet ein Verständnis von Wahl als „Abstimmung“16 sprachlich darauf hin, dass eine freie Entscheidung des Wahlberechtigten ohne Bindung an verfassungsrechtliche Wahlkriterien intendiert ist. Auch Nohlen, der in seiner Definition von Wahl als „demokratische Methode der Bestellung von Per13  Vgl. OLG Rostock, Urt. v. 8.6.2000 – 1 U 179 / 98 –, Juris: Rn. 62; OVG TH, LKV 2004, 569 (570 ff.); OVG SN, Beschl. v. 9.12.2010 – 4 A 745 / 10 –, Juris: Rn. 8; so vorausgesetzt auch von OVG SN, SächsVBl. 2012, 7 (9): „Abwahl […] nicht an bestimmte sachliche Voraussetzungen geknüpft“; Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 3; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 9, für „politische Wahlämter“ (ebd.); Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 24, für Sonderregeln für „durch einen Wahlakt gesteuert[e]“ (ebd.) Besetzungsverfahren; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 31; wohl ebenso, aber sehr allgemein Kunig, in: v. Münch /  Kunig, Art. 33 Rn. 21: soweit das Homogenitätsgebot eine Wahl in den Gemeinden fordert bzw. zulässt; Burgi, KommunalR, § 13 Rn. 7: „nur eingeschränkt“; differenzierend Classen, JZ 2002, 1009 (1020). 14  OVG Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125), m. w. N.; s. auch OLG Rostock, Urt. v. 8.6.2000 – 1 U 179 / 98 –, Juris: Rn. 64; OVG LSA, DVBl. 2012, 1450 LS (Juris: Rn. 6); VG Meiningen, Beschl. v. 16.12.2008 – 1 E 613 / 08 Me –, Juris: Rn. 28. 15  Vgl. OVG Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125); NdsVBl. 2008, 133 (134); OVG TH, ThürVBl. 2007, 187 (188); OVG LSA, DVBl. 2012, 1450 LS (Juris: Rn. 6): „bei Wahlentscheidungen regelmäßig ausgeschlossen“; VG Berlin, JuS 2013, 664 (Juris: Rn. 14), wo die Nichtverletzung von Art. 33 Abs. 2 GG allein wegen des (einfachgesetzlich vorgeschriebenen) Charakters des Amtes der Frauenvertreterin als Wahlamt behauptet wird, mit kritischer Anmerkung von Ruffert (ebd., S. 664 f.); Pappermann, ZBR 1968, 297 (302); Rüfner, DÖV 1962, 801 (803). 16  Dietlein, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 115 S. 178.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

sonen in Vertretungsorgane oder Führungspositionen“17 vor allem das demokratische Element hervorhebt, dürfte von einer freien Wahlentscheidung ausgehen.18 Daneben folgt Nohlen allerdings einem formal-technischen Ansatz und sieht die Wahl dann an als „Technik, eine Körperschaft zu bilden oder eine Person mit einer Führungsposition zu betrauen“19. So verstanden, wird die Freiheit der Wahl nicht zwangsläufig vorausgesetzt, weil auch strikt eignungsbezogene, anschauungsunabhängige Auswahlverfahren in Frage kommen, um Führungspositionen zu besetzen. Die sprachliche Auslegung spricht also eher dafür, unter Wahl eine freie Personalentscheidung zu verstehen; letzte Eindeutigkeit lässt sich indes nicht erreichen. Rechtsgeschichtlich wird in der Diskussion um das Wahlrecht ein globaler Trend zu freien und gleichen Wahlen konzediert, der der Volkssouveränität zum Durchbruch verhelfe.20 Allerdings beziehen sich diese Untersuchungen, soweit ersichtlich, auf die demokratisch-legitimatorische Grundentscheidung des Souveräns, also insbesondere auf die Wahl des Parlaments. Diese Erwägungen lassen sich nicht ohne Weiteres auf Wahlen in anderen Kontexten übertragen. So wurde auch die durch Art. 125 WRV allgemein postulierte Wahlfreiheit ausschließlich auf Wahlen der Staatsbürger bezogen.21 Für eine Erstreckung auf Wahlentscheidungen der Mitglieder des Reichstages unter Freistellung von verfassungsrechtlichen Bindungen im Übrigen bestehen keine Anzeichen. In systematischer Hinsicht ist zu beachten, dass Art. 28 Abs. 1 S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG ausdrücklich freie Wahlen gewährleisten.22 Daraus ließe sich der Umkehrschluss ziehen, dass in allen anderen Fällen, in denen das Grundgesetz die Freiheit der Wahl nicht ausdrücklich anordnet, Freiheit nicht be­ absichtigt war. Denn obwohl die von Art. 28 Abs. 1 S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistete Wahlfreiheit Anforderungen des Demokratieprinzips konkretisiert,23 legt das Grundgesetz keineswegs ausdrücklich fest, dass andere Wahlen durchweg volle Wahlfreiheit der jeweils Wahlberechtigten implizieren und die besonderen Gleichheitssätze insoweit begrenzt sind.24 17  Nohlen, Wahlrecht, S. 23 (Hervorhebung im Original); vgl. ihm folgend Kot­ zur, in: HGR V, § 120 Rn. 10. 18  Vgl. ebenfalls für Bezug zur Demokratie Dietlein, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 115 S. 196. 19  Nohlen, Wahlrecht, S. 23 (Hervorhebung im Original). 20  Vgl. Kotzur, in: HGR V, § 120 Rn. 3 f. 21  Vgl. Anschütz, WRV, Art. 125 Rn. 1. 22  Vgl. zur Entstehungsgeschichte von Art.  38 Abs. 1 S. 1 GG JöR n.  F. 1 (1951), wonach das Adjektiv frei erst in dritter Lesung vom Plenum in den Normtext eingefügt wurde. 23  Vgl. Morlok, in: Dreier, GG II, Art. 38 Rn. 60; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 34; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 158.



B. Modifizierungen aufgrund politischer Entscheidungsformen353

So geht insbesondere mit Wahlen durch das Parlament nicht zwangsläufig eine Freistellung des Parlaments von Grundrechtsbindungen einher.25 Denn das freie Mandat und die Berufung der Abgeordneten auf ihr Gewissen befreien jedenfalls den Bundestag als ganzen auch sonst nicht von seiner Bindung an das Grundgesetz.26 Ebenso wenig ist eine parlamentarische Personalauswahl unter Beachtung des Leistungsgrundsatzes aus praktischen Gründen generell ausgeschlossen. Sie ließe sich etwa durch Wahlvorgaben realisieren, indem die Abgeordneten nur aus dem Kreis der Bestqualifizierten auswählen dürften oder indem das Wahlgremium seine Entscheidung sachlich begründen müsste und diese Begründung gerichtlicher Kontrolle unterläge.27 Die Besetzung eines Amtes durch Wahl bedeutet also bei systematischer Auslegung des Wahlbegriffs nicht zwangsläufig, dass die Wahlorgane nicht an materielle Wahlkriterien gebunden wären und keine „fachbezogene Wahlentscheidung“28 zu treffen hätten. 24

24  Vgl. BVerfGE 39, 247 (254), zur Wahlrechtsgleichheit bei Wahlen der Selbstverwaltungsorgane der Hochschulen; BVerfGE 41, 1 (11) für Wahlen zu Richtervertretungen; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 38 Rn. 2a, wonach die Wahlrechtsgrundsätze nicht für solche Wahlen gelten, bei denen „die spezifische Sachaufgabe anstelle der allgemeinen demokratischen Legitimation im Vordergrund steht“ (ebd.). 25  Vgl. VG Potsdam, Beschl. v. 22.12.2006 – 2 L 745 / 06 –, Juris: Rn. 24; ­Kloepfer, ZBR 2001, 189 (191); Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 47; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 22 S. 1837 f.; Schenke, in: FS Stober, 2008, S. 221 (230); Thesling, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NW, Art. 30 Rn. 15; grundsätzlich für die Bindung mittelbarer Wahlen an Art. 33 Abs. 2 GG Bracher, DVBl. 2001, 19 (24): „Bindung an den Grundsatz der Bestenauslese […] durch die Bindung der Repräsentanten an das Interesse der Körperschaft geradezu gefordert“; ferner BVerw­ GE 105, 89 (92 f.), für die (eingeschränkte) gerichtliche Nachprüfbarkeit von Wahlentscheidungen parlamentarisch legitimierter Richterwahlausschüsse; OVG SN, NJ 2008, 472; OVG Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125). Dass Entscheidungen etwa des Bundesrates hingegen auch „gebundene Rechtsentscheidung[en] […] ohne politischen Ermessensspielraum“ (Kirchhof) sein können, belegt Art. 84 Abs. 4 S. 1 GG, vgl. Kirchhof, in: MD, GG, Art. 84 (2011) Rn. 219; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 25, der die Übertragung rechtlich gebundener Entscheidungen auf ein „primär politisches Organ wie das Parlament ohne Sicherung der Mehrheitsbildung“ (ebd.) für problematisch hält. 26  Vgl. Klein, in: MD, GG, Art. 38 (2010) Rn. 195; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 48; auch Kotzur, in: HGR V, § 120 Rn. 2, der zu Recht darauf hinweist, dass die Rechtsstellung des Bundestagsabgeordneten anders als die des wahlberechtigten Bürgers kein grundrechtsgleiches Recht darstellt. 27  Vgl. OVG LSA, DVBl. 2012, 1450 LS (Juris: Rn. 7), zu einer parlamentarischen Wahlentscheidung vorausgehenden Verfahrensschritten, die eine von Art. 33 Abs. 2 GG gewollte Bestenauslese sicherstellen könnten. 28  OVG Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125), zur Wahl kommunaler Wahlbeamter; vgl. daran anknüpfend Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16, zu Wahlen von Gerichtspräsidenten durch Landesparlamente.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Im Hinblick auf den Zweck parlamentarischer Wahlen ist zu berücksichtigen, welches Amt im Einzelfall besetzt werden soll und welche Anforderungen sich daraus an das Auswahlverfahren ergeben. Die diesbezügliche Arbeitsthese lautet, dass das Grundgesetz die Besetzung der Verfassungsorgane29 nach parteipolitischen Aspekten offensichtlich zulässt, während dies für andere öffentliche (Wahl-)Ämter nicht in vergleichbarer Weise der Fall ist. Für erstere macht die Verfassung den vorübergehenden Sieg im parteipolitischen Wettbewerb30 zur Einstellungsvoraussetzung. Für andere Ämter bleiben hingegen trotz der Besetzung durch Wahl gem. Art. 33 Abs. 2 GG Eignung, Befähigung und fachliche Leistung die Einstellungsvoraussetzungen. Insoweit kann die erforderliche demokratische Legitimation der zu ernennenden Amtsträger auch – möglicherweise sogar besser – durch eine an die allgemeinen verfassungsrechtlichen Vorgaben gebundene eignungsbezogene Auswahlentscheidung gewährleistet werden, selbst wenn die Bestimmung des Bestqualifizierten durch Wahl erfolgt. 2. Bestimmung durch besonders ermächtigte Stellen Unterstellt man die Richtigkeit der soeben entwickelten These im Hinblick auf Wahlen, so könnten sich die entsprechenden Grundsätze auch auf die Zulassung zu öffentlichen Ämtern auf Vorschlag beziehungsweise durch freie Bestimmung durch Organe, die mit einer einzelnen Person besetzt sind, übertragen lassen. Insbesondere bei der Besetzung von Verfassungsorganen – man denke etwa an die Ernennung der Bundesminister auf Vorschlag des Bundeskanzlers gem. Art. 64 Abs. 1 GG – könnte eine nicht an die besonderen Gleichheitssätze gebundene Auswahlentscheidung auch dann zulässig sein, wenn ein entsprechendes Amt nicht durch Wahl besetzt wird, sondern auf Vorschlag einer Einzelperson. 3. Zwischenergebnis zu I. Grundgesetzlich vorgeschriebene Wahlen sind nicht alle notwendig frei. Eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zur Ermöglichung freier Wahlen kann sich aus kollidierendem Verfassungsrecht ergeben,31 doch ist für jede Wahl einzeln durch Auslegung zu ermitteln, ob das Wahlorgan von seiner für das Parlament Meyer, in: HStR III, § 45 Rn. 6. Kotzur, in: HGR V, § 120 Rn. 12; ebenfalls zum Wettbewerb zwischen den Parteien BVerfGE 85, 264 (285) – Parteienfinanzierung; 91, 262 (268) – Parteibegriff; 111, 382 (404) – Drei-Länder-Quorum. 31  s. insbesondere zu den durch Art. 28 Abs. 1 S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG vorgeschriebenen freien (!) Volkswahlen 4. Kap. C. I. 1., 2. 29  Vgl. 30  Vgl.



B. Modifizierungen aufgrund politischer Entscheidungsformen355

Bindung an die besonderen Gleichheitssätze freigestellt werden soll. Dabei ist insbesondere der verfassungsrechtliche Charakter des zu besetzenden Amtes zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für die grundgesetzlich vorgeschriebene Besetzung öffentlicher Ämter auf Vorschlag von oder durch besonders ermächtigte Stellen.

II. Ämterbesetzung durch grundgesetzlich nicht vorgeschriebene Wahl oder Bestimmung Sind die Wahl oder die freie Bestimmung durch eine besonders ermächtigte Stelle als Formen zur Entscheidung über die Vergabe eines öffentlichen Amtes bundesverfassungsrechtlich nicht vorgeschrieben, so stellt sich die Frage, ob sie dennoch einfachgesetzlich oder landesverfassungsrechtlich vorgesehen werden dürfen, sofern dies potenziell zu Beeinträchtigungen von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG führt. Wann eine verfassungsrechtlich nicht ausdrücklich vorgeschriebene freie Wahl stattfinden darf, lege das Grundgesetz nicht fest, so eine teilweise vertretene Auffassung.32 Soweit ersichtlich, wird in dieser Diskussion allerdings nicht hinreichend berücksichtigt,33 dass der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung über die Einführung von Wahlelementen in das Verfahren zur Vergabe öffentlicher Ämter an die besonderen Gleichheitssätze gebunden ist. Weil mit dem Vergabemodus einer freien Volks- oder Parlamentswahl potenziell Anknüpfungen an die politischen Anschauungen der Kandidaten verbunden sind, darf der einfache Gesetzgeber Wahlen zur Vergabe öffentlicher Ämter jedenfalls nicht völlig beliebig vorsehen. Zwar erscheint es denkbar, dass Art. 33 Abs. 2 GG der Besetzung eines Amtes durch Wahl nicht entgegensteht, weil sich für ein Amt leistungsbezogene Eignungskriterien nicht benennen lassen – so möglicherweise für Schöffen, die für die Ausübung ihres Amtes nicht etwa bestmögliche juristische Kenntnisse im Sinne einer fachlichen Qualifikation benötigen –,34 32  Vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 7: „weder durch [Art. 20] Abs. 2 S. 2 noch durch abschließende Aufzählung im GG festgelegt“; dagegen aber Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 31, der zu Recht darauf hinweist, dass eine einfachgesetzliche Zulassung von Wahlen nur dann verfassungsgemäß ist, „soweit das Verfassungsrecht dafür Raum lässt“ (ebd.); ebenfalls sehr zurückhaltend zur Einführung „neue[r] direktdemokratische[r] Elemente“ Grzeszick, in: MD, GG, Art. 20 II (2010) Rn. 113. 33  Vgl. etwa OVG LSA, DVBl. 2012, 1450 LS (Juris: Rn. 3), wo allein auf einfachgesetzliches Landesrecht verwiesen und aus diesem die Nichtgeltung des Art. 33 Abs. 2 GG abgeleitet wird. 34  Vgl. zum Amt des Schöffen §§ 28 ff. GVG und noch 4. Kap. C. II. 2. Dass Schöffen zu wählen sind, folgt aus § 42 GVG.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

doch bleibt die Vergabeentscheidung prinzipiell zumindest an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gebunden, soweit diese Bestimmung nicht verfassungsrechtlich begrenzt ist. Daher ist eine amtsspezifische Begrenzung der grundgesetzlichen Gleichheitssätze erforderlich, wenn Auswahlentscheidungen für öffentliche Ämter durch verfassungsrechtlich nicht vorgeschriebene Wahlen erfolgen sollen und die Wahlorgane dabei nicht den Bindungen der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG unterliegen sollen. Für verfassungsrechtlich nicht vorgeschriebene Wahlen gilt dies unabhängig davon, ob die Auswahlentscheidung durch das Volk oder ein Vertretungsorgan getroffen werden soll.35 Entsprechendes gilt ferner für grundgesetzlich nicht vorgeschriebene Besetzungen öffentlicher Ämter durch freie Bestimmung durch eine besonders ermächtigte Stelle wie etwa die Ernennung der nordrhein-westfälischen Landesminister durch den Ministerpräsidenten gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 Verf. NW.

III. Zwischenergebnis zu B. Zusammenfassend ergibt sich daraus: Soweit das Grundgesetz Wahlen vorsieht, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob eine Freistellung der Wahlorgane von grundrechtlichen Bindungen beabsichtigt ist. Das hängt davon ab, wer zur Wahl ermächtigt wird und welches Amt im Einzelfall zu besetzen ist. Die bloß einfachgesetzlich oder landesverfassungsrechtlich vorgesehene Besetzung öffentlicher Ämter durch freie Wahlen ist nur zulässig, soweit das Grundgesetz – nicht zuletzt bezogen auf Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG – Raum dafür lässt. Entsprechendes gilt für die verfassungsrechtlich vorgesehene oder zugelassene freie Bestimmung durch ein besonders ermächtigtes Organ, das mit einer Einzelperson besetzt ist.

C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter Es fragt sich, ob Ämter innerhalb der obersten Organe von Bund, Ländern und kommunalen Körperschaften (I.), Ämter von Bundes- und Landesrichtern (II.), Ämter von Beamten i. S. v. § 30 Abs. 1 BeamtStG (sogenannte politische Beamte) (III.) und Soldaten i. S. v. § 50 Abs. 1 SoldG (sogenannte politische Soldaten) (IV.), Ämter von kommunalen Wahlbeamten (V.) 35  Vgl. etwa Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u.  a., GG, Art. 33 Rn. 20 f., der im Hinblick auf kommunale Wahlbeamte jedenfalls im Ergebnis nicht zwischen Wahlen durch das Volk oder durch Kommunalvertretungen unterscheidet.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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oder sonstige öffentliche Ämter (VI.) auf verfassungsmäßige Weise politisch gebunden vergeben werden dürfen.

I. Politische Ämter innerhalb der obersten Organe von Bund, Ländern und kommunalen Körperschaften Herkömmlich werden Spitzenämter innerhalb der obersten Organe von Bund, Ländern und kommunalen Körperschaften als „politische[…] Ämter“36 zusammengefasst. Damit beim Zugang zu diesen Ämtern die politischen Anschauungen der Bewerber berücksichtigt werden dürfen, müsste Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG insoweit verfassungsrechtlich begrenzt sein. 1. Bundestagsabgeordnete Die mit einer politischen Wahl der Bundestagsabgeordneten verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen könnte zulässig sein, wenn Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG insoweit durch Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG begrenzt ist. Über die Verteilung der Abgeordnetenmandate für den Deutschen Bundestag wird gem. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG durch Wahl entschieden. Die Wahl dient der demokratischen Teilhabe an der staatlichen Willensbildung, der freien Selbstbestimmung des Volkes und der dazu erforderlichen freien Auswahl von Repräsentanten.37 Weil die Bürger in modernen Demokratien nicht alle Sachentscheidungen selbst treffen können,38 ist die hinreichende demokratische Legitimation dieser Repräsentanten umso wichtiger, eine freie Wahl mithin unerlässlich. Das aktive Wahlrecht für die Wahlen zum Deutschen Bundestag gehört daher zu den wesentlichen staatsbürgerlichen Rechten, durch deren Wahrnehmung das deutsche Volk an der politischen Willensbildung auf Bundesebene teilhat.39 Den Wahlen gem. Art. 38 GG kommt staatsorganisationsrechtlich eine Kreationsfunktion zu, insofern sie eine demokratisch legitimierte, entschei36  BVerfGE 121, 205 (232) – Leitungsamt auf Zeit; kritisch zu diesem Begriff Beilke, Fortentwicklung, S. 56. 37  Vgl. Kotzur, in: HGR V, § 120 Rn. 44. 38  Vgl. Böckenförde, in: HStR III, § 34 Rn. 6 ff.; auch BVerfGE 123, 39 (68) – Wahlcomputer: „Herrschaft des Volkes durch Wahlen mediatisiert“. 39  Vgl. BVerfGE 95, 335 (367, 368 – Sondervotum) – Überhangmandate; 122, 304 (307) – Wahlprüfung; 123, 39 (68) – Wahlcomputer; 131, 316 (334) – Negatives Stimmgewicht; BVerfGE 123, 267 (341) – Lissabon, sieht dieses Teilhaberecht gar „in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) verankert“ (ebd.); Dietlein, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 115 S. 179, m. w. N.; Kotzur, in: HGR V, § 120 Rn. 2.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

dungs- und funktionsfähige Volksvertretung schaffen sollen, die in hohem Maße die unterschiedlichen (politischen) Anschauungen der Volksangehörigen im Parlament integriert.40 Die Wahrung der vom Demokratieprinzip vorausgesetzten Freiheit und Gleichheit der Staatsbürger ist die elementare Voraussetzung, damit die Bundestagswahlen diese Funktionen erfüllen können.41 Daher ordnet Art. 38 Abs. 1 GG – neben anderen Grundsätzen – an, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in allgemeiner, gleicher und freier Wahl gewählt werden. Selbst wenn man die Ausübung des Wahlrechts mit dem BVerfG „als ein Stück Ausübung von Staatsgewalt“42 ansieht, ist der Wahlberechtigte dabei frei und nicht etwa gem. Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsgebunden. Sein Wahlrecht kann er gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG als grundrechtsgleiches Recht im Wege der Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG geltend machen. Unter diesem Aspekt hat das BVerfG das Wahlrecht zu Recht als „politisches Grundrecht“43 bezeichnet. Die Freiheit der Wahl durchbricht insoweit alle sonst bestehenden rechtlichen Bindungen; sie schließt eine Bindung der Wahlberechtigten an inhaltliche Vorgaben wie die der besonderen Gleichheitssätze aus.44 Theoretisch denkbare Rechtsbindungen durch Wahlvorgaben oder diesbezügliche Auswertungsmodalitäten etwa mit Bezug zu den in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Kriterien wären mit der für eine Demokratie konstitutiven Freiheit des Wahlvolkes unvereinbar. Abgesehen von formellen Voraussetzungen wie der Volljährigkeit gem. Art. 38 Abs. 2 2. Hs. GG, der Deutscheneigenschaft gem. § 15 BWahlG45 und den Regelungen zum Wahlvorschlagsrecht gem. §§ 18 ff. BWahlG müssen Wahlbewerber 40  Vgl. BVerfGE 95, 408 (418) – Grundmandatsklausel; 121, 108 (122) – Parteispenden; Dietlein, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 115 S. 179, m. w. N.; für die durch die Funktionsfähigkeit eines Gemeinderates gerechtfertigte Möglichkeit, zu einer Freiheitsstrafe Verurteilte aus dem Rat auszuschließen zuletzt OVG RP, DÖV 2013, 528 Nr. 488 LS. 41  Vgl. BVerfGE 121, 266 (295) – Negatives Stimmgewicht; 124, 1 (18) – Nachwahl; 131, 316 (334) – Negatives Stimmgewicht; Kotzur, in: HGR V, § 120 Rn. 1 f. 42  BVerfGE 8, 104 (115) – Atomwaffen; 122, 304 (307) – Wahlprüfung; vgl. auch BVerfGE 83, 60 (71) – Ausländerwahlrecht HH, wonach sich der Wählende als „Glied des Staatsorgans Volk“ (ebd.) betätige; vgl. aber Meyer, in: HStR III, § 45 Rn. 4, der demgegenüber betont, der Wahlberechtigte wähle „als Bürger, nicht als Teil eines Verfassungs(Staats-)organs“ (ebd.). 43  BVerfGE 1, 208 (242) – Sperrklausel; vgl. daran anknüpfend Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 100; Sachs, in: Stern, StaatsR III / 1, § 64 S. 468. 44  Vgl. Classen, JZ 2002, 1009 (1010); Isensee, in: FG BVerwG, 1978, S. 337 (341); Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (243 f., 250); Pieper, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 20; ferner Köttgen, in: FS Smend, 1962, S. 119 (144); Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16. 45  Gem. BVerfGE 83, 37 (50) – Ausländerwahlrecht SH, soll sich die Deutsch­ eigenschaft als Voraussetzung des passiven Wahlrechts aus dem Volksbegriff des De­



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter359

daher im Vorfeld keine besonderen förmlichen Qualifikationsnachweise erbringen, sondern sie erhalten davon unabhängig ihre Legitimation allein im Wahlakt.46 Zudem ist zu beachten, dass sich Bundestagsabgeordnete im Hinblick auf die Art ihrer Tätigkeiten und Funktionen maßgeblich von Inhabern anderer öffentlicher Ämter unterscheiden. Bundestagsabgeordnete sind gem. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nur ihrem Gewissen unterworfen. Als Mitglieder des Repräsentationsorgans47 Bundestag sollen sie das ganze Volk vertreten und dazu die im Volk vertretenen Meinungen – seien sie auch religiös oder gerade politisch bedingt – im Parlament widerspiegeln. Der Heterogenität des (wahlberechtigten) Volkes entsprechend sind die Qualifikations- und Neu­ tralitätsanforderungen gänzlich anders als die sonst an die Inhaber öffentlicher Ämter zu stellenden Anforderungen. Schließlich werden Parlamentarier nur für eine Wahlperiode gewählt. Anders als auf Lebenszeit ernannte Beamte können Abgeordnete daher nach Ablauf der Wahlperiode abgewählt werden, wenn sie sich als nicht optimal geeignet herausstellen.48 Zwischen Abgeordnetenmandat und klassischen öffentlichen Ämtern i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG bestehen also strukturelle Unterschiede, die im Ergebnis gegen eine Anwendbarkeit der besonderen Gleichheitssätze auf die Wahl von Parlamentsabgeordneten sprechen;49 Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG wird im Hinblick auf den Wahlakt durch Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG quasi-tatbestandlich begrenzt. Folglich ist der demokratische Wahlakt für die Vergabe der Bundestagsmandate quasi-tatbestandlich aus dem Anwendungsbereich der Art. 3 Abs. 3

mokratieprinzips gem. Art. 20 Abs. 2 GG ergeben; ihre Übertragung auf das aktive Wahlrecht wäre dann wohl verfassungsrechtlich geboten. 46  Vgl. Kirchhof, in: HStR V, § 99 Rn. 94. 47  Vgl. zur Repräsentationsfunktion des Bundestages BVerfGE 123, 267 (342) – Lissabon; 126, 55 (72) – Bundeswehreinsatz Heiligendamm; ausführlich Ipsen, StaatsorganisationsR, Rn. 246 ff. 48  Demgegenüber wird gerade die Ernennung von Beamten auf Lebenszeit als Argument für eine strikt am Leistungsprinzip orientierte Beamtenauslese genannt; ferner Classen, JZ 2002, 1009 (1011); Depenheuer, in: HStR III, § 36 Rn. 22; Dol­ linger / Umbach, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 33 Rn. 40; für die Unterscheidung nach der Dauer des Amtes Isensee, in: FG BVerwG, 1978, S. 337 (341); ähnlich Kirchhof, in: HStR V, § 99 Rn. 94; kritisch dagegen Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16; Dollinger / Umbach, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 33 Rn. 37, wonach Art und Weise der Begründung des Amtsverhältnisses irrelevant seien; ferner Schröder, in: HStR V, § 106 Rn. 33 ff. 49  Siehe schon 2. Kap. B. IV.; vgl. ferner OVG BBbg, LKV 2010, 85 (85); Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16; Mayer, Verwaltungsrecht II, S. 252, mangels öffentlicher Dienstpflicht der Abgeordneten.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG ausgeschlossen und eine politisch gebundene Vergabe zulässig.50 2. Volksvertreter in Ländern, Kreisen und Gemeinden Das Grundgesetz enthält für einzelne Ämter der Länder ähnliche Vorschriften: Gemäß Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG muss das Volk in den Ländern eine demokratisch gewählte Vertretung haben. Analog zur Wahl der Bundestagsabgeordneten sind die Wahlberechtigten bei der Wahl ihrer Landesparlamentarier nicht an die Gleichheitssätze gebunden.51 Weiterhin muss das Volk grds.52 gem. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG in Kreisen und Gemeinden eine aus allgemeinen und freien Wahlen hervorgegangene Vertretung haben. Zwar sind deren Mitglieder keine Parlamentsabgeordneten,53 doch schließt die Freiheit der Wahl auch diesbezüglich die Bindung der Wahlberechtigten an bestimmte Auswahlkriterien aus. Ihre demokratische Legitimation erhalten die Volksvertreter aus der direkten Volkswahl, die eine an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gebundene Bestenauslese ersetzt.54 50  Vgl. jedenfalls im Ergebnis ebenso Franz, DöD 1999, 49 (52); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 111; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 15, für „Wahlämter“. Zudem sind im Hinblick auf Bundestagsabgeordnete Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV quasi-tatbestandlich begrenzt. Der einzelne Wahlberechtigte darf seine Wahlentscheidung gem. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG auch vom religiösen Bekenntnis der Bewerber abhängig machen. Daraus folgt allerdings keineswegs, dass anschauungsgebundene Differenzierungen im Zusammenhang mit Wahlen auch im Übrigen problemlos zulässig wären. Vielmehr lässt die Freiheit der Wahl solche Differenzierungen durch den wahlberechtigten Bürger zwar zu, Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl verbieten sie aber der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt. Einschränkungen des passiven Wahlrechts und das sonstige staatliche Verhalten bei Vorbereitung und Durchführung von Wahlen dürfen grundsätzlich nicht an politische Anschauungen der Wahlbewerber oder der Wahlberechtigten anknüpfen; vgl. OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822; Sann­ wald, in: Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG, Art. 33 Rn. 26; für Bindung an Art. 3 Abs. 3 GG insoweit Dietlein, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 115 S. 186; s. ferner BVerfG (K), NJW 1988, 694 (695), das ein kommunalrechtliches Vertretungsverbot an Art. 33 Abs. 2 GG misst. 51  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 111; Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (243, 250); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822; allgemein Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 15, für „Wahlämter“. 52  Entbehrlich ist eine gewählte Körperschaft gem. Art. 28 Abs. 1 S. 4 GG, wenn an ihre Stelle die Gemeindeversammlung tritt. 53  Vgl. Mehde, in: MD, GG, Art. 28 II (2012) Rn. 12. 54  Vgl. Kirchhof, in: HStR V, § 99 Rn. 94. BVerfGE 79, 69 (75) – Eidespflicht, wendet auf Kommunalmandate Art. 33 Abs. 3 S. 1 1. Hs. GG an und spricht von



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter361

Aufgrund dieser Ausgestaltung sind die Wahlen der Mitglieder der Volksvertretungen von Ländern, Kreisen und Gemeinden quasi-tatbestandlich aus dem Anwendungsbereich der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG ausgeschlossen. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG enthält insoweit speziellere, abschließende Regelungen.55 3. Bundespräsident Es fragt sich, ob das Amt des Bundespräsidenten politisch gebunden ver­ geben werden darf und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG dazu verfassungsrechtlich begrenzt ist. Der Bundespräsidenten wird gem. Art. 54 Abs. 1 S. 1 GG von der Bundesversammlung gewählt. Aus einer Zusammenschau der grundgesetzlich zugewiesenen Kompetenzen des Bundespräsidenten – Beglaubigung auswärtiger Gesandter gem. Art. 59 Abs. 1 S. 3 GG, Ernennung und Entlassung von Beamten und anderen Bediensteten des Bundes gem. Art. 60 Abs. 1 GG, Vornahme von Begnadigungen gem. Art. 60 Abs. 2 GG oder Ausfertigung von Gesetzen gem. Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG – folgt dessen Rolle als Staatsoberhaupt; er ist Verfassungsorgan. Für den Bundespräsidenten bestimmt Art. 54 Abs. 1 S. 1 GG deswegen, dass die Wahl ohne Aussprache stattfinden soll, um den Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten zu sichern.56 Jede Diskussion über die Qualieinem staatsbürgerlichen Recht; allerdings ging es im zu entscheidenden Fall nicht um eine Bindung der Wahlberechtigten an (religiöse) Wahlkriterien, sondern um eine gesetzlich vorgesehene Eidespflicht. 55  Vgl. OVG BBbg, LKV 2010, 85 (85); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 24; Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 3; Dollinger / Umbach, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 33 Rn. 40; Franz, DöD 1999, 49 (52); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 109, 111; Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16; Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (244); ohne Begründung Hebeler, DVBl. 2011, 317 (317); Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 43; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1819, 1822; Stern, StaatsR IV / 2, § 115 S. 258; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 31; für die kommunale Ebene unklar Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 25: „eingeschränkt“; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 20, verweist zur Begründung außerdem auf den „Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit“, ohne diesen Zusammenhang näher zu erläutern. Weitergehend Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 24; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 15, allgemein für „Wahlämter“. 56  Vgl. v. Arnauld, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 54 Rn. 28; Herzog, in: MD, GG, Art. 54 (2009) Rn. 40; Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 54 Rn. 17; anders aber Waldhoff / Grefrath, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 54 (2009) Rn. 81, die nur die „‚Dignität‘ des Kreationsakts“ geschützt sehen – diese könnte hingegen auch mit vorheriger Qualifikationsprüfung gewährleistet sein.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

fikation des zukünftigen Bundespräsidenten wäre potenziell geeignet, das Ansehen seines Amtes zu schmälern. Zudem wäre es wohl unmöglich, für den Bundespräsidenten als Staatsoberhaupt ein praxistaugliches Stellenprofil zu entwerfen und unter Bindung an ein solches den am besten geeigneten Kandidaten zu ermitteln. Zweifelhaft wäre ferner, wer für eine solche Auswahlentscheidung zuständig sein sollte. Deswegen schreibt Art. 54 Abs. 1 S. 1 GG die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung vor. Den Kreis der passiv Wahlberechtigten formuliert Art. 54 Abs. 1 S. 2 GG sehr weit, wenn er lediglich die Deutscheneigenschaft, das Wahlrecht zum Bundestage und die Vollendung des 40. Lebensjahres zu Wählbarkeitsvoraussetzungen macht. Entscheidend ist weiterhin, dass die Bundesversammlung gem. Art. 54 Abs. 3 GG aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden, wobei gem. § 2 Abs. 1 BundesversammlungsG die Einwohnerzahlen der Länder zu berücksichtigen sind. Dieses Verfahren soll eine hohe demokratische Legitimation des Gewählten gewährleisten und dabei den föderativen Staatsaufbau berücksichtigen.57 Die Mitglieder der Bundesversammlung sollen eine spezifisch politische Entscheidung treffen. Daraus ergibt sich ihr freies Mandat, das einfachgesetzlich durch den in § 9 Abs. 3 S. 1 BPräsWahlG vorgeschriebenen geheimen Charakter der Wahl sowie die Unabhängigkeit von Aufträgen und Weisungen gem. § 7 S. 2 BPräsWahlG abgesichert ist.58 In Anbetracht dieser demokratischen und föderativen Funktionen des Wahlverfahrens ordnet das Grundgesetz diese speziellen Regelungen den Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG vor. Die Wahlentscheidung der Mitglieder der Bundesversammlung ist daher quasi-tatbestandlich aus dem Anwendungsbereich dieser besonderen Gleichheitssätze ausgeschlossen.59

57  Vgl. Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 54 Rn. 10, der zugleich begründet, warum eine direkte Volkswahl des Bundespräsidenten vor dem Hintergrund der deutschen Verfassungsgeschichte abzulehnen ist. 58  Vgl. ausdrücklich für das „freie Mandat“ Butzer, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 54 Rn. 88; für kraft Verfassungsrechts weitgehend an Bundestagsabgeordnete angeglichene Rechtsstellung: v. Arnauld, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 54 Rn. 28; Fink, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 54 Rn. 48; BVerfGE 130, 367 (370) – Wahlbeobachter, nennt lediglich das Recht „an den notwendigen Abstimmungen und der Wahl des Bundespräsidenten teilzunehmen“. 59  Vgl. OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496); Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 3; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (244); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter363

4. Bundeskanzler Es fragt sich, ob das Amt des Bundeskanzlers politisch gebunden vergeben werden darf und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG dazu verfassungsrechtlich begrenzt ist. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG könnte dafür sprechen, dass Bundestagsabgeordnete60 in parlamentarischen Personalentscheidungen frei sind. Allerdings geht mit der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Wahl durch das Parlament nicht zwangsläufig eine Freistellung von Grundrechtsbindungen einher.61 Ob eine solche Freistellung beabsichtigt ist, ist vielmehr amtsspezifisch durch Auslegung zu ermitteln, wobei besonders der Charakter des zu vergebenden Amtes sowie das Maß an demokratischer Legitimation des Wahlorgans zu berücksichtigen sind. Bei dem Amt des Bundeskanzlers handelt es sich um ein Verfassungsorgan. Art. 63 Abs. 1 GG bestimmt ausdrücklich, dass der Bundeskanzler gewählt wird und die Wahl (in diesem ersten Wahlgang) zudem ohne Aus­ sprache stattfinden soll. Das verfassungsrechtliche Verbot einer Aussprache zeigt, dass eine Entscheidung ohne Debatte insbesondere auch zur Qualifikation des vom Bundespräsidenten vorgeschlagenen Kandidaten möglich sein soll. Es soll den zukünftigen Bundeskanzler vor einer Vorabdiskussion seiner politischen Absichten schützen62 und so seine politische Entscheidungsfreiheit wahren. Jede Diskussion über die Qualifikation des zukünftigen Bundeskanzlers wäre potenziell geeignet, das Ansehen seines Amtes zu schmälern oder ihn politisch unter Druck zu setzen. Das spricht dagegen, dass anhand von Zeugnissen und objektiven Bewertungen der i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG am besten geeignete Bewerber ermittelt werden soll. Denn die politische Führungsauslese in der parlamentarischen Demokratie kennt kein rechtliches Vorzugskriterium.63 Vielmehr will das Grundgesetz, dass derjenige Kandidat das Amt des Bundeskanzlers erhält, der die meisten Stimmen der Bundestagsabgeordneten auf sich vereinigt und so dokumentiert, dass er das politische Vertrauen der Mehrheit genießt. Durch die Ausgestaltung des Kreationsakts lässt das Grundgesetz also erkennen, dass die Abgeordneten frei nach ihrer politischen Überzeugung entscheiden dürfen, wer Bundeskanzler wird. Das schließt eine Wahl unter Bindung an die Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung aus. 60  Vgl.

für nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Art. 30 Abs. 2 Verf. NW. schon 4. Kap. B. 62  Vgl. Herzog, in: MD, GG, Art. 63 (2008) Rn. 28; Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 63 Rn. 22. 63  Vgl. OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496); Isensee, Parteienzugriff, S. 52 (61). 61  Siehe

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Die Wahl des Bundeskanzlers ist demnach quasi-tatbestandlich aus dem Anwendungsbereich der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG ausge­ schlossen,64 sodass die Berücksichtigung politischer Anschauungen verfassungsgemäß ist.65 Ist das Recht der Bundestagsabgeordneten zur freien politischen Wahl des Bundeskanzlers anerkannt, so kann dem Bundespräsidenten bei der anschließenden Ernennung gem. Art. 63 Abs. 2 S. 2 GG insoweit kein Prüfungsrecht mehr im Hinblick auf die Beachtung der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG zukommen. In Anbetracht von deren quasi-tatbestandlicher Begrenzung gehören diese nicht (mehr) zu den „formalen Voraussetzungen für eine Ernennung“66, deren Einhaltung der Bundespräsident im Übrigen zu prüfen hat.67 5. Bundesminister Es fragt sich, ob die Ämter der Bundesminister politisch gebunden vergeben werden dürfen und Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG dazu verfassungsrechtlich begrenzt sind. Bundesminister werden gem. Art. 64 Abs. 1 GG auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt. Als Mitglieder der Bundesregierung sind die Bundesminister Teil eines eigenständigen Verfassungsorgans und nicht bloß ausführendes Organ des Bundestages68 beziehungsweise – unbeschadet ihrer Bindung an Gesetz und Recht – nicht bloß zur Ausführung von Gesetzen berufen. Bundesminister stehen gem. § 1 BMinG 64  Vgl. allgem. für Regierungsmitglieder: OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496); OVG BBbg, LKV 2010, 85 (85); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 24; Berg­ mann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 3; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; wohl ebenso („eingeschränkt“) Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 25; ohne Begründung Hebeler, DVBl. 2011, 317 (317). 65  Vgl. Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (244); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822 Fn. 744. Die Kritik von Franz, Dilettanten, S. 9 ff., an den vom Bundestag gewählten Kanzlern kann daher allenfalls als politische Kritik verstanden werden; ein Rechtsverstoß mangels angeblich hinreichender Eignung der Gewählten liegt nicht vor; vgl. die kritische Anmerkung von Leuze, PersV 2009, 37. 66  Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 64 Rn. 15, m. w. N. 67  Vgl. Nettesheim, in: HStR III, § 62 Rn. 7 f., der mit Recht darauf hinweist, dass sich die präsidiale Prüfungszuständigkeit insoweit auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Dem Bundespräsidenten steht also im Zusammenhang mit der Ernennung kein eigener politischer Ermessensspielraum zu; ähnlich Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 63 Rn. 24: „– formelles – Prüfungsrecht“; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 63 Rn. 2. 68  Vgl. Badura, in: FS Quaritsch, 2000, S. 295 (301).



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter365

in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis eigener Art zum Bund und unterscheiden sich wesentlich von Beamten.69 Für die Bindung von Bundeskanzler und Bundespräsident an die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes bei der Entscheidung über Vorschlag und Ernennung von Bundesministern könnte sprechen, dass über die Besetzung der Ministerämter nicht durch freie Wahl entschieden wird, sondern auf Vorschlag einer Einzelperson.70 Folglich lässt sich hier jedenfalls nicht die Wahlfreiheit als Argument gegen eine Bindung an die Gleichheitssätze anführen. Allerdings sind die Bundesminister als Teil der Bundesregierung und auch eigenständig Verfassungsorgane. Das Grundgesetz setzt etwa in den Vorschriften über die Ministerauswahl durch den Bundeskanzler voraus, dass die Mitglieder der Bundesregierung – unbeschadet ihres Auftrags, ihre Tätigkeit am Wohl aller Bürger auszurichten – in aller Regel politisch geprägt sind. Es ist gerade die Aufgabe des Bundeskanzlers, gem. Art. 65 S. 1 GG die Richtlinien der Politik zu bestimmen, von deren Umsetzung durch die Bundesregierung das Grundgesetz ausgeht.71 Daher ist die Bundesregierung in geringerem Maße als etwa der Bundespräsident zu politischer Neutralität verpflichtet.72 Art. 64 Abs. 1 GG begründet zudem ausdrücklich ein Vorschlagsrecht des Bundeskanzlers: Art. 63 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1, Art. 65 S. 1 GG räumen ihm in Anbetracht der Erfahrungen der wenig stabilen Regierungen der Weimarer Zeit eine gegenüber Bundespräsident und Bundestag hervorgehobene Stellung ein, die sich im stark beschränkten präsidialen Einfluss auf die Regierungsbildung73 sowie im materiellen Kabinettsbildungsrecht des Bundeskanzlers74 manifestiert. Diese starke Position des Bundeskanzlers, der 69  Bis hinein in die Weimarer Zeit waren die Reichsminister hingegen Beamte. Vgl. zum Ganzen BT-Drs. 1 / 3551, S. 6; Badura, in: FS Quaritsch, 2000, S. 295 (295); Frenzel, ZBR 2008, 243 (244); Wiese, Staatsdienst, S. 166. 70  Vgl. für eine Abgrenzung nach gewählten und ernannten Amtsträgern aber etwa Kirchhof, HStR V, § 99 Rn. 94. Erachtete man mit OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496); Dietrich, Richterwahlausschüsse, S. 163, allein die Exekutive als an Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, würde sich weiter die Frage stellen, ob diese immer gebunden sein soll oder nur unter bestimmten Voraussetzungen. 71  Vgl. Beilke, Fortentwicklung, S. 56; Schröder, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 65 Rn. 26. 72  Vgl. Schröder, HStR III, § 64 Rn. 32: „notwendig ‚Parteiregierung‘“. 73  Vgl. Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 63 Rn. 5. 74  Vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 139 ff.; Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 64 Rn. 3, 7; Badura, in: FS Quaritsch, 2000, S. 295 (297 f.); ferner JöR n. F. 1 (1951), 424, gegen parlamentarische Verantwortlichkeit der einzelnen Minister, sondern für alleinige Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

wiederum direkt parlamentarisch gewählt ist und daher ein hohes personelldemokratisches Legitimationsniveau besitzt, soll nicht geschwächt werden. Auch Art. 66 GG, §§ 4 f. BMinG regeln daher lediglich unterschiedliche Inkompatibilitäten, normieren aber keinerlei materielle Auswahlkriterien für die Bestellung der Bundesminister. Art. 64 Abs. 1 GG macht allein den Vorschlag des Bundeskanzlers und den damit verbundenen Vertrauensbeweis zur Voraussetzung einer Ernennung zum Bundesminister. Der Bundeskanzler soll berechtigt, nicht aber verpflichtet75 sein, bei der Ausübung seines Vorschlagsrechts auch politische Anschauungen zu berücksichtigten. Er ist dabei also – im Rahmen der spärlichen gesetzlichen Anforderungen an Bundesminister – frei und kann nach seiner politischen Überzeugung entscheiden.76 Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG sind insoweit quasi-tatbestandlich begrenzt.77 75  Trotz aller Unterschiede ähnelt die Situation damit der Besetzung unterschiedlicher öffentlicher Ämter aus dem religiösen Kontext, bei denen die Zustimmung der jeweiligen Religionsgemeinschaft Voraussetzung für den Zugang zu betroffenen Ämtern ist. Die Religionsgemeinschaften können bei der Entscheidung über ihre Zustimmung ihrem Selbstverständnis entsprechend religiöse Anschauungen der Bewerber berücksichtigen, müssen dies aber nicht tun; s. dazu schon oben 2. Kap. D. II. 5., 3. Kap. A. I. 2. Während indes im Fall der Religionsgemeinschaften eine Kettenanknüpfung des Staates vorliegt, knüpft der grundrechtsgebundene Bundeskanzler bei der Ausübung seines Vorschlagsrechts gegebenenfalls ausdrücklich und selbst an politische Anschauungen an. 76  Vgl. Herzog, in: MD, GG, Art. 64 (2008) Rn. 9: „freie[s] Ermessen“; Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 64 Rn. 13: „keine Bindungen“ neben Voraussetzungen nach dem BMinG; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 64 Rn. 2: „Personalbestimmungsrecht“; Schröder, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 64 Rn. 26: „Entscheidungsfreiheit“; Uhle, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., Art. 64 Rn. 15: „prinzipiell frei“. Angesichts dieser grundgesetzlich begründeten Kompetenz ist es unerheblich, dass die Bundesminister nicht gewählt, sondern allein vom Bundeskanzler vorgeschlagen werden; vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 110; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822; Trute, in: AKGG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 31. Siehe aber Kirchhof, in: HStR V, § 99 Rn. 94, der zwischen gewählten und ernannten Amtsträgern unterscheidet, wobei sich letztere durch eine besondere Qualifikation für das Amt legitimieren müssten. Die daraus bei konsequenter Anwendung resultierende Folge einer Qualifikationspflicht für die zu ernennenden Bundesminister spricht Kirchhof aber zumindest nicht aus. Auch Pie­ per, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 20, spricht die Freistellung von den Maßgaben des Art. 33 Abs. 2 GG nur für „die durch die Parlamente gewählten Regierungsmitglieder“ (ebd.) ausdrücklich aus und äußert sich nicht zu ernannten Mitgliedern. 77  Vgl. OVG BBbg, LKV 2010, 85 (85); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 24; Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 3; wohl ebenso („eingeschränkt“) Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 25; Isensee, ZBR 2004, 3 (9); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822; ohne Begründung Hebeler, DVBl. 2011, 317 (317); nur für die „durch Parlamente gewählten Regierungsmitglieder“ Pieper, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 20.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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Ist das politische Vorschlagsrecht des Bundeskanzlers anerkannt, so kann dem Bundespräsidenten bei der anschließenden Ernennung insoweit kein Prüfungsrecht mehr im Hinblick auf die Beachtung der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG zukommen. In Anbetracht von deren quasi-tatbestandlicher Begrenzung gehören diese nicht (mehr) zu den formalen Voraussetzungen für eine Ernennung, deren Einhaltung der Bundespräsident im Übrigen zu prüfen hat.78 6. Sonstige Ämter im unmittelbaren Umfeld von Bundestag und Bundesrat Im unmittelbaren Umfeld von Bundestag und Bundesrat existieren weitere Ämter, die nur dann politisch gebunden vergeben werden dürfen, wenn Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG insoweit verfassungsrechtlich begrenzt ist. Bei der Entscheidung, ob eine Begrenzung vorliegt, sind sowohl die Qualität und das Maß an personeller demokratische Legitimation des Wahlorganes zu berücksichtigen als auch der Charakter des zu vergebenden Amtes.79 a) Mitglieder einzelner Organisationseinheiten von Bundestag und Bundesrat Unterschiedlich detaillierte Sonderregelungen enthält das Grundgesetz für die Auswahl von Mitgliedern einzelner Organisationseinheiten von Bundestag und Bundesrat, insbesondere von deren Leitungsorganen. Dazu zählen namentlich die Wahl des Bundestagspräsidiums gem. Art. 40 Abs. 1 S. 1 GG und des Bundesratspräsidenten gem. Art. 52 Abs. 1 GG. Weiterhin gehören die Benennung der Mitglieder der Ausschüsse von Bundestag (§ 57 Abs. 2 GO-BT) und Bundesrat (§ 11 Abs. 2 GOBR) sowie die Bestimmung der Ausschussvorsitzenden (§ 58 GO-BT, § 12 GOBR) zu dieser besonderen Gruppe von Funktionsträgern. Dass das Grundgesetz nicht für alle genannten Ämter eine Wahl vorschreibt, ist im Hinblick auf eine Begrenzung der besonderen Gleichheitssätze jedenfalls nicht allein entscheidend. Denn eine Wahl ist weder notwendige noch hinreichende Bedingung für eine Freistellung von der prinzipiell bestehenden Grundrechtsbindung.80 78  Vgl. Herzog, in: MD, GG, Art. 64 (2008) Rn. 14; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 64 Rn. 4; Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 64 Rn. 15; s. aber Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 64 Rn. 1, wonach der Bundespräsident „politische Bedenken“ äußern dürfen soll; ähnlich Schröder, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 64 Rn. 28; auch allgemein zu dem insgesamt umstrittenen Prüfungsrecht Nettesheim, in: HStR III, § 62 Rn. 49 f. 79  Siehe schon 4. Kap. B. 80  Siehe schon 4. Kap. B.

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Grundgesetzlich vorgeschrieben sind die Wahlen des Bundestagspräsidiums gem. Art. 40 Abs. 1 S. 1 GG sowie des Präsidenten des Bundesrates gem. Art. 52 Abs. 1 GG. Zwar handelt es sich dabei nicht um Volkswahlen, doch entscheiden Parlamentsmitglieder, die eine hohe personelle demokratische Legitimation besitzen. Zudem handelt es sich bei den zu besetzenden Ämtern um Teile beziehungsweise Organisationseinheiten von Verfassungsorganen. Deswegen sollen die Mitglieder von Bundestag beziehungsweise Bundesrat bei diesen Wahlen frei und (auch) anhand politischer Kriterien entscheiden dürfen, wen sie in das Präsidium wählen.81 Das bewirkt eine quasi-tatbestandliche Begrenzung der grundgesetzlichen Gleichheitssätze.82 Besetzung und Arbeit der Bundestagsausschüsse werden vom Grundgesetz nur lückenhaft geregelt. In der Parlamentspraxis haben die Ausschüsse gleichwohl wichtige Funktionen: Sie strukturieren die Entscheidungsprozesse des Bundestags vor, entlasten das Plenum insbesondere durch die Erarbeitung von Entwürfen und Gesetzesvorlagen und ermöglichen durch Arbeitsteilung insgesamt einen Zuwachs an parlamentarischen Steuerungsmöglichkeiten etwa gegenüber der Regierung. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, müssen Ausschüsse ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und insbesondere dessen politischen Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln.83 Allgemeine verfassungsrechtliche Grundlage dieser Ämter ist die in Art. 40 Abs. 1 S. 2, Art. 52 Abs. 3 S. 2 GG verankerte Organisationsautonomie von Bundestag und Bundesrat. Sie soll gewährleisten, dass Bundestag und Bundesrat ihre Aufgaben unabhängig von anderen Verfassungsorganen wahrnehmen und sich in der dazu notwendigen Form organisieren können.84 Insbesondere umfasst diese Autonomie das Recht, sich in Ausschüssen, 81  Vgl. allerdings zur parlamentarischen Übung Klein, in: MD, GG, Art. 40 (2007) Rn. 89; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 40 Rn. 5; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 40 Rn. 1, wonach die stärkste Fraktion den Bundestagspräsidenten stellt, was indes nicht verfassungsgewohnheitsrechtlich vorgeschrieben ist; zum Bundesrat, wo in der Praxis die Regierungschefs der Länder in der Reihenfolge der Einwohnerzahlen der Länder gewählt werden: Maunz, in: MD, GG, Art. 52 (1961) Rn. 5; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 52 Rn. 1. 82  Vgl. Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (250). Gleichwohl treffen die Gewählten bei ihrer Amtsausübung besondere Neutralitätspflichten; vgl. etwa BVerfGE 106, 310 (333) – Zuwanderungsgesetz, gegen die Zulässigkeit einer politischen „Lenkung des Abstimmungsverhaltens“ (ebd.) durch den Bundesratspräsidenten; allgemein Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 50 (1961) Rn. 25. 83  Vgl. BVerfGE 80, 188 (221 ff.) – Wüppesahl; 84, 304 (323) – Fraktionsprinzip. 84  Vgl. BVerfGE 80, 188 (219) – Wüppesahl; 102, 224 (235) – Funktionszulage; Bollmann, Selbstorganisationsrecht, S. 72 f.; Brocker, in: BK, GG, Art. 40 (2011) Rn. 59, auch zur Unterscheidung zwischen Organisations- und Verfahrensautonomie; Klein, in: MD, GG, Art. 40 (2007) Rn. 29; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 40 Rn. 1.



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Kommissionen oder „monokratische[n] Organe[n]“85 i. S. v. Beauftragten zu organisieren.86 Im Grundgesetz müssen die betroffenen organisatorischen Einrichtungen nicht ausdrücklich vorgesehen sein. Zwar wird die Organisationsautonomie prinzipiell nur im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen gewährleistet,87 doch ist bei der Bestimmung ihrer Reichweite insbesondere auch die Verfassungstradition zu beachten, die herkömmlich politisch gebundene Ämter im Umfeld des Parlaments vorsieht.88 Maßgeblich ist zudem der Zweck der Organisationsautonomie, die Funktionsfähigkeit des Parlaments möglichst optimal sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund ist etwa das Recht des Bundestages, besonders zu entschädigende Funktionsstellen zu schaffen, bundesverfassungsgerichtlich ausdrücklich anerkannt.89 Gleiches gilt für die im Grundgesetz nicht ausdrücklich vorgeschriebene Wahl der Vizepräsidenten und Schriftführer des Bundesrates gem. § 5 Abs. 1, § 10 Abs. 1 GOBR.90 Folglich werden die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes durch die parlamentarische Organisationsautonomie gem. Art. 40 Abs. 1 S. 2, 85  Brocker,

in: BK, GG, Art. 40 (2011) Rn. 172. Brocker, in: BK, GG, Art. 40 (2011) Rn. 165 ff.; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 40 Rn. 2; allgemeiner Lang, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 40 (2007) Rn. 35; Versteyl, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 40 Rn. 16. Ferner unterfällt wohl der Zusammenschluss zu Fraktionen als „notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens“ (BVerfGE 80, 188 [219] – Wüppesahl) der Organisationshoheit. 87  Vgl. Bollmann, Selbstorganisationsrecht, S. 75 ff.; Klein, in: MD, GG, Art. 40 (2007) Rn. 72 f.; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 40 Rn. 1. 88  Vgl. Klein, in: MD, GG, Art. 40 (2007) Rn. 29, der darauf hinweist, dass hergebrachte „Selbstverständlichkeiten“ als „unbestrittener ‚Besitzstand‘ des Parlaments“ von der Geschäftsordnungsautonomie erfasst seien, ohne, dass dies explizit hätte geregelt werden müssen; s. auch ebd. Rn. 35 f. zur „Unabgeschlossenheit der geschriebenen Geschäftsordnung“ (Rn. 35). 89  Vgl. BVerfGE 102, 224 (235, 237) – Funktionszulage. Tatsächlich handelte es sich bei den betroffenen Ämtern um die Vorsitzenden von (Landtags-)Fraktionen, die herkömmlich unbestritten anhand der politischen Anschauungen vergeben werden. Primärer Gegenstand der Entscheidung war zudem die Funktionszulage und nicht die Einrichtung des Amtes. Vgl. ferner Bericht und Empfehlungen der Unabhängigen Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts, BT-Drs. 17 / 12500, S. 33; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 40 Rn. 8. Siehe zu Mitarbeitern von Fraktionen noch 4. Kap. C. I. 6. e); im vom BVerfG entschiedenen Fall wurde die Fraktionszulage indes – vergleichbar der Zulagen für den Bundestagspräsidenten gem. § 11 Abs. 2 AbG – unmittelbar vom Parlament bezahlt und nicht als Gehalt für ein etwaiges mit der Fraktion bestehendes Arbeitsverhältnis. Auf Bundesebene werden Leistungen an Fraktionsmitglieder für die Wahrnehmung besonderer Funktionen in der Fraktion hingegen von den Fraktionen bezahlt (vgl. § 52 Abs. 2 Ziff. 2 lit. a AbgG); so nun auch (wieder) BT-Drs. 17 / 12500, S. 36, wonach fraktionsinterne Ämter „zwingend aus Fraktionsmitteln“ (ebd.) zu vergüten sind. 90  Vgl. zu den entsprechenden Ämtern beim Bundestag Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (250). 86  Vgl.

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Art. 52 Abs. 3 S. 2 GG quasi-tatbestandlich begrenzt im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der Mitglieder einzelner Organisationseinheiten von Bundestag und Bundesrat. b) Parlamentarische Mitglieder des Richterwahlausschusses gem. Art. 95 Abs. 2 GG Die parlamentarischen Mitglieder des Richterwahlausschusses werden gem. Art. 95 Abs. 2 GG vom Bundestag gewählt. Gem. Art. 95 Abs. 2 GG besteht der Bundeswahlausschuss neben den Fachministern aus demokratisch vom Bundestag gewählten Repräsentanten des Volkes beziehungsweise seiner Vertretung. Ausschussmitglieder müssen gem. § 4 Abs. 1 RiWahlG das passive Wahlrecht zum Bundestag besitzen und im Rechtsleben erfahren sein. Weitere materielle gesetzliche Eignungsanforderungen sind nicht ersichtlich. Das Zusammenwirken von Exekutive und Legislative im Richterwahlausschuss soll einer verstärkten demokratischen und bundesstaatlichen Legitimation der zu wählenden Bundesrichter dienen.91 Die vom Bundestag gewählten Ausschussmitglieder sollen den Gewählten also primär eine hohe demokratische Legitimation vermitteln. Die fachliche Qualifikation späterer Kandidaten um ein Bundesrichteramt wird in der Praxis insbesondere durch Beurteilungen vorgesetzter Richter bewertet.92 Deswegen benötigen die vom Parlament gewählten Ausschussmitglieder keine förmliche juristische Ausbildung.93 So verdeutlicht Art. 95 Abs. 2 GG – auch in Anbetracht der Organisationsautonomie des Bundestages aus Art. 40 Abs. 1 GG –,94 dass die Bundestagsabgeordneten frei darüber entscheiden dürfen, wen sie nach ihrer persönlichen (politischen) Meinung für geeignet halten, den Bundestag und damit mittelbar das deutsche Volk im Richterwahlausschuss zu repräsentieren. Dieser Rückkopplung an die politischen Mehrheitsverhältnisse im 91  Vgl. Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 95 Rn. 17; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 95 Rn. 4. Siehe auch Jachmann, in: MD, GG, Art. 95 (2011) Rn. 129, die unter Berufung auf Art. 3 (Abs. 3 S. 1), Art. 33 Abs. 2 GG zugleich den Schutz der obersten Gerichtshöfe vor Ämterpatronage beabsichtigt sieht; eine anschauungsungebundene Besetzung des Richterwahlausschusses ist dazu indes nach der grundgesetzlichen Regelung nicht erforderlich, was sich an der Einbeziehung der (in der Regel anhand ihrer politischen Anschauungen ausgewählten) Justizminister ablesen lässt. 92  Dass der Richterwahlausschuss von solchen fachlichen Bewertungen gleichwohl abweichen kann (vgl. Jachmann, in: MD, GG, Art. 95 (2011) Rn. 133), ändert daran nichts; vgl. etwa dennoch für „[e]ntscheidende Bedeutung“ Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 95 Rn. 18. 93  Vgl. Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 95 Rn. 15; Jachmann, in: MD, GG, Art. 95 (2011) Rn. 129. 94  Siehe dazu schon 4. Kap. C. I. 6. a).



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Bundestag entspricht zudem die einfachgesetzliche Regelung des § 5 Abs. 5 RiWahlG, wonach die gewählten Ausschussmitglieder dem Grundsatz der Diskontinuität unterliegen und zu Beginn jeder Wahlperiode neu zu wählen beziehungsweise zu bestätigen sind.95 Folglich ist die Wahl der Mitglieder des Richterwahlausschusses des Bundestages quasi-tatbestandlich aus dem Anwendungsbereich der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG ausgeschlossen. c) Parlamentarische Staatssekretäre Es fragt sich, ob beim Zugang zu den Ämtern der Parlamentarischen Staatssekretäre politische Anschauungen berücksichtigt werden dürfen und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG insoweit begrenzt ist. Parlamentarische Staatssekretäre sind in der deutschen Verfassungsgeschichte ohne längerfristiges Vorbild.96 Gleichwohl hat der Parlamentarische Rat bei der Beratung des heutigen Art. 62 GG diskutiert, ob Parlamentarische Staatssekretäre grundgesetzlich vorgesehen werden und gegebenenfalls Mitglieder der Bundesregierung sein sollten.97 Schließlich entschied sich der Rat indes gegen eine Erwähnung im Grundgesetz,98 um die Entwicklung dieser Institution der Praxis zu überlassen.99 Seit 1967 ist einfachgesetzlich vorgesehen, dass den Mitgliedern der Bundesregierung zu deren Unterstützung Parlamentarische Staatssekretäre beigegeben werden können, vgl. § 1 Abs. 1, 2 ParlStG.100 Diese Parlamentarischen Staatssekretäre müssen grundsätzlich101 Mitglied des Deutschen 95  Vgl. Heusch, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 95 Rn. 15; Schmidt-Räntsch, DRiG, § 6 RiWahlG Rn. 5. 96  Vgl. Schäfer, DÖV 1969, 38 (38); Wieser, Staatssekretär, S. 28, auch zu politischen Ministergehilfen in der Weimarer Republik; zur Übergangszeit zu Beginn der Weimarer Republik, als es kurzzeitig Parlamentarische Staatssekretäre gab An­ ders, DÖV 1967, 611. 97  Vgl. Art. 43 Abs. 2 Verf. BY, wonach in Bayern Staatssekretäre Mitglieder der Staatsregierung sind. 98  Vgl. JöR n. F. 1 (1951), 425. 99  Siehe noch 4. Kap. C. III. 4. a) zu beamteten Staatssekretären; ferner Böcken­ förde, Organisationsgewalt, S. 228 ff., 233, der in der Nichterwähnung ausdrücklich keine Ablehnung der Verfassungsmäßigkeit parlamentarischer Staatssekretäre sieht, sofern drei Voraussetzungen (kein Nebenminister, kein Kabinettsrang, kein politischer Gegenminister) erfüllt seien. 100  Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre v. 6.4.1967, BGBl. I 396; ersetzt durch das gleichnamige ParlStG. 101  Ausnahmsweise kann gem. Art. 1 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre v. 15.1.1999, BGBl. I

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Bundestages sein. Sie werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem betroffenen Bundesminister ernannt und können jederzeit entlassen werden gem. § 4 S. 1 ParlStG. Ansonsten endet ihr Amtsverhältnis mit dem Ausscheiden des zuständigen Ministers aus der Bundesregierung, vgl. § 4 S. 3 ParlStG. Während Parlamentarische Staatssekretäre ursprünglich in erster Linie als Bundestagsabgeordnete angesehen wurden, die zusätzlich besondere Aufgaben in der Pflege der Verbindungen zwischen parlamentarischen Gremien und dem Ministerium erfüllten,102 wurde ihre persönliche Rechtsstellung später weitgehend an die der Bundesminister angepasst, was sich insbesondere an der Einführung von Amtsbezügen und einer besonderen Versorgungsregelung ablesen lässt.103 Ebenso wie Bundesminister stehen Parlamentarische Staatssekretäre zum Bund gem. § 1 Abs. 3 ParlStG in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis; sie sind aber nicht Mitglieder der Bundesregierung und anders als die verbeamteten Staatssekretäre keine Beamten. Gleichwohl sind die Parlamentarischen Staatssekretäre Inhaber eines öffentlichen Amtes i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG, dessen Vergabe prinzipiell auch von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG erfasst wird. Eine anschauungsgebundene Ämtervergabe ist daher nur dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn die Gleichheitssätze insoweit begrenzt sind. Parlamentarische Staatssekretäre werden im Grundgesetz weder erwähnt noch sonst unter Durchbrechung der Bindung an die besonderen Gleichheitssätze ausdrücklich zugelassen.104 Auch aus der skizzierten Diskussion im Parlamentarischen Rat über die grundgesetzliche Verankerung ergibt sich nicht, dass dieses Amt unbeschadet anderer verfassungsrechtlicher Vorgaben zulässig wäre. In Anbetracht dieses Befundes ist die Verfassungsmäßigkeit des ­Amtes der Parlamentarischen Staatssekretäre teilweise bestritten worden;105 10 (sogenannte Lex Naumann), bei der Ernennung eines Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundeskanzler vom Erfordernis der Bundestagszugehörigkeit des zu Ernennenden abgesehen werden. 102  So die Regierungsbegründung zu § 5 ParlStG, in: BT-Drs. V / 1402, S. 3. 103  Vgl. Neumann, ZRP 2002, 203 (205); Uhle, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 62 Rn. 34. 104  Vgl. Klein, DVBl. 1965, 862 (863); Maurer, StaatsR I, § 14 Rn. 11; ferner Schäfer, DÖV 1969, 38 (40); unbelegt bleibt die Behauptung, eine Regelung sollte „der Bundesregierung oder einem Bundesgesetz“ überlassen werden (können), so aber Laufer, Staatssekretär, S. 28 f. 105  Vgl. je nach Aufgabenstellung im Einzelfall für Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip unter Verweis auf Art. 137 Abs. 1 GG Schäfer, DÖV 1969, 38 (44), der allerdings zu beachten hat, dass Parlamentarische Staatssekretäre mangels Beamteneigenschaft von Art. 137 Abs. 1 GG nicht erfasst sind, vgl. Stober / Lackner, in: BK, GG, Art. 137 I (2004) Rn. 294; kritisch ferner v. Münch / Mager, Staatsrecht I, Rn. 354; Staff, Staatssekretäre, S. 56 f.



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sie wird aber heute ganz überwiegend bejaht.106 Nicht diskutiert wird allerdings, soweit ersichtlich, ob entgegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ein politisch gebundener Zugang zum Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs zulässig ist und woraus gegebenenfalls die Begrenzung des besonderen Gleichheitssatzes folgen soll. Eine solche Begrenzung könnte sich ähnlich wie bei beamteten Staatssekretären [s. noch 4. Kap. C. III. 4. a)] aus den Grundgesetzbestimmungen ergeben, die die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung voraussetzen. Das würde erfordern, dass politisch ausgewählte Parlamentarische Staatssekretäre zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Bundesregierung förderlich sind. Die Arbeitsbelastung der Mitglieder der Bundesregierung hat sich seit Inkrafttreten des Grundgesetzes tendenziell erhöht; oftmals übersteigen die vielfältigen Aufgaben der Regierungsmitglieder die Arbeitskraft einer Person.107 Deswegen benötigen die Regierungsmitglieder zu ihrer Unterstützung kompetente und vertrauenswürdige Mitarbeiter, einen „besonders qualifizierten Gehilfen als engsten Mitarbeiter“108, womit Wieser in seiner rechtsvergleichenden Untersuchung wohl einen parlamentarischen Staatssekretär meint, den er ausdrücklich vom höchsten Beamten eines Ministeriums unterscheidet. Allerdings müssten zur Rechtfertigung einer politisch bedingten Auswahl der Parlamentarischen Staatssekretäre weiterhin gerade politisch gebundene Unterstützer erforderlich sein. Dies ist nur insoweit der Fall, als Parlamentarische Staatssekretäre ihren Minister von solchen Aufgaben entlasten, für deren Erfüllung sie eine bestimmte politische Anschauung haben müssen. Insbesondere ist dies bei der politischen Repräsentation des Ministers im Parlament der Fall, die glaubwürdig nur leisten kann, wer selbst jedenfalls keine abweichende politische Auffassung vertritt. Zusätzlich ist auf Art. 63, 67, 68 Abs. 1 S. 2 GG zu verweisen, die das Regierungssystem der Bundesrepublik als parlamentarisches Regierungssys106  Vgl. für Verfassungsmäßigkeit: Busse, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 62 (2011) Rn. 9: „verfassungspolitisch sachgerecht“ als Brücke zwischen Regierungs- und Parlamentsarbeit; ohne Bedenken auch: Hermes, in: Dreier, GG II, Art. 62 Rn. 21; Herzog, in: MD, GG, Art. 62 (2008) Rn. 41 ff.; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 62 Rn. 6; Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 62 Rn. 35; Schröder, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 62 Rn. 12; Versteyl, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 137 Rn. 28. 107  Vgl. Herzog, BayVBl. 1969, 225 (227); Hopf, Staatssekretär, S. 129 (131, 134); Laufer, Staatssekretär, S. 15 f.; Wieser, Staatssekretär, S. 2. 108  Wieser, Staatssekretär, S. 2; vgl. auch Neumann, ZRP 2002, 203 (206): „Entlastungsbedürftigkeit der Bundesminister im politischen Vertretungsbereich [steht] außer Frage“; Wahl, Der Staat 8 (1969), 327 ff.: „chronische Überlastung der Minister“ (329).

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tem charakterisieren. Die Regierung ist vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit abhängig und dem Parlament gegenüber verantwortlich;109 Parlamentarische Staatssekretäre werden in diesem Zusammenhang als Instrument zur Förderung der wünschenswerten Zusammenarbeit von Gesetzgeber und Verwaltung angesehen.110 Insbesondere soll der Minister von repräsentativen Verpflichtungen in parlamentarischen Gremien entlastet werden.111 Wahl hält zudem das konzedierte erhebliche Maß an selbstständigen Entscheidungen der beamteten Staatssekretäre bei der Vertretung des Ministers für unvereinbar mit der geringen Verantwortlichkeit dieser Beamten gegenüber Parlament und demokratischem Souverän.112 Diese Aufgaben könne nur ein Parlamentarischer Staatssekretär übernehmen, der dazu politisch mit dem Minister übereinstimmen müsse.113 Schließlich ist die Qualifikation von potenziell zukünftigen Regierungsmitgliedern114 ein Ziel, zu dessen Erreichung Parlamentarische Staatssekretäre ebenfalls politisch gebunden ausgewählt werden müssen, da sie andernfalls kaum möglichst eigenverantwortlich Aufgaben des Ministers übernehmen könnten. Vorbild für die deutsche Entwicklung war insoweit das britische Modell der Juniorminister, bei dem sich jüngere Parlamentarier durch das Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs für künftige Aufgaben – insbesondere als Minister – qualifizieren können.115 Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen durfte der parlamentarische Gesetzgeber anhand ihrer politischen Anschauungen ausgewählte Parlamentarische Staatssekretäre als geeignet ansehen, die Arbeit der Bundesregierung wirk109  Vgl. ausführlich Stern, StaatsR I, § 22 S. 955 ff.; auch Herzog, in: MD, GG, Art. 62 (2008) Rn. 85 ff.; Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 63 Rn. 6. 110  Vgl. Klein, DVBl. 1965, 862 (862); allgemein zum „Zusammenspiel“ von Parlament und Regierung Stern, StaatsR I, § 22 S. 1002. Problematisch ist deshalb § 1 Abs. 1 3. Hs. ParlStG, weil ein Parlamentarischer Staatssekretär, der dem Bundestag nicht angehört, die Zusammenarbeit nur bedingt fördern kann; kritisch auch Schröder, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 62 Rn. 12. 111  Vgl. Regierungsbegründung, in: BT-Drs. V / 1402, S. 3; Klein, DVBl. 1965, 862 (862); Schäfer, DÖV 1969, 38 (42); Wahl, Der Staat 8 (1969), 327 (336). 112  Vgl. Wahl, Der Staat 8 (1969), 327 (333); anders aber Gerber, DÖV 1953, 70 (72). 113  Vgl. Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 229; Wahl, Der Staat 8 (1969), 327 (334, 338). Klein, DVBl. 1965, 862 (864), verlangt immerhin, dass die Minister ihre parlamentarischen Staatssekretäre an die Richtlinien ihrer Politik „binden können“ (ebd.). 114  Vgl. Mandelartz, LKRZ 2010, 411 (442), der dieses Ziel indes für unerreicht hält. 115  Vgl. Hermes, in: Dreier, GG II, Art. 62 Rn. 22; Herzog, BayVBl. 1969, 225 (229): „wertvolle Durchgangs- und Vorbereitungsstation des Ministernachwuchses“; Hopf, Staatssekretär, S. 129 (130 f., 132); Klein, DVBl. 1965, 862 (862); Schäfer, DÖV 1969, 38 (38 f., 45).



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samer zu gestalten und ihre Effektivität im parlamentarischen Regierungssystem zu gewährleisten.116 Folglich begrenzen Art. 20 Abs. 2 S. 2, Art. 62 ff. GG, die den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung voraussetzen, den Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG quasi-tatbestandlich im Hinblick auf den politisch gebundenen Zugang zum öffentlichen Amt der Parlamentarischen Staatssekretäre.117 Im Rahmen und zur Erreichung dieses Zwecks sollen der Bundeskanzler und der jeweils zuständige Bundesminister berechtigt sein, frei – auch unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen – über Vorschläge für das Amt eines Parlamentarischen Staatssekretärs zu entscheiden (vgl. § 2 S. 2 ParlStG). Hingegen ist die politisch gebundene Ämtervergabe nicht gerechtfertigt, soweit die Auswahl der Bewerber nicht zur Sicherung der genannten Staatsinteressen, sondern aus anderen Gründen erfolgt. Unzulässig ist daher insbesondere die Vergabe der Ämter der Parlamentarischen Staatssekretäre anhand der politischen Anschauungen, wenn damit allein verdienstvolle Parlamentarier belohnt werden sollen.118 Diesbezüglich bleibt Raum für eine Rechtskontrolle durch den Bundespräsidenten vor der Ernennung gem. § 2 S. 1 ParlStG.119 d) Wehrbeauftragter gem. Art. 45b GG Es fragt sich, ob das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages politisch gebunden vergeben werden darf. Der Wehrbeauftragte ist gem. Art. 45b S. 1 GG, § 1 Abs. 1 WBeauftrG ein Hilfsorgan des Bundestages zum Schutz der Grundrechte der Bundeswehrangehörigen und zur parlamentarischen Kontrolle des deutschen Militärs und seiner Einsätze. Er hilft folglich bei einer Aufgabe, die dem ParlaSchäfer, DÖV 1969, 38 (42). ebenso gegen Geltung von Art. 33 Abs. 2 GG Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 3; wohl auch Franz, ZBR 2008, 236 (236), weil die Parlamentarischen Staatssekretäre – wie die Minister – „ein politisches Amt inne [hätten], das sich aus dem Vertrauen des Volkes legitimier[e]“ (ebd.); Frenzel, ZBR 2008, 243 (251), für „Überlagerung [sc. des Art. 33 Abs. 2 GG] durch das demokratische Prinzip“ (ebd.); Neumann, ZRP 2002, 203 (206), der die Besetzung nur mit „angesehene[n] und hochqualifizierten[n] Persönlichkeiten“ bloß als „Frage der politischen Hygiene“ (ebd.) bezeichnet; unklar Grünning, VR 1988, 80 (86), der die Begriffe politisches Amt und politischer Beamter nicht klar voneinander abgrenzt. 118  Vgl. mit dieser Befürchtung Hermes, in: Dreier, GG II, Art. 62 Rn. 22; Her­ zog, BayVBl. 1969, 225 (229): je nach Personenkonstellation „vorwiegend […] Objekt der Parteipatronage“ (ebd.). 119  Vgl. Nettesheim, in: HStR III, § 62 Rn. 50. 116  Vgl. 117  Vgl.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

ment zukommt, und ist eine Einrichtung des Bundestages.120 Gem. § 15 Abs. 1 S. 1 WBeauftrG steht der Wehrbeauftragte in einem öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis und ist kein Beamter. Weder Art. 45b GG noch das WBeauftrG nennen spezifische Eignungsvoraussetzungen außer der Wählbarkeit zum Bundestag und der Vollendung des 35. Lebensjahres und einer Reihe von Inkompatibilitäten (§ 14 WBeauftrG). Auch schreibt Art. 45b S. 1 GG mit seiner passivischen Formulierung („wird […] berufen“) nicht explizit vor, welches Gremium den Beauftragten beruft. Die Eigenschaft des Wehrbeauftragten als Hilfsorgan des Bundestages spricht indes dafür, dass die Berufung des Wehrbeauftragten zwingend dem Bundestag obliegt.121 Einfachgesetzlich sieht § 13 S. 1 WBeauftrG eine Wahl durch den Bundestag ohne vorherige Aussprache vor. Weil es bei der Kontrolle der Bundesregierung durch den Bundestag – zumal gegenüber der Bundeswehr (vgl. Art. 45a Abs. 2 GG)122 – maßgeblich auf persönliches Vertrauen der Bundestagsmehrheit in den Kontrollierenden und durchaus auf politische Wertungen des zu Beauftragenden ankommen kann, sind die wählenden Bundestagsmitglieder bei der parlamentarischen Wahl eines Wehrbeauftragten frei und nicht an die Kriterien der grundgesetzlichen Gleichheitssätze gebunden.123 Folglich ist der Anwendungsbereich der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG im Hinblick auf die Zulassung zum Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages quasi-tatbestandlich begrenzt. e) Mitarbeiter von Fraktionen und Parlamentsabgeordneten Möglicherweise dürfen auch Mitarbeiter von Fraktionen und Parlamentsabgeordneten anhand ihrer politischen Anschauungen ausgesucht werden. Anders als die unter a) genannten einzelner Organisationseinheiten von Bundestag und Bundesrat sind diese Mitarbeiter in der Regel in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt. Magiera, in: Sachs, GG, Art. 45b Rn. 1, 3; Frenzel, ZBR 2008, 243 (245). § 13 WBeauftrG, § 113 GO-BT; wie hier Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 45b Rn. 22; Hernekamp, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 45b Rn. 14; Krings, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 45b (2005) Rd. 12; Kruse, Beauftragte, S. 189; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 45b Rn. 1; ferner Maurer, Wehrbeauftragter und Parlament, S. 21 ff., mit Hinweis auf die Vergleichbarkeit der statusrechtlichen Stellung des Wehrbeauftragten mit der eines Bundesministers. 122  Vgl. zum wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt BVerfGE 90, 286 (381 ff.) – AWACS; 121, 135 (153 ff.) – AWACS Türkei; s. zu dessen Grenzen aber BVerfGE 126, 55 (69 ff.) – Heiligendamm. 123  Vgl. Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (250); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1837 f. 120  Vgl. 121  Vgl.



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Gem. § 12 Abs. 3 S. 1 AbgG erhält ein Mitglied des Bundestages Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern zur Unterstützung bei der Erledigung seiner parlamentarischen Arbeit ersetzt, wobei der Umfang der Erstattungen im Haushaltsgesetz sowie in vom Ältestenrat zu erlassenden Ausführungsbestimmungen geregelt wird. Nach dieser Konstruktion sind Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten also nicht etwa unmittelbar beim Bund beschäftigt, sondern beim einzelnen Abgeordneten. Dieser handelt bei der Einstellung zwar als Abgeordneter, jedoch nicht hoheitlich oder auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Vielmehr ist es seine private Entscheidung, ob und in welchem Umfang er sich zur eigenen Entlastung bei der Ausübung seines Amtes unterstützen lassen will und dazu privatrechtliche Dienstverträge begründet. Obwohl solchen Mitarbeitern ihr Gehalt gem. § 12 Abs. 3 S. 6 AbgG unmittelbar durch die Verwaltung des Bundestages gezahlt wird, bestehen Rechtsbeziehungen nur zwischen dem einzelnen Abgeordneten und seinem Mitarbeiter.124 In einer solchen Konstellation ist der Abgeordnete (zunächst) nicht grundrechtsgebunden. Er begründet folglich bei der Einstellung von Mitarbeitern, die gem. § 12 Abs. 3 S. 8 AbgG auch nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes sind, keine öffentlichen Ämter im Sinne der besonderen Gleichheitssätze, sodass mit einer anschauungsgebundenen Einstellung verbundene Probleme nicht Gegenstand dieser Arbeit sind.125 Zahlreiche weitere Mitarbeiter werden von den Bundestagsfraktionen beschäftigt. Abgesehen von Geheimhaltungs- und Rechnungslegungsvorschriften in §§ 49, 52 Abs. 2 Ziff. 2 lit. a AbgG sind gesetzliche Regelungen zu diesen Mitarbeiterverhältnissen nicht ersichtlich. Ähnlich wie bei den Bundestagsabgeordneten stellt sich allerdings die Frage, ob Fraktionen öffentliche Ämter im Sinne der grundgesetzlichen Gleichheitssätze begründen, wenn sie Arbeitnehmer einstellen. Das hängt davon ab, ob Fraktionen bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen als Teil der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt handeln. Die Rechtsnatur der Bundestagsfraktionen ist umstritten. Gem. § 46 Abs. 1 AbgG sind die Fraktionen rechtsfähig, doch ergibt sich daraus nicht, Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 12 Rn. 60 f. vom Abgeordneten bei einer Einstellung von Mitarbeitern vorgenommene Benachteiligungen oder Bevorzugungen wegen der politischen Anschauungen der Bewerber gleichwohl nicht unproblematisch sind, hängt mit der in § 12 Abs. 3 AbgG vorgesehenen Kostenerstattung zusammen, aus der besondere Anforderungen an die Stellenvergabe durch den Abgeordneten folgen dürften (vgl. BVerfGE 123, 148 [183 ff.] – Jüdische Gemeinde Bbg, zur Grundrechtsbindung einer Religionsgemeinschaft bei der Vergabe öffentlicher Mittel). Begrenzungen der allgemeinen Anforderungen dürften sich insoweit aus der Autonomie der Abgeordneten gem. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ergeben. Vgl. allgemein Stolz, ZRP 1992, 372 ff. 124  Vgl.

125  Dass

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ob sie etwa als juristische Person des öffentlichen oder des privaten Rechts anzusehen sind.126 Einerseits ist anerkannt, dass das Grundgesetz mit Art. 21 GG auch die Fraktionen als notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens anerkennt;127 sie sollen als Einrichtungen des Bundestages „der organisierten Staatlichkeit eingefügt“128 sein. Andererseits sind die Fraktionen gemäß der an Deutlichkeit kaum zu überbietenden Regelung des § 46 Abs. 3 AbgG nicht Teil der öffentlichen Verwaltung und üben keine öffentliche Gewalt aus.129 Dementsprechend sind die Fraktionen keine öffentlich-rechtlichen Dienstherren; zu ihren Arbeitnehmern begründen sie privatrechtliche Arbeitsverhältnisse.130 Dabei sind sie – ebenso wie die Bundestagsabgeordneten als Arbeitgeber – (zunächst) nicht grundrechtsgebunden; sie begründen keine öffentlichen Ämter im Sinne der besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes. Daher sind die mit einer anschauungsgebundenen Einstellung verbundenen Probleme nicht Gegenstand dieser Arbeit.131 126  Vgl. zum Streitstand etwa Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 46 Rn. 1; Höl­ scheidt, Parlamentsfraktionen, S. 283 ff.; Zeh, in: HStR III, § 52 Rn. 7. 127  Vgl. BVerfGE 10, 4 (14) – Redezeitbeschränkung; 43, 142 (147) – Fraktions­ status; 70, 324 (350) – Haushaltskontrolle; 80, 188 (219) – Wüppesahl; 84, 304 (322) – Fraktionsprinzip; 102, 224 (240) – Funktionszulage; 112, 118 (135) – Vermittlungsausschuss; daran anknüpfend Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 67; Zeh, in: HStR III, § 52 Rn. 8. 128  Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 67; vgl. auch ders., ebd., Art. 40 Rn. 3. 129  Vgl. Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 38 Rn. 95; stark einschränkend aber Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 325 f. 130  Vgl. Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 46 Rn. 6 f. Dagegen spricht auch nicht die BVerfGE 102, 224 – Funktionszulage, zugrunde liegende Konstellation, da es dort nicht um etwaige zur Fraktion bestehende Arbeitsverhältnisse der Fraktionsvorsitzenden ging. 131  Probleme resultieren wiederum daraus, dass die Fraktionen gem. § 50 Abs. 1 AbgG (auch) öffentliche Gelder erhalten und damit (faktisch zum großen Teil neben Beiträgen der Fraktionsmitglieder) ihre Angestellten bezahlen; vgl. Zeh, in: HStR III, § 52 Rn. 11; Braun / Jantsch / Klante, AbgG, § 50 Rn. 5, auch ebd., § 46 Rn. 6. Nimmt man im Hinblick auf die Vergabe derjenigen Stellen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert sind, eine Grundrechtsbindung der Fraktionen an, so könnten sich Begrenzungen dieser Anforderungen im Hinblick auf die Berücksichtigung politischer Anschauungen der Bewerber aus der aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG abgeleiteten Fraktionsautonomie (vgl. BT-Drs. 17 / 12500, S. 33; Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 38 Rn. 113; Butzer, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 38 Rn. 138, 142, ausdrücklich auch zu Einschränkungen der Prüfung durch den Bundesrechnungshof; Klein, in: MD, GG, Art. 38 [2010] Rn. 263; Steiner, BayVBl. 2013, 389 [395]) und dem erforderlichen Mindestmaß an Homogenität im Hinblick auf Fraktionsmitglieder (vgl. BVerfGE 112, 118 [136] – Vermittlungsausschuss: „grundsätzliche[…] politische[…] Gleichsinnigkeit“; Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 38 Rn. 95: „in wesentlicher Hinsicht übereinstimmender politischer Überzeugung“; Bollmann, Selbstorganisationsrecht, S. 69; mit Ein-



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7. Richter des Bundesverfassungsgerichts Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte im Hinblick auf die Ämter der Richter des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich begrenzt sein, sodass diese Ämter politisch gebunden vergeben werden dürften. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts sind gem. Art. 94 Abs. 1 S. 2 GG je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat zu wählen. § 6 Abs. 1, 2 BVerfGG sieht für die vom Bundestag zu berufenden Verfassungsrichter eine indirekte Wahl durch einen Wahlausschuss vor, der aus zwölf Mitgliedern des Bundestages besteht.132 Gem. § 3 Abs. 1, 2 BVerfGG müssen die Richter des Bundesverfassungsgerichts das 40. Lebensjahr vollendet haben, zum Bundestag wählbar sein und die Befähigung zum Richteramt nach dem DRiG besitzen. Davon abgesehen geben weder das Grundgesetz noch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz weitere spezielle Entscheidungskriterien vor, anhand derer Bundestag und Bundesrat die Verfassungsrichter zu wählen hätten.133 Ob dieser Modus zur Besetzung der Ämter der Richter des Bundesverfassungsgerichts zur Begrenzung der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG führt, hängt insbesondere von der Qualität und dem Maß an personeller demokratische Legitimation des Wahlorganes sowie von dem verfassungsrechtlichen Charakter des zu vergebenden Amtes ab. Wahlberechtigt sind die Mitglieder des vom Bundestag gebildeten Wahlausschusses beziehungsweise die Mitglieder des Bundesrates. Schlechthin sind diese Gremien bei Wahlentscheidungen nicht von der Bindung an die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes befreit. Allerdings könnte sich die Freistellung doch daraus ergeben, dass die Wahl insoweit durch Art. 94 Abs. 1 S. 2 GG verfassungsrechtlich besonders angeordnet wird und schränkungen auch Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 418 ff.) ergeben, das wohl auch von den Fraktionsmitarbeitern zu erwarten ist. 132  Vgl. BVerfGE 131, 230 (234 ff.) – Richterwahl, für die Verfassungsmäßigkeit der indirekten Wahl; ebenso, z. T. wohl aus pragmatischen Erwägungen: Klein, in: Benda u. a., VerfassungsprozessR, Rn. 132; Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 94 (1971) Rn. 15, 18; Scholz, ZRP 2012, 191; Sturm / Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 94 Rn. 3; zweifelnd Sachs, Verfassungsprozessrecht, Rn. 48; Schlaich / Korioth, BVerfG, Rn. 42, 47; dagegen: Landfried, ZRP 2012, 191; Meyer, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 94 Rn. 9 ff.; Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 94 Rn. 10; Wie­ felspütz, DÖV 2012, 961 (968): „evident verfassungswidrig“; Wieland, in: Dreier, GG III, Art. 94 Rn. 14; ohne landesrechtliche Bedenken StGH HE, Beschl. v. 10.1.1990 – P.St. 1081 –, Juris: Rn. 15 f. 133  Vgl. zu den Anforderungen Billing, Richterwahl, S. 82 ff.; ferner BVerfG (K), NVwZ 1993, 1077 (1077 f.), zu grundgesetzlichen Anforderungen an die Wahl von Landesverfassungsrichtern.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

mit dem Bundesverfassungsgericht ein Verfassungsorgan besetzt wird. Das Bundesverfassungsgericht gehört zu den Verfassungsorganen, deren Rechtsstellung und wesentliche Kompetenzen das Grundgesetz selbst normiert.134 Seine weitreichenden Kompetenzen – nicht zuletzt sein (begrenztes) Normverwerfungsmonopol135 gem. Art. 100 Abs. 1 GG – geben dem Bundesverfassungsgericht eine gegenüber anderen Gerichten hervorragende staats- und allgemeinpolitische Bedeutung.136 Die demokratische Legitimation von Wahlen ohne grundgesetzliche Bindung an bestimmte Wahlkriterien soll in diesem Zusammenhang die besonderen Schwierigkeiten einer leistungsgerechten Selektion ausgleichen, die bei der Besetzung eines Verfassungsorganes auftreten.137 Wegen der besonderen politischen und integrativen Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts für das Zusammenleben sowie für die Akzeptanz und die Wirkkraft des Grundgesetzes überlässt die Verfassung es den Mitgliedern der zuständigen Wahlgremien, die Kriterien für ihre Wahlentscheidung selbst zu bestimmen. Das führt zwar zu einer nicht zu unterschätzenden Verantwortung der Wahlgremien, ist aber durch die grundgesetzliche Ausgestaltung der Verfassungsrichterberufung durch Wahl gem. Art. 94 Abs. 1 S. 2 GG so beabsichtigt.138 Zudem reduzieren die lange Amtsdauer von zwölf Jahren und das Verbot einer späteren Wiederwahl gem. § 4 Abs. 1, 2 BVerfGG das Risiko einer übermäßigen politischen Einflussnahme auf die Verfassungsrechtsprechung.139 Folglich begrenzt Art. 94 Abs. 1 S. 2 GG i. V. m. den anderen grundgesetzlichen Vorschriften über Stellung und Aufgabe der Richter des Bundes134  Vgl. insbes. Art. 93, 94, 100 GG, § 1 Abs. 1 BVerfGG; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art.  93 Rn.  6 f., m. w. N. 135  Vgl. Böckenförde, Richterwahl, S. 91 ff.; zum Normverwerfungsmonopol s. etwa Sachs, Verfassungsprozessrecht, Rn.  191 f. 136  Vgl. Billing, Richterwahl, S. 67 ff.; im Umkehrschluss zu OVG SH, NJW 2001, 3495 (3497). 137  Laufer, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 207, sieht demokratische Legitimation und Qualifikation als neben dem Ausschluss einseitiger Einflussnahme und föderativer Repräsentation als Antipole eines „magische[n] Viereck[s]“ (ebd.); für ein Entsprechungsverhältnis zwischen der verfassungsrechtlich hervorgehobenen Position und Funktion der Richter und ihrer Bestellung durch Wahl Hopfauf, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 94 Rn. 10. 138  Vgl. Stern, in: BK, GG, Art. 94 (1965) Rn. 63, der ein offensichtliches „Element der politischen Einflußnahme“ (ebd., Hervorhebung im Original) feststellt; Morgenthaler, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 94 Rn. 3; Sturm / Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 94 Rn. 2, die gar von einer „Bindung an politische Mehrheitsverhältnisse“ (ebd.) sprechen, was wohl im Sinne einer erstrebten Rückführbarkeit auf solche Mehrheiten zu verstehen ist; in diesem Sinne wohl auch Voßkuhle, in: v. Man­ goldt / Klein / Starck, GG, Art. 94 Rn. 8. 139  Vgl. Kneip, Verfassungsgerichte, S. 193; Schlaich / Korioth, BVerfG, Rn. 42.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter381

verfassungsgerichts die Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG quasi-tatbestandlich, sodass diese auf die Auswahlentscheidungen der Wahlgremien für die Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht anwendbar sind.140 8. Verfassungsorgane der Länder Zusätzlich zu politisch gebundenen Ämtern der Länder, die eine ausdrückliche Grundlage im Grundgesetz haben [s. schon 4. Kap. C. I. 2. zu Volksvertretern in Ländern, Kreisen und Gemeinden], könnten weitere Ämter innerhalb der Verfassungsorgane der Länder aus dem Anwendungsbereich der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG ausgeschlossen sein. Die aus dem Bundesstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1 GG folgende Verfassungshoheit der Länder umfasst sowohl die Kompetenz, innerhalb des grundgesetzlichen Rahmens darüber zu entscheiden, welche Landesverfassungsorgane eingerichtet werden sollen, als auch die Kompetenz, zur Vergabe dieser Ämter einen von Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG partiell freigestellten Vergabemodus – insbesondere eine freie Wahl oder eine freie Bestimmung durch besonders ermächtigte Stellen – vorzusehen. Dieser Entscheidungsspielraum der Länder gilt jedenfalls für all diejenigen Ämter, die denen entsprechen, die auf Bundesebene verfassungskonform politisch gebunden vergeben werden dürfen. Soweit das Grundgesetz für die Bundesebene die Vergabe einzelner Ämter von einer Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG freistellt, kann auch Landesrecht bestimmen, dass entsprechende Ämter der Länder ohne beziehungsweise mit begrenzter Bindung an Benachteiligungs- oder Bevorzugungsverbote oder das Prinzip der Bestenauslese vergeben werden.141 Dementsprechend sind die Mitglieder 140  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 78, 111; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (250 f.); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822 f.; dagegen Özifrat-Skubinn, Beamten­ernennungen, S. 47. 141  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822 f., wonach die Besetzungsmodalitäten der Landesverfassungsorgane der Verfassungsautonomie der Länder überlassen sind. Begrenzt ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG jedenfalls, soweit legitime Besetzungsmodalitäten eine Begrenzung erfordern. Dementsprechend dürfen die Wahlberechtigten bei einer landesverfassungsrechtlich vorgesehenen freien Volkswahl die politischen Anschauungen der Bewerber (wie auch ihre Religion, ihr Geschlecht usw.) berücksichtigen. Daraus folgt indes nicht, dass die Landesverfassungen von vornherein etwa nur den Angehörigen eines Geschlechts das passive Wahlrecht zugestehen dürften. Ob, falls dies doch geschähe, entsprechende Regelungen außer an dem Gebot der Allgemeinheit der Wahl gem. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG auch an Art. 3 Abs. 2, 3 S. 1 GG zu messen wären, muss hier nicht entschieden werden.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

der Landesregierungen142, der Landesverfassungsgerichte143 und weitere Ämter, die denen ähneln, die auf Bundesebene als sonstige Ämter in unmittelbarem Umfeld von Bundestag und Bundesrat zusammengefasst wurden,144 erfasst. Hingegen steht es den Ländern nicht frei, beliebige Ämter qua Landesverfassungsrecht unabhängig von den Vorgaben der grundgesetzlichen Gleichheitsrechte zu vergeben. Wollen sie neuartige politisch gebundene öffentliche Ämter schaffen, die nicht schon auf Bundesebene verfassungsmäßiger Weise bestehen, so ist eine grundgesetzliche Begrenzung der Vorgaben für die Ämtervergabe erforderlich. Als solche kommt insbesondere die grundgesetzlich anerkannte Verfassungsautonomie der Länder in Betracht: Schaffen Länder Verfassungsorgane im materiellen Sinne, die entsprechende – grundsätzlich politische – Befugnisse haben, so dürfen sie zu deren Besetzung eine von den bundesverfassungsrechtlichen Gleichheitssätze freigestellte Wahl vorsehen.145 Jedenfalls nicht gänzlich unproblematisch ist in Anwendung dieser Grundsätze etwa die landesverfassungsrechtlich teilweise vorgesehene Wahl besonderer Beauftragter auf Vorschlag der Landesregierung (vgl. Art. 77a Abs. 1 Verf. NW zum Landesdatenschutzbeauftragten). Ob eine solche Wahl frei von den Bindungen der grundgesetzlichen Gleichheitssätze ist, hängt 142  Der NRW-Ministerpräsident wird aus der Mitte des Landtages ohne Aussprache gewählt, vgl. Art. 52 Abs. 1 Verf. NW; die Abgeordneten stimmen allgemein nach ihrer freien Überzeugung, vgl. Art. 30 Abs. 2 Verf. NW; vgl. Löwer, in: ders. / Tettinger, Verf. NW, Art. 30 Rn. 53: „letztverbindlich seine politische Überzeugung“; Thesling, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NW, Art. 30 Rn. 15, jedoch ebd., Rn. 13 mit der Maßgabe, Entscheidungen nicht am Wohl einer politischen Partei auszurichten. Landesminister werden gem. Art. 52 Abs. 3 Verf. NW vom Ministerpräsidenten ernannt und entlassen, wobei der Ministerpräsident nicht den Bindungen der besonderen Gleichheitssätze unterliegt; vgl. Schönenbroicher, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NW, Art. 52 Rn. 11 ff., insbesondere auch Rn. 13 zur Auswahl nach von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG erfassten Kriterien; Tettinger, in: Löwer / Tettinger, Verf. NW, Art. 52 Rn. 39; allgemein Herdegen, in: HStR VI, § 129 Rn. 36; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 111; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1822 f.; zu länderspezifischen Regelungen Badura, in: FS Quaritsch, 2000, S. 295 (298). 143  Vgl. Art. 76 Abs. 1 Verf. NW, wonach neben drei geboren Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes vier Mitglieder vom Landtag gewählt werden, von denen zwei die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst haben müssen. Weitere Eignungsanforderungen nennt die Verf. NW nicht, sodass von einer freien Wahl durch den Landtag auszugehen ist. 144  Siehe dazu 4. Kap. C. I. 6.; aus dem Landesverfassungsrecht etwa Art. 38 Abs. 1 S. 1 Verf. NW: Landtagspräsident, Art. 40 ff. Verf. NW: Mitglieder der Landtagsausschüsse. 145  Siehe schon 2. Kap. C.



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insbesondere von den Aufgaben und Befugnissen des Beauftragten ab sowie von der Frage, ob zur Ausübung des Amtes ein besonderes Vertrauen zu Landesparlament oder Landesregierung förderlich ist. Tragfähige Begründungen dazu sind (bislang) nicht durchweg ersichtlich.146

II. Bundes- und Landesrichter Es fragt sich, ob die Ämter der Bundes- und Landesrichter147 – abgesehen von den bereits behandelten Richtern der Verfassungsgerichte – politisch gebunden vergeben werden dürfen und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG dazu verfassungsrechtlich begrenzt ist. 1. Richter im Bundesdienst Über die Berufung der Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes entscheidet gem. Art. 95 Abs. 2 GG der zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss. Gem. § 10 Abs. 1 S. 1 RiWahlG können der zuständige Bundesminister und die Mitglieder des Richterwahlausschusses vorschlagen, wer zum Bundesrichter zu berufen ist. Sodann prüft der Richterwahlausschuss gem. § 11 RiWahlG, ob der Vorgeschlagene die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für ein solches Amt erfüllt. Anschließend findet gem. § 12 Abs. 1 RiWahlG eine geheime Abstimmung des Richterwahlausschusses statt. Sofern der zuständige Bundesminister der Entscheidung des Wahlausschusses zustimmt, hat er gem. § 13 RiWahlG beim Bundespräsidenten die Ernennung des Gewählten148 zu beantragen. Ob der Wahlausschuss bei den genannten Verfahrensschritten einer Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG unterliegt, ist lange Zeit kaum 146  Vgl. etwa für die zweifelhafte Freistellung der Landesregierung von ihren Bindungen an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG bei der Ausübung eines ihr vor der Wahl zustehenden Vorschlagsrechts aber Menzel, in: Löwer / Tettinger, Verf. NW, Art. 77a Rn. 8; anders Zöllner, Datenschutzbeauftragter, S. 46; generell für kompetenzorientierte Personalauswahl Kruse, Beauftragte, S. 123 f.; kritisch auch Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1838. 147  Die Richter europäischer Gerichte üben kein öffentliches Amt der deutschen Staatsgewalt i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG aus. Doch sind deutsche Stellen bei der Nominierung von Amtsträger für europäische Institutionen an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gebunden; vgl. aus europarechtlicher Perspektive gegen ungeeignete EGMR-Richter Engel, EuGRZ 2012, 486 ff. 148  Ein „persönlicher Einschätzungsspielraum“ kommt dem Bundespräsidenten zwar nicht zu, doch hat er die Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu prüfen, die nach hier vertretener Auffassung auch die Wahrung der Anforderungen der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG voraussetzt; vgl. Jachmann, in: MD, GG, Art. 95 (2011) Rn. 143.

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diskutiert worden.149 Es wurde angenommen, der Verfassunggeber ermächtige durch Art. 95 Abs. 2 GG den Richterwahlausschuss umfassend zur Wahl der Bundesrichter, sodass insbesondere Art. 33 Abs. 2 GG jedenfalls nicht in vollem Umfang gelte.150 Tatsächlich kommt es faktisch im Zusammenhang mit der Entscheidung des politisch besetzten Wahlausschusses immer wieder zu Auswahlentscheidungen unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen der Bewerber,151 bei denen Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigt werden. Juristische Diskussionen über diesen Zustand brandeten auf, nachdem im Februar 2001 zwei Kandidaten zu Bundesrichtern gewählt worden waren, deren Eignung der Präsidialrat des BGH152 zuvor verneint hatte. Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG könnten im Hinblick auf den (gesamten) Auswahlprozess durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt sein, sodass der Richterwahlausschuss insoweit frei entscheiden könnte. Zwar sieht Art. 95 Abs. 2 GG für die Berufung der Richter der obersten Gerichtshöfe des Bundes durch die Einbeziehung eines Richterwahlausschusses Wahlelemente vor, doch bedeuten die Wahlelemente im Auswahlverfahren nicht zwangsläufig eine Freistellung des Wahlgremiums von seiner Bindung an die besonderen Gleichheitssätze.153 Ob eine solche im Einzelfall doch beabsichtigt ist, hängt insbesondere von der Qualität und dem Maß an personeller demokratischer Legitimation des Wahlorgans sowie von dem Charakter des zu besetzenden Amtes ab. Der Richterwahlausschuss ist kein unmittelbar demokratisch legitimiertes Organ und seine Mitglieder werden gem. Art. 95 Abs. 2 GG nur zur Hälfte vom Bundestag gewählt.154 Jedenfalls der Minister ist als Mitglied der Regierung bei seiner Ernennungsentscheidung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 etwa Herzog, in: MD, GG, Art. 95 (1973), zu Art. 95 GG. die Wiedergabe des Parteivortrags durch VG Schleswig, NJW 2001, 3206 (3207); ferner Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 24: „zusätzlich zu Art. 33 II die in das jeweilige Wahlverfahren einfließenden Prinzipien […] zu berücksichtigen“. 151  Vgl. VGH BW, NJW 1996, 2525, wo sich ein nicht gewählter Kandidat für ein Richteramt beim BGH wegen seiner Mitgliedschaft in einer SPD-Stadtratsfraktion benachteiligt fühlte. 152  Die Entscheidung des Präsidialrates mag als antizipiertes Sachverständigengutachten zu sehen sein, das von den Gerichten im Regelfall zugrunde zu legen ist, vgl. zu Letzterem Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 209a, m. w. N.; ferner Wittkowski, NVwZ 2013, 341, zum seit 2011 schwelenden Streit um die Ernennung zum Senatsvorsitzenden beim BGH. 153  Siehe schon 4. Kap. B. 154  Seine teilweise Besetzung mit Ministern der Länder spricht dafür, dass das Gremium verstärkt föderale Zielsetzungen erreichen soll (vgl. Achterberg, in: BK, GG, Art. 95 [1985] Rn. 283), ohne dass dieser Zweck für eine Freistellung oder Bindung an die besonderen Gleichheitssätze bedingt. 149  Vgl. 150  So



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Abs. 2 GG gebunden.155 Im Rahmen der gemeinsamen Entscheidung von Richterwahlausschuss und zuständigem Bundesminister kommt dem Minister die Letztverantwortung zu.156 Entstehungsgeschichtlich lässt sich belegen, dass das Vetorecht des Bundesjustizministers der Sicherstellung „fachliche[r] Gesichtspunkte[…]“157 dienen sollte und die Qualifikation der Richter nicht zugunsten demokratischer Wahlentscheidungen vernachlässigt werden sollte. Dafür spricht ferner die einfachgesetzlich durch § 10 Abs. 2 RiWahlG vorgeschriebene Vorlage der Personalakten158 der Bewerber, die Hinweise auf die fachliche Eignung der Kandidaten enthalten. Blickt man auf das zu besetzende Amt, bleibt festzuhalten, dass das für alle Richter geltende Gebot richterlicher Unabhängigkeit gem. Art. 97 Abs. 1 GG keine Begrenzung der besonderen Gleichheitssätze enthält. Die vorgeschriebene Unabhängigkeit der Richter meint Unabhängigkeit im konkreten Verfahren, auf das kein unmittelbarer Einfluss genommen werden darf.159 Hingegen erfordert diese Unabhängigkeit nicht die Bestellung der Bundesrichter im Wege einer von den Bindungen an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG freien Wahl. Vielmehr besteht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG und das verfassungsrechtliche Gebot einer geordneten Rechtspflege ein Interesse an möglichst qualifizierten Richtern, die im Wege der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG auszuwählen sind und die keinen Anlass dazu bieten, das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit160 zu bezweifeln. Die bestmögliche Qualifikation der Richter erscheint so gerade als „Kehrseite“161 der richterlichen Unabhängigkeit gem. Art. 97 Abs. 1 GG. Ihrer Aufgabe, Streitigkeiten mit befriedender Wirkung zu entscheiden, können nur unparteii155  Vgl. Schmidt-Räntsch, DRiG, § 13 RiWahlG Rn. 2; Staats, RiWahlG, § 11 Rn. 13. 156  Vgl. BVerfG (K), NJW 1998, 2590 (2592); OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496 f.); OVG RP, NVwZ 2008, 99 (101); allgemeiner grundlegend BVerfGE 93, 37 (66 ff.) – Mitbestimmungsgesetz SH, wonach gerade im Hinblick auf das Demokratieprinzip die Letztentscheidung eines dem Parlament verantwortlichen Verwaltungsträgers – hier also des Ministers – gesichert sein muss; Böckenförde, Richterwahl, S. 80 ff.; Gärditz, ZBR 2011, 109 (109); Ehlers, Richterwahl, S. 43 f. Angesichts des ministeriellen Letztentscheidungsrecht kann die Anwendbarkeit von Art. 33 Abs. 2 GG ferner nicht mit dem – auch sonst zweifelhaften – Argument abgelehnt werden, dass allein die Exekutive Verpflichtungsadressat dieser Norm sei, vgl. OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496); Dietrich, Richterwahlausschüsse, S. 163. 157  Abg. Zinn, JöR n. F. 1 (1951), 705. 158  In der Praxis werden neben Angaben der Personalakte weitere zum Teil noch aussagekräftigere Daten vorgelegt, s. dazu Schmidt-Räntsch, DRiG, § 11 RiWahlG Rn. 18. 159  Vgl. Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 97 Rn. 12 f. 160  Vgl. Gündisch, Richterwahlausschuss, S. 113 (124). 161  Wagner, Bestenauslese, S. 111.

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sche Richter nachkommen, bei denen nicht einmal der Verdacht der Parteilichkeit im Raum steht.162 Schließlich haben die obersten Gerichtshöfe des Bundes verfassungsrechtlich keine staats- oder allgemeinpolitische Bedeutung, die mit derjenigen der Verfassungsorgane vergleichbar wäre.163 Daran vermag auch die zum Teil rechtsfortbildende Tätigkeit der Fachgerichte angesichts der strikten Gesetzes- und Verfassungsbindung nichts zu ändern, die freilich grundsätzlich ebenso das Bundesverfassungsgericht trifft, das aber zugleich gem. Art. 100 Abs. 1 GG ein (begrenztes) Normverwerfungsmonopol besitzt.164 Dementsprechend lassen sich die Argumente für eine quasi-tatbestandliche Begrenzung nicht von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts auf Richter anderer oberster Bundesgerichte übertragen.165 Im Ergebnis lässt sich vor diesem Hintergrund nicht begründen, warum sich bei Entscheidungen der Richterwahlausschüsse eine maximale Wahlfreiheit stets zu Lasten der ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleisteten Gleichheitssätze durchsetzen sollte. Vielmehr bleibt eine gewisse Nähe zur traditionellen Richterberufung durch die Exekutive.166 Oberste Bundesrichter i. S. v. Art. 95 Abs. 2 GG üben ein öffentliches Amt aus, das – wenn man so will, trotz der Beteiligung eines Richterwahlausschusses – gem. Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG nach Eignungskriterien unter Ausschluss politischer Anschauungen als Auswahlkriterium zu vergeben ist.167 Diese Klein, in: MD, GG, Art. 21 (2012) Rn. 208. OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496 f.); Frenzel, ZBR 2008, 243 (244); Staats, RiWahlG, § 11 Rn. 12; Teubner, Berufsrichter, S. 29; Schmidt-Räntsch, DRiG, § 12 RiWahlG Rn. 7. 164  Vgl. Böckenförde, Richterwahl, S. 91 ff.; zum Normverwerfungsmonopol s. etwa Sachs, Verfassungsprozessrecht, Rn.  191 f. 165  Vgl. auch Stern, in: BK, GG, Art. 94 (1965) Rn. 62, der ebenfalls die verfahrensmäßige „Abweichung“ (ebd.) betont. 166  Vgl. OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496 f.); Ipsen, DÖV 1971, 469 (472). 167  Vgl. BVerwGE 105, 89 (92); 138, 102 Rn. 17, 20 ff.; VGH BW, NJW 1996, 2525 (2525); OVG SH, NJW 2001, 3495 (3498); VG Schleswig, NJW 2002, 2657 (2659); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 24; Bertram, NJW 2001, 1838 (1839); Böckenförde, Richterwahl, S. 113; Classen, JZ 2002, 1009 (1013 ff.); Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 95 Rn. 15; Dollinger / Umbach, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 33 Rn. 37; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 82; Hömig, in: ders., GG, Art. 95 Rn. 5; Isensee, ZBR 2004, 3 (9); Jachmann, in: MD, GG, Art. 95 (2011) Rn. 133, s. aber auch ebd. Rn. 135, wonach parteipolitischer Einfluss hinzunehmen sei; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 9; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 20; Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 Rn. 16; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 43; Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (246 f.); Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 17 f.; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1819; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001), Rn. 23; Wagner, Bestenauslese, 162  Vgl. 163  Vgl.



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Bindung betrifft den Vorschlag gem. § 10 Abs. 1 RiWahlG,168 die Prüfung gem. § 11 RiWahlG169 sowie die geheime Abstimmung gem. § 12 Abs. 1 RiWahlG.170 Erst recht gilt die Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG für die Auswahl von Bundesrichtern an Gerichten nach Art. 96 GG, für die grundgesetzlich kein Wahlausschuss vorgeschrieben ist,171 sowie für Beförderungen.172 S. 118 f.; hingegen für eine „Überlagerung des Art. 33 Abs. 2 GG durch das demokratische Prinzip“ Dietrich, Richterwahlausschüsse, S. 166; unklar: Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 15: Besetzung durch Richterwahlausschuss in „grds. freier Entscheidung“ (ebd.); Scholz, in: FG BVerwG, 2003, S. 151 (160 f.): neben der „ausschließlich[en]“ Bindung an Leistungsgesichtspunkte Relativierung durch den Länderproporz gem. Art. 36 GG. 168  s. aber Staats, RiWahlG, § 10 Rn. 1, der die Begrenzung des Vorschlagsrechts auf den zuständigen Bundesminister und die Ausschussmitglieder an Art. 33 Abs. 2 GG misst (und die Verfassungsmäßigkeit bejaht), sich im Übrigen aber nicht klar zur Geltung des Art. 33 Abs. 2 GG für die Ausübung des Vorschlagsrechts äußert. 169  Vgl. Staats, RiWahlG, § 11 Rn. 17; allgemein: Meyer, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 95 Rn. 11; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG III, Art. 95 Rn. 29; Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 95 Rn. 27. Wagner, Bestenauslese, S. 118 f., bezeichnet diese Prüfung als Zwischenentscheidung und meint damit wohl die bis 2001 übliche informelle Phase, in der nach Absprache der Ausschussmitglieder so viele Vorschläge zurückgestellt wurden, bis schließlich nur noch so viele Vorschläge übrig blieben, wie es Richterämter zu besetzen gab. Die Verbliebenden wurden dann in einer Blockwahl gewählt. Vgl. zur Unzulässigkeit dieses Vorgehens SchmidtRäntsch, DRiG, § 10 RiWahlG Rn. 10: „Die eigentliche Entscheidung muss dem Wahlakt vorbehalten bleiben.“; für die Zulässigkeit der Zurückstellung eines zunächst vorgeschlagenen Bewerbers VG Schleswig, NJW 2002, 2657 (2658): „autonome Entscheidung des Vorschlagenden“. 170  Vgl. OVG Schleswig, NJW 2001, 3495 (3497); allgemein: Meyer, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 95 Rn. 11; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG III, Art. 95 Rn. 29; Voßkuhle, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 95 Rn. 27 f.; Wassermann, in: AK-GG, Art. 95 (2001) Rn. 27; für gerichtliche Kontrolle VG Schleswig, NJW 2001, 3206 (3207 f.); anders Wagner, Bestenauslese, S. 119 f., weil Bindung in diesem Stadium nicht erforderlich sei. Nähme man trotzdem einen Quasi-Vorbehalt an, bliebe mindestens zweifelhaft, ob der Gesetzgeber diesen genutzt hätte. Denn einfachgesetzlich eröffnet § 11 RiWahlG den Mitgliedern des Richterwahlausschusses jedenfalls keinen ausdrücklichen Spielraum, entgegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG politische Anschauungen der Bewerber zu berücksichtigen oder in Widerspruch zum Prinzip der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG zu entscheiden. Vielmehr ergibt sich aus § 11 RiWahlG, § 46 DRiG i. V. m. § 9 BBG, dass der Richterwahlausschuss seine Entscheidungen anhand der Frage treffen soll, ob der Vorgeschlagene die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen für das fragliche Richteramt erfüllt, mithin die beste Eignung, Befähigung und fachliche Leistung vorweisen kann; vgl. SchmidtRäntsch, DRiG, § 12 RiWahlG Rn. 7 ff. 171  Vgl. dennoch für die Zulässigkeit einer Richterwahl auch für diese Gerichte Jachmann, in: MD, GG, Art. 95 (2011) Rn. 125.

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2. Richter im Landesdienst Weiterhin fragt sich, ob beim Zugang zum Amt eines Richters im Landesdienst die politischen Anschauungen der Bewerber berücksichtigt werden dürfen. Teilweise sieht das Landesrecht eine Mitwirkung von Richterwahlausschüssen bei der Bestellung der Landesrichter vor,173 wobei ein maßgeblicher Einfluss des zuständigen Regierungsmitgliedes gewährleistet bleiben muss.174 In diesen Fällen schreibt das Landesrecht oftmals zugleich vor, dass derjenige Bewerber zu wählen ist, der für das Richteramt persönlich und fachlich am besten geeignet ist.175 Das spricht dafür, dass Richterwahlausschüsse bei ihren Auswahlentscheidungen an die in Art. 33 Abs. 2 GG benannten Kriterien der Bestenauslese gebunden sind und gem. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG politische Anschauungen der Bewerber nicht berücksichtigen dürfen. Das Vertrauen des Wahlausschusses soll die fachliche Qualifikation ergänzen, nicht ersetzen.176 Auch Art. 98 Abs. 4 GG eröffnet den Ländern keinen besonderen Gestaltungsspielraum und dispensiert nicht von den Vorgaben der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG.177 Die Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG gilt zudem ebenfalls, wenn das Landesrecht die Parlamentswahl von Gerichtspräsidenten 172

172  Vgl. zum aktuellen Streit um die Ernennung der BGH-Senatsvorsitzenden ebenfalls die Geltung von Art. 33 Abs. 2 GG voraussetzend Wittkowski, NVwZ 2013, 341. 173  §§ 43, 46 ff. RiG BW; Art. 109 Verf. Bbg, §§ 11 ff. RiG Bbg; §§ 11 ff. RiG BE, s. aber Art. 82 Verf. BE; §§ 7 ff. RiG BR; Art. 63 Verf. HH i. V. m. §§ 14 ff. RiG HH; Art. 127 Verf. HE i. V. m. §§ 8 ff. RiG HE; §§ 14 ff. RiG RP; Art. 89 Abs. 2 Verf. TH i. V. m. §§ 13 ff. RiG TH. Zuletzt forderte die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz im August 2013 die Einführung von Richterwahlausschüssen, denen auch gesellschaftliche Kräfte – genannt wurden etwa Religionsgemeinschaften und Gewerkschaften – angehören sollten; vgl. v. Lucius, FAZ v. 22.8.2013, www.faz.net / aktuell / politik / niedersachsen-gewerkschafter-sollen-richteraussuchen-12542540.html, abgerufen am 23.8.2013. 174  Vgl. Gündisch, Richterwahlausschuss, S. 113 (113). 175  Vgl. etwa § 22 Abs. 1 S. 1 RiG Bbg: „Der Richterwahlausschuss wählt in geheimer Abstimmung die Bewerberin oder den Bewerber, die oder der für das Richteramt persönlich und fachlich am besten geeignet ist.“ Ebenso § 22 Abs. 1 S. 1 RiG BE; ähnlich § 25 Abs. 2 RiG HH; § 8 RiG HE; für Unparteilichkeit § 16 Abs. 1 RiG TH. Vgl. aus der Rspr. BVerwGE 105, 89 (92). Siehe zu § 22 Abs. 1 RiG SH OVG SH, NVwZ-RR 1999, 417 (418). 176  Vgl. Hillgruber, in: MD, GG, Art. 98 (2010) Rn. 51, 65; Gündisch, Richterwahlausschuss, S. 113 (115): „Persönlichkeit“ und „Fähigkeiten“ (ebd.) als Auswahlkriterien. 177  Vgl. OVG HH, NordÖR 2013, 21 (22 f.), dort aber auch für Rechtfertigung des eingeschränkten gerichtlichen Rechtsschutzes; Ehlers, Richterwahl, S. 55; Muß­ gnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (247 f.).



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vorsieht.178 Ferner sind Schöffen als Inhaber eines öffentlichen Amtes prinzipiell gemäß den Vorgaben der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG auszuwählen,179 doch bestehen dabei aufgrund der Funktion der Schöffen besonders große Spielräume bei der Aufstellung des Anforderungsprofils, da sich Schöffen nicht durch bestmögliche juristische Kenntnisse qualifizieren müssen.180 Erst recht gilt die Bindung an fachliche Eignungskriterien, wo die Landesrichter wie Beamte von der Landesregierung ernannt werden.181 Folglich sind Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der Landesrichter nicht begrenzt. Diese dürfen nicht nach politischen Anschauungen ausgewählt werden.182

178  Vgl. jedoch für weitgehende Beurteilungsspielräume bei solchen Wahlen wegen der demokratischen Legitimation OVG SH, NVwZ-RR 1999, 420 (421); OVG HH, NordÖR 2013, 21 (22 f.); Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16; Gündisch, Richterwahlausschuss, S. 113 (117 ff.). 179  Vgl. ebenso Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 82; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1820; wohl auch Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 9; unklar: Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 24: grds. für Einbeziehung von ehrenamtlich Tätigen, aber Ausnahmen für Richter; offen gelassen von VerfG Bbg, NJW 1997, 2942 (2943). Zweifelhaft erscheint in Anbetracht von Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV die Verfassungsmäßigkeit von § 34 Abs. 1 Nr. 6 GVG, wonach Religionsdiener und Mitglieder solcher religiösen Vereinigungen, die satzungsgemäß zum gemeinsamen Leben verpflichtet sind, nicht zu Schöffen berufen werden sollen. 180  Vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 4 GVG, wonach Richter und Beamte der Staatsanwaltschaft, Notare und Rechtsanwälte nicht zu Schöffen berufen werden sollen. 181  Vgl. etwa zu Art. 58 Verf. NW, wonach Beamte – gemeint sind auch Rich­ ter – von der Landesregierung ernannt werden, Böckenförde, Richterwahl, S. 23 ff.; Ehlers, Richterwahl, S. 54; Gärditz, ZBR 2011, 109 (109); Hillgruber, in: MD, GG, Art. 98 (2010) Rn. 50; s. zu einer Beförderungsentscheidung VGH BW, VBlBW 1999, 305 (306); s. für die Anwendbarkeit von Art. 33 Abs. 2 GG für die Beförderung zum (Ober-)Gerichtspräsidenten: BVerfG (K), DRiZ 2013, 106, sowie den vorhergehenden (insoweit unbeanstandeten) Beschluss OVG NW, DRiZ 2012, 378; OVG NW, Beschl. v. 16.2.2009 – 1 B 1918 / 08 –, Juris: Rn. 11; OVG MV, NordÖR 2012, 198 (Juris: Rn. 20 ff.); OVG TH, DÖV 2013, 119 Nr. 88 LS; OVG SN, SächsVBl. 2013, 190 (191 ff.); BayVGH, BayVBl. 2013, 335. 182  Vgl. OVG SN, Beschl. v. 2.5.2012 – 2 B 148 / 12 –, Juris: Rn. 10; vorausgesetzt von: VGH BW, VBlBW 2012, 423 (424); OVG HH, NordÖR 2013, 21 (22); Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16; allgemein zu Richtern: Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 82; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1820.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

III. Politische Beamte Möglicherweise dürfen beim Zugang zu den Ämtern der sogenannten politischen Beamten, die gem. § 30 Abs. 1 BeamtStG jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, die politischen Anschauungen der Bewerber berücksichtigt werden. Dazu müsste Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG insoweit durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt sein. Das deutsche Beamtenrecht sieht als Ausnahme zum Regelfall der unpolitischen Lebenszeitbeamten herkömmlich183 Beamte vor, bei denen die Ausübung des betroffenen Amtes von den politischen Anschauungen des Amtsträgers abhängig sein soll. Ausdrücklich findet sich die Bezeichnung politische Beamte in § 54 Abs. 1, 2 BBG und entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften. Gem. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind damit diejenigen Beamten gemeint, die ein Amt bekleiden, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen. Diese Beamten bedürfen nach herkömmlicher Begründung wegen ihrer Aufgaben in besonderer Weise des politischen Vertrauens der Staatsführung, weil sie in der Außen- und Innenpolitik als Organe der Regierung angesehen und beurteilt werden.184 Vor diesem Hintergrund schreibt § 54 Abs. 1 BBG vor, dass die Inhaber unterschiedlicher Ämter politische Beamte sind und jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, soweit sie Beamte auf Lebenszeit sind. Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Ämter: Staatssekretäre sowie Ministerialdirektoren (Nr. 1), sonstige Beamte des höheren Dienstes im Auswärtigen Dienst von der Besoldungsgruppe B 3 an aufwärts sowie Botschafter in der Besoldungsgruppe A 16 (Nr. 2), Beamte des höheren Dienstes des Amtes für den Militärischen Abschirmdienst, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes von der Besoldungsgruppe B 6 an aufwärts (Nr. 3), den Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, dessen Stellvertretung und den Stellvertretenden Sprecher der Bundesregierung (Nr. 4), den Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (Nr. 5), den Präsidenten des Bundeskriminalamtes (Nr. 7), des Bundespolizeipräsidiums (Nr. 8), des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (Nr. 9), des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (Nr. 10) sowie des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Nr. 11). § 54 Abs. 1 Nr. 6 BBG a. F. nannte bis 2011 zusätzlich den Bundesbeauftragten für den Zivildienst. 183  Vgl. § 25 RBG 1873, dazu Fischbach, RBG, § 25 Rn. 1; Stern, StaatsR I2, § 11 S. 374 f.; ferner zur historischen Entwicklung schon 2. Kap. A. II. 184  Vgl. Schunke, Politische Beamte, S. 106; Battis, BBG, § 54 Rn. 2.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter391

Diese Aufzählung ist nicht abschließend, was § 54 Abs. 2 BBG ausdrücklich feststellt. Zusätzlich kann etwa gem. § 129 Abs. 2 BBG der Direktor des Bundesrates jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Weitere Positionen nennt das Landesrecht:185 So kann die nordrhein-westfälische Landesregierung gem. § 37 Abs. 1 LBG NW den Chef der Staatskanzlei sowie Staatssekretäre (Nr. 1), Regierungspräsidenten (Nr. 2), den Leiter der für den Verfassungsschutz zuständigen Abteilung (Nr. 3), Regierungssprecher (Nr. 4) sowie Polizeipräsidenten (Nr. 5) jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen. In der Bundesverwaltung soll der Anteil der politischen Beamten bei deutlich unter 0,5 Prozent liegen.186 Zwischen 1998 und 2005 hat etwa die von SPD und Grünen getragene Bundesregierung in 96 Fällen (28 Staatssekretäre, 68 Ministerialdirektoren) politische Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzt;187 rund ein Jahr, nachdem im Herbst 2005 Angela Merkel von einer großen Koalition aus CDU / CSU und SPD zur Bundeskanzlerin gewählt worden war, waren bis Oktober 2006 13 Staatssekretäre und 14 Ministerialdirektoren in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden.188 Im Oktober 2006 befanden sich insgesamt 71 Bundesbeamte im einstweiligen Ruhestand und erhielten Versorgungsbezüge in Höhe von monatlich zusammen 310 800 Euro.189 1. Beeinträchtigung politischer Gleichbehandlungsinteressen Bei der Zulassung zu den Ämtern der politischen Beamten könnten grundrechtliche Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG beeinträchtigt werden. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verlangt prinzipiell, dass Beamte ohne Benachteiligung oder Bevorzugung wegen politischer Anschauungen ausgewählt werden. Tatsächlich sehen die Beamtengesetze von Bund und Ländern, soweit ersichtlich, nicht vor, dass politische Beamte nur in Abhängigkeit von den politischen Anschauungen der Bewerber eingestellt werden dürften. Allerdings ermächtigen die Gesetzgeber von Bund und Ländern „die Regierung“190, 185  Allein das bayerische Landesrecht sieht keine politischen Beamten vor, vgl. Lindner, BayVBl. 2012, 581 (583 ff.). Nach dem zweiten Weltkrieg führten zunächst vor allem die Länder in preußischer Tradition politische Beamte ein; später folgten andere Länder; vgl. Juncker, ZBR 1974, 205 (205). 186  Vgl. BT-Drs. 16 / 2883, S. 2; Otremba, DöD 1999, 265 (265). 187  Vgl. BT-Drs. 16 / 2883, S. 5. 188  Vgl. BT-Drs. 16 / 2883, S. 3. 189  Vgl. BT-Drs. 16 / 2883, S. 6. 190  So § 30 Abs. 1 BeamtStG; zum Regierungsbegriff s. noch 4. Kap. C. III. 4. i).

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

selbst zu beurteilen, ob ein Bewerber mit ihren grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen übereinstimmt, und diese Übereinstimmung als Bestandteil der Eignung zur Einstellungsvoraussetzung zu machen. Dies folgt aus einem Umkehrschluss zu § 30 Abs. 1 BeamtStG, §§ 36, 54 Abs. 1 BBG,191 wonach die politischen Beamten jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Bejaht man die Eigenschaft eines Amtsträgers als politischer Beamter, weil man die von § 30 Abs. 1 BeamtStG vorausgesetzte fortdauernde Übereinstimmung für erforderlich hält, so werden an die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand keine (weiteren) ausdrücklich bestimmten Voraussetzungen geknüpft. Wenn aber die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand jederzeit aus politischen Gründen möglich ist, so lässt sich daraus schließen, dass nach der einfachgesetzlichen Regelung die politischen Anschauungen schon bei der Einstellung berücksichtigt werden dürfen sollen.192 Andernfalls bliebe nur die Möglichkeit, betroffene Ämter zunächst anschauungsunabhängig zu besetzen, Amtsinhaber dann aber nach einer etwa festgestellten Abweichung der politischen Anschauungen schon nach kürzester Zeit in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen; daran kann kein Interesse bestehen. Die Bundesregierung verweist zur Begründung193 ihrer Versetzungsgesuche gegenüber dem Bundespräsidenten ganz allgemein auf die gesetzlichen Vorschriften194 und dokumentiert die gem. § 8 Abs. 1 BBG i. V. m. § 4

191  Siehe

ebenso § 37 Abs. 1 LBG NW. schon Anders, DÖV 1964, 109 (116, 118 f.), der die politischen Anschauungen gleichwohl ausdrücklich zum einfachgesetzlichen Eignungskriterium erheben will; ähnlich ders., DÖV 1967, 611 (612); ferner Kingreen / Poscher, Grundrechte, Rn. 512; dagegen Breithaupt, DÖV 1964, 331 (331); kritisch ferner Franz, DöD 1999, 49 (50 f.), der zudem ein Einfallstor für (weitere) sachfremde Kriterien sieht. 193  Herkömmlich wird eine Begründung mit Verweis auf die jederzeitige Versetzbarkeit in den einstweiligen Ruhestand für entbehrlich gehalten, vgl. BVerfGE 7, 155 (166) – Bürgermeisterabwahl; 8, 332 (356) – Kommunalbeamte; BVerwGE 19, 332 (336 f.); Reich, BeamtStG, § 30 Rn. 8; Wacke, AöR 91 (1966), 441 (478 ff.), was in Anbetracht der grds. Begründungspflicht gem. § 39 Abs. 1 S. 1 VwVfG nicht unproblematisch ist: Ohne Weiteres erkennbar i. S. v. § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG ist die Auffassung der Behörde einschließlich der ihr Ermessen leitenden Gesichtspunkte nach § 39 Abs. 1 S. 3 VwVfG wohl nicht (vgl. allgemein U. Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 39 Rn. 93), sodass allenfalls Entbehrlichkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG in Betracht kommt, obwohl § 54 Abs. 1 BBG, § 37 Abs. 1 LBG NW – anders als andere Landesbeamtengesetze – nicht ausdrücklich bestimmen, dass es keiner Begründung bedarf; deshalb für Begründungspflicht: VG Stuttgart, Urt. v. 2.12.2011 – 1 K 2568 / 11 – n. v.; Schenke, in: FS Stober, 2008, S. 221 (228 ff.); Thieme, in: Forsthoff u. a., Reform, S. 301 (384); Traulsen, VBlBW 2012, 208 (210). 194  Vgl. BT-Drs. 16 / 2883, S. 3; auch BVerwGE 19, 332 (336 f.), m. w. N. 192  Vgl.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter393

Abs. 2 Nr. 1 BLV nicht ausschreibungspflichtigen Neueinstellungen nicht.195 In der Öffentlichkeit ist meist von fehlendem Vertrauen196 in die Amtsführung des bisherigen Amtsinhabers die Rede. Indes ist statistisch klar erkennbar, dass politische Beamte häufig im Zusammenhang mit Regierungswechseln in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, was politische Motive als Anknüpfungspunkt sehr wahrscheinlich erscheinen lässt.197 Festzuhalten bleibt, dass im Hinblick auf die Einstellung politischer Beamter – ähnlich wie bei der Mehrzahl der sogenannten konfessionell gebundenen Staatsämter – keine ausdrückliche gesetzliche Anknüpfung an die politischen Anschauungen der Bewerber vorliegt. Vielmehr wird eine maßgebliche Stelle, hier „die Regierung“, ermächtigt, abschließend über die Eignung zu entscheiden und dabei auch198 politische Ansichten der Bewerber zu berücksichtigen. Im Unterschied zu den oben behandelten Religionsgemeinschaften ist die Regierung bei ihrer Beurteilung der Eignung eines Kandidaten jedoch grundrechtsgebunden. Daher muss hier nicht von einer Kettenanknüpfung199 gesprochen werden, bei der die staatliche Auswahlent195  Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17 / 991, S. 13. Siehe zu Dokumentationspflichten für Auswahlentscheidungen zuletzt etwa BVerwG, NVwZ-RR 2012, 32 Rn.  26, m. w. N. 196  Indes wird der Verlust dieses Vertrauens regelmäßig nicht im Einzelfall festgestellt, sondern bloß behauptet; vgl. gegen diese Praxis Kugele, ZBR 2007, 109 (114). 197  Vgl. Otremba, DöD 1999, 265 (267), der für politisch gebundene Beamte gegenüber ungebundenen Kollegen in den Ämtern i. S. v. § 30 Abs. 1 BeamtStG ein deutlich höheres Risiko, in den Ruhestand versetzt zu werden, errechnet hat; Anders, DÖV 1964, 109 (112, 116); Grünning, VR 1988, 80 (87); Püttner, in: FS Ule, 1977, S. 383 (385); Thieme, Beamte, S. 149 (155): „politische Differenz im Vordergrund“. 198  Diskutieren ließe sich, ob als Grund für die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nach teleologischer Reduktion des § 30 BeamtStG sogar ausschließlich differierende politische Anschauungen in Betracht kommen. Zweifel an dieser These resultieren indes daraus, dass eine Versetzung wohl auch bei (nachträglich festgestellter) fehlender Eignung oder bei einer Störung des vorausgesetzten Vertrauensverhältnisses zwischen politischem Beamten und Regierung aus nicht-politischen – gegebenenfalls privaten – Gründen möglich sein soll beziehungsweise muss; vgl. Franz, DÖV 2009, 1141 (1141); Juncker, ZBR 1974, 205 (206); Thieme, Beamte, S. 149 (151 f.), demzufolge „jederzeit“ fristlos und aus jedem Grunde bedeutet; Duppré, Leitender Beamter, S. 14 (21 f.); Anders, DÖV 1964, 109 (114): nur Willkür ausgeschlossen; anders OVG NW, DÖV 1974, 166 (167), wonach nur in der Person des Beamten gründende Zweifel an dessen Eignung zur Versetzung in den einstweiligen Ruhestand berechtigen sollen; unbeschadet dieses beachtenswerten Ansatzes werden auch damit die politischen Anschauungen des Beamten nicht als Anknüpfungspunkt ausgeschieden; Wacke, AöR 91 (1966), 441 (464): „Keine Beschränkungen auf politische Differenzen“. Die Versetzung eines Beamten aus einem nichtpolitischen Amt in das Amt eines politischen Beamten soll deswegen nicht gegen den Willen des Betroffenen zulässig sein, vgl. OVG RP, NVwZ-RR 2003, 133 (133). 199  Siehe zu diesem Begriff schon 2. Kap. D. II. 5., 3. Kap. A. I. 2.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

scheidung mit der potenziell diskriminierenden Entscheidung eines grundrechtsberechtigten Dritten verkettet wäre. Macht die Regierung ihre Entscheidung von politischen Anschauungen der Bewerber abhängig, so liegt eine Anknüpfung unmittelbar durch die grundrechtsgebundene Staatsgewalt vor. In einem solchen Fall werden daher grundrechtliche Gleichbehandlungsinteressen der Bewerber aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG beeinträchtigt. 2. Beeinträchtigung des Prinzips der Bestenauslese Zusätzlich kann durch die anschauungsgebundene Vergabe der Ämter der politischen Beamten das Prinzip der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG beeinträchtigt werden. Franz geht davon aus, dass der Leistungsgrundsatz in der Realität bei der Ernennung von politischen Beamten keine Rolle spiele.200 Allerdings enthält Art. 33 Abs. 2 GG für sich genommen keinen Maßstab für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Einrichtung politisch gebundener Ämter.201 Die politische Anschauung eines Bewerbers um ein öffentliches Amt kann ein Eignungsmerkmal sein und dazu führen, dass ein ansonsten illegitimes Kriterium die Eignung beeinflusst; jedoch ist dies nur möglich, soweit ein solches anschauungsgebundenes Amt zuvor auf verfassungsmäßige Weise geschaffen worden ist. Art. 33 Abs. 2 GG kann daher Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG nicht begrenzen, da Art. 33 Abs. 2 GG verfassungskonform eingerichtete Ämter voraussetzt.202 Ob ein an sich verbotenes Entscheidungskriterium wie die politische Anschauung zum Eignungskriterium werden darf, ist somit schon bei der Einrichtung entsprechender Ämter am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu prüfen.203 Daher befreit der Verweis auf die politische Anschauung als Eignungsmerkmal nicht von der Rechtfertigungslast, warum ein konkretes öffentliches Amt entgegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG anschauungsgebunden ausgestaltet sein dürfen soll.204 Franz, ZBR 2008, 236 (238). schon 2. Kap. G. III. 4. e), 4. Kap. A. II. 202  Vgl. wohl anders Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 426, wonach der durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums ausgefüllte Begriff der Eignung speziell zum Merkmal politische Anschauungen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG sein soll. 203  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 225; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1829; s. aber auch Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 8: „parallel anwendbar“; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 13: „komplementär“; a. A. Gubelt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 102, der Art. 33 Abs. 2 GG als „lex specialis zu Art. 3“ einstuft. 204  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. Art. 33 I–III (2007) Rn. 225 f. 200  Vgl.

201  Siehe



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Davon unabhängig dürfte die Versetzung politischer Beamter in den einstweiligen Ruhestand häufig gegen das Prinzip der Bestenauslese verstoßen, weil die Versetzung regelmäßig nicht mit fehlender Eignung im weiteren Sinne begründet wird.205 Gleiches gilt für die Tatsache, dass die Neueinstellung politischer Beamter gem. § 8 Abs. 1 S. 2 BBG i. V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BLV keiner Ausschreibungspflicht unterliegen soll und der Personalauswahlprozess insoweit nicht dokumentiert wird.206 So wird etwa ein Fall aus der jungen Bundesrepublik geschildert, in dem ein Regierungspräsident trotz ausdrücklich festgestellter dienstlicher Eignung wegen parteipolitischer Bedenken entlassen worden sein soll, ohne dass sich der Vorgesetzte etwa auf fehlendes Vertrauen in den Regierungspräsidenten berufen hätte.207 Einmal unterstellt, die Ausgestaltung des Amtes eines Regierungspräsidenten als politischer Beamter wäre verfassungsgemäß, ist in einem solchen Fall gleichwohl ein Verstoß gegen das Prinzip der Bestenauslese zu vermuten. Dies öffnet allerdings gewissermaßen einen zweiten Problemkreis, weil – unabhängig von politischen Anschauungen – offensichtlich nur unzureichende verfahrensmäßige Sicherungen bestehen, damit das Amt dem bestmöglich geeigneten Bewerber anvertraut wird. Auf spezielle Probleme des Art. 33 Abs. 2 GG soll indes in Anbetracht der Fragestellung dieser Arbeit nicht vertieft eingegangen werden.208 3. Grundrechtsbegrenzungen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte im Hinblick auf die Vergabe der Ämter der politischen Beamten durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt sein. Allein die Tatsache, dass Beamtengesetze von Bund und Ländern politische Beamte vorsehen, bedeutet nicht, dass die anschauungsgebundene Vergabe dieser Ämter verfassungsrechtlich zulässig wäre. Einfachgesetzliche Rechtsnormen stellen keine hinreichende Rechtsgrundlage für BeeinEschenburg, Verbände, S.  22 f. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17 / 991, S. 13; hingegen für eine generelle Ausschreibungspflicht Neuhäuser, NVwZ 2013, 176 (178); speziell für politische Beamte ebd., S. 181. 207  Vgl. Eschenburg, Verbände, S.  22 f. 208  Entsprechendes gilt für etwaige Verstöße gegen das Lebenszeitprinzip als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG, die – unabhängig von einer Anknüpfung an politische Anschauungen – in einer Versetzung eines Beamten in den einstweiligen Ruhestand erblickt werden könnten; vgl. dazu und zu möglicherweise hergebrachten Ausnahmen BVerfGE 7, 155 (162 ff.) – Bürgermeisterabwahl; 121, 205 (232) – Leitungsamt auf Zeit. Soweit im Folgenden Begrenzungen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG festgestellt werden, wäre insoweit jedenfalls auch Art. 33 Abs. 5 GG begrenzt. 205  Vgl. 206  Vgl.

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trächtigungen der Grundrechte dar.209 Vielmehr darf sich wegen der Bindung an das Grundgesetz (vgl. Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) weder der einfache Bundesgesetzgeber noch der Landesgesetzgeber ohne verfassungsrechtliche Rechtfertigung über die Vorgaben der besonderen Gleichheitssätze hinwegsetzen.210 Zur verfassungsrechtlichen Begrenzung des Art.  3 Abs. 3 S. 1 GG kommen unterschiedliche Ansätze in Betracht: a) Natur der Sache Immer wieder findet sich in der – vor allem älteren – Literatur der Hinweis, bei politischen Beamten dürfe die politische Einstellung der Bewerber kraft „Natur der Sache“211 berücksichtigt werden. Das Prinzip der Bestenauslese finde für politische Beamte per se keine Anwendung; stattdessen sei eine Personalauswahl nach politischen Gründen legitim, weil politische Beamte an der Schnittstelle von Politik und Verwaltung arbeiteten, so eine teilweise vertretene Auffassung.212 Andere Autoren legen sich nicht ausdrücklich fest, ob die besonderen Gleichheitssätze für die Vergabe von Ämtern der politischen Beamten gelten;213 wieder andere sehen die politischen Anschauungen der Bewerber gegebenenfalls als Aspekt der Eignung an – oft ohne die dazu notwendige Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG Hillgruber, in: HStR IX, § 201 Rn. 32. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1838. Problematisch ist es daher, wenn Lindner, BayVBl. 2012, 581 (583), politische Beamte aufgrund von § 30 Abs. 1 BeamtStG bundesrechtlich zugelassen nennt, ohne zugleich die bundesverfassungsrechtliche Zulässigkeit zu diskutieren. 211  Lecheler, in: HStR V, § 110 Rn. 20; vgl. ferner OVG NW, DVBl. 2012, 1585 (dort insoweit nicht abgedruckt, Juris: Rn. 113): „Natur der wahrgenommenen Aufgaben“; ohne grundrechtliches Problembewusstsein auch Thieme, Beamte, S. 149 (149): „beamtenrechtlich unproblematisch“; Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 134: „selbstverständlich“. 212  Nach OVG NW, Beschl. v. 20.11.1998 – 12 B 2446 / 98 –, Juris: Rn. 3, soll der Grundsatz der Bestenauslese angesichts der durch Art. 33 Abs. 5 GG anerkannten Institution des politischen Beamten „von vornherein begrenzt“ sein; vgl. auch Bosetzky, Verwaltung 7 (1974), 427 (435 f.); Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 9, 22; Jung, Öffentlicher Dienst, S. 58: „logisch zwingende[s] Ergebnis[…]“; Kunig, in: Schoch, Verwaltungsrecht BT, 6. Kap. Rn. 70, 89; ähnlich Rottmann, in: FS Zeidler, 1987, S. 1097 (1110 f.); kritisch zu dessen Figur des obsoleten Verfassungsrechts Robbers, in: FS Benda, 1995, S. 209 (218); unentschieden Hense, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 33 Rn. 8; gegen „Nähe […] zum politischen Prozess“ als Rechtfertigungsgrund Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1823. 213  Vgl. Battis, BBG, § 9, § 36, § 54; Behrens, Beamtenrecht, § 2 Rn. 16; Kunig, in: Schoch, Verwaltungsrecht BT, 6. Kap. Rn. 89; Scheerbarth / Höffgen, Beamtenrecht, S. 144 f.; Tegethoff, in: Kugele, BeamtStG, § 30 Rn. 1 ff.; auch schon Brand, Beamtenrecht, S. 264. 209  Vgl. 210  Vgl.



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zu problematisieren.214 Eine solche Argumentation lässt jedenfalls einige Fragen unbeantwortet. Das Grundgesetz sieht politische Beamte nicht ausdrücklich vor und begrenzt dementsprechend die besonderen Gleichheitssätze insoweit nicht ausdrücklich. Im Gegenteil: Wie im zweiten Teil dieser Arbeit herausgestellt, besitzt Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG einen umfassenden Geltungsanspruch. Ausnahmen von den Bevorzugungs- und Benachteiligungsverboten können daher verfassungsrechtlich nur dann Bestand haben, wenn Bundesverfassungsrecht eine entsprechende Ausnahme legitimiert. Allein der Verweis auf die verfassungsrechtlich nicht verankerte Natur eines Amtes, die Aufgaben eines politischen Beamten oder politische Zweckmäßigkeitserwägungen215 vermögen solche Ausnahmen nicht zu rechtfertigen.216 Jede andere Interpretation nähme den Grundrechtscharakter der besonderen Gleichheitssätze nicht ernst. b) Verfassungstreue Für die Rechtfertigung der Vergabe öffentlicher Ämter unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen der Bewerber könnte die Verfassungstreuepflicht der Beamten sprechen. Einfachgesetzlich normieren etwa § 7 Abs. 1 Nr. 2, § 33 Abs. 1 S. 3 BeamtStG, § 60 Abs. 1 S. 3 BBG217 diese Pflicht zum Eintreten für die freiheitliche und demokratische Grundordnung des Grundgesetzes als Voraussetzung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis. Die Geschichte der Verfassungstreuepflicht für Beamte reicht weit zurück und ist insbesondere als wesentliches Charakteristikum des preußischen 214  So Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 39; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein /  Starck, GG, Art. 33 Rn. 19; Grigoleit, in: Stern / Becker, GR, Art. 33 Rn. 35; Grün­ ning, VR 1988, 80 (86), allgemein für jedes „politische[…] Amt“ (ebd.), womit im Kontext wohl auch Ämter politischer Beamter gemeint sein sollen; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 17; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 46; Özifrat-Skubinn, Beamtenernennungen, S. 48; dagegen Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 22, wonach das Grundgesetz keine „parteipolitische Eignung“ kenne; kritisch Lindner, ZBR 2006, 402 (405); ders., ZBR 2011, 150 (155). 215  Vgl. in diese Richtung aber Priebe, Beamtenstatus, S. 219, der Differenzierung für zulässig hält, wenn sich aus dem „Sachzusammenhang ein vernünftiger oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die Regelung“ ergebe. 216  Vgl. entsprechend zu konfessionsgebundenen Ämtern Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1800; anders aber BVerfGE 121, 205 (224) – Leitungsamt auf Zeit: „die besondere Sachgesetzlichkeit und die Natur der wahrgenommenen Aufgaben“ (ebd.). 217  Vgl. auch den Diensteid der nordrhein-westfälischen Landesbeamten in § 46 Abs. 1 LBG NW sowie Sonderregelungen für Hochschullehrer in Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG und für Bundesrichter in Art. 98 Abs. 2 GG.

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Beamtenrechts überliefert.218 Will sich der freiheitlich-demokratische Staat nicht selbst in Frage stellen, braucht er Beamte, die für seine verfassungsmäßige Ordnung eintreten und ihn in Krisen verteidigen.219 Dies ergibt sich aus der Bindung aller öffentlichen Gewalt an die Grundrechte gem. Art. 1 Abs. 3 GG sowie an die verfassungsmäßige Ordnung im Allgemeinen gem. Art. 20 Abs. 3 GG.220 Dieser Bindung kann als Inhaber eines öffentlichen Amtes nur genügen, wer die verfassungsmäßige Ordnung anerkennt. Rechtsprechung und Literatur rechnen die Pflicht, jederzeit aktiv für den Staat und seine Grundordnung einzutreten, daher zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG.221 Diese verfassungsrechtliche Verankerung rechtfertigt nach den Grundsätzen der „wehrhafte[n] Demokratie“222 eine Anknüpfung an verfassungsfeindliche politische Anschauungen. Wer versucht, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen, kann nicht als Beamter für die grundrechtsgebundene Staatsgewalt handeln und kann sich deshalb nicht mit Erfolg auf Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG berufen, wenn er deswegen bei der Vergabe öffentlicher Ämter abgelehnt wird.223 Die Prognose, ob sich ein Bewerber im Falle des Anvertrauens eines öffentlichen Amtes verfassungstreu verhalten wird, darf daher als Bestandteil der Eignung i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden.224 Fällt diese Prognose negativ aus, so ist der Betroffene nicht geeignet, ein öffentliches Amt auszuüben.225 218  Vgl. Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 48 ff.; historisch auch Zwir­ ner, Politische Treupflicht des Beamten. 219  Vgl. Lindner, ZBR 2006, 402 (407). 220  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1827. 221  Vgl. BVerfGE 39, 334 (346 ff.) – Radikale; BVerfG (K), NJW 2008, 2568 (2569): „[…] nicht eine Verpflichtung, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung zu identifizieren. Gemeint ist vielmehr die Pflicht zur Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren“; Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2010) Rn. 60, 33; Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 32, 71; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 47; Stern, StaatsR I, S. 370 ff. 222  BVerfGE 39, 334 (349) – Radikale, m. w. N. 223  Vgl. Dürig, in: MD, GG, Art. 3 III (1973) Rn. 118. 224  Vgl. BAG, NJW 1976, 1708 (1709); Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 32. Ob die Verfassungstreue als Bestandteil der Eignung gem. Art. 33 Abs. 2 GG oder als hergebrachter Grundsatz i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG zu berücksichtigen ist, ist umstritten, ändert das Ergebnis allerdings nicht, vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 194 ff., 201; Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 (123); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1827; Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 412; Stern, StaatsR I2, § 11 S. 371. 225  Vgl. st. Rspr. seit BVerfGE 39, 334 (346 f.) – Radikale; 96, 152 (163) – Parteilehrer; BVerwGE 61, 176 (177); BAG, NJW 1983, 1812 (1813); NJW 1976, 1708



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Folglich darf einem Bewerber, der aktiv eine verfassungsfeindliche Partei unterstützt und der deswegen nicht die Gewähr für seine Verfassungstreue bietet, kein öffentliches Amt übertragen werden.226 Zwar mag seine verfassungsfeindliche Einstellung politisch oder religiös motiviert sein, doch wird Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG in diesem Fall durch die Grundrechts- und Verfassungsbindung des Staates gem. Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG begrenzt.227 Insoweit ist die Pflicht zur Verfassungstreue jedoch eine allgemeine beamtenrechtliche Pflicht, die alle Beamten trifft und nicht speziell die politischen Beamten. Weitergehende Anforderungen an deren politische Anschauungen lassen sich daraus nicht ableiten. Von dieser allgemeinen Verfassungstreuepflicht der Beamten zu unterscheiden, sind spezielle Anforderungen an die Anschauungen leitender Beamter. So hielt man insbesondere nach dem Ende des Deutschen Kaiserreichs politische Beamte an der Verwaltungsspitze für unerlässlich, um die junge Republik zu festigen.228 Schon § 25 RBG 1873 hatte die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nicht an staatsfeindliches Verhalten des Betroffenen geknüpft; ausreichen sollte bereits die Überzeugung der Behörde, dass die Versetzung in den Wartestand im Interesse des Staates und seiner Erhaltung lag.229 Zwar waren gem. Art. 176 S. 1 WRV alle Beamten sowie die Angehörigen der Wehrmacht auf die Verfassung von 1919 zu vereidigen, doch verblieben tatsächlich viele Beamte aus der Kaiserzeit in ihren Ämtern, obwohl Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestanden. Darauf reagierte der Reichstag 1922 unter anderem mit einem Gesetz über die (1709); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 30, 33; Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 32; Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 6; Isensee, ZBR 2004, 3 (4); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 194 ff.; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 21, für Beschränkung auf die Anforderungen des jeweiligen Amtes; Ku­ nig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 34; Leibholz / Rinck, GG, Art. 33 Rn. 32, 135 ff.; Lindner, ZBR 2006, 402 (404); Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 48 ff.; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 47. 226  Vgl. einfachgesetzlich für Beamte § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG. 227  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1827; zur „politischen Eignung“ Jung, Öffentlicher Dienst, S. 53 ff. Nach anderer Auffassung (BVerfGE 13, 46 [49] – Entschädigungsausschluss; BVerwG, NJW 2005, 85 [88]; Schmid, Eignung, S. 65) wird schon nicht an politische Anschauungen angeknüpft, sondern an eine (drohende) Verletzung der Verfassungstreuepflicht, dagegen aber Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2207) Rn. 220: problematische „Relativierung der Diskriminierungsverbote“, der deswegen für diese Fälle Art. 33 Abs. 2 GG als lex specialis zu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ansieht. 228  Vgl. Eschenburg, Verbände, S. 14 f.; ders., Beamte, S. 38 (39); Grotkopp, Beamtentum, S. 18 ff., 39, zur Stellenbesetzung mit Beamten, die den Regierungsparteien politisch nahe standen, um eine größere „Volksnähe des öffentlichen Dienstes“ (ebd.) zu erzielen. 229  Vgl. Arndt, RBG, § 25 Rn. 3.

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Pflichten der Beamten zum Schutze der Republik,230 nach dessen Art. 3 über die bestehenden Vorschriften hinaus durch Reichs- oder Landesgesetz bestimmt werden konnte, dass nichtrichterliche Beamte ab der Besoldungsgruppe A XII im Interesse der Festigung der verfassungsmäßigen republikanischen Staatsform jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden konnten, wenn sie in leitender Stellung arbeiteten oder politische Entscheidungen zu treffen hatten. Gleiches galt für einzeln bestimmte Ämter, die besonders mit dem Schutz der Republik betraut waren. In dieser Tradition könnte man die Verfassungstreuepflicht jedenfalls für politische Beamte zu einer „politische[n] Treuepflicht“231 steigern, die betroffene Beamte verpflichten könnte, aktiv für bestimmte politische Anschauungen Partei zu ergreifen. So verstanden bekommt die Treuepflicht einen stärkeren politischen Aspekt, weshalb Mommsen sie auf „die Gruppe der politischen Beamten“232 beschränken will. Indes verpflichtet das Grundgesetz die Beamten zu Treue gegenüber dem Staat, seiner Verfassung233 sowie den rechtmäßigen Entscheidungen seiner Organe und nicht etwa zu Treue zur Regierungspartei.234 Verfassungstreue setzt als Eignungskriterium keine „identifikatorische[…] Nähe“235 zu allen Einzelausprägungen des grundgesetzlich verfassten Systems voraus, sondern ein grundsätzliches Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung; Abstufungen können je nach Amt und Tätigkeit geboten sein.236 Unabhängig von der Frage, ob der Schutz der republikanischen Staatsform in Weimarer Zeit das Institut der politischen Beamten rechtfertigen konnte, sind jedenfalls mehr als 60 Jahre nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes keine politischen Beamten i. S. v. § 30 Abs. 1 BeamtStG (mehr) erforderlich, um dessen freiheitlich-demokratische Ordnung zu 230  RGBl.

I 590. (K), NJW 2008, 2568 (2569), wo die mit diesem Begriff verbundene Pflicht allerdings inhaltlich nicht über die Pflicht zur Verfassungstreue hinausgeht; ebenso Laubinger, in: FS Ule, 1977, S. 89 (90). 232  Mommsen, in: Brandt, Treuepflicht, S. 34. 233  Vgl. Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 33; Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 (123). 234  Vgl. Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 196; Isensee, in: Hdb­ VerfR, § 32 Rn. 26; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 47; Lecheler, in: HStR V, § 110 Rn. 71, 74; Lindner, ZBR 2006, 402 (405); Stern, StaatsR I2, § 11 S. 376; entfernt Landau / Steinkühler, DVBl. 2007, 133 (140). 235  Schlink, Der Staat 15 (1976), 335 (352). 236  Differenzierend je nach Funktion auch Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 207 f.; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 34; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 21; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 47; wohl auch Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 35. 231  BVerfG



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verteidigen:237 Die mit der allgemeinen Verfassungstreue der Beamten verbundene Bereitschaft, den Bestand der Bundesrepublik zu verteidigen, ist insoweit ausreichend. Folglich rechtfertigt die beamtenrechtliche Pflicht zur Verfassungstreue nicht den anschauungsgebundenen Zugang zu öffentlichen Ämtern,238 sofern die politischen Anschauungen nicht Zweifel begründen, ob der Bewerber für die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes eintreten wird. c) Mitwirkung politischer Parteien gem. Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG Die Einrichtung politisch gebundener öffentlicher Ämter könnte durch Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG gerechtfertigt sein. Gem. Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Gegenüber früheren deutschen Verfassungsordnungen wird die Rolle der Parteien dadurch deutlich aufgewertet; das BVerfG spricht von einer Schlüsselund Mittlerfunktion der politischen Parteien.239 Insbesondere erkennt BVerfGE 52, 63 einen entscheidenden Einfluss der politischen Parteien auf die Besetzung der „obersten Staatsämter“240 an, ohne den Kreis dieser Ämter näher zu bestimmen. Der Auftrag zur Mitwirkung bei der Willensbildung soll sich nicht auf die Rekrutierung von Bewerbern für Parlamentsmandate und ähnliche Ämter beschränken, sondern sich auf alle Ebenen der Willensbildung des Volkes erstrecken, so eine in der Literatur geäußerte Auffassung.241 Politische Beamte könnten daher ein legitimes Instru237  Vgl. Kugele, Beamte, S. 125 f.; Lenze, Beamte, S. 72; zweifelnd auch Eschen­ burg, Ämterpatronage, S. 71, seit „keine prinzipiellen verfassungspolitischen Gegensätze mehr bestehen“; ähnlich Thieme, Beamte, S. 149 (155 f.), der eine „Entideologisierung der deutschen Politik“ (ebd.) festgestellt hat; so auch Franz, DöD 1999, 49 (50); Püttner, in: FS Ule, 1977, S. 383 (383), sieht gar einen Gegensatz zwischen Berufsbeamtentum und modernem demokratisch-parlamentarischem Staatssystem; Weber, Politische Beamte, S. 37, weist zusätzlich auf das weggefallene Spannungsverhältnis zwischen Parlament und Regierung hin, da die Regierung gem. Art. 63, 67 GG des stetigen Vertrauens des Bundestages bedarf. 238  Vgl. Lecheler, ZBR 1972, 228 (236 f.). 239  Vgl. BVerfGE 107, 339 (358) – NPD-Verbot; 112, 118 (135) – Vermittlungsausschuss; ferner BVerfGE 69, 92 (109) – Wahlspende; Lindner, ZBR 2006, 402 (405 f.). 240  BVerfGE 52, 63 (83) – Parteispenden; vgl. ebenso Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 12; Klein, in: MD, GG, Art. 21 (2012) Rn. 196: „vorzugsweise die Ämter in Parlament und Regierung, aber auch Wahlämter im kommunalen Bereich“. 241  Vgl. Ipsen, in: ders., PartG, § 1 Rn. 11.

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ment der Parteien sein, um Einfluss auf die politische Willensbildung zu nehmen.242 Indes schreibt Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG die Einrichtung politisch gebundener Ämter nicht vor und lässt sie weder ausdrücklich noch konkludent zu. Vielmehr muss der Auftrag zur Mitwirkung bei der Willensbildung im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG gelesen werden.243 Im Hinblick darauf ist grundlegend zu unterscheiden zwischen dem legitimen Einfluss, den politische Parteien unter Berufung auf Art. 21 Abs. 1 GG auf den demokratischen Willensbildungsprozess und auf die Besetzung öffentlicher Ämter ausüben können und sollen, und einer vom grundrechtsgebundenen Staat ausgehenden verfassungswidrigen Beeinflussung der Chancengleichheit der Parteien:244 Der Grundsatz strikt formaler Gleichheit verlangt, dass der Staat den Wettbewerb unter den Parteien nicht verfälscht,245 indem er etwa die eine Regierung tragenden Parteien durch die Einrichtung von politisch gebundenen Ämtern bevorzugt – auch nicht etwa als besondere Form staatlicher Parteienförderung.246 Folglich kann Art. 21 Abs. 1 S. 1 242  Vgl. Ipsen, in: FS Kirchhof, 2013, § 65 Rn. 7, wonach Parteien ihre politische Programmatik „nur durchsetzen können, wenn sie Führungspositionen mit eigenen Anhängern besetzen“ (ebd.). Gleichwohl plädiert Ipsen, ebd. Rn. 8, für eine Begrenzung des Parteieneinflusses auf „politische[…] Führungsämter […]“ (ebd.). Vgl. ferner BVerfGE 1, 208 (226) – Sperrklausel, wo vorausgesetzt wird, dass die Willensbildung des Volkes die Willensbildung des Staates und der für ihn handelnden Organe einschließt; ähnlich Klein, in: MD, GG, Art. 21 (2012) Rn. 198; ferner Sondervotum Rottmann, BVerfGE 44, 125 (181, 183) – Öffentlichkeitsarbeit; Klieve, VR 2003, 183 (188), die ausdrücklich zwischen Willensbildung des Volkes und Willensbildung des Staates unterscheidet und den Parteien einen Auftrag zu Letzterem abspricht. 243  Vgl. Klieve, VR 2003, 183 (188); v. Münch, ZBR 1960, 245 (249); ferner Fricke, Ämterpatronage, S. 141 ff. 244  Inhaber eines öffentlichen Amtes – zumal die Beamten – sind daher entsprechend Art. 130 Abs. 1 WRV, in dessen Tradition das grundgesetzliche Beamtenrecht steht, Diener der Allgemeinheit und nicht einer Partei. Anderes gilt nur, soweit das Grundgesetz ausdrücklich politische Anschauungen in den staatlichen Entscheidungsprozess integrieren will wie etwa im gem. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG gewählten Bundestag. Dessen Abgeordneten sollen als Vertreter des ganzen Volkes (S. 2) durchaus ihre (partei-)politischen Ansichten in ihre Abgeordnetentätigkeit einbringen (vgl. Klein, in: MD, GG, Art. 21 [2012] Rn. 170) – freilich ohne dadurch Grundrechtsträger wegen deren politischen Anschauungen entgegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu benachteiligen. 245  Vgl. BVerfGE 69, 92 (109) – Wahlspende; 104, 287 (298) – Dienstleistungsspenden; 111, 382 (398) – Drei-Länder-Quorum; 121, 108 (120 ff.) – Parteispenden; 124, 1 (20) – Nachwahl; Lindner, ZBR 2006, 402 (406). 246  Vgl. Isensee, Parteienzugriff, S. 52 (57); allgemein zu den strikten Gleichheitsanforderungen bei staatlichen Leistungen Ipsen, in: Sachs, GG, Art.  21 Rn. 41 ff.



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GG die Einrichtung politisch gebundener öffentlicher Ämter nicht rechtfertigen.247 d) Hergebrachte Grundsätze gem. Art. 33 Abs. 5 GG Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte im Hinblick auf den politisch gebundenen Zugang zu den öffentlichen Ämtern der Beamten durch hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 Abs. 5 GG begrenzt werden. Art. 33 Abs. 5 GG schützt jenen Kernbestand von Strukturprinzipien der Institution des Berufsbeamtentums, die allgemein oder doch überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Weimarer Reichsverfassung, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind.248 Die hergebrachten Grundsätze sind bei Regelung und Fortentwicklung des Rechts des öffentlichen Dienstes zu berücksichtigen. Damit enthält Art. 33 Abs. 5 GG nicht bloß einen Programmsatz, sondern unmittelbar geltendes Recht,249 das Grundrechtsträger gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG im Wege der Individualverfassungsbeschwerde durchsetzen können.250 Abweichend von Art. 129 Abs. 4 WRV ist Art. 33 Abs. 5 GG jedoch seinem Wortlaut nach nicht primär auf den Schutz der wohlerworbenen Rechte der Beamten im Sinne einer Besitzstandswahrung ausgerichtet, sondern soll vielmehr die Institution des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit erhalten.251 Geschützt ist nicht pauschal das gewachsene Berufsbeamtenrecht, sondern die Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums einschließlich derjenigen Regelungen, die das Berufsbeamtentum in seiner 247  Vgl. Dippel, NordÖR 2009, 102 (106 f.); Klein, in: MD, GG, Art. 21 (2012) Rn. 209; Klieve, VR 2003, 183 (187 f.); Kloepfer, ZBR 2001, 189 (191); Wichmann, Patronage, S. 93 ff., ferner Ipsen, in: ders., PartG, § 1 Rn. 11, der diese Aussage jedoch auf diejenigen staatlichen Ämter beschränken will, „die keiner politischen Bindung unterliegen“ (ebd.), und dabei offen lässt, für welche Ämter eine solche Bindung legitimer Weise vorausgesetzt werden darf. 248  St. Rspr., vgl. BVerfGE 15, 167 (195 f.) – G131; 83, 89 (98) – 100%-Grenze; 114, 258 (282) – Altersvorsorge; 119, 247 (260) – Zwangsteilzeit; 121, 205 (219) – Leitungsamt auf Zeit; BVerfGK 16, 444 (445), m. w. N.; Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2010) Rn. 65. 249  Vgl. BVerfGE 15, 167 (195) – G131; 121, 205 (219) – Leitungsamt auf Zeit, m. w. N.; Lecheler, in: HStR V, § 110 Rn. 54 f.; Werres, ZBR 2006, 288 (293). 250  Vgl. BVerfGE 130, 263 (292) – Professorenbesoldung; 131, 20 (35 ff.) – Ruhegehaltssatz, zum Vertrauensschutz des Beamten aus Art. 33 Abs. 5 GG; BVerfGE 131, 239 (254 f.) – Homo-Ehe; Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 65. 251  Vgl. BVerfGE 8, 332 (343) – Kommunalbeamte; BVerwG, Beschl. v. 19.10. 2012 – 2 B 18 / 12 –, Juris: Rn. 6; zum Umfang der wohlerworbenen Rechte Beilke, Fortentwicklung, S. 42 ff.

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überkommenen Gestalt maßgeblich prägen und deren Beseitigung das Wesen des Berufsbeamtentums antasten würde.252 Im Interesse der Allgemeinheit an einem funktionsfähigen Berufsbeamtentum kann Art. 33 Abs. 5 GG vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte beschränken.253 Bezogen auf die Fragestellung dieser Arbeit setzt das voraus, dass ein hergebrachter Grundsatz besteht, wonach es politische Beamte geben muss oder zumindest geben darf.254 Dieser Grundsatz müsste bereits so lange gelten, dass er als hergebracht zu bezeichnen ist,255 und er müsste zudem konstitutiv für den Fortbestand des Berufsbeamtentums sein.256 Tatsächlich geht der Einsatz von politischen Beamten in den Leitungsebenen der Ministerien bis in die preußische Zeit zurück.257 Zweifelhaft bleibt jedoch, ob das Institut des politischen Beamten das Berufsbeamtentum in seiner überkommenen Gestalt derart maßgeblich prägt, dass seine Beseiti252  Vgl. BVerfGE 43, 154 (185) – Datenzentrale; 114, 258 (285 f.) – Altersvorsorge; 117, 330 (348) – Ballungsraumzulage; 119, 247 (262 f.) – Zwangsteilzeit; 130, 263 (292) – Professorenbesoldung: „strukturprägende[r] Charakter[…]“; ­BVerwG, NVwZ 2012, 1481 Rn. 14; Hense, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 33 Rn. 35: „Substanzialität und Traditionalität“; ähnlich Stern, StaatsR I2, § 11 S. 355; Lecheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 65: „Essentialia“; Lecheler, in: HStR V, § 110 Rn. 52; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 61, der zudem auf die erforderliche Kompatibilität mit Grundrechten und der rechtsstaatlichen Ordnung hinweist; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 43, 47. 253  Vgl. zur Kunstfreiheit BVerfG (K), NJW 2008, 2568 (2569); zu Art. 33 Abs. 2 GG: BVerwGE 122, 147 (153); 142, 59 Rn. 16; OVG NW, NWVBl. 2013, 287 (289); Lecheler, in: HStR V, § 110 Rn. 57; Sachs, in: ders., GG, vor Art. 1, Rn. 131 Fn. 360; Werres, ZBR 2006, 288 (293). 254  Vgl. für einen solchen Grundsatz: BVerfGE 7, 155 (166 f.) – Bürgermeisterabwahl; BVerwGE 19, 332 (332 ff.); OVG NW, DÖV 1974, 166 (167); Beschl. v. 20.11.1998 – 12 B 2446 / 98 –, Juris: Rn. 3; Fehlig, Staatssekretär, S. 116 f.; Forst­ hoff, in: ders. u. a., Reform des Dienstrechts, S. 17 (68); Herrmann, VerwArch 101 (2010), 377 (394); Neuhäuser, NVwZ 2013, 176 (181); Wacke, AöR 91 (1966), 441 (454, 458); Wendt, in: HGR V, § 127 Rn. 63; Werres, Beamtenverfassungsrecht, Rn. 68; für die Möglichkeit, nicht aber Gebotenheit politischer Beamter: Kugele, ZBR 2007, 109 (109 f.); Lindner, ZBR 2011, 150 (157); Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 33 (1966) Rn. 19; Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 867; auf ältere Rechtsprechung verweisend, jedoch nicht ganz klar BVerfGE 121, 205 (223) – Leitungsamt auf Zeit: „Ausnahme vom Lebenszeitprinzip“; unentschieden: Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 226; kritisch Schröder, in: HStR V, § 106 Rn. 39. 255  Vgl. Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 65. 256  Diese zweite Voraussetzung lässt BVerfGE 121, 205 (223) – Leitungsamt auf Zeit, unbeachtet, wenn es zwar (richtig) heißt, der „Kreis der politischen Beamten [müsse] eng begrenzt“ (ebd.) sein, doch offen bleibt, warum es überhaupt politische Beamte geben muss. 257  Siehe schon 2. Kap. A. II.; ferner BVerfGE 121, 205 (223) – Leitungsamt auf Zeit, wo ebenfalls auf die Tradition politischer Beamter verwiesen wird.



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gung zugleich das Wesen des Berufsbeamtentums antasten würde. Dass dies der Fall sei, wird in Rechtsprechung und Literatur meist bloß behauptet, nicht aber hinreichend begründet.258 Tatsächlich ist nicht ersichtlich, dass politische Beamte für den Erhalt des Berufsbeamtentums erforderlich sind.259 Dagegen spricht nicht zuletzt, dass Bayern ohne politische Beamte auskommt, ohne dass dort das Wesen des Berufsbeamtentums angetastet würde. Auch der Bundesgesetzgeber ging ausweislich des § 30 Abs. 1 S. 2 BeamtStG nicht davon aus, dass es politische Beamte geben muss, um die Funktionsfähigkeit der (Landes-)Regierungen zu gewährleisten. Vielmehr können die Länder selbst je nach landespolitischen Gegebenheiten über die Einrichtung politischer Beamter entscheiden.260 Auch das BVerfG erkennt in seinem Beschluss zur Übertragung von Leitungsämtern auf Zeit aus dem Jahr 2008 das Institut des politischen Beamten jedenfalls nicht ausdrücklich als hergebrachten Grundsatz i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG an.261 Zwar heißt es dort, eine „Ausnahme vom Lebenszeitprinzip stellen traditionell die so genannten politischen Beamten dar“262, doch trifft das Gericht damit expressis verbis lediglich eine Aussage über den Umfang des hergebrachten Lebenszeitprinzips, das für bestimmte Beamtengruppen von vornherein nicht gelten soll. Daraus darf indes nicht abgeleitet werden, das Institut des politischen Beamten sei seinerseits verfassungsrechtlich als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG garantiert. Folglich gehört die Institution des politischen Beamten nicht zum notwendigen Kernbestand der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums.263 258  Siehe Juncker, ZBR 1974, 205 (206); Wacke, AöR 91 (1966), 441 (452 ff.); Hense, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 33 Rn. 44, der politische Beamte ohne weitere Begründung als „rechtlich anerkannte Ausnahmen vom Lebenszeitprinzip“ akzeptiert. 259  Vgl. Juncker, ZBR 1974, 205 (209); Ule, DÖV 1964, 293 (295); auch Schrö­ der, in: HStR V, § 106 Rn. 39, der politische Beamte nicht für erforderlich, doch gleichwohl für „systemadäquat“ (ebd.) erachtet. 260  Vgl. zu § 31 Abs. 1 BRRG: Anders, DÖV 1964, 109 (112); Lecheler, in: HStR V, § 110 Rn. 38; Weber, Politische Beamte, S. 43. Die neuere Formulierung in § 30 Abs. 1 BeamtStG lässt sich zwar auch so lesen, als ob die Institution der politischen Beamten vorgegeben sei und die Länder lediglich über den Kreis der einzubeziehenden Beamten entscheiden dürften, doch ist nicht ersichtlich, dass und weshalb die Länder verpflichtet sein sollte, solche Ämter vorzusehen; vgl. so wohl auch Reich, BeamtStG, § 30 Rn. 7. 261  Vgl. BVerfGE 121, 205 (222 f.) – Leitungsamt auf Zeit. 262  BVerfGE 121, 205 (223) – Leitungsamt auf Zeit. 263  Vgl. Battis, BBG, § 54 Rn. 3; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 47; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1829; wohl auch Schröder, in: HStR V,

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e) Funktionsfähigkeit der Bundesregierung Die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung könnte politische Beamte erfordern und dazu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG begrenzen. Dieser Ansatz steht in engem Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 1, 2, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG). Die Institution des politischen Beamten wird dazu als „Konsequenz aus der parlamentarisch-parteistaatlichen Demokratie“264 mit ihren potenziell wechselnden demokratisch gewählten Regierungen dargestellt. Das Demokratieprinzip und die Bedingungen der Funktionsfähigkeit der Regierung sollen nach dieser Auffassung die politisch bedingte Zulassung zu „politischen Ämtern“265 rechtfertigen, zu denen in diesem Sinne wohl auch die Ämter der politischen Beamten zählen. Korrespondierend zur Zulassung dürfte danach die Abberufung aus diesen Ämtern erfasst sein. Es sei verständlich, dass die jeweils Regierenden versuchten, sich mit besonders verlässlichen und politisch gleichgesinnten Mitarbeitern zu umgeben, meint etwa Steinkemper.266 Eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf den politisch gebundenen Zugang zu öffentlichen Ämtern zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Bundesregierung setzt voraus, dass die Funktionsfähigkeit der § 106 Rn. 39. Wollte man die Existenz politischer Beamter gleichwohl als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums ansehen, müsste man zudem beachten, dass ein Konflikt zum Lebenszeitprinzip bestünde, das jedenfalls die Qualität eines hergebrachten Grundsatzes hat; ausführlich zu diesem Konflikt BVerfGE 121, 205 (219 ff.) – Leitungsamt auf Zeit; ferner BVerfGE 119, 247 (263) – Zwangsteilzeit; BVerfGK 1, 303 (305); BVerwGE 142, 59 Rn. 16 ff.; Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 71, 73; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 63; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 50; s. aber Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 52, die das Lebenszeitprinzip von vornherein durch eine Ausnahme für politische Beamte begrenzt sieht. 264  Stern, StaatsR I2, § 11 S. 374; vgl. ähnlich Wacke, AöR 91 (1966), 441 (458), wonach die Beseitigung, Einschränkung oder Abschwächung der Einrichtung des politischen Beamten „grundlegende Strukturelemente der parlamentarischen Demokratie in Gefahr bringen“ (ebd.) würde; s. zur wechselnden politischen Ausrichtung der Staatsführung auch BVerfGE 121, 205 (220) – Leitungsamt auf Zeit. 265  Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 141; vgl. ähnlich wohl der Verweis auf das Gemeindeverfassungsrecht als Rechtfertigung in BVerfGE 7, 155 (170) – Bürgermeisterabwahl; ferner Eckert-Höfer, in: AK-GG, Art. 3 II, III (2001) Rn. 124; Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 134. 266  Vgl. Steinkemper, Grenzbereich, S. 33; ferner Kugele, ZBR 2007, 109 (111); Menzel, DÖV 1970, 433 (446): „naheliegend“. Damit besteht eine gewisse Parallele zu Tendenzbetrieben i. S. v. § 118 Abs. 1 BetrVG, für die betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften nur eingeschränkt gelten. Grund dieser arbeitsrechtlichen Privilegierung sind allerdings die Freiheitsrechte der Tendenzträger (vgl. Kania, in: ErfK, BetrVG, § 118 Rn. 1., m. w. N.), die staatlichen Stellen nicht zukommen.



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Bundesregierung ein grundgesetzlich anerkannter Verfassungswert ist und dass dieser die Vergabe bestimmter öffentlicher Ämter unter Berücksichtigung der politischen Anschauung der Bewerber erfordert oder jedenfalls ermöglicht.267 aa) Funktionsfähigkeit der Bundesregierung als Verfassungswert Bestand und Funktionsfähigkeit der Bundesregierung als leitendem Exekutivorgan268 werden im gewaltengeteilten, demokratischen Staat des Grundgesetzes durch Art. 20 Abs. 2 S. 2, Art. 62 ff. GG vorausgesetzt.269 Gemäß der traditionellen vertikalen Dreiteilung der Staatsgewalt übernimmt die Exekutive alle Aufgaben, die nicht zu Rechtsetzung oder Rechtsprechung gehören.270 Die Bundesregierung nimmt Aufgaben der staatsleitenden politischen Führung271 sowie des Vollzugs von Gesetzen wahr. In Anbetracht ihrer grundgesetzlich zugewiesenen Kompetenzen hat sie Anteil an der obersten Staatsleitung und nimmt als eigenständige Kraft am Verfassungsleben teil.272 Die verfassungsrechtliche Anerkennung der Regierung und ihrer Funktionen bedingt die notwendigen „Rand- und Annexkompetenzen“273 zur Erhaltung ihrer Funktionsfähigkeit. Dazu wird in der Literatur insbesondere ihre Organisations- und Direktionsgewalt gezählt.274 Dementsprechend ist auch die 267  s.

zu beiden Typen von Normenkollisionen schon 2. Kap. D. III. 2. e) dd). Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 62 Rn. 6; Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 62 Rn. 19; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 82; differenziert Schröder, in: v. Man­goldt / Klein / Starck, GG, Art. 62 Rn. 18 f. 269  Vgl. BVerfGE 9, 268 (281) – Bremer Personalvertretung: „Der demokratische Rechtsstaat im Sinne des Grundgesetzes (Art. 28 Abs. 1 Satz 1) setzt notwendig eine funktionsfähige […] Regierung voraus.“; ferner BVerfGE 105, 279 (301 ff.) – Osho, zur grundgesetzlich vorausgesetzten Aufgabe der Staatsleitung und daraus abzuleitenden Kompetenzen; BVerwGE 122, 147 (150), zur Funktionsfähigkeit der Verwaltung; Battis, BBG, § 54 Rn. 2; Lindner, BayVBl. 2012, 581 (585); Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122, S. 1830; Scheuner, in: FS Smend, 1952, S. 253 (283); Theisen, in: FS Zeidler, 1987, S. 1167 (1169); Wacke, AöR 91 (1966), 441 (458). 270  Vgl. Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 83; allgemein zur Aufgabenzuweisung Schröder, HStR III, § 64 Rn. 5 ff. 271  Vgl. zu unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs Regierungsaufgaben Ol­ diges, in: Sachs, GG, Art. 62 Rn. 13. 272  Vgl. BVerfGE 9, 268 (281) – Bremer Personalvertretung; BVerwGE 82, 76 (80); Herzog, in: MD, GG, Art. 62 (2008) Rn. 64; Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 62 Rn. 17; Mager, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 62 Rn. 5; Schröder, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 62 Rn. 4 f. 273  Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 62 Rn. 44; Schröder, HStR III, § 64 Rn. 13, m. w. N. 274  Vgl. Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 62 Rn. 44. 268  Vgl.

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Funktionsfähigkeit der auf verfassungsmäßige Weise eingerichteten Bundesministerien grundgesetzlich gewährleistet. Die Organisationshoheit der Bundesregierung für den unmittelbaren Bereich der Regierung (materielles Kabinettsbildungsrecht) sowie für die der Regierung nachgelagerten Behörden umfasst grundsätzlich das Recht, unter Wahrung der organisatorischen Vorgaben des Grundgesetzes275 sowie der einfachen Gesetze beziehungsweise der parlamentarisch beschlossenen Haushalts- und Stellenpläne festzulegen, welche öffentlichen Ämter mit welchem Aufgabenzuschnitt und daraus resultierendem Anforderungsprofil an der Spitze der Bundesverwaltung geschaffen werden.276 Es fragt sich aber, ob die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung erfordert oder jedenfalls ermöglicht, dass politische Beamte unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen ausgewählt werden. Nur dann könnten die Grundgesetzbestimmungen, die eine funktionsfähige Bundesregierung voraussetzen, den Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG begrenzen.277 Denn, so betont der VerfGH NW, jede – auch organisatorische – Maßnahme muss „durch die Verfassung legitimiert sein“278 und darf nicht mit Verfassungsrecht kollidieren.279 Dass die Bundesregierung ohne politische Beamte nicht funktionsfähig wäre, ist eher fernliegend, zumal die bayerische Staatsregierung ohne diese Beamtengruppe auskommt. Gleichwohl könnte die verfassungsrechtlich anerkannte Funktionsfähigkeit der Regierung die Institution der politischen Beamten immerhin als Option für den Gesetzgeber zulassen, um die Funktionsfähigkeit einer Regierung etwa noch zu verbessern. Allerdings ist eine 275  Gegebenenfalls kann aus dem Grundgesetz etwa ein diesbezüglicher Parlamentsvorbehalt folgen; vgl. VerfGH NW, NJW 1999, 1243 (1244), wonach die Befugnis, Ministerien zu errichten und ihre Geschäftsbereiche abzugrenzen, grds. der Organisationsgewalt der Regierung zuzurechnen ist, im Einzelfall (hier: Zusammenlegung von Innen- und Justizministerium) aber einem Parlamentsvorbehalt unterliegen kann. 276  Vgl. BVerfGE 63, 1 (34); BVerwGE 101, 112 (114), BVerwG, NVwZ-RR 2000, 172 (173), m. w. N. 277  Vgl. in diese Richtung Kunig, in: Schoch, Verwaltungsrecht BT, 6. Kap. Rn. 121, wonach die „verfassungsrechtliche Aufgabenzuweisung an die Regierung“ (ebd.) es nahe lege, dass diese „möglichst frei über die personale Besetzung von Spitzenpositionen befinden kann“ (ebd.); zur Begrenzung des Art. 33 Abs. 2 GG zur „Abwendung einer unmittelbar drohenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung“ BVerwGE 122, 147 (150); ähnlich Neuhäuser, NVwZ 2013, 176 (180); weniger strikt zur Durchbrechung des Lebenszeitprinzips gem. Art. 33 Abs. 5 GG Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 33 (1966) Rn. 65: „durch im parlamentarischen Regierungssystem begründete vernünftige Erwägungen gerechtfertigt“. 278  VerfGH NW, NJW 1999, 1243 (1244). 279  Vgl. VerfGH NW, NJW 1999, 1243 (1244); auch BVerwGE 122, 147 (153).



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Grundrechtsbegrenzung dann nur anzunehmen, soweit dieser Zweck durch politische Beamte auch erreicht oder jedenfalls gefördert werden kann. Ob die Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane tatsächlich die Institution der politischen Beamten ermöglicht, ist im Folgenden zu ermitteln. bb) Ressortkompetenz der Bundesminister gem. Art. 65 S. 2 GG Die Auswahl politischer Beamter anhand politischer Anschauungen könnte verfassungsrechtlich ermöglicht werden, um die Ressortkompetenz der Bundesminister gem. Art. 65 S. 2 GG zu wahren. So leitet Wichmann aus Art. 65 GG die Kompetenz der Regierungsmitglieder ab, bei der Besetzung der Leitungsämter in den Ministerien die politischen Anschauungen der Bewerber zu berücksichtigen.280 Zudem lässt sich darauf verweisen, dass die politischen Beamten eng mit dem ihnen zugeordneten Staatsorgan – meist einem Mitglied der Bundesregierung – zusammenarbeiten, woraus sich im Bereich der Regierung Annäherungen an das politische Amt etwa eines Bundesministers ergeben könnten. Letzteres wird im Hinblick auf den anschauungsgebundenen Zugang nicht vom sachlichen Gewährleistungsbereich der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG erfasst [s. schon 4. Kap. C. I. 5.]. Die Überzeugungskraft dieser Argumente erscheint indes zweifelhaft: Zwar normiert Art. 65 S. 2 GG das Ressortprinzip und begründet damit eine Ressortkompetenz der Bundesminister einschließlich ihrer Personalhoheit, doch bezweckt dies vor allem eine Kompetenzabgrenzung innerhalb der Bundesregierung.281 Allein die Rückführbarkeit der Vergabe der Ämter der politischen Beamten auf einen Entscheidungsträger mit hoher personeller demokratischer Legitimation – meist den zuständigen Minister – befreit diesen nicht von grundrechtlichen Bindungen.282 280  Vgl. Wichmann, Patronage, S. 90 ff., der den erfassten Leitungsbereich über die politischen Beamten hinaus erstreckt; allgemein zu Personalentscheidungen der Bundesminister Herzog, in: MD, GG, Art. 65 (2008) Rn. 60. Eine theoretisch nicht auszuschließende Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 durch die Geschäftsordnungsautonomie der Bundesregierung gem. Art. 65 S. 4 GG scheidet schon deswegen aus, weil die GOBReg keine Regelungen zur Berücksichtigung politischer Anschauungen beim Zugang zu öffentlichen Ämtern trifft: § 15 Abs. 2 lit. a, §§ 18, 19 GOBReg sehen zwar Beteiligungsrechte der Bundesregierung bei der Ernennung von Beamten vor, nennen aber keine Entscheidungskriterien, sodass prinzipiell Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG gelten; vgl. in anderem Zusammenhang gegen die Begrenzung von Verfassungsrecht durch Geschäftsordnungsrecht Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65 Rn. 38. 281  Vgl. Bracher, DVBl. 2001, 19 (25); Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65 Rn. 1; speziell zur Personalhoheit ebd., Rn. 21; Schenke, in: BK, GG, Art. 65 (2003) Rn. 90. 282  Vgl. VG Potsdam, Beschl. v. 22.12.2006 – 2 L 745 / 06 –, Juris: Rn. 24; ferner BVerwGE 105, 89 (92 f.), für – eingeschränkte – gerichtliche Nachprüfbarkeit von

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cc) Transformations- und Steuerungsfunktion politischer Beamter Die Auswahl politischer Beamter anhand ihrer politischen Anschauungen könnte jedoch verfassungsrechtlich ermöglicht werden durch die Transformations- und Steuerungsfunktion dieser Beamten an der Schnittstelle von Regierung und Verwaltung, um eine bestmögliche Funktionsfähigkeit der Bundesregierung zu gewährleisten. Politische Beamte sollen die Politik der Regierung umsetzen und damit erst zur Wirkung bringen.283 Die Besonderheit politischer Beamter besteht darin, dass sie als Spitzenbeamte in besonderer Weise verpflichtet sind, mit dem Staatsorgan zusammenzuarbeiten, dem sie zugeordnet sind.284 Diese Staatsorgane werden im demokratischen Gemeinwesen regelmäßig mit Angehörigen wechselnder politischer Anschauungen besetzt, sodass die Herausforderung darin besteht, dass Anhänger wechselnder Parteien Vertrauen zum jeweiligen politischen Beamten entwickeln können müssen. Diese „Zwitterstellung“285 des politischen Beamten zwischen neutraler, ausführender Verwaltungstätigkeit und besonderer Nähe zur politischen Staatsleitung bedinge notwendig eine spezielle Regelung für politische Beamte, so etwa Wagner. Ihm zufolge bringen die Spitzenpositionen in der Verwaltung über die vollziehende Tätigkeit hinaus ein eigenständig leitendes Handeln mit sich, welches im Interesse des Gesamtstaates von der Wirkung her den Vorgaben und Maßnahmen der Staatsleitung nicht zuwider laufen dürfe. Im Vordergrund stehe nicht der Gesetzesvollzug, sondern die Vorbereitung von Gesetzen und Plänen, so eine Behauptung der Literatur.286 Entscheidungen parlamentarisch legitimierter Richterwahlausschüsse; OVG SN, NJ 2008, 472; wohl anders aber Klieve, VR 2003, 183 (187), die eine politische beeinflusste Personalauswahl „in den politiknahen Bereichen des öffentlichen Dienstes sogar geradezu demokratisch legitimiert“ (ebd.) sieht; ähnlich Frenzel, ZBR 2008, 243 (251), demzufolge das Leistungsprinzip im Hinblick auf Bundesminister und Parlamentarische Staatssekretäre durch das demokratische Prinzip überlagert wird. 283  Vgl. Theisen, in: FS Zeidler, 1987, S. 1167 (1169); ähnlich BVerfGE 121, 205 (223) – Leitungsamt auf Zeit; Wahl, Der Staat 8 (1969), 327 (333). 284  Für die Mehrheit der politischen Beamten ist die jeweilige Regierung dieses Staatsorgan; vgl. aber für Erforderlichkeit eines Vertrauensverhältnisses zum Präsidenten des Landesparlaments BVerwGE 115, 89 (95). 285  Schunke, Politische Beamte, S. 140 ff.; Wagner, Bestenauslese, S. 35; vgl. ferner Juncker, ZBR 1974, 205 (207); Steinkemper, Grenzbereich, S. 90, demzufolge der Gesetzgeber diesen geschichtlichen Prozess akzeptiert habe, wobei ein Hinweis auf dessen Grundrechtsbindung fehlt. 286  Vgl. Berg, MDR 1973, 185 (187); Grünning, VR 1988, 80 (85); Schunke, Politische Beamte, S. 140 ff.; Wagner, Bestenauslese, S. 35; Weber, Politische Beamte, S. 56; dagegen Beilke, Fortentwicklung, S. 57.



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Das Vertrauensverhältnis zu den leitenden Beamten ist umso wichtiger, da insbesondere die Bundesminister aufgrund der Vielzahl ihrer parlamentarischen, verwaltungstechnischen, repräsentativen und parteipolitischen Verpflichtungen kaum in der Lage sind, die Details der Verwaltungsarbeit in ihrem Ministerium selbst zu steuern und zu überwachen.287 Steuerungsdefizite entstehen zumal dann, wenn ein Minister sachlich mit der ihm zugewiesenen Materie zunächst kaum vertraut ist, was aus politischen Gründen aber immer wieder vorkommt. Deswegen seien Regierungsmitglieder heute mehr denn je auf die Zuarbeit eines absolut loyalen Mitarbeiterstabes und auf die Informationsvermittlung durch die Bürokratie angewiesen, schreibt Steinkemper schon 1979.288 Da in der Praxis oftmals faktisch die leitenden Beamten die sachliche Steuerung der Tätigkeit der nachgeordneten Beamten übernehmen, könnte es erforderlich sein, die Spitzenbeamten anhand ihrer politischen Anschauungen auszuwählen, um so die Steuerung der Verwaltung jedenfalls vermittelt über den politischen Spitzenbeamten an die Regierung rückzubinden.289 Allerdings sprechen gewichtige Argumente dafür, politische Beamte nicht vorschnell als für die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung förderlich anzusehen: In der Tat setzt die Funktionsfähigkeit einer demokratischen Regierung voraus, dass diese sich auf Loyalität und Eignung der ihr zugeordneten Beamten verlassen kann. Das bedingt bei Spitzenbeamten, dass sich diese auch außerhalb ihres Dienstes nicht aktiv gegen eine rechtmäßige Regierungspolitik einsetzen; andernfalls könnten sie ihre dienstlichen Aufgaben nicht glaubwürdig und unbefangen erfüllen.290 Es gehört zu ihren Aufgaben, Gesetze und Regierungsbeschlüsse vorzubereiten und auszufühKugele, Beamte, S. 184: „Überforderungsproblem“. Steinkemper, Grenzbereich, S. 32. 289  Vgl. Weber, Politische Beamte, S. 65 ff.; für die Gebotenheit hinreichender Kontrolle Schönenbroicher, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NRW, Art. 51 Rn.  22 f. 290  Vgl. Steinkemper, Grenzbereich, S. 90, der jedoch einschränkt, dennoch sei mit dem Amt eines politischen Beamten die Mitgliedschaft in einer nicht der Regierung angehörenden Partei oder der Verzicht auf eine Parteimitgliedschaft vereinbar; allgemein BVerwG, Beschl. v. 16.7.2012 – 2 B 16 / 12 –, Juris: Rn. 10 f., wonach die politische Betätigung des Beamten nicht Formen annehmen darf, die geeignet sind, Zweifel an einer politisch neutralen, nur dem Allgemeinwohl verpflichteten Amtsführung hervorzurufen. Das Maß der gebotenen Zurückhaltung hänge davon ab, ob und inwieweit die politische Betätigung einen Bezug zu dienstlichen Aufgaben aufweise, so das BVerwG; ähnlich schon Menzel, DÖV 1970, 433 (444). Mit Recht weist Klieve, VR 2003, 183 (186) zugleich darauf hin, dass Neutralität nicht als Teilnahmslosigkeit missverstanden werden darf, da – auch politische – Meinungen der Beamten im Verwaltungsalltag durchaus hilfreich sein können, solange sie mit den grundgesetzlichen Wertungen vereinbar sind; ambivalent dazu v. Münch, ZBR 1960, 245 (249 f.); Püttner, in: FS Ule, 1977, S. 383 (393 ff.). 287  Vgl. 288  Vgl.

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ren und die Regierung in diesem Sinne aktiv zu unterstützen291 – freilich, ohne dabei einen Anschein von Befangenheit zu erwecken.292 Es fragt sich jedoch, ob ein dahingehendes Vertrauen notwendig gleichgerichtete politische Anschauungen zwischen politischen Beamten und den jeweiligen Vorgesetzten erfordert.293 Dagegen spricht, dass sachlich berechtigtes Vertrauen in die Fähigkeit eines Beamten, politische Entscheidungen in die Verwaltung hinein zu transformieren, allenfalls nachrangig von den politischen Anschauungen des Betroffenen abhängt. Deutlich ausschlaggebender für den Erfolg der Transformationsarbeit dürfte die bestmögliche fachliche Qualifikation des Beamten sein, die sich nicht durch politisches Vertrauen ersetzen lässt.294 Regelmäßig steht nämlich die Berücksichtigung politischer Anschauungen in einem Spannungsverhältnis zur fachlichen Leistung: Wird ein Bewerber um ein öffentliches Amt wegen seiner politischen Anschauungen bevorzugt, so ist er offensichtlich im Übrigen – unabhängig von seinen politischen Anschauungen – fachlich nicht bestmöglich geeignet i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG; andernfalls wäre eine gezielte Berücksichtigung politischer Anschauungen nicht notwendig. Daher geht die Berücksichtigung politischer Anschauungen in aller Regel zu Lasten der fachlichen Leistung eines Bewerbers; eine allein anschauungsabhängige politische Personalauswahl führt jedenfalls potenziell zu handwerklichen Mängeln in der Verwaltungsarbeit.295 Ein primär nach politischen Anschauungen ausgewählter Beamter, dessen fachliche Leistungen schlechter als die seiner politisch nicht gewollten Mitbewerber sind, dürfte daher nicht besser, sondern schlechter geeignet sein, seine Aufgaben zu erfüllen. Vor allem die Inhaber zeitlich befristeter Ämter wie etwa die Mitglieder der Bundesregierung benötigen möglichst sachkundige und verwaltungserfahrene Mitarbeiter an der Spitze ihrer Behörden, die nicht nach jedem Regierungswechsel aus politischen Gründen ausgetauscht 291  Vgl. Herrmann, VerwArch 101 (2010), 377 (380); historisch Laubinger, in: FS Ule, 1977, S. 89 (97 ff.). 292  Vgl. Schlink, Der Staat 15 (1976), 335 (358), der darauf hinweist, dass die Pflicht zur Zurückhaltung „unabhängig von der politischen Couleur des Beamten“ (ebd.) gilt; ähnlich Juncker, ZBR 1974, 205 (208). 293  Vgl. OVG RP, NVwZ 2007, 109 (110), wonach die besonders enge Zusammenarbeit zwischen Schulleitung und Schulaufsicht nicht durch unterschiedliche konzeptionelle schulpolitische Vorstellungen belastet werden dürfe; Herrmann, Verw­ Arch 101 (2010), 377 (380), der das Vertrauen durch abweichende politische Ansichten gestört sieht; zurückhaltend Kloepfer, ZBR 2001, 189 (192). 294  Vgl. Franz, ZBR 2008, 236 (239); auch Plog / Wiedow, BBG, § 36 (2010), Rn. 4. 295  Vgl. Beilke, Fortentwicklung, S. 72; Franz, ZBR 2008, 236 (242); ders., DöD 1999, 49 (51); schon Geffers, DVBl. 1955, 658 (659): Verwaltungsapparat wird durch politische Beamte „teurer, […] schwerfälliger und unfruchtbar“ (ebd.).



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werden müssen.296 Es erscheint äußerst zweifelhaft, ob ein im Hinblick auf seine fachlichen Leistungen nicht optimal qualifizierter politischer Beamter tatsächlich politische Richtungsentscheidungen der Regierungsmitglieder in Verwaltungsabläufe transformieren kann. Besser geeignet wäre dazu wohl ein Beamter, der zwar politisches Gespür und ein hohes Maß an Bereitschaft zur loyalen Zusammenarbeit mit wechselnden Ministern besitzt,297 der aber zugleich in der Verwaltung verwurzelt ist und die dortigen Abläufe hinreichend kennt.298 So verstanden üben die politischen Beamten ein Amt aus, bei dessen Besetzung Bewerber gerade nicht wegen ihrer politischen Anschauungen bevorzugt werden dürften, damit die Stelleninhaber nach einem Regierungswechsel die geistige Flexibilität haben, sich an neue politische Richtungsentscheidungen anzupassen, ohne dabei in persönliche Loyalitätskonflikte zu geraten.299 Im Übrigen dürfte der Transformationserfolg wesentlich davon abhängen, dass politische Projekte der Regierung schon auf Verwaltungsebene bisweilen kritisch und kontrovers diskutiert werden – freilich ohne sie dadurch zu zerreden. Die Beamten haben die Pflicht, die politische Führung sachkundig, unbefangen und gegebenenfalls kritisch zu beraten.300 Die Pflicht zur Gegenvorstellung kann es dem einzelnen Amtsträger gebieten, Recht und Gesetz im Interesse der Bürger gegen die politische Führung zu behaupten.301 Mommsen formulierte 1976, in Konfliktsituationen komme es darauf an, „daß der Beamte für Legalität und Verfassung ‚Partei ergreift‘, sich gegen eine Regierung stellt, die sich anmaßt, Sachwalter des Staates zu 296  Vgl. BVerfGE 121, 205 (220) – Leitungsamt auf Zeit; Eschenburg, Verbände, S. 27; ders., Beamte, S. 38 (39); Kugele, Beamte, S. 190; Thieme, Beamte, S. 149 (160); Weber, Politische Beamte, S. 63. 297  Vgl. dafür etwa Berg, MDR 1973, 185 (187); Grünning, VR 1988, 80 (85); Weber, Politische Beamte, S. 69. 298  Vgl. Franz, ZBR 2008, 236 (241 f.); Landau / Steinkühler, DVBl. 2007, 133 (140); Thieme, Beamte, S. 149 (156), der den Beamten das geforderte Maß an Loyalität grds. zuspricht; bemerkenswert Grotkopp, Beamtentum, S. 273 f., der in Rückschau auf die Umstürze des deutschen Staats im 20. Jahrhundert festhält, dass es selbst nach diesen Umständen nicht möglich war, eine größere Anzahl politisch unliebsamer Beamter durch ebenso qualifizierte zu ersetzen. 299  Vgl. Benda, Stabilitätsauftrag, S. 29 (45). Zudem könnten finanzielle Versorgungslasten infolge einer übermäßigen Versetzung von politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand die Funktionsfähigkeit der Regierung zusätzlich verringern; zu Konsequenzen einer personellen Aufblähung der Verwaltung: Franz, ZBR 2008, 236 (241); Geffers, DVBl. 1955, 658 (659). 300  Vgl. BVerfGE 70, 251 (267) – Schulleiterfunktion; 121, 205 (221 f., 231) – Leitungsamt auf Zeit. 301  Vgl. BVerfGE 70, 251 (267) – Schulleiterfunktion; 119, 247 (260) – Zwangsteilzeit; 121, 205 (219) – Leitungsamt auf Zeit; Gerber, DÖV 1953, 70 (71): „Verantwortung für die rechtliche Unbedenklichkeit“.

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sein“.302 So sieht das Grundgesetz keine Sonderregelungen für die Transformationstätigkeit politischer Beamter vor und befreit die Staatsgewalt nicht etwa von ihrer Grundrechtsbindung; auch bei politisch planender Tätigkeit unterliegen politische Beamte keinem Parteigehorsam.303 Sie bleiben als Beamte Diener des ganzen Volkes, nicht einer Partei.304 Die Erfüllung dieser Aufgaben setzt voraus, dass die Leitungsebene eines Ministeriums nicht bloß mit politisch gleichgesinnten Beamten besetzt ist.305 Dass ein Beamter auf rechtsstaatlicher Amtsausführung beharrt, selbst wenn diese parteipolitisch unerwünscht sein sollte, kann realistischer Weise nur dann erwartet werden, wenn seine Unabhängigkeit gewährleistet ist.306 Dem soll die Ernennung der Beamten auf Lebenszeit dienen, indem sie die Amtsträger in staatlichem Interesse davon befreit, „ständig auf solche Gruppen Rücksicht nehmen zu müssen, die ihre Wiederwahl beeinflussen könnten“.307 Der anschauungsabhängige Zugang zu einem öffentlichen Amt mit der jederzeitigen Möglichkeit, in den einstweiligen Ruhestand versetzt zu werden, fördert dagegen statt besserer Leistungen tendenziell einen „Druck zu Anpassung und Willfährigkeit“308. Da die überwiegend in Leitungspositionen eingesetzten politischen Beamten ihren Mitarbeitern gegenüber eine Vorbildfunktion haben, sollten sie zudem im Hinblick auf Sachkunde und Unbefangenheit vorbildlich sein.309 Eine Personalauswahl anhand politischer Kriterien demotiviert demgegenüber alle nicht-politischen Beamten, da sich Fleiß, Leistung und parteipolitische Neutralität für sie nicht mehr auszahlen.310 302  Mommsen,

in: Brandt, Treuepflicht, S. 33. Püttner, in: FS Ule, 1977, S. 383 (392). 304  Vgl. § 33 Abs. 1 S. 1, 2 BeamtStG, ebenso § 60 Abs. 1 S. 1, 2 BBG, Art. 80 Verf. NW; historisch schon Art. 130 Abs. 1 WRV; grundlegend aus der Literatur Schlaich, Neutralität, S. 45. 305  Vgl. Wahl, in: v. Arnim, Unverantwortlichkeit, S. 107 (109). 306  Vgl. BVerfGE 119, 247 (260) – Zwangsteilzeit; 121, 205 (221 f.) – Leitungsamt auf Zeit; Herrmann, VerwArch 101 (2010), 377 (393). 307  Zippelius, in: Leisner, Berufsbeamtentum, S. 217 (222). 308  BVerfGE 121, 205 (214) – Leitungsamt auf Zeit, ebenso vorhergehend BVerw­ GE 129, 272 Rn. 77; vgl. auch Franz, ZBR 2008, 236 (240); ders., DöD 1999, 49 (56). 309  Vgl. Deutscher Richterbund, zitiert nach BVerfGE 121, 205 (217) – Leitungsamt auf Zeit; Juncker, ZBR 1974, 205 (207); Lindner, ZBR 2011, 150 (151); Wahl, in: v. Arnim, Unverantwortlichkeit, S. 107 (119): „Demonstrationseffekt“, auch zur (faktischen) Repräsentationsfunktion der Spitzenbeamten für ihre Behörde, deren Ruf durch Parteipatronage insgesamt leide. 310  Vgl. Franz, ZBR 2008, 236 (240 f.); ders., DöD 1999, 49 (56); Klieve, VR 2003, 183 (184); Menzel, DÖV 1970, 433 (443). 303  Vgl.



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Die Möglichkeit, politische Beamte gem. § 30 Abs. 1 BeamtStG jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu können, beinhaltet ferner eine pauschale Illoyalitätsvermutung gegenüber den betroffenen Amtsinhabern.311 Der einfache Bundesgesetzgeber ging insofern offensichtlich davon aus, dass gerade besonders qualifizierte Beamte in den erfassten Spitzenpositionen entgegen §§ 54 f. BBG ihre Pflichten nicht ohne Rücksicht auf persönliche Überzeugungen wirkungsvoll erfüllen (können oder wollen), obwohl Loyalität zu den zentralen Dienstpflichten jedes Beamten gehört.312 Dementsprechend ermöglicht die Transformations- und Steuerungsfunktion politischer Beamter nur dann eine Durchbrechung der besonderen Gleichheitssätze im Hinblick auf die anschauungsgebundene Besetzung öffentlicher Ämter, wenn die politisch gebundene Personalauswahl trotz der erheblichen damit verbundenen Nachteile dazu beiträgt, die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung zu verbessern. dd) Repräsentationsfunktion politischer Beamter Es fragt sich ferner, ob politische Beamte eine für die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung wesentliche Repräsentationsaufgabe haben, die ihrerseits eine Personalauswahl anhand politischer Anschauungen ermöglichen könnte. Politische Beamte nehmen regelmäßig Aufgaben an der Spitze der jeweiligen Hierarchie wahr. Sie stehen in vergleichsweise engem Austausch zum ihnen zugeordneten Staatsorgan und werden daher sowohl nach außen in der Öffentlichkeit als auch nach innen von den übrigen Bediensteten ihrer Behörde als Vertreter des jeweiligen Staatsorgans wahrgenommen. Gleichwohl lassen sich politische Beamte nicht pauschal als „‚Repräsentanten der Regierung‘ gegenüber der Verwaltung“313 bezeichnen. Zwar sollen die politischen Beamten in der Tat politische Entscheidungen der Regierung in Verwaltungspraxis umsetzen, doch müssen sie dazu nicht unbedingt generell die umzusetzenden Beschlüsse persönlich befürworten oder in diesem Sinne die Regierung politisch repräsentieren. Jedenfalls sind die politischen Be­ 311  Vgl. von einer solchen Vermutung geleitet Beilke, Fortentwicklung, S. 74, zu Beamten, die in Spitzenpositionen „lebenslang im Sinn der alten Regierung wirken“ (ebd.); kritisch Juncker, ZBR 1974, 205 (209); Lindner, ZBR 2011, 150 (151); ders., BayVBl. 2012, 581 (585). 312  Vgl. Lindner, ZBR 2011, 150 (151). 313  So aber Brinktrine, RiA 2003, 15 (15), m. w. N.; vgl. ähnlich Steinkemper, Grenzbereich, S. 90: „Vertretung der Regierungspolitik in der Verwaltung selbst, gegenüber parlamentarischen Gremien und in der Öffentlichkeit“; Schütz, Beamtenrecht, C § 38 Rn. 2; dagegen Herrmann, VerwArch 101 (2010), 377 (379).

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amten mindestens zugleich gegenüber politischen Mandatsträgern Repräsentanten der Verwaltung mit den dargelegten Anforderungen an ihre Unabhängigkeit. Allerdings kann es je nach Funktion der Beamten in Einzelfällen doch zweckmäßig sein, dass politische Beamte die umzusetzenden politischen Anschauungen der Regierung persönlich unterstützen, weil sie ihre Aufgabe andernfalls nicht glaubwürdig erfüllen könnten.314 Solche Ausnahmefälle sind jedoch nur dann anzuerkennen, wenn es für die Aufgabenerfüllung nicht ausreicht, loyal auf die politische Position der Regierung zu verweisen, ohne diese Position selbst zu vertreten.315 Für welche Aufgaben dies der Fall ist, ist sogleich zu prüfen. ee) Rechtsvergleichende Betrachtung Schließlich fragt sich, ob die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung politische Beamte bei rechtsvergleichender Betrachtung immerhin ermöglicht. Eine solche ist im Rahmen dieser Arbeit nur anhand ausgewählter Beispiele möglich, die indes die Bandbreite möglicher Regelungen durchaus widerspiegeln. Im Vergleich der deutschen Länder fällt auf, dass es in Bayern keine politischen Beamten gibt und die bayerische Staatsregierung dennoch offensichtlich funktionsfähig ist.316 Ferner ist in der Literatur festgestellt worden, dass auch in den anderen deutschen Ländern sowie im Bund noch bis hinein in die 1960-er Jahre Spitzenbeamte in den Ministerien in der Regel keine aktiven Parteipolitiker waren.317 Erst nach und nach sei etwa die Stellung der beamteten Staatssekretäre faktisch nahezu vollständig politisiert worden, v. Münch, in: Forsthoff u. a., Reform, S. 71 (147). Juncker, ZBR 1974, 205 (207); ferner Schütz, Beamtenrecht, C § 38 Rn. 2. Dass etwa wichtige Verbände mit einem (leitenden) Beamten wegen dessen politischen Anschauungen nicht zusammenarbeiten wollen, berechtigt die grundrechtsgebundene Staatsgewalt grds. nicht, ihrerseits den betroffenen Beamten deswegen entgegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu benachteiligen; dagegen aber Thieme, Beamte, S. 149 (156). 316  Allein Bayern hat von § 30 Abs. 1 S. 2 BeamtStG keinen Gebrauch gemacht und sieht keine politischen Beamten vor; allerdings sind Staatssekretäre dort gem. Art. 43 Abs. 2 Verf. BY Mitglieder der Regierung, die gem. Art. 45 Verf. BY (mit Zustimmung des Landtags) jederzeit entlassen werden können; vgl. Battis, BBG, § 54 Rn. 3; Herzog, BayVBl. 1969, 225 (228 f.). Im Übrigen wurden politische Beamte in den Ländern erst nach und nach eingeführt, vgl. Juncker, ZBR 1974, 205 (205); Thieme, Beamte, S. 149 (151). 317  Vgl. Duppré, Leitender Beamter, S. 14 (22); Geffers, DVBl. 1955, 658 (658); Wahl, in: v. Arnim, Unverantwortlichkeit, S. 107 (110); Weber, Politische Beamte, S. 58. 314  Vgl. 315  Vgl.



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so etwa Wahl, obwohl die Regierungen auch zuvor funktionsfähig gewesen seien. Frankreich kennt traditionell keine klare Grenzziehung zwischen Politik und Verwaltung. Zwar sind Regierungsämter inkompatibel mit der Ausübung eines politischen Mandats, doch fördert das französische Wahlsystem andererseits die Kandidatur amtierender Minister und Staatssekretäre für Parlamentsmandate.318 Demgegenüber wird in den Vereinigten Staaten von Amerika prinzipiell strikt zwischen Regierung und Verwaltung unterschieden, doch kann der Präsident mit Zustimmung des Senats bestimmte Beamte aus der sogenannten „‚policy making‘-Gruppe“319 ernennen und dabei politische Anschauungen berücksichtigen. Deswegen wechselt nach einer Präsidentenwahl unter Umständen ein Großteil des angestellten Verwaltungspersonals in bestimmten Ämtern, die dementsprechend nur widerruflich und faktisch ohne besonderen fachlichen Qualifikationsnachweis vergeben werden.320 Hingegen sind in Großbritannien ministerielle Ämter schon historisch strikt von Beamten unterschieden. Die Beamten müssen sich politisch zurückhalten und sind von der Aussicht auf politisch leitende Ämter praktisch ausgeschlossen; von Regierungswechseln bleiben sie in der Regel gänzlich unberührt.321 Die Schärfe des Verbots parteipolitischer Betätigung nimmt mit größerer Nähe zur Regierung zu.322 Als Konsequenz aus dieser Trennungsregelung dienen britische Beamte wechselnden Regierungen (prinzipiell) mit gleichem Eifer, weil sie den Anweisungen der politischen Führung unbedingt loyal folgen und ihre persönlichen politischen Anschauungen insofern unberücksichtigt lassen (müssen). Fälle passiven Widerstandes gegen die Regierungspolitik oder Beispiele versteckter Sabotage sind nicht in größerem Umfang ersichtlich. Ergänzend werden in einzelnen Staaten allerdings anstelle von Beamten Berater von vornherein zeitlich befristet eingestellt.323 Steinkemper, Grenzbereich, S. 151, m. w. N. Grenzbereich, S. 158. 320  Vgl. Hintze, Beamtenstand, S. 43, der ebd. Präsident Jackson aus dem Jahr 1828 mit dem Ausspruch „Dem Sieger die Beute!“ zitiert; dazu Kloepfer, ZBR 2001, 189 (190 f.). Die Anzahl der erfassten Ämter soll erheblich höher sein als die Zahl der politischen Beamten in Deutschland, vgl. Ipsen, in: FS Kirchhof, 2013, § 65 Rn. 7. 321  Vgl. Coing, Elitebeamte, S. 32; Hintze, Beamtenstand, S. 40 f.; Loewenstein, Großbritannien, S. 469 ff. (474): „Völlige politische Neutralität ist das Kennzeichen dieser Beamtenelite.“; ferner Grünning, VR 1988, 80 (80). 322  Steinkemper, Grenzbereich, S. 143, m. w. N. vgl. ferner Wahl, in: v. Arnim, Unverantwortlichkeit, S. 107 (114 f.). 323  Vgl. Wichmann, Patronage, S. 384. Indes wäre eine solche Lösung aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts kein Gewinn, da auch die Vergabe von Beraterver318  Vgl.

319  Steinkemper,

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Dementsprechend weckt auch ein überblicksartiger Rechtsvergleich Zweifel an der Notwendigkeit politischer Beamter zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit einer demokratischen Regierung: Zwar existiert das Institut des politischen Beamten in anderen Staaten, doch lässt sich zugleich beobachten, dass andere, ebenfalls demokratische Staaten ohne beziehungsweise mit einem geringeren Bestand an politischen Beamten regiert und verwaltet werden. In diesen Staaten wird die Gegenläufigkeit von wechselnden Regierungen und kontinuierlicher Beamtenschaft zum Teil bewusst hingenommen. ff) Zwischenergebnis zu e) Art. 20 Abs. 2 S. 2, Art. 62 ff. GG setzen die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung voraus. Diese verfassungsrechtliche Gewährleistung lässt den politisch gebundenen Zugang zu den Ämtern der politischen Beamten im Rahmen ihrer Reichweite zu und begrenzt dazu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. f) Funktionsfähigkeit anderer Bundesverfassungsorgane Ganz überwiegend arbeiten politische Beamte auf Bundesebene im Bereich der Bundesregierung.324 Sofern Ämter von politischen Beamten bei anderen Verfassungsorganen eingerichtet werden – so etwa der Staatssekretär im Bundespräsidialamt, der Staatssekretär als Direktor des Deutschen Bundestages oder der Direktor des Bundesrates gem. § 129 Abs. 2 BBG – lassen sich die Ausführungen zur Funktionsfähigkeit der Bundesregierung entsprechend übertragen: Das Grundgesetz setzt die Funktionsfähigkeit aller Bundesverfassungsorgane voraus und lässt den politisch gebundenen Zugang zu den Ämtern politischer Beamter auch zur Förderung der Funktionsfähigkeit anderer Verfassungsorgane zu. Die entsprechenden Vorschriften begrenzen insoweit Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. g) Funktionsfähigkeit der Landesverfassungsorgane Im Hinblick auf diejenigen Ämter, für die Landesgesetze in Umsetzung des § 30 Abs. 1 BeamtStG bestimmen, dass die Inhaber als politische Beamte jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können (vgl. § 37 Abs. 1 LBG NW), könnte Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG durch die Grundgeträgen an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu messen und der Verzicht auf eine Verbeamtung zudem in Anbetracht des Funktionsvorbehalts des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 Abs. 4 GG nur bedingt mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar wäre. 324  Siehe zum Streit um den Regierungsbegriff von § 30 Abs. 1 BeamtStG noch 4. Kap. C. III. 4. i).



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setzbestimmungen begrenzt werden, die die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Landesverfassungsorgane schützen. Insbesondere folgt auch für die Länder aus dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) das Gebot der Gewaltenteilung,325 das funktionsfähige Regierungen in den Ländern voraussetzt. Das Grundgesetz überlässt es den Ländern, im Rahmen der ihnen im Bundesstaat zukommenden Verfassungshoheit326 die dazu notwendigen Regelungen zu treffen. Hinsichtlich der Frage, ob eine funktionsfähige Regierung politische Beamte i. S. v. § 30 Abs. 1 BeamtStG voraussetzt, ergeben sich keine grundlegenden Abweichungen zu den Ausführungen zur Funktionsfähigkeit der Bundesregierung. Soweit das Grundgesetz daher für die Bundesebene die Vergabe einzelner Ämter von einer Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG freistellt, können auch die Landesgesetzgeber unter Wahrung der Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze vorsehen, dass bei der Vergabe der entsprechenden Ämter die politischen Anschauungen der Bewerber berücksichtigt werden dürfen. Hingegen dürfen die Länder ihre öffentlichen Ämter trotz der durch einfaches Bundesgesetz vorgesehenen Möglichkeit in § 30 Abs. 1 BeamtStG nicht generell unter Beeinträchtigung grundgesetzlicher Gleichheitsrechte vergeben. Das Institut des politischen Beamten darf landesrechtlich nicht beliebig ausgedehnt werden.327 h) Art der Begrenzungswirkung Die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundesregierung und der anderen Verfassungsorgane ermöglicht die optionale Einführung politischer Beamter zur Förderung der Funktionsfähigkeit dieser Organe. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG wird dadurch im Hinblick auf den politisch gebundenen Zugang zu den Ämtern politischer Beamter begrenzt. Es fragt sich, ob insoweit eine quasi-tatbestandliche Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG oder ein Quasi-Gesetzesvorbehalt anzunehmen ist. Dies hängt davon ab, ob die Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane die Geltung der Gleichheitssätze unabhängig von den Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen ausschließt oder ob sie eine ausnahmsweise Abweichung nur unter Wahrung dieser Voraussetzungen ermöglichen will. Die Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane schreibt die Institution der politischen Beamten nicht zwingend vor. Der Gesetzgeber soll zwar die etwa Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 159, 79 ff. Art. 20 Abs. 1 GG. 327  Vgl. speziell zu Landesbeamten BVerfGE 121, 205 (232) – Leitungsamt auf Zeit. 325  Vgl. 326  s.

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Möglichkeit haben, solche Ämter zur Förderung der Funktionsfähigkeit vorzusehen, doch soll es diese Beamtengruppe in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG nur ausnahmsweise geben. Zudem gilt für Grundrechtsbeschränkungen die Voraussetzung, dass die Berücksichtigung der politischen Anschauungen die Funktionsfähigkeit der Regierung tatsächlich fördert. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Beamter in einem solchen Maß Transformations- und Steuerungsaufgaben oder Repräsentationsaufgaben für die Regierung wahrnimmt, dass seine politischen Anschauungen darüber entscheiden, ob er seine Aufgaben bestmöglich wahrnehmen kann. Als Test mag insoweit die Frage dienen, ob ein nicht anhand seiner politischen Anschauungen ausgesuchter Beamter die fragliche Aufgabe ebenso gut erfüllen könnte. Wegen dieser qualifizierenden Voraussetzung – Grundrechtsbeschränkung nur bei Förderung der Funktionsfähigkeit des jeweiligen Verfassungsorgans – wirkt die vorliegende Normenkollision (lediglich) wie ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt. Sie kann nur solche Grundrechtsbeschränkungen legitimieren, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen und dem Ziel der kollidierenden Verfassungsbestimmung dienen. Zudem sind die allgemeinen Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze – insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – zu wahren. Zustimmung verdient daher die These des BVerfG, bei politischen Beamten könne es sich „nur um den engsten Kreis unmittelbarer Berater der Träger politischer Ämter handeln“328. Zudem dürfte die Grundrechtsbindung regelmäßig dazu führen, dass politische Anschauungen lediglich eine „zulässige Entscheidungshilfe“329 neben den Kriterien Eignung, Befähigung und vor allem fachliche Leistung sind; die Bestenauslese ersetzen sie nicht.330 Bei der Gewichtung dieser Kriterien ist im Einzelfall kritisch zu prüfen, in welchem Maße die Berücksichtigung politischer Anschauungen gerechtfertigt ist. i) Zwischenergebnis zu 3. Der politisch gebundene Zugang zu den öffentlichen Ämtern der sogenannten politischen Beamten ist nur dann verfassungsgemäß, wenn Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG insoweit verfassungsrechtlich begrenzt ist. Diesen Ausnah328  BVerfGE 121, 205 (232) – Leitungsamt auf Zeit; auch OVG RP, NVwZ-RR 2003, 133 (133): nur „wirkliche Schlüsselstellungen bzw. bedeutsame Mittlerstellen zwischen politischer Führung und Verwaltung“ (ebd.). 329  Steinkemper, Grenzbereich, S. 85. 330  Vgl. OVG BR, NordÖR 2009, 364 (Juris: Rn. 33); Franz, ZBR 2008, 236 (239).



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mecharakter des Instituts des politischen Beamten erkennt auch das BVerfG in seiner jüngeren Rechtsprechung an, wenngleich es zu dessen Begründung primär den Grundsatz der lebenszeitigen Übertragung einer Beamtenposition als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 Abs. 5 GG heranzieht;331 eine eingehende Prüfung des Instituts des politischen Beamten am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG unterbleibt. Entgegen einer verbreiteten Meinung in Rechtsprechung und Literatur scheidet eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG durch hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG in diesem Zusammenhang aus, weil das Institut der politischen Beamten nicht konstitutiv für das Berufsbeamtentum ist. Hingegen begrenzt die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane von Bund und Ländern den Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf den politisch gebundenen Zugang zu den Ämtern politischer Beamter, da Letztere die Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane fördern können. Die Normenkollision wirkt als qualifizierter Quasi-Gesetzesvorbehalt, sodass der Gesetzgeber bei der Wahrnehmung des Vorbehalts die Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen zu wahren hat. Ob dies im Hinblick auf die gesetzlichen Regelungen über politische Beamte der Fall ist, ist im Folgenden unter Berücksichtigung der einzelnen erfassten Ämter zu prüfen. 4. Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen im Hinblick auf einzelne Ämter Die Gesetzgeber von Bund und Ländern haben bei der Ausgestaltung der Regeln über politische Beamte die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze zu wahren, sofern sie mit einer Beeinträchtigung der besonderen Gleichheitssätze verbunden sind. Der für Grundrechtsbeschränkungen geltende rechtsstaatliche Vorbehalt des Gesetzes ist durch die Regelungen über politische Beamte in den Beamtengesetzen von Bund und Ländern gewahrt (vgl. insbesondere § 30 Abs. 1 BeamtStG, § 54 BBG, § 37 LBG NW). Zwar nennen diese Regelungen durchweg nicht die eingeschränkten Grundrechte, doch soll das Zitier331  Vgl. die Entwicklung von BVerfGE 7, 155 (166) – Bürgermeisterabwahl; 8, 332 (347 ff.) – Kommunalbeamte, wonach der Kreis der politischen Beamten jeweils vom Gesetzgeber bestimmt wird; über BVerfGK 1, 303 (305), wo stärker der „Ausnahmecharakter“ (ebd.) und der verfassungsrechtliche Rahmen für die gesetzgeberische Entscheidung über die Einbeziehung in den Kreis der politischen Beamten betont werden, hin zu BVerfGE 121, 205 (223) – Leitungsamt auf Zeit, wonach der Institution des politischen Beamten ein „eng zu bestimmender Ausnahmecharakter“ (ebd.) zukommt; zu dieser Entwicklung Lindner, ZBR 2011, 150 (157 f.).

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gebot nach der Rechtsprechung des BVerfG bei Beschränkungen vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte ebenso wenig gelten wie bei offensichtlichen Beschränkungen sowie in den Fällen, in denen (nachkonstitutionelle) Gesetze ältere, insbesondere vorkonstitutionelle Grundrechtsbeschränkungen unverändert oder mit geringen Abweichungen wiederholen.332 Folgt man dieser Rechtsprechung, so führt die fehlende Nennung beschränkter Grundrechte nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung. Problematisch ist daher insbesondere, ob sich die einfachgesetzlichen Regelungen im Rahmen des qualifizierten Quasi-Gesetzesvorbehalts bewegen, mithin tatsächlich der Förderung der Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane von Bund und Ländern zu dienen bestimmt sind und sich dazu auch eignen. Zudem sind die Anforderungen des Prinzips der Verhältnismäßigkeit zu wahren, die sich jedoch inhaltlich weitgehend mit den Anforderungen des qualifizierten Quasi-Gesetzesvorbehalts überschneiden. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass dem Gesetzgeber ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Frage zukommt, anhand welcher Kriterien er die Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane beurteilt und wie er diese zu fördern versucht.333 a) Beamtete Staatssekretäre Es fragt sich, ob beim Zugang zu den Ämtern der beamteten Staatssekretäre politische Anschauungen der Bewerber berücksichtigt werden dürfen. Gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG334 bekleiden diese ein Amt, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen. Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG335 könnte durch die grundgesetzlich voraus332  Siehe

schon 2. Kap. D. III. 2. f) mit umfangreichen Nachweisen. – in anderem Kontext – ebenfalls für Ermessensspielraum des Gesetzgebers bei Beurteilung der Erforderlichkeit BVerfGE 30, 292 (319) – Erdölbevorratung; 37, 1 (21) – Weinwirtschaftsabgabe; Stern, StaatsR III / 2, § 84 S. 782: „Evidenzkontrolle“. 334  s. entsprechend für das – exemplarisch behandelte – Land Nordrhein-Westfalen auch § 37 Abs. 1 Nr. 1 LBG NRW; dazu noch am Ende des Gliederungs­punktes. 335  Unzutreffend ist demgegenüber die Behauptung, die Zurruhesetzung eines politischen Beamten wegen dessen politischer Anschauung sei keine durch Art. 3 Abs. 3 (S. 1) GG verbotene Benachteiligung, sondern Konsequenz der Einrichtung des politischen Beamten in den obersten Rängen eines Ministeriums (so aber Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 415, unter Verweis auf Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 134). Es fragt sich nämlich, ob die grundrechtsgebundene 333  Vgl.



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gesetzte Funktionsfähigkeit der Bundesregierung gerechtfertigt sein. Dazu müsste der politisch gebundene Ämterzugang jedoch der Förderung der Funktionsfähigkeit der Regierung dienen und dazu auch geeignet sein. Das Amt des Staatssekretärs entwickelte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts in Preußen.336 Obwohl die Reichsverfassung von 1871 Staatssekretäre nicht vorsah, wurden im Deutschen Reich Staatssekretäre eingestellt, die den Reichskanzler bei der Führung der Regierungsgeschäfte unterstützten und daher unter Berücksichtigung ihrer Aufgaben eher den heutigen Ministern als den Staatssekretären ähnelten.337 § 25 RBG 1873 erklärte die Staatssekretäre neben einigen anderen Beamten – unter ihnen seinerzeit der Reichskanzler – zu politischen Beamten, die jederzeit einstweilig in den Ruhestand versetzt werden konnten, weil die in der Reichsverwaltung erforderliche Einheit die fortdauernde Übereinstimmung der Staatssekretäre mit den prinzipiellen Ansichten der leitenden Autorität voraussetze.338 Kurz vor dem Ende des Kaiserreiches entwickelten sich aus dem Institut der Staatssekretäre die politisch verantwortlichen Minister;339 die Staatssekretäre wurden in der Folgezeit gleichwohl als Fachbeamte an der Spitze der Ministerien – weiterhin ohne erkennbare Grundlage in der Reichsverfassung – beibehalten. Wegen ihrer Mittlerfunktion zwischen der politischen Ebene und der Verwaltung waren die Staatssekretäre auch in der Weimarer Zeit politische Beamte.340 Im Grundgesetz finden sich absichtlich keine speziellen Regelungen zu beamteten Staatssekretären, obwohl der kombinierte Ausschuss für Organi­ sation des Bundes und für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege des Parlamentarischen Rates folgende Ergänzung zum heutigen Art. 65 GG vorgeschlagen hatte: „Dem Bundeskanzler und den Bundesministern können beamtete und politische Staatssekretäre beigegeben werden; sie sind nicht Mitglieder der Bundesregierung.“341 Überwiegend charakterisierten die Ausschussmitglieder den beamteten Staatssekretär als „ruhende[n] Pol“342, der als Beamter nicht unmittelbar des Vertrauens des Bundestages bedürStaatsgewalt überhaupt Ämter so einrichten und ausgestalten darf, dass bestimmte politische Anschauungen Voraussetzungen für den Zugang zum betroffenen Amt beziehungsweise für den Verbleib in einem solchen sind. 336  Vgl. Fehlig, Staatssekretär, S. 4. 337  Vgl. Fehlig, Staatssekretär, S. 5. 338  Vgl. Fehlig, Staatssekretär, S. 19. 339  Vgl. ab 1919 Art. 52, 54, 56 S. 2 WRV; im Überblick Fehlig, Staatssekretär, S. 26. 340  Vgl. Fehlig, Staatssekretär, S. 43 f. 341  ParlRat 13 / 1, S. 445. 342  Fecht, in: ParlRat 13 / 1, S. 206; ebenso Chapeaurouge, in: ParlRat 13 / 1, S. 203: „nicht so politisch wie die Bundesminister“; vgl. Schmid, in: ParlRat 13 / 1,

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fe.343 Schon einzelne Mitglieder des Organisationsausschusses lehnten eine verfassungsrechtliche Regelung der Staatssekretäre indes ab, um die Entscheidung über die Einführung von Staatssekretären vollständig „der späteren Praxis zu überlassen“344. Durchgreifender scheint allerdings die im Hauptausschuss von Dehler vorgetragene Kritik des Allgemeinen Redaktionsausschusses, wonach die Unterscheidung zwischen beamteten und politischen Staatssekretären als „nicht restlos klar“345 empfunden wurde, „denn auch beamtete Staatssekretäre gelten beamtenrechtlich als politische Staatssekretäre“346. Dieser Kritik schloss sich der Hauptausschuss mehrheitlich an und strich die vorgeschlagene Ergänzung mit 13 gegen 8 Stimmen.347 Die Praxis in der Bundesrepublik entschied sich schnell und in zunehmendem Maße348 für die Einführung beziehungsweise Beibehaltung beamteter Staatssekretäre an der Spitze der Ministerialverwaltungen, die nach politischen Kriterien ausgesucht wurden. Die beamteten Staatssekretäre sind heute überwiegend349 in der Leitungsebene der Ministerien tätig und werden in Verantwortung des jeweiligen Regierungsmitglieds ernannt.350 Zu den Aufgaben der beamteten Staatssekretäre zählen alle Leitungsaufgaben in der Ministerialverwaltung: Grundlegend zu unterscheiden sind dabei der Gesetzesvollzug gem. Art. 83 ff. GG und die Zuarbeit der Verwaltung zur Regierungstätigkeit des Ministers. Die verbeamteten Staatssekretäre vertreten ihren Minister gem. § 6 Abs. 1 GOBMin bei der Leitung ihres Ministeriums.351 Sie leiten S. 207: „keine Behörde kann es ertragen, daß […] alle zwei oder drei Jahre ihr eigentliches technisches Oberhaupt […] wechselt“. 343  Vgl. Schönfelder, in: ParlRat 13 / 1, S. 445. 344  So Katz, in: ParlRat 13 / 1, S. 206; vgl. Schäfer, DÖV 1969, 38 (39). 345  Dehler, in: ParlRat 14 / I, S. 93. 346  Dehler, in: ParlRat 14 / I, S. 93. 347  Vgl. ParlRat 14 / I, S. 93. 348  Vgl. Mandelartz, LKRZ 2010, 441 (443). 349  Anderes gilt für den Staatssekretär im Bundespräsidialamt sowie den Direktor beim Deutschen Bundestag, der seit 2008 ebenfalls den Rang eines Staatssekretärs einnimmt, aber gänzlich andere Funktionen hat. Die folgenden Ausführungen zum Staatssekretär beziehen sich hingegen schwerpunktmäßig auf beamtete Staatssekretäre in den Ministerien. 350  Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17 / 1248, S. 23; ähnlich § 1 Abs. 2 GOLReg NW; ebenso in den meisten anderen Ländern. Allein in Bayern (Art. 43 Abs. 2 Verf. BY) und im Saarland (Art. 86 Verf. SL) sind die Staatssekretäre Mitglieder der Landesregierung, sodass sie im vorliegenden Kontext möglicherweise wie Minister zu behandeln sind. In Baden-Württemberg (Art. 45 Abs. 2 S. 2 Verf. BW), Sachsen, (Art. 59 Abs. 2 S. 2 Verf. SN) können Staatssekretäre zu Regierungsmitgliedern ernannt werden. Dem soll allerdings im Rahmen dieser Arbeit wegen der länderspezifischen Ausnahmesituation nicht weiter nachgegangen werden. 351  Vgl. entsprechend § 6 GOLReg, § 9 GOLMin NW; s. aber sogleich zur Vertretung in der Bundesregierung und parlamentarischen Gremien gem. § 14 GOBReg.



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gem. § 6 Abs. 2 GOBMin352 die Verwaltung und sind für die zielorientierte Wahrnehmung der Aufgaben des Bundesministeriums verantwortlich; sie entscheiden in Verwaltungsangelegenheiten in der Regel abschließend. Jedenfalls der Vollzug von Gesetzen353 ist eine Aufgabe, bei der gem. Art. 3 Abs. 1, 3 GG unbefangene und insofern unabhängige354 Beamte gefordert sind, die das Recht gleichmäßig anwenden, ohne die Betroffenen dabei wegen politischer Anschauungen zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Dazu ist ein politisch gebundener Ämterzugang nicht förderlich.355 Hingegen weist die Unterstützung des Ministers in Regierungsaufgaben etwa bei der Erstellung von Gesetzesvorlagen gem. Art. 76 Abs. 1 1. Var. GG356 einen durchaus politisch gestaltenden Charakter auf. Die Arbeit von Staatssekretären wird wesentlich durch Meinungsaustausch mit dem Ressortminister und politischen Gremien bestimmt, bei dem es auch um politische Fragestellungen geht. Die Staatssekretäre sind maßgeblich dafür verantwortlich, Handlungskonzepte zu entwickeln und durchzuführen, um politische Zielvorstellungen der Regierung umzusetzen.357 Diese Transformationsaufgabe der beamteten Staatssekretäre soll nach verbreiteter Auffassung die Bindung des Amtszugangs an politische Anschauungen rechtfertigen.358 Dass gleichgerichtete politische Anschauungen zwischen Minister und Staatssekretär für die erfolgreiche Erfüllung der Transformationsaufgabe förderlich sind, ist in Anbetracht der mit einer politischen Personalauswahl verbundenen Gefährdungen des Leistungsprinzips jedoch alles andere als selbstverständlich. Gerade an der Spitze der Ministerien könnten Kontinuität und politische Unabhängigkeit erforderlich sein, weil die verwaltungsleitende Tätigkeit eines Staatssekretärs ein hohes Maß an Erfahrung und Kontinuität erfordert. In Anbetracht der Tatsache, dass 352  Vgl.

ähnlich § 9 GOLMin NW. Landesebene sahen sächsische Staatssekretäre bei einer Umfrage sogar den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in organisatorischen und koordinierenden Tätigkeiten, während sie nach eigener Einschätzung deutlich seltener Aufgaben im Zusammenhang mit der Erstellung von Gesetzesvorlagen wahrnahmen; vgl. Weber, Politische Beamte, S. 101. Auf Bundesebene könnte die Vorbereitung von Gesetzesentwürfen eine größere Rolle spielen. 354  Vgl. Herrmann, VerwArch 101 (2010), 377 (388, 391). 355  Vgl. Theisen, in: FS Zeidler, 1987, S. 1167 (1171). 356  Vgl. entsprechend zum nordrhein-westfälischen Landesrecht Schönenbroicher, in: Heusch / Schönenbroicher, Verf. NRW, Art. 51 Rn. 19: „gesetzesdirigierende Gewalt“. 357  Vgl. noch aus Weimarer Zeit Köttgen, Berufsbeamtentum, S. 256; später Bra­ cher, DVBl. 2001, 19 (26). 358  Vgl. BVerfGE 121, 205 (223) – Leitungsamt auf Zeit; BVerfG (K), NVwZ 1994, 477 (477); BVerwGE 19, 332 (336); 52, 33 (35); Kugele, ZBR 2007, 109 (111); Werres, Beamtenverfassungsrecht, Rn. 67. 353  Auf

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Bundesminister im demokratischen Regierungssystem des Grundgesetzes zumeist spätestens nach einigen Jahren aus ihrem Amt ausscheiden, wäre es wünschenswert, dass Staatssekretäre als Lebenszeitbeamte trotz wechselnder Regierungen die Kontinuität in den Ministerien wahren.359 Vor diesem Hintergrund scheint es der Funktionsfähigkeit der Bundesregierung eher abträglich zu sein, wenn Staatssekretäre nach politischen Anschauungen ausgesucht und in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Zudem geht die Bundesregierung offensichtlich davon aus, dass beamtete Staatssekretäre regelmäßig keine ausgewiesen politischen Tätigkeiten übernehmen, weil sie keine Mitglieder der Regierung sind. Deswegen werden Bundesminister in der Bundesregierung nicht etwa durch ihre Staatssekretäre vertreten, sondern gem. § 14 Abs. 1 GOBReg durch den dazu bestimmten Bundesminister. Für Erklärungen vor Bundestag und Bundesrat sowie in den Sitzungen der Bundesregierung erfolgt die Vertretung gem. § 14 Abs. 2 GOBReg grundsätzlich durch den Parlamentarischen Staatssekretär und nur in Eilfällen durch den beamteten Staatssekretär.360 Das spricht dafür, dass beamtete Staatssekretäre „keine Mittelstellung zwischen den Berufsbeamten und den Politikern“361 einnehmen, sondern unbeschadet ihrer Tätigkeit an der Schnittstelle zur Bundesregierung ausschließlich Fachbeamte sind. Demgegenüber ist allerdings zur Kenntnis zu nehmen, dass die Staatsleitungsaufgabe der Bundesregierung zunehmend komplexer wird.362 Diese Komplexität lässt sich ebenso auf eine stärkere Verrechtlichung der Politik zurückführen wie auf eine zunehmende globale Verflechtung der politischen und weltwirtschaftlichen Beziehungen, die gepaart ist mit einer immer größeren Schnelllebigkeit im politischen Alltag. Hinzu kommen im Fall der Bundesminister meist zahlreiche parteipolitische Verpflichtungen, die für die Minister nicht bloßes Freizeitengagement neben ihrem Ministeramt sein können, sondern die vielmehr in aller Regel Voraussetzung für den Verbleib im Ministeramt sind. Dies macht es den Bundesministern nahezu unmöglich, die Mitarbeiter ihres Ministeriums durch persönliche Anleitung und Kontrolle in einem solchen Maße zu steuern, dass die Transformation der Regierungspolitik in den Verwaltungsapparat des Ministeriums gewährleistet 359  Vgl. Fehlig, Staatssekretär, S. 67; Herrmann, VerwArch 101 (2010), 377 (391 ff.). 360  Vgl. aber Kugele, Beamte, S. 214, der dem Staatssekretär gleichwohl auch repräsentative Aufgaben zuschreibt; ferner die abweichende Konzeption in Bayern gem. Art. 51 Abs. 2 S. 2 Verf. BY, wonach Staatssekretäre im Falle der Verhinderung des Staatsministers selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag handeln; zur Weisungsfreiheit saarländischer Staatssekretäre Art. 91 Abs. 3 Verf. SL. 361  Vgl. Fehlig, Staatssekretär, S. 63. 362  Vgl. Klieve, VR 2003, 183 (188).



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ist.363 Um ihrer politischen Verantwortung für ihr Ressort gegenüber dem Bundestag gerecht zu werden, benötigen die Bundesminister (mindestens) einen Beamten an der Spitze ihres Ministeriums, dem sie hinreichend vertrauen, sodass sie ihm Teile ihrer ministeriellen Steuerungsaufgaben überlassen können.364 Bei der Feststellung dieses Vertrauensverhältnisses dürfen sie auch politische Anschauungen berücksichtigen. Zudem befürchtet Klieve mit guten Gründen eine „Überlegenheit der Verwaltungsseite“365 gegenüber Parlament und Regierung, weil Politiker und Minister anders als die hochspezialisierten Verwaltungsbeamten schwierige Materien kaum mehr durchdringen könnten. Neben der zunehmenden Komplexität der Ministertätigkeit ist diesbezüglich auf den traditionellen Informationsvorteil der Verwaltung hinzuweisen. Außerdem ist festzustellen, dass die Verwaltung teilweise in herkömmlich politische Bereiche vordringt, wenn sie etwa im Sinne von Politikplanung eine kreative, gestaltende Rolle einnimmt. Daher fördert es die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung, dass die Bundesminister (neben dem parlamentarischen Staatssekretär) mit dem beamteten Staatssekretär eine Spitzenposition im Beamtenapparat ihres Ministeriums unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen besetzen, um den genannten Entwicklungen entgegenzuwirken und Steuerungspotenziale zu gewährleisten.366 Folglich dient der politisch gebundene Zugang zu den Ämtern der beamteten Staatssekretäre dem legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung zu fördern. Verstöße gegen die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze durch § 54 Abs. 1 Nr. 1 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind nicht ersichtlich. Die mit einem anschauungsgebundenen Zugang zu diesen Ämtern verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist daher gerechtfertigt Wieser, Staatssekretär, S. 2. auf die ministerielle Verantwortlichkeit abstellend auch Fricke, Ämterpatronage, S. 159. 365  Klieve, VR 2003, 183 (188); vgl. ähnlich Weber, Politische Beamte, S. 9, zum „stetig wachsenden Einfluss der Bürokratie“ (ebd.); anders aber Duppré, Leitender Beamter, S. 14 (14): „Grenzen der Gewaltenteilung [haben] sich zugunsten des Parlaments und auf Kosten der Regierung“ verschoben. 366  Vgl. Klieve, VR 2003, 183 (188); v. Münch, in: Forsthoff u. a., Reform, S. 71 (147); Fricke, Ämterpatronage, S. 164, zur Abwehr der „Gefahr einer […] Obstruktion“ (ebd., S. 161); Schunke, Politische Beamte, S. 286; ähnlich (allgemein für politische Beamte) Wichmann, Patronage, S. 86; anders Duppré, Leitender Beamter, S. 14 (22 f.), der zwar die jederzeitige Versetzbarkeit in den Ruhestand voraussetzt, diese aber nur bei fehlendem Vertrauen zulassen will, wofür die politischen Anschauungen wohl unerheblich sein sollen; im Ergebnis ebenfalls für politisch bedingten Amtszugang Fecht, ParlRat 13 / 1, S. 206, für Staatssekretär im Bundeskanzleramt; zweifelnd Lindner, ZBR 2011, 150 (160). 363  Vgl. 364  Vgl.

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durch die Grundgesetzbestimmungen, die die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung voraussetzen.367 Entsprechendes gilt für die Staatssekretäre der Länder, für die hier exemplarisch die nordrhein-westfälischen Staatssekretäre gem. § 37 Abs. 1 Nr. 1 LBG NW genannt seien. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet die Funktionsfähigkeit der Landesregierungen,368 die durch den politisch gebundenen Zugang zu den Ämtern der Staatssekretäre gefördert werden kann. b) Ministerialdirektoren Die Berücksichtigung politischer Anschauungen der Bewerber könnte auch beim Zugang zu den Ämtern der Ministerialdirektoren zulässig sein. Gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG369 bekleiden diese ein Amt, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen. Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte durch die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundesregierung gerechtfertigt sein. Dazu müsste der politisch gebundene Ämterzugang jedoch der Förderung der Funktionsfähigkeit der Regierung dienen und dazu auch geeignet sein. Die Bundesministerien gliedern sich grundsätzlich in Abteilungen und Referate, vgl. § 7 Abs. 1 GOBMin, wobei die Ministerialdirektoren zumeist dem Staatssekretär unterstellte Abteilungsleiter sind. Der Aufgabenbereich der Ministerialdirektoren beschränkt sich, wenn sie als Abteilungsleiter eingesetzt sind, in der Regel auf ein Fachgebiet, innerhalb dessen sie sowohl strikt gesetzesvollziehende als auch planerisch-gestaltende Aufgaben haben, die politisch relevant sein können.370 Allein dieses Argument kann den po367  Vgl. Berg, MDR 1973, 185 (189); Franz, Dilettanten, S. 18; s. auch Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 226, der eine Rechtfertigung für „wirklich regierungsnahe Ämter“ (ebd.) wie Staatssekretäre jedenfalls nicht ausschließt; allgemein Uerpmann-Wittzack, in: HGR V, § 128 Rn. 62, für „Beamte, die sich in besonderer Nähe zur staatsleitenden Willensbildung befinden“ (ebd.). 368  Vgl. zum bayerischen Landesrecht Lindner, BayVBl. 2012, 581 (587). 369  Vgl. ebenso schon § 25 RBG 1873 für die „Direktoren und Abteilungs-Chefs […] in den Ministerien“. Eine entsprechende Bestimmung im exemplarisch behandelten nordrhein-westfälischen Landesrecht gibt es nicht mehr; s. aber § 33 Nr. 1 3. Var. LBG NW v. 15.6.1954, GV 237, wonach auch Ministerialdirektoren jederzeit in den Wartestand versetzt werden konnten; entfallen ist diese Möglichkeit durch das Zweite Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften v. 31.3.1981, GV 194. § 42 Abs. 1 Nr. 2 LBG BW nennt Ministerialdirektoren weiterhin.



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litisch gebundenen Zugang zu den Ämtern der Ministerialdirektoren indes nicht rechtfertigen, da ihre Befugnis, Entscheidungen mit potenzieller politischer Relevant zu treffen, keine amtsspezifische Besonderheit ist. Vielmehr treffen sehr viele Beamten unbeschadet ihrer Gesetzesbindung gem. Art. 20 Abs. 3 GG mehr oder weniger häufig solche Entscheidungen, ohne dass sie dazu anhand ihrer politischen Anschauungen ausgesucht worden wären. Mehr noch als bei Staatssekretären bestehen zudem Zweifel, ob die Steuerungsfunktion von Ministerialdirektoren den politischen Ämterzugang rechtfertigen kann. Das zeigt sich auch daran, dass bis 1969 keine Ministerialdirektoren in den Ruhestand versetzt worden waren,371 diese Maßnahme also nicht für erforderlich gehalten wurde. Ferner kommen selbst große Landesministerien in NRW (heute) ohne die Möglichkeit aus, Ministerialdirektoren jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu können. 370

Zum Teil hält es die Literatur gleichwohl für legitim, Ministerialdirektoren zu den politischen Beamten zu zählen, die anhand ihrer politischen Anschauungen ausgewählt werden dürfen.372 Denn die verfassungsrechtlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundesregierung eröffnet dem Gesetzgeber einen Einschätzungsspielraum, innerhalb dessen er – im Rahmen der allgemeinen Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen – selbst festlegen kann, woran er die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung misst und mit welchen Maßnahmen er diese fördern will. Zu berücksichtigen ist dabei neben der Steuerungs- und Transformationsaufgaben der Ministerialdirektoren, dass diese ihre Aufgaben häufig selbstständig und ohne unmittelbare Überwachung durch ihren Vorgesetzten erfüllen sollen, was ein erhöhtes Vertrauen in ihre politische Integrität voraussetzt. Gleiches gilt für die Repräsentationsfunktion, die Ministerialdirektoren zwar nur in eingeschränktem Maße haben, die ihnen aber doch zukommen kann.373 Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums erscheint es daher noch vertretbar, den politisch gebundenen Zugang zu diesen Ämtern als förderlich für die Funktionsfähigkeit der Regierung anzusehen. Folglich dient der politisch gebundene Zugang zu den Ämtern der Ministerialdirektoren dem legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung zu fördern. Verstöße gegen die Anforderungen an grundrechtsbe370  Vgl. OVG NW, ZBR 1958, 141 (143); Schunke, Politische Beamte, S. 106; Schütz, Beamtenrecht, C § 38 Rn. 2. 371  Vgl. Plog / Wiedow, BBG, § 36 (2010), Rn. 8. 372  Vgl. für eine Erweiterung auf Stabsstellen im unmittelbaren Umfeld der politischen Führung: Fricke, Ämterpatronage, S. 166 ff.; Klieve, VR 2003, 183 (187); ferner OVG NW, Beschl. v. 20.11.1998 – 12 B 2446 / 98 –, Juris: Rn. 3 ff., zu „Imponderabilien“ (Rn. 6) als Auswahlkriterium. 373  Vgl. anders zum bayerischen Landesrecht Lindner, BayVBl. 2012, 581 (587).

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schränkende Gesetze durch § 54 Abs. 1 Nr. 1 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind nicht ersichtlich. Die mit einem anschauungsgebundenen ­ ­Zugang zu diesen Ämtern verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist daher gerechtfertigt durch die Grundgesetzbestimmungen, die die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung voraussetzen.374 Der – exemplarisch behandelte – nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber, dem diese Einschränkungsmöglichkeit mit entsprechender Argumentation ebenfalls zukäme, macht davon keinen Gebrauch (mehr). c) Beamte im Auswärtigen Dienst Möglicherweise dürfen die politischen Anschauungen der Bewerber beim Zugang zu den von § 54 Abs. 1 Nr. 2 BBG erfassten Ämtern im Auswärtigen Dienst berücksichtigt werden. Zu dieser Gruppe gehören Beamte des höheren Dienstes im Auswärtigen Dienst von der Besoldungsgruppe B 3 an aufwärts sowie Botschafter in der Besoldungsgruppe A 16 unabhängig davon, ob sie in der Zentrale oder in einer Auslandsvertretung tätig sind.375 Die erfassten Beamten bekleiden ein Amt, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen, vgl. § 30 Abs. 1 BeamtStG. Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte durch die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundesregierung gerechtfertigt sein. Dazu müsste der politisch gebundene Ämterzugang jedoch der Förderung der Funktionsfähigkeit der Regierung dienen und dazu auch geeignet sein. Das wäre nach den oben entwickelten Grundsätzen376 insbesondere dann der Fall, wenn die betroffenen Beamten in solchem Maß Repräsentationsaufgaben wahrnähmen, dass es förderlich wäre, sie anhand politischer Kriterien auszuwählen. Dazu müsste es zu ihren Aufgaben gehören, gerade die 374  Vgl. Kugele, Beamte, S. 253, wonach die Besetzung der Stellen der Abteilungsleiter mit politischen Beamten eine „praktische Notwendigkeit“ (ebd.) sein soll; wohl auch Jung, Öffentlicher Dienst, S. 59; differenzierend nach Politikbezogenheit der Abteilungen Schunke, Politische Beamte, S. 332; dagegen: Berg, MDR 1973, 185 (189); Duppré, Leitender Beamter, S. 14 (22 f.); Lindner, ZBR 2011, 150 (160); Thieme, Beamte, S. 149 (161); gegen die politisch bedingte Umsetzung eines Abteilungsleiters im Landesministerium: OVG SL, ZBR 1995, 47 (48); Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 93. 375  Vgl. Plog / Wiedow, BBG, § 36 (2010), Rn. 9. 376  Siehe schon 4. Kap. C. III. 3. e).



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Mitglieder der Bundesregierung politisch zu repräsentieren. Das ist indes nicht der Fall. Vielmehr sollen die Mitarbeiter des Auswärtigen Dienstes gem. § 1 Abs. 1 S. 1 GAD die auswärtigen Angelegenheiten des Bundes – also nicht speziell der Regierungsmitglieder – wahrnehmen. Dazu gehört es gem. § 1 Abs. 2 GAD, die Interessen der Bundesrepublik im Ausland zu vertreten, die Bundesregierung über Verhältnisse und Entwicklungen im Ausland zu unterrichten, aber ebenso gem. § 1 Abs. 3 GAD andere Verfassungsorgane des Bundes bei der Wahrnehmung ihrer internationalen Kontakte zu unterstützen. Dass für die Erfüllung dieser Aufgaben ein politisch bedingter Zugang zu den öffentlichen Ämtern im Auswärtigen Dienst förderlich wäre, ist nicht ersichtlich. Allerdings heißt es zur Rechtfertigung in der Literatur teilweise, die Abberufung von Diplomaten könne aus politischen Gründen geboten sein, ohne dass den Beamten ein Vorwurf treffe.377 Akzeptiert man diese Annahme, so müssten die politischen Anschauungen und andere vertrauensbeeinflussende Merkmale sinnvollerweise auch schon ein legitimes Zugangskriterium sein dürfen. Demgegenüber bleibt indes einzuwenden, dass nicht ersichtlich wird, warum Diplomaten unter Berücksichtigung ihrer individuellen politischen Anschauungen auszuwählen und in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen sein sollen. Die Erforderlichkeit dieser Maßnahmen ergibt sich auch nicht daraus, dass eine jederzeitige Abrufbarkeit von einem konkreten Dienstposten aus außenpolitischen Gründen erforderlich sein mag. Folglich ist die politisch gebundene Vergabe öffentlicher Ämter im Auswärtigen Dienst nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung zu fördern.378 Ein einschlägiger (Quasi-)Gesetzesvorbehalt, auf den eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gestützt werden könnte, ist daher nicht ersichtlich. Folglich ist der politisch gebundene Zugang zu diesen Ämtern nicht zulässig. § 54 Abs. 1 Nr. 2 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass politische Anschauungen bei der Einstellung nicht berücksichtigt werden dürfen. Fricke, Ämterpatronage, S. 164 f. § 12 GAD, der politische Anschauungen nicht als Auswahlkriterien nennt; ebenso Berg, MDR 1973, 185 (189); Biehler, NJW 2000, 2400 (2401); dagegen: v. Münch, in: Forsthoff u. a., Reform, S. 71 (147), wegen der Repräsentationsfunktion von Botschaftern; ähnlich Anders, DÖV 1964, 109 (114); Jung, Öffentlicher Dienst, S. 59. Schunke, Politische Beamte, S. 334 ff.; Thieme, Beamte, S. 149 (162), halten wohl die Berücksichtigung der politischen Anschauungen für legitim, erachten aber je nach Besoldungsgruppe die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand für nicht erforderlich; s. auch Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 226, der eine Rechtfertigung für „wirklich regierungsnahe Ämter“ (ebd.) wie Botschafter jedenfalls nicht ausschließt. 377  Vgl. 378  Vgl.

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d) Beamte in den Sicherheitsbehörden Möglicherweise dürfen die politischen Anschauungen der Bewerber beim Zugang zu den von § 54 Abs. 1 Nr. 3 BBG, § 37 Abs. 1 Nr. 3 LBG NW erfassten Ämtern unterschiedlicher Sicherheitsbehörden berücksichtigt werden. Zu dieser Beamtengruppe zählen Beamte des höheren Dienstes des Amtes für den Militärischen Abschirmdienst, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes von der Besoldungsgruppe B 6 an aufwärts sowie – exemplarisch für die Landesebene – der Leiter der für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz zuständigen Abteilung. Sie bekleiden Ämter, bei deren Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen, vgl. § 30 Abs. 1 BeamtStG. Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte durch die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundesregierung gerechtfertigt sein. Dazu müsste der politisch gebundene Ämterzugang jedoch der Förderung der Funktionsfähigkeit der Regierung dienen und dazu auch geeignet sein. Teilweise wird die Anwendung der Vorschriften über politische Beamte auf diese Gruppe damit begründet, dass das Verhalten der Betroffenen schnell zu „großen, politischen Verwicklungen“379 führen kann. Anders geht davon aus, dass es bei diesen Ämtern „auf die strikte Durchführung der Regierungspolitik ankommt“380 und der anschauungsgebundene Zugang deswegen zulässig sei. Indes ist nicht ersichtlich, dass die Tätigkeiten der Spitzenbeamten bei den Geheimdiensten eine besondere politische Anschauung voraussetzen. Zwar muss sich die Regierung jederzeit voll auf die loyale Aufgabenerfüllung durch die Geheimdienste und ihre Spitzenbeamten verlassen können, doch gilt dies in ähnlichem Maße für die Inhaber zahlreicher öffentlicher Ämter. Die Spitzenbeamten der Geheimdienste sollen bei strikter Gesetzesbindung ihre gesetzlichen Aufträge im Geflecht der staatlichen Sicherheitsbehörden erfüllen. Dazu gehört es nicht, in besonderem Maße Regierungspolitik zu transformieren oder die Regierung politisch zu repräsentieren. Vielmehr erfordert die hohe Grundrechtsrelevanz nachrichtendienstlicher Tätigkeit in besonderem Maße gesetzestreue Amtsinhaber, die bei etwaigen rechtswidrigen Ansinnen der Regierung ihrer Remonstrationspflicht aus § 63 Abs. 2 S. 1 BBG nachkommen und rechtliche Bedenken nicht aus politischen Gründen zurückstellen. Eigene – etwa abweichende – politische Einstellungen der Be­ 379  Kugele,

380  Anders,

ZBR 2007, 109 (113). DÖV 1964, 109 (113 f.).



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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amten stehen einer loyalen Aufgabenerfüllung in diesem Zusammenhang nicht entgegen. Folglich ist die politisch gebundene Vergabe öffentlicher Ämter in den Geheimdiensten nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung zu fördern.381 Ein einschlägiger (Quasi-)Gesetzesvorbehalt, auf den eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gestützt werden könnte, ist daher nicht ersichtlich. Folglich ist der politisch gebundene Zugang zu diesen Ämtern nicht zulässig. § 54 Abs. 1 Nr. 3 BBG, § 37 Abs. 1 Nr. 3 LBG NW i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass politische Anschauungen bei der Einstellung nicht berücksichtigt werden dürfen. e) Leitende Beamte in der Pressearbeit der Regierung Es fragt sich, ob beim Zugang zu den von § 54 Abs. 1 Nr. 4 BBG erfassten Ämtern mit Aufgaben in der Pressearbeit der Regierung die politischen Anschauungen der Bewerber berücksichtigt werden dürfen. Zu dieser Gruppe zählen der Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, dessen Stellvertretung sowie der Stellvertretende Sprecher der Bundesregierung. Sie bekleiden Ämter, bei deren Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen, vgl. § 30 Abs. 1 BeamtStG.382 Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte durch die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundesregierung gerechtfertigt sein. Dazu müsste der politisch gebundene Ämterzugang jedoch der Förderung der Funktionsfähigkeit der Regierung dienen und dazu auch geeignet sein. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung versteht sich als Behörde, die nach außen über die Politik der Bundesregierung informiert und nach innen die Nachrichtenlage in den Medien für die Bundesregierung und andere oberste Bundesorgane auswertet. Jedenfalls faktisch bedeutet die Tätigkeit als Regierungssprecher kein bloß neutrales Informieren über objektive Fakten, sondern eine Tätigkeit, die immerhin Verständnis 381  Vgl. Juncker, ZBR 1974, 205 (207); Lindner, ZBR 2011, 150 (160); kritisch auch Schunke, Politische Beamte, S. 338 f.; s. aber ebd. s. 363; dagegen: Jung, Öffentlicher Dienst, S. 59; Kugele, Beamte, S. 269 ff. 382  Schon § 44 Abs. 1 Nr. 1 DBG 1937 zählte Pressereferenten in den obersten Dienstbehörden zu den politischen Beamten, was jedoch wegen des nationalsozialistischen Hintergrundes der Norm nicht belegt, dass ein politisch gebundener Ämterzugang auch in Anbetracht des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zulässig ist.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

für erforderliche Maßnahmen wecken und um bestimmte Verhaltensweisen werben will, ohne damit verbotene Wahlwerbung zu betreiben.383 Insofern repräsentieren der Regierungssprecher und seine in § 54 Abs. 1 Nr. 4 BBG genannten Mitarbeiter die Regierung. Diese Aufgabe kann nur derjenige mit höchster Glaubwürdigkeit erfüllen, der die dienstlich zu repräsentierenden politischen Auffassungen der Regierung persönlich überwiegend teilt. Amtsinhaber, bei denen dies nicht der Fall ist, könnten zwar teilweise Aufgaben eines Regierungssprechers übernehmen; sie könnten dies aber nicht optimal tun. Deswegen fördert der politisch gebundene Zugang zu diesen Ämtern die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung; die Einrichtung politischer Beamter wird dadurch insoweit verfassungsrechtlich ermöglicht. Folglich dient der politisch gebundene Zugang zu den Spitzenämtern in der Pressearbeit der Bundesregierung dem legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung zu fördern. Verstöße gegen die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze durch § 54 Abs. 1 Nr. 4 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind nicht ersichtlich. Die mit einem anschauungsgebundenen Zugang zu diesen Ämtern verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist daher gerechtfertigt durch die Grundgesetzbestimmungen, die die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung voraussetzen.384 Entsprechendes gilt für den nordrhein-westfälischen Regierungssprecher gem. § 37 Abs. 1 Nr. 4 LBG NW, da auch die grundgesetzlich durch Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistete Funktionsfähigkeit der Landesregierungen durch den politisch gebundenen Zugang zum Amt des Regierungssprechers gefördert wird.

383  Vgl. grundlegend BVerfGE 44, 125 (148 ff.) – Öffentlichkeitsarbeit, wo gerade die genannten Tätigkeiten als (noch) erlaubt beziehungsweise geboten dargestellt werden, aber auch Grenzen einer zulässigen Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung – insbesondere im Vorfeld von Wahlen – benannt werden. 384  Vgl. Anders, DÖV 1964, 109 (113 f.); ders., DÖV 1967, 611 (612); Kugele, Beamte, S. 256 f.; Lindner, ZBR 2011, 150 (160); v. Münch, in: Forsthoff u. a., Reform, S. 71 (147); ähnlich Schunke, Politische Beamte, S. 339 ff.; s. auch Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 226, der eine Rechtfertigung für „wirklich regierungsnahe Ämter“ (ebd.) wie Pressesprecher jedenfalls nicht ausschließt; unklar Thieme, Beamte, S. 149 (158 f.), der statt politischer Beamter Angestellte vorschlägt, ohne zu klären, ob diese anhand ihrer politischen Anschauungen ausgesucht werden dürften.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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f) Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Möglicherweise dürfen die politischen Anschauungen der Bewerber beim Zugang zum Amt des Generalbundesanwaltes beim Bundesgerichtshof berücksichtigt werden. Gem. § 54 Abs. 1 Nr. 5 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 ­BeamtStG bekleidet dieser ein Amt, bei dessen Ausübung er in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen muss. Eine entsprechende Regelung gibt es für NRW nicht. Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte durch die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundesregierung sowie der Strafverfolgungsbehörden gerechtfertigt sein. Dazu müsste der politisch gebundene Ämterzugang jedoch der Förderung der Funktionsfähigkeit dieser Organe dienen und dazu auch geeignet sein. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, insbesondere der Schutz der Bevölkerung vor Gefahren für Leib und Leben und der Grenzschutz, gehört nach Maßgabe der Kompetenzordnung zu den legitimen Aufgaben von Bund und Ländern, vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG. Dazu dürfen sie die notwendigen Behörden einrichten und sie so betreiben, dass ihre Funktionsfähigkeit gewährleistet ist. Zweifelhaft ist jedoch, ob der politisch gebundene Ämterzugang der Erreichung dieser Ziele förderlich ist. Gemäß dem (nationalsozialistischen) § 44 Abs. 1 Nr. 7 DBG 1937 zählten alle Staatsanwälte zu den politischen Beamten. Nach 1945 knüpfte das Beamtenrecht zahlreicher Länder daran an; insbesondere Generalstaatsanwälte waren in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2000 politische Beamte.385 Herkömmlich wird zur Rechtfertigung auf eine Transformationsfunktion des Generalbundesanwalts beziehungsweise der Generalstaatsanwälte verwiesen, die „den justizpolitischen Willen der Regierung in die Beamtenhierarchie umsetzen“386 müssten. 385  Vgl. § 33 Nr. 5 LBG NW v. 15.6.1954, GV 237: „Generalstaatsanwälte und Oberstaatsanwälte als Leiter von Staatsanwaltschaften“; die Oberstaatsanwälte werden allerdings schon in § 38 Abs. 1 LBG NW in der Bekanntmachung v. 1.1.1962, GV 271, nicht mehr erwähnt. Die Generalstaatsanwälte (bis dahin erwähnt in § 38 Abs. 1 Nr. 5 LBG NW v. 1.5.1981, GV 234) wurden durch Gesetz v. 12.12.2000, GV 745, aus dem Kreis der politischen Beamten gestrichen. Siehe auch die Übersicht von Rautenberg, DRiZ 2000, 141 (141 f.). 386  So 1999 der damalige NRW-Justizminister Dieckmann, zitiert nach Rauten­ berg, DRiZ 2000, 141 (144); vgl. ähnlich Anders, DÖV 1964, 109 (114).

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Tatsächlich ist die Staatsanwaltschaft trotz ihrer Hinordnung auf die Rechtsprechung ein weisungsgebundenes Organ der Exekutive.387 Die Unabhängigkeit der Strafjustiz setzt gleichwohl Staatsanwaltschaften voraus, die unbeschadet ihrer Weisungsgebundenheit ohne politischen Druck und frei von äußerer Einflussnahme ihren Aufgaben objektiv und nur dem Gesetz verpflichtet nachkommen.388 Wenngleich die Übernahme eines Verfahrens durch den Generalbundesanwalt in der Tat politische Bedeutung haben kann,389 ist neben dem Legalitätsprinzip kein Platz für politische Transformationsaufgaben. Ebenso wenig kann die zusätzliche Aufgabe der Generalstaatsanwaltschaft, der Regierung bei rechtspolitischen Vorhaben gegebenenfalls zuzuarbeiten oder sie zu beraten, eine politisch gebundene Ämtervergabe rechtfertigen.390 Folglich ist die politisch gebundene Vergabe des öffentlichen Amtes des Generalbundesanwalts nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit von Bundesregierung und Strafverfolgungsbehörden zu fördern.391 Ein einschlägiger (Quasi-)Gesetzesvorbehalt, auf den eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gestützt werden könnte, ist daher nicht ersichtlich. Folglich ist der politisch gebundene Zugang zu diesem Amt nicht zulässig.392 § 54 Abs. 1 Nr. 5 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind verfassungskonform dahinge387  Vgl. Kissel / Mayer, GVG, § 141 Rn. 8; Meyer-Goßner, StPO, vor § 141 GVG Rn.  5 ff., m. w. N. 388  Siehe zur Geltung des Legalitätsprinzips § 152 Abs. 2 StPO („soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist“); vgl. Meyer-Goßner, in: ders., StPO, vor § 141 Rn. 7; Plog / Wiedow, BBG, § 36 (2010), Rn. 12; Rautenberg, DRiZ 2000, 141 (143). Vgl. Deutscher Richterbund, zitiert nach BVerfGE 121, 205 (217) – Leitungsamt auf Zeit. 389  Vgl. so (zu Recht) Müller, FAZ v. 5.11.2011, S. 10, ohne dass dies die Einrichtung eines politisch gebundenen Amtes rechtfertigen würde. 390  Vgl. Theisen, in: FS Zeidler, 1987, S. 1167 (1172). 391  Vgl. aber Kissel / Mayer, GVG, § 141 Rn. 8, die unterschlagen, dass es im Hinblick auf die Berücksichtigung politischer Anschauungen keineswegs nur um Rechtspolitik geht, sondern Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Grundrechtsbeschränkungen fordert. 392  Vgl. Juncker, ZBR 1974, 205 (207); Kugele, Beamte, S. 276 f.; Lindner, ZBR 2011, 150 (160); Schunke, Politische Beamte, S. 346 f.; Theisen, in: FS Zeidler, 1987, S. 1167 (1172); ferner Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 227: „hochumstritten“; s. zu Beurteilungsspielräumen für Übernahmeentscheidungen der Staatsanwaltberufungsausschüsse Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 189, m. w. N. Offen bleiben kann vor diesem Hintergrund, ob die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften aus rechtspolitischen Gründen noch erhöht werden sollte; vgl. dafür Rautenberg, DRiZ 2000, 141 ff. Müller, FAZ v. 29.3.2012, S. 10, sieht beispielsweise die Gefahr politischer Weisungen durch einen Justizminister, die wiederum beeinflussen könne, an welchem Ort die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für die Bundeswehr eingerichtet werde; zurückhaltend Theisen, in: FS Zeidler, 1987, S. 1167 (1172 f.).



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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hend auszulegen, dass politische Anschauungen bei der Einstellung nicht berücksichtigt werden dürfen. g) Beamte im Polizeidienst von Bund und Ländern Es fragt sich, ob beim Zugang zu den von § 54 Abs. 1 Nr. 7, 8 BBG, § 37 Abs. 1 Nr. 5 LBG NW erfassten Spitzenämtern im Polizeidienst von Bund und Ländern die politischen Anschauungen der Bewerber berücksichtigt werden dürfen. Zu dieser Beamtengruppe zählen der Präsident des Bundeskriminalamtes (Nr. 7), der Präsident des Bundespolizeipräsidiums (Nr. 8) sowie die nordrhein-westfälischen Polizeipräsidenten. Sie bekleiden Ämter, bei deren Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen, vgl. § 30 Abs. 1 BeamtStG. Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte durch die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundesregierung sowie der Strafverfolgungsbehörden gerechtfertigt sein. Dazu müsste der politisch gebundene Ämterzugang jedoch der Förderung der Funktionsfähigkeit dieser Organe dienen und dazu auch geeignet sein. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, insbesondere der Schutz der Bevölkerung vor Gefahren für Leib und Leben und der Grenzschutz, gehört nach Maßgabe der Kompetenzordnung zu den legitimen Aufgaben von Bund und Ländern, vgl. Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG. Dazu dürfen sie die notwendigen Behörden einrichten und sie so betreiben, dass ihre Funktionsfähigkeit gewährleistet ist. Es fragt sich jedoch, ob der politisch gebundene Ämterzugang die Erreichung der Erreichung dieser Ziele förderlich ist. Der Bund unterhält gem. § 1 Abs. 1 BKAG ein Bundeskriminalamt zur Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten, das als Zentralstelle für das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten mit länder­ übergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung unterstützend tätig wird. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben hat das Bundeskriminalamt insbesondere alle erforderlichen Informationen zu sammeln und auszuwerten (§ 2 Abs. 1 BKAG), sich um die internationale Zusammenarbeit zu bemühen (§ 3 BKAG), besonders schwere Straftaten zu verfolgen (§ 4 BKAG), Gefahren des internationalen Terrorismus abzuwehren (§ 4a BKAG) sowie die Mitglieder der Verfassungsorgane zu schützen (§ 5 BKAG). Der Präsident des Bundeskriminalamtes leitet die Behörde unter der Aufsicht des Bundesinnenministers. Insbesondere entscheidet der Präsident über die Anwendung

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

gesetzlich näher bestimmter Befugnisse (vgl. § 16 Abs. 2, § 20h Abs. 3, § 20j Abs. 4, § 20k Abs. 5, § 20l Abs. 3 BKAG), die nur auf Anordnung des Präsidenten beziehungsweise auf dessen Antrag hin nach gerichtlicher Anordnung genutzt werden dürfen. Der Bundespolizei, die gem. § 1 Abs. 1 S. 2 BPolG zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern gehört, obliegen Aufgaben im Grenzschutz, in der Luftsicherheit, in der Sicherheit auf See sowie als Bahnpolizei (§§ 2–6 BPolG). Der Präsident des Bundespolizeipräsidiums leitet die Behörde, wobei er gem. § 57 Abs. 2 S. 2 BPolG unmittelbar dem Bundesministerium des Innern untersteht. Die nordrhein-westfälische Polizei ist in 47 Kreispolizeibehörden gegliedert. An deren Spitze steht entweder ein Polizeipräsident, sofern einem Polizeibezirk mindestens eine kreisfreie Stadt angehört, oder der Landrat, soweit das Kreisgebiet zu einem Polizeibezirk bestimmt wird, vgl. § 2 Abs. 1 POG NW. Die Polizeipräsidenten beziehungsweise Landräte leiten die Kreispolizeibehörde; sie sind für die ordnungsgemäße Organisation der Polizeiarbeit in ihrem Bezirk verantwortlich. Die Polizeipräsidenten sind gem. § 37 Abs. 1 Nr. 5 LBG NW politische Beamte.393 In einer Entscheidung aus 1958 hat das OVG NW festgestellt, die Einbeziehung der Polizeipräsidenten in den Kreis der politischen Beamten unterliege „keinem Zweifel“394. Zur Begründung verweist das OVG auf die Personalverantwortung der Spitzenbeamten sowie auf die Bedeutung der Polizei für die Bewahrung von Ruhe und Ordnung im Staate.395 Indes überzeugt diese Argumentation weder im Hinblick auf die nordrhein-westfälischen Polizeipräsidenten noch im Hinblick auf die Präsidenten von Bundeskriminalamt und Bundespolizeipräsidium. Die Personalverantwortung dieser Beamten ist keine polizeispezifische Besonderheit, sondern eine Eigenschaft jeglicher Spitzenbeamten, die indes nicht die politisch bedingte Auswahl der Personalverantwortlichen rechtfertigt. Ebenso wenig begründet die Bedeutung der Polizei für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit, warum die Spitzenbeamten anhand politischer Kriterien ausgewählt werden müssten. Die Leiter der Polizeibehörden sind vielmehr im grundrechtssensiblen Bereich der Polizeiarbeit strikt an Recht und Gesetz gebunden. Soweit die Gesetze Ermessensspielräume eröffnen, ist dieses Ermessen pflichtgemäß auszuüben (vgl. § 3 Abs. 1 PolG NW) mit dem Ziel, mit verhältnismäßigen 393  Vgl. zur politischen Rolle der Polizeipräsidenten in preußischer Zeit Runge, Beamtentum, S. 28 f.; zu Landräten als kommunalen Wahlbeamten noch 4. Kap. C. V. 4. b). 394  OVG NW, ZBR 1958, 141 (143). 395  Vgl. OVG NW, ZBR 1958, 141 (143).



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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Mitteln ein Optimum an Sicherheit zu gewährleisten. Diese Aufgaben erfordern optimal qualifizierte Behördenleiter. Für parteipolitische Erwägungen bleibt insofern kein Raum. Vielmehr schadet eine Besetzung der polizeilichen Führungsämter mit (regionalen) Parteipolitikern der Autorität der Polizei mehr, als dass sie ihr nützt.396 Zudem zeigt die Tatsache, dass die Landräte als Chefs der Kreispolizeibehörden nicht zwangsläufig mit der politischen Ausrichtung der Landesregierung übereinstimmen, dass eine solche Übereinstimmung zwischen der Landesregierung und der Leitung der Kreispolizeibehörden offensichtlich nicht erforderlich ist. Folglich ist die politisch gebundene Vergabe der öffentlichen Ämter des Präsident des Bundeskriminalamtes, des Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums sowie der nordrhein-westfälischen Polizeipräsidenten nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit grundgesetzlich geschützter Verfassungsorgane zu fördern. Ein einschlägiger (Quasi-)Gesetzesvorbehalt, auf den eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gestützt werden könnte, ist daher nicht ersichtlich. Folglich ist der politisch gebundene Zugang zu diesen Ämtern nicht zulässig.397 § 54 Abs. 1 Nr. 7, 8 BBG, § 37 Abs. 1 Nr. 5 LBG NW i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass politische Anschauungen bei der Einstellung nicht berücksichtigt werden dürfen. h) Präsidenten der Bundesämter für Personalmanagement, für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung sowie für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr Möglicherweise dürfen die politischen Anschauungen der Bewerber beim Zugang zu den von § 54 Abs. 1 Nr. 9, 10, 11 BBG erfassten Ämtern der Präsidenten dreier Bundesämter aus dem Umfeld der Bundeswehr berücksichtigt werden. Zu dieser Beamtengruppe zählen der Präsident des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr (Nr. 9), der Präsident des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (Nr. 10) und der Präsident des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (Nr. 11). Die drei Bun396  Vgl. Eschenburg, Ämterpatronage, S. 71; Abg. Dürr, in: Landtag Nds., Stenographischer Bericht v. 15.4.2013, S. 292 f., zur Versetzung von drei niedersächsischen Polizeipräsidenten in den einstweiligen Ruhestand. 397  Vgl. Kugele, Beamte, S. 269 ff.; Lindner, ZBR 2011, 150 (160); Schunke, Politische Beamte, S. 362; Weber, Politische Beamte, S. 111.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

desämter wurden im Zusammenhang mit einer Bundeswehrreform im Jahre 2012 geschaffen und in § 54 Abs. 1 BBG einbezogen.398 Die Präsidenten bekleiden Ämter, bei deren Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen, vgl. § 30 Abs. 1 BeamtStG. Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte durch die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Bundeswehr gerechtfertigt sein. Ein ungestörter Dienstbetrieb der Bundeswehr und die Sicherheit des Staates sind Verfassungswerte, die sich mit dem BVerfG aus Art. 12a, 17a, 65a, 87a, 87b, 96 Abs. 2, 115b GG ableiten lassen und die potenziell die besonderen Gleichheitssätze begrenzen können. Dazu müsste eine politisch bedingte Personalauswahl für die genannten Ämter geeignet sein, die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu fördern. Die Bundesregierung geht davon ausweislich der Entwurfsbegründung des Gesetzes aus dem Jahr 2012 aus: Dort heißt es, die Präsidenten hätten eigenverantwortlich die „zentrale Steuerungsfunktion für den jeweiligen Aufgabenbereich“399 zu erfüllen. Zudem soll der Präsident des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr die „operative Fachkompetenz für die Umsetzung der ministeriell-strategischen Politikziele“400 repräsentieren. Die Bundesregierung müsse fortdauernd darauf vertrauen können, dass ihre Vorgaben und politischen Ziele durch die Präsidenten aktiv und wirkungsvoll beziehungsweise „loyal und nachhaltig“401 unterstützt würden, so die Entwurfsbegründung. Jedenfalls nicht tragfähig ist der Verweis der Bundesregierung auf die „[e]rhebliche politische Relevanz“402 der Entscheidungen der Präsidenten der drei genannten Ämter. Eine solche Bedeutung mögen unterschiedlichste Inhaber öffentlicher Ämter haben, doch erfordert dies nicht generell, die Amtsinhaber anhand politischer Kriterien auszuwählen,403 solange zu den Aufgaben des Betroffenen nicht besondere Repräsentations- oder Steuerungsaufgaben gehören. Dies ist bei den Präsidenten der drei Bundesämter aus dem Umfeld der Bundeswehr nicht der Fall. Diese sollen zwar die Steuerung ihrer 398  Siehe Art. 4 Gesetz zur Begleitung der Reform der Bundeswehr v. 21.7.2012, BGBl. I 1583. 399  Entwurfsbegründung der Bundesregierung, in: BT-Drs. 17 / 9340, S. 38. 400  Entwurfsbegründung der Bundesregierung, in: BT-Drs. 17 / 9340, S. 38. 401  Entwurfsbegründung der Bundesregierung, in: BT-Drs. 17 / 9340, S. 39. 402  Entwurfsbegründung der Bundesregierung, in: BT-Drs. 17 / 9340, S. 39. 403  Vgl. wohl anders Schütz, Beamtenrecht, C § 38 Rn. 2.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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Behörden übernehmen und als zentrale „Ansprechpartner“404 dienen, doch haben sie primär klassische Verwaltungsaufgaben zu erfüllen. Dabei handeln sie unter der politischen Verantwortung des Bundesministers für Verteidigung. Es ist nicht erforderlich, dass die genannten Präsidenten über das allgemein übliche Maß an beamtenrechtlicher Loyalität hinaus politisch im Wesentlichen mit der Position der Bundesregierung übereinstimmen. Folglich ist die politisch gebundene Vergabe der öffentlichen Ämter der Präsidenten der drei genannten Bundesämter aus dem Umfeld der Bundeswehr nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu fördern. Ein einschlägiger (Quasi-)Gesetzesvorbehalt, auf den eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gestützt werden könnte, ist daher nicht ersichtlich. Folglich ist der politisch gebundene Zugang zu diesen Ämtern nicht zulässig.405 § 54 Abs. 1 Nr. 9, 10, 11 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass politische Anschauungen bei der Einstellung nicht berücksichtigt werden dürfen. i) Parlamentsdirektoren von Bund und Ländern Möglicherweise dürfen die politischen Anschauungen der Bewerber beim Zugang zu den Ämtern der Parlamentsdirektoren in Bund und Ländern berücksichtigt werden. Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte durch die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane von Bund und Ländern gerechtfertigt sein. Dazu müsste der politisch gebundene Ämterzugang jedoch der Förderung der Funktionsfähigkeit dieser Organe dienen und dazu auch geeignet sein. § 176 Abs. 2 BBG a. F. bestimmte, dass der Direktor beim Bundestag jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden könne.406 Dass § 129 Abs. 2 BBG 2009 dieses Amt nicht mehr nennt, lässt sich damit erklären, dass der Direktor beim Bundestag nun Staatssekretär ist und als solcher bereits gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 BBG zum Kreis der einfachgesetzlich bestimmten politischen Beamten gehört.407 Der Direktor des nordrhein404  Schütz, Beamtenrecht, C § 38 Rn. 2, zum Präsidenten des Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr. 405  Vgl. Kugele, Beamte, S. 269 ff.; Lindner, ZBR 2011, 150 (160); Schunke, Politische Beamte, S. 362; Weber, Politische Beamte, S. 111. 406  Vgl. so auch noch der Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Dienstrechtsneuordnungsgesetz von 2007, BT-Drs. 16 / 7076, S. 34 f. 407  Vgl. zur Begründung die Beschlussempfehlung des Innenausschusses, BTDrs. 16 / 10850, S. 66, 237.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

westfälischen Landtags kann gem. § 107 Abs. 2 LBG NW jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, soweit er Beamter auf Lebenszeit ist, obwohl das Gesetz ihn nicht ausdrücklich als politischen Beamten bezeichnet. Die separate Regelung in § 107 Abs. 2 LBG NW lässt sich – ebenso wie die frühere Regelung des Direktors beim Bundestag in § 176 Abs. 2 BBG a. F. – mit entstehungsgeschichtlichen Gründen erklären.408 Zweifelhaft ist, ob die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung den politisch gebundenen Zugang zu den Ämtern der Parlamentsdirektoren rechtfertigt. Das würde voraussetzen, dass die Parlamentsverwaltung, an deren Spitze die Parlamentsdirektoren stehen, gerade für die Funktionsfähigkeit der Regierung erforderlich ist. Tatsächlich prüft BVerwGE 115, 89 am Maßstab des (zwischenzeitlich aufgehobenen) § 31 Abs. 1 S. 1 BRRG, ob ein Parlamentsdirektor ein Amt bekleidet, bei dessen Ausübung er in fortdauernder Übereinstimmung mit den politischen Zielen der Regierung stehen muss und klärt in diesem Zusammenhang den Regierungsbegriff der rahmenrechtlichen Vorschrift, den heute in ähnlicher Form § 30 Abs. 1 BeamtStG verwendet. Im Wege der teleologischen Auslegung kommt das BVerwG zu dem Ergebnis, dass kein institutioneller Regierungsbegriff gemeint sei.409 Vielmehr müsse es sich bei politischen Beamten um solche Ämter handeln, die des fortdauernden Vertrauens ihres jeweiligen Verfassungsorgans bedürften, womit nicht notwendig die Regierung im engeren Sinne gemeint sei, so das BVerwG.410 Vor diesem Hintergrund kommen im Hinblick auf den politisch gebundenen Zugang zum Amt eines Parlamentsdirektors zwar nicht die Vorschriften über die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung zur Rechtfertigung des politisch gebundenen Amtszugangs in Betracht, wohl aber Art. 38 ff. GG, die die Funktionsfähigkeit des Bundestages voraussetzen.411 Entsprechendes gilt für die Parlamente der Länder gem. Art. 28 Abs. 1 S. 1, 2 GG. 408  Vgl. 409  Vgl.

ausführlich Grigoleit, ZBR 1998, 128 (129 f.). BVerwGE 115, 89 (95); dagegen Oldiges / Brinktrine, DÖV 2002, 943

(945 f.). 410  Vgl. BVerwGE 115, 89 (95); ohne verfassungsrechtliche Bedenken BVerfGK 1, 303 (305 f.); ebenso OVG NW, NWVBl. 2004, 145 (145); Traulsen, VBlBW 2012, 208 (208); kritisch dagegen Brinktrine, RiA 2003, 15 (23). Ob Parlamentsverwaltungen der Legislative oder der Exekutive zuzurechnen sind, ist unklar; vgl. nur Schmitz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 185; für Landtagsdirektor als Legislativorgan Traulsen, VBlBW 2012, 208 (209). Darauf kommt es indes nicht an, wenn man wie diese Arbeit prinzipiell jede Ausübung von Staatsgewalt als gleichheitsgrundrechtlich gebunden ansieht; vgl. aber OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496); Dietrich, Richterwahlausschüsse, S. 163, wonach allein die Exekutive Verpflichtungsadressat von Art. 33 Abs. 2 GG sein soll. 411  Vgl. zu diesem Ansatz Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1830.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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Dazu müsste jedoch die Funktionsfähigkeit der Parlamente durch politisch gebundene Direktoren gefördert werden. Parlamentsdirektoren arbeiten an der Spitze der jeweiligen Parlamentsverwaltungen und werden deshalb als „Diener vieler Herren“412 beschrieben: Sie müssen bei ihrer Amtsführung dem Parlamentspräsidium loyal zuarbeiten und dabei gegenüber allen Abgeordneten politische Neutralität und Unabhängigkeit wahren. Die Aufgaben eines Parlamentsdirektors lassen sich von den Aufgaben eines Parlamentspräsidenten ableiten: Der Bundestagspräsident vertritt den Bundestag gem. § 7 Abs. 1 GO-BT und regelt seine Geschäfte. Bei seinen präsidialen Aufgaben ist er zu Gerechtigkeit und politischer Unparteilichkeit verpflichtet, vgl. § 7 Abs. 1 S. 2 GO-BT.413 Bei der Erfüllung seiner Aufgaben wird der Präsident durch Mitarbeiter der Parlamentsverwaltung unterstützt, deren Dienstvorgesetzter er ist, § 7 Abs. 4 GO-BT, § 7 Abs. 3 GOLT NW. Der Parlamentspräsident wäre daher der Bezugspunkt, mit dessen grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Parlamentsdirektor in fortdauernder Übereinstimmung stehen müsste, sofern er als politischer Beamter angesehen werden könnte. Indes ist nicht ersichtlich, welche Form von „Politik“414 der Parlamentspräsident und das Präsidium verfolgen können sollten, mit der ein Parlamentsdirektor übereinstimmen muss.415 Allenfalls kann ein Parlamentspräsident in dieser Funktion einen bestimmten „Verwaltungsstil“416 pflegen und auf dessen Einhaltung durch die Beamten achten. Bei den Aufgaben eines Parlamentsdirektors handelt es sich durchweg um Verwaltungsaufgaben, so etwa die technische Vorbereitung der Parlamentssitzungen, die Einstellung und Überwachung des Personals der Parlamentsverwaltung, die Führung einer Parlamentsbibliothek. Diese Tätigkeiten stehen naturgemäß in engem Zusammenhang zum politischen Parlamentsgeschehen, sie erfordern aber keine politisch bedingte Auswahl des Parlamentsdirektors, da materiell politische Fragen ausschließlich vom Parlamentspräsidenten beziehungsweise dem Präsidium entschieden werden.417 Stattdessen ist eher ein fachlich hochqualifizierter, aber politisch neutraler Direktor geeignet, die Funktionsfähigkeit der Parlamentsverwaltung zu fördern. 412  Brinktrine, RiA 2003, 15 (19); Oldiges / Brinktrine, DÖV 2002, 943 (947), je m. w. N. 413  Vgl. für den nordrhein-westfälischen Landtagspräsidenten § 5 Abs. 1 GOLT NW. 414  BVerwGE 115, 89 (96). 415  Vgl. ähnlich Oldiges / Brinktrine, DÖV 2002, 943 (945), die im Landtag „keinen Adressaten für politische Loyalität“ (ebd.) erkennen; Traulsen, VBlBW 2012, 208 (209). 416  Brinktrine, RiA 2003, 15 (20); vgl. ähnlich Zimmerling, ZBR 1976, 368 (370). 417  Vgl. Zimmerling, ZBR 1976, 368 (369).

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Ferner rechtfertigt im Hinblick auf den Direktor beim Bundestag dessen Zuordnung zur Gruppe der Staatssekretäre i. S. v. § 54 Abs. 1 Nr. 1 BBG nicht die politisch bedingte Ämtervergabe. Die bloße Zugehörigkeit zu einer bestimmten Besoldungsgruppe ist im Hinblick auf eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG irrelevant.418 Folglich ist die politisch gebundene Vergabe der öffentlichen Ämter der Parlamentsdirektoren nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der Parlamente von Bund und Ländern zu fördern. Ein einschlägiger (Quasi-)Gesetzesvorbehalt, auf den eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gestützt werden könnte, ist daher nicht ersichtlich. Folglich ist der politisch gebundene Zugang zu diesen Ämtern unzulässig.419 § 54 Abs. 1 Nr. 1 BBG, § 107 Abs. 2 LBG NW i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass politische Anschauungen bei der Einstellung nicht berücksichtigt werden dürfen. j) Direktor des Bundesrates Entsprechendes gilt für den Zugang zum Amt des Direktors des Bundesrates, der gem. § 129 Abs. 2 BBG jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können soll. Der Direktor des Bundesrates leitet das administrative Sekretariat des Bundesrates und arbeitet dem Präsidenten bei der Führung von dessen Amtsgeschäften zu, vgl. § 14 Abs. 2 GOBR.420 Diese Aufgabe erfordert keine politisch bedingte Personalauswahl. Vielmehr ist der Bundesratsdirektor in Anlehnung an den Bundesratspräsidenten, der seine präsidialen Amtstätigkeiten parteipolitisch neutral zu erfüllen hat,421 ebenfalls zu strikZimmerling, ZBR 1976, 368 (369). Brinktrine, RiA 2003, 15 (20); Lindner, ZBR 2011, 150 (160); Schunke, Politische Beamte, S. 364; Weber, Politische Beamte, S. 111; Zimmerling, ZBR 1976, 368 (370); zweifelnd Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 227; dagegen ohne verfassungsrechtliche Bedenken für die Einbeziehung in den Kreis der politischen Beamten: BVerfGK 1, 303; BVerwGE 115, 89 (96); OVG NW, NWVBl. 2004, 145; Grigoleit, ZBR 1998, 128 (130), wegen einer besonderen „staatspolitische[n] Stellung“ (ebd.) des Parlamentspräsidenten; offen gelassen von VG Stuttgart, Urt. v. 2.12.2011 – 1 K 2568 / 11 – n. v. 420  Vgl. BVerfGE 106, 310 (316 f.) – Zuwanderungsgesetz, wo exemplarisch das Erstellen eines Vermerks zu einer juristischen Fragestellung im Auftrag des Bundesratspräsidenten als Aufgabe des Bundesratsdirektors dokumentiert wird. 421  Vgl. etwa BVerfGE 106, 310 (333) – Zuwanderungsgesetz, gegen die Zulässigkeit einer politischen „Lenkung des Abstimmungsverhaltens“ (ebd.) durch den Bundesratspräsidenten; allgemein Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 50 (1961) Rn. 25, der den Parteien nach dem grundgesetzlichen Leitbild für die Arbeit des Bundesrates nur eine untergeordnete Rolle zuschreibt, weil das Volk nur im Bundestag nach 418  Vgl. 419  Vgl.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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ter Neutralität verpflichtet. Der politisch gebundene Zugang zu diesem Amt ist nicht zulässig. k) Chef des Bundespräsidialamtes Möglicherweise dürfen die politischen Anschauungen der Bewerber beim Zugang zum Amt des Chefs des Bundespräsidialamtes berücksichtigt werden. Als Staatssekretär bekleidet dieser gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG ein Amt, bei dessen Ausübung er in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der „Regierung“ – gemeint ist hier der Bundespräsident –422 stehen muss. Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte durch die in Art. 54 ff. GG vorausgesetzte Funktionsfähigkeit des Bundespräsidenten gerechtfertigt sein. Dazu müsste der politisch gebundene Ämterzugang jedoch der Förderung der Funktionsfähigkeit des Bundespräsidenten zu dienen bestimmt sein und sich dazu eignen. Es fragt sich jedoch, ob diese durch die Berücksichtigung der politischen Anschauungen gefördert wird.423 Dagegen ist einzuwenden, dass die grundgesetzlich vorgesehenen Funktionen des Bundespräsidenten – vor allem repräsentative Staatspflege, staatsnotarielle Aufgaben sowie sonstige Aufgaben als Staatsoberhaupt, die indes durch die starke Position des Bundeskanzlers begrenzt werden –424 eine gewisse politische Neutralität des Präsidenten voraussetzen. Zumal die Integrationsfunktion des Präsidenten fordert, dass dieser jedenfalls die zentralen politischen Anschauungen miteinander ins Gespräch bringen kann und sich nicht in Parteienstreitigkeiten verstrickt.425 Zwar nennt Art. 55 Abs. 2 GG die Mitgliedschaft in einer politischen Partei nicht als mit dem Präsidentenamt unvereinbar, doch geht die Literatur überwiegend davon aus, dass eine aktive parteipolitische Betätigung des Präsidenten mit der Rolle des StaatsParteien gegliedert repräsentiert werde. Siehe zur Wahl des Bundesratspräsidenten schon 4. Kap. C. I. 6. a). 422  Zum Regierungsbegriff des § 30 Abs. 1 S. 1 BeamtStG s. schon 4. Kap. C. III. 4. i). 423  Vgl. Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 54 Rn. 23, der auch das Bundespräsidialamt als Behörde erwähnt. Tatsächlich dürfte verfassungsrechtlich anerkannt sein, dass der Bundespräsident als Verfassungsorgan zur Erfüllung seiner Aufgaben eine funktionsfähige Behörde benötigt. 424  Vgl. ausführlich Stern, StaatsR II, S. 217; Herzog, in: MD, GG, Art. 54 (2009) Rn. 96 ff.; Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 54 Rn. 4. 425  Vgl. Herzog, in: MD, GG, Art. 54 (2009) Rn. 91, auch zu Grenzen der geforderten Neutralität.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

oberhauptes unvereinbar wäre.426 Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern die Funktionsfähigkeit des Bundespräsidialamtes durch eine politisch gebundene Auswahl von dessen Chef gefördert werden sollte. Zwar erfordern dessen Aufgaben eine Person mit – neben anderen fachlichen Kompetenzen – politischem Gespür, doch muss er dazu persönlich nicht die politischen Anschauungen des Bundespräsidenten teilen. Folglich ist die politisch gebundene Vergabe des öffentlichen Amtes des Chefs des Bundespräsidialamtes nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit des Bundespräsidenten zu fördern. Ein einschlägiger (Quasi-)Gesetzesvorbehalt, auf den eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gestützt werden könnte, ist daher nicht ersichtlich. Folglich ist der politisch gebundene Zugang zu diesen Ämtern nicht zulässig.427 § 54 Abs. 1 Nr. 1 BBG i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass politische Anschauungen bei der Einstellung nicht berücksichtigt werden dürfen. l) Regierungspräsidenten Möglicherweise dürfen die politischen Anschauungen der Bewerber beim Zugang zu den Ämtern der nordrhein-westfälischen Regierungspräsidenten berücksichtigt werden. Gem. § 37 Abs. 1 Nr. 2 LBG NW i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG bekleiden diese ein Amt, bei dessen Ausübung sie in fortdauernder Übereinstimmung mit den grundsätzlichen politischen Ansichten und Zielen der Regierung stehen müssen. Eine mit der Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte durch die grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit der Landesregierungen gerechtfertigt sein. Dazu müsste der politisch gebundene Ämterzugang jedoch der Förderung der Funktionsfähigkeit der Regierung zu dienen bestimmt sein und sich dazu auch eigenen. Die Bezirksregierungen sind zuständig für alle Aufgaben der Landesverwaltung, die nicht ausdrücklich anderen Behörden übertragen sind, vgl. § 8 426  Vgl. Herzog, in: MD, GG, Art. 55 (2009) Rn. 19; Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 55 Rn. 9. 427  Vgl. anders aber Kugele, Beamte, S. 215, der den Chef des Bundespräsidialamtes ebenso behandeln will wie Staatssekretäre in den Bundesministerien. Nach hier vertretener Auffassung wäre es allenfalls denkbar, dass der Amtsinhaber wegen seiner parteipolitischen Auffassungen seine Aufgaben nicht mit der gebotenen Neutralität erfüllen kann. Das erfordert indes ebenfalls keine prinzipielle Anknüpfung an seine politischen Anschauungen. Ob ferner ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Bundespräsidenten auf verfassungsrechtlich zulässige Weise berücksichtigt werden könnte, kann an dieser Stelle nicht entschieden werden.



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Abs. 3 LOG NW. Der Regierungspräsident ist der Leiter dieser Landes­ mittelbehörde. Vorläufer seines Amtes sind die preußischen Oberpräsidenten, die die Mittel- und Unterbehörden kontrollieren und die Minister beraten sollten, sowie die damals zusätzlich existierenden Regierungspräsidenten.428 Für die Charakterisierung der nordrhein-westfälischen Regierungspräsidenten als politische Beamte, die anhand ihrer politischen Anschauungen ausgewählt werden dürfen, spricht, dass sie die Landesregierung repräsentieren.429 Schon die historisch gewachsene Amtsbezeichnung Regierungs­ präsident deutet darauf hin, dass der Amtsinhaber in regierungsnahem Umfeld arbeitet und in der Öffentlichkeit als Repräsentant der Regierung wahrgenommen wird. Zwar sind die Regierungspräsidenten trotz ihrer insoweit missverständlichen Bezeichnung keineswegs Teil der Regierung, doch fungieren sie als allgemeine Vertretungen der Landesregierung im Bezirk, § 8 Abs. 1 S. 1 LOG NW. Die Regierungspräsidenten erfüllen zwar einerseits klassische Verwaltungsaufgaben, bei denen insbesondere im Bereich der gesetzesvollziehenden Verwaltung kaum Raum für die Berücksichtigung politischer Anschauungen der Amtsinhaber bleibt, doch sind sie zugleich Repräsentanten der Landesregierung.430 Sie sollen deren Auffassung regional vertreten und im Einzelfall zur Anwendung bringen. Glaubwürdig können die Regierungspräsidenten dies nur in Abhängigkeit von ihren politischen Anschauungen tun, was freilich nicht ausschließt, dass die Landesregierung aus politischen Gründen auch solche Regierungspräsidenten ernennt, die einer anderen politischen Partei angehören, wenn die Regierung diese Bewerber gleichwohl für geeignet hält.431 Trotz ihrer organisatorischen Unterschiedenheit und ihrer räumlichen Distanz zur Landesregierung gehören sie zum engsten Kreis der Mitarbeiter und Berater der 428  Schon in preußischer und Weimarer Zeit waren die Regierungspräsidenten im heutigen Sinne politische Beamte, vgl. Hillmann, Regierungspräsident, S. 223, m. w. N.; zu den genannten preußischen Ämtern und der problematischen Kompetenzabgrenzung Runge, Beamtentum, S. 23 ff. 429  Vgl. Kugele, Beamte, S. 262 f.; Schütz, Beamtenrecht, C § 38 Rn. 2; Weber, Politische Beamte, S. 106, der aber „so gut wie keine politischen Transformationsaufgaben“ (ebd., S. 107) der Regierungspräsidenten konzediert. 430  Vgl. Fonk, Regierungspräsidenten, S. 45 ff. 431  Faktisch wurde das Amt des Regierungspräsidenten zuletzt in NRW offenbar annähernd paritätisch unter den politischen Parteien vergeben, was nicht dafür spricht, dass für die Aufgabenerfüllung eine politische Übereinstimmung zwischen Amtsinhaber und Landesregierung bestehen muss. So waren alle fünf nordrheinwestfälischen Regierungspräsidenten am 31.12.2012 – meist auf der dienstlichen Homepage ausdrücklich so angegeben – Mitglied einer politischen Partei; teilweise hatten sie zuvor bereits Parlamentsmandate. Von den fünf Amtsinhabern gehörten zwei der SPD an, eine Bündnis 90 / Die Grünen, einer der CDU, eine der FDP.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

politischen Leitung.432 Die nordrhein-westfälischen Regierungspräsidenten übernehmen damit eine entscheidende Rolle für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Landesregierung. Diese kann dadurch gefördert werden, dass der Zugang zum Amt des Regierungspräsidenten vom Bestehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Amtsinhaber und Landesregierung abhängig gemacht wird, was wiederum maßgeblich durch die politischen Anschauungen der Bewerber geprägt sein kann. Folglich dient der politisch gebundene Zugang zu den Ämtern der nordrhein-westfälischen Regierungspräsidenten dem legitimen Zweck, die Funktionsfähigkeit der Landesregierung zu fördern. Verstöße gegen die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze durch § 37 Abs. 1 Nr. 1 LBG NW i. V. m. § 30 Abs. 1 BeamtStG sind nicht ersichtlich. Die mit einem anschauungsgebundenen Zugang zu diesen Ämtern verbundene Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ist daher gerechtfertigt durch die Grundgesetzbestimmungen, die die Funktionsfähigkeit der Landesregierungen voraussetzen.433

IV. Politische Soldaten Möglicherweise dürfen die politischen Anschauungen der Bewerber beim Zugang zu den Ämtern sogenannter politischer Soldaten berücksichtigt werden. Erfasst sind gem. § 50 Abs. 1 SoldG alle Berufsoffiziere vom Brigadegeneral und den entsprechenden Dienstgraden an aufwärts. Die Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Einstellung setzt voraus, dass der Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG in dieser Hinsicht verfassungsrechtlich begrenzt ist. Politische Soldaten üben ein Amt im Sinne der besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes aus;434 entsprechende Auswahlkriterien schreibt einfachgesetzlich § 3 Abs. 1 SoldG vor. Folglich beeinträchtigt eine politisch bedingte Personalauswahl Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und ist somit verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig. Gleichwohl halten Literatur und Rechtsprechung eine Versetzung politischer Sol432  Vgl. zur Beratungsaufgabe § 8 Abs. 1 S. 2 LOG NW; differenzierend in Abhängigkeit von den jeweils zugewiesenen Aufgaben Fonk, Regierungspräsidenten, S. 55; allgemein zum Kriterium einer beratenden Tätigkeit BVerfGE 121, 205 (232) – Leitungsamt auf Zeit; dazu Lindner, ZBR 2011, 150 (160). 433  Vgl. Hillmann, Regierungspräsident, S. 226 ff.; wohl auch Thieme, Beamte, S. 149 (162 f.), jedoch mit landesspezifischen Differenzierungen; dagegen Schunke, Politische Beamte, S. 360. 434  Vgl. Lucks, in: Scherer u. a., SoldG, § 50 Rn. 1; allgemein zu Soldaten: BVerw­ GE 128, 329 Rn. 43; 133, 1 Rn. 40; 133, 13 Rn. 35 f.; 141, 271 Rn. 33; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 81; Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1818.



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daten wegen einer Erschütterung des Vertrauens in die politische Haltung des Betroffenen,435 aber auch aus anderen sachlichen Gründen436 für zulässig, ohne den verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsbedarf zu problematisieren. Eine Begründung soll nicht erforderlich sein.437 Ein ungestörter Dienstbetrieb der Bundeswehr und die Sicherheit des Staates sind Verfassungswerte, die sich mit dem BVerfG aus Art. 12a, 17a, 65a, 87a, 87b, 96 Abs. 2, 115b GG ableiten lassen und die potenziell die grundrechtlichen Gleichheitssätze begrenzen können. Entsprechend der Argumentation zu den politischen Beamten wirken diese Verfassungsrechtsgüter als Quasi-Gesetzesvorbehalt zu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. Der Gesetzgeber kann den politisch gebundenen Zugang zu den Ämtern der politischen Soldaten daher unter Wahrung der Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze zulassen. Dazu müsste eine politisch bedingte Personalauswahl für die genannten Ämter die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr fördern. Nach den für politische Beamte entwickelten Maßstäben ist dies insbesondere dann der Fall, wenn die Betroffenen in einem solchen Maß Transformations- und Steuerungsaufgaben oder Repräsentationsaufgaben wahrnehmen, dass ihre politischen Anschauungen darüber entscheiden, ob sie ihre Aufgabe wirksam wahrnehmen können. Zweifel daran ergeben sich daraus, dass § 50 SoldG nicht an bestimmte Aufgaben anknüpft, für die ein anschauungsgebundener Amtszugang gerechtfertigt sein könnte, sondern allein auf den Dienstrang abstellt. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dies pauschal für alle Berufsoffiziere vom Brigadegeneral und den entsprechenden Dienstgraden an aufwärts erforderlich sein sollte. Demgegenüber müsste die Rechtfertigung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweils zu erfüllenden Aufgaben begründet werden. Folglich ist die politisch gebundene Vergabe der öffentlichen Ämter der politischen Soldaten jedenfalls in der von § 50 Abs. 1 SoldG vorgesehenen 435  Vgl. BVerfG (K), NVwZ 1994, 477, zu politischen Äußerungen eines ranghohen Berufsoffiziers. 436  Vgl. BVerfG (K), NVwZ 1994, 477 (477): „alle Faktoren, die für die fachliche und persönliche Eignung des Soldaten zur Umsetzung der Regierungspolitik Bedeutung haben wie etwa Mangel an Flexibilität oder die Rücksichtnahme auf einen den Verteidigungserfordernissen entsprechenden Altersaufbau der Bundeswehr“; daran anknüpfend VG Köln, Beschl. v. 2.6.2007 – 27 L 525 / 06 –, Juris: Rn. 9; OVG NW, Urt. v. 5.3.2009 – 1 A 107 / 07 –, Juris: Rn. 69: „alle willkürfreien Gründe […], die auf sachlichen Erwägungen beruhen“; Lucks, in: Scherer u. a., SoldG, § 50 Rn. 3; Verlage, VR 2006, 232 (233). 437  Vgl. BVerwG, NVwZ-RR 1993, 90; Lucks, in: Scherer u. a., SoldG, § 50 Rn. 3: Gründe nur bei Anfechtung darzulegen; Verlage, VR 2006, 232 (233), hält nur eine Begründung „nach außen“ (ebd.) für entbehrlich.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Allgemeinheit nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu fördern. Ein einschlägiger (Quasi-)Gesetzesvorbehalt, auf den eine so pauschale Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG gestützt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Folglich ist § 50 Abs. 1 SoldG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass politische Anschauungen bei der Einstellung allenfalls im Rahmen des Erforderlichen berücksichtigt werden dürfen.

V. Kommunale Wahlbeamte Möglicherweise dürfen politische Anschauungen der Bewerber beim Zugang zu den Ämtern der kommunalen Wahlbeamten berücksichtigt werden. Abgesehen von den Mitgliedern der Vertretungen des Volkes in den Gemeinden und Kreisen gem. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG [s. schon 4. Kap. C. I. 2.] spielen politische Anschauungen herkömmlich auch beim Zugang zu den Ämtern der kommunalen Wahlbeamten eine Rolle. Zu dieser Gruppe werden diejenigen haupt- und ehrenamtlichen Beamten kommunaler Körperschaften gezählt, die mit leitenden Funktionen beauftragt sind und die von der Vertretungskörperschaft oder den Bürgern des betroffenen Gebietes für eine bestimmte Zeit gewählt werden.438 Kraft einfachgesetzlicher Anordnung sind in Nordrhein-Westfalen (Ober-)Bürgermeister (§ 62 Abs. 1 S. 1 GO NW), kommunale Beigeordnete (§ 71 Abs. 1 GO NW), Landräte (§ 44 Abs. 3 S. 1 KrO NW) und je nach Ausgestaltung439 die allgemeinen Vertreter des Landrates (§ 47 Abs. 1 S. 2 KrO NW) erfasst. Die Direktoren der Landschaftsverbände sowie die Landesräte (§§ 17 ff. LVerbO NW) werden zwar nicht ausdrücklich als kommunale Wahlbeamte bezeichnet, sie zählen aber gleichwohl zu den übrigen kommunalen Wahlbeamten i. S. v. § 120 LBG NW. Kommunale Wahlbeamte sind keine politischen Beamten i. S. v. § 30 Abs. 1 BeamtStG, da sie von vornherein ihr Amt nicht auf Lebenszeit erhalten, sondern nur auf Zeit.440 Ein bei ihnen wohl ebenfalls vorauszusetzendes Vertrauensverhältnis muss mangels kommunalen Pendants jedenfalls nicht wie bei den politischen Beamten zur Regierung oder einem vergleichKlein, DÖV 1980, 853 (854); Schunke, Politische Beamte, S. 373. zur sogenannten Laufbahnbeamtenlösung, bei der der allgemeine Vertreter kein kommunaler Wahlbeamter wird, noch 4. Kap. C. V. 5. d). 440  Siehe auch beamtenrechtliche Spezialvorschriften in §§ 119 f. LBG NW für Bürgermeister, Landräte und übrige kommunale Wahlbeamte; vgl. wie hier Erichsen, DVBl. 1980, 723 (729); Grünning, VR 1988, 80 (82); gleichwohl betont die Rechtsprechung teilweise stärker die Vergleichbarkeit beider Beamtengruppen, vgl. BVerfGE 7, 155 (166) – Bürgermeisterabwahl; BVerwGE 81, 318 (322); OVG SN, SächsVBl. 2012, 7 (9). 438  Vgl.

439  Siehe



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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baren Staatsorgan bestehen, sondern zum wahlberechtigten (Teil-)Volk beziehungsweise der kommunalen Vertretungskörperschaft. 1. Beeinträchtigung von Gleichbehandlungsinteressen Grundrechtliche Gleichbehandlungsinteressen aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG werden beeinträchtigt, soweit die Besetzung dieser Ämter durch Wahl dazu führt, dass die politischen441 Anschauungen der Bewerber bei der Auswahl­ entscheidung berücksichtigt werden.442 Zudem wird das Prinzip der Bestenauslese beeinträchtigt, wenn die Auswahlentscheidung einem Wahlgremium anheimgestellt wird, das unabhängig von den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien der Bestenauslese entscheiden darf. 2. Grundrechtsbegrenzungen Verfassungsrechtlich zulässig ist dieses Vorgehen nur, soweit die besonderen Gleichheitssätze durch kollidierendes Verfassungsrecht begrenzt sind. a) Landesverfassungsrechtliche Gewährleistungen Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG könnten im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der kommunalen Wahlbeamten durch Landesverfassungsrecht begrenzt werden. Art. 78 Abs. 1 Verf. NW gewährleistet das Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände auf Selbstverwaltung durch ihre gewählten Organe. Explizite Bestimmungen zur Auswahl kommunaler Wahlbeamter finden sich in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung nicht, doch könnten diese Beamten zu den Organen der Kommunen zählen, die gem. Art. 78 Abs. 1 Verf. NW selbst zu wählen sind. Damit hätte der Landesverfassunggeber faktisch einen politischen Einfluss auf die Auswahlentscheidungen ermöglichen wollen, den der Landesgesetzgeber durch § 62 Abs. 1 S. 1, § 65 Abs. 1, § 71 Abs. 1 S. 2, 3 GO NW, § 44 Abs. 2, 3 S. 1, § 47 Abs. 1 S. 2 KrO NW konkretisiert hätte. Indes lässt dieser Ansatz unbeantwortet, ob das einschlägige Landesrecht überhaupt von Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG abweichen darf. Aus 441  Vgl. zudem Pappermann, ZBR 1968, 297 (302), der auch religiöse Anschauungen als legitimes Wahlkriterium ansieht. Im Folgenden geht es primär um politisch bedingte Unterscheidungen, doch sind die diesbezüglichen Erwägungen im Wesentlichen auf eine Begrenzung der Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV übertragbar. 442  Vgl. Kunze, Wahlbeamte, S. 112 (121).

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

grundgesetzlicher Perspektive darf nicht bloß gefragt werden, ob eine Personalentscheidung, die einfachgesetzlich als Wahlentscheidung ausgestaltet ist, unter Bindung an die Kriterien der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG unter Ausschluss der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Kriterien möglich ist.443 Stattdessen ist zunächst zu fragen, ob die Länder für Personalentscheidungen überhaupt eine Wahl vorsehen dürfen, wenn dies jedenfalls faktisch zu Beeinträchtigungen der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG führt.444 Wie oben [2. Kap. D. III. 1. b), 2. d)] dargelegt, ist Landesverfassungsrecht grundsätzlich nicht in der Lage, die Grundrechte des Grundgesetzes zu begrenzen, sofern nicht das Grundgesetz selbst offen für abweichende Regelungen ist.445 Dementsprechend ist unbeschadet landesrechtlicher Bestimmungen jedenfalls ein grundgesetzlicher Anhaltspunkt erforderlich, wonach es den Ländern freistünde, entgegen Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG politischen Einfluss auf die Auswahl der kommunalen Wahlbeamten zuzulassen. b) Grundsätze demokratischer Wahlen Indes könnten allgemeine Grundsätze demokratischer Wahlen die Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG im Hinblick auf die Auswahl der kommunalen Wahlbeamten begrenzen. Rechtsprechung und Literatur scheinen davon teilweise auszugehen, wenn dort etwa die Rede davon ist, dass „der spezielle Grundsatz der Wahlgleichheit“446 oder die „Regelungen über Ämterver443  Vgl. zu diesen Fragen aber VG Münster, Beschl. v. 3.1.2012 – 4 L 670 / 11 –, Juris: Rn. 25; Wagner, Bestenauslese, S. 92, der es für unmöglich hält, die Stimmberechtigten einer (geheimen) Wahl auf diese Kriterien festzulegen und die Einhaltung zu gewährleisten; s. aber dazu schon 4. Kap. B. 444  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1839. Problematisch daher Wahl, in: v. Arnim, Unverantwortlichkeit, S. 107 (121), der eine verstärkte direktdemokratische Personalauswahl zur Verhinderung politischer Ämterpatronage vorschlägt. Unberücksichtigt lässt dieses Problem etwa OVG Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125), wo nicht diskutiert wird, ob der Gesetzgeber tatsächlich in Kauf nehmen darf, dass der politischen Position der Bewerber wegen des Auswahlverfahrens Einfluss auf die Entscheidung zukommt. Ausführlicher haben Rspr. und Lit. lediglich die Verfassungsmäßigkeit der Abwahl kommunaler Wahlbeamter diskutiert, s. für die Verfassungsmäßigkeit: BVerfGE 7, 155 – Bürgermeisterabwahl; BVerwGE 56, 163; 81, 318; OVG NW, DVBl. 1981, 879; Hoffmann, DÖV 1990, 320; Klein, DÖV 1980, 853; dagegen Erichsen, DVBl. 1980, 723 ff.; allgemein zur Grundgesetzbindung der Länder bei der Ausgestaltung der Kommunalverfassung Stober, Kommunale Ämterverfassung, S. 11. 445  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1838. 446  Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 3; vgl. ähnlich Pieper, in: SchmidtBleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 21, der jedoch nicht begründet, woraus er die Geltung des Grundsatzes der Allgemeinheit der Wahl ableitet.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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gabe im Staat, welche den demokratischen Gedanken unmittelbar ausprägen“447, die besonderen Gleichheitssätze – hervorgehoben wird meist Art. 33 Abs. 2 GG – begrenzten. Der von Art. 28 Abs. 1 S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG postulierte Grundsatz freier Wahlen gilt indes für die Auswahl kommunaler Wahlbeamter jedenfalls nicht kraft ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Anordnung. Das Grundgesetz legt an keiner Stelle fest, dass die Ämter kommunaler Wahlbeamter durch freie Wahlen besetzt werden müssen. Art. 38 Abs. 1 S. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG schreiben solche Wahlen lediglich für die demokratischen Volksvertretungen in Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden vor; sie gelten unmittelbar weder für die Direktwahl eines (Ober-)Bürgermeisters448 oder Landrates durch die Bürger einer Gemeinde beziehungsweises eines Kreises noch für die Wahl eines kommunalen Beigeordneten oder eines allgemeinen Vertreters des Landrates durch kommunale Vertretungsorgane. Wahlen von Kommunalbeamten unterscheiden sich im Hinblick auf ihre Funktion und ihre demokratische Bedeutung maßgeblich von Parlamentswahlen i. S. v. Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG, weil kommunale Spitzenbeamte innerhalb der kommunalen Selbstverwaltung Exekutivorgane sind.449 Es wäre daher zu begründen, warum die Grundsätze freier Wahlen gleichwohl für den Zugang zu den öffentlichen Ämtern der kommunalen Wahlbeamten anwendbar sein sollten. Allein die einfachgesetzlich angeordnete Einbeziehung von Wahlelementen in ein Auswahlverfahren bedeutet hingegen nicht per se, dass die Wählenden dabei von jeglichen materiell-rechtlichen Bindungen freigestellt wären.450 So soll etwa nach Auffassung des OVG Nie447  Kunig, in: v. Münch / Kunig, Art. 33 Rn. 21, der solche Wahlen wohl auch als durch das Homogenitätsgebot zugelassen ansieht. 448  Vgl. VerfGH SN, LKV 1997, 285 (285), zu Art. 4 Abs. 1 Verf. SN; OVG TH, DVBl. 2004, 452 LS (Juris: Rn. 43); LKV 2004, 569 (570 ff.), dort allerdings auch zur entsprechenden Geltung für andere Wahlen; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 6; Wagner, Bestenauslese, S. 90; missverständlich dagegen Meyer, in: HStR III, § 45 Rn. 18, 21: „Zugriff des Grundgesetzes auf die Kommunalwahlen“ (Rn. 21). Freilich wird die Volkswahl anderer Kommunalorgane außer dem Gemeinderat auch nicht für grundgesetzlich verboten erachtet, ohne dass in der Lit. insoweit ein Zusammenhang zu den besonderen Gleichheitssätzen hergestellt würde; vgl. Dreier, in: ders., GG II, Art. 28 Rn. 74, 95; Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 18; Tettinger / Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 28 Rn. 99. 449  Vgl. BVerfGE 65, 283 (289) – Bebauungsplan; 78, 344 (348) – Kommunaler Mandatsträger; VerfG Bbg, NJW 1997, 2942 (2942); Dreier, in: ders., GG II, Art. 28 Rn. 76. 450  s. schon 4. Kap. B. Vgl. ferner VG Potsdam, Beschl. v. 22.12.2006 – 2 L 745 / 06 –, Juris: Rn. 24; Schenke, in: FS Stober, 2008, S. 221 (230); für die (eingeschränkte) gerichtliche Nachprüfbarkeit von Wahlentscheidungen parlamentarisch

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

dersachsen die Auswahl eines kommunalen Wahlbeamten durch Wahlentscheidung des Gemeinderates den Vorgaben des AGG unterliegen.451 Dementsprechend bejaht das OVG also prinzipiell die Bindung des Wahlorgans an einfachgesetzlich bestimmte beziehungsweise ausgeschlossene Wahlkriterien. Dies gilt insbesondere, sofern es sich beim Wahlorgan um einen Teil der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt handelt. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG wird folglich im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern kommunaler Wahlbeamter nicht durch allgemeine Grundsätze demokratischer Wahlen entsprechend Art. 28 Abs. 1 S. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG begrenzt.452 c) Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 1, 2 GG Allerdings setzt eine verbreitete Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine Begrenzung der besonderen Gleichheitssätze durch das Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 1, 2 GG voraus.453 legitimierter Richterwahlausschüsse BVerwGE 105, 89 (92 f.); OVG SN, NJ 2008, 472; OVG Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125); für die Geltung von Art. 33 GG trotz kommunaler Personalhoheit Dreier, in: ders., GG II, Art. 28 Rn. 139; Löwer, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 28 Rn. 76; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 33. 451  Vgl. OVG Nds., NVwZ-RR 2010, 247 f.; NVwZ-RR 2012, 733, zu einer Benachteiligung wg. des Alters. OVG SN, NJ 2008, 472, lässt die nachträgliche gerichtliche Überprüfung des Ergebnisses einer Volkswahl zum Bürgermeister zu, wenn der Gewählte wegen einer früheren MfS-Tätigkeit für das Amt untragbar erscheint. 452  Vgl. ebenso OVG Nds., NdsVBl. 2008, 133 (134); ebenso unter Verweis auf fehlende, von der Bestenauslese abweichende Regelungen OVG Bremen, NordÖR 2012, 196 (Juris: Rn. 25); wohl auch: VG Leipzig, LKV 2010, 528 (Berufung dagegen erfolglos, s. OVG SN, SächsVBl. 2012, 7); Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 24: keine Geltung für (Kommunal-)Wahlen, aber für „Berufung leitender Kommunalbeamter durch Beschlüsse der kommunalen Vertretungskörperschaften“; Le­ cheler, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 33 (2000) Rn. 16; Wagner, Bestenauslese, S. 90 ff.; ferner OVG Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125), wonach Art. 33 Abs. 2 „nur in eingeschränktem Maße“ (ebd.) gelte; unklar: Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 25; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 43, gegen Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 2 GG bei Besetzung „durch Wahl“ (ebd.), ohne nähere Spezifizierung der insoweit tauglichen Wahlorgane. 453  Vgl. OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496); OVG Bremen, NordÖR 2012, 196; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; Schmidt-Aßmann, NJW 1980, 16 (19); wohl für tatbestandliche Begrenzung: Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 24; Masing, in: Dreier, GG II, Art. 33 Rn. 43; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 20; ferner Bracher, DVBl. 2001, 19 (23), der eine „innere Spannung“ (ebd.) zwischen Art. 33 Abs. 2 GG und Demokratieprinzip konzediert; Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 33 (1966) Rn. 14, der allerdings immerhin die Frage aufwirft, welche Ämter nach Mehrheitsgrundsätzen ohne Berücksichtigung des Art. 33 Abs. 2 GG vergeben werden dürfen.



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Gem. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG muss die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern demokratisch sein, sodass die Geltung des Demokratieprinzip für die kommunale Ebene grundgesetzlich angeordnet ist. Das demokratische Prinzip im Allgemeinen fordert die Wahl der kommunalen Spitzenbeamten indes ebenso wenig wie das Homogenitätsgebot gem. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG.454 Vielmehr wäre den Anforderungen des Demokratieprinzips auch dann genügt, wenn kommunale Spitzenbeamte personell – etwa über eine Legitimationskette über Landesregierung und Landtag – und sachlich – über eine Bindung an parlamentarisch beschlossene Gesetze – auf den Willen des Volkes zurückführbar und damit demokratisch legitimiert wären;455 alternativ könnte eine eignungsbezogene Auswahlentscheidung der Kommunalvertretung für die notwendige demokratische Legitimation sorgen. Das Erfordernis demokratischer Legitimation durch Wahl der kommunalen Wahlbeamten ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass den Gemeinden im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts gem. Art. 28 Abs. 2 GG ein Raum eigenständig wahrzunehmender Aufgaben verbleibt, deren sachliche demokratische Legitimation mangels detaillierter gesetzlicher Vorgaben möglicherweise geringer ist als bei der Erfüllung von Pflichtaufgaben. Denn auch diese Angelegenheiten stellen Verwaltungstätigkeiten dar, für die gem. Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG eine Bindung an Recht und Gesetz gilt.456 Führt der Bürgermeister solche Aufgaben aus, so unterliegt er dabei gem. § 62 Abs. 2 S. 2 GO NW der Kontrolle des demokratisch gewählten Gemeinderates. Zudem unterliegt die Gemeinde der Aufsicht gem. Art. 78 Abs. 4 Verf. NW, §§ 119 ff. GO NW. Dadurch ist ein hinreichendes demokratisches Legitimationsniveau457 für das Handeln der kommunalen Wahl454  Vgl. so aber wohl Kunig, in: v. Münch / Kunig, Art. 33 Rn. 21; dagegen Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 28 (1977) Rn. 24, gegen einen solchen „erweiterten […] Demokratiebegriff“ (ebd.). Zudem wäre zu hinterfragen, ob in Ansehung der Rechtsprechung von BVerfGE 83, 37 – Ausländerwahlrecht SH, tatsächlich von einer Demokratisierung des Auswahlverfahrens gesprochen werden kann, sofern die Wahlberechtigten – Gemeindebürger einschließlich EU-Ausländern – nicht als Volk i. S. v. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG qualifiziert werden können; kritisch dazu auch Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 44. Jedenfalls im Bereich funktionaler Selbstverwaltung sieht BVerfGE 107, 59 (91) – Lippeverband, das Demokratieprinzip offen für Organisationsformen, die vom Erfordernis lückenloser personeller demokratischer Legitimation abweichen; OVG Bremen, NordÖR 2012, 196 (Juris: Rn. 42) lässt dieses Problem unberücksichtigt. 455  Vgl. Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 9a, wonach personelle Legitimation statt durch Volkswahl auch durch „andere kompetenzgemäße Handlungen“ (ebd.) gewährleistet ist. 456  Vgl. VerfG Bbg, NJW 1997, 2942 (2942). 457  Vgl. zu den dafür maßgeblichen Faktoren BVerfGE 107, 59 (87 f.) – Lippeverband; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 35.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

beamten gewährleistet. Folglich gebietet das Demokratieprinzip die Bestellung der kommunalen Wahlbeamten durch Wahl nicht.458 Das Demokratieprinzip könnte den Gesetzgeber jedoch immerhin ermächtigen, die Besetzung kommunaler öffentlicher Ämter durch freie Wahl vorzusehen, und dazu die besonderen Gleichheitssätze begrenzen. Für eine Ermächtigung zur Besetzung öffentlicher Ämter durch Wahl könnte immerhin Art. 20 Abs. 2 S. 2 1. Alt. GG sprechen, der neben sachbezogenen Abstimmungen ausdrücklich Wahlen als Personalentscheidungen des Volkes vorsieht.459 Im Übrigen geht das BVerfG im Zusammenhang mit der funktionalen Selbstverwaltung460 davon aus, dass Selbstverwaltungselemente das demokratische Prinzip verstärken, weshalb der Gesetzgeber einen großen Spielraum bei der Schaffung von Selbstverwaltungskörperschaften zur Erledigung öffentlicher Aufgaben habe.461 Diesen Ansatz auf die kommunale Selbstverwaltung übertragend hat etwa das OVG Bremen 2012 entschieden, beim Zugang zu den Ämtern der bremischen Ortsamtsleiter könne der Leistungsgrundsatz gem. Art. 33 Abs. 2 GG durch ein Vorschlagsrecht eines kommunalen, direkt gewählten Beirates eingeschränkt werden, „weil das Vorschlagsrecht in dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Demokratieprinzip seine Grundlage findet“.462 Sodann hebt das OVG die wichtige Rolle des Beirates für die kommunale Selbstverwaltung hervor und betont die zunehmende Bedeutung der „Gleichgestimmtheit zwischen Ortsamtsleitung und Beirat“463, die das Vorschlagsrecht des Beirates rechtfertige. Da das OVG indes den vorschlagenden Beirat als an die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ansieht,464 wird nicht ganz klar, inwiefern nach Auffassung des Gerichts Raum für einen „schonenden Ausgleich[…] zwischen dem Prinzip der Bestenauslese und der Stärkung der demokratischen Legitimation“465 bleiben soll. 458  Vgl. Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 13, 31 Fn. 91, der nur die freie Wahl der Volksvertretungen zu den Hauptelementen des Demokratieprinzips zählt; anders wohl Klein, DÖV 1980, 853 (855), der die „notwendige Legitimationskette“ (ebd.) auf Kommunalebene (erst?) durch die Wahl der gemeindlichen Spitzenbeamten geschlossen sieht. 459  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1837. 460  Siehe dazu noch unten, insbesondere 4. Kap. C. VI. 6. 461  Vgl. BVerfGE 107, 59 (92) – Lippeverband; 111, 191 (215 ff.) – Notarkassensatzung, wo jeweils eine Verletzung des Demokratieprinzips verneint wird; kritisch dagegen Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1837; allgemein Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 44a, m. w. N. 462  OVG Bremen, NordÖR 2012, 196 (Juris: Rn. 41). 463  OVG Bremen, NordÖR 2012, 196 (Juris: Rn. 43). 464  Vgl. OVG Bremen, NordÖR 2012, 196 (Juris: Rn. 45, 25); ferner zum Letzt­ entscheidungsrecht einer demokratisch legitimierten Stelle Böckenförde, Richterwahl, S.  80 ff.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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Ungeachtet dieser Unstimmigkeiten sind vor allem die dargestellten Aussagen zur Einschränkbarkeit der besonderen Gleichheitssätze durch das Demokratieprinzip in dieser Allgemeinheit kritisch zu bewerten: Führte man die Argumentation des OVG fort, könnten in letzter Konsequenz die Auswahlverfahren für alle öffentlichen Ämter unter Verweis auf eine angebliche Demokratisierung unbeschadet der Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG durchgeführt werden. Durch die Integration von Wahlelementen in das Auswahlverfahren ließen sich die besonderen Gleichheitssätze dann insbesondere für die Besetzung der Ämter kommunaler Kämmerer, Dienststellenleiter oder sonstiger Leitungsämter einschränken – zumal auch die Inhaber der zuletzt genannten Ämter vertrauensvoll mit dem Gemeinderat zusammenarbeiten sollen. In Anbetracht dieser Unklarheiten ist eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG durch das Demokratieprinzip jedenfalls im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung abzulehnen, weil dafür mit Art. 28 Abs. 2 GG eine vorrangige Spezialnorm existiert. Demokratie- und Homogenitätsprinzip gem. Art. 20 Abs. 1, 2, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verbieten die Besetzung kommunaler öffentlicher Ämter durch Volkswahl zwar nicht; sie lassen die Wahl aber auch nicht unter Durchbrechung der Gleichheitssätze zu.466 465

d) Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 Abs. 5 GG Hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums gem. Art. 33 Abs. 5 GG könnten die Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern kommunaler Wahlbeamter begrenzen. Das setzt voraus, dass die Institution des kommunalen Wahlbeamten zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählt und dass der Zugang zu diesen Ämtern notwendig unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen der Bewerber erfolgen muss oder nach den hergebrachten Grundsätzen jedenfalls so erfolgen darf. 465  OVG

Bremen, NordÖR 2012, 196 (Juris: Rn. 44). für Wahlen durch eine kommunale Vertretung VerfG Bbg, NJW 1997, 2942 (2942); ebenso für Entscheidungen von Kollegialorganen im Bereich der Exekutive Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 34; insgesamt kritisch auch Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1836 f.; ferner Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 24, der unter Wahlen i. S. v. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nur Entscheidungen über die Mitgliedschaft in Parlamenten und Kommunalvertretungen versteht; anders aber: Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; v. Mutius, Jura 1982, 28 (39), der dem Demokratieprinzip ein Mindestmaß an kommunalen demokratischen Beteiligungsrechten der Bürger entnimmt – freilich ohne daraus die Konsequenz notwendiger kommunaler Wahlämter zu ziehen. 466  Vgl.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Art. 33 Abs. 5 GG schützt jenen Kernbestand von Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums, die allgemein oder doch überwiegend und während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Weimarer Reichsverfassung von 1919, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind. Geschützt ist nach der Rechtsprechung des BVerfG die Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums einschließlich derjenigen Regelungen, die das Berufsbeamtentum in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägen und deren Beseitigung zugleich das Wesen des Berufsbeamtentums antasten würde.467 Die Geschichte der kommunalen Wahlbeamten im modernen Sinne reicht zurück bis zur Preußischen Städteordnung von 1808. Die mit der StädteO eingeführte Magistratsverfassung, die auf Freiherr vom Stein zurückgeht, unterscheidet eine Stadtverordnetenversammlung (Titel VI) vom Magistrat unter dem Vorsitz des Bürgermeisters (Titel VII), wobei der Magistrat am ehesten dem heutigen Verwaltungsvorstand i. S. v. § 70 GO NW ähnelt, obwohl die Magistratsmitglieder gem. § 141 Abs. 3 StädteO 1808 größtenteils unbesoldet arbeiten. Gem. § 152 StädteO 1808 werden mit Ausnahme des Oberbürgermeisters sämtliche Magistratsmitglieder von den Stadtverordneten erwählt und von der Provinzial-Polizeibehörde bestätigt. Für den Posten des Oberbürgermeisters sollen gem. § 153 StädteO 1808 von der Stadtverordneten-Versammlung drei Kandidaten vorgeschlagen werden, von denen einer durch landesherrliche Bestätigung zum Oberbürgermeister ernannt wird. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entsteht in Bayern, Baden und Württemberg die sogenannte süddeutsche Ratsverfassung, die einen Gemeinderat nebst Bürgermeister vorsieht, die beide unmittelbar durch die Gemeindebürger gewählt werden.468 Seit dieser Zeit gibt es also den Typus des Beamten auf Zeit.469 Teilweise wird vor diesem Hintergrund angenommen, die Institution der kommunalen Wahlbeamten sei als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet.470 Hingegen ist nicht ersichtlich, dass kommunale Wahlbeamte für die Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums in seiner überkommenen Gestalt derart maßgeblich prägend wären, dass ihre Abschaffung das Wesen des Berufsbeamtentums antasten würde. Auch das BVerfG erkennt in seinem Beschluss zur Übertragung 467  Siehe

schon 4. Kap. C. III. 3. d) mit Nachweisen. Burgi, in: Dietlein u. a., ÖffR NRW, § 2 Rn. 151, auch zur daraus abgeleiteten Bürgermeisterverfassung. 469  Vgl. mit Bezug auf kommunale Wahlbeamte BVerfGE 121, 205 (222) – Leitungsamt auf Zeit: „seit jeher“. 470  Vgl. ausdrücklich Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 (1996) Rn. 867; das BVerfG in diesem Sinne interpretierend Schröder, in: HStR V, § 106 Rn. 39. 468  Vgl.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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von Leitungsämtern auf Zeit aus dem Jahr 2008 das Institut des auf Zeit gewählten Beamten jedenfalls nicht ausdrücklich als hergebrachten Grundsatz i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG an.471 Zwar heißt es dort, es habe „seit jeher den Typus des Beamten auf Zeit gegeben“472, doch trifft das Gericht damit lediglich eine Aussage über den Umfang des hergebrachten Lebenszeitprinzips, das für bestimmte Beamtengruppen von vornherein nicht gelten soll. Daraus darf indes nicht abgeleitet werden, das Institut des kommunalen Wahlbeamten sei seinerseits verfassungsrechtlich als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG garantiert. Folglich existiert kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i. S. v. Art. 33 Abs. 5 GG, der kommunale Wahlbeamte gewährleistet.473 Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG wird im Hinblick auf den Zugang zu diesen Ämtern nicht durch einen solchen Grundsatz begrenzt. e) Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG könnten im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der kommunalen Wahlbeamten begrenzt werden durch die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG innerhalb eines Kommunalsystems, das gem. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG mit eigener unmittelbarer demokratischer Legitimation durch Volkswahl ausgestattet ist. Staatsgewalt wird in der Bundesrepublik nach der Ordnung des Grundgesetzes zweistufig durch Bund und Länder ausgeübt.474 Die Gemeinden gehören zum Verfassungsbereich der Länder und bilden nicht etwa eine dritte Staatsebene.475 Allerdings garantiert Art. 28 Abs. 2 GG den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen 471  Vgl. BVerfGE 121, 205 (222 f.) – Leitungsamt auf Zeit, für Vereinbarkeit von Beamtenverhältnissen auf Zeit mit dem Lebenszeitprinzip, doch ohne ausdrückliche Aussprache einer verfassungsrechtlichen Garantie; ebenso BVerwGE 81, 318 (322); weniger klar: BVerfGE 7, 155 (163 f.) – Bürgermeisterabwahl; 8, 332 (350 f.) – Kommunalbeamte, wo hergebrachte Grundsätze für Wahlbeamte anerkannt werden. Schröder, in: HStR V, § 106 Rn. 39, sieht in der zitierten älteren früheren Rechtsprechung die Anerkennung als hergebrachter Grundsatz. 472  BVerfGE 121, 205 (222) – Leitungsamt auf Zeit. 473  Vgl. BVerfGE 44, 249 (262 f.) – Alimentationsprinzip; Pieroth, in: Jarass /  Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 47. 474  Vgl. Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 28 (1977) Rn. 79. 475  Vgl. BVerfGE 39, 96 (109) – Städtebauförderungsgesetz; 86, 148 (215) – Länderfinanzausgleich; 119, 331 (364 f.) – Hartz IV-Arbeitsgemeinschaft; Mehde, in: MD, GG, Art. 28 II (2012) Rn. 11; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 6, Art. 30 Rn. 6; Schoch, Jura 2001, 121 (122).

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Dazu zählen nach der Rechtsprechung des BVerfG „solche Aufgaben, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf die örtliche Gemeinschaft einen spezifischen Bezug haben“476. Die wesentlichen Bestandteile dieses Selbstverwaltungsrechts werden üblicherweise durch die Gemeindehoheiten kategorisiert, zu denen auch die Personalhoheit zählt. Danach haben die Gemeinden die Befugnis, ihr Personal auszuwählen, anzustellen, zu befördern und zu entlassen.477 Jedoch ist die Personalhoheit der Kommunen nicht absolut gewährleistet, sondern sie unterliegt der Ausformung durch den Gesetzgeber,478 der allerdings wiederum an die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG sowie an das Verfassungsrecht im Übrigen einschließlich der Grundrechte479 gebunden ist. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG könnte jedoch neben der dargestellten, das Ausgestaltungsrecht des Landesgesetzgebers begrenzenden Wirkung zugleich eine die besonderen Gleichheitssätze begrenzende Wirkung haben und den politisch gebundenen Zugang zu den Ämtern kommunaler Wahlbeamter zulassen, um funktionsgerechte kommunale Organstrukturen zu ermöglichen.480 Denn es könnte die kommunale Selbstverwaltung fördern, Spitzenbeamte im Wege einer politischen Wahl durch die Angehörigen der örtlichen Gemeinschaft – gegebenenfalls vermittelt über einen Gemeinderat – auszuwählen. Ob dies der Fall ist, soll im Folgenden durch Auslegung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ermittelt werden.

476  BVerfGE 8, 122 (134) – Atomwaffen, st. Rspr., ähnlich BVerfGE 79, 127 (151) – Rastede; 110, 370 (400) – Klärschlamm-Entschädigungsfonds, m. w. N.; dem folgend BVerwGE 92, 56 (62); Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 46; Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 12. 477  Vgl. BVerfGE 1, 167 (175) – Kriegsfolgen; 8, 332 (359) – Kommunalbeamte; 9, 268 (289) – Personalvertretung BR; 17, 172 (182) – Freiburger Polizei; 91, 228 (245) – Gleichstellungsbeauftragte; 119, 331 (362) – Hartz IV-Arbeitsgemeinschaft; VerfGH NW, NVwZ 2002, 1502 (1502); Mehde, in: MD, GG, Art. 28 II (2012) Rn. 90; Schoch, Jura 2001, 121 (131 f.); Wolff, VerwArch 100 (2009), 280 (281 ff.). 478  Vgl. BVerfGE 91, 228 (245) – Gleichstellungsbeauftrage; 119, 331 (362) – Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaft; BVerwG, LKV 1997, 171 (172); VerfGH NW, NVwZ 2002, 1502 (1503). 479  Vgl. ausdrücklich für Bindung an Art. 33 Abs. 2 GG Geis, KommunalR, § 6 Rn. 15. 480  Vgl. – allerdings ohne explizite Berücksichtigung der Grundrechtsproblematik – Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 61: „ambivalente Doppelfunktion als Ausgestaltungsauftrag und Eingriffsvorbehalt“; ähnlich Maunz / Scholz, in: MD, GG, Art. 28 (2012) Rn. 2: „Anerkennung des den Ländern im übrigen verbleibenden Wirkungsfeldes“.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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aa) Grammatikalische Auslegung Der Wortlaut von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG erscheint diesbezüglich ambivalent: Einerseits ist von allen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft die Rede, auf die sich das Selbstverwaltungsrecht erstreckt. Dazu würde die freie Wahl eines Repräsentanten und Spitzenbeamten der örtlichen Gemeinschaft zählen. Andererseits unterliegt die Selbstverwaltungsgarantie ausdrücklich einem Gesetzesvorbehalt sowie selbstverständlich einem Vorbehalt abweichender grundgesetzlicher Regelung und ist insofern nicht absolut gewährleistet. bb) Historische Auslegung Die historische Auslegung481 führt zurück zu frühesten Vorläufern kommunaler Selbstverwaltung, die sich schon in germanischen Rechtstraditionen finden lassen. Im Mittelalter entwickelte sich daraus das Recht der städtischen Bürger, die Mitglieder von Stadträten selbst zu wählen.482 Die kommunale Selbstverwaltung im modernen Verständnis hat ihre geschichtlichen Wurzeln im Ende des Absolutismus und dem Zeitalter der Aufklärung.483 Erstmals sah die preußische Stein-Hardenbergsche Städteordnung von 1808 kommunale Wahlbeamte als Element der Selbstverwaltung vor.484 Wenig später etablierte die süddeutsche Ratsverfassung maßgebliche kommunale Mitspracherechte bei der Auswahl kommunaler Wahlbeamter. Dieser status quo spiegelte sich jedoch in der Weimarer Reichsverfassung nur bedingt wider: Art. 127 WRV, die Vorgängernorm des Art. 28 Abs. 2 GG, gewährleistete den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Schranken der Gesetze; Art. 17 Abs. 2 WRV ordnete, vergleichbar mit Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, die Anwendung demokratischer Wahlgrundsätze für Gemeindewahlen an.485 Hingegen schrieben Art. 17 Abs. 2, Art. 127 WRV nicht vor, dass es einen Gemeinde481  Vgl. besonders für die Berücksichtigung der geschichtlichen Entwicklung und der traditionellen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 64. 482  Vgl. Pappermann, ZBR 1968, 297 (298); Pohl, in: FS v. Unruh, 1983, S. 3 (13 f.); Krause, Berufsbeamtentum, S. 175 ff.; am Beispiel Recklinghausens Gehne, Bürgermeister, S. 18. 483  Vgl. Burgi, in: Dietlein u. a., ÖffR NRW, § 2 Rn. 152. 484  Vgl. Gehne, Bürgermeister, S. 19 f.; Willoweit, Verfassungsgeschichte, § 28 Rn. 10, zu dem Reformziel, die tätige Mitwirkung der Bürger zu erreichen; dort allerdings auch zur (noch) fehlenden Gleichheit der politischen Rechte. 485  Vgl. für Bezug nur auf Wahlen der Gemeindevertretung, nicht auch für Gemeindevorstand Anschütz, WRV, Art. 17 Anm. 7 am Ende.

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vorstand geschweige denn kommunale Wahlbeamte geben müsse. Anschütz betont im Gegenteil ausdrücklich die Möglichkeit, die Funktionen von Gemeindevertretung und Gemeindevorstand durch eine einzige Versammlung ausüben zu lassen.486 Gleichwohl lässt sich festhalten, dass die Auswahl kommunaler Spitzenbeamter seit dem 19. Jahrhundert487 faktisch verbreitet durch die Bürger vor Ort – entweder durch direkte Wahl oder indirekt durch Wahl der Bürgervertretung – stattfindet. Selbst in Preußen, wo § 153 StädteO 1808 bedeutende Mitentscheidungsbefugnisse übergeordneter Behörden bei der Ernennung des Oberbürgermeisters vorsah, war eine Besetzung gegen den Willen der Stadtverordnetenversammlung nicht möglich.488 Bei den Beratungen über den heutigen Art. 28 Abs. 2 GG diskutierte der Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates, ob neben der Selbstverwaltungsgarantie verfassungsrechtlich festgeschrieben werden sollte, dass die Gemeinden ihre Angelegenheiten „durch eigene der gewählten Vertretung des Volkes verantwortliche Organe“489 ausführen dürften. Zu solchen Organen ließe sich insbesondere der Bürgermeister zählen, doch verblieben sprachliche und inhaltliche Unklarheiten.490 Vor diesem Hintergrund und wohl mit dem Ziel, keines der geschilderten, geschichtlich entwickelten kommunalverfassungsrechtlichen Modelle bundesverfassungsrechtlich auszuschließen, lehnte der Hauptausschuss die Ergänzung schließlich ab.491 Im Ergebnis spricht die Entstehungsgeschichte des Art. 28 Abs. 2 GG vor dem Hintergrund der tatsächlichen geschichtlichen Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung492 dafür, dass das Grundgesetz die Bestellung kommunaler Hauptverwaltungsbeamter durch Wahl der Gemeindebürger beziehungsweise ihrer Vertretungen weiterhin zulassen wollte. Historisch ging man überwiegend davon aus, dass jedenfalls Wahlen des (Kommunal-) Volkes mit einer Freistellung von den Bindungen der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG einhergingen;493 im Hinblick auf die Auswahl der Hauptverwaltungsbeamten durch kommunale Vertretungsorgane war eine solche Anschütz, WRV, Art. 17 Rn. 8. Erichsen, DVBl. 1980, 723 (727): „von jeher“. Anderes gilt freilich für die Zeit zwischen 1935 und 1945, als die Selbstverwaltung durch die Deutsche Gemeindeordnung von 1935 weitgehend außer Kraft gesetzt wurde und die Berufung der Spitzenbeamten auf Vorschlag eines Beauftragten der NSDAP durch übergeordnete Behörden erfolgte; vgl. Burgi, in: Dietlein u. a., ÖffR NRW, § 2 Rn. 155. 488  Vgl. Krause, Berufsbeamtentum, S. 178 ff. 489  Antrag des Abgeordneten Eberhard, ParlRat 14 / I, S. 809. 490  Vgl. Abgeordneter Laforet, ParlRat 14 / I, S. 809. 491  ParlRat 14 / I, S. 810; im Überblick JöR n. F. 1 (1951), 257. 492  Vgl. für besondere Relevanz historischer Erscheinungsformen der Selbstverwaltung BVerfGE 59, 216 (226) – Namensänderung. 493  Siehe schon 4. Kap. B. I. 486  Vgl. 487  Vgl.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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Freistellung wohl ebenfalls beabsichtigt, wenngleich entsprechende Belege nicht ersichtlich sind. cc) Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht ist auf den Zusammenhang von Art. 28 Abs. 2 GG und dem Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 1, 2, Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG hinzuweisen. Unter Verweis darauf ist argumentiert worden, kommunale Wahlbeamte seien zwar bei der Erfüllung ihrer Aufgaben weitgehend frei, sie könnten diese Freiheit jedoch nur umsetzen, wenn sie „in stetem Einvernehmen mit dem gemeindlichen Willensbildungsorgan, der Gemeinde­ vertretung“494 blieben. Gemeinderat und kommunale Wahlbeamte seien auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit angewiesen.495 Zum Vergleich verweist das BVerfG auf das grundgesetzliche Regierungssystem, in dem die Bundesregierung ebenfalls auf das Vertrauen des Bundestages angewiesen sei.496 Dementsprechend sei die Tätigkeit kommunaler Wahlbeamter durch eine enge Verzahnung mit dem kommunalen politischen Raum gekennzeichnet, weil sie auf der Grundlage eines Vertrauensvorschusses agierten und das Überzeugen und Gewinnen von Mehrheiten zu ihren Kernaufgaben gehörten, so eine in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung.497 Mag die Erforderlichkeit einer möglichst vertrauensvollen Zusammenarbeit von kommunalen Wahlbeamten und Gemeindevertretung auch richtig beobachtet worden sein, so lässt sich daraus doch nicht schließen, dass beide politisch gleichgestimmt sein müssten. Dies bestätigt die tatsächliche Entwicklung des nordrhein-westfälischen Kommunalwahlrechts: Gem. § 32 Abs. 1 S. 1 GO NW 1984 wählte der Rat für die Dauer seiner Wahlzeit aus seiner Mitte den Bürgermeister, der die Ratssitzungen leitete und sonst überwiegend repräsentative Aufgaben hatte. Zusätzlich wählte der Rat gem. § 49 Abs. 1 GO NW 1984 einen Gemeindedirektor, der die Ratsbeschlüsse 494  BVerfGE

7, 155 (164) – Bürgermeisterabwahl. BVerfGE 7, 155 (164) – Bürgermeisterabwahl; ähnlich Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 415, der auf das Erfordernis eines gedeihlichen Zusammenwirkens mehrerer (Kommunal-)Organe verweist. 496  Vgl. BVerfGE 7, 155 (165) – Bürgermeisterabwahl. 497  Vgl. BVerfGE 7, 155 (164 ff.) – Bürgermeisterabwahl; BVerwGE 81, 318 (322): „Erfordernisse der ‚politischen Gleichgestimmtheit‘“; BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 – 7 C 25.89 –, Juris: Rn. 8; OVG Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125); OLG Rostock, Urt. v. 8.6.2000 – 1 U 179 / 98 –, Juris: Rn. 62; OVG TH, ThürVBl. 2007, 187 (188); OVG Nds., NdsVBl. 2008, 133 (134); VG Münster, Beschl. v. 3.1.2012 – 4 L 670 / 11 –, Juris: Rn. 27; Herrmann, VerwArch 101 (2010), 377 (396); Klein, DÖV 1980, 853 (862); Schönfelder, DÖV 1985, 656 (659); Wendel, SächsVBl. 2012, 11 (11). 495  Vgl.

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vorzubereiten und durchzuführen hatte.498 Dazu mussten hauptamtliche Gemeindedirektoren die notwendige fachliche Qualifikation nachweisen, in kreisfreien Städten insbesondere die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen, § 49 Abs. 1 S. 2, 3 GO NW 1984.499 Hauptamtliche Gemeindedirektoren wurden gem. § 49 Abs. 2 S. 1 GO NW 1984 für die Dauer von acht Jahren gewählt. Sowohl die Bürgermeister als auch die Gemeindedirektoren konnten vom Rat mit qualifizierter Mehrheit ohne Bindung an gesetzlich bestimmte sachliche Voraussetzungen abberufen werden, § 32 Abs. 4, § 49 Abs. 4 GO NW 1984. In der Folgezeit wurde die nordrhein-westfälische Kommunalverfassung mehrfach geändert: Im Zuge der GO-Reform von 1994 wurde der Bürgermeister, der seitdem hauptamtlich tätig ist, zusätzlich Leiter der Kommunalverwaltung, § 62 GO NW 1994. Das Amt des Gemeindedirektors wurde damit abgeschafft. Seitdem ist der Bürgermeister gem. § 65 Abs. 1 GO NW 1994 von den Bürgern in unmittelbarer, demokratischer Wahl zu wählen; Bürgermeister- und Gemeinderatswahl fanden grundsätzlich am gleichen Wahltag statt.500 Durch Gesetz vom 9.10.2007 wurden die Wahlperioden von Bürgermeister und Gemeinderat entkoppelt. Der Bürgermeister wird nun gem. § 65 Abs. 1 S. 1 GO NW für die Dauer von sechs Jahren gewählt, während der Gemeinderat gem. § 42 Abs. 1 S. 1 GO NW für fünf Jahre gewählt wird.501 Zwar kann der Bürgermeister gem. § 66 GO NW von den Kommunalbürgern abgewählt werden, doch ist dies an gesetzliche Quoren gebunden und für die Bürger mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden.502 Dementsprechend dürfte der Bürgermeister, seit er nicht mehr vom Rat, sondern unmittelbar von den Bürgern gewählt wird, häufig nicht mehr die politischen Anschauungen der Ratsmehrheit teilen.503 Die zusätzliche Entkopplung der Wahlperioden von Gemeinderat und Bürgermeister dürfte diesen 498  Historisch hatten sich in den Ländern unterschiedliche Gemeindeverfassungen entwickelt: Die britische Besatzungsmacht folgte nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst der sogenannten Norddeutschen Ratsverfassung mit Doppelspitze mit ehrenamtlichem Bürgermeister und hauptamtlichem Stadtdirektor. Dagegen sah die Süddeutsche Ratsverfassung neben dem Gemeinderat einen vom Volk gewählten hauptamtlichen Bürgermeister vor, der eine Schlüsselstellung in der Gemeinde besitzt; vgl. Burgi, in: Dietlein u. a., ÖffR NRW, § 2 Rn. 151. 499  Vgl. Nendza, VR 1996, 289 (290 f.). 500  Vgl. Nendza, VR 1996, 289 (290): „verbundene Bürgermeisterwahl“. 501  Entsprechendes gilt gem. den zugleich beschlossenen Änderungen der Kreisordnung für den Landrat, vgl. § 44 Abs. 1 KrO NW. 502  Vgl. für die Erforderlichkeit hoher Mehrheiten zum Schutz vor Missbrauch Wendel, SächsVBl. 2012, 11 (11). 503  Vgl. Böhme, DÖV 2012, 55 (59, 61).



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Effekt noch verstärkt haben. Ausweislich der Entwurfsbegründung wollte die Landesregierung 2007 mit der Entkoppelung der Wahlperioden der herausgehobenen Stellung des urgewählten Hauptverwaltungsbeamten Rechnung tragen.504 Der durch eine eigenständige Wahl legitimierte Bürgermeister sollte in seiner persönlichen und fachlichen Unabhängigkeit gestärkt werden. Ausdrücklich formuliert die Landesregierung: „Die parteipolitische Zugehörigkeit des Bürgermeisters tritt in den Hintergrund.“505 Eine (vorerst) letzte Änderung hat das nordrhein-westfälische Kommunalrecht im Frühjahr 2013 nach einem Regierungswechsel durch das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Demokratie506 erfahren: Danach sollen die Wahlen von Vertretungskörperschaft und Spitzenbeamten ab 2020 wieder an einem einheitlichen Tag stattfinden, um der „Verantwortungsgemeinschaft“507 der Kommunalorgane gerecht zu werden. Da indes nicht ersichtlich ist, dass die Funktionsfähigkeit der nordrheinwestfälischen Kommunalverwaltung durch die eigenständige Direktwahl der kommunalen Hauptverwaltungsbeamten eingeschränkt wäre,508 erfordert dieser Aspekt offensichtlich nicht, dass kommunale Wahlbeamte und gemeindliche Bürgervertretung politisch gleichgesinnt sind.509 Die systematische Auslegung von Art. 28 Abs. 2 GG spricht folglich nicht dafür, dass Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf den Zugang zu den öffentlichen Ämtern der kommunalen Wahlbeamten durch Art. 28 Abs. 2 GG begrenzt wird.

504  LT-Drs.

14 / 3979, S. 144. 14 / 3979, S. 144. Auch ein gegenläufiger Antrag, den gemeinsamen Wahltermin für Bürgermeister und Gemeinderat beizubehalten, führt nicht als Argument an, dass es erforderlich oder wenigstens sinnvoll sei, dass beide Gemeindeorgane politisch gleichgesinnt besetzt sein müssten, vgl. LT-Drs. 14 / 4981, S. 79 f. Vgl. aber Schrameyer, Wahlbeamte, S. 30 ff., der gleichwohl – allerdings noch zur GO 1994 – eine Tendenz zur zunehmenden Politisierung der Wahlbeamten ausgemacht haben will. 506  Gesetz zur Stärkung der kommunalen Demokratie v. 9.4.2013, GVBl. 194. 507  Begründung des Gesetzentwurfs durch die Fraktionen von SPD und BÜND­ NIS 90 / DIE GRÜNEN, LT-Drs. 16 / 1468, S. 1. 508  Solche Probleme benennt auch die Entwurfsbegründung LT-Drs. 16 / 1468, S. 1 ff., nicht. In der Öffentlichkeit wurde die nochmalige Änderung des Kommunalrechts mit der Hoffnung begründet, dass ein gemeinsamer Wahltermin die Beteiligung an den jeweiligen Wahlen erhöhten könnte. 509  Vgl. Classen, JZ 2002, 1009 (1020); ebenso auch wegen der von Wahlbeamten zu erfüllenden Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung Stober, Kommunale Ämterverfassung, S. 39, 46; zur zweifelhaften gegenteiligen Argumentation aber BVerfGE 7, 155 (164) – Bürgermeisterabwahl; 121, 205 (231) – Leitungsamt auf Zeit. 505  LT-Drs.

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dd) Teleologische Auslegung Telos der Garantie kommunaler Selbstverwaltung ist es, den „Staat […] durch die demokratische Mitwirkung der Bürger vor Ort von ‚innen‘ heraus beziehungsweise von ‚unten‘ lebendiger“510 zu gestalten, um einen absolutistischen, monokratischen Staatsaufbau zu verhindern. Die kommunale Selbstverwaltung hat eine politisch-demokratisierende Funktion, die darauf abzielt, dezentrale Partizipation zu ermöglichen und gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren.511 Sie soll zu einer Stärkung der vertikalen Gewaltenteilung und zur Organisation bürgerschaftlicher, gemeindlicher Selbstverwaltung führen.512 Soweit das Grundgesetz die Bedeutung der Gemeinden und Gemeindeverbände anerkennt, ist es erforderlich, den nötigen Handlungsradius und Gestaltungsspielraum abzusichern, damit die kommunalen Gliederungen den ihnen zugewiesenen Zweck effektiv erfüllen können. Daher verbietet Art. 28 Abs. 2 GG alle „Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen im Ergebnis ersticken würden“513. Organisations- und Personalhoheit der Gemeinden und Gemeindeverbände sind dazu wesentliche Voraussetzungen. Die Gemeindeorgane müssen funktionsfähig sein und eigenverantwortlich handeln können.514 Die Eigenverantwortlichkeit kommunaler Entscheidungen darf nicht durch fremdes Personal beziehungsweise durch Personal, das von gemeindefremden Stellen ausgewählt wurde, in Frage gestellt werden. Daher haben die Gemeinden und Gemeindeverbände ein „Abwehrrecht gegen fremdes Personal“515. Prinzipiell kann die Gemeinde ihr Personal durch ihre eigenen Organe auswählen und einstellen, wobei dieses Recht praktisch durch die Bindung der Gemeinden an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG ganz erheblich eingeschränkt wird.516 510  Nierhaus,

in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 32. BVerfGE 11, 266 (275 f.) – Kommunalwahlgesetz SL; zur Partizipationsfunktion: Röhl, in: Schoch, Verwaltungsrecht BT, 1. Kap. Rn. 89; Will, Selbstverwaltung, S. 29 ff.; ferner Stern, StaatsR I2, § 12 S. 403, m. w. N.; zum Telos von Satzungsautonomie: BVerfGE 33, 125 (156 f.) – Facharzt; 111, 191 (216) – Notarkassensatzung. 512  Vgl. Henneke / Ritgen, DÖV 2010, 665 (667); Schoch, Jura 2001, 121 (123). 513  BVerfGE 91, 228 (239) – Gleichstellungsbeauftrage; vgl. Schoch, Jura 2001, 121 (122); Wolff, VerwArch 100 (2009), 280 (301): „Effektivität der einzelnen Aufgabenbereiche“. 514  Vgl. Mehde, in: MD, GG, Art. 28 II (2012) Rn. 68; VerfGH BY, NVwZ 2013, 792 (795), zum verfassungsrechtlich anerkannten „Ziel einer effektiven […] kommunalen Verwaltung“, im Hinblick auf dessen Erreichung ein Spielraum des Gesetzgebers anerkannt wird. 515  Wolff, VerwArch 100 (2009), 280 (287), der dieses Recht freilich vor allem als Abwehrrecht gegen solches Personal versteht, das nicht in einem Rechtsverhältnis zur Gemeinde steht. 511  Vgl.



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Besondere Bedeutung für die Wahrnehmung des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen haben die kommunalen Spitzenbeamten. Sie werden weitgehend als Identifikations- und Integrationsfiguren für ihre Körperschaft angesehen. Außerdem üben sie erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen der kommunalen Vertretungsorgane aus, indem sie deren Sitzungen vorbereiten und leiten.517 Deshalb bekommt die Personalhoheit bei der Besetzung der Ämter der kommunalen Spitzenbeamten besonderes Gewicht. Dieses spricht dafür, dass die Garantie kommunaler Selbstverwaltung es jedenfalls ermöglicht, den Bürgern der jeweiligen kommunalen Gliederung besondere Mitspracherechte bei der Auswahl der leitenden Beamten einzuräumen. Dem wahlberechtigten Gemeindevolk beziehungsweise der zuständigen Vertretungskörperschaft soll eine freie Auswahlentscheidung unabhängig von den Kriterien der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG ermöglicht werden. Eine solche basisdemokratische Besetzung ist auch deswegen im Sinne des Grundgesetzes, weil sie die demokratische Legitimation der Gewählten erhöht, was in Anbetracht ihrer bedeutenden Rolle in der Lokalpolitik zwar nicht geboten ist, aber doch wünschenswert erscheint. Deswegen hat auch die Rechtsprechung im Ergebnis zu Recht unterschiedliche landesgesetzliche Regelungen, wonach kommunale Wahlbeamte abgewählt werden können, bundesverfassungsrechtlich unbeanstandet gelassen.518 516

Dem Telos von Art. 28 Abs. 2 GG, unterschiedliche Regelungen der örtlichen Angelegenheiten durch die jeweils betroffenen Gemeindebürger zu ermöglichen, entspricht es, dass das Grundgesetz keine bundesweit einheitliche Kommunalverfassung vorgibt, sondern die Ausgestaltung gem. Art. 30, 70 Abs. 1 GG den Ländern überlässt. Art. 28 Abs. 2 GG will diesbezüglich ein gewisses Maß an Vielfalt ermöglichen und räumt den Ländern dazu einen Gestaltungsspielraum ein. Jedenfalls im hergebrachten Rahmen sollen die Länder frei über die Einrichtung, die Kompetenzen und die Besetzung der Kommunalorgane entscheiden können.519 516  Vgl. BVerfGE 119, 331 (362) – Hartz-IV-Arbeitsgemeinschaften; Geis, Kommunalrecht, § 6 Rn. 15; Löwer, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 28 Rn. 76; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 31; Wolff, VerwArch 100 (2009), 280 (297). 517  Vgl. BVerwGE 81, 318 (323): „faktisches Übergewicht“; Kunze, Wahlbeamte, S. 112 (112). 518  Vgl. BVerfGE 7, 155 (162) – Bürgermeisterabwahl: „inhaltlich mit Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 GG vereinbar“; BVerfGE 8, 332 (354 f.) – Kommunalbeamte; BVerfG (K), NVwZ 1994, 473 (475) mit zustimmender Anm. Hufen, JuS 1995, 161; BVerwGE 81, 318 (320 ff.); OVG SN, SächsVBl. 2012, 7 (9). 519  Vgl. Henneke, Jura 1988, 374 (378); ders. / Ritgen, DÖV 2010, 665 (665): „keinerlei Präferenz für oder gegen die Direktwahl der Landräte“; Hoffmann, DÖV 1990, 320 (320): „verfassungsrechtliche[r] Spielraum“; Stober, Kommunale Ämterverfassung, S. 22 f.; aus der Perspektive einer möglichen Verletzung der Garantie kommunaler Selbstverwaltung: BVerfGE 91, 228 (236 f., 239) – Gleichstellungsbe-

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Folglich spricht die teleologische Auslegung von Art. 28 Abs. 2 GG dafür, den Ländern einen Spielraum einzuräumen, wie sie ihr jeweiliges Kommunalverfassungsrecht ausgestalten.520 Dieser Spielraum schließt die Kompetenz der Länder ein, kommunale Wahlbeamte vorzusehen, die zur Stärkung der demokratischen Beteiligung der Gemeindebürger von diesen in demokratischen Wahlen – sei es unmittelbar oder vermittelt durch die Vertretungskörperschaft – unter Freistellung von den Bindungen der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG ausgewählt werden.521 ee) Zwischenergebnis zu e) Im Ergebnis sprechen vor allem die teleologischen Erwägungen dafür, die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG innerhalb eines Kommunalsystems, das gem. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG mit eigener unmittelbarer demokratischer Legitimation durch Volkswahl ausgestattet ist, als Begrenzung der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG anzusehen. Dadurch soll es ermöglicht werden, die Ämter von leitenden Kommunalbeamten durch Wahl unter Abweichung von den besonderen Gleichheitssätzen zu vergeben.522 Dies gilt – zumal vor dem Hintergrund der geschichtlichen auftrage; Schoch, Jura 2001, 121 (122); ferner landesverfassungsrechtlich BVerfGE 52, 95 (116 ff.) – Amtsverwaltung. 520  Vgl. BVerfGE 7, 155 (168) – Bürgermeisterabwahl, wonach es den Ländern freisteht, „die Gemeindeverfassung in dem vom Grundgesetz gesteckten Rahmen nach demokratisch-parlamentarischen Prinzipien zu organisieren“ (ebd.), wobei freilich die Weite des verfassungsrechtlichen Rahmens Diskussionsgegenstand ist; allgemein für „gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bei der Schaffung und näheren Ausgestaltung von Organisationseinheiten der Selbstverwaltung“ BVerfGE 107, 59 (94) – Lippeverband; ähnlich BVerfGE 111, 191 (216) – Notarkassensatzung: „Gestaltungsermessen“; Maunz, in: ders. / Dürig, GG, Art. 28 (Erstbearb.) Rn. 68; Stern, StaatsR I2, § 12 S. 429. 521  Vgl. Classen, JZ 2002, 1009 (1020). 522  Vgl. OLG Rostock, Urt. v. 8.6.2000 – 1 U 179 / 98 –, Juris: Rn. 62; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 112; Schmidt-Aßmann, NJW 1980, 16 (19); Classen, JZ 2002, 1009 (1020); Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Rn. 415; wohl ebenso Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 24, der aber zu pauschal auf Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG verweist; im Ergebnis ebenso, aber ohne verfassungsrechtliche Begründung: OVG Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125); Bracher, DVBl. 2001, 19 (26 f.); Heun, in: Dreier, GG I, Art. 3 Rn. 133 Fn. 784; Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 31; offen gelassen von: VG Münster, Beschl. v. 3.1.2012 – 4 L 670 / 11 –, Juris: Rn. 27; dagegen lediglich für eine „systematischteleologische Reduktion“ von Art. 33 Abs. 2 GG ohne klare Schlussfolgerung zur hier verfolgten Fragestellung Birkenfeld-Pfeiffer, DÖV 1992, 813 (815); ähnlich OVG Nds., NdsVBl. 2008, 133 (134 f.); für Anwendbarkeit von Art. 33 Abs. 2 GG bei erweitertem Entscheidungsspielraum für Ortsamtsleiter OVG Bremen, NordÖR 2012, 196; unklar: Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 25; Bergmann, in: Hömig, GG,



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Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung – allerdings ausschließlich für kommunale Spitzenbeamte mit besonderen Integrations- und Identifikationsaufgaben. Folglich begrenzt die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG innerhalb eines Kommunalsystems, das gem. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG mit eigener unmittelbarer demokratischer Legitimation durch Volkswahl ausgestattet ist, die Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der kommunalen Wahlbeamten. 3. Art der Begrenzungswirkung Diese Grundrechtsbegrenzung könnte quasi-tatbestandlich begrenzend oder als Quasi-Gesetzesvorbehalt wirken. Gegen die quasi-tatbestandliche Ausklammerung der kommunalen Wahlbeamten aus dem Anwendungsbereich der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG spricht, dass die Gleichheitssätze prinzipiell einen umfassenden Geltungsanspruch haben, die Institution der kommunalen Wahlbeamten hingegen im Grundgesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist;523 auch deren Wahl ist vom Grundgesetz nicht vorgeschrieben, sondern bloß zugelassen. Insbesondere sieht Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG zwar eine demokratische Volksvertretung in den Gemeinden und Kreisen vor, nicht hingegen aber kommunale Spitzenbeamte, die vom Volk oder dem jeweiligen kommunalen Vertretungsorgan unter Nichtbeachtung der grundgesetzlichen Gleichheitssätze gewählt werden dürften. Allein die Tatsache, dass die Ämter der kommunalen Wahlbeamten nach der einfachgesetzlichen Konzeption durch Wahlen vergeben werden, bedeutet nicht, dass die Wahlorgane bei ihrer Entscheidung zwingend von den Bindungen der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG befreit wären. Denn abgesehen von den grundgesetzlich vorgeschriebenen Volkswahlen implizieren Wahlen nicht notwendig, dass die Wahlberechtigten frei über ihre Wahlkriterien entscheiden können.524 Auch der Charakter der zu vergebenden Ämter spricht dagegen, die grundgesetzlichen Gleichheitssätze unabhängig von den Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen für unanwendbar zu halten. Es handelt sich bei den kommunalen Wahlbeamten zwar um kommunale Spitzenbeamte, nicht Art. 33 Rn. 3, 7; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 19: wenn „politische Aufgaben gestaltender Art zu erfüllen“. 523  Vgl. OVG Bremen, NordÖR 2012, 196 (Juris: Rn. 25), das zusätzlich nach entsprechenden landesrechtlichen Sonderregelungen fragt, deren Existenz aber im zu entscheidenden Fall verneint. 524  Siehe schon 4. Kap. B. Vgl. aber etwa Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 33 Rn. 9, der ohne Begründung seiner Differenzierung „politische Wahlämter“ (ebd.) nicht von Art. 33 Abs. 2 GG erfasst sieht, wohl aber gewählte Richter.

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aber etwa um Verfassungsorgane. Allein die mehr oder weniger ausgeprägte Nähe eines öffentlichen Amtes zum politischen Prozess kann dieses nicht tatbestandlich aus dem Anwendungsbereich der besonderen Gleichheitssätze ausschließen.525 Der Gesetzgeber soll im Hinblick auf die Vergabe dieser Ämter zwar Elemente freier Wahlen vorsehen dürfen, er soll aber nicht zugleich von jeglichen Bindungen der besonderen Gleichheitssätze befreit werden. Insbesondere soll er bei der Ausgestaltung des Vergabeverfahrens nicht von der Beachtung der verfahrensmäßigen Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG befreit werden. Ob neben den politischen Anschauungen auch andere der in Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG genannten Merkmale berücksichtigt werden dürfen, hängt von der (verfassungsgemäßen) Ausgestaltung durch den Landesgesetzgeber ab. Folglich liegt im Hinblick auf die Vergabe der Ämter der kommunalen Wahlbeamten eine Normenkollision zwischen Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG vor, die sich als qualifizierter Quasi-Gesetzesvorbehalt auswirkt.526 Die Qualifikation besteht darin, dass nur solche Grundrechtsbeschränkungen gerechtfertigt werden können, die die Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung fördern. Zudem haben die Landesgesetzgeber bei der Wahrnehmung des Quasi-Gesetzesvorbehalts die allgemeinen Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze – insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – zu wahren. Die politisch gebundene Vergabe der öffentlichen Ämter von kommunalen Wahlbeamten setzt daher voraus, dass dies landesgesetzlich für das betroffene Amt vorgesehen ist, dass die Berücksichtigung politischer Anschauungen beim Zugang zu dem Amt eine effektive kommunale Selbstverwaltung i. S. v. Art. 28 Abs. 2 GG fördert, insbesondere weil das Amt die Identität und die eigenständige Aufgabenerfüllung der jeweiligen Kommunalgliederung prägt, und dass der Gesetzgeber die allgemeinen Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze wahrt. 4. Anwendung auf betroffene Ämter Die Wahrung dieser Anforderungen ist im Folgenden im Hinblick auf die einzelnen betroffenen Ämter zu prüfen. 525  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1823. Dafür aber für die Wahl eines Kommunalbeamten auf Zeit Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 112; weitergehend Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21 a. E., soweit das Grundgesetz „Ämtervergabe durch Bürgerwahl oder Amtsträgerwahl in Ländern und Gemeinden […] durch das Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 S. 1 fordert bzw. zulässt.“ 526  Vgl. Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 61, zur Wirkung als „Eingriffsvorbehalt“.



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a) Bürgermeister Möglicherweise ist die Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Entscheidung über den Zugang zu den Ämtern der – exemplarisch behandelten – nordrhein-westfälischen Bürgermeister gem. §§ 62 ff. GO NW verfassungsgemäß. Nach dem oben allgemein Festgestellten527 müssten Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG dazu durch die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG im Hinblick auf den Zugang zum Amt des Bürgermeisters begrenzt sein. Bürgermeister sind gem. § 62 Abs. 1 S. 1 GO NW kommunale Wahlbeamte, die gem. § 65 Abs. 1 S. 1 GO NW von den Gemeindebürgern in freier Wahl gewählt werden.528 Das einfache Landesrecht sieht folglich einen politisch gebundenen Zugang zum Amt des Bürgermeisters vor. Der Bürgermeister vertritt gem. § 40 Abs. 2 S. 1 GO NW – gemeinsam mit dem Rat – seine Gemeinde. Er repräsentiert und vertritt zugleich den Rat gem. § 40 Abs. 2 S. 3 GO NW und leitet die Verwaltung gem. § 62 Abs. 1 S. 2, 3 GO NW. Damit vereinigt er Rechtsstellung und Zuständigkeiten des früheren Bürgermeisters und des Gemeindedirektors in einer Person.529 Als Repräsentant der Gemeinde kann der Bürgermeister als „äußerer Ausdruck ihrer Individualität“530 bezeichnet werden; „durch ihn tritt die Gemeinde handelnd erst in Erscheinung“531, so das BVerfG. Folglich handelt es sich beim Amt des Bürgermeisters um ein solches, das wesentlich für die Aufrechterhaltung einer effektiven kommunalen Selbstverwaltung ist. Es liegt daher eine Kollision zwischen dem verfassungsrechtlichen Interesse an einer politischen Volkswahl des Bürgermeisters aus Art. 28 Abs. 2 GG und dem Gleichbehandlungsinteresse gem. Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG vor; Art. 28 Abs. 2 GG begrenzt die besonderen Gleichheitssätze im Hinblick auf den Zugang zum Amt des Bürgermeisters als Quasi-Gesetzesvorbehalt. Der Gesetzgeber darf unter Wahrung der Anforderungen an 527  Siehe

schon 4. Kap. C. V. 2. e). sehen alle deutschen Flächenländer die Direktwahl des Bürgermeisters vor, sodass Unterschiede zwischen den Kommunalverfassungen nur noch in Einzelheiten bestehen; vgl. Burgi, KommunalR, § 10 Rn. 5 ff.; Henneke / Ritgen, DÖV 2010, 665 (666); zu Unterschieden Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 18, wonach nur die Landräte in BW von Kreistagen gewählt werden. 529  Vgl. Stock, VR 1995, 113 (117); ferner Sponer / Peschke, SächsVBl. 2011, 97 (102): „Schnittpunkt politischer Willensbildung und fachlicher Verwaltung“. 530  BVerfGE 59, 216 (226) – Namensänderung, zum Namen einer Gemeinde; vgl. ferner Stock, VR 1995, 113, der vom Bürgermeister als „Gemeindeoberhaupt“ (118) spricht. 531  BVerfGE 7, 155 (164) – Bürgermeisterabwahl; daran anschließend OVG Bbg, LKV 1997, 173 (174). 528  Mittlerweile

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grundrechtsbeschränkende Gesetze die Vergabe des Amtes durch freie Wahl vorsehen.532 Es fragt sich daher, ob § 65 GO NW diesen Anforderungen genügt. § 65 Abs. 2 GO NW benennt als Anforderungen für die Wählbarkeit zum Bürgermeister ausschließlich Anforderungen an die Staatsangehörigkeit, das Alter und die Verfassungstreue533 der Bewerber sowie den fehlenden Ausschluss vom Wahlrecht. Weitergehende Anforderungen an die Qualifikation der Bewerber stellt das Landesrecht nicht auf. Das könnte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung hervorrufen, da die Leitung einer Kommunalverwaltung hohe fachliche Anforderungen an den Bürgermeister stellt,534 was für eine strenge Bestenauslese spricht. Andererseits hat der Gesetzgeber durch die Einführung der Direktwahl des Bürgermeisters eine zweite gleichwertige Säule demokratisch legitimierter Repräsentanz der Bürgerschaft schaffen wollen, was eine politische Wahl durch die Bürger erfordert.535 Überdies würde die herausragende kommunalpolitische Position des Bürgermeisters zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Aufstellung eines Anforderungsprofils führen. Eine politische Wahl vermeidet demgegenüber Streitigkeiten über die Aufstellung dieses Profils und sie kann einen einmal gewählten Bürgermeister vor juristischen Auseinandersetzungen über seine Qualifikation schützen; insbesondere verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten über diese Frage würden seine politische Handlungsfähigkeit massiv beeinträchtigen. Zudem erscheint die Politisierung des Auswahlverfahrens sachgerecht, um das Amt des Bürgermeisters für alle Schichten der Bevölkerung zu öffnen, sofern ein Bewerber das Vertrauen der Gemeindebürger genießt.536 Schließlich bedeutet die freie 532  Vgl. OVG SN, Beschl. v. 9.12.2010 – 4 A 745 / 10 –, Juris: Rn. 8; Classen, JZ 2002, 1009 (1013); Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (244, 251); im Ergebnis ebenfalls für Verfassungsmäßigkeit: BVerfGE 7, 155 (165 ff.) – Bürgermeisterabwahl; Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 3; Bracher, DVBl. 2001, 19 (23 f.); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 112; Mehde, in: MD, GG, Art. 28 II (2012) Rn. 31; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 20, für „direkt volksgewählte Bürgermeister“; Schmidt-Aßmann, NJW 1980, 16 (19); Stern, StaatsR I2, § 12 S. 407; Wagner, Bestenauslese, S. 93, beschränkt auf die „eigentliche Wahlentscheidung“ (ebd.); wohl auch Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 25; ferner VerfGH SN, LKV 1997, 285 (286), wonach sich das Kriterium der Bestenauslese gem. der sächsischen Verfassung nicht auf das Amt des Bürgermeisters erstrecken soll. 533  Vgl. – nach anderem Landesrecht – zur Wählbarkeit trotz einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit OVG TH, LKV 2004, 569 (570 ff.); OVG SN, NJ 2008, 472. 534  Vgl. Nendza, VR 1996, 289 (292). 535  Vgl. Entwurfsbegründung der Landesregierung, LT-Drs. 14 / 3979, S. 1; VG Aachen, NWVBl. 2001, 482 (483).



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Wahl durch die Gemeindebürger nicht, dass die Bindungen der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG nicht faktisch vielfach doch beachtet würden: Empirische Untersuchungen belegen, dass bei Volkswahlen fachliche Eignungskriterien keineswegs unberücksichtigt bleiben.537 536

Folglich fördert die Berücksichtigung politischer Anschauungen beim Zugang zum Amt des Bürgermeisters eine effektive kommunale Selbstverwaltung i. S. v. Art. 28 Abs. 2 GG. Verstöße gegen die Anforderungen des Prinzips der Verhältnismäßigkeit sind nicht ersichtlich, sodass die Beschränkung von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Die Zulassung zu den Ämtern der nordrhein-westfälischen Bürgermeister unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen der Bewerber ist verfassungsgemäß. b) Landrat Möglicherweise ist die Berücksichtigung politischer Anschauungen bei der Entscheidung über den Zugang zu den Ämtern der – exemplarisch behandelten – nordrhein-westfälischen Landräte gem. §§ 42 ff. KrO NW verfassungsgemäß. Nach dem oben allgemein Festgestellten538 müssten Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG dazu durch die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG im Hinblick auf den Zugang zum Amt des Landrats begrenzt sein. Landräte sind gem. § 44 Abs. 3 S. 1 KrO NW kommunale Wahlbeamte, die gem. § 44 Abs. 1 S. 1 KrO NW von den Bürgern der kreisangehörigen Gemeinden in freier Wahl gewählt werden. Das einfache Landesrecht sieht folglich einen politisch bedingten Zugang zum Amt des Landrats vor. Weiterhin müsste es sich beim Amt des Landrats um ein Amt handeln, das wesentlich für die Aufrechterhaltung einer effektiven kommunalen Selbstverwaltung i. S. v. Art. 28 Abs. 2 GG ist, weil es insbesondere die Identität und die eigenständige Wahrnehmbarkeit der Kreise prägt. Die Wurzeln der Selbstverwaltung der Kreise reichen zurück bis in das frühe 16. Jahrhundert.539 Innerhalb der Kreise kam den Spitzenbeamten die Aufgabe 536  Vgl. BVerfGE 7, 155 (165) – Bürgermeisterabwahl; VG Minden, Urt. v. 28.2.2007 – 3 K 620 / 05 –, Juris: Rn. 63; ferner Sponer / Peschke, SächsVBl. 2011, 97 (102), zum erforderlichen Fortbestehen eines wechselseitigen politischen Vertrauens zwischen Bürgermeister und Bürgerschaft, dessen Entzug nicht begründungsbedürftig sei. 537  Vgl. Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (245); Nendza, VR 1996, 289 (291), m. w. N. 538  Siehe schon 4. Kap. C. V. 2. e). 539  Vgl. Schmitz, Landrat, S. 36 f.; v. Unruh, Landrat, S. 19.

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zu, die staatliche Verwaltung vor Ort sicherzustellen, zugleich aber die Interessen des genossenschaftlich organisierten Selbstverwaltungsverbandes zu vertreten.540 Schon früh setzten die kreisangehörigen Bürger Mitwirkungsrechte bei der Bestellung der für ihren Kreis verantwortlichen Beamten durch.541 Gleichwohl war der Landrat als leitender Beamter im Kreis bis hinein in die Zeit des Deutschen Reiches unmittelbarer Staatsbeamter;542 nicht nur in Preußen wurde er zum Kreis der politischen Beamten gezählt, die jederzeit durch königliche Verfügung unter Gewährung eines Wartegeldes einstweilig in den Ruhestand versetzt werden konnten.543 Erst nach 1945 entschied sich der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber unter dem Einfluss der britischen Besatzungsmacht und deren Ideal eines kommunalen Selfgovernments für eine Kommunalisierung des Amtes des Landrats und betrachtete dies als „notwendige Folgerung aus dem Selbstverwaltungsrecht des Landkreises“544. In der Bundesrepublik haben die Kreise als Gemeindeverbände gem. Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereichs das Recht der Selbstverwaltung.545 Der Landrat ist in Nordrhein-Westfalen gem. § 25 Abs. 1 KrO NW kraft Gesetzes Mitglied des Kreistages und leitet dessen Sitzungen, vgl. § 25 Abs. 2 S. 1, § 32 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 1 S. 1, § 36 Abs. 1 KrO NW. Außerdem obliegt ihm die repräsentative Vertretung des Kreises gem. § 25 Abs. 2 S. 2 KrO NW sowie grundsätzlich die rechtliche Vertretung gem. § 43 Abs. 1 S. 2 KrO NW. Der Landrat führt Kreistagsbeschlüsse aus gem. § 38 Abs. 1 S. 1 KrO NW, er führt die Geschäfte der laufenden Verwaltung und erledigt weitere Angelegenheiten gem. § 42 KrO NW. Zugleich ist er gemeinsam mit dem Kreisausschuss untere staatliche Verwaltungsbehörde gem. §§ 58 ff. KrO NW und insoweit in die Verwaltungshierarchie des Landes eingegliedert. Schmitz, Landrat, S. 82 f. Schmitz, Landrat, S. 39, 42, 83; v. Unruh, Landrat, S. 28, 30, 36. 542  Vgl. Kunze, Wahlbeamte, S. 112 (117); Schmitz, Landrat, S. 57; v. Unruh, Landrat, S. 84. 543  Vgl. § 94 Verordnung, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand v. 11.7.1849, PrGS 271; §§ 2, 87 Gesetz, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand vom 21.7.1852, PrGS 465. Auch die Ernennung des Landrates erfolgte geschichtlich teilweise durch staatliche Stellen, vgl. Mehde, in: MD, GG, Art. 28 II (2012) Rn.  3, m. w. N. 544  Kunze, Wahlbeamte, S. 112 (118); vgl. Schmitz, Landrat, S. 94 f. 545  Vgl. Mehde, in: MD, GG, Art. 28 II (2012) Rn. 130: „jedenfalls die Landkreise“; allgemein Stern, in: BK, GG, Art. 28 (1964) Rn. 165 ff.; ders., StaatsR I2, § 12 S. 417. 540  Vgl. 541  Vgl.



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Trotz dieser Doppelrolle als Kommunalorgan des Kreises und als untere staatliche Verwaltungsbehörde lässt sich nicht verkennen, dass der Landrat wesentlich für die Repräsentation und Integration des Kreises ist. Ihm kommt eine entscheidende Rolle für eine eigenständige Aufgabenwahrnehmung des Kreises im Rahmen von dessen Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG zu.546 Folglich handelt es sich beim Amt des Landrats um ein solches, das wesentlich für die Aufrechterhaltung einer effektiven kommunalen Selbstverwaltung ist, sodass Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG im Hinblick auf den Zugang zum Amt des Landrates als Quasi-Gesetzesvorbehalt zu Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG wirkt. Der Gesetzgeber darf unter Wahrung der Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze die Vergabe des Amtes durch freie Wahl vorsehen.547 Es fragt sich daher, ob der exemplarisch behandelte § 44 KrO NW diesen Anforderungen genügt. Ähnlich wie beim Bürgermeister spricht die herausragende kommunalpolitische Position des Landrates für eine Politisierung des Auswahlverfahrens. Der Landesgesetzgeber hat sich legitimer Weise dafür entschieden, die Bürger an der Entscheidung über die Besetzung des Landratsamtes zu beteiligen, um eine möglichst effektive und selbstbestimmte Verwaltung der Kreise zu ermöglichen. Das in einer politischen Wahl ausgesprochene Vertrauen der Mehrheit der Wahlberechtigten wird so zum Eignungsbestandteil. Folglich fördert die Berücksichtigung politischer Anschauungen beim Zugang zum Amt des Landrats eine effektive kommunale Selbstverwaltung i. S. v. Art. 28 Abs. 2 GG. Verstöße gegen die Anforderungen des Prinzips der Verhältnismäßigkeit sind nicht ersichtlich, sodass die Beschränkung von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Die Zulassung zu den Ämtern der nordrhein-westfälischen Landräte unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen der Bewerber ist verfassungsgemäß.

Wagner, Bestenauslese, S. 105. Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (251); für die Zulässigkeit einer politischen Abwahl: BVerwGE 81, 318; allgemein: Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 24; Classen, JZ 2002, 1009 (1013); Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 112; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 20, für „direkt volksgewählte […] Landräte“; Schmidt-Aßmann, NJW 1980, 16 (19); Stern, StaatsR I2, § 12 S. 407; Wagner, Bestenauslese, S. 105 f.; wohl auch Bracher, DVBl. 2001, 19 (23 f.); für eingeschränkte Geltung von Art. 33 Abs. 2 GG Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rn. 25; ähnlich OVG SH, NJW 2001, 3495 (3496); Dietrich, Richterwahlausschüsse, S. 163; kritisch Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1838. 546  Vgl. 547  Vgl.

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c) Kommunaler Beigeordneter Möglicherweise dürfen politische Anschauungen auch bei der Entscheidung über den Zugang zu den Ämtern der nordrhein-westfälischen kommunalen Beigeordneten gem. § 71 GO NW berücksichtigt werden. Nach dem oben allgemein Festgestellten548 müssten Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG dazu durch die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG im Hinblick auf den Zugang zum Amt des Beigeordneten begrenzt sein. Die Beigeordneten sind gem. § 71 Abs. 1 S. 2 GO NW kommunale Wahlbeamte, die gem. S. 3 vom Rat für die Dauer von acht Jahren gewählt werden. Das nordrhein-westfälische Landesrecht sieht also eine Wahl durch die Vertretungskörperschaft vor. Allerdings könnte der Begriff der Wahl in diesem Kontext verfassungskonform als „fachbezogene Wahlentscheidung“549 auszulegen sein. Dann wäre der Rat bei seiner Entscheidung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG gebunden.550 Die Beigeordneten bilden mit dem Bürgermeister und dem Kämmerer den Verwaltungsvorstand gem. § 70 Abs. 1 S. 1 GO NW. Sie wirken mit bei allen grundlegenden Verwaltungsangelegenheiten der Gemeinde, vgl. § 70 Abs. 2 GO NW. In ihrem Arbeitsgebiet vertreten die Beigeordneten den Bürgermeister, § 68 Abs. 2 GO NW. Folglich können die kommunalen Beigeordneten durchaus als wesentlich für die kommunale Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG bezeichnet werden.551 Anders als für die Bürgermeister stellt die GO NW allerdings für die Beigeordneten recht konkrete Eignungsanforderungen auf: So müssen Beigeordnete die für ihr Amt erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen und eine ausreichende Erfahrung nachweisen, § 71 Abs. 3 S. 1 GO NW, worunter je nach Gemeindegröße und Qualifikation der übrigen Beigeordneten die Befähigung zum Richteramt oder für die Laufbahn mindestens des gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes zu verstehen ist, S. 2, 3. Ferner sind die Stellen der Beigeordneten grundsätzlich auszuschreiben gem. § 71 Abs. 2 S. 2 GO NW, was zusätzlich für eine – schon einfachgesetzliche – Bindung des Rates an die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes spricht. Gegen eine 548  Siehe

schon 4. Kap. C. V. 2. e). Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125), zur Wahl kommunaler Wahlbeamter. 550  Nicht möglich wäre eine solche verfassungskonforme Auslegung hingegen für § 50 Abs. 2 S. 3 GO BW, wonach bei mehreren Beigeordneten die Parteien und Wählervereinigungen gemäß ihren Vorschlägen nach dem Verhältnis ihrer Sitze im Gemeinderat berücksichtigt werden sollen, vgl. dazu Klein, DÖV 1980, 853 (860 f.); allgemein zur verfassungskonformen Auslegung Sachs, in: ders., GG, Einf. Rn. 52 ff. 551  Vgl. OVG NW, Urt. v. 21.2.2011 – 1 A 938 / 09 –, Juris: Rn. 40: „kommunalverfassungsrechtlich herausgehobene[…] Führungsposition“. 549  OVG



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solche Bindung lässt sich nicht einwenden, dass in § 70 Abs. 1 S. 3 GO NW von einer Wahl der Beigeordneten die Rede ist. Denn erstens ist gerade zu prüfen, ob diese landesgesetzliche Regelung in Anbetracht der grundgesetzlichen Anforderungen verfassungsgemäß ist552 und zweitens kann vom Gemeinderat durchaus verlangt werden, unter strikter Beachtung der objektiven Bindungen der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG zu entscheiden.553 Daher ist schon unklar, ob die Berücksichtigung politischer Anschauungen dem grundrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes entsprechend einfachgesetzlich zugelassen ist. Eine einfachgesetzliche Anknüpfung an die politischen Anschauungen der Bewerber ließe sich allerdings auch nicht durch Art. 28 Abs. 2 GG rechtfertigen. Denn obwohl zu den Amtsaufgaben kommunaler Beigeordneter nicht bloß die sachbezogen-unpolitische gesetzliche Aufgabenerfüllung gehören mag,554 ist nicht ersichtlich, dass eine an politischen Anschauungen orientierte Wahl der Beigeordneten die Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung fördert. Folglich würde ein gesetzlich zugelassener anschauungsgebundener Zugang zu den Ämtern der kommunalen Beigeordneten gem. § 71 GO NW die Grenzen des qualifizierten Quasi-Gesetzesvorbehalts nicht wahren. Die Berücksichtigung politischer Anschauungen beim Zugang zu diesem Amt ist daher unzulässig.555 § 71 Abs. 1 S. 3 GO NW ist 552  Vgl. für diese Prüfung insbesondere Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1838; hingegen problematisiert BVerfGE 7, 155 (168) – Bürgermeisterabwahl, diese Fragestellung nicht; ähnlich etwa Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 21; Jaeckel, VerwArch 97 (2006), S. 220 (228). 553  Siehe schon 4. Kap. B. I. 1. 554  Vgl. so OVG SN, Beschl. v. 9.6.2009 – 4 B 411 / 07 –, Juris: Rn. 7. 555  Vgl. OVG Bremen, NordÖR 2012, 196 (Juris: Rn. 25 ff.), zu mittelbar gewählten bremischen Ortsamtsleitern; Classen, JZ 2002, 1009 (1013); Wagner, Bestenauslese, S. 99; Bachof, VVDStRL 30 (1972), 193 (235); kritisch auch Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1838; OVG Nds., NdsVBl. 2008, 133 (134), betont den Bedeutungsgehalt von Art. 33 Abs. 2 GG, hält politische Anschauungen aber als Eignungsaspekt für berücksichtigungsfähig; ähnlich VG Münster, Beschl. v. 3.1.2012 – 4 L 670 / 11 –, Juris: Rn. 27; anders noch OVG Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125), wonach materiell-rechtliche Bindungen „nur in eingeschränktem Maße“ (ebd.) gelten sollen; ähnlich: VG Meiningen, Beschl. v. 16.12.2008 – 1 E 613 / 08 Me –, Juris: Rn. 28; Bracher, DVBl. 2001, 19 (24); Jaeckel, VerwArch 97 (2006), S. 220 (227 f.); dagegen: OLG Rostock, Urt. v. 8.6.2000 – 1 U 179 / 98 –, Juris: Rn. 62: „Art. 33 Abs. 2 GG findet für die Wahl von Kommunalbeamten auf Zeit [hier Senator für Finanzen und Wirtschaft] keine Anwendung“; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 21; Schenke, in: FS Stober, 2008, S. 221 (230); unklar Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 24, der Art. 33 Abs. 2 GG nicht auf die Wahl kommunaler Wahlbeamter anwenden will, wohl aber auf „die Berufung leitender Kommunalbeamter durch Beschlüsse der kommunalen Vertretungskörperschaften“ (ebd.); zur Anwendbarkeit des AGG für die Bestellung kommunaler Wahlbeamter: OVG Nds., NVwZ-RR 2010, 247; NVwZ-RR 2012, 733 (733).

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass politische Anschauungen bei der Einstellung nicht berücksichtigt werden dürfen. d) Allgemeiner Vertreter des Landrats Es fragt sich, ob bei der Entscheidung über den Zugang zu den Ämtern der allgemeinen Vertreter des Landrates in Nordrhein-Westfalen gem. § 47 KrO NW politische Anschauungen berücksichtigt werden dürfen. Nach dem oben allgemein Festgestellten556 müssten Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG dazu durch die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG im Hinblick auf den Zugang zum Amt des allgemeinen Vertreters des Landrats begrenzt sein. Gem. § 47 Abs. 1 S. 1 KrO NW bestellt der Kreistag widerruflich einen der leitenden hauptamtlichen Beamten des Kreises zum allgemeinen Vertreter des Landrates. Dieser ist kein kommunaler Wahlbeamter und statusrechtlich nicht mit einem politischen Beamten i. S. v. § 30 Abs. 1 BeamtStG vergleichbar.557 Bei seiner Bestellung ist der Kreistag an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, da das Landesrecht insofern von einer etwaigen Ermächtigung des Art. 28 Abs. 2 GG zur Einführung von Wahlelementen in das Besetzungsverfahren keinen Gebrauch macht. Dies zeigt sich insbesondere an § 47 Abs. 1 S. 4 KrO NW, der ausdrücklich die Bestellung gem. S. 1 von einer Wahl gem. S. 2 unterscheidet.558 556  Siehe

4. Kap. C. V. 2. e). Plückhahn / Kuhn, in: Held u. a., KommVerfR NW, § 47 KrO (2010) Ziff. 3, wonach die Bestellung zum allgemeinen Vertreter durch einfachen Beschluss des Kreistags keinen Einfluss auf den beamtenrechtlichen Status des Bestellten hat, da diesem lediglich eine Funktion, die des allgemeinen Vertreters, nicht aber ein Amt zugewiesen wird. Folglich wird ein so Bestellter im Falle der Abberufung durch den Kreistag nicht in den einstweiligen Ruhestand versetzt, sondern er verliert lediglich seine (zusätzliche) Funktion; s. zur vergleichbaren Bestellung zum allgemeinen Vertreter des Bürgermeisters gem. § 68 Abs. 1 GO NW OVG NW, Beschl. v. 19.12.2006 – 15 A 632 / 06 –, Juris: Rn. 3; VG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.2005 – 1 K 2985 / 05 –, Juris: Rn. 33: „Insofern ist […] die Bestellung zum allgemeinen Vertreter zwar […] möglicherweise mit einer Anhebung der Besoldung, nicht aber mit einer Begründung oder Änderung des Wahlbeamtenstatus verbunden.“ 558  Wie oben [4. Kap. B.] dargelegt, impliziert die Verwendung des Wortes Wahl nicht zwangsläufig eine Befreiung von den Bindungen der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG. Wird die Wahl jedoch – wie in § 47 Abs. 1 S. 4 KrO NW – ausdrücklich von einer Bestellung abgegrenzt, so ist die Bestellung als fachbezogene Entscheidung zu verstehen, während die Wahl nach der einfachgesetzlichen Konzeption zunächst als politische Auswahlentscheidung zu verstehen ist; vgl. Smith / Wagner, in: Kleerbaum / Palmen, KrO NW, § 47 II. 1.: „keine Wahl, sondern eine Sachentscheidung“. Ob eine Besetzung durch an politischen Anschauungen orientierte Wahl verfassungsrechtlich zulässig ist, ist im Folgenden zu prüfen. 557  Vgl.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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Alternativ kann die Hauptsatzung eines Kreises gem. § 47 Abs. 1 S. 2 KrO NW bestimmen, dass der allgemeine Vertreter des Landrates – analog zum kommunalen Beigeordneten – für die Dauer von acht Jahren vom Kreistag gewählt wird. Ein auf diese Weise gewählter allgemeiner Vertreter ist kommunaler Wahlbeamter i. S. v. § 120 LBG NW.559 Tatsächlich hat sich die Mehrheit der nordrhein-westfälischen Kreise für dieses KreisdirektorenModell entschieden.560 Der zu wählende Kreisdirektor muss über die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst sowie über mehrjährige Verwaltungspraxis verfügen, § 47 Abs. 1 S. 3 KrO NW. Gem. § 47 Abs. 2 KrO NW i. V. m. § 71 Abs. 2 S. 1 GO NW ist die Stelle auszuschreiben. Unbeschadet dieser Ausschreibung soll die Wahl des Kreisdirektors nach der landesgesetzlichen Konzeption auch politische Elemente und Entscheidungskriterien enthalten dürfen. Dafür spricht insbesondere § 47 Abs. 3 KrO NW, wonach der Kreisdirektor durch Beschluss des Kreistages abgewählt werden kann. § 47 Abs. 3 S. 4 KrO NW schließt eine Aussprache vor der Abstimmung aus, was ebenfalls darauf hindeutet, dass es insoweit nicht um eine Entscheidung geht, die strikt an den Kriterien der Bestenauslese zu treffen ist, sondern um eine politisch motivierte Entscheidung. Das spricht dafür, dem Kreistag schon bei der Wahl des Kreisdirektors eine Auswahl unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen der Bewerber zuzugestehen.561 Allerdings bedarf die Wahl eines Kreisdirektors – ebenso wie die Bestellung nach – der Bestätigung der Bezirksregierung, § 47 Abs. 1 S. 4 KrO NW.562 Diese Bestätigung darf aus Rechtsgründen verweigert werden, wenn etwa der Gewählte nicht die in § 47 Abs. 1 KrO NW vorgeschriebenen Qualifikationsanforderungen erfüllt. Zusätzlich besteht ein Verweigerungsrecht – unter Umständen sogar eine Verweigerungspflicht –563 jedoch auch dann, wenn die Bezirksregierung den Gewählten aus anderen Gründen für 559  Vgl. Plückhahn / Kuhn, in: Held u. a., KommVerfR NW, § 47 KrO (2012) Rn. 7.1; Smith / Wagner, in: Kleerbaum / Palmen, KrO NW, § 47 II. 2. a. 560  Vgl. Plückhahn / Kuhn, in: Held u. a., KommVerfR NW, § 47 KrO (2010) Rn. 3, 4.1. 561  Vgl. Smith / Wagner, in: Kleerbaum / Palmen, KrO NW, § 47 II. 2. b. (1); gegen gerichtliche Überprüfbarkeit Jaeckel, VerwArch 97 (2006), 220 (231). 562  Vgl. gegen eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG durch das Bestätigungsrecht BVerfGE 8, 332 (359 f.) – Kommunalbeamte; s. aber Schrameyer, Wahlbeamte, S. 166, der das Bestätigungsrecht als „Fremdkörper im System“ (ebd.) ansieht – freilich ohne zu berücksichtigen, dass dadurch eine Bindung der Auswahlentscheidung an die Gleichheitssätze sichergestellt werden kann. 563  Vgl. Kuhn, in: Held u. a., KommVerfR NW, § 47 KrO (2011) Rn. 8.1; Smith / Wagner, in: Kleerbaum / Palmen, KrO NW, § 47 VIII. 1., die von einem „Entscheidungsspielraum“ ausgehen, dabei aber die Grundrechtsbindung der Bezirksregierung nicht diskutieren; zur Verpflichtung der Kommunalaufsicht, gegen anforde-

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

ungeeignet hält. Mangels entgegenstehender Normen ist die Bezirksregierung bei ihrer Entscheidung über die Bestätigung nicht von den Vorgaben der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG befreit.564 Sie darf bei der Entscheidung über die Bestätigung deswegen politische Anschauungen nicht berücksichtigen. Folglich wäre jeder politisch motivierten Auswahlentscheidung eines Kreistages, die einen anderen Kandidaten wegen dessen politischen Anschauungen benachteiligt, die Bestätigung durch die Bezirksregierung zu versagen. Der Landesgesetzgeber hat die Entscheidung über den Zugang zum öffentlichen Amt des Kreisdirektors nicht umfassend von der Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG befreit. Daher ist schon zweifelhaft, ob die Berücksichtigung politischer Anschauungen dem grundrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes entsprechend einfachgesetzlich zugelassen ist. Eine einfachgesetzliche Anknüpfung an die politischen Anschauungen der Bewerber ließe sich allerdings auch nicht durch Art. 28 Abs. 2 GG rechtfertigen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass eine an politischen Anschauungen orientierte Wahl der Kreisdirektoren die Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung fördert. Folglich würde ein gesetzlich zugelassener anschauungsgebundener Zugang zu den Ämtern der Kreisdirektoren die Grenzen des qualifizierten Quasi-Gesetzesvorbehalts nicht wahren. Die Berücksichtigung politischer Anschauungen in diesem Zusammenhang ist daher unzulässig.565 § 47 Abs. 1 S. 2 KrO NW ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass politische Anschauungen bei der Einstellung von Kreisdirektoren nicht berücksichtigt werden dürfen. e) Ämter der Landschaftsverbände Es fragt sich, ob politische Anschauungen bei der Entscheidung über den Zugang zu den Ämtern der Direktoren der nordrhein-westfälischen Landrungswidrige und daher rechtswidrige Ernennungen von Beigeordneten vorzugehen OVG BBbg., Beschl. v. 9.4.2013 – OVG S 41.13 –, n. v. 564  Vgl. Becker, Wahlbeamte, S. 59; Ule, in: Bettermann / Nipperdey, GR IV / 2, S. 537 (586), der der kommunalen Vertretungskörperschaft aber Beurteilungsspielraum einräumt. 565  Vgl. Classen, JZ 2002, 1009 (1013); ohne spezifisch verfassungsrechtliche Argumentation Plückhahn / Kuhn, in: Held u. a., Kommunalverfassungsrecht NW, § 47 KrO NW (2010) Ziff. 5.1, für Anwendbarkeit des § 9 BeamtStG; dagegen OLG Rostock, Urt. v. 8.6.2000 – 1 U 179 / 98 –, Juris: Rn. 62; Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 21; unklar Badura, in: MD, GG, Art. 33 (2009) Rn. 24, der Art. 33 Abs. 2 GG nicht auf die Wahl kommunaler Wahlbeamter anwenden will, wohl aber auf „die Berufung leitender Kommunalbeamter durch Beschlüsse der kommunalen Vertretungskörperschaften“ (ebd.).



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schaftsverbände und der Landesräte gem. §§ 17 ff. LVerbO NW berücksichtigt werden dürfen. Nach dem oben allgemein Festgestellten566 müssten Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG dazu durch die Garantie kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG im Hinblick auf den Zugang zu diesem Ämtern begrenzt sein. Die nordrhein-westfälischen Landschaftsverbände gehen auf frühere preußische Provinzialverbände zurück.567 Heute sind alle nordrhein-westfälischen Kreise und kreisfreien Städte Mitglied in einem der beiden Landschaftsverbände. Zu den Aufgaben dieser Verbände zählen gem. § 5 Abs. 1 LVerbO NW soziale Aufgaben, Jugendhilfe und Gesundheitsangelegenheiten (lit a.), die landschaftliche Kulturpflege (lit. b) sowie Aufgaben der Kommunalwirtschaft (lit. c). Organe der Landschaftsverbände sind die von den Mitgliedskörperschaften zu wählende Landschaftsversammlung, ein aus dieser heraus gebildeter Landschaftsausschuss sowie der Direktor des Landschaftsver­ bandes. Die Landschaftsverbände werden üblicherweise als Gemeindeverbände i. S. v. Art. 28 Abs. 2 GG angesehen, obwohl dies mangels gebietsbezogener universaler Aufgabenzuweisung nicht unproblematisch ist.568 Folgt man gleichwohl der herrschenden Auffassung, so kommt Art. 28 Abs. 2 GG zur Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG in Betracht. Eine mittelbar auf die Bürger des jeweiligen Landschaftsverbandes zurückgehende freie Wahlentscheidung könnte wegen ihrer politisch-demokratisierenden Funktion dazu beitragen, gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren,569 und daher förderlich sein, um die Ziele der kommunalen Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG zu erreichen. Allerdings müsste die politisch gebundene Ämtervergabe landesgesetzlich zugelassen sein und es müsste sich um ein Amt handeln, das wesentlich für die Aufrechterhaltung einer effektiven kommunalen Selbstverwaltung ist, weil es insbesondere die Identität und die eigenständige Aufgabenerfüllung der Landschaftsverbände prägt, sodass Art. 28 Abs. 2 GG als qualifizierter Quasi-Gesetzesvorbehalt zu Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG wirkt. Außerdem müsste der Gesetzgeber die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze gewahrt haben. 566  Siehe

schon 4. Kap. C. V. 2. e). Erichsen, NWVBl. 1995, 1 (1 ff.). 568  Vgl. im Sinne der h.  M.: Erichsen, NWVBl. 1995, 1 (3); Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 29; Stern, in: BK, GG, Art. 28 (1964) Rn. 80; wohl auch BVerwG, NVwZ 2009, 644 (645); skeptisch: Löwer, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 28 Rn. 93, 97; Mehde, in: MD, GG, Art. 28 II (2012) Rn. 47, 130. 569  Vgl. dazu schon 4. Kap. C. V. 2. e) dd). 567  Vgl.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Der Direktor des Landschaftsverbandes ist kommunaler Wahlbeamter i. S. v. § 120 LBG NW, wenngleich eine ausdrückliche gesetzliche Zuweisung zu dieser Beamtengruppe nicht ersichtlich ist. Er wird ebenso wie die ihm zugeordneten Landesräte von der Landschaftsversammlung für die Dauer von acht Jahren gewählt.570 Gem. § 20 Abs. 2 S. 2 LVerbO NW sind die Stellen öffentlich auszuschreiben; außerdem benennt S. 3 die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst als Eignungsanforderung für den Direktor oder einen der Landesräte. Diese Kombination aus einer Wahlentscheidung mit Ausschreibungspflicht und materiellen Eignungsanforderungen spricht dafür, dass es sich nach der einfachgesetzlichen Konzeption um eine „fachbezogene Wahlentscheidung“571 handelt, die an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, zumal in der Landschaftsversammlung nicht die Bürger, sondern Vertreter der Mitgliedskörperschaften wahlberechtigt sind. Folglich ist die Berücksichtigung politischer Anschauungen beim Zugang zu den Ämtern der Direktoren der Landschaftsverbände sowie der Landesräte unzulässig.572 f) Sonstige Ämter auf kommunaler Ebene Auf den Zugang zu sonstigen öffentlichen Ämtern der Gemeinden und Kreise sind Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG mangels grundgesetzlicher Begrenzungen uneingeschränkt anwendbar. Die den Kommunen verfassungsrechtlich gewährte Autonomie entbindet nicht von der Beachtung der Grundrechte.573 Dies gilt unabhängig davon, ob ein Amt durch eine (Wahl-) Entscheidung der Vertretungskörperschaft oder durch Entscheidung einer Einzelperson vergeben wird. Folglich darf der Landesgesetzgeber insoweit vorbehaltlich einer grundgesetzlichen Rechtfertigung im Einzelfall keine Ämterbesetzung durch freie (politische) Wahl vorsehen. Eine Ausnahme gilt lediglich für die Wahl von Funktionsträgern innerhalb der gem. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG aus freien Volkswahlen hervorgegan570  Vgl.

NW.

571  OVG

§ 7 Abs. 1 lit. c, § 20 Abs. 2 S. 1 LVerbO NW; § 120 Abs. 2 S. 1 LBG

Nds., NVwZ 1993, 1124 (1125), für die Wahl kommunaler Wahlbeamter. gilt allerdings für die Mitglieder der Landschaftsversammlungen gem. § 7b LVerbO, die freilich als solche nicht zu kommunalen Wahlbeamten ernannt werden. Insoweit rechtfertigt Art. 28 Abs. 2 GG eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG und ermöglicht eine politische Wahl durch die Vertretungen der Mitgliedskörperschaften. Die Landschaftsversammlung soll die Mitgliedskörperschaften einschließlich der politischen Zusammensetzung ihrer Vertretungen repräsentieren. Dieses Interesse überwiegt das Verbot des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG. 573  Trute, in: AK-GG, Art. 33 I–III (2001) Rn. 31. 572  Anderes



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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genen kommunalen Vertretungskörperschaften, also insbesondere die Besetzung von Ausschüssen gem. §§ 57 ff. GO NW, §§ 41, 51 KrO NW sowie die Wahl von stellvertretenden Bürgermeistern oder Landräten gem. § 67 GO NW, § 46 KrO NW. Die zuletzt genannten Wahlen erfolgen ohne Aussprache gem. § 67 Abs. 1 S. 1 GO NW, § 46 Abs. 1 S. 1 KrO NW, was einfachgesetzlich zusätzlich darauf hindeutet, dass eine Bestenauslese i. S. d. Art. 33 Abs. 2 GG nicht beabsichtigt ist. Analog zu den Funktionsträgern von Bundestag, Bundesrat und Landesparlamenten [s. schon 4. Kap. C. I. 6.] sind diese Ämter quasi-tatbestandlich durch Art. 28 Abs. 2 GG aus dem Anwendungsbereich der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG ausgeschlossen, um die Funktionsfähigkeit der Vertretungskörperschaften sowie deren politische Repräsentation zu gewährleisten.

VI. Sonstige öffentliche Ämter Es fragt sich, ob sonstige öffentliche Ämter unter Berücksichtigung politischer Anschauungen vergeben werden dürfen. 1. Mitglieder und Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes sowie der Landesrechnungshöfe Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der Mitglieder und Mitarbeiter des Bundesrechnungshofes sowie der Landesrechnungshöfe begrenzt sein. Art. 114 Abs. 2 GG erwähnt den Bundesrechnungshof und weist ihm unterschiedliche Aufgaben zu, zu denen unter anderem ein jährlicher Bericht an Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat zählt. Der Bundesrechnungshof ist nicht etwa ein Hilfsorgan,574 das in unmittelbarer Abhängigkeit zu einem anderen Verfassungsorgan steht, sondern eigenständiges oberstes Bundesorgan.575 Die Mitglieder des Bundesrechnungshofes, also Präsident, Vizepräsident, Leiter der Prüfungsabteilungen und Prüfungsgebietsleiter (vgl. § 3 Abs. 1 BRHG), genießen gem. Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG richterliche Unabhängigkeit. Der Präsident und der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes werden gem. § 5 Abs. 1 S. 1 BRHG von Bundestag und Bundesrat jeweils ohne Aussprache auf Vorschlag der Bundesregierung für die Dauer 574  Vgl. Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 114 Rn. 76 f.; Engels, in: BK, GG, Art. 114 (2010) Rn. 158, besonders zur Unabhängigkeit gegenüber dem Parlament; differenzierend zur Charakterisierung als Hilfsorgan Hufeld, in: HStR III, § 56 Rn. 1, der eine besondere Nähe zum Bundestag sieht. 575  Vgl. Schwarz, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 114 Rn. 76 f.; Stern, StaatsR II, § 34 S. 450 f., zur Abgrenzung zum Verfassungsorgan.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

von zwölf Jahren gewählt. Der Bundespräsident ernennt die Gewählten zu Beamten auf Zeit. Eine Wiederwahl ist unzulässig. Es fragt sich, ob die Bundesregierung bei der Ausübung ihres Vorschlagsrechts und Bundestag sowie Bundesrat bei ihrer Wahlentscheidung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG gebunden sind. Das Grundgesetz enthält keine amtsspezifischen Vorschriften über die Bestellung der Mitglieder des Bundesrechnungshofes, sondern überlässt diese dem einfachen Gesetzgeber. Eine für eine Begrenzung der Gleichheitssätze erforderliche kollidierende Grundgesetzbestimmung ist nicht ersichtlich. Für eine am Leistungsgrundsatz orientierte Personalauswahl spricht demgegenüber die Aufgabe des Rechnungshofes, Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zu prüfen, was durch eine leistungswidrige, anschauungsgebundene Personalauswahl gefährdet würde. Das bestätigt § 1 S. 1 BRHG, wonach der Bundesrechnungshof als unabhängiges Organ der Finanzkontrolle576 nur dem Gesetz und nicht etwa parteipolitischen Erwägungen unterworfen ist. Zudem fordert § 3 Abs. 3 BRHG alternativ für Präsident oder Vizepräsident die Qualifikation zum Richteramt und im Übrigen für die Mitglieder die Befähigung für eine Laufbahn des höheren Dienstes und vielseitige Erfahrungen, was ebenfalls für eine Bestenauslese spricht.577 Folglich unterliegen die Ausübung des Vorschlagsrechts durch die Bundesregierung und die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes sowie die Bestellung der übrigen Mitglieder mangels grundgesetzlicher Begrenzung der besonderen Gleichheitssätze den Vorgaben der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG. Gleiches gilt für die Wahl des Präsidenten und der anderen Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landesrechnungshofes durch den Landtag und die anschließende Ernennung durch die Landesregierung gem. Art. 87 Abs. 2 Verf. NW.578

576  Vgl. zur Unabhängigkeit etwa Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 114 Rn. 31 f.; Engels, in: BK, GG, Art. 114 (2010) Rn. 156 ff., auch zur Unabhängigkeit gegenüber dem Parlament (Rn. 158). 577  Vgl. Engels, in: BK, GG, Art. 114 (2010) Rn. 151 f., der allerdings zur Bindung der Wahlorgane an Eignungskriterien keine genaueren Aussagen macht. 578  Vgl. dagegen für Einschränkungen des Art. 33 Abs. 2 GG durch das Demokratieprinzip VG Potsdam, Beschl. v. 22.12.2006 – 2 L 745 / 06 –, Juris: Rn. 20, zur Wahl der Landesrechnungshofmitglieder gem. Art. 107 Abs. 2 S. 1 Verf. Bbg.



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2. Vorstand und Mitarbeiter der Bundesbank Fraglich ist weiterhin, ob Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern der Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter der Bundesbank begrenzt ist. Gem. Art. 88 S. 1 GG errichtet der Bund eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank. Die Mitglieder des Bundesbankvorstandes werden gem. § 7 Abs. 3 BBankG vom Bundespräsidenten regelmäßig für acht Jahre bestellt. Die Bestellung des Präsidenten und des Vizepräsidenten sowie eines weiteren Mitglieds erfolgt auf Vorschlag der Bundesregierung, die der übrigen drei Mitglieder auf Vorschlag des Bundesrates im Einvernehmen mit der Bundesregierung. Gem. § 7 Abs. 4 S. 1 BBankG stehen die Vorstandsmitglieder in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Es fragt sich, ob Bundesregierung und Bundesrat bei der Ausübung ihres Vorschlagsrechtes an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG gebunden sind. Außer der genannten Einrichtungsgarantie579 enthält das Grundgesetz keine speziellen Vorschriften zur Organisation der Bundesbank, insbesondere nicht zur Vergabe der dort eingerichteten öffentlichen Ämter. Es ist nicht ersichtlich, warum bei der Besetzung der Vorstandsämter das Leistungsprinzip oder das Benachteiligungs- und Bevorzugungsverbot der besonderen Gleichheitssätze außer Acht zu lassen sein sollten. Vielmehr deutet die in § 7 Abs. 3 S. 4 BBankG vorgesehene Anhörung des Bundesbankvorstandes vor der Ausübung des Vorschlagsrechtes darauf hin, dass der geldpolitische Sachverstand der Bundesbank genutzt werden soll, um den am besten geeigneten Kandidaten zu finden. Zudem sollen die Bundesbank und ihr Vorstand gem. Art. 88 S. 2 GG, § 12 S. 1 BBankG gerade nicht in einem weisungsabhängigem Verhältnis zur Bundesregierung stehen, sondern geldpolitische Unabhängigkeit580 genießen. Für die Beamten, Angestellten und Arbeit der Bundesbank gelten gem. § 31 BBankG die allgemeinen Vorschriften über den Zugang zum öffentlichen Dienst, sodass diese Amtsträger ebenso wenig politisch gebunden ausgewählt werden dürfen. Folglich unterliegt der Zugang zu den Vorstands- und Mitarbeiterämtern der Deutschen Bundesbank mangels grundgesetzlicher Begrenzung der be579  Vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 88 Rn. 9, für eine (erfüllte) Einrichtungsund nun fortbestehende Bestandsgarantie; ebenso Blanke, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 88 Rn. 4. 580  Vgl. Blanke, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 88 Rn. 33 ff.; Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 88 Rn. 5, 12, 71 ff., zur nachträglich durch Art. 88 S. 2 GG ausdrücklich verfassungsrechtlich verankerten Unabhängigkeitsgarantie im europäischen Bankensystem; zur früher fehlenden Unabhängigkeitsgarantie Hahn / Häde, in: BK, GG, Art. 88 (1999) Rn. 244.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

sonderen Gleichheitssätze den Vorgaben der Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG.581 3. Leitungsämter sonstiger Behörden Fraglich ist, ob Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf den Zugang zu den Leitungsämtern bislang nicht diskutierter Bundes- oder Landesbehörden begrenzt ist. Zu dieser Gruppe öffentlicher Ämter582 zählen etwa die Leiter oberster Bundes- und Landesbehörden, soweit diese nicht bereits von § 54 Abs. 1 BBG, § 37 Abs. 1 LBG NW erfasst sind, die Leitung der Bundesnetzagentur,583 die Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes584 oder Schulleiter585. Im Hinblick auf einen politisch gebundenen Ämterzugang kommt – vergleichbar mit den politischen Beamten –586 eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG in Betracht, soweit das Grundgesetz die Funktionsfähigkeit der betroffenen Behörden voraussetzt und diese durch die Auswahl der betroffenen Beamten nach Maßgabe ihrer politischen Anschauungen gefördert wird. Dazu muss der Amtsträger in einem solchen Maß Transformationsund Steuerungsaufgaben oder Repräsentationsaufgaben für die jeweilige Behörde wahrnehmen, dass seine politischen Anschauungen darüber entscheiden, ob er seine Aufgabe wirksam wahrnehmen kann. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist eine Normenkollision zwischen der jeweiligen Grundgesetzbestimmung und Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu bejahen, die als Quasi-Gesetzesvorbehalt wirkt. In Anbetracht der Vielzahl potenziell betroffener Ämter kann hier nicht abschließend über das Vorliegen der genannten Voraussetzungen entschie581  Vgl. für Bindung an Art. 33 Abs. 2 GG Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 22. 582  Vgl. für den Amtscharakter i. S. v. Art. 33 Abs. 2 GG Frenzel, ZBR 2008, 243 (251); s. allgemein zum Begriff des öffentlichen Amtes schon 2. Kap. B. 583  Vgl. § 3 Abs. 3 S. 1 BEGTPG zur Benennung des Präsidenten und der Vizepräsidenten durch die Bundesregierung auf Vorschlag des Beirates; ausführlich zur beabsichtigten „Entpolitisierung des Vollzugs“ Frenzel, ZBR 2008, 243 (247 ff.). 584  Vgl. § 26 Abs. 1 AGG zur Ernennung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes durch den Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Vorschlag der Bundesregierung; ferner Frenzel, ZBR 2008, 243 (250). 585  Vgl. für eine Wahl von Schulleitern auf Zeit zuletzt Rüttgers, Parteien, S. 94; dagegen BVerfGE 121, 205 – Leitungsamt auf Zeit; zur derzeitigen Wahl durch die um einen Vertreter des Schulträgers erweiterte Schulkonferenz nach Vorauswahl durch die obere Schulaufsichtsbehörde s. § 61 SchulG NW; die Geltung von Art. 33 Abs. 2 GG (jedenfalls) für das Verfahren der Schulaufsichtsbehörde setzt zuletzt etwa OVG NW, DÖV 2012, 815 Nr. 793 LS (Juris: Rn. 39 ff.), voraus. 586  Siehe schon 4. Kap. C. III. 3. e).



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den werden. Unter Berücksichtigung der Aufgaben der genannten Amtsträger ist jedenfalls nicht erkennbar, inwiefern eine politisch gebundene Personalauswahl der Erreichung verfassungsrechtlich legitimer Ziele förderlich wäre.587 Folglich ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf den politisch gebundenen Zugang zu den Leitungsämtern sonstiger Behörden nicht begrenzt, soweit eine Berücksichtigung politischer Anschauungen nicht ausnahmsweise verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. 4. Leitungsämter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten Fraglich ist, ob Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf den Zugang zu den Leitungsämtern öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG begrenzt wird. Zu diesen Ämtern zählen unter anderem der Intendant und die Direktoren des Westdeutschen Rundfunks Köln.588 Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten gehören zu der klassischen Ausnahmetrias derjenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die sich bei der Erfüllung ihres Auftrages in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage589 i. S. v. Art. 19 Abs. 3 GG befinden. Sie sind daher als Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG anerkannt.590 Zwar äußert etwa Stern Bedenken, ob sich die Rundfunkanstalten angesichts ihrer Aufgaben ohne Weiteres der vollziehenden Gewalt i. S. v. Art. 1 Abs. 3 GG zurechnen lassen,591 doch sind sie gleichwohl – unbeschadet ihrer partikularen Grundrechtsberechtigung – nicht aus dem staatlichen Gefüge herauszulösen. Grundrechtsbindung und gleichzeitige Grundrechtsverpflichtung einer Rechtsperson schließen sich in dieser speziellen

587  Vgl. Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (251 ff.), auch zu demokratietheoretischen Bedenken; unklar Frenzel, ZBR 2008, 243 (251), der zwar Art. 33 Abs. 2 GG grds. für anwendbar hält, aber gleichwohl von einer – wohlmöglich einfachgesetzlich legitimierten – „Durchbrechung des Leistungsprinzips“ (ebd.) ausgeht. 588  Vgl. § 24 Abs. 1 WDR-Gesetz zur Wahl des Intendanten; § 16 Abs. 2 Nr. 3, 4 WDR-Gesetz zur Wahl der Direktoren auf Vorschlag des Intendanten. 589  Vgl. entsprechend zu Universitäten Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 211; allgemein zum Begriff der grundrechtstypischen Gefährdungslage Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 91. 590  Vgl. BVerfGE 119, 181 (211) – Rundfunkgebühren; Krebs, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rn. 50; Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 97, je m. w. N. 591  Vgl. Stern, StaatsR III / 1, § 74 S. 1336; s. aber BVerfGE 47, 198 (223) – Wahlwerbespot, das die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Rundfunkanstalten dem Bereich der „öffentlichen Verwaltung“ (ebd.) zuordnet.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Situation nicht aus.592 Soweit eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hoheitlich auf Grundrechtsgüter Privater einwirkt, ist sie grundrechtsgebunden.593 Dies gilt insbesondere dann, wenn sich ein Grundrechtsträger um ein Amt der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bewirbt, sodass die Anstalten bei Auswahlentscheidungen prinzipiell an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG gebunden sind. Gleichzeitig können sich die Rundfunkanstalten dabei zwar prinzipiell auf ein grundrechtliches Selbstverwaltungsrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen,594 doch verlangt ein solches Selbstverwaltungsrecht keinen politisch gebundenen Zugang zu ihren öffentlichen Ämter: Vielmehr ist das normgeprägte Grundrecht der Rundfunkfreiheit durch das Strukturprinzip der Parteiferne geprägt.595 Damit ist der politisch gebundene Zugang zu den Leitungsämtern öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten unvereinbar. Folglich wird Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf den Zugang zu den Leitungsämtern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG begrenzt.596 Zwar wäre es de lege ferenda denkbar, staatliche Stellen im Interesse eines besonderen Freiheitsbereiches partiell von ihrer Bindung an die besonderen Gleichheitssätze freizustellen, um etwa den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch einen anschauungsge­ ­ bundenen Ämterzugang binnenplural auszugestalten, doch ist der dazu erforder­liche bundesverfassungsrechtliche Anknüpfungspunkt (derzeit) nicht ersichtlich.

592  Unter Berufung auf das Konfusionsargument hatte die Rspr. ein Zugleich von Grundrechtsbindung und -berechtigung ursprünglich abgelehnt, vgl. BVerfGE 21, 362 (369 f.) – Sozialversicherungsträger; dagegen: Dreier, in: ders., GG I, Art. 19 III Rn. 59; Schnapp, in: HGR II, § 52 Rn. 27 ff.; Krebs, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rn. 47; Sachs, in: ders., GG, Art. 19 Rn. 90, der ausdrücklich darauf hinweist, dass gleichzeitige Grundrechtsbindung und -berechtigung nur „grundsätzlich“ ausgeschlossen seien; kritisch auch Mehde, in: MD, GG, Art. 28 II (2012) Rn. 16; unklar Kempen, in: HGR II, § 54 Rn. 43. 593  Vgl. für Grundrechtsbindung bei Zulassungsentscheidungen und schlichter Hoheitsverwaltung: BVerfGE 47, 198 (222 ff.) – Wahlwerbespot; 69, 257 (266 ff.) – Wahlwerbespot WDR; Stern, StaatsR III / 1, § 74 S. 1340 f. 594  Vgl. so wohl Stern, StaatsR I2, § 12 S. 397. 595  Vgl. Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 101. Gegen Beeinträchtigungen der Chancengleichheit der Parteien – insbesondere im Vorfeld von Wahlen siehe auch BVerfGE 47, 198 (225) – Wahlwerbespot; 69, 257 (268) – Wahlwerbespot WDR; allgemein zum „Gebot der politisch-weltanschaulichen […] Ausgewogenheit“ Wendt, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 5 Rn. 52. 596  Vgl. ebenso für Bindung an Art.  33 Abs. 2 GG Dollinger / Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 33 Rn. 36; wohl auch Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 23; dagegen für „freie Wahl der Intendanten“ Mußgnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (251).



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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5. Leitungsämter der Universitäten Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG könnte im Hinblick auf den Zugang zu Leitungsämtern der staatlichen Hochschulen durch Art. 5 Abs. 3 GG begrenzt werden. Zur Gruppe dieser Ämter zählen insbesondere die Mitglieder des Präsidiums beziehungsweise des Rektorats und die Mitglieder des Hochschulrates.597 Universitäten sind zwar im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG partiell grundrechtsberechtigt,598 unabhängig davon aber bei der Ausübung von Hoheitsbefugnissen grundrechtsgebunden.599 Eine Begrenzung der besonderen Gleichheitssätze könnte sich insoweit aus der Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ergeben. Nach der Rechtsprechung des BVerfG gewährt Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG den Trägern des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit „die zur Wahrung der Wissenschaftsfreiheit erforderlichen Mitwirkungsrechte und Einflussmöglichkeiten in den Organen der Hoch­ schulselbstverwaltung“600. Folgt man dieser Rechtsprechung, so stellt sich die Frage, ob das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen dadurch gefördert wird, dass die Träger der Wissenschaftsfreiheit Personalauswahlentscheidungen unter Berücksichtigung der politischen Anschauungen der Bewerber treffen dürfen. Überzeugende Gründe dafür sind indes nicht ersichtlich. Im Übrigen kommt jedenfalls für die Bestellung der Hochschulratsmitglieder durch das Ministerium gem. § 21 Abs. 3 S. 3 HG NW keine Freistellung von der Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG in Betracht, weil das Ministerium nicht Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ist und auch sonst nicht erkennbar ist, wieso die Wissenschaftsfreiheit eine solche Freistellung erfordern sollte. 597  Vgl. § 21 Abs. 3, 4 HG NW zur Auswahl und Bestellung der Mitglieder des Hochschulrates; § 17 i. V. m. § 14 Abs. 2 HG NW zur Wahl des Präsidiums bzw. Rektorats. Siehe ferner zur ausreichenden demokratischen Legitimation der Hochschulräte: Horst, Hochschulrat, S. 119 ff.; skeptisch Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 217b; offen gelassen von OVG NW, Beschl. v. 13.8.2010 – 6 A 3214 / 08 –, Juris: Rn. 68. 598  Vgl. Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 210; Jarass, in: ders. / Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 125. 599  Vgl. Schmidt-Aßmann, in: FS Thieme, 1993, S. 697 (708); Stern, StaatsR III / 1, § 74 S. 1340. 600  BVerfGE 95, 193 (209 f.), m. w. N.; vgl. daran anknüpfend Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 218: „Garantie der […] akademischen Selbstverwaltung“; wohl ebenso Stern, StaatsR I2, § 12 S. 397; dagegen aber Horst, Hochschulrat, S. 59 ff. Zu formellen Modifikationen der Anforderungen an das Berufungsverfahren durch Art. 5 Abs. 3 GG s. Neuhäuser, WissR 45 (2012), 248 (264 ff.). Dass Art. 16 Abs. 1 Verf. NW das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen garantiert, ist im Kontext der vorliegenden Fragestellung ohne Belang, da bundesverfassungsrechtliche Grundrechte grds. nicht durch Landes(-verfassungs-)recht begrenzt werden können.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Folglich wird Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf den Zugang zu den Leitungsämtern der Hochschulen nicht durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG begrenzt.601 Auch insoweit ist keine Verfassungsbestimmung ersichtlich, die im Hinblick auf einen anschauungsgebundenen Ämterzugang unter Durchbrechung der grundgesetzlichen Gleichheitssätze eine binnenplurale Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Hochschulen rechtfertigen könnte. 6. Ämter sonstiger Körperschaften der funktionalen Selbstverwaltung Möglicherweise dürfen die Ämter sonstiger Körperschaften der funktionalen Selbstverwaltung in Abhängigkeit von politischen Anschauungen der Bewerber vergeben werden. Dazu müssten Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG insoweit verfassungsrechtlich begrenzt sein. Funktionale Selbstverwaltung meint in Abgrenzung zur gebietsbezogenen kommunalen Selbstverwaltung die überwiegend aufgabenbezogene Selbstverwaltung.602 Als Leitungsämter sind also neben den Führungspositionen von Rundfunkanstalten und Universitäten, die hier aufgrund grundrechtlicher Bezüge separat behandelt wurden, etwa die Präsidenten der Kammern603 oder die Leitung der Bundesagentur für Arbeit604 erfasst, doch ist der Umfang der Selbstverwaltungskörperschaften heute im Detail kaum mehr überschaubar.605 Weiterhin sind auch die 601  Vgl. für Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 2 GG: VG Stuttgart, WissR 2013, 409; Dollinger / Umbach, in: ders. / Clemens, GG, Art. 33 Rn. 36; Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 115; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 32 Rn. 15; Kunig, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 33 Rn. 23; dagegen aber: Muß­ gnug, in: FS Schenke, 2011, S. 243 (248 f., 251); Classen, JZ 2002, 1009 (1013), der den Rektor beziehungsweise Präsidenten einer Hochschule mit einem Bürgermeister vergleicht und Art. 33 Abs. 2 GG unter Verweis auf „die grundrechtliche Freiheit“ (ebd.) für unanwendbar hält. 602  Vgl. Grzeszick, in: MD, GG, Art. 20 II (2010) Rn. 173; Kluth, Selbstverwaltung, S.  12 f. 603  Vgl. etwa § 14 lit. b LWKG NW zur Wahl des Präsidenten der Landwirtschaftskammer durch die Hauptversammlung. Auch die Selbstverwaltung der Wirtschaft ist entgegen anders lautenden Auffassungen nicht grundrechtlich geschützt, da die betroffenen Selbstverwaltungskörperschaften keine freiheitlich zusammengesetzten Interessenvertretungen sind, sondern öffentliche Aufgaben erfüllen, vgl. BVerfG (K), NVwZ 2002, 335 (336 f.), m. w. N.; daran festhaltend zuletzt VGH München, NVwZ 2013, 236; Kleine-Cosack, Autonomie, S. 89 ff., m. w. N.; ferner in anderem Kontext, doch ebenfalls gegen grundrechtlichen Anspruch auf Beibehaltung öffentlich-rechtlicher Organisationsformen BVerfG (K), NJW 1995, 514. 604  Vgl. § 382 Abs. 1 S. 1 SGB III zur Benennung des Vorsitzenden und der übrigen Mitglieder des Vorstands durch die Bundesregierung auf Vorschlag des Verwaltungsrats; dazu Frenzel, ZBR 2008, 243 (249). 605  Vgl. schon Stern, StaatsR I2, § 12 S. 400.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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Mitglieder der gewählten Vertretungsorgane, soweit solche etwa in Kammern oder Studierendenschaften606 vorgesehen sind, Inhaber öffentlicher Ämter, die prinzipiell nicht anschauungsgebunden vergeben werden dürfen.607 Art. 28 Abs. 2 GG bietet insoweit keinen Ansatzpunkt für Begrenzungen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG; davon abgesehen enthält das Grundgesetz keine speziellen Selbstverwaltungsgarantien.608 Insoweit könnte das Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 1, 2 GG Begrenzungen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG rechtfertigen. Subjekt der demokratischen Legitimation ist das deutsche Volk i. S. v. Art. 116 GG beziehungsweise das jeweilige Landesstaatsvolk.609 Art. 28 Abs. 1 S. 2, 3 GG modifiziert dieses Legitimationssubjekt für die Wahl der kommunalen Vertretungen. Hingegen sind die in einer funktionalen Selbstverwaltungskörperschaft zusammengefassten Personen, die im Hinblick auf die zu regelnde Sachmaterie besonders betroffen erscheinen, für sich genommen nicht das Volk, von dem gem. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt ausgeht. Dennoch versteht das BVerfG die (funktionale) Selbstverwaltung als Ausprägung des demokratischen Prinzips und sieht zwischen beiden keinen Gegensatz, weil die Grundsätze der Selbstverwaltung und der Autonomie im Demokratieprinzip wurzelten.610 Insbesondere für die 606  Betroffen sind sowohl die Wahl der Mitglieder des Studierendenparlaments gem. § 54 Abs. 1 S. 3 HG NW als auch die Besetzung der Organe der Studierendenschaft wie der Studierendenausschuss und dessen Vorsitz (vgl. § 55 HG NW). Vgl. einfachgesetzlich § 53 Abs. 2 S. 1 HG NW für das Selbstverwaltungsrecht der Studierendenschaft; für Grundrechtsberechtigung in Bezug auf Art. 5 Abs. 3 GG VerfGH Berlin, NVwZ 2001, 426, zum landesverfassungsrechtlichen Pendant zu Art. 5 Abs. 3 GG; dem folgend wohl Kluth, Selbstverwaltung, S. 54 ff., der die Studentenschaften immerhin zur „grundrechtsgetragene[n] Selbstverwaltung“ (Kapitelüberschrift) zählt. Folgt man dem, könnten die besonderen Gleichheitssätze in Bezug auf die freie Ämtervergabe durch kollidierende Grundrechte begrenzt sein; hingegen mit beachtlichen Gründen gegen Grundrechtsberechtigung Dreier, in: ders., GG I, Art. 19 III Rn. 61, m. w. N.; gegen Grundrechtsberechtigung in Bezug auf Meinungsäußerungsfreiheit Geis, in: FS Würtenberger, 2013, S. 1137 (1142). Geis, ebd., S. 1145, hält Studierendenschaften zwar für verfassungskonform, bezeichnet sie aber gleichwohl als „eher anachronistische Erscheinung“ (ebd.). 607  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1839. 608  Vgl. Kleine-Cosack, Autonomie, S. 85; ferner etwa Sachs, in: ders., GG, Art. 87 Rn. 55, gegen Selbstverwaltungsgarantie zugunsten der Sozialversicherungsträger aus Art. 87 Abs. 2 GG. 609  Vgl. Robbers, in: BK, GG, Art. 20 I (2008) Rn. 569 ff.; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 27a  f.; ferner Kleine-Cosack, Autonomie, S. 107: „primäre demokratische Legitimation“, der zugleich weitere Legitimationsverfahren für grds. möglich hält. 610  Vgl. BVerfGE 107, 59 (91 f.) – Lippeverband; 111, 191 (215 ff.) – Notarkassensatzung; ohne Bedenken auch Pappermann, ZBR 1968, 297 (302); Kluth, Selbst-

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Selbstverwaltung der Wirtschaft soll die repräsentative Partizipation prägend sein, wobei durch die Wahlen des jeweils betroffenen Teil-Volkes demokratische Legitimation vermittelt werden soll.611 Unabhängig von der umstrittenen Überzeugungskraft dieser Auffassung612 verbleiben Zweifel, ob das Demokratieprinzip Begrenzungen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Hinblick auf den Zugang zu den öffentlichen Ämtern funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften rechtfertigen kann. Wollte man dies annehmen, wäre es kaum mehr möglich, den einfachen Gesetzgebern von Bund und Ländern dogmatisch überzeugende Schranken zu setzen, um die vermehrte Einführung von Selbstverwaltungskörperschaften und die damit verbundene Freistellung der Vergabe einer Vielzahl von öffentlichen Ämtern von den Maßgaben der besonderen Gleichheitssätze zu verhindern. Das Demokratieprinzip ließe dann keine Grenze erkennen, welche Ämter in freier (politischer) Wahl durch die Organe der jeweiligen Körperschaft besetzt werden dürften und für welche Ämter Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG einschlägig sein sollte. Insbesondere lässt sich die Grenze zulässiger Selbstverwaltung nicht in Anlehnung um die Diskussion um das Satzungsrecht von Selbstverwaltungskörperschaften gegenüber Externen anhand der Frage ziehen, ob die betroffene Körperschaft mit Außenwirkung gegenüber Dritten handelt. Denn die Vergabe öffentlicher Ämter berührt stets unmittelbar die Allgemeinheit und nicht nur die gruppenspezifische Interessen derjenigen, die in einer Selbstverwaltungskörperschaft zusammengefasst sind.613 Eine von der Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG freistellende Wirkung lässt sich dem Demokratieprinzip daher nicht entnehmen.614 verwaltung, S. 342 ff., der sogar eine erhöhte demokratische Legitimation bei den Trägern funktionaler Selbstverwaltung feststellt; Robbers, in: BK, GG, Art. 20 I (2008) Rn. 717, 771 ff.; Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 20 Rn. 28 ff. 611  Vgl. Will, Selbstverwaltung, S. 899, 904 f. 612  Vgl. kritisch Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 44, m. w. N.; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Rn. 182, der die Möglichkeiten zum Ausbau der funktionalen Selbstverwaltung durch das Demokratieprinzip begrenzt sieht; Köl­ ler, Selbstverwaltung, S. 209, die das „verfassungsrechtlich vorgegebene Legitimationsniveau durch funktionale Selbstverwaltungskörperschaften nicht erreicht“ (ebd.) sieht und daher eine Ausnahmebestimmung in das Grundgesetz aufnehmen will; Papenfuß, Autonomie, S. 157 f., der eine Kompensation des Defizits an personeller demokratischer Legitimation nur dann zulässt, „wenn die autonome normative Regelung lediglich mittelbare Außenwirkung entfaltet und diese zur Erfüllung der legitimen Aufgaben notwendig und unvermeidbar ist“ (S. 158). 613  Vgl. gleichwohl mit dieser Differenzierung Kleine-Cosack, Autonomie, S. 141. 614  Siehe schon 4. Kap. C. V. 2. c). Vgl. ebenfalls skeptisch Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1839; für Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 2 GG auf den Zugang zu Ämtern der Kammern: Höfling, in: BK, GG, Art. 33 I–III (2007) Rn. 115; Jachmann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 33 Rn. 15; Kunig, in: v. Münch /  Kunig, GG, Art. 33 Rn. 23.



C. Einzelfälle politisch gebundener öffentlicher Ämter

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Allenfalls denkbar erscheint es, in Anlehnung an die Argumentation zu den politischen Beamten eine Begrenzung des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG durch eine grundgesetzlich vorausgesetzte Funktionsfähigkeit funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften in der Bundes- und Landesverwaltung anzunehmen. Dazu müsste diese Form der Selbstverwaltung bundesverfassungsrechtlich mindestens zugelassen sein. Tatsächlich sehen Art. 86 S. 1, Art. 87 Abs. 2, 3, Art. 130 Abs. 3 GG Verwaltung durch bundesunmittelbare eigenständige Körperschaften vor, sodass die funktionale Selbstverwaltung nicht per se verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist.615 Fraglich ist aber, ob sich diese Anerkennung funktionaler Selbstverwaltung mit BVerfGE 107, 59 etwa auf Wasserverbände erstrecken lässt, weil das Grundgesetz durch Art. 87 Abs. 2 GG die historisch gewachsene Selbstverwaltung als verfassungsgemäß anerkannt habe.616 Zudem müsste ein politisch gebundener Zugang zu den betroffenen Ämtern – etwa durch freie Wahl – mindestens förderlich sein, um die Funktionsfähigkeit der jeweiligen Selbstverwaltungskörperschaft zu sichern. Ob dies für einzelne Ämter innerhalb der funktionalen Selbstverwaltung der Fall ist, erscheint durchaus zweifelhaft,617 kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit aufgrund der Vielzahl potenziell betroffener Ämter nicht abschließend beurteilt werden. 7. Unterschiedliche Beauftragte von Bund und Ländern Im Jahr 2006 gab es auf Bundesebene nach Angaben der Bundesregierung 27 Beauftragte, die die Bundesregierung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in ganz unterschiedlichen Angelegenheiten unterstützt haben.618 615  Vgl. Grzeszick, in: MD, GG, Art. 20 II (2010) Rn. 181, 186; Kleine-Cosack, Autonomie, S. 93, dort aber auch gegen eine historische Legitimation vorkonstitu­ tioneller Formen von funktioneller Selbstverwaltung der Wirtschaft. 616  Vgl. BVerfGE 107, 59 (89 f.) – Lippeverband, unter Verweis auf BVerfGE 10, 89 (102) – Erftverband; 15, 235 (242) – IHK-Pflichtzugehörigkeit; 37, 1 (25) – Wein-Stabilisierungsfonds; 101, 312 (322 f.) – Bundesrechtsanwaltsordnung; kritisch dazu etwa Grzeszick, in: MD, GG, Art. 20 II (2010) Rn. 179; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 44. Petersen, NVwZ 2013, 841 (845), sieht die Legitimation von Selbstverwaltungsorganen in deren höherer Effizienz. 617  Vgl. Sachs, in: Stern, StaatsR IV / 2, § 122 S. 1839; ferner Kleine-Cosack, Autonomie, S. 205 f., gegen eine unbesehene Übernahme allgemeiner Wahlrechtsgrundsätze. Will, Selbstverwaltung, beantwortet diese Frage in seiner umfangreichen Monographie, soweit ersichtlich, nicht ausdrücklich, hält aber etwa im Fall einer „Erschütterung des Vertrauensverhältnisses“ (S. 477) die Abberufung eines IHKHauptgeschäftsführers für zulässig. 618  Vgl. BT-Drs. 16 / 801, S. 5 ff.; kritisch dazu Mandelartz, LKRZ 2010, 441 (441 f., 443); umfassend zum Recht der Beauftragten die Monographie von Kruse, Beauftragte.

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Weitere Beauftragte werden von den Landesregierungen eingesetzt, wobei die Berufungsverfahren und Dienstverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind und hier nicht im Einzelnen dargestellt werden können. Exemplarisch soll das Recht der Datenschutzbeauftragten überblicksartig analysiert werden. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit wird gem. § 22 Abs. 1 BDSG auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundestag gewählt und anschließend vom Bundespräsidenten ernannt.619 Ein vergleichbares Verfahren sieht Art. 77a Verf. NW für den nordrhein-westfälischen Landesbeauftragten für Datenschutz vor. Gem. § 22 Abs. 4 S. 1 BDSG steht der Bundesdatenschutzbeauftragte in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis sui generis und ist daher zur Wahrung seiner Unabhängigkeit gem. § 22 Abs. 4 S. 2 BDSG, Art. 77a Abs. 2 S. 1 Verf. NW kein Beamter.620 In Anbetracht der Bindung der Datenschutzbeauftragten an die staatlichen Datenschutzgesetze ist nicht ersichtlich, weshalb politische Anschauungen für den Zugang zum Amt eines Datenschutzbeauftragten ausschlaggebend sein sollten. Zulässig wäre dies ausschließlich im Falle einer verfassungsrechtlichen Begrenzung der besonderen Gleichheitssätze. Unabhängig von dem einfachgesetzlich vorgesehenen parlamentarischen Wahlakt gelten folglich für den Zugang zu diesem Amt die Vorgaben des Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 2 GG.621 Gleiches gilt für die übrigen Beauftragten der Bundesregierung, sofern nicht ausnahmsweise eine bundesverfassungsrechtliche Rechtfertigung vorhanden ist.

D. Zwischenergebnis zum 4. Kapitel Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbietet Benachteiligungen und Bevorzugungen wegen der politischen Anschauungen durch die grundrechtsgebundene Staatsgewalt. Dieses Verbot gilt nicht zuletzt für die Vergabe öffentlicher Ämter. Sollen öffentliche Ämter gleichwohl politisch gebunden vergeben werden, so sind damit verbundene Beeinträchtigungen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich begründungsbedürftig. 619  Vgl. gegen „politische Zweckmäßigkeitskontrolle“ Kruse, Beauftragte, S. 220, ohne Aussagen zur Bindung von Bundesregierung und Bundesrat an bestimmte Auswahlkriterien. 620  Vgl. gleichwohl für Zuordnung zur Verwaltung Kruse, Beauftragte, S. 214 ff. 621  Vgl. für Bindung an Art. 33 Abs. 2 GG: Pieper, in: Schmidt-Bleibtreu u. a., GG, Art. 33 Rn. 22; Zöllner, Datenschutzbeauftragter, S. 39 ff.; ebenso für Gleichstellungsbeauftragte Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 33 Rn. 3; dagegen für einen parlamentarisch gewählten Landesbeauftragten für Stasiunterlagen OVG LSA, DVBl. 2011, 314 LS; DVBl. 2012, 1450 LS (Juris: Rn. 3): „auf einen politischen Konsens gerichtet“.



D. Zwischenergebnis zum 4. Kapitel

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Begrenzt wird Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG ausschließlich durch Bundesverfassungsrecht. Grundgesetzbestimmungen, die mit dem besonderen Gleichheitssatz kollidieren, können wie eine tatbestandliche Begrenzung oder wie ein Gesetzesvorbehalt wirken. Eine quasi-tatbestandliche Begrenzung durch kollidierendes Bundesverfassungsrecht ist insbesondere für diejenigen öffentlichen Ämter zu bejahen, für die das Grundgesetz unter Verdrängung der besonderen Gleichheitssätze eine demokratische Wahl vorschreibt, also Bundestags- und Landtagsabgeordnete sowie die Mitglieder der kommunalen Vertretungen. Weiterhin sind die Mitglieder der weiteren Verfassungsorgane des Bundes wegen ihrer besonderen Stellung und wegen der grundgesetzlich vorgeschriebenen Auswahlmodalitäten quasi-tatbestandlich nicht erfasst, also der Bundespräsident, die Mitglieder der Bundesregierung, die Richter des Bundesverfassungsgerichts und Funktionsträger von Bundestag und Bundesrat, weiterhin auch parlamentarische Staatssekretäre. Wegen der Verfassungsautonomie der Länder sind die Mitglieder der Verfassungsorgane der Länder quasi-tatbestandlich aus dem Anwendungsbereich der besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes ausgeschlossen. Begrenzungen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG durch Quasi-Gesetzesvorbehalte kommen hingegen dann in Betracht, wenn Grundgesetzbestimmungen zwar mit den besonderen Gleichheitssätzen kollidieren, diese aber nicht unabhängig von den an grundrechtsbeschränkende Gesetze zu stellenden Anforderungen verdrängen. In solchen Fällen sind die kollidierenden Verfassungsbelange durch Herstellung praktischer Konkordanz in möglichst schonenden Ausgleich zu bringen. In Anwendung dieser Grundsätze kommt die Arbeit zu folgenden Ergebnissen: Im Hinblick auf die Vergabe der Ämter der Bundes- und Landesrichter ist Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG mangels Kollision von Verfassungsbestimmungen nicht begrenzt, sodass diese Ämter nicht politisch gebunden vergeben werden dürfen. Die politisch gebundene Vergabe der Ämter der von § 30 Abs. 1 BeamtStG erfassten sogenannten politischen Beamten kann gerechtfertigt sein durch die grundgesetzlichen Vorschriften, die die Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane – insbesondere der Bundesregierung – schützen, soweit die Berücksichtigung politischer Anschauungen die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Staatsorgans fördert. Entsprechendes gilt für Soldaten i. S. v. § 50 SoldG und sonstige öffentliche Ämter insbesondere in Körperschaften der funktionalen Selbstverwaltung. Die Ämter der kommunalen Wahlbeamten dürfen gem. Art. 28 Abs. 2 GG zur Förderung der kommunalen Selbstverwaltung kraft landesgesetzlicher Anordnung politisch gebunden vergeben werden, soweit es sich um Ämter handelt, die wesentlich für die Aufrechterhaltung einer effektiven kommunalen Selbstverwaltung sind, weil sie die Identität und die eigenständige

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Kap. 4: Nach politischen Anschauungen differenzierende Vergabe

Aufgabenerfüllung der jeweiligen Kommunalgliederung prägen und soweit die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze gewahrt sind. Daher ist eine Begrenzung für Bürgermeister und Landräte zu bejahen, für kommunale Beigeordnete, Kreisdirektoren und leitende Beamte der Landschaftsverbände hingegen abzulehnen.

Kapitel 5

Ergebnisse und Ausblick Die besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes haben einen umfassenden, strikten Geltungsanspruch. Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verbietet der grundrechtsgebundenen Staatsgewalt jede Benachteiligung oder Bevorzugung eines Grundrechtsträgers unter Anknüpfung an dessen religiöse oder politische Anschauungen. Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV konkretisieren dieses Verbot speziell für den religiös bedingten Zugang zu öffentlichen Ämtern. Dieser umfassende Geltungsanspruch wird in der Rechtspraxis der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf unterschiedliche öffentliche Ämter relativiert. Es existieren Ämter, die vom Staat unter Anknüpfung an religiöse oder politische Anschauungen der Bewerber vergeben werden. Die religiöse Bindung betrifft insbesondere Anstaltsseelsorger, Religionslehrer, Theologieprofessoren sowie weitere Lehrer und Professoren unterschiedlicher Fachbereiche. Unter Anknüpfung an politische Anschauungen werden vor allem Ämter innerhalb der obersten Bundes- und Landesorgane einschließlich der Verfassungsgerichte, die Ämter politischer Beamter sowie die Ämter kommunaler Wahlbeamter vergeben. Diese Praxis provoziert die Frage nach einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Beeinträchtigungen grundgesetzlicher Gleichbehandlungsinteressen. An dieser Stelle liegt das Problem, zu dessen Lösung diese Arbeit ihren Teil beitragen möchte: Die anschauungsgebundene Vergabe öffentlicher Ämter kann verfassungsgemäß sein, sie muss dazu aber grundgesetzlich legitimiert sein. Die vielfach angeführte Natur einer Sache kann die anschauungsgebundene Ämtervergabe ebenso wenig rechtfertigen wie der pauschale Verweis auf religiöse oder politische Anschauungen als Eignungsbestandteil im Sinne einer Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG. Rechtsprechung und Literatur verkennen die Bedeutung der grundrechtlichen Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbote, wenn sie die anschauungsgebundene Vergabe öffentlicher Ämter allein im Kontext der Bestenauslese diskutieren. Vielmehr ist in einem vorgelagerten Schritt zu fragen, ob und auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage die grundrechtsgebundene Staatsgewalt trotz ihrer Bindung an Art. 3 Abs. 3 S. 1, Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV öffentliche Ämter einrichten darf, die eine anschauungsgebundene Vergabe erfordern oder zulassen. Ebenfalls rechtfertigungsbedürftig ist eine sogenannte Kettenan-

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Kap. 5: Ergebnisse und Ausblick

knüpfung an das religiöse Bekenntnis, die dann vorliegt, wenn der Staat Dritten – insbesondere den Religionsgemeinschaften – Mitwirkungsrechte bei der Besetzung öffentlicher Ämter einräumt und seine eigene Vergabeentscheidung von einer bekenntnisgebundenen Zustimmung dieser Dritten abhängig macht. Vergleichbare Konstellationen ergeben sich – unbeschadet der noch zu diskutierenden Unterschiede – im Hinblick auf die politisch gebundene Vergabe öffentlicher Ämter, wenn staatliche Vergabeentscheidungen von einer politischen Wahl oder einem politisch beeinflussten Vertrauensverhältnis zu einem Amtsträger abhängig gemacht werden. Verfassungsrechtlich zulässig sind solche Regelungen nur bei entsprechenden Begrenzungen der besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes. Diese Grundrechtsbegrenzungen können quasi-tatbestandlich begrenzend oder wie Gesetzesvorbehalte wirken. Im Falle der zuletzt genannten QuasiGesetzesvorbehalte hat der Gesetzgeber zudem die Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze zu wahren. Die besonderen Gleichheitssätze sind also stets nur insoweit begrenzt, als kollidierendes Verfassungsrecht dies zulässt. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG bedeutet dies nicht zuletzt, dass gegebenenfalls ausschließlich die religiösen oder politischen Anschauungen berücksichtigt werden dürfen, wenn der Gleichheitssatz nicht auch im Hinblick auf die anderen dort aufgeführten Merkmale begrenzt ist. Es hat sich bewährt, im Rahmen dieser Arbeit religiös und politisch gebundene öffentliche Ämter gegenüberzustellen. Der Vergleich hat gezeigt, dass in Bezug auf beide Ämtergruppen bislang beachtliche Rechtfertigungsdefizite bestehen. Zwar existiert insbesondere zu den konfessionell gebundenen Staatsämtern ein umfangreiches Schrifttum, doch nehmen weite Teile von Rechtsprechung und Literatur den Rechtfertigungsbedarf für religiös gebundene Ämter im Hinblick auf Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV nach wie vor nicht hinreichend ernst. Unterschiede ergeben sich insoweit daraus, dass mit dem Verbot einer Staatskirche gem. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV für die Zusammenarbeit von Staat und Religionsgesellschaften eine Spezialnorm vorliegt, während für den Bereich der Zusammenarbeit von Staat und politischen Parteien kein entsprechendes verfassungsrechtliches Pendant existiert. Allerdings konnte im 3. Kapitel dieser Arbeit [3. Kap. B.] gezeigt werden, dass nicht jedes religiös gebundene Amt gegen das Verbot einer Staatskirche verstößt, sondern eine religionsverfassungsrechtlich zulässige Ausgestaltung möglich ist. Vorrangiger Maßstab für die verfassungsrechtliche Bewertung konfessionell gebundener öffentlicher Ämter sind daher Art. 33 Abs. 3 S. 1, Art. 140 GG i. V. m. Art. 136 Abs. 2 WRV, da diese besonderen Gleichheitssätze jedenfalls – unabhängig von der Diskussion über den Begriff Staatskirche – einschlägig sind. Lässt sich die Einrichtung religiös gebundener



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Ämter am Maßstab der besonderen Gleichheitssätze rechtfertigen, so ist sie auch im Hinblick auf das Verbot der Staatskirche zulässig. Unterschiede zwischen konfessionell und politisch gebundenen öffentlichen Ämtern bestehen weiterhin nicht nur im Hinblick auf möglicherweise verletztes Verfassungsrecht, sondern auch im Hinblick auf die Rechtfertigungsstrukturen. So kommt bei der Rechtfertigung konfessionell gebundener Ämter den Grundrechten eine maßgebliche Bedeutung zu. Dabei kann es sich sowohl um explizite Gewährleistungen handeln, die religiös gebundene Ämter erforderlich machen – so etwa Art. 7 Abs. 3 GG, der Religionslehrer als Inhaber öffentlicher Ämter voraussetzt –, als auch um leistungsrechtliche Gehalte zumal der Religionsfreiheit, die zum Ausgleich andernfalls entstehender Defizite bei der Grundrechtsbetätigung religiös gebundene Ämter erfordern können – so etwa bei Militärseelsorgern. Demgegenüber spielen die Grundrechte für die Rechtfertigung politisch gebundener Ämter lediglich eine untergeordnete Rolle; vergleichbare Konstellationen ergeben sich noch am ehesten im Hinblick auf die Leitungsgremien von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (vgl. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) und Universitäten (vgl. Art. 5 Abs. 3 GG). Jedoch erfordert regelmäßig weder die Rundfunk- noch die Wissenschaftsfreiheit politisch gebundene Ämter, sodass insoweit kaum jemals eine Normenkollision mit Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu bejahen ist. Hingegen werden die politischen Ämter der Verfassungsorgane sowie Beamte i. S. v. § 30 Abs. 1 BeamtStG durchweg nicht eingesetzt, um Defizite bei der Grundrechtsbetätigung auszugleichen, sondern um die Funktionsfähigkeit der betroffenen Staatsorgane zu gewährleisten. Ähnliches gilt für die Vergabe der Ämter der kommunalen Wahlbeamten, bei denen die Wahl unter Berücksichtigung politischer Anschauungen zwar teilweise durch das subjektive Recht der Kommunen aus Art. 28 Abs. 2 GG gerechtfertigt ist, das indes trotz Rechtsdurchsetzungsgarantie kein Grundrecht gewährleistet.1 In diesem Zusammenhang bleibt ferner festzuhalten, dass die Besetzung religiös gebundener Staatsämter meist unter Mitwirkung betroffener Religionsgemeinschaften erfolgt, während bei den politisch besetzten Ämtern das (Teil-)Volk oder seine demokratisch legitimierten Repräsentanten entscheiden. Daher lassen sich die Rechtfertigungsstrukturen von religiös gebundenen Ämtern nur begrenzt auf politisch gebundene Ämter übertragen. Eine weitere Besonderheit religiös gebundener Staatsämter liegt darin, dass diese teilweise durch vertragliche Vereinbarungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften abgesichert sind. So sieht etwa das Reichskonkor1  Vgl.

etwa Mehde, in: MD, GG, Art. 28 II (2012) Rn. 18, 45.

500

Kap. 5: Ergebnisse und Ausblick

dat staatliche Anstaltsseelsorger2, Religionslehrer3 sowie Theologieprofessoren4 vor. Grundsätzlich können solche Verträge die Grundrechte nicht begrenzen, sofern das Grundgesetz nicht ausnahmsweise einen Vorbehalt für abweichendes (Völker-)Vertragsrecht enthält [s. schon 2. Kap. D. III. 2. c)]. Für religionsrechtliche Verträge ist ein solcher grundgesetzlicher Vorbehalt nicht ersichtlich. Gleichwohl bleibt die Bundesrepublik im Falle von Verträgen mit dem Hl. Stuhl völkerrechtlich verpflichtet, vertraglich eingegangene Verpflichtungen zu erfüllen, vgl. Art. 27 S. 1 WVK, selbst wenn das Vertragsgesetz verfassungswidrig sein mag; der Vertrag bleibt völkerrechtlich gültig.5 Erst recht reicht ein durch Neuwahlen manifestierter neuer politischer Wille nicht aus, um eine Anpassung völkerrechtlicher Verträge unter Berufung auf die clausula rebus sic stantibus zu verlangen.6 Nicht abschließend geklärt ist jedoch das Verhältnis von Bundesverfassungs- und Völkerrecht: Nach herkömmlicher Auffassung darf die Bundesrepublik zwar völkerrechtlich keine vertragswidrigen Gesetze erlassen, sie kann es aber nach innerstaatlichem Recht.7 Allerdings wird in der Literatur zuletzt diskutiert, ob der Gesetzgeber nicht – insbesondere durch das Rechtsstaatsprinzip – an Vertragsregelungen gebunden sei und deshalb auch nach innerstaatlichem Recht nicht von diesen abweichen dürfe.8 Unter Verweis auf ein entsprechendes Konkordat wird so etwa eine Abschaffung der vertraglich vorgesehenen Be2  Vgl.

Art. 19 MSV, Art. 27 RK. Art.  21 f. RK. 4  Vgl. Art. 19 RK, Art. 1 SKV NW. 5  Vgl. BVerfGE 123, 148 (149) – Jüdische Gemeinde Bbg, wo das Vertragsgesetz für nichtig erklärt wird, nicht aber der zugrunde liegende Vertrag; Rauschning, in: BK, GG, Art. 59 (2009) Rn. 140; Pirson, in: FS Liermann, 1964, S. 177 (192 ff.), der aber auf die kaum vorhandenen wirksamen Sanktionen für den Fall eines Vertragsbruches hinweist. 6  Vgl. Schier, Bestandskraft, S. 81. 7  Vgl. BVerfGE 6, 309 (363) – RK; Muckel, in: Tillmanns, Staatskirchenverträge, S. 23 (34 f.); Wengenroth, Staatskirchenverträge, S. 159 f.; für weitergehenden Vorrang des Verfassungsrechts unter Berufung auf den Grundsatz impossibilium nulla obligatio, wonach ein Vertragspartner nicht an einer völkervertraglichen Regel festgehalten werden dürfe, die dieser angesichts seiner nationalen Verfassungsbindung nicht erfüllen könne, Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche, S. 268 f.; Schachten, Staatsamt, S. 207. 8  Vgl. Anke, Staatskirchenverträge, S. 169; Germann, in: Mückl, Staatskirchenverträge, S. 91 (109 f.); Hense, in: FS Kirchhof, 2013, § 132 Rn. 15; Muckel, in: Friauf / Höfling, GG, Art. 140 (2011) Rn. 61; Muckel, in: de Wall / Muckel, Kirchenrecht, § 15 Rn. 5; Sachs, in: FS Klein, 2013, S. 321 (328), für eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Respektierung derjenigen Völkerverträge, die dem Grundgesetz nicht widersprechen. 3  Vgl.



Kap. 5: Ergebnisse und Ausblick501

kenntnisschule für nicht ohne Weiteres möglich gehalten.9 Unbeschadet der Überzeugungskraft des rechtsstaatlichen Bindungsarguments im Allgemeinen kann jedoch keine grundgesetzliche Bindung an verfassungswidrige Verträge angenommen werden.10 Relevant wird dieser Streit indes nur, sofern vertragliche Vereinbarungen zwischen Staat und Religionsgemeinschaften tatsächlich verfassungswidrig sind. Nach Möglichkeit ist das Grundgesetz so auszulegen, dass kein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik entsteht.11 Auf diesem Wege können also Verträge zwischen Staat und Religionsgemeinschaften mittelbar für die Rechtfertigung religiös gebundener öffentlicher Ämter relevant werden. Entsprechende Vereinbarungen für politisch gebundene Ämter sind nicht ersichtlich. Fragestellung und Vorgehensweise dieser Arbeit führen keineswegs zu einer kategorischen Ablehnung jeder anschauungsgebundenen Vergabe öffentlicher Ämter durch die grundrechtsgebundene Staatsgewalt. Es mag im Einzelfall verfassungspolitisch gute Gründe für die Anschauungsbindung geben, doch gehört es zur juristischen Redlichkeit, Durchbrechungen der besonderen Gleichheitssätze des Grundgesetzes als solche zu bezeichnen und sie auf eine verfassungsmäßige Grundlage zu stellen. Wünschenswert wäre eine möglichst klare Terminologie im Bereich der besonderen Gleichheitssätze, die zwischen grundsätzlich verbotener Benachteiligung beziehungsweise Bevorzugung, (quasi-)tatbestandlicher Begrenzung des Anwendungsbereiches und ausnahmsweiser Rechtfertigung einer Grundrechtsbeeinträchtigung differenzieren müsste [s. insbesondere 2. Kap. D. III.]. Damit verbunden ist die Erkenntnis, dass die Kompetenz der Juristen nicht unbegrenzt ist: Die hinter dem Streit um anschauungsgebundene Staatsämter stehenden inhaltlichen Probleme werden sich allein mit juristischen Mitteln nicht lösen lassen, wenn es etwa um die Frage geht, wie der Zusammenhalt der staatlichen Gemeinschaft bei Pluralisierung und kulturellreligiöser Vielfalt zu gewährleisten sein könnte.12 Entsprechendes gilt für den politischen Bereich: Eine repräsentative Demokratie benötigt hinreiThormann, DÖV 2011, 945 (951); auch Schier, Bestandskraft, S. 71 ff. Anke, Staatskirchenverträge, S. 236, für Beschränkung der vertraglichen Möglichkeiten auf den verfassungsrechtlichen Rahmen; ferner Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rn. 102 Fn. 408, gegen Primat des Völkerrechts. 11  Vgl. allgemein: BVerfGE 111, 307 (318) – Görgülü, mit Anmerkung Sachs, JuS 2005, 164 (165 f.); BVerfG (K), NVwZ-RR 2011, 793 Rn. 42; zur EMRK BVerfGE 128, 326 (367 f.) – Sicherungsverwahrung; Grabenwarter, JZ 2010, 857 (861); Rauschning, in: BK, GG, Art. 59 (2009) Rn. 138; Viellechner, EuGRZ 2011, 203 (204 ff.), der aber auch auf die Grenzen dieser Methode hinweist. 12  Vgl. Kokott, Der Staat 44 (2005), 343 (350). 9  Vgl.

10  Vgl.

502

Kap. 5: Ergebnisse und Ausblick

chend Bürger, die bereit sind, ein Staatsamt zu übernehmen. Bei der Aufgabe, diese Bürger heranzubilden, kommt den im gesellschaftlichen Bereich wurzelnden Parteien eine entscheidende Rolle zu.13 Vor diesem Hintergrund erscheint die Einführung einer Maximalquote politisch gebundener Beamter14 ebenso zweifelhaft und verfassungsrechtlich unzulässig wie die politisch gebundene Vergabe einer stetig zunehmenden Vielzahl von öffentlichen Ämtern. Insoweit müssen (Verfassungs-)Politiker versuchen, Lösungswege aufzuzeigen. Dass sie dies verfassungsrechtlich korrekt tun, ist jedoch unerlässlich, um die für notwendig erachteten anschauungsgebundenen Ämter abzusichern und die Amtsträger vor unnötigen gerichtlichen Auseinandersetzungen zu bewahren.

Lenski, PartG, § 1 Rn. 11, m. w. N. mit diesem Vorschlag aber Kloepfer, ZBR 2001, 189 (190, 193), der sogar ein Verbot der Besetzung öffentlicher Ämter mit parteigebundenen Bewerbern erwägt; s. ferner Püttner, in: FS Ule, 1977, S. 383 (397), gegen eine paritätische Stellenbesetzung. 13  Vgl. 14  Vgl.

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Sachverzeichnis Ämterzugang, gleicher  149 Anknüpfungsverbot  89–92 Anschauungen –– politische  78 –– religiöse  77 Auswärtiger Dienst  430

Christliche Gemeinschaftsschule  252

Befähigung  157 Beigeordneter  453, 476–477 Bekenntnis –– religiöses  141 Bekenntnisschule  25, 90, 172, 235, 279 Bestenauslese  177, 349, 360, 381–385, 394–396, 420, 451, 472, 483, 497 Bezirksregierung  446 Bundesamt für Ausrüstung, Informa­ tionstechnik und Nutzung der Bundeswehr  439 Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr  439 Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr  439 Bundesbank  485 Bundeskanzler  354, 363 Bundesminister  354, 364, 372, 409, 411 Bundespolizeiseelsorger  339–340 Bundespräsident  361 Bundesrechnungshof  483 Bundestagsabgeordnete  357, 378 Bundesverfassungsgericht  379 Bundeswehr –– ungestörter Dienstbetrieb  126, 304, 440, 449 Bürgermeister  471

fachbezogene Wahlentscheidung  353, 476, 482 fachliche Leistung  157 Fraktion  376

Datenschutzbeauftragte  494 Eignung  156, 161, 167, 177, 349, 392, 398

Garantie kommunaler Selbstverwaltung  459, 460, 466–468, 471–473, 476–478, 481 Gefängnisseelsorge  330 Gemeinschaftsschule  251 Generalbundesanwalt  435 Gerichtshöfe des Bundes  384–386 Glaube  77 Grundrechtsbegrenzung –– Quasi-Gesetzesvorbehalt  119 –– quasi-tatbestandlich  107 –– tatbestandlich  101 Grundrechtsberechtigung  70, 125, 183–184, 347, 487 –– der Religionsgemeinschaften  69 –– der Studierendenschaft  491 Grundrechtsbindung  62, 66, 70–73, 97, 109, 127, 177, 218, 316, 367, 414, 420, 479, 488 –– bei Volkswahlen  347 –– der Bundestagsabgeordneten  377 –– der Fraktionen  378 –– der Landesstaatsgewalt  70

Sachverzeichnis –– der Religionsgesellschaften  62, 289 –– der Rundfunkanstalten  487, 488 –– des Landesverfassunggebers  71 Grundrechtskollision  121–125 Grundsätze des Berufsbeamtentums  403–405, 421, 457 Inkorporation  147 Islam  25, 176, 223, 232, 270 Kettenanknüpfung  98, 172, 235, 258, 271–273, 276, 281, 291, 325, 331, 336–338, 343–347, 393, 498 Kommunale Beigeordnete  476 Kommunalvertretungen  360 Konkordatsprofessuren  54, 174, 273 Krankenseelsorge  322 Kreisdirektor  479 Kulturstaat  221, 265 Landespolizeiseelsorger  340, 341 Landrat  473 –– allgemeiner Vertreter  478 Landschaftsverbände  481 Landtagsabgeordnete  360 Lehrerlaubnis  173, 241–242, 257 Leistungsgrundsatz  163, 346, 353, 394, 456, 484 Militärbischof  173, 321 Militärseelsorger  173, 283 Ministerialdirektor  428 Nachtarbeitsurteil  90 Neutralität  212, 213, 318, 343, 365, 445 –– Begründungs-  212, 215 –– distanzierende  215 –– politische  414, 443–445 –– positive  210, 219 –– religiös-weltanschauliche  206 Nichtidentifikation  190, 208, 220–224

549

öffentliches Amt  50, 140, 154 Parität  38, 50, 227, 281, 318, 343 Parlamentsdirektor  441, 444 Parteienstaat  26 Politische Beamte  27, 69, 390–423, 432–438, 447–449 –– Transformationsfunktion  410, 415, 435 Polizeipräsident  437 Polizeiseelsorger  337 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung  433 Privatschule  254, 279 Regierungspräsident  395, 446–447 Regierungssprecher  434 Reichskonkordat  113, 262, 291, 331 Religionsfreiheit  34, 38, 62, 74, 102, 179 Religionslehrer  234 Religionsunterricht  102, 118, 172, 203, 209, 231, 235, 267 religiöses Bekenntnis  141 res mixtae  188, 203, 262 Richter –– des Bundes und der Länder  383 –– des Bundesverfassungsgerichts  379 Richterwahlausschuss  370, 383–386 Selbstbestimmungsrecht  63, 231, 241, 262, 271, 280, 290 Selbstverwaltung –– der Rundfunkanstalten  488 –– der Universitäten  489 –– funktionale  490 –– kommunale  459 separate but equal  83, 102, 171 Soldaten –– politische  448 –– Seelsorge  283

550 Sachverzeichnis Staatskirche  24, 40, 185, 256, 296, 313, 498 Staatssekretäre –– Beamtete  416, 422, 444–445 –– Parlamentarische  371

Verfassungstreue  399, 472 Vergleichbarkeit  99, 100, 176–177, 347, 348 vertragliche Vereinbarungen –– auswärtiger öffentlicher Gewalt  114

Theologieprofessoren  256, 272 Theologische Fakultät  118, 256 Toleranz  33, 252

Wahlbeamte –– kommunale  450 Wahlen  346, 350–361, 368, 380, 452, 453–456, 462, 465, 468–470, 483, 492 Wahlfreiheit  352, 358, 365, 386, 453 Weimarer Reichsverfassung  41, 147 Wissenschaftsfreiheit  132, 222, 264–265, 270, 282, 489, 499

Verfassungsautonomie  71–73, 107, 118, 260, 277, 382, 495 Verfassungsorgane  52, 69, 71, 107, 354, 365, 381–382, 386, 409, 418, 419–422, 431, 437–441, 470, 495, 499 –– der Länder  381–382

Zwei-Schwerter-Lehre  32