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German Pages 352 [354] Year 2019
Daniela Simon
Religion und Gewalt Ostkroatien und Nordbosnien 1941–1945
Geschichte Franz Steiner Verlag
Schriftenreihe des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde
Daniela Simon Religion und Gewalt
Schriftenreihe des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde Band 23
Quellen und Forschungen – Bd. 4
Daniela Simon
Religion und Gewalt Ostkroatien und Nordbosnien 1941–1945
Franz Steiner Verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2019 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-11648-0 (Print) ISBN 978-3-515-11649-7 (E-Book)
Für Lukas
VORWORT Dieses Buch ist eine überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die im September 2015 von der Universität Tübingen angenommen wurde. Die Studie ist im Rahmen der Etablierung des am Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde angesiedelten Zentrums zur Erforschung deutscher Geschichte und Kultur in Südosteuropa an der Universität Tübingen entstanden. Mit dem Thema „Religion und Gewalt in Ostkroatien und Nordbosnien“ greift es aktuelle Fragen der Forschung auf, die theoretisch wie methodisch einen interdisziplinären Ansatz erfordern. Durch die Untersuchung der spannungsreichen Wechselbeziehungen zwischen Gewalt und Religion im Ustaša-Kroatien des Zweiten Weltkriegs schließt das Buch Forschungslücken und zeigt zugleich neue Forschungsperspektiven auf. Im Zentrum der Untersuchung stehen nicht einzelne, vermeintlich kohärente, religiöse und ethnische Gruppen, sondern politische und religiöse Akteure vor verschiedenen Hintergründen und mit unterschiedlichen Agenden in einem multiethnischen Umfeld. Berücksichtigt werden auch die Auswirkungen transnationaler und überregionaler Entwicklungen für die Geschehnisse in den beiden untersuchten Regionen. Die gewählte mikrohistorische Perspektive erlaubt es dabei, die vorherrschenden Deutungen zur Instrumentalisierung der Religion, zu politischen und religiösen Machtzentren und zur Rolle lokaler Akteure im Kontext des Ustaša-Staates zu hinterfragen. Während der Arbeit an der Dissertation und bei der Vorbereitung des Buches habe ich vielfache Unterstützung erfahren. Von den zahlreichen Archivreisen brachte ich stets volle Festplatten, Koffer und bleibende Eindrücke mit. Das inzwischen noch kontroverser in der kroatischen und serbischen Öffentlichkeit und darüber hinaus diskutierte Thema stellte kein Hindernis sowohl für den Zugang zu den Archiven als auch die Gesprächsbereitschaft der Archivmitarbeiter dar. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den zahlreichen besuchten Archiven in Deutschland, Kroatien, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien bin ich zu großem Dank verpflichtet. Sehr hilfreich waren zudem die vielen Diskussionen, die ich in Tübingen und auf vielen Tagungen über die Politik der Ustaša, die Handlungsräume der religiösen Akteure, das NS-Regime in Jugoslawien, die Volksdeutschen, die Gewalt im Krieg und vieles mehr geführt habe. Mein Dank gilt vor allem den Tübinger Kolleginnen und Kollegen am Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde, am Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde sowie am LudwigUhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft. Mit ihrer kritischen Begleitung und ihren Anregungen haben sie die Entstehung der Studie maßgeblich gefördert. Für die finanzielle Unterstützung des Dissertationsprojektes danke ich insbesondere der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Lan-
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Vorwort
desgraduiertenförderung Baden-Württemberg und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst. Besonders verbunden bin ich dem Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde für die Lektorierung und die Aufnahme der Studie in seine Schriftenreihe. Tübingen, im November 2018 Daniela Simon
INHALT Vorwort ...............................................................................................................
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Einführung ......................................................................................................... Ausgangssituation ............................................................................. Untersuchungsgegenstand und Fragestellung ................................... Forschungsrahmen und theoretische Annahmen ............................... Aufbau und Methodologie ................................................................ Regionale Schwerpunkte: Nordbosnien und Ostkroatien ................. Forschungsstand ................................................................................ Quellen ..............................................................................................
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“: Die Ustaša und die römischkatholische Kirche zwischen nationaler Homogenisierung und religiöser Monopolstellung ........................................................ 1. Staatsgründung und Versuch der Kontrolle über Territorium und Bevölkerung ........................................................................... 2. „Abtrünnige Seelen“. Konversionen zum römischkatholischen Glauben .................................................................... 3. Die „Rückkehr zum Glauben der Urväter“. Institutionalisierte Konversionspolitik .......................................... 4. Das Ausmaß der Konversionspolitik ............................................ 5. Ergebnisse .....................................................................................
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Kapitel 2 Projekt Kirche: Die integrierende Funktion der Religion ................. 1. Die Neutralisierung kleinerer christlicher Kirchen ....................... 2. Die altkatholische Kirche .............................................................. 3. Die bosnischen Muslime und die Ustaša ...................................... 4. Die Bischofskonferenz 1941 und ihre Folgen .............................. 5. Religiöse Übertritte zur griechisch-katholischen Kirche .............. 6. Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche ................................. 7. Ergebnisse .....................................................................................
127 127 128 142 154 165 181 207
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Kapitel 3 Nicht nur Gott und Kroaten. Die NS-Politik und regionale Initiativen .......................................................................................... 212 1. „Nicht kalt und nicht warm“. Die NS-Politik und die orthodoxen Kirchen ...................................................................... 212 2. „Guter Wille“ und „stiefmütterliche Behandlung“: die evangelische Kirche zwischen Ustašas Religionspolitik und katholischer „Übermacht“ ...................................................... 230
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Inhalt
3. Die Zusammenarbeit der Kirchen im Zeichen des Nationalsozialismus ...................................................................... 4. Die Assimilation des „kostbaren Volksguts“. Die Deutsche Volksgruppe und die katholische Kirche ................ 5. Die NS-Politik und die bosnischen Muslime ................................ 6. The day after. Die letzten Chancen ............................................... 7. Ergebnisse .....................................................................................
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Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... 327 Abkürzungsverzeichnis ...................................................................................... 328 Quellen und Literaturverzeichnis ....................................................................... Archivquellen .................................................................................... Zeitungen und Zeitschriften .............................................................. Quellenpublikationen ........................................................................ Zeitgenössische Gesetzessammlungen, Broschüren und Darstellungen bis 1952 ...................................................................... Monographien und Aufsätze ............................................................. Internetquellen ................................................................................... Rezensionen ......................................................................................
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Register .............................................................................................................. 341 Ortsverzeichnis .................................................................................. 341 Personenverzeichnis .......................................................................... 345 Abbildungen ....................................................................................................... 351
EINFÜHRUNG AUSGANGSSITUATION Das nationalsozialistische Deutschland begann am 6. April 1941 den Angriff auf das Königreich Jugoslawien. Die völlig unterlegenen jugoslawischen Streitkräfte kapitulierten am 17. April. Der König und die Regierung flohen nach England, während Jugoslawien zerschlagen und unter den Achsenmächten aufgeteilt wurde.1 Noch während des deutschen Feldzuges gründete die faschistische kroatische UstašaBewegung unter deutschem und italienischem Patronat am 10. April den Unabhängigen Staat Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska, NDH). Er erstreckte sich über Kroatien, ganz Bosnien und Herzegowina und Teile Syrmiens. Weite Teile der dalmatischen Küste, die meisten Inseln und Istrien wurden Italien zugeschlagen, das Međumurje (dt. Zwischenmurland) fiel Ungarn zu. Die deutsch-italienische Demarkationslinie verlief quer durch das Staatsgebiet. Der formal unabhängige Ustaša-Staat hatte eine sehr heterogene Bevölkerungsstruktur. Von den ca. 6,5 Millionen Einwohnern waren ca. 3,3 Millionen katholische Kroaten, 1,925 Millionen orthodoxe Serben, 800.000 muslimische Bosniaken, 175.000 katholische und evangelische Deutsche, 75.000 Ungarn, 45.000 Tschechen, 40.000 Juden, 25.000 Ukrainer, 25.000 Roma, 22.000 Slowaken und 5.000 Italiener.2 Die Ustaša3 strebte die nationale Homogenisierung des Landes an. Bereits am 30. April 1941 verabschiedete sie Rassengesetze nach dem Vorbild der nationalsozialistischen Nürnberger Gesetze, die sich insbesondere gegen Juden und Roma richteten. Etwa zur gleichen Zeit begannen die Ustaše mit der Errichtung dutzender Konzentrationslager für Serben, Juden und Roma.4 Während der gesamten Kriegszeit wurden auf dem Gebiet des NDH über 30 Konzentrationslager errichtet, darunter das Konzentrationslager Jasenovac am Fluss Save im kroatisch-bosnischen Grenzgebiet.5 Die Gewalt der Ustaša entfesselte neue Gewalt, die bald alle Bevölkerungsgruppen erfasste und einen Bürgerkrieg „Im Schatten des Weltkrieges“6 verursachte. In diesem Bürgerkrieg 1 2 3 4 5
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Zum Zusammenbruch, zur Eroberung und Aufteilung Jugoslawiens Ramet, Sabrina Petra: Die drei Jugoslawien. Eine Geschichte der Staatsbildungen und ihrer Probleme. München 2011, 158–163. KoRb, Alexander: Im Schatten des Weltkriegs. Massengewalt der Ustaša gegen Serben, Juden und Roma in Kroatien 1941–1945. Hamburg 2013, 78; Ramet, Jugoslawien, 166. Ustaša bezeichnet einerseits die faschistische Bewegung und andererseits einen Angehörigen der Bewegung. Mit Ustaše werden die Ustaša-Mitglieder in der Mehrzahl bezeichnet. Ramet, Jugoslawien, 167. Zur Diskussion über Jasenovac SundhauSSen, Holm: Das Konzentrationslager Jasenovac (1941–1945): Konstruktion und Dekonstruktion eines Kriegsverbrechens und Weltkriegsmythos. In: Kriegsverbrechen im 20. Jahrhundert. Hg. v. Wolfram Wette / Gerd R. uebeRSchäR. Darmstadt 2001, 370–381; mojzeS, Paul: Balkan Genocides: Holocaust and Ethnic Cleansing in the Twentieth Century. Lanham 2011, 59. KoRb, Schatten.
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Einführung
kämpften mehrere Konfliktparteien unter verheerenden menschlichen Verlusten in sich verändernden Koalitionen um die Kontrolle über Territorien und Menschen. Durchsetzen sollte sich schließlich der antifaschistische Widerstand der Partisanen. Zwischen 1941 und 1945 gab es im NDH etwa 623.000 Todesopfer. Davon starben 310.000 Serben, 26.000 Juden und 20.000 Roma durch die Ustaša sowie die deutschen und italienischen Kampftruppen. Allein 80.000 Serben fielen den Massakern der Ustaša-Milizen und kroatischen Soldaten zum Opfer, etwa 300.000 wurden vertrieben oder deportiert. Die Zahl der getöteten Kroaten betrug etwa 184.000, der Muslime etwa 80.000. Die serbischen königstreuen Četnici, die die Errichtung eines ethnisch reinen Großserbiens anstrebten, töteten etwa 65.000 kroatische und muslimische Zivilisten.7 UNTERSUCHUNGSGEGENSTAND UND FRAGESTELLUNG „Wenn sie auch zum Katholizismus konvertierten, soll deutlich sein, dass dies niemandes Eigenwille war, sondern der Verdienst der Regierung, die überall wacht und für alles sorgt.“8
Neben Vertreibungen, Deportationen und Ermordungen erzwang die Ustaša von Teilen der serbisch-orthodoxen Bevölkerung auch religiöse Übertritte zum römischkatholischen Glauben. Kaum ein anderer Untersuchungsgegenstand zum UstašaKroatien sorgte bisher für mehr Kontroversen in der Wissenschaft und breiten Öffentlichkeit. Die Beteiligung des katholischen Klerus an der Ustaša-Bewegung und -Regierung sowie an den Strategien der Ustaša trug zur Erweiterung der Dimension der ethnonationalen Gewalt um die Dimension der Religion bei. Während ihrer Regierungszeit verbot die Ustaša mehrere Religionsgemeinschaften und versuchte, an ihrer Stelle neue zu etablieren. In Abhängigkeit von deutschen militärischen Interessen entwickelte sie mehrere aufeinanderfolgende religionspolitische Strategien. Sie richteten sich in verschiedenen Zeiträumen und unter unterschiedlichen Bedingungen und Motiven an die orthodoxen, muslimischen, evangelischen, altkatholischen, römisch-katholischen und griechisch-katholischen Religionsgemeinschaften und ihre Institutionen. Die einzelnen religiösen Institutionen entwickelten im Gegenzug eigene Taktiken und Planungen gegenüber den Trägern des Regimes sowie zueinander. So entstanden vor dem Hintergrund des Krieges und der Gewalt mehrdimensionale Interdependenzen und Wechselbeziehungen zwischen den politischen und religiösen Akteuren. 7
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Ausführliche Analyse zu Todeszahlen im NDH Dulić, Tomislav: Utopias of Nation. Local Mass Killing in Bosnia and Herzegovina. 1941–42. Stockholm 2005, 312–324; KoRb, Schatten, 176, 258, 432; Ramet, Jugoslawien, 171, 209, 229. – Zu Mihajlovićs Četnici einen kurzen Überblick bei jaReb, Mario: Allies of Foes? Mihailović’s Chetniks during the Second World War. In: Serbia and the Serbs in World War Two. Hg. v. Sabrina P. Ramet / Ola LiSthaug. New York 2011, 155–175; Für ausführliche Darstellung tomaSevich, Jozo: War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945: The Chetniks. Stanford 1975. Republika Srbija, Ministarstvo odbrane, Vojni Arhiv Beograd (VA), NDH Arhiva Nezavisna država Hrvatska [Archiv zum Unabhängigen Staat Kroatien], 174/4 Ustaša-Bezirksorganisation in Brčko, gez. Franjić, an die Ustaša-Großbezirksorganisation in Brod, Anfang 1942. – Alle Übersetzungen im Buch stammen, sofern nicht anders vermerkt, von der Autorin.
Untersuchungsgegenstand und Fragestellung
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Der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie ist das Verhältnis zwischen Religion und Gewalt im Unabhängigen Staat Kroatien. Insbesondere interessieren dabei die Interaktionen zwischen den religiösen und politischen Akteuren und der Stellenwert religiöser Traditionen für gewalttätige Strategien. Insgesamt trägt die Arbeit der Erforschung der interkulturellen Beziehungen im südslawischen Raum bei. Hinterfragt werden Vereinnahmungen, Manipulationen und Instrumentalisierungen zwischen den politischen und religiösen Akteuren. Das offene Konzept der Religion wird in der Studie durch seine zeitgenössische Bedeutung für die untersuchten politischen Akteure eingegrenzt. Zunächst sei hervorgehoben, dass unter Religion die religiöse Praxis und Traditionen sowie religiöse Organisationen verstanden werden. Dem Untersuchungsgegenstand wird anhand von vier Fragekomplexen begegnet. Es wird erstens nach den Strategien der Ustaša-Regierung gegenüber den einzelnen religiösen Gemeinschaften gefragt. Im Zusammenhang damit wird zu klären sein, welche Motive und Erwartungen an die einzelnen Strategien gebunden waren und welche Auswirkungen die Strategien hatten. Der Krieg bildet den Kontext, in welchem die religionspolitischen Entscheidungen der Ustaša, ihre Planung, Organisation und Ausmaß eingebettet waren. Welche Handlungszusammenhänge und Dynamiken wurden von der Ustaša in Betracht gezogen und warum? Der zweite Fragenkomplex behandelt die Unternehmungen und Entscheidungen der religiösen Autoritäten der einzelnen Glaubensgemeinschaften im kirchenpolitischen Rahmen. Dabei gilt das Augenmerk einerseits den Reaktionen sowie den Impulsen und Einwirkungen auf die Ustaša-Politik. Andererseits werden die Absichten und Zielsetzungen religiöser Autoritäten gegenüber der Regierung erklärt. Welche spezifischen kirchenpolitischen und gesellschaftlichen Interessen verfolgten die einzelnen religiösen Institutionen? Wie homogen in seinen Entscheidungen war der Klerus? Es wird mit dieser Studie erläutert, wie sich religiöse Institutionen im Zweiten Weltkrieg verhalten konnten, mussten oder durften. Entlang welchen Parametern gestalteten sie ihre religiöse Arbeit unter Kriegseinwirkungen? Deuteten die religiösen Autoritäten die Gewalt und den Krieg religiös? Welche Interessen verbanden die römisch-katholische Kirche und andere Religionsgemeinschaften mit der Ustaša? Die Erklärung, dass die Kirche(n) keine Gewalt förderte(n), weil sie durch die staatlichen Instanzen in ihrer Handlungsfähigkeit ohnehin behindert wurde(n), muss gleichzeitig zu der Frage führen, warum ihr dann Rettungsmaßnahmen gegenüber den Opfern des Regimes zugeschrieben werden. Gab es auch konfliktverschärfende Verlautbarungen? Mit welchen sonstigen Verlautbarungen versuchten die religiösen Akteure auf die Kriegsereignisse einzuwirken? Es muss dabei zwischen öffentlichen und internen Verlautbarungen der religiösen Autoritäten unterschieden werden. Hielten die Bischöfe auch gegenüber den Gläubigen regimefeindliche oder gewaltverurteilende Reden? Welche Wirkung konnten sie entfalten? Bezogen sich die Hilfemaßnahmen religiöser Akteure auf die ganze Bevölkerung oder nur auf ihre eigenen Gläubigen?9 9
Für eine gelungene Fragestellung zur Instrumentalisierung der Religion van de Loo, Stephanie: Instrumentalisiert gleich entschuldigt? Die These vom Mißbrauch der Religion in Gewalt-
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Einführung
Der dritte Fragenkomplex stellt die gegenseitig angestrebten Interessen der religiösen Autoritäten in den Vordergrund. Insbesondere wird die Frage nach den spezifisch konfessionellen10, religiösen und den spezifisch politischen Interessen der Religionsgemeinschaften gegenübergestellt. Welche Ziele verfolgte z. B. die deutsche evangelische Kirche gegenüber der serbisch-orthodoxen und gab es ökumenische Initiativen zwischen den einzelnen Religionsgemeinschaften? Welche Rolle spielten Konkurrenz und Wettbewerb um Mitglieder und Einkünfte in Situationen, in welchen die Mitglieder und religiöse Institutionen existenziell bedroht wurden? Letztlich werden im vierten Fragenkomplex die Kausalitäten zwischen den Religionspolitiken der unterschiedlichen politischen Träger des Ustaša-Regimes erörtert. Es interessiert hierbei vor allem die angenommene Wechselwirkung zwischen der Religionspolitik des Dritten Reiches, den Interessen der Organisation der einheimischen Deutschen und der Ustaša-Regierung. Wie stark beeinflussten deutsche militärische Ziele im NDH die Beziehung der Ustaša zu bestimmten Glaubensgemeinschaften? Welche Interessen verfolgte das Dritte Reich gegenüber muslimischen, evangelischen und anderen Religionsgemeinschaften und warum? Welche Strategien verfolgte die deutsche Volksgruppenführung in diesem Kontext und welche Beweggründe hatte sie? Es geht hierbei auch darum, die Analogieerwartungen zwischen den Strategien der Ustaša und der Politik der deutschen Apparate sowie das Deutungsparadigma des „Satellitenstaats“ zu hinterfragen. FORSCHUNGSRAHMEN UND THEORETISCHE ANNAHMEN Jeder Begriff unterliegt mit seiner Struktur den Veränderungen der Zeit und des Raumes und die Bedeutungen von Wörtern sind zu unterschiedlichen Zeiten mit verschiedenen historischen Gegenständen verbunden. Um ihre historischen Veränderungen verorten zu können, müssen Begriffe von historischen Gegenständen isoliert betrachtet werden. Die Erörterung religiöser Gegenstände hängt dagegen maßgeblich von der zeitgenössischen Auffassung über sie ab. Auch wenn alle Begriffe ständigen Überprüfungen ausgesetzt sind, stehen religiöse vor besonderen Herausforderungen, weil sie sich z. B. auf Sachverhalte beziehen, an deren Existenz oder Bedeutung manche Gruppen von Menschen glauben und andere nicht. Immer ist dem Begriff die Position des Betrachters immanent. Dabei ist eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen zeitgenössischen Deutungen und den damit verbundenen Interessen der Deutenden wichtig. Wo immer es um Verhältnisse und Beziehungen von religiösen Minderheiten und Mehrheiten geht, muss zwischen den Insider- und Outsider-Definitionen, d. h. Definitionen über Religion von Menschen, die aus der Innen- bzw. Außenperspektive der Religion argumentieren, unterschie-
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kontexten, untersucht am Beispiel Bosnien-Herzegowinas. In: Südosteuropa 53, Nr. 3 (2005), 451–471, insb. 460. Die Begriffe „konfessionell“ und „Konfession“ beziehen sich auf christliche Religionen. bRemeR, Thomas: Konfessionelle Konflikte aus theologischer Sicht. In: Nationalisierung der Religion und Sakralisierung der Nation im östlichen Europa. Hg. v. Martin SchuLze WeSSeL. Stuttgart 2006, 15–28, hier 16.
Forschungsrahmen und theoretische Annahmen
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den werden. Darüber hinaus haben die Definitionen von Theologen, die aus der Innenperspektive deuten und beschreiben und einer bestimmten religiösen Tradition angehören, eine identitätsstiftende Funktion für eine bestimmte religiöse Gruppe. Religiöse Minderheiten und ihre Positionen zur Religion werden dabei in der Regel ausgeschlossen.11 Der Begriff Religion selbst privilegiert zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Räumen eine bestimmte religiöse Tradition und schließt eine andere aus, weshalb er als konstruiert gelten kann. Zu verschieden sind das Christentum, der Islam, das Judentum, der Buddhismus u. a., um sie kollektiv mit dem Begriff Religion zu erfassen. Religiöse Begriffe sind außerdem für den christlich dominierten europäischen Raum immer ein Teil des Prozesses der Aushandlung zwischen der Gruppe der Gläubigen und der nicht-Gläubigen.12 Unter Beachtung dieser Punkte wird das, was im NDH jeweils als Religion im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Phänomenen gehandelt wurde, in der Studie unter Berücksichtigung der zeitgenössischen Aufassungen evaluiert. Insbesondere werden dabei das Gesagte und das Geschriebene bzw. die Oberfläche gesellschaftlicher Kommunikationen über Religion sowie die auf Religion bezogenen Handlungen und Strategien jener Akteure fokussiert, die die politischen Prozesse gestalteten.13 Die Mitglieder des Ustaša-Regimes bedienten sich religiöser Symbolik, verabschiedeten Konversionsgesetze, zeigten sich in der Öffentlichkeit mit römischkatholischen, evangelischen und muslimischen religiösen Autoritäten und nahmen an religiösen Veranstaltungen teil. Für das politische Regime der Ustaša hatten jedoch das Ideal des überirdischen Lebens und die innere Verpflichtung der Menschen zu Gott keine Bedeutung. Das religiös konnotierte Handeln der Ustaša bezog sich, um mit Max Weber zu sprechen, stets auf das Diesseits. Die ökonomischen, Macht- und Prestigeinteressen der Ustaša waren dabei nicht das Ergebnis eines sie begründenden Systems aus Erlösungsvorstellungen und religiösen Ethiken.14 11
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höLScheR, Lucian: Religion to the Power of Three. In: Dynamics in the History of Religions between Asia and Europe. Encounters, Notions, and Comparative Perspectives. Hg. v. Volkhard KRech / Marion SteinicKe. Leiden/Boston 2012, 243–253, hier 245–247; SchLieteR, Jens (Hg.): Was ist Religion? Texte von Cicero bis Luhmann. Stuttgart 2000, 17 f. höLScheR, Power, 246 – Für einen Überblick zu verschiedenen Religionsbegriffen PicKeL, Gerd: Religionssoziologie. Eine Einführung in zentrale Themenbereiche. Wiesbaden 2011, 16–24. eSSbach, Wolfgang: Religionssoziologie 1. Glaubenskrieg und Revolution als Wiege neuer Religionen. Paderborn 2014, 17. WebeR, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Hg. v. Johannes WincKeLmann. Tübingen 1972, 245; SchLieteR, Religion, 139. – Dinu wertete die Verwendung der religiösen Sprache und religiöser Symbole wie Kruzifixe und Bibel bei den Vereidigungen der Ustaše als ein Mittel, den einzelnen Ustaša an seinen Eid zu erinnern und zur weihevollen Stimmung beizutragen, nicht jedoch ihn in seinem Glauben zu bestärken. dinu, Radu Harald: Faschismus, Religion und Gewalt in Südosteuropa. Die Legion Erzengel Michael und die Ustaša im historischen Vergleich. Wiesbaden 2013, 24. – U. a. negierte Mark Biondich, dass Ustašas Motive Frömmigkeit oder katholischer Proselytismus waren. biondich, Mark: Religion and Nation in Wartime Croatia. Reflection on the Ustaša Policy of Forced Religious Conversions 1941–1942. In: The Slavonic and East European review 83, Nr. 1 (2005), 71–116, hier 113. – Die Eidesformel der Ustaša im Wortlaut Sojčić, Tvrtko: Die „Lösung“ der kroatischen Frage zwischen 1939 und 1945. Kalküle und Illusionen. Stuttgart 2008, 413; gumz, Jo-
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Einführung
Die Ziele ihres Handelns dienten nicht einem Annähern an das „Außeralltägliche“ (Max Weber). Handlungen wurden nicht an das Jenseits geknüpft, sondern an die „Zuwendung ‚diesseitiger‘ äußerlicher Vorteile.“15 Aus der funktionalistischen Perspektive betrachtet, lässt sich das Verständnis darüber, was Religion für die Ustaša war und bedeutete auch kaum im Sinne einer „religion de lʾhomme“ (Jean-Jacques Rousseau) deuten.16 Auf der rhetorischen Ebene, so in der staatlichen Propaganda oder in den Reden der Ustaše, fanden sich in den plakativen Beschreibungen des religiösen Bereiches viele religiöse Begriffe, doch hatten diese immer eine der politischen Zielsetzung untergeordnete Funktion. Durch die geläufige Benutzung büßten die Wörter „Glaube“, „allmächtig“, „Gott“ usw. ihre sakrale und exklusive Bedeutung ein, was sich schließlich in ihrer ausschließlichen Verwendung in politischen, profanen Kontexten spiegelte. Die Regierung und ihre Mitglieder und Institutionen benutzten religiöse Begriffe stets im Zusammenhang mit der politischen Rolle der Menschen bei der Festigung des kroatischen Staates und Bekämpfung der Feinde. Der von der Ustaša benutzte Leitspruch „Gott und Kroaten“ (Bog i Hrvati17) drückte ein bestimmtes Verständnis über ein von fremder Herrschaft unabhängiges Kroatien aus. Er demonstrierte das Zusammengehörigkeitsgefühl der Kroaten als Katholiken und verband das nationale Moment mit dem Religiösen. Kroatisch und katholisch wurden synonym benutzt. „Gott und Kroaten“ diente außerdem zur Abgrenzung zu andersgläubigen Gruppen, in erster Linie zu orthodoxen Serben, und symbolisierte die Überlegenheit der Kroaten durch ihre Nähe zu Gott.18 Die Thematisierung der christlichen Askese nahm dabei keinen Raum im öffentlichen Diskurs ein. Die Mitglieder der Ustaša-Regierung verstanden und erwarteten von der Religion so etwas wie die Rousseausche „religion du citoyen“, eine Staatsreligion mit eigenen im kroatischen Staat geltenden Dogmen, die auf Verehrung des Vaterlandes ausgerichtet waren.19 Die „kroatische“ römisch-katholische Kirche vermochte diese Rolle mit ihrem religiösen Angebot auszufüllen. In ihrer religiösen Arbeit mahnte der Klerus die Verbundenheit der Nation mit Gott. Er pries in der Öffentlichkeit die Entstehung des NDH, betonte seine historische Aufgabe und verknüpfte die Pflicht aller seiner Bürger zum Erhalt des kroatischen Staates mit religiösen Werten. Die
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nathan E.: Wehrmacht Perceptions of Mass Violence in Croatia, 1941–1942. In: Historical Journal 44 (2001), 1015–1038, hier 1025. WebeR, Wirtschaft, 259. RouSSeau, Jean-Jacques: Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts. Hg. v. Hans bRocKaRd. Stuttgart 2010, 297, 299, 301; SchLieteR, Religion, 54–58. Der Ausdruck geht zurück auf den kroatischen Politiker aus der Zeit der nationalen Erweckung der Kroaten im 19. Jh., Ante Starčević. Der Ausdruck bedeutete, dass in Kroatien nur die Kroaten und Gott herrschen dürften. Die Grundsätze der kroatischen Ustaša-Bewegung, 1.6.1933, Sojčić, „Lösung“, 416. NDH wurde so als gottgegebener Staat dargestellt. SundhauSSen, Holm: Der Ustascha-Staat: Anatomie eines Herrschaftssystems. In: Österreichische Osthefte 37, Nr. 2. (1995), 497–535, hier 513. – Zur Identifikation des Religiösen mit dem Nationalen ikić, Nico: Der Gesellschaftsbezug des Katholizismus in Bosnien und Kroatien. In: Religion und Gesellschaft in Südosteuropa. Hg. v. Hans-Dieter döPmann. München 1997, 235–251, hier 241. RouSSeau, Gesellschaftsvertrag, 299, 301; SchLieteR, Religion, 55–58.
Forschungsrahmen und theoretische Annahmen
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kroatische Eigenstaatlichkeit war das größte Interesse, das die Ustaša mit der Führung der römisch-katholischen Kirche in Kroatien teilte. Diese Gemeinsamkeit und die kirchliche Opposition zum Kommunismus20 machte sich der Staatschef, Ante Pavelić, zunutze und stärkte die Position des Klerus, um sich ihre Unterstützung für die innenpolitischen Ziele des Regimes zu sichern. Gleichzeitig war er sich, wie die Studie zeigen wird, des wachsenden Einflusses der Bischöfe durch diese Verbundenheit bewusst und behinderte ab 1942 die politische Einmischung der Bischöfe, die die Gefahr einer „religion du prêtre“ (Rousseau) barg.21 In der Korrespondenz und im Schriftverkehr zwischen den einzelnen Behörden und Verwaltungseinheiten fehlten eindeutige Bezugspunkte zum „Außeralltäglichen“ und es wird hier in der inneren Korrespondenz im Gegensatz zur nach außen gerichteten Propaganda auf religiöse Ausdrücke verzichtet. Das ist auch dann der Fall, wenn katholische Geistliche als Funktionäre in Ministerien des NDH fungierten. Die interne Kommunikation unterschied sich somit von der öffentlichen und folgte weitgehend einem sachlichen Duktus. Das Religionsverständnis des Ustaša-Regimes erklärt sich im Allgemeinen aus der Vorstellung über die Nutzung des Potenzials der Religion zur Sicherung des Staates und ist damit nah an dem von Rousseau geprägten Begriff der Zivilreligion. Religiöse Bezüge sollten den Staat und die Gesetze sakralisieren und so die Selbsterhaltungsbedingungen der staatlichen Gemeinschaft bestärken.22 Der Staat und seine Ordnung sollten jedoch, wie in der französischen Tradition der Zivilreligion, von der Kirche unabhängig existieren. Diese Tendenz ist in kroatischen politischen Programmen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, etwa beim kroatischen nationalen Ideologen Ante Starčević beobachtbar.23 Im Vordergrund des politischen Interesses stand nur das Vergemeinschaftungs- und Legitimationspotenzial der Religion für den kroatischen Staat, wobei eine „diesseitig“ orientierte staatliche Ordnung den Hauptkonsens zwischen Kirche und Staat bilden sollte. Die Ustaša erwartete von den religiösen Gemeinschaften, dass alle beteiligten Akteure ihre religiöse Arbeit auf das Staatswohl ausrichteten. Ähnlich wie in der Staatsorganisation in den USA und in Frankreich, gehörte das persönliche religiöse Bekenntnis in den privaten Raum, ohne Einfluss auf die staatlichen Belange. Das persönliche Bekenntnis zu Gott blieb aber uneingeschränkt. So wurde der Glaube der Menschen an das kroatische „auserwählte Volk“ im NDH, ähnlich wie in den USA an das 20 21 22 23
Zur Stepinacs öffentlichen Auseinandersetzungen mit dem Kommunismus StahL, Claudia: Alojzije Stepinac. Die Biografie. Paderborn 2017, 124–132. RouSSeau, Gesellschaftsvertrag, 299; SchLieteR, Religion, 55. RouSSeau, Gesellschaftsvertrag, 309, 311; jueRgenSmeyeR, Mark: Terror in the Mind of God. The Global Rise of Religious Violence. 4. Auflage, Oakland 2017, 297; SchLieteR, Religion, 53, 55. Ramet, Jugoslawien, 70 f. – Ognyanova geht davon aus, dass der kroatische Nationalismus seit dem 19. Jh. mehr an die Religion und Kirche als an den Staat gebunden war. Nationalismus und Katholizismus waren in dieser Tradition zwei eng verbundene Ideen innerhalb der UstašaIdeologie, so Ognyanova. Ognyanova wertet sogar die Ideologie der Kroatischen Rechtspartei (Ante Starčević) als von christlicher Moral dominierte Ideologie. ognyanova, Irina: Religion and Church in the Ustasha Ideology (1941–1945). In: Croatica Christiana Periodica 33, Nr. 64 (2009), 157–190, hier 159–163, 173.
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Einführung
amerikanische Volk, sogar begünstigt. Bei der damit im Zusammenhang stehenden Frage, ob die Ustaša eine politische Religion etablierte, kann angenommen werden, dass das Vorhandensein fundamentaler religiöser Prinzipien in der Struktur der vom Christentum geprägten Gesellschaft behindernd auf die Entstehung einer totalitären politischen Religion wirkte.24 Der kroatische Nationalismus schloss in seiner Entwicklung religiöse Merkmale ein, die für politische Religionen untypisch waren. Die für totalitäre Systeme symptomatische politische Religion,25 deren Eigenschaften Pragmatismus und Rationalisierung sind, stand gegensätzlich zur für die Zivilreligion typischen Sakralisierung der Politik. Dieser Unterschied wird in der Studie besonders durch die Analyse des Umgangs kroatischer und „volksdeutscher“ politischer Akteure mit Religion deutlich werden. Aus der Perspektive der Faschismus-Forschung reiht sich die Ustaša-Bewegung wegen ihrer religiösen Elemente in faschistische Bewegungen osteuropäischen Typs ein. Im Vergleich zeigen sich jedoch elementare Unterschiede zwischen z. B. rumänischem und kroatischem Faschismus. Der rumänische Faschismus kann mit dem in seine Ideologie integrierten Heilsversprechen als eine religiöse Bewegung eingestuft werden, während der kroatische, der die religiösen Elemente zur Sakralisierung seiner Politik herangezogen hat, als säkulare Bewegung bewertet werden kann.26 Für die Sakralisierung ihrer Politik vereinnahmte die Ustaša religiöse Traditionen, d. h. Glaubenssätze und Praktiken, sowie die religiöse Autorität des Klerus und der religiösen Institutionen. Der Klerus war eine bewährte und etablierte soziale Gruppe, die meinungsbildend auf die Gläubigen einwirkte. Dem Klerus der anerkannten Glaubensgemeinschaften, insbesondere der römisch-katholischen Kirche, wurde im Ustaša-Kroatien eine größere politische Teilhabe zugestanden, eine Entwicklung, die sich auch aus der kirchlichen Unterstützung kroatischer Unabhängigkeitswünsche vor 1941 ergab. Das Regime zog einen politischen Nutzen aus der Legitimationskraft geistlicher Eliten und der integrativen Macht der Religion als „eine im wesentlichen kollektive Angelegenheit“, die den Vorteil barg, alle zu „vereinen, die ihr angehören“27 (Émile Durkheim). Die Hierarchie der römisch24
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Zur Zivilreligion und politischer Religion höLScheR, Lucian: Civil Religion and Secular Religion. In: Religion and Democracy in Contemporary Europe. Hg. v. Gabriel motzKin / Yochi FiScheR. London 2008, 55–61, hier 57 f. – Für die Definition eines weiteren Typs „Nationalreligion“, entsprechende Diskussion über die Gültigkeit der Unterscheidung zwischen Göttlichem und Weltlichem bzw. Jenseits und Diesseits dabei sowie Abgrenzung/Zuordnung der Nationalreligion zur politischen Religion und zur Erörterung der Zivilreligion eSSbach, Religionssoziologie, 498–560, insb. 498–513, 530 ff., 541–544. Hilfreich zur Abgrenzung der politischen, zivilen und Nationalreligion für die vorliegende Studie ist die Feststellung von Eßbach: „Mit Blick auf die Legitimität der Herrschaft sind dies politische und zivile Religionen. Nationalreligionen dagegen können bei Bevölkerungen gestiftet werden, die keinen Staat und keine institutionalisierte Herrschaft ausgebildet haben, oder die unter verschiedenen Herrschaften leben.“ ebd., 544; Dinu wertete dagegen die Ustaša-Bewegung als eine politische Religion. dinu, Faschismus, 251. Hans Ulrich Wehler verortet den Nationalsozialismus als politische Religion. WehLeR, HansUlrich: Der Nationalsozialismus. Bewegung, Führerherrschaft, Verbrechen 1919–1945. München 2009, 9–11, 118 f. ognyanova, Religion, 160; dinu, Faschismus, z. B. 252, 255; biondich, Religion, 113. SchLieteR, Religion, 136.
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katholischen Kirche bekannte sich offen zum Regime, das ihr eine bessere Position in der Gesellschaft ermöglichte, als sie im Königreich Jugoslawien neben der serbisch-orthodoxen Kirche als de facto Staatskirche hatte. Allerdings diskreditierte die Nähe zum Ustaša-Regime die religiösen Führer und Institutionen der katholischen, evangelischen und muslimischen Glaubensgemeinschaft aus der Perspektive der Nachkriegsordnung, was insbesondere der römisch-katholischen Kirche das Image der Kollaborateurin einhandelte. Es wird zu untersuchen sein, wie groß der Einfluss der Ustaša auf die religiösen Autoritäten und Institutionen und der Einfluss dieser religiösen Autoritäten und Institutionen auf Entscheidungen und Handlungen der Ustaša tatsächlich war: welchen Interessen die religiösen Akteure nachgingen, wie eigenständig oder abhängig ihre Handlungen von den staatlichen waren und in welcher Art und Weise sie ihre Entfaltung fanden. In welchem Verhältnis stand aber Religion zur Gewalt in der Ustaša Politik? Die Ustaša verfolgte das Ziel der nationalen Homogenisierung des Landes. Im großkroatischen Staat sollten vor allem alle Elemente serbischer Herrschaft eliminiert werden.28 Neben Vertreibung und Ermordung zwang die Ustaša einen Teil der serbischen Bevölkerung, den römisch-katholischen Glauben anzunehmen. Die Schnittpunkte zwischen Krieg, Gewalt und Religion im Unabhängigen Staat Kroatien zeigten sich insbesondere in der Konversionspolitik. „Wenn Homogenisierung über religiöse Zugehörigkeit wirksam ist, dann kann sie eben auch auf beiden Seiten eines Konfliktes eingesetzt werden und so den Konfessionsunterschied zu einem weiteren Konfliktelement machen“.29 Für die Untersuchung des Verhältnisses zwischen Religion und Gewalt im Unabhängigen Staat Kroatien erweisen sich insbesondere politikwissenschaftliche und religionssoziologische Ansätze als weiterführend. Wie quantitative und qualitative Untersuchungen zur Rolle der Religion in Konflikten, i. e. bewaffneten innerstaatlichen und internationalen Auseinandersetzungen, zeigen, ist der Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt äußerst komplex und ambivalent. Hinsichtlich der Beteiligung religiöser Akteure reicht er von der passiv gewaltlegitimierenden Rolle des Klerus, über ihre aktive Rolle bei der Gewalteskalation und Bildung sektenähnlicher Rebellengruppierungen, bis hin zu friedensstiftenden Beiträgen der religiösen Institutionen. Im NDH waren alle drei Optionen vertreten. In der Forschung hat sich die Meinung durchgesetzt, dass religiöse Traditionen insbesondere innerstaatliche Konflikte verschärfen, aber auch zur Deeskalation führen können. Sie sind ambivalent.30 Ebenso erhärtete sich, dass ethnische Konflikte weitgehend auf den Wunsch nach politischer Selbstbestimmung und nicht auf Religion zurückgeführt werden können. Wenn Religionen den 28 29 30
KoRb, Schatten, 129. bRemeR, Konflikte, 18. aPPLeby, R. Scott: The ambivalence of the sacred. Religion, Violence, and Reconciliation. Lanham 2000; de juan, Alexander / haSencLeveR, Andreas: Die Ambivalenz religiöser Integration. Zur erzeugten Relevanz von Glaubensunterschieden in bewaffneten Konflikten. In: Bürgerkriege erzählen: zum Verlauf unziviler Konflikte. Hg. v. Sabina FeRhadbegovic. Konstanz 2011, 225–248, hier 226, 228 f.; Fox, Jonathan: Do Religious Institutions Support Violence or the Status Quo? In: Studies in Conflict & Terrorism 22, Nr. 2 (1999), 119–139, hier 119. – Zur Friedensarbeit der Kirchen bRemeR, Konflikte, 23–27.
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Wunsch nach politischer Selbstbestimmung sakralisieren, bekommen die ethnonationalen Führer dadurch eine Rechtfertigung zur Implementierung gewaltsamer Strategien gegenüber rivalisierenden ethnischen Gruppen. Diese Studien nehmen jedoch überwiegend die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ins Auge. In den letzten zwanzig Jahren stieß die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt auch infolge der Kriege im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren auf ein reges Forschungsinteresse.31 Um generalisierende Aussagen auch für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zu machen, bedarf es jedoch umfassender und empirisch anspruchsvoller Analysen. Die vorliegende Studie versteht sich als ein Beitrag dazu. Bisherige Untersuchungen zeigten, dass Religionen das Potenzial haben, Gewalt zu rechtfertigen. Wenn sie in Konflikte verwickelt sind, sind diese intensiver und dauern länger. Religiöse Überzeugungen sind dennoch – abgesehen von den mittelalterlichen Kreuzzügen und der spanischen Inquisition – kaum Ursachen ethnischer und anderer Konflikte, beeinflussen aber gewalttätige Prozesse als eine intervenierende Variable. Doch welche Faktoren sind für die eskalierende Funktion der Religion entscheidend? Dafür können Erklärungen herangezogen werden, die entweder die Inhalte der Religionen und ihre Strukturen als entscheidend für ihre Konfliktwirkung erachten oder die Interpretation solcher Inhalte oder Strukturen durch Geistliche und Gläubige in den Fokus nehmen. Diese Interpretationen sind wiederum einerseits von den zeitlich und räumlich dominanten Dogmen und andererseits von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krisen abhängig. Eine dritte Erklärung räumt den einflussreichen Eliten eine entscheidende Rolle ein, die entsprechend ihren Interessen, Fähigkeiten und Strategien die Interpretation religiöser Traditionen bestimmen. Die Interpretationsleistung der Eliten und nicht die religiöse Tradition an sich wird damit ins Zentrum der Erklärung gerückt.32 Religiöse 31
Fox, Jonathan: Religion, Civilization and Civil War. 1945 through the Millennium. Lexington 2004, 67 f., 227; aPPLeby, Ambivalence, 60. – Zu ethnopolitischen Konflikten und interreligiösem Dialog in Bosnien und Herzegowina bietet die Dissertation von Tania Wettlach-Zeitz einen Einstieg. WettLach-zeitz, Tania: Ethnopolitische Konflikte und interreligiöser Dialog: die Effektivität interreligiöser Konfliktmediationsprojekte analysiert am Beispiel der World Conference on Religion and Peace Initiative in Bosnien-Herzegowina. Phil. Diss., Stuttgart 2008. 32 de juan/haSencLeveR, Ambivalenz, 225, 230–242, zur vermeintlichen Gewalttätigkeit von Religionen insb. 233; Fox, Religion, 125, 233; jueRgenSmeyeR, Terror, 35. – Die Friedens- und Konfliktforschung etablierte sich auch als theologisches Fach. bRemeR, Konflikte, 15 ff. – Der islamische Terrorismus und Terrorakte christlicher und anderer Fanatiker fordern seit Anfang des 21. Jahrhunderts die Forschung zum Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt aufs Neue heraus. Für einen Überblick jueRgenSmeyeR, Terror, insb. 17–147. – Die Religion wird teilweise als Motiv für terroristische und andere Gewaltakte oder den Krieg in Syrien herangezogen, wenn ihr auch Ambivalenz zugesprochen wird. KoSLoWSKi, Jutta: Religion und Gewalt – Annäherungsversuche an ein unbewältigtes Problem. Theologie. Geschichte 12 (2017). http://universaar.uni-saarland.de/journals/index.php/tg/article/view/1014 (13.3.2018). – Auch wird aus dem juristischen Bereich appelliert, erzwungene religiöse Übertritte als Akte des Genozids im Rahmen der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes zu verstehen, so z. B. im Zusammenhang mit der Boko Haram, Iran, Irak, Burma u. a. Die Interpretation der erzwungenen Konversionen im NDH nach der genannten Konvention erweist sich aber z. B. in puncto Ausmaß als unzureichend. Die versuchte Auslöschung der (religiösen)
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Akteure, i. e. „people who have been formed by a religious community and who are acting with the intent to uphold, extend, or defend its values and percepts“33 können außerdem auch eigene politische Ziele verfolgen und selbst die Politik instrumentalisieren. Der religiöse Aspekt kann so in einem Konflikt vielfältiger Genese eine eigene Dynamik entwickeln.34 Die drei bedeutendsten Forschungsperspektiven auf den Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt können als die primordialistische, instrumentalistische und konstruktivistische Perspektive zusammengefasst werden. Der primordialistische Ansatz versteht religiöse Unterschiede als die wichtigste und unabhängige Variable bei Erklärungen gewalttätiger Konflikte in Bürgerkriegen wie auch internationalen Kriegen. Religiöse Unterschiede verursachen demnach selbst Gewaltkonflikte. Samuel Huntington ist mit seiner These des „Clash of Civilizations“ den Primordialisten zuzurechnen. Doch empirisch belegen ließ sich der Zusammenhang zwischen religiöser Differenz und Bürgerkriegsanfälligkeit bislang nicht.35 Die primordialistische Perspektive wird von Instrumentalisten abgelehnt, letztlich weil auf der internationalen Ebene keine Bildung von Allianzen entlang der religiösen Zugehörigkeit beobachtbar ist und auch in religiös homogenen oder durch kleinere Unterschiede – etwa zwischen Schiiten und Sunniten – geprägten Regionen Kriege stattfinden. Die Instrumentalisten sprechen zwar religiösen Unterschieden eine verschärfende Rolle in ethnischen Konflikten zu, doch betonen sie, dass Konflikte kaum oder nie von religiösen Unterschieden, sondern von sozioKultur bei den Serben und ihre Ersetzung durch eine neue wurde im NDH zu keinem Zeitpunkt erreicht, zumal die Konversionen nach dem Krieg per Dekret rückgängig gemacht wurden. Lee, Nathan: Convert or Die: Forced Religious Conversions and the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide. In: Georgetown Journal of International Law 47, Nr. 2 (2016), 573–606. – Zur Diskussion über die Unterscheidung zwischen Genozid und Ethnozid. am Bsp. Bosnien und Herzegowina Dulić, Utopias, z. B. 16. 33 aPPLeby, Ambivalence, 9. 34 bRemeR, Konflikte, 18 f. 35 Für eine hervorragende Einleitung zu den drei Denkschulen haSencLeveR, Andreas / RittbeRgeR, Volker: Does Religion Make a Difference? Theoretical Approaches to the Impact of Faith on Political Conflict. In: Millenium – Journal of International Studies 29, Nr. 3, (2000), 641– 674, hier 641–650; deRS.: Does Religion Make a Difference? Theoretical Approaches to the Impact of Faith on Political Conflict. In: Religion in International Relations. The Return from Exile. Hg. v. Pavlos hatzoPouLoS / Fabio Petito. New York/Houndmills 2003, 107–145, hier 108–115; de juan/haSencLeveR, Ambivalenz, 231; huntington, Samuel P.: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. München 2015; Für die Kritik an Huntingtons These insbesondere haSencLeveR, Andreas: Merkmale gewaltresistenter Glaubensgemeinschaften – Überlegungen zum Schutz religiöser Überlieferung vor politischer Vereinnahmung. In: Friedensstiftende Religionen? Religion und die Deeskalation politischer Konflikte. Hg. v. Manfred bRocKeR / Mathias hiLdebRandt. Wiesbaden 2008, 179–201, hier 181 ff.; müLLeR, Harald: Der „Clash of Civilizations“ und seine Schwächen. In: Dialoge wagen. Zum Verhältnis von politischer Bildung und Religion. Hg. v. Siegfried FRech / Ingo juchLeR. Schwalbach 2009, 66–83 hier 66–82; Fox, Religion, 155–226. Fox konnte z. B. dem Einfluss der „Zivilisation“ auf innerstaatliche Konflikte einen weit geringeren Einfluss attestieren als der Religion, womit der paradigmatische Anspruch von Huntington hinsichtlich der Feststellung, dass sich die Gewalt auf die Beziehungen zwischen den Zivilisationen beschränken wird, auch in dieser Hinsicht unzureichend ist.
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ökonomischen und politischen Ungleichheiten verursacht werden. Die Politik folgt materiellen und Machtinteressen, nicht kulturellen und religiösen. Die Ustaša z. B. versuchte einen national homogenen Staat zu errichten und Kontrolle und Macht über Land und Bevölkerung zu erhalten. Die politischen und sozioökonomischen Missstände und Kriege fördern jedoch so etwas wie ein „revival“ der Religionen, weil religiöse Traditionen in politisch und ökonomisch unsicheren Zeiten Orientierung bieten und eine alternative Ordnung versprechen.36 Wolfgang Eßbach machte das verstärke Interesse an Religionen an besonderen Zeiterfahrungen fest: „Dominierende gesellschaftliche Zeiterfahrung erlittener ungelöster Probleme und die Wiederkehr des Interesses an Religion, das Streben nach einer anderen Religiosität und das Bewußstsein ihrer Fraglichkeit gehen Hand in Hand“37. Die politischen Akteure machen sich diese Eigenschaft der Religionen zunutze. So sind Politisierung religiöser Traditionen, Mobilisierung und Radikalisierung der religiösen Gemeinschaften insbesondere zu Zeiten der sozioökonomischen und politischen Missstände beobachtbar. Historische und religiöse Unterschiede liegen den ethnopolitischen Konflikten nicht zugrunde, sondern werden von politischen Akteuren zu Mobilisierungszwecken eingesetzt. Dabei ist die Instrumentalisierung von Mythen, Legenden, religiösen Prophezeiungen usw. bezeichnend für eine Mobilisierung von Gruppen für kollektive Aktionen. Es findet dabei eine Aufladung bestehender Konflikte und Unterschiede in einer Gesellschaft mit religiösen Bedeutungen statt, so dass eine Verbindung zwischen Religion und Gewalt entsteht. Die Heranziehung von religiösen Überlieferungen kann dabei aus instrumentalistischer Perspektive endlos oft erfolgen.38 Für die vorliegende Studie ist die dritte, konstruktivistische Perspektive „moderater“ Art aufschlussreich. Sie folgt der Argumentation, dass soziale Konflikte in kognitive Strukturen, wie Ideologie, Nationalismus, Ethnizität und Religion eingebettet sind. Diese Strukturen bieten den politischen Akteuren moralisch gewichtete Konzepte vom „Eigenen“ und „Fremden“ und beeinflussen ihre Entscheidungen. Sowohl für Instrumentalisten als auch für moderate Konstruktivisten sind politische Interessen und Macht die entscheidenden Faktoren der Politikgestaltung und die Konfliktursachen. Ihre Bedeutung entfalten sie jedoch in kognitiven Strukturen.39 Als Macht wird im Sinne von Max Weber jede Chance innerhalb einer sozialen Beziehung verstanden, den eigenen Willen durchzusetzen, unabhängig davon, worauf diese Chance beruht.40 Gemeinsam mit den Instrumentalisten teilen die Konstruktivisten außerdem den geschärften Blick auf politische Akteure. In der vorliegenden Studie sind dies individuelle wie überindividuelle Akteure aus der Sphäre der Ustaša, ihrer Behörden und Einrichtungen, der deutschen militärischen 36 37 38 39
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haSencLeveR/RittbeRgeR, Religion, 2000, 644–647; de juan/haSencLeveR, Ambivalenz, 237 f. eSSbach, Religionssoziologie, 21. haSencLeveR/RittbeRgeR, Religion, 2000, 644–647; de juan/haSencLeveR, Ambivalenz, 237 f. haSencLeveR/RittbeRgeR, Religion, 2000, 644–649; Die Position ist moderat, weil sie die instrumentalistische Sichtweise akzeptiert, wonach Konflikte ihren Ursprung in den Macht- und materiellen Interessen der Eliten haben, wenn auch diese Interessen in intersubjektive Strukturen eingebettet sind, welche ihnen Bedeutung verleihen. deRS., Religion, 2003, 138. WebeR, Wirtschaft, 28.
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und diplomatischen Stellen im NDH und der Organisation der deutschen Volksgruppe. Massengewalt geschieht, wenn politische Akteure darin einen Weg zur Erreichung ihrer politischen Ziele sehen und wenn sie in der Lage sind, Gruppen zu Mobilisieren, die ihre Ziele austragen. Gewalt ist dabei, wie es die Gewaltforschung zeigt, eine zur Verfügung stehende Handlungsressource. Ein Gewaltregime kann ohne politische Führer nicht funktionieren und ohne mobilisierte Gruppen können die politischen Führer keine Konflikte austragen. Erkennen die politischen Führer, dass bewaffnete Konflikte in ihrem Interesse sind, streben sie danach, Anhänger zu mobilisieren und können dabei religiöse Traditionen zur Legitimierung ihrer Politik heranziehen. Religion erscheint so als eine symbolische Ordnung mit der Funktion einer gesellschaftlichen Ordnungskraft. Die Glaubensunterschiede werden von politischen Akteuren einerseits für die Mobilisierung von Anhängern für gewalttätige Aktionen und andrerseits zu ihrer Legitimierung ausgenutzt. Gerade in Bürgerkriegen instrumentalisieren Konfliktparteien religiöse Unterschiede zur Rechtfertigung gewaltsamer Strategien.41 Thomas Bremer spricht so bei religiös aufgeladenen nationalen Konflikten von „sekundär religiösen“ Konflikten mit eigenen Konfliktdynamiken.42 Während jedoch Instrumentalisten davon ausgehen, dass politische Akteure die religiösen Traditionen auf der Ebene der Rhetorik nach ihrem Belieben manipulieren und zur Rechtfertigung gewalttätiger Aktionen ausnutzen können, betonen die Konstruktivisten die Intersubjektivität religiöser Traditionen. Religiöse Traditionen sind von sozialen Praktiken und Diskursen abhängig. Sie können nicht endlos oft und ohne Einschränkung von politischen Akteuren instrumentalisiert werden. In welcher Qualität und für welchen Zeitraum die politischen Eliten die Interpretationshoheit über religiöse Traditionen aufrecht erhalten können, hängt von ihrer Überzeugungskraft, den Entwicklungen des Konfliktes und auch von konkurrierenden Interpretationen religiöser Autoritäten ab. Der unten eingebrachte religionssoziologische Ansatz von Pierre Bourdieu knüpft mit seinen Überlegungen zur „Transaktion“ religiöser Inhalte zwischen den religiösen und politischen Akteuren an dieser Stelle an. Zunächst soll aber festgehalten werden, dass die politischen Eliten in der Regel entweder die direkte oder die indirekte Methode für die Vereinnahmung religiöser Traditionen wählen. Bei der direkten wird die religiöse Autorität von den politischen Eliten selbst beansprucht, während bei der indirekten die politischen Eliten die etablierten religiösen Autoritäten vereinnah-
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haSencLeveR/RittbeRgeR, Religion, 2000, 644–649; haSencLeveR, Andreas: Ressource Gott? Zur Rolle von Religionen in gewaltträchtigen Konflikten. In: Auf dem Weg zu Just Peace Governance. Beiträge zum Auftakt des neuen Forschungsprogramms der HSFK. Hg. v. Claudia baumgaRt-ochSe et al. Baden-Baden 2011, 179–196, hier 180. – Zu Gewalt als Handlungsressource babeRoWSKi, Jörg: Räume der Gewalt. In: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie 6, Nr. 3 (2012), 149–157, hier 149, 153. – Das Milošević-Regime kann als Beispiel politischer Vereinnahmung religiöser Symbolik genannt werden. Die Glaubensunterschiede wurden von Milošević ausgenutzt, religiöse Überlieferungen zur Rechtfertigung für Gewaltpolitik eingesetzt, wodurch der Konflikt verschärft wurde. Die orthodoxe Kirche ließ die Vereinnahmung zu und legitimierte die Gewalthandlungen. haSencLeveR, Glaubensgemeinschaften, 185 f., 196; PicKeL, Religionssoziologie, 244. bRemeR, Konflikte, 19.
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men.43 Die Macht politischer Akteure ist dabei in beiden Fällen begrenzt: „Acts of violence require legitimation, and religion and religious leaders can provide such legitimation. But then they may also deny it. Religious leaders can refuse to bless the weapons, and then violence may not occur even if significant socioeconomic and political inequalities exist in or between societies.“44 Religion wird folglich als eine intervenierende Variable zwischen dem Konflikt und dem Konfliktverhalten verstanden. So können religiöse Traditionen Konflikte verschärfen, aber auch die Anwendung von Gewalt behindern.45 Der zugrundeliegende theoretische Ansatz aus der Friedens- und Konfliktforschung von Andreas Hasenclever und Volker Rittberger ist auf Strategien von Eliten ausgelegt. Eliten werden dabei als rationale Akteure verstanden, die Gewinne, Risiken und Verluste verschiedener Strategien abwägen können und stets interessiert sind, ihre Position unter ihren Anhängern aber auch unter anderen Gruppen zu verbessern. Der Erfolg ihrer Strategien hängt vom Grad der Mobilisierung ihrer politischen Basis und der Akzeptanz ihrer Strategien und Ziele innerhalb der Gesellschaft insgesamt ab. Mark Biondich bezeichnete die Religion im NDH richtigerweise als eine mobilisierende Ideologie.46 Je höher dabei der Mobilisierungsgrad der Anhängerschaft in einem Konflikt ist, umso mehr sind die politischen Eliten zu gewalttätigen Strategien bereit. Wenn die Unterstützung aus den eigenen Reihen schwach ist, sind gewalttätige Strategien unwahrscheinlicher. Außerdem kann Gewalt, wenn sie Protest erzeugt, auch die Bildung einer dritten Gruppe provozieren, die sich mit den Opfern solidarisiert und den Erfolg der Strategie gefährdet. Die Wahl der Strategien wird von den Eliten auch im Hinblick auf die Unterstützung aus der Gesellschaft insgesamt abgewogen. Die Unterstützung bestimmter sozialer Gruppen für die Eliten, ihre Ziele und Strategien hat dabei Rückwirkungen auf die Bereitschaft der Anhängerschaft ihre Führung zu unterstützen.47 Für den Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt ist demnach entscheidend, „ob es gewaltbereiten Eliten gelingt, Interpretationshoheit und Selektionskompetenz über Glaubenstraditionen zu gewinnen, mit deren Hilfe sie Anhänger für militante Auseinandersetzungen mobilisieren können.“48 Der Grad der Mobilisierung der eigenen Gruppenmitglieder ist von drei wesentlichen Faktoren abhängig: von der Konfliktart, der Opferbereitschaft der Gruppenmitglieder und der Beziehung zwischen den Konfliktparteien. Die Höhe der gesellschaftlichen Unterstützung ist dabei abhängig von der öffentlichen Be43
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de juan/haSencLeveR, Kriegstreiber und Friedensengel – Die ambivalente Rolle von Religionen in politischen Konflikten. In: Das Friedenspotenzial von Religion. Hg. v. Irene dingeL / Christiane tietz. Göttingen 2009, 101–118, hier 110; haSencLeveR/RittbeRgeR, Religion, 2000, 642. haSencLeveR/RittbeRgeR, Religion, 2000, 642. haSencLeveR, Andreas: Getting Religion Right – Zur Rolle von Religionen in politischen Konflikten. In: Religion und globale Entwicklung. Der Einfluss von Religionen auf die soziale, politische und wirtschaftliche Entwicklung. Hg. v. Jürgen WiLheLm / Hartmut ihne. Berlin 2009, 170–186, hier 180. biondich, Religion, 73. haSencLeveR/RittbeRgeR, Religion, 2000, 650 f.; haSencLeveR, Ressource, 184. haSencLeveR, Glaubensgemeinschaften, 189 f.
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gründung für die Anwendung von Gewalt. Konflikte können in Interessen- und Wertekonflikte unterteilt werden. Der Mehrparteienkrieg im Unabhängigen Staat Kroatien wird als Wertekonflikt aufgefasst. Interessenkonflikte umfassen die Verteilung von knappen Gütern und sozialen Positionen, wobei der intersubjektive Referenzrahmen, nach welchem entschieden wird, ob es sich um wertvolle oder nicht wertvolle Güter, legitime oder illegitime Forderungen oder angemessene oder unangemessene Handlungen handelt, nicht in Frage gestellt wird. Darunter fallen z. B. Konflikte um eine Regierungsposition. In Wertekonflikten dagegen wird der intersubjektive Rahmen insgesamt in Frage gestellt, so dass die Konfliktparteien ihre gegenseitigen Moralvorstellungen und ihr Verständnis über eine rechte und gerechte soziale Ordnung anfechten. Darunter fallen z. B. Konflikte über die Verfassung und Organisation eines Staates, die zu fundamentalen Veränderungen in einer Gesellschaft führen können.49 Der kroatische Antagonismus gegenüber den Serben gründete sich in mangelnden politischen Partizipationsmöglichkeiten der Kroaten im Königreich Jugoslawien. In Bildung, Militär und Wirtschaft waren es empfundene und strukturell gegebene Benachteiligungen der Kroaten, die zu politischen Spannungen führten. Die schließlich 1939 gegründete teilautonome kroatische Banovina vermochte das Legitimationsleck für den jugoslawischen Staat nicht zu stopfen. Wertekonflikte sind gewaltaffiner als Interessenkonflikte. Erstens weil sich Individuen mit den Werten ihrer Gruppe identifizieren und die Gefährdung dieser Werte als eine existenzielle Gefahr sehen. Wenn es um die Verteidigung ihrer Werte geht, steigt die Bereitschaft der Mitglieder einer Gruppe, Ressourcen zu mobilisieren und Gewalt anzuwenden. Zweitens erscheint die Gewaltanwendung in Wertekonflikten als moralisch gerechtfertigt, weil es um die Verteidigung dessen geht, was die Gruppe als richtig, falsch, gerecht und ungerecht erachtet und was ihre Identität ausmacht. Weil er die fundamentalen Normen der Gesellschaft infrage stellt, erscheint der Konfliktpartner als Gesetzloser, der eine gewaltfreie Behandlung verwirkt hat. Letztens ist die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt an die Vorstellung gebunden, dass es in Wertekonflikten keine Kompromisse gibt und eine Niederlage der totalen Zerstörung der eigenen Vorstellungen gleicht. Die Stufe der Mobilisierung der Gruppenmitglieder hängt außerdem von ihrer Bereitschaft ab, riskante, zeit- und ressourcenaufwendige Opfer zu bringen. Wenn die Anhängerschaft keine Gegenangriffe riskiert und sich selbst keiner Gefahr aussetzten möchte, sinkt die Bereitschaft der Eliten, gewalttätige Strategien zu implementieren. Die Mobilisierung der Anhängerschaft ist außerdem eher zu erreichen, wenn Kooperationen zwischen den Konfliktparteien ausgeschlossen sind. Der beidseitige Vertrauensverlust zwischen den Konfliktparteien erhöht den Grad der Mobilisierung der Anhängerschaft.50 Da für die Durchsetzung von gewalttätigen Strategien auch die Unterstützung der breiten Bevölkerungskreise und sozialen Gruppen, die außerhalb der eigenen Anhängerschaft stehen, sowie sogar von internationalen Partnern unablässig ist, versuchen die Eliten ihre Strategien als legitim und gerechtfertigt darzustellen. „At a minimum, they will devote time and energy to framing a 49 50
haSencLeveR/RittbeRgeR, Religion, 2000, 652 f. ebd., 653 f.
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conflict in terms that lend credibility to their claim that violence is unavoidable.“51 Scheitern die Versuche, die gewalttätige Strategie zu rechtfertigen, verringert sich die Unterstützung der breiteren Bevölkerungskreise, was sich wiederum negativ auf die Mobilisierungsbereitschaft der Anhängerschaft auswirkt. Für die notwendige Mobilisierung von Unterstützern für gewalttätige Strategien können die Eliten die ideologischen, ethnischen und vor allem die religiösen Unterschiede der Konfliktparteien manipulieren. Die Umdeutung der Interessenoder Wertekonflikte in religiöse Konflikte führt zu ihrer Transformation und Radikalisierung. Politische Konfrontationen eskalieren vergleichsweise schnell und werden heftiger geführt, wenn religiöse Gegensätze involviert sind. Darstellungen eigener Interessen und Ziele als gottgewollt und der Interessen der Konfliktpartei als blasphemisch, sündig, teuflisch usw. können eine Methode der Eliten sein, um Gewalt zu rechtfertigen. Damit kann die Opferbereitschaft der Anhänger erhöht werden, – ja, können die Anhänger sogar erst zur Gewalt befähigt werden –, während das Misstrauen zwischen den Konfliktparteien vergrößert wird. Mit säkularer Logik werden so Menschen für Glaubensparolen begeistert und sind schließlich bereit für sie zu kämpfen. Durch die Verwendung religiöser Symbolik eröffnen die Eliten sich den Zugang zu religiösen Institutionen und ihren Ressourcen.52 In Bourdieus Interpretation von Weber heißt es, dass die Kirchen dazu neigten „der politischen Macht eine unersetzliche ‚legitimierende Macht‘ zu liefern, und dass sie ‚das unvergleichliche Mittel der Domestikation der Beherrschten‘ sind.“53 Den Klerus auf ihre Seite zu ziehen kann vor allem für den Fortbestand extremistischer Gruppen und ihrer Führer entscheidend sein. Denn die Kirche wirkt, so Bourdieu, an der Aufrechterhaltung der politischen Ordnung mit. Dies ist umso leichter, wenn die religiösen Autoritäten langanhaltende Konflikte mit dem Staat haben oder mit ihrer Position in der Gesellschaft unzufrieden sind. Wenn die religiösen Institutionen diskriminiert wurden, erhöhen sich die Chancen für die Unterstützung extremer Gruppen und für die Mobilisierung ihrer Anhänger durch diese Institutionen. Die Erfahrung der jugoslawischen Staatlichkeit, einer hegemonialen Ordnung mit der serbisch-orthodoxen Kirche als de facto Staatskirche, hatte die Chancen für die Zusammenarbeit vor allem der römisch-katholischen Kirche mit der Ustaša erhöht. Religiöse Akteure können aber auch eigene politische Ziele verfolgen und dafür die politischen Akteure instrumentalisieren. Die Instrumentalisierung zwischen Politik und Religion kann in beide Richtungen zeitgleich oder zeitversetzt erfolgen. Allerdings können religiöse Institutionen den politischen Eliten auch die Unterstützung verweigern und sogar zum bewaffneten Widerstand gegen diese aufrufen. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu klären, ob die Vereinnahmung der 51 52 53
ebd., 655. haSencLeveR/RittbeRgeR, Religion, 2000, 655 ff.; de juan/haSencLeveR, Ambivalenz, 225; de juan/haSencLeveR, Ambivalenz, 228; haSencLeveR, Ressource, 185 f.; van de Loo, These, 454. bouRdieu, Pierre: Eine Interpretation der Religion nach Max Weber. In: Religion. Schriften zur Kultursoziologie 5. Hg. v. Franz SchuLtheiS / Stephan eggeR. Berlin 2011, 7–29, hier 16; WebeR, Wirtschaft, 691, 701. – Zur Mobilisierungskraft religiöser Institutionen und Religion in ethnischen Konflikten Fox, Institutions, 121 f. und deRS.: Religion, 22.
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Religion auf bewusste Interessenabwägung oder mangelnde Aktionsmöglichkeiten und/oder fehlendes Bewusstsein der religiösen Akteure zurückzuführen ist.54 Wie bereits angemerkt, kann der Eliten-orientierte Ansatz aus der Konflikt- und Friedensforschung sinnvoll durch die religionssoziologische Perspektive ergänzt werden, die die religiösen Interessen der Laien berücksichtigt. Nach Bourdieu reagieren Priester auf religiöse Interessen der Laien und modifizieren ihre religiöse Botschaft dementsprechend. Auch hier stehen die Eliten als eine Laiengruppe im Vordergrund, so z. B. Bürokraten, Militärs, Politiker und Intellektuelle.55 Die Studie zeigt damit kein Interesse an den religiösen Interessen bzw. Bedürfnissen der Laien insgesamt, so u. a. auch nicht an den bäuerlichen Schichten, sondern beschränkt sich auf die politisch agierenden Laien, die für die politischen Interessen der religiösen Akteure wichtiger waren. Diese Wichtigkeit erhalten sie, weil sie nach Bourdieu bzw. Weber aufgrund ihrer städtischen Berufe als Träger „rationaler Systematisierung“ bzw. „Rationalisierung“ und „Ethisierung“ religiöser Bedürfnisse verstanden werden. Für die vorliegende Studie ist dieser Zusammenhang von Bedeutung, weil über die Rationalisierung eine Brücke zum Bedürfnis der Rechtfertigung und Legitimation des eigenen Daseins und Tuns in einer bestimmten sozialen Position geschlagen wird.56 Wie auch Hasenclevers studiengestütztes Modell betonte, sind politische Akteure bestrebt, ihre Strategien mittels religiöser Traditionen zu rechtfertigen. Aus funktionalistischer Perspektive erfüllt die Religion die Funktion der Rechtfertigung des Daseins. So ist der Rechtfertigungsbedarf der Ausgangspunkt des religiösen Interesses der Laien. Die Ustaša-Führer erwarteten von der religiösen Botschaft einen Rechtfertigungszusammenhang für ihre Existenz in der sich dargebotenen sozialen Position. Ferner entfaltete, in Bourdieus Worten, die durch diese Nachfrage bestimmte religiöse Botschaft die ihr eigene symbolische Mobilisierungsfunktion.57 Ihr Rechtfertigungsbedürfnis stillte die Ustaša durch die religiöse Botschaft, womit sie gleichzeitig den religiösen Autoritäten und Institutionen gesellschaftliche Aufwertung verlieh, um sie im Gegenzug für ihre eigene Politik zu gewinnen. Die religiöse Botschaft der religiösen Autoritäten und Institutionen ist dabei ein dialektischer Prozess zwischen den Rechtfertigungsbedürfnissen der Laien und den Interessen der religiösen Autoritäten und Institutionen um Macht und Einkünfte. Mit dieser Aussage bringt es Bourdieu auf den Punkt: „Die schon fast wunderliche Harmonie zwischen dem Inhalt der religiösen Heilsbotschaft, die sich durchzusetzen vermag, und den im strengsten Sinne weltlichen, also vor allem politischen Interessen ihrer Hauptadressaten ist eine unabdingbare Voraussetzung für ihren Erfolg.“58 Es ist jedoch nicht von Bedeutung, ob die politischen Akteure 54
55 56 57 58
haSencLeveR/RittbeRgeR, Religion, 2000, 655 ff.; de juan/haSencLeveR, Ambivalenz, 225; de juan/haSencLeveR, Ambivalenz, 228; haSencLeveR, Ressource, 185 f.; van de Loo, These, 454; bouRdieu, Pierre: Genese und Struktur des religiösen Feldes. In: Religion. Schriften zur Kultursoziologie 5. Hg. v. Franz SchuLtheiS / Stephan eggeR. Berlin 2011, 30–90, hier 79; bRemeR, Konflikte, 18. bouRdieu, Interpretation, 11; Ausführlich zum religiösen Feld deRS., Genese, 30–90. bouRdieu, Interpretation, 11–14. ebd., 15. ebd.
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Einführung
selbst Gläubige waren, die ihre religiösen Interessen mit der eigenen Heilserwartung verknüpften. Die Existenzbedingungen dieser Akteure als die Determinanten ihrer Bedürfnisse sind auch nicht weiter von Belang. Entscheidend sind solche religiösen Interessen politischer Akteure, die ihnen Machtkapital versprachen, unabhängig von möglichen religiösen Beweggründen, die ja wie oben festgestellt, ohnehin von ökonomischen, politischen und Machtinteressen geformt werden. Folglich wird in der Studie ein Aktionsraum umrissen, der einerseits die religiöse Botschaft der religiösen Autoritäten hinsichtlich ihrer mobilisierenden Kraft für die Gewinnung von Laien in den Fokus nimmt. Andrerseits wird auch der Interaktionsprozess zwischen den politischen und religiösen Autoritäten betrachtet, in welchem die politischen Autoritäten ihre politischen Forderungen mithilfe der religiösen Botschaften der von ihnen manipulierten religiösen Autoritäten durchzusetzen versuchen. Weil sich die Bedingungen der sozialen Existenz der Ustaša im Laufe des Krieges veränderten, veränderten sich auch die Rechtfertigungsbedürfnisse und somit schließlich die „Allianzen“ mit einer bestimmten religiösen Botschaft. Dies wird u. a. anhand der Machtverschiebungen zwischen der Ustaša, den deutschen Akteuren und dem Widerstand oder durch Kirchengründungen im Ustaša-Staat sichtbar gemacht. Wird die Interpretationskraft der politischen Eliten über religiöse Traditionen in einem Konflikt schwächer, verliert sie die Glaubwürdigkeit unter den Anhängern und in der Bevölkerung oder entziehen sich religiöse Autoritäten der Vereinnahmung, droht die gewaltsame Strategie zu scheitern. Die „Metamoral“ ist somit auch intersubjektiv.59 Kriege entwickeln außerdem eine eigene Logik und unterliegen eigenen Dynamiken, womit eine Steuerung des menschlichen Verhaltens bzw. der Bevölkerung und der eigenen Anhänger schwieriger wird. Gewalt erzeugt Anschlusszwänge und strukturiert menschliche Beziehungen neu, so dass diese als eine Antwort auf Gewalt betrachtet werden können. Erkenntnisse aus der Gewaltforschung in der Geschichtswissenschaft betonen, dass nach dem Ausbruch der Gewalt nicht nur Ideologien, Ideen und Gründe, sondern auch Situationen und Handlungszwänge für den weiteren Verlauf der Ereignisse entscheidend sind. Folglich bedarf es einer Beschreibung dieser Situationen und eines Fokus auf Handlungsdynamiken.60 Zu Anfang existierende Absichten und Strategien zur Erreichung politischer und Machtinteressen sowie von Mobilisierungsstrategien verlieren zwar im Zuge der Kriegsgeschehnisse und Gewalt nicht ihre Gültigkeit, müssen jedoch modifiziert und neuen Situationen und Handlungszwängen angepasst werden. So konnten Versuche der politischen Eliten nach Vereinnahmung religiöser Traditionen und Autoritäten unter neuen Bedingungen und mit anderen Zielen gewagt werden, wobei neue Koalitionen und Ausrichtungen auf konkurrierende Glaubensgemeinschaften und ihre Traditionen möglich wurden. Wie bereits gezeigt, kann die Instrumentalisierung der Religion durch die politischen Eliten zu Mobilisierungs- und Legitimationszwecken direkt oder indirekt 59 60
jueRgenSmeyeR, Mark: The New Cold War? Religious Nationalism Confronts the Secular State. Berkeley/Los Angeles 1993, insb. 163–167. babeRoWSKi, Räume, 151, 153 f.; deRS.: Einleitung: Ermöglichungsräume exzessiver Gewalt. In: Gewalträume: Soziale Ordnungen im Ausnahmezustand. Hg. v. Jörg babeRoWSKi / Gabriele metzLeR. Frankfurt a. M. 2012, 7–27, hier 18.
Forschungsrahmen und theoretische Annahmen
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erfolgen. In Untersuchungen zur Instrumentalisierung von Religionen im bosnischen Kontext in den 1990er Jahren wurde die Bedeutung der Spezifizierung der genauen Aspekte von Religion, die durch die Eliten instrumentalisiert wurden, hervorgehoben. Ähnlich wie bisher dargelegt, wies Stephanie van de Loo auf die notwendige Unterscheidung hin, ob die Religiosität der Bevölkerung als Potenzial für politische Mobilisierung, religiöse Institutionen als Legitimationsinstanzen, Religionsführer als Handlungsträger, religiöse Rhetorik und Symbolik und/ oder die religiöse Zugehörigkeit als Merkmal der Identitätsabgrenzung instrumentalisiert wurden. Mit dieser Unterscheidung ist gleichzeitig eine Differenzierung zwischen Religion als Glaubensbekenntnis, religiöser gesellschaftlicher Praxis und Religionsgemeinschaften als Akteuren gegeben.61 Unter den genannten Aspekten bedarf noch der letzte einer Erläuterung. Ksenija Petrović beschäftigte sich in ihrer vergleichenden Studie über nationale Identitäten und Religion in Serbien und Kroatien mit der Rolle der beiden dort dominierenden Kirchen bei der Konstituierung der nationalen Identität und damit, welche Diskurse und Akteure diese beiden Kirchen förderten. Sie wandte dabei den Ansatz des „relativen kulturellen Konstruktivismus“ nach John Breuilly an. Dabei arbeitete sie die Handlungen der Kirchen und weiterer Akteure heraus, die ihren Schwerpunkt auf die Konstituierung der nationalen Identität legten, und definierte diese Handlungen als „symbolische Praxen“ und somit als „kulturelle Konstruktion“. Im Gegensatz zum Ansatz des „radikalen Konstruktivismus“ ließ sie den soziopolitischen Hintergrund nicht außer Acht. Petrović wies in ihrer Studie auf die Kontinuität des nationalreligiösen Diskurses hin, indem sie die Entwicklungen und Veränderungen innerhalb der serbisch-orthodoxen und der römischkatholischen Kirche in Kroatien seit dem 19. Jahrhundert aufzeichnete. Sie rückte dabei die Instrumentalisierung der Kirchen durch politische Eliten, aber auch das politische Selbstverständnis und politische Aktivitäten der Kirchen in den Vordergrund.62 Wie Petrović zeigte, hatte die Teilnahme der religiösen Autoritäten am nationalreligiösen Diskurs sie über einen langen Zeitraum zu Interpretationsgrößen über die religiösen wie auch nationalen Belange werden lassen. Durch ihr Wirken verknüpften sie die religiöse mit der nationalen Identität, erleichterten dadurch jedoch auch den Zugriff politischer Akteure auf religiöse Traditionen. Für den kroatisch-bosnischen Kontext muss diese Verbindung zwischen der ethnischen bzw. nationalen und religiösen Identität der Bevölkerung berücksichtigt werden. Der Prozess der Herausbildung der nationalen Identitäten vollzog sich in Bosnien und Kroatien im 19. Jahrhundert entlang der religiösen Identitätsmerkmale. Die Identifikation zwischen der Glaubenszugehörigkeit und Nationalität war 61 62
van de Loo, These, 453. Petrović, Ksenija: Nationale Identität und Religion in Serbien und Kroatien. Wiesbaden 2012, 19 f.; Außerdem zum Forschungspotenzial zum Gegenstand der „Durchwirkung“ des nationalen Diskurses mit Religion im östlichen Europa der Sammelband von SchuLze WeSSeL, Martin (Hg.): Nationalisierung der Religion und Sakralisierung der Nation im östlichen Europa. Stuttgart 2006, hier explizit die Einleitung, SchuLze WeSSeL, Martin: Einleitung. In: Nationalisierung der Religion und Sakralisierung der Nation im östlichen Europa. Hg. v. Martin SchuLze WeSSeL. Stuttgart 2006, 7–14.
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so groß, dass eine religiöse Konversion – zumindest für Außenstehende – auch eine Änderung der Nationalität bedeutete.63 In ethnischen Konflikten bildet die ethnische oder nationale Identität zwar den Antrieb, doch ihre Kraft äußert sich durch den kollektiven Wunsch nach Selbstbestimmung. So ist eher der Selbstbestimmungswunsch die Ursache für ethnische Konflikte als die Identität.64 Konflikte werden, wie bereits betont, um Macht und Interessen geführt. Eine ethnische Dimension erhalten solche Konflikte durch Bildung von Allianzen und Gruppen aufgrund „vorgestellter“ gemeinsamer ethnischer Merkmale, wie Sprache, Kultur oder Religion. Da die ethnische Identität in Bosnien und Kroatien durch religiöse Merkmale determiniert war, wiesen die ethnischen Konflikte um säkulare Interessen eine religiöse Konnotation auf. Die ersten Konflikte zwischen orthodoxen Serben und katholischen Kroaten ereigneten sich außerdem erst im Zuge der Implementierung der religiösen in die nationale Identität während der Entwicklung des Nationalismus im 19. Jahrhundert. Damit wurden die Vorbedingungen späterer ethnischer Konflikte geschaffen.65 Hervorzuheben ist, dass die Gleichsetzung der ethnischen bzw. nationalen Identität mit der religiösen bereits eine Instrumentalisierung der Religion darstellt.66 Wenn die religiöse Zugehörigkeit zu den Strukturmerkmalen der ethnischen und nationalen Identität gehört, so dass es eine enge Beziehung zwischen Religion und Ethnizität gibt, ist eine Unabhängigkeit der religiösen Gemeinschaften in Konflikten nicht gegeben. Sie können sich einem um politische, materielle und Machtinteressen geführten Konflikt unter ethnisch definierten Gruppen folglich nicht entziehen.67 Die Instrumentalisierung der religiösen Zugehörigkeit als Merkmal der Identitätsabgrenzung vollzieht sich dabei nicht nur in einer Richtung. Die Ustaša-Regierung wie auch die katholische Kirche förderten die Gleichsetzung der kroatischen nationalen Identität mit dem Katholizismus. Beide profitierten von dieser Gleichsetzung. Die Ustaša profitierte von der gemeinschaftsbildenden Funktion der katholischen Konfession, während die Kirche ihre Position als politische Akteurin und nationale Identitätsstifterin ausbauen konnte. Die priesterliche Praxis und die Botschaft sind dabei das Ergebnis von „Transaktionen“, d. h. ihrer Aushandlung zwischen der Kirche und den Laien. Die Kirche „sucht die Forderungen der Laien, von denen sie ihre (weltliche wie spirituelle) Macht erwartet, religiös zu lenken.“68 Je mehr aber die Priesterschaft die Lebenspraxis der Laien nach dem göttlichen Prinzip zu reglementieren versucht, desto größere Zugeständnisse muss sie den Laienfraktionen gegenüber machen. Der Lebensstil 63 64 65
66 67 68
PeRica, Vjekoslav: Balkan Idols. Religion and Nationalism in Yugoslav States. New York 2002, 5; bRemeR, Thomas: Der Katholizismus in Südosteuropa. In: Religion und Gesellschaft in Südosteuropa. Hg. v. Hans-Dieter döPmann. München 1997, 59–70, hier 63 f. Fox, Religion, 229. rokSanDić, Drago: Religious Tolerance and Division in the Krajina: The Croatian Serbs on the Habsburg Military Border. In: Christianity and Islam in Southeastern Europe. The Woodrow Wilson Center Occassional Papers Nr. 47. Washington D. C. 1997, 49–82, hier 75; PeRica, Idols, 16. van de Loo, These, 457; Nach Weber ist die Ethnizität ein Gemeinsamkeitsglaube und keine Vergemeinschaftungsform. WebeR, Wirtschaft, 237. van de Loo, These, 456 ff. bouRdieu, Interpretation, 26.
Forschungsrahmen und theoretische Annahmen
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und die Weltsicht der Laien, von denen die Kirche Einkünfte und Macht erwartet, werden von ihr berücksichtigt. Die Religion verbindet sich mit anderen Formen der Regelung sozialer Ordnung wie Politik und Recht, um ihre Macht zu erhalten.69 Die Spezifika der Identitätsstrukturen in Kroatien und Bosnien und Herzegowina erleichtern die Interaktionen, darunter gegenseitige Instrumentalisierungen, zwischen Gewaltregimen und Religion. Schließlich ist die Studie an den gegenseitigen Beziehungen der religiösen Autoritäten und Institutionen im Konfliktgeschehen interessiert. Im Ustaša-Kroatien kam es zu Verschiebungen von Minderheits- und Mehrheitsverhältnissen unter den Religionsgemeinschaften und einer geänderten Hierarchisierung religiöser Institutionen. Die römisch-katholische Kirche wurde de facto zur Staatskirche erhoben, wenn ihr auch de jure noch die evangelische Kirche und der Islam gleichgestellt wurden. Dies resultierte in einem verschärften Konkurrenzverhältnis zwischen den drei anerkannten religiösen Gemeinschaften. Außerdem verfolgte die UstašaRegierung nicht anerkannte religiöse Gemeinschaften, wodurch sich die Beziehungen zwischen den jeweiligen anerkannten und nicht anerkannten religiösen Gemeinschaften grundlegend veränderten. Die Inhalte einer religiösen Tradition definieren nämlich die Besonderheit der eigenen religiösen Gemeinde im Verhältnis zu konkurrierenden Lehren. Werden sie bedroht, resultiert die Sorge um ihren Verlust in der Betonung der Unterschiede zwischen der eigenen und der konkurrierenden Glaubenslehre. Solche Neigungen zeigten alle religiösen Organisationen im NDH. Damit ging das Bestreben einher, gegen die religiöse Indifferenz und Konversionen anzukämpfen.70 Als Bedrohung wurde dabei auch die Diversifizierung der religiösen Botschaft in Abhängigkeit von den religiösen Interessen der Laien empfunden, wobei die Laienkreise gleichzeitig eine Vereinheitlichung der religiösen Botschaft erwarteten.71 Dies zeigte sich z. B. an den Konflikten zwischen der römisch-katholischen Kirche und der Ustaša. Die sich im Laufe des Krieges manifestierten Konkurrenzverhältnisse zwischen den religiösen Institutionen hatten ihre Vorgeschichte im religiös pluralen Königreich Jugoslawien, in dem viel Wettbewerb – und daran gebunden – religiöse Vitalität im religiösen Feld herrschte. Ein Anliegen der Studie ist die Analyse des Konkurrenzverhaltens der religiösen Akteure oder Institutionen beim Einfluss auf die Praxis und die Weltsicht der Laien, mit dem Ziel, ihnen einen bestimmten „religiösen Habitus“ einzuverleiben und ein religiöses Monopol zu errichten. Die Beziehungen religiöser Akteure werden als interaktionistisch verstanden. Sie werden im Bourdieuschen Sinne im „religiösen Feld“ untersucht, wobei die „direkten Interaktionen“, Strategien und Distinktionsmittel der religiösen Akteure mit- und gegeneinander bei der Verteilung der Macht, d. h. „religiöser Legitimität“ aufgezeigt werden sollen.72
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bouRdieu, Interpretation, 26; WebeR, Wirtschaft, 284; PicKeL, Religionssoziologie, 240. bouRdieu, Interpretation, 28; WebeR, Wirtschaft, 281. bouRdieu, Genese, 77 f.; deRS., Interpretation, 27 f. bouRdieu, Interpretation, 9 f., 17 ff.; PicKeL, Religionssoziologie, 207 ff., 241.
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Einführung
AUFBAU UND METHODOLOGIE Die Studie gliedert sich in drei Kapitel. Das erste Kapitel beginnt mit der Erörterung der Legitimierung des Unabhängigen Staates Kroatien durch die katholische Kirche vor dem Hintergrund der Errichtung des Gewaltregimes. In einer systematischen Analyse wird anschließend in die Thematik der religiösen Übertritte übergeleitet. Einzelne Analysen zu staatlichen Entscheidungsfindungen und Handlungen wechseln sich mit Analysen zu kirchlichen Anweisungen und Regelungen ab. Thematisch werden u. a. die Eingriffe des Staates in das religiöse Feld, die Konversionen, die religiöse Arbeit des Klerus und die Zerstörung und Umwandlung von orthodoxen Kirchen erfasst. Im zweiten Kapitel werden die Religionsgemeinschaften der Altkatholiken, Muslime, Katholiken des griechischen Ritus und die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche problematisiert. Die behandelten Themen sind u. a. die Verhältnisse der einzelnen Religionsgemeinschaften zur römisch-katholischen Kirche, die ideologischen Prämissen von Kirchengründungen, staatliche Zugriffe auf das Vergemeinschaftungspotenzial der Religion, Kontinua und Brüche der einzelnen Verhältnisse zwischen den Religionsgemeinschaften und dem Staat sowie Benachteiligungen und Privilegierungen unter den einzelnen Kirchen und Gemeinschaften. Das dritte Kapitel setzt die Politik des Dritten Reiches in Kontrast zur Politik der Ustaša. Hier werden die NS-Politik zu orthodoxen Kirchen und zu bosnischen Muslimen, die Beziehungen zwischen bestimmten religiösen Akteuren untereinander, der deutsche evangelische und katholische Klerus und ihre Organisationen sowie insgesamt die Kirchenpolitik und Strategien der Organisation der Deutschen Volksgruppe im NDH beleuchtet. Mit der Analyse der letzten „Chancen“ zur Machtsicherung und Einflussnahme politischer Akteure auf religiöse wird das dritte Kapitel beendet. Jedes Kapitel wird durch eine Zusammenfassung abgerundet. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist nicht, eine integrierte Gewalt- oder eine integrierte Religionsgeschichte im NDH zu schreiben. Vor dem Hintergrund des Erkenntnispotenzials des vorliegenden Quellenmaterials wäre eine solche Untersuchung auch kaum haltbar. Ebenso wird keine Geschichte des kroatischen Nationalismus geschrieben, gewiss aber kommt die Untersuchung ohne punktuelle Kontextualisierungen zu den Entwicklungen des kroatischen Nationalismus nicht aus. Im Zentrum stehen insbesondere bestimmte Akteure,73 Interdependenzen und Dynamiken des Geschehens, bei welchen die beiden Dimensionen der Gewalt und Religion gegenseitige Bezüge aufwiesen. Bei den Akteuren werden mehrere Differenzierungen vorgenommen. So werden die Entscheidungen, Handlungsräume, symbolische Praktiken, Initiativen usw. der verschiedenen Regierungs- Organisations- und Verwaltungsglieder des Ustaša-Regimes, der NS-Stellen und der Deut73
Die in der Studie berücksichtigten Personen aus den Reihen der Politiker, des Militärs und Klerus waren männlichen Geschlechts. Frauen werden in den Quellen nur selten ausdrücklich als Frauen erwähnt oder kommen nur selten, und zwar als Opfer selbst zu Wort. Die Akteure der Studie entstammen einer männlich dominierten und patriarchalisch geordneten Welt. Auf die Verwendung von geschlechtergerechter Sprache wird aus Gründen der Leserlichkeit verzichtet. Die weibliche Form wird nur verwendet, sofern es der Kontext erfordert.
Aufbau und Methodologie
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schen Volksgruppenorganisation mit ihren Hinter- und Beweggründen auf der lokalen, der mittleren und der obersten bzw. staatlichen Ebene analysiert. Es werden das Verhalten, die Handlungsebene, die Verlautbarungen und Handlungsaufforderungen der religiösen Akteure aller Art untersucht. Bei religiösen Akteuren wird ebenfalls – soweit es die Quellen erlauben – analytisch unterschieden zwischen dem hohen und dem niederen Klerus bzw. entlang der Hierarchisierungen im religiösen Feld. Dadurch wird eine größtmögliche Akzentuierung der Spezifika innerhalb der Akteursgruppen erreicht. Dies ist vor allem im Hinblick auf die bisher in der Forschung meist missachtete Rolle lokaler Akteure in den jeweiligen Gemeinden und Bezirken und ihrer Initiativen und Impulse auf die staatliche Religionspolitik interessant. Die prominente Person und Rolle des römisch-katholischen Erzbischofs Stepinac wurde aber bewusst nicht in den Vordergrund der Analyse gerückt, sondern immer in Beziehung zu anderen Geistlichen und Zusammenhängen behandelt. Erst dadurch ergaben sich neue Konstellationen in der Rekonstruktion der Ereignisse, da auch andere Akteure und Mechanismen deutlicher hervortraten. Der Fokus der Untersuchung wurde außerdem gemäß den Fragen der Studie auf die religiös besonders gemischten Gebiete des NDH ausgerichtet, in welchen Kroaten, Serben, Muslime, Deutsche, Katholiken, Orthodoxe und Evangelische in unmittelbarer Nachbarschaft zusammenlebten.74 Sie und ihre religiösen Organisationen bilden den Schnittpunkt der Untersuchung. Die jüdische Bevölkerungsgruppe wird nur berücksichtigt, wenn es der Kontext erfordert. Bei Juden spielten wegen ihrer Verfolgung aufgrund von rassischen Kriterien, wenn diese auch im Vergleich zum NS-Regime flexibler ausgelegt wurden,75 weder ihr Bekenntnis, noch ihre religiöse Organisation eine Rolle. Es gab keine spezifischen politischen Strategien, die auf Juden als religiöse Gruppe oder auf ihre religiösen Vertreter zielten. Letzteres traf auch bei Roma, Tschechen, Slowaken und Slowenen zu. Lediglich russische und ukrainische Gruppen finden wegen ihres meist orthodoxen Bekenntnisses Eingang in die Analyse, wo es der Gesamtzusammenhang erfordert. Außerdem erlaubt die Quellenlage keine fundierten Untersuchungen zu diesen kleineren Bevölkerungsgruppen. Aufgrund dieser Kriterien und Einschränkungen konnten die Regionen Nordbosnien und Ostkroatien (Slawonien), die sich auf etwa vier Großbezirke (auch: Gespanschaften) erstreckten und zur deutschen Einflusszone gehörten, als Untersuchungseinheiten bestimmt werden. Die Eingrenzung auf bestimmte Gebiete verspricht eine empirisch besonders dichte Analyse, zumal die lokalen Umstände und Situationen stärker in den Vordergrund treten. Auf dem Territorium des Unabhängigen Staates Kroatien wurden zwischen dem 19. April und 74
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Die Zuschreibung nationaler, religiöser und ethnischer Identitäten an Personen in der Studie ist schwierig, wenn gar kaum möglich. Das Einordnen der jeweiligen Identitäten in die westeuropäischen Kategorien Nation, Religion und Ethnie wird in der vorliegenden Studie vermieden, weil die Anwendung dieser Begriffe auf die komplexen und sich überlappenden Identitäten mehr verklärt und versteckt als es zur Deutung beiträgt. Eine Annäherung durch Beschreibungen, wie sie Emily Grebele in ihrer Studie über die Stadt Sarajevo im Zweiten Weltkrieg vornimmt, erweist sich auch in der vorliegenden Studie als nützlicher. gRebLe, Emily: Sarajevo, 1941–1945. Muslim, Christian and Jews in Hitler’s Europe. Ithaca/London 2011. KoRb, Schatten, 140 f.
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4. Juli 1941 22 Großbezirke gegründet.76 Die Großbezirke waren die Hauptverwaltungseinheiten, die die natürliche Grenze zwischen Bosnien und Herzegowina und Kroatien entlang der Save und zwischen Herzegowina und Dalmatien bewusst aufhoben. Die Großbezirke gliederten sich in Bezirke, die die Städte und Gemeinden umfassten. Die Bezirksgrenzen wurden im Königreich Jugoslawien gezogen und stammten z. T. aus der habsburgischen Zeit. Nach der italienischen Kapitulation 1943 wurden die von Italien okkupierten Gebiete – Istrien und Teile Dalmatiens – durch Angliederung an bestehende oder durch Gründung neuer Großbezirke in den NDH integriert. Die für die Untersuchung bestimmten Großbezirke sind Baranja, Posavje, Usora-Soli und westliche Hälfte von Vuka. Je nach thematischem Schwerpunkt und zur besseren Kontrastierung der Analysen werden auch einzelne Bezüge zu anderen Großbezirken wie Bilogora, Livac-Zapolje, Vrhbosna und Sana-Luka hergestellt. Da z. B. die meisten Katholiken griechischen Ritus im Bezirk Bilogora konzentriert waren, ist in bestimmten Kontexten eine Ausdehnung der Untersuchung in diese Region erforderlich. Insgesamt werden die einzelnen Großbezirke einem Vergleich der vorherrschenden Situationen und Agenden der religiösen und politischen Akteure unterzogen. Berücksichtigt werden dabei auch historische und ideologische Besonderheiten zwischen den bosnischen und kroatischen Bezirken sowie die soziokulturelle Rolle der Religion in Nordkroatien und Bosnien. Im Blick bleibt, dass sich die Priesterschaft stets in einem Aushandlungsprozess mit der Laiengruppe der politischen Eliten befindet. Sie geht entsprechend ihrer gesellschaftlichen Stellung auf die religiösen Interessen der politischen Eliten ein und modifiziert damit die Glaubenslehre. So „entsteht auch eine sozial undifferenzierte Botschaft, die ihre Charakteristika und besonders ihre Mehrdeutigkeit dem Umstand verdankt, dass sie das Produkt der Suche nach dem größten gemeinsamen religiösen Nenner zwischen den unterschiedlichen Kategorien von Rezipienten darstellt.“77 Die Botschaft des Klerus in den ländlichen Regionen unterschied sich von der Botschaft des hohen Klerus. Darüber hinaus vertrat der Klerus insgesamt unterschiedliche Positionen in Bosnien und Slawonien. Für alle Gemeinden in den Untersuchungsgroßbezirken wurden Daten zu Akteuren, ihren Absichten, Zielen sowie der Organisation, Durchführung und dem Erfolg von gegebenen Initiativen, Strategien usw. erhoben. Die so entstandene Fülle an Informationen wird nach thematischen Schwerpunkten in größere Zusammenhänge gesetzt und erläutert. Das Vereinen von „top-down“ und „bottom-up“ Perspektiven setzt sich durch die ganze Studie fort. Außerdem werden synchrone Darstellungen der religiösen Arbeit bzw. der Praktiken religiöser Akteure sowie der politischen 76
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Der NDH gliederte sich ab Juli 1941 in 22 Großbezirke (župe), welche mehrere Bezirke umfassten und von einem Großgespan (veliki župan) regiert wurden. Dies waren mit ihren Zentren: Baranja (Osijek), Bilogora (Bjelovar), Bribir Sidraga (Knin), Cetina (Omiš), Dubrava (Dubrovnik), Gora (Petrinja), Hum (Mostar), Krbava Psat (Bihać), Lašva-Glaž (Travnik), Lika-Gacka (Gospić), Livac-Zapolje (Nova Gradiška), Modruš (Ogulin), Pliva-Rama (Jajce), Pokupje (Karlovac), Posavje (Brod), Prigorje (Zagreb), Sana-Luka (Banja-Luka), Usora-Soli (Tuzla), Vinodol-Podgorje (Senj), Vrhbosna (Sarajevo), Vuka (Vukovar) und Zagorje (Varaždin). Im ganzen Staat gab es rund 1.000 Gemeinden, die unter 141 Bezirke fielen. bouRdieu, Interpretation, 27.
Regionale Schwerpunkte: Nordbosnien und Ostkroatien
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Ordnungsvorstellungen mit dem Instrument Religion erarbeitet. Der Mehrwert einer solchen Herangehensweise ist es auch, die Interaktionen und Reaktionen z. B. auf Forderungen zwischen den politischen und religiösen Akteuren auf der Ebene der Reflexion der jeweiligen Seite nachzeichnen zu können. Die Massenverbrechen, darunter die Vertreibungen, Deportationen und Ermordungen, die Aktivitäten des Widerstandes und Befriedungsversuche werden als das Geschehen strukturierende Elemente in die Analyse einbezogen.78 Eine Verschränkung von Diskursen mit Handlungen, Akteuren mit Strukturen und Situationen mit Dynamiken durchzieht die ganze Untersuchung. Zeitlich nimmt die Studie den ganzen Zeitraum 1941–1945 in den Fokus. Es wird dabei versucht, die einzelnen Prozesse und Zeiträume vergleichend zueinander in Beziehung zu setzen. So werden einige Themen in der sonst grob chronologisch aufgebauten Studie etwas versetzt behandelt, etwa wenn es um die religionspolitische Zäsur der katholischen Bischofskonferenz im Herbst 1941 geht. Insgesamt tritt die erste Kriegshälfte stärker in den Vordergrund, weil sich die staatlichen Religionspolitiken mehr in der ersten Kriegshälfte manifestierten. Der Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt spielte zum Ende des Krieges eine immer kleinere Rolle, da die konfessionellen Konfrontationslinien auf allen Seiten hinter die weltanschaulichen zurücktraten. REGIONALE SCHWERPUNKTE: NORDBOSNIEN UND OSTKROATIEN Die zur Untersuchung stehenden vier Großbezirke in den beiden regionen Nordbosnien und Ostkroatien waren administrative Einheiten, deren Grenzen zugunsten einer kroatisch-katholischen Mehrheit gezogen wurden. Eine ähnliche Praxis der adiministrativen Aufteilung gab es auch im Königreich Jugoslawien zugunsten der serbischen und auch in der 1939 gegründeten Banovina Hrvatska zugunsten der kroatischen Mehrheit. Den politischen Einfluss der Muslime hielt die Regierung in Zagreb bewusst gering. Zwar gehörten zu den elf bosnisch-herzegowinischen von insgesamt 22 Großbezirken drei kroatische Großbezirke mit einem Verwaltungszentrum in Bosnien. Vier bosnische Großbezirke hatten indes ein Verwaltungszentrum in Kroatien.79 Der Großbezirk Baranja mit Sitz in Osijek umfasste die Bezirke Đakovo, Donji Miholjac, Našice, Osijek, Podravska Slatina, Valpovo und Virovitica und zählte insgesamt 73 Gemeinden. Baranja erstreckte sich somit ganz auf 78
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Die Quellenanalyse ist hinsichtlich der Kategorisierung der Akteure nach ihrer Zugehörigkeit zu Bewegungen und nach ihrer politischen Gesinnung mit Herausforderungen verbunden. Aufgrund der propagandistischen und diffamatorischen Etikettierung der Angehörigen des Widerstandes als Četnici in den Quellen der NDH-Provenienz, ist eine Identifizierung der einzelnen Akteure bzw. die Unterscheidung zwischen den Partisanen und Četnici in einzelnen Situationen, zumal auf der Mikroebene, kaum zu meistern. Die real existierten fluiden Grenzen zwischen den beiden Akteursgruppen, vor allem 1941, erschweren diesen Prozess zusätzlich. Diesen Schwierigkeiten wird dann ähnlich wie bei nationalen/ethnischen Identitäten mit Beschreibungen begegnet. banac, Ivo: Nacionalno pitanje u Jugoslaviji. Porijeklo, povijest, politika. Zagreb 1984, hier 351.
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kroatische historische Gebiete. Der Großbezirk Posavje mit Sitz in Brod (Slavonski Brod) umfasste mit 65 Gemeinden die Bezirke Bijeljina, Brčko, Brod, Derventa, Gradačac und Županja. Posavje umfasste abgesehen von Brod und Županja bosnische Städte und Dörfer. Der kroatisch-serbisch gemischte Großbezirk Vuka mit Sitz in Vukovar erstreckte sich bis vor die Tore Belgrads auf die Bezirke Vinkovci, Vukovar, Ilok, Šid, Hrvatska Mitrovica, Hrvatski Karlovci, Irig, Ruma, Stara Pazova und Zemun und zählte 156 Gemeinden. Der komplett auf dem bosnischen Territorium gelegene Großbezirk Usora-Soli umfasste mit seinem Sitz in Tuzla die Bezirke Doboj, Gračanica, Kladanj, Maglaj, Teslić, Tešanj, Tuzla und Zvornik und zählte insgesamt 44 Gemeinden. Zwei Imperien grenzten noch im 19. Jahrhundert am Fluss Save zwischen Ostkroatien und Nordbosnien. Das osmanische Reich hatte Bosnien 1463 und Ostkroatien 1526 erobert. Während Nordbosnien bis zur österreichisch-ungarischen Besetzung Bosniens 1878 osmanisch blieb, fiel Oskroatien als Königreich Slawonien 1699 an Österreich. 1867 wurde es im Rahmen des Königreichs Kroatien und Slawonien ein autonomer Teil der ungarischen Reichshälfte. Das Gebiet zwischen Tuzla und Osijek war von einer ausgeprägten ethnischen und religiösen Diversität geprägt. Dazu beigetragen hatte seit dem 17. Jahrhundert die Sicherung der Slawonischen Militärgrenze entlang des Grenzgebiets zwischen den beiden Imperien und die Ansiedlung von Wehrbauern und Siedlern aus anderen Teilen der Habsburgermonarchie, dem Osmanischen Reich sowie auch aus Südwestdeutschland. Die slawonische Tiefebene mit dem industriell wie kulturell bedeutenden Zentrum Osijek wurde nun im NDH mit dem ganzen bosnisch-kroatischen Grenzland im Großbezirk Posavje (wörtlich: Saveland) zusammengefasst. Wie in allen Großbezirken entlang der langen kroatisch-bosnischen Grenze, trafen hier katholische, orthodoxe, muslimische und jüdische religiöse Strukturen aufeinander, die in den Jahrhunderten davor einerseits von habsburgischen und anderseits von osmanischen Bedingungen determiniert waren. Bis 1881 bzw. 1883 standen alle Kirchengemeinden in Bosnien und Herzegowina unter der Verwaltung der Franziskaner. Die Politik wurde in kroatischen Gebieten durch die katholische Kirche beeinflusst, während in Bosnien und Herzegowina für das katholisch-christliche Leben vor allem die Franziskaner prägend waren. Weder das posthabsburgische Osijek noch das postosmanische Tuzla mit ihrem Umland zeigten eine ausgeprägte Religiösität in der Praxis auf. Das postosmanische Bosnien kannte weder Zwangskonversionen noch eine ausdrückliche Mission. Die Verbreitung des Islam vollzog sich in Bosnien und Herzegowina sehr langsam. Um 1600 waren Muslime noch immer in der Minderheit und religiöse Übertritte fanden gleichzeitig auch zwischen den christlichen Kirchen und Sekten statt. Weder die Orthodoxie noch der Katholizismus waren zur Zeit der osmanischen Eroberung stark in der bosnischen Bevölkerung gefestigt. Regionale Isolation von Bevölkerungsgruppen, primitive Wirtschaft, die Verbreitung der Bosnischen Kirche und der Priestermangel verhinderten im 15. Jahrhundert die Festigung der katholischen und orthodoxen Kirchen. Der Islam trat in Konkurrenz zu christlichen Konfessionen und konnte sich so leichter und langsam, zunächst in den Städten mit osmanischen Einrichtungen und Moscheen, und schließlich mit der Einführung der Verwaltung
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und des Gerichtssystems auch auf dem Lande durchsetzen. Neben Übertritten zum Islam gab es jedoch weiterhin Übertritte zu anderen Bekenntnissen. Einmal zum Islam konvertiert, galt das Verbot der Apostasie, das bei Missachtung den Tod für denjenigen bedeutete, der eine Konversion wagte.80 Dass die Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina nicht ganz zum Islam konvertierte lag wohl auch daran, dass das Osmanische Reich von diesen Übertritten nicht profitierte. Im Gegenteil, die Christen zahlten hohe Steuern, die durch die Konversion der Steuerzahler dem Reich verloren gingen.81 Konversionen konnten die bestehende osmanische Ordnung destabilisieren. Die Bewohner von Bosnien und Herzegowina besaßen noch bis ins 19. Jahrhundert hinein kaum theologisches Wissen über ihr Glaubensbekenntnis. Je nachdem, ob sich jemand fürchtete, krank war oder einen Liebestrank wollte, besuchte er einen christlichen Priester, einen Rabbiner oder einen Hodža. Die religiösen Führer der verschiedenen Religionen konkurrierten um die Gläubigen. Der Aberglaube war der gemeinsame Nenner der verschiedenen religiösen Gruppen. Die religiöse Indifferenz äußerte sich auch durch gemeinsame Nutzung von heiligen Stätten, in der Forschung auch als „ambivalente Heiligtümer“ bezeichnet.82 Das osmanische System klassifizierte und verwaltete seine Bevölkerung nach ihrer religiösen Zugehörigkeit. Die religiösen Gemeinschaften waren zugleich Selbstverwaltungseinheiten, die ihre sozioökonomischen und rechtlichen Angelegenheiten nach den Spezifika ihrer Religion regelten. Den religiösen Akteuren kam deshalb eine ungleich größere Rolle zu, als dies z. B. in den kroatischen Gebieten der Fall war. Es wird zu prüfen sein, ob sich die unterschiedliche soziokulturelle Rolle der Religion in Bosnien und Kroatien auch im NDH entfaltete. Die Osmanen hatten nur dem Franziskaner-Orden die Seelsorge über die Katholiken in Bosnien und Herzegowina erlaubt, während der römisch-katholischen Kirche die Tätigkeit untersagt wurde.83 Die Franziskaner etablierten sich in den folgenden Jahrhunderten als katholische intellektuelle Elite und traten nach der Errichtung der Hochkirche teilweise als ihre Opposition auf. Erst während der österreichisch-ungarischen Verwaltung wurde durch das Abkommen mit dem Vatikan im Juni 1881 die weltliche Kirchenhierarchie mit dem Erzbistum Sarajevo und zwei Bistümern in Banja Luka und Mostar etabliert. Alle nach 1883 gegründeten Kirchengemeinden fielen unter die Administration der Hochkirche, während die Franziskaner ihre alten Gemeinden behielten. In pastoralen Fragen standen die Franziskaner-Kirchengemeinden 80
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SoWaRdS, Steven W.: Moderne Geschichte des Balkans. Der Balkan im Zeitalter des Nationalismus. Seuzach 2004, hier 257 f.; FRazee, Charles: Balkan Christian Communities in the Early Ottoman Empire. In: Christianity and Islam in Southeastern Europe. The Woodrow Wilson Center Occassional Papers Nr. 47. Washington D. C. 1997, 9–26, hier 15, 20; rokSanDić, Tolerance, 55. mazoWeR, Mark: The Balkans: A Short History. New York 2002. Balkans, 46. hayden, Robert M.: Intolerante Souveränität und „multi-multi“ Protektorate. Der Kampf um heilige Stätten und (In)toleranz auf dem Balkan. In: Postsozialismus. Transformationsprozesse in Europa und Asien aus ethnologischer Perspektive. Hg. v. Christopher hann. Frankfurt/New York, 2002, 237–263, hier 243; FRazee, Communities, 15; Levin, Eve: Slavic Orthodox Attitudes toward Other Religions. In: Christianity and Islam in Southeastern Europe. The Woodrow Wilson Center Occassional Papers Nr. 47. Washington D. C. 1997, 27–48, hier 38 f. gRebLe, Sarajevo, 4.
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gleichzeitig der Hochkirche wie auch den Franziskanern unter, in rechtlichen und Eigentums-Fragen nur den Franziskanern. Bei der Ernennung von Geistlichen hatte das Provinzialat das Vorschlagsrecht, während das Ordinariat die Geistlichen berief und bestätigte.84 Die Bischöfe hatten stets Schwierigkeiten, sich gegen die Franziskaner durchzusetzen. Die Zahl der Ordensmitglieder auf dem Gebiet von Bosnien und Herzegowina betrug vor dem Zweiten Weltkrieg ca. 490. Insgesamt gab es auf dem bosnischen Territorium 63 Kirchengemeinden85, 13 Klöster, 92 Pfarren, zwei katholische Gymnasien mit Internaten mit ca. 900 Schülern, zwei Priesterseminare und viele andere Schulen und Einrichtungen, die unter der Verwaltung der Franziskaner geführt wurden.86 Die islamische Glaubensgemeinschaft gliederte sich im Königreich Jugoslawien in zwei Verwaltungsgebiete mit Zentren in Sarajevo und Skoplje. Alle Muslime im Unabhängigen Staat Kroatien waren Teil einer islamischen Gemeinschaft mit dem Zentrum in Sarajevo. An ihrer Spitze stand der Führer der Gelehrten, der Reis-ul-Ulema. Die Hauptorgane der islamischen Glaubensgemeinschaft waren neben dem Reis-ul-Ulema mit seinem großen und kleinen Rat in Sarajevo seit 1936 der Oberste Rat der Gemeinschaft (Ulema Medžlis) in Sarajevo, der Bezirksrat der Gemeinschaft (Džemat Medžlis), die Versammlung des obersten Gerichtes (Vakufsko-mearifski sabor) in Sarajevo sowie die Bezirkskommission des obersten Gerichtes (Sresko vakufsko-mearifsko povjerenstvo).87 Ein Imamat Džemat war 84
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Arhiv Bosne i Hercegovine, Sarajevo (ABiH) [Archiv Bosnien und Herzegowinas, Sarajevo], Vl. RBiH 02-Zakonodavstvo Vlada Republike Bosne i Hercegovine, 1946 [Gesetzgebung der Regierung von Bosnien und Herzegowina, 1946] Das Franziskanerprovinzialat in Sarajevo an die Landeskommission für Religionsfragen betr. materieller und personeller Stand, 18.5.1946. Dies waren auf dem Territorium des Bistums Vrhbosna: Banbrdo, Brajković, Brestovsko, Breške, Bučići, Bugojno, Busovača, Dobretići, Dolac, Doljani, Dubica, Domaljevac, Dubrave, Foča bei Doboj, Fojnica, Gornji Vakuf, Gračac bei Prozor, Guča Gora, Kiseljak, Koraće, Kreševo, Novi Šeher, Osova, Ovčarevo, Plehan, Podhum / H, Podmilačje, Potočani, RamaŠćit, Sivša, Suhopolje, Svilaj, Špionica, Tišina, Tolisa, Tremošnica, Tuzla, Ulice, Vareš, Vitez, Zenica, Zovik und Žeravac, sowie auf dem Territorium des Bistums Banja Luka: Barlovci, Bihać, Bila, Čuklić, Ivanjska, Jajce, Kotor Varoš, Livno, Ljubunčić, Petrićevac, Podhum / L, Sanski Most, Sasina, Sokoline, Stratinjska, Šimići, Vidoši und Volar. ABiH-Vl. BiH, 02-Zakonodavstvo 1946 Das Franziskanerprovinzialat in Sarajevo an die Landeskommission für Religionsfragen betr. materieller und personeller Stand, 18.5.1946. ABiH-ZKUZ Zemaljska komisija za utvrđivanje zločina okupatora i njihovih pomagača u zemlji [Landeskommission für die Feststellung der Verbrechen der Besatzer und ihrer Helfer im Land], 6 Miloš Pjanić, Die Beteiligung des katholischen Klerus in der Ustaša-Bewegung, 1946, 4. Die Angaben von Pjanić dürfen angezweifelt werden. So führte er z. B. 19 Franziskaner-Klöster auf, obwohl es laut dem Provinzial Jeličić 13 gab: zwei Klöster in Sarajevo sowie jeweils eins in Visoko, Kraljeva Sutjeska, Fojnica, Kreševo, Guča Gora bei Travnik, Plahan bei Derventa, Tolisa bei Orašje, Petrićevac bei Banja Luka, Gorica-Livno, Jajce und Rama Šćit bei Prozor. Bei der Aufzählung der Klöster hatte Jeličić Jajce ausgelassen. Alle Klöster bis auf die beiden in Sarajevo, Visoko und Livno waren gleichzeitig auch Pfarren und wurden oben bereits als solche aufgezählt; ebd., Vl. RBiH, 02-Zakonodavstvo 1946 Das Franziskanerprovinzialat Jeličić in Sarajevo an die Landeskommission für Religionsfragen betr. materieller und personeller Stand, 18.5.1946. kiSić kolanović, Nada: Muslimani i hrvatski nacionalizam 1941–1945 [Muslime und der kroatische Nationalismus 1941–1945]. Zagreb 2009, 303.
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das Zentrum eines jeden Džemat – der kleinsten administrativen Verwaltungseinheit der islamischen Glaubensgemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, welche in etwa einem Pfarrbüro entsprach. Es führte die Geburts-, Heirats- und SterbeMatrikel. Die einzelnen Glaubensgemeinden wurden von Muftis geleitet, die Recht sprachen, während den Imamen die Verwaltung der Gemeinden oblag. Unter den einflussreichen Vereinen und Verbänden waren vor allem „El-Hidaje“, der muslimische Geistliche versammelte, der humanitäre Verein „Spas“, der Wohltätigkeitsverein „Merhamet“ und die Vereinigung junger Muslime „Mladi muslimani“. Unten den muslimischen Zeitungen war der Sarajevoer „Osvit“ die meistgelesene. In den kroatischen Großbezirken lebte nur eine kleine Zahl Muslime. In Zagreb bekannten sich im Jahr 1931 971 serbokroatische Muttersprachler zum Islam. Dazu kam die Zahl von 214 albanischsprachigen Muslimen.88 In Osijek war ihr Anteil 1931 mit 19 noch sehr gering.89 Im NDH gliederte sich die katholische Kirche in zwei Erzbistümer mit Zentren in Zagreb und Sarajevo sowie in sechs Bistümer des lateinischen und einem Bistum des griechischen Ritus. Das Zagreber Erzbistum war gleichzeitig der Sitz des Erzbischofs der kroatischen Kirchenprovinz. Vorsitzender der jährlich stattfindenden Bischofskonferenz aus allen Bischöfen war der Zagreber Erzbischof und Metropolit der kroatischen Kirchenprovinz, Alojzije Stepinac. Neben Stepinac gehörten dem Zagreber Erzbistum die Weihbischöfe Franjo Salis-Seewis und Josip Lach an. Dem Zagreber Erzbistum unterstellt waren die Bistümer Modruš (Senj) mit Bischof Burić, Đakovo mit Bischof Akšamović, Hvar mit Bischof Pusić und Dubrovnik mit Bischof Carević (bis 1940). Der Sitz des Erzbischofs der bosnischen Kirchenprovinz Vrhbosna, Ivan Šarić, befand sich in Sarajevo. Das dortige Erzbistum umfasste noch die Bistümer Banja-Luka mit Bischof Garić und Mostar mit Bischof Mišić bzw Čule ab April 1942. Drei weitere Bistümer, die unter die Zagreber Kirchenprovinz gefallen waren, befanden sich nach dem Abschluss der Römischen Verträge vom 15. Mai 1941, mit welchen Gebietsabtretungen an Italien besiegelt wurden, auf italienischem Gebiet. Das Bistum des griechischen Ritus unter Bischof Janko Šimrak hatte seinen Sitz in Križevci. Die katholische Konfessionalisierung vollzog sich im 16. und 17. Jahrhundert in Kroatien zwar rasch durch die Tätigkeit der Stände und wirkte identitätsbildend.90 Die osmanische Eroberung Kroatiens durfte die christliche Konfessionalisierung insgesamt jedoch mindestens gestoppt, wenn nicht sogar in Teilen rückgängig gemacht haben. Während der zweiten Konfessionalisierung unter den Bedingungen der sekularen Moderne im 19. Jahrhundert waren die katholischen religiösen Struk88 89 90
Hrvatski državni arhiv u Zagrebu (HR HDA) [Kroatisches Staatsarchiv in Zagreb], 367 Državni zavod za statistiku [Staatliches Amt für Statistik], 55 Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Zagreb 1931. HR-HDA-367, 55 Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Osijek 1931. müLLeR, Michael G.: Diskussionsbilanz. In: Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur. Hg. v. Joachim bahLcKe / Arno StRohmeyeR. Stuttgart 1999, 413–418, hier 414; bahLcKe, Joachim: Außenpolitik, Konfession und kollektive Identitätsbildung: Kroatien und Innerösterreich im historischen Vergleich. In: Ebd., 193–211, hier 207–209.
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turen, Vereine und Parteien dafür womöglich zu schwach. Eine Reform religiöser Strukturen, die Gewinnung von Konvertiten, die Ausschaltung synkretischer Kulte und die Normierung von Glaubensinhalten- und der religiösen Praxis waren notwendig geworden vor dem Hintergrund volkstümlicher Bräuche und des verbreiteten Glaubens an Feen, Wunder und Dämonen sowohl in kroatischen als auch in bosnischen Gebieten. Der Erfolg der Konfessionalisierung, ein Konzept, welches bedingt auch für die Islamisierung herangezogen werden kann, lässt sich allerdings nicht eindeutig belegen.91 Der Islam, das Christentum und das Judentum manifestierten sich im allgemeinen Volk häufig in einer ihren Lehren entfremdeten Form. Vielmehr deutet die Verbreitung religiöser Mischformen in den 1940er Jahren, wie in den einzelnen Abschnitten der Studie deutlich werden wird, auf eine schwache Konfessionalisierung und verbreitete religiöse Indifferenz hin. Für den Nationalismus als eine spezifische Integrationsideologie waren in Kroatien und Bosnien und Herzegowina die Sprache und die Religion als auszeichnende Merkmale der sozialen Gruppen entscheidend, die letztere vor allem, weil Sprache die Unterscheidungsfunktion nicht leistete.92 Im 19. Jahrhundert erfasste die Nationalisierung noch längst nicht alle Lebensbereiche. Seit dem Beginn ihrer Ansiedlung in Kroatien als habsburgische Untertanen, lebten die Serben zum Teil ohne serbisch-orthodoxe Kirchenstrukturen. Erst im Königreich Jugoslawien arbeitete die serbisch-orthodoxe Kirche verstärkt an der Konfessionalisierung der orthodoxen Bevölkerung in Kroatien. Bei der Gründung des NDH bestanden auf seinem Territorium sieben Eparchien: die Eparchie von Zagreb, Ober-Karlovac, Pakrac, Banja-Luka, Zvornik-Tuzla, Dabrobosna und von Zahum-Herzegowina. Unter der osmanischen Herrschaft in Bosnien konnte die serbisch-orthodoxe Kirche ihre Tätigkeit im Gegensatz zur römisch-katholischen Kirche ausüben. Ihre Institution war in Bosnien deshalb ungleich stärker. Eine nennenswerte nationale Integration der orthodoxen Bauern in Kroatien führten nicht die serbischen Parteien durch, sondern die kroatischen in der Zwischenkriegszeit. Teile der orthodoxen Bauern bekannten sich als Kroaten. Die Kroatische Bauernpartei unter Stjepan Radić hatte eine enorme nationalisierende Wirkung.93 Sein Bruder, der Parteiideologe Antun Radić förderte die Verwandlung von „Peasants into Croats“,94 wobei Bauern mit starken regionalen Identifikationen zu politischen Kroaten wurden. Neben Serben waren in den 1930er Jahren auch viele Deutsche unter den Wählern, Mitglieder und Führungspersönlichkeiten der Bauernpartei unter dem späteren Präsidenten Vladko Maček. Gleichzeitig wurden durch die nationale Arbeit der Bauernpartei die nationalen Identitätsbildungsprozesse unter den Bauern, nun als Kroaten oder Serben verstanden, angeregt und reproduziert. Das Ergebnis waren zwei inhomogene Gruppen der Kroaten und Serben. In weiten Teilen Slawoniens, vor allem in seinen ländlichen Gebieten gab es 91 92 93 94
caLic, Marie-Janine: Südosteuropa. Weltgeschichte einer Region. München 2016, 112, 303, 308, 314. behSchnitt, Wolf Dietrich: Nationalismus bei Serben und Kroaten, 1830–1914: Analyse und Typologie der nationalen Ideologie. München 1980, 19 f., 245. caLic, Marie-Janine: Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert. München 2010, 90 f. Rihtman-auguštin, Dunja: Ethnology, Myth and Politics. Anthropologizing Croatian Ethnology. Hg. v. Jasna čaPo Žmegač. Aldershot/Burlington 2004, 35–45.
Forschungsstand
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einen hohen Grad an nationaler Indifferenz. Die politisch-intellektuellen Debatten der Eliten berührten das einfache Volk kaum.95 Die neuere Forschung ziegt, dass auch bei Deutschen in Kroatien und Bosnien nicht von einer frühen oder erfolgreichen nationalen Integration ausgegangen werden kann.96 Die deutsche Bevölkerung Kroatiens und Bosniens war gut integriert und zum Teil assimiliert. Vor allem die deutschen Katholiken in Slawonien waren in der kroatischen Kirchenorganisation kaum als eine nationale Gruppe sichtbar.97 Nationales Bewusstsein war unter den bosnischen Muslimen in der Zwischenkriegszeit nur schwach oder ortsweise ausgeprägt. Die muslimischen Intellektuellen erklärten sich nicht selten als Kroaten und Serben, was auch die breiten Massen beeinflusste.98 FORSCHUNGSSTAND Die Politik der Ustaša gegenüber den einzelnen religiösen Gemeinschaften wurde in den bisherigen Studien zum NDH unzureichend behandelt. Es wurden weder Untersuchungen der Interdependenzen und Interaktionen zwischen den einzelnen religiösen Gemeinschaften und Institutionen noch zwischen ihnen und dem Staat unternommen. Die vorliegende Untersuchung basiert überwiegend auf unveröffentlichtem Archivmaterial. Einzig die Zwangskonversionspolitik der Ustaša erhielt viel Aufmerksamkeit. In beinahe jeder Studie zum Ustaša-Staat finden sich Abschnitte zur Zwangskonversionspolitik.99 Systematische und in einen Gesamtkontext unterschiedlicher Akteure und religiöser Gemeinschaften eingebettete Analysen der Konversionen sind jedoch rar. Selbst bei Berücksichtigung mikrohistorischer Kontexte und bei akteurszentrierten Zugängen differenzierten die Autorinnen und Autoren nicht zwischen den einzelnen an den Konversionen beteiligten Behörden, religiösen und politischen Gliedern. Erst recht fehlten bisher Analysen zu den Handlungsräumen und Initiativen von lokalen Verwaltern, Ustaše und Geistlichen. Nur wenige regionalund stadtgeschichtliche Untersuchungen der Konversionen können als Ausnahmen angeführt werden, so die Aufsätze von Filip Škiljan,100 zumal er seine Analysen auf eine breitere Quellenbasis stellte. 95 96
caLic, Geschichte, 89. bethKe, Carl: Die Einwanderung und die Kirchen: Dimensionen und Grenzen der Integration am Beispiel der „Schwaben“ in Kroatien vor 1933. In: Kirche und Gruppenbildungsprozesse deutscher Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa 1918–1933. Hg. v. Rainer bendeL / Robert Pech / Norbert SPannenbeRgeR. Berlin 2015, 197–213. 97 bethKe, Carl: (K)eine gemeinsame Sprache? Aspekte deutsch-jüdischer Beziehungsgeschichte in Slawonien, 1900–1945. Berlin 2013, 144, 151, 409. 98 banac, Pitanje, 66. 99 Z. B. unter älteren hoRy, Ladislaus / bRoSzat, Martin: Der kroatische Ustascha-Staat 1941– 1945. Stuttgart 1964, 94 ff.; Unter neueren mojzeS, Genocides, 62–65; dinu, Faschismus, 178– 183, 242–247; Dulić, Utopias, 93–96. 100 ŠKILJAN, Filip: Vjerski prijelazi s pravoslavlja na rimokatoličku vjeru između 1941. i 1945. na području kotara Požega [Glaubensübertritte von der Orthodoxie zum römisch-katholischen Glauben zwischen 1941 und 1945]. In: Radovi Zavoda za znanstveni i umjetnički rad u Požegi,
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Eine große Menge an Publikationen, meist aus den Disziplinen Geschichtswissenschaft und Theologie, beschäftigen sich mit Erzbischof Stepinac101 und der Schuldfrage der katholischen Kirche im NDH.102 Die Konversionspolitik diente insgesamt überwiegend als Argument in der Erforschung der Gewaltstrategien der Ustaša, ihres genozidalen Charakters, der religiösen Komponente des europäischen Faschismus oder der Kirchengeschichte. Fragestellungen zum Gesamtkontext im NDH und seiner Religionspolitik, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven und Quellen, sind hier jedoch auch kaum vorhanden. Einige Ausnahmen sind die Aufsätze von Mark Biondich über die Konversionsthematik, von Irina
Nr. 6 (2017), 173–195; Ders.: Vjerski prijelazi s pravoslavne na rimokatoličku i grkokatoličku vjeroispovijest na području kotareva Pakrac i Daruvar između 1941. i 1945 [Glaubensübertritte vom orthodoxen zum römisch- und griechisch-katholischen Bekenntnis auf den Bezirksgebieten Pakrac und Daruvar 1941–1945]. In: Zbornik Janković I, Nr. 1 (2016), 101–122; Ders.: Vjerski prijelazi s pravoslavne na rimokatoličku i grkokatoličku vjeroispovijest u Podravini između 1941. i 1945. Godine [Glaubensübertritte vom orthodoxen zum römisch- und griechisch-katholischen Bekenntnis in der Podravina 1941–1945]. In: Podravina: časopis za multidisciplinarna istraživanja 15, Nr. 29 (2016), 168–179; Ders.: Vjerski prijelazi s pravoslavne na rimokatoličku i grkokatoličku vjeroispovijest na području kotara Križevci u vrijeme NDH [Glaubensübertritte vom orthodoxen zum römisch- und griechisch-katholischen Bekenntnis auf dem Bezirksgebiet Križevci während des NDH]. In: Cris: časopis Povijesnog društva Križevci XVII, Nr. 1 (2015), 97–107. 101 Kaum eine andere Person der kroatischen und jugoslawischen Geschichte ist in der Forschung und Öffentlichkeit umstrittener als Stepinac. Er wird gleichzeitig als Heiliger, Märtyrer oder Kriegsverbrecher eingeordnet. 1998 wurde er seliggesprochen, 2016 annulierte das Zagreber Gericht seine Verurteilung in den Kriegsverbrecherprozessen 1945/46. Seine anstehende Heiligsprechung sorgte für einen Konflikt zwischen der römisch-katholischen Kirche in Kroatien und der serbisch-orthodoxen Kirche in Serbien, der auch politisch weite Wellen schlug. Eine wegen der umstrittenen Rolle Stepinacs im Zweiten Weltkrieg auf Antrag des serbisch-orthodoxen Patriarchen vom Papst Franziskus konstituierte gemeinsame Kommission aus Experten und Vertretern der beiden Kirchen tagte sechs Mal zwischen 2016 und 2017 mit mäßigem Erfolg. Es gibt viele Biografien von Stepinac, insbesondere zu seinem Wirken im NDH. Für die neueste, zumal ausgewogene siehe StahL, Stepinac; Für ältere aLexandeR, Stella: Trostruki mit. Život Zagrebačkog Nadbiskupa Stepinca [Dreifacher Mythos. Das Leben des Zagreber Erzbischofs Stepinac]. Zagreb 1990; Für Studien kirchlicher Provenienz benigaR, Aleksa: Alojzije Stepinac, hrvatski kardinal [Alojzije Stepinac, kroatischer Kardinal]. Rom 1974; Bozanić, Josip: Die leuchtendste Gestalt der katholischen Kirche Kroatiens. Hirtenbrief zum hundertsten Jahrestag der Geburt des Gottesdieners Kardinal Alojzije Stepinac. Zagreb 1998. 102 Beispiele für ältere Studien: čulinović, Ferdo: Dokumenti o Jugoslaviji [Dokumente über Jugoslawien]. Zagreb 1968; novaK, Viktor: Magnum Crimen. Pola vijeka klerikalizma u Hrvatskoj [Magnum Crimen. Das halbe Jahrhundert des Klerikalismus in Kroatien]. Zagreb 1948; hoRvat, Joža / štambuK, Zdenko (Hg.): Dokumenti o protunarodnom radu i zločinima jednog dijela katoličkog klera [Dokumente über die volksfeindliche Arbeit und die Verbrechen eines Teiles des katholischen Klerus]. Zagreb 1946; Simić, Sima: Prekrštavanje Srba za vreme drugog svetskog rata [Konversion der Serben während des Zweiten Weltkriegss]. Titograd 1958; PaRiS, Edmond: Genocide in Satellite Croatia, 1941–1945. A Record of Racial and Religious Persecutions and Massacres. Chicago 1941; Für spätere Studien deSchneR, Karlheinz: Kirche und Faschismus. Rastatt 1993; manhattan, Avro: Der Vatikan und das XX. Jahrhundert. Struckum 1989.
Forschungsstand
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Ognyanova über kroatischen Nationalismus und Religion sowie die Aufsätze von Nikica Barić über die kroatisch-orthodoxe Kirche.103 Neben methodischen Mängeln erschwerte in der sozialistischen Zeit die Unerreichbarkeit der Quellen eine Auseinandersetzung mit dem Thema. Obwohl sich jedoch die Forschung der postkommunistischen Zeit von den bis dahin verfassten teleologischen und moralisierenden Darstellungen offiziell distanzierte, blieben die Untersuchungsgegenstände die gleichen. Dies trifft für die Forschung im jugoslawischen bzw. ehemaligen jugoslawischen Raum ebenso zu, wie für die Forschung im Ausland. Die nationalsozialistische Kirchenpolitik oder die Handlungsräume der einheimischen deutschen Bevölkerung im religionspolitischen Kontext des NDH wurden nicht berücksichtigt. Insgesamt wich die marxistisch gefärbte „Opium fürs Volk“-Lesart seit dem Zerfall der Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien nationalistisch-gefärbten Narrativen. Bestand zwischen 1945 und 1990 zwischen dem extrem rechten Flügel der Diaspora-Kroaten und -Serben und den pro-marxistischen Forschern in Jugoslawien und im Ausland eine Dichotomie, wurde sie seit der Umbruchszeit entlang der nationalistischen Narrative zwischen den Forschungszentren in Zagreb und Belgrad gebildet.104 Die gewalttätigen Ereignisse der 1990er Jahre im ehemaligen Jugoslawien verklärten die Geschichtsschreibung der gewalttätigen Ereignisse im Zweiten Weltkrieg. Die neuesten Konflikte wurden durch die historische Dimension aufgeladen, so dass wieder die Četnici, Partisanen und Ustaše die Ereignissbühne betraten. So tendierten revisionistische Strömungen in Kroatien zu Versuchen, den Ustaša-Staat zu rehabilitieren. Der erste kroatische Staatspräsident, Franjo Tuđman, bezeichnete Jasenovac lediglich als „Arbeitslager“. Auf serbischer Seite war es z. B. der Četnik-Führer Mihajlović, der mit seiner kollaboratistischen und verbrecherischen Bewegung zum Nationalhelden und Widerständler rehabilitiert wurde.105 103 biondich, Religion; ognyanova, Religion; Barić, Nikica: O osnutku i djelovanju Hrvatske pravoslavne Crkve tijekom 1942. i 1943. godine: Primjer Velike Župe Posavje [Über die Gründung und Wirkung der Kroatischen Orthodoxen Kirche während der Jahre 1942 und 1943: Das Beispiel der Großgespanschaft Posavje]. In: Croatica Christiana Periodica 38, Nr.74 (2014), 135–163; deRS.: Relations between the Chetniks and the Authorities of the Independent State of Croatia, 1941–1945. In: Serbia and the Serbs in World War Two. Hg. v. Sabrina P. Ramet / Ola LiSthaug. New York 2011, 175–201. 104 Z. B. Jure Krištos Anschuldigungen gegenüber serbischen Historikern. KRišto, Jure: Vjerski prijelazi u NDH – primjer Šibenske biskupije [Glaubensübertritte im NDH – das Beispiel des Bistums Šibenik]. In: Časopis za suvremenu povijest 29, Nr. 2. (1997), 235–247, insb. 236 f.; Für die kroatische Seite, zumal auf Grundlage der Quellen kirchlicher Provenienz deRS.: Katolička crkva i Nezavisna Država Hrvatska 1941–1945. Dokumenti [Die katholische Kirche und der Unabhängige Staat Kroatien. Dokumente]. Zagreb 1998; deRS.: Sukob Simbola, Politika, vjere i ideologije u Nezavisnoj Državi Hrvatskoj [Der Konflikt der Symbole, Politiken, Religionen und Ideologien im Unabhängigen Staat Kroatien]. Zagreb 2001; deRS., Prijelazi; Zur pro-serbischen Seite dedijeR, Vladimir: Jasenovac – das jugoslawische Auschwitz und der Vatikan. Freiburg i. B. 1989; Bulajić, Milan: Misija Vatikana u Nezavisnoj Državi Hrvatskoj Hrvatskoj [Die Mission des Vatikans im Unabhängigen Staat Kroatien]. Belgrad 1992. 105 SundhauSSen, Holm: Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943–2011. Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen. Wien 2012, 46, 291; jaReb, Allies, 155. – Zum Revisionismus in der serbischen Historiographie zum 2. WK Stojanović, Dubravka: Revisions of Second
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Einführung
Eine integrierte Untersuchung der Strategien der Ustaša gegenüber allen religiösen Gemeinschaften, der Handlungen und Entscheidungen der religiösen Akteure sowie des Einflusses der NS-Politik auf das religiöse Feld im NDH stellt ein Forschungsdesiderat dar. Die Untersuchung der Konversionspolitik alleine vermochte die Komplexität des Verhältnisses zwischen Religion und Gewalt im NDH weder zu erkennen noch zu erklären. Selbst die zum sozialistischen und postsozialistischen Zeitraum und zum Verhältnis Staat-Religion-Kirche-Gewalt-Gesellschaft vorliegenden Studien vermissten eine Gesamtperspektive auf alle Religionsgemeinschaften und ihre Interaktionen.106 Eine theoretische Auseinandersetzung mit der Verbindung zwischen Religion und Gewalt im NDH hat bisher nicht stattgefunden. Die Gewaltgeschichte erfuhr dagegen im letzten Jahrzehnt einen Aufschwung. Der Fokus auf regionale Akteure, Dynamiken und Multikausalität des Geschehens unter Berücksichtigung neuer Quellen erwies sich als fruchtbar. Vor allem sind die Studien von Tomislav Dulić und Alexander Korb zu Massenmord bzw. Massenverbrechen im NDH zu nennen.107 Emily Greble (auch: Greble-Balić) beschäftigte sich mit dem multikulturellen Sarajevo und arbeitete die Bedeutung lokaler Initiativen und Akteure heraus, indem sie die unterschiedlichen Ziele der lokalen und der staatlichen Ebene beleuchtete.108 Harald Radu Dinu veröffentlichte eine vergleichende Studie zu Religion, Faschismus und Gewalt in Rumänien und Kroatien, arbeitete aber leider im kroatischen Fall kaum mit Archivquellen.109 Zum Verhältnis der serbischorthodoxen und der römisch-katholischen Kirche publizierte Klaus Buchenau110
106
107 108 109 110
World War History in Contemporary Serbia. In: Serbia and the Serbs in World War Two. Hg. v. Sabrina P. Ramet / Ola LiSthaug. New York 2011, 247–265. Hier zu nennen sind insbesondere neuere historische, politik- und religionswissenschaftliche Studien von Sabrina Petra Ramet, Paul Mojzes, Vjekoslav Perica, Klaus Buchenau und Ksenija Petrović. Z. B. Ramet, Pedro [Sabrina Petra]: Religion and Nationalism in Soviet and East European Politics. Hg. v. demS. Durham/London 1989; mojzeS, Paul: Yugoslavian Inferno. Ethnoreligious warfare in the Balkans. New York 1994; PeRica, Idols; buchenau, Klaus: Orthodoxie und Katholizismus in Jugoslawien 1945–1991. Ein serbisch-kroatischer Vergleich. Wiesbaden 2004; aLexandeR, Stella: Church and State in Yugoslavia since 1945. Cambridge 1979; Petrović, Identität. Unter älteren zu nennen ist Stella Alexander. Petrović bearbeitete Forschungslücken zu Fragen des Zusammenhanges zwischen der religiösen und nationalen Identität sowie der Beziehung zwischen Kirche als Institution und der Bevölkerung. ebd., 21 f. Dulić, Utopias; KoRb, Schatten; deRS.: Understanding Ustaša Violence. In: Journal of genocide research 12, Nr. 1–2, (2010), 1–18. gRebLe, Sarajevo; greBle Balić, Emily: When Croatia Needed Serbs. Nationalism and Genocide in Sarajevo, 1941–1942. In: Slavic Review 68, Nr. 1 (2009), 116–138. dinu, Faschismus. buchenau, Orthodoxie; deRS.: Katholizismus und Jugoslawismus. Zur Nationalisierung der Religion bei den Kroaten, 1918–1945. In: Religion und Nation. Beiträge zu einer unbewältigten Geschichte. Hg. v. Michael geyeR / Hartmut Lehmann. Göttingen 2004, 225–254; deRS.: Auf russischen Spuren. Orthodoxe Antiwestler in Serbien, 1850–1945. Wiesbaden 2011; deRS.: Serbisch-orthodoxer Proselytismus, 1918–1945. Merkhilfe für ein vergessliches historisches Gedächtnis. In: Schnittstellen. Gesellschaft, Nation, Konflikt und Erinnerung in Südosteuropa. Hg. v. Ulf bRunnbaueR / Andreas heLmedach / Stefan tRoebSt. München 2007, 271–283; deRS.: Kämpfende Kirchen. Jugoslawiens religiöse Hypothek. Frankfurt a. M. 2006.
Quellen
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die umfassendsten Studien bisher, während Thomas Bremer111 zum Gesamtüberblick über religiöse Gemeinschaften im jugoslawischen Raum aus theologischer Perspektive beitrug und theoretische Impulse zum Konfliktpotenzial der Religion einbrachte. Zum Gesamtüberblick über Politik, Religionen und Nationalismus im jugoslawischen Raum sind die Publikationen von Sabrina Petra Ramet weiterführend.112 Für die Forschung über interkulturelle Beziehungen der deutschen Bevölkerung in Ostkroatien und Bosnien haben die neuesten Studien mit detaillierten Analysen von Carl Bethke neue Maßstäbe gesetzt.113 Ivo Goldstein trug mit seinen kritischen Untersuchungen zur jüdischen aber auch gesamtkroatischen Geschichte und zum Holocaust immer wieder zu willkommenen Kontroversen in der kroatischen Geschichtswissenschaft bei.114 QUELLEN Die Studie stützt sich auf 35 Bestände aus 13 Archiven in Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Deutschland. In Kroatien wurden die relevanten Bestände aus den Staatsarchiven in Zagreb (HR-HDA), darunter die regionalen Archive in Osijek (HR-DAOS), Slavonski Brod (HR-DASB) und Bjelovar (HRDABJ), ausgewertet. Sehr hilfreich war in Zagreb die Erlaubnis zur Recherche in den Eingangsregistern des Archivs des erzbischöflichen Ordinariates (NA). Die Erlaubnis zur Recherche im Archiv des für die Untersuchung besonders relevanten bischöflichen Archivs im slawonischen Đakovo wurde dagegen nach mehrmaligen Anfragen leider nicht erteilt. In Sarajevo konnte erfreulicherweise das Archiv Bosnien und Herzegowinas (ABiH) vor dem verheerenden Brand im Februar 2014 besucht werden. In Ostbosnien wurden außerdem noch die Bestände des bisher in der internationalen Forschung kaum berücksichtigten Kantonalarchivs in Tuzla (BiHATKT) gesichtet. Gleich drei lohnende Archive wurden in Serbien aufgesucht. Sehr produktiv erwies sich vor allem die Recherche im Militärarchiv in Belgrad (VA). Alle Bestände konnten problemlos gesichtet werden, ebenfalls wie im Archiv Serbiens (AS) und Archiv Jugoslawiens (AJ) in Belgrad. In Deutschland waren die Bestände des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts (PAAA) in Berlin, des Evangelischen Zentralarchivs (EZA) in Berlin, des Militärarchivs in Freiburg (BArch) sowie des Archivs der Kommission für Zeitgeschichte in Bonn mit dem Bestand des Reichsverbands für das katholische Deutschtum im Ausland (RKA) ergiebig.
111 bRemeR, Thomas: Kleine Geschichte der Religionen in Jugoslawien. Königreich-Kommunismus-Krieg. Freiburg i. B. 2003. 112 Ramet, Jugoslawien; dieS., Religion. 113 bethKe, Sprache; deRS.: Deutsche und ungarische Minderheiten in Kroatien und der Vojvodina 1918–1941. Identitätsentwürfe und ethnopolitische Mobilisierung. Wiesbaden 2009. 114 goLdStein, Ivo / goLdStein, Slavko: Holokaust u Zagrebu [Der Holokaust in Zagreb]. Zagreb 2001; goLdStein, Ivo: The Independent State of Croatia in 1941: On the Road to Catastrophe. In: The Independent Staate of Croatia, 1941–45. Hg. von Sabrina P. Ramet. London 2007, 19–29.
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Einführung
Insgesamt wurden 52 Bestände in 17 Archiven gesichtet. Durch die Eingrenzung der Untersuchung auf dargelegte Fragen, Gebiete und Sachverhalte mussten viele Bestände ausgelassen werden. Ausgenommen wurden das Bundesarchiv in Berlin, das Archiv der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg, die Sammlungen der Museumsstiftung Post und Telekommunikation in Berlin und das Landesarchiv in Stuttgart. Unter den wichtigsten Quellengruppen wurden erstens Korrespondenzen, Berichte, Erklärungen, Anträge, Erhebungen u. a. zwischen den Verwaltungsgliedern des Ustaša-Regimes auf den Ebenen der Gemeinde, der Bezirke, der Großbezirke und der Ministerien sowie der Staatsdirektionen analysiert. Zweitens wurden die offiziellen und internen Verlautbarungen, Gesetze, Verordnungen, Erklärungen usw. des Regierungspräsidiums, der Minister und des Staatschefs ausgewertet. Drittens wurden Schriftstücke unterschiedlicher Art, die von religiösen Organisationen und Geistlichen an verschiedene Ebenen der Verwaltung und der UstašaOrganisation sowie die Regierung geschickt wurden, herangezogen. Darunter waren z. B. Beschwerden, Vorschläge, Forderungen, Bittschriften u. a. Viertens wurden Erfahrungsberichte vertriebener, geflohener und deportierter Serben betrachtet. Fünftens sind viele Schriftstücke, wie z. B. Berichte, Anträge und Gesuche, die von verschiedenen religiösen Institutionen und einzelnen Geistlichen zu den reichsdeutschen Behörden in Berlin geschickt wurden, in die Analyse einbezogen. Sechstens wurden die Korrespondenzen zwischen dem Auswärtigen Amt und der deutschen Gesandtschaft in Kroatien sowie zum Teil mit der Militärverwaltung in Serbien analysiert. Darunter sind ebenfalls Berichte des deutschen Polizeiattachés in Zagreb. Siebtens wurden die zwischen den kirchlichen Organisationen und Vertretern in Deutschland und den kirchlichen Organisationen und Vertretern im NDH ausgetauschten Schreiben herangezogen. Achtens folgte die Untersuchung der Zeugnisse und Korrespondenzen zwischen den verschiedenen Ebenen der Organisation der deutschen Volksgruppe sowie zwischen den Organisationsgliedern der Volksgruppe und den kroatischen und reichsdeutschen Behörden. Außerdem wurde der Schriftverkehr zwischen der Volksgruppenführung und religiösen Vertretern analysiert. Neuntens wurden interne Schreiben und Protokolle innerhalb der Organisationen religiöser Gemeinschaften und unter ihrem Klerus ausgewertet. Zehntens wurden punktuell und ergänzend Zeitungsberichte und Statistiken sowie sporadisch Korrespondenzen mit anderen ausländischen Regierungen und Körperschaften ausgewertet. Insgesamt flossen etwa 2.000 Quellen in die Untersuchung ein.
KAPITEL 1 DIE „JAHRHUNDERTAUFGABE“: DIE USTAŠA UND DIE RÖMISCH-KATHOLISCHE KIRCHE ZWISCHEN NATIONALER HOMOGENISIERUNG UND RELIGIÖSER MONOPOLSTELLUNG 1. STAATSGRÜNDUNG UND VERSUCH DER KONTROLLE ÜBER TERRITORIUM UND BEVÖLKERUNG So ungeplant wie der Ustaša die Regierung im Unabhängigen Staat Kroatien aufgetragen wurde, so situativ verlief ihre Konsolidierung. Die Ustaša war nur die zweite Wahl der Nationalsozialisten, nachdem der Vorsitzende der einflussreichen Kroatischen Bauernpartei und stellvertretender Ministerpräsident im Königreich Jugoslawien, Vladko Maček, die Zusammenarbeit mit dem Reich abgelehnt hatte. Nach der Proklamation des Unabhängigen Staates Kroatien am 10. April 1941 durch den kroatischen Oberst Slavko Kvaternik kehrten die Funktionäre der Ustaša-Bewegung unter ihrem Führer (Poglavnik) Ante Pavelić aus dem italienischen Exil zurück.1 In der Proklamation zur Staatsgründung am Vorabend des Osterfeiertages hieß es: „Gottes Vorsehung und der Wille unseres großen Verbündeten sowie der jahrhundertelange Kampf des kroatischen Volkes und die große Opferbereitschaft unseres Führers Dr. Ante Pavelić und der Ustascha-Bewegung in der Heimat und im Ausland haben es gefügt, dass heute, vor der Auferstehung des Gottessohnes, auch unser unabhängiger Staat Kroatien aufersteht. Ich rufe alle Kroaten, insbesondere die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Streitkräfte und der Organe der öffentlichen Sicherheit auf, die größte Ordnung zu bewahren, ihren Aufenthaltsort dem Streitkräftekommando in Zagreb zu melden und sofort den Eid auf den Unabhängigen Staat Kroatien und seinen Poglavnik zu leisten. Ich habe heute als der Beauftragte des Poglavnik das Kommando aller Streitkräfte übernommen. Gott und die Kroaten! Für das Vaterland bereit!“2
Die Hauptsäulen der Ustaša-Bewegung waren ehemalige österreichische Offiziere wie Slavko Kvaternik, Anwälte, Intellektuelle und Angehörige klerikaler Vereinigungen.3 Ein bedeutender Teil des rechten Flügels der Bauernpartei radikalisierte sich in den späten 1930er Jahren und schloss sich schließlich 1941 der Ustaša an. Bei den lokalen Wahlen 1940 in der kroatischen Banovina, der nach dem serbischkroatischen Ausgleich 1939 gegründeten kroatischen Teilautonomie, hatte die 1 2 3
Zur Gründungsphase der Ustaša jelić-Butić, Fikreta: Ustaše i Nezavisna Država Hrvatska 1941–1945 [Ustaše und der Unabhängige Staat Kroatien]. Zagreb 1977, 13–57. Hrvatski narod, 10.4.1941. Arhiv Jugoslavije, Beograd (AJ) [Archiv Jugoslawiens, Belgrad], 103 Emigrantska vlada Kraljevine Jugoslavije [Exilregierung des Königreichs Jugoslawien], 160, 363–371. Dies ist auch in den Beobachtungen der Zeitgenossen festgehalten, hier nach Beobachtungen des Chirurgen Wilhelm Pyk, ebd., 20.11.1942; SundhauSSen, Ustascha-Staat, 502 f.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
Bauernpartei Stimmen an die Ultra-Nationalisten verloren. Der Zulauf der MačekAnhänger zu den Ustaše war auch die Folge der sogenannten Maček-Erklärung, bzw. seines Aufrufes an die Anhänger der Bauernpartei, die Ustaša zu unterstützen, welcher bei der Proklamation des NDH im Radio gesendet wurde. Allgemeine Unsicherheit und Verwirrung führten zusammen mit zweifelhaften Meldungen, die Maček als Unterstützer Pavelićs darstellten, zum Beispiel dazu, dass sich in Split der Großteil der halbmilitärischen Maček-Stadtgarde (Građanska zaštita) den Ustaše anschloss. In kleineren Gemeinden arbeitete dem entsprechend die Bauerngarde (Seljačka zaštita) mit den neuen Kräften zusammen.4 Die unter Kvaternik aufgestellte kroatische Armee, die Landwehr (Hrvatsko domobranstvo), fungierte in der Zukunft parallel zu nach dem Vorbild der SS aufgestellten Ustaša-Milizen und der Ustaša-Leibgarde von Pavelić. Mit der Gründung des NDH trafen zwei Zweige der Ustaša aufeinander. Die aus dem italienischen Exil zurückgekehrten Ustaše blickten im Gegensatz zu den Ustaše im Inland auf eine Vergangenheit mit mehr Gewalterfahrungen, Terroraktionen und Gefängnisstrafen zurück.5 Organisiert wurde die Ustaša innerhalb ihrer Einheiten auf der Ebene der Gemeinden (tabori), der Bezirke (logori) und der Großbezirke (stožeri). Das Organisationszentrum bildete das Hauptquartier der Ustaša (Glavni Ustaški Stan) in Zagreb. Die katholische Kirche begrüßte die Gründung des Staates. Die Symbolik der Staatsgründung zu Ostern 1941 und genau 1300 Jahre nach dem Beginn der Christianisierung der Kroaten kann in der katholischen Presse kaum übersehen werden. Neben den traditionellen Osterbotschaften wurde in der katholischen Presse die Proklamation des NDH als eine „Auferstehung“ gefeiert. Etwas zurückhaltender in Zagreb, aber dafür umso deutlicher im slawonischen Bistum Đakovo wurde Historisches mit dem Religiösen verbunden.6 Im Königreich Jugoslawien diskriminiert, erwartete sie durch die Realisierung der kroatischen Nationalstaatlichkeit mehr Rechte. Der Erzbischof Stepinac stimmte mit den Ustaše darin überein, dass zwischen Serben und Kroaten eine Kluft herrschte: 4
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AJ-103-160 Nach dem Bericht eines serbischen Militärs aus Dalmatien über die Umstände der Machtübernahme der Ustaša und Ereignisse in den folgenden 7–8 Monaten, 23.12.1941; ebd., 398–403 Bericht des Mitarbeiters der polnischen Gesandtschaft in Jugoslawien aus dem Exil in Portugal, Kovelik, an Slobodan Jovanović im Innenministerium der jugoslawischen Exilregierung, 15.1.1943. – Zur Entstehung und Organisation der Maček-Garde Ramet, Sabrina Petra: Vladko Maček i Hrvatska seljačka zaštita u Kraljevini Jugoslaviji [Vladko Maček und die Bauerngarde im Königreich Jugoslawien]. In: Časopis za suvremenu povijest 43, Nr. 1 (2011), 137–154; SundhauSSen, Ustascha-Staat, 505. yeomanS, Rory: „For us, beloved commander, you will never die!“. Mourning Jure Francetić, Ustasha Death Squad Leader. In: In the Shadow of Hitler. Personalities of the Right in Central and Eastern Europe. Hg. v. Rebecca hayneS / Martyn Rady. New York 2011, 188–206, hier 190. macut, Petar: Katolički tisak o uspostavi Nezavisne Države Hrvatske 10. travnja 1941. Godine [Die katholische Presse über die Errichtung des Unabhängigen Staates Kroatien am 10. April 1941]. In: Časopis za suvremenu povijest 47, Nr. 1 (2015), 81–102, hier 93 f. Hier ist nach Macuts Analyse der gesamten katholischen Presse zum Zeitpunkt der Gründung des NDH anzumerken, dass es durchaus Unterschiede in der Perzeption der politischen Ereignisse und auch des Verhältnisses der katholischen Kirche zum NDH in den einzelnen Blättern gab.
1. Staatsgründung und Versuch der Kontrolle über Territorium und Bevölkerung
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„Alles in allem sind Kroaten und Serben zweierlei Welten […] die niemals zusammenkommen können außer durch ein göttliches Wunder. Das Schisma ist der größte Fluch Europas, fast schlimmer noch als der Protestantismus. Es gibt in ihm keine Moralität, keine Prinzipien, keine Wahrheit, keine Gerechtigkeit, keine Ehre.“7
Dies hielt Stepinac im Frühjahr 1941 in seinem Tagebuch fest. Das Verhältnis zwischen der katholischen und serbisch-orthodoxen Kirche war in der Zwischenkriegszeit von Krisen und Disputen geprägt. Der größte Streitpunkt war der Abschluss eines Konkordats zwischen dem Vatikan und der römisch-katholischen Kirche im Königreich Jugoslawien. Der orthodoxe Klerus widersetzte sich dem Abschluss und erwirkte bei der jugoslawischen Regierung unter dem Ministerpräsidenten Stojadinović 1938 einen Rücktritt vom Vertrag, der eine Gleichberechtigung der katholischen Kirche mit der serbisch-orthodoxen hätte sichern sollen. Die durch das Konkordat erlaubte vollständige Freiheit der katholischen Mission sorgte für breite Ablehnung der Orthodoxie. Zu weiteren Kontroversen gehörte der von der katholischen Kirche erhobene Vorwurf des Proselytismus. In der Zwischenkriegszeit waren Konversionen der Katholiken zur Orthodoxie häufig, weil sie sich z. B. bessere Aufstiegschancen in Verwaltung und Militär versprachen. Außerdem sorgte die Organisation des Religionsunterrichtes, insbesondere bei bestehenden Minderheitsverhältnissen in den Schulen, für angespannte Beziehungen zwischen den beiden Kirchen. Die jugoslawische Bildungspolitik versuchte das Serbentum zum kulturellen Kern der jugoslawischen Gesellschaft zu machen. Sie führte einen Kampf gegen die katholische Kirche, deren Mitgliederzahl zwischen 1921 und 1931 um fast 2 % fiel, und war bestrebt eine Trennung der katholischen Kirche vom Vatikan zu erzielen. Schon die Verfassung von 1921 („Vidovdan-Verfassung“) sah eine Regelung der Verbindungen zwischen den Glaubensgemeinschaften und ihren religiösen Zentren im Ausland vor, was gegen die katholische Kirche gerichtet war. Die serbisch-orthodoxe Kirche erklärte zudem selbst, dass sie einen Sieg der Orthodoxie im ganzen Land erreichen wollte. Der supranationale Charakter der katholischen Kirche war laut einer Aussage des orthodoxen Patriarchats eine Bedrohung für die jugoslawische Souveränität. Die katholische Kirchenhierarchie wurde diskriminiert, während der serbisch-orthodoxen – de facto – Staatskirche politisches Mitspracherecht zukam.8 Die katholische Kirche protestierte außerdem gegen liberale Elemente der Verfassung von 1921. Die Verfassung stellte die Ehe unter den Schutz des Staates und machte einen Schritt in Richtung der Zivilehe, was als 7 8
Zit. nach Ramet, Jugoslawien, 183 f. Zu Konversionsbestrebungen, zur Konkordatskrise und zum Streit wegen des Religionsunterrichts buchenau, Proselytismus, 271–274; deRS., Spuren, 197 f., 209 f., 213 f., 214, 409–436; deRS., Kirchen, 62 ff.; deRS., Orthodoxie, 54–64; deRS., Katholizismus, 232, 235–238; Radić, Radmila: Verom protiv vere. Država i verske zajednice u Srbiji 1945–1954 [Mit dem Glauben gegen den Glauben. Staat und Glaubensgemeinschaften in Serbien 1945–1954]. Belgrad 1995, 32 ff.; mišović, Miloš: Srpska Crkva i konkordatska kriza [Die serbische Kirche und die Krise des Konkordats]. Belgrad 1983; aLexandeR, Mit, 30 f.; KRišto, Prijelazi, 241; Ramet, Jugoslawien, 140–145; PeRica, Idols, 17 f. – Jozo Tomasevich nennt eine Zahl von 200.000 zur Orthodoxie konvertierten Katholiken im Königreich Jugoslawien, belegt diese jedoch nicht. tomaSevich, Jozo: War and Revolution in Yugoslavia, 1941–1945: Occupation and Collaboration. Stanford 2001, 540.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
unvereinbar mit den kirchlichen Kanons erklärt wurde. Die katholische Kirche forderte die Wahrung der kirchlichen Autonomie, und dass Kinder aus konfessionell gemischten Familien mit einem katholischen Elternteil katholisch erzogen werden mussten. Außerdem verlangte die katholische Kirche ein generelles Verbot der Kirchenaustritte. In den 1930er Jahren inspirierten sich die katholische und orthodoxe Kirche gegenseitig in ihren nationalreligiösen Aktivitäten.9 Schon in den ersten Wochen bekundete der katholische Klerus Treue gegenüber der Ustaša-Regierung. So hieß es in einer Treueerklärung: „Vom Herzen, ehrlich, gerne und begeistert schließe ich mich den Bekundungen über Treue, Zuneigung und übergreifendem Gehorsam gegenüber dem Poglavnik, dem Vater und Erlöser des Unabhängigen Staates Kroatien, Dr. Anto Pavelić, von jenen Geistlichen, die ihre Bekundungen bereits gaben, schickten oder schicken werden, an. Ich lege Eid ab auf vollkommene Ergebenheit, Gehorsam und Treue gegenüber dem Poglavnik Dr. Anto Pavelić und dem Unabhängigen Staat Kroatien! Als Priester, der sich in der Kirche vor dem Altar Gottes befindet, bete ich zum gütigen und allmächtigen Gott, von welchem alles und alles Gute kommt, dass der gütige und allmächtige Gott den Poglavnik Dr. Anto Pavelić selbst und alle seine nahen und fernen, früheren und jetzigen Mitarbeiter, mit seiner göttlichen Barmherzigkeit, Stärke und Segen erquickt und bestärkt, dass ihre Arbeit nicht dreifache sondern tausendfache Frucht zunutze des ewigen Unabhängigen Staates Kroatien und des kroatischen Volkes bringt! Für die Heimat bereit!“10
Zur Staatsgründung verlautete im ähnlichen Duktus das Bischofskonsistorium des Bistums Đakovo im dortigen Periodikum (Glasnik biskupija Bosanske i Srijemske), die Kirche stünde als Hüterin an den östlichen Grenzen des Staates und segnete den weisen Poglavnik und die schöne Heimat. Bischof Akšamović leistete als einziger Bischof schon am 18. April sogar einen Schwur auf Pavelić und den NDH.11 Solche Treuebekundungen, üblich auch zu vorangegangenen System- und Regierungswechseln, erhielt auch der für religiöse Fragen zuständige Minister und Stellvertreter von Pavelić vom weltlichen Klerus wie auch von Provinzialen der Franziskanerprovinzen.12 „Für Gott und die Heimat immer bereit“ (Za Boga i dom uvijek spreman) war eine Grußformel, die eine Mischung aus dem UstašaGruß „Für die Heimat bereit“ (Za dom spreman) und der religiösen Begrüßung bzw. Erwiderung „Jesus immer gelobt“ (Hvaljen Isus – uvijek hvaljen) darstellte.13 Der Erzbischof Stepinac segnete die Staatsgründung und besuchte bereits am 12. April Slavko Kvaternik. Vier Tage später stattete er Pavelić einen Besuch ab. 9 10 11 12 13
buchenau, Katholizismus, 232 f., 235; PeRica, Idols, xxi, 20 f. HR-HDA-218 Ministarstvo pravosuđa i bogoštovlja. Odjel za bogoštovlje Nezavisne države Hrvatske (MPB NDH) [Ministerium für Justiz und Religion. Abteilung für Religion des NDH], 1–3642/41 Pf. Alojzije Venko aus Dubica an das Ministerium für Justiz und Religion, 10.5.1941. macut, Tisak, 94 f. HR-HDA-218, 2 Provinziale aller Franziskanerprovinzen an den doglavnik, 14.6.1941. HR-HDA-218, 11–3075 Z. B. von Pf. Svijanović an das Ministerium für Religion betr. Gründung römisch-katholischer Kirchengemeinden, 1.8.1941. Die Grußformel taucht auch im Kontext der religiösen Übertritte auf: „[…] za Boga, Hrvatsku i Poglavnika uvjek Spremni“. šKiLjan, Filip: Vjerski prijelazi s pravoslavlja na rimokatoličku vjeru između 1941. i 1945. na području kotara Požega [Glaubensübertritte von der Orthodoxie zum römisch-katholischen Glauben zwischen 1941 und 1945]. In: Radovi Zavoda za znanstveni i umjetnički rad u Požegi, Nr. 6 (2017), 173–195, hier 187.
1. Staatsgründung und Versuch der Kontrolle über Territorium und Bevölkerung
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Am 28. April schrieb Stepinac in einem Rundbrief an die Bischöfe, dass es sich um die größten Ereignisse im Leben des kroatischen Volkes handelte und um ein lang ersehntes Ideal. Niemand könne es verurteilen, denn die Liebe zum eigenen Volk sei mit Gottes Hand in das menschliche Wesen eingeschrieben, so der Erzbischof. Zu diesem Zeitpunkt waren die Osijeker Synagoge bereits zerstört und die ersten anti-jüdischen und anti-serbischen Gesetze verabschiedet.14 Offiziell waren die katholischen und evangelischen Erzbischöfe und Bischöfe, das höchste muslimische Gremium Reis-ul-Ulema, die Imame sowie alle anderen Geistlichen Bedienstete des Ministeriums für Religion und Unterricht bzw. Justiz und Religion. Die Bistümer, der Oberste Rat der islamischen Gemeinschaft (Ulema Medžlis) und die Shariagerichte waren staatliche Institutionen.15 Pavelić ersuchte von den anerkannten religiösen Gemeinschaften die Entsendung eines Geistlichen nach Rom, um dem italienischen Prinzen von Spoleto die kroatische Krone aufzutragen. An der Delegation nahm unter den Protestanten der deutsche Pfarrer Edgar Walter aus Podravska Slatina teil.16 Ante Pavelić hatte einen eigenen Seelsorger und besetzte Stellen im Staatsapparat mit katholischen Geistlichen, insbesondere den Franziskanern: Krunoslav Draganović wurde Vertreter des Kolonisationsamtes, Radoslav Glavaš leitete die Religionsabteilung im Ministerium für Justiz und Religion und Dionizije Juričev die Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung. Im Unterrichtsministerium unter Mile Budak arbeitete auch Ivan Guberina, ursprünglich Franziskaner und anschließend weltlicher katholischer Geistlicher. Guberina war bereits während seiner Zeit in der Emigration Mitglied der Ustaša. In seiner publizistischen Arbeit schrieb er über eine unzertrennliche Verbindung zwischen dem kroatischen Nationalismus und dem Katholizismus. Er überhöhte die UstašaBewegung als die Emanation des kroatischen Nationalismus und attestierte ihr einen religiösen Idealismus.17 Die personellen Verbindungen der Ustaše und des Klerus – etwa 25 katholische Priester waren in den Führungsriegen des Ustaša-Staates – wurden in den offiziellen Stellungnahmen der Regierung gewürdigt, auch wurde bei der Verabschiedung von Gesetzen auf katholische Werte Rücksicht genommen. Die Betonung des Christentums sollte die Teilhabe an der westlichen Zivilisation symbolisieren. Die römisch-katholische Kirche sollte das Regime legitimieren,18 und zwar als eine „traditionelle Herrschaft“, die sich auf der Überzeugung von ihrer lang
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goLdStein, Holokaust, 563; KRišto, Crkva, 34 f. HR-HDA, 1076 Državno ravnateljstvo za ponovu [Staatsdirektion für Erneuerung], 535–37672 Das Ministerium für Justiz und Religion an die Staatsdirektion für Erneuerung, 29.11.1941. Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin (PAAA), GZ Gesandtschaft Zagreb, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen Evangelisch-Christlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“. VA-NDH, 85e/6/42, Geschichtlich-ideologischer Überblick „Katholische Formation des Kroatentums“ von Ivan Guberina; Außerdem zu Guberinas Aufsätzen und Artikeln Tajni Dokumenti o odnosima Vatikana i ustaške „NDH“ [Geheime Dokumente über die Beziehungen des Vatikans und Ustaša-„NDH“]. Zagreb 1952, 20 ff. PeRica, Idols, 24 f.; buchenau, Katholizismus, 240; deRS., Orthodoxie, 67; deRS., Kirchen, 67; Namentlich aufgeführt werden kollaborierende Priester ausführlich bei jelić-Butić, Ustaše, 218 f.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
überfälligen Rechtmäßigkeit gründete.19 Im offiziellen Blatt der katholischen Kirche „Katolički List“ wurden die Verbote angeblich unmoralischer Zeitschriften, Skulpturen, Werbefotografien und Reliefs mit Aktmotiven gefeiert und Interventionen gegen „bestimmte Frauen“ verlangt.20 Großen Beifall bekam in Kirchenkreisen die Verabschiedung des Abtreibungsparagraphen, welcher in der Presse als „Schutz des kroatischen Volkes im Geist der katholischen Kirche“ betitelt wurde.21 Allein zwischen Juli und September 1941 wurden elf konfessionelle Mittelschulen gegründet.22 Die Verstrickungen zwischen der Ustaša-Organisation einerseits und klerikalen Kreisen andererseits wurden u. a. in der publizistischen Arbeit der Križari (Kreuzritter) deutlich. Die Križari waren der „Katholischen Aktion“ (Katolička akcija, KA) zuzuordnen, neben der „Kroatischen katholischen Bewegung“ (Hrvatski katolički pokret, HKP) eine von zwei in der Zwischenkriegszeit erstarkten kroatischen katholischen Laienorganisationen.23 In der Wochenzeitung der Križari, „Nedjelja“, erschienen Nachrufe für die „Križari-Ustaše“. In Artikeln, wie z. B. unter dem Titel „Katholizismus ist nicht nur ein Glaube“, wurde gemäß den Zielen der Katholischen Aktion der Katholizismus als die optimale Grundlage der Gesellschaft bzw. Organisationsstruktur jedes Systems, der Wissenschaft und 19 20 21
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WebeR, Wirtschaft, 19. goLdStein, Holokaust, 564. Die deutschen Behörden sahen im Abtreibungsparagrafen einen Ausläufer des politischen Katholizismus, wodurch sie die Verhinderung solcher Artikel anstrebten. PAAA-GZ, 68/2 Aktenvermerk des ES R. R. Kroatien, gez. Berger, betr. politischer Katholizismus, 14.6.1941; StahL, Alojzije, 184. PAAA-R 901 Kirchliche Angelegenheiten, Sekten 901/69663, Siegfried Kasche über konfessionelle Verhältnisse in Kroatien an das Auswärtige Amt, Kult. Gen., 22.4.1942. Hier drängt sich der Vergleich mit der Einführung konfessioneller Grundschulen im Dritten Reich nach dem Abschluss des Konkordats mit dem Papst am 7.3.1933 auf. Wie auch im Dritten Reich geschah die Errichtung von konfessionellen Schulen in Kroatien aus machtpolitischem Kalkül. Scheuch, Erwin K.: Sozialer Wandel. Theorien des sozialen Wandels. Wiesbaden 2003, 187. Die „Große Kreuzbrüderschaft“ (Veliko križarsko bratstvo), kurz „Križari“, war aus dem 1931 aufgelösten Turnverband „Orao“, welcher seine Schwesternorganisationen in Tschechien und Slowenien unter dem Namen „Orel“ hatte, hervorgegangen. Als die Križari unter den Einfluss des Klerus gerieten, gründete 1938 sein Gründer Protulipac wiederrum die Organisation „Kroatischer Held“ (Hrvatski Junak), kurz „Junak“. Der bosnische Erzbischof Šarić gehörte dem Junak an, bis der Junak unter den Einfluss des Franziskaner-Ordens kam. Die HKP billigte bei ihrer Gründung die „jugoslawische Idee“. Ihre Institution „Kroatisches katholisches Seniorat“ (Hrvatski katolički seniorat, HKS) gründete die „Kroatische Volkspartei“ (Hrvatska pučka stranka). Die „Orao“ hatte einen stärkeren Einfluss der Laien im Vergleich zum Klerus befürwortet und stand wie die ganze Katholische Aktion in Opposition zur Volkspartei. Die Volkspartei versammelte katholische Intellektuelle und Geistliche und ähnelte der Deutschen Zentrumspartei. Weiterführend zur HKS, HKP und der Kroatischen Volkspartei matijević, Zlatko: Hrvatska pučka stranka [Die Kroatische Volkspartei]. In: Hrvatska revija, Nr. 3 (2003), 78–89; deRS., Katolici i politika: Spor između stranačkoga Hrvatskog katoličkog pokreta i izvanstranačke Katoličke akcije (1912.–1929. godine) [Katholiken und Politik: der Konflikt zwischen der parteinahen Kroatischen katholischen Bewegung und der parteilosen Katholischen Aktion (1912–1929)]. In: Časopis za suvremenu povijest, Vol. 29 (1997), 437–456; StahL, Alojzije, 110–115, 183 f.; biondich, Mark: Controversies Surrounding the Catholic Church in Wartime Croatia, 1941–45, In: The Independent Staate of Croatia, 1941–45. Hg. v. Sabrina P. Ramet. London 2007, 31–59, hier 43.
1. Staatsgründung und Versuch der Kontrolle über Territorium und Bevölkerung
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Kultur für alle Menschen und Völker vermittle, dargestellt.24 In ihren Reihen versammelte die Križari-Organisation mehrere Ustaša-Funktionäre, wie u. a. den Jugendführer und Redakteur der extrem nationalistischen Zeitung „Hrvatska smotra“ Oršanić, den Großgespan in Petrinja, zudem Lovrić, den Vize-Gespan in Tuzla, Niedzielski und den Leiter des staatlichen Nachrichten- und Propagandaamtes, Rieger. Die Ernennung des Präsidenten oblag dem Präsidenten der Bischofskonferenzen, Stepinac. Die Križari legten einen Loyalitätseid auf den kroatischen Staat ab, in welchem sie insbesondere die Bedeutung ihrer Erziehungsfunktion betonten. Die Križari besaßen etwa 270 Bruderschaften für Erwachsene und 300 Bruderschaften für Jugendliche unter 15 Jahren. Parallel zur Jugendorganisation der Križari hatte Pavelić am 12. Juli 1941 die Organisation der Ustaša-Jugend für 7–18 jährige Jungen und Mädchen auf der Gemeindeebene angeordnet.25 Die Ustaša-Regierung gewährte den anerkannten religiösen Gemeinschaften hohe Subventionen. Obwohl die Katholiken ca. 39 % und die Orthodoxen ca. 47 % der Bevölkerung im Königreich Jugoslawien ausmachten, erhielt die orthodoxe Kirche in der Zwischenkriegszeit etwa das Zwölffache an finanzieller Unterstützung.26 Die Einkünfte der katholischen Kirche wurden im NDH im Vergleich zu Einkünften im Königreich Jugoslawien stark erhöht. Der Minister für Justiz und Religion benannte sie folgendermaßen. Für Reparaturen an Gebäuden erhielt die katholische Kirche 760 %, für die Priesterausbildung 270 %, für die Renten 700 % und für Priestergehälter 200 % ihrer bisherigen staatlichen Mittel. Der islamischen Glaubensgemeinschaft erhöhte die Regierung die staatlichen Subventionen um 175 %, die evangelische Kirche erhielt 205 % mehr.27 Die Gewährung der Subventionen ging zum Teil auch auf direkte Forderungen der religiösen Autoritäten zurück. Zwischen Mai und Juli 1941 wandte sich der Reis-ul-Ulema mehrmals mit der Bitte um Erhöhung der Einkünfte der Bediensteten, Steuererleichterungen für Bedienstete und Reparaturen an den Moscheen an das Ministerium für Justiz und Religion.28 Der Reis-ul-Ulema erhielt, wie auch andere hohe Geistliche, ein Fahrzeug sowie Mittel zu seinem Unterhalt. Im Herbst 1941 wurden der katholischen Kirche eine Million Kuna für den Bau eines Priesterseminars in Zagreb zugewiesen. Im gleichen Zeitraum wurden auch der islamischen Gemeinschaft Zuwendungen in Höhe von fast vier Millionen Kuna gewährt.29 24 25
26 27 28 29
Nedjelja, Dezember 1941, zit. nach Sarajevski Novi List, 30.12.1941. – Zur Analyse der katholischen Presse insgesamt macut, Tisak, insb. 96 f. Die deutschen Behörden beobachteten die Križari, weil sie durch diese Organisation die Vergrößerung des kirchlichen Einflusses in der Politik und insbesondere in der Jugenderziehung befürchteten. PAAA-GZ, 68 Bericht von Kasche an das AA betr. katholische Kreuzbrüder-Organisation in Kroatien, 18.12.1942; Stepinac stellte sich 1936 an die Spitze der Katholischen Aktion und damit aller katholischen Laienorganisationen, was insbesondere zu Spannungen zu den nationalistischen Križari führte. StahL, Alojzije, 112–115. Ramet, Jugoslawien, 140; PeRica, Idols, 19. Rede von Mirko Puk im Sabor. In: Hrvatski List, 27.2.1942. HR-HDA-218, 2 Der Reis-ul-Ulema an das Unterrichtsministerium, 6.7.1941; Ebd., Eingangsregister des Ministeriums für Justiz und Religion, Abschnitt Religion, 570, 571 572, 2551, 2553 (1941). HR-HDA-218 Eingangsregister 2870, 3034 (1942).
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
Das Hauptinteresse der Ustaša war die kroatische Nationalstaatlichkeit und ein national homogenes Land, das nach staatsrechtlicher Tradition, d. h. einem historisch begründeten Anspruch auf das Staatsgebiet, nur die kroatische Nationalität als den Staatsträger akzeptierte.30 Die Konsolidierung des Staatsapparates ging einher mit diskriminierenden Maßnahmen und Verfolgung der jüdischen, serbischen und Roma Bevölkerung. Nach dem Beispiel der Nürnberger Gesetze verabschiedete die Ustaša Rassengesetze, die sich insbesondere gegen Juden und Roma richteten, während die Serben aus ethnischen Gründen verfolgt wurden.31 Massive Gewaltverbrechen der Ustaša-Milizen, darunter Massaker und Folter gegenüber der Zivilbevölkerung, hatten bereits in den ersten Wochen nach der Proklamation des Staates die Struktur für die zukünftige Politik der Ustaša gelegt. Die Ustaša übte zunächst Gewalt aus, um Macht zu erlangen, und anschließend, um dem Kontrollverlust vorzubeugen.32 Unter den ersten Maßnahmen gegenüber der serbischen Bevölkerung waren das Verbot der Kyrilliza am 25. April und der Befehl zur Schließung von orthodoxen Konfessionsschulen am 14. Juni.33 Indes zogen Ustaša-Milizen durch serbische Dörfer, plünderten und mordeten. Die Organisation der neuen Verwaltung stieß insbesondere in von Serben besiedelten Gebieten des Landes auf Widerstand. Belgrad füllte sich mit serbischen Flüchtlingen aus Bosnien, Lika, Kordun, Banija und anderen Regionen des NDH. Die unsichere Lage wurde zusätzlich durch Gerüchte verstärkt, dass die Serben einen allgemeinen Aufstand am serbischen religiösen Sankt-Veits-Feiertag am 28. Juni planten. Der Sankt-Veits-Tag war und ist wegen der an diesem Datum im Jahr 1389 stattgefundenen Schlacht am Amselfeld und der Erschießung des österreichischen Thronfolgers in Sarajevo 1914 der symbolträchtigste Tag in der serbischen Nationalgeschichte. Um dem erwarteten sich mobilisierenden serbischen Widerstand entgegenzuwirken, rief Pavelić zum Schutz aller NDH Bürger und ihres Vermögens, unabhängig von Glauben und Volkszugehörigkeit auf. Der Aufruf sollte von der Presse und von Priestern verbreitet werden, letztere sollten die Gläubigen in ihren Gemeinden darüber in Kenntnis setzen.34 Auf den Titelseiten der Tageszeitungen versicherte Pavelić allen Bürgern und Angehörigen 30
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Zum kroatischen Staatrecht KeSSLeR, Wolfgang: Vom Recht der Stände zum „kroatischen Staatsrecht“. Zum historischen Recht in der politischen Kultur des 19. Jahrhunderts in Kroatien. In: Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa. Historische Beziehungen und politische Herrschaftslegitimation. Hg. v. Dietmar WiLLoWeit / Hans LembeRg. München 2006, 379–405, hier 379 f. KoRb, Schatten, 144–149. KoRb, Schatten, 195. Zum Verbot der Kyrilliza „Zakonska odredba o zabrani ćirilice und Provedbena naredba ministarstva unutarnjih poslova o zakonskoj odredbi o zabrani ćirilice“ [Gesetzliche Bestimmung zum Verbot der Kyrilliza und Verordnung des Innenministeriums über die Vollstreckung des Verbots der Kyrilliza]; sowie zum Verbot der orthodoxen Schulen „Odlučujem“ [Entscheidung], in: Zbornik zakona i naredaba Nezavisne Države Hrvatske, godina 1941 [Gesetzessammlungen und Befehle des Unabhängigen Staates Kroatien, 1941]. Izdaje Ministarstvo Pravosudja i Bogoštovlja, Zagreb 1941, 26, 191. AJ-103-186, 461–469 Aus dem Bericht über die Hin- und Rückreise aus Frankreich nach Belgrad Vasilije Vojnović, besonderer Attaché der königlichen Gesandtschaft in Frankreich und Oberstleutnant im Ruhestand an die Gesandtschaft des Königreiches Jugoslawien in Lissabon,
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des NDH sowie Ausländern Schutz und drohte allen Personen und Körperschaften standesrechtliche Verurteilung bei Missachtung seiner Forderungen. Es hieß, dass es zu Ausschreitungen gegenüber „einem Teil der Bevölkerung“ kommen würde, sei eine jüdische Lüge, wofür die Juden kollektiv zur Verantwortung gezogen und in Sammellagern unter freiem Himmel inhaftiert werden würden.35 In diesem Zeitraum eskalierte in den kroatischen und bosnischen Landesteilen die Gewalt. Im Bezirk Slavonski Brod z. B. brachte das verkündete Ende der Revolution und die Herstellung der Staatsgewalt noch mehr Verhaftungen und Verschleppungen. Das Ende der Revolutionszeit und die angebliche Zügelung der „unverantwortlichen Elemente“ bzw. die propagierte Beendigung der Gewalthandlungen gegenüber der serbischen Bevölkerung blieben ohne Wirkung. Gleichzeitig hetzten die Ustaše bei Versammlungen gegen die Serben. Deutsche Fahrzeuge patrouillierten im ganzen Bezirk, um die sich zuspitzende Lage zu beruhigen. Auch deswegen kursierten in Ostkroatien und auch in Belgrad Gerüchte, Pavelić habe zur Tarnung zum Frieden aufgerufen, weil die deutschen Stellen ihn wegen der Gefahr der serbischen Gegenangriffe dazu gezwungen hätten.36 Pavelićs Aufruf hatte tatsächlich nicht einmal theoretisch alle Landesteile und deren Bevölkerung erreichen können. In der Tageszeitung „Sarajevski Novi List“ wurde er erst am 1. Juli abgedruckt.37 In der Nähe von Tuzla in Bosnien wurden z. B. in Puračić, Lukavac und anderen Orten etliche serbische Männer kurz vor dem Feiertag als Geiseln genommen. Tägliche Inhaftierungen, Misshandlungen und Raubzüge trieben viele in die Flucht.38 Das Ersuchen jeglichen Beistands und Hilfe wurde Serben und Juden in der Folgezeit untersagt, wobei die Entrechtung und Verfolgung durch Meldungen über „Maßnahmen gegen ungehorsame Serben“ in der Presse begleitet wurden. Am 18. Juli wurden z. B. 47 Zagreber Serben inhaftiert, weil sie ihre Registrierung als Serben verweigert oder dabei falsche Angaben gemacht hätten.39 Entlassungen aus dem Staatsdienst hatten unmittelbar nach der Proklamation des Staates begonnen. Dass dennoch mehrere jüdische und serbische Beamte, sogar im Justizministerium, trotz der „Säuberung“ des Staatsdienstes zunächst ihre Position behielten, lag nach Aus-
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12.12.1941; FRucht, Michele: „The Last Bullet for the Last Serb“: The Ustaša Genocide against Serbs: 1941–1945. In: Nationalities Papers 37, Nr. 6 (2009), 807–837, hier 819. Arhiv Kantona Tuzla (BiH-ATKT) [Kantonalarchiv Tuzla], OIVZBi Odbor islamske vjerske zajednice Bijeljina [Ausschuss der islamischen Glaubensgemeinschaft Bijeljina], Außerordentliche gesetzliche Bestimmung und Anordnung, 226, 26.6.1941. Republika Srbija, Arhiv Srbije, Beograd (RS-AS) [Republik Serbien, Archiv Serbiens, Belgrad], KFA Komesarijat za izbeglice i preseljenike 1941–1945 [Kommissariat für Flüchtlinge und Ausgesiedelte 1941–1945], 19 Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Anwalt Dr. Branko Stefanović, Belgrad, 28.11.1943; Ebd., Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Polizeiagenten Todor Radovanović, Belgrad, 29.6.1942; AJ-103-186, 461–469. Aus dem Bericht über die Hin- und Rückreise aus Frankreich nach Belgrad Vasilije Vojnović, besonderer Attaché der königlichen Gesandtschaft in Frankreich und Oberstleutnant im Ruhestand an die Gesandtschaft des Königreiches Jugoslawien in Lissabon, 12.12.1941. Sarajevski Novi List, 1.7.1941. RS-AS-KFA, 9 Bericht für die Heilige Erzb. Synode in Belgrad von Priester Dragoljub C. Banjac, 17.5.1942. Sarajevski Novi List, 20.7.1941, 27.7.1941.
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sage des Ministers Mirko Puk am Mangel an Fachkräften.40 Serben dienten vereinzelt sogar in der Landwehr und Milizen und waren in der Verwaltung tätig, was die flexible und opportunistische Politik der Ustaša zum Ausdruck brachte, aber auch die unterschiedlichen lokalen und staatlichen Vorstellungen über die Behandlung der Serben. Die Erhaltung der Macht war das vordergründige Ziel der Ustaša. Ein Beispiel war die Aufnahme des ehemaligen jugoslawischen Offiziers Petar Bakota in die Reihen der Ustaša, nachdem ihm die kroatische Landwehr wegen seiner antikroatischen Aktivitäten die Aufnahme verweigert hatte.41 Persönliche Beziehungen und Verpflichtungen zählten außerdem und vor allem auf lokaler Ebene mehr als ideologische.42 Die statistischen Erhebungen über die serbische Bevölkerung, ihre Verteilung und sozialen Merkmale wurden von Zagreb aus unmittelbar nach der Errichtung des Staates vorangetrieben. Laut der Volkszählung von 1931 lebten in den späteren Grenzen des NDH über sechs Millionen Einwohner, davon stellten Serben fast ein Drittel der Bevölkerung dar.43 Gleichzeitig entledigte sich das Regime der „jugoslawienfreundlichen“ kroatischen Eliten und Kommunisten. Die Säuberungen des Staatdienstes betrafen in größeren Städten auch Staatsbedienstete, die mit Serben in Mischehen lebten. Bereits am 20. April verlangte das Innenministerium von den Bezirksverwaltungen, den Bürgermeisterämtern und den Polizeidirektionen auf Bezirks- und Gemeindeebenen Verzeichnisse über Mischehen der im Staats- und öffentlichen Dienst tätigen Katholiken mit Angehörigen der serbisch-orthodoxen Kirche. Die Verzeichnisse enthielten neben Namen, Beruf und Konfession auch Daten über die Kirche, in der die Ehe geschlossen wurde, das Datum der Eheschließung und Angaben über evtl. religiöse Übertritte der Ehepartner. Des Weiteren wurden Daten über die Religionszugehörigkeit der Kinder und eventuelle spätere Amtshandlungen des katholischen Partners zur Gültigkeit der Ehe und zu religiösen Übertritten in der Familie gesammelt.44 Die Angehörigen der kroatischen Landwehr wurden ebenfalls aufgefordert, ihre konfessionellen Verhältnisse sowie die ihrer Familie zu überprüfen und in Einklang mit den bestehenden gesetzlichen Verordnungen zu bringen. Jegliche Veränderungen des persönlichen Status sollten mit Taufschein, Heiratsurkunde usw. an den Vorgesetzten gemeldet werden. Zu solchen „Überprüfungen“ kam es nachweis40 41 42 43 44
PAAA-GZ, 67/2 Deutsche Übersetzung der Rede von Mirko Puk im Sabor, 25.2.1942. – In Sarajevo wären die Institutionen und die medizinische Versorgung ohne Serben und Juden kaum funktionsfähig gewesen. greBle Balić, Croatia, 128. Bundesarchiv Freiburg, Militärarchiv, BArch RH/31 III Deutscher bevollmächtigter General in Kroatien, 55 Bericht für Glaise v. Horstenau von Arthur Haeffner, 29.12.1941. hoaRe, Marko Attila: Genocide and Resistance in Hitler’s Bosnia. The Partisans and the Chetniks 1941–1943. Oxford 2009, 26 f.; dinu, Faschismus, 166. matković, Hrvoje: Povijest Nezavisne Države Hrvatske [Geschichte des Unabhängigen Staates Kroatien]. Zagreb 2002, 128. Državni arhiv u Osijeku (HR-DAOS), 6 Gradsko poglavarstvo Osijek [Rathaus Osijek], 5795 Innenministerium, 20.4.1941; Im Februar 1942 initiierte das Hauptquartier der Ustaša die regelmäßige Veröffentlichung statistischer Berichte über das Land und die Bevölkerung (Brojitbeni izvještaji, siehe Abbildung 1). Brojitbeni izvještaj 1/2, Februar 1942.
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lich auf dem Gebiet von Slavonski Brod.45 Daten zum Büropersonal ihrer Behörden und Verwaltungen sammelten die Großbezirke im Juli 1941.46 Bald darauf geriet die Institution der serbisch-orthodoxen Kirche in den Fokus der anti-serbischen Maßnahmen. Seit Ende Mai 1941 konzentrierten sich das Ministerium für Justiz und Religion und das Innenministerium auf die materielle und personelle Lage der serbisch-orthodoxen Kirche. Von den Eparchien wurden Berichte zu den einzelnen Parochien, Pfarrämtern und Kirchengemeinden angefordert.47 Der Kommandeur der Landwehr verlangte für die Strategieplanung Anfang Juni ein Verzeichnis aller orthodoxen Klöster, Ordensschulen und Mönche auf dem Gebiet des NDH sowie ein Verzeichnis aller orthodoxen Priester in Slawonien und Syrmien, samt Angaben zu Besitz- und Familienstand, Alter und Wohnort. Bald gingen aus den einzelnen Bezirken die Verzeichnisse ein.48 Parallel dazu sammelte die Staatsdirektion für Erneuerung Daten über selbstständige serbische Gewerbetreibende, Händler, Kaufleute und Miteigentümer von Unternehmen. Das Eigentum der serbisch-orthodoxen Kirchen wurde indes unter die Verwaltung der Staatsdirektion für Erneuerung gestellt. Die Bürgermeisterämter bestimmten die Eigentumsverwalter.49 Die Hauptaufgaben der am 24. Juni 1941 gegründeten Staatsdirektion für Erneuerung waren Ansiedlung und Aussiedlung der Bevölkerung sowie Übertragung und Verwaltung ihres Eigentums. In enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Kolonisation war sie vor allem für die Aussiedlung der serbischen Bevölkerung verantwortlich. Sie war dem Regierungspräsidium direkt unterstellt. Das Pendant zur Staatsdirektion für Erneuerung war die am 1. Juli 1941 gegründete Staatsdirektion für wirtschaftliche Erneuerung, deren Hauptaufgabe vor allem der Ausschluss von Juden aus der Wirtschaft und die Übernahme und Verwaltung des jüdischen Eigentums war. Am 15. September 1941 wurden die beiden Staatsdirektionen unter dem Namen Staatsdirektion für Erneuerung zusammengelegt. Diese wurde am 1. Januar 1942 aufgelöst und ihre Zuständigkeiten flossen in das Ministerium für Gewerbe, Großgewerbe und Handel, das Finanzministerium sowie das Ministerium für Justiz und Religion ein. Neben der Leitung in Zagreb bestanden Außenstellen der Staatsdirektion für Erneuerung in Osijek, Banja Luka und Sarajevo. Der nächste Schritt des Religionsministeriums war am 18. Juli 1941 das Verbot der Bezeichnung „serbisch-orthodox“ (srpsko-pravoslavna) und die Einführung der Bezeichnung „griechisch-östlich“ (grko-istočna) für das religiöse Bekennt45 46 47 48 49
VA-NDH, 135/16/6 Das Kommando des Ortes Slavonski Brod an den Befehlshaber des dortigen Infanteriebataillons, 28.5.1941. HR-DAOS-6 Gradsko poglavarstvo u Osijeku [Rathaus Osijek], 5795 Großbezirk Osijek an Bezirks- und Ortsverwaltungen sowie Polizei, 14.7.1941. HR-HDA-218, 23–7938 Verzeichnisse und Berichte aus den Eparchien nach Aufforderung vom 28.5.1941, Mai-Juni 1941. HR-HDA-218, 2 Der Heerführer Kvaternik an das Ministerium für Religion und Unterricht, 9.6.1941; Ebd., Mile Budak an die Bezirke und anschließend an Kvaternik. HR-DAOS-701 Ured za podržavljeni imetak Osijek 1941–45 [Amt für verstaatlichtes Eigentum Osijek 1941–45], 25 und DAOS-6, 5795 Obhut über mobiles und immobiles Eigentum der ausgesiedelten oder vermissten Serben, Staatsdirektion für Erneuerung in Zagreb an alle Gemeindeverwaltungen, 24.7.1941; Ebd., Einsetzung von Eigentumsverwaltern, Staatsdirektion für Erneuerung in Zagreb an alle Bürgermeisterämter, 29.7.1941.
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nis zur serbisch-orthodoxen Kirche.50 1918 wurden die autokephalen orthodoxen Metropolien und autonomen Kirchen auf dem ganzen Gebiet des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen unter einer Kirche zusammengefasst, die die Bezeichnung serbisch-orthodoxe Kirche erhielt. Zuvor waren sie teilweise dem Patriarchen in Istanbul unterstellt und ab 1918 alle dem Belgrader Patriarchen.51 Nach der Gründung des NDH hieß es, die bisherige Bezeichnung stünde nicht im Einklang mit der neuen Staatsordnung. Tatsächlich hatten sich kroatische Kreise an der 1918 etablierten Bezeichnung gestört, weil sie die serbische Dominanz repräsentierte, anstatt als beispielsweise jugoslawisch-orthodoxe Kirche die nationale Vereinigung zu symbolisieren. Die Bezeichnung „griechisch-östlich“ stammte aus der Zeit Österreich-Ungarns, wo sie im Gesetz über die Tätigkeit der griechischöstlichen Kirche und die Verwendung der Kyrilliza im Königreich Kroatien und Slawonien vom 14.5.1887 festgehalten wurde.52 Mit dem Verbot der Bezeichnung „serbisch-orthodox“ signalisierte die Ustaša nach staatsrechtlicher Tradition, dass die Serben keine nationale, sondern eine religiöse Minderheit waren.53 Dies wurde bereits während der Habsburger Monarchie versucht, nachdem der serbische Nationalismus in Bosnien erstarkt war.54 Die Vertreibungen der Serben aus dem NDH erhielten im Sommer 1941 einen rechtlichen Rahmen. Wie bei den antiserbischen Gesetzen lag hier auch keine rassische Definition zugrunde. Die Zusammenarbeit zwischen dem Ustaša-Regime und dem Dritten Reich wurde am 4. Juni 1941 mit einem Vertrag über den Bevölkerungsaustausch erweitert. Bei seinem Treffen mit Pavelić am 7. Juni 1941 hatte Hitler eine intolerante Politik gegenüber den Serben vorgeschlagen. Im Zeitraum zwischen dem 4. Juli und 31. Oktober 1941 sollten etwa 179.000 Slowenen in NDH angesiedelt, während in etwa genauso viele Serben aus dem NDH nach Serbien ausgesiedelt werden sollten. Zur Koordinierung und Durchführung der Aussiedlung wurde im Juni 1941 die Staatsdirektion für Erneuerung gegründet.55 Nach der letzten Volkszählung im Königreich Jugoslawien lebten in den späteren Grenzen von NDH 1.845.340 Menschen serbisch-orthodoxen Glaubens.56 Es wurde sofort damit begonnen, Teile der serbischen Bevölkerung in Sammellagern zu konzentrieren. Den Lagerverwaltern standen hierbei das Militär, die Ustaša und die zivile Verwaltung zur Verfügung. Die Organisation der Transporte zu den Sammellagern und von diesen aus bis über die Grenzen des Landes wurde geheim gehalten. Das Verkehrsministerium sollte die Transporte nicht wie üblich pro Person, sondern 50 51 52
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„Ministarska naredba o nazivu grko-istočne vjere“ [Ministerielle Verordnung zur Bezeichnung des griechisch-östlichen Glaubens], in: Zbornik zakona, 293. zur Geschichte der serbisch-orthodoxen Kirche bRemeR, Geschichte, 13–16. die Gesetzesschrift über die Tätigkeit der griechisch-östlichen Kirche im Königreich Kroatien und Slawonien vom 14.5.1887, in: Sbornik zakona i naredabah(h) i naredaba(h) valjanih za kraljevine Hrvatsku i Slavoniju. Godina 1880, 1887, 1906, 1916 [Gesammelte Gesetze und Anordnungen gültig für das Königreich Kroatien und Slawonien. 1880,1887,1906,1916] 1887. hoaRe, Genocide, 26. KoRb, Schatten, 147. HR-HDA-1076, 441, 95 Verordnung über die Aussiedlung der Serben nach Serbien, 4.7.1941; KoRb, Schatten, 172; Ramet, Jugoslawien, 164, 172. matković, Povijest, 128.
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pro Waggon und gefahrenen Kilometer abrechnen.57 Die ersten Aussiedlungen betrafen serbische Kolonien, die als „künstlich geschaffene Infiltrationen serbischen Elements inmitten des kroatischen Siedlungsgebietes“ deklariert wurden.58 Die zu erfüllende Aussiedler-Quote wurde dabei nicht mit vermeintlich freiwilligen Aussiedlern belastet, die das Land nach vorheriger Erlaubnis der Staatsdirektion für Erneuerung verlassen konnten.59 Der serbisch-orthodoxe Klerus wurde größtenteils ausgesiedelt oder ermordet. Anfang Juli gab die Staatsdirektion für Erneuerung den Befehl zur Schließung aller orthodoxen Pfarrgemeinden. Mehrmals ordnete diese Behörde die Verhaftung und Inhaftierung aller serbischen Geistlichen mit ihren Familien sowie von Mönchen und Ordensbrüdern im Aussiedlerlager Caprag bei Sisak.60 Es sind nur wenige Fälle bekannt, in welchen die Geistlichen verschont wurden. So konnte z. B. Dositej Todorović in Orahovica verbleiben, weil er, wie es hieß, in der Vergangenheit mit kroatischen Abgeordneten und politischen Parteien kooperiert und keine guten Beziehungen zur jugoslawischen Regierung gepflegt hatte. Sein Stiefsohn war sogar römisch-katholischer Priester. Die Ustaša aus Orahovica hatte sich aus diesen Gründen für seinen Verbleib in der Stadt eingesetzt.61 Wie später gezeigt werden soll, waren auch einige orthodoxe Geistliche in Brčko bis zum Winter 1941/42 vorerst in ihren Gemeinden geblieben. Denjenigen Geistlichen, die aus Krankheitsoder Altersgründen unfähig für den Transport waren, wurde der Verbleib zugesagt, wenn auch auf der lokalen Ebene auf diese Regel meist keine Rücksicht genommen wurde. Die Kirchenmatrikel und ihre Führung übernahmen nach der Auflösung der orthodoxen Kirchengemeinden die jeweiligen zivilen Gemeindeverwaltungen. Die Staatsdirektion für Erneuerung warnte dabei die Bezirksvorsteher und Bürgermeister vor der eigenmächtigen Ausstellung der Aussiedlungserlaubnis. Diese Kompetenz blieb weiterhin bei der Staatsdirektion für Erneuerung.62 Die Verhaftung des Klerus war eine gut organisierte und landesweit beinah synchron verlaufende Aktion. Beginnend am 10. Juli und den darauf folgenden Tagen sowie später um den 4. August herum, stürmten die Ustaše Pfarrhäuser und Kirchen
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HR-HDA-1076, 441, 118 Staatsdirektion für Erneuerung an das Verkehrsministerium betr. abgehende Transporte, 7.7.1941. PAAA-GZ, 67/2 Sabor-Rede von Mirko Puk in deutscher Übersetzung, 25.2.1942; Hrvatski List, 26.2.1942. HR-HDA-1076, 444–1180 exemplarisch der Fall von Persida Murganić, 14.–18.7.1941. HR-DAOS-701, 16 und HR-DAOS-6, 5795 Inhaftierung der Geistlichen, Handlungsweise bei Rumänen, Montenegrinern, Mazedoniern und Russen, Staatsdirektion für Erneuerung in Zagreb an alle Bezirke, Zweigstellen der Staatsdirektion für Erneuerung, Polizeibehörden, Großbezirke, Bürgermeisterämter und Aussiedlerlager, 9.8.1941. HR-HDA-218, 53–9228 Gemeindeleitung in Orahovica an die Bezirksregierung in Našice betr. Tätigkeit der kroatisch-orthodoxen Kirche in Orahovica, 20.7.1942; Ebd. Großgespan Hefer an die Bezirksverwaltung Našice, 23.6.1942. HR-DAOS-701, 16 und HR-DAOS-6, 5795 Inhaftierung der Geistlichen, Handlungsweise bei Rumänen, Montenegrinern, Mazedoniern und Russen, Staatsdirektion für Staatsdirektion für Erneuerung in Zagreb an alle Bezirke, Zweigstellen der Staatsdirektion für Erneuerung, Polizeibehörden, Großbezirke, Bürgermeisterämter und Aussiedlerlager, 9.8.1941.
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und nahmen die orthodoxen Geistlichen in Haft.63 Im Lager in Caprag wurden Ende Juli 1941 ungefähr 2000 Personen gefangen gehalten. Mitte Juli waren die etwa 400 orthodoxen Geistlichen und ihre Familien in zwei Magazinen und einer hölzernen Baracke untergebracht. Verwaltet wurde das Lager von den Ustaše und bewacht von Soldaten. Im Lager selbst konnten die Insassen anscheinend einer Vertreibung nach Serbien entgehen, wenn sie bereit waren, ihren Glauben zu wechseln. Ein starkes Motiv war dabei die Rückkehr nach Hause. Kurz vor dem Abtransport nach Serbien gab die Lagerverwaltung am 31. Juli 1941 bekannt, dass sich alle Insassen, die einen Antrag auf Übertritt gestellt hatten oder ihnen der Übertritt bereits erlaubt wurde, am 1. August bei der Lagerverwaltung melden sollten.64 Auch im Konzentrationslager in Slavonska Požega versuchten die Ustaše die inhaftierten orthodoxen Geistlichen im Juli 1941 zum Übertritt zu bewegen. Sie versprachen ihnen die Rückkehr nach Hause und die Rückgabe aller enteigneten Güter.65 Im Gefängnis in Brčko wurde der serbisch-orthodoxe Priester aus Slatina, Slavko Ristić, vor die Wahl gestellt zu konvertieren oder vertrieben zu werden.66 Bis Ende September 1941 wurden landesweit 335 Geistliche vertrieben und bis Dezember desselben Jahres 150 Priester getötet.67 Manche von ihnen wurden von den Ustaše bereits in April ermordet.68 Bis zum 22. Dezember 1941 befanden sich zum Beispiel in insgesamt 110 orthodoxen Pfarren der bosnischen Eparchie Tuzla-Zvornik nur noch 17 Geistliche. Es gab keinen einzigen orthodoxen Priester mehr im Bezirk Tuzla 63
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Zu den Verhaftungen sowie zu den Situationen unmittelbar vor und nach den Verhaftungen der orthodoxen Geistlichen RS-AS-KFA, 14 Zusammenfassender Bericht über die Verbrechen der Ustaše im Bezirk Podravska Slatina, unbekannter Berichterstatter, o. D.; Ebd., Bericht von Slavka Pištelić, Belgrad, 6.7.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad von Miloš Ivošević, Popović, 31.12.1941. – Zu Derventa ebd. 9 Bericht für das Kirchengericht der orthodoxen Eparchie in Banat vom Geistlichen Aleksandar Silješčikov, Vršac, 29.8.1941. – Zu Vukovar ebd. 18 Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Pf. und Episkop Jovan Kozobarić, 2.5.1942; AJ-103-160, 363–371 Bericht des Chirurgen im Vukovarer Krankenhaus, Wilhelm Pyk, an die jugoslawische Exilregierung, 20.11.1942. – Zu Brčko RS-AS-KFA, 9 Bericht an die Hl. Erzb. Synode von S. L., o. D; Ebd., vom Priester Milan J. Dojčinović, Valjevo, 15.8.1941. – Zu Bijeljina ebd. Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Ökonomen Vaso Petrović, Belgrad, 29.3.1943. – Zu Tuzla ebd., Bericht für den orthodoxen Episkop der Eparchie (Bischof, Hohepriester) in Zaječar vom Militärgeistlichen Jovan Pajkanović, 10.4.1942; Ebd. Bericht für das KFA in Belgrad des Gerbers Ljubomir Antić, 16.11.1942; Ebd. Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla-Zvornik, 22.12.1941. In seinem Bericht führt Nektarije die deportierten, vertriebenen und ermordeten Geistlichen seiner Eparchie namentlich auf. RS-AS-KFA, 9 Bericht über die Internierung in Caprag und Vertreibung nach Serbien an den Metropoliten Josif in Belgrad vom stellvertretenden Episkop in Tuzla, Petar N. Jovanović, 20.9.1941; Ebd. 19 Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Priester Andrija V. Doić, Crvena Crkva, 9.3.1942. Ebd. 9 Bericht für die Heilige Erzb. Synode in Belgrad von Priester Živan Đorđić, Belgrad, o. D. (frühestens August 1941). Ebd. Bericht an die Hl. Erzb. Synode vom Priester Slavko Ristić, Belgrad, o. D. (frühestens September 1941). tomaSevich, Occupation, 394, 398, 537. RS-AS-KFA, 9 So z. B. in Lužani im Großbezirk Posavje. Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla-Zvornik, 22.12.1941.
2. „Abtrünnige Seelen“. Konversionen zum römisch-katholischen Glauben
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sowie in den Nachbarbezirken Vlasenica, Srebrenica, Zvornik, Derventa, Teslić, Doboj und Tešanj. Auf der Ebene des ganzen Großbezirkes Usora-Soli lebten nur noch vereinzelt orthodoxe Geistliche in den Bezirken Gračanica, Maglaj, und Kladanj. Alle drei Klöster der Eparchie wurden geplündert, geschlossen und die Ordensmänner vertrieben.69 2. „ABTRÜNNIGE SEELEN“. KONVERSIONEN ZUM RÖMISCH-KATHOLISCHEN GLAUBEN April–Juni 1941 In den ersten drei Monaten, die von Vertreibung, Plünderung, Gewalt und Zerstörung geprägt waren, erhöhte sich die Zahl der Konversionen70 vom serbisch-orthodoxen zum römisch-katholischen Glauben.71 Die Bezirksverwaltungen und die Staatsdirektion für Erneuerung sahen sich mit einer großen Zahl an Ersuchen auf Glaubensübertritt konfrontiert. Gerade die Eliten und wohlhabende Serben ersuchten einen Übertritt, um der „Evakuierung“ zu entgehen. Im Juli waren die Bezirksverwaltungen mit dem Andrang überfordert, da sie gleichzeitig die Aussiedlung und Ansiedlung organisieren mussten. In vielen Fällen versuchten inhaftierte Serben und ihre Angehörigen über Anträge auf religiösen Übertritt ihre Freilassung zu erwirken.72 Die Serben des Dorfes Veliki Zdenci stellten am 26. Juli 1941 im 69 70
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Ebd. Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla -Zvornik, 22.12.1941. Nach traditionell katholischem Verständnis bezeichnet Konversion vor allem die Zuwendung zur katholischen Kirche. Evangelische christliche Gemeinschaften verstehen unter Konversion den Übertritt von einer Kirche zur anderen, bzw. den Konfessionswechsel. Neutraler ist dagegen der Begriff „Übertritt“, welcher den Wechsel von Glaubensüberzeugungen und Religionsgemeinschaften allgemein bezeichnet. In der Untersuchung werden beide Begriffe unabhängig von dem jeweiligen traditionellen Verständnis verwendet. So werden mit „Konversion“ und „Übertritt“ alle Wechsel zwischen allen Religionsgemeinschaften verstanden. LöFFLeR, René: Konversion in der Sicht der römisch-katholischen Kirche. In: Religiöse Grenzüberschreitungen. Studien zu Bekehrung, Konfessions- und Religionswechsel. Hg. v. Christine LienemannPeRRin / Wolfgang Lienemann. Wiesbaden 2012, 371–414, hier 371 f.; In der soziologischen Forschung werden Konversionen den „motifs“ nach, i. e. hinsichtlich subjektiver Erfahrungen in Verbindung mit objektiven Situationen unterschieden in intellektuelle, mystische, experimentelle, affektive, erweckliche und erzwungene. Erzwungene Übertritte zu Zwecken der Annahme einer Ideologie oder eines politischen Systems sind sehr ressourcenaufwendig und unökonomisch. Sie erlauben in der Regel (wieder) eine Partizipation in der Gesellschaft. Die Konvertiten sind allerdings leicht „rückfällig“ und können bei veränderten Umständen zur alten Religion zurückkehren. Die Effizienz der erzwungenen Konversionen ist deshalb in Zweifel zu ziehen. LoFLand, John / SKonovd, Norman: Conversion Motifs. In: Journal for the Scientific Study of Religion 20, Nr. 4 (1997), 373–385, hier 374 f., 381 f. Nadbiskupijski arhiv, Zagreb (NA) [Erzbischöfliches Archiv, Zagreb], ADS Arhiv Duhovnog stola [Archiv des erzbischöflichen Ordinariates], Urudžbeni zapisnici [Eingangsregister] zu 1941, Nr. 3560–10107. HR-HDA-1076, 477–12197 Ersuch auf religiösen Übertritt für die in Slavonska Požega inhaftierte Familie Prekodravac, 25.8.1941.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
Namen der Bevölkerung aus Garešnica und Grubišno Polje einen kollektiven Antrag auf Übertritt zum römisch-katholischen oder griechisch-katholischen Glauben. Ihren Antrag begründeten sie mit ihrer katholischen und kroatischen Herkunft, ihrer Treue zu Kroatien und der Einheit mit dem kroatischen Volk. Da der Glaube die Zugehörigkeit zur kroatischen Volksgemeinschaft nicht behindern sollte, ersuchten sie diesen Unterschied durch einen Übertritt aufzuheben und dadurch in ihren Heimstätten geschützt zu sein, hieß es darin.73 Während im Mai und Juni einzelne Übertritte, meist in Städten, überwogen – eine Ausnahme bildete der Gruppengesuch von 71 Personen aus Ćosići im Bezirk Slavonska Požega im Großbezirk Livac-Zapolje74 – mehrten sich ab Juli 1941 Gruppengesuche, wobei die Zahl der gestellten Anträge im Juli etwa 1.500 betrug. Die ersten Gruppengesuche mit bis zu 40 Personen wurden spätestens seit der zweiten Julihälfte für die Großbezirke Bilogora, Pokupje, Prigorje und Gora im Nordwesten des Landes registriert. Ende Juli folgten weitere Gruppengesuche in den Großbezirken in Westslawonien (Livac-Zapolje) und Ende August in Ostslawonien (Baranja). Der größte kollektive Antrag mit mehreren Hundert Personen aus dem Ort Glina wurde ab dem 7. Juli verhandelt.75 Das größte frühe Massengesuch in Bosnien wurde für 15.000 Personen aus Omarska nahe Prijedor Ende August 1941 beim Ministerium für Justiz und Religion eingereicht, wahrscheinlich jedoch nicht durchgeführt.76 Nach der Schließung orthodoxer Kirchengemeinden gab es keine Pflege der Geburts-, Tauf- und Sterberegister. Vereinzelt ließen die Serben ihre Neugeborenen in der römisch-katholischen Kirche taufen, so z. B. in Petrinja.77 Die Konvertiten waren überzeugt, dass die Regierung sowie die kirchlichen Autoritäten religiöse Übertritte wünschten. Solche Vorstellungen waren seit der Gründung der kroatischen Banschaft in 1939 verbreitet.78 Auch wenn Konvertiten zunächst anscheinend von Repressalien verschont blieben, zeigte sich mit dem Ausbruch des Widerstandes, dass die lokalen Verwaltungen und Ustaše in den peripheren Gebieten des Landes die Konvertiten nicht mehr schonten. In Zagreb waren selbst Personen, die schon in der Zwischenkriegszeit konvertiert hatten, nicht von regelmäßigen Meldungen bei der Polizei und Überprüfungen ausgenommen.79 Den gesetzlichen Rahmen für die Übertritte bot die Bestimmung vom 3. Mai 1941. Mit dieser Verordnung wurden alle Vorschriften zu religiösen Übertritten bis 73 74 75 76 77 78 79
HR-HDA-218, 42–5284 Bittschrift an Pavelić von den Dorfbewohnern aus Veliki Zdenci, 26.7.1941; Ebd., 1076, 503–8034. šKiLjan, Prijelazi Požega, 180. NA-ADS, 1941 Nr. 3560–10107. Das erzbischöfliche Ordinariat unterschied bei Übertrittsgesuchen zwischen Übertritt (prelaz), Rückkehr (povrat), Annahme (primitak) und religionsgesetzlichem Übertritt (vjerozakonski prelaz). biondich, Religion, 85 f. HR-HDA-218, 5–558 Bezirksverwaltung in Petrinja an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Mangel an Standesbeamten, 30.6.1941. buchenau, Orthodoxie, 74. AJ-103-186, 461–469 Aus dem Bericht über die Hin- und Rückreise aus Frankreich nach Belgrad Vasilije Vojnović, besonderer Attaché der königlichen Gesandtschaft in Frankreich und Oberstleutnant im Ruhestand an die Gesandtschaft des Königreiches Jugoslawien in Lissabon, 12.12.1941.
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zur Proklamation neuer interkonfessioneller Gesetze außer Kraft gesetzt. In der Praxis sollten sich die potenziellen Konvertiten zunächst bei den Behörden der ersten Instanz melden, dort einen schriftlichen Antrag stellen und eine schriftliche Erlaubnis zum Übertritt erhalten. Außerdem verpflichtete das Gesetz die Konvertiten zur Erfüllung religiöser Vorschriften ihrer neuen, gesetzlich anerkannten Religion.80 Nach der Gründung des NDH bildeten die Ressorts Religion und Unterricht ein gemeinsames Ministerium unter Minister Mile Budak. Dieses Ministerium hatte das erste Konversionsgesetz vom 3. Mai sowie das zweite vom 27. Mai 1941 vorgeschlagen bzw. ausgearbeitet. Mit der zweiten Verordnung am 27. Mai gab das Ministerium für Religion und Unterricht eine Anleitung an die Verwaltungsbehörden der ersten Instanz und an interessierte Personen heraus. Darin wurde bekräftigt, dass die Behörden der ersten Instanz nur die Zuständigkeit bei der Ausstellung der Bescheinigung über die Anmeldung zum Glaubensübertritt innehatten. Das weitere Vorgehen sollte dem Konvertiten überlassen werden, der nach Bedarf bei seinem alten Seelsorger seinen Austritt veranlassen konnte. Bei minderjährigen Konvertiten reichte die Aussage der Eltern.81 Allein schon der Umstand, dass die Regierung gesetzliche Verordnungen zu religiösen Übertritten bereits im Mai erlassen hatte, gab den lokalen Behörden und den Ustaše eine Handhabe für die Erzwingung religiöser Übertritte. Das Ressort Religion wurde bei der Reorganisation der Regierung am 24. Juni 1941 vom Ressort Unterricht getrennt und bildete fortan gemeinsam mit der Abteilung Justiz ein neues Ministerium für Justiz und Religion unter Minister Mirko Puk. Die Organisation des Ministeriums wurde am 9. August 1941 reglementiert. Das Ministerium hatte nur eine Abteilung sowohl für juristische als auch für religiöse Fragen, welche in mehrere Ressorts und Unterabteilungen gegliedert war. Am 14. Juli 1941 wandte sich das Ministerium für Justiz und Religion in einem Memorandum an die katholischen Bischöfe. Damit wurden religiöse Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben untersagt sowie allgemein die Übertritte der serbischen „Intelligenzija“. Religiöse Übertritte sollten nur der bäuerlichen Bevölkerung erlaubt werden.82 Großbezirke im Vergleich Im Vergleich der vier Großbezirke ist zunächst die Frage zu klären, welche Umstände genau zur Beantragung der Übertritte führten. Wie bereits festgestellt, kamen die ersten Gesuche auf religiöse Übertritte aus dem Norden und Nordwesten des Landes. In Slavonska Požega im Großbezirk Livac-Zapolje bekundeten im Dorf Ćosići am 30. Mai 1941 insgesamt 71 Personen den Wunsch zum Übertritt zum römisch-katholischen Glauben, die auch sieben Monate später durchgeführt
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„Zakonska odredba o prelazu s jedne vjere na drugu“ [Gesetzliche Bestimmung zum Religionsübertritt], in: Zbornik zakona, 56. „Uputa prigodom prelaza s jedne vjere na drugu“ [Anweisungen zum Religionsübertritt], in: ebd., 122. biondich, Religion, 83.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
wurden. Weitere Gesuche folgten ab Juni 1941.83 Der dortige Bezirksleiter erklärte dies damit, dass die dort ansässigen Orthodoxen keine ausgeprägte Identität als Serben hätten. Politisch hätten die Orthodoxen in diesen Gebieten in der Vergangenheit sogar Politiker aus den Reihen der Kroatischen Rechtspartei gewählt. Die Bevölkerung hätte sich außerdem nach dem 10. April 1941 friedlich und sogar größtenteils loyal verhalten. Deswegen hätte man dort Operationen durchgeführt, die formal legal oder besonders revolutionär gewesen seien. Die daran beteiligten Personen wären dafür ermächtigt und legitimiert gewesen. Es sei dabei nicht zugelassen worden, dass destruktive Elemente durch egoistische Taten die Idee und Werte der Ustaša sowie den Erfolg der politischen und nationalen Politik in Požega untergruben, wie dies in Bosnien geschehen sei. Dort hätte die Gewalt der Milizen eine solche „Operation“ verhindert, so der Bezirksleiter.84 Auch lokale Priester vertraten die Meinung, die serbische Bevölkerung im Bezirk Slavonska Požega wäre religiös völlig vernachlässigt, unbelehrt und indifferent gewesen.85 Das Potenzial ihrer Bekehrung wurde als Chance wahrgenommen. In Slavonska Požega hatte die Bezirksverwaltung die Bevölkerung ohne einen ausdrücklichen Befehl höherer Stellen zu religiösen Übertritten gedrängt. In einigen Gemeinden des Bezirkes wurde auch der orthodoxe Klerus bereits vergleichsweise früh deportiert.86 In Kostajnica im Großbezirk Gora war es die Ustaša-Organisation, die von der serbischen Bevölkerung Übertritte forderte. Der dortige Ustaša-Chef auf Bezirksebene unterbreitete der Staatsdirektion für Erneuerung am 8. Juli 1941 einen Vorschlag zur besseren Durchführung der „Volkserneuerung“ in seinem Bezirk. Mit dem Vorschlag bezog er sich auf die Aussiedlung der nach 1900 nach Kroatien eingewanderten Serben und ihrer Nachkommen. Es reiche nicht aus, nur die unerwünschten, hinderlichen und gefährlichen Personen zu erfassen, da die Verzeichnisse zu diesen Personen unvollständig, oberflächlich, gewissenlos und ohne Ernst erstellt worden seien. Insbesondere bemängelte er, dass die reichsten Gemeinden von der Aussiedlung verschont geblieben waren. Um geopolitischen und sozioökonomischen Interessen seines Bezirkes gerecht zu werden, schlug er vor, nicht einzelne Personen wie Grashalme herauszugreifen, sondern durch gezieltes Herausgreifen eines ganzen reichen Dorfes ein Exempel zu statuieren. Fremde Elemente sollten auf diese Weise einen geistigen Aufruhr erfahren und sich darauf der Katholisierung unterwerfen. Gefährliche und unerwünschte Personen würden danach selbst flüchten.87
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šKiLjan, Prijelazi Požega, 180. HR-HDA-218, 48–8112 Das Innenministerium an das Ministerium für Justiz und Religion nach Bericht aus dem Bezirk betr. Konvertiten in Požega, 20.7.1942; Aus der Umgebung von Požega ersuchten viele Serben im Frühsommer einen religiösen Übertritt. RS-AS-KFA, 19 Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Priester Jovan Kukić, Žagubica, 20.8.1941. šKiLjan, Prijelazi, Požega, 180, 184 f. RS-AS-KFA, 19 Bericht an den erzbischöflichen Vikar in Vladimirevci von Pf. Ilija G. Kosijer, Draginje, 1.1.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Priester Jovan Kukić, Žagubica, 20.8.1941. Als Beispiel hier insbesondere die frühen Verhaftungen des orthodoxen Klerus Ende April und frühen Konversionen im Juni in der Gemeinde Požeški Brestovac. HR-HDA-1076, 441–324 Ustaša-Vorsteher des Bezirkes Kostajnica an die Staatsdirektion für Erneuerung 8.7.1941.
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Die Impulse zur Gestaltung der Politik gegenüber der serbischen Bevölkerung kamen auch aus den Gemeinden selbst. Die für die Aussiedlung zuständigen Akteure in Slavonska Požega, Kostajnica oder in den Konzentrationslagern Caprag und Slavonska Požega, hatten aus den örtlichen Dynamiken, vor allem aus Überforderung mit der Aussiedlungsstrategie heraus gehandelt. Nachdem bereits die ersten Deportationen und Ermordungen stattgefunden hatten, reagierte die Bevölkerung bereitwilliger auf Erpressungen lokaler Verwalter und der Ustaše. Im Bezirk Nova Gradiška wurden im Juli etwa 50 serbische Familien nach Caprag deportiert. Unter Androhung der Enteignung und Lagerhaft drängten anschließend die Ustaše die serbische Bevölkerung zum Übertritt. Der Priester aus Nova Gradiška, Josip Matica, sollte den Religionsunterricht erteilen. Die orthodoxen Kirchen in der Stadt und ihrer Umgebung wurden zur gleichen Zeit zerstört. Am 31. August wurden weitere ca. 2.000 Serben in das naheliegende Lager Stara Gradiška deportiert, von wo aus die Arbeitsfähigen weiter abtransportiert und die Kinder zur Umerziehung nach Zagreb verschickt wurden.88 Die mit dem Umsiedlungsprogramm betraute Staatsdirektion für Erneuerung reagierte anscheinend auf die Initiativen „von unten“. Ihre ersten Richtlinien, die Bezug zu religiösen Übertritten hatten, verkündete diese Behörde in der zweiten Julihälfte. Am 24. Juli 1941 richtete sie Anweisungen an alle Verwaltungseinheiten und die Polizei zum Verfahren bei der Aussiedlung von konfessionell gemischten Familien. Bei der Behandlung gemischter Ehen und Familien reichte es für einen orthodoxen Mann, mit einer Katholikin verheiratet zu sein oder für einen Mann oder Frau mit einer/m Katholikin/en im „Konkubinat“ zu leben, um von der Aussiedlung ausgenommen zu werden. Ferner durften serbische Männer im Land verbleiben, wenn sie im kroatischen Heer dienten oder ihre Familien sich für einen religiösen Übertritt meldeten. Außerdem durften Alleinstehende und Familien bleiben, wenn sie politische, moralische und materielle Unterstützung des kroatischen Volkes nach 1918 nachgeweisen konnten. Ausgenommen wurden auch Familien von geflüchteten serbischen Personen und ältere Menschen. Bei wohlhabenden Personen und Familien sowie politischen Gegnern durften keine Ausnahmen gemacht werden. Im abschließenden Absatz wurde noch einmal bekräftigt, dass nur Personen, die den Kroaten und dem kroatischen Staat nicht feindlich gesinnt seien und solche die – hier sind die Familien gemeint – „alle und ohne Unterschied den orthodoxen Glauben aufgeben und zum katholischen Glauben übertreten“, von der Aussiedlung verschont werden konnten.89 Die Staatsdirektion für Erneuerung erkundigte sich außerdem im Laufe der nächsten Wochen beim Ministerium für Justiz und Religion, wie mit den Anträgen auf Konversion während der Aussiedlungsaktionen zu verfahren war.90
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RS-AS-KFA, 19 Bericht für das KFA in Belgrad von der Gymnasiastin Radojka Tatomirović, Belgrad, 12.9.1942. HR-HDA-218, 3 Rundschreiben der Staatsdirektion für Erneuerung an alle Bezirksverwaltungen und die Polizei betr. Anweisungen bei der Aussiedlung von konfessionell gemischten Familien, 24.7.1941. Z. B. zu Sanski Most im August HR-HDA-218 Eingangsregister 1074, 1075 (1941).
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Wie bereits angedeutet, hatte sich die Bereitschaft der Bevölkerung zu Konversionen mit der steigenden Gewalt erhöht und die ersten Konversionen standen direkt mit der Umsiedlungsaktion in Verbindung. Im Vergleich der vier untersuchten Großbezirke wird deutlich, dass es im Großbezirk Usora-Soli keine Hinweise dafür gibt, dass es vor Ende Juli 1941 zu erzwungenen Anträgen auf Übertritte kam. In der unmittelbaren Nähe des Großbezirkes scheint die serbische Bevölkerung in dieser Zeit nur im Bezirk Vlasenica zum Übertritt gedrängt worden zu sein.91 Ganz anders verhielt es sich im Großbezirk Baranja, wenn auch die Erpressungen während der Aussiedlungen im Juni noch zu keiner großen Zahl von Anträgen führten. Am 25. Juni 1941 kamen z. B. Ustaše aus Osijek nach Dračice in der Gemeinde Đakovo und befahlen den etwa 300 serbischen Dorfbewohnern innerhalb einer halben Stunde das nötigste zusammenzupacken. Am Bahnhof in Đakovo wurden ihnen der Großteil an Geld und Wertsachen abgenommen. Die Ustaše stellten die Gefangenen vor die Möglichkeit zu konvertieren und zu Hause zu bleiben, doch niemand erklärte sich bereit.92 Im Bezirk Podravska Slatina (Baranja) wurden wie in anderen Bezirken die Kolonisten und Freiwilligen im Ersten Weltkrieg die ersten Opfer von Gewalttaten. Die alteingesessenen Serben blieben von Repressalien zunächst verschont. Allerdings wurde ihnen schon Mitte Juni 1941 mit Vertreibung gedroht, sollten sie nicht zum römisch-katholischen Glauben konvertieren.93 In der Bezirksstadt selbst konvertierten bis zum 12. Juli 1941 überwiegend wohlhabende Serben, deren Zahl jedoch gering war. Der Gemeindenotar besuchte die umliegenden Dörfer und versuchte die Bevölkerung zum Übertritt zu überreden, während ein katholischer Pfarrer mit dem gesetzlichen Schutz für die Konversionen warb.94 Während der Aussiedlungen der Kolonistendörfer durch die Ustaše und die Landwehr am 26. Juni wurde den Bewohnern angeboten zu konvertieren und so im Ort bleiben zu können. Die Bewohner in Petrovac weigerten sich bis auf einige wenige Ausnahmen angeblich deshalb, weil sie gehört hätten, dass Konvertiten noch schlimmer verfolgt würden. Aus Aleksandrovac und Vranovac wurden nach der beantragten Konversion fünf Familien und in Balinci 26 Personen von der Aussiedlung ausgenommen.95 Im Großbezirk Vuka kam es im Bezirk Vukovar infolge der Aussiedlung der etwa 750 Kolonisten in Markušica, Podrinje, Petrova Slatina und Siloši Mitte Juli 1941 zu ersten Übertrittsgesuchen. Die Zahl der Konversionen war allerdings sehr gering, außerdem ist nicht belegt, ob die Konversionen von den Ortsbehörden di91 92 93 94 95
RS-AS-KFA, 9 Bericht des Geistlichen Jovo P. Davidović, Belgrad, 3.8.1941; Ebd., Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Arzt Dr. Bogdan Čabak, 28.8.1943. RS-AS-KFA, 19 Bericht für das KFA in Belgrad vom Landarbeiter Marko Uzelac, Smederevska Palanka, 29.5.1942. RS-AS-KFA, 14 Bericht für das Flüchtlingskommissariat von Blagoje Vaskrsić, Kučevo, 11.2.1942. RS-AS-KFA, 14, Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Pf. Rajko Kokanović, V. Bečkerek, 15.12.1941. RS-AS-KFA, 14 Bericht für das Flüchtlingskommissariat von Radovan Gavrić, Belgrad, 12.6.1943. Etwa 2.500 Personen aus Nova Bukovica, Petrovac und Aleksandrovac sowie etwa 3.600 Personen aus den Dörfern Bjelkovac, Milanovac, Kraskovići, Petekovac, Mikleuša, Vranovac, Brezik und Balinci wurden ausgesiedelt.
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rekt erpresst wurden. Die seit dem 16. Juli bei der benachbarten Bezirksverwaltung in Ilok erfragten Erlaubnisse zur Konversion waren ebenfalls ein Resultat der u. a. in den Zeitungen angekündigten Aussiedlungen und des Bevölkerungsaustauschs. Insbesondere ersuchten Beamte, von denen es im Bezirk 108 orthodoxen Bekenntnisses gab, Anwälte und Rentner einen Übertritt zum römisch-katholischen Glauben. Im Gegensatz zu den frühen Konversionsanträgen im Großbezirk Baranja stand die Bezirksverwaltung in Ilok dem Andrang der Konversionswilligen skeptisch gegenüber. Der Bezirkschef befürchtete die Verknappung der Güter, da die betreffenden Serben dadurch nicht ausgesiedelt würden und somit kein Raum für die Ansiedlung von Slowenen und Kroaten frei würde.96 Für den Großbezirk Posavje finden sich, wie auch im Großbezirk Vuka, kaum Belege dafür, dass die Ortsbehörden und die lokale Ustaša-Organisation die Bevölkerung während der Aussiedlung zu religiösen Übertritten zwangen. Lediglich im Dorf Slatina im bosnischen Bezirk Brčko kann ein Zusammenhang zu den ab dem 25. Juni vorgenommenen Inhaftierungen und den gleichzeitigen Bemühungen des Franziskanerpaters Klarić, die Bevölkerung zu einem Übertritt zum Katholizismus zu bewegen, hergestellt werden. Abgesehen von Slatina scheinen die Ortsbehörden der Bevölkerung in Stari Slatinik im Bezirk Slavonski Brod spätestens Anfang Juli die Konversion aller Kinder und Frauen nahegelegt zu haben.97 Direkte Aufforderungen oder Erpressungen blieben im Juni und Juli noch aus. Der Großbezirk Baranja sticht in einem Vergleich der erzwungenen Übertritte heraus, weil es dort viele serbische Kolonistendörfer gab, die als erste für die Aussiedlung bestimmt wurden. Neben den während der Aussiedlungsaktionen erpressten Übertritte waren es auch – meist im städtischen Umfeld – viele individuelle Gesuche, die an Gemeindeund Stadtverwaltungen gestellt wurden. Meistens waren diese Gesuche das Ergebnis von „Säuberungen“ im öffentlichen Sektor oder es handelte sich um Übertritte von in Mischehen lebenden orthodoxen Ehepartnern. Dementsprechend betrafen viele Anträge auch Konvalidierungen von Ehen. Die gleichzeitig aus verschiedenen Teilen des Landes und unterschiedlichen städtischen und ländlichen Milieus gestellten Anträge scheinen dagegen eine Reaktion auf die Verfolgung im näheren Umfeld gewesen zu sein, ohne dass ihnen eine direkte Aufforderung der Behörden oder Ustaše vorangegangen war.98 Von der Regierung als „freiwillige“ Übertritte bezeichnet, gingen sie unter dieser falschen Deklaration auch in die Geschichtsschreibung ein. Da es keine Belege für eine von der Ustaša-Regierung im Juni und Juli etablierte Konversionspolitik gab, entstand eine verklärte Darstellung der Situation im Sommer 1941. 96
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HR-HDA-1076, 447–2060 Bezirksverwaltung in Ilok an die Staatsdirektion für Erneuerung in Zagreb betr. Konversionen der Serben zum Katholizismus sowie Verzeichnis der Beamten orthodoxen Bekenntnisses, 18.7.1941. – RS-AS-KFA, 18 Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Priester Stevan Kronić, Požarevac, 3.11.1941; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Landarbeiter Luka Stanić, Mehovine, 1.1.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad von Dane Vojinović, Kladušnica, 8.4.1942. RS-AS-KFA, 19 Bericht für das KFA in Belgrad vom Arbeiter Dušan Jurić, Niš, 7.7.1941; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode vom Priester Slavko Ristić, Belgrad, o. D. (frühestens September 1941). Vor allem sind hier Verhaftungen in Slatina, Crkvina und Tišina gemeint. NA-ADS, 1941 z. B. Nr. 3631–5000.
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Konversionen der Juden Neben Serben beantragten auch Juden Übertritte zum römisch-katholischen und in kleinerer Zahl auch zum evangelischen Glauben oder zum Islam. Die frühen jüdischen Übertritte wirkten sich beschleunigend auf die Bereitschaft der Serben zum Übertritt aus. Doch für die Übertritte der Juden gab es keinen gesetzlichen Rahmen. Die gesetzliche Bestimmung über die Rassenzugehörigkeit vom 30. April 1941 hatte über die Position der Juden entschieden, Übertritte konnten keine Auswirkung haben.99 Allein in Zagreb traten dennoch im Jahr 1941 2.877 Juden aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft aus. Dies war etwa ein Drittel der Zagreber jüdischen Gemeinde. Im Juli 1941 betrug die Zahl jüdischer Konvertiten zum Katholizismus etwa 1.200.100 Auch bei jüdischen Übertritten zeigte sich, dass die lokalen Behörden eigensinnig handelten. Jüdische Übertritte fanden z. B. in Osijek im Juli/August 1941 statt.101 Durch einen religiösen Übertritt konnten Juden zumindest vorläufig einer Deportation entgehen. Das lag allerdings nicht unbedingt am Glaubenswechsel, der ja von staatlicher Seite als völlig unbedeutend gewertet wurde, sondern an den Netzwerken der Betroffenen. Außerdem schienen katholische Priester den jüdischen Konversionen gegenüber offen gewesen zu sein. In Žepče bei Zenica im bosnischen Großbezirk Lašva-Glaž hatten sich seit Mitte Mai 1941 mehrere Juden für eine Taufe im dortigen römisch-katholischen Pfarramt angemeldet. Der Bezirksleiter hielt nach seinem Gespräch mit dem römisch-katholischen Pfarrer fest, dass die katholische Geistlichkeit jüdische Übertritte in großer Zahl begrüßte.102 Erzbischof Stepinac ernannte im Juni 1941 einen Seelsorger für die jüdischen Konvertiten in Zagreb.103 Der deutsche Geheimdienst beobachtete diese Übertritte, an welchen sich die römisch-katholische Kirche angeblich bereicherte, weil sie die Höhe der Gebühren nach dem Vermögen der Konvertiten erhob.104 Das Auswärtige Amt in Berlin hatte die Konversionen der Juden in Jugoslawien spätestens seit den Beratungen der jugoslawischen katholischen Bischöfe zu den „Judentaufen“ in Zagreb im Januar 1939 verfolgt.105 In den bosnischen Bezirken, wie z. B. in Derventa, Zenica und Bugojno, konvertierten im Winter 1941/42 vereinzelt Juden zum
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HR-DAOS-6, 5795, Rundschreiben, 30.7.1941; HR-HDA-218, 13–48468; Ebd., 3. – Zu frühen jüdischen Übertritten goLdStein, Holokaust, 479. goLdStein, Holokaust, 480, 482. HR-HDA-218 Eingangsregister 548 (1941). VA-NDH 171a Lagebericht des Bezirksleiters in Žepče an die Generaldirektion für öffentliche Ordnung und Sicherheit, 10.6.1941. goLdStein, Holokaust, 482. HR-HDA-1521 Hans Helm – policijski izaslanik pri Poslanstvu Trećeg Reicha u Zagrebu [Hans Helm – Polizeiattaché bei der Gesandtschaft des Dritten Reichs in Zagreb], 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942. PAAA-GZ, 207 Das dt. Konsulat in Zagreb, gez. der Konsul Freundt, an das AA betr. „Bischofsberatung über die Judentaufen“, 22.2.1939; Ebd., die Anfrage des AA, 3.2.1939. Die Ergebnisse der Tagung wurden geheim gehalten. Stepinac und Šarić vertraten während der Bischofskonferenz 1939 gegensätzliche Meinungen über die religiösen Übertritte der Juden, doch blieb es unklar, welche.
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römisch-katholischen Glauben.106 Zu dieser Zeit befanden sich Juden bereits im rechtsfreien Raum. Die Staatsdirektion für Erneuerung verstaatlichte und verwaltete jüdisches Eigentum.107 Laut der Propagandaabteilung waren die meisten Juden in der Stadt Banja Luka im Mai 1942 entweder zum Christentum oder zum Islam konvertiert. Wenn dies auch eine Übertreibung war, ist es ein weiterer Hinweis für die Versuche der Juden landesweit, der Verfolgung durch einen religiösen Übertritt zu entgehen. Beiläufig stellte der Propagandabeauftragte einen Monat später fest, dass die Zahl der Juden „gesunken“ sei, diese also trotzdem deportiert oder anderen Gewaltmaßnahmen ausgesetzt wurden.108 Für die kroatischen Bezirke ist vor allem in Slawonien eine hohe Bereitschaft zu Übertritten zu verzeichnen. Die auf Forderung der Großbezirksregierung Baranja von den Bezirks- und Stadtverwaltungen gesammelten numerischen Daten zur Bevölkerung nach Religion und Volkszugehörigkeit zeigten, dass bis zum 20. November 1941 285 Juden einen Übertritt zur römisch-katholischen Kirche angemeldet hatten. Zur Altkatholischen Kirche gab es 43, zum Protestantismus 45 und zum Islam 15 Anmeldungen.109 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Konversionen durchgeführt wurden. Zur römisch-katholischen Kirche konvertierten schließlich bis zum 11. März 1942 allein in der Stadt Osijek110 insgesamt 296 Juden, 17 weitere hatten die Konversion angemeldet.111 Die Chance auf eine Genehmigung zum Übertritt zum römisch-katholischen Glauben war wesentlich höher als zu anderen Kirchen, dementsprechend wurden kaum Übertritte in die evangelische Kirche erlaubt. Auf Anfrage der Staatsdirektion für Erneuerung in Osijek berichtete das evangelische Pfarrbüro in Osijek, dass bis zum 11. März nur vier Personen jüdischen Glaubens zur evangelischen Kirche konvertiert hatten, obwohl es wesentlich mehr Anmeldungen gab. Bei diesen handelte es sich um zwei vom Protestantismus zum jüdischen Glauben konvertierte Personen und bei zweien um Nachfahren protestantischer Familien.112 Dass die überwiegende Mehrheit der Evangelischen im NDH Deutsche waren, dürfte der wichtigste Grund für die wenigen jüdischen Übertritte in diese Kirche gewesen sein. Der evangelische Bischof Popp hatte allerdings jüdische Übertritte auch vor 1941 abgelehnt.113 Im August 1942 galt Baranja schließlich als von Juden „gesäubert“.114 Bis zu den letzten Deportationen versuchten Juden mit einer Konversion ihre Lage zu verändern. 106 HR-HDA-218 Eingangsregister 2617, 2618, 2724 (1942). 107 HR-DAOS-701, 16 Gesetzliche Bestimmung über die Verstaatlichung des Eigentums der Juden und jüdischer Unternehmen, 9.10.1941. 108 HR-HDA-237 Glavno ravnateljstvo za promičbu pri Predsjedništvu Vlade Nezavisne države Hrvatske [Propagandadirektion am Regierungspräsidium des NDH], 38 Bericht des Propagandabeauftragten aus Banja Luka, 6.5.1942 und 3.6.1942. 109 HR-DAOS-6, 5795 Numerische Daten zur Bevölkerung nach Religion und Volkszugehörigkeit, Großbezirksregierung Baranja an Bezirks- und Bürgermeisterämter, Osijek, 10.11.1941; Ebd., Numerische Daten zur Bevölkerung nach Religion und Volkszugehörigkeit, Bürgermeisteramt an Großbezirksregierung Baranja, Osijek, 20.11.1941. 110 Ohne den Stadtteil Retfala und Kravice. 111 HR-DAOS-701, 2 Berichte der römisch-katholischen Pfarren, 25.2.1942; Ebd., 11.3.1942. 112 Ebd., Bericht von Pf. Walter an Staatsdirektion für Erneuerung in Osijek, 9.3.1942. 113 bethKe, Sprache, 237. 114 HR-HDA-237, 38 Bericht des Propagandabeauftragten aus Baranja, 31.8.1942.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
In Ogulin war es z. B. im August 1942 der dreiköpfigen jüdischen Familie Schwarz möglich gewesen, zum römisch-katholischen Glauben zu konvertieren115, und auch in Zagreb fanden 1943 und 1944 noch einige wenige jüdische Übertritte statt.116 Juli–September 1941 Der Tod zweier „Ustaše der ersten Stunde“ in Herzegowina wurde in Zagreb Anfang August 1941 zum Funken, der eine Pressehetze gegenüber den Serben auslöste, die, begleitet von Plakaten und Aufrufen gegen Serben, in massenhaften Verhaftungen ausuferte.117 Verbrecherisches und irreguläres Verhalten der Ustaša-Milizen und zunehmend auch der serbischen Četnik-Einheiten bestimmten die Tagesordnung in der bosnischen Provinz, wo sich die ordentliche Verwaltung der Ustaša nicht etabliert hatte. Ustaše und Četnici lieferten sich in Herzegowina erbitterte Kämpfe. Die Lebensmittelknappheit trug zur weiteren Verschärfung der Situation bei. In der bosnischen Hauptstadt wurden neben Serben und Juden insbesondere wichtige Vertreter der Kroatischen Bauernpartei und Familien derer, die zusammen mit der serbischen Regierung das Land verlassen hatten, verfolgt. Muslime aus den bosnischen ländlichen Gebieten meldeten sich in hohen Zahlen zur Arbeitsverschickung ins Dritte Reich.118 Meist waren es Exil-Ustaše, wie Balić und Rukavina, die die Gewalt in den ersten Monaten nach der Proklamation des NDH in die Dörfer und Städte brachten. Auch wenn einzelne lokale Ustaše, die „Tabornici“ (Ustaša-Ortsleiter), bei den Verbrechen Hilfe leisteten, beteiligte sich die ansässige Bevölkerung insgesamt nur selten. Nach dem Beginn des deutschen BarbarossaFeldzuges folgten die Angriffe zunehmend einem System. Strafkompanien und Expeditionen durchkämmten serbisch besiedelte Gebiete und führten Übergriffe auf die zivile Bevölkerung aus.119 Die Verschärfung der kriegerischen Auseinandersetzungen und die Gewalt gingen mit einer Erhöhung der Konversionsgesuche einher. Die Bezirksverwaltungen schickten ab Juli 1941 umfassende Konvertitenverzeichnisse an das Ministerium für Justiz und Religion.120 Das erzbischöfliche Ordinariat vermerkte ab Ende Juli den Eingang von tausenden Gruppengesuchen in seiner Erzdiözese.121 Die meisten Massengesuche stammten aus den westlichen Teilen des Landes, während in Ostkroatien überwiegend noch Staatsbedienstete einen Antrag stellten. Im Vergleich 115 HR-HDA-218, 57–11201 Die Bezirksverwaltung in Ogulin an das Ministerium für Justiz und Religion, 30.9.1942. 116 goLdStein, Holokaust, 483. 117 AJ-103-186, 461–469 Aus dem Bericht über die Hin- und Rückreise aus Frankreich nach Belgrad Vasilije Vojnović, besonderer Attaché der königlichen Gesandtschaft in Frankreich und Oberstleutnant im Ruhestand an die Gesandtschaft des Königreiches Jugoslawien in Lissabon, 12.12.1941. 118 Ebd. 119 AJ-103-160 Nach dem Bericht eines serbischen Militärs aus Dalmatien über die Umstände der Machtübernahme der Ustaša und die Ereignisse in den folgenden 7–8 Monaten, 23.12.1941. 120 HR-HDA-218 Eingangsregister (1941). 121 NA-ADS, 1941 z. B. Nr. 10760–15130.
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der vier Regierungsbezirke können z. B. nur für den Großbezirk Vuka die Übertritte der gebildeten und vermögenden Serben im Juli und August im Bezirk Vinkovci hervorgehoben werden. Ende August wurde jedoch in Vinkovci eine Gruppe von 51 Serben in das Konzentrationslager nach Slavonska Požega deportiert. Darunter waren auch solche, die den Übertritt beantragt hatten.122 Seit der Verordnung der Generaldirektion für öffentliche Ordnung und Sicherheit vom 30. Juli 1941 konnten wegen Verdachts auf kommunistische Aktivitäten verhaftete Personen auch ohne Beweise vor das Standgericht gebracht und in das Konzentrationslager nach Gospić deportiert werden. Auf eventuelle religiöse Übertritte sollte dabei keine Rücksicht genommen werden.123 Die erzwungenen Anträge auf religiösen Übertritt in den Gemeinden konnten ab Ende Juli erstmalig mit Entscheidungen auf der Regierungsebene verlinkt werden. Mit der Besetzung des Ministeramtes für Justiz und Religion durch Mirko Puk fiel der Beginn der Forcierung religiöser Übertritte auf der lokalen Ebene zusammen. Mirko Puk war immer wieder mit seinen Äußerungen gegen die serbische Bevölkerung aufgefallen, zumal er mit religiösen Übertritten argumentierte. Für die deutschen Stellen galt er als ein klerikaler Politiker und Urheber der Zwangskonversionspolitik.124 Ab Ende Juli 1941 reagierte die Regierung auf die Praxis in den Bezirken. In ihrem125 Rundschreiben vom 30. Juli 1941 waren neun Regeln zu den Religionsübertritten festgelegt: „Da in der neueren Zeit viele Personen griechischöstlichen Glaubens einen Übertritt zum Katholizismus wünschten, werden seitens der Regierung folgende Anweisungen gegeben“.126 Bevor die Konvertiten um einen Übertritt bei den katholischen Pfarrämtern baten, mussten sie eine Erlaubnis der Gemeinde- und Bezirksverwaltung einholen.127 Im Rundschreiben des Innenministeriums vom 2. August wurde dieses Vorgehen näher erläutert. Das als „Sittlichkeitszeugnis“ genannte Schriftstück wurde auf Antrag des Konvertiten von der jeweiligen Ortsverwaltung in Absprache mit der Organisation der Ustaša auf dieser Ebene ausgestellt. Die zu entrichtende Gebühr betrug 30 Kuna. Anschließend entschied die Bezirksverwaltung zusammen mit der Ustaša-Organisation auf der Bezirksebene über den Antrag. In Städten mit einer etablierten Polizei-Staatsdirektion entschied die Polizei in Absprache mit der Ustaša auf der Orts- bzw. Bezirksebene
122 RS-AS-KFA, 19 Bericht für das KFA in Belgrad vom Anwalt Pajo Janjanin, Belgrad, 11.11.1943. 123 BiH-ATKT-RPiNOBSB Z Radnički pokret i narodnooslobodilačka borba u sjeveroistočnoj Bosni [Arbeiterbewegung und der Volksbefreiungskampf in Nordbosnien], 57–4652 Großbezirk Usora und Soli an alle Bezirksverwaltungen und Bürgermeisterämter betr. Verfahren bei Verdacht auf Kommunismus bei Juden und Serben, 2.8.1941. 124 PAAA-R 901/69678 Einschätzung von Kasche im Bericht zur Unterhaltung mit Pavelić und Lorković an das AA, 4.3.1942. 125 Genauer: Ministerium für Justiz und Religion (Dr. Puk), das Innenministerium (Dr. Artuković), das Ustaša-Hauptquartier (Lorković), die Staatsdirektion für wirtschaftliche Erneuerung (Čuruc). 126 HR-DAOS-6, 5795 Rundschreiben, 30.7.1941; HR-HDA-218, 3; Ebd., 13–48468. 127 Ebd.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
über die Bewilligung eines Sittlichkeitszeugnisses.128 Die Orts- und Bezirksverwaltungen waren verpflichtet, das Ministerium für Justiz und Religion über die ausgestellten sowie verwehrten Sittlichkeitszeugnisse zu unterrichten. Dieses durfte Lehrern, dem Klerus, Kaufleuten, reichen Gewerbetreibenden und wohlhabenden Bauern sowie der Intelligenzija nicht ausgestellt werden. Nur in außerordentlichen Fällen, wenn die Sittlichkeit der Person bewiesen wurde, war eine Abweichung von der Position der Regierung möglich. Nichtkatholischen Ehepartnern war ein Übertritt möglich, falls die Ehe in einer katholischen Kirche geschlossen und die Kinder katholisch getauft und erzogen wurden. Wurden die Kinder aus solchen Ehen nicht katholisch erzogen sowie bei Mischehen und Taufen in der serbisch-orthodoxen Kirche, konnten die Bezirks- und Gemeindeverwaltungen nach einer Prüfung im Einzelfall entscheiden. In den Berichten an das Ministerium für Justiz und Religion mussten diese Fälle allerdings die entsprechende Anmerkung enthalten. Wenn beide Ehepartner serbisch-orthodox waren, ihre Ehe in der serbisch-orthodoxen Kirche geschlossen und ihre Kinder entsprechend erzogen wurden, konnten sie ohne Erlaubnis des Ministeriums nicht konvertieren. Die Bauern sollten dagegen ohne Schwierigkeiten ein Sittlichkeitszeugnis erhalten, außer es handelte sich um außerordentliche Fälle. Diese Anweisungen galten in allen Großbezirken abgesehen von Gora sowie Krbava und Psat in der westlichen Hälfte des Landes. Dort konnte der Großgespan in Absprache mit der Organisation der Ustaša auf Gemeinde- bzw. Bezirksebene eigene Bestimmungen erlassen. Wie oben bereits ausgeführt, waren z. B. die Behörden in Kostajnica im Bezirk Gora ohnehin eigenständig und schlugen eigene Strategien vor. Aus demselben Großbezirk fanden auch die ersten massenhaften Konversionen statt, z. B. in Glina. Die regionalen Akteure lieferten demnach zunächst die Impulse und erhielten anschließend freie Hand in der Konversionspolitik. Ab dem Rundschreiben vom 30. Juli betrachtete die Regierung die religiösen Übertritte als eine parallele Strategie zur Lösung der serbischen Frage.129 Dabei galten jedoch nur unvermögende Bauern als eine für Konversionen geeignete soziale Gruppe. Bei den wirtschaftlich starken Gruppen spielte indes die wirtschaftliche Ausbeutung eine Rolle, weswegen sie nicht für Konversionen infrage kamen. In den nordbosnischen und ostkroatischen Bezirken entlang der Save im Großbezirk Posavje zeigten sich im August 1941 deutliche Maßnahmen lokaler Behörden und der Ustaše, die auf Massenkonversionen zielten und keine Verbindung mit den Aussiedlungen hatten. Es handelte sich dabei nicht um Gebiete mit einer starken muslimischen Mehrheit. Muslimische Bezirks- und Gemeindeverwalter, die Konversionen zum römisch-katholischen Glauben oder Islam erpressten, sollte es auch weiterhin keine geben. Im Bezirk Bosanski Šamac begannen z. B. die Bezirksund Gemeindeverwaltungen im Spätsommer 1941 damit, die orthodoxe Bevölkerung zum Übertritt in die römisch-katholische Kirche zu zwingen. Den entlassenen Beamten wurde die Wiedereinstellung in den Dienst versprochen. Abgesandte des Bezirkes und der Gemeinden zogen durch die Dörfer und drohten der Bevölkerung 128 Ebd., Übertritt der Angehörigen des griechisch-östlichen Glaubens zum Katholizismus, Rundschreiben des Innenministeriums an Polizeikommando, städtische Polizei-Staatsdirektionen, Bezirksverwaltungen und Bürgermeisterämter, 2.8.1941; VA-NDH 182 dasselbe Schreiben. 129 HR-DAOS-6, 5795 Rundschreiben, 30.7.1941; HR-HDA-218, 3; Ebd., 13–48468.
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mit Enteignungen und Lagerhaft.130 In Slavonski Brod konvertierten allein in einer Pfarre bis zum 31. August 44 Männer im Alter zwischen 21 und 65 Jahren. Sie wurden sogar vom Osijeker Landwehrkommando als potenzielle Rekruten bzw. Reservisten betrachtet.131 Für den Großbezirk Posavje sind insbesondere die Ereignisse im bosnischen Bezirk Derventa illustrativ. Um den 26. August herum verhafteten die Ustaše hunderte serbische Männer in den Dörfern in der Nähe der Städte Bosanski Brod und Derventa. Die Verhafteten wurden überwiegend im Gefängnis in Bosanski Brod gefangen gehalten, während ein Teil in das Konzentrationslager nach Slavonska Požega deportiert wurde. Die Verhaftungen gingen mit Plünderungen einher. Eine Massenerschießung der Gefangenen diente der Ustaša als Drohmittel für die restlichen inhaftierten Serben, damit sie sich mit einem religiösen Übertritt einverstanden erklärten. Die Anträge sollten dabei als freiwillige Übertritte erscheinen. Pro Antrag wurden Gebühren in Höhe von 70 Kuna erhoben. Dazu mussten noch 30 Kuna pro Antrag an den Ustaša entrichtet werden, der die Anträge für die Gefangenen verfasste. Nach der Antragsstellung wurden die Gefangenen nach Hause entlassen, wo sie auf einen römisch-katholischen Priester und den Ustaša-Bezirksführer warten sollten. Am 14. September kam schließlich der römisch-katholische Priester aus Bosanski Brod zusammen mit dem Ustaša-Chef im Bezirk, Jurišić, und weiteren fünf Ustaše nach Liješće – eines der Dörfer aus welchen sich die Gefangenen zu einem Übertritt gemeldet hatten. Der Priester versprach den vor der serbisch-orthodoxen Dorfkirche versammelten potentiellen Konvertiten und zukünftigen „guten Katholiken und Kroaten“ Gebetsbücher mitzubringen. Vereinzelt kehrten danach auch früher geflohene Serben zurück, um die Möglichkeit der Konversion zu nutzen.132 Kirchliche Beschlüsse zu religiösen Übertritten Die gesetzlichen Verordnungen der Ustaša-Regierung zu religiösen Überritten konnten nicht isoliert von der religiösen Arbeit der kirchlichen Akteure verabschiedet und befolgt werden. Eine Positionierung der katholischen Kirche gegenüber der staatlichen Politik blieb nicht aus. Nur wenige Tage nach der Verabschiedung der gesetzlichen Verordnung zu religiösen Übertritten vom 3. Mai 1941 reagierte das erzbischöfliche Ordinariat in Zagreb mit einer Handlungsanweisung an den Klerus. Darin hieß es unter Punkt 1 und 2, dass sich vermehrt Personen an die Pfarrämter 130 RS-AS-KFA, 9 Bericht an das KFA in Belgrad von Bujanić Svetozar, 12.2.1943. 131 Državni arhiv u Slavonskom Brodu (HR-DASB) [Staatsarchiv in Slavonski Brod], 13 Gradsko poglavarstvo u Brodu na Savi 1941–45 [Rathaus in Brod an der Save 1941–45], 6, 135/150 Verzeichnis der Konvertiten des römisch-katholischen Pfarramtes in Slavonski Brod, 16.9.1941 sowie die entsprechende Anfrage der Stadtverwaltung, 11.9.1941 und des Reserve-Kommandos in Osijek, 28.8.1941. 132 Zu Verhaftungen in Vinska, Liješće, Poloj, Brusnica, Umka, Novo Selo, Grk und Lužani RSAS-KFA, 6 Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Vize-Wachtmeister der Gendarmerie Jovan Vuković, Belgrad, 17.9.1941; Ebd., der Bericht vom Händler Jovan Bardak, Belgrad, 20.5.1942.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
wandten, die eine Konversion zum katholischen Glauben oder die Konvalidierung ihrer Ehe wünschten. Darunter seien auch viele „Abtrünnige“ (otpadnici) vom katholischen Glauben. Der Klerus sollte nur Übertritte nach vorheriger ausdrücklicher, freier und ehrlicher Entscheidung des Konvertiten durchführen, die dieser in einer Erklärung festhielt. Die Konvertiten sollten außerdem zum Religionsunterricht verpflichtet werden und sich mit der katholischen religiösen Praxis vertraut machen.133 Unter den Punkten 3 bis 5 wurden Voraussetzungen zur Aufnahme in die römisch-katholische Kirche unter Berücksichtigung der katholischen Werte und katholischer Eheschließung erörtert. Die Konversionen wie auch Konvalidierungen der Ehe bedurften einer Einwilligung des Ordinariates. Der Klerus wurde aufgefordert, detaillierte Anträge mit ausführlichen Informationen zur Person und den Umständen des Konversionswunsches an das Ordinariat zu richten. Unter Punkt 6 wurden die Geistlichen angewiesen, streng nach katholischen Werten vorzugehen und Personen mit unehrenhaften Interessen den Übertritt zu verweigern. Egoistische Ziele und materielle Interessen durften nicht als Motive anerkannt werden. Gleichzeitig sollte verständnisvoll mit denjenigen verfahren werden, die in den vorherigen 20 Jahren unter direktem oder indirektem Druck der jugoslawischen Regierung, welche die Orthodoxie privilegierte, oder aus Karriereinteressen, vom Katholizismus abgefallen waren. „Von solchen Seelen mit ihren abtrünnigen Familien gibt es leider mehrere Tausende, für sie sollte man besonders viel Liebe aufbringen und alles Mögliche tun, dass sie zurück zur katholischen Kirche kehren und so sich selbst und ihre Kinder retten.“ Unter Punkt 7 wurde die Höhe der Konversionsgebühren bestimmt. Diese betrug für Übertritte zwischen anerkannten Glaubensgemeinschaften 20 Kuna. Die Höhe der Gebühren für eine Konvalidierung der Ehe richtete sich nach den Steuerabgaben der Eheleute.134 Die Vorschriften zu religiösen Übertritten wurden insgesamt in mehreren Rundschreiben zwischen Juni und August 1941 erörtert. Neben dem erzbischöflichen Ordinariat in Zagreb hatten auch andere Bischöfe Richtlinien zu Übertritten in ihrem Zuständigkeitsbereich festgelegt. Der Bischof von Senj, Viktor Burić, verfasste im August ein mehrseitiges Rundschreiben über die Belehrung von Konvertiten, weil sich: „in neuerer Zeit eine immer höhere Zahl Andersgläubiger melden, die einen Übertritt in die katholische Kirche wünschen“. Darin wurden spezifische Inhalte des Religionsunterrichtes je nach Herkunftsreligion der Konvertiten erörtert und Schwerpunkte festgelegt. Die Religionslehre sollte langfristig auf eine Einbindung der Konvertiten in das Gemeindeleben vorbereiten. Erzwungene Übertritte wurden mit keinem Wort erwähnt.135 In Šibenik warnte Bischof Mileta ab Juni 1941 die Geistlichen in seinem Bistum vor übereiliger Durchführung der Konversionen, weil sie erzwungen wurden und aus Angst geschahen, so dass es sich nicht um Übertritte 133 VA-NDH, 135i/16/6 Die Erklärung des erzbischöflichen Ordinariates über die Aufnahme in die katholische Kirche, 9.5.1941; KRišto, Crkva, 40 f. 134 VA-NDH, 135i/16/6 Die Erklärung des erzbischöflichen Ordinariates über die Aufnahme in die katholische Kirche, 9.5.1941. – Zu Übertritten der Katholiken zur Orthodoxie in der Zwischenkriegszeit buchenau, Spuren, 214 f.; deRS., Proselytismus, 282; deRS., Kirchen, 69, Fn. 50. 135 VA-NDH 318a/35/6/1 Rundschreiben des Bf. von Senj über die Belehrung von Konvertiten, 8.8.1941.
2. „Abtrünnige Seelen“. Konversionen zum römisch-katholischen Glauben
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aus Überzeugung handelte.136 Hier wird einem prozesshaften Verständnis der Bischöfe von der Konversion begegnet. Im Gegensatz zu politischen Akteuren, konnte ein von religiösen Akteuren auf langfristige Ziele angelegter Konversionsprozess Überlappungen zwischen der alten und neuen Religion, welche sich in Identität, Praxis, Werten u. a. äußerten, nicht ausschließen.137 Die religiöse Arbeit des römisch-katholischen Klerus bis September 1941 Das Vorgehen der lokalen Behörden und der Ustaša gegen die Serben basierte zum Teil auf der Unterstützung des niederen Klerus. In einigen Fällen gehörten katholische Geistliche zur Ustaša-Organisation und waren an den Initiativen zur Konversion der Serben im Sommer 1941 beteiligt. Der Gemeindebeauftragte in Čuntić im Großbezirk Gora, Častimir Herman, richtete am 31. Juli 1941 ein Schreiben an die Großbezirksregierung in Petrinja, in dem er um den Neubau einer Kirche in Jabukovac bat.138 Hermenegildo Častimir Herman war Franziskanerprior im Kloster in Čuntić. Ihm wurde 1954 für das Massaker in der Kirche in Glina sowie für die Organisation des Konzentrationslagers in Jabukovac der Prozess gemacht.139 Die „Türken und das Schisma“ seien die zerstörerischsten Faktoren in der Geschichte des Balkans gewesen, leitete er sein Schreiben ein. Die zu 96 % „schismatischen“ Gebiete hätten durch die kommunistische Agitation ein hohes Maß an religiösem und nationalem Hass erfahren, so dass die Regierung zu „Säuberungen“ und Umsiedlungen gezwungen gewesen wäre. Für die verbliebenen 4.500 Menschen schlug Herman die Konversion vor. Mit der Religionslehre müsste sofort begonnen werden. Für die Aufgabe der nationalen und religiösen Erneuerung seien bereits Priester und Franziskanerpater von weltlichen und kirchlichen Stellen bestimmt worden. Die Verwaltung im Großbezirk Gora konnte nach der Regierungsverordnung vom 30. Juli eigene Entscheidungen in der Konversionsfrage treffen. Gleichzeitig hatten die Anweisungen des erzbischöflichen Ordinariates die Konversionen der „Abtrünnigen“ legitimiert und anscheinend Missionare beauftragt. Die Verbindung zwischen den staatlichen und kirchlichen Autoritäten auf der Ebene der Bezirke hatte sich vor allem in diesem Bezirk gezeigt. Der von Herman beauftragte Kirchenneubau in Jabukovac sollte ein Zentrum zur Verwaltung der Konvertiten werden. Die Gemeinde in Čuntić stellte einen Teil des Baumaterials und der Arbeitskraft zur Verfügung und die Großbe-
136 KRišto, Prijelazi, 240 f.; deRS., Crkva, 59 f. 137 Religiöse Übertritte werden auch in anderen Kontexten als Prozesse verstanden. RadFoRd, David: Religious Identity and Social Change. Explaining Christian conversion in a Muslim World. London/New York 2015, 4. 138 HR-HDA-218, 21–1045 Mönch und Gemeindebeauftragter Častimir Herman an den Großgespan von Bilogora betr. Bitte um Kirchenneubau in Jabukovac, 31.7.1941. 139 KeRenji, Emil: Jewish Citizens of Socialist Yugoslavia: Politics of Jewish Identity in a Socialist State, 1944–1974. University of Michigan 2008, 114 f.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
zirksregierung beauftragte derweil die technische Abteilung in Sisak, zusammen mit der Gemeinde Čuntić einen Bau- und Kostenplan anzufertigen.140 Im benachbarten Bezirk Dvor war es der katholische Geistliche Ante Đurić, der die Ustaša auf Bezirksebene leitete.141 Seine Zusammenarbeit mit dem Missionar, dem Franziskaner Pavao Dodić, zeigte sich an der effizienten Vorbereitung und Durchführung der Übertritte in Dvor. Dodić bereitete bis Mitte Dezember 1941 den Übertritt von 146 serbischen Familien vor.142 Als weiteres Beispiel kann die Initiative des Jesuitenpaters und Bezirksbeauftragten in Doboj im Großbezirk Usora-Soli, Dragutin Kamber, angeführt werden. Im Sommer 1941 richtete er einen ausführlichen Brief an Pavelić, in welchem er auf die Ursachen des Aufstandes einging. Diese seien ideologisch und begründeten sich in der jahrhundertealten serbischen Opposition gegen alles Kroatische. Die Kroaten hätten allerdings auch Fehler gemacht. „Zu plötzlich schafften wir ihren Glauben ab (vertrieben ihre Priester). Wir nahmen ihnen viel Eigentum und töteten eine bedeutende Zahl von ihnen, den übrigen gaben wir zu sehr das Gefühl, dass sie als Serben und Orthodoxe unter uns nicht bleiben könnten.“143 Dennoch beriet Kamber Pavelić durchzuhalten und nicht nachzugeben. Ferner sollten zur Kontrolle der Situation ein Nachrichtennetzwerk zur Beobachtung serbischer Dörfer aufgebaut und die Serben zum Arbeitsdienst nach Deutschland geschickt werden. Außerdem schlug Kamber die Bewaffnung der kroatischen Bevölkerung zur Abwehr von aufständischen Serben vor, wobei er auch mögliche Vorgehensweisen erörterte. Als Beispiel für eine gute Organisation und Regeln nannte Kamber die Altersgrenze innerhalb der Organisationsstrukturen der katholischen Kirche sowie die Organisation der Križari, um die Einstellung zu junger Personen auf wichtigen Positionen zu vermeiden. Die Führungsriege sei insgesamt zu jung und unerfahren, dazu sogar primitiv und „blöd“ in religiösen Ansichten. „Ich bin weder für eine Gleichberechtigung der Serben, solange sie unter uns sind, noch dafür, dass sie zu lange unter uns bleiben, aber solange sie unter uns sind, können sie Bürger zweiter Klasse sein, doch muss es für sie Gesetze geben, die geachtet und nicht eigenwillig gebrochen werden.“144 In seinem darauf folgenden Appell fordert er, die „serbische Frage“ nicht so zu lösen, dass die Kroaten vor Gott und der Geschichte als schlimmere Verbrecher als die Serben dastünden. In diesem konkreten Beispiel war es die Einsicht zur notwendigen Strategieänderung, da die bestehende Vorgehensweise serbische Racheakte zur Folge hatte. In der Frage der Konversionen riet Kamber Pavelić, die viel zu bürokratische Prozedur zu vereinfa140 HR-HDA-218, 21–1045 Mönch und Gemeindebeauftragter Častimir Herman an den Großgespan von Bilogora betr. Bitte um Kirchenneubau in Jabukovac, 31.7.1941. – Ebd., Großgespan von Bilogora an die technische Abteilung in Sisak betr. Bitte des römisch-katholischen Pfarramtes in Čuntić um den Kirchenneubau in Jabukovac, 2.8.1941. 141 RS-AS-KFA, 9, Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Ingenieur Isidor Perkučin, Belgrad, 5.11.1943; Đurić, Ljuban: Banijski partizanski odredi 41–45 [Partisaneneinheiten in der Banija 41–45]. Belgrad 1988, 9. 142 HR-HDA-1076, 584–126 Verzeichnis der Konvertiten in Dvor, Pavao Dodić an die Staatsdirektion für Erneuerung, 10.12.1941 sowie Dodić persönlich an Dionizije Juričev, 14.12.1941. 143 VA-NDH, 85/14/1 „Brief des Paters Dr. Kamber an den Poglavnik“, Abschrift des militärhistorischen Instituts, o. D., wahrscheinlich im Sommer 1941. 144 Ebd.
3. Die „Rückkehr zum Glauben der Urväter“. Institutionalisierte Konversionspolitik
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chen und den Pfarrern mehr Möglichkeiten bei der Durchführung zu geben. Indem die Serben durch eine Konversion auf die „andere Seite der Barrikaden“ gelangten, blieben sie unter den Kroaten, was sie gleichzeitig auch von der serbischen Bevölkerung – i. e. von potenziellen Feinden – entfernte.145 Herman, Đurić und Kamber waren, wie in den folgenden Kapiteln noch gezeigt werden soll, keine Einzelfälle. Auch in anderen Regionen des Landes hetzten katholische Geistliche gegen Serben und gingen Allianzen mit den Ustaše ein. Im Großbezirk Cetina hetzte Stanko Drnas aus Omiš/Sinj gegen das orthodoxe Kloster „Dragović“. Es habe eine schöne Lage und „kroatienfeindliche“ Bewohner, die sich mit „denen von der anderen Seite“ verbrüderten. Drnas forderte die Vertreibung der Serben auf die andere Seite der Drina.146 Hinter den Initiativen des niederen Klerus soll sich angeblich auch die Absicht verborgen haben, die Serben vor weiterer Verfolgung in Schutz zu nehmen. Zum Beispiel soll der katholische Pfarrer Kurinović in der bosnischen Stadt Prijedor Serben konvertiert haben, um sie vor Übergriffen der Ustaša zu schützen.147 Es handelte sich dabei um etwa 15.000 Menschen, wobei die Absichten des Pfarrers nicht eindeutig belegt werden können.148 Diese Beispiele zeigen, dass religiöse Autoritäten die Situation und gewalttätige Handlungen der Ustaša und der Verwaltung in den Gemeinden auf rhetorischer wie auch praktischer Ebene beeinflussen konnten. 3. DIE „RÜCKKEHR ZUM GLAUBEN DER URVÄTER“. INSTITUTIONALISIERTE KONVERSIONSPOLITIK Der Großgespan Stjepan Hefer Die deutsch-kroatische Umsiedlungspolitik führte zur Radikalisierung der Ustaša und stellte einen „Meilenstein auf dem Weg zum Massenmord“149 dar. Das durch die Deportationen von etwa 200.000 und Vertreibungen von etwa 100.000 Serben verursachte Chaos150 rief Mitte September 1941 eine Verlagerung der Ustaša-Politik in Richtung einer Strategie der religiösen Übertritte. Durch die Umsiedlungspolitik hatten Pavelić und seine Minister „Fakten geschaffen, die sie zu keinem Zeitpunkt – trotz aller Gewalt und kriminellen Energie – beherrschen konnten.“151 Im September 1941 wurde den politischen Akteuren das Ausmaß der Serbenverfolgung bewusst. Anders als in den ersten Monaten ist aus der offiziellen Korrespondenz zwischen den Behörden und Ministerien eine weitgehend reflektierte Meinung und das Bewusstwerden eigener Fehler zu lesen, wenn auch an dieser Stelle meist die 145 Ebd. 146 HR-HDA-1076, 449–2864/41 Don Stanko Drnas an Pavelić betr. Kloster Dragović, 10.7.1941. 147 HR-HDA-211 Hrvatski državni sabor [Kroatischer Landtag], 2–426 Bericht von Ahmed Gjumikšić aus Prijedor, o. D. 148 biondich, Religion, 85 f. 149 KoRb, Schatten, 176. 150 ebd. 151 Symptomatisch auch für die NS-Funktionäre. aLy, Götz: „Endlösung“. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden. Frankfurt a. M., 1995, 397.
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lokalen Milizen und die sogenannten „wilden Ustaše“ als Verantwortliche genannt wurden. Die serbische Opposition und der Aufstand gegen den kroatischen Staat wurden auch weiterhin als die Hauptursachen der Gewalteskalation genannt. Dennoch wurden gerade von den Bezirksleitern Stimmen laut, dass nicht die Gründung des NDH allein die Auseinandersetzungen zwischen Kroaten und Serben provoziert habe, sondern auch die Verbrechen und Verfolgung gegen die zivile Bevölkerung. Die Impulse zu einer Neuausrichtung der Politik kamen auch diesmal „von unten“. Neben den lokalen Behörden, die mit der Aussiedlung der Serben beauftragt waren, sahen sich vor allem die regionalen Akteure auf der mittleren Verwaltungsebene mit Problemen in der Versorgung und mit Widerstand konfrontiert. Die Großgespane bildeten eine Zwischenstelle zwischen der Regierung in Zagreb und den lokalen Verwaltungsstellen. Unter ihnen überwog die Berufsgruppe der Juristen, von denen drei Muslime waren. Zwei spätere Großgespane, Stjepan Hefer (Osijek) und Mirko Lamešić (Zagreb), waren frühere Mitglieder und Abgeordnete der Kroatischen Bauernpartei. Gleich zwei Großgespane stammten aus Tuzla, Lamešić und Josip Barišić.152 Der Großgespan von Baranja, Stjepan Hefer, unterbreitete am 11. September 1941 von seinem Regierungssitz in Osijek aus der Staatsdirektion für Erneuerung in Zagreb einen Vorschlag zu religiösen Übertritten und zum Umgang mit dem Eigentum der Serben nach den Gegebenheiten einzelner Regionen. Grundsätzlich sollten die serbischen Bauern mit einem Sittlichkeitszeugnis zum Übertritt berechtigt werden und ihr Eigentum bewahren können. Lediglich bei dem durch die Agrarreform erworbenen Landbesitz sollte der überschüssige Teil entwendet werden. Zuerst in Lagern konzentriert und anschließend ausgesiedelt werden sollten dagegen diejenigen ohne Sittlichkeitszeugnis. In ihren Häusern angesiedelte katholische Kolonisten würden das neue Eigentum in Raten abbezahlen, die wiederum für den Unterhalt der Lager und die Aussiedlung der Serben aufgewendet würden. Die Aussiedlung und die Konversionen sollten in den einzelnen Großbezirken in Einklang gebracht werden. Diese für den Großbezirk Baranja mit seiner „nicht besonders militanten“ serbischen Bevölkerung optimale Handlungsweise bei Konversionen bekäme so auch wirtschaftliche Merkmale. Den Konvertiten sollte außerdem persönlicher Schutz und Schutz des Eigentums zugesichert werden. In keiner anderen Stadt im NDH waren bis September 1941 so viele angemeldete und durchgeführte Übertritte zu verzeichnen wie in Osijek. Bis zum 11. September 1941 hatten bereits 5.300 Serben im Bezirk Osijek konvertiert oder ihren Übertritt zum römischkatholischen Glauben angemeldet, knapp die Hälfte der ca. 11.000 Orthodoxen im 152 Die Juristen: Stjepan Hefer (Osijek), Antun Buć (Dubrovnik), Mirko Lamešić (Zagreb), Petar Zlatar (Mostar), Josip Barišić (Bihać/Bjelovar), Muhamed Sudžuk (Vizegespan Travnik), Nikola Tusun (Karlovac/Travnik), Derviš Omerović (Slavonski Brod/Sarajevo/Bjelovar), Dragan Hadrović (Banja Luka/Petrinja), Bahrija Kadić (Tuzla/Jajce-Bugojno), Marijan Nikšić (Senj), Spužević Đuro (Sarajevo), Jakob Elicker (Vukovar) und Branimir Šimunić (Nova Gradiška/ Varaždin). Die Muslime: Derviš Omerović (Slavonski Brod), Bahrija Kadić (Tuzla/JajceBugojno) und Muhamed Sudžuk (Vizegespan, Travnik). PAAA-GZ, 61/3 Nach den von der deutschen Gesandtschaft in Zagreb für den Deutschen General in Kroatien gesammelten Personalangaben kroatischer Großgespane, 13.2.1943.
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Bezirk.153 Weder in Zagreb noch in Sarajevo, Banja Luka oder in einer anderen Stadt kam es zu so hohen Zahlen. In Sarajevo wurden etwa 70 von 190 Übertritten im Jahr 1941 in der Sarajevoer Kirchengemeinde Sv. Josip vor dem 15. September 1941 durchgeführt.154 In Zagreb hatten bis zum April 1942 nur 159 Personen zum römisch-katholischen Glauben konvertiert.155 Auch in Gebieten außerhalb des Untersuchungsraumes konvertierten zwar ganze Dörfer bereits vor September 1941, so in Banja Luka, in Korenica, in der Lika oder im Bezirk Cazin in Krbava-Psat, doch in Osijek war es die Hälfte der Bevölkerung, ohne dass es direkte staatliche Direktiven dazu gab.156 Der Grund für die Institutionalisierung der staatlichen Konversionspolitik Mitte September 1941 dürften regionale Forderungen, wie die von Hefer, gewesen sein. Hefer kritisierte die Durchführung der staatlichen Umsiedlungspläne seitens der Staatsdirektion für Erneuerung nur von Zagreb aus. Die Zusammenarbeit mit der Verwaltung in den Großbezirken sah er als eine zwingende Voraussetzung, damit keine Konvertiten ausgesiedelt würden. Er drängte beim Ministerium für Landwirtschaft auf die Regulierung der Agrarrevision im Einklang mit der Konversionsfrage und bat das Ministerium für Inneres um Beamte und anderes Personal zur Ausführung der Agrarrevision zugunsten der kroatischen Bevölkerung und Kolonisten. Anschließend sollte das Hauptaugenmerk auf die Ausführung der Übertrittsaktion gerichtet werden, die ohnehin bereits andauerte. Die Gründe für Hefers Bestrebungen um eine möglichst hohe Zahl serbischer Konvertiten aus den Reihen der Bauern waren die Erhaltung des Friedens und der wirtschaftlichen Kraft des Großbezirks. Ausbleibende Ernten seitens der serbischen Bauern, die vor dem Hintergrund einer möglichen Aussiedlung keinen Sinn in der Bewirtschaftung ihrer Felder mehr sahen, waren ein wichtiges Motiv.157 Stjepan Hefer wurde 1887 in Čepin bei Osijek als Sohn eingewanderter schwäbischer Kleinbauern geboren. Seine Person stellt ein Musterbeispiel der Integration deutschstämmiger Emigranten in Kroatien dar. Durch ein Jurastudium war ihm der gesellschaftliche Aufstieg zum angesehenen Anwalt gelungen, der sich insbesondere als Verteidiger kroatischer Mandanten in politischen Prozessen während der Königsdiktatur profilierte. Hefer vertrat den rechten Flügel der Kroatischen Bauernpartei, dessen Abgeordneter er 1935 und 1938 wurde. Nach der Errichtung des NDH wurde er zum Großgespan in 153 HR-HDA-1076, 479–13128 Großgespan von Baranja (Hefer) an die Staatsdirektion für Erneuerung in Zagreb betr. Übertritte der Orthodoxen zum römisch-katholischen Bekenntnis, 11.9.1941. 154 ABiH-Vl. RBiH, 02-Zakonodavstvo 1946 Verzeichnis der Pfarramtes Sv. Josip in Sarajevo, 25.6.1946. 155 HR-HDA-218, 40–5972 Verzeichnis. 156 VA-NDH, 213/2/30 Erlaubnis zum religiösen Übertritt an alle serbischen Bewohner der Gemeinde Ličko Petrovo Selo, gerichtet an die Bezirksverwaltung in Korenica, 9.9.1941; Ebd., 213/2/31 Ministerium für Justiz und Religion an die Bezirksverwaltung in Cazin betr. Übertritte in Marin Most, 10.9.1941; VA-NDH 199/1,3 Als Beispiel hier sind zahlreiche Anträge auf Konversion auf dem Territorium des Bistums Banja Luka. 157 HR-HDA-1076, 481–14169 Großgespan von Baranja (Hefer) an das Ministerium für Landwirtschaft in Zagreb betr. Übertritte der Orthodoxen zum römisch-katholischen Bekenntnis, 10.9.1941.
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Osijek ernannt.158 Obwohl deutschstämmig, bekannte Hefer sich als Kroate. Nach der Gründung des NDH-Sabor (Parlament) war er Mitglied des juristisch-religiösen Ausschusses, der zum ersten Mal am 9. März 1942 tagte.159 Hefers Vorschlag an die Staatsdirektion für Erneuerung zur Lösung der entstandenen Probleme beruhte auf den von den Bezirksverwaltungen erhobenen Daten. Die Bezirksvorsteher wurden am 2. September 1941 vom Großgespan Hefer um einen dringenden und geheimen Bericht zu ausgesiedelten und geflüchteten Serben und Juden gebeten. Vorrangig handelte es sich um Daten zu ihrem Eigentum. Verlangt wurde jedoch auch eine ungefähre Zahl derer, die auf dem Gebiet des Großbezirkes konvertiert oder eine Konversion beantragt hatten.160 Hefer reiste am 12. September auch persönlich nach Zagreb. Dort verlangte er Personal zur Durchführung der Übertritte: Einen Priester oder Mönch, der die Aktion für die Großbezirksregierung leitete, und mindestens sechs jüngere volksnahe Geistliche oder Mönche, die die potentiellen Konvertiten auf die Konversionen vorbereiteten. Es fehlte an Personen, die Evidenz über die Übertritte führten, und zudem stellte auch der Bedarf an neuen Kirchengemeinden und Kirchengebäuden ein Problem dar.161 Das NS-Besatzungsblatt in Serbien, „Donauzeitung“, schrieb, Stjepan Hefer sei der Urheber der kroatischen Konversionspolitik gewesen. Er hätte auf den Wunsch der orthodoxen Bevölkerung in Baranja nach Rückkehr zum Katholizismus mit einer entsprechenden politischen Strategie reagiert, resümierte die Zeitung. Hefer habe die „Bewegung“ unterstützt und der kroatischen Regierung entsprechende Pläne unterbreitet.162 Tatsächlich wurde einige Tage nach Hefers Vorschlägen bei der Staatsdirektion für Erneuerung eine neue Abteilung „mit dem Ziel einer einfacheren Vorgehensweise bei der Konversion der Serben zum katholischen Glauben“163 gegründet und im Regierungsrundschreiben vom 15. September bekanntgegeben. Die Leitung der explizit für religiöse Fragen gegründeten Abteilung164 wurde dem Franziskanerpater Dionizije Juričev aufgetragen. Die Religionsabteilung führte und beaufsichtigte fortan alle Prozesse in der Konversionspolitik. In insgesamt acht Punkten des Rundschreibens wurden die Regeln zur ganzen Verfahrensweise erläutert. Es sollten Anreize für Serben geschaffen werden mit dem Ziel, die im Vordergrund stehende staatliche Kontrolle über personelle wie 158 PAAA-GZ, 61/3 Nach den von der deutschen Gesandtschaft in Zagreb für den Deutschen General in Kroatien gesammelten Personalangaben kroatischer Großgespane, 13.2.1943. 159 Hrvatski List, 6.3.1942. 160 HR-DAOS-701, 6 Bericht zu Serben und Juden, die ausgesiedelt wurden oder das Land verlassen haben, 2.9.1941. 161 HR-HDA-1076, 489–17625 Großgespan Hefer an die Religionsabteilung bei der Staatlichen Staatsdirektion für Erneuerung betr. Personalbedarf für die Arbeit an den Übertritten zum römisch-katholischen Glauben, 20.9.1941. 162 „Uebertrittsbewegung in der Baranja“. In: Donauzeitung, 20.11.1941. 163 HR-HDA-212 Predsjedništvo vlade Nezavisne države Hrvatske [Regierungspräsidium des NDH], 1 Rundschreiben der Regierung (Sekretär Ivanković) an das Innenministerium mit Aufforderung zur Weiterleitung des Rundschreibens, 15.9.1941; VA-NDH 182 dasselbe Rundschreiben. 164 Wird die Staatsdirektion für Erneuerung in der Korrespondenz zu religiösen Übertritten ab September 1941 zitiert, so ist ihre Religionsabteilung gemeint.
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wirtschaftliche Ressourcen zu erlangen. Es scheint, die neue Abteilung sollte eine Schnittstelle zwischen den wirtschaftlichen Erwartungen und praktizierten Vertreibungen bilden. Für Gruppenübertritte fiel ab dem 15. September eine Konversionsgebühr nur in Höhe eines einzelnen Übertrittes an. Personen mit „ungeeigneter politischer Gesinnung“ konnte fortan nur der Großgespan eine Erlaubnis erteilen. Die Anwendung von Zwang wurde untersagt, die Konvertiten und ihr Eigentum sollten unter Schutz der Ustaše und der Verwaltung gestellt werden. Die Bezirke wurden außerdem verpflichtet, Konvertitenverzeichnisse zu führen und diese regelmäßig an die Religionsabteilung abzuliefern.165 Das Innenministerium machte am 16. September 1941 alle Großbezirke darauf aufmerksam, die zur Normalisierung der religiösen Übertritte verabschiedeten gesetzlichen Bestimmungen strengstens zu befolgen. Da einige Stellen die Konversionsvorgänge unnötig verlangsamten und unzulässige Gebühren verlangten, forderte das Innenministerium, dass die Arbeit zu den religiösen Übertritten „eilig“, ohne Verzögerung und zusätzliche Kosten für die Konvertiten ausgeführt werde. Bei Missachtung der Vorschriften drohte das Innenministerium mit Bestrafung der Verantwortlichen. Die Großbezirke hatten die Aufgabe, dies in ihrem Zuständigkeitsbereich bekannt zu geben. Noch einmal verdeutlichte das Innenministerium, welchen Bevölkerungsgruppen die Sittlichkeitszeugnisse ausgestellt werden sollten und welchen nicht. Die religiösen Übertritte sollten mit allen staatlichen Mitteln gefördert werden, hieß es abschließend.166 Auch die bischöflichen Ordinariate erhielten dieses Schreiben. Die Geistlichen sollten sich bemühen, die geforderten Übertritte eilig und ohne Behinderungen durchzuführen. Ferner wurden sie aufgefordert, eventuelle Unregelmäßigkeiten in der Arbeit der Behörden hinsichtlich dieses Beschlusses beim Innenministerium anzuzeigen.167 Hefer bemängelte am 20. September, dass hinsichtlich der Kirchengebäude nichts geschehen sei und pochte auf die Bereitstellung der Ressourcen für die Erledigung der Übertrittsaktion vor dem Winterbeginn. Nach der erfolgreichen Beendigung der Aktion sollte im Winter mit der kirchlichen und schulischen bzw. katholischen und kroatischen Erziehung begonnen werden. Hefer wohnte auch selbst der „edlen“ Arbeit bei, für die er eine gute Gesamtplanung von den staatlichen Behörden erwartete. Er erhoffte sich, durch die Übertrittsaktionen das Vertrauen der serbischen Bauern zu gewinnen und dadurch positive Erträge der Herbsternte. Im gleichen Zeitraum versprach Hefer, mit der Vorbereitung zur Aussiedlung der unerwünschten Personen zu beginnen.168 165 HR-HDA-212, 1 Rundschreiben der Regierung (Sekretär Ivanković) an das Innenministerium mit Aufforderung zur Weiterleitung des Rundschreibens, 15.9.1941; VA-NDH 182 dasselbe Schriftstück. 166 HR-DAOS-6, 5795 Übertritt der Angehörigen des griechisch-östlichen Glaubens zum Katholizismus, Großbezirk Baranja an die Bezirksverwaltungen 1–7 und Bürgermeisterämter 1–2, Osijek, 23.9.1941. 167 HR-HDA-218, 43–5589 Šimrak an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Kloster Lepavina, 20.5.1942. 168 HR-HDA-1076, 489–17625 Großgespan Hefer an die Religionsabteilung bei der Staatlichen Staatsdirektion für Erneuerung betr. Personalbedarf für die Arbeit an den Übertritten zum römisch-katholischen Glauben, 20.9.1941.
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Im folgenden Rundschreiben des Innenministeriums an alle Großbezirke vom 26. September 1941 wurden Unregelmäßigkeiten, die von den Verwaltungseinheiten auf unteren wie höchsten Verwaltungsebenen bei der Durchführung der religiösen Übertritte ausgingen, angeprangert. Das Innenministerium mahnte zur Befolgung der Anweisungen der Regierung vom 30. Juli und zu einer schnellen Durchführung der Konversionsvorgänge. Ob jemand konvertierte, nicht konvertieren wollte oder ihm die Erlaubnis zum Übertritt verweigert wurde, waren Umstände, die bei Entlassungen und bei der Aussiedlung berücksichtigt werden mussten. Die Konvertiten sollten die Vorteile ihrer Konversion auch praktisch erfahren. Die existierende Anomalie, dass Konvertiten trotzdem entlassen und ausgesiedelt wurden, während Personen, die kein Verständnis für die veränderte Lage und den neuen Staat zeigten und nicht übertreten wollten, auf ihren Arbeitsplätzen blieben, sollte schnellstens behoben werden. Die Großbezirke wurden verpflichtet, die ihnen unterstellten Verwaltungseinheiten entsprechend zu instruieren.169 Im ersten Monat nach der Gründung der Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung zeigte sich noch keine erfolgreiche Koordination der religiösen Übertritte. Die einzelnen Behörden auf den unteren Verwaltungsebenen waren weiterhin überfordert, zumal die staatliche Politik gegenüber den Serben noch undurchsichtiger wurde. Die aus den lokalen Umständen und Situationen heraus handelnden Akteure setzten sich weiterhin durch. Auch nach der Gründung der Religionsabteilung gingen Berichte und Anfragen zu Übertritten seitens der Polizei, der Ustaša-Organisation, der Gemeinden und sogar der Staatsdirektion für Erneuerung fälschlicherweise an das Ministerium für Justiz und Religion.170 Wie später gezeigt werden soll, verlief die Zusammenarbeit der beiden Abteilungen nicht reibungslos. Die Religionsabteilung des Ministeriums für Justiz und Religion empfand, obwohl ebenfalls von einem Mönch, dem Franziskanerpater, Radoslav Glavaš, geleitet, die neue Abteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung als Bedrohung und Beschränkung eigener Kompetenzen. Ab Mitte Oktober setzte die Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung171 durch, dass die Ustaša-Organisation aus der Konversionspolitik ausgeschlossen wurde. Die willkürlichen Aktionen der Ustaše auf der lokalen Ebene gefährdeten den Erfolg der Strategie. Dionizije Juričev instruierte zunächst die Großbezirksregierungen, dass die Ustaša-Organisation in Bezirken und Gemeinden nicht mehr in das Konversionsverfahren eingebunden war. Der große Zustrom an Anträgen sollte mit allen Kräften unterstützt werden. Allein die Gemeinde- und Bezirksverwaltungen entschieden über die Sittlichkeitszeugnisse bzw. Konversions169 HR-DAOS-6, 5795 Übertritt der Angehörigen des griechisch-östlichen Glaubens zum römischkatholischen Glauben, Innenministerium an alle Großbezirke, Zagreb, 26.9.1941; VA-NDH 182 dasselbe Schreiben. 170 HR-HDA-218, 13–3676 hier zum Beispiel den Bericht der Polizei in Varaždin, 1.10.1941; Ebd., 13–2483 Ustaša-Bezirksorganisation Zagreb an das Ministerium für Justiz und Religion, 24.9.1941; Ebd., 14–4251 Verzeichnis der erlaubten Konversionen im Bezirk Osijek, 12.10.1941; Ebd., 14–4251 Das Ministerium für Justiz und Religion an Staatsdirektion für Erneuerung betr. Übertritte in Tenja sowie Bijelo Brdo, 19.9.1941. 171 Im Folgenden nur Staatsdirektion für Erneuerung genannt.
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erlaubnisse und nicht mehr die lokale Ustaša-Organisation.172 Am 24. Oktober schickte Juričev auch allen politischen und polizeilichen Verwaltungseinheiten und allen bischöflichen Ordinariaten einen Leitfaden zum Verfahren mit religiösen Übertritten. Fortan waren alleine Rundschreiben und Verlautbarungen der Staatsdirektion für Erneuerung maßgebend für die Konversionsverfahren. Einzelne Übertrittgesuche waren zunächst an die Gemeindeleitung zu richten, welche ein Sittlichkeitszeugnis ausstellte und es an die Stadt- bzw. Bezirksverwaltung zur Erlaubnis des Übertrittes einreichte. Die Ustaša-Organisation auf der Gemeindeebene wurde weitgehend vom Vorgang ausgeschlossen. Arme Personen wurden von den Gebühren befreit. Gruppenübertritte ganzer Dörfer wurden ausdrücklich begrüßt. Für diese konnte ein Gruppenantrag mit vergünstigten Gebühren in Höhe von 30 Kuna gestellt werden, falls die Antragsteller arm waren. Das weitere Verfahren war das gleiche wie bei einzelnen Anträgen. Die Staatsdirektion für Erneuerung bestimmte und ernannte Missionare in Zusammenarbeit mit den bischöflichen Ordinariaten. Den Roma und Aromunen durften keine Sittlichkeitszeugnisse und Erlaubnisse erteilt werden. Jeder Großbezirk hatte einen Beauftragten für die Konversionsarbeit zu ernennen.173 Mit diesem Rundschreiben wurden alle Gemeinden und Bezirke zu Berichten über die Entwicklung der Konversionsfrage verpflichtet. Die Auswertung der ca. 390 erhaltenen Berichte zum Monat November ergab ein deutliches Bild der Bemühungen der Gemeindeleiter, die Forderungen der Staatsdirektion für Erneuerung zu erfüllen. Unabhängig von der geografischen Zuordnung der Berichte lässt sich aus ihnen eine allgemeine Überforderung der Gemeindeleiter und Notare sowie eine häufig feststellbare Verwirrung und Unkenntnis über die Ziele der Konversionspolitik erkennen. Eine große Mehrheit klagte über die unzureichende Deckung ihrer Gebiete durch Priester und Missionare. Andere wiederum verstanden nicht, warum die Konversionsregeln nur für serbische Konvertiten galten.174 Davon abgesehen führten die Gemeindeverwaltungen häufig Vertreibungen und Inhaftierungen und/ oder die Aktivitäten des Widerstandes als Ursachen für die unzureichende Bereitschaft der serbischen Bevölkerung zum Übertritt an. Die Aktivitäten des Widerstandes wurden vor allem für den Großbezirk Usora-Soli angeführt. Diese Begründungen sollten das eigene Versagen verschleiern. Insbesondere in Slawonien gaben sich die Gemeindeautoritäten und katholische Pfarrer gegenseitig die Verantwortung für die schwächelnden Zahlen. Alle Ministerien arbeiteten an einer möglichst effektiven Durchsetzung der Konversionspolitik und an der Behebung von jeglichen Barrieren. Mit der am 4. November 1941 veröffentlichten Ergänzung der Verordnung vom 3 Mai 1941 wurde bestimmt, dass bei Übertritten von Minderjährigen nur eine Einwilligung der 172 VA-NDH 182 Der Leiter der Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung, Juričev, an die Großbezirksregierung Vrhbosna, 16.10.1941. 173 VA-NDH 182 Leitfaden zu Konversionsverfahren der Staatsdirektion für Erneuerung an alle Verwaltungseinheiten und Polizei, 24.10.1941; HR-HDA-218, 43–5589 Šimrak an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Kloster Lepavina, 20.5.1942. 174 VA-NDH 182 z. B. Die Anfrage der Stadtverwaltung in Sarajevo an die Großbezirksregierung Vrhbosna, ob die Instruktionen nur für Serben galten, 8.10.1941.
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Mutter ausreichte, sofern der Vater abwesend oder verstorben war.175 Wie mit den Kindern umzugehen war, beschäftigte die Bezirksverwaltungen schon viel früher. Aus Imotski ersuchte der Bezirksvorsteher am 4. August 1941 eine Auskunft über die Übertritte von Kindern, deren Eltern in der Frage ihrer Übertritte uneinig waren oder deren Väter sich in Serbien oder Italien befanden.176 In den Gemeinden verfolgten jedoch weiterhin die lokalen Akteure ihre eigenen Ziele. Die Durchsetzung der staatlichen Gewalt hatte sich außerdem in einigen Gebieten überhaupt nicht realisiert. Dort strukturierten und bestimmten weiterhin die Gewalttaten das Geschehen. Vergebens versuchte die Staatsdirektion für Erneuerung ihre Forderungen nach Konversionen durchzusetzen. Am 16. Dezember 1942 wandte sie sich abermals an alle Ustaša-Organisationen auf der Großbezirksebene und die Generaldirektion für öffentliche Ordnung und Sicherheit. Den Anlass boten Übergriffe auf Konvertiten. Sie forderte von ihnen, die Konvertiten und ihr Eigentum zu schützen und drohte bei Nichtbeachtung dieser Forderung mit einer direkten Beschwerde an das Staatspräsidium.177 Pavelić verfügte außerdem im Januar 1942, dass serbische Konvertiten zum römisch-katholischen Glauben als Kroaten verstanden, behandelt und in statistischen Erhebungen entsprechend verzeichnet werden sollten. Einen Monat später weitete er, wahrscheinlich auf Druck muslimischer Vertreter, die Verfügung auch auf Konvertiten zum Islam aus.178 September 1941–April 1942 Im Vergleich der einzelnen Großbezirke erzielte der Großbezirk Baranja die besten Erfolge in der Konversionspolitik. Unter der Leitung von Hefer, der die ihm unterstellten Gemeinden verfolgte, beaufsichtigte und instruierte, hatte im Herbst 1941 eine umfassende Konversionspolitik eingesetzt. In Zusammenarbeit mit Bischof Akšamović vom Bistum Đakovo ließ er neue Kirchengemeinden für Konvertiten gründen und arbeitete mit Missionsgeistlichen zusammen. Er bereiste die Gemeinden, wohnte den Konversionszeremonien bei und leitete die entsprechende Propaganda. Im Bezirk Baranja konnten ab dem 30. Oktober 1941 konvertierte Serben zum Katholizismus, Protestantismus oder Islam eine Gewerbeerlaubnis er-
175 „Zakonska odredba o dopuni zakonske odredbe o prielazu s jedne vjere na drugu“ [Gesetzliche Verordung über die Ergänzung der gesetzlichen Verordnung zum Religionsübertritt], in: Zbornik zakona, 858; Sarajevski Novi List, 9.11.1941. 176 HR-HDA-218, 5–493 Die Bezirksverwaltung in Imotski an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Anmeldungen von Übertritten von Kindern, 4.8.1941. 177 HR-HDA-1076, 584 Schreiben von Juričev betr. Behandlung der Konvertiten, 16.12.1941. 178 HR-DASB-351/1 Zbirka memoarskih zapisa 1937–1945 [Sammlung von Memoiren 1937– 1945], Regierungspräsidium an das Innenministerium betr. Nationalität der konvertierten Serben, 13.1.1942; Ebd., Das Innenministerium an alle Behörden betr. Nationalität der Konvertiten, 10.2.1942; HR-DAOS-6, 5796 Bestimmung der Volkszugehörigkeit der serbischen Konvertiten zum römisch-katholischen Glauben, Großbezirksregierung Baranja an Polizei-Staatsdirektion in Osijek, Bezirksverwaltungen 1–7, Bürgermeisterämter 1–2 und Präsidium der Polizei der Stadt Virovitica, Osijek, 4.3.1942.
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halten, sofern sie sich „durchweg verlässlich“ gezeigt hatten.179 Die städtischen Bediensteten serbisch-orthodoxen Glaubens konnten ihre Arbeitsstellen behalten oder in den Ruhestand gehen, wenn sie bereit waren, ihren Glauben zu wechseln. Die Entlassungen hatten in der Stadt Osijek viele dazu bewegt, einen Antrag auf Übertritt zu stellen. Der Großbezirk Baranja unterschied sich darin von anderen Bezirken, dass viele Konvertiten im Dienst blieben. Im Herbst versuchten die zuvor Entlassenen nach der Gründung der Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung durch einen Übertritt ihre Rentenansprüche geltend zu machen oder ihre Arbeitsstelle wiederzuerhalten. Auch wenn die Stadt dafür weder finanzielle Mittel noch genügend freie Stellen zur Verfügung hatte, zeigte sich daran ein deutlicher Politikwechsel.180 Die Treuhänder über die serbischen Unternehmen wurden im Oktober 1941 teilweise abgelöst und die Unternehmen sogar vereinzelt wieder an ihre serbischen Eigentümer übertragen.181 Wie für den Zeitraum bis zum September 1941 gezeigt wurde, entschieden die lokalen Situationen über den Ausgang staatlicher Politik oder wurden durch Initiativen „von unten“ überhaupt geformt. Neben den bereits erwähnten Berichten der lokalen Behörden an die Staatsdirektion für Erneuerung, sollen für einen Vergleich der Konversionspolitik in den untersuchten Bezirken vor allem noch die Berichte der serbischen Flüchtlinge zur Beschreibung der einzelnen Situationen herangezogen werden.182 Von der serbisch-orthodoxen Kirche in Serbien gesammelt, waren die Berichte in Teilen sehr tendenziös, vor allem in der Gegenüberstellung zwischen dem serbischen Klerus und anderen Bürgern. Die Berichte des serbischorthodoxen Klerus waren in der Regel umfangreicher und enthielten neben Fakten auch Interpretationen der Ereignisse unter historischen, politischen und religiösen Gesichtspunkten. Bei den Angaben von Daten, Namen, Zahlen und Chronologie gab es dagegen zwischen den Berichten von „normalen“ Bürgern und Berichten der serbischen Geistlichen keine nennenswerten Unterscheidungen. Meistens beschränkten sich die Berichte der Geistlichen auch im Gegensatz zu denen ihrer Gemeindemitglieder nicht auf die jeweilige orthodoxe Gemeinde und ihr näheres Umfeld, sondern umfassten dank ihrer Informationsnetzwerke auch Informationen und Interpretationen der Geschehnisse in der ganzen Region und manchmal im ganzen Land. Zutreffend für die Gesamtheit der Berichte ist, dass die bald nach ihrer Vertreibung aus den kroatischen Gebieten gemachten Aussagen über die Si179 HR-DAOS-6, 5795 Entzug der Gewerbeerlaubnis der Serben und Juden wegen Unzuverlässigkeit, Großbezirksregierung Baranja an alle Bezirke, Bürgermeister, Gewerbekammer, (Groß-) Handelskammer und Gastwirteverband, Osijek, 30.10.1941. – Ebd., Bestätigung des Bürgermeisters in Osijek, 17.11.1941. 180 Ebd., Rentenauszahlung, Bürgermeisteramt in Osijek an die Großbezirksregierung in Osijek, 2.10.1941. 181 HR-DAOS-701, 16 Ablösung der Treuhänder, Staatsdirektion für Erneuerung in Zagreb an alle Großbezirks- und Bezirksverwaltungen und Bürgermeister, 21.10.1941. 182 Die Zeitangaben erfolgten in einigen Quellen, vor allem in den Opferberichten der kirchlichen Provenienz nach dem serbisch-orthodoxen julianischen Kalender. Es wurde in der Studie eine Vereinheitlichung der Zeitangaben nach dem gregorianischen Kalender versucht. Dennoch sind Abweichungen nicht auszuschließen, da aus manchen Quellen die Art der Zeitrechnung nicht eindeutig hervorgeht.
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tuation der serbischen Bevölkerung im Ustaša-Staat ausnahmslos eine autokritische Perspektive auf serbisches Leben vor und nach dem 10. April 1941 vermissten. Außerdem wirkten die von der Heiligen Erzbischöflichen Synode der serbischorthodoxen Kirche in Serbien vorgegebenen Fragen an den Klerus suggestiv und instruierend. Eine besondere Qualität haben die Berichte jedoch deswegen, weil sie unmittelbar nach den Vertreibungen verfasst wurden. Die serbisch-orthodoxe Kirche hatte spätestens nach der Ankunft der ersten deportierten Geistlichen im Juli 1941 mit der Sammlung begonnen. Nach der Verordnung der Heiligen Erzbischöflichen Synode vom 14. Oktober 1941 Nr. 2364 folgten die Berichte schließlich folgendem Muster: Die Flüchtlinge beantworteten neun Fragen. In diesen wurde nach der Anzahl der Serben, die im Ort oder Bezirk lebten, sowie nach Daten über Flucht und Aussiedlung gefragt. Des Weiteren sollten die Flüchtlinge sich zu Enteignung und Beraubung von Privatpersonen sowie der Lage der orthodoxen Kirchen, Friedhöfe, Wirtschafts-, Kultur- und Sozialeinrichtungen äußern. Auch über die Zahl der Konvertiten sowie die Umstände der Konversion wurde Auskunft gewünscht. Weitere Fragen zielten auf die Identität und das Vorgehen der Täter sowie auf die möglichen Rettungsaktionen seitens der Katholiken und Muslime. Abschließend wurde nach Fotos, schriftlichen Zeugnissen, Plakaten und Anzeigen zur Vertreibung und Enteignung, Dienstentlassungsdekreten und ähnlichem Material gefragt.183 Die in Berichten enthaltenen Beschreibungen, die insbesondere den katholischen Klerus belasteten, wurden die Grundlage der von der serbisch-orthodoxen Kirche verfassten Memoranden an die deutschen militärischen Stellen in Serbien. Über ihre Verbindungen mit der evangelischen Kirche in Deutschland wurden sie einem breiten Rezipientenkreis zugänglich gemacht und trugen insgesamt zur Anreicherung antikatholischer Ressentiments der deutschen Behörden in Zagreb und Berlin bei. Dies wird an späterer Stelle noch ausführlich behandelt. Die serbisch-orthodoxe Kirche in Serbien machte die römisch-katholische Kirche in Kroatien direkt für die Verbrechen an der serbischen Bevölkerung in Kroatien verantwortlich. Diese Interpretation der Ereignisse im NDH war durch die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Kirchen in der Zwischenkriegszeit bedingt. Das die römisch-katholische Kirche belastende Material sollte nach dem Krieg als Beweis der Schuld dienen. Großbezirke im Vergleich Die systematisch durchgeführten Konversionsaktionen im unübersichtlichen Mehrfrontenkrieg wurden propagandistisch begleitet. Religiöse Übertritte wurden als die Rückkehr der eigentlich katholischen und während der Osmanischen Herrschaft zum Übertritt zur Orthodoxie gezwungenen Bevölkerung zur ihrem wahren Glauben dargestellt.184 Die Presse brachte Artikel zu der sich landesweit ereigneten „Rückkehr zum Glauben der Urväter“ und zu Übertritten als Zeichen des „Bekennt183 RS-AS-KFA, 9 Angaben, die nach dem Rundschreiben der Hl. Erzb. Synode vom 14.10.1941 von den serbischen Flüchtlingen eingeholt werden mussten, Bericht für die orthodoxe Parochie in Brza Palanka vom Ing. Božidar Stojanović, 9.2.1941. 184 Z. B. Sarajevski Novi List, 22.11.1941.
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nisses zum Kroatentum“. Im Fokus standen vor allem Konversionszeremonien in Dörfern, bei welchen hohe Vertreter der Ustaša und der Geistlichkeit teilnahmen. Im Anschluss an die Berichte wurden auch häufig Eilschreiben in Form einer Treuebekundung an Stepinac und Poglavnik abgedruckt.185 Pavelić hatte am 8. November 1941 befohlen, dass die Gruppenübertritte fotografiert werden müssen. Juričev bzw. die Religionsabteilung stellten und entsandten Fotografen zu den Orten und berichteten der staatlichen Propagandaabteilung. Jeweils zehn Abzüge waren allein der Religionsabteilung zuzustellen.186 So fand eine Verbreitung des Materials landesweit statt. Indes wurden Experten eingespannt, historische Begründungen für die Konversionspolitik zu liefern. Der Historiker und Mitbegründer der kroatischen Bauernpartei, Rudolf Horvat, stellte im Artikel unter dem Titel „Za dom“ (Für die Heimat) mehrere Argumentationsstränge zur Erklärung der religiösen Unterschiede im NDH vor. Horvat führte zum einen die Migrationen der orthodoxen Bevölkerung nach der Errichtung des osmanischen Paschaliks in Serbien an, wodurch Serben zunächst nach Syrmien und schließlich auch nach Slawonien eingewandert waren. Zum anderen argumentierte er, dass die Bevölkerung Slawoniens und Syrmiens durch die Flucht des katholischen Klerus aus diesen Gebieten ohne ihre Geistlichkeit geblieben war und darauf zum Teil zum Islam konvertiert oder von Franziskanern versorgt worden war. Franziskanern war die Seelsorge über Bosnien erlaubt, ein Recht, dass sich auch über Slawonien erstreckte. In Našice und Velika bei Slavonska Požega waren Franziskanerklöster entstanden. Von diesen Orten aus konnte jedoch nicht ganz Ostkroatien betreut werden, so dass sich die Katholiken vermehrt den serbisch-orthodoxen Kirchen zuwandten. Steuerliche Nachteile für Katholiken hatten zudem die Konversionen begünstigt, deren Zahl auch infolge des Drucks durch den serbischen Klerus angewachsen war. Außerdem problematisierte Horvat die Verbreitung der griechisch-katholischen Kirche und des Protestantismus. Die griechisch-katholische Kirche wäre vom Sultan und von dem ihm ergebenen serbischen Patriarchen gefördert worden, so dass die Zahl der römischen Katholiken in Slawonien und Syrmien vermindert wurde. Auf der anderen Seite hatten Kalvinisten aus Südungarn in Osijek, Donji Miholjac und Valpovo agiert und 30 Dörfer religiös überzeugt, von welchen sich allerdings nur noch Tordinci als kalvinistisches Dorf gehalten hatte. In der Summe bedeutete dies, dass die Zahl der Orthodoxen in Ostkroatien wegen der Abwesenheit römisch-katholischer Geistlichkeit, durch Einwanderung aus Serbien, durch Konversionen der Katholiken sowie durch die Abwanderung zur griechisch-katholischen Kirche gestiegen war, während sich die Zahl der römisch-Katholiken vermindert hatte. Nach der Befrei185 Z. B. „Rückkehr zum Glauben der Urväter in Čačinci“ oder „Die Rückkehr zum Glauben der Urgroßväter. Die ganze Gemeinde Pačetin kehrte zurück zum Glauben ihrer Urgroßväter“. In: Hrvatski List, 4.2.1942, 3.4.1942; Vereinzelt gab es auch Berichte über Konversionen in ausländischen Zeitungen, so die Deutsche Allgemeine Zeitung am 23.1.1942 über Übertritte in Garešnica und Karlovac und die (NS-Besatzung-) Brüsseler Zeitung am 25.3.1942 über ein Interview mit Pavelić über das „serbische Problem“. 186 HR-HDA-1076, 518–30161 Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung an alle Verwaltungseinheiten betr. Befehl zum Fotografieren der Gruppenübertritte, 10.11.1941. – Ebd., 584–90 Propaganda-Abteilung beim Regierungspräsidium an die Staatsdirektion für Erneuerung, 24.11.1941.
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ung aus der osmanischer Herrschaft nach 1687 waren die zum Islam konvertierten Kroaten nach Bosnien geflüchtet. Die Konvertiten zum orthodoxen Glauben waren es, die nun im NDH zum Glauben ihrer Vorfahren zurückfanden.187 Ähnliche Begründungen lieferte der katholische Geistliche Krunoslav Draganović für Bosnien und Herzegowina. Insbesondere im Südosten Herzegowinas im Bistum Hum seien die Katholiken in der Vergangenheit zur Orthodoxie konvertiert. Seine Dissertation mit dem Titel „Massenübertritte von Katholiken zur Orthodoxie im kroatischen Sprachgebiet zur Zeit der Türkenherrschaft“ wurde von der Ustaša rezipiert.188 Der Minister Mirko Puk bemühte die gleichen Argumente: Die Katholiken im Südosten der Herzegowina hatten angeblich im 16. und 17. Jahrhundert unter starkem Missionsbestreben des orthodoxen Klerus zur Orthodoxie konvertiert.189 Stjepan Hefer war 1955 immer noch der Überzeugung, dass die serbisch-orthodoxe Kirche das Ziel verfolgte „to compel the Croats of Catolic and Moslem religions to become Orthodox“190 sowie dass die jugoslawische Regierung „the conversion of the Catholic and Moslem Croats to Orthodoxy“ propagierte.191 So habe die katholische Kirche im Königreich Jugoslawien 200.000 Mitglieder verloren.192 Durch die Konversionen der Orthodoxen zurück zum katholischen Glauben sollten die religiösen Unterschiede, die von Pavelić als die Hauptursache für die unterschiedlichen politischen Vorstellungen aufgefasst wurden, behoben werden. Die in Aussicht gestellten Privilegien wie Gleichberechtigung und persönlicher und materieller Schutz sollten als Anreize fungieren und die aufgerührte serbische Bevölkerung zur Zusammenarbeit mit der Regierung motivieren. Lebensmittelknappheit, Gewalt und Bedrohungskommunikation sollten paradoxerweise die Hürden für eine Zusammenarbeit verschiedener verfeindeter Parteien vermindern. Für ein Bekenntnis zum kroatischen Staat erwarteten z. B. Serben aus Knin eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln. Der dortige Propagandabeauftragte meldete nach Zagreb, dass die mangelnde Versorgung der Bevölkerung darüber entscheide, wen sie unterstütze. Die Übertrittsaktion erziele zwar sehr gute Erfolge, doch verlange die Bevölkerung ausreichende Versorgung im Gegenzug zur Zusammenarbeit.193 Juričev sollte die Beruhigung und Beseitigung der Orthodoxen im Bezirk Gora selbst vorantreiben. Dort inszenierte er in Zusammenarbeit mit weiteren römisch-katholischen Geistlichen die Konversionszeremonien.194 Angeblich wurde er direkt von Pavelić in den Bezirk Petrinja geschickt, um die Konvertiten 187 Z. B. Sarajevski Novi List, 29.11.1941; Zum Kalvinismus milić, Jasmin: Kalvinizam u Hrvata s posebnim osvrtom na reformiranu župu Tordinci [Kalvinismus bei den Kroaten mit besonderer Berücksichtigung der reformierten Pfarrei Tordinci]. Phil. Diss., Novi Sad 2005. 188 Z. B. im Artikel „Warum mussten Kroaten im 16. und 17. Jahrhundert zur Orthodoxie konvertieren“, in: Sarajevski Novi List, 29.11.1941; Draganović, Krunoslav: Massenübertritte von Katholiken zu Orthodoxie im kroatischen Sprachgebiet zur Zeit der Türkenherrschaft. Rom 1937; tomaSevich, Occupation, 539 f. 189 AJ-103-186 Sabor-Rede von Mirko Puk; Hrvatski List, 27.2.1942; ognyanova, Religion, 179 f. 190 heFeR, Stjepan: Croatian Struggle for Freedom and Statehood. Buenos Aires 1959, 81. 191 ebd. 192 ebd. 193 HR-HDA-237, 38 Bericht des Propagandabeauftragten aus Knin, 3.2.1942. 194 Ebd., 4 Bericht des Propagandabeauftragten aus Petrinja, 30.11.1941.
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auf den Übertritt vorzubereiten. Selbst bezeichnete sich Juričev als „Missionar der Schismatiker“, der im aufrührerischen Großbezirk die Gedanken der Vereinigung und Beseitigung des Serbentums voranbrachte.195 Im November 1941 empfing Pavelić eine von Stjepan Hefer angeführte Delegation von Vertretern der Konvertiten aus sieben Bezirken des Großbezirks Baranja. Der Empfang war eine wirkungsvolle Inszenierung. Neben Stjepan Hefer wandte sich auch der serbische Bauer Mladen Radojčić im Namen der Konvertiten an Pavelić. Radojčić stammte aus Budimci, einem Dorf, dessen Bewohner zusammen mit den Bewohnern des Nachbarortes Poganovci im September 1941 in einer feierlichen Zeremonie mehrheitlich zum römisch-katholischen Glauben konvertierten. Die orthodoxe Kirche in Budimci wurde umgewandelt196 und ein katholisches Vikariat gegründet.197 Um auch die Bewohner aus der Umgebung zu konvertieren, ordnete Bischof Akšamović später „einen gesunden und fleißigen Priester“198 als Vikar nach Budimci ab. Insbesondere leugnete Radojčić in seinen Äußerungen, dass es Zwang und Druck zum Übertritt gegeben hatte. Die Übertritte seien freie Herzensentscheidungen unter Anerkennung dessen, dass es nur einen Glauben, einen Gott, einen Weg, einen Tod und ein letztes Gericht gäbe. Pavelić erwiderte, dass andere die Einheit der Bevölkerung und insbesondere der Bauern von außen entzweit hätten. Nicht der Glaube sondern der Glaube als politisches Mittel trenne die Menschen und genau das sei in der Vergangenheit geschehen. Die kroatische Regierung versichere den Konvertiten ein friedliches und würdiges Leben, hieß es auf den Titelseiten der Tageszeitungen.199 Die Wirkung des Empfanges schlug breite Kreise. Der deutsch-evangelische Pfarrer und Ortsleiter im bosnischen Schutzberg (Glogovac), Sommer, berichtete nach Berlin über das Treiben der Ustaše: „Neuerdings alle Kirchen versiegelt, die serbischen Pfarrer vertrieben, ganze Ortschaften, die sich zur r. kath. Kirche ‚bekehren‘ und zur Belohnung von den höchsten Stellen empfangen werden und Lob erhalten.“200 An dieses Beispiel der Propaganda wird die später in der Studie behandelte Initiative aus Berlin anknüpfen. Nicht in allen Großbezirken kam es zum Einsatz von Konversionspropaganda und entsprechender Werbung bei den Konvertiten, vor allem in den bosnischen Bezirken zeigten sie beinah keine Wirkung. Die Tätigkeiten der Propagandaabteilung im Großbezirk Usora-Soli wurden durch die Kriegslage und das Fehlen notwendiger materieller und personeller Ressourcen stark beschränkt. Dem im November 195 Ebd., 5 Bericht von Juričev an den Nachrichtendienst, 7.10.1941. 196 HR-HDA-1076, 489–17625 Großgespan Hefer an die Religionsabteilung bei der Staatlichen Staatsdirektion für Erneuerung betr. Personalbedarf für die Arbeit an den Übertritten zum römisch-katholischen Glauben, 20.9.1941. – Ebd., 218, 23–6779 Bf. Akšamović an das Pfarramt in Brođanci, 8.10.1941. 197 Ebd., 511–26651 Bf. Akšamović aus Đakovo an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Vikariate für Kolonisten- und Konvertitensiedlungen, 17.10.1941. 198 HR-HDA-218, 23–6779 Bf. Akšamović an den Priester Slavko Brajković betr. Ernennung zum Vikar in Budimci, 15.12.1941. 199 Zum Empfang der Delegation z. B. Sarajevski Novi List, 21.11.1941 und Donauzeitung, 20.11.1941, die Stjepan Hefer als den Planer der Konversionspolitik darstellte. 200 Evangelisches Zentralarchiv, Berlin (EZA), 5 Kirchliches Außenamt der DEK/895, A6027/42 Pf. Sommer an Geißler, Dez. 1942.
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1941 frisch ernannten Propagandachef für den Großbezirk standen weder Räumlichkeiten noch Material zur Verfügung. Außerdem zeigten die lokalen Autoritäten kein Verständnis für den Nutzen dieser Art von Tätigkeiten.201 Nicht selten stand den Propagandaabteilungen nur deutsches Propagandamaterial zur Verfügung. Die nordbosnischen Gebiete zeigten im Vergleich zu ostkroatischen eine ungleich schwächere Infrastruktur auf. Dies hatte Auswirkungen auf den Transfer von Nachrichten und Gütern, aber auch auf die Durchsetzung des Staates und die Etablierung von Behörden und Ämtern. Während sich die Machtübernahme der Ustaša schnell im entwickelten Slawonien vollzog, blieben manche Teile Nordbosniens, auch durch naturgegebene Schranken, isoliert und unregierbar. Für die erheblichen Handlungsräume lokaler Akteure hatte dies unmittelbare Auswirkungen. Nach der Gründung der Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung verstärkten die Großgespane den Druck auf die Bezirks- und Stadtverwaltungen. Die Konversionspolitik zeigte, dass „Serben“ keine biologische Kategorie waren. Die Modifizierungen und Verschiebungen in der Politik gegenüber der serbischen Bevölkerung lassen die Schlussfolgerung zu, die Ustaša-Politik gegenüber den Serben als nicht rassistisch einzustufen, ganz anders als im Vergleich zur jüdischen Bevölkerung. Die Konversionspolitik wurde im Großbezirk Baranja systematisch und beinah vollständig durchgeführt. Die Organisation und Durchführung der Aktion soll am Beispiel der Gemeinden im Bezirk Podravska Slatina veranschaulicht werden. Gegen Ende Oktober 1941 sollen die Serben in Podravska Slatina aufgefordert worden sein, innerhalb von vierzehn Tagen zu einer anerkannten Religion zu konvertieren. Zur Abschreckung wurden mehrere Gruppen von serbischen Händlern, Handwerkern und vereinzelt Bauern verhaftet und nach Osijek abtransportiert. Nach einem gestellten Übertrittsgesuch wurden einzelne wieder freigelassen. Durch Flucht und Vertreibung hatte der Bezirk bereits zwischen 6.000 und 7.000 Serben verloren. Auch wenn es bereits im Juni 1941 zu Übertrittsgesuchen gekommen war, erfolgten massenhafte Konversionen erst im November. Zu dieser Zeit wurden die serbischorthodoxen Kirchen in Podravska Slatina und in einigen umliegenden Dörfern zerstört. Ein Franziskanermönch aus Našice, Sidonije Šolc, arbeitete zusammen mit den Behörden an der Werbung und Vorbereitung der Serben für die Konversion. Der römisch-katholische Pfarrer, Julio Bürger (auch: Julius Birger), erteilte den Konvertiten an acht Abenden Religionsunterricht in der Gemeindeschule und führte die Konversion in Gruppen von 50 bis 120 Personen durch. Die meisten Konversionen fanden zwischen Dezember 1941 und März 1942 statt. Laut Flüchtlingsberichten soll Bürger den Serben zur Konversion geraten haben, um ihr Leben zu schützen. In den Dörfern des Bezirkes bereiteten aus Zagreb geschickte Mönche die Konvertiten vor.202
201 HR-HDA-237, 38 Bericht des Propagandabeauftragten aus Tuzla, 9.1.1942. 202 RS-AS-KFA, 14 Zusammenfassender Bericht über die Verbrechen der Ustaše im Bezirk Podravska Slatina, unbekannter Berichterstatter, o. D.; Ebd., Bericht von Slavka Pištelić, Belgrad, 6.7.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Miloš Ivošević, Popović, 31.12.1941.
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Im Ort Gornji Miholjac im Bezirk Podravska Slatina wurde bereits Ende Juni 1941 die Hälfte aller serbischen Familien von einheimischen Ustaše ausgeraubt und vertrieben. Die orthodoxe Kirche wurde ausgeraubt und geschlossen. Mitte November 1941 forderte der Bezirksleiter Florijan Kosnica die Einwohner von Gornji Miholjac zum Übertritt auf. Am 25 November 1941 konvertierten 515 Serben zum römisch-katholischen Glauben. Bald bemühte sich die Gemeindeverwaltung zusammen mit dem Priester Bürger um die Gründung einer römisch-katholischen Kirchengemeinde in Gornji Miholjac, die auch die umliegenden Orte und die dortigen Konvertiten umfassen sollte.203 Die neue Gemeinde sollte ca. 2.410 Mitglieder zählen, wovon 1.156 Konvertiten waren. Die noch erhaltene, aber vor dem Abriss stehende orthodoxe Kirche sollte zu diesem Zwecke bewahrt und umgewandelt werden. Für die Verhinderung ihres Abrisses setzte sich später der Großgespan Hefer ein.204 Trotz der Bemühungen von Sidonije Šolc im November 1941 erklärten sich in Suha Mlaka nur wenige Personen zum Übertritt bereit. Erst nach zahlreichen Verhaftungen und Erpressungen wurden die Bewohner in der orthodoxen Kirche in Anwesenheit des Großgespans und Polizeichefs aus Osijek am 13. Oktober konvertiert. Šolc und der Großgespan Hefer hielten Reden, in denen sie der Bevölkerung Schutz versprachen.205 Auf einer eigens für die Zeremonie vor der orthodoxen Kirche hergerichteten Bühne prangte die Aufschrift „Für den Glauben und die Heimat bereit“ (Za vjeru i dom spremni).206 Nach dem Massenübertritt wurden die Gefangenen freigelassen.207 Die volljährigen Konvertiten erhielten angeblich einen grünen Ausweis, in welchem in der Rubrik zur Konfession „Konvertit“ eingetragen wurde. Die orthodoxe Kirche wurde in eine katholische umgewandelt und diente fortan für katholische Gottesdienste.208 Im Rahmen späterer Gemeindeneugründungen wurde sie zusammen mit den Kirchen in den umliegenden Dörfern
203 HR-HDA-1076, 584 Abschrift des Protokolls; Ebd., 218, 55–10554 Das Dekan-Büro, Julio Bürger, an die Großbezirksregierung, 2.12.1941. Die neue Kirchengemeinde sollte auch die Orte Novaki, Španat, Višnjica und Zidina umfassen; RS-AS-KFA, 14 Zusammenfassender Bericht über die Verbrechen der Ustaše im Bezirk Podravska Slatina, o. D. 204 HR-HDA-218, 55–10554 Das Dekan-Büro, Julio Bürger, an die Großbezirksregierung, 2.12.1941 sowie weitere Korrespondenz dieser Stellen mit dem Ministerium für Justiz und Religion, 2.2.1942, 11.2.1942, 28.2.1942, 5.3.1942 und 14.3.1942; Ebd., 32–2661 Großgespan von Baranja an das Regierungspräsidium betr. die Zerstörung der orthodoxen Kirchen, 16.1.1942. 205 Ebd., 29–1743 Bf. Akšamović an das Pfarramt in Viljevo betr. Gründung des Vikariates in Kapelna, 12.1.1942; Ebd., 1076, 584–666 Stjepan Hefer an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Konversionsarbeit, 17.12.1941 und 27.12.1941; makSić, Mile: Suha Mlaka, selo u Slavoniji [Suha Mlaka, ein Dorf in Slawonien]. Hg. v. Srpsko kulturno društvo Prosvjeta. Zagreb 2004, 295. 206 Maksić, Suha Mlaka, 296. 207 HR-HDA-218, 29–1743 Bf. Akšamović an das Pfarramt in Viljevo betr. Gründung des Vikariates in Kapelna, 12.1.1942. 208 makSić, Suha Mlaka, 297. – In den Quellen finden sich keine Hinweise auf die Ausstellung von grünen Ausweisen und der Kategorie „Konvertit“, was jedoch nicht ausschließt, dass es diese regionale Praxis gegeben haben mag.
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Dobrović(i) und Nova Bukovica zerstört,209 während im Nachbarsdorf Kapelna die Kirche in eine römisch-katholische umgewandelt und von Bischof Akšamović am 15. Januar 1942 zur Pfarrkirche bestimmt wurde. Insgesamt zählte sie 1.250 Mitglieder, davon waren 1.200 Konvertiten. Mit den umliegenden Kolonisten-Dörfern hatte das Vikariat in Kapelna 2.435 Mitglieder.210 Etwa 1.500 Serben im Norden des Bezirkes Slatina wurden unter Anweisung von Franziskanern überwiegend im Dezember 1941 konvertiert.211 Hefer ließ die Gelegenheit nicht aus, den feierlichen Massenübertritten beizuwohnen. Seine Reden zur gegenwärtigen Lage in der Region waren auf Beruhigung der Bevölkerung ausgerichtet. Mitte Januar 1942 berichtete er, dass die meisten Serben im Großbezirk Baranja übergetreten waren und nur noch wenige Konversionen im Bezirk Slatina bevorstünden.212 Im März 1942 erklärte Hefer, die Aktion auch in den verbliebenen, weil schwer zugänglichen Dörfern in den Bergen von Papuk und Krndija schnell zu Ende führen zu wollen.213 Am 13. März konvertierten in der Gemeinde Slatinski Drenovci etwa 3.000 Personen aus dem Ort und seiner Umgebung. Das Kolonisationsamt in Osijek übernahm die Immobilien der alten orthodoxen Parochie.214 Einen Tag später konvertierten 3.000 Personen aus Vočin und Umgebung.215 In der Gemeinde Vočin gab es bis März 1942 etwa 6.000 Konvertiten aus dem Ort und seiner Umgebung, überwiegend jedoch aus dem Dorf selbst. Bei den Massenübertritten in Slatinski Drenovci und Vočin hielt Hefer Reden über die Situation in der ganzen Region und hoffte dadurch auf eine allgemeine Beruhigung in den Gemeinden. Die Franziskanermönche hatten die Konversionen in kurzer Zeit vorbereitet und durchgeführt. 209 RS-AS-KFA, 14, Bericht für das Flüchtlingskommissariat von Jovo Radosavljević, Belgrad, 14.1.1943; makSić, Suha Mlaka, 297. 210 HR-HDA-218, 29–1743 Bf. Akšamović an das Pfarramt in Viljevo betr. Gründung des Vikariates in Kapelna, 12.1.1942; RS-AS-KFA, 14, Bericht für das Flüchtlingskommissariat von Jovo Radosavljević, Belgrad, 14.1.1943. 211 178 Personen konvertierten in Medinci, 100 in N. Bukovica und Brezi, 230 in Mikleuš, Kumljani, Petrovac und Orebovac, 130 in Kozice, 203 in Gor. Viljevo, 235 in St. Miljevci sowie 341 Personen in Donja Bukovica. In Voćin begann die Aktion Anfang Dezember, als es erst 13 Konvertiten und 198 Anmeldungen von insgesamt 4.817 potentiellen Konvertiten gab. HRHDA-1076, 584–666 Stjepan Hefer an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. die Konversionsarbeit, 27.12.1941; Ebd., 584 Gemeindeverwaltung in Voćin an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Konversionen, 5.12.1941. 212 HR-HDA-218, 32–2661 Großgespan von Baranja an das Regierungspräsidium betr. die Zerstörung der orthodoxen Kirchen, 16.1.1942. 213 Ebd., 32–2600 Großgespan von Baranja an Glavaš betr. Zahlungen an Franziskaner für religiöse Übertritte, 17.3.1942; Mark Biondich nutzte in seiner Analyse zum Erfolg der Konversionspolitik nur den Bestand der Staatsdirektion für Erneuerung. Seine Schlussfolgerung, dass die Konversionszahlen landesweit insgesamt sehr niedrig waren, kann nicht unterstützt werden. biondich, Religion, 92–96. 214 Genauer: aus den Orten Pušina, Krasković, Prekoračani, Meljani (661 Konvertiten) und Đurišić in einer Gesamtzahl von 2.300 Personen. HR-HDA-218, 32–2600 Großgespan von Baranja an Glavaš betr. Zahlungen an Franziskaner für religiöse Übertritte, 17.3.1942; Ebd., 37–3881 zur Zahl der Konvertiten und Eigentum der Parochie in Meljani: Die Gemeindeverwaltung von Podravska Slatina an das Ministerium für Justiz und Religion, 8.4.1942. 215 Genauer: in Vočin, Hum, Lisičine, Popovac, Macute, Kometnik und Kuzma.
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Die Konversionsaktion im Bezirk Podravska Slatina wurde mit diesen Zeremonien vollendet.216 Die Franziskaner hatten indes begonnen, ihre Arbeit auch auf Gebiete von Slavonska Požega im Großbezirk Livac-Zapolje auszudehnen.217 Der Großgespan von Livac-Zapolje ersuchte von den ihm untergeordneten Bezirken und Gemeinden Informationen über die Einstellung der Orthodoxen zu Übertritten. Beinah naiv mutet seine Frage an, ob bereits Schritte in diese Richtung unternommen wurden oder es anderweitige Vorschläge von den Bezirks- und Stadtverwaltungen sowie der Polizei gäbe. In Slavonska Požega hatte es unter der Regie lokaler Akteure die ersten Erpressungen überhaupt gegeben. Nun wies er die ihm unterstellten Behörden an, eine ständige Zusammenarbeit mit römisch-katholischen Geistlichen zu betreiben. Den römisch-katholischen Pfarrern sollte erklärt werden, dass die Übertritte ein ausdrücklicher Wunsch von Poglavnik seien und sie selbst die Übertritte organisieren und für sie werben sollten. Die von der Staatsdirektion für Erneuerung abgesandten Missionare sollten bei ihrer Arbeit in Dörfern von staatlichen Repräsentanten begleitet werden, um den Übertritt der gesamten orthodoxen Bevölkerung zumindest auf dem linken Saveufer bis Weihnachten 1941 zu erreichen.218 Tatsächlich reihten sich ab Dezember Konversionszeremonien und Treuebekundungen der Konvertiten für Erzbischof Stepinac auf beiden Seiten der Save.219 Auch hier waren es insbesondere Drohungen von Vertreibung und Enteignung, die Wirkung entfalteten. Franziskanermönche bereiteten in der Regel die Übertritte vor.220 Der römisch-katholische Pfarrer in Slavonska Požega, Franjo Pipinić, arbeitete zusammen mit dem Franziskaner Šolc an der Durchführung der Übertritte.221 Der Übertritt von etwa 500–600 Serben in Granje in der Gemeinde Kutjevo bestand aus dem gemeinsamen Sprechen des Glaubensbekenntnisses mit drei erhobenen Fingern. Der Priester erklärte den Versammelten, dass man ihm nichts vorwerfen solle. Es handele sich um keine Taufe, sondern nur um einen „Übergang“, um Menschenleben zu retten und Lagerhaft zu vermeiden.222 Mit dem Gruppenübertritt von 60 Personen in Tominovci in der Gemeinde Kutjevo am
216 HR-HDA-218, 32–2600 Großgespan von Baranja an Glavaš betr. Zahlungen an Franziskaner für religiöse Übertritte, 17.3.1942; Zu Pressemitteilungen unter dem Titel „Rückkehr zum Glauben der Väter Hrvatski List, 18.3.1942. 217 HR-HDA-218, 32–2600 Großgespan von Baranja an Glavaš betr. Zahlungen an Franziskaner für religiöse Übertritte, 17.3.1942. 218 HR-HDA-1076, 494–19022 Großgespan von Livac i Zapolje an alle Verwaltungseinheiten betr. Verordnung zu religionsgesetzlichen Übertritten der Orthodoxen, 23.9.1941. 219 Hier z. B. etwa 5.500 Konversionen in Vilić Selo und Požeški Brestovac in Anwesenheit des Militärs und des Großgespans. HR-HDA-218, 30–2200 Bericht über die Entwicklung der Konversionen der Bezirksregierung Požega an das Ministerium für Justiz und Religion, 4.3.1942. – Zur Loyalitätsbekundung an Stepinac, Hrvatski List, 6.3.1942. 220 HR-HDA-218, 32–2600 Großgespan von Baranja an Glavaš betr. Zahlungen an Franziskaner für religiöse Übertritte, 17.3.1942. 221 RS-AS-KFA, 19 Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Abiturienten Luka Vuksanović, Belgrad, 18.8.1942. 222 Ebd., Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Bauer Petar Šimić, Belgrad, 9.6.1942.
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2. März 1942 erklärte der Bezirksvorsteher von Požega die Übertrittsaktion der etwa 15.000 Serben in seinem Bezirk als beendet.223 Den Übertritten wurde bis zur Gründung der Religionsabteilung von Seiten der Großbezirksregierung in Pokupje ebenfalls keine Bedeutung beigemessen. Bis dahin konvertierten dennoch ca. 700 Personen zum römisch-katholischen Glauben, was auf das Engagement lokaler Akteure hindeutet. Unter veränderten Umständen verpflichtete sich nun der Großgespan von Pokupje die Gruppenübertritte in den Bezirken Pisarovina und Vojnić voranzutreiben.224 Im Großbezirk Posavje hatte Vladimir Sabolić ebenfalls mit einer umfassenden Konversionskampagne im November 1941 begonnen. Sabolić war bis Ende Dezember 1942 Großgespan von Posavje in (Slavonski) Brod. Die deutsche Gesandtschaft in Zagreb beschrieb ihn als einen Verfechter der Zwangskonversionspolitik.225 Im Bezirk Slavonski Brod hatte die Konversionsaktion Ende des Jahres 1941 und Anfang 1942 ihren Höhepunkt erreicht. Im Oktober waren es nur einige Dutzend Übertritte, doch nachdem die Behörden mit Lagerhaft drohten, erhöhte sich die Zahl der Übertrittsgesuche rasant. Römisch-katholische Missionare durchstreiften die umliegenden Dörfer.226 Neben der Verwaltung beaufsichtigte entgegen der ausdrücklichen Verordnung weiterhin die Ustaša-Organisation die Vorgänge. Die Erlaubnis zum Übertritt wurde in der Regel ohne Probleme erteilt. Die Konvertiten konnten sich zumindest in der ersten Zeit einer besseren Behandlung erfreuen. Die orthodoxen Kirchen wurden im ganzen Bezirk zerstört und der Friedhof in Brčko umgegraben. Die Konvertiten wurden zum Besuch des Gottesdienstes verpflichtet.227 Wie im Bezirk Baranja wurden auch in Posavje die meisten Konversionszeremonien im März 1942 durchgeführt. Ebenso wohnte Sabolić den Zeremonien bei, so beim Übertritt von ca. 400 Serben in Slatinik am 9. März 1942, den
223 HR-HDA-218, 30–2200 Bericht über die Entwicklung der Konversionen der Bezirksregierung Požega an das Ministerium für Justiz und Religion, 4.3.1942; Ebd., 1076–584 Bezirksverwaltung in Požega zur kollektiven Anmeldung zum Übertritt in Škrabutnik an die Staatsdirektion für Erneuerung, 21.10.1941; Ebd., 48–8112 Das Innenministerium an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Konvertiten in Požega, 20.7.1942; VA-NDH, 213/4/6. – Zum Telegramm mit der Loyalitätserklärung an Stepinac Hrvatski List, 6.3.1942; RS-AS-KFA, 19 Bericht für das Flüchtlingskommissariat von der Hausfrau Ljuba Vukojević und vom Landarbeiter Vladimir Stojan, Belgrad, 26.9.1942; Ebd., von der Hausfrau Marija Kosić, Belgrad 13.11.1942. 224 HR-HDA-1076, 496–19921 Großgespan von Pokupje an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Übertritte der Orthodoxen zum römisch-katholischen Glauben, 1.10.1941. 225 PAAA-GZ, 61/3 Nach den von der deutschen Gesandtschaft in Zagreb für den Deutschen General in Kroatien gesammelten Personalangaben kroatischer Großgespane, 13.2.1943. Ende November 1942 gelang Sabolić in kurze Gefangenschaft der Četnici. Danach wurde er Großgespan von Bilogora in Bjelovar. 226 HR-HDA-218, 15–4846 Bezirksverwaltung in Brod an Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung betr. im Oktober 1941 ausgestellte Sittlichkeitszeugnisse, 3.10.1941; RS-ASKFA, 9 Bericht für das Flüchtlingskommissariat von der Hausfrau Stana Radošević, Belgrad, 1.6.1943. 227 RS-AS-KFA, 9 Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Anwalt Dr. Branko Stefanović, Belgrad, 28.11.1943.
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der katholische Geistliche Krasnik durchführte.228 Neben Krasnik soll laut Flüchtlingsberichten auch ein Pfarrer Becker aus Trnjani die Bewohner im Umfeld von Slavonski Brod bereits im Sommer 1941 zum Übertritt gedrängt haben. Ende des Jahres 1941 und Anfang 1942 bereisten katholische Missionare aus Zagreb zusammen mit Gemeinde- und Bezirksvertretern die Dörfer. Sie erteilten Religionsunterricht und predigten. Nach den durchgeführten Übertritten, z. B. von etwa 400 Personen in Šušnjevci durch Becker, wurden die Konvertiten zum Besuch sonntäglicher Messen und – wieder entgegen den Vorgaben – zur Zahlung einer Kirchensteuer verpflichtet.229 Sabolić wohnte den Konversionen bei. Die serbisch-orthodoxen Kirchen wurden Anfang 1942 zerstört.230 Verglichen mit dem Großbezirk Baranja wurden im Großbezirk Posavje, der sich über kroatische und bosnische Bezirke erstreckte, vor allem in den Bezirken Slavonski Brod und Derventa hohe Konvertitenzahlen erreicht. Der Bezirk Brod an der Save (1931: 5.309 serb. Einwohner) meldete Mitte des Jahres 1942 3.744 Übertritte und 809 Anmeldungen,231 das Bürgermeisteramt in Brod an der Save (1931: 1.824 Serben) 644 Konvertiten und 131 Anmeldungen. Die Zweigstelle des Bezirkes Derventa in Bosanski Brod (1931: 8.394) meldete 821 Konvertiten und 6976 Anmeldungen für Bosanski Brod. Die meisten bis dahin in ihren Wohnorten verbliebenen Serben wurden konvertiert.232 Religiosität, zumal „fanatische“, verleitete die Serben die Dinge konservativ zu begreifen und hinderte sie daran, Kroaten zu werden, so die Einschätzung der Verwaltung in der Gemeinde Bijeljina-Seoska.233 Im Bezirk Bijeljina (1931: 57.038, April 1942: 68.132 Serben) erreichte die Zahl der Anmeldungen Ende des Jahres 1941 im ganzen Bezirk gerade mal 35. Die meisten Anmeldungen kamen aus dem städtischen Raum, der 2.534 Serben zählte. Anfang des Jahres nahmen die Anträge 228 HR-HDA-218, 29–1378 Entscheidung der Bezirksregierung in Brod na Savi über die Übertrittgesuche aus Slatinik, 4.2.1942. – Ebd., 237, 5 Bericht des Propagandabeauftragten des Großbezirks Posavje, Milan Zec, 10.3.1942; HrečkovSki, Slavica: Slavonski Brod u NOB i socijalističkoj revoluciji 1941–1945 [Slavonski Brod im Volksbefreiungskampf und in der sozialistischen Revolution 1941–1945]. Slavonski Brod 1982, 45. 229 Vor allem soll es sich bei den 400 Konvertiten um Bewohner aus den Dörfern Šušnjevci, Korduševci und Ješevik gehandelt haben. RS-AS-KFA, 19 Bericht für das Flüchtlingskommissariat von den Hausfrauen Stana und Marija Radošević, Belgrad, 1.6.1943; Ebd., Bericht für das Flüchtlingskommissariat von den Landarbeitern Stevo Prodić und Jovo Mandarić, Belgrad, 8.6.1943; HR-HDA-1076, 584 Erlaubnis zum Übertritt der Bezirksverwaltung Brod, 22.12.1941; Insgesamt soll es 1.450 Konversionen bis April 1942 in Klokočevik, Šušnjevci, Vrhovine, Korduševci, Ješevikund Trnjani gegeben haben. HrečkovSki, Slavonski Brod, 45. 230 RS-AS-KFA, 19 Bericht für das Flüchtlingskommissariat von den Hausfrauen Stana und Marija Radošević, Belgrad, 1.6.1943. 231 HR-HDA-0254, Taj.Broj: 1817/1942, zit. Nach Barić, O osnutku, 140. 232 Ebd., auch wenn sich die territoriale Gliederung und die Größe der Bezirke bei der letzten Bevölkerungszählung im Königreich Jugoslawien von den späteren Bezirken im Ustaša-Kroatien unterschieden, wichen die 1941 erhobenen Bevölkerungszahlen in den Untersuchungsbezirken nicht bedeutend von den Zahlen aus 1931 ab. Die Vergleiche der Zahlen erwiesen sich im Laufe der Studie als verlässlicher als ursprünglich angenommen. 233 HR-HDA-1076, 584 Gemeindeverwaltung in Bijeljina-Seoska an die Staatsdirektion für Erneuerung, 17.11.1941; Ebd., 584–55 Bericht der Bezirksverwaltung in Bijeljina an die Staatsdirektion für Erneuerung über die Zahl der Serben in den einzelnen Gemeinden des Bezirkes, 14.11.1941.
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schließlich zu. Mitte 1942 waren 71 Serben konvertiert und 646 hatten einen Übertritt angemeldet.234 Allerdings lagen die niedrigen Zahlen an den massenhaften Abschiebungen aus dem Bezirk Bijeljina von bis zu 27.000 Serben allein bis August 1941.235 In keinem anderen Bezirk gingen die erzwungenen Konversionen mit mehr Gewalt einher als im bosnischen Bezirk Brčko. Eine drei bis vier Kompanien starke Ustaša-Truppe, die sich aus Emigranten-Ustaše überwiegend aus Syrmien (insbesondere Irig) Zagreb und Zagorje zusammensetzte, kam im Winter 1941/42 aus Zagreb nach Brčko, wo sie sich drei Monate lang aufhielt.236 Mehreren Berichten zufolge begannen die Angehörigen der angekommenen Ustaša-Kompanien bald nach der Ankunft in Brčko die Serben im ganzen Bezirk zum Übertritt zum Katholizismus zu zwingen. Unter den ersten Konvertiten waren Lehrer und Staatsbedienstete gewesen, die Pavelić eine Treuebekundung zukommen ließen.237 Bezirksleiter Montani gab der serbischen Bevölkerung eine Frist, binnen derer sie eine Erklärung zur Bereitschaft zum Übertritt zum römisch-katholischen Glauben einzureichen hatten. Andernfalls sollten sie in ihren Fenstern aushängen, dass sie sich zum orthodoxen Glauben bekennen.238 Eine Gruppe der im Dezember verhaftetet Serben wurde freigelassen, damit sie auch andere Serben davon überzeugten, einen Antrag auf freiwilligen Übertritt zu unterschreiben. Einen Tag nach ihrer Freilassung, am 3. und 4. Dezember, plünderten und zerstörten Montanis Männer die orthodoxe Kirche und ließen später den Friedhof in Brčko umpflügen. Besuche und Bestattungen auf dem Friedhof wurden verboten und das nach dem Brand der Kirche übrig gebliebene Baumaterial verkauft.239 Am 13. Dezember folgte die Verhaftung von ca. 84 angesehenen Serben in Brčko. Der Hauptmann der hier operierenden 234 HR-HDA-0254, Taj.Broj: 1817/1942, zit. Nach Barić, O osnutku, 140; HR-HDA-1076, 584– 55 Bericht der Bezirksverwaltung in Bijeljina an die Staatsdirektion für Erneuerung über die Zahl der Serben in den einzelnen Gemeinden des Bezirkes, 14.11.1941; Ebd., 218 Eingangsregister 3110, 3192 (1942). 235 KoRb, Schatten, 211. 236 PAAA-GZ, 56 Bericht der Ortsgruppe Brčko an die deutsche Kreisleitung in Vinkovci, 7.12.1941; RS-AS-KFA, 9 Bericht an die Hl. Erzb. Synode von S. L., o. D; Ebd., Bericht vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla-Zvornik, 22.12.1941; Ebd., Bericht vom Priester Risto Jovanović, Belgrad, 25.12.1941; Ebd., zur Herkunft der Mitglieder der Kompanie Bericht für das KFA in Belgrad der Hausfrau Vera Maksimović, 8.6.1942; Ebd., Bericht der Hausfrau Milica Bjelopetrović, Belgrad, 13.3.1942. 237 RS-AS-KFA, 9 Bericht die Hl. Erzb. Synode vom Priester Risto Jovanović, Lapovo, 20.7.1942; BArch RH/31, III 55 Bericht für Glaise v. Horstenau von Arthur Haeffner, 29.12.1941. 238 PAAA-GZ, 56 Bericht der deutschen Ortsleitung in Brčko (Kleess) an die deutsche Kreisleitung in Vinkovci, 7.12.1941; RS-AS-KFA, 9 Bericht für das KFA in Belgrad von der Hausfrau Milica Bjelopetrović, Belgrad, 13.3.1942. 239 BArch RH/31, III 55 Bericht für Glaise v. Horstenau von Arthur Haeffner, 29.12.1941. – Zur Zerstörung des Friedhofs VA-NDH, 215/7/6 Schreiben des Journalisten Ivo Balentović an einen (?) Minister, 13.3.1942; PAAA-GZ, 56 Bericht der deutschen Ortsleitung in Brčko (Kleess) an die deutsche Kreisleitung in Vinkovci, 7.12.1941; RS-AS-KFA, 9 Bericht an die Hl. Erzb. Synode vom Priester Milan J. Dojčinović, Belgrad, 16.5.1942; Ebd., Bericht für das KFA in Belgrad von der Hausfrau Milica Bjelopetrović, Belgrad, 13.3.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla-Zvornik, 22.12.1941; Ebd., Bericht vom Priester Risto Jovanović, Lapovo, 20.7.1942.
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Ustaša-Kompanie war der zwanzigjährige Ivica Grgić aus Drenovci, der zusammen mit Montani über die Gefangenen waltete. In der Nacht zum 14. Dezember 1941 wurden die Gefangenen unter massiven Misshandlungen nach Gunja am anderen Ufer der Save gebracht, wo sie in Viehwaggons festgehalten wurden. Die Befreiung der Gefangenen in Gunja konnten ihre Angehörigen durch die Unterzeichnung des Antrags auf religiösen Übertritt der ganzen Familie erwirken. Alle Gefangenen wurden freigelassen, nach dem sie sich dazu verpflichteten, zum Katholizimus überzutreten.240 Ausgehend von Brčko wurde die Konversionsaktion auf die umliegenden Dörfer ausgedehnt. Montani ließ den bis dahin in seiner Pfarre belassenen Dorfpfarrer Jovanović aus Obudovac Mitte Dezember 1941 nach Serbien ausweisen. Jovanović sagte aus, dass er schriftlich und in der Anwesenheit Montanis und des Großgespans von Posavje der Eingliederung seiner Pfarre in die römisch-katholische Kirche hätte zustimmen müssen, um in Obudovac, ein ausschließlich serbisches Dorf mit ca. 5.000 Einwohnern, bleiben zu dürfen.241 Jovanović beschuldigte außerdem den Franziskaner Klarić aus Tramošnica der Repressalien gegen die serbische Bevölkerung in Obudovac. Da in Obudovac keine Kroaten lebten, wurde der serbische Gemeindekommissar, Stevo Kosanović, mit der Aufgabe betraut, die Serben in Obudovac zum Übertritt zu überreden. Kosanović galt für die Ustaše als „tolerant“, zumal er mit einer Katholikin verheiratet war. Auch ein jesuitischer Priester kam darauf nach Obudovac. Späteren Flüchtlingen aus Obudovac zufolge blieb die Aktion jedoch ohne Erfolg.242 Ein anderer Pfarrer, Risto Nakić aus Bukvik, stimmte dem Vorschlag, den Risto Jovanović abgelehnt hatte, zu. Angeblich hatte Nakić sich selbst für einen Übertritt gemeldet. Er sollte zusammen mit seiner Familie und der ganzen Gemeinde im Dezember 1941 zum römisch-katholischen Glauben übertreten. Montani wertete diesen einzigartigen Fall als sehr geeignet für die Konversionspropaganda und setzte sich für die Erlaubnis des Übertrittes ein. Der Bezirksleiter schlug vor, Nakić anschließend in den Staatsdienst aufzunehmen und mit Aufgaben rund um die Konversionen zu beauftragen.243 Massenübertritte erfolgten außerdem noch in Gornji Rahić und Zovik. Zur Illustration sollen hier noch die Übertritte in Rajevo Selo herangezogen werden.244 Dort fand die Massenkonversion am 1. Februar statt. Der Ortseingang wurde mit kroati240 RS-AS-KFA, 9 Bericht für das KFA in Belgrad der Hausfrau Vera Maksimović, 8.6.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode von S. L., o. D; Ebd., Bericht vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla-Zvornik, 22.12.1941; Ebd., Bericht vom Priester Milan J. Dojčinović, Belgrad, 16.5.1942; Bericht vom Priester Risto Jovanović, Belgrad, 25.12.1941. 241 Im Dezember sollten auch die umliegenden Dörfer Lončari, Donji Žabari und Čović Polje konvertiert werden. RS-AS-KFA, 9 Bericht vom Priester Risto Jovanović, Belgrad, 25.12.1941; Ebd., Ders., Lapovo, 20.7.1942. 242 Ebd., Bericht vom Priester Risto Jovanović, Belgrad, 25.12.1941; Ebd., Ders., Lapovo, 20.7.1942. 243 HR-HDA-1076, 584 Bezirksverwaltung in Brčko an die Großbezirksregierung Posavje sowie an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Übertritt von Pf. Nakić aus Bukvik, 18.12.1941. 244 Ebd., Bericht des Gemeindenotars aus G. Rahić an die Religionsabteilung, Januar 1942. Bis Ende 1941 hatten 1.081 von 1.290 orthodoxen Einwohnern den Übertritt angemeldet; RS-AS-
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schen und deutschen Fahnen geschmückt. Der Zeremonie wohnten der Stellvertreter von Pavelić, Luka Lešić, und der Leiter der Ustaša-Organisation auf Gemeinde- und Bezirksebene bei. Lešić hielt eine Rede über das Schisma und die nun erfolgte Rückkehr zum Glauben der Väter in der entstandenen politischen Situation. Danach stand er zusammen mit dem Bezirksvorsteher den Gemeindemitgliedern für Beschwerden und Bitten zur Verfügung. Am Abend folgte eine Feier.245 Auf Befehl des Ministeriums für Justiz und Religion sollte die orthodoxe Kirche in Rajevo Selo später abgerissen werden. Da dafür in der Erntezeit 1942 keine Arbeitskräfte entbehrt werden konnten, wurde der Abriss verschoben und im Herbst durch die Großbezirksregierung erneut angeordnet.246 Gegen den Abriss sprachen sich der Gemeindeleiter sowie der römisch-katholische Geistliche in Rajevo Selo, Milović, aus. Vor allem der Gemeindeleiter befürchtete Unruhen, falls die Kirche abgerissen würde.247 Schließlich befand auch der in der Nähe stationierte Oberst der Landwehr, dass sich der Abriss negativ auf die umliegende Bevölkerung auswirken könnte.248 Die Landwehr hatte sich auch in anderen Orten gegen den Abriss von orthodoxen Kirchen ausgesprochen, zum Beispiel beim Versuch, die Bevölkerung im Umkreis von Slavonski Brod durch die Öffnung von orthodoxen Kirchen zu beruhigen. Die Versuche scheiterten regelmäßig, weil der Landwehr jegliche Einmischung in religiöse Fragen untersagt wurde.249 Im Fall von Rajevo Selo überwogen allerdings gewichtige militärische Interessen. Den Hintergrund bildeten Bestrebungen der Landwehr, die Četnici der Majevica-Staffel für eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Partisanen in Fruška Gora zu gewinnen.250 Für den Bezirk Derventa (1931: 15.537 Serben) sollte die Zusammenarbeit mit den Četnici ebenfalls eine Rolle spielen. Auf diese wird später noch eingegangen werden. Mitte 1942 waren im Bezirk Derventa 607 Serben konvertiert und 4.123 hatten einen Übertritt angemeldet. Im Bezirk Brčko (1931: 34.379 Serben), ohne die Gemeinde Koraj, waren Mitte 1942 3.028 noch in ihren Wohnorten verbliebene Serben konvertiert, 3.256 weitere hatten einen Übertritt angemeldet. Die Zweigstelle von Brčko in Bosanski Šamac (1931: 577) meldete zur gleichen Zeit 22 Konvertite und 260 Anmeldungen. Während alle serbischen Einwohner im Bezirk Županja (1931: 1.089) bis Mitte 1941 entweder konvertiert waren
245 246 247 248 249 250
KFA, 9 Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Pf. Đorđe Magazinović, 18.3.1942. In Zovik konvertierten alle Bewohner. HR-HDA-218, 28–1092 Bezirksregierung in Županja an den Großbezirk Posavje, 3.2.1942; HR-DASB-351/1. VA-NDH, 75/4/5 Oberst Kubin an das Innenministerium betr. Abriss von orthodoxen Kirchen, 4.11.1942; Ebd., 175 Protokoll zur Versammlung des Gemeinderates in Rajevo Selo, 3.8.1942; Ebd., zur Vertagung des Abrisses der Bescheid der Großbezirksregierung, 4.8.1942. VA-NDH 175 Bezirksverwaltung in Županja an die Großbezirksregierung Posavje betr. Abriss der orthodoxen Kirche in Rajevo Selo, 17.10.1942; Ebd., Gemeindeleiter von Rajevo Selo an die Großbezirksregierung Posavje betr. Abriss der orthodoxen Kirche, 7.10.1942. Ebd., 75/4/5 Oberst Kubin an das Innenministerium betr. Abriss von orthodoxen Kirchen, 4.11. Jahr nicht angegeben, wahrscheinlich 1942. Ebd., 141i/3/1 Die Verlautbarung des Kommandos des 2. Landwehr-Korps (Balley), Brod, 20.7.1942. Ebd., 175 Bezirksverwaltung in Županja an die Großbezirksregierung Posavje betr. Abriss der orthodoxen Kirche in Rajevo Selo, 9.11.1942 und 17.10.1942.
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oder die Konversion angemeldet hatten, gab es im Bezirk Gradačac (1931: 10.815) nur 23 Konversionen und 27 Anmeldungen. Die Zweigstelle von Gradačac in Odžak (1931:5.642) meldete nur 4 Konvertite und 15 Anmeldungen.251 In Großbezirken mit einer etablierten Verwaltung wurden religiöse Übertritte effizient durchgeführt.252 Vor allem traf dies für Nordkroatien zu, während die Konversionspolitik in den meisten bosnischen Bezirken nie implementiert werden konnte. Den Konversionszeremonien gingen stets Abschreckungsmaßnahmen wie Verhaftungen und Misshandlungen voraus. In den Quellen wurden weder Hinweise dafür gefunden, dass die Verwaltung oder der Klerus in den Übertritten religiöse Beweggründe sahen, noch dass die Konvertiten in ihrem Übertritt etwas anderes sahen als Folter, Täuschung oder Rettung. Der Eingriff in die religiöse Praxis sollte nicht mehr und nicht weniger als eine politische Maßnahme zur Kontrollgewinnung über die serbische Bevölkerung werden. Religiöse Überzeugungen der Konvertiten traten nicht in den Vordergrund. In den Worten des Gemeindeverwalters in Klinča Selo waren die dortigen Serben, „gewöhnliche Knechte, die geistig eh nicht fortschrittlich sind, um religiöse Empfindungen unterscheiden zu können“.253 Das Ziel dieser Stretegie war ein Bekenntnis der Serben zum kroatischen Staat. Die religiösen Übertritte blieben im Zentrum des Großbezirks Usora-Soli nur Einzelfälle mit geringer propagandistischer Wirkung.254 Zwar zeigten sich auch in Tuzla bereits im Sommer Tendenzen innerhalb der katholischen Kreise, die jedoch nur auf der rhetorischen Ebene blieben. Vom „Kroatischen Heim“ in Tuzla wurde Propaganda über die kroatische Kultur und Unabhängigkeit verbreitet. Angeblich sollen in Tuzla Franziskaner und auch Frauen aus der Einflusssphäre der Franziskaner („trećorednice“) für Übertritte geworben haben. Im ganzen Jahr 1941 gab es aber nur zwei religiöse Übertritte zum katholischen Glauben. Darunter der Sohn eines serbischen Geistlichen und Beamter bei den Salzwerken, der anschließend in der kroatischen Armee als Hauptmann diente.255 Wie schon in den vorigen Monaten fielen im Bezirk Tuzla insbesondere fremde Personen als Initiatoren anti-serbischer Maßnahmen auf.256 Regelmäßig reisten einzelne Personen aus Tuzla nach Zagreb, von wo sie mit neuer Funktion oder neuem Amt nach Tuzla zurückkehrten. Auch kamen die Ustaše aus Kroatien nach Tuzla, und auch zwei Vorsteher der UstašaOrganisation waren ebenfalls auswärtige Personen. In der Konversionspolitik soll251 HR-HDA-0254, Taj.Broj: 1817/1942, zit. Nach Barić, O osnutku, 140. 252 So z. B. hatten sich ca. 10.000 Serben aus insgesamt sechs orthodoxen Parochien auf dem Gebiet des Bezirkes Kostajnica zum Übertritt angemeldet. HR-HDA-1076, 584 Bitte des Pfarrers aus Kostajnica, Fredo Fröhlich, um die materielle Unterstützung der Konversionsarbeit an die Staatsdirektion für Erneuerung, 1.12.1941. 253 HR-HDA-1076, 584 Gemeindeverwaltung in Klinča Selo an die Staatsdirektion für Erneuerung, 19.11.1941. 254 RS-AS-KFA, 9 Bericht für den orthodoxen Episkop der Eparchie (Bischof, Hohepriester) in Zaječar vom Militärgeistlichen Jovan Pajkanović, 10.4.1942. 255 Ebd., Bericht für das KFA in Belgrad des Beamten Drago Stefanović-Džinić, 22.12.1943; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Episkop Nektarije aus der Eparchie TuzlaZvornik, 22.12.1941. 256 BiH-ATKT-RPiNOBSB Z, 48–2276; RS-AS-KFA, 9 Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla-Zvornik, 22.12.1941.
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ten auch Auswärtige die Initiative ergreifen. Konversionspropaganda und entsprechende Aktionen unternahm die Verwaltung in Tuzla zum ersten Mal während der orthodoxen Weihnachtsfeiertage Anfang des Jahres 1942.257 Am 3. Januar 1942 kamen zu diesem Zweck ungefähr zwölf Ustaše aus Brčko nach Tuzla. Es handelte sich wohl um die gleichen Personen, die die Konversionsaktion in Brčko erfolgreich abgeschlossen hatten.258 Sie planten angeblich, während der orthodoxen Osterfeiertage eine Massenkonversion der Serben in Tuzla durchzuführen. Die Anträge auf Übertritt wurden gedruckt und standen zur Unterschrift bereit. Die deutsche Heeresleitung wurde in dieser Angelegenheit um Hilfe gebeten. Der führende muslimische Geistliche in Tuzla, der Mufti Kurt, unterstützte mit einigen anderen einflussreichen Muslimen die serbische Beschwerde. Am 6. Januar reagierte die deutsche Heeresverwaltung mit einer Proklamation, die erzwungene Übertritte unterband.259 Auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Živinice gab es fünf serbische Dörfer mit insgesamt 908 Einwohnern. Mitte November 1941 konnte die Staatsdirektion für Erneuerung keinen einzigen Konvertiten aus der Gemeinde verzeichnen. Die Übertrittsaktion war aufgrund der peripheren Lage der Dörfer, die unter dem Einfluss des Widerstandes standen, nicht möglich.260 Auch in den serbischen Dörfern der Gemeinde Breške wurden die Übertritte weder von der Verwaltung vorangetrieben noch zeigte die Bevölkerung ein Interesse daran.261 Die schlecht erschlossenen bosnischen Dörfer verfügten durch ihre Unzugänglichkeit über eine Barriere für eventuelle Einfälle und Übergriffe auf die Bevölkerung. Die früh etablierte kroatische Propaganda über die „Kommunistenbanden“ und Četnici wirkte zusätzlich abschreckend. Die Einstellung zu diesen Serben war von der spärlichen Informationslage über ihren Alltag, alten Vorurteilen und Konflikten sowie der in den Bezirk hineingetragenen Propaganda geprägt. Um in diesen Dörfern für Konversionen zu werben oder diese direkt zu erzwingen, mussten sie organisiert besucht werden. Der Gemeindevertreter in Breške aus dem Bezirk Tuzla konnte auf die Frage der Staatsdirektion für Erneuerung nach den Gründen der mangelnden Konversionsbereitschaft lediglich seine Unkenntnis der tatsächlichen Situation in den serbischen Dörfern seines Zuständigkeitsbereiches zum Ausdruck bringen.262 Neben dem 257 RS-AS-KFA, 9 Bericht für das KFA in Belgrad des Gerbers Ljubomir Antić, 16.11.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla -Zvornik, 22.12.1941. 258 Ebd., Bericht für das KFA in Belgrad des Beamten Drago Stefanović-Džinić, 22.12.1943; Ebd., Bericht für den orthodoxen Episkop der Eparchie (Bischof, Hohepriester) in Zaječar vom Militärgeistlichen Jovan Pajkanović, 10.4.1942. 259 Ebd., Bericht für das KFA in Belgrad des Beamten Drago Stefanović-Džinić, 22.12.1943; Ebd., auch der Bericht für das KFA in Belgrad des Gerbers Ljubomir Antić bestätigt die Einmischung der deutschen Heeresleitung, 16.11.1942. 260 HR-HDA-1076, 584–422 Gemeindeverwaltung in Živinice an die Staatsdirektion für Erneuerung, 18.11.1941. 261 Ebd., Gemeindeleiter von Breške an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Konversionen, 24.11.1941. 262 Ebd., 584–574 Gemeindeleiter von Breške an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Konversionen, 24.11.1941. Vor allem handelte es sich dabei um die Dörfer Visori, Glasinčani und Crno Blato mit insgesamt 677 serbischen Einwohnern.
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Widerstand und schwachen staatlichen Stellen spielte im Großbezirk Usora-Soli auch der Umstand, dass es sich um muslimisch geprägte Gebiete handelte, eine entscheidende Rolle. Die Kroaten stellten neben Muslimen und Serben nur eine Minderheit dar. Die später zu erörternden Probleme zwischen der Regierung und den Vertretern der Muslime in Bosnien wegen Ungleichbehandlung wirkten sich auf die Konversionspolitik aus. Muslime behinderten die Konversionspolitik auch direkt. Das bischöfliche Ordinariat in Sarajevo beschwerte sich im Februar 1942 über die Behinderung der Übertritte von Orthodoxen seitens der muslimischen Ustaše.263 Der letzte in die Analyse einzubeziehende Bezirk, Vuka, unterstand seit dem 14. Mai 1941 dem Großgespan Jakob Elicker (kroat. Eliker) aus Bačka Palanka. Der deutschstämmige Elicker gehörte zu den führenden Mitgliedern der Erneuerungsbewegung und war Kreisleiter des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes.264 Im Unterschied zu Hefer und Sabolić, die Konversionszeremonien beiwohnten und sich öffentlich zur Konversionspolitik äußerten, konnten Elicker solche Aktivitäten nicht nachgewiesen werden. Zur Durchführung der Konversionspolitik im untersuchten kroatischen Teil des Großbezirkes Vuka kam es dennoch. Nach der Verordnung von Dionizije Juričev vom 24. Oktober 1941 berichtete das Bürgermeisteramt in Vukovar, dass dort bis Ende Oktober nur 69 von einer Gesamtpopulation von 3.000 serbisch-Orthodoxen zum römisch-katholischen Glauben übergetreten waren. Abgesehen davon gab es noch 77 Anmeldungen in der Stadt Vukovar.265 Im ganzen Bezirk Vukovar lebten im Mai 1941 18.517 Personen serbisch-orthodoxen Glaubens. Deren Zahl reduzierte sich nach der Aussiedlung aller serbischer Kolonnisten im Juni und Juli 1941 auf ca. 14.000. Bis Anfang November 1941 konvertierten in den Orten Markušica und Borovo insgesamt 533 Familien mit 1.741 Personen innerhalb von nur zwei Monaten.266 Das Bistum Đakovo gründete Anfang November ein Vikariat für Konvertiten in Markušica.267 Ein römisch-katholischer Priester hatte im Oktober in der orthodoxen Kirche in Vukovar zum Übertritt aufgerufen.268 Am 18. November 1941 beklagte sich der Bezirksleiter in Vukovar jedoch über die schwächelnde Zahl der Übertritte.269 Trotz seiner Bemühungen hatten im Monat November 1941 nur 15 Personen in der Stadt Vukovar konvertiert und 24 den Übertritt angemeldet.270 Gleichzeitig räumte der Bezirksvorsteher in Vukovar jedoch ein, dass durch die Aktion römisch-katholischer Priester und Franziskaner, die die Konvertiten in Religionslehre unterrichteten, die Zahlen langsam wieder 263 HR-HDA-218 Eingangsregister 1746 (1942). 264 PAAA-GZ, 61/3 Nach den von der deutschen Gesandtschaft in Zagreb für den Deutschen General in Kroatien gesammelten Personalangaben kroatischer Großgespane, 13.2.1943. 265 HR-HDA-1076, 584–171 Bericht des Bürgermeisteramtes in Vukovar an die Staatsdirektion für Erneuerung, 15.11.1941. 266 Ebd., 584, Bezirk Vukovar an Staatsdirektion für Erneuerung, 15. und 18.11.1941. 267 Ebd., 511–26651 Bf. Akšamović aus Đakovo an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Vikariate für Kolonisten- und Konvertitensiedlungen, 17.10.1941. 268 RS-AS-KFA, 18 Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Pf. und Episkop Jovan Kozobarić, 2.5.1942. 269 HR-HDA-1076, 584, Bezirk Vukovar an Staatsdirektion für Erneuerung, 15. und 18.11.1941. 270 Ebd., 584–541 Bericht des Bürgermeisters in Vukovar an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Übertritte, 1.12.1941.
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stiegen.271 Die Franziskaner aus Vukovar und zwei beauftragte Missionare widmeten sich dieser Aufgabe. Neben den 1.741 Konvertiten in Markušica und Borovo befanden sich Mitte November 1941 noch 183 Übertritte in Bearbeitung. Die Anträge erfolgten bereits zwischen Mai und September 1941. Zwischen September und Mitte November hatten noch 81 Familien mit 221 Mitgliedern einen Übertritt angemeldet.272 Die Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung forderte die Bezirksverwaltung in Vukovar auf, die Konversionen selbst voranzutreiben. Der Leiter der Religionsabteilung, Juričev, wollte die missionarische Arbeit, wie sie der Franziskaner Mijo Čuić verrichtete, finanziell nicht mittragen. Es ging dabei um die Kosten für „Begehungen und Anstiftungen zum Übertritt“, obwohl die weltlichen Obrigkeiten „das Terrain vorbereiten müssen“.273 Mitte Dezember 1941 wurde der größte Druck auf die Bevölkerung ausgeübt, zum römisch-katholischen Glauben zu konvertieren. Die Führer der Aktion waren der Religionslehrer Zubić, der am Realgymnasium in Vukovar unterrichtete, sowie ein Mönch aus dem Kloster St. Bono in Vukovar, der aus Dubrovnik stammte. Diese beiden hielten Reden vor der serbischen Bevölkerung in Vukovar und im Umland. Wer sich den Aufrufen zur Versammlung bei ihren Besuchen widersetzte, kam unter den Verdacht, sich der kroatischen Verwaltung gegenüber subversiv zu verhalten.274 Es konvertierten zunächst insbesondere Angehörige der Lager- und Gefängnisinsassen sowie diejenigen, die vor der Enteignung ihres Besitzes standen. Schließlich konvertierten innerhalb der Frist am 20. Februar 1942 unter Androhung von Lagerhaft und Enteignung fast alle serbischen Bewohner der Orte im Bezirk Vukovar, mit Ausnahme von Negoslavci.275 In Vukovar verblieben nach dem 15. März 1942 nur 34 Familien serbisch-orthodox.276 Die Bezirksregierung befahl z. B. allen ca. 200 serbischen Haushalten im Ort Vršadin im Januar 1942, zum römisch-katholischen Glauben überzutreten. Einige Tage später kam ein römisch-katholischer Mönch in Begleitung einiger Ustaše aus Vukovar nach Vršadin. In seiner Ansprache an die im Schulgebäude versammelten Serben verkündete er, dass alle Serben früher katholisch waren und es nun wieder sein sollten. Er drohte bei Weigerung mit Lagerhaft, Vertreibung und Enteignung. Darauf konvertierten ungefähr 150 Menschen. Die Mehrheit hielt sich jedoch trotzdem zurück. Der Mönch wandelte die orthodoxe
271 HR-HDA-1076, 584, Bezirk Vukovar an Staatsdirektion für Erneuerung, 15. und 18.11.1941; Ebd., 218, 54–10063 Der Vikar in Borovo, Anđelko Gregić, an das Ministerium für Justiz und Religion, 5.12.1941. 272 Ebd., 584, Bezirk Vukovar an Staatsdirektion für Erneuerung, 15. und 18.11.1941. 273 HR-HDA-1076, 584 Der Leiter der Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung an die Bezirksregierung in Vukovar mit dem Betreff: „Die Missionare dürfen das Terrain nicht begehen, um das Eis für die Übertritte zu brechen“, Dezember 1941. 274 RS-AS-KFA, 18 Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Schulabsolventen Đorđe Kovačević, Belgrad, 22.2.1942. 275 RS-AS-KFA, 18 Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Schulabsolventen Đorđe Kovačević, Belgrad, 22.2.1942; Ebd., Bericht von der Studentin Vidosava Nikolić und Hausfrau Anica Đorđević, Belgrad, 2.11.1942. 276 Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Pf. und Episkop Jovan Kozobarić, 2.5.1942.
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Kirche in eine römisch-katholische um und hielt regelmäßig Gottesdienste, die für alle Konvertiten verpflichtend waren.277 Auch im syrmischen Bezirk Irig wüteten Ustaša-Milizen im Winter 1941. Im Dorf Rivica ließ der Bezirksvorsteher von Irig die Bauern verhaften und durch Misshandlungen und Drohungen zum Übertritt zwingen. Die Deutsche Gesandtschaft war über die dadurch provozierte Beunruhigung der Bevölkerung in Syrmien und Slawonien besorgt und wandte sich an den kroatischen Außenminister.278 Die Frage nach den Übertritten von Roma soll nicht ausgespart werden. Das Fehlen der Quellen erlaubt jedoch keine verlässlichen Aussagen zu den Roma bei den Übertrittsaktionen, doch ist es sehr unwahrscheinlich, dass den Roma Konversionsgenehmigungen erteilt wurden.279 In den Berichten aus den Bezirken, so z. B. aus Županja, wurden Roma mehrmals beiläufig erwähnt. In Gundinci lebten in November 1941 35 Roma, die, als sich die restliche serbisch-orthodoxe Bevölkerung (148 Personen) zum Übertritt meldete, Bereitschaft zum Übertritt zeigten. Die Gemeindeverwaltung lehnte sie jedoch ab.280 Auch wurden den etwa sieben Roma-Familien in Andrijevci religiöse Übertritte nicht gestattet.281 Zerstörung und Umwandlung der Kirchen Die Zerstörung, Umwandlung, Entweihung und Säkularisierung von Kirchen und Moscheen war eine sich zwischen 1941 und 1945 unter veränderten Vorzeichen wiederholende und keine neue Praxis. Bei den unterschiedlichen religiösen Gruppen in den Untersuchungsgebieten handelte es sich um eine funktionale Integration von Menschen als Mitglieder einer Gruppe, die sich nicht vermischten, und kaum um eine Integration als Individuen, etwa durch Eheschließungen. Robert M. Hayden wies auf die „Dynamik langzeitig rivalisierender Koexistenz“ hin und argumentierte für eine Kontinuität der Rivalität zwischen religiösen Gruppen in der postkolonialen Balkanregion, indem er vor allem die Errichtung und Zerstörung von benachbarten Heiligenstätten in den Augenschein nahm. Er erläuterte, dass wenn innerhalb von multinationalen Gemeinschaften nur eine Nation den Anspruch erhob, die souveräne Nation zu sein, gruppenspezifische religiöse Bauwerke als Symbole des „Anderen“ zerstört oder verändert wurden.282 Dies traf auch für den NDH zu. Mit der Aussiedlung und Ermordung orthodoxer Geistlicher im Juni und Juli 1941 wurden ihre Pfarrhäuser und Kirchen geplündert und versperrt. Das gesamte Eigentum der ausgesiedelten oder „vermissten“ Serben fiel unter die Obhut 277 Ebd., Bericht für das Flüchtlingskommissariat von einem Arbeiter bei der Organisation Tot, Milan Simić, Belgrad, 19.3.1942. 278 RH/31, III 7 Anlage 2 zum Bericht der deutschen Gesandtschaft Zagreb, 26.10.1942. 279 biondich, Religion, 88. 280 HR-HDA-1076, 584–393 Gemeindeverwaltung in Gundinci an die Staatsdirektion für Erneuerung, 30.11.1941. 281 Ebd., 584 Gemeindeverwaltung in Andrijevci an die Staatsdirektion für Erneuerung, November 1941. – Zur Problematik der Erforschung der Geschichte der Roma im NDH KoRb, Schatten, 408–413. 282 hayden, Souveränitäten, 239–244.
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der Staatsdirektion für Erneuerung, deren Zweigstellen innerhalb jeder Gemeinde eingerichtet wurden. Auch das Eigentum der serbisch-orthodoxen Kirche stand unter ihrer Verwaltung.283 Was mit den Kirchengebäuden nach ihrer Schließung passierte, war von Gemeinde zu Gemeinde und von Region zu Region unterschiedlich. Nach den vorliegenden Quellen scheint es in den nordbosnischen Bezirken mehr Zerstörungen gegeben zu haben als in ostkroatischen. Ebenfalls wurden in Westslawonien vergleichsweise mehr Kirchen zerstört als in Ostslawonien. In Vuka bzw. Syrmien wurden dagegen die meisten Kirchen in katholische umgewandelt. Dort, wo die Verwaltungen bereits im Rahmen der Aussiedlung im Juni und Juli Konversionen forderten, wurden die Kirchen zum Teil zerstört, so in Nova Gradiška,284 und teilweise vorerst nicht zerstört, wie in Slavonska Požega.285 Das Ausmaß der Zerstörung der orthodoxen Kirchen war während der gesammten Kriegszeit insbesondere im Vergleich mit der Zerstörung religiöser Stätten anderer Religionsgemeinschaften mit einer Zahl von 350–400 zerstörten Gebäuden verheerend.286 Die Zerstörungen wurden u. a. 1946 von den Landeskommissionen für Religionsfragen aufgrund der Berichte einzelner (Kirchen-)Gemeinden erfasst.287 So willkürlich und situativ die Übertritte durch die lokalen Autoritäten erpresst wurden, so unsystematisch war im Sommer 1941 auch der Umgang mit den Kirchengebäuden. Erst nach der Institutionalisierung der Konversionspolitik im September 1941 spielten Planungen über eine zukünftige Organisation katholischer Gemeinden eine Rolle. Die Regierungsverordnung vom 30. Juli 1941 hatte zunächst vorgesehen, dass das Eigentum der SOK von der Staatsdirektion für Erneuerung in die Verantwortung des Ministeriums für Justiz und Religion und des Landwirtschaftsministeriums übergeben werden sollte. Später verfügte das Kolonisationsamt über das Eigentum der SOK. Der Vertreter des Kolonisationsamtes, der römisch-katholische Priester Krunoslav Draganović, wirkte in der Verwaltung des Eigentums der orthodoxen Kirchen mit.288 Als das Problem der Seelsorge in den neuen Konvertitengemeinden auftrat, forderte das Ministerium für Justiz und Religion, einen Teil des Eigentums der ehemaligen orthodoxen Kirchengemeinden den neuen katholischen Gemeinden 283 HR-DAOS-701, 8 und DAOS-6, 5795 Obhut über mobiles und immobiles Eigentum der ausgesiedelten oder vermissten Serben, Staatsdirektion für Erneuerung in Zagreb an alle Gemeindeverwaltungen, 24.7.1941. 284 RS-AS-KFA, 19 Bericht für das KFA in Belgrad von der Gymnasiastin Radojka Tatomirović, Belgrad, 12.9.1942. 285 HR-HDA-218, 33–7044 Der Vertreter des Dorfes Komušina an das Ministerium für Gewerbe und Handel, Februar 1942. 286 PeRica, Idols, 24. 287 ABiH-Vl. RBiH 02-Zakonodavstvo, 1946. 288 Bei seinem Besuch in der Gemeinde Gradina (Bezirk Virovitica) in der ersten Septemberhälfte 1941 unterbreitete Draganović einen Plan zur Aufteilung der Kirchengemeinde Gradina auf die Gemeinden Gaćište, Gradina und Detkovac. Die orthodoxe Kirche in Gradina sollte zerstört werden. Die dortige römisch-katholische Gemeinde bat jedoch, die Kirche zu erhalten und in eine römisch-katholische umzuwandeln, da erwartet wurde, dass die serbischen Bauern konvertierten. HR-HDA-1076, 499–21092 Die römisch-katholische Kirchengemeinde in Gradina an die Gemeindeverwaltung von Cabuna, 23.9.1941; Ebd., 218, 64,85–5543 Das erzbischöfliche Ordinariat an das Ministerium für Justiz und Religion, 16.5.1942; Ebd., Beschluss von Erzbf. Stepinac, 15.12.1942.
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und Priestern zu überlassen. Damit sollte die Regierung, die finanziell für die Seelsorger aufkam, entlastet werden. Angeregt durch die Bitte der Trapisten aus Banja Luka, die die Übernahme des orthodoxen Klosters in Orahovica für eigene Zwecke beanspruchten, forderte das Ministerium für Justiz und Religion eine stärkere „geistige Wache“ über die Konvertiten. Die Gründung von Klöstern sollte diesem Bestreben entgegenkommen. Insgesamt setzte sich das Ministerium für Justiz und Religion für unterschiedliche Behandlung der einzelnen kroatischen Gebiete ein, je nachdem, wie gefährdet sie waren.289 Der römisch-katholische Pfarrer in Kloštar Ivanić im Großbezirk Prigorje stellte z. B. bei der Bezirksverwaltung in Čazma einen Antrag auf Umwandlung der orthodoxen Kirche St. Stevan in Graberje in eine römisch-katholische Kirche. Die dortige Bevölkerung hatte sich zum Übertritt gemeldet und der römisch-katholische Pfarrer führte die Vorbereitung durch. Doch die dortige orthodoxe Kirche wurde von der Ustaša-Organisation auf Bezirksebene zum Abriss bestimmt, welcher nicht verhindert werden konnte.290 Auf dem Gebiet des Erzbistums Đakovo hatten katholische Geistliche mehrmals den Abriss von Objekten der serbisch-orthodoxen Kirche zu verhindert versucht. Eugen Kvaternik, der Leiter der Generaldirektion für öffentliche Ordnung und Sicherheit und Sohn von Marschall Slavko Kvaternik, wies jedoch den Großgespan, Stjepan Hefer, an, die Aktivitäten der römisch-katholischen Kirchenhierarchie zu unterbinden und den Abriss aller Objekte zu ermöglichen.291 In manchen Gebieten sollten dagegen nach dem Willen des Ministeriums für Justiz und Religion möglichst viele kroatische Kolonisten angesiedelt werden, und zwar auf den Besitzungen der SOK.292 Auf dem Gebiet der Bezirke Podravska Slatina und Virovitica z. B. erhöhte sich die Zahl der römisch-Katholiken auch durch die Ansiedlung von katholischen Kolonisten. Nach dem Vorschlag des Pfarrers Julio Bürger aus Podravska Slatina beantragte das erzbischöfliche Ordinariat die Gründung einiger neuer Kirchengemeinden. In Gebieten mit überwiegender Mehrheit an Konvertiten, wie zum Beispiel auf dem Gebiet der Kirchengemeinde Slatinski Drenovci (3.276 von 3.796 römisch-Katholiken) war lediglich die Gründung von Vikariaten vorgesehen.293 Vom Kolonisationsamt forderte das Ministerium für Justiz und Religion, ihm einen Teil des Eigentums der 289 HR-HDA-218, 18–5669 Ministerium für Justiz und Religion an das Kolonisationsamt betr. immobiles Eigentum der SOK, 15.11.1941; Ebd., Trapisten aus Banja Luka an Pavelić betr. Übernahme des Klosters in Orahovica, 6.11.1941. 290 Ebd., 29–1864 Bitte des römisch-katholischen Pfarrers aus Ivanić Kloštar an die Bezirksregierung betr. Umwandlung der orthodoxen Kirche in Graberje in eine römisch-katholische Kirche, 19.1.1942; Ebd., die Ablehnung 18. und 22.2.1942. 291 HR-DAOS-6, 5796 Abschrift des Telegramms, Eugen Kvaternik an Stjepan Hefer, Zagreb, 18.12.1941; Ebd., Großbezirksregierung Baranja an Bürgermeisterämter 1–2, Osijek, 19.12.1941. 292 HR-HDA-218, 18–5669 Ministerium für Justiz und Religion an das Kolonisationsamt betr. immobiles Eigentum der SOK, 15.11.1941; Ebd., Trapisten aus Banja Luka an Pavelić betr. Übernahme des Klosters in Orahovica, 6.11.1941. 293 Ebd., 64,85–5543 Das erzbischöfliche Ordinariat an das Ministerium für Justiz und Religion, 16.5.1942; „Neue Gemeinden im Bezirk Slatina und Virovitica“. In: Hrvatski List, 29.4.1942. Neue Kirchengemeinden sollten in Slatinski Drenovac, Čeralije, Slanavoda, Rušani, Gaćište, Lisičine und Medinci gegründet werden.
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SOK zwecks Gründung und Unterhaltung neuer katholischer Gemeinden zur Verfügung zu stellen. In Slawonien und Syrmien sollte außerdem das ganze Eigentum der SOK, bis auf einen kleinen Teil, der den neuen katholischen Gemeinden zufallen sollte, den Kolonisten zugeteilt werden. Dem Ministerium waren insbesondere die orthodoxen Klöster ein Anliegen. Katholische Orden sollten sie übernehmen, so z. B. die Kapuziner das Kloster Ravanica/Vrdnik und Trapisten das Kloster in Orahovica, um für die Orthodoxen eine „lebendigere Seelsorge“ zu gewährleisten. In Syrmien sollten dagegen die Klöster den Kolonisten überlassen werden.294 Bischof Akšamović aus Đakovo forderte mehrmals von der Staatsdirektion für Erneuerung die Übernahme der orthodoxen Kirchen und des Besitzes der orthodoxen Kirchengemeinden durch die römisch-katholischen Kirchengemeinden. In seinem Schreiben vom 11. Dezember 1941 empfahl er eine grundsätzliche Umwandlung der orthodoxen Kirchen in katholische. Die Zerstörung der Kirchen war angeblich bei Katholiken wie auch Konvertiten auf Unverständnis gestoßen. Zum Zeitpunkt seines Gesuches war der Abriss der orthodoxen Kirchen in Klokočevik und Topolje aktuell. Bis Mitte Dezember gab es ca. 25.000 Konvertiten in sechs Bezirken auf dem Territorium des Bistums Đakovo. Für die Unterbringung von katholischen Geistlichen, die Durchführung der Seelsorge und Tätigkeit der Gemeinden verlangte Akšamović mobile wie immobile Mittel der ehemaligen orthodoxen Kirchengemeinden. Das bischöfliche Ordinariat war nach dem kanonischen Recht bis zum Erlass des Ministeriums für Justiz und Religion zur Gründung dauerhafter Kirchengemeinden vom 25. November 1941 befugt, in Orten mit Konvertiten oder Kolonisten vorübergehende Vikariate zu gründen.295 Dies änderte sich mit dem Erlass, der außerdem noch die Unterstützung der Seelsorger in Kirchengemeinden und Vikariaten, die für Kolonisten und Konvertiten gegründet wurden, neu regelte. Den Seelsorgern in den Gemeinden mit umgesiedelten und zum römisch-katholischen Glauben konvertierten Mitgliedern wurde untersagt, jedwede Vergütung für seelsorgerische Dienste anzufordern oder eine Kirchensteuer einzuziehen.296 Mit dem Erlass gerieten das Ministerium für Justiz und Religion und die Staatsdirektion für Erneuerung in eine Konkurrenzstellung, weil sie beide über die Gründung neuer Gemeinden und Vikariate entscheiden wollten. Bischof Akšamović geriet dazwischen. Bis zum Erlass behauptete er der Staatsdirektion für Erneuerung gegenüber, dass Planungen neuer Gemeinden unter die Kompetenz des Bistums und des Ministeriums für Justiz und Religion fielen und schuf sich so Frei-
294 HR-HDA-218, 18–5669 Ministerium für Justiz und Religion an das Kolonisationsamt betr. immobiles Eigentum der SOK, 15.11.1941; Ebd., Trapisten aus Banja Luka an Pavelić betr. Übernahme des Klosters in Orahovica, 6.11.1941. 295 Ebd., 28–5513 Bf. Akšamović an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. das Eigentum der SOK, das von Katholiken benötigt wird, 11.12.1941; Ebd., 29–1743 Bf. Akšamović an das Pfarramt in Viljevo betr. Gründung des Vikariates in Kapelna, 12.1.1942. 296 „Zakonska odredba o državnoj pomoći dušobrižnicima župa i župnih ispostava, osnovanih za naseljenike i prelaznike na katoličku vjeru“ [Gesetzliche Verordnung über staatliche Hilfe für die Seelsorger in den Kirchengemeinden und Vikariaten, die für die Siedler und Konvertiten zum katholischen Glauben gegründet wurden]. In: Zbornik zakona, 973.
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raum.297 Indes plante er die Gründung von zehn neuen Vikariaten in Kolonistenund Konvertitensiedlungen. Sie würden, laut Akšamović, vor dem Hintergrund der von der Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung an das Bistum herangetragenen Instruktionen zur Konversion der Orthodoxen notwendig, zumal das Bistum eilig an dem Apostolat der Konversion der Orthodoxen arbeiten müsse.298 Aus Mangel an geeigneten Gebäuden gründete er jedoch bis zum 15. Dezember 1941 nur insgesamt sechs neue Vikariate.299 Es folgten dann weitere Vikariate in Konvertitensiedlungen, so z. B. in Majar für die Konvertiten in Majar und Umgebung. Die dortige serbisch-orthodoxe Kirche wurde umgewandelt.300 Das Vikariat in Majar umfasste 1.386 Konvertiten von insgesamt 1.917 Mitgliedern. Akšamović hingegen rechnete mit einer Zahl von insgesamt 2.500 Konvertiten auf dem Territorium des Vikariates Majar.301 Nun beschwerte sich aber das Ministerium für Justiz und Religion, weil Akšamović die Vikariate ohne Rücksprache mit dem Ministerium gründen ließ.302 Da der Erlass vom 24. November erst am 29. Januar 1942 auch öffentlich proklamiert wurde, sah Akšamović sich im Recht, die Vikariate als Bischof alleine gründen zu dürfen. Bei der Gründung neuer Vikariate spielte auch der Umstand eine Rolle, dass sie von Franziskanern geleitet werden sollten, die von der Staatsdirektion für Erneuerung abgesandt werden mussten. Die Staatsdirektion für Erneuerung unter dem Franziskaner Dionizije Juričev wurde darüber unterrichtet, dass die Pfarrer im Bistum Đakovo die Konkurrenz der Missionare bei den neu zu errichtenden Kirchengemeinden fürchteten. Akšamović machte Juričev deutlich, dass die Pfarrer seines Bistums keinesfalls unzufrieden seien wegen der von der Staatsdirektion für Erneuerung abgesandten Missionare. Schließlich seien diese eine große Hilfe 297 HR-HDA-1076, 497–20061 Bf. Akšamović an die Religionsabteilung bei der Staatlichen Staatsdirektion für Erneuerung betr. ausgeführte Organisation der religionsgesetzlichen Übertritte der Orthodoxen im Großbezirk Baranja, 30.9.1941. 298 Ebd., 511–26651 Bf. Akšamović aus Đakovo an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Vikariate für Kolonisten- und Konvertitensiedlungen, 17.10.1941. 299 Neue Vikariate wurden gegründet in Budimci (Pfarrer Slavko Brajković), Tenja (Pfarrer Franjo Jungert), Bijelo Brdo (Hilfsgeistlicher Nikola Horvat, später Priester Ivan Friedrich), Bračevci (Pfarrer Pogorelc), Markušica (Pfarrer Ivan Javornik) und Dopsin-Vladislavci (Pfarrer Pavao Gencel). HR-HDA-218, 23–6779 Bf. Akšamović an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Gründung neuer Vikariate, 15.12.1941; Ebd., 39–4654 Bf. Akšamović an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Vikariat in Bijelo Brdo, 24.4.1942; Javornik kam aus Slowenien. Er schloss sich im September 1943 den Partisanen an. HR-HDA-1521, 38 Kirchenbericht von Hans Helm, 18.9.1943. 300 HR-HDA-218, 31–1670 Bf. Akšamović an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Vikariat Majar, 15.1.1942 und 12.2.1942; Ebd., Reaktion des Ministeriums für Justiz und Religion, 22.1.1942. 301 Das Vikariat in Majar (642 Personen, davon 267 Konvertiten) umfasste noch die Konvertiten in Hrkanovci (752 Personen, davon 452 Konvertiten), Kondrić, Svetoblažje (370 Personen, davon 340 Konvertiten) und Ovčara (327 Kolonisten). HR-HDA-218, 31–1670 Bf. Akšamović an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Vikariat Majar, 15.1.1942 und 12.2.1942; Ebd., Reaktion des Ministeriums für Justiz und Religion, 22.1.1942. 302 Ebd., 31–1670 Bf. Akšamović an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Vikariat Majar, 15.1.1942 und 12.2.1942; Ebd., Reaktion des Ministeriums für Justiz und Religion, 22.1.1942.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
für die Erteilung des Religionsunterrichtes gegenüber den Konvertiten und würden ohnehin danach in ihre Klöster zurückkehren.303 Auf den Gegensatz zwischen den Franziskanern und dem weltlichen Klerus wird im nächsten Kapitel näher eingegangen werden. Neben den kirchlichen Autoritäten erhob auch der Großgespan von Baranja, Stjepan Hefer, im Januar 1942 Einsprüche gegen die Zerstörung von serbischorthodoxen Kirchen. Er argumentierte für deren Erhalt, weil die meisten Serben im Großbezirk Baranja konvertiert hatten und Kirchenhäuser benötigt wurden. Sein Vorschlag sah nur den Abriss kleinerer orthodoxer Kirchen vor, deren Funktion größere römisch-katholische Kirchen übernehmen sollten. In Zusammenarbeit mit dem bischöflichen Ordinariat in Đakovo sollten ungeeignete Gebäude abgerissen und neue geeignete Gebäude gebaut werden. Dabei sollte auch Rücksicht auf die Beschwerden aus der Bevölkerung genommen werden. Die Konvertiten und „alte“ Katholiken hätten sich wegen des Abrisses beschwert. Die katholische Kirchengemeinde im slawonischen Dorf Dalj war z. B. bis 1943 durch ca. 3.800 Konvertiten auf etwa 7.000 Mitglieder angewachsen. Die dortige Kirche wurde halb zerstört und die Glocken entwendet. Vom Ministerium wurden erhebliche Mittel zur Renovierung beantragt. Für den Ort Čepin erreichte Hefer z. B. die Verwendung von Einnahmen aus Immobilien im Besitz der früheren orthodoxen Kirchengemeinde, was dann durch die Überschreibung des Besitzes der früheren Gemeinde auch für Dalj gefordert wurde.304 Auf der Seite der Laien gab es noch Initiativen zum Erhalt von Gebäuden von den jeweiligen Gemeindevorstehern. Oft wurden bei diesen Initiativen wage Gründe gegen die Zerstörung und für eine Umwandlung genannt. Dass in Dalj z. B. ein orthodoxer Bischof gefangen gehalten worden und gestorben war, welcher während des Rakovica-Aufstandes 1871 an der Seite Eugen Kvaterniks gekämpft hatte, sollte als Grund dienen, Stjepan Hefer positiv für die Überschreibung des Kirchenbesitzes zu stimmen. Es ginge schließlich um die historische Bedeutung dieser Kirche für das Ustaša-Kroatien, argumentierte der römisch-katholische Bauausschuss in Dalj.305 In den bisherigen kirchennahen Publikationen wurde der Umstand, dass die katholischen Pfarrer die Konvertiten nicht in der Matrikel verzeichneten, damit interpretiert, dass der katholische Klerus die Konversionen ohnehin nicht als freie Übertritte wertete. Da sie als reine Rettungsmaßnahmen verstanden wurden und deshalb keine Gültigkeit besaßen, wurden sie auch nicht verzeichnet. Dies mag für viele katholische Pfarrer zutreffend sein. Die mancherorts evidente Rettung der Konvertiten vor der Gewalt der Ustaša soll auch nicht in Abrede gestellt werden. 303 HR-HDA-1076, 497–20061 Bf. Akšamović an die Religionsabteilung bei der Staatlichen Staatsdirektion für Erneuerung betr. ausgeführte Organisation der religionsgesetzlichen Übertritte der Orthodoxen im Großbezirk Baranja, 30.9.1941. 304 HR-HDA-218, 32–2661 Großgespan von Baranja an das Regierungspräsidium betr. die Zerstörung der orthodoxen Kirchen, 16.1.1942; Ebd., 66–557 Großgespan Hefer an das Ministerium für Justiz und Religion, 16.1.1943. – Ebd., zu Dalj: Bf. Akšamović an den Großgespan Hefer 29.12.1942. U. a. hatten sich „alte“ und „neue“ Katholiken aus Čepinski Martinci, Čepin, Dalj, Tenja, Majar, Slatine, Medinci und Gornji Miholjac über den Abriss ihrer Kirchen beschwert. 305 HR-HDA-218, 66–557 Der römisch-katholische Bauausschuss in Dalj an den Großgespan Hefer, 12.10.1942.
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Für solche Handlungen der katholischen Geistlichen finden sich genug Beispiele in kirchennahen Veröffentlichungen und auch in wissenschaftlichen Darstellungen. Ebenso gilt jedoch, dass es für das Jahr 1941 eine große Anzahl an Beispielen gab, in welchen der Klerus mit den Ustaše zusammenarbeitete, um Konversionen warb und die Kirchengemeinden umorganisierte. Der staatlichen Konversionspolitik hatte sich weder der hohe noch der niedere Klerus entgegengestellt, stattdessen versuchte er, seine Kompetenzen im religiösen Bereich zu wahren und die Strategie im Sinne kirchlicher Interessen mitzugestalten. Um explizit das Beispiel der Kirchenmatrikel aufzugreifen, kann gezeigt werden, dass die Eintragungen der in katholischen Kirchen getauften serbischen Kinder und der Konversionen zum Teil auch praktisch undurchführbar waren. Es standen dafür einfach keine Unterlagen zur Verfügung. Einen Tag nach den landesweiten massenhaften Verhaftungen der orthodoxen Geistlichen am 10. Juli 1941 fragte der Generalvikar beim erzbischöflichen Ordinariat in Zagreb das Ministerium für Justiz und Religion, wie mit der Pflege der orthodoxen Matrikel zu verfahren sei. Bei Kindern von orthodoxen Eltern hatte das erzbischöfliche Ordinariat bereits entschieden, dass sie, wenn die Erlaubnis der Eltern vorlag, von römisch-katholischen Geistlichen getauft werden konnten. Für die Eintragungen in die Matrikel in den orthodoxen Parochien und allgemeine Führung der Matrikel schlug der Generalvikar die Besetzung der Pfarrämter mit Personen vor, z. B. Gemeindebeamten, die solche Aufgaben erledigen würden. Seitdem die orthodoxen Priester „geflüchtet“ seien, war die Führung der Matrikel bei Taufen und Sterbefällen zum Erliegen gekommen.306 Auch einzelne katholische Geistliche verlangten im Sommer 1941 die Übernahme der Tauf-, Sterbe-, Heirats- und anderer Register der orthodoxen Kirchen durch die Gemeindeverwaltungen. Ohne die entsprechenden Auszüge konnten sie weder Ehen noch religiöse Übertritte registrieren. So forderte Pfarrer Dionizij Andrašec aus Vukovar nach der „Entfernung der orthodoxen Pfarrer“ die Übernahme der Matrikelbücher und ihre Pflege durch die Gemeindeverwaltungen. Die Großbezirksverwaltung Vuka sollte in Absprache mit dem Ordinariat im Bistum Đakovo die Vorgehensweise bei Taufen, Trauungen und Sterbefällen der Orthodoxen regulieren. Die Großbezirksregierung leitete die Anfrage weiter an die Staatsdirektion für Erneuerung, das Ministerium für Justiz und Religion und an das Innenministerium.307 Wenn die Matrikelauszüge fehlten, konnten z. B. in Zagreb potentielle Konvertiten kein Sittlichkeitszeugnis von der Bezirksorganisation der Ustaša erhalten. Die Ustaša verlangte vom Ministerium für Justiz und Religion eine Auskunft zur Regelung solcher Übertrittgesuche ohne Matrikelauszüge.308 Die für Sittlichkeitszeugnisse zuständigen Behörden forderten ebenfalls die Übernahme der orthodoxen Matrikel durch die Gemeinden. Inzwischen hätte es vermehrt Anfragen nach gültigen Auszügen gegeben, die zum Zweck eines religiösen Übertritts benötigt würden, so der Bezirksverwalter in Slavonski Brod im Juli 1941. Diese 306 Ebd., 2 Das erzbischöfliche Ordinariat an das Ministerium für Justiz und Religion, 11.7.1941. 307 Ebd., 5–515 Pf. Dionizij Andrašec an den Großbezirksvorsteher von Vuka betr. Matrikelbücher der Orthodoxen, 17.7.1941; Ebd., die Großbezirksregierung Vuka an das Ministerium für Justiz und Religion, 25.7.1941. 308 Ebd., 13–2483 Ustaša-Bezirksorganisation Zagreb an das Ministerium für Justiz und Religion, 24.9.1941.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
Praxis war nicht neu. Während des Ersten Weltkrieges hatten in einigen Orten die Gemeindenotare die Matrikel geführt.309 Bei den Eintragungen der Konversionen waren die katholischen Pfarrer auch mit weiteren Problemen konfrontiert. Oft wurden die orthodoxen Matrikeln von den Ustaše auf der lokalen Ebene verbrannt oder durch Kriegseinwirkungen zerstört. Seit dem 5. März 1942 konnte schließlich nur das Ministerium für Justiz und Religion die Übernahme der Matrikel bestimmen.310 Schließlich sei zum Thema Matrikeleintragung darauf hinzuweisen, dass das Sakrament der Taufe von der katholischen wie serbisch-orthodoxen Kirche gegenseitig anerkannt wurde.311 Allein die Erklärung des Übertritts seitens des Konvertiten reichte, um die Konversion zu legitimieren. Die von den Kirchen festgesetzten Auflagen im Bereich der Religionslehre waren dagegen eine Sache der Auslegung und von Situation zu Situation abhängig. Anders als z. B. bei Juden, die in Konversionsbücher eingetragen wurden, reichte bei Konversionen der Orthodoxen nur eine Eintragung in die Matrikel. Ein Sakrament wurde bei einer Konversion nicht erteilt. Für das quantitative Bemessen des Erfolges der Konversionsstrategie sind die analysierten Erklärungen und Anträge auf Übertritt ausschlaggebend und nicht die Eintragungen in die Matrikel. Im letzten Kapitel wird dieser Punkt nochmal aufgegriffen, wenn es um die Erfassung der Übertritte nach 1945 geht. Die religiöse Arbeit des römisch-katholischen Klerus ab September 1941 Das Engagement der Landgeistlichen und Pfarrer bei der Vorbereitung der Übertritte stand nicht selten konträr zu den Absichten der Orts- und Bezirksbehörden. Während der Erzbischof von „Abtrünnigen“, die zurück in die katholische Kirche geholt werden sollten, sprach, zeigte der Klerus Eigeninitiative, die nicht unbedingt mit der Strategie der Behörden übereinstimmte. Das Ministerium für Justiz und Religion richtete eine Beschwerde gegen den Pfarrer in Nova Bukovica im Großbezirk Baranja, Josip Selak, weil er angeblich die Übertritte der Orthodoxen behinderte. Selak handelte nach den Anweisungen des Erzbistums, indem er eingehenden Religionsunterricht von den Konvertiten forderte. Die Bezirksbehörden waren dagegen an einer schnellen Durchführung der Übertritte interessiert, wobei der Religionsunterricht nur eine Bedingung der Kirche war. Es ging schließlich nicht um ein religiöses, sondern um ein politisches Bekenntnis. Pfarrer Selak verteidigte sich gegen die Vorwürfe. Insbesondere war er darüber empört, dass sich das Ministerium für Justiz und Religion, wie das in Ländern ohne „Kulturkampf“ üblich sei, nicht an das Ordinariat in Zagreb gewendet hatte. Sogar im „verfaulten“ Österreich-Ungarn und im „kroatenfressenden“ Jugoslawien seien seine Vergehen über das Ordinariat in Zagreb geklärt oder milde behandelt worden. In diesem Fall handelte es sich um das „Zwiebrachen am Nachbarsacker“, so Selak. Er verlangte innerhalb von acht Tagen die Preisgabe des Namens der Person, die ihn beim Mi309 Ebd., 2 Der Bezirksverwalter in Brod na Savi an die Staatsdirektion für Erneuerung, 15.7.1941. 310 Ebd., 33–2982 Die Gemeindeverwaltung Čepin an die Bezirksregierung Osijek betr. Führung der Matrikel, 16.3.1942. 311 KRišto, Sukob, 185.
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nisterium für Justiz und Religion denunziert hatte. In seinem Schreiben drückte er seine Nähe zum kürzlich verstorbenen Emigranten-Ustaša und Mitglied des UstašaKontrolldienstes, Mijo Babić, aus, wohl um seine Nähe zur Ustaša zu demonstrieren. Selaks Schreiben ist ein gutes Beispiel für das Engagement des Landklerus bei religiösen Übertritten, noch vor der Einleitung der staatlichen Politik. Selak hatte sich schon vor den Rundschreiben des Zagreber Ordinariates und des Ministeriums für Justiz und Religion in der Frage der Orthodoxen bemüht. Bereits am 28. Juni 1941 schrieb er an das Ordinariat, dass er potentielle Konvertiten hätte, aber aus Mangel an Zeit weitere Religionslehrer benötigte. Eine entsprechende Anweisung des Erzbischofs zum Religionsunterricht wurde erst am 11. Juli 1941 verlautbart. Selak drückte sein Unverständnis darüber aus, dass sein vorausschauendes Benehmen in der Frage der Übertritte als eine Störung empfunden wurde. Ab dem 15. Juli habe er die Anmeldungen zur Konversion aus elf Dörfern verfasst. Er habe dies in Krankheit und sogar während seines Urlaubs getan. Selak verriet hier, dass die Regierung vor dem Rundschreiben vom 30. Juli auf telefonischem Wege den Befehl zur Einstellung der Erfassung der Konvertiten gab. Zu diesem Zeitpunkt hatte Selak noch drei Dörfer zu erfassen. Da die Regierung nur bestimmte soziale Gruppen für eine Konversion zulassen wollte, standen die Tätigkeiten von Pfarrern, die Anträge ohne Ausnahmen akzeptierten, den politischen Absichten entgegen. Selak hatte dennoch nicht aufgehört Anträge auf religiösen Übertritt zu sammeln. Am 25. August habe er die Anträge auf Übertritt für diejenigen Konvertiten geschrieben, die vor der telefonisch angeordneten Einstellung der Erfassung der potentiellen Konvertiten bereits ihr Einverständnis abgegeben hatten. Zu seiner Verteidigung bemerkte er außerdem, dass er den vom Ordinariat abgesandten Missionaren kostenlos aufgenommen, unterstützt und ausgehalten habe. Er habe als erster Pfarrer in seiner Umgebung die Errichtung neuer Gemeinden für die Kolonisten und Konvertiten sowie einen flächendeckenden Religionsunterricht verlangt. Nachdem der Missionar am 16. November die Gegend verließ, warb Selak weiterhin für religiöse Übertritte und setzte sich beim Ordinariat für die Weiterführung der Missionstätigkeit ein. „Die ernsthafteste Mahnung“ des Ministeriums für Justiz und Religion nehme er zur Kenntnis und werde sich nie wieder einmischen oder den Ustaša-Chef in Nova Bukovica unterstützen. Die Konvertiten wollte er erst nach der Anweisung des erzbischöflichen Ordinariates auch ordentlich eintragen.312 Die römisch-katholischen Pfarrer versuchten, die Strukturen für eine längerfristige religiöse Betreuung der Konvertiten zu ermöglichen. Anders als bei den Ustaše auf der unteren und mittleren Ebene, gingen die Überlegungen des Klerus über den Akt des Übertrittes hinaus. Darunter wurden Überlegungen zur Umwandlung der orthodoxen Kirchen in katholische, die Beachtung der Entfernung zu den Kirchen und die alten Gewohnheiten der Gemeinden – selbst wenn es sich um abergläubische Symbolik handelte, angestellt. Die Notwendigkeit des Zugehens der Priesterschaft auf die Lebenspraxis und Weltsicht der Laien – hier vor allem der Hinweis auf die abergläubische Symbolik der „traditionellen Vorstellungskreise“ – 312 HR-HDA-218, 18–6260 Pf. J. Selak an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Anschuldigungen gegen ihn, 27.11.1941.
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war im Bestreben der Priesterschaft begründet, ihren Einfluss in diesen Kreisen zu sichern.313 Die Notwendigkeit des Religionsunterrichtes, die Glaubwürdigkeit der religiösen und politischen Vertreter, eine friedliche Politik unter Gewährung der persönlichen Sicherheit und ähnliches gehörten auch zu diesen Überlegungen. Das angestrebte Ziel, zu dessen Unterstützung von der politischen Seite zu diesem Zeitpunkt kaum Impulse kamen, war die Schaffung einer auch de facto katholischen Identität der Konvertiten.314 Die Begründung, dass es sich bei den serbisch-Orthodoxen in Kroatien um frühere Kroaten handelte, wurde in politischen, wie in religiösen Kreisen weitgehend akzeptiert. Lediglich die genaue Bestimmung und Definition der „Abtrünnigen“ war schwierig und der Willkür politischer Akteure ausgesetzt. Die religiösen Akteure hatten den Begriff indes auf die serbische Bevölkerung insgesamt ausgeweitet. Das Beispiel des Pfarrers Selak ist eines von mehreren, die den Willen der Geistlichen verdeutlichen, möglichst viele Menschen zu Mitgliedern ihrer eigenen Kirchengemeinden zu machen. Infolge eines Gesuch des katholischen Pfarrers in Ključ, Antun Lacić, an den katholischen Bischof und Ustaša-Mitglied Josip Garić in Banja Luka315, in welchem Lacić den Bischof bat, sich für die Sicherheit der Konvertiten im Bezirk Ključ einzusetzen, wandte sich Bischof Garić an das Ministerium für Justiz und Religion. Im Bezirk Ključ wurden bereits am 5. September 1941 über 522 Konversionsanträge verzeichnet, davon viele Familienanträge.316 Im Schreiben von Bischof Garić hieß es: „Denn wir wissen, dass es auch Anständige, gerade in diesen Gebieten, unter denen gibt. Auch die sind sich dessen bewusst, dass ihre Vorfahren Katholiken waren, weil dies am besten ihre rein katholischen Nachnamen belegen: Vranković, Vranješ, Vranješević usw., und es gibt Hunderte von ihnen.“317 Ähnlich wie in Nova Bukovica verhielt es sich in Vukovje im Bezirk Garešnica im Großbezirk Bilogora. Die Schuld an der niedrigen Zahl der Konversionen gab der römisch-katholische Pfarrer aus Kaniška Iva, Josip Đurić, der Ustaša-Organisation. In (Veliko)Vukovje seien potenzielle Konvertiten abgewimmelt worden. Der Ortsleiter der Ustaša, Tomo Rogulja, und der Pfarrer Đurić gerieten in einen Streit. Đurić versicherte der Staatsdirektion für Erneuerung, dass er alles Mögliche für den Erfolg der Konversionen unternommen und nichts ausgelassen habe. In Vukovje kam es zu ersten erzwungenen Konversionen landesweit. Die Gemeindeverwaltung hatte bereits im Mai 1941 zusammen mit der dortigen Ustaša-Ortsorganisation die Bevölkerung zum Übertritt gedrängt. Die darauf eingereichten Anträge auf Übertritt einzelner Serben wurden jedoch durch das Gesetz vom 30. Juli 1941 gegen313 bouRdieu, Interpretation, 26; WebeR, Wirtschaft, 284. 314 HR-HDA-218, 29–1864 Bitte des römisch-katholischen Pfarrers aus Ivanić Kloštar an die Bezirksregierung betr. Umwandlung der orthodoxen Kirche in Graberje in eine römisch-katholische Kirche, 19.1.1942; Ebd., die Ablehnung 18. und 22.2.1942. 315 PeRica, Idols, 25. 316 HR-HDA-218 Eingangsregister 1663–2194 (1941). 317 VA-NDH, 69/1/4 Korrespondenz zwischen Ministerium für Justiz und Religion, Bf. Garić, Pf. Lacić und Landwehrministerium betr. Schutz der Konvertiten zum Katholizismus in Ključ, 26.1.–7.2.1942; Bischof Garić wurde vom deutschen Gesandten in Zagreb, Siegfried Kasche, zu Recht als ein national-orientierter Franziskaner eingeschätzt. PAAA-GZ, 207 Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10. und 28.7.1944.
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standslos. Laut Đurić war nicht das Gesetz, sondern der schlampige Umgang mit den Anmeldungen seitens der Verwaltung für die niedrige Zahl der Konversionen verantwortlich. Trotz der abgerungenen und bezahlten Anmeldung zum Übertritt seien die Betroffenen zur Aussiedlung bestimmt worden. Einer erneuten Aufforderung auf Beantragung eines Sittlichkeitszeugnisses nach der Gesetzesänderung vom 30. Juli folgte deshalb nur ein kleiner Teil der Serben. Erst als die Aussiedlungsaktion zum 21. August abgeschlossen wurde, zeigte sich eine latente Bereitschaft zum Übertritt, vor allem unter den Rückkehrern aus den Aussiedlerlagern. Im September wurden schließlich über die Dorfschulzen 316 Familien mit 1.100 Mitgliedern für den religiösen Übertritt erfasst. Die Gerüchte über weitere Umsiedlungen nach Bosnien wirkten sich auch diesmal auf die Bereitschaft der Serben zur Durchführung der Übertritte aus.318 Erst die Verhaftungen von Dorfbewohnern führten zu einer größeren Bereitschaft. Die Dorfbewohner von Vukovje erklärten sich zusammen mit den Bewohnern von Bršljanica und Brinjani in einer Bittschrift an Pavelić am 11. September 1941 zum Übertritt bereit. Das Motiv war die Freilassung ihrer im Lager in Bjelovar inhaftierten Familienangehörigen und Nachbarn.319 Auch in den Nachbardörfern kam die Zahl der Konvertiten erst infolge der Inhaftierungen in Schwung. Am 2. Oktober 1941 leiteten wieder die Dorfbewohner von Vukovje sowie Bršljanica, Rogoža, Čaire und Kutinica eine Bittschrift an Pavelić. Alle Orthodoxen der Bezirke Kutina und Garešnica waren schließlich für einen Übertritt angemeldet. Die Inhaftierten erklärten sich bereit, einen Teil ihres Eigentums an die Kolonisten abzugeben. Die meisten wurden Ende Oktober 1941 freigelassen.320 Bis Anfang November wurde in Vukovje ca. 400 Familien mit ca. 1.500 Mitgliedern ein Sittlichkeitszeugnis erteilt.321 Die Bezirksvertretung in Garešnica berichtete am 31. Dezember 1941, dass in den Orten Veliko Vukovje 105 Familien übergetreten seien und man nun an der Konversion der Orthodoxen aus den Dörfern Stupovači und Kreševine arbeite.322 Dies stellte nur etwa einen Viertel der insgesamt für den Übertritt gemeldeten Personen dar. Die Gesamtzahl der Serben in Vukovje betrug Mitte November 1941 sogar 3.264. Die Freilassung aus dem Aussiedlungslager hatte anscheinend zum Abebben der Antragswelle und der Bereitschaft zum Übertritt überhaupt geführt. Bis Ende November 1941 führten 318 HR-HDA-1076, 584 Gemeindeverwaltung in Vukovje an die Bezirksverwaltung in Garešnica, 10.11.1941; Beschwerde des Pfarramtes in Kaniška Iva gegen die Verwaltung in Vukovje an das Innenministerium, 9.10.1941; Ebd., 584–80 Josip Đurić an die Staatsdirektion für Erneuerung, 11.11.1941. 319 Ebd., 502–22078 Bewohner aus Vukovje an Pavelić, 11.9.1941. 320 Ebd., 515–25075 Im Namen der Bewohner Anwalt Stanić an den Innenminister Artuković, 2.10.1941; Ebd., 218, 14–4573 Anwalt Stanić für 80 in Bjelovar und Požega inhaftierte Garešnica-Familien an das Ministerium für Justiz und Religion, o. D.; Ebd., 15–23768 Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung an Bezirksverwaltung Garešnica betr. Erlaubnis zum Übertritt, 22.10.1941. 321 HR-HDA-1076, 584 Gemeindeverwaltung in Vukovje an die Bezirksverwaltung in Garešnica, 10.11.1941. 322 Državni arhiv u Bjelovaru (HR-DABJ) [Staatsarchiv in Bjelovar], VŽB Velika Župa Bilogora [Großbezirksverwaltung Bilogora], 1, 29 Dragutin Skojić aus Garešnica an das Kommando der Großbezirkspolizei in Zagreb, 31.12.1941.
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auch in der Umgebung nur kleine Teile der serbischen Bevölkerung ihre Konversion zum römisch-katholischen Glauben durch, in der Gemeinde Garešnica z. B. nur 51 von insgesamt 1.609 Serben, obwohl 736 ursprünglich den Übertritt angemeldet hatten.323 Die Bilanz fiel in Kutina etwas besser aus. Anfang Dezember waren 1.073 Serben konvertiert, was ungefähr zwei Drittel der gesamten serbischen Bevölkerung in dieser Region darstellte.324 Die Verwaltung in Vukovje hatte im November 1941 um mehr Priester und Missionare gebeten.325 Es ist unklar, wie die Übertrittsaktion letztlich abgeschlossen wurde. Feststellbar ist, dass in Vukovje und Stupovači bis April 1942 insgesamt 1.320 Personen zum römisch-katholischen Glauben konvertierten. In der ersten Aprilhälfte 1942 wurden die dortigen Kirchen in römisch-katholische Kapellen umgewandelt und der römisch-katholischen Kirchengemeinde in Kaniška Iva unterstellt. Der Pfarrer aus Kaniška Iva, Josip Đurić, bat diesmal das Ministerium für Justiz und Religion um die offizielle Übertragung des gesamten Eigentums der ehemaligen serbisch-orthodoxen Kirchengemeinde an seine Pfarrgemeinde.326 Im Vergleich der vier Untersuchungseinheiten fallen viele Gemeinsamkeiten und kaum Unterschiede in den Abwicklungen der Übertritte vonseiten der Geistlichkeit auf. Allerdings liegen für den bosnischen Großbezirk Usora-Soli keine Quellen vor, die die Aktivitäten der Geistlichen in den Konversionsprozessen genau beschreiben. Im Vergleich zu anderen Großbezirken waren Konversionen in diesen Bezirken auch nicht zahlreich. In Baranja, Vuka und Posavje ähnelten sich die Vorgänge dagegen sehr. Nach der Erpressung der Übertritte durch die Verwaltung und Begehungen der Dörfer durch lokale Funktionäre und Geistliche bereiteten die Geistlichen die Konvertiten vor. Nach der Einreichung der Anträge auf Übertritt in z. B. Nabrđe in der Nähe von Đakovo sandte Bischof Akšamović den Geistlichen Pavo Matijević in das Dorf. Matijević unterrichtete die Einwohner in römisch-katholischer Kirchenlehre und konvertierte zunächst die Jugendlichen an Weihnachten 1941. Der Großgespan Hefer plante, alle Bewohner bis zum Ende des Jahres 1941 zu konvertieren.327 Die Missionare standen mit Juričev von der 323 HR-HDA-1076, 584–582 Gemeindeverwaltung Garešnica an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Konversionen, 28.11.1941. 324 Ebd., Bericht der Bezirksverwaltung in Kutina an die Staatsdirektion für Erneuerung, 9.12.1941; Ebd., Bezirksverwaltung in Garešnica an die Staatsdirektion für Erneuerung, 18.11.1941. 325 Ebd., Gemeindeverwaltung in Vukovje an die Bezirksverwaltung in Garešnica, 10.11.1941. 326 HR-HDA-218, 39–4717 Das Pfarramt in Kaniška Iva an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Öffnung und Übergabe der Kirchen an Konvertiten, 27.4.1942. 327 HR-HDA-1076, 584 Bericht über Konversionen vom Großgespan Hefer an die Staatsdirektion für Erneuerung, 10.11.1941; RS-AS-KFA, 19 Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Pf. Marko P. Vitac, Višnjica, 30.4.1942; Für ausführliche Informationen zu Ereignissen in Nabrđe und umliegenden Dörfern Paučje, Čenkovo und Milinci HR-HDA-218, 30–2148 Beschluss des bischöflichen Ordinariats in Đakovo an das Ministerium für Justiz und Religion über die Gründung eines neuen Vikariats in Paučje, 3.3.1942; BArch RH/31, III 7 Anlage 2 zum Bericht der deutschen Gesandtschaft Zagreb, 26.10.1942; PAAA-GZ, 243 Vermerk von Hauptamtsleiter Gasteiger über die Aussiedlung der Serben aus der Umgebung von Mandičevac, Osijek, 31.8.1942; Ebd., 238 Altgayer an die dt. Gesandtschaft, 3.11.1942; Ebd., Vermerk des Kreisleiters von Unterdrau, 29.10.1942.
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Staatsdirektion für Erneuerung in Verbindung, wobei die Kommunikation auch persönliche Züge hatte.328 Die Missionare sandte in der Regel das zuständige Bistum, nachdem die Staatsdirektion für Erneuerung Bedarf anzeigte. Die Einstellung zu Konversionen sei positiv und die Situation solle genutzt werden, schrieb der Pfarrer in Sunja an die Staatsdirektion für Erneuerung. Für die Konversion von etwa 5.000 Personen im Ort Staza forderte er zwei Missionare.329 In Bračevci im Großbezirk Baranja wurde zunächst nach kleineren baulichen Veränderungen die orthodoxe Kirche in eine römisch-katholische umgewandelt. Daraufhin befahl die Gemeindeleitung allen Serben zum römisch-katholischen Glauben zu konvertieren. Am verabredeten Tag warteten vier katholische Geistliche auf die Dorfbevölkerung in der Kirche. In der Predigt ging es um die katholische Herkunft der Versammelten, die durch die Annahme des Glaubens der „Urväter“ zu Kroaten werden würden. Anschließend folgten die Beichte und Kommunion aller Konvertiten. Die Geistlichen stammten aus Podgorača im Bezirk Našice sowie Drenje und Striživojna im Bezirk Đakovo. Einer der Geistlichen stammte aus Slowenien. Er wurde als neuer Pfarrer in Bračevci eingesetzt, doch nach kurzer Zeit wieder abgelöst, weil er sich angeblich zu gut mit den Gemeindemitgliedern verstand. Der Priester aus Striživojna kam darauf jeden Sonntag nach Bračevci, um einen für alle Gemeindemitglieder verpflichtenden Gottesdienst zu halten. Im Herbst 1941 gründete Bischof Akšamović ein Vikariat für die Konvertiten in Bračevci.330 Die Bereitschaft zu Übertritten war geringer, wenn die lokale Verwaltung und die Ustaše keine direkte physische Gewalt anwandten. Im Dorf Trpinja im Großbezirk Vuka zog sich der Prozess von Oktober 1941 bis Mai 1942 und erforderte mehrere Besuche von katholischen Geistlichen. Trpinja zählte mit 550 Familien ca. 2.200 Einwohner. Mitte Oktober besuchte zunächst ein Franziskaner-Guardian das Dorf, vermutlich handelte es sich um Stjepan Rade. Rade war von Bischof Akšamović zur Mission im ganzen Bistum ermächtigt worden. Aus seiner Korrespondenz ist ersichtlich, dass er mit dem Leiter der Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung befreundet war. Vor der versammelten Gemeinde verkündete er, dass die Orthodoxen früher katholisch gewesen seien und es nun wieder werden könnten, um gleichberechtigt mit den Kroaten im neuen Staat zu leben. Darauf besuchte auch der römisch-katholische Religionslehrer aus dem Gymnasium in Vukovar, Silvester Zubić, drei bis vier Mal Trpinja. Seine Besuche waren immer angemeldet, so dass sich die Gemeinde in der serbisch-orthodoxen Kirche versammeln konnte. Der Religionslehrer drohte den Dorfbewohnern mit Lagerhaft und Enteignung, falls sie nicht konvertierten. Die „Mutter Russland“ könne ihnen 328 HR-HDA-1076, 584–126 Z. B. Verzeichnis der Konvertiten in Dvor, Pavao Dodić an die Staatsdirektion für Erneuerung, 10.12.1941 sowie Dodić persönlich an Dionizije Juričev, 14.12.1941. 329 Ebd., 503–22485 Katholischer Pf. aus Sunja an Staatsdirektion für Erneuerung betr. Übertritte der Orthodoxen aus Staza, 7.10.1941. 330 RS-AS-KFA, 19 Bericht für das KFA in Belgrad von der Hausfrau Jelena Arsenić, Belgrad, 26.10.1942; HR-HDA-1076, 511–26651 Bf. Akšamović aus Đakovo an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Vikariate für Kolonisten- und Konvertitensiedlungen, 17.10.1941. Das Vikariat leitete Petrović Mato.
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nicht helfen und es könne keine „Serbenherrschaft“ im kroatischen Staat geben.331 Darauf besuchte auch ein römisch-katholischer Geistlicher aus Herzegowina, Mijo Ču(j)ić, einige Male im November 1941 das Dorf. Daraus resultierten etwa 30 Anmeldungen zum Übertritt. Vor der versammelten Gemeinde in der Schule erörterte er den Willen der kroatischen Regierung, die Orthodoxen zu konvertieren, und erklärte, dass es Gott ohnehin gleich sei, wie jemand das Vaterunser bete. Im Februar 1942 folgte wieder ein Besuch des Franziskaners Stjepan Rade. Innerhalb der folgenden drei Wochen hielt er täglich vor der versammelten Gemeinde Religionsunterricht, zunächst im Schulgebäude und anschließend in der serbisch-orthodoxen Kirche. Die Teilnahme der Dorfbewohner am Religionsunterricht und auch an Gottesdiensten war verpflichtend. Die Bezirksregierung Vukovar sowie die Gemeindeverwaltung in Trpinja verstärkten den Druck auf die Bevölkerung. Schließlich konvertierten drei Viertel des Dorfes am 12. März 1942. Der Franziskaner Rade leitete die Feierlichkeit, an der mehrere Mönche aus Vukovar sowie Vertreter der Bezirksregierung teilnahmen. Mit drei erhobenen Fingern legten die Konvertiten einen Eid ab. Er verpflichtete sie der Abkehr vom serbisch-orthodoxen Glauben und der Annahme des römisch-katholischen. Ein Bankett wurde im Schulgebäude ausgerichtet, bei dem der Guardian eine Rede über die rechtliche Gleichstellung der Konvertiten mit den Kroaten hielt. Die serbisch-orthodoxe Kirche in Trpinja wurde in eine römisch-katholische Kirche umgewandelt. Seit Juni 1942 wurde sie vom römisch-katholischen Pfarrer Stjepan Ognjanov geführt. Ognjanov pflegte gute Beziehungen zu den Konvertiten und zwang sie auch nicht zum Gottesdienst.332 Die oben beschriebenen und mit viel Gewalt durchgesetzten religiösen Übertritte im bosnischen Bezirk Brčko führte der jesuitische Pfarrer Dr. Ilija Violoni aus Brčko durch. Violoni fiel als Förderer von Verhaftungen auf, beispielsweise von Familienangehörigen der sich im Widerstand befindenden Partisanen in Brčko. Violoni verpflichtete die Konvertiten zum abendlichen Religionsunterricht und führte die Konvalidation der in der orthodoxen Kirche geschlossenen Mischehen durch. Der Religionsunterricht wurde in der Kirche an zehn Abenden erteilt. Violoni predigte während des Unterrichtes aus dem alten und neuen Testament und beendete den Unterricht auf den Knien vor den versammelten Konvertiten, während er das Vaterunser und Ave Maria betete. Die Konvertiten mussten Gebetsbücher anschaffen. Vor der Kirche beobachteten Beamte die Teilnahme am Religionsunterricht.333 331 HR-HDA-218, 32–2795 Der Geistliche Rade an Glavaš, 13.2.1942; RS-AS-KFA, 18 Bericht für das KFA in Belgrad von der Grundschullehrerin Nada Relić, Belgrad, 4.8.1943; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Pf. Spasoje Vukotić, Belgrad, 24.4.1942. 332 RS-AS-KFA, 9 Bericht für das KFA in Belgrad von der Grundschullehrerin Nada Relić, Belgrad, 4.8.1943; HR-HDA-1076, 584–293 Selbstarbeitsbericht von Mijo Čuić an die Großbezirksregierung Vuka. Von dort aus wurde der Bericht an die Staatsdirektion für Erneuerung weitergeleitet, 27.11.1941. 333 HR-HDA-1076, 584 Bericht des Bezirksleiters in Brčko an die Staatsdirektion für Erneuerung über Übertritte in Brčko, 3.12.1941; VA-NDH 177/3/56 Schreiben der Partisanen in Brčko an Violoni, 9.7.1943; RS-AS-KFA, 9 Bericht an die Hl. Erzb. Synode von S. L., o. D.; Ebd., Zum Übertritt aller Serben in Brčko, Bericht an den Erzpriester (protojerej), unbekannter Ort, von Tomo (ohne Nachnahmen), 25.12.1941; Ebd., Bericht darüber, dass die Entscheidung des Bischofs abgewartet wurde an die Hl. Erzb. Synode von Priester Milan J. Dojčinović, Belgrad,
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Beim Konversionsakt legte der Konvertit seine Hand auf das Evangelium und sprach dem Pfarrer nach: „Ich sage dem falschen Glauben ab, der mir aufgezwungen wurde, und erkenne nur den katholischen Glauben an. Amen.“334 Ein zweiter Pfarrer nahm die Beichte ab und ein dritter erteilte die heilige Kommunion. An alle Konvertiten wurden Flugblätter verteilt, in denen stand, dass die kroatischen Serben vorher Katholiken gewesen waren, die von Serben aus Serbien zur Orthodoxie konvertiert wurden. Der orthodoxe Glaube sei aber der falsche, der katholische der einzige und echte. Der Übertritt geschehe freiwillig und eigenwillig, hieß es. Deswegen müsse jeder Konvertit für immer katholisch bleiben und nicht nur zeitweilig und formal. Der Pfarrer Violoni erzählte den Konvertiten, dass die katholische Kirche in Brčko zur Hälfte mit den Mitteln ihrer Vorfahren errichtet worden sei.335 Die Konversionspolitik erforderte hohe personelle und materielle Ressourcen. Die Kostendimension der Konversionspolitik kann am besten am Beispiel des Großbezirks Baranja verdeutlicht werden. Bis Ende Oktober 1941 gab Baranja über 52.000 Kuna für Reiseauslagen – inklusive Fahrzeuge und Fahrer – und die Gehälter der Geistlichen sowie für die Katechismen und ähnliches Material aus. Für die Kosten kam die Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung auf. Der größte Ausgabenposten in Baranja in Höhe von mehr als sieben Tausend Kuna im Herbst 1941 betraf die Missionsarbeit der von Erzbischof Akšamović beauftragten Franziskaner und Weltgeistlichen.336 Die Franziskaner hatten für ihre Missionsarbeit in der Baranja Anspruch auf 100 Kuna täglich, die von der Staatsdirektion für Erneuerung und der Generaldirektion der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausbezahlt wurden.337 Auf der Gehaltsliste standen im Herbst 1941 vor allem Sidonije Šolc und Franjo Vukomanović, sowie die Patres Rado, Margaretić und Miletić.338 Die Gehälter der regulären Geistlichen bezahlte dagegen weiterhin das Ministerium für Justiz und Religion. Ein Pfarrer in einer neugegründeten römisch-katholischen Kirchengemeinde oder in einem Vikariat erhielt seitens des Ministeriums für Justiz und Religion ein Gehalt von ca. 3.000 Kuna monatlich.339 Doch weder verliefen die Zahlungen reibungslos noch waren die Geistlichen mit der Höhe der Zahlungen zufrieden. Seit einem Beschluss vom 19. Januar 1942 erhielten die Geistlichen in den neugegründeten Kolonisten- und Konvertitengemeinden direkte Zulagen. Nach der Auflösung der Staatsdirektion für Erneuerung im Januar 1942 blieben viele auf ihren Ausgaben sitzen.340
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16.5.1942; Ebd., Zur Zeitangabe des Übertritts Bericht für das KFA in Belgrad von der Hausfrau Vera Maksimović, 8.6.1942. RS-AS-KFA, 9 Bericht an die Hl. Erzb. Synode von S. L., o. D. Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode vom Priester Milan J. Dojčinović, Belgrad, 16.5.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode von S. L., o. D. HR-HDA-1076, 584 Kostenaufstellung Hefers an die Religionsabteilung, 8.11.1941. HR-HDA-218, 32–2600 Großgespan von Baranja an Glavaš betr. Zahlungen an Franziskaner für religiöse Übertritte, 17.3.1942. HR-HDA-1076, 584 Kostenaufstellung Hefers an die Religionsabteilung, 8.11.1941. HR-HDA-218, 29–1743 Bf. Akšamović an das Pfarramt in Viljevo betr. Gründung des Vikariates in Kapelna, 12.1.1942. Ebd., 32–2600 Großgespan von Baranja an Glavaš betr. Zahlungen an Franziskaner für religiöse Übertritte, 17.3.1942; Ebd., Eingangsregister 5926–5928 (1942). Seit Mai 1942 wurde
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
4. DAS AUSMASS DER KONVERSIONSPOLITIK Nach dem Kriegsende wurden alle religiösen Übertritte aus den vergangenen vier Jahren für ungültig erklärt. Die Konvertiten wurden wieder Mitglieder ihrer alten Glaubensgemeinde.341 Die Analysen der Konversionsverfahren in den einzelnen Bezirken zeigten, dass die Konversionspolitik in Ostkroatien erfolgreich durchgeführt wurde und beinahe alle Serben, die nach den ersten Vertreibungen und Aussiedlungen im Sommer und Herbst in ihren Heimstätten verblieben waren und sich (noch) nicht dem Widerstand angeschlossen hatten, zum katholischen Glauben konvertiert wurden. Die massiven Bevölkerungsverschiebungen zwischen 1941 und 1945 und in der unmittelbaren Nachkriegszeit erlauben jedoch keine absoluten Zahlen. Für Bosnien und Herzegowina wurde ebenso ein relativ großer Erfolg in den kroatisch dominierten Bezirken entlang der kroatisch-bosnischen Grenze im Großbezirk Posavje aufgezeigt. Beim Großbezirk Usora-Soli kann dagegen nicht von einem Erfolg ausgegangen werden. Zur Veranschaulichung der Situation in Bosnien und Herzegowina können noch Nachkriegserhebungen zur Zahl der Konversionen herangezogen werden, die von der Heiligen Synode der serbisch-orthodoxen Kirche initiiert wurden. Am 29. Oktober 1945 bat die Belgrader Landeskommission für Religionsfragen des Präsidialamtes der Volksregierung Serbiens das Ministerium für Bosnien und Herzegowina in Sarajevo um die Erhebung von Daten zu den während des Krieges stattgefundenen Konversionen. Das Ministerium für Bosnien und Herzegowina sollte von den religiösen Autoritäten der römisch-katholischen, der griechisch-katholischen und der evangelischen Kirche sowie der islamischen Gemeinschaft Verzeichnisse anfordern und sie an die Heilige Synode der serbisch-orthodoxen Kirche weiterleiten. Es handelte sich um Verzeichnisse der in die jeweiligen Register und Kirchenbücher eingetragenen Konvertiten. Das Ministerium für Bosnien und Herzegowina übergab die Zuständigkeit in dieser Angelegenheit anschließend dem Präsidialamt der Volksregierung und seiner Landeskommission für Religionsfragen, die sich in Sarajevo befand.342 Die nun für Bosnien und Herzegowina zuständige Landeskommission für Religionsfragen erbat ihrerseits am 28. März 1946 von den zwei bischöflichen Ordinariaten in Mostar und Banja Luka, dem erzbischöflichen Ordinariat in Sarajevo, dem Franziskaner Provinzialat in Sarajevo sowie von den griechisch-katholischen, evangelischen, altkatholischen und muslimischen Religionsgemeinschaften in Bosnien und Herzegowina die Konvertitenverzeichnisse der Kriegszeit. Von allen Religionsgemeinschaften wurden zudem Zahlen zur tatsächlichen personellen und materiellen Lage der Gemeinden verlangt. Das selbst die staatliche Hilfe auch an Bischöfe und den Klerus der evangelischen und katholischen Kirchen ausbezahlt; biondich, Religion, 110. 341 ABiH-Vl. RBiH, 02-Zakonodavstvo 1946 Landeskommission für Religionsfragen in Serbien an das Ministerium Bosnien und Herzegowinas betr. den Auftrag zur Erfassung von Konvertiten, 29.10.1945; tomaSevich, Occupation, 548. 342 ABiH-Vl. RBiH 02-Zakonodavstvo 1946 Landeskommission für Religionsfragen der Republik Serbien an das Ministerium Bosnien und Herzegowinas, 29.10.1945. Der Präsident der Kommission hieß H. Ljubunčić.
4. Das Ausmaß der Konversionspolitik
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erklärte Ziel dieser Erhebung war eine Normalisierung des angespannten Verhältnisses zwischen Staat und Kirche.343 In den folgenden Monaten nach dem Aufruf vom 28. März 1946 gingen ca. 90 Berichte und Statistiken einzelner Gemeinden und Ordinariate bei der Landeskommission für Religionsfragen in Sarajevo ein. Sie enthielten meistens namentliche Verzeichnisse der Konvertiten und Angaben zum Datum und Ort der Konversion sowie zum Geburtsort des Konvertiten.344 Die Berichte waren sehr lückenhaft und die Erfassung der Konversionen zur römisch-katholischen Kirche stellte sich als schwierig dar. Z. B. vermeldete am 13. April 1946 das Ordinariat in Sarajevo, dass die Grenzen seines Erzbistums nicht über die politischen Grenzen des Landes Bosnien und Herzegowina reichten und es so auch während des Krieges keine Konvertiten vom Territorium der Volksrepublik Serbien gegeben hätte und solche in diesem Erzbistum auch nicht verzeichnet worden seien. In einem weiteren Schreiben berichtete das Ordinariat, dass es aufgrund von Kriegsschäden nicht möglich wäre, über die materielle Lage der Gemeinden Auskunft zu geben.345 Anscheinend verärgert über die Antwort des Ordinariates wies die Kommission in zwei Antwortschreiben vom 18. Mai 1946 auf die Dringlichkeit der Erledigung in dieser Sache bis zum Ende des Monats Mai hin und erklärte noch einmal deutlich, welche Listen aus welchem Zeitraum sie benötigte.346 Aus Sarajevo antwortete darauf der Generalvikar, dass die katholische Kirche niemals Menschen genötigt hätte, den römisch-katholischen Glauben anzunehmen. Nach einer erneuten und ausdrücklichen Aufforderung, bei gleichzeitiger Beschuldigung des Ordinariates, dass es die Daten absichtlich nicht aushändigen wollte, reichte schließlich das Sarajevoer Ordinariat am 21. Juni 1946 eine unvollständige Liste zur personellen und materiellen Lage des unter seiner Zuständigkeit liegenden Erzbistums Vrhbosna ein. Noch einmal bekräftigte es, dass die Konvertiten keine Anschuldigungen gegenüber katholischen Priestern erhoben hätten. Im dazugehörenden Begleitschreiben verteidigte sich der Generalvikar, man habe der Kommission die Zuständigkeit nicht absprechen wollen. Es sei nicht bekannt, dass die Priester im Erzbistum Vrhbosna Übertritte zur römisch-katholischen Kirche erzwungen hätten.347 Am 8. August 1946 folgte endlich ein Teilverzeichnis der Konvertiten aus den Gebieten seiner Zuständigkeit. Es beinhaltete aber nur 23 einzelne Listen aus 23 Gemeinden. Die erhobene Zahl der Konvertiten betrug ca. 1.600. Ein Drittel aller 312 Konversionen in der Gemeinde Herz Jesu (Srca Isusova) in Sarajevo fanden vor dem 15. September statt, ein weiteres Drittel im Jahr 1942.348 Ähnliche Schwierigkeiten wegen verbrannter Matrikelbücher, schlechten Verkehrswegen oder fehlendem Personal wurden auch von zwei anderen bosnischen 343 Ebd., Schreiben vom 26/13.4.1946 sowie 13.6.1946. 344 Ebd., 1946, 1948. 345 Ebd., 1946 Das bischöfliche Ordinariat (Generalvikar) in Sarajevo an die Landeskommission für Religionsfragen, 13.4.1946. 346 Ebd., Die Landeskommission für Religionsfragen an das bischöfliche Ordinariat in Sarajevo, 18.5.1946. 347 Ebd., Schreiben vom 21.6.1946, 13.6.1946, 31.5.1946 und 21.6.1946. 348 Ebd., Verzeichnis, 9.8.1946.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
Bistümern aus Banja Luka und Mostar vermeldet. Anders jedoch als die Korrespondenz mit dem Ordinariat aus Sarajevo enthielten die Schreiben aus Banja Luka und Mostar Näheres über die direkte Behandlung der Übertritte in den Kirchengemeinden. Aus Banja Luka und von dem Provinzialat der Franziskaner aus Sarajevo gingen die Verzeichnisse erst nach mehrfachen Aufforderungen bis zum Sommer 1946 ein. Die Zahlen, die für das Bistum Banja Luka angegeben wurden, erfassten ca. 1.200 Konvertiten zum römisch-katholischen Glauben. Die Franziskanergemeinden erfassten ca. 700 Konvertiten.349 Aus dem Bistum Mostar wurden trotz erheblichen Druckes seitens der Behörden vermutlich überhaupt keine vollständigen Berichte eingereicht. Aus dem bischöflichen Ordinariat in Mostar antwortete am 12. April 1946 der dortige Bischof, Petar Čule, dass die Übertritte ohnehin nicht in die Matrikelbücher eingetragen wurden, da es sich um politisch diktierte Übertritte handelte. Auf den Befehl höherer Kirchenorgane wurden sie auf Blätter gewöhnlichen Papiers verzeichnet, die aber bald verschwanden, da ihnen keine Bedeutung beigemessen wurde. Für die römisch-katholische Kirche waren solche Übertritte ungültig, da sie nur zugelassen wurden, um die serbisch-orthodoxe Bevölkerung zu schützen, führte Čule aus. Daraufhin forderte die Kommission am 20. Mai 1946 zumindest einen unvollständigen Bericht vom Ordinariat in Mostar an, bekam jedoch keine Antwort.350 Darüber sichtlich aufgebracht beschuldigte die Kommission das bischöfliche Ordinariat in Mostar, dass es sich mit kontradiktorischen Aussagen der Zusammenarbeit entziehen wollte, da laut Čules Aussage die Matrikel einerseits verbrannt und andererseits die Übertritte nicht in die Matrikel eingetragen worden waren. Die Kommission hob hervor, dass davon ausgegangen werden muss, dass die Kirchenführung in Bosnien und Herzegowina einheitlich sei. In Sarajevo und Banja Luka seien die Konversionen in die Matrikelbücher eingetragen worden, so könne man sich nicht vorstellen, dass es in Mostar anders gewesen sei. Es sei zudem merkwürdig, dass vom ganzen Gebiet der Herzegowina bisher keine einzige Liste der Konvertiten eingereicht wurde. In Bosnien herrschten schwierigere Bedingungen und trotzdem seien die Berichte längst eingetroffen.351 Aus Mostar folgte am 31. September 1946 die Auskunft, dass die Kirchenpraxis in Bosnien und Herzegowina keinesfalls einheitlich wäre und jeder Bischof unabhängig handelte. Hier gestand Petar Čule ein, dass manchmal doch einige wenige Übertritte in die Kirchenbücher eingetragen wurden, wenn befunden wurde, dass sie aus freiem Willen geschahen. Auch der Bericht des Franziskaner Provinzialats in Sarajevo bestätigte, dass den Konvertiten gewöhnlich nur eine Bescheinigung über die Anmeldung zum Übertritt ausgestellt wurde, die angeblich vor weiterer Verfolgung schützte. In zwölf Gemeinden seien 349 Ebd., Schriftverkehr zwischen dem bischöflichen Ordinariat unter Miron Kozimović/ Kazinović, dem Franziskaner-Provinzialat unter Jeličić und der Landeskommission für Religionsfragen der RBiH unter Ljubunčić, 12.4.1946, 9.4.1946, 16.4.1946, 16.5.1946, 25.5.1946, 18.5.1946. 350 Ebd., Korrespondenz zwischen der Landeskommission für Religionsfragen und dem bischöflichen Ordinariat in Mostar, 12.4.1946, 20.5.1946, 20.4.1946 und 31.9.1946. 351 Ebd., Landeskommission für Religionsfragen an das bischöfliche Ordinariat in Mostar, 21.9.1946.
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jedoch die Konvertiten in die normalen Matrikelbücher eingetragen worden und lägen dem Schreiben bei, so das Provinzialat der Franziskaner.352 Da keine Daten aus der Herzegowina bei der Religionskommission eingingen, können nur für Bosnien einige Zahlen zu bestimmten Gemeinden errechnet werden.353 Die aus diesen Quellen extrahierten Zahlen stehen in starkem Widerspruch zu den Zahlen der Ustaša-Verwaltung. Aus dem Material der Religionskommission entfallen etwa auf die Ordinariate Banja Luka und Sarajevo sowie das Franziskaner Provinzialat nur etwa 3.500 Konvertiten vom serbisch-orthodoxen zum römisch-katholischen Glauben. Verglichen mit den von den Ustaša-Behörden alleine z. B. für den Bezirk Derventa gezählten 5.000–7.000 Konvertiten ist die Zahl von 3.500 Konvertiten für ganz Bosnien sehr niedrig. Für die Gemeinden im ganzen Bezirk Derventa wurden dabei in den Listen der Kirchengemeinden insgesamt nur 34 Konvertiten zur römisch-katholischen Kirche aufgeführt. Ob eine durchgeführte Konversion auch Eingang in die Kirchenmatrikel fand, ist heute schwierig festzustellen. Die von der Landeskommission für Religionsfragen in Bosnien und Herzegowina erhobenen Daten über die eingetragenen Konversionen stellten nur einen Bruchteil der aus der Korrespondenz der NDH-Behörden und Ämtern ersichtlichen Dichte der Konversionsfälle dar. Es ist möglich, dass der Mangel an personellen und materiellen Ressourcen in den Pfarrämtern eine zeitnahe Eintragung verhinderte. In manchen Gemeinden scheint es jedoch problemlos funktioniert zu haben. Z. B. verzeichnete das römisch-katholische Pfarramt in Čepin bei Osijek alle Konvertiten in die regulären Matrikel.354 „Diejenigen, die nicht zum Verstand gekommen sind [Kinder u. Jugendliche A. d. Verf.], einfach in das Konvertitenbuch eintragen“, schrieb der Bischof in Banja Luka an den Pfarrer in Banja Luka im Zusammenhang mit einem Konversionsantrag.355 Möglich ist auch, dass die einzelnen Geistlichen die Übertritte nicht verzeichneten, weil sie sie nicht als „echte“ Übertritte aus religiöser Überzeugung betrachteten. Eine weitere Möglichkeit ist, dass der Klerus die Übertritte zwar in die Matrikel eingetragen, aber die Eintragungen nach dem Krieg wieder vernichtet hatte, um die Vorwürfe des Proselytismus und der Beteiligung der Kirche an den Ustaša-Verbrechen überhaupt abzuwehren. Letztlich ist auch möglich, dass die bischöflichen Ordinariate gegenüber der Religionskommission falsche Angaben machten. Schließlich griff die jugoslawische bzw. Landesregierung in den Kriegsverbrecherprozessen gegen den Klerus durch. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung befanden sich bereits viele Geistliche in Haft. Zudem wurde derzeit auf der Grundlage der fortschreitenden 352 Ebd., Schreiben vom 30.9.1946, 16.5.1946. 353 Ebd., Verzeichnisse sind vorhanden zu folgenden Gemeinden in Bosnien: Banja Luka, Barlovci, Bihać, Bistrica, Bosanska Gradiška, Bosanski Šamac, Breza, Busovača, Crkvica, Čemerno, Derventa, Doboj, Dolac, Golo Brdo, Gorica, Gromiljak, Guča Gora, Jajce, Kiseljak, Kotor Varoš, Kreševo, Livno, Modriča, Morančani, Mrkonjić Grad, Ostrožac, Ovčarevo, Plehan, Poljaci, Poljane, Sanski Most, Sarajevo, Stup, Teslić, Tuzla, Travnik, Zenica, Zovik, Žabljak, Žepče und ein unleserlicher Ortsname. 354 HR-HDA-218, 33–2982 Die Gemeindeverwaltung Čepin an die Bezirksregierung Osijek betr. Führung der Matrikel, 16.3.1942. 355 VA-NDH 199 Das bischöfliche Ordinariat, gez. der Bischof, in Banja Luka an den Pf. Bilogrlić in Banja Luka, 27.1.1942.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
Agrarreform das über dem zulässigen Minimum liegende Eigentum der Kirche einkassiert. Das Verhältnis zwischen dem neuen jugoslawischen Staat und der römisch-katholischen Kirche war durch die Enteignungen und Prozesse gegen den Klerus belastet. Eine Verweigerung der Zusammenarbeit ist auch aus diesem Grund nicht auszuschließen. Insbesondere viele unter der Verwaltung der Franziskaner stehende Kirchengemeinden blieben völlig ohne Eigentum, da z. B. das Eigentum dieser Gemeinden bereits unter der österreichisch-ungarischen Verwaltung in den Grundbüchern unter dem Besitz einer größeren Einheit, in diesem Fall meistens eines Klösters, zusammengefasst wurde. So ein Kloster erschien dadurch als überaus vermögend und wurde bis auf das zulässige Minimum enteignet. Einzelne Gemeinden verloren damit alle Güter. Außerdem sorgte das neue Personenstandsgesetz für Spannungen zwischen Staat und Kirche. Der Staat übernahm die Pflege der Personenstandsbücher von den einzelnen religiösen Gemeinschaften. Die kirchlichen Personenstandsregister verloren mit dem Stichtag 9. Mai 1945 an Gültigkeit und wurden von staatlichen Standesämtern abgelöst. Die bis dahin gemachten Einträge behielten ihre Beweiskraft und die Kirchen konnten sie auch weiterhin führen, jedoch nur für Kirchenzwecke. 1948 übernahm der Staat schließlich auch alle bis 1945 geführten kirchlichen Personenstandsbücher.356 5. ERGEBNISSE Das erste Kapitel erörterte mit einer komplexen und regional-vergleichenden Analyse einerseits die Ursprünge, die Organisation und die Praxis der religiösen Übertritte der orthodoxen Serben zum römisch-katholischen Glauben und beleuchtete andererseits die Beweggründe und Ziele der beteiligten Netzwerke und Akteuere. Die Homogenisierungspolitik der Ustaša wurde in Bezug zum Ausbau der Monopolstellung der römisch-katholischen Kirche im NDH gesetzt. Die engen Beziehungen zwischen der Ustaša-Bewegung und der römisch-katholischen Kirche im Frühjahr 1941 waren im gemeisamen Interesse an der kroatischen Eigenstaatlichkeit und der Unabhängigkeit von Serbien begründet. Vor allem der römisch-katholische Klerus und die katholischen Ordensgemeinschaften, aber auch andere christliche Kirchen und die muslimische Glaubensgemeinschaft legitimierten den NDH und übernahmen einige wichtige Staatsämter. Sie stillten das Rechtfertigungsbedürfnis der Ustaša im Gegenzug zu mehr Macht und Einkünften. Die als Zivilreligion einzuordnende und vom Ustaša-Regime gewünschte Rolle der Religion im NDH diente der Staatssicherung und Sakralisierung der Staatspolitik. Die Ustaša war 356 ABiH-Vl. RBiH, 02-Zakonodavstvo 1946 Konvolut aus Korrespondenzen und Verzeichnissen zwischen der Landeskommission für Religionsfragen und religiösen Institutionen zur materiellen und personellen Lage der einzelnen religiösen Gemeinschaften, zu Kriegsschäden, zur Agrarreform sowie zum Personenstandsgesetz und den Konversionen, die im Zeitraum 1945– 46 geführt wurden; Zur Liste der von der Partisanenregierung unter Anklage gestellten katholischen Priester Pattee, Richard: The case of Cardinal Aloysius Stepinac. Milwaukee 1953, 163. Darunter waren auch die später in der Studie erwähnten Cecelja, Astaloš, Berković, Bralo, Glavaš, Čuić, Kamber u. a.
5. Ergebnisse
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eine sekulare Bewegung, die Religion für den Erhalt der politischen Selbstbestimmung vereinnahmte. Ihr gelang es, die Interpretation religiöser Traditionen zeitweilig zu übernehmen, und dies geschah meistens durch die direkte Instrumentalisierung religiöser Akteure. In ihrer religiösen Arbeit wirkten viele Priester, Pfarrer und Mönche auf der lokalen, regionalen und der staatlichen Ebene mit den staatlichen Institutionen und Verwaltungen an der Organisation der religiösen Übertritte mit. Die Praxis der erzwungenen religiösen Übertritte ging jedoch nicht von religiösen Akteuren aus. Sie war ein Produkt von Interdependenzen zwischen den Situationen auf der lokalen Ebene und der nationalen Homogenisierungspolitik der Ustaša. Die Analyse zeigte, dass es vor allem Ustaše und zivile Verwaltungen auf der lokalen Ebene waren, die im Zuge der Umsiedlungspolitik im Sommer 1941 die ersten religiösen Übertritte erzwangen. Es konnte veranschaulicht werden, dass die frühen Konversionen als eine Bewältigungsstrategie betrieben wurden. Die Überforderung der lokalen Verwaltung, gleichzeitig die Vertreibung von Serben und Ansiedlung von Kroaten durchzuführen, resultierte anscheinend in den Überlegungen, einem Teil der serbischen Bevölkerung das Verbleiben zu ermöglichen. Gleichzeitig aber förderte die Überforderung der lokalen Akteure mit der Situation eine brutale Aussiedlung der Serben, was für einen Zusammenhang zwischen der allgemeinen Bevölkerungsplanung und der Radikalisierung der Gewalt an den Serben spricht. Verbindungen zwischen Vertreibungs- und Ansiedlungspolitik und der daraus resultierenden Radikalisierung sind z. B. für das besetzte Polen und den Holocaust analysiert worden.357 Wirtschaftliche Gründe sowie das Motiv der Eindämmung des serbischen Widerstandes im für die Nahrungsmittelversorgung wichtigen Osten des Landes waren schließlich im Herbst 1941 die Grundlage für die Implementierung einer staatlichen Konversionspolitik gegenüber der serbischen Bevölkerung. Der Großgespan von Baranja spielte für den Strategiewechsel eine Schlüsselrolle. Insofern war die mehrdimensionale Analyse der verschiedenen Ebenen unter Einbeziehung politischer wie relgiöser Akteure und Vergleiche der einzelnen Regionen äußerst fruchtbar. Innsbesondere wurden dadurch die Interaktionen zwischen „lokal“ und „staatlich“ sowie der Zusammenhang zwischen der Effizienz der Konversionspolitik und vorhandenen staatlichen Strukturen in den einzelnen Großbezirken offengelegt. Der hohe wie niedere katholische Klerus war größtenteils von der Berechtigung zur Durchführung der „Rückkehr“ der „Abtrünnigen“ überzeugt. Lediglich an der gewaltsamen Durchführungsweise und nicht an der Sache selbst übte der katholische Klerus Kritik an der Konversionspolitik. Es erübrigt sich ferner darzulegen, dass es nicht die religiösen und konfessionellen Unterschiede waren, die die imense Gewalt im Zweiten Weltkrieg im NDH verursachten, sondern politische Ungleichheiten sowie materielle- und Machtinteressen. Entsprechend dem eingangs eingeführten theoretischen Modell aus den Politikwissenschaften konnte am Beispiel der Bedeutung der Religion in der Politik der Ustaša und den Konversionen verdeutlicht werden, wie religiöse Praktiken als eine intervenierende Variable das Gewaltgeschehen verschärften, weil politische Konflikte durch religiöse 357 WOLF, Gerhard: Ideologie und Herrschaftsrationalität. Nationalsozialistische Germanisierungspolitik in Polen. Hamburg 2012, 30 f. – mommSen, Hans: Das NS-Regime und die Auslöschung des Judentums in Europa, Göttingen 2014, 121. – aLy, „Endlösung“, 387.
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Kapitel 1 Die „Jahrhundertaufgabe“
Symbolik aufgeladen wurden und die religiösen Akteure als politische Akteure auftraten. Gleichzeitig stellte für die Ustaša die Instrumentalisierung religiöser Traditionen und auch die Konversionspolitik selbst eine Ressource zur Mobilisierung der Anhängerschaft dar. Mit der staatlichen Konversionspolitik wuchs die Zustimmung für das Regime vonseiten einiger Kirchenteile und Ordensgemeinschaften. Durch die Privilegierung der römisch-katholischen Kirche baute dieselbe ihre religiöse Monopolstellung aus. Entsprechend der theoretischen Rahmung hing der Erfolg der Ustaša-Strategien vom Grad der Mobilisierung ihrer politischen Basis und der Akzeptanz ihrer Strategien und Ziele innerhalb der Gesellschaft ab. Die Ustaša stellte die Gewaltanwendung gegenüber der serbischen Bevölkerung als moralisch richtig dar, indem sie die Existenz der Serben als eine Bedrohung für die kroatische Gemeinschaft und Identität anprangerte. Mit der Konzeption eines kroatischen Staates konnte die Ustaša die Gegner des NDH als Gesetzlose, die eine gewaltfreie Behandlung verwirkt hatten, diffamieren. Schon in den ersten Monaten nach der Machtübernahme erreichte die Ustaša, dass gegenüber den Serben völliger Vertrauensverlust herrschte. Es ist bezeichnend, dass das funktionelle Religionsverständnis der Ustaša mit dem von den lokalen religiösen Akteuren häufig artikulierten Verständnis von der orthodoxen Bevölkerung als einer religiös unreifen und zu nationalen Zwecken umzuformenden Masse übereinstimmte Der erst in der Zwischenkriegszeit in Kroatien überwiegend von der antiklerikalen Bauernpartei vorangetriebene Prozess der Nationsbildung integrierte auch die in den Jahrzehnten oder Jahrhunderten zuvor immigrierten Bauern aus Serbien oder Deutschland. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs lag der Nationsbildungsprozess bei den bäuerlichen Schichten kaum mehr als eine Generation zurück. Für Westkroatien weisen Untersuchungen zum Alltagsleben der Katholiken und Orthodoxen in der Zwischenkriegszeit auf eine stark ausgeprägte Ähnlichkeit in Bräuchen und Traditionen hin. Die orthodoxe und katholische Bevölkerung nutzte teilweise die gleichen Heiligstätten und praktizierte die gleichen religiösen Bräuche.358 Auf religiöse und/oder nationale Indifferenz deutet auch die große Zahl der Mischehen in Ost- wie auch Westkroatien hin.359 Erst die Bewusstwerdung der Existenz der religiösen Indifferenz konnte eine staatliche Konversionsstrategie als ein national-homogenisierendes Mittel rechtfertigen. Die nationale Integration in Kroatien war nicht abgeschlossen, was einen Antrieb und eine Ressource politischer Veränderungen darstellte. Neuere geschichtswissenschaftliche Studien betonen insbesondere für die pluriethnischen Regionen und Grenzgebiete Ost- und Mitteleuropas das Vorhandensein eines hohen Grads nationaler Indifferenz im 19. und 20. Jahrhundert. Außerdem argumentiert Tara Zahra, dass die Produktion und Verstärkung von Indifferenz durch den Einfluss der Massenpolitik geschieht.360 In diesem Deutungsparadigma erscheinen die nicht mittelbar erzwungenen Konversionen meist städtischer Bevölkerung im April und Mai 1941 als eine Praxis der religiösen und nationalen Indifferenz. Das Bekenntnis 358 Škiljan, Život, 82, 92. 359 šKiLjan, Prijelazi Požega, 191–193. 360 zahRa, Tara: Imagined Noncommunities. National Indifference as a Category of Analysis. In: Slavic Review 69, Nr. 1 (2010), 93–119, hier 99, 100.
5. Ergebnisse
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zum kroatischen Staat bei relativer religiöser Indifferenz361 durch einen religiösen Übertritt zur Religion der Mehrheit kann als ein Symptom für eine Reversibilität der Nationalisierung und Verstärkung der Indifferenz durch den politischen Rahmen gedeutet werden. Das Vorhandensein von Handlungsoptionen bei den analysierten Fällen, auch nach dem Frühjahr 1941, könnte auf Zwangsfreiheit bei den Konversionen hindeuten. Tatsächlich erschöpft sich die Darstellung der Rolle der Serben nicht ausschließlich in ihrer Darstellung als Opfer der Ustaše, Helden des Widerstandes oder Täter in den Četnici-Organisationen. Lokalstudien zeigten mittlerweile, dass sie in vielen Fällen die situative Politik der Ustaša-Politik nutzten, um so durch eine religiöse Konversion ihre Loyalität zu artikulieren.362 Irgendwo zwischen Kollaboration und Widerstand gab es vor allem in den Städten Handlungsoptionen und ein entsprechendes Ermöglichungsfenster. Konvertiten können deshalb wegen ihrer Fähigkeit zur Schaffung einer Narration über ihre Konversion und somit der Schaffung eines sozialen Konstrukts, wie z. B. in den Flüchtlingsberichten, als dynamische und keinesfalls passive Elemente im Konversionsprozess verstanden werden.363 Gewiss ist, dass die Handlungsoptionen der Serben zum Herbst 1941 hin im ländlichen Raum gravierend unter den Gewalttaten der Ustaša abnahmen und insgesamt im Laufe des Krieges stufenweise eine Verschlechterung oder Verbesserung erfuhren. Unter der Einwirkung oder Androhung von Gewalt sind die Konversionen zum Katholizismus zweifellos als Zwangskonversionen einzuordnen. Im Vergleich der ostkroatischen und nordbosnischen Gebiete kann die Gewaltdynamik um die religiösen Übertritte in Posavje und Usora-Soli auch mit den infrastrukturellen und ideengeschichtlichen Gegebenheiten erklärt werden. Die administrative Gliederung des Savelandes unter Missachtung historischer Grenzen und soziokultureller Traditionen brachte unerwartete Konflikte ins Geschehen. Es trafen 361 Eine empirisch untermauerte Feststellung der religiösen Indifferenz oder Indifferenz gegenüber Religion erweist sich allerdings als äußerst schwierig, wenn damit die persönliche Einstellung zur Religion gemeint ist. Sie ist unter entsprechender Methodologie höchstens meßbar z. B. im Fall der passiven Ablehnung des religiösen Angebots, des Antiklerikalismus, von Mischehen, Konversionen, synkretischen Kulten u. a. Die Forschung weist insgesamt auf einen Zusammenhang zwischen dem Aktivismus sekularer Bewegungen bzw. sekularen Traditionen und dem Aufkommen von religiöser Indifferenz sowie zwischen einem gesteigerten öffentlichen Interesse an Religion und der Steigerung religiöser Indifferenz. So zeigen soziologische Studien für gegenwärtige Gesellschaften einen Zusammenhang zwischen dem politischen Ziel der nationalen Kohäsion durch religionsübergreifende Strategien und dem Aufkommen von Indifferenz. Mit Blick auf multireligiöse Gesellschaften im südslawischen Raum scheint die Indifferenz auch Freiheiten und Zwangslosigkeiten im Umgang mit dem „Anderen“ ermöglicht zu haben. Forschungsbedarf scheint jedoch zur spezifischen Form der Indifferenz zu bestehen, wenn sie religionsübergreifende Praxis bzw. gemischtreligiöse Alltagspraktiken der untersuchten Personen meint. Zu Forschungsansätzen und Indifferenz als analytischer Kategorie QuacK, Johannes / Schuh, Cora: Embedded Indifference and Ways to Research It. In: Religious Indifference. New Perspectives from Studies on Secularization and Nonreligion. Hg. v. denS. Cham 2017, 259–271, insb. 260 f., 263, 265. 362 greBle Balić, Croatia, 128, 134. 363 Eine der wenigen Studien zu religiösen Übertritten in Europa, zumal vom Islam zum Christentum im postsowjetischen Kirgisistan, behandelt solche als ein Symptom des sozialen Wandels. Darin wird die aktive Rolle der Konvertiten veranschaulicht. RadFoRd, Identity, hier 40 f.
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in der Aushandlung des Religiösen und des Politischen unterschiedliche Strömungen und Traditionen des Nationalismus aufeinander, die maßgeblichen Einfluss auf die Durchsetzung der staatlichen Konversionspolitik hatten. Der integrierende Nationalismus der Kroaten in Slawonien traf bei den Kroaten in Bosnien auf die auf klare religiöse Grenzen ausgerichteten Ordnungsvorstellungen in der osmanischen Tradition der religiösen Seperation. Die Verwaltungen und die lokalen Milizen in Bosnien verstanden den Kurs aus Zagreb nur teilweise und handelten entsprechend den örtlichen Konventionen und persönlichen Interessen. Eine Überformung der bestehenden Differenzen ethnischer und religiöser Art mit den Symboliken des Nationalismus, Rassismus, Faschismus und das Eindringen einer solchen Ideenwelt in die Lebensverhältnisse der Bauern erscheinen indes als eine unzureichende Erklärung für die Gewalt. Bis dahin kannte das kroatische Dorf meist eine friedliche Konfliktbewältigung zwischen den kroatischen und serbischen Bauern. Dabei handelte es sich um keine romantisierte Verklärung der Verhältnisse vor Ort. Geignet wäre der Begriff der Toleranz, der auch eine pragmatische Anerkennung und Respekt gegenüber dem anderen miteinschloss, ohne dass die Praktiken und der Glaube des anderen für gut befunden wurden.364 Für die Städte verweisen in diesem Zusammenhang mikrohistorisch angelegte Studien, so zu Sarajevo, auf die Weigerung der kroatischen und muslimischen Eliten, ihre serbischen Nachbarn als Bedrohung zu betrachten und zu behandeln, wenn dafür die sozioökonomische Erhaltung der Stadt bedroht würde.365 Die Annäherung an die Frage nach dem Warum des gewalttätigen Umgangs im ländlichen Umfeld unter Personen, die dem gleichen bäuerlichen Millieu entstammten und auf gemeinsame Erfahrungen und Probleme zurückblickten, wurde zum Teil mit den Daten zur Herkunft der Täter beschritten. So konnten in vielen Fällen vor allem die aus städtischen Zentren des NDH oder aus Regionen mit vorhandenen sedimentierten Gewalterfahrungen stammenden Funktionäre und die Emigranten-Ustaše als die treibenden Akteure der Gewalt identifiziert werden. Auch die oben diskutierten und aus der Bevölkerungsplanung erwachsenen Gewaltdynamiken sind hier zu nennen. In vielen beschriebenen Fällen waren es anscheinend aber Nachbarn, die an Nachbarn Verbrechen verübten. Ökonomische Faktoren bzw. ökonimische Missstände und das Bestreben nach Verbesserung der eigenen Lebensverhältnisse spielten eine große Rolle.366 Auf der Mezzoebene wurde dies anhand der Initialisierung der Konversionsstrategie deutlich. Die Frage, warum aus Handlungsoptionen Handlungszwänge zur Ausübung der Gewalt wurden, scheint überdies ihre Antwort in den Agenden lokaler Autoritäten und insbesondere ihrer persönlichen Interessen zu finden.
364 Sarajevo, wie von Greble untersucht, wäre ein Beispiel für eine pragmatische Toleranz. hayden, Tolerance, 205. 365 greBle Balić, Croatia, 124. 366 KoRb, Schatten, 192 f., 231.
KAPITEL 2 PROJEKT KIRCHE: DIE INTEGRIERENDE FUNKTION DER RELIGION 1. DIE NEUTRALISIERUNG KLEINERER CHRISTLICHER KIRCHEN Im Sommer 1941 hatte die katholische Kirche durch die Zusammenarbeit mit der Ustaša ihre Handlungsräume in Gesellschaft und Politik vergrößert und ihre Monopolstellung ausgebaut. Im Vergleich zu anderen anerkannten Religionsgemeinschaften waren die meisten Bürger des Landes Mitglieder der katholischen Kirche. Während der Verfolgung des orthodoxen Klerus erhoben weder Stepinac noch andere Bischöfe oder katholische Geistliche Einwände. Ebenso verhielt es sich mit kleineren Gemeinschaften der Nazarener, Adventisten, Baptisten und Altkatholiken. Neben der orthodoxen und jüdischen Glaubensgemeinschaft wurden auch sie von der Ustaša verboten und verfolgt, wenn auch das Ausmaß der Gewalt vergleichsweise niedrig blieb. Die erhobenen Vorwürfe gegen sie waren die Nähe zur orthodoxen Kirche bzw. die von der Ustaša angenommene Instrumentalisierung dieser kleinen Religionsgemeinschaften seitens der jugoslawischen Regierung. Das erzbischöfliche Ordinariat in Zagreb beschwerte sich im August 1941 beim Ministerium für Justiz und Religion über die Propaganda der Adventisten und forderte ein Verbot ihrer Tätigkeit. Insbesondere mit der Presse aus ihrer Einflusssphäre aus Novi Sad und Beograd verbreiteten sie gleichzeitig Aberglauben und falschen Glauben, hieß es in der Beschwerde.1 Die Adventisten hatten etwa 70 Gemeinden mit etwas mehr als 3.200 Mitgliedern in Kroatien. Je ca. 1.500 Mitglieder waren Kroaten und Serben, ungefähr 100 waren Reichs- und Volksdeutsche.2 Nach Konsultationen mit dem Innenministerium verbot der Minister für Justiz und Religion am 22. September die Gemeinschaft der Adventisten. Die Adventisten versuchten daraufhin erfolglos, eine Erlaubnis zur freien Ausübung ihrer Tätigkeit zu erhalten. Sie wandten sich auch direkt an Pavelić, der ihnen angeblich die Glaubens- und Gewissensfreiheit zusagte. Doch das Ministerium für Justiz und Religion erklärte sie nach mehreren Anträgen 1942 dennoch zur Sekte. Selbst ein Gesuch deutscher Adventisten um die Vermittlung der deutschen Gesandtschaft bei der Aushandlung der Tätigkeitserlaubnis blieb erfolglos.3 1
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HR-HDA-218 Eingangsregister 1271 (1941); VA-NDH, 203/1/53 Das Ministerium für Justiz und Religion an das Innenministerium betr. Schreiben des erzbischöflichen Ordinariates zur Tätigkeit der Adventisten, 10.9.1941; Ebd. der Beschluss des Innenministeriums über das Verbot, 22.9.1941. PAAA-GZ, 247 Vermerk über das Gesuch der Adventisten an den Gesandtschaftsrat, 14.8.1942; HR-HDA-367, 55 Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Zagreb 1931. HR-HDA-218 Eingangsregister 2123, 3271, 3716, 5939, 7102 (1942); PAAA-GZ, 247 Vermerk über das Gesuch der Adventisten an den Gesandtschaftsrat, 14.8.1942.
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Kapitel 2 Projekt Kirche: Die integrierende Funktion der Religion
Ähnliches erfuhren auch die Nazarener und Baptisten. Im Februar 1942 wurden die Nazarener zur Sekte erklärt und verboten. Ihre größten Gemeinden hatten sie in Osijek, Virovitica und Vukovar.4 Die Baptisten zählten etwa 2.000 Mitglieder. Ihre größten Gemeinden waren in Zagreb, Glina, Mačkovec und Plaški. Im August 1941 beantragte die Baptistenkirche die gesetzliche Regelung ihres Status. Der Antrag blieb erfolglos. Die zivile Verwaltung in Plaški z. B. bewertete die Baptisten als eine Organisation der orthodoxen Kirche, gleichwohl sie von ihren Konflikten mit der orthodoxen Kirche in Plaški wusste. In einem neuen Anlauf reichten die Baptisten im März 1942 beim Ministerium für Justiz und Religion ein Verzeichnis ihrer Gemeinden und Mitglieder ein. Spätestens ab März 1942 mussten sie jedoch ihre Mission einstellen.5 Der Klerus wurde nicht verfolgt. Bei einem Massaker der Ustaše an der serbischen Bevölkerung im Ort Grabovac im Juli 1941 verschonten die Ustaše nur den Pastor der Baptisten. Dadurch entstand der Eindruck, die Serben könnten sich durch den Übertritt in die Baptistenkirche vor den Übergriffen der Ustaše schützen. Gleichzeitig verstärkte dies jedoch wiederum ihr Fremdbild als den Serben nahestehende Kirche.6 2. DIE ALTKATHOLISCHE KIRCHE „Die Kroatische Kirche darf nur einen kroatischen Namen tragen, – nur die kroatische Sprache sprechen, – nur kroatische Führung haben.“7
Die drittgrößte verfolgte religiöse Institution im NDH war die altkatholische Kirche. Sie wurde 1923 auf Initiative einer kleinen Gruppe römisch-katholischer Priester gegründet. Ihre Ursprünge hatte sie in der Reformbewegung römisch-katholischer Geistlicher, die sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg formierte. Unter den Reformern war auch ein Abgeordneter aus den Reihen der Rechtspartei, Stjepan Zagorac. Nach der Kodifikation des lateinischen Kirchenrechts 1917 in Rom und der Verstärkung des römischen Zentralismus festigte sich die Bewegung um die Diskussionen über moralische, disziplinarische und soziale Kirchenfragen. In Split erschien das Pamphlet „Die Wunden der katholischen Kirche“, wobei der Autor, Don Niko Petrić, mit „Wunden“ den Klerikalismus, das Zölibat und den Formalismus meinte. Die Diskussionen in Kroatien orientierten sich auch an ähnlichen Diskussionen im Wie4 5
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HR-HDA-367, 55 Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Vukovar 1931; Ebd. Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Osijek und Virovitica 1931; HR-HDA-218 Eingangsregister 2123 (1942). Ebd. Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Zagreb und Glina 1931; Ebd., 2 Das Kirchengericht der Eparchie Oberkarlovac an die Banschaftsregierung, 7.10.1940; Ebd. Bezirksregierung Plaški an die Großbezirksregierung Ogulin, 1.7.1941; Ebd., Eingangsregister 559 (1941) sowie 2281, 2887 (1942). šaKaja, Laura: Niša u konfliktnome prostoru: razvoj Baptističke crkve na području Petrinje, Gline, Siska i Dvora [Nische im Raumkonflikt: die Entwicklung der baptistischen Kirche auf dem Gebiet Petrinjas, Glinas, Sisaks und Dvors]. In: Migracijske i etničke teme 23, Nr. 1–2 (2007), 85–110, hier 96 f. Starokatolik, Nr. 5–6, S. 16, 1937, zit. nach Rundbrief von Bischof Kalogjera an Geistliche und Mitglieder der altkatholischen Kirche, 7.5.1941.
2. Die altkatholische Kirche
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ner Parlament in seinem letzten Tätigkeitsjahr. Im kroatischen Parlament unterstützte der Vorsitzende der Kroatischen Volks- und Bauernpartei, Stjepan Radić, die Abschaffung des Zölibats. Nach der Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen setzten die Reformer ihre Arbeit fort, nun offener unterstützt von den führenden Persönlichkeiten der Kroatischen Volks- und Bauernpartei, Stjepan Radić, Vladko Maček und Josip Predavec. Maček und Predavac konvertierten später sogar zum altkatholischen Glauben, so der Historiker Zlatko Matijević. Zu den Reformern gehörte auch einer der Mitbegründer der Kroatischen Bauernpartei, der Geistliche R. Korytnik.8 In der Resolution und Erklärung zur Modernisierung der Kirche von 1919 forderten die Reformer die Neuregelung der Beziehungen der katholischen Kirche zum Staat, des niederen Klerus zum Bischof und vor allem die Aufhebung des Zölibats für den niederen Klerus. Einige weitere Forderungen waren die Annäherung der katholischen zur orthodoxen Kirche und die Einführung der Glagoliza. Die unter „modernen Wünschen“ zusammengefassten Forderungen und die Zusammenkünfte des Klerus wurden vom kroatischen katholischen Erzbischof Antun Bauer scharf verurteilt. Die liberalen Kreise und Blätter „Riječ Srba, Hrvata i Slovenaca“, „Obzor“, „Hrvat“, „Novosti“, „Jutarnji List“ und andere sympathisierten dagegen mit den Reformern. Mit dem Beginn der Herausgabe des Blattes „Reforma“ im Jahr 1919, später umbenannt in „Nova Reforma“ und schließlich 1920 in „Preporod“, geriet die Reformbewegung unter den Druck der Kirchenhierarchie. Gleichzeitig formierte sich in Dalmatien eine zweite Reformbewegung unter dem Franziskaner Božo Milošević, die die Gründung einer Volkskirche anstrebte. Die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Bewegungen, gerade in Fragen der Demokratisierung der Kirche, der stärkeren Einbindung der Laien und der Abschaffung des Zölibats, waren sehr groß, doch sahen sie sich gegenseitig als Konkurrenten. Der dalmatinische Kreis der Reformer schloss eine Reform aus dem Inneren der Kirche mit dem Segen des Papstes aus. Diese zweite Bewegung erlosch bald, während die Zagreber Gruppe ihre Reformvorschläge weiterhin beim Erzbischof Bauer durchzusetzen versuchte. In der „Spomenica“ (Denkschrift) trug Bauer schließlich die Forderung von nicht minder als 83 Geistlichen im Vatikan vor. Die „Spomenica“ beinhaltete unter anderem Forderungen nach Vereinigung aller christlichen Kirchen, einer selbständigen Kirchenprovinz für die jugoslawischen Gebiete, Kirchenautonomie auf demokratischer Basis und Abschaffung des Zölibats. Wie auch die Forderungen der tschechischen Reformisten wurden alle Forderungen aus Kroatien im Vatikan abgelehnt.9 Nach einer erneuten erfolglosen Vorsprache bei Erzbischof Bauer richteten die Reformer ihre Vorschläge schließlich an die Landesregierung. Die Ideen der Annäherung des kroatischen, slowenischen und serbischen Volkes und der Ost- und 8
9
matijević, Zlatko: Otpali ili odbačeni anđeli? Nastanak Hrvatske starokatoličke crkve [Gefallene oder verstoßene Engel? Die Entstehung der kroatischen altkatholischen Kirche]. In: Hrvatska revija, Nr. 1 (2001), 64–73. – Die tschechische Reformbewegung, die ihre Reformvorschläge im Wiener Parlament vortrug und zu welcher die Reformer in Kroatien Beziehungen pflegten, mündete schließlich in der Orthodoxie. matijević, Anđeli, 64–73; Branković, Tomislav: Starokatolička crkva u Jugoslaviji [Die altkatholische Kirche in Jugoslawien]. In: Religija i Tolerancija, Nr. 2 (2004), 93–104, hier 97 f.
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Kapitel 2 Projekt Kirche: Die integrierende Funktion der Religion
Westkirche stießen auf politische Affirmation. Vorerst sollte es dennoch zu keinen positiven Entwicklungen kommen, so dass die Zahl der Reformer sank. Der nächste Schritt der Reformer war die Gründung von eigenständigen katholischen Kirchengemeinden und die Abhaltung von Gottesdiensten in kroatischer Sprache. Dies war in doppelter Hinsicht revolutionär. Erstens, weil die Reformer als katholische Priester Latein als Gottesdienstsprache ablehnten, und zweitens, weil sie sich gegen die Kirchenhierarchie stellten. Der Konflikt wurde damit unvermeidbar, vereinzelt kam es auch zu Exkommunizierungen der Reformer.10 Ab 1921 bemühten sich die Reformer, nun unter der Leitung des Domherren von Split, Marko Kalođera (auch Kalogjera), verstärkt um die Unterstützung der Belgrader Politik. Vorerst konnten sie die liberal-projugoslawische Demokratische Partei von ihren Forderungen überzeugen. Kalođera stand außerdem dem Begründer des Jugoslawischen Komitees, Ante Trumbić, nahe, welcher sich im Pariser Exil seit 1915 für die Gründung eines gemeinsamen Staates der Serben, Kroaten und Slowenen einsetzte und daraufhin bis Ende 1920 jugoslawischer Außenminister wurde.11 Doch währte die Unterstützung von Seiten der Politik nicht lange. Nach der Proklamation der Vidovdan-Verfassung 1921 orientierten sich nämlich die liberalen und projugoslawischen Strömungen und Blätter aus Kroatien in Richtung der republikanischen Bauernpartei von Radić und der kroatischen Opposition. In diesem Zuge büßte die Reformbewegung aufgrund ihrer Beziehungen zur königlichen Regierung in Belgrad einerseits die Unterstützung der kroatischen Liberalen ein.12 Gleichzeitig distanzierte sich die Belgrader Regierung von den Reformern, da sie keinen weiteren Konflikt mit der katholischen Kirche riskieren wollte, so dass andererseits von Belgrad keine Hilfe mehr zu erwarten war.13 Hier ist zu erinnern, dass die liberalen Inhalte der Verfassung und insbesondere der Versuch der Regulierung der Beziehungen der römisch-katholischen Kirche mit dem Vatikan zu scharfen Protesten kroatischer Bischöfe führten. Eine Reform aus dem Inneren der Kirche heraus schien fortan unmöglich. 1922 gründeten die Reformer trotzdem eigene „kroatische katholische Kirchengemeinden“ in Zagreb, Koprivnica, Karlovac und Bjelovar. Die Gottesdienste hielten sie in kroatischer Sprache ab.14 Der jugoslawische Religionsminister reagierte mit einem Verbot dieser Gemeinden, wohl auf den Druck der römisch-katholischen Bischöfe hin.15 Indes wuchs jedoch die Zahl der Unterstützer der Reformbewegung. 1923 verabschiedete ihre Kirchenversammlung schließlich die erste Verfassung der autokephalen „Kroatischen katholischen Kirche“, wodurch sie sich endgültig von Rom löste. Den Ausweg aus der Illegalität bot ein Anschluss an die Altkatholische Kirche. Die Meinungen innerhalb der Bewegung bezüglich eines Übertrittes zum 10 11 12 13 14 15
matijević, Anđeli, 64–73. HR-HDA-218, 3 Bf. Kalogjera an den Minister für Justiz und Religion, 24.8.1941. matijević, Anđeli, 64–73. ebd; KaLogjeRa, Marko (Hg.): Hrvatska starokatolička crkva. Glavne upute [Die kroatische altkatholische Kirche. Die wichtigsten Anweisungen]. Zagreb 1936, 2. Auflage, 49. matijević, Anđeli, 64–73. HR-HDA-218, 3 Bf. Kalogjera an den Minister für Justiz und Religion, 1.8.1941; Branković, Crkva, 98.
2. Die altkatholische Kirche
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altkatholischen Bekenntnis waren gespalten, die Mehrheit begrüßte diesen Schritt jedoch. Auf Antrag erkannte die Altkatholische Kirche in Österreich 1923 die Autonomie der „Kroatischen altkatholischen Kirche im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ an. Schon im Dezember 1923 wurde die neue Kirche auch von der jugoslawischen Regierung anerkannt und Mitte 1924 vom König Alexander bestätigt.16 Tatsächlich unterstützte das jugoslawische Ministerium für Religion die altkatholische Kirche, um die römisch-katholische Kirche zu schwächen. Ihm angelastet wurden auch Agitationen zur Abspaltung der katholischen Kirche von Rom und zur Entstehung einer jugoslawischen katholischen Kirche.17 In der serbischen Zeitschrift „Straža“ hieß es 1925, dass die gesamte rechtschaffene kroatische Intelligenz die altkatholische Kirche unterstützen und unter dem kroatischen Teil der Bevölkerung verbreiten musste: „so daß auch dieser zu vollkommener religiöser Befreiung und Unabhängigkeit gelangt und seine eigene autonome Kirche hat, wie es schon beim serbischen Teil unseres Volkes der Fall ist. Das wäre ohne Zweifel einer der effektivsten Schritte zu unserer seelischen Vereinigung.18 Die Kirchenorgane der altkatholischen Kirche waren das Bischofsamt, der Synodalrat und die Synode. Ihr erster Bischof wurde Marko Kalođera, der vom Erzbischof der Utrechter Union der Altkatholischen Kirchen geweiht wurde.19 Die Utrechter Union setzte sich seit den 1870er Jahren, z. B. durch die Bonner Unionskonferenzen, für die Ökumene und eine Annäherung an die orthodoxen Kirchen ein. Die katholischorthodoxe Annäherung war der gemeinsame Nenner der kroatischen Reformer und schließlich der Altkatholiken mit der Utrechter Union. Die Anerkennung als altkatholische Kirche bedeutete für die Reformer jedoch nicht, dass sie vom Ideal einer kroatischen nationalen Kirche Abstand nahmen. Im Gegenteil, für ihre Begründer war die Anerkennung als altkatholische Kirche der einzige Weg in die Legalität, der gleichzeitig ermöglichte, Einflüsse der römischkatholischen Kirchenhierarchie zu neutralisieren und ihre eigenen Ziele beizubehalten. Der nationale Charakter mit kroatischem Namen, Sprache, Organisation und Rückbesinnung auf den mittelalterlichen Bischof Gregor von Nin und die Glagoliten (popovi glagoljaši) sowie das Bekenntnis zur slawischen Kultur, sollten die prägenden Elemente dieser Kirche werden.20 Nach der Einführung der Königsdiktatur 1929 in Jugoslawien kam es zu Forderungen einiger Altkatholiken nach einer Umbenennung ihrer Kirche in eine jugoslawische altkatholische Kirche. Der Kirchenrat lehnte diesen Vorschlag ab und beharrte auf der Bezeichnung als kroatische Kirche. Zu Beginn der 1930er Jahre etablierte sich eine rege Presse- und Vereinstätigkeit. 1933 wurde der „Kroatische altkatholische Verein“ gegründet (Hrvatski
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matijević, Anđeli, 64–73; Biskupska kancelarija Hrvatske starokatoličke crkve [Das Bischofsamt der altkatholischen Kirche] (Hg.): Isprave o Hrvatskoj starokatoličkoj crkvi [Urkunden über die kroatische altkatholische Kirche]. Zagreb 1940, Dok. III, V, VI, S. 4–7. Ramet, Jugoslawien, 139; buchenau, Katholizismus, 232; PeRica, Idols, 19. Zit. nach buchenau, Katholizismus, 232 f. matijević, Anđeli, 64–73; Biskupska kancelarija, Isprave, Dok. III, V, VI, 4–7. KaLogjeRa, Marko: O hrvatskoj crkvi u petnaestoj godini njezina obnovljenja [Über die kroatische Kirche im fünfzehnten Jahr ihrer Erneuerung]. Zagreb 1938, 2–6; deRS., Upute, 25 f.
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Kapitel 2 Projekt Kirche: Die integrierende Funktion der Religion
starokatolički Klub).21 Das Blatt „Starokatolik“ und der „Kroatische altkatholische Kalender Grgur Ninski“ erschienen regelmäßig bis 1941.22 In der Stadt Zagreb gab es im Jahr 1931 eine altkatholische Gemeinde mit 1326 Gläubigen unter den serbokroatischen Muttersprachlern. Unter den deutschen Muttersprachlern gab es 56, unter slowenischen Muttersprachlern 103 und unter tschechischen 21 Altkatholiken.23 Die Gesamtzahl der Altkatholiken erhöhte sich in Zagreb auf 5.000 im Jahr 1937.24 Ideologie Ende der 1930er Jahre bekannte sich Kalođera immer mehr zur slawischen Kultur und dem Ideal einer Slawischen Kirche bzw. zum Freien Bund der slawischen Volkskirchen (Savez Slavenskih narodnih crkava), zu welchem auch die kroatische altkatholische Kirche gehören sollte.25 Neben der hagiografischen Figur des Bischofs von Nin, dessen Rolle bei der Einführung der slawischen Sprache in Gottesdiensten und der glagolitischen Schrift von der Reformbewegung zum Vorbild genommen wurde, mobilisierten sich die Reformer in den 1920er Jahren in drei ideologische Richtungen. Zum einen bot das Erbe des einflussreichen kroatischen Politikers in Österreich-Ungarn Josip Juraj Strossmayer (1815–1905), ein Vertreter des Illyrismus und Bischof von Đakovo, eine Orientierung dar. Der zweite ideologische Strang ging auf Strossmayers Zeitgenossen und Gründer der Rechtspartei, Ante Starčević (1823–1896) zurück. Schließlich bildeten die politischen Standpunkte der Gründer der Bauernpartei, Antun (1868–1919) und Stjepan (1871–1928) Radić den dritten ideologischen Anker der Reformer und späteren Altkatholiken. Bischof Strossmayer hatte sich beim Ersten Vatikanischen Konzil gegen das päpstliche Unfehlbarkeitsdogma ausgesprochen, zumal es die Unionsgespräche mit den Orthodoxen untergrub. Starčević war ein Verfechter der kroatischen Unabhängigkeit von Österreich-Ungarn. Als Antiklerikaler sah er den römisch-katholischen Klerus in Kroatien als ein Instrument österreichischer und ungarischer Interessen. Er forderte seinerzeit die Gründung einer von Rom und der lateinischen Kirche unabhängigen kroatischen Volkskirche, deren Klerus allein den Interessen des kroatischen Volkes diente.26 Anders als Starčević idealisierten die Brüder Radić zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Annäherung zwischen Serben und Kroaten durch die Integrationskraft der Religion. Beide Brüder waren bekennende Antiklerikale, die jedoch in der Religion ein bedeutendes Mittel zur Erreichung der nationalen Einheit sahen. 21 22 23 24 25 26
HR-HDA-218, 3 Bf. Kalogjera an den Minister für Justiz und Religion, 1.8.1941. Zum historischen Überblick auf der Homepage der Kroatischen altkatholischen Kirche: In: http://www.hrvatska-starokatolicka-crkva.com/povijest/ (12.3.2018). HR-HDA-367, 55 Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Zagreb 1931. Starokatolik, Nr. 4, 4, 1937. KaLogjeRa, O hrvatskoj crkvi, 7; HR-HDA-218, 3 Bf. Kalogjera an Minister Puk, 24.8.1941. Hrvatski starokatolički kalendar Grgur Ninski [Das kroatische altkatholische Kalendar Grgur Ninski], 1941, Ausschnitte in HR-HDA-218, 3; Zu Starčevićs programmatischen Rede in Krapina am 20.5.1871 und Kirchengründung HR-HDA-218, 3, Bf. Kalogjera an den Minister für Justiz und Religion, 1.8.1941; Ebd., Rundbrief von Kalogjera an Geistliche und Mitglieder der altkatholischen Kirche, 7.5.1941; KaLogjeRa, Upute, 28 f.
2. Die altkatholische Kirche
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Um die Unabhängigkeit von Rom zu erwirken, forderten sie die Gründung einer neuen Kirche, welche zudem als Vehikel zur Aufhebung der Unterschiede zwischen den beiden Völkern fungieren sollte. Die Bauernpartei war personell wie ideell mit dem Bestreben der katholischen Reformer verbunden, die schließlich entgegen dem ursprünglichen Ziel in der Gründung der altkatholischen Kirche aufgingen. 1903 schrieb Antun Radić, dass die Orthodoxen in Kroatien durch die Gründung einer kroatisch-orthodoxen Kirche aufgefangen werden sollten, denn „warum sollte sich die orthodoxe Kirche in Kroatien als eine serbisch-orthodoxe Kirche bezeichnen, wenn sie doch keine serbischen Mitglieder hatte?“27 Die Nationalisierung der Orthodoxen in Kroatien durch ihre Zugehörigkeit zu einer kroatisch-orthodoxen Kirche konnte nach der Gründung des Königreiches Jugoslawien nicht mehr als ein Mittel zur Erreichung der nationalen Einheit gelten. Die Idee, die Serben mit dem Instrument der Religion national integrieren zu können, wich unter geänderten Umständen im multinationalen Staat der Idee, eine Annäherung zwischen Serben und Kroaten durch eine neutrale, sowohl von Rom als auch von Belgrad unabhängige „Kompromiss“-Kirche zu erreichen. Im Königreich Jugoslawien befürwortete Stjepan Radić nicht mehr eine kroatisch-orthodoxe, sondern eine kroatische nationale Kirche. Als positives Beispiel betrachtete er die Dezentralisierung, Separierung und Nationalisierung in der Orthodoxie selbst. Deutschland z. B. erschien ihm nicht national geeint, weil es religiös in Katholizismus und Protestantismus geteilt war. Die Trennung von Rom und die Gründung einer kroatischen nationalen Kirche sollten die Annäherung zwischen Katholizismus und Orthodoxie ermöglichen und der nationalen Festigung Jugoslawiens förderlich sein.28 Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Kroatische Bauernpartei den Abschluss des Konkordates zwischen Vatikan und Belgrad nicht unterstützte.29 Radićs Aussage: „Kroaten werden erst glücklich sein, wenn der Papst sie verflucht“30 bedeutete aber auch, dass dafür die altkatholische Kirche „benutzt“ werden könnte. Ab Mitte der 1920er Jahre pflegte Stjepan Radić die Vorstellung, dass breitere kroatische Kreise wenigstens auf die kroatische altkatholische Kirche ausgerichtet werden sollten.31 Radićs Ideal hatte noch eine weitere Dimension. Die von Mythen umwobene mittelalterliche Bosnische Kirche war für ihn ein Vorbild für die Schaffung einer kroatischen nationalen Kirche. „Obwohl wir uns zwischen Konstantinopel und Rom befanden, waren wir Kroaten frei von Byzanz und vom Papst. Während die größten Völker ultramontanistische oder Priesterparteien hatten, hatten wir unsere Volkskirche.“32 Reformer wie Stjepan Zagorac und auch Intellektuelle aus liberalen Kreisen standen unter dem Einfluss der slawophilen Historiografie ihrer Zeit, 27 28 29 30 31 32
Dom, 4, 1903, zit. nach Hrvatski starokatolički kalendar Grgur Ninski, 1941. Starokatolik, Nr. 8, 5, 1936. Ramet, Jugoslawien, 142. Katolički List, 33, 1928, zit. nach Hrvatski starokatolički kalendar Grgur Ninski, 1941; Starokatolik, Nr. 8, 5, 1936. Hrvat, 18.7.1925, zit. nach Hrvatski starokatolički kalendar Grgur Ninski, 1941; Starokatolik, Nr. 8, 5, 1936. Katolički List, 16.8.1928, zit. nach Hrvatski starokatolički kalendar Grgur Ninski, 1941. – Knapper Überblick zur Bosnischen Kirche bRemeR, Geschichte, 21 ff.
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Kapitel 2 Projekt Kirche: Die integrierende Funktion der Religion
darunter auch Ivo Pilar (1874–1933), der ab 1928 der Bauernpartei nahestehende Publizist, Anwalt in Tuzla und Zagreb und Modernisierungstheoretiker. Sie führten die Genese der Bosnischen Kirche auf die Glagoliten und ihre Zurückdrängung aus Dalmatien nach Bosnien unter dem Druck Roms im 10. Jahrhundert zurück. Die Glagoliten hätten dort die Ideen des Bischofs Gregor von Nin verbreitet und zur Entstehung der Bosnischen Kirche beigetragen. Ähnlich wie Stjepan Radić sah Pilar in den Strukturen innerhalb der Orthodoxie und ihrer Rolle bei der nationalen Erweckung ein Vorbild für die Errichtung von nationalen Kirchen. In Pilars geopolitischen Vorstellungen bildete die Bosnische Kirche ein Schlüsselelement für die Zuordnung Bosnien und Herzegowinas zu einem einheitlichen kroatischen Raum.33 Die bosnische Kirche bot den Stoff für die Vorstellung einer Kontinuität kroatischer Staatlichkeit in Bosnien. Damit schlug Stjepan Radić eine Flanke zur nationalen Vereinnahmung bosnischer Muslime, deren Ursprung er als kroatisch interpretierte. Da solche Vereinnahmungen der Muslime auch von der serbischen Seite unternommen wurden, untergrub Radić mit seinem Vorstoß das Ideal der serbisch-kroatischen Annäherung. Die altkatholische Kirche zwischen der Ustaša und der römisch-katholischen Kirche Nach der Gründung des NDH berief sich die altkatholische Kirche auf ihren kroatischen und nationalen Charakter und hoffte, ihre Position stärken zu können. Es sei schließlich „gleich, ob sie [die Kirche, Anm. d. A.] altkatholisch oder orthodox heißt; wichtig ist zweierlei: dass sie im Glauben christlich ist und kroatisch geführt wird.“34 Damit reagierte sie auf Vorwürfe, dass sie eine serbische Kirche sei. Zur Verteidigung ließ die Kirchenleitung verlautbaren, dass schließlich auch Starčević und die Brüder Radić eine unabhängige kroatische Kirche gefordert hatten, Ante Radić sogar eine kroatisch-orthodoxe.35 Kirchenvertreter betonten ihren kroatischnationalen Charakter und dass sie selbst nach der Einführung der Königsdiktatur 33
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Staatsrechtlich betrachtet war Pilar ein Verfechter des „Kroatismus“ im Rahmen der Habsburger Monarchie und nicht des „Jugoslawismus“. liPovčan, Srećko: Dr. Ivo Pilar (1874.–1933.): Život i djelo (Nacrt) [Dr. Ivo Pilar (1874–1933): Leben und Werk (Skizze)]. In: Pilar – Časopis za društvene i humanističke studije 1, Nr. 1 (2006), 11–18, hier 12, 16 f.; KRišto, Jure: Ivo Pilar i suvremena hrvatska geopolitika [Ivo Pilar und die moderne kroatische Geopoltik]. In: Pilar – Časopis za društvene i humanističke studije 1, Nr. 1 (2006), 47–59, hier 50–53; PiLaR, Ivo: Bosansko bogomilstvo i Grgur Ninski [Bosnisches Bogumilentum und Gregor von Nin]. In: Pilar – Časopis za društvene i humanističke studije 1, Nr. 1 (2006), 135–140, hier 138 f.; deRS.: Još o bogumilstvu i o „Bosanskoj crkvi“ [Noch über das Bogumilentum und über die „Bosnische Kirche“]. In: Pilar – Časopis za društvene i humanističke studije 1, Nr. 1 (2006), 127–134, hier 127 f.; matijević, Zlatko: Dr. Ivo Pilar i problem Crkve bosanske („bogumilstvo“) [Dr. Ivo Pilar und das Problem der bosnischen Kirche („Bogumilentum“)]. In: Pilar – Časopis za društvene i humanističke studije 1, Nr. 1 (2006), 69–80, hier 79. Dom, 4, 1903, zit. nach Hrvatski starokatolički kalendar Grgur Ninski, 1941. Hrvatski starokatolički kalendar Grgur Ninski, 1941; HR-HDA-218, 3 Ivan Kalogjera an Pavelić, 11.9.1941.
2. Die altkatholische Kirche
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1929 das Adjektiv „kroatisch“ in ihrem Namen behalten konnte.36 Vor dem Zweiten Weltkrieg existierten im Königreich Jugoslawien 24 Kirchengemeinden mit 42 Priestern und ca. 70.000 Kirchenmitgliedern.37 Die Zahl der Altkatholiken im NDH betrug etwa 20.000.38 Laut den Konversionsbüchern der altkatholischen Kirche in Zagreb konvertierten sogar noch 1941 399 Menschen vom römisch-katholischen, 194 vom serbisch-orthodoxen, 155 vom jüdischen und etwa 19 von anderen Glaubensrichtungen zur altkatholischen Kirche. 1942 wurden ebenfalls 70 Übertritte verzeichnet, davon 68 vom römisch-katholischen Glauben. Es ist ferner bezeichnend für das Kontrollleck des Ustaša-Staats, dass die Kirche in Zagreb sogar 1942 ihre Tätigkeit teilweise ausführen konnte.39 Der Klerus der altkatholischen Kirche hatte bereits am 12. April 1941 einen Treueeid auf den kroatischen Staat und Pavelić geleistet. In seinem Rundbrief an die Geistlichen und Mitglieder der altkatholischen Kirche rief der altkatholische Klerus zur Unterstützung Pavelićs und des neuen Staats auf.40 Nach einem Regierungserlass vom 27. Oktober 1941 wurde der altkatholischen Kirche jedoch das Führen von Geburts-, Heirats- und Todesmatrikeln untersagt, womit sie nicht mehr zu den staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften zählte.41 Bereits seit dem 1. August bekamen die Bediensteten und Geistlichen keine Bezüge mehr. Im November 1941 übergab die altkatholische Kirche in Zagreb ihre Matrikelbücher an die Stadtverwaltung.42 Möglicherweise erwog die altkatholische Kirche in dieser Zeit einen Anschluss an die deutsche evangelische Kirche. Es ist nicht eindeutig, ob die Initiative nur vom evangelischen Bischof Popp ausgegangen war oder die Altkatholiken selbst an die Protestanten herangetreten waren. In der Diskussion, die im Dezember 1941 in der evangelischen Kirche geführt wurde, hätten die altkatholischen Gemeinden in einem evangelischen Seniorat zusammengefasst werden können.43 Vom Institut für Grenz- und Auslandsstudien in Berlin wurde für einen kollektiven Übertritt der Altkatholiken und für Übertritte der Orthodoxen sogar ein Vertragsentwurf ausgearbeitet.44 Die Kirchenleitung klagte vergebens gegen die Schließung der Zagreber Kirche45 und auch Bittgesuche um die Aufhebung des Tätigkeitsverbots aus Sarajevo brachten keine positiven Ergebnisse. Die altkatholischen Kirchen wurden lan36 37 38 39 40 41 42 43 44 45
HR-HDA-218, 3 Beschwerde eines Mitglieds der altkatholischen Kirche, Josip Godler, an den Minister Mirko Puk, 9.8.1941. In: http://www.hrvatska-starokatolicka-crkva.com/povijest/ (12.3.2018). HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942. šKiLjan, Filip: Starokatolička crkva u Nezavisnoj Državi Hrvatskoj [Die altkatholische Kirche im Unabhängigen Staat Kroatien]. In: Historijski zbornik LXVII, Nr. 1 (2014), 195–213, hier 205, 211. HR-HDA-218, 3 Protokoll, 12.4.1941; Ebd., Rundbrief Kalogjeras an Geistliche und Mitglieder der altkatholischen Kirche, 7.5.1941. Ring, Kirche, 732. HR-HDA-218 Eingangsregister 4293, 6194 (1942). EZA/5/895, A8180/41 Bf. Heckel an Bf. Popp, 20.12.1941. Ebd., A6110/42 Lösch an Konsistorialrat Wahl, 19.1.1942; Ebd., Der Vertragsentwurf von Lösch. HR-HDA-218 Eingangsregister 200, 784, 1737 (1942).
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Kapitel 2 Projekt Kirche: Die integrierende Funktion der Religion
desweit geschlossen, so auch im syrmischen Zemun im Winter 1941/42. Im slawonischen Habjanovci (Bizovac) sollte die altkatholische Kirche im April 1942 zerstört werden. Auf der Ebene der Gemeinden (z. B. Šurkovac) kam es indes ab Juli 1941 zu Anfeindungen und Verfolgung von altkatholischen Priestern.46 Die Ustaša-Organisation im Bezirk Našice beschwerte sich im Juli 1941, weil die Altkatholiken Flugblätter verteilten. Weitere Beschwerden gegen eine „proselitische Aktion“ der altkatholischen Kirche wurden an das Ministerium für Justiz und Religion gerichtet, so aus dem Bezirk Ogulin im August 1941. Im Verlauf des Sommers 1941 konvertierten viele Altkatholiken zur römisch-katholischen Kirche, um der Verfolgung zu entgehen. Anträge auf „Rückkehr“ sowie Nutzung der Kirche waren auch Anfang 1942 zu verzeichnen, so in Šaptinovci in der Baranja.47 Stjepan Hefer setzte sich für die Erhaltung der altkatholischen Kirchentätigkeit in Šaptinovci ein, doch Radoslav Glavaš empfahl, die Gläubigen sollten, wenn sie es wollten, zur römisch-katholischen Kirche zurückkehren.48 In diesem Ort hatte angeblich der Erzbischof Stepinac während seines Besuches in den 1930er Jahren vor geschlossenen Kirchentoren gestanden.49 Tatsächlich versuchten die lokalen Ustaše bereits im Juni 1941, indem sie sich auf Pavelić beriefen, die Altkatholiken in Šaptinovci sogar mit Waffengewalt zur „Rückkehr“ zu zwingen. In Juli und August wurden viele Kirchenmitglieder verhaftet. Das Zagreber Erzbistum entsandte im August 1941 sogar den (späteren) Angehörigen des Konversionsausschusses in Zagreb, Nikola Borić, nach Šaptinovci. Der Pfarrer konvertierte, doch blieben die meisten 1100 Altkatholiken ihrem Bekenntnis treu.50 Die altkatholische Kirche wurde auch in Bosnien und Herzegowina völlig aufgerieben. Vor dem Krieg gab es in Bosnien und Herzegowina acht altkatholische Kirchengemeinden in Banja Luka, Dubrave bei Tuzla, Ljubija-Šurkovac, Mostar, Sarajevo, Tuzla, Zabrište bei Livno und Zamlače bei Banja Luka. 1946 bestanden nur noch in Sarajevo und Dubrave funktionierende Kirchenräte. Von den insgesamt vier altkatholischen Priestern gab es in 1946 in Bosnien keinen mehr. In Dubrave z. B. trat der Pfarrer Tomislav Barbarić 1943 den Partisanen bei, geriet bald in deutsche Gefangenschaft und konnte schließlich nach Kroatien fliehen.51 Barbarić wurde 1942 wegen des Führens von Martikelbüchern vom römisch-katholischen Pfarrer in Morančani denunziert und musste eine Geldstrafe an den Bezirk Tuzla entrichten.52 Belgrad wolle mit der altkatholischen Kirche die religiöse und natio-
46 47 48 49 50 51 52
Ebd., altkatholischer Priester aus Šurkovac nahe Prijedor bittet um Schutz, 568 (1941); Ebd., 830, 1491, 3421 (1942). Ebd., 626, 734 (1941) sowie 728, 735 (1942). Hefer ist auch zu verdanken, dass sich das Verhältnis der Verwaltung und der Ustaše zu den Altkatholiken in Šaptinovci und auch in anderen Gemeinden ab 1943 entspannte und Gottesdienste wieder möglich wurden. šKiLjan, Crkva, 206, 208 f., 212. Starokatolik, Nr. 8, 7, 1936. šKiLjan, Crkva, 206 f. ABiH-Vl. RBiH 02-Zakonodavstvo, 1946 Bericht des altkatholischen Kirchenrates in Sarajevo an die Landeskommission für Religionsfragen, 15.4.1946. šKiLjan, Crkva, 211.
2. Die altkatholische Kirche
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nale Einheit der Kroaten zerstören, erklärte Mirko Puk.53 In seiner Sabor-Rede am 25. Februar 1942 erläuterte er: „Die Sekte der sogenannten Altkatholiken wurde nicht anerkannt, denn sie hatte eigentlich fast keine Anhänger und war von Belgrad nur als Mittel zur Bekämpfung des Katholizismus der Kroaten toleriert. Deshalb wurde dieser Sekte sofort die Gerichtsbarkeit in Ehestreitigkeiten entzogen, ebenso das Recht zur Führung von Matrikeln und schließlich noch ihre einzige Kirche (in Zagreb) geschlossen.“54
Auch sah der Leiter der Religionsabteilung des Ministeriums für Justiz und Religion, Radoslav Glavaš, keine Berechtigung für die Anerkennung der altkatholischen Kirche, deren Führung zerstritten war.55 Die Kirchenorganisation der Altkatholiken war zur Zeit der Gründung des NDH in zwei Lager gespalten. Bischof Kalođera geriet erstmals 1929 in einen Konflikt mit dem Synodalrat. Der Hintergrund war anscheinend, dass die Religionsabteilung des jugoslawischen Justizministeriums 1929 die Beschlüsse des Synodalrates der altkatholischen Kirche seit 1925 für ungültig erklärt hatte, weil die Verfassungsänderungen ohne die Erlaubnis des Religionsministeriums verabschiedet wurden. Bischof Kalođera hatte sich anschließend von den Ergebnissen der Synode und vom Synodalrat distanziert. Die alte Verfassung der altkatholischen Kirche wurde wieder in Kraft gesetzt und der königliche Staatsrat verlangte die Neuwahl des Synodalrates.56 Kalođeras Ruf eines Handlangers der serbischen Regierung und Kirche hatte auch in dieser Affäre seinen Ursprung.57 Die internen Auseinandersetzungen kulminierten als Kalođera im März 1933 aus der Internationalen Bischofskonferenz der Utrechter Union ausgeschlossen wurde. Welche Gründe genau hinter dem Ausschluss standen, kann nicht mit Bestimmtheit erörtert werden. Kalođera geriet anscheinend wegen Scheidungen gegen Bezahlung und auch anderer Vergehen in die Kritik. Darauf setzte er sich für eine Unabhängigkeit der Kroatischen altkatholischen Kirche von der Utrechter Union ein, um angeblich die Unabhängigkeit seiner Kirche zu wahren. Aus Kalođeras Perspektive hieß es später, der Utrechter Erzbischof hätte versucht, sich in die Arbeit der kroatischen altkatholischen Kirche einzumischen.58 Die einzige umfassende Forschungsarbeit zur alt-katholischen Kirche in Deutschland von Matthias Ring führt interne Auseinandersetzungen als Gründe für den Austritt der
53 54 55 56 57 58
„Mračne zadaće starokatoličke crkve“ (Die dunklen Aufgaben der altkatholischen Kirche), aus der Rede von Puk im Sabor. In: Hrvatski List, 27.2.1942. PAAA-GZ, 67/2 Mirko Puks Sabor-Rede vom 25.2.1942 in deutscher Übersetzung; Hrvatski List, 27.2.1942. Angeblich hatte Pavelić im Dezember 1941 eine Anerkennung zugesagt. šKiLjan, Crkva, 204. Biskupska kancelarija, Isprave, Dok. VIII, IX, S. 9–12. HR-HDA-218, 3 Beschwerde des Mitglieds der altkatholischen Kirche, Josip Godler, an den Minister Mirko Puk, 9.8.1941. Ebd., Bf. Marko Kalogjera an den Minister für Justiz und Religion, Mirko Puk, 1.8.1941 und 24.8.1941; Ebd. Kalogjera wurde wegen verschiedener moralischer und gesetzlicher Vergehen beschuldigt, darunter auch Diebstahl. Siehe Anzeigen von Josip Godler an die Staatsanwaltschaft, 7.5.1940 und an den Minister Puk, 9.8.1941 sowie von Ferdo Lavrinc an das Strafgericht 27.11.1940; Der Synodalrat der Kroatischen altkatholischen Kirche an den Minister Puk, 22.8.1941; Ebd., Ivan Kalogjera (Bruder von Bf. K.) an Pavelić, 11.9.1941.
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kroatischen Altkatholiken aus der Utrechter Bischofskonferenz an.59 Kalođera blieb auch ohne den Zuspruch aus Utrecht Bischof der altkatholischen Kirche, da ihn laut Kirchenverfassung nur die Kirchenmitglieder wählen bzw. abwählen und der jugoslawische Staat ihn lediglich bestätigen oder nicht bestätigen konnte. Auf die Proteste des Utrechter Bischofs Kenninck reagierte das Belgrader Justizministerium mit der Bekräftigung der kirchlichen Autonomie und des Prinzips der Nichteinmischung eines ausländischen Kirchenforums in die inneren Angelegenheiten der altkatholischen Kirche.60 Die kroatische altkatholische Kirche war nach Auffassung der jugoslawischen Regierung ohnehin kein Mitglied der Utrechter Union, da dies in ihrer Verfassung nicht festgehalten wurde. Die altkatholische Kirche wurde lediglich durch ihren Bischof dort repräsentiert, hieß es.61 Die kroatische Synode und der Synodalrat hatten die Distanzierung von der Utrechter Union nicht geschlossen begrüßt. Ante Donković und Alfons Šemper beschwerten sich beim Belgrader Justizministerium. Dies hatte zur Folge, dass ihnen die Mitgliedschaft im Synodalrat entzogen wurde. Andere Gegner von Kalođera verloren das Stimmrecht.62 Die Belgrader Regierung unterstützte weiterhin das Kalođera-Lager, während Donković und Šemper sich an die Spitze der Gegenfraktion stellten und 1936 in Karlovac eine eigene Kirchenversammlung abhielten, in welcher Donković zum Bischof der kroatischen altkatholischen Kirche gewählt wurde. Erst das Justizministerium in Belgrad und dann der Staatsrat erklärten die Versammlung und die Wahl Donkovićs als illegitim.63 Hinter der Arbeit von Donković und seinen Anhängern vermutete der Kreis um Kalođera die römischkatholische Kirche,64 während Donković vor der Belgrader Regierung auch wegen angeblicher Beziehungen zu kroatischen Emigranten in Missgunst geriet. Donković stand in Kontakt mit dem Bischof der deutschen alt-katholischen Kirche, Erwin Kreuzer.65 Nach der Gründung der Banovina in 1939 wandten sich Donković und seine Anhänger mit einer Resolution an die kroatische Regierung und verlangten die Absetzung Kalođeras und die Anerkennung ihres Lagers als legitime Vertretung der altkatholischen Kirche.66 Ihre Forderungen bekräftigten sie schließlich auch gegenüber der Ustaša-Regierung, indem sie die Verhaftung Kalođeras und seiner Anhänger sowie die Übergabe des gesamten Kirchenbesitzes und des Archivs verlangten.67
59 60 61 62 63 64 65 66 67
Ring, Matthias: „Katholisch und deutsch“. Die alt-katholische Kirche Deutschlands und der Nationalsozialismus. Bonn 2008, 731 f. Biskupska kancelarija, Isprave, Dok. XI, 14 f. Ebd., Dok. X und XI, 13 f.; Ustav starokatoličke crkve [Verfassung der altkatholischen Kirche], 1930. Ebd., Dok. X (Resolution), 13. Ebd., Dok. XII, XIII, 16–20; Starokatolik, Nr. 8, Titelseite, 1936; FLügeL, Christian: Die Utrechter Union und die Geschichte ihrer Kirchen. Norderstedt 2014, 2. Auflage, 72 f.; Ring, Kirche, 732. Starokatolik, Nr. 4, 4, 1937; Kalogjera an das Polizeikommando in Zagreb, 7.5.1940. HR-HDA-218, 3 Schreiben an die Staatsregierung und Religionsabteilung. Ebd., Resolution, 5.5.1940. Ebd., Schreiben an die Staatsregierung und Religionsabteilung.
2. Die altkatholische Kirche
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Das Verbot der altkatholischen Kirche zog internationale Interventionen nach sich. Der deutsche Bischof Tüchler hatte sich 1941 beim Oberkirchenrat – eine im Dritten Reich nach der Annexion des Sudetengebiets entstandene Behörde, die alle drei altkatholischen Bistümer koordinierte – über die Lage in Kroatien informiert. Die deutschen Bischöfe hatten im Dezember 1941 die Vermittlung des Reichskirchenministeriums bei der Anerkennung der unter Donković stehenden Gemeinden durch die kroatische Regierung erbeten. Die entsprechende Eingabe hatte das Auswärtige Amt Anfang 1942 an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb zur weiteren Bearbeitung gesendet.68 Im Februar 1942 wurde dem kroatischen Außenministerium schließlich die Eingabe von den drei Bischöfen aus Bonn (Erwin Kröger), Wien (Robert Tüchler) und Warnsdorf im Sudetenland (Alois Paschek) übermittelt. Die altkatholische Kirche habe pangermanische Interessen in Jugoslawien verteidigt, Kalođera habe die Kirche im Sinne der jugoslawischen Regierung geführt, während seine Gegner aber mit unzufriedenen kroatischen Politikern im In- und Ausland gegen die jugoslawische Regierung gearbeitet hätten, hieß es darin.69 Welche Wirkung die Eingabe aus dem Reich in Kroatien hatte, konnte aus den eingesehenen Quellen nicht genauer erörtert werden. Der Donković-Flügel reichte zur gleichen Zeit im Februar 1942 einen Antrag auf Erlaubnis der Tätigkeit seiner Kirchenleitung beim Ministerium für Justiz und Religion ein. Es ist möglich, dass ihm die Matrikeln der altkatholischen Kirche übergeben wurden.70 Kalođera befand sich inzwischen in Haft.71 Für die Abhaltung von Gottesdiensten erbat Donković im März 1942 die Zuteilung von Räumlichkeiten72 und erwartete angeblich die baldige Anerkennung seiner Kirche durch die kroatische Regierung. Zu diesem Zweck bat er Bischof Kreuzer nach Kroatien zu kommen und dem Kirchenausschuss dabei behilflich zu sein.73 Bischof Kreuzer gab die Mitteilung von Donković weiter an den Utrechter Bischof Rindel, welcher die Übernahme der Jurisdiktion über die altkatholische Kirche in Kroatien seitens Bischof Kreuzer erwartete. Donković blieb bis auf Weiteres von Utrecht anerkannt.74 Die Parteizentrale der NSDAP und das Auswärtige Amt erlaubten die entsprechende Reise Kreuzers nach Kroatien, doch die kroatische Regierung stellte sich dagegen. Angeblicher Grund der Ablehnung war die innere Spaltung der altkatholischen Kirche. Ab Herbst 1942 verlor die altkatholische Kirche in Deutschland den Kontakt nach Kroatien.75 Das RSHA hatte die Briefe zwischen den Bischöfen Rindel und Kuery (Bern) abgefangen, während der deutsche Polizeiattaché in Zagreb, Hans Helm, ab September 1942 den Briefaustausch zwischen Rindel und den Altkatholiken in Kroatien beschlagnahmen sollte.76 68 69 70 71 72 73 74 75 76
Ring, Kirche, 654, 732. HR-HDA-218 Eingangsregister 1624, 1490 (1942); šKiLjan, Crkva, 204. HDA-218 Eingangsregister 1055, 1489, 1490 (1942). Ring, Kirche, 732. HR-HDA-218 Eingangsregister 2285, 2286 (1942). Ring, Kirche, 732 f. HR-HDA-1521, 35 Dossier über Ante Donković. Ring, Kirche, 732 f. HR-HDA-1521, 35 Dossier zu Andreas Rindel.
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In Konzentrationslager Jasenovac starben die altkatholischen Geistlichen Ante Donković, Davorin Ivanović, Josip Ivelić und Ivan Cigula und in Lepoglava Luka Malinarić.77 Donković hatte anscheinend medizinische Verbandsmittel an die Partisanen geliefert.78 Zerstört wurden altkatholische Kirchen in Habjanovci, Turanovac, Krapanj und Maradik. Die Zagreber Kirche in der Branimirova Straße wurde zum Ustaša-Tabor umfunktioniert und die Kirche in Stenjevac wurde von Deutschen (ohne nähere Angaben) als Schmiede genutzt. Lediglich die Kirche in Šaptanovci blieb während der Kriegszeit erhalten.79 Die Frage des Zölibats und der Scheidung bzw. erneuten Trauung war seit der Gründung der altkatholischen Kirche ein Dreh- und Angelpunkt ihrer Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche. Das Kirchengericht der altkatholischen Kirche hatte immer wieder die in der römisch-katholischen Kirche geschlossenen Ehen geschieden. Die Geschiedenen gingen darauf in der Regel eine neue Ehe in der altkatholischen Kirche ein. Das Kassationsgericht in Belgrad entschied zwar 1936, dass das Kirchengericht der altkatholischen Kirche keine Scheidungen vornehmen darf, doch die Vorwürfe wurden von katholischer Seite weiterhin erhoben. Der deutsche Polizeiattaché im NDH Hans Helm schätzte, dass die Scheidungsfrage maßgeblich auf die Position der römisch-katholischen Kirche zu den Altkatholiken Einfluss hatte. Helm erkannte auch, dass die römisch-katholische Kirche Druck auf die Regierung ausübte und ein Verbot der altkatholischen Kirche verlangte.80 Filip Škiljan wertet die positive Einstellung der Regierung und des Ministers Puk zur römisch-katholischen Kirche als den Grund des Verbots der altkatholischen Kirche im NDH.81 Die Scheidungsfrage blieb auch nach dem Verbot und im späteren politischen Rahmen aktuell. Die 1944 vom antifaschistischen Landesrat Kroatiens gegründete Kommission für Religionsfragen erhielt bald Beschwerden aus Dalmatien, in welchen nach einem Verbot solcher Ehen verlangt wurde.82 Zusätzlich verschärft wurde der Konflikt zwischen der altkatholischen und der römisch-katholischen Kirche83 durch die angeblichen Intrigen der altkatholischen Kirche bei den Verhandlungen zum Abschluss des Konkordats zwischen dem Vatikan und der jugoslawischen Regierung. Der Synodalrat der altkatholischen Kirche widersetzte sich dem Abschluss des Konkordats zwischen dem Königreich Jugoslawien und dem Vatikan, da er dadurch das Gleichheitsprinzip aller Kirchen in Jugoslawien gefährdet sah. Sollten mit dem Konkordat der römisch-katholischen Kirche mehr Privilegien zugebilligt werden, forderte die altkatholische Kirche dieselben 77 78 79 80 81 82 83
In: http://www.hrvatska-starokatolicka-crkva.com/povijest/ (12.3.2018); Branković, Crkva, 100. PeteRLin, Davorin: Nikola Filipović. In: Hrvatska revija, Nr. 1 (2009), 15–23. In: http://www.hrvatska-starokatolicka-crkva.com/povijest/ (12.3.2018). HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942; šKiLjan, Crkva, 197. šKiLjan, Crkva, 203. HR-HDA-207 Zemaljsko antifašističko vijeće narodnog oslobođenja Hrvatske (ZAVNOH) [Antifaschistischer Landesrat der Volksbefreiung Kroatiens], Z-2686, 405, Schreiben vom 13.3.1945 Näheres zum Konflikt und auch sogar zu gewalttätigen Abrechnungen aus der Analyse der römisch-katholischen und altkatholischen Presse in der Zwischenkriegszeit šKiLjan, Crkva, 198–201.
2. Die altkatholische Kirche
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Privilegien auch für andere Kirchen sowie überhaupt gleichberechtigte Verhandlungen auch mit der altkatholischen Kirche als der ebenbürtigen Vertreterin der katholischen Kirche. Die Ablehnung des Konkordats wurde auch dadurch begründet, dass die altkatholische Kirche von den Verhandlungen ausgeschlossen wurde. Die Forderungen der Altkatholiken umfassten das uneingeschränkte Nutzungsrecht aller katholischen Kirchen und Gebäude, Friedhöfe und Grundstücke sowie Stiftungen und Schenkungen durch ihre Kirche. Ausdrücklich abgelehnt wurde, dass der Vatikan über die Einkünfte der altkatholischen Kirche in Jugoslawien verfügen sollte. Zu den weiteren Forderungen gehörten die Wahrung der Staatsverfassung und der Schutz der Ehe. Die Altkatholiken sahen durch den Abschluss des Konkordates die staatliche Überwachung der Beziehungen der Kirchen in Jugoslawien mit ihren Kirchenoberhäuptern im Ausland gefährdet. Somit stellten nach ihrer Auffassung die Beziehungen der römisch-katholischen Kirche in Jugoslawien zum Vatikan eine Verletzung der Staatsverfassung dar.84 Der Idee der nationalen Integration durch Religion folgte die altkatholische Kirche auch nach 1945. Nun, unter geänderten Rahmenverhältnissen, schlug der Kirchenrat in Sarajevo die Besetzung von höchsten Kirchenämtern aller Konfessionen in Jugoslawien durch die Träger des Volksbefreiungskampfes vor, um so die Völker Jugoslawiens zu vereinen und geistig zu befreien. Hier fällt die Ähnlichkeit zwischen den Forderungen im Jahr 1946 und den Forderungen der Reformer in den frühen 1920er Jahren auf. Die altkatholische Kirche sei schließlich gegründet worden, um das Ziel der Volksvereinigung zu erreichen, so der Vorsitzende des Kirchenrates in Sarajevo. Ferner stimmte der Rat der per Verfassung festgelegten Trennung von Kirche und Staat zu, bestand jedoch – sollte es zu Verhandlungen mit jeder einzelnen Glaubensgemeinschaft kommen – auf gleichwertige Verhandlungen mit der altkatholischen wie mit der römisch-katholischen Kirche.85 Die altkatholische und die serbisch-orthodoxe Kirche seien während der Kriegszeit verbrüdert gewesen, während von politischer Seite zwischen diesen beiden nicht unterschieden wurde, hieß es in der Erklärung des altkatholischen Kirchenrates von Sarajevo 1946. Dass die Altkatholiken von der Ustaša verfolgt wurden, versprach Vorteile vor der neuen Regierung. Der altkatholische Kirchenrat stilisierte sich auch jetzt als volksnah, vom eigenen Volk geleitet und unabhängig, womit die Ähnlichkeit mit der Organisation der serbisch-orthodoxen Kirche und die Nähe zu ihr deutlich werden sollten. Treu blieb sich der Kirchenrat auch in der Frage der Vereinigung der Kirchen in Kroatien zu einer unabhängigen, nationalen Kirche – der altkatholischen Kirche. Geändert hatte sich nur der staatliche Rahmen, so dass die Vereinigung nun durch die Volksherrschaft über diese Kirche erreicht werden sollte. Im Sinne der Ideologie des Volksbefreiungskampfes, erklärte der Kirchenrat „Einigkeit und Brüderlichkeit“ zu den Hauptprogrammpunkten ihrer Kirche. Die altkatholische Kirche habe bereits in der Vergangenheit geglaubt, dass die Situation, wie sie nach 1945 eingetreten war, kommen würde. Die Ziele seien 84 85
ABiH-Vl. RBiH 02-Zakonodavstvo,1946 der Bf. der altkatholischen Kirche, Marko Kalogjera, an das Religionsministerium in Belgrad betr. Konkordat mit dem Vatikan, 1.10.1925. Ebd., Der Vorsitzende des Kirchenrates der altkatholischen Kirche in Sarajevo an die Landeskommission für Religionsfragen, 24.4.1946.
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in der Vorkriegszeit dieselben gewesen, der Glaube habe sich nun erfüllt und die Hoffnung sei groß, dass alle Kirchen vom Volke regiert und vereinigt würden.86 3. DIE BOSNISCHEN MUSLIME UND DIE USTAŠA Die Ustaša Bewegung propagierte im Sinne der Ideologie Starčevićs und der Rechtspartei die Zugehörigkeit der bosnischen Muslime zur kroatischen Nation und das bosnische Territorium als historisches Gebiet der Kroaten. Starčevićs Ideologie war der Kitt, der die muslimische Unterstützung für die Ustaša-Politik zusammenhielt. Vor allem Starčevićs Ideal von der Unabhängigkeit der Kategorien Nation und Religion gewann Unterstützer unter den Muslimen.87 Kroaten waren für ihn eine historische und moralische und keine Gemeinschaft auf Grundlage des Blutes.88 Die Ustaša-Ideologen wie Ivo Bogdan oder Krunoslav Draganović verstanden das bosnische Territorium als einen organischen Teil Kroatiens. Pavelić unterstrich die gemeinsame Herkunft und die gemeinsame Sprache der Menschen in Bosnien und Herzegowina und Kroatien.89 Mladen Lorković schrieb in seinem Buch „Narod i zemlja Hrvata“ 1939, dass „zum geistigen Inventar eines jeden Kroaten“ die Erkenntnis gehöre, dass muslimische Kroaten Teil des kroatischen Volkes seien und nur in der kroatischen Volksgruppe, aus welcher sie hervorgegangen seien und auf deren ethnischem Territorium sie lebten, ihren Platz hätten.90 Muslimische politische und religiöse Vertreter, so der ehemalige Vorsitzende der Partei „Jugoslawische Muslimische Organisation“, Džafer-beg Kulenović, sowie der Zagreber Mufti, Ismet Muftić, wurden in die Ustaša-Regierung berufen, um die Einheit von Muslimen und Kroaten zu demonstrieren.91 Der Anschluss Bosnien und Herzegowinas an den Unabhängigen Staat Kroatien stieß jedoch vor allem in muslimischen intellektuellen Kreisen auf Ablehnung. Die bereits einige Tage nach der Gründung des Staates geäußerten Wünsche nach Autonomie stießen nicht auf Gehör. Pavelić hatte den muslimischen religiösen Führern die Achtung ihres Glaubens, der Freiheit und Gleichberechtigung der Muslime im neuen Staat versprochen. Die Erwartung, die die muslimischen religiösen Vertreter mit dem neuen Staat verbanden, war die Organisation des Lebens nach islamischen Glaubensgrundsätzen. Die Konflikte, z. B. bei der Behandlung von Mischehen und 86 87 88 89 90 91
Ebd., Der Kirchenrat der altkatholischen Kirche in Sarajevo, gez. Branko Škarica (Sekretär) und Božo Petrović (Vorsitzender), an die Landeskommission für Religionsfragen betr. Konvertitenverzeichnisse, 15.4.1946. PAAA-GZ, 68 So z. B. laut der Eingabe der Muslime aus Bosnien und Sandžak, Dok. 3, 23, 1943; zur Attraktivität der Ideologie von Starčević unter den Muslimen kiSić kolanović, Muslimani, 80–85. banac, Pitanje, 108. kiSić kolanović, Muslimani, 34 f. lorković, Mladen: Narod i zemlja Hrvata [Volk und Land der Kroaten]. Split 2005 (Reprint 1939), 211. dinu, Faschismus, 188 f.; Prominente Unterstützer der Ustaša unter den muslimischen Geistlichen waren Hakija Hadžić, Ademaga Mešić, Alija Šuljak, Džafer und Osman Kulenović, Atif Hadžikadić u. a. raDić, Verom, 82.
3. Die bosnischen Muslime und die Ustaša
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Konversionen, im Erbrecht usw., die aus solchen Erwartungen im Königreich Jugoslawien erwachsen waren, trugen angesichts der Zusicherung Pavelićs zu gesteigerten Hoffnungen auf die Ustaša-Regierung bei. Die Voraussetzung für die Unterstützung des Regimes durch die muslimischen religiösen Führer war ihre politische wie religiöse Gleichberechtigung mit anderen Religionsgemeinschaften sowie die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens nach islamischen Werten in den jeweiligen muslimischen Gemeinden und Städten. Die Gleichberechtigung mit der römisch-katholischen Kirche z. B. in Bildungsfragen bedeutete allerdings, dass die geforderte Autonomie in der Bildung unmöglich wurde, weil der Staat ohnehin den Bildungsauftrag übernahm. Die Ustaša ignorierte außerdem Forderungen des Reis-ul-Ulema Spaho nach dem Verbot der Prostitution und bestimmter Bekleidung für muslimische Frauen. Der Zwist über moralische Fragen bildete den Auftakt für einen stetigen Rückzug des Reis-ul-Ulema Spaho als Unterstützer der UstašaBewegung und seine gleichzeitige Zurückdrängung durch die lokalen Ustaše. Der Ustaša-Führer in Sarajevo und selbst Moslem, Hadžić, ernannte sogar einen Beauftragten zur Beaufsichtigung der Tätigkeiten in der Führung der Glaubensgemeinschaft – ähnlich wie bei den serbischen und jüdischen Organisationen.92 Paradoxerweise unterließ es Spaho nicht, weiterhin seine Treue gegenüber dem Staat zu bekunden, so z. B. in einem Artikel über die Bedeutung der Muslime für den NDH. Andere religiöse Akteure, wie der Vorsitzende der „El-Hidaje“, Handžić, sahen im neuen Regime die Gelegenheit zum Karriereaufstieg und zur Verbesserung der gesellschaftlichen Stellung seiner Organisation.93 Religiöse Übertritte zum Islam 1941–1945 Die Konversionsgesetze der Ustaša erlaubten zwar ausdrücklich auch Übertritte zum Islam, diese blieben jedoch im Vergleich zu Übertritten zum römisch-katholischen Glauben marginal.94 Übertritte zum Islam waren auch in der Zwischenkriegszeit weit seltener als Übertritte zu den christlichen Kirchen. Etwa im gleichen Umfang kam es zu Austritten aus der islamischen Glaubensgemeinschaft, was als Apostasie bezeichnet wird. Unter den männlichen Angehörigen der islamischen Glaubensgemeinschaft waren Konversionen zur Orthodoxie bis 1941 meistens durch berufliche Aufstiegschancen bedingt. Der zweite Grund für Konversionen war für Männer wie Frauen die Eheschließung mit Andersgläubigen. Es gab z. B. im ganzen Gebiet des Imamat Džemat in Bijeljina im Großbezirk Posavje zwischen 1918 und Mitte 1940 nur drei Konversionen zum Islam im Jahr 1932 und 1937 nur eine Konversion vom Islam zur Orthodoxie.95 Allerdings verfügte der Oberste Rat der Gemeinschaft in Sarajevo bis in die späten 1930er Jahre über keine Verzeichnisse der Konvertiten zum Islam oder vom Islam zu anderen Glaubensgemeinschaften. 92 93 94 95
gRebLe, Sarajevo, 77–80. ebd., 76–78, 80 f. biondich, Religion, 108. BiH-ATKT-OIVZBi Bericht über Konversionen zum und aus dem Islam, Imamat Džemat in Bijeljina an Oberste Rat der Gemeinschaft in Sarajevo, 213, 12.7.1940.
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Die schließlich eingeführten Register waren sehr lückenhaft, weil keine Dokumentation aus den einzelnen Gemeinden vorlag. Seit Juni 1940 versuchte der Oberste Rat der Gemeinschaft in Sarajevo Daten zu Konvertiten zum Islam zu sammeln. Darunter waren Angaben zu Namen, Beruf, Familienstand, Ort der Eheschließung, Angaben zu Ehepartnern und zur Anzahl der Kinder und ihrer religiösen Erziehung erfasst. Ferner wurde erfragt, ob sie in den Matrikeln der Gemeinden geführt wurden, auf wessen Erlaubnis hin, und ob sich die Konvertiten in der Öffentlichkeit wie Muslime benahmen und selbst als solche bezeichneten. Zu den Austritten aus dem Islam wurden Angaben zu Namen, Beruf, Wohnort, neuem Glauben, zur Gemeinde, sowie Angaben über die beteiligten Personen und Körperschaften während der Durchführung der Konversion erfasst. In der Regel musste bei jedem Austritt der Oberste Rat der Gemeinschaft in Sarajevo benachrichtigt werden.96 Die Prozedur für einen Übertritt zum Islam sah vor, dass jeder Kandidat dem zuständigen Imam beim Imamat Džemat ein schriftliches Gesuch vorbringt, mit welchem er seinen ausdrücklichen und freien Wunsch zum Übertritt bestätigte. Nach der Antragstellung auf Übertritt beim Imam, leitete dieser seinen Bericht zusammen mit dem schriftlichen Gesuch des Konvertiten an den Obersten Rat der Gemeinschaft in Sarajevo weiter. Der Rat entschied über die Übertritte und verzeichnete sie.97 Nach der Gründung des NDH versuchten viele Konvertiten die in der Vergangenheit abgegebenen Erklärungen zum Übertritt zur Orthodoxie zu widerrufen.98 Die Grundlage für diese Übertritte bildeten, wie bei den anderen Konfessionen, die gesetzlichen Verordnungen der Ustaša-Regierung. Da der Konvertit bei einem Übertritt zum Islam einen neuen muslimischen Namen erhielt, war eine Erlaubnis zur Namensänderung von der Großbezirksregierung einzuholen. Die „Rückkehrer“ zum Islam waren von diesem Vorgang ausgeschlossen, da sie ihre muslimischen Namen behalten hatten. Die Großbezirksregierungen leiteten in der Regel die Anträge zur Namensänderung an das Innenministerium weiter, von wo aus sie an das Ministerium für Justiz und Religion geschickt wurden.99 Namensänderungen führten in den meisten untersuchten Fällen zu Problemen, weil sie von den zuständigen Ministerien nicht akzeptiert wurden. Wenn dazu auch noch, wie bei vertriebenen Serben oder ausländischen Staatsbürgern, Dokumente zur eindeutigen Bestimmung der Identität fehlten, kam es meistens zu Ablehnungen der Anträge.100 Für 96
BiH-ATKT-OIVZBi und Ebd., IDžT Imamat džemata Tuzla [Muslimische Glaubensgemeinde Tuzla], Oberster Rat der Gemeinschaft in Sarajevo an alle zugehörigen Imamate betr. Konvertitenregister, 25.6.1940. 97 ABiH-Vl. RBiH 02-Zakonodavstvo, 1946 Der Vorsitzende des Obersten Rats der Gemeinschaft in Sarajevo an die Landeskommission für Religionsfragen der RBiH, 17.4.1946. 98 BiH-ATKT-OIVZBi Protokoll und Erklärung von A. Delić zum gewünschten Übertritt zur Orthodoxie, 235, 28.11.1940 und 24.12.1940; Ebd., Erläuterung zum Fall A. Delić im Imamat Džemat in Bijeljina, 235, 10.10.1941; Ebd., Widerruf des Übertrittes, 235, 6.6.1941. 99 BiH-ATKT-OIVZBi Imamat Džemat in Bijeljina an Großbezirksregierung Posavje betr. Namensänderung von M. Fleis, 233, 8.9.1941; Ebd., Innenministerium an Ministerium für Justiz und Religion betr. Namensänderung wegen Übertritt von M. Fleis, 233, 5.11.1941. 100 Z. B. wurde der Antrag von M. Fleis, die aus Ungarn stammte und keine persönliche Dokumentation und Taufschein besaß, abgelehnt. Dem Serben M. Marković und der russischstämmigen
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die Rückkehrer zum Islam, wie im Fall von A. Delić aus Bijeljina, sah das oberste Religionsrat in Sarajevo eine vereinfachte Prozedur vor. Sollte nämlich in der Vergangenheit der Übertritt aus dem Islam zur Orthodoxie nicht in den Matrikeln des zuständigen Imamats Džemat vermerkt worden sein, wurde kein Verfahren eingeleitet, da der betreffende formal ein Moslem geblieben war.101 Weder die Ustaša noch die Verwaltung in den muslimisch dominierten Bezirken erzwangen oder bewarben Übertritte zum Islam. Das Ziel der lokalen Akteure vor September 1941 und der Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung ab Herbst 1941 war, die serbische Bevölkerung zum Katholizismus zu konvertieren. Lag eine Besetzung der Verwaltungsämter in Gemeinden und Bezirken durch Muslime vor oder besetzten Muslime die entsprechenden Positionen in der UstašaOrganisation, kam es kaum zu erpressten Konversionen, weder zum Katholizismus noch zum Islam. Es sind dagegen Fälle bekannt, in welchen muslimische Ustaše Übertritte behinderten. Das Ministerium für Justiz und Religion intervenierte im März 1942 beim Innenministerium wegen solcher Behinderungen der Übertritte der Orthodoxen zum römisch-katholischen Glauben.102 Von den Großbezirken wurden weder eine Konversionspropaganda eingeleitet noch ähnliche Anreize zur Konversion zum Islam geschaffen. Die Gewalt und Verfolgung führten aber auch in den bosnischen Gebieten vereinzelt zu Anträgen zum Übertritt zum Islam. In den untersuchten Großbezirken waren im Sommer 1941 die meisten Anträge aus Gründen der Eheschließung mit dem muslimischen Ehepartner eingereicht worden. Die Antragstellerinnen waren in Bijeljina überwiegend Frauen, die einen Übertritt vor 1941 nicht erwogen hatten. Nach dem Erhalt der Erlaubnis zum Übertritt von der Bezirksregierung stellten die potentiellen Konvertiten einen Antrag bei der jeweiligen Glaubensgemeinde. Dem Antrag waren noch je nach Konfession der Frau ein Taufschein, ein Heimatschein und das Ehefähigkeitszeugnis hinzuzufügen. Die Glaubensgemeinde wandte sich anschließend an den Obersten Rat der Gemeinschaft in Sarajevo. In der Regel dauerte es im August 1941 einen Monat, bis eine Einwilligung aus Sarajevo eintraf und die Konversion durchgeführt wurde.103 Auch zogen die während der Kriegszeit geschlossenen Mischehen zwischen muslimischen Männern und katholischen Frauen Übertritte zum Islam nach sich.104 In der
101 102 103 104
orthodoxen Konvertitin Lj. Petrović erlaubte das Ministerium für Justiz und Religion keine Namensänderung. BiH-ATKT-OIVZBi Imamat Džemat in Bijeljina an den Großgespan von Posavje betr. Übertritt von Orthodoxie zum Islam von Lj. Petrović, 233, 8.9.1941; Ebd., Ministerium für Justiz und Religion an die Bezirksverwaltung in Bijeljina betr. Namensänderung von Lj. Petrović, 10.11.1941; Ebd., Ministerium für Justiz und Religion an Bezirksverwaltung in Bijeljina betr. Namensänderung von M. Marković, 10.11.1941. Ebd., Erläuterung zum Fall A. Delić, Oberster Rat der Gemeinschaft in Sarajevo an Imamat Džemat in Bijeljina, 235, 10.10.1941 und 24.12.1940; Ebd., Antwort, 19.12.1941. HR-HDA-218, 33–2945 Das Innenministerium an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Verfolgung der Übertrittswilligen seitens der muslimischen Ustaše, 20.3.1942. BiH-ATKT-OIVZBi J. Beg bittet das Imamat Džemat in Bijeljina um Übertritt, 20.8.1941; Ebd., Imamat Džemat in Bijeljina an Oberste Rat der Gemeinschaft in Sarajevo, 22.8.1941; Ebd., Erhalt der Antwort aus Sarajevo, 18.9.1941; Ebd., Bitte von M. Mesić, 233, 27.8.1941. BiH-ATKT-IDžT Imamat džemata Tuzla, zur Veranschaulichung den Fall von R. Golen, 27.9.1944 und der rumänischstämmigen E. Vukopal, 27.9.1944.
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Vergangenheit entließen die römisch-katholischen wie auch orthodoxen Pfarrämter nur ungern Gläubige aus ihrer Glaubensgemeinschaft. Die serbisch-orthodoxen Kirchengemeinden verweigerten die Ausstellung nötiger Dokumente für den Übertritt zum Islam.105 Nach 1941 fiel diese Schranke weg, so dass ein Teil der Übertritte nur als Nachholtaten betrachtet werden können. Einzelne Übertritte aus Gründen der Eheschließung mit muslimischen Ehepartnern sind bis zum Ende des Krieges zu verfolgen.106 Das von den Katholiken für den Überritt geforderte Ehefähigkeitszeugnis sowie der Taufschein konnten nur von den römisch-katholischen Gemeinden ausgestellt werden, die sich allerdings dagegen stellten. So wurde von den potentiellen Konvertiten der wahre Zweck häufig vorgetäuscht. Die Angabe, dass diese Dokumente z. B. zur Ausstellung einer Arbeitserlaubnis benötigt wurden, erleichterte die Entlassung aus der alten Konfession und damit den ganzen Prozess.107 1945 wurden von der Nachkriegsordnung auch von der islamischen Religionsgemeinschaft Konvertitenverzeichnisse angefordert. Noch vor der Anfrage der Religionskommission interessierte sich die Partisanenregierung der Stadt Tuzla z. B. für die Konvertitenverzeichnisse des islamischen Bezirksrats.108 Auf die Anfrage der Religionskommission zeigte der Oberste Rat der Gemeinschaft in Sarajevo insgesamt 252 serbische Konvertiten zum Islam auf dem ganzen Territorium des NDH für den Zeitraum 1941–1945 an.109 Von Benachteiligung und Privilegierung Die Zusammenarbeit der Ustaša-Regierung mit der römisch-katholischen Kirche führte in religiös gemischten Gemeinden wie auch zwischen den Regierungsgliedern zu Spannungen. Muslimische Vertreter sahen sich durch die Privilegierung der katholischen Kirche benachteiligt. Auch wiesen die muslimischen religiösen Vertreter seit den ersten Monaten nach der Staatsgründung auf die Missstände bei der Behandlung von Muslimen hin. Der Reis-ul-Ulema zeigte sich geschockt über die Planungen zur Abhaltung von Feierlichkeiten für Starčević und Pavelić anlässlich ihrer Geburtstage in den Sarajevoer Moscheen.110 Spaho reagierte empfindlich auf das Thema, nicht zuletzt aufgrund der früheren Versuche der jugoslawischen 105 BiH-ATKT-OIVZBi z. B. die Bescheinigung der Bezirksverwaltung sowie das Bittgesuch auf Übertritt zum Islam von Milka Marković aus Bijeljina 233, 28.6.1941 und insbesondere 3.7.1941. 106 Ebd., Die entrichtete Gebühr zur Anmeldung zum Religionsübertritt von A. Mihović belief sich auf 150 Kuna. Sittlichkeitszeugnis der Bezirksverwaltung in Bijeljina, 19.7.1944; Ebd., Antrag auf Übertritt vom römisch-katholischen Glauben zum Islam, 19.7.1944; Ebd., Erlaubnis des Obersten Rats der Gemeinschaft in Sarajevo, 15.8.1944; Ebd., Protokoll und Konversionsbestätigung, 269, 17.8.1944. 107 Ebd., Tauf- und Ehefähigkeitszeugnis für A. Mihović, Gemeinde des Hl. König Petar in Bijeljina, 269, 12.6. und 18.7.1944. 108 BiH-ATKT-IDžT Städtisches Volkskomitee Tuzla an das Imamat Džemat in Tuzla, 21.8.1945. 109 ABiH-Vl. RBiH 02-Zakonodavstvo 1946 Verzeichnis, 18.4.1946. 110 gRebLe, Sarajevo, 79.
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Regierung zur Abhaltung von ähnlichen Feiern zu Ehren des serbischen Heiligen Sava. So wurden z. B. an Schulen im Bezirk Tuzla 1939 die muslimischen Kinder zur Teilnahme an den Sava-Feierlichkeiten gezwungen. Der oberste Rat der islamischen Gemeinschaft in Sarajevo reichte deswegen eine Beschwerde beim jugoslawischen Unterrichtsministerium ein. Zu Disziplinarverfahren kam es in solchen Fällen allerdings kaum, angeblich aus Mangel an Zeugen und Beweisen.111 Weitere Unstimmigkeiten zwischen den religiösen Vertretern und der Ustaša ergaben sich zunächst bei der Behandlung der muslimischen Roma. Nach einem Bericht der muslimischen Glaubensgemeinde in Višegrad hatten die westserbischen Ortsbehörden die Muslime im Grenzgebiet zu Bosnien zu Roma erklärt. Das kroatische Außenministerium reagierte auf die Mitteilung aus Višegrad und ersuchte im Juni 1941 um Vermittlung der deutschen Gesandtschaft bei den deutschen Behörden in Serbien, diese Praxis zu unterbinden und die Muslime in Westserbien als Arier zu behandeln. Die Angelegenheit zog sich jedoch in den Monat August hinein, als das Außenministerium eine Verbalnote an die deutsche Gesandtschaft richtete.112 Zur gleichen Zeit richtete auch eine Gruppe aus Derventa eine Beschwerde gegen die Verfolgung der sogenannten „weißen Zigeuner“ an Pavelić. Unter den „weißen Zigeunern“ wurden muslimische Roma verstanden. Der Stellvertreter von Pavelić, Ademaga Mešić, ein Muslim, unterstützte diese Beschwerde. Darauf proklamierte das Innenministerium am 30. August 1941, dass die Mitglieder dieser Gruppe aufgrund ihrer Lebensführung nach den Regeln des Islam als Arier galten und so behandelt werden mussten.113 Die Beschwerden kamen bald aus allen Teilen Bosnien und Herzegowinas. Die Muslime in Prijedor bemängelten die Besetzung von wichtigen Ämtern in ihrem Bezirk durch Katholiken und eine allgemeine Benachteiligung von Muslimen. Dies zeigte sich auch daran, dass die niederen Behörden Konvertiten zum Islam nicht akzeptierten und sie zwangen zum Katholizismus überzutreten. Der Reis-ul-Ulema verlangte, dass die Konvertiten zum Islam gleich behandelt werden wie die Konvertiten zum Katholizismus.114 Schwerwiegender war der Vorwurf, die „wilden Ustaše“ hätten Muslime in Kozarac nahe Prijedor zu Überfällen gegen die griechisch-Katholiken gezwungen.115 Aus dieser Region wurden die griechisch-katholischen Priester vertrieben.116 Häufig verkleideten sich Kroaten auch als Muslime 111 BiH-ATKT-IDžT Oberster Rat der Gemeinschaft in Sarajevo an alle Bezirksräte betr. SavaFeierlichkeiten, 13.1.1940. 112 PAAA-GZ, 68 Das kroatische Außenministerium an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, Promemoria, 19.6.1941; Ebd., Verbalnote, 18.8.1941. 113 BiH-ATKT-OIVZBi „Rassenzugehörigkeit der weißen Zigeuner“, Innenministerium an Bezirke Derventa und Bijeljina, 226, 30.8.1941; Ebd., Bezirksverwaltung in Bijeljina an alle Gemeinden im Bezirk 1.9.1941. 114 kiSić kolanović, Muslimani, 196. 115 HR-HDA-235 Konzularno predstavništvo Nezavisne Države Hrvatske u Beogradu [Konsularvertretung des NDH in Belgrad], 1 Beschwerde der Muslime aus Prijedor, gerichtet an muslimische Regierungsvertreter, darunter Mešić und Kulenović und einflussreiche Muslime (an insgesamt 20 Personen), 24.9.1941. 116 HR-HDA-218, 29–1580 Der apostolische Administrator aus Križevci an das Ministerium für Justiz und Religion, 15.2.1942.
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und wüteten gegen Serben in Prijedor und Umgebung, darunter der Ustaša-Chef Tomislav Dizdar. Damit provozierten sie serbische Gegenangriffe auf Muslime.117 Pavelićs Versuche, unter den Muslimen in Bosnien eine kroatische nationale Identität zu erzeugen, wurden von widersprüchlichen und die Identitätspolitik kompromittierenden Aussagen begleitet. Die offiziellen Standpunkte der Regierung zu den Muslimen in Bosnien hingen stets von den Adressaten ab. Gegenüber einer italienischen Mission behauptete Pavelić, das kroatische Volk sei ein katholisches Volk, das jedoch Minderheiten anderer Konfessionen umfasste. Im Folgesatz betonte er ferner, dass die Muslime, obwohl sie dem Islam angehörten, reine Kroaten seien. Bei den Serben sei die Situation noch komplizierter. Anscheinend betonte Pavelić die katholische Konfession der Kroaten, um die italienischen Geistlichen davon zu überzeugen, dass die Kroaten nicht mehr der „Los-von-Rom-Bewegung“ angehörten. Was darauf in der italienischen katholischen Zeitung „L’Avvenire“ abgedruckt wurde, konnte Pavelićs Bestrebungen um eine Anerkennung des NDH durch den Vatikan nur unterstützen. Das Bild eines katholischen Landes, das um seine Glaubensgemeinschaften bemüht war und das historische Erbe des Schismas durch die Rückkehr der zur Orthodoxie konvertierten Kroaten korrigierte, dominierte in der Argumentation des Artikels.118 Solche und ähnliche Äußerungen von Regierungsmitgliedern über ein katholisches Kroatien unterliefen die postulierten Erklärungen zur politischen Gleichberechtigung von Muslimen und Katholiken. Nach der Institutionalisierung der Konversionspolitik protestierte der Reisul-Ulema beim Innenministerium, weil Konvertiten zum katholischen Glauben ungleich besser behandelt würden als Konvertiten zum Islam. Serben und Juden, die zum Islam konvertierten, verbesserten weder ihre persönliche Lage, noch ihr Verhältnis zum Staat. In zahlreichen Fällen seien Serben ermordet und Juden deportiert worden, gerade deshalb, weil sie zum Islam konvertierten. Er forderte eine Gleichstellung des Islam und der katholischen Religion auch in der Praxis. Das Regierungspräsidium reagierte mit einer Aufforderung an die Großbezirke und ihre Behörden, die an den Übertritt zum Katholizismus gebundenen Privilegien auch auf Konvertiten zum Islam auszudehnen.119 Die Staatsdirektion für Erneuerung ließ außerdem verlautbaren, dass das römisch-katholische und muslimische Glaubensbekenntnis gleich behandelt werden müssen. Dies bezog sich auf alle Bestimmun-
117 HR-HDA-235, 1 Beschwerde der Muslime aus Prijedor, gerichtet an muslimische Regierungsvertreter, darunter Mešić und Kulenović und einflussreiche Muslime (an insgesamt 20 Personen), 24.9.1941. Die Praxis der Verkleidung bei Gewaltaktionen kam landesweit vor. Auch die Partisanen in Bosnien pflegten Spitznamen zu tragen, die ihre ethnische Herkunft kaschierten. Wenn die Umgebung z. B. anti-muslimisch oder pro-Ustaša war, trugen sie serbische bzw. muslimische Spitznamen. hoaRe, Genocide, 102; Dulić, Utopias, 228–236. 118 PAAA-GZ, 68 Bericht der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl über den Artikel in der L’Avvenire und das Gespräch zwischen einem italienischen Geistlichen mit Pavelić an das AA und anschließend an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, 30.9.1941. 119 VA-NDH 179/3/7 Vize-Regierungspräsidium in Banja Luka an alle Großbezirke, hier an den Großbezirk Sana i Luka sowie Vrhbosna, 30.9.1941; HR-HDA-218, Eingangsregister 4447, 4448 (1942).
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gen zur Aussiedlung der Orthodoxen, so dass Konvertiten zum Islam bei Aussiedlungen berücksichtigt werden sollten.120 Die anschließende Resolution der Sarajevoer Muslime infolge der Initiative von „El-Hidaje“ vom 12. Oktober 1941 hatte vor allem die Leiden der muslimischen Bevölkerung in Bosnien zum Gegenstand. Die muslimische Bevölkerung stünde den serbischen Angriffen ungeschützt gegenüber, die durch Verbrechen der „unverantwortlichen Elemente“, i. e. (mit Fez als Muslime verkleideten) UstašaMilizen provoziert seien. Der zweite wichtige Punkt der mit 218 Unterschriften versehenen Resolution betraf die ungleiche Behandlung der katholischen und der muslimischen Glaubensgemeinschaft bzw. die Diskriminierung der letzteren.121 Auch löste der Bericht über den Empfang der Konvertiten aus der Baranja bei Pavelić Unzufriedenheit innerhalb der muslimischen Bevölkerung aus. In einem Bericht des 2. Landwehr-Korps hieß es, die Muslime hätten Pavelićs Rede, in welcher er die vielen Konfessionen in Kroatien als Unglück bezeichnete, das die Kroaten entzweite, als sehr negativ empfunden. Da Pavelić auch noch betonte, dass sich das restliche Volk am Beispiel der Konvertiten aus Baranja orientierte, glaubten die Muslime das nächste Ziel der Konversionspolitik zu sein.122 Die Konversionspolitik der Ustaša entwickelte sich zum Risikofaktor in den Beziehungen des Staates zu den Muslimen, weil die Aufladung des serbisch-kroatischen Konfliktes mit religiöser Bedeutung zunehmend Ängste bei den Muslimen auslöste, zum nächsten Opfer der Ustaše zu werden. Es ist nach vorliegender Quellenlage unwahrscheinlich, dass die muslimischen religiösen Vertreter auch direkte Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche unterhielten oder sich über die rechtliche Stellung der religiösen Institutionen mit ihr oder der evangelischen Kirche austauschten. Eine fehlende ökumenische Arbeit ist für die ganze Kriegszeit und für alle religiösen Gemeinschaften symptomatisch. Anfang Januar 1942 übermittelte der Reis-ul-Ulema im Namen des Obersten Rats der islamischen Gemeinschaft in Sarajevo eine Beschwerde an den Vize-Präsidenten der kroatischen Regierung, Džafer Kulenović. Kulenović war einer der Muslime in der Ustaša-Regierung. Der Anlass der Beschwerde war ein unter dem Namen „Kroatischer Volksbrief aus der Herzegowina“ kursierendes Lied, dessen Inhalt Muslime beleidigte. Außerdem beschwerte man sich über die katholische Presse, die von der Organisation Kroatiens nach christlichen Werten berichtete, und auch über katholische Priester, die die Etablierung eines katholischen Staates verkündeten.123 120 HR-HDA-218, 3 Nachtrag zur Verordnung zur Behandlung der Aussiedler vom 24.7.1941 16/1927–1941; Zur Gleichbehandlung bei Mischehen mit Muslimen VA-NDH 179 Staatsdirektion für Erneuerung an das Innenministerium, die Großbezirks-, Bezirksverwaltungen und Aussiedlerlager, 3.9.1941. 121 VA-NDH, 61/2/17 Resolution der Sarajevoer Muslime, die durch Hadži Mehmed Handžić (El-Hidaje) initiiert wurde, 12.10.1941 sowie Abschrift vom 20.10.1941. 122 VA-NDH, 61a/17/22 Bericht des 2. Landwehr-Korps u. a. an die Regierung über den Zeitraum 15.–30. November 1941. 123 VA-NDH 190 Beschwerde des Ulema Medžlis, gerichtet an den Vize-Präsidenten Džafer Kulenović, 7.1.1942; Ebd., Der Reis-ul-Ulema an Kulenović, 11.1.1942.
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Die Beschwerden der bosnischen Muslime wurden entsprechend den gewalttätigen Auseinandersetzungen ab 1942 noch fordernder. Das Vertrauen, das Pavelić zu Beginn seiner Regierungszeit von den religiösen Vertretern der Muslime entgegengebracht wurde, schwand auch wegen der steigenden Unfähigkeit des Staates, die Zivilisten vor den Angriffen der Četnici zu schützen. Eine ostbosnische muslimische Abordnung unter Mešić überreichte Pavelić Anfang Februar 1942 eine Denkschrift, die von den Säuberungen gegen die Muslime seit Anfang Januar 1942 in Rogatica, Vlasenica, Srebrenica, Goražde, Foča und Čajniče veranlasst und in der Lage der Muslime in Bosnien als untragbar beschrieben wurde. Die Abordnung machte die Regierung für die Lage verantwortlich, zumal die Angriffe der Četnici die muslimische Bevölkerung zu den Partisanen trieben.124 Die Denkschrift mutete eher wie eine Warnung und nicht wie ein Protest an: „Das Volk wird keine Schuld haben, wenn es das tun muss. Schuld sein werden wir Kroaten, schuld sein wird Kroatien, schuld sein werden Sie, Poglavnik!“125 Pavelić fürchtete vor allem die autonomistischen Bestrebungen einiger muslimischen Kreise nach einer selbstständigen Verwaltung Bosniens. Selbst auf der Ebene der Gemeinden äußerte sich die Unzufriedenheit der Muslime zunehmend in mehr oder weniger öffentlichen Bekundungen des bosnischen Anspruches auf Autonomie. Unter dem Gewaltregime des Bezirksleiters Montani in Brčko z. B. erschien an einigen Häuserwänden die Aufschrift Ž.A.P.B.I.H. (Živila autonomna pokrajina Bosna i Hercegovina), was übersetzt „Es lebe die Autonomie Bosnien und Herzegowinas“ hieß. Wie sich herausstellen sollte, brachte eine Äußerung des Vertrauten von Montani, Bačić, weitere Unruhe in die Situation. Bačić hatte verkündet, dass man auch die Muslime zu ihrem „ursprünglichen“ katholischen Glauben umtaufen sollte. Es kam darauf zu Fällen von gegenseitigen Plünderungen und Vergewaltigungen zwischen Muslimen und Katholiken. Anfang Januar wurde eine Gruppe von Muslimen mit der Begründung verhaftet, dass sie bosnische Unabhängigkeit anstrebten.126 Die steigende Unzufriedenheit der muslimischen religiösen Vertreter mit dem Ustaša-Regime zeigte sich bald auch in der Praxis. Die muslimische Geistlichkeit widersetzte sich im August 1942 der Teilnahme von muslimischen Staatsbediensteten an christlichen Beerdigungen. Die Regierung wollte dies jedoch nicht akzeptieren. Der Vize-Gespan von Vrhbosna verurteilte eine solche „engstirnige religiöse Einstellung“ scharf, die dem Patriotismus und der Priorität nationaler Interessen weichen sollte.127 124 PAAA-R 907/69678 Deutsche Gesandtschaft in Zagreb, gez. Troll, an das AA betr. Muslime in Kroatien, 13.3.1942. Darin enthalten ist auch die Denkschrift in deutscher Übersetzung. 125 PAAA-R 907/69678 Denkschrift bosnischer Muslime, 1942. 126 PAAA-GZ, 56 Bericht der deutschen Ortsleitung in Brčko (Kleess) an die deutsche Kreisleitung in Vinkovci, 17.12.1941; Ebd., 247 Bericht des Kreisleiters Ritz an Altgayer, 8.1.1942. Für die lokalen Vertreter der Deutschen Volksgruppe war eine absichtliche Herbeiführung des Konfliktes zwischen Muslimen und Kroaten in Brčko durch Montani nicht ausgeschlossen. 127 VA-NDH 183/5 Der Reis-ul-Ulema an die Großbezirksregierung Vrhbosna, 20.8.1942; Ebd., Großbezirksregierung Vrhbosna an das Innenministerium sowie dieses an das Ministerium für Justiz und Religion, 30.8.1942, 5.9.1942.
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Weitere Beschwerden betrafen finanzielle Fragen – „El Hidaje“ aus Sarajevo bemängelte im November 1942 beim Ministerium für Justiz und Religion die Verteilung der staatlichen Hilfen.128 Die fehlenden Auszahlungen von staatlichen Zuwendungen sorgten bereits seit Sommer 1941 für Unmut unten den muslimischen religiösen Führern. Auch wurden Forderungen nach Ernennung eines muslimischen Vertreters im Ministerium für Justiz und Religion missachtet.129 Der Reisul-Ulema in Sarajevo rechnete nach der Gründung des NDH mit der Weiterführung der früher zum Verwaltungsgebiet Sarajevo gehörenden Gemeinden, die sich nun außerhalb vom NDH in Serbien befanden. Das Ministerium für Justiz und Religion hatte dies jedoch mit der Begründung abgelehnt, dass die dortige deutsche Regierung dies nicht zulassen würde.130 Die empfundene strukturelle Zurücksetzung der Muslime resultierte während der ganzen Kriegszeit in ähnlichen Protesten, so z. B. der von Kulenović geführten Delegation beim Ministerpräsidenten Mandić in Sarajevo im April 1944.131 In praktischen Belangen hatten die Muslime in kroatischen Städten wie Osijek und Zagreb Schwierigkeiten, ihre Forderungen durchzusetzen. In den Reihen der Osijeker Landwehr dienten Anfang 1942 zwischen 700 und 800 Soldaten muslimischen Glaubens, für die ein größeres Bethaus erforderlich war. Der Großgespan von Baranja bat deshalb die Abteilung der Staatsdirektion für Erneuerung beim Bürgermeisteramt um eine geeignete Lokation. Der muslimische Militärgeistliche war an dem Gebäude des „Sokolski dom“132 interessiert, da die vorhandene Moschee nur 60 Menschen fasste. Die Stadtverwaltung konnte dieser Forderung nicht nachkommen und bot den zumeist in der Oberstadt ansässigen Osijeker Muslimen stattdessen das Gebäude der ehemaligen jüdischen Synagoge in der Unterstadt an. Diese befand sich unter der Administration der Osijeker Staatsdirektion für Erneuerung, die kleine Reparaturen und die Umgestaltung für die neuen 128 HR-HDA-218 Eingangsregister 6376 (1942). 129 gRebLe, Sarajevo, 78 f. 130 HR-HDA-218, 2 Der Reis-ul-Ulema an das Ministerium für Justiz und Religion, 26.6.1941 sowie Stellungnahme von Glavaš; Ebd., Der Minister für Justiz und Religion an Glavaš, 22.8.1941; Ebd., Büro von Pavelić an das Ministerium für Justiz und Religion, 4.8.1941. Für manche Gebiete, deren Zugehörigkeit zum NDH vakant war, wie Sandžak, bedeutete es außerdem, dass die Klärung der staatlichen Subventionen auch offen bleiben musste; raDić, Verom, 83. 131 PAAA-GZ, 207 Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10. und 28.7.1944. 132 Das Vereinsgebäude in Osijek, Sokolski dom, wurde 1928 vom jüdischen Architekten Viktor Axman (Vladoje Aksmanović) gebaut. Bei den Sokoli (Plural von soko(l)) handelte es sich um Angehörige der Turnvereine auf dem Gebiet des heutigen Kroatien, Slowenien und Serbien. Politisch bewegten sich die Sokoli im liberalen Lager als Opponenten der österreichisch-ungarischen Monarchie. Sie waren antiklerikal gesinnt und entwickelten sich im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen zu Hauptträgern der jugoslawischen nationalen Ideologie und der wichtigsten Kulturvereinigung. Sowohl die katholische als auch die serbisch-orthodoxe Kirche kämpften gegen die Sokol-Bewegung. Buchenau, Katholizismus, 235; Die Sokoli, Serben wie Kroaten, waren wegen ihres Jugoslawismus unter den ersten Opfern des UstašaRegimes. Mirko Puk bezeichnete sie als „kroatenfeindliche Kampforganisation“ (Sabor Rede, 25.2.1942, vgl. PAAA-GZ, 67/2). Im August 1941 kam es zur Neugründung des Sokol als einem kroatisch-nationalen Verein.
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Zwecke vorschlug.133 Doch die Muslime scheinen jüdische Gebäude abgelehnt zu haben. Ein halbes Jahr später wand sich die muslimische Glaubensgemeinde erneut an die Staatsdirektion für Erneuerung in Osijek, weil sie ein geeignetes Gebäude für den Gottesdienst, ein Gemeindebüro und die Unterbringung des neuen Imams, Šerif Špica benötigte. Für die 30 muslimischen Schüler wurden außerdem Räume für den Religionsunterricht benötigt. Die muslimische Gemeinde wünschte ein Wohnhaus in der Ružina ulica 3134, doch die Staatsdirektion für Erneuerung schlug wieder ein Haus aus dem Besitz der jüdischen Familie Samuel und Flora Kraus in der Županijska ulica 36 vor.135 Folglich kam es auch jetzt nicht zum Einzug, so dass der Großgespan im Januar 1943 wiederholt vom Bürgermeisteramt in Osijek ein geeignetes Gebäude verlangte.136 Welchen Ausgang die Angelegenheit schließlich hatte, kann nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden. Doch insgesamt mehrten sich die Vorwürfe der Diskriminierung und Herabsetzung immer weiter. Staatliche Gesetze zu religiösen Übertritten zum Islam Die von der Ustaša-Regierung hochgehaltene Gleichberechtigung des Islam mit der katholischen Konfession im NDH wies nicht nur in der Praxis Widersprüche auf. Es waren nicht nur die lokalen Verwaltungen und die Kriegsdynamik, die die Muslime im Vergleich zu den Katholiken benachteiligten, sondern auch strukturelle Prämissen. Der Islam wurde 1916 im Königreich Kroatien und Slawonien anerkannt und den christlichen Konfessionen gleichgestellt. Das Gesetz zur Anerkennung regelte jedoch weder die Frage der religiösen Übertritte noch hob es den § 14 des Interkonfessionellen Gesetzes von 1906 auf. Das Gesetz von 1906 legte im § 14 fest, dass jede Person ab dem achtzehnten Lebensjahr eine Konversion zu einer gesetzlich anerkannten Konfession vollziehen kann. Ausdrücklich waren dies jedoch christliche Konfessionen. Es bestimmte außerdem unter § 15, dass der potentielle Konvertit den Antrag auf Glaubenswechsel an den Seelsorger seiner bisherigen Konfession richten und der Seelsorger anschließend die Konversionsabsicht bescheinigen sollte. Bei Verweigerung der Bescheinigung seitens der Geistlichkeit traten die staatlichen Stellen der ersten Instanz für den Konversionsvorgang ein.137 Die nachfolgenden Regelungen über die Konfessionen in der Verfassung des Königreichs Jugoslawien von 1921 und 1931 sowie in den Gesetzen über die Isla133 HR-DAOS-701, 11 Kommando der Landwehr in Osijek bittet um Gebetshaus, Großbezirksregierung Baranja an Staatsdirektion für Erneuerung beim Bürgermeisteramt in Osijek, 8.2.1942; Ebd., Antwort, Nr. 983, 23.2.1942; Ebd., Nr. 1489, 9.3.1942. 134 HR-DAOS-701, 11 Imamat-Džemat in Osijek an das Amt für verstaatlichtes Eigentum beim Bürgermeisteramt, 24.8.1942; Ebd., Šerif Špica an das Bürgermeisteramt, 24.8.1942. 135 Ebd., Entscheidung, Amt für verstaatlichtes Eigentum beim Bürgermeisteramt, 3.9.1942. 136 Ebd., Zuteilung eines Gebäudes zur vorübergehenden Nutzung als Moschee, Religionsschule und Amtszimmer, Großbezirk Baranja (Stjepan Hefer) an Amt für verstaatlichtes Eigentum beim Bürgermeisteramt, 11.1.1943. 137 VA-NDH, 87a/4/38 Bericht zum Vorschlag des Reis-ul-Ulema vom 25.8.1943 betr. das Interkonfessionelle Gesetz; Gesetz zur Anerkennung des Islam vom 27.4.1916, in: Sbornik Zakona, 1916; Interkonfessionelles Gesetz vom 17.1.1906, in: Sbornik Zakona, 1906.
3. Die bosnischen Muslime und die Ustaša
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mische Glaubensgemeinschaft von 1930 und 1936 ließen die Regelung religiöser Übertritte weiterhin offen. Sie hoben den § 14 des Interkonfessionellen Gesetzes aus 1906 nicht auf, so dass nur religiöse Übertritte zu christlichen Konfessionen rechtlich möglich waren. Die katholische Kirche sprach sich übrigens bei der Verabschiedung der Vidovdan-Verfassung von 1921 gegen Übertritte zu nichtchristlichen Glaubensgemeinschaften und generell gegen Kirchenaustritte aus.138 Die wenigen Übertritte zum Islam sollen sogar 1940 zum Dekret des jugoslawischen Justizministeriums geführt haben, das die Gültigkeit des § 14 ausdrücklich bestätigte. Die Abteilung für Inneres der Banschaft Kroatien gab am 7. November 1940 ein Rundschreiben im Zusammenhang mit dem Dekret der jugoslawischen Regierung heraus, das noch einmal unterstrich, dass Übertritte von christlichen zu nichtchristlichen religiösen Gemeinschaften auf dem Gebiet, wo das Gesetz von 1906 seine Gültigkeit besaß, i. e. auf dem Gebiet des Königreiches Kroatien und Slawonien, nicht erlaubt waren.139 Der Reis-ul-Ulema unterbreitete im Herbst 1941 einen Entwurf zur Ergänzung der gesetzlichen Verordnung zu Übertritten. Der § 14 behielt im NDH jedoch weiterhin seine Gültigkeit, da die gesetzliche Verordnung zu religiösen Übertritten nur das Konversionsverfahren tangierte, wie die Religionsabteilung des Ministeriums für Justiz und Religion dem Reis-ul-Ulema am 3. September 1942 bestätigte. Die Gesetzeslage war somit konträr zu den politischen Richtlinien der Ustaša-Regierung, die offiziell auch Übertritte zum Islam begrüßte, und zwar auf dem ganzen Territorium des NDH. Abgesehen vom § 14 blieb auch die Wirkungskraft des § 21 des Gesetzes aus 1906 ungeklärt. Der § 21 legte fest, dass in Mischehen die Eltern vor oder nach der Trauung in einem Vertrag bestimmen konnten, ob einige oder alle aus der Ehe hervorgegangenen Kinder dem Glauben der Mutter angehören sollen. Beim Fehlen eines Vertrages wurden die Kinder Mitglieder der Glaubensgemeinschaft des Vaters. Bis auf einige Ausnahmen konnten Kinder und Jugendliche nach § 22 keinen religiösen Übertritt bis zu ihrer Volljährigkeit durchführen. Da sich die nach 1906 folgenden Gesetze auch zum § 21 ausschwiegen, behielt er seine Gültigkeit, auch im NDH nach der gesetzlichen Verordnung von Mai 1941. Da er aber – anders als der § 14 – nicht ausdrücklich auf christliche Konfessionen bezogen war, galt er auch für mit Muslimen geschlossene Mischehen auf dem Gebiet des früheren Königreiches Kroatien und Slawonien. Das Religionsministerium bestätigte mit dem Beschluss vom 3. November 1943 ausdrücklich die Weitergültigkeit dieser Regelung.140 Im August 1943 schlug der Reis-ul-Ulema vor, dass der § 14 des Interkonfessionellen Gesetzes außer Kraft gesetzt wird sowie, dass der § 21 keine Anwendung für Muslime findet. Das Religionsministerium weigerte sich, den Forderungen zu entsprechen und beharrte auf dem Gesetz von 1906.141 In den kroatischen 138 buchenau, Katholizismus, 232. 139 VA-NDH, 87a/4/38 Bericht zum Vorschlag des Reis-ul-Ulema vom 25.8.1943 betr. das Interkonfessionelle Gesetz von 1906. 140 Ebd; Interkonfessionelles Gesetz vom 17.1.1906, in: Sbornik Zakona, 1906; HR-HDA-218 Eingangsregister 6069 (1942). 141 VA-NDH, 87a/4/38 Bericht zum Vorschlag des Reis-ul-Ulema vom 25.8.1943 betr. das Interkonfessionelle Gesetz von 1906.
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historischen Gebieten konnten die Übertritte zum Islam von Gesetzes wegen nicht durchgeführt werden. Die proklamierte Gleichstellung des Islam mit dem Katholizismus war irreführend, da das Ministerium für Justiz und Religion, ihr Initiator, sie Gleichstellung unterband. 4. DIE BISCHOFSKONFERENZ 1941 UND IHRE FOLGEN Ein Bauer brachte täglich einem Bäcker fünf Kilogramm Butter für die Brotherstellung und bekam im Gegenzug fünf Kilogramm Brot. Eines Tages wog der Bäcker die Butter und stellte fest, dass sie nur viereinhalb Kilogramm wog. Er bestellte den Bauern wegen Betrugs in die Stadt. Der Bauer antwortete auf die Beschuldigungen: „Mein lieber Freund, ich bin nicht schuld dafür. Ich besitze zwar eine Waage aber keine Gewichte, so lege ich immer dein Brot auf eine Seite und meine Butter auf die andere. Gleich viel wie dein Brot wiegt, wiegt auch meine Butter.“ Der Bäcker wollte es nicht glauben, so überprüfte er seine Waage und stellte fest, dass der Bauer im Recht war. Fortan verkaufte der Bäcker seinen Kunden das Brot mit dem richtigen Gewicht.142
Erzbischof Stepinac erzählte diese Anekdote während einer Predigt anlässlich der Buß-Prozession in Zagreb im Oktober 1943. Die bis heute häufig kolportierte Geschichte143 über das Vertrauen und Richten geht auf die Sprüche 11,1 im Alten Testament zurück. Wer waren aber hier der Bäcker und der Bauer? Noch während die Konversionspolitik auf ihrem Höhepunkt war, vollzog sich ein grundlegender Wandel innerhalb der Beziehungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und der Ustaša-Regierung. Den Auftakt dafür bot die am 17. November 1941 in Zagreb abgehaltene Bischofskonferenz. Während der Bischofskonferenz einigten sich die Bischöfe darauf, dass der Kirche die absolute Autorität in der Durchführung der religiösen Übertritte der Orthodoxen zustehe. In der Zukunft sollte nur die Kirche die Missionare bestimmen, die die Konversionen durchführten, und nicht die Vertreter, Notare oder Vorsteher der Gemeinden, Ustaša-Funktionäre, die Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung oder eine andere Regierungsstelle. Folglich konnten nur Übertritte nach dogmatischen Regeln anerkannt werden und die Regierung konnte sie auch nicht für ungültig erklären. Zum Zwecke der Koordinierung der Übertritte der Orthodoxen zum Katholizismus bestimmte die Bischofskonferenz einen Ausschuss, dem der Vorsitzende der Bischofskonferenz und Erzbischof Alojzije Stepinac, der Bischof aus Senj Dr. Viktor Burić und der apostolische Administrator des Bistums Križevci Dr. Janko Šimrak angehörten. Dieser Ausschuss sollte künftig in der Frage der bürgerlichen Bestimmungen zu religiösen Übertritten mit dem Minister für Justiz und Religion verhandeln. Das katholische Episkopat bildete außerdem einen Exekutivausschuss, dem Dr. Franjo Herman, Professor an der theologischen Fakultät in Zagreb, Dr. Janko Kalaj, Religionslehrer in Mittelschulen und Lehrer für Glagoliza an der theologischen Fakultät, Dr. Augustin Juretić, Berater 142 AJ-103-160, 704–706 Die Geschichte stammt aus Stepinacs Predigt anlässlich der Buß-Prozession in Zagreb, 31.10.1943. 143 Z. B. die Geschichte „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“. KühneR, Axel: Hoffen wir das Beste. Neukirchen-Vluyn 1997, 293 f.
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der Bischofskonferenzen, Nikola Borić, Rektor der Bischofskonferenz in Zagreb und Dr. Krunoslav Draganović, Professor an der theologischen Fakultät, angehörten. Der Exekutivausschuss unterstand dem Ausschuss der Bischöfe und sollte alle administrativen Aufgaben zu Konversionen der Orthodoxen zum Katholizismus wahrnehmen. Zum Katholizismus konvertieren durften weiterhin nur vom Katholizismus überzeugte Personen, die die Kirchenvorschriften erfüllten und freiwillig einen Übertritt wünschten, hieß es. Mit der Annahme der Bestimmungen der Kongregation für die orientalischen Kirchen vom 17. Juli 1941 und den Bestimmungen des Heiligen Stuhls vom 18. Oktober 1941 wurden von der Bischofskonferenz auch die Übertritte zur griechisch-katholischen Kirche neu geregelt. Der Bischofsausschuss für Konversionsfragen sollte in Zukunft alle anfallenden Missverständnisse klären. Den örtlichen Behörden sowie der Ustaša wurde dabei jedes Recht zur Einmischung in die Angelegenheiten der Kirche abgesprochen, „weil dies der guten Sache nur schaden kann“. Für Priester, die an der Durchführung der Konversionen beteiligt waren, verpflichtete sich der Bischofsausschuss theoretische und praktische Weiterbildungen zu organisieren. Abschließend forderte die Bischofskonferenz die Gewährung von Bürgerrechten, persönlichen und materiellen Schutz für die orthodoxe Bevölkerung sowie ein scharfes Verbot gesetzeswidriger Aktionen gegen ihre persönliche Freiheit und ihren Besitz. Außerdem wurden die rechtliche Gleichstellung für die Orthodoxen, das Verbot privater Initiativen zur Vernichtung orthodoxer Kirchen und die Enteignung ihres Besitzes als wünschenswert geäußert. All dies, so die Beschlüsse, diene der Schaffung eines psychologischen Fundamentes für die Konversionen bei den Orthodoxen.144 Die Analyse der katholischen Presse zeigte, dass die katholischen Geistlichen in den ersten drei Monaten des Jahres 1942 seitens des Zagreber Erzbistums zu einem nachsichtlichen Umgang mit den Konversionsabläufen angewiesen wurden. Ein guter Wille reichte. Auf Gebühren und Religionsunterricht konnte verzichtet werden.145 Die Bischofskonferenz lehnte die staatliche koordinierte Konversionspolitik ab, wenn sie auch die Konversionen der Orthodoxen nicht grundsätzlich ablehnte. Mit der Verweigerung der Zusammenarbeit mit den staatlichen Stellen beanspruchte die römisch-katholische Kirche die alleinige Kompetenz bei der Durchführung der Übertritte. Die Forderungen des Episkopats nach persönlichem und materiellem Schutz für die serbische Bevölkerung wurden dagegen nicht erstmals während der Bischofskonferenz erhoben. Erzbischof Stepinac protestierte seit Sommer 1941 mehrmals bei Pavelić wegen der Behandlung der Serben und Juden. So auch am 21. Juli 1941, um auf „Vorgänge aufmerksam zu machen, die mich schmerzlich berühren“146. Allerdings blieben die Schreiben inoffiziell und der Öffentlichkeit 144 AJ-103-65 Ergebnisse der Bischofskonferenz vom 17.11.1941; VA 227/12/34; Zur Entscheidung der Kongregation vom. 17. Juli Pattee, Case, 386. 145 macut, Petar: Prilog raspravi o vjerskim prijelazima u Nezavisnoj državi Hrvatskoj na primjeru katoličkog tiska [Beitrag zur Diskussion über religiöse Übertritte im Unabhängigen Staat Kroatien am Beispiel der katholischen Presse]. In: Croatica Christiana periodica 40, Nr. 77 (2016), 181–195, hier 192. 146 HR-HDA-218, 3–48061/41 Schreiben von Erzbf. Alojzije Stepinac an Ante Pavelić, 21.7.1941; Überblick zu Stepinacs Protesten Sojčić, „Lösung“, 280–292; KRišto, Crkva, 39 f., 50, 77 f.
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vorenthalten. Der Erzbischof zeigte seine Unzufriedenheit gegen landesweite Inhaftierungen in Konzentrationslagern und Deportationen von Serben und Juden, zumal der Kinder, Alten, Kranken und Konvertiten. Er unterbreitete Pavelić Verbesserungsvorschläge, weil die „entsprechenden Maßnahmen“ mit vollem Ergebnis auch human und rücksichtsvoll durchgeführt werden konnten. Doch Stepinac kritisierte weder Pavelić noch seine Regierung. Im Einzelnen schlug er vor, den Deportierten mehr Zeit zum Packen und für familiäre und berufliche Verpflichtungen einzuräumen. Die Deportationszüge sollten nicht überfüllt und plombiert werden, insbesondere nicht bei längeren Fahrten. Ausreichende Versorgung der Gefangenen mit Lebensmitteln und Medikamenten sowie die Erlaubnis zum Briefkontakt mit Angehörigen waren weitere Vorschläge. Er bat, die jüdischen Konvertiten, gute Katholiken und ehrliche Bürger sowie Alte, Schwache, Kranke und Kinder zu verschonen. Die deportierten Konvertiten sollten in Lagern von „Juden mosaischer Konfession“ getrennt werden, weil sie von denen verachtet würden. Ferner sollten sie von katholischen Priestern besucht werden, ihren katholischen Glauben praktizieren und Sakramente empfangen dürfen. Jüdische Konvertiten sollten sich von ihrer mosaischen Glaubensgemeinschaft emanzipieren können, während sie von der Caritas versorgt würden, so Stepinac.147 Seine Appelle, wie auch die Ergebnisse der Bischofskonferenz, stellten jedoch nicht, die Staatsführung in Frage. Der Handel zwischen dem Bäcker und Bauern wurde fortgesetzt. Pavelićs Charmeoffensive Im Winter 1941/42 waren Pavelićs Beziehungen sowohl mit Stepinac als auch mit dem Reis-ul-Ulema mit Problemen belastet. Die Bischofskonferenz verweigerte die staatliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Kirche, während der höchste Rat der Muslime die Benachteiligung der Muslime angesichts der Privilegierung der katholischen Kirche anprangerte. Die deutschen Stellen im Land kritisierten derweil die Serbenpolitik der Ustaša und ihren Kontrollverlust. Pavelić regierte auf diese Situation mit einer Neuausrichtung der Politik und Propaganda. Die später in der Studie zu erörternde Religionspolitik der deutschen Stellen gegenüber den orthodoxen Kirchen in Südosteuropa bot mehr als eine gute Anleitung dazu. Seit dem Ende des Jahres 1941 versuchte das Regime seine Beziehungen zu allen religiösen Institutionen und Gemeinschaften zu verbessern. Die religiösen Autoritäten von Muslimen und Katholiken sollten gleichermaßen wieder auf die Seite der Ustaša gezogen werden. An die Öffentlichkeit sollte ein harmonisches Bild der Verbundenheit der religiösen Institutionen mit dem Staat vermittelt werden. Dadurch erhoffte sich die Ustaša mehr Unterstützung aus der Bevölkerung. Die ersten Veränderungen wurden in der Konversionspropaganda sichtbar, die ihre Wirkung insbesondere in Stjepan Hefers Einflussbereich entfaltet hatte. 147 HR-HDA-218, 3–48061/41 Schreiben von Erzbf. Alojzije Stepinac an Ante Pavelić, 21.7.1941; matijević, Margareta: Stepinčev „Dossier“ Svetoj stolici (31.05.1943.) [Stepinacs „Dossier“ an den Heiligen Stuhl (31.05.1943)]. In: Croatica Christiana periodica 21, Nr. 40 (1997), 107–139, hier 117.
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In keiner anderen Zeitung wurde häufiger und ausführlicher über die Konversionen berichtet als im Osijeker „Hrvatski List“. Als nach dem Empfang von Konvertiten auch noch Flugblätter mit Pavelićs Slogan „Nicht der Glaube trennt die Menschen“148 in den Umlauf kamen, erklärte sie der Propagandaleiter als unvereinbar mit der staatlichen Propaganda. Inzwischen hatten die Berichte über den Empfang von Baranja-Konvertiten für Unmut unter den Muslimen gesorgt. Die propagandistisch verbreiteten Berichte über Konversionszeremonien sollten deswegen in der landesweiten Presse keinen Platz mehr erhalten. Die bis zum 1. Oktober 1941 in Đakovo erscheinende Wochenzeitung „Hrvatska obnova“ hatte die Konversionen in Budimci besonders in den Fokus gerückt. Dies hätte den Eindruck erweckt, als ob davon die Zukunft Kroatiens abhinge, lautete die Kritik. Bischof Akšamović protestierte darauf bei der Presseabteilung. Die Übertritte seien schließlich durch Hefer akribisch geplant, mit ihm selbst besprochen gewesen und besonders feierlich unter Achtung kroatischer nationaler Besonderheiten abgehalten worden, so Akšamović.149 Pavelićs Rede anlässlich der Eröffnung des kroatischen Sabor (Parlament) im Februar 1942 signalisierte ein deutliches Zugehen auf die Forderungen der Muslime: „Es ist unwahr, dass der kroatische Staat bestrebt ist, die Orthodoxen zum katholischen Glauben zu bekehren. Das ist keine Politik. Das steht jedem frei. Ich persönlich habe ein Rundschreiben erlassen und gebeten, den maßgebenden Behörden mitzuteilen, dass die Behörden eine Evidenz nicht nur über die Übertritte zum katholischen, sondern auch zum muslimischen und evangelischen Glauben führen, und dass sie Bewilligungen dazu nur dann erteilen, wenn sie sich überzeugt haben, dass es sich um anständige Leute handelt, welche die Glaubensänderung aus Überzeugung vollziehen.“150
Die drei anerkannten Glaubensgemeinschaften seien völlig gleichberechtigt, in geistiger wie materieller Hinsicht, bestätigte auch der Justiz- und Religionsminister Puk dem versammelten Sabor.151 Die Reden im Sabor markierten einen allgemeinen Politikwechsel gegenüber allen religiösen Gemeinschaften im NDH. Den Muslimen sollten keine Anlässe zu Klagen gegeben werden. Bei öffentlichen Anlässen und in Pressedarstellungen wurde den religiösen Vertretern von Katholiken und Muslimen noch nie zuvor so viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie ab Dezember 1941. Pavelić wollte einerseits die religiösen Autoritäten wieder für sich gewinnen und sich andererseits dadurch ihrer Autorität bedienen, um die Bevölkerung zu beinflussen. Anlässlich der SaborGründung im Februar 1942 hielt neben Stepinac auch der Zagreber Imam Ismet Muftić eine lobende Rede. Beide Reden zu Ehren des Sabors und des Staates wurden in der Presse landesweit abgedruckt.152
148 Sarajevski Novi List, 24.12.1941; biondich, Religion, 89. 149 HR-HDA-212, 1 Bf. Akšamović an die Nachrichtenabteilung betr. gesetzmäßige religiöse Übertritte der orthodoxen Bevölkerung in Ostkroatien, 8.11.1941. 150 PAAA-GZ, 67/2 Die Rede von Pavelić im Sabor in deutscher Übersetzung, 28.2.1942. 151 Ebd., Mirko Puks Rede im Sabor am 25.2.1942; Hrvatski List, 27.2.1942. 152 Hrvatski List, 24.2.1942; Für deutsche Übersetzung vgl. PAAA-GZ, 67/7.
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Pavelić näherte sich in diesem Zeitraum auch immer mehr den Idealen von Starčević an, d. h. der Idee der nationalen Einheit auf Grundlage der gemeinsamen Herkunft: „Es ist ein Interesse des Staates, dass im Staate keinerlei Missverständnisse niemals herrschen, geschweige denn religiöse Kämpfe. […] Wir wissen, dass sich das Volk auf dem Balkan bis vor kurzem nur nach Konfessionen unterschied, dass die Nationalität, ich will nicht sagen einen Todesschlaf schlief, sie war jedoch infolge des Lebens, infolge der Ereignisse verdeckt, so dass nur die Religion sichtbar war und die Leute sich nur nach der Religion unterschieden. Das ist ein Moment der Vergangenheit. Heute sind wir alle eins, befinden uns in einem Staat, haben ein völkisch nationales Bewusstsein und einen Charakter und können und dürfen nicht gestatten, dass andere Momente, auch religiöse, in unsere Gemeinschaft Unverträglichkeiten hineintragen.“153
Die religiösen Unterschiede sollten zugunsten der Schaffung einer gemeinsamen nationalen Identität überwunden werden. Bezeichnend für die Rückbesinnung auf die politische Ideologie von Starčević war Pavelićs wiederbelebte Muslimen-Politik154: „Nein, wir haben keine muslimische Frage. Nur Staaten, welche Kolonien haben, haben eine muslimische Frage. In diesen Kolonien gibt es Völker muslimischen Glaubens, die nicht das gleiche Blut des Volkes in den Mutterländern haben. Das muslimische Blut unserer Muslime ist jedoch kroatisches Blut. Es ist ein kroatisches Glaubensbekenntnis, denn es handelt sich um kroatische Söhne, Angehörige unseres Landes.“155
Das Nachrichten- und Propagandaamt in Sarajevo wies im März 1942 die Zeitungsund Zeitschriftenredaktionen an, die Muslime künftig als Kroaten islamischer Glaubenszugehörigkeit zu bezeichnen. Insbesondere sollte dies in Artikeln mit politischen Inhalten und in Berichten zu politischen Manifestationen berücksichtigt werden. Der Begriff „Bosnien und Herzegowina“ sollte zugunsten der Hervorhebung der Bezeichnungen der Großbezirke gemieden werden. Nur in geschichtlicher und ethnografischer Hinsicht sollte die „politische Provinz“ als Bosnien und Herzegowina bezeichnet werden.156 Pavelić posierte sogar für die muslimische Zeitung „Osvit“ mit einem muslimischen Fez.157 Die Veränderungen in der Propaganda standen vermutlich auch in Verbindung mit der Pressereform, nach der Übernahme der staatlichen Presseabteilung durch Mijo Bzik, den Redakteur des Sprachrohrs der Ustaša, Anfang 1942. Bzik verlangte von den Zeitungen im NDH, dass sie die Entwicklung des „Führerkultes“ um Pavelić und eine absolute Orientierung der Gesellschaft nach den Werten der Ustaša-Ideologie vorantrieben. Die einzelnen Personen und die Individualität sollten zugunsten der Gemeinschaft und ihrer Institutionen in den Hintergrund treten. Der Begriff „Serbe“ sollte zukünftig stets mit dem Begriff „Kommunist“ ersetzt
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PAAA-GZ, 67/2 Die Rede von Pavelić im Sabor in deutscher Übersetzung, 28.2.1942. ognyanova, Religion, 186. PAAA-GZ, 67/2 Die Rede von Pavelić im Sabor in deutscher Übersetzung, 28.2.1942. VA-NDH, 86/21/27 „Leitfaden an die Zeitungen und Zeitschriften“, das Staatliche Nachrichten- und Propagandaamt, Zweigstelle Sarajevo, 16.3.1942. 157 Osvit, 8.3.1942. Zit. nach dinu, Faschismus, 188 f.
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werden.158 Die Konfliktpartner erhielten Bezeichnungen, die sie nicht als Zugehörige einer nationalen Identität, sondern als Verbrecher beschrieben, denn Serben durfte es im NDH keine geben. Die Ustaša bastelte an einer Nation, die keine nationalen Identitäten, wie Serben und Muslime kannte, sondern nur Kroaten katholischen, muslimischen und bald auch orthodoxen Glaubens. Der „Imperativ der Eigentlichkeit“ (Holm Sundhaussen) hielt verstärkt Einzug, indem für Muslime wie Serben behauptet wurde, dass sie eigentlich Kroaten wären. Pavelić verstärkte seine Bemühungen auch gegenüber der römisch-katholischen Kirche. Stepinac und Akšamović wurden zu Mitgliedern des Sabor ernannt. Dass die römisch-katholische Kirche im NDH diskriminiert wurde, stritt Pavelić entschieden ab. Es hätten ihn gleichlautende Briefe aus verschiedenen Teilen des Landes erreicht, die auf demselben Papier und mit derselben Schreibmaschine verfasst wurden, was auf eine Verleumdung hindeutete, so Pavelić.159 Der Hintergrund der Verwürfe war die Verhaftung des Domherrn Lončar und seine Verurteilung zu 20 Jahren Haft. Der Zagreber Domherr, der ursprünglich wegen der Kritik an der Ustaša-Politik zum Tode verurteilt wurde, war eigentlich von Stepinac zu Pavelić geschickt worden, um den Protest auch mündlich vorzutragen. Seine Strafe wurde später in eine 20jährige Haftstrafe umgewandelt.160 Der deutsche Polizeiattaché Helm vermerkte, dass die Person, die Lončar denunzierte, von Stepinac exkommuniziert wurde.161 Die Arbeit der religiösen Institutionen wurde von der Presse begleitet, gleich, ob es sich um die Einweihung neuer Gemeinden, Ankündigungen zu Feierlichkeiten oder Reisen des Hohen Klerus handelte. Stets voller Lob, würdigten die Artikel die Arbeit der religiösen Gemeinschaften. Der Rückzug von Stepinac bedeutete weiterhin nicht, dass er die kroatische Unabhängigkeit und die Staatsform infrage stellte. Wie auch der Reis-ul-Ulema äußerte er weiterhin seine Treue zum Staat. In die von Papst Pius XII angeregten Friedensgebete im Mai 1942 schloss Stepinac insbesondere auch die Gebete für „unsere Heimat Kroatien“ ein.162 Das angeblich harmonische Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und der Regierung wurde einerseits durch die Repräsentation der Kirche bei öffentlichen Veranstaltungen und andererseits durch Repräsentationen der Regierung bei kirchlichen Veranstaltungen unterstrichen. So ließ sich z. B. Stepinac mit dem Kriegsminister Slavko Kvaternik und Außenminister Mladen Lorković bei der Zagreber Wirtschaftsausstellung 158 HR-HDA-212, 1 Rundschreiben des neuen Pressebeauftragten Mijo Bzik an alle PresseRedaktionen im NDH, o. D. – Zur Verschmelzung der Feindbilder in der Ustaša-Propaganda Sojčić, „Lösung“, 192 f. 159 Hrvatski List, 1.3.1942 Rede von Pavelić im Sabor vom 28.2.1942; PAAA-GZ, 67/2 Die Rede von Pavelić in deutscher Übersetzung. 160 RS-AS-KFA, 19 Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Jurastudenten Radoslav Lukić, Belgrad, 19.8.1942. Ein Mitgefangener berichtete, dass Lončar im Gefängnis drei Mal von Erzbischof Stepinac besucht wurde. Es besuchten ihn außerdem noch andere Bischöfe und Domherren; Ramet, Jugoslawien, 177. – Zum Fall Lončar und Stepinacs Reaktionen auf die Verbrechen der Ustaša goLdStein, Holokaust, 562–578. – Zu Stepinacs „soften“ Protesten biondich, Controversies, 42 ff., 49–53. 161 HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942. 162 Hrvatski List, 10.5.1942, 31.5.1942.
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ablichten und in Berichten zu den Feierlichkeiten zum ersten Jahrestag der Staatsgründung wurde die Anwesenheit des Klerus besonders hervorgehoben. Unter den Ankündigungen bzw. unter den Berichten über die Jahresfeier wurden Mitteilungen zu den dazugehörigen kirchlichen Feierlichkeiten abgedruckt. Da die Jahresfeier wie auch die Staatsgründung mit den Osterfeiertagen zusammenfielen, schien die dargestellte Symbiose zwischen Kirche und Staat vollkommen.163 Am 20. April 1942 empfing Pavelić Theologen des Zagreber Priesterseminars unter der Leitung von Franjo Šeper. Das Ereignis wurde als Ausdruck der Anerkennung Pavelićs für die verdienstvolle Arbeit des kroatischen katholischen Klerus dargestellt. In seiner Rede bezeichnete Pavelić die Leistung der Geistlichen für den nationalen Aufbau als nicht weniger bedeutend als die Arbeit der staatlichen Institutionen. Für diese Arbeit und ihr Engagement in der Vergangenheit dankte er ihnen und betonte, dass die geistige und nationale Arbeit noch nicht vollendet sei und der Staat sowie das Volk ihre Unterstützung weiterhin brauchten.164 Die Loyalitätsbekundungen der Kirche wurden außerdem in unzähligen Tedeums, Requiems, Namenstagfeiern für Pavelić und anderen Veranstaltungen zu Ehren des Staates, Pavelićs oder von in der Vergangenheit besonders verdienstvollen Politikern wie Starčević demonstriert. Prozessionen, kirchliche Feste und Priesteranstellungen wurden medial begleitet und kommentiert.165 Das Presseamt achtete auch darauf, die Feierlichkeiten in evangelischen und muslimischen und später sogar in kroatisch-orthodoxen Gotteshäusern entsprechend zu würdigen. Den antideutschen Tendenzen innerhalb des kroatischen Klerus begegnete die Regierung durch Darstellungen und Verlautbarungen über das kirchliche Leben im Reich. Es sei nicht wahr, dass autoritäre Staaten religionsfeindlich wären, erklärte Mirko Puk im Sabor.166 Die Kirche im Reich genieße volle Freiheit und Unterstützung, Nationalsozialismus und das Christentum seien zwei sich bereichernde Religionen und der Klerus sei ein Faktor des deutschen geistigen Lebens, zitierte der „Hrvatski List“ den katholischen Theologieprofessor Karl Adam aus Tübingen. Zwar übten die Geistlichen keine politischen Tätigkeiten aus, doch widmeten sie sich dafür der wissenschaftlichen und publizistischen Arbeit, hieß es in dem Artikel.167
163 Z. B. zur Planung, Organisation, Durchführung von Gottesdiensten und religiösen Feierlichkeiten sowie zu Gottesdienstbesuchen von Pavelić und anderen Regierungsvertretern. In: Hrvatski List, 5.4.1942, 11.4.1942; Zur Wirtschaftsaustellung (Zagrebački Zbor) ebd., 30.4.1942. 164 „Anerkennung für die verdienstvolle Arbeit des kroatischen katholischen Klerus“. In: Hrvatski List, 21.4.1942. 165 Z. B. Hrvatski List, 24.2.1942 Zum Requiem von Stepinac zu Ehren von Matija Gubac, Ante Starčević und Milan Šuflaj unter Anwesenheit von Pavelić, Lorković und anderen hohen Regierungsvertretern. – Zur Friedensprozession ebd., 31.5.1942. – Zur Anstellung des Geistlichen Astaloš, welcher „Liebe zum Poglavnik und Heimat“ verbreite ebd., 7.6.1942. – Zu den St. Antun Festen in slawonischen Städten ebd., 13. und 14.6.1942. – Zum Aufruf von Stepinac zur Namenstagfeier für Pavelić ebd., 14.6.1942. 166 PAAA-GZ, 67/2 Mirko Puks Rede im Sabor am 25.2.1942; Hrvatski List, 27.2.1942. 167 „Kirche im Dritten Reich“. In: Hrvatski List, 5.5.1942.
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Die Franziskaner und die Kirche Die römisch-katholische Kirchenhierarchie und die Franziskanerprovinzialate befanden sich bei der Gründung des NDH in einem seit 1938 andauernden Konflikt über die Kirchensteuer. Die zwischen dem Vorsitzenden der Bischofskonferenzen und den Finanz- und Justizministern im Königreich Jugoslawien 1938 vereinbarte Regelung zu Steuereinnahmen der katholischen Kirche und die anschließend vom Vorsitzenden der Bischofskonferenzen verabschiedete Satzung hatten den Anspruch der Franziskanerprovinzialate auf Steuereinnahmen ausgeklammert. Von den durch die Verrichtung kirchlicher Dienste entstandenen direkten Einnahmen aus allen Kirchengemeinden, auch aus Franziskanergemeinden und ihren Klöstern, Schulen usw., flossen nämlich 30 % zur zentralen Steuerkasse, die der Vorsitzende der Bischofskonferenzen verwaltete. Von diesen Steuereinnahmen profitierten jedoch nach dem neuen Gesetz die Franziskanerprovinzialate und ihre Einrichtungen nicht. Dies wirkte sich besonders stark auf den Unterhalt des Franziskaner-Klerus und der Ordensschulen aus. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz weigerte sich auch nach dem Widerspruch der Franziskaner beim jugoslawischen Justizministerium gegen dieses Gesetz, die Satzung zu ändern. Nach dem 10. April 1941 versuchten die Franziskaner eine Neuregelung der Satzung beim Ministerium für Religion und Unterricht zu erreichen. Ihre Beschwerde vom 13. Juni enthielt auch konkrete Vorschläge zur Änderung der Satzung.168 Die Franziskaner beschrieben sich selbst als volksnah und waren dies auch, mit entsprechenden Folgen: Da sie ihre religiöse Arbeit an die Bedürfnisse ihrer Gläubigen anpassen mussten, waren sie empfänglich für regionalspezifische Weltsichten und Ideologien.169 Die Beschlüsse der Bischofskonferenz sorgten für einen Konflikt innerhalb der Kirche und wirkten sich insbesondere auf die Tätigkeit der maßgeblich an der Organisation und Durchführung der Konversionspolitik beteiligten Franziskaner aus. Der Religionsabteilung unter der Leitung des Franziskaners Juričev wurde die Tätigkeitsgrundlage entzogen. Da sie als Zwischenstelle zwischen Pavelić und der Kirche etabliert wurde, war sie auf beide Parteien angewiesen. Mit dem Rückzug der Kirchenführung aus der staatlichen Konversionspolitik fehlten ihr vor allem die personellen Ressourcen für die Durchführung von Konversionen. Die Staatsdirektion für Erneuerung ließ ihre Religionsabteilung langsam fallen, was auch räumlich einen entsprechenden Ausdruck fand: Juričev empörte sich gegenüber Pavelić, dass die Religionsabteilung der Staatsdirektion für wirtschaftliche Erneuerung anscheinend so „wichtig“ sei, dass ihre Räumlichkeiten in die Küche im vierten Obergeschoss verlegt wurden. Die Arbeit der Abteilung sei wegen des Umzugs und der Bischofskonferenz etwas ins Stocken geraten, so Juričev. In Westbosnien bzw. im Bistum Banja Luka hätten die Italiener den vertriebenen orthodoxen Geistlichen die Rückkehr erlaubt, was zusammen mit den Aktionen des Widerstands die Konversionsarbeit erschwerte. Im Bezirk Bosanska Gradiška würde die Zahl der Anträge dagegen wachsen. Aus Ostbosnien kämen nur vereinzelte Übertrittsberichte aus 168 HR-HDA-218, 2 Die Franziskanerprovinziale (fünf) an den Minister für Religion und Unterricht, 13.6.1941. 169 Schlussfolgerung nach bouRdieu, Interpretation, 26.
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dem Raum Tuzla, während die gesamten Bezirke Brčko und Novska sich für eine Konversion meldeten. Im Großbezirk Gora entwickelte sich die Arbeit sehr gut, insbesondere in den Bezirken Dvor na Uni und Petrinja. In Gradiška wartete man mit 2.000 Anmeldungen auf Missionare, doch die Hände der Religionsabteilung seien in dieser Hinsicht nun gebunden, berichtete Juričev an Pavelić. Im Großbezirk Baranja, in den Bezirken Virovitica und Podravska Slatina gingen die Aktionen der Franziskaner ihrem Ende zu, ohne dass die Franziskaner wüssten, „was ihnen die bischöflichen Kurien bereiteten“, fuhr er weiter fort. Nach seiner Durchreise durch Syrmien sei dort das „kompakte Serbentum“ ins Wackeln und in Bewegung gekommen. In Ostsyrmien täte sich noch nichts und die serbisch-orthodoxe Religion würde dort uneingeschränkt praktiziert. Störungen bereiteten in Koprivnica griechisch-katholische Kräfte, so dass schnellstens gehandelt werden sollte. Im Großbezirk Pokupje störten dagegen die von den Italienern aus Slowenien eingeschleusten orthodoxen Geistlichen die Übertritte und auch bei der Abordnung der Missionare gab es große Schwierigkeiten. Der von der Bischofskonferenz neugegründete Kirchenrat für Übertritte reagierte nicht auf Anfragen der Religionsabteilung, so dass Juričev eine direkte Reaktion des Staates gegenüber der römisch-katholischen Hierarchie und Rückendeckung für die Religionsabteilung forderte. Die „Jahrhundertaufgabe“ dürfe ferner von keiner staatlichen Stelle behindert werden, so Juričev.170 Der Konflikt zwischen den beteiligten Franziskanern bzw. der Religionsabteilung und der Kirchenleitung spiegelte sich unmittelbar in den einzelnen Dörfern und Städten wider. Stjepan Hefer beschwerte sich über die Arbeit der Missionare aus Dalmatien im Bezirk Slatina. Erfolge in der Konversionspolitik, wie die Arbeit der Franziskaner in Virovitica und die Arbeit von Sidonije Šolc, der in Suha Mlaka 700 Personen an nur einem Tag konvertierte, wären künftig nur schwer zu erreichen. Juričev hatte daraufhin den Abzug der Missionare aus dem Bezirk Slatina veranlasst.171 Im Dezember 1941 forderte Hefer die Staatsdirektion für Erneuerung zu einer Intervention beim Bischof Stepinac auf. Stepinac sollte den Franziskanern Kompetenzen in der Frage der Konversionen zusprechen, es sei nämlich zu wiederholten Behinderungen gekommen.172 Außerdem bestand er auf dem Verbleib des Missionars Srećko Majstorović im Bezirk Virovitica. Majstorović wurde an die Zagreber Präparandenschule versetzt. Stepinacs Versprechungen, Majstorovićs Aufenthalt in Virovitica bis zur Beendigung seiner Aufgabe zu verlängern, erfüllten sich nicht. Es „droht die Möglichkeit der Übertritte der griechisch-Orthodoxen zum Protestantismus“, so Hefer.173 Die Übertritte zum Protestantismus und zum griechisch-katholischen Ritus mehrten sich tatsächlich in dieser Zeit. 170 HR-HDA-218, 25–177 (470) Bericht der Religionsabteilung an Poglavnik, 13.12.1941. 171 HR-HDA-1076, 584–666 Stjepan Hefer an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Konversionsarbeit, 17.12.1941 und 27.12.1941; Zu erpressten Übertritten in Suha Mlaka u. a. RS-ASKFA, 14 Bericht für das Flüchtlingskommissariat von Jovo Radosavljević, Belgrad, 14.1.1943. 172 HR-HDA-1076, 584–666 Stjepan Hefer an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Konversionsarbeit, 17.12.1941 und 27.12.1941; Ebd. 626, Juričev an den Bezirk Podravska Slatina, o. D. 173 Ebd., 584–323 Stjepan Hefer an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. die Übertritte in Virovitica und Fall Majstorović, 28.11.1941.
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Die nach der Bischofskonferenz eingetretene Situation äußerte sich zudem in der Frage der Übernahme des Eigentums der orthodoxen Kirche. Im vorigen Kapitel wurden die Bemühungen von Bischof Akšamović sowie die Ansprüche der Staatsdirektion für Erneuerung und des Ministeriums für Justiz und Religion erläutert. Für den Franziskaner-Orden wurde es ab Ende 1941 kaum möglich, orthodoxe Gebäude für sich zu beanspruchen. Das Provinzialat der Franziskaner in Zagreb hatte z.B am 14. Juli 1941 das Ministerium für Justiz und Religion um die Erlaubnis zur Übernahme des Eigentums des orthodoxen Bischofssitzes in Pakrac ersucht. Die Franziskaner beabsichtigten jedoch, den Bischofssitz in ein katholisches Kloster und die orthodoxe Kirche in eine katholische umzuwandeln.174 Nach ca. vier Monaten gab der Orden die Gebäude wieder frei. Das Ministerium für Justiz und Religion wertete die Rückgabe des Eigentums als einen Misserfolg der Übertrittsaktion. Der Orden sei wegen der Konversionen der Orthodoxen dorthin übergesiedelt, doch die Serben hätten lediglich Konversionen zum griechisch-katholischen Glauben befürwortet. Die Kritik an der Akzeptanz religiöser Übertritte zum griechisch-katholischen Ritus hatte jedoch hier im Januar 1942 an Schärfe verloren. Die Franziskaner seien als Seelsorger in der Region Kordun ohnehin sehr beschäftigt und die katholische Kirchenhierarchie hätte erklärt, keinen orthodoxen Besitz haben zu wollen, so Glavaš.175 Stepinac entzog den Franziskanern die Jurisdiktion über die religiösen Übertritte mit der Begründung, dass ihnen das Katechumenat direkt aus Rom entzogen wurde. Die Franziskanerprovinziale hatten dies bei der Bischofskonferenz selbst kundgetan. Tatsächlich durften die Franziskaner laut einer Anweisung ihrer Provinziale vom Juni 1941 nicht der Ustaša-Bewegung beitreten oder sich an den Verbrechen der Ustaša und den Konversionen der Serben beteiligen. Das Franziskanerprovinzialat in Zagreb stellte sich jedoch der Entscheidung aus Rom entgegen und war bereit, das Katechumenat trotz des Verbots auszuüben. Stepinac lehnte diesen Alleingang ab. In den Gemeinden, vor allem in Ostkroatien, entstand dadurch ein Vakuum, das die übrigen Geistlichen nicht füllen konnten. Bischof Akšamović verweigerte z. B. den Ordensbrüdern Čuić und Križić das Katechumenat, was zu Problemen im Großbezirk Vuka führte. Das Katechumenat wurde den Franziskanern wegen ihrer Mittäterschaft an Verbrechen entzogen. Die Franziskaner und Juričev vermuteten, dass die Kirchenführung hinter den in Rom vorgebrachten Beschuldigungen und schließlich dem Verbot stand.176 Den Berichten der jugoslawischen Exilregierung nach, lehnten die Franziskanerprovinzialate in Rom die Leitung der 174 HR-HDA-218, 3 Franziskanerprovinzialat Kyrill und Method an das Ministerium für Justiz und Religion betr. ihre Übernahme des Bischofssitzes in Pakrac, 14.7.1941. 175 Ebd., 25–327 Leiter der Religionsabteilung beim Ministerium für Justiz und Religion, Glavaš, an das Innenministerium betr. die Rückgabe des Eigentums des orthodoxen Bistums in Pakrac durch die Franziskaner aus Zagreb, 20.1.1942. 176 HR-HDA-1076, 584 Der Vize-Gespan Aždaić an den Bf. Akšamović betr. die missionarische und katechumenische Arbeit im Großbezirk Vuka, 9.12.1941; Ebd., 584–293 Bericht über die eigene Arbeit von Mijo Čuić an die Großbezirksregierung Vuka. Von dort aus wurde der Bericht an die Staatsdirektion für Erneuerung weitergeleitet, 27.11.1941; Zur Entscheidung der Provinziale auf der Sitzung am 10.–12. Juni 1941 in Zagreb Ramet, Jugoslawien, 176.
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Konvertitengemeinden in Kroatien durch Franziskaner ab.177 Die Folgen des Ausfalls der Franziskaner im Großbezirk Vuka für die „katholische Aktion“ und die „katholische und kroatische Pflicht“, wie es der Vize-Gespan von Vuka ausdrückte, wollten die lokalen Behörden nicht dulden. Sie bestanden darauf, dass Juričev bei der römisch-katholischen Kirchenleitung eine Änderung der Situation erwirkte.178 Vergebens versuchte Juričev die Arbeit der Franziskaner von den verbrecherischen Aktionen der weltlichen Stellen zu trennen. In dem bereits im zweiten Kapitel erwähnten Fall des Missionars Čujić verlangte Juričev, dass die Verwaltung das „Terrain“ vorbereitete und nicht die Missionare.179 Sie sollten nicht in Verbindung mit Erpressungen und Gewalt gebracht werden. Doch die Religionsabteilung hatte keinen Einfluss mehr und wurde sogar verlegt. Juričev forderte von der Generaldirektion für öffentliche Ordnung und Sicherheit die Räumung einer ehemals jüdischen Wohnung in der Dalmatinska Straße 12, die von „ausländischen“ Mietern bewohnt wurde, zugunsten der Religionsabteilung und gab seiner Verärgerung Ausdruck, dass ein staatliches Amt in eine schlechte Wohnung verlegt wurde.180 Die Kirche setzte sich zu Beginn des Jahres 1942 eindeutig gegenüber der Religionsabteilung und den Forderungen der daran beteiligten Franziskaner durch. Der Leiter der Religionsabteilung im Ministerium für Justiz und Religion, der Franziskaner Radoslav Glavaš, bewertete den Einfluss der Kirche im Staat als zu hoch und ihre Rechte sogar höher als die des Staates.181 Wie an der Umsetzung der Konversionspolitik auf lokaler Ebene gezeigt wurde, bedeutete der Entzug des Katechumenats der Franziskaner nicht, dass die Konversionen nicht mehr durchgesetzt wurden. Zum Jahreswechsel befand sich die Konversionspolitik auf ihrem Höhepunkt. Die Priester und Missionare wurden jedoch nun unmittelbar von der Kirche und nicht von der Staatsdirektion mit der Aufgabe betraut. Die in den untersuchten Großbezirken tätigen Bischöfe Akšamović in Đakovo und Šarić in Sarajevo bekamen dadurch mehr Kompetenzen. Im bosnischen Bistum Vrhbosna machte sich der Gegensatz zwischen den Franziskanern und der katholischen Kirche besonders in der Person des Erzbischofs Šarić bemerkbar. Bischof Šarić hatte an der Bischofskonferenz nicht teilgenommen, doch seine Abwesenheit bedeute nicht, dass er sich den Beschlüssen wiedersetzte. Šarić stimmte ihnen nämlich nachträglich zu. Der Einschätzung des deutschen Konsulats in Sarajevo zufolge wiedersetzte sich Šarić den Zwangskonversionen – die vor allem in Bosnien weitgehend von Franziska-
177 AJ-103-65 Die Jugoslawische Gesandtschaft in Vatikan (Moskatello) an das jugoslawische Innenministerium betr. Konversionen der Orthodoxen zum römisch-katholischen Glauben in Kroatien, 20.1.1942. 178 HR-HDA-1076, 584 Der Vize-Gespan Aždaić an Juričev betr. die missionarische und katechumenische Arbeit der Franziskaner im Großbezirk Vuka, 9.12.1941. 179 Ebd., Der Leiter der Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung an die Bezirksregierung in Vukovar mit dem Betreff: „Die Missionare dürfen das Terrain nicht begehen, um das Eis für die Übertritte zu brechen“, Dezember 1941. 180 Ebd., Juričev an Generaldirektion für öffentliche Ordnung und Sicherheit, 7.1.1942. 181 HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942.
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nern gefördert wurden – wegen des inzwischen historischen Konfliktes zwischen der hohen Kirche und dem Franziskanerorden in Bosnien.182 Die Kommission für Aufklärung der Verbrechen in Bosnien sammelte in der Nachkriegszeit besonders viele Beweise für die Beteiligung der Franziskaner an der Ustaša-Bewegung. Als die einzigen katholischen Seelsorger seit der osmanischen Eroberung verkörperten sie in der Bevölkerung die einzige religiöse Instanz, die sich durch Kontinuität auszeichnete. Ihr Rückhalt war vor allem in den Hochburgen wie Široki Brijeg, Visoko und in mehrheitlich von Katholiken bewohnten Gebieten des Landes stark. Die Kommission für die Aufklärung von Verbrechen beschuldigte namentlich mehrere Franziskaner der Volksverhetzung und der direkten Mittäterschaft durch personelle Verstrickungen mit der Ustaša-Bewegung vor und nach der Proklamation der Unabhängigkeit.183 Die Kommission wertete auch die Presse aus und fand vor allem in der „Kršćanska obitelj“ mehrere belastende Zitate von Geistlichen und Mönchen. Der seit April 1942 amtierende Bischof in Mostar, Petar Čule, und der Provinzial des herzegowinischen Franziskaner-Provinzialats, Leon Petrović, waren als exponierte Persönlichkeiten besonders im Fokus der kommunistischen Regierung. An den Konversionen sollen insbesondere die Franziskaner Stipić, Vladislav Curić, Mladen Barbarić und andere in den Bezirken Čapljina, Stolac, Mostar und Trebinje beteiligt gewesen sein. Die Zahl der Übertritte konnte im ersten Anlauf der Kommission nicht festgestellt werden, da keine Archive bestanden oder diese zerstört wurden.184 5. RELIGIÖSE ÜBERTRITTE ZUR GRIECHISCH-KATHOLISCHEN KIRCHE Parallel zum Aufkommen der religiösen Übertritte zum römisch-katholischen Ritus häuften sich seit April 1941 auch die Übertritte zum griechisch-katholischen Ritus. Wie durch den Konflikt zwischen der Hochkirche und der Staatsdirektion für Erneuerung deutlich wurde, sorgten die Übertritte zur griechisch-katholischen Kirche für Reibungen zwischen den religiösen und politischen Akteuren unter- und miteinander. Das Rundschreiben der Regierung vom 30. Juli 1941 hatte die religiösen Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben so geregelt, dass sie nur in 182 PAAA-GZ, 68 Bericht der deutschen Gesandtschaft in Zagreb, gez. Troll, an das Konsulat in Sarajevo, 19.11.1942; Ebd., Das Konsulat in Sarajevo an die dt. Gesandtschaft in Zagreb betr. Erzbf. Šarić, 3.12.1942. 183 So sollen z. B. Franziskaner Nikola Ivanković und Mitar Papac zur Ermordung von Serben aufgerufen haben. Die Franziskaner Bono Jelavić war Ustaša-Oberst, Berta Dragičević PolizeiBefehlshaber, Miro Dragičević Polizei-Chef etc. ABiH-ZKUZ, 6 Miloš Pjanić, Die Beteiligung des katholischen Klerus in der Ustaša-Bewegung, 1946, 4. 184 ABiH-ZKUZ, 6 Miloš Pjanić, Die Beteiligung des katholischen Klerus in der UstašaBewegung, 1946, 4–10. – Zur tatsächlich bis zum Kriegsende andauernden NDH-positiven Tätigkeit der Zeitschrift „Kršćanska obitelj“ macut, Petar: Katolički mjesečnik Kršćanska obitelj (1941.–1945.) u komparativnoj analizi [Das katholische Monatsblatt Kršćanska obitelj (1941–1945) in der vergleichenden Perspektive]. In: Hercegovina: Časopis za kulturno i povijesno naslijeđe 2 (2016), 233–248, insb. 247.
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bereits bestehenden Gemeinden erlaubten waren.185 Die meisten dieser Gemeinden bestanden im Großbezirk Bilogora. Für Übertrittsgesuche der Orthodoxen außerhalb der Wohngebiete und Gemeinden der griechisch-Katholiken gab es weder eine gesetzliche Grundlage noch ein politisches Interesse. Doch selbst in den erlaubten Gebieten weigerten sich die Behörden, griechisch-katholische Konvertiten zu akzeptieren, weil sie in der „unierten“ griechisch-katholischen Kirche eine anationale und serbische Kirche sahen. Die griechisch-katholische Kirche lehnte die Bezeichnungen „Unierte Kirche“ und „Unierter Glaube“ als abwertende Begriffe ab, weil sie eine Spaltung des Katholizismus und somit auch des katholischen Volkes andeuteten. Es gäbe nur einen katholischen Glauben und mehrere Riten, hieß es.186 Angeblich hätten Serben und Jugoslawen durch die absichtliche Unterscheidung zwischen uniert und katholisch versucht, einen Keil zwischen die beiden katholischen Kirchen zu treiben.187 In der Stadt Zagreb lebten im Jahr 1931 etwa 339 griechisch-katholische serbokroatische Muttersprachler. Ihre Zahl stieg in der Folgezeit deutlich an. Etwas mehr als ein Hundert Gläubige waren russische, polnische, oder ukrainische Muttersprachler.188 Auf dem Territorium des NDH gab es insgesamt 36 griechischkatholische Kirchengemeinden mit ca. 30.652 Mitgliedern. In den zwölf größten Gemeinden mit ca. 9.961 Gläubigen in den Orten Žumberak, Zagreb, Križevci, Prgomelja und Hrvatski Karlovci wurden die Gottesdienste in kroatischer Sprache abgehalten. In 20 Gemeinden mit ca. 20.691 Mitgliedern war die Sprache Russinisch oder Ukrainisch. 18 von 36 griechisch-katholischen Geistlichen wurden außerhalb des NDH geboren.189 In Križevci im Großbezirk Bilogora bestand seit dem 18. Jahrhundert ein griechisch-katholisches Bistum, welches vom apostolischen Administrator Janko Šimrak geleitet wurde. Die meisten griechisch-katholischen Gemeinden befanden sich also in Slawonien und nur wenige in Bosnien. Durch den Zuwachs an Gläubigen durch religiöse Übertritte hatte sich die Zahl der griechischKatholiken stark erhöht. Der deutsche Polizeiattaché in Zagreb schätzte ihre Zahl im August 1942 auf ca. 40-50.000, ohne die Angehörigen der ukrainischen Minderheit in die Rechnung miteinzubeziehen.190 Für ganz Bosnien und Herzegowina erhob die nach 1945 gegründete Kommission für Religionsfragen aufgrund der Berichte der einzelnen Kirchengemeinden jedoch nur eine Zahl von ca. 600 Konvertiten zum griechisch-katholischen Glauben. Die meisten Konversionen fanden offensichtlich in Banja Luka und 21 in Derventa statt, davon die Hälfte vor dem
185 HR-DAOS-6, 5795 Rundschreiben, 30.7.1941; HR-HDA-218, 13–48468; Ebd., 3 186 HR-HDA-218, 18–5574 Das Ordinariat des Bistums in Križevci an das erzbischöfliche Ordinariat in Zagreb betr. Beschuldigungen des griechisch-katholischen Pfarrers in Dišnik betr. Übertritte, 30.10.1941. 187 Ebd., 18–5590 Der apostolische Administrator des Križevci Bistums an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Konversionen zum griechisch-katholischen Glauben, 11.11.1941. 188 HR-HDA-367, 55 Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Zagreb 1931. 189 HR-HDA-218, 25–289 Juričev an Pavelić betr. „Schwerer Schlag für die kroatische Nationalpolitik durch Übertritte der Orthodoxen zum griechisch-katholischen Glauben“, 11.12.1941. 190 HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942.
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15. September 1941 bzw. vor der Gründung der Religionsabteilung und die meisten im Juli 1941.191 Viele orthodoxe Dörfer im Umfeld der griechisch-katholischen Gemeinden meldeten sich im Sommer 1941 kollektiv zum Übertritt zum griechisch-katholischen Glauben an. Für diese Übertritte lagen die gleichen Gründe vor wie bei Übertritten zum römisch-katholischen Glauben. Zum Teil waren die Konversionen eine Reaktion auf Verfolgung und Gewalt und zum Teil ein Ausdruck des Engagements religiöser Akteure. Doch anders aber als bei Konversionen zum römischkatholischen Glauben förderten die lokalen Behörden keine Konversionen zum griechisch-katholischen Ritus. Sie schufen weder Anreize noch erpressten sie sie. Die Übertrittsaktionen des griechisch-katholischen Pfarrers in Dišnik bei Garešnica im Großbezirk Bilogora, Aleksandar Vlasov, sorgten für eine Beschwerde des Gemeindenotars, Gjuro Kunić, vor dem Ministerium für Justiz und Religion und dem erzbischöflichen Ordinariat. Der Gemeindenotar weigerte sich, die Anmeldungen zum Übertritt zum griechisch-katholischen Glauben zu bescheinigen und geriet in einen Streit mit dem griechisch-katholischen Pfarrer. Kunić beschuldigte den Pfarrer, die Übertritte der Orthodoxen in die griechisch-katholische Kirche erzwungen zu haben. Das Bistum in Križevci, dem die Kirchengemeinde Dišnik angehörte, berief sich dagegen auf das Kirchenrecht. Die Kongregation für die orientalischen Kirchen hatte nämlich am 17. Juli 1941 entschieden, dass die ehemaligen römischkatholischen Gläubigen, die zum orthodoxen Glauben konvertiert hatten und nun wieder zum griechisch-katholischen Glauben konvertieren wollten, in ihrem Bestreben nicht behindert werden durften. Am diesem „heiligsten kroatischen und katholischen Anliegen“ hätten der römisch-katholische sowie griechisch-katholische Klerus schließlich auch in der Vergangenheit zusammengearbeitet. Das Ziel beider sei die Rettung der Seelen und beide hätten viel Arbeit „im Acker Gottes“ geleistet. Das griechisch-katholische Ordinariat in Križevci bemerkte ferner, dass dem griechisch-katholischen Pfarrer eigentlich Dank für die richtige Entwicklung des Katholizismus gebührte.192 Auf dem Gebiet des Bistums Križevci waren Mitgliederverschiebungen zwischen den verschiedenen Kirchen und Riten seit dem 18. Jahrhundert zu beobachten. Neben der Entscheidung der Kongregation für die orientalischen Kirchen ließ außerdem das Rundschreiben der Ustaša-Regierung vom 30. Juli 1941 die Möglichkeit offen, dass Orthodoxe auf dem Territorium des Križevci Bistums, in Gebieten, in denen es griechisch-katholische Kirchengemeinden gab, zum griechisch-katholischen Glauben übertreten durften. Dem Priester in Dišnik drohte die Bezirksverwaltung in Garešnica dennoch mit Ausweisung vom Territorium des NDH, sollte er die Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben nicht einstellen. Mehr als 30 orthodoxe Familien aus Dišnik beriefen sich derzeit in
191 ABiH-Vl. RBiH 02-Zakonodavstvo, 1946 Bericht des griechisch-katholischen bischöflichen Vikariats für Bosnien und Herzegowina mit Nennung der Konvertiten überwiegend aus Derventa und Banja Luka, 2.5.1946 sowie o. D. 192 HR-HDA-218, 18–5574 Das Ordinariat des Bistums in Križevci an das erzbischöfliche Ordinariat in Zagreb betr. Beschuldigungen des griechisch-katholischen Pfarrers in Dišnik betr. Übertritte, 30.10.1941.
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ihrem Übertrittgesuch auf ihre Grenzer-Identität und den griechisch-katholischen Glauben ihrer Vorfahren. Ihre Anträge zum Übertritt wurden von der lokalen Verwaltung sabotiert und den übergeordneten Stellen verschwiegen.193 Dagegen wurden Übertrittgesuche zum römisch-katholischen Ritus von denselben Behörden, z. B. aus Dörfern der Gemeinde Berek im Bezirk Garešnica, akzeptiert. Bis Dezember konvertierten in Berek 104 von 200 serbischen Familien. Zuvor wurde kein Religionsunterricht oder eine ähnliche Vorbereitung erteilt. Der griechisch-katholische Pfarrer in Dišnik beklagte sich beim erzbischöflichen Ordinariat in Zagreb über den römisch-katholischen Pfarrer in Garešnica, Mato Halauš.194 Die Beziehungen zwischen den Geistlichen beider katholischen Riten verschlechterten sich im Zuge des Wettlaufs beider Fraktionen um Konvertiten. An diesem Beispiel ziegen sich zum damaligen Zeitpunkt wirksame Vektoren: Die „Reproduktionsinstanzen“ einer Weltsicht, i. e. die Kirchen, besitzen die Legitimität zur Verrichtung von Aktivitäten, die eine spezifische Weltsicht unter den Laien einprägen soll. Dazu handeln sie nach der „religiösen Methode rationalen Typs“, d. h. sie verwenden Mittel zur Durchsetzung und Einprägung einer bestimmten Lehre. Der Kampf um den Einfluss auf die Laien, um ihnen einen spezifischen religiösen Habitus einzuprägen, ist stets das Resultat des Konkurrenzverhältnisses zwischen den an diesem Kampf beteiligten religiösen Akteuren und Institutionen. Die dabei zu erreichende religiöse Legitimität ist somit das Ergebnis der religiösen Kräfteverhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt und das Ergebnis der vorangegangenen Kämpfe um das Monopol der legitimen Ausübung religiöser Macht.195 Der Pfarrer Halauš forderte vom Ministerium für Justiz und Religion ein Verbot der Übertritte zur griechisch-katholischen Konfession mit der Begründung, dass die Einheit des kroatischen Volkes durch das Nebeneinander der beiden Riten gebrochen werde. Die griechisch-katholische Kirche sei nicht kompetent, die Orthodoxen national oder religiös sicher und schnell zu „präparieren“, um eine Einheit mit den anderen zu bilden. Konfliktpotenzial sah Halauš insbesondere in Dörfern mit römisch-katholischer und griechisch-katholischer Bevölkerung sowie zwischen den entsprechenden Kirchenvertretern.196 Bis zum 8. Oktober ersuchten im Bezirk 193 Ebd., 17–26260 Der Übertrittgesuch der Dorfbewohner aus Dišnik an die Regierung, 23.10.1941; Ebd., 18–5574 Das Ordinariat des Bistums in Križevci an das erzbischöfliche Ordinariat in Zagreb betr. Beschuldigungen des griechisch-katholischen Pfarrers in Dišnik betr. Übertritte, 30.10.1941. – Zur Einführung in das Thema Konversionen zum griechisch-katholischen Ritus im Bezirk Križevci neuerdings šKiLjan, Filip: Vjerski prijelazi s pravoslavne na rimokatoličku i grkokatoličku vjeroispovijest na području kotara Križevci u vrijeme NDH [Glaubensübertritte vom orthodoxen zum römisch- und griechisch-katholischen Bekenntnis auf dem Bezirksgebiet Križevci während des NDH]. In: Cris: časopis Povijesnog društva Križevci XVII, Nr. 1 (2015), 97–107. 194 HR-HDA-218, 22–5765 Gemeindeverwaltung in Berek an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Konversionen der Orthodoxen, 31.11.1941; Ebd., 1076, 584–399 Bürgermeister von Berek an die Staatsdirektion für Erneuerung, 12.12.1941; NA-ADS, 1941 Nr. 11679. 195 bouRdieu, Interpretation, 18 f. 196 HR-HDA-218, 3–43807 Das Dekanat und die Pfarrei in Garašnica an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Verbot der Übertritte der Orthodoxen in die Griechisch-Katholische Kirche, 22.7.1941.
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Garešnica nur 47 Personen ein Sittlichkeitszeugnis, 11 Personen bekamen eine Ablehnung.197 Halauš war der einzige Pfarrer in Garešnica, der Konversionen vorbereitete und durchführte. Bis Ende November konvertierten nur 51 von insgesamt 1438 Serben auf dem Gebiet der Gemeinde zum römisch-katholischen Glauben, davon 48 bei Halauš, wobei 738 ihren Übertritt angemeldet hatten.198 Das griechisch-katholische Ordinariat kritisierte die Einmischung der weltlichen Stellen in die Angelegenheiten seiner Kirche. Im Gegensatz zum römischkatholischen Klerus erfuhren die griechisch-katholischen Geistlichen keine Unterstützung der lokalen Ustaše oder der Verwaltung. Die lokalen Behörden versuchten eher, die griechisch-katholischen Pfarrer vor den höheren Behörden zu diskreditieren.199 In diesem Zusammenhang sind auch die Fälle Veliki Zdenci und Sokolovac zu betrachten. In Veliki Zdenci hatten 57 Personen orthodoxen Glaubens bereits im Sommer 1941 einen Übertritt zum griechisch-katholischen Glauben beim Ministerium für Justiz und Religion beantragt. Der Übertritt in die griechisch-katholische Gemeinde folgte am 24. Juli 1941, doch annullierte das Ministerium diese Übertritte am 29. September 1941.200 Die in der Zwischenzeit verabschiedeten Konversionsgesetze entzogen diesen frühen Übertritten die Legitimität. Die Begründung war, dass die Gemeinde Veliki Zdenci nicht unter die Jurisdiktion des griechischkatholischen Bistums fiel, und dass bei Übertritten in Dišnik die vorgeschriebene Antragsform nicht eingehalten wurde. Am 9. Oktober traten die Konvertiten aus Veliki Zdenci unter dem Druck der lokalen Behörden von ihren Konversionen zum griechisch-katholischen Glauben aus eigener Initiative zurück und beantragten stattdessen eine Erlaubnis zur Konversion zum römisch-katholischen Glauben. Selbst deuteten sie an, von griechisch-katholischen Stellen zum entsprechenden Übertritt verleitet worden zu sein.201 Das Ministerium störte sich insbesondere daran, dass der griechisch-katholische Klerus in den umliegenden Dörfern für Übertritte warb, obwohl es sich nicht um Dörfer handelte, in welchen griechisch-katholische Gemeinden bestanden.202 Das Ministerium für Justiz und Religion vertrat nun entschieden die im Rundschreiben vom 30. Juli festgehaltene Position und ignorierte 197 Ebd., 14–7194 Kotarska oblast Garešnica an das Ministerioum für Justiz und Religion betr. Übertritte, 8.10.1941. 198 HR-HDA-1076, 584–582 Gemeindeverwaltung Garešnica an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Konversionen, 28.11.1941. 199 HR-HDA-218, 18–5574 Das Ordinariat des Bistums in Križevci an das erzbischöfliche Ordinariat in Zagreb betr. Beschuldigungen des griechisch-katholischen Pfarrers in Dišnik betr. Übertritte, 30.10.1941; Ebd., 3–43807 Das Dekanat und Pfarrei in Garešnica an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Verbot der Übertritte der Orthodoxen in die Griechisch-Katholische Kirche, 22.7.1941. 200 Ebd., 18–5592 Konvertiten an die griechisch-katholische Gemeinde in Dišnik, 19.10.1941; Ebd., 18–5257 Bezirksverwaltung Garešnica an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Annullierung der Konversionen in V. Zdenci, 30.10.1941. 201 HR-HDA-218, 18–5257 Protokoll zum Besuch der Konvertitendelegation bei der Staatsdirektion für Erneuerung, 23.9.1941 und Erklärung an das Ministerium für Justiz und Religion, 9.10.1941; Ebd., 18–5592 Ministerium für Justiz und Religion betr. Annullierung der Konversion zum griechisch-katholischen Glauben der Orthodoxen aus Veliki Zdenci, 1941. 202 Ebd., 18–5592 Ministerium für Justiz und Religion betr. Annullierung der Konversion zum griechisch-katholischen Glauben der Orthodoxen aus Veliki Zdenci, 1941.
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die Bestimmungen aus dem Vatikan, nach welchen eine „Rückkehr“ möglich war. Nach der Gründung der Staatsdirektion für Erneuerung forderte auch die Großbezirksregierung in Bjelovar die Staatsdirektion für Erneuerung zum grundsätzlichen Verbot der Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben auf.203 In der Gemeinde Sokolovac im Bezirk Koprivnica, welcher ebenfalls im Großbezirk Bilogora lag, wurden die Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben absolut untersagt. Dort hatte die entsprechende Großbezirks- und Bezirksregierung nach dem 15. September ihre Gemeinden verpflichtet, das „Terrain für die Annahme des römisch-katholischen Glaubens“ vorzubereiten. Die Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung hatte die Kompetenzen der lokalen Behörden gestärkt. Konversionen ganzer Dörfer und nicht einzelne Konversionen standen nun im Mittelpunkt der Aktion. Wie in anderen Großbezirken sollten Gemeindeverwaltungen und die Ortsvorsteher keinen Zwang anwenden und den Konvertiten Gleichberechtigung gewährleisten. Auch hier gingen die Konversionen jedoch mit Erpressungen und Gewalt einher. Die Behörden setzten auch das Križevci Bistum darüber in Kenntnis, dass keine Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben geduldet würden.204 Als der apostolische Administrator des griechisch-katholischen Bistums in Križevci, Janko Šimrak, dennoch am 7. Oktober 1941 Gruppenanträge auf Konversion zum griechisch-katholischen Glauben aus den Dörfern der Gemeinde an die Gemeindeverwaltung in Sokolovac zustellte, wurden sie ignoriert.205 Indes verstärkten die Behörden und anschließend ein Beauftragter der Gemeindeverwaltung ihre Bemühungen, die gleichen Orthodoxen zum römisch-katholischen Glauben zu konvertieren. Ende Oktober 1941 sammelten sie in Sokolovac drei Tage lang Unterschriften für die Konversionsanträge, während die Bevölkerung ihre Dörfer nicht verlassen durfte. Der Gemeindevorsteher besuchte selbst etwa 18 Dörfer, doch war er dabei nicht erfolgreich. Im Gegensatz zu den früher angekündigten Konversionen von 1.004 Personen, waren nun nur noch ca. 500 Personen bereit, einen Antrag zu stellen. Unter diesen Umständen machte er die Gegenpropaganda der „Unierten“ für die schwache Bereitschaft der Bevölkerung, zum römisch-katholischen Glauben überzutreten verantwortlich.206 Anfang November besuchten vermutlich wieder griechisch-katholische Geistliche die Dörfer der Gemeinde Sokolovac, warben um Übertritte und verteilten Bescheinigungen über angemeldete Übertritte. Dass diese Dörfer griechisch-katholischen Gemeinden angehören könnten, schloss das Ministerium für Justiz und Religion aus.207 Der Großgespan von Bilogora protes203 Ebd., 18–29007 Großbezirksregierung Bilogora an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Bitte um Verbot der Übertritte zum griechisch-katholischen Ritus, 1.11.1941. 204 Ebd., 18–2702 Gemeindeverwaltung unter Dr. Ante Jurina in Sokolovac an alle Ortsvorsteher, streng geheim, 26.10.1941; Ebd., 18–30758 Gemeindeverwaltung unter Dr. Ante Jurina in Sokolovac an den Vize-Großgespan, 2.11.1941. 205 Ebd., 43–5589 Šimrak an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Kloster Lepavina, 20.5.1942. 206 Ebd., 18–2702 Gemeindeverwaltung unter Dr. Ante Jurina in Sokolovac an alle Ortsvorsteher, streng geheim, 26.10.1941; Ebd., 18–30758 Gemeindeverwaltung unter Dr. Ante Jurina in Sokolovac an den Vize-Großgespan, 2.11.1941. 207 Ebd., 18–5592 Ministerium für Justiz und Religion betr. Annullierung der Konversion zum griechisch-katholischen Glauben der Orthodoxen aus Veliki Zdenci, 1941.
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tierte wegen dieser Aktionen erneut bei der Staatsdirektion für Erneuerung.208 Mitte November 1941 zeichnete sich ab, dass alle 3.880 Dorfbewohner zum griechischkatholischen Glauben übertreten wollten.209 Dennoch konvertierten bis Mai 1942 nur etwa 45 Personen zum griechisch-katholischen Glauben.210 Weder das Ministerium für Justiz und Religion, die Staatsdirektion für Erneuerung noch die Großgespane und ihre Behörden erlaubten oder förderten Konversionen zur griechischkatholischen Kirche. Nach den Vorfällen in Veliki Zdenci, Sokolovac und Dišnik intervenierte am 11. November 1941 Janko Šimrak beim Ministerium für Justiz und Religion, weil die Konversionen zum griechisch-katholischen Glauben sabotiert oder im Nachhinein annulliert wurden. Die Staatsdirektion für Erneuerung hätte dabei außerdem die Gleichsetzung der griechisch-katholischen und griechisch-östlichen Priester angedeutet, worüber sich der apostolische Administrator besonders empörte.211 Šimrak erklärte, dass Veliki Zdenci seit 1842 zur griechisch-katholischen Gemeinde in Dišnik gehörte, womit die gesetzliche Maßgabe erfüllt war. Dem Ministerium für Justiz und Religion warf er unzureichendes theologisches Wissen vor, denn die Übertritte zu einem Ritus konnten nicht zugunsten des anderen Ritus aufgehoben werden, da es sich um denselben Glauben und dieselbe katholische Kirche handelte.212 Anders als bei den römisch-katholischen Geistlichen hatte die Ustaša bei den griechisch-katholischen Geistlichen weniger Unterstützer. Zwar schlossen sich auch griechisch-katholische Geistliche der Ustaša an oder dienten als Militärgeistliche, doch blieb ihre Zahl geringer. Nach der Machtübernahme warben Ustaše aus Karlovci, Jastrebarsko und Samobor bei der Bevölkerung im griechisch-katholischen Ort Žumberak im Bezirk Jastrebarsko um Mitglieder. Die Anwerbeversuche wurden mit der Zeit immer fordernder. Zu den Ustaše gingen angeblich zwei griechisch-katholische Priester, Petar Gvozdanović und Ilija Krajačić aus Kašta. Bis zur Mitte des Jahres 1942 blieben die Dörfer in Žumberak friedlich. Die Partisanenangriffe auf die Gendarmerie hatten dann jedoch Ustaša-Übergriffe auf die Bevölkerung zur Folge. Unter den Tätern waren keine Einheimischen, weil die Bewohner von Žumberak den Ustaše weitgehend ferngeblieben waren.213 Ähnlich wie in Konflikten zwischen den örtlichen Pfarrern, der UstašaOrganisation und der Verwaltung bei Übertritten zum römisch-katholischen Glau208 Ebd., 18–30758 Großbezirksregierung Bilogora an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Bitte um Verbot der Übertritte zum griechisch-katholischen Ritus, 5.11.1941. 209 HR-HDA-1076, 584 Bezirksleiter in Koprivnica an die Religionsabteilung betr. nummerischer Stand der Konvertiten, 13.11.1941. 210 HR-HDA-218, 43–5612 Das Ministerium für Justiz und Religion an das Bistum Križevci betr. Eröffnung orthodoxer Kirchen, 26.5.1942. 211 Ebd., 18–5590 Der apostolische Administrator des Križevci Bistums an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Konversionen zum griechisch-katholischen Glauben, 11.11.1941. 212 HR-HDA-218, 18–5592 Der apostolische Administrator des Križevci Bistums an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Annullierung des Übertrittes der Orthodoxen aus Veliki Zdenci zum griechisch-katholischen Glauben, 11.11.1941. 213 RS-AS-KFA, 19 Bericht für das Flüchtlingskommissariat von Miro Milić und Marko Magovac, Belgrad, 1.9.1942.
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ben, beschwerte sich auch der griechisch-katholische Klerus über die Gefährdung der Übertritte durch Aussiedlungen. Der Klerus beider Riten versuchte die Zahl der Gläubigen zu vergrößern, Aussiedlungen der Serben erreichten das Gegenteil und wurden von beiden Fraktionen abgelehnt. Die serbischen Bewohner der Bezirke Grubišno Polje und Garešnica baten am 26. Juli 1941 um die Erlaubnis zum Übertritt zum griechisch-katholischen oder römisch-katholischen Glauben, um in ihren Wohnorten verbleiben zu dürfen. In ihrer Bittschrift an Pavelić erklärten sie sich selbst zu ehemaligen Katholiken, die in der osmanischen Zeit zu Orthodoxie konvertiert hatten. Die meisten wurden jedoch ausgesiedelt.214 In seinem Bericht an das Ministerium für Justiz und Religion vom 17. Oktober meldete der römischkatholische Pfarrer aus Grubišno Polje, Petar Svijanović, dass niemand übergetreten sei. Es gäbe keine Konvertiten für die „neu projektierten“ Kirchengemeinden, weil Aussiedlungen die Bereitschaft zum Übertritt gefährdeten.215 Mit den „neu projektierten“ Kirchengemeinden meinte Svijanović die von ihm am 1. August 1941 vorgeschlagenen Neugründungen infolge der Liquidierung der orthodoxen Parochien in Velika Barna und Velika Peratovica. Die ehemals orthodoxen Kirchen sollten restauriert und vergrößert werden. Dieser Vorschlag erreichte das Ministerium für Religion sowie das erzbischöfliche Ordinariat in Zagreb, das sich anschließend auch selbst in dieser Frage an das Ministerium wand.216 Das Ministerium für Justiz und Religion war mit dem Vorschlag einverstanden, wenn die dortige Bevölkerung bereits konvertiert oder katholische Kolonisten dort angesiedelt wurden.217 Der Umstand, dass in diesen Gebieten auch griechisch-katholische Priester für Konversionen warben, dynamisierte zusätzlich die Bestrebungen um katholische Gemeindegründungen. Die Beschlüsse der Bischofskonferenz im November 1941 veränderten den Umgang aller Parteien mit den Übertritten zum griechisch-katholischen Glauben grundlegend. Die Bischofskonferenz begrüßte die Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben ausdrücklich. Damit stellte sie die Bestimmungen der Kongregation für die orientalischen Kirchen vom 17. Juli 1941 und die Bestimmungen des Heiligen Stuhl vom 18. Oktober 1941 über die staatlich propagierten Beschränkungen. Die Bestimmungen der Kongregation sahen vor, dass die römisch-katholischen Bischöfe die serbisch-orthodoxen Konvertiten nicht bei ihrer Rückkehr zum griechisch-katholischen Glauben, von dem sie früher, so die Erklärung, unter Druck und Zwang seitens der Orthodoxie abgefallen waren, behindern durften. So könne sich der Katholizismus richtig entwickeln, wo doch so viel Hoffnung zur Bekeh214 HR-HDA-1076, 503–8034 Bittschrift der Bewohner der Bezirke Garešnica und Grubišno Polje an Pavelić, 26.7.1941; Ebd., 218, 42–5284 Korrespondenz zwischen der Gemeinde- und Bezirksverwaltung sowie Staatsdirektion für Erneuerung über den Verbleib der Antragsteller bis 24.2.1942. 215 HR-HDA-218, 11–3075 Das römisch-katholische Pfarramt in Grubišno Polje an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Übertritte, 18.9.1941. 216 Ebd., Pf. Svijanović an Ministerium für Religion betr. Gründung römisch-katholischer Kirchengemeinden, 1.8.1941. 217 Ebd., Das erzbischöfliche Ordinariat an das Ministerium für Justiz und Religion, 14.8.1941; Ebd., das Antwortschreiben, 2.9.1941.
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rung der „Unvereinten“ bestünde.218 Der Heilige Stuhl befürwortete die Übertritte der „Unvereinten“ zum östlichen Ritus dort, wo bereits griechisch-katholische Gemeinden existierten, begrüßte aber auch Übertritte zum lateinischen Ritus, wenn die Konvertiten nicht zum östlichen Ritus übertreten wollten oder konnten. Die Bischofskonferenz hob hervor, dass unter den griechisch-katholischen Kirchengemeinden nicht nur der Gemeindesitz, sondern das ganze Gemeindegebiet und alle Filialen verstanden wurden und dass die Übertritte zum östlichen Ritus nicht aberkannt werden durften.219 Den Eingriffen der Staatsdirektion für Erneuerung und des Ministeriums für Justiz und Religion in die Konversionen der Orthodoxen zum griechisch-katholischen Glauben setzte Stepinac damit weitere Schranken. Zu diesem Zeitpunkt neutralisierte er mithilfe der Ustaša die inneren Feinde seiner Kirche, vor allem die Altkatholiken. Zugleich stellte er sich gegen die Einmischung der Staatsdirektion für Erneuerung und des Ministeriums für Justiz und Religion, indem er die kirchliche Autonomie wiedererlangte. Die Franziskaner zwang er, sich seiner Autorität zu unterstellen. Seine Loyalität galt dem Vatikan und dem Papst. Die Unterstützung des griechisch-katholischen Bistums gehörte, wie später deutlich werden soll, zu dieser Loyalität dazu. Aus Rücksicht auf Macht- und Kompetenzverluste riskierte er keinen grundsätzlichen Konflikt mit der Ustaša, sondern kämpfte sich zusehends Handlungsräume frei. Die römisch-katholische Kirche sowie ein unabhängiges Kroatien, das ihr die Monopolstellung unter den religiösen Gemeinschaften sicherte, sollten den Krieg überstehen – wenn dafür auch Kompromisse nötig wurden. Nach der Bischofskonferenz Dass die Bischofskonferenz religiöse Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben nicht sanktionierte, sondern sogar noch begünstigte, resultierte in Protesten der Staatsdirektion für Erneuerung. Das Protestschreiben an Pavelić vom 11. Dezember 1941 enthielt acht Kritikpunkte und fünf Schlussfolgerungen. Die Konvertiten zum griechisch-katholischen Glauben erlebten „keine geistige Revolution“ und erfuhren keine psychologisch notwendige Veränderung, so Juričev. Die Liturgie bliebe gleich und die meisten griechisch-katholischen Gemeinden seien von anderen Nationalitäten dominiert. Mindestens die Hälfte der Geistlichen sowie zwei Drittel der Gläubigen seien Ausländer und keine Kroaten nach der Blutslinie. Die Mehrheit der Gläubigen habe ferner vor 1941 nicht mit dem kroatischen Volk zusammengearbeitet. Juričev befürchtete, dass die Konvertiten nach einer Zeit wieder ihren alten Glauben annehmen würden und führte ein konkretes Beispiel dafür aus Dalmatien an. Juričev forderte Pavelić auf, die Konversionen zum griechisch-katholischen Glauben zu untersagen und sich von den Entscheidungen der Bischofskonferenz zu distanzieren. Außerdem forderte er, dass Pavelić direkt oder über die Religionsabteilung eine Erklärung abgebe, dass Konvertiten zum griechisch-katholischen 218 Die an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz Alojzije Stepinac gerichteten Bestimmungen vom 17. Juli 1941 unterschrieb der Kardinal Eugen Tisserant. 219 AJ-103-65 Ergebnisse der Bischofskonferenz vom 17.11.1941; VA 227/12/34.
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Glauben nicht geschützt seien. Mit der Ausdehnung des griechisch-katholischen Ritus mehrten sich auch schädliche fremdvölkische Minderheiten, so Juričev.220 Die Neutralisierung der Franziskaner und der Staatsdirektion für Erneuerung wirkte sich personell wie materiell unmittelbar auf die Konversionspolitik in den Gemeinden aus. Welche Folgen hatte aber Stepinacs Unterstützung für den griechisch-katholischen apostolischen Administrator, Janko Šimrak, für die lokalen Behörden, und wie reagierten die römisch-katholischen Geistlichen vor Ort? Die Gemeindeverwaltung von Veliki Bastaji im Großbezirk Livac-Zapolje bescheinigte seiner orthodoxen Bevölkerung der umliegenden Dörfer am 30. Dezember 1941 fehlerfreies Betragen und übermittelte der Bezirksvertretung in Daruvar am 2. Januar 1942 einen Antrag auf Gruppenübertritt. Die Serben stellten Anträge auf Übertritt zu beiden Riten. Die Gemeindeverwaltung hielt die Großbezirksregierung Livac-Zapolje um die Ablehnung der Anträge zum griechisch-katholischen Ritus an, weil sie nicht im Interesse der Gemeinde und des Staates seien. Šimrak konnte dennoch alle Serben in Veliki Bastaji zum griechisch-katholischen Glauben konvertieren und dort sogar am 18. Juni 1942 eine griechisch-katholische Kirchengemeinde gründen.221 Auch an anderen Beispielen wird deutlich, dass die Beschlüsse der Bischofskonferenz durchgesetzt wurden, wenn dies auch mit einem verschärften Konfliktpotenzial einherging. Im Bezirk Čazma konvertierte eine Gruppe zum griechischkatholischen Glauben, obwohl ihr nur die Erlaubnis zum Übertritt zum römischkatholischen Glauben erteilt wurde. Der Minister für Justiz und Religion verlangte erfolglos eine Bestrafung der Konvertiten und des Pfarrers aus Prgomelja.222 Vor Ort gab die Verwaltung auch den römisch-katholischen Geistlichen die Schuld, weil sie die Konvertiten zum dreimonatigen Religionsunterricht nötigten, um ihnen danach zum Übertritt zum griechisch-katholischen Glauben zu raten. Das für die Förderung des Staates notwendige Missionieren der Orthodoxen würden sie ablehnen und die Chance auf eine langsame Rückkehr der „verlorenen Söhne“ vertun. Sie arbeiteten entgegen den Interessen des Staates, indem sie die religiöse Vielfalt förderten. Außerdem führten die römisch-katholischen Priester die Konversionen nach moralischen Gesetzen durch, was jedoch nicht den nationalen Pflichten entspräche, so der Bezirksleiter in Čazma.223
220 HR-HDA-218, 25–289 Juričev an Pavelić betr. „Schwerer Schlag für die kroatische Nationalpolitik durch Übertritte der Orthodoxen zum griechisch-katholischen Glauben“, 11.12.1941; Ebd.,1076, 584–282. 221 HR-DABJ-KOD Kotarska Oblast Daruvar [Bezirksverwaltung Daruvar], 1 Gemeindeverwaltung Veliki Bastaji an die Bezirksverwaltung, 2.1.1942 und 7.2.1942; HR-HDA-218, 54–9854 Križevci Bf. an das Ministerium für Justiz und Religion betr. griechisch-katholische Seelsorge in Daruvar. 222 HR-DABJ-VŽB 7, 171 Ministerium für Justiz und Religion an den Großbezirk Bilogora betr. Übertritt vom orthodoxen zum griechisch-katholischen Glauben, 17.3.1942. 223 HR-HDA-218, 43–5537 Bezirksverwaltung in Čazma an die Großbezirksregierung in Bjelovar betr. die Tätigkeit des Geistlichen Gukatko, 6.5.1942; Ebd., die Weiterleitung an das Ministerium für Justiz und Religion, 13.5.1942.
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Die Beziehungen des inzwischen zum Bischof ernannten Janko Šimrak zur Bezirksregierung in Čazma blieben über die ganze Kriegszeit angespannt. Im September 1942 hatte sich Erzbischof Stepinac für die Übergabe der Kirche in Lipovčani an die griechisch-katholische Kirche ausgesprochen, da es sich, wie er sagte, nicht ziemte, dass katholische Gottesdienste in Bauernhäusern abgehalten würden. Der Protest des Bezirksleiters Fridrih fiel auch diesmal nicht aus. Es störte ihn außerdem, dass römisch-katholische Geistliche die dortigen Konvertiten (334) und angemeldeten Konvertiten (110) nicht selbst betreuten und gleichzeitig die dortige Kirche der griechisch-katholischen Kirche überließen, die lediglich acht Konvertiten zählte.224 Fridrih schrieb auch direkt an das erzbischöfliche Ordinariat: „Mir ist es sehr gut bekannt, dass der römisch-katholische Glaube in jedes Bauernhaus Einzug halten sollte und dass unsere Priester die Pflicht haben, das Volk die religiösen Wahrheiten zu lehren und sie darin einzuweisen, dass sie danach leben. Unser Glaube legt uns auf, Andersgläubige in den Schoß unserer römisch-katholischen Kirche zu bringen und ihnen die Möglichkeit zu geben zu sehen und zu spüren, dass unser römisch-katholischer Glaube der richtige und wahre Glaube des Christus ist – der Gottesglaube, in welchem unser aller Rettung liegt.“225
Kroatien sei ferner ein römisch-katholisches Land und ein solches müsse es sein und bleiben.226 Die Förderung der Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben spaltete den römisch-katholischen Klerus. Gegen die Konversionsaktionen der griechisch-katholischen Pfarrer reichten in vielen Fällen römisch-katholische Pfarrer Beschwerden ein. In Kaniška Iva im Bezirk Garešnica hätte nur ein kleiner Teil der ursprünglich für den Übertritt zum römisch-katholischen Ritus angemeldeten Personen am Religionsunterricht teilgenommen und ein noch kleinerer Teil sei schließlich auch übergetreten. Der römisch-katholische Pfarrer aus Kaniška Iva, Josip Đurić, machte die griechisch-katholische Propaganda dafür verantwortlich und forderte das Innenministerium auf, die Werbung zu verbieten. Der griechischkatholische Pfarrer aus Dišnik, Aleksander Vlasov, hätte die Resolution der Bischofskonferenz unter der Bevölkerung verteilt. Die dadurch geschaffene „Ambivalenz“ in der Bevölkerung, die zwar nicht aus unterschiedlichen Dogmen, sondern Riten resultierte, sei für die Einheit nicht förderlich. Es sei nicht im religiösen und nationalen Interesse griechisch-katholische Oasen im römisch-katholischen Umfeld entstehen zu lassen.227
224 Ebd., 74–12047 Korrespondenz zwischen dem erzbischöflichen Ordinariat, des Bezirks Čazma und der Großbezirksregierung in Bjelovar betr. die Verwendung der orthodoxen Kirche in Lipovčani, 22.9.1942–16.12.1942. 225 Ebd., 74–12047 Der Bezirksleiter Fridrih an das erzbischöfliche Ordinariat betr. Verwendung der Kirche in Lipovčani, 16.11.1942. 226 Ebd., 74–12047 Der Bezirksleiter Fridrih an das erzbischöfliche Ordinariat betr. Verwendung der Kirche in Lipovčani, 16.11.1942. 227 Ebd., 28–1157 Römisch-katholischer Pf. aus Kaniška Iva, Josip Đurić (Abweichung möglich da Handschrift undeutlich), an die Religionsabteilung des Innenministeriums betr. Verbot zum Übertritt zum griechisch-katholischen Glauben für Orthodoxe, die sich vorher zum Übertritt zum römisch-katholischen Glauben gemeldet hatten, 29.1.1942.
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Forderungen nach Eigentum der serbisch-orthodoxen Kirchengemeinden Das griechisch-katholische Bistum in Križevci forderte ebenso wie die römischkatholischen Gemeinden das Eigentum der serbisch-orthodoxen Kirche. Kurz vor Weihnachten 1941 beantragte Šimrak mehrmals die Nutzung bestimmter Pfarrwohnungen durch die aus Bosnien vertriebenen griechisch-katholischen Pfarrer.228 Außerdem bat er um Gebäude in den Gemeinden mit griechisch-katholischen Mitgliedern oder dort, wo sich Orthodoxe zum Übertritt angemeldet hatten. Für die orthodoxen Klöster Marča und Gomirje sowie Kirchen in Pisanica Velika, Hrvatska Kapela, Plavšinac, Veliki Bastaji, Veliko Vukovje, Salnik, Narta und Bjelovar führte Šimrak als Begründung an, dass dort zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert griechisch-katholische Gemeinden bestanden.229 Dies war ohne Zweifel eine sehr großzügige Auslegung sowohl der gesetzlichen Verordnung als auch der Beschlüsse der Bischofskonferenz. Stepinac konnte sich bei der Durchsetzung seiner Agenda gleich auf mehrere Beschlüsse kirchlicher Provenienz berufen. Zum einen handelte es sich um Beschlüsse aus dem Vatikan vom 17. Juli und 18. Oktober 1941. Zum anderen berief er sich auf Ergebnisse der Tagung des während der Bischofskonferenz ernannten Ausschusses für Konversionsfragen auf dessen Sitzung am 28. Januar 1942. Darauf aufbauend, übermittelten Stepinac und Šimrak dem Ministerium für Justiz und Religion einen konkreten Vorschlag zur Behandlung von religiösen Übertritten zum griechisch-katholischen Ritus in Oberkroatien, d. h. dem Gebiet, das etwa dem Großbezirk Bilogora entsprach. Vorgeschlagen wurde unter Heranführung von historischen Entwicklungen die Übergabe einiger orthodoxer Klöster und Kirchengemeinden an die griechisch-katholische Kirche.230 Insbesondere sollten Marča, Lepavina, Hopovo und Gomirje als ehemalige katholische Besitztümer an das Križevci Bistum übergeben werden sowie auch einzelne Gemeinden in den Bezirken Koprivnica, Križevci, Žabnica, Bjelovar, Daruvar und Garešnica. Allgemein setzten sich Stepinac und Šimrak für die Erlaubnis zum Übertritt zum griechisch-katholischen Glauben ein, wenn die Konvertiten nicht mehr als 6–10 km von den griechisch-katholischen Gemeinden lebten. Im Umfeld von Klöstern und der 228 Ebd., 29–1580 Der apostolische Administrator aus Križevci an das Ministerium für Justiz und Religion, 15.2.1942; Griechisch-katholische Pfarrer in Bosnien wurden angeblich von serbischen oder kommunistischen Einheiten vertrieben, so aus dem Bezirk Prnjavor im Spätsommer 1941. Darunter Terasa Dumko aus Stara Dubrava, Eustahije Lehenjki aus Kamenica, Mihajlo Jurista aus Devetina sowie Miron Hirjovati aus Hrvaćani. Später kamen noch Ivan Levicki aus Cerovljani und Silvestar Salomon aus Kozarac dazu. Dass sie Ukrainer seien, stritt Šimrak ab. Ebd., 18–5574 Das Ordinariat des Bistums in Križevci an das erzbischöfliche Ordinariat in Zagreb betr. Beschuldigungen des griechisch-katholischen Pfarrers in Dišnik betr. Übertritte, 30.10.1941. 229 Ebd., 29–1580 Der apostolische Administrator aus Križevci an das Ministerium für Justiz und Religion, 15.2.1942; PAAA-GZ, 68 Aufzeichnung, 21.6.1941; Ebd., Der Chef des Generalstabs an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb betr. ukrainische Gemeinde in Hrvaćani, 15.6.1941. 230 Ebd., 30–2143 Vorschläge des Zagreber Erzbischofs Stepinac und des griechisch-katholischen Bischofs in Križevci zu Konversionen in Oberkroatien an den Minister für Justiz und Religion, Mirko Puk, 28.2.1942.
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rein griechisch-katholischen Gemeinden Dišnik, Lepavina, Prgomelje und Križevci sollte der Radius sogar auf 20 km vergrößert werden.231 Dieser Vorschlag an die Regierung löste Zuversicht bei den griechisch-katholischen Pfarrern aus. Angeblich war Glavaš mit dem Vorschlag zunächst einverstanden und bereitete die Verabschiedung eines entsprechenden Beschlusses vor. Der griechisch-katholische Pfarrer aus Križevci, Gukatko, versuchte deshalb die Orthodoxen von einem Übertritt zum römisch-katholischen Glauben abzuhalten. Zwischen den römisch- und griechisch-katholischen Kirchenführern wurde eine Übereinkunft getroffen. Die von der lokalen Verwaltung zum Übertritt zum römisch-katholischen Glauben gezwungene serbische Bevölkerung sollte sich dem Willen der Regierung fügen, um sich keiner Gefahr auszusetzen. Gegenüber dem jeweiligen römisch-katholischen Priester sollten die Konvertiten jedoch offen die Bereitschaft zum Übertritt nur zum griechisch-katholischen Glauben signalisieren und von der anstehenden Gründung neuer griechisch-katholischer Pfarrgemeinden berichten. Ferner sollten die Konvertiten betonen, dass sie von der lokalen Regierung zum Übertritt gezwungen wurden und sich weiterhin ruhig verhalten.232 Annäherung von West und Ost Die deutsche Gesandtschaft war überzeugt, dass die päpstliche Politik der Annäherung bzw. Aussöhnung der orthodoxen und katholischen Kirche für die Beschlüsse der Bischofskonferenz maßgebend war. Die Zagreber Bischofskonferenz lehnte jede staatliche Einmischung in die Konversionsprozesse ab, und beschloss auch, dass die Kirche in Zukunft nur freiwillige Konversionen akzeptieren sollte. Das übergeordnete Ziel der vatikanischen kirchenpolitischen Überlegungen auf dem Balkan und Osteuropa war nach deutscher Auffassung die Schaffung einer starken Opposition beider Kirchen gegen den Nationalsozialismus. Laut dem vom Polizeiattaché gesammelten Material hatte ein Vertreter des Vatikans während der kroatischen Bischofskonferenz sogar die Frage nach der Anerkennung des serbischen Kirchengründers Sava als katholischen Heiligen aufgeworfen. Marschall Kvaternik bedeutete indes gegenüber dem Feldmarschall Keitel, dass die Erlasse der Bischofskonferenz mit den Anweisungen aus dem Vatikan zusammenhingen. Der Vatikan würde an einer Zusammenarbeit mit der orthodoxen Kirche basteln.233 Für den deutschen Polizeiattaché Hans Helm war die griechisch-katholische Kirche ein Instrument des Vatikans, das im Begriff war, die orthodoxe Kirche an seine Seite zu ziehen.234 231 Ebd., 30–2143 Vorschläge des Zagreber Erzbf. Stepinac und des griechisch-katholischen Bischofs in Križevci zu Konversionen in Oberkroatien an den Minister für Justiz und Religion, Mirko Puk, 28.2.1942; Ebd., 43–5537 Schreiben von Pf.Gukatko, 5.3.1942. 232 Ebd., 43–5537 Schreiben von Pf. Gukatko, 5.3.1942; Ebd., Eingangsregister 5537 (1941). 233 HR-HDA-1521, 35, Dossier zu Irinej Đorđević, Bf. Popp, Papst u. a. Laut Popp verhandelte der orthodoxe Episkop Irinej mit dem Heiligen Stuhl; Ebd., 36 Schreiben des EK Zagreb (Beissner) an das RSHA, 29.12.1941. 234 Ebd., 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942.
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Die deutschen Stellen warfen Stepinac außerdem Verbindungen zur serbischen Exilregierung vor.235 Angeblich unterhielt er über den Geistlichen Augustin Juretić Verbindung zur jugoslawischen Exilregierung, vor allem zu Momčilo Jurišić Šturm.236 Augustin Juretić wurde in der Bischofskonferenz zum Mitglied des Arbeitsausschusses für Konversionen gewählt. Im Jahr 1942 wurde er tatsächlich von Stepinac und dem Vorsitzenden der Bauernpartei, Vladko Maček, zunächst nach Rom und anschließend in die Schweiz geschickt. Von dort aus sollte er Verbindungen zur serbischen Exilregierung und zu anderen Mitgliedern der Bauernpartei aufnehmen. Juretić berichtete folglich einerseits dem Vatikan und andererseits der serbischen Exilregierung, den Alliierten und den Mitgliedern der Bauernpartei über die Verhältnisse im NDH und erhielt ihre Beziehungen zu Stepinac aufrecht. Juretić war insbesondere ein antikommunistischer Kämpfer, doch für antinationalsozialistische Tendenzen finden sich keine Anhaltspunkte.237 Während seines Besuchs im Vatikan im Mai 1943, übergab Stepinac dem Papst und dem amerikanischen Diplomaten Myron C. Taylor einen Bericht über die Haltung des katholischen Episkopats in Kroatien gegenüber den Ausschreitungen gegen die Serben. Darin zählte Stepinac seine Interventionen und Hilfsaktionen zugunsten von Serben und Juden auf.238 Die deutschen Stellen gingen davon aus, dass Stepinac Kontakte zur serbischen Exilregierung in London unterhielt, die wiederum über ihren Gesandten im Vatikan, Nikola Mirošević-Sorgo, Beziehungen zum Vatikan bzw. den dortigen Kardinälen Tisserant und Torre pflegte. Sie konnten dies aber anscheinend nicht beweisen. Mirošević-Sorgo stand außerdem mit Taylor in Kontakt. Auf der Seite der orthodoxen Kirche verhandelte angeblich der serbische Bischof Irinej Đorđević aus Šibenik mit dem Vatikan. Im Vordergrund stand die Bildung einer politischen Front gegen das Dritte Reich, die von der katholischen wie den orthodoxen Kirchen unterstützt werden sollte. Nach der Anerkennung der russisch-orthodoxen Kirche durch Stalin, soll Stepinac geäußert haben, dass ein sowjetischer Sieg nicht mal so schlimm wäre.239 Die Annäherung der beiden Kirchen bildete den Dreh- und Angelpunkt der Verhandlungen.240 Der deutschen Gesandtschaft in Kroatien unter Siegfried Kasche lagen außerdem Informationen vor, dass der Sarajevoer Bischof Šarić die Anwesenheit bei der Bischofskonferenz verweigerte, weil er Zwangskonversionen guthieß. Belegen lässt sich diese Information jedoch nicht.241 Möglich ist auch, dass Šarić den Kurs der jugophilen Kreise innerhalb der katholischen Kirche ablehnte. Juretić gehörte 235 PAAA-GZ, 207 Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10. und 28.7.1944. 236 HR-HDA-1521, 35 Dossier zu Stepinac. 237 Bencetić, Lidija: Mons. Augustin Juretić – djelovanje u emigraciji kroz bilten Hrvatski dom [Mons. Augustin Juretić – die Wirkung in der Emigration durch das Bulletin Hrvatski dom]. In: Časopis za suvremenu povijest 45, Nr.3 (2013), 461–484, hier 463. 238 StahL, Alojzije, 255–257. 239 PAAA-GZ, 207 Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10. und 28.7.1944. 240 HR-HDA-1521, 35 Dossiers zu Taylor und M.-Sorgo; Ebd., 36 Mehrere Schreiben des EK Zagreb (Beissner) an das RSHA, z. B. 29.12.1941, 20.1.1942. 241 PAAA-GZ, 68 Schreiben von Kasche an das AA betr. katholischer Bf. Šarić, 23.12.1942.
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zu den „Jugoslawisten“ in der Tradition des Bischofs Strossmayer. Stepinacs Unterstützung der Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben führte jedenfalls zu Problemen innerhalb der Kirche und durchkreuzte die Pläne der Ustaša. Die verstärkten Bemühungen Pavelićs, die Unterstützung der römisch-katholischen Kirche für seine Politik wiederzugewinnen und diese ebenso wie den muslimischen Klerus zur Erreichung innenpolitischer Ziele zu vereinnahmen, zeigten im Frühjahr 1942 noch keine Wirkung. Fraglich bleibt, welche Rolle der Person Šimrak genau zukam. Die deutsche Gesandtschaft in Kroatien ordnete ihn als deutschlandfreundlich ein. Es ist kaum vorstellbar, dass er mögliche antinationalsozialistische Agenden unterstützte. Šimrak wurde mehrmals für die Verhandlungen zur Anerkennung des NDH von Pavelić in den Vatikan geschickt. Im Gespräch mit einem Agenten des deutschen Einsatzkommandos Zagreb im Winter 1941/42 machte Šimrak Mirošević-Sorgo und die serbische Exilregierung für die ablehnende Haltung des Papstes verantwortlich.242 Als Pavelić am 18. Mai 1941 vom Papst empfangen wurde, einen Tag nachdem der designierte kroatische König, Herzog von Spoleto den Papst besuchte, richtete die serbische Exilregierung Kritik an den Vatikan. Zwar wurden sowohl der Herzog als auch Pavelić als Gläubige und nicht in ihren Funktionen als Staatsoberhäupter empfangen, dennoch wurden die Empfänge als eine indirekte Anerkennung Kroatiens gedeutet.243 Empört reagierte die serbische Exilregierung mit einem Protestbrief an den Papst. Ein Bevollmächtigter des Vatikans wurde indes zur ständigen Tätigkeit nach Zagreb geschickt. Auf den serbischen Protest, dass dadurch der Eindruck einer diplomatischen Anerkennung Kroatiens seitens des Vatikans in der kroatischen Öffentlichkeit entstünde, antwortete der Vatikan, dass dies ausschließlich eine Kirchenangelegenheit sei. Nachdem sich Ende November die Bischofskonferenz in Zagreb in der Frage der Konversionen auf ein einheitliches Vorgehen geeinigt hatte, besuchte der kroatische katholische Geistliche und Berater der Gesandtschaft der serbischen Exilregierung im Vatikan, Dr. Nikola Moscatello (auch: Moskatelo/Moskatello), den vatikanischen Kardinal-Staatssekretär. Dieser versicherte Moscatello, dass die Übertritte in Kroatien ohnehin ohne Bedeutung seien, da sie aus Angst und nicht aus freier Überzeugung geschahen. Den während der Bischofskonferenz in Zagreb gegründeten Ausschuss aus den drei Bischöfen Stepinac, Šimrak (als apostolischer Administrator) und Burić (Bischof von Senj) sowie die Arbeitsgruppe aus Theologieprofessoren und Katecheten bezeichnete der Kardinal-Staatssekretär als einen Vorstoß in Richtung der Behinderung der Agitation und des Missbrauchs vieler Fanatiker. Moscatello besuchte gegen Neujahr 1942 den Heiligen Stuhl und warnte ihn vor einer Zusammenarbeit des Klerus mit dem kroatischen Regime, welches im kroatischen Volke unbeliebt und daher auf die Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche angewiesen sei. Der Klerus sei ferner von der kroatischen Regierung instrumentalisiert worden. Die kürzlich 242 HR-HDA-1521, 36 Schreiben des EK Zagreb an das RSHA, 20.1.1942. 243 AJ-103-65, 623, 470 Telegramm von Jurišić aus Bern am 26.5.1941 und Schreiben der Königlichen Regierung an die Gesandtschaft in Bern, gez. Ninčić (Momčilo Ninčić, Außenminister), o. D.; ebd. 961 Schreiben des Außenministers Ninčić an den Vizepräsidenten des Ministerrates Krek, 23.1.1942.
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gemachte gemeinsame Fotografie der kroatischen Bischöfe mit Pavelić führte er dabei als ein Beispiel an. Er wünschte ein aktives Entgegenwirken in der Konversionsfrage. Moscatello glaubte aber, dass dank seiner Überzeugungsarbeit die Konversionspolitik langsam abebbte.244 Der serbische Außenminister Ninčić stellte über den Mittelsmann Moscatello im März 1942 seine Forderung an den Vatikan, die Beschlüsse der Bischofskonferenz abzulehnen. Gleichzeitig beschuldigte er die kroatischen Bischöfe, die Gelegenheit zur Ausrottung der serbischen Bevölkerung gewittert zu haben.245 Moscatello deutete jedoch Punkt 9 der Ergebnisse der Bischofskonferenz, wo es hieß: „dort wo es so viel Hoffnung auf die Bekehrung der Unvereinten gibt“ und welcher für großen Unmut innerhalb der serbisch-orthodoxen Kirche sorgte, als eine übliche Floskel, eine stereotype Phrase. Die Kurie, so die Einschätzung Moscatellos, betrachte die Situation in Kroatien als äußerst ungeeignet zur Erreichung des Ideals einer Kirchenvereinigung.246 Pavelić hatte Šimrak in einer Audienz Anfang Mai 1942 empfangen.247 Die Besetzung der Bischofsstühle in Križevci durch Šimrak und in Mostar durch Čule erfolgte allerdings nicht in Zusammenarbeit mit Pavelić. Daraufhin ließ Pavelić die Gehaltszahlungen an die Bischöfe und den gesamten Klerus dieser Bistümer aussetzen. Der päpstliche Delegat erwirkte eine Rücknahme dieser Entscheidung.248 Dass die griechisch-katholische Kirche, wie auch in der Vergangenheit als die Kirche der „Unierten“ bezeichnet, für eine Annäherung der beiden Kirchen verwendet werden sollte, ist alles andere als abwegig. Die oben analysierten Ereignisse und Konflikte über das Eigentum der orthodoxen Kirche und die Übertritte zur griechisch-katholischen Kirche in den Gemeinden würden diese These unterstützen. Šimrak selbst hatte ja die historische Zusammenarbeit beider Riten „am heiligsten kroatischen und katholischen Anliegen“249 betont. Bei der Gründung des Königreiches Jugoslawien setzte sich Šimrak zusammen mit anderen katholischen Intellektuellen für eine Annäherung der Orthodoxen an die Katholiken ein. Dazu hielt der Franziskaner Dominik Mandić die Einstellung von Šimrak und Petar Rogulja im Rückblick fest: 244 Ebd., 97 Chiffriertes Telegramm von Jurišić aus Bern, 9.1.1942, empfangen in London am 10.1.1942; Ebd., 961 Telegramm von Mirošević Sorgo nach London, 25.2.1942; ebd. Berater Moskatelo aus dem Vatikan an das Außenministerium in London, 20.1.1942. 245 Ebd, Ninčić an die Gesandtschaft in Bern, 12.3.1942; ebd. Außenministerium in London an den Gesandten Mirošević in Lissabon, 16.3.1942. 246 Ebd., Moscatello an das jugoslawische Außenministerium in London, 22.5.1942 und 14.7.1942. 247 Hrvatski List, 8.5.1942. 248 Die jugoslawische Regierung im Londoner Exil erwog, eine Protestnote an den Heiligen Stuhl zu schicken, da die Wahl der Bischöfe in Vergangenheit in Absprache mit der jugoslawischen Regierung getroffen wurde. Da die Beziehungen der königlichen Regierung mit dem Vatikan nicht abgebrochen wurden, handelte der Vatikan aus dieser Perspektive entgegen der bisherigen Praxis. AJ-103-65 Chiffriertes Telegramm aus dem Vatikan über Bern nach London, gez. Jurišić, 16.6.1942; Ebd., Jugoslawisches Justizministerium an den Innenminister Ninčić, 6.7.1942; Königlicher Gesandter im Vatikan, Mirošević-Sorgo, an das jugoslawische Innenministerium, 29.7.1942. 249 HR-HDA-218, 18–5574 Das Ordinariat des Bistums in Križevci an das erzbischöfliche Ordinariat in Zagreb betr. Beschuldigungen des griechisch-katholischen Pfarrers in Dišnik betr. Übertritte, 30.10.1941.
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„Sie versuchten zu beweisen, daß die Kroaten keinen Grund hätten, sich vor den Serben zu fürchten, denn die Kroaten seien kulturell fortschrittlicher, hätten eine gebildetere und zahlreichere Intelligenz, so daß sie den Staat führen würden. In religiöser Hinsicht glaubten sie, daß die orthodoxen Serben im gemeinsamen Staat die Möglichkeit erhalten würden, die Katholiken näher kennenzulernen und auf diese Weise ihre Vorurteile und ihr Mißtrauen gegenüber dem Katholizismus abzulegen. Gegenseitiges Kennenlernen und Verstehen würde zur Annäherung führen, und mit der Zeit auch zur Einheit der serbischen Orthodoxen mit der katholischen Kirche. Dieses Beispiel würde Einfluß auf die übrigen orthodoxen Kirchen haben, so daß der Staat der Serben, Kroaten und Slowenen ein Muster und eine Brücke für die Vereinigung des gesamten Christentums werden könne.“250
Die Annäherung oder gar Kirchenvereinigung der katholischen mit der orthodoxen Kirche war keine neue Strategie im jugoslawischen Raum. Auch stellten Kommunismus und Nationalsozialismus genügend aktuelle Gründe für eine Annäherung dar. Bezeichnend für das Verhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche im NDH war, dass sie sich gegenseitig niemals öffentlich kritisierten. Zu den Kritiken von Stepinac an das Regime zählt z. B. seine Rede anlässlich der Gründung des kroatischen Sabor. Stepinac würdigte in der Zagreber St. Markus Kirche am 23. Februar 1942 den Sabor als das altertümliche Symbol der kroatischen Staatlichkeit. Bei dieser Gelegenheit grenzte er sich von der Verantwortung der Kirche für politische Entscheidungen ab. Die Kirche äußere sich zwar, allerdings nicht „deswegen, um Ratschläge in rein politischen Angelegenheiten zu geben, für welche sie von ihrem göttlichen Begründer nicht befugt wurde und für welche sie keine Verantwortungen übernehmen kann, sondern deswegen, um den Blick der gesetzgebenden Körperschaft, des Sabor, in Richtung Gott zu lenken, dem Fundament und der Quelle jeder Gesetzgebung, aus welcher auch natürliche und alle positiven Gesetze hervorkommen.“251
Die Verantwortung für die politischen Entscheidungen der Ustaša musste er nach 1945 aber trotzdem tragen. Erheblich belastet hatte ihn gegenüber der kommunistischen Regierung gerade die Zurückhaltung in der direkten Kritik an der UstašaBewegung. 6. GRÜNDUNG DER KROATISCH-ORTHODOXEN KIRCHE Wie am Beispiel der altkatholischen Kirche in Kroatien deutlich wurde, war die national-integrierende Funktion der Religion bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Kapital für kroatische Politiker. Das politische Erbe des Gründers der Kroatischen Rechtspartei, Ante Starčević (1823–1896) hatte dabei einen bedeutenden Einfluss auf die Politik und Selbstdarstellung der Ustaša. Pavelić und Puk beriefen sich in ihren Sabor-Reden auf seine Programmatik. Zum Namenstag ließ sich Pavelić mit einem Porträt seines Namensvetters Starčević abbilden.252 Starčević war ein Verfechter der Trennung der Religion vom Staat, auch wenn er die Religion nicht aus dem privaten Bereich verbannen wollte. Das Wort „Gott“ 250 Zit. nach buchenau, Katholizismus, 231. 251 Hrvatski List, 24.2.1942; Für deutsche Übersetzung von Stepinacs Rede vgl. PAAA-GZ, 67/7. 252 Nova Hrvatska, 13.6.1942. Zit. nach dinu, Faschismus, 163.
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benutzte er fast ebenso häufig wie sein Lieblingswort „Kroate“. Er stellte sich vor allem gegen die institutionalisierte Form der Religion und den katholischen Klerus. Während er gegen den katholischen Klerus wegen seiner Verbindung zur „Fremdherrschaft“ eine offene Feindschaft pflegte, lobte er dagegen die nationalen serbischen Bischöfe wie den hl. Sava.253 Die Erfahrung der jugoslawischen Staatlichkeit (1918–1941), einer hegemonialen Ordnung, die die serbisch-orthodoxe Kirche bevorzugte, hatte die kroatischen Vorstellungen von Staat, Kirche und Religion beeinflusst. Die serbisch-orthodoxe Religion war eine Staatsreligion, die ihren Kirchenbegründer Sava verehrte und die Erhaltung der serbischen Nation als ihr primäres Ziel erachtete. Die Ustaša hatte, ähnlich wie Starčević, eine Vorbildfunktion in der autokephalen Struktur der orthodoxen Kirche erkannt. Nach der Entscheidung der Bischofskonferenz, die Konversionspolitik dem Zugriff des Staates zu entziehen, rückte die Ustaša näher an Starčevićs Ideal der völligen Trennung von katholischer Kirche und Staat und der Schaffung einer nationalen Kirche zur Integration der Serben. Die Verdrängung der katholischen Kirche war notwendig, um eine möglichst hohe Gleichberechtigung aller religiösen Gemeinschaften zu gewährleisten. Das Zugehen auf Serben als einer nur religiösen Minderheit setzte die gleichzeitige Befriedung des Landes voraus. Die Religion wurde zur Privatsache erklärt, die die nationale Zugehörigkeit nicht determinierte. So verkündete Pavelić: „Es gibt niemanden in Kroatien, der etwas gegen die Orthodoxie hätte. Jedermann betet zu Gott nach eigenem Gewissen, wie er dies in seiner Jugend, nach Geburt, Schule und Erziehung gelernt hat, wie es jedermann erachtet, dass es seinem Seelenheil am besten entspricht. Es ist nicht unsere Aufgabe, in diese intimsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens, in Fragen seines Seelenheils einzugehen.“254
Deutliche Schritte in Richtung der Befriedung zeigten sich nach der Sabor-Eröffnung. Pavelić widersprach der Position des Justiz- und Religionsministers, die er drei Tage vorher dem Sabor vortrug. Puk habe eine kleine Unwahrheit gesagt, erklärte Pavelić. Sein Minister hatte zugegeben, dass die Regierung die „Rückkehr dieser griechisch-orientalischen Bewohner zur Religion ihrer Väter“ forderte. Damit bezog sich Puk explizit auf das südöstliche Herzegowina und brachte gleichzeitig den Sinn der Konversionspolitik auf den Punkt. Durch die „Rückkehr“ sollte die künstlich geschaffene religiöse Teilung des kroatischen Volkes rückgängig gemacht werden. Pavelić negierte jedoch jegliche Beteiligung des Staates an der Politik der Zwangskonversion.255 Er habe verfügt, so Pavelić: „dass man mit allen Mitteln verhindern müsse, dass, von welcher Seite auch immer, diesbezüglich moralischer oder physischer Zwang ausgeübt werde. Ich gebe zu, dass es trotzdem zu Gewalt kam, wenn dies aber geschah, ist dafür nicht der Staat verantwortlich, sondern einzelne Personen, welche ihren Wirkungskreis überschritten.“256 253 behSchnitt, Nationalismus, 176. 254 Hrvatski List, 1.3.1942 Rede von Pavelić im Sabor vom 28.2.1942; PAAA-GZ, 67/2 Die Rede von Pavelić in deutscher Übersetzung. 255 PAAA-GZ, 67/2 Die Rede von Puk im Sabor in deutscher Übersetzung, 25.2.1942; Die Rede von Puk. In: Hrvatski List, 27.2.1942; Die Reaktion von Pavelić. In ebd., 1.3.1942. 256 PAAA-GZ, 67/2 Die Rede von Pavelić im Sabor in deutscher Übersetzung, 28.2.1942. – Tomislav Dulić kommt zur plausiblen Schlussfolgerung, dass die Ustaša die Übertritte als freiwillige
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Doch handelte es sich bei den Tätern weder um „einzelnen Personen“ noch gab es ernsthafte Versuche des Staates, diese Gewalt zu beenden. Die Ustaša handelte von Anfang an nicht aus der Position der Stärke heraus, sondern stets unter dem Druck, die Kontrolle über Territorien und Bevölkerung zu erlangen und diese auch halten zu können. Das Drängen deutscher Stellen in Kroatien nach Befriedung des Landes schuf weitere Handlungszwänge. Pavelić und Puk versuchten jetzt, der Verfolgung der orthodoxen Kirche eine Systematik und Begründung voranzustellen. Puk erklärte zur Lage der serbisch-orthodoxen Kirche, dass diese aufgrund ihrer Organisationsstruktur in Kroatien nicht geduldet werden könne. Als eine so genannte „cäsarische“ Kirche, die keine organisatorische oder funktionale Freiheit besaß und deren Kirchenoberhaupt sogar das Statasoberhaupt war, konnte sie nicht geduldet werden. Sie sollte, so Puk, getrennt vom „griechisch-östlichen“ Glauben betrachtet werden, denn der Glaube war zugelassen. Der serbischen Regierung sollte man jedoch nicht ermöglichen, dass sie über dieses Staatsorgan Einfluss in Kroatien ausübte.257 Daran anschließend erklärte Pavelić: „Die Orthodoxie rührt niemand an, aber im kroatischen Staat kann es keine serbisch-orthodoxe Kirche geben. Ich sage nochmals: es darf keine serbische und auch keine griechisch-orthodoxe Kirche geben. Warum? Darum, weil überall auf der Welt die orthodoxen Kirchen Nationalkirchen sind. Die serbisch-orthodoxe Kirche ist Bestandteil des serbischen Staates. Hierarchisch wird die serbisch-orthodoxe Kirche von der Staatsgewalt Serbiens geleitet. Serbien, seine staatlichen Funktionäre, ernennen den Patriarchen oder nehmen, zumindest bei seiner Ernennung den größten Anteil, von diesem aber ist die gesamte Hierarchie bis zum Pfarrer und Kaplan abhängig. Alle sind in Serbien von der Staatsgewalt abhängig. Dies kann in Serbien bestehen, es konnte auch im unglücklichen ehemaligen Jugoslawien bestehen, aber im kroatischen Staate kann und wird das nicht bestehen!“258
Am 3. April 1942 ließ Pavelić mit einer gesetzlichen Verordnung eine autokephale kroatische orthodoxe Kirche für die Serben in Kroatien gründen. Die Pläne zur Gründung hatten sich in seiner Sabor-Rede abgezeichnet: „Im kroatischen Staate kann eine internationale Kirchenorganisation bestehen, welche von keiner Staatsgewalt anhängig ist, denn es gibt auch solche Organisationen. Wenn jedoch die Kirchenorganisation nicht international, sondern partikulär ist, kann sie nur kroatisch sein, dann kann nur eine solche Kirchenorganisation bestehen, welche in ihrem Geistesleben völlige geistige Freiheit ausübt und genießt, volle Gewissensfreiheit, in allen anderen Fragen aber muss sie unter Kontrolle des kroatischen Staates und seiner Behörden stehen.“259
Die Verfassung der kroatisch-orthodoxen Kirche (KOK) wurde am 5. Juni verabschiedet. Sie sah die Errichtung eines Erzbistums (Metropolie) mit Sitz in Zagreb und dreier Bistümer (Eparchien) in Bosanski Petrovac, Bosanski Brod und Sarajevo Übertritte darstellte, um zumindest passive Unterstützung der Kirche für diese zu bekommen. Dulić, Utopias, 95. 257 AJ-103-186, 553 Puks Rede; ognyanova, Religion, 175 f. 258 Hrvatski List, 1.3.1942 Rede von Pavelić im Sabor vom 28.2.1942; PAAA-GZ, 67/2 Die Rede von Pavelić in deutscher Übersetzung. – Tatsächlich verlief die politische Geschichte in Serbien bis ins 18. Jh. parallel mit der orthodoxen Kirchengeschichte. Der moderne serbische Nationalismus griff im 19. Jh. auf kirchliche Vorarbeiten zurück, so Buchenau. buchenau, Katholizismus, 227; behSchnitt, Nationalismus, 103 ff.; Barić, Chetniks, 178 f. 259 PAAA-GZ, 67/2 Die Rede von Pavelić im Sabor in deutscher Übersetzung, 28.2.1942.
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vor. Alle drei Eparchien befanden sich in Bosnien, womit der territoriale Schwerpunkt ihrer Tätigkeit vorgegeben war. Das Erzbistum in Zagreb erhielt die Patriarchatswürde. Die Ernennung des Patriarchen sowie der Bischöfe erfolgte gemäß der Verfassung durch den Staatschef. In Zagreb war der Aufbau einer theologischen Fakultät vorgesehen. Pavelić installierte den immigrierten russisch-orthodoxen Bischof Grigorij Ivanovič Maksimov, mit dem Titel Germogen, an die Spitze der neuen Kirche. Der 82jährige Metropolit Germogen übernahm sein Amt am 7. Juni 1942 und legte am darauf folgenden Tag seinen Treueeid ab.260 Eigentlich hätte der zuständige Minister für Justiz und Religion, Mirko Puk, die Verfassung der kroatisch-orthodoxen Kirche unterzeichnen sollen. Puk befand sich angeblich auf einer Auslandsreise und wurde vom Minister für Bauernwirtschaft, Dumandžić, vertreten. Für den deutschen Gesandten in Zagreb schien die Abwesenheit des größten Verfechters der Zwangskonversionen kein Zufall zu sein.261 „In Kroatien lebten seit Jahrhunderten neben katholischen und muslimischen Kroaten auch orthodoxe in Eintracht und Liebe“262, verkündete Dumandžić. Die kroatisch-orthodoxe Kirche war in ihren Entscheidungen vom Ministerium für Justiz und Religion völlig abhängig. Die neue orthodoxe Kirchengemeinde rief am 8. April 1942 alle orthodoxen Priester zur Zusammenarbeit auf.263 Nach Angaben des orthodoxen Geistlichen aus Russland Vaso (Vasilij) Šurlan meldeten sich ca. 25 orthodoxe Geistliche auf einen entsprechenden Aufruf von Pavelić.264 Zu den Pflichten des Klerus gehörte laut Verfassung die Annäherung und Vereinigung der christlichen Kirchen (sic!).265 Die Einkommen der Patriarchen und Episkopen der kroatisch-orthodoxen Kirche wurden im Juli 1942 bestimmt. Der Patriarch erhielt 15.000 und der Episkop 10.000 Kuna monatlich. Jeweils 20.000 bzw. 15.000 Kuna monatlich erhielten sie außerdem für den Unterhalt eines Fahrzeuges, das ihnen zur Verfügung gestellt wurde. Außerdem sollten sie Wohnungen und Büros erhalten.266 Im Juli 1942 wurden auch Bestimmungen zur Gewährung staatlicher Hilfen für orthodoxe Geistliche festgesetzt und ein Jahr später vom Minister für Justiz und Religion ergänzt. Geistliche, die in Zagreb, Sarajevo, Dubrovnik, Zemun und Makarska tätig waren, erhielten fortan ein Gehalt in Höhe von 5.000 Kuna monatlich, alle anderen Geistlichen erhielten 3.500 Kuna. Dazu kamen Mietzuschüsse in Höhe von 600 Kuna. Rentner erhielten 2.500, Witwen 2.500 bzw. 2.000 Kuna monatlich. Für Ehefrauen
260 Hrvatski narod, 6.6.1942; Die Kirchenverfassung im Wortlaut. In: Hrvatski List, 7.6.1942; Zum Treueeid ebd., 10.6.1942; tomaSevich, Occupation, 544 ff.; raDić, Verom, 77 f.; čulinović, Ferdo: Okupatorska podjela Jugoslavije [Die Teilung Jugoslawiens durch die Besatzer]. Belgrad 1970, 346–348. 261 PAAA-GZ, 68 (auch R 901/69663) Kasche an das AA mit Beziehung auf die Berichte vom 24.9.1941 und 22.4.1942 betr. kroatisch-orthodoxe Kirche, 12.6.1942. – Zur Amtseinführung von Germogen Hrvatski List, 9.6.1942. 262 Hrvatski List, 9.6.1942. 263 Ebd., 5.4. und 9.4.1942. 264 PAAA-R 901/69663 Siegfried Kasche über Konfessionelle Verhältnisse in Kroatien an das Auswärtige Amt, Kult. Gen., 22.4.1942. 265 Zur Kirchenverfassung im Wortlaut Hrvatski List, 7.6.1942. 266 HR-HDA-218, 117–7390 Anordnung von Pavelić, 8.7.1942.
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von ausgesiedelten und geflüchteten Geistlichen waren 3.000 Kuna monatlich sowie ein Familienzuschlag vorgesehen.267 Die gesetzliche Verordnung vom 27. Dezember 1942 ermächtigte das Ministerium für Justiz und Religion zur Erteilung von staatlichen Hilfen an religiöse Gemeinschaften und ihre Geistlichen. Aufgrund dieser Verordnung hatte das Ministerium für Justiz und Religion am 30. Juli 1942 auch Beschlüsse über die staatliche Hilfe für die kroatisch-orthodoxen Geistlichen und ihre Angehörigen verabschiedet.268 Neue Kirche, neue Identität: „Kroaten orthodoxen Glaubens“ Die Gründung der Kirche, die Verabschiedung ihrer Kirchenverfassung, die Amtseinführung Germogens und seine Loyalitätsbekundung wurden von ausführlichen Berichten in der Presse begleitet.269 Die in den Zeitungen abgedruckten Bilder von den Gottesdiensten vermittelten Normalität, die Treffen zwischen Pavelić und Germogen Legitimität.270 Die Gründung der Kirche wurde als eine Initiative orthodoxer Geistlicher kommuniziert.271 Damit sollte das Zugehen der Regierung auf die Wünsche der orthodoxen Bevölkerung als eine großzügige Geste dargestellt werden. Ebenso wie die Ustaša Muslime in Bosnien zu muslimischen Kroaten erklärte, bezeichnete sie Serben als orthodoxe Kroaten. In der staatsrechtlichen Tradition wurde der NDH als eine kroatische Nation, deren Bevölkerung katholisch, muslimisch oder eben orthodox war, konstruiert. Für die Darstellung der „imagined community“ (Benedict Anderson) bediente sich die Ustaša vergangener Zeugnisse der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen. Herangezogen wurden so nationale Helden, wie der Mitbegründer der Kroatischen Rechtspartei, Eugen Kvaternik. Kvaternik schlug in den 1870er Jahren dem kroatischen Sabor die Gründung einer kroatischen orthodoxen Kirche vor. Die Ustaša-Regierung berief sich auf diesen Vorschlag von Kvaternik, der erstmals die Begriffe „orthodoxe und katholische Kroaten“ im Zusammenhang mit dem Rakovica Aufstand gegen die österreichisch-ungarische Herrschaft 1871 gebrauchte. In den „orthodoxen Kroaten“ glaubte Kvaternik die größte Stütze der kroatischen nationalen Politik zu erkennen. Mit Pavelićs Entscheidung sei ein für alle Mal die orthodoxe Frage im Sinne der historischen Tradition gelöst, hieß es in der Presse. In der Vergangenheit hätten keine Unterschiede zwischen orthodoxen, katholischen und anderen Kroa267 Ebd., 77–1495 Die Anordnung des Ministers für Justiz und Religion, Jozo Dumandžić, betr. staatliche Hilfe für orthodoxe Geistliche und ihre Angehörigen, 7.6.1943. 268 HR-HDA-218, 77–1495 Die Anordnung des Ministers für Justiz und Religion betr. staatliche Hilfe für orthodoxe Geistliche und ihre Angehörigen, 7.6.1943. 269 Zur Verordnung über die Ernennung des Metropoliten Germogen und zur Unterzeichnung der Kirchenverfassung durch Pavelić Hrvatski List, 6.6.1942; Ebd., 7.6.1942 die Kirchenverfassung im Wortlaut; Ebd., 10.6.1942 Treuebekundung. 270 Hrvatski List, 16.5.1942, 31.5.1942. 271 Ebd., 5.4. und 9.4.1942; „Kroatisch-orthodoxe Gläubige sind dem Poglavnik dankbar“, ebd., 17.6.1942.
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ten bestanden. Die orthodoxen Kroaten seien die glühendsten Anhänger der kroatischen Rechtspartei und die Unterstützer Kvaterniks im Befreiungskampf gegen die fremde Herrschaft gewesen.272 Die Propagierung des katholisch-orthodoxen Zusammenhaltes blieb aber nicht nur auf der Ebene der staatlichen Behörden evident. Sie schlug sich nieder in lokalen Initiativen. Im slawonischen Dorf Dalj sollte die dortige orthodoxe Kirche zu Ehren des oben erwähnten orthodoxen Bischofs, der an der Seite Kvaterniks kämpfte, als Symbol dieses Zusammenhaltes erhalten werden. Der Bauauschuss betonte die historische Bedeutung dieser Kirche für das Ustaša-Kroatien.273 Dass im Hintergrund wohl rein materielle Interessen des Bauausschusses standen, mindert nicht die Bedeutung der Ausnutzung und Verbreitung der Symbole des nationalen Zusammenhalts. Diese Rhetorik schloss an die gemeinsame kroatisch-serbische Opposition gegen die österreichisch-ungarische Herrschaft und die Ideale der ebenso antidualistischen Kroatischen Rechtspartei an. Die Serben wurden damit nicht automatisch zu Mitgliedern der neuen Kirche erklärt. Wie in der bisherigen Konversionspolitik traten sie unter bestimmten Voraussetzungen in die neue Kirche über. Die bereits zum Katholizismus konvertierten durften nicht erneut konvertieren. Die auf die neuen Konversionen ausgerichtete Propaganda kam dabei nicht in allen Großbezirken zum Einsatz. Der Propagandabeauftragte in Baranja fand den Einsatz sinnlos, weil die Serben dort bereits zum Katholizismus konvertiert hatten.274 Im benachbarten Großbezirk Posavje lehnte der Großgespan Sabolić die Verteilung von Flugblättern ebenfalls ab. In den nördlich der Save liegenden Gebieten sei der Einsatz unnötig, da in den Bezirken Županja und Brod an der Save die meisten Serben konvertiert waren und die Kirchen in Slavonski Brod zerstört wurden. Die Flugblätter sollten in den Kampfgebieten des Großbezirks Posavje mithilfe der Landwehr und der Ustaše verteilt werden. Sabolić befürchtete auch, dass sie in Dörfern mit angemeldeten Konvertiten Unruhe stiften würden. In den südlich von der Save liegenden Bezirken bewertete Sabolić den Einsatz von Flugblättern ebenfalls als unangebracht, weil Teile der Bevölkerung sich den Četnici angeschlossen hatten oder die Übertritte zum römischkatholischen Glauben derzeit organisiert wurden.275 Nach der Verfassung der KOK sollten neue Kirchengemeinden dort gegründet werden, wo sich die Orthodoxen freiwillig dafür entschieden. Die Serben konnten zunächst die Gründung einer orthodoxen Parochie bei der Bezirksregierung beantragen. Die Gründung neuer Kirchengemeinden erfolgte anschließend über die Großbezirksregierung und das Ministerium für Justiz und Religion. Ferner konnten alle Personen einzeln oder in Gruppen nach vorheriger Antragstellung bei der 272 Essay zur Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche und zu Kvaternik. In: Hrvatski List, 17.4.1942. Infolge des Aufstandes wurde die Tätigkeit der Rechtspartei von Starčević für eine Zeit lang eingestellt, während Starčević verhaftet wurde; PoŽar, Petar: Hrvatska pravoslavna crkva u prošlosti i budućnosti [Die kroatische orthodoxe Kirche in der Vergangenheit und Zukunft]. Zagreb 1996, 103 ff.; Barić, Chetniks, 179; banac, Pitanje, 92. 273 HR-HDA-218, 66–557 Der römisch-katholische Bauausschuss in Dalj an den Großgespan Hefer, 12.10.1942. 274 HR-HDA-237, 38 Bericht des Propagandabeauftragten aus Baranja, 31.8.1942. 275 Barić, O osnutku, 142 f.
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Stadt- oder Bezirksverwaltung der neuen Kirche beitreten, nicht aber diejenigen, die bereits eine Konversion durchgeführt oder angemeldet hatten. Die Gebühren für einzelne und Familienübertritte betrugen 15 Kuna und für Gruppenübertritte insgesamt jeweils 45 Kuna. Sie waren in etwa genauso hoch wie die Gebühren für Übertritte zum Katholizismus und auch die Verzeichnisse der Mitglieder wurden wie bei Übertritten zum Katholizismus an das Ministerium für Justiz und Religion gesendet. Die Geistlichen der neuen Kirche waren Beamte, die vom Fiskus bezahlt wurden. Sie mussten Staatsbürger des NDH sein und sich auf seinem Gebiet aufhalten.276 Zwangskonversionen wurden offiziell strengstens verboten, worauf regelmäßig hingewiesen wurde.277 Gezwungen wurden die Serben zu einem Übertritt in die kroatisch-orthodoxe Kirche nicht, weil anders als bei Übertritten zum Katholizismus die lokalen Behörden in der neuen Kirche nur eine Fortsetzung der Tätigkeit der serbisch-orthodoxen Kirche sahen. Der Ausschuss für die Organisation der KOK schlug bald vor, die Aufnahme in die KOK nicht durch eine Antragsstellung bei den lokalen Regierungen zu regulieren, sondern durch eine unkomplizierte Eintragung in die Kirchenbücher seitens der orthodoxen Pfarrer zu vollziehen. Mit dieser Änderung sollte das Interesse für die Aufnahme in die KOK gesteigert werden.278 Dieser Vorschlag wurde vom neuen Minister für Justiz und Religion, Andrija Artuković, angenommen. Die Entscheidung über die Aufnahme in die KOK trugen fortan auch orthodoxe Pfarrer. Diese führten Mitgliederlisten, wobei nur freiwillige Aufnahmen akzeptiert werden durften. Für die Aufnahme in die neue Kirche reichte lediglich die Eintragung in das Mitgliederverzeichnis.279 Ob es einen Bedarf zur Gründung von kroatisch-orthodoxen Kirchengemeinden gab, beurteilten die Bezirksregierungen aufgrund der bestehenden Verhältnisse und der Verteilung der Bevölkerung. Dort, wo es besonders viele Konvertiten zum Katholizismus und es kaum noch orthodoxe Familien gab, wie zum Beispiel in Vojakovac durch die Konversionen zum griechisch-katholischen Glauben, riet die Bezirksverwaltung davon ab.280 Oft waren solche Begründungen aber auch nur Vorwände. Die Kriegslage und die anhaltende Gewalt hatten vor allem in Bosnien – wo der Schwerpunkt der Verbreitung der kroatisch-orthodoxen Kirche lag – die Sensibilität für integrative Prozesse auf ein Minimum reduziert. Das Innenministerium appellierte im Juni 1942 an alle Großbezirksregierungen, Metropolit Germogen und seine Vertreter bei der Eröffnung von kroatisch-orthodo276 HR-HDA-218, 26–561/76–12251 Rundschreiben des Ministers für Justiz und Religion an die Großbezirke betr. Gründung von kroatisch-orthodoxen Kirchengemeinden, 10.6.1942; HRDAOS-6, 5796 Der Großgespan Hefer an Bezirke und Städte in seinem Großbezirk Baranja betr. Gründung von orthodoxen Kirchen, 11.7.1942. 277 VA-NDH, 204/3/50 Bezirksverwaltung in Zavidovići an alle Gemeinden und Ustaša-Organisation betr. religiöse Übertritte, 27.1.1943. 278 HR-HDA-218, 76–12251 Der Organisationsausschuss für die KOK an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Aufnahme in die KOK, 3.12.1942. 279 Ebd., 76–12251 Rundschreiben des Ministers für Justiz und Religion, Andrija Artuković, an alle Großbezirke betr. die Gründung neuer kroatisch-orthodoxer Kirchengemeinden, 14.12.1942; VA-NDH 313. 280 HR-HDA-218, 45–6340 Die Gemeindeverwaltung in Vojakovac an die Bezirksverwaltung in Križevci betr. Eröffnung der orthodoxen Kirche, 26.5.1942.
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xen Kirchen zu unterstützen.281 Das Innenministerium unter Andrija Artuković war der Hauptträger der neuen Politik rund um die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche. Im Sabor einigten sich am 2. Juli 1942 die versammelten Großgespane, Staatssekretäre und die Führung der Ustaša Organisation auf der Großbezirksebene und der Innenminister auf neue Richtlinien zur Befriedung des Landes. Die serbische Bevölkerung durfte nicht zum Übertritt in die kroatisch-orthodoxe Kirche gezwungen werden. Es waren weiterhin nur diejenigen orthodoxen Kirchen anerkannt, die von der kroatisch-orthodoxen Kirche gegründet wurden. Die Konvertiten zur kroatisch-orthodoxen Kirche, aber auch die Orthodoxen allgemein sollten wie kroatische Staatsbürger behandelt werden. Selbst den Angehörigen der Četnici, die nach Hause zurückkehrten, sollten die gleichen Rechte zugestanden werden. Die Kategorie „kroatischer Staatsbürger“ umfasste nun auch alle Konvertiten. Damit konnten frühere serbische Beamten wieder in den Staatsdienst eintreten, solange sie sich loyal verhielten. Die Entscheidung darüber trug das Innenministerium.282 Seit Mai 1942 konnten in vielen Fällen in Orten mit mehrheitlich konvertierter Bevölkerung die jeweiligen Geistlichen die Kirchen und andere Gebäude der serbisch-orthodoxen Kirche für ihre Belange nutzen. Dabei wurde der Besitz nicht offiziell überschrieben, sondern nur zur Nutzung freigegeben. Dort, wo nicht mindestens die Hälfte der serbischen Bevölkerung konvertiert hatte, waren alle weiteren Entscheidungen an die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche gekoppelt. Bei Parochien mit mehreren Immobilien und bei Erträgen aus Pacht und Miete waren bestimmte Ausschüsse, die von den Bezirken berufen wurden, verantwortlich. Die Ausschüsse verwalteten auch weiterhin die Immobilien der serbisch-orthodoxen Kirche, wo bereits die Gründung neuer katholischer Pfarrgemeinden erfolgte. Alle im Zusammenhang mit der Verwaltung des Besitzes bestehenden Verträge wurden von den Großgespanen geprüft. In Gemeinden mit angesiedelten Slowenen konnten Mietverträge geschlossen werden, jedoch sollte eine weitere Ansiedlung von Slowenen vermieden werden. Gegen die Slowenen wurden nicht nur von deutscher Seite Panslawismus-Vorwürfe gerichtet. Über das private Eigentum der orthodoxen Geistlichen wurde auch weiterhin nach der gesetzlichen Verordnung zum Eigentum der ausgesiedelten oder geflüchteten Personen vom 20. Oktober 1941 verfügt.283 Das Kommando des Ustaša-Aufsichtsdienstes entschied am 22. April 1942 und 8. Juni 1942 den Abriss aller beschädigten jüdischen und serbisch-orthodoxen Gebäude. Die aufgrund des Befehls von Dr. Dragan Dujmović vom UstašaHauptquartier, oder aus anderen Gründen zerstörten Gebäude sollten abgerissen werden, wenn sie wegen großer Schäden nicht mehr in den Dienst der neuen kroa281 VA-NDH 313 Das Innenministerium an alle Großbezirksregierungen betr. Eröffnung von kroatisch-orthodoxen Kirchen, 9.6.1942. 282 HR-DAOS-701, 25 Befriedung des Landes, Anweisungen, Großbezirk Baranja (Großgespan Hefer) an das Bürgermeisteramt 1–2 in Osijek sowie die Polizei in Osijek und Virovitica, 23.7.1942; Ebd., 6, 5796. 283 HR-HDA-218, 48–8125 Protokoll zum Beschluss des Ministeriums für Justiz und Religion zum Besitz der serbisch-orthodoxen Kirche, Mai 1942; HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942.
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tisch-orthodoxen Kirche genommen werden konnten bzw. die Reparaturkosten über dem Gebäudewert lagen. Die Renovierungsarbeiten sollten sofort in Absprache mit den Gemeinden und in direktem Kontakt mit der Bevölkerung erfolgen.284 Dujmović stammte aus Oriovac bei Slavonski Brod und war seit der Staatsgründung Beauftragter des Ustaša-Hauptquartiers und seit Februar 1942 Abgeordneter im Sabor. Im April 1942 wurde er von allen Ämtern enthoben und wegen des Weiterverkaufs des verstaatlichten jüdischen Eigentums und ungesetzlicher Aneignung von mehreren Häusern, Fabriken und Anwesen verhaftet. Die im September 1942 verhängte Todesstrafe wurde jedoch von Pavelić in lebenslange Haft abgeändert.285 Der Lebenslauf von Dujmović ist illustrativ für die Politik der Ustaša gegenüber den Serben, die von Beginn von ökonomischen Interessen mitgetragen wurde. Enteignungen und Raub waren Teil der staatlichen Politik, wie auch der Praxis der lokalen Behörden und Ustaše. Plünderungen von kirchlichen Gebäuden stellten keine Ausnahmen dar. Bei der Verzeichnung des Eigentums der serbisch-orthodoxen Kirche nach der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche offenbarte sich ein großes Ausmaß an Missbrauch und Raub von mobilen wie immobilen jüdischen und serbischen religiösen Gütern. Um Machtmissbrauch vorzubeugen, verlangte das Ministerium für Landwirtschaft genauere Informationen zur Größe, Lage sowie zum Verwalter des Besitzes, dazu wer ihn berufen hatte und welchen Verwalter die Großbezirke vorschlugen.286 Die Kirchengüter waren Einnahmequellen für die Gemeinden. Die staatlich verwalteten Einnahmen der serbisch-orthodoxen Kirchengemeinden aus Kirchensteuer, Zins- und Wechseleinnahmen sowie Einnahmen aus Pachtverträgen ihrer Gebäude waren ein willkommener Zugewinn. Für den Zeitraum zwischen September 1941 und Oktober 1942 betrug z. B. in Osijek der bei der Stadtkasse eingezahlte Gewinn aus Immobilien 33.316,25 Kuna287 von insgesamt 72.039,00 Kuna, die die Kirchgemeinde einnahm. Bis auf den Februar und März verhielten sich die Einnahmen stabil bei ca. 5.000 Kuna monatlich. Die Einnahmen aus Zinsen und Krediten sowie aus Friedhofsleistungen machten für den Zeitraum Februar 1942 bis einschließlich Oktober 1942 172.568,25 Kuna aus. Die Ausgaben waren hier allerdings wegen der hohen Hypothek wesentlich höher und beliefen sich auf 588.428,92 Kuna.288 Die Übernahme durch die neue Kirche und die damit zusammenhängenden Einnahmen durch Mitglieder versprachen aber die Tilgung der Verluste.
284 HR-DAOS-6, 5796 Liquidation beschädigter jüdischer und griechisch-östlicher Gebäude, Großbezirk Baranja an Bezirksregierung und Bürgermeisteramt in Osijek, 10.7.1942. 285 StuParić, Darko / dizdaR, Zdravko et. al.: Tko je tko u NDH. Hrvatska 1941–1945 godine [Wer ist wer im NDH. Kroatien 1941–1945]. Zagreb 1997, 104. 286 HR-DAOS-701, 8 die Frage der Eigentumsverwaltung der ehemaligen Serbisch-Orthodoxen Kirche, Ministerium für ländliche Wirtschaft Abt. Landwirtschaft an die Großbezirke, 29.9.1942; Ebd., Großbezirk Baranja an Bezirks- und Bürgermeisterämter, 6.10.1942. 287 In diesem Zeitraum betrug das Verhältnis zwischen Kuna und Reichsmark 30:1. 288 HR-DAOS-701, 17 Entscheidung, Simo Bošnjak aus Osijek, Einsatz als Tagelöhner bei der Staatsdirektion für Erneuerung in Osijek, 25.2.1942. Die Geschäfte, vor allem die Buchführung der ehemaligen serbisch-orthodoxen Kirche in Osijek führte im Auftrag der Staatsdirektion für Erneuerung in Osijek seit Februar 1942 auf Tagelohnbasis der ehemalige Sekretär und Schatz-
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Die Ministerien für Justiz und Religion sowie Landwirtschaft und die (Groß-) Bezirke sammelten ab Spätsommer 1942 erneut Daten zum Eigentum der ehemaligen serbisch-orthodoxen Kirche.289 Das Kircheninventar, Ikonen, Bilder, Bücher und Antiquitäten wurden in der Regel vor dem Abriss der serbisch-orthodoxen Kirchen von den Ortsbehörden entwendet oder fielen Plünderungen anheim. Das konservatorische Institut in Zagreb versuchte diese Objekte ausfindig zu machen, um sie angeblich dem staatlichen Museum für Kunst und Gewerbe zu übergeben. In Osijek wurden unter der Leitung des Stadtsekretärs, Dragutin (Dragan) Fijenber, Bücher, Antiquitäten und Bilder dem städtischen Museum und die silbernen oder goldenen Objekte der Stadtsparkasse überlassen.290 Es handelte sich nach dem Protokoll vom 10. September 1941 um sechs Holzkisten mit goldenen, silbernen oder vergoldeten Objekten, die plombiert zunächst bei der Stadtsparkasse lagerten und am 9. Dezember 1941 nach Entscheidung des Amtes für verstaatlichtes Eigentum zur Staatsdirektion für Erneuerung nach Zagreb gebracht wurden. Das alte Kirchenarchiv, Bilder, Kirchenbücher, Bibliothek und Ikonen verblieben im städtischen Museum, das neuere Kirchenarchiv beim Amt für verstaatlichtes Eigentum im Bürgermeisteramt. Die orthodoxe Kirche in Osijek wurde abgerissen und das Baumaterial weiterverkauft.291 Das Ministerium für Justiz und Religion beauftragte am 1. Oktober 1942 einige Bedienstete mit der Aufgabe, bei den jeweiligen Kirchenausschüssen der ehemaligen serbisch-orthodoxen Kirchengemeinden Informationen über ihre Geldeinlagen zu ermitteln. Die Großbezirksregierung verlangte darauf von den Behörden in Osijek eine Auflistung des Barvermögens der serbisch-orthodoxen Kirche im Bezirk. Die Stadt- und Gemeindeverwaltungen sollten bis zum 10. Oktober 1942 den Bediensteten des Ministeriums freien Zugang zu Informationen ermöglichen – die die Bediensteten inkognito sammeln sollten – und ferner Informationen über meister derselben Gemeinde, Simo Bošnjak; Ebd., Auszug aus den Kassenbüchern (gez. Simo Bošnjak), Bürgermeisteramt, Amt für verstaatlichtes Eigentum, 28.10.1942. 289 Ebd., 25 zur Frage der Eigentumsverwaltung der ehemaligen serbisch-orthodoxen Kirche, Ministerium für ländliche Wirtschaft Abt. Landwirtschaft an die Großbezirke, 29.9.1942; Ebd., Großbezirk Baranja an Bezirks- und Bürgermeisterämter, 6.10.1942; HR-DAOS-6-5796 Barvermögen der griechisch-östlichen / serbisch-orthodoxen Kirche, Großbezirk Baranja an Bürgermeisteramt, Bezirksverwaltung und Polizeikommando in Osijek, 3.10.1942 und Antwort des Bürgermeisteramtes, 9.10.1942; HR-DAOS-701, 25 Amt für verstaatlichtes Eigentum in Osijek an Verwaltungsausschuss der Eparchie in Hrv. Karlovci, 4.11.1942; Ebd., Verwaltungsausschuss der Eparchie in Hrv. Karlovci an die kroatische orthodoxe Kirchengemeinde in Osijek, 26.10.1942. Insgesamt zählte das Vermögen der Osijeker orthodoxen Gemeinde über drei Morgen Land, wobei der Wert der Gebäude bei 2.426.000,00 Kuna lag. Die orthodoxe Kirche in der Osijeker Unterstadt wurde Ende 1941 zerstört. 290 HR-DAOS-6-5796 Aufbewahrung von griechisch-östlichen Antiquitäten, Das konservatorische Institut in Zagreb an die Gemeindeverwaltung in Osijek, 8.1.1942 und Antwortschreiben der Gemeindeverwaltung in Osijek, 17.1.1942; Großbezirksregierung Baranja an das Bürgermeisteramt Osijek, 16.5.1942. 291 Ebd., Aufbewahrung von griechisch-östlichen Antiquitäten, Bürgermeisteramt in Osijek an den Großbezirk Baranja, 1.6.1942; Ebd., Liquidation beschädigter jüdischer und griechisch-östlicher Gebäude, Großbezirk Baranja an Bezirksregierung und Bürgermeisteramt in Osijek, 10.7.1942 und Antwort des Bürgermeisters, 16.7.1942.
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verpachtete Immobilien der serbisch-orthodoxen Kirche in Erfahrung bringen. Das Bürgermeisteramt bzw. das Amt für verstaatlichtes Eigentum in Osijek verwalteten die Geldgeschäfte der serbisch-orthodoxen Kirchengemeinden sowie die Kassenbücher und andere Unterlagen.292 Zum Eigentum der serbisch-orthodoxen Kirchengemeinden, Parochien, Patriarchate und Fonds erschien am 28. Oktober 1942 ein detaillierter Bericht an die Großbezirksregierung.293 Mehr als drei Morgen Land befanden sich unter der Verwaltung der Stadt. Der Verweser war der städtische Baumeister Fijenber.294 Das Ministerium für Justiz beaufsichtigte und kontrollierte die Verwaltung des Eigentums der serbisch-orthodoxen Kirche bis zum Ende des Krieges. Die lokalen Behörden, so auch das Bürgermeisteramt in Osijek, lieferten regelmäßig Berichte ab. Materielle Interessen an den religiösen Gebäuden waren entscheidend bei ihrer Verteilung an andere Kirchen. Der Kosten-Nutzen-Faktor war allerdings vor dem Hintergrund des Krieges immer schwieriger zu übersehen. In Osijek sollten im Geschäftsjahr 1943/44 die Grundstücke an den Höchstbietenden verpachtet werden. Das Bargeld sollte mit dem Betreff „kirchliches Bardepot“ zugunsten der Abteilung für Religion im Ministerium für Justiz und Religion bei der staatlichen Kreditgesellschaft eingezahlt werden.295 Die Bildung der neuen Parochien und Eigentumsübertragungen waren langsame und von materiellen und lokalen Bedingungen abhängige Prozesse, zumal die Ustaša ab Ende 1942 ihre Macht exponentiell einbüßte. Erst ab April 1944 erschien das Presseorgan der kroatisch-orthodoxen Kirche, die Halbmonatsschrift „Glasilo pravoslavlja“. Der Organisationsausschuss für die KOK einigte sich erst in seiner Sitzung im Oktober 1944, welche Parochien und Kirchengemeinden in welchen Gebieten des NDH gegründet werden konnten. Die aufwendig skizzierte Aufteilung orientierte sich an bereits gegründeten Kirchengemeinden, wobei zukünftige Kirchengemeinden auf Grundlage von gesammelten detaillierten Daten zum materiellen und numerischen Zustand der Gemeinden und ihrer Mitglieder eingerichtet werden sollten.296 Die Verfahrensweise zur erneuten Trauung geschiedener Personen war eine der letzten Regelungen des Ministeriums für Justiz und Religion gegenüber der KOK. In anscheinend vielen Fällen hatten – ähnlich wie bei Übertritten zur altkatholi-
292 Ebd., Barvermögen der griechisch-östlichen / serbisch-orthodoxen Kirche, Großbezirk Baranja an Bürgermeisteramt, Bezirksverwaltung und Polizeikommando in Osijek, 3.10.1942 und Antwort des Bürgermeisteramtes, 9.10.1942; HR-DAOS-701, 8 Verzeichnis aller jüdischen und serbischen Gebäude in Osijek III, für welche die einzelnen staatlichen und lokalen Behörden Interesse bekundeten, 5.2.1943; Ebd., 16 Finanzministerium, Amt für verstaatlichtes Eigentum in Zagreb an das Amt für verstaatlichtes Eigentum beim Bürgermeisteramt in Osijek, 16.2.1944. 293 HR-DAOS-701, 16 Amt für verstaatlichtes Eigentum beim Bürgermeisteramt Osijek an die Großbezirksregierung in Osijek, 28.10.1942. 294 Ebd., 8 Bürgermeisteramt, Abt. für verstaatlichtes Eigentum, 28.10.1942. 295 Ebd., 8 Eigentum der ehemaligen griechisch-orthodoxen Kirche, Angaben, Ministerium für Justiz und Religion (Radoslav Glavaš) an das Bürgermeisteramt in Osijek, 21.8.1943. 296 HR-HDA-218, 119–7708 Vorübergehendes Reglement über die Aufteilung des Staatsgebietes auf kroatisch-orthodoxe Kirchengemeinden, 4.10.1944.
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schen Kirche – römisch-katholische Gläubige nach der Konversion zur KOK eine neue Ehe geschlossen, was ausdrücklich verboten war.297 Organisation der neuen Kirche und religiöse Übertritte im Vergleich Im Vergleich der vier untersuchten Großbezirke schlug sich die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche unterschiedlich nieder. Im Großbezirk Baranja, ein Vorzeigebeispiel erfolgreicher Konversionspolitik, forderten die Bezirksregierungen weiterhin nur religiöse Übertritte zum römisch-katholischen Glauben – auch weil dadurch die Notwendigkeit zur Gründung kroatisch-orthodoxer Kirchengemeinden wegfiel. In Baranja galt die Konversionsaktion ohnehin als abgeschlossen. Der Großgespan Hefer zeigte sich unschlüssig darüber, wie mit den neuen Konversionen verfahren werden sollte. Schließlich gab es keine Regelung darüber, wie mit den angemeldeten aber nicht durchgeführten Konversionen zu verfahren war. Vor allem beschäftigten ihn die 500 angemeldeten aber nicht durchgeführten Konversionen in Orahovica.298 Die Gründungen der orthodoxen Gemeinden stießen zudem bei lokalen Behörden auf Widerstand, da diese keine orthodoxen Kirchen in ihrem Zuständigkeitsbereich dulden wollten. Darum erzwangen sie nun weiterhin Konversionen zum römisch-katholischen Glauben auch in den restlichen Orten wie Orahovica.299 In Orahovica nahm nach der Anordnung der kroatischorthodoxen Kirchenführung der nicht vertriebene orthodoxe Geistliche Dositej Teodorović seine Tätigkeit wieder auf. Allerdings war die orthodoxe Kirche dort zerstört, das Kircheninventar befand sich im Kroatischen Volksmuseum sowie im Ustaša-Hauptquartier in Zagreb und die Matrikeln waren bei der Gemeindeverwaltung. Das ehemalige Pfarrhaus bot die Möglichkeit zur Einrichtung einer Kapelle, so dass Teodorović die Rückgabe des Inventars forderte.300 In Baranja und weiten Teilen von Posavje und Vuka, wo die Konversionspolitik zum römisch-katholischen Glauben erfolgreich war und die meisten Serben konvertiert wurden, entfaltete die Integrationspolitik durch die neue orthodoxe Kirche kaum Wirkung. Vereinzelt wurden dennoch bis zum Ende des Krieges Übertritte zum römisch-katholischen Glauben erpresst. Der Bürgermeister in Osijek ordnete z. B. im März 1943 allen Reservisten serbisch-orthodoxen Glaubens an, eine Konversion zum römisch-katholischen Glauben zu vollziehen.301 297 Ebd., 132–1097 Glavaš an die Metropolie der KOK betr. zweiter Eheschließung in der KOK, 27.2.1945. 298 Ebd., 53–9228 Gemeindeleitung in Orahovica an die Bezirksregierung in Našice betr. Tätigkeit der kroatisch-orthodoxen Kirche in Orahovica, 20.7.1942; Ebd., Großgespan Hefer an die Bezirksverwaltung Našice, 23.6.1942; Ebd., Großbezirksregierung Baranja an das Ministerium für Justiz und Religion, 11.8.1942. 299 Ebd., 53–9228 Gemeindeleitung in Orahovica an die Bezirksregierung in Našice betr. Tätigkeit der kroatisch-orthodoxen Kirche in Orahovica, 20.7.1942. 300 Ebd., 53–9228 Hier als Beispiel das Schreiben der Gemeindeleitung in Orahovica an die Bezirksregierung in Našice betr. Tätigkeit der kroatisch-orthodoxen Kirche in Orahovica, 20.7.1942. 301 Hrvatski List, 5.3.1942.
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Ähnlich wie in Baranja weigerten sich auch die lokalen Behörden im Großbezirk Livac-Zapolje, die orthodoxen Gemeinden in ihrem Umfeld zu akzeptieren. Nachdem z. B. fast alle 15.000 Serben im Bezirk Požega zum römisch-katholischen Glauben konvertierten, warf die Bezirksregierung die Frage nach der weiteren Erziehung der Konvertiten im kroatischen und katholischen Geist auf. Um diese Arbeit fortzusetzen, verlangte die Bezirksregierung die Gründung von römischkatholischen Gemeinden, sowie auf der Seite der Geistlichen die Berufung neuer Priester und Missionare. Nach der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche wurden solche Forderungen noch lauter. Die lokalen Verwalter befürchteten, dass die Konvertiten nun wieder zur Orthodoxie zurückkehren würden. Sie machten die Regierung für die Unterbrechung der Erziehungsarbeit verantwortlich. Die Festigung der religiösen Identität bei den Konvertiten war für die lokalen Autoritäten mit der naiven Hoffnung verbunden, dass sich diese Gruppen dem Vordringen der Partisanen widersetzen würden. Sie rechneten angeblich damit, dass der Atheismus der Partisanen bei religiös gefestigten Personen eher auf Ablehnung stoßen würde. Die vorgetragene Befürchtung, dass sich „das religiös völlig unerzogene Element“ in Richtung religiöser Indifferenz und weiter zum Atheismus entwickeln werde, diente auch als Argument, um die Gründung orthodoxer Gemeinden zu umgehen.302 Neben der Weigerung der lokalen Akteure, die Gründung von orthodoxen Gemeinden zu unterstützen, ist vielerorts auch die Ablehnung seitens der katholischen Kirchen zu beobachten, orthodoxe Kirchen in ihrem Umfeld zu akzeptieren. Vor allem der griechisch-katholische Bischof Šimrak lehnte sich gegen diese Gründungen auf, so z. B. in Veliki Bastaji.303 Der neue Kurs Pavelićs durchkreuzte die erst entstandene Zusammenarbeit zwischen Stepinac und Šimrak. In Daruvar erbat der orthodoxe Geistliche Dimitrije Mrihin mit der Rückendeckung der Leitung der kroatisch-orthodoxen Kirche (vor allem Vaso Šurlan) die Erlaubnis zur Ausübung seiner Tätigkeit. Seine Parochie sollte sich über den ganzen Bezirk Daruvar erstrecken, der ca. 11.000 Serben zählte (1931: 19.000). Zuvor konvertierten ca. 650–700 Personen. Die orthodoxe Kirche in Daruvar wurde, wie auch in den umliegenden Parochien Doljani, Bijela, Veliki Bastaji, Katinci und Uljanik, nicht zerstört.304 Der griechisch-katholische Bischof Šimrak wiedersetzte sich vehement der Gründung einer kroatisch-orthodoxen Kirchengemeinde in Daruvar und empfahl dagegen die Gründung einer griechisch-katholischen.305 Mrihin wurde daraufhin vom Ministerium für Justiz und Religion Mitte Juni 1942 mit der Seelsorge im bosnischen Bijeljina und der Eröffnung der dortigen Kirche beauftragt.306 302 HR-HDA-218, 48–8112 Das Innenministerium an das Ministerium für Justiz und Religion nach Bericht aus dem Bezirk betr. Konvertiten in Požega, 20.7.1942. 303 Ebd., 54–9854 Križevci Bf. an das Ministerium für Justiz und Religion betr. griechisch-katholischer Seelsorge in Daruvar, 21.7.1942. 304 Ebd., 44–6047 Die Bezirksverwaltung in Daruvar an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Tätigkeitserlaubnis für die orthodoxe Parochie, 4.5.1942 und 1.6.1942; Ebd., Antwort des Ministeriums, 23.5.1942. 305 Ebd., 54–9854 Križevci Bf. an das Ministerium für Justiz und Religion betr. griechisch-katholischer Seelsorge in Daruvar. 306 Barić, O osnutku, 149.
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Im Bezirk Vuka deutet viel darauf hin, dass die neue Politik dort überhaupt nicht ernsthaft verfolgt wurde. Der Ustaša-Bezirksleiter in Vukovar setzte sich zwar für Übertritte der Serben in die neue Kirche ein. Er beschwerte sich aber darüber, weil die Serben auch weiterhin ihre religiösen Feiertage nach dem verbotenen julianischen Kalender feierten, zumal darunter auch Beamte waren.307 Aus dieser Beschwerde ergaben sich jedoch keine weiteren Handlungen. Ganz anders verhielt es sich dagegen in den bosnischen Bezirken der Großbezirke Posavje, Usora-Soli oder Vrhbosna. Die kroatisch-orthodoxe Kirche war von Beginn an auf die Befriedung dieser Gebiete ausgerichtet. Es trifft nicht zu, dass sie nur in Gebieten errichtet wurde, in denen sich der Staat fest etabliert hatte, ganz im Gegenteil.308 Laut Propagandabeauftragtem für Posavje habe die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche sofort zur Entspannung der verfeindeten Lager im Großbezirk geführt.309 Auch Nikica Barić kam zu dem Schluss, dass die Bevölkerung im Großbezirk Posavje in der kroatisch-orthodoxen Kirche ein Weiterwirken der serbisch-orthodoxen Kirche sah. Folglich wurden die Kirchengründungen von den Gemeindemitgliedern meist positiv aufgenommen. Der Nutzen, der sich dadurch für die Ustaša ergab, ist in den Friedensverhandlungen mit den serbischen Četnici zu sehen, wie die Friedensvereinbarungen mit mehreren Staffeln der Četnici auf dem Gebiet des Großbezirks Posavje Ende Mai 1942. In Obudovac und Čović Polje wurden die orthodoxen Kirchen als kroatische Kirchen wiedereröffnet. Die Eröffnung der Kirchen war dabei Teil einer Entspannungsstrategie – beispielhaft ist 1943 die Begehung von Jahresfeiern zur Gründung des NDH in diesen Kirchen. Auch die Bezirksverwaltungen in Bijeljina und Bosanski Brod stellten eine Verbesserung und Beruhigung der Situation nach der Gründung der KOK fest. In Bosanski Brod sollen sich am 3. Mai 1942 sogar ungefähr zwei Hundert Serben vor der dortigen orthodoxen Kirche versammelt haben, um die Kirche als eine kroatisch-orthodoxe Kirche zu eröffnen. Die Versammlung wurde jedoch aufgelöst.310 Anschließend berichtete der dortige Bezirksleiter an die Großbezirksregierung, dass einzelne angemeldete Konvertiten seit der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche keinen römisch-katholischen Religionsunterricht mehr besuchten und keine Konversionen mehr stattfanden.311 Hier trat das ein, was die lokalen Verwaltungen in Baranja und Livac-Zapolje befürchteten. In ganz Ostbosnien wurden nun orthodoxe Kirchengemeinden errichtet und Priester dorthin abgeordnet. Ende des Jahres 1942 wurde Bogdan Popović zum kroatisch-orthodoxen Priester in Bosanski Brod bestimmt. Da es dort jedoch keine Orthodoxen mehr gab, wurde er nach Sarajevo versetzt.312 Der orthodoxe Geistli307 HR-HDA-218, 67–813 Ustaša-Chef für den Bezirk Vukovar an den Befehlshaber des UstašaHauptquartiers, 13.1.1943. 308 So z. B. bei buchenau, Katholizismus, 244. 309 HR-HDA-237, 38 Bericht des Propagandabeauftragten aus Brod an der Save, 5.6.1942. 310 Barić, O osnutku, 140, 145 ff., 161; deRS., Chetniks, 180. 311 VA-NDH 174 Die Zweigstelle der Bezirksregierung in Bosanski Brod an die Großbezirksregierung in Brod betr. Konversionen, 18.5.1942; Ebd., Protokoll zur Befragung des Gemeindeleiters zu zwei Verweigerern des Religionsunterrichts, 5.5.1942. 312 Barić, O osnutku, 160.
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che aus Dragaljevac (12.657 serbische Einwohner im November 1941), Ljubomir Svitlić, war bis dahin nicht vertrieben worden und hatte anscheinend mit der Verwaltung bei einem Gefangenenaustausch mit den Četnici zusammengearbeitet. Das Ministerium für Justiz und Religion hatte ihn später zum Priester in der kroatischorthodoxen Kirche in Vršani bei Bijeljina ernannt.313 Andernorts eröffneten orthodoxe Priester, die nicht vertrieben worden waren oder aus Serbien oder der italienischen Zone nach Ostbosnien einreisten, selbstständig Kirchen. In Bijela im Bezirk Brčko eröffnete der orthodoxe Priester, Miron Prodanović, die Kirche und übernahm die Matrikelbücher, die in der Gemeinde Bukvik aufbewahrt wurden, ohne die Erlaubnis des Ministeriums. Er hatte sich im Vorfeld an die Leitung der KOK in Zagreb gewandt, bekam jedoch keine Antwort. Als der Großgespan Sabolić die Kirche im Herbst wieder schließen wollte, hatten die Četnici das Gebiet wieder unter ihrer Kontrolle.314 Einer der größten Verfechter der Zwangskonversionspolitik zum Katholizismus, der Großgespan in Posavje, Sabolić, wurde zum größten regionalen Gegner der Verbreitung der kroatisch-orthodoxen Kirche. Er widersetzte sich mehrmals den Verordnungen der Ministerien, etwa indem er die Propaganda zur Eröffnung der KOK nicht unterstützte, die kroatischen-orthodoxen Kirchen wieder schließen ließ und weiterhin religiöse Übertritte zum römisch-katholischen Glauben förderte. Dies zeigte sich vor allem im Bezirk Bijeljina. Der ukrainische Priester Jurčenko aus Dragaljevac eröffnete am ersten Jahrestag der Gründung des NDH die im Sommer 1941 abgeriegelte orthodoxe Kirche in Bijeljina, allerdings ohne die Erlaubnis von Sabolić, der sie im Mai 1942 wieder schließen ließ. Ende Juni 1942 wurden Jurčenko die Matrikel wieder weggenommen. Als der Ustaša-Aufsichtsdienst die Öffnung der Kirche anordnete, führte Sabolić an, dass dies die Konversionsbemühungen des ehemaligen Ministers in der Belgrader Regierung, Pantić, der auch selbst Konvertit war und sich bei Übertritten zum Katholizismus engagierte, behindere.315 Jurčenko lebte in Bijeljina und arbeitete wahrscheinlich ohne Unterbrechung als Priester, nachweislich zumindest spätestens wieder ab Oktober 1941.316 Die Regierung wendete die größten personellen und materiellen Ressourcen im bosnischen Grenzgebiet auf, vor allem in den Orten im Bezirk Bijeljina und in seinem Umland. Auch nach der Gründung der KOK gab es dort jedoch Übertritte zum Katholizismus. Mitte des Monats Februar 1942 reiste der Obergespan Sabolić aus Slavonski Brod nach Bijeljina, um die religiösen Übertritte zum Katholizismus im Bezirk Bijeljina anzutreiben. Insbesondere die gefangenen Frauen aus Bijeljina sowie Bauern und Bäuerinnen aus den umliegenden Dörfern wurden im Bezirks313 Ebd., 144 f.; Zur Bevölkerungszahl HR-HDA-1076, 584–55 Bericht der Bezirksverwaltung in Bijeljina an die Staatsdirektion für Erneuerung über die Zahl der Serben in den einzelnen Gemeinden des Bezirkes, 14.11.1941. 314 Barić, O osnutku, 145 f. 315 ebd., 142, 147 f.; AJ-103-160, 340–352 Aus einem Lagebericht an den jugoslawischen Ministerratspräsidenten im Londoner Exil, u. a. zur Eröffnung der orthodoxen Kirche Bijeljina, Mitte 1942. 316 BiH-ATKT-OIVZBi Serbisch-orthodoxer Pf. aus Bijeljina an Bezirksregierung in Bijeljina betr. Übertritt M. Marković, 233, 17.9.1941.
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gefängnis in Bijeljina unter sehr schlechten Haftverhältnissen unter Druck gesetzt, die Anmeldung zum Übertritt zu unterschreiben. Die wenigen, die es taten, wurden wiederum von den Mitinsassen unter Druck gesetzt.317 Im Mai 1942 konvertierten ca. 64 Personen zum katholischen Glauben.318 Mitte des Jahres 1942 wurde dann der Serbe Savo Besarović von Pavelić nach Bijeljina geschickt, um die Entwicklung der kroatisch-orthodoxen Kirche voranzutreiben. Zur gleichen Zeit wurde auch der orthodoxe Priester Mrihin nach Bijeljina abgeordnet. Jurčenko wurde daraufhin nach Šid versetzt. Besarović war ein Studienfreund von Pavelić, der die Freundschaft zu Besarović nach dem Ausbruch des serbischen Widerstandes in Kroatien nutzte und ihn nach Zagreb holte. Da er Serbe war, versprach sich Pavelić wohl eine positive Wirkung dieser Beziehung auf den Widerstand. Besarović wurde auch zum Mitglied des Sabor ernannt. In mehreren Fällen soll er sich erfolgreich für die Befreiung von Serben aus den Konzentrationslagern eingesetzt haben. Als er nach Bijeljina geschickt wurde, erschien er dort mit drei serbischen Frauen, die zuvor in einem Konzentrationslager inhaftiert gewesen waren. Die Signalkraft dieser Ankunft verschaffte ihm bei den folgenden Gesprächen mit der serbischen Bevölkerung in Bijeljina Vorteile. In den Gesprächen ging es um die freie Religionsausübung und Befreiung von inhaftierten Serben. Bei seinem Besuch in Bijeljina Anfang Mai ließ Sabolić die kroatisch-orthodoxe Kirche wieder schließen,319 doch am 27. Juni 1942 wurde sie wieder eröffnet. Da jedoch nur eine kleine Anzahl Serben bei der Eröffnung anwesend war, nutzte Sabolić die Gelegenheit zur Beschwerde. Von ca. 2.500 Serben in Bijeljina hatten nur zwölf bis fünfzehn der Eröffnung beigewohnt und nur wenige konvertierten.320 Die Kirche blieb jedoch bestehen und es kam sogar zur Rückgabe des Eigentums der früheren orthodoxen Kirche an die neue.321 Im Dorf Batković nahe Bijeljina mit seinen 3.645 serbischen Einwohnern im November 1941 konnte der dortige serbisch-orthodoxe Priester, Cvijetin Sović, seiner Tätigkeit ununterbrochen nachgehen, weil sich die Ustaša dort nicht durchsetzte. Auch blieb die dortige Bevölkerung mindestens bis November 1941 von der Übertrittsaktion verschont. Im Januar 1942 fanden im Ort und Umgebung Verhaftungen statt und die Übertrittsaktion begann. Als das Ministerium für Justiz und Religion Sović die Tätigkeit untersagte und ihm stattdessen die Möglichkeit eröffnete, als kroatisch-orthodoxer Priester tätig zu werden, lehnte er dies ab. Die im Herbst 1942 angeordnete Schließung seiner Kirche stimmte ihn schließlich um.322 317 RS-AS-KFA, 9 Bericht für das Flüchtlingskommissariat von Milica Popovac, Belgrad, 13.5.1943. 318 Barić, O osnutku, 159. 319 ebd., 147 ff. 320 ebd., 150 f.; HR-HDA-218 Eingangsregister 5584, 5618 (1942). 321 Barić, O osnutku, 152. 322 ebd., 151; HR-HDA-1076, 584–389 Gemeindeverwaltung in Batković an die Staatsdirektion für Erneuerung, November 1941; Ebd., 584–55 Bericht der Bezirksverwaltung in Bijeljina an die Staatsdirektion für Erneuerung über die Zahl der Serben in den einzelnen Gemeinden des Bezirkes, 14.11.1941; RS-AS-KFA, 9 Bericht an das KFA in Belgrad von der Hausfrau Stojanka Birčaković, Belgrad, 11.3.1942.
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Der orthodoxe Geistliche Mrihin konnte durch die Erlaubnis des Ministeriums für Justiz und Religion ab Mitte Januar 1943 die kroatisch-orthodoxe Kirche auch in der Umgebung von Bijeljina organisieren, so z. B. in Bijeljina-Seoska und Ugljevik.323 In Bijeljina-Seoska führte die Verwaltung 1941/42 keine Übertrittsaktion durch. Im November 1941 zählte der Ort 12.608 orthodoxe Serben, die keine Bereitschaft zum Übertritt zeigten. Die Ortsverwaltung warf der serbischen Bevölkerung religiösen Fanatismus vor, erklärte jedoch ihre Zurückhaltung auch mit dem abschreckenden Beispiel der Behandlung konvertierter Juden.324 Anfang Januar 1943 waren schließlich 1.800 Serben in Bijeljina Mitglieder der KOK. Mrihins Arbeit hatte auch zur Gründung einer eigenständigen orthodoxen Pfarre in Bijeljina Mitte Juli 1943 geführt, die sich auf Bijeljina, Bijeljina-Seoska und Ugljevik erstreckte und ca. 1.200 Familien umfasste. Neben Mrihin in der nun vergrößerter Pfarrei waren in der Umgebung von Bijeljina in Bataković auch der Geistliche Sović und in Vršani der Geistliche Ljubomir Svitlić tätig. Mitte des Jahres 1943 sollte Mrihin auch das Gebiet Janja übernehmen, wo der orthodoxe Geistliche Miron Lastavica tätig war. Lastavica wurde bereits 1930 von der SOK entlassen und handelte hier selbstständig. Mrihin hatte sich im September 1944 den Četnici angeschlossen.325 Beim Überfall der muslimischen Handžar-Division auf Vršani im März 1944 wurden die meisten Dorfbewohner ermordet, darunter auch Svitlić.326 Im Laufe der Jahre 1942/43 entstanden neue kroatisch-orthodoxe Kirchengemeinden in ganz Nordbosnien entlang des Flusses Save. Der orthodoxe geistliche Arsenije Vukadinović eröffnete mit der Erlaubnis des Ministeriums im April 1943 in Crkvina und Anfang Mai 1943 in Dubica kroatisch-orthodoxe Kirchen. Vukadinović war Priester im nahegelegenen Bosanski Šamac. Auch in Miloševac und Odžak gab es Versuche des Geistlichen Dušan Popović, die Seelsorge aufzunehmen und die Kirchen zu eröffnen, was Sabolić wegen der Missachtung der gesetzlichen Vorschriften untersagte. Popović handelte in Odžak außerhalb seiner Parochie und ohne die Erlaubnis der Bezirksverwaltung, wenn ihm die Landwehr auch Durchlassscheine erteilte.327 Im Jahr 1943 wurde die Entwicklung der KOK im Bezirk Brčko vorangetrieben. Seit März 1943 wurde dort vom Ministerium für Justiz und Religion der orthodoxe Geistliche Borivoj Kornsovac als Pfarrer eingesetzt. Die Kirche in Brčko war zerstört und es sollte eine kleinere und zum Teil beschädigte Kirche als Ersatz vorbereitet werden. Die Matrikeln befanden sich im römisch-katholischen Pfarramt, das sie jedoch nicht aushändigen wollte. Zwar waren alle Serben in Brčko bereits zum römisch-katholischen Glauben konvertiert, doch in der Umgebung von Brčko waren die meisten Bauern weder konvertiert noch hatten sie sich für eine Konversion zum Katholizismus angemeldet. Koronsovac befand, dass auch die Letzteren 323 Barić, O osnutku, 152 f. 324 HR-HDA-1076, 584 Gemeindeverwaltung in Bijeljina-Seoska an die Staatsdirektion für Erneuerung, 17.11.1941. 325 Barić, O osnutku, 153, 161 f. 326 ABiH-ZKUZ, 6 Vjera Rukavina, Bericht der Kommission über die Handžar, 1947, 9 f. 327 Barić, O osnutku, 157 f.
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der kroatisch-orthodoxen Kirche beitreten könnten. Der Bezirksleiter Antun Paulić befürwortete dies auch damit, dass es der Befriedung der Region dienlich sei. In Gornji Žabar hatte Kornosovac die kroatisch-orthodoxe Kirche eröffnet, was positive Auswirkungen auf die Bevölkerung gehabt haben soll. Das römisch-katholische Pfarramt sprach sich gegen den Übertritt der bereits zum römisch-katholischen Glauben angemeldeten Konvertiten zum kroatisch-orthodoxen Glauben aus. Nach der Auskunft des katholischen Pfarramtes entschied das Ministerium für Justiz und Religion Ende Mai 1943 die Versetzung Koronsovacs nach Gornji Žabar, weil es in Brčko keine serbisch-orthodoxen Gläubige mehr gab bzw. sich die restlichen nach den Angaben des katholischen Pfarrbüros bereits einen Übertritt zum Katholizismus angemeldet hatten. Der Bezirksleiter Paulić befürchtete, dass Koronsovacs Versetzung ein schlechtes Signal an die Bevölkerung in Brčko senden würde, was für ihn wichtig war, denn er hatte gute Beziehungen zur orthodoxen Bevölkerung in den umliegenden Dörfern gepflegt. Die Četnici hatten ihn im Mai 1943 sogar zu einem Fest nach Gornji Žabar eingeladen. Paulić störte sich außerdem an der Aussiedlungsdebatte, die in der Presse ihren Ausdruck fand, da die Berichte negative Folgen für die Befriedung hätten. In der Zeitschrift „Spremnost“ wurde im Juni 1943 veröffentlicht, dass die Serben ohnehin ihre Heimstätten verlassen müssten.328 Im August 1943 ließ das Ministerium für Justiz und Religion eine kroatischorthodoxe Parochie mit dem Sitz in Brčko gründen. Der Sitz der Parochie wurde anschließend im Januar 1944 nach Gornji Žabar verlegt. Entgegen den Erwartungen Koronsovacs entschied das Ministerium für Justiz und Religion Ende August 1943, dass den bereits zum Katholizismus konvertierten Serben der Übertritt in die KOK nicht erlaubt war.329 Im Großbezirk Usora-Soli waren nur in Bezirken, wo die muslimische Bevölkerung in der Minderheit war, Gründungen von kroatisch-orthodoxen Kirchen sichtbar. Ähnlich wie bei Übertritten zum Katholizismus entzogen sich muslimische Autoritäten der entsprechenden Strategie oder wurden gar nicht in diese Strategien einbezogen. Auch in diesem Großbezirk lag der Schwerpunkt der Bemühungen in den Grenzgebieten zu Serbien, die befriedet werden sollten. Die Gewalt zwischen Muslimen und Serben hatte dort entsetzliche Ausmaße angenommen. Grenzen und Grenzräume wurden auch hier intensiver erlebt als die Innenräume der Regionen. Sie machten den Prozess des „Othering“ sichtbar, das Folgen für die Herausbildung eigener Identitätsentwürfe hatte. Auf dem Balkan hatten die Grenzziehungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch ungleich mehr Konflikte zur Folge als in Westeuropa.330 Die angebliche Befriedungspolitik konzentrierte sich auf das Grenzgebiet zwischen Bijeljina und Foča. Parallel zur Propaganda für den Übertritt der Serben zur kroatisch-orthodoxen Kirche sollten insbesondere hier Anstrengungen unternommen werden, die serbische wie muslimische Bevölkerung für eine Zusammenarbeit mit dem Staat und gegen die Partisanen zu gewinnen. Dazu besuchten z. B. Bezirks328 ebd., 154–157. 329 ebd., 156. 330 diPPeR, Christof / RaPhaeL, Lutz: „Raum“ in der Europäischen Geschichte. Einleitung. In: Journal of modern European history 9, Nr. 1 (2011), 27–41, hier 33, 35.
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vertreter, darunter Niedzielski (Križari) die „Wächter über die Drina“, darunter die muslimischen Bauern in Fakovići und Skelani. Fest „wie Grundsteine stehen sie am linken Drina-Ufer“, hieß es im Zeitungsbericht dazu.331 Die Grenze zu Serbien wurde in einer Freund-Feind Symbolik idealisiert. Die Grenze über die Drina ist emblematisch für die Überlagerung von politischen Bedeutungen über der natürlichen Grenzlinie der Flusslandschaft. Die Ustaša sah in der Drina weniger eine historisch-mythische Grenze zum Orient, sondern explizit eine Grenze zwischen Kroaten und Serben.332 Im kleinen Ort Kozluk am Fluss Drina fand am ersten Jahrestag der Gründung des NDH ein Massenübertritt der Orthodoxen zum kroatisch-orthodoxen Glauben bei gleichzeitiger Einweihung einer kroatisch-orthodoxen Kirche statt. Angehörige der kroatischen Armee wohnten dem Übertritt, wie auch dem zuvor abgehaltenen Gottesdienst in der Moschee, bei. Dabei wurde bewusst von Kroaten katholischen, muslimischen und orthodoxen Glaubens gesprochen.333 Bei der Besetzung der orthodoxen Pfarren kam es allerdings, wie auch in anderen Großbezirken in den meisten Fällen zu Problemen. Der von Germogen nach Teslić abgesandte russische Priester Mračkovsky wurde verhaftet. Das Dekret zu seiner Anstellung kam angeblich in Teslić nicht an.334 Im Frühjahr 1943 konnten dennoch im östlichen Teil Bosniens mehrere kroatisch-orthodoxe Kirchen eröffnet werden, so z. B. in Vlasenica und Goražde. Die Initiative ging z. T. von den jeweiligen Bezirksleitern aus, die das Ziel verfolgten, den Zulauf der serbischen Bevölkerung zu den Četnici zu verhindern.335 Die Eröffnung fand in Goražde im Februar 1943 statt. Sie wurde jedoch durch die Landwehr gestört, wodurch die „Befriedungsmission“ in diesen Gebieten gestoppt wurde. Das Ministerium für Justiz und Religion protestierte vehement gegen die Störungen bei der Eröffnung von kroatisch-orthodoxen Kirchen.336 Die Seelsorge, darunter in Crvica, Pribojevići, Žljebac, Faković und Visočnik am Drina-Ufer, oblag dem Priestermönch Varnava Radovanović aus Syrmien, der sich zuvor in einem Kloster in Bulgarien aufgehalten hatte.337 Darauf zunächst in 331 Zum ideologisierten Widerstand der an der Drina liegenden Dörfer Skelani und Fakovići, Sarajevski Novi List, 11.5.1943. 332 ognyanova, Religion, 165. 333 HR-HDA-237, 5 Oberstleutnant Presjećki an den Propaganda- und Nachrichtendienst, 27.4.1942 sowie Protokoll vom 11.4.1942. 334 PAAA-GZ, 68 Bericht aus Teslić von einem Kriminalinspektor, gez. unlesrl., an Kasche, 20.8.1942; Die Geistlichen der neugegründeten kroatisch-orthodoxen Kirche in Tuzla waren Risto Babunović, Savo Kovačević und Dimitrije Janković. RS-AS-KFA, 9 Bericht für das KFA in Belgrad des Beamten Drago Stefanović-Džinić, 22.12.1943; Ebd., des Gerbers Ljubomir Antić, 16.11.1942. 335 Zu Vlasenica z. B. VA-NDH 183 die Anfrage der Bezirksleitung in Vlasenica (Sikirić) an den Großbezirksleiter von Vrhbosna betr. Einweihung und Eröffnung der orthodoxen Kirche in Vlasenica, 23.9.1942; Ebd., der Zuspruch der Großbezirksregierung. 336 VA-NDH 183 und 184/31 Das Ministerium für Justiz und Religion an die Großbezirksregierung Vrhbosna betr. Verhinderung der Gottesdienste der kroatisch-orthodoxen Priester durch die Streitkräfte, 18.3.1943; Ebd., Die Parochie der kroatisch-orthodoxen Kirche in Sarajevo an die Großbezirksregierung Vrhbosna betr. Gesuch aus Goražde um einen Priester, 5.10.1942. 337 Sarajevski Novi List, 14.5.1943.
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Reljevo bei Sarajevo tätig, wurde Varnava im September 1943 in die kroatischorthodoxe Parochie nach Teslić versetzt.338 Südlich von diesen Gebieten oblag die Seelsorge über die nun „kroatisch-Orthodoxen“ in den Bezirken Rogatica, Višegrad, Foča und Čajniče dem Priester Spiridon Mifka. In der Presse wurden Berichte von Mifka und Radovanović über die Erneuerung des religiösen Lebens an der Drina verbreitet.339 Varnava hatte sich im Mai 1943 in einem Rundbrief an die serbische Bevölkerung gewandt und sie aufgefordert „aus den Wäldern“ zurückzukehren, da die kroatischen Behörden die Orthodoxen nicht verfolgten.340 Für die kroatische Regierung galt es, diese Gebiete (wieder) unter ihre Verwaltung zu bringen. Bis zum Ende des Krieges brachte das Zagreber Presseamt Berichte über die Arbeit und Bedeutung der kroatisch-orthodoxen Kirche. Sogar die deutsche „Grenzwacht“ zitierte im Sommer 1944 die Bekanntgabe des nun zum Bischof ernannten Spiridon Mifka, und berichtete, dass die Bevölkerung in Viskoko-Goražde die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche gut angenommen hätte. Die kroatisch-orthodoxe Kirche bekäme mehr vom kroatischen Staat als andere orthodoxe Kirchen in orthodoxen Ländern, hieß es im Artikel.341 Im spezifischen Umfeld von Sarajevo, wo die lokalen kroatischen und muslimischen Eliten für das Fortbestehen der städtischen ökonomischen und kulturellen Ordnung „gebraucht“ wurden, konvertierten im ersten Jahr nach der Gründung etwa 6.000 Serben zur kroatisch-orthodoxen Kirche.342 Doch die orthodoxe Kirche wie auch die orthodoxe Bevölkerung blieben serbisch und Serben. Die „von oben“ aufgezwungene Konstruktion einer kroatischen Identität wurde zwar unter Anstrengungen der Presse und höherer staatlicher Stellen vermittelt, doch in der Praxis sehr unglaubwürdig durchgesetzt und befolgt. Die Handlungsspielräume der Ustaša waren im nun gescheiterten Staat durch die Erfolge der Partisanen und der Četnici begrenzt, während ihr Nationalismus mit dem serbischen konkurrierte. Von widerspenstigen Großgespanen und Kirchenfürsten Mit der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche entzog der Staat der katholischen Kirche die Grundlage ihrer „freiwilligen“ Konversionen. Die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche bedeutete eine weitere Abwendung Stepinacs von der Ustaša. Pavelić bemängelte, dass in den Križari-Zeitungen keine Berichte mehr über die Ustaša-Bewegung erschienen.343 Der deutsche General in Kroatien, Edmund Glaise von Horstenau, zog 1943 die Slowakei in einen Vergleich mit Kroatien 338 VA-NDH 186 Das Ministerium für Justiz und Religion an den Großbezirk Vrhbosna betr. Versetzung von Radoslav Varnava, 22.9.1943. 339 „Unter den orthodoxen Bauern gibt es keine Kommunisten“, in: Sarajevski Novi List, 15.5.1943. 340 HR-HDA-1521, 35 Dossier zu Varnava Radovanović. 341 Grenzwacht, 25.8.1944. 342 greBle Balić, Croatia, 134. 343 kolanović, Josip: Quellen: Nadbiskup Alojzije Stepinac u izvješćima Njemačkog poslanstva u Zagrebu [Quellen: Erzbischof Alojzije Stepinac in den Berichten der deutschen Gesandtschaft
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heran und konstatierte, dass die kroatische Regierung alleine stünde, während sich die slowakische der Unterstützung der Kirche erfreue. Auch spielten die katholische Kirche und die Religiosität in Kroatien keine politische Rolle. Die Kirche halte sich im Hintergrund, während die Bevölkerung mit Nahrungsmittelknappheit kämpfte und keine tiefe religiöse Bewegung mit politischer Auswirkung ausbilden konnte, so Horstenau.344 Die vorliegenden Quellen bestätigen die Einschätzung Horstenaus, der mit der Einstellung von Stepinac zur Ustaša vertraut war. Er protestierte öffentlich und privat gegen das verbrecherische Verhalten der Ustaše und ließ sogar mithilfe von Stepinac im Sommer 1944 eine Liste von kroatischen Kriegsverbrechern an die Alliierten schicken.345 Entgegen der Einschätzung des Gesandten Kasche, dass die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche die „Unierung-Absichten“ gestoppt hätte346, zeigte sich jedoch, dass Šimrak seine Interessen insbesondere bis zum Herbst 1942 und sogar 1943 noch vertreten konnte.347 Es scheint, als ob seine Anträge auf die Übernahme orthodoxer Kirchen erst dadurch an Quantität gewonnen hätten. Die Übernahme der Kirchen bedeutete die Erweiterung der Jurisdiktion und ermöglichte nach den gültigen Gesetzen die Vergrößerung der Mitgliederzahl. Die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche wirkte beschleunigend. Šimrak konnte z. B. alle Serben in Veliki Bastaji zum griechisch-katholischen Glauben konvertieren und dort sogar am 18. Juni 1942 eine griechisch-katholische Kirchengemeinde gründen. Der Bezirksleiter schmälerte später die Zahl der Konvertiten, worin das Ministerium für Justiz und Religion die Möglichkeit zur Gründung einer kroatischorthodoxen Kirchengemeinde sah. Dieser widersetzte sich Šimrak.348 Besonderes Interesse hatte die griechisch-katholische Kirche am später im März 1943 durch deutsche Angriffe fast völlig zerstörten Kloster Lepavina und seinen Parochien Lepavina, Velika Mučna, Veliki Poganec, Bolfan und Plavšinac.349 Die Begründung lieferte Šimrak aus der Geschichte des Klosters, das bis zum 17. Jahrhundert dem Križevci Bistum gehörte. In der Umgebung des Klosters hatten sich auf dem Gebiet der Gemeinde Sokolovac viele Serben zum Übertritt zum griechisch-katholischen Glauben gemeldet, doch wurden ihre Anträge von der lokalen Verwaltung nicht berücksichtigt. Die etwa 3.300 Konversionen in Velika Mučna und Veliki Poganac
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in Zagreb]. In: Fontes: izvori za hrvatsku povijest 02, Nr. 1 (1996), 313–342. Hier Quelle 3, Polizeiattaché Helm an den Reichsführer der SS und den Chef der dt. Polizei in Berlin, 21.11.1942, 322. BArch RH/31, III 9 Vermerk über die allgemeine Situation in Kroatien im Zusammenhang mit den deutsch-kroatischen Wirtschaftsverhandlungen im Juni 1943, Agram, 29.6.1943. Ramet, Jugoslawien, 185. PAAA-GZ, 68 (auch R 901/69663) Kasche an das AA mit Beziehung auf die Berichte vom 24.9.1941 und 22.4.1942 betr. kroatisch-orthodoxe Kirche, 12.6.1942. Nach einem Bericht der deutschen Gesandtschaft in Vatikan für Berlin vom 19.6.1943 sollen die Übertritte in der Diözese Križevci zum Zeitpunkt von Stepinacs Besuch in Vatikan im Mai 1943 in erheblichem Maße stattgefunden haben. kolanović, Quelle 5, 327. HR-DABJ-KOD 1 Gemeindeverwaltung Veliki Bastaji an die Bezirksverwaltung, 2.1.1942 und 7.2.1942; HR-HDA-218, 54–9854 Križevci Bf. an das Ministerium für Justiz und Religion betr. griechisch-katholische Seelsorge in Daruvar. In: http://www.manastir-lepavina.org/stranica.php?id=1 (12.3.2018).
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wurden trotzdem durchgeführt, standen aber im Mai 1942 vor der Annullierung seitens des Großgespans Omerović.350 Mit den neuen Beschlüssen des Ministeriums für Justiz und Religion nach der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche konnten in den Gemeinden mit mehrheitlich konvertierter Bevölkerung die Kirchen und weiterer Besitz der orthodoxen Kirche lediglich zur Nutzung freigegeben werden.351 Dafür wurden wieder Bevölkerungserhebungen notwendig. Glavaš erkundigte sich im Mai 1942, ob Šimrak beabsichtigte, in Vojakovac, Veliki Poganac, Plavšinac, Narta, Hrvatska Kapela, Veliki Bastaji, Veliki Zdenci und Veliko Vukovje neue Pfarrgemeinden zu gründen und/oder die orthodoxen Kirchen umzuwandeln. Außerdem wollte er noch in Erfahrung bringen, welche Dörfer darunter fielen und von welchen bereits bestehenden griechisch-katholischen Gemeinden man diese neuen Pfarrgemeinden abspalten würde. Ebenfalls holte er Informationen über die Zahl der Orthodoxen und Konvertiten und die Gesamtzahl der Mitglieder nach der Gründung ein.352 Zwei Tage zuvor hatte Šimrak jedoch bereits in Vojakovac eine griechisch-katholische Pfarrgemeinde gegründet, die orthodoxe Kirche in eine griechisch-katholische umgewandelt und erste Gottesdienste abgehalten.353 Dass er eigenständig handelte und die Entscheidungen des Ministeriums für Justiz und Religion nicht abwartete, wirkte sich dies vermutlich nicht positiv auf seine Anträge aus. Im Juni 1942 forderte Šimrak erneut die Übernahme mehrerer Kirchen und Kirchengemeinden. Die Liste war diesmal etwas kürzer. Allein auf dem geplanten Gebiet der Kirchengemeinde Narta konvertierten 1.500 Serben zum griechischkatholischen Glauben. Die dortige Kirche wurde, obwohl die Konversionen zum römisch-katholischen Glauben erzwungen wurden – wie Šimrak betonte – der römisch-katholischen Kirche zur Verfügung gestellt.354 Seine Kritik war jedoch nicht an die kirchlichen, sondern an die politischen Akteure gerichtet, die entgegen den Bestrebungen von Šimrak und Stepinac die Übergabe von Gebäuden an die griechisch-katholischen Gemeinden sabotierten. Die Kapelle in Marča hatte Šimrak inzwischen übernommen, plante aber ihren Abriss und den Neubau einer griechisch-katholischen Kirche sowie eines Klosters an ihrer Stelle. Gehässig be350 HR-HDA-218, 43–5589 Šimrak an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Kloster Lepavina, 20.5.1942. – Zu Umständen in Lepavina und Umgebung auch šKiLjan, Filip: Vjerski prijelazi s pravoslavne na rimokatoličku i grkokatoličku vjeroispovijest u Podravini između 1941. i 1945. Godine [Glaubensübertritte vom orthodoxen zum römisch- und griechisch-katholischen Bekenntnis in der Podravina 1941–1945]. In: Podravina: časopis za multidisciplinarna istraživanja 15, Nr. 29 (2016), 168–179, hier 176 f. 351 HR-HDA-218, 48–8125 Protokoll zum Beschluss des Ministeriums für Justiz und Religion zum Besitz der serbisch-orthodoxen Kirche, Mai 1942. 352 Ebd., 43–5612 Das Ministerium für Justiz und Religion an das Bistum Križevci betr. Eröffnung orthodoxer Kirchen, 26.5.1942. 353 Ebd., 45–6340 Die Gemeindeverwaltung in Vojakovac an die Bezirksverwaltung in Križevci betr. Eröffnung der orthodoxen Kirche, 26.5.1942. 354 Šimrak wollte die Übernahme der Kirchen in Bolfan (Bezirk Ludbreg), Velika Mučna, Veliki Poganac und Koprivnica (Bezirk Koprivnica), Bolč, Narta, Hrvatska Kapela (Bezirk Bjelovar), Lipovčani (Bezirk Čazma) sowie Salnik und Križevci (Bezirk Križevci). HR-HDA-218, 40– 4902 Šimrak an das Ministerium für Justiz und Religion, 2.6.1942; Ebd. 61–12648 Bf. Šimrak an das Ministerium für Justiz und Religion, 2.9.1942.
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merkte der Bezirksleiter in Čazma, dass nur vier Personen am Gottesdienst teilgenommen hätten.355 Gleichzeitig setzte sich die Bezirksverwaltung in Čazma für den Übertritt des Dorfes Donji Lipovčani zum römisch-katholischen Glauben und die gleichzeitige Übernahme der Pfarrgemeinde und ihres Eigentums seitens der römisch-katholischen Kirchengemeinde in Čazma ein.356 Anfang Juni kam es zu dieser Übernahme. Die Zahl der Konvertiten zum griechisch-katholischen Glauben in Lipovčani hatte die Bezirksverwaltung auf nur sechs im Gegensatz zu einigen Hundert Konvertiten zum römisch-katholischen Glauben beziffert.357 Auf dem Gebiet der Bezirke Križevci, Novi Marof und Bjelovar konvertierten bis Juni 1942 etwas mehr als 2.000 Personen zum griechisch-katholischen Glauben. Die an das Ministerium für Justiz und Religion übermittelten Verzeichnisse der Konvertiten sollten die Notwendigkeit der Übernahme der orthodoxen Kirchengemeinden verdeutlichen.358 In Bjelovar hatten die griechisch-Katholiken die orthodoxe Kirche, die der kroatisch-orthodoxen Kirche zugeteilt wurde, auf eigene Initiative besetzt.359 Als die Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung noch bestand, hatte Juričev Übertritte in Rovište, Kraljevac, Remetinac usw. mit der Begründung abgelehnt, dass es sich dort nicht um das von der griechisch-katholischen Kirche geprägte Gebiet handelte.360 Für das Ministerium für Justiz und Religion entschied Glavaš schließlich am 30. Juli 1942, dass die erbetenen Gebäude nicht an das griechisch-katholische Bistum abgegeben werden konnten, weil es angeblich in den betreffenden Gemeinden keine griechisch-katholischen Gemeinden gäbe.361 Er verlangte gleichzeitig nach Konvertitenverzeichnissen in den jeweiligen Regionen. Das Hadern der griechisch355 HR-HDA-218, 54–7061 Die Bezirksverwaltung in Čazma an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Übergabe der orthodoxen Parochie, 16.6.1942; Ebd., 56–10602 Šimrak an das Ministerium für Justiz und Religion, 1.10.1942. 356 HR-DABJ-VŽB 7, 172 Bezirksverwaltung Čazma an die katholische Gemeinde in Čazma, den Großbezirk, das Ordinariat in Zagreb und den Dorfvorsteher von Donji Lipovčani betr. Übernahme des Kirchenbesitzes der ehemaligen orthodoxen Kirche, 2.6.1942. 357 HR-HDA-218, 54–7061 Die Bezirksverwaltung in Čazma an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Übergabe der orthodoxen Parochie, 16.6.1942. 358 Die etwa 2.000 Konvertiten verteilten sich auf 123 Personen in Vrbnik (Parochie Salnik), 240 Personen in Sv. Ivan (Parochie Rovišće), 237 Personen in Vojakovac (Parochie Vojakovac) und 256 Personen in Križevci (Parochie Križevci). Im Bezirk Novi Marof konvertierten in Gornja Rijeka (Parochie Salnik) 22 Personen. Im Bezirk Bjelovar, in den Orten Koritna, Stari Glog, Habjanovac, Remetinac, Sv. Ivan Žabno, Haganj, Žavnica, Ivančani und Vukšinac (Parochie Hrvatska Kapela) konvertierten 1.200 Personen von insgesamt 1.400 Einwohnern. Es gab in diesen Dörfern nur wenige Konvertiten zum römisch-katholischen Ritus. HR-HDA-218, 46–7047 Das bischöfliche Ordinariat in Križevci an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Verzeichnisse der Konvertiten zum griechisch-katholischen Glauben, mehrere Anschreiben, 20.6.1942 und 8.7.1942; Ebd., 45–6340 Zu Konvertitenzahlen in Vojakovac: Die Gemeindeverwaltung in Vojakovac an die Bezirksverwaltung in Križevci betr. Eröffnung der orthodoxen Kirche, 26.5.1942. 359 PAAA-GZ, 68 Vermerk von Kasche gelegentlich einer Unterredung mit dem Konsul Ferchmin, 30.6.1942. 360 HR-HDA-1076, 584 Juričev zu Übertritten in Ivan Žabno, 15.12.1941. 361 HR-HDA-218, 29–1580 Der apostolische Administrator aus Križevci an das Ministerium für Justiz und Religion, 15.2.1942.
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und römisch-katholischen Geistlichen um das Eigentum der orthodoxen Kirchen setzte sich ebenfalls fort. Der römisch-katholische Pfarrer in Križevci, Josip Valjak, forderte die Übernahme der orthodoxen Kirche in Križevci bzw. ihre Umwandlung in eine römisch-katholische. Angeblich hätte es seit 1937 nur 15 Konvertiten zum griechisch-katholischen Glauben gegeben, dafür aber 73 zum römisch-katholischen. Ferner gäbe es zwölf nicht konvertierte Orthodoxe, die jedoch entweder vertrieben oder inhaftiert worden waren.362 Später wurde auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmung über staatliche Hilfe für Seelsorger und Kirchengemeinden für Siedler und Konvertiten die Gründung einer neuen griechisch-katholischen Pfarrgemeinde beschlossen. Sie erstreckte sich auf das Gebiet der ehemaligen orthodoxen Parochien Vojakovac und Salnik. Mit der Entscheidung von Radoslav Glavaš wurde die Neugründung der Pfarrgemeinde in den Dörfern Rak, Lipnice, Hudovo, Radojišće und Salnik am 13. Juli 1942 und in Vojakovac am 3. Februar 1944 genehmigt.363 Sanierungsmittel für die orthodoxe Kirche in der Konvertitengemeinde Pobrđani in der Gemeinde Vojakovac konnten auch nach mehrmaligen Anträgen nicht gewährt werden.364 Neben Šimrak förderte auch Großgespan Sabolić nach der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche aktiv Übertritte zum Katholizismus. Nachdem die Pläne der Regierung für die neue Kirchengründung bekannt wurden, erteilte das Ministerium für Justiz und Religion die meisten Erlaubnisse zu den in den vorangegangenen Monaten eingegangenen Übertrittgesuchen, so dass sie im März 1942 durchgeführt und die Vorgänge insgesamt abgeschlossen werden konnten.365 In den bosnischen Bezirken des Großbezirkes Posavje kam es zudem weiterhin zu erzwungenen Übertritten. Im Juni 1942 kamen Ustaše aus Brčko in das nahe Dorf Slatina, plünderten serbische Häuser im Dorf, zerstörten die serbisch-orthodoxe Kirche in Gornja Slatina, ermordeten einige Serben und führten andere aus dem Dorf ab. Ein Teil der serbischen Dorfbevölkerung konvertierte unter Zwang. Die Beteiligten Ustaše waren katholische und muslimische Bauern aus den Nachbardörfern. Die katholischen und muslimischen Nachbarn der Slatina-Serben verhielten sich dagegen friedlich.366 Der Großgespan Sabolić drängte im September 1942 die Bezirksverwaltung in Derventa, die angemeldeten Übertritte im Sinne der Verordnung vom 10. Juli 1942 durchzuführen.367 Auch in der ganzen Umgebung von Slavonski Brod wurden Übertritte in September/Oktober 1942 unter Anweisungen von Sabolić erpresst. In einem Bericht der deutschen Gesandtschaft hieß es, dass Wiederstrebende in 362 HR-HDA-218, 46–7047 Der Križevci Pf. Josip Valjak an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Verzeichnis der Konvertiten in Križevci sowie Besitz der serbischen-orthodoxen Kirche in Križevci, 3.8.1942 und 31.8.1942. 363 HR-DABJ-VŽB, 5, 1415 Entscheidung des Ministeriums für Justiz und Religion, 3.2.1944. 364 HR-HDA-218, 77–4545 Das griechisch-katholische Pfarrbüro in Vojakovac an das Ministerium für Justiz und Religion betr. Bitte um Geldhilfe, 19.4.1943; Ebd., Das Ordinariat in Križevci an das Ministerium für Justiz und Religion, 10.6.1943. 365 HR-HDA-218 Eingangsregister (1942). 366 RS-AS-KFA, 9 Bericht für das KFA in Belgrad des Wachsziehergehilfen Žarko Milićević, 9.6.1943; dinu: Faschismus, 9. 367 Barić, O osnutku, 159.
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Konzentrationslager verbracht und ihre Gehöfte ausgeplündert wurden. Kasche bezweifelte jedoch, dass ein schriftlicher Befehl des Großgespans existierte. Vielmehr soll der katholische Pfarrer in Bosanski Brod, Stefan (Stjepan) Kočić zusammen mit den Ustaše Propaganda für den Übertritt betrieben haben. Kočić ermahnte die Konvertiten in Bosanski Brod angeblich persönlich und forderte sie auf, am Religionsunterricht teilzunehmen. Von ihm abgesehen soll auch ein katholischer Pfarrer aus Brusnica zusammen mit den Ustaše und der Verwaltung in Bosanski Brod die Serben gedrängt haben, den katholischen Glauben anzunehmen. Die Erpressungen und Verfolgung führten schließlich zu Konversionen, so z. B. der 650–700 Bewohner von Liješće und Poloj im Oktober 1942 in der Kirche in Bosanski Brod.368 Tatsächlich hatte Sabolić im Januar 1942 den 7.000 Kandidaten für die Konversion mit der Inhaftierung in Konzentrationslager gedroht, wenn sie sich nicht bei den römisch-katholischen Pfarrämtern zur Durchführung des Übertrittes meldeten. Die Bezirksregierung in Bosanski Brod war frei, alles zu unternehmen, damit die Übertritte vollzogen wurden. Drei Wochen später zeichneten sich bereits erste Erfolge ab.369 Die im Frühjahr mit den Četnici geschlossenen Friedensvereinbarungen führten dann zur Einstellung der Konversionsaktion von Sabolić in den bosnischen Bezirken. Im Sommer 1942 kam es zu erneuten Kampfhandlungen, so dass die Zusammenarbeit scheiterte. Die Četnici wiesen ihrerseits die Schuld für die Angriffe dem kroatischen Militär zu und forderten das Landwehrkommando in Derventa auf, das Gebiet zu säubern. Nach der anschließenden Zurückdrängung der Četnici deportierten die kroatischen Stellen im September und Oktober 1942 ca. 1.500 Serben aus Derventa und Bosanski Brod nach Jasenovac. Ausgenommen wurden dabei Konvertiten und Personen, die in der Landwehr tätig waren. Die Deportationen sollen nach Barić im Oktober 1942 zu Konversionen zum römisch-katholischen Glauben geführt haben, so in Liješće und Poloj. Dabei anwesend waren der Priester Kočić, der Ustaša-Chef auf der Bezirksebene Glamočak, der Vertreter der Großbezirksregierung Zec und andere.370 Die Bezirksverwaltungen forderten die römisch-katholischen Pfarrämter in Bosanski Brod, Brusnica und Žeravac zur Beschleunigung der Konversionsverfah-
368 BArch RH/31, III 7 Anlage 2 zur Aufzeichnung der Deutschen Gesandtschaft Zagreb, 26.10.1942; Ebd., Anlage 2e, Abschrift betr. Befehl zum Glaubenswechsel an orthodoxe Bevölkerung, 17.10.1942; VA-NDH 174 Protokoll zur Befragung des Gemeindeleiters zu zwei Verweigerern des Religionsunterrichtes, 5.5.1942; PAAA-GZ, 68 Bericht von Helm über die „Umtaufen von Pravoslaven“ an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, 6.11.1942. 369 VA-NDH, 202/18/3 Großbezirksregierung gez. Sabolić an die Bezirksverwaltung in Bosanski Brod betr. Übertritt der Orthodoxen sowie die Antwort, 22.1.1942 und 10.2.1942. 370 Barić, O osnutku, 159 f. – Zu 650 Konversionen in Poloj und Liješće am 11.10.1942 VA-NDH 175/1/13 Zweigstelle der Bezirksverwaltung in Bosanski Brod an die Großbezirksregierung in Brod betr. Konversionen der Orthodoxen, 12.10.1942; Zur Zusammenarbeit mit den Četnici PAAA-GZ, 243 Konvolut aus Abschriften der Briefe des Četnikführers Vorkapa (Knez Arsen) und des Kompanieführers (Erinatijev) der VI. Kompanie in Kaoci, gesendet von der ES der DM beim Verfügungsbataillon Prinz Eugen an den Volkstumsreferenten bei der Deutschen Gesandtschaft in Zagreb, 7.7.1942.
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ren auf.371 Sabolić befahl in Oktober 1942 die Konversion der übrigen Serben in Bosanski Brod. Der deutsche Gesandte Kasche war also mit seiner Einschätzung, dass es keinen Befehl von Sabolić gab, im Unrecht. Anfang November war schließlich die Zahl der Orthodoxen in Bosanski Brod „unbedeutend“.372 Derviš Omerović löste im Dezember 1942 Sabolić in seinem Amt als Großgespan von Posavje in Slavonski Brod ab. Er war ein Schulfreund von Mile Budak. Die deutschen Stellen in Kroatien begrüßten den Wechsel. Zu Omerovićs politischem Hintergrund vermerkte die deutsche Gesandtschaft, dass er vor 1941 in mehreren muslimischen Organisationen tätig und insgesamt politisch wandlungsfähig war.373 Damit entsprach Omerovićs Profil den Befriedungszielen in diesem Teil des Landes. Sabolić unterhielt schlechte Beziehungen zu den Muslimen, den die in seiner Regie verübten Überfälle auf serbische Zivilisten lösten Racheakte aus, die auch muslimische Dörfer erfassten. Im Dezember 1941 beklagten sich sowohl eine Gruppe von Serben als auch eine Gruppe von Muslimen aus Derventa bei Pavelićs Stellvertreter in Tešanj, Ademaga Mešić. Mešić protestierte darauf beim Großgespan Sabolić gegen die Repressalien, die die Lage in Derventa destabilisierten und die serbische Bevölkerung in Unruhe brachten. Mešić sprach von „orthodoxen Kroaten“. Das Ziel, das Mešić in der Beschwerde befolgte, war die Aufrechterhaltung des Friedens mit den Četnici in diesen Gebieten. Mit deutlichen Worten forderte er Sabolić auf, etwaige Befehle zur Konversion orthodoxer Bevölkerung zum römisch-katholischen Glauben zu widerrufen und gegebenenfalls mit solchen Aktionen bis zur besseren Bewaffnung kroatischer Kräfte in Derventa und Umgebung abzuwarten.374 Vereinzelt wurden ab Sommer 1942 auch in anderen Teilen des Landes Konversionen zum katholischen Glauben durchgeführt, so z. B. im Bezirk Tuzla oder in Vukmanić im Großbezirk Pokupje. Doch diese blieben nur Ausnahmen.375 Zu Massenkonversionen kam es Ende 1942 nur in Posavje. Die trotz der Konversion an der serbischen Bevölkerung verübten Verbrechen machten aus den Schutzversprechen eine Farce.376 Wie er während der Sabor-Eröffnung angekündigt hatte, wollte Ste371 VA-NDH, 202/18/14 Bezirksverwaltung in Bosanski Brod an die römisch-katholischen Pfarrämter betr. Übertritte der Orthodoxen, 28.9.1942; Die Zahl der Konvertiten betrug für Žeravica 1.203. Ebd., 175/12/1 Bezirksverwaltung in Derventa an die Großbezirksverwaltung in Brod betr. Konversionen, 21.12.1942. 372 Ebd., 175/11/24 Nach einem Bericht des Propagandabeauftragten Rieger u. a. an das Innenministerium, 24.10.1942; Ebd., 175/4/4 Bezirksleiter der Zweigstelle in Bosanski Brod an die Polizei-Direktion in Brod, 2.11.1942. 373 PAAA-GZ, 61/3 Nach den von der deutschen Gesandtschaft in Zagreb für den Deutschen General in Kroatien gesammelten Personalangaben kroatischer Großgespane, 13.2.1943. 374 VA-NDH 175/2/24 Ademaga Mešić an Großgespan Sabolić, 21.10.1942; Ebd., 175/7/36 Bezirksverwaltung in Derventa an die Großbezirksregierung, 20.11.1942. 375 HR-HDA-218 Eingangsregister 5885 (1942); HR-HDA-218, 45–6495 Der Großgespan von Pokupje an das Ministerium für Justiz und Religion, 5.6.1942. 376 Z. B. šKiLjan, Filip: „Akcija Crkveni Bok“ [„Aktion Crkveni Bok“]. In: Radovi Zavoda za hrvatsku povijest 37, Nr. 1 (2005), 325–342; VA-NAV Mikrofilmsammlung aus dem National Archives in Washington, T 501/265/776–778 Bericht des Priesters Augustin Kralj über die Vorfälle in Crkveni Bok, wo die bereits Konvertierten im Oktober 1941 ins Konzentrationslager Jasenovac abgeführt wurden.
7. Ergebnisse
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pinac seine Kirche nicht die Verantwortung über politische Entscheidungen tragen lassen. Insgesamt zog sich die Kirchenführung ab Mitte 1942 immer mehr zurück. Auch die Entscheidung, ob die im Konzentrationslager in Sisak geborenen Kinder serbischer Eltern von römisch-katholischen Priestern getauft werden sollten, wollte das erzbischöfliche Ordinariat z. B. nicht selbst tragen und bat das Ministerium für Justiz und Religion um eine Stellungnahme.377 Ab Mitte des Jahres 1943 kam es landesweit nur noch vereinzelt zu religiösen Übertritten zum Katholizismus.378 Nach der Reorganisation im Januar 1943 bestand das Ministerium für Justiz und Religion schließlich bis zum Ende seiner Tätigkeit aus zwei Abteilungen: Justiz und Religion. Die Abteilung für Religion war in Unterabteilungen für katholische, islamische, kroatisch-orthodoxe und evangelische Religion untergliedert. 7. ERGEBNISSE Das zweite Kapitel fokussierte einerseits in einer diachronen Analyse die Bedeutung der Religion als Ressource in der kroatischen Politik seit dem 19. Jahrhundert unter Einbeziehung der muslimischen Glaubensgemeinschaft, der altkatholischen und der kroatisch-orthodoxen Kirche. Andererseits wurden kirchenpolitische Vorstellungen und das bewusste Agieren religiöser Akteure im politischen Feld erörtert. Am Beispiel der altkatholischen Kirche wurden die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden politischen Ideologien beleuchtet, die sich um das (des)integrative Potenzial der Religion für die politische Gestaltung konzentrierten. Hervorgehoben wurden insbesondere Ideen von Bischof Strossmayer, Ante Starčević und der Brüder Radić. Den Hintergrund solcher Ideen bildeten die Annäherung zwischen den slawischen Völkern, vor allem den Serben und Kroaten, die nationale Integration Kroatiens und die dauerhafte Eindämmung des Einflusses der Großmächte. Die Brüder Radić setzten sich zunächst für die nationale Assimilation der Serben in Kroatien mittels einer kroatischen orthodoxen Kirche und nach 1918 für die serbisch-kroatische Integration in Kroatien mittels einer kroatischen nationalen Kirche ein. Radićs Bauernpartei unterstützte zunächst die Reformer und richtete ihr Fokus anschließend auf die Verwendung der altkatholischen Kirche. Das Vorbild einer kroatischen nationalen Kirche war ausgerechnet die serbisch-orthodoxe Kirche. Das Bestehen älterer kirchlicher Strukturen wie im Falle der Bosnischen Kirche diente zudem zur Interpretation des bosnischen Raumes als einen ursprünglich kroatischen. Starčevićs Postulat der Trennung zwischen Kirche und Staat zeigte seine Funktion bei der Absicherung der Unterstützung vonseiten bosnischer Muslime für den NDH. In der Tradition des Staatsrechts, stellte eine bestimmte Religionszugehörigkeit kein Hindernis für die Angehörigkeit zur kroatischen Nation dar. Hier bediente sich die Ustaša auch muslimischer religiöser Akteure zur Erzielung der staatlichen Integration. In der Praxis jedoch zeigten sich große Defizite in der 377 HR-HDA-218, 75–3755 Römisch-katholischer Pf. aus Sisak, Ivan Hulenić, an das erzbischöfliche Ordinariat, 5.5.1943; Ebd., Das erzbischöfliche Ordinariat an das Ministerium für Justiz und Religion, 14.5.1943. 378 Ebd., z. B. 77–4548, 79–5177, 87–8006, 1943.
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Durchsetzung der Ansprüche der Muslime, so dass ihre Unterstützung des UstašaStaats bereits im Laufe des Jahres 1941 zusehends schwand. Obwohl gesetzlich erlaubt, kam es kaum zu Konversionen der Serben zum Islam. Für die muslimisch dominierten Landesteile bestanden weder besondere staatliche Absichten noch sahen die Muslime unter den Ustaša-Funktionären und Verwaltern auf der lokalen Ebene in den Konversionen zum Islam oder Katholizismus eine Alternative zu anderen Maßnahmen. Konversionen der Serben zum Katholizismus wurden sogar vielerorts von Muslimen behindert. Gleichzeitig verweigerten in den gemischten Gebieten die katholisch geprägten Verwaltungen den Serben Übertritte zum Islam. Außerdem wurden Konvertiten zum Islam dennoch von den Milizen verfolgt. Die muslimischen religiösen Autoritäten sahen in der Konversionspolitik die Vergrößerung des Monopols der katholischen Kirche im NDH. Sie protestierten mehrmals ab Herbst 1941 bei Pavelić und den Ministern wegen der Benachteiligung des Islams und verlangten im Gesetz wie in Praxis eine Gleichstellung mit der katholischen Glaubensgemeinschaft. Dies unterminierte zusätzlich die Bemühungen der Regierung, unter den bosnischen Muslimen eine kroatische nationale Identität aufzubauen. Artikuliert wurden auch Ängste vor der Assimilierung der Muslime und gar deren Zwangskonversion zum Katholizismus. Muslimische autonomistische Strömungen äußerten sich indes immer stärker und waren fernab der Elitenkreise selbst auf der Ebene der Gemeinden präsent. Die religiösen Akteure unter den Muslimen und Katholiken entwickelten sich zu Risikofaktoren und vermochten keine ausreichenden mobilisierenden Stimmungen zur Unterstützung des Staatswohls unter den Gläubigen zu generieren. Entgegen der instrumentalistischen und unter Berücksichtigung konstruktivistischer Sichtweise konnte gezeigt werden, dass die Ustaša die religiösen Traditionen nicht endlos für die Mobilisierung von Gruppen und für kollektive Aktionen instrumentalisieren konnte. Gegen eine rhetorische Vereinnahmung der Religion spricht die starke Handlungskompetenz der religiösen Akteure im NDH, die sich gegen die weltliche Instrumentalisierung ihres Kompetenzbereichs stellten. Die Bischofskonferenz im November 1941 markierte einen Wendepunkt in der Unterstützung der Ustaša seitens der katholischen Kirchenführung und ferner die Modifizierung der staatlichen Religionspolitik überhaupt. Die katholische Kirchenhierarchie und die eigens dafür gegründeten Ausschüsse beanspruchten mit den Beschlüssen die alleinige Kompetenz über die religiösen Übertritte der Orthodoxen, die sie fortan nur auf freiwilliger Basis durchsetzen wollten. Die Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung verlor im Laufe der Auseinandersetzung zwischen der Kurie und der Regierung ihre Berechtigung und wurde geschlossen. Es bestätigte sich somit die Intersubjektivität religiöser Traditionen und ihre Abhängigkeit von sozialen Praktiken und Diskursen. Die Macht der politischen Akteure war begrenzt. Die Analyse auf mehreren Ebenen und entlang unterschiedlicher Strömungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche legte die Unterschiede zwischen den verschiedenen Vorstellungen über die Kirche und den Klerus in der Gesellschaft frei. Zudem konnten die strukturellen Unterschiede in der Verteilung der Kirchen und Kirchensteuer im Vergleich der kroatischen und bosnischen Gebiete beleuchtet werden. Die eingangs aufgestellten Annahmen über die Abhängigkeit der religiösen
7. Ergebnisse
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Botschaft von den Rechtfertigungsbedürfnissen politischer Akteure konnten auch am Beispiel der Franziskaner in Bosnien und Herzegowina deutlich gemacht werden. Als besonders volksnah und in ihrer historisch bedingten herausragenden Autorität waren die religiösen Vorstellungen der bosnischen Franziskaner eng verwoben mit den regionalpolitischen Weltsichten. Gleichzeitig zeigte sich am Beispiel der Spannungen zwischen den Franziskanern und der Kirchenhierarchie, wie stark der politische Einfluss der Kirchenführung war und wie Stepinac und die Bischöfe Druck auf die Regierung ausüben konnten. Die mehrheitlich vom Franziskaner Orden administrierte Konversionspolitik verlor nach der Bischofskonferenz 1941 ihre strukturelle und finanzielle Grundlage. Die Religionsabteilung wurde neutralisiert, während den vor Ort tätigen Franziskanern vom Erzbistum die Jurisdiktion entzogen und die Entlohnung gestrichen wurde. Erst die Direktiven aus dem Vatikan und dann auch die Entscheidungen der Bischofskonferenz stärkten die Möglichkeit der religiösen Übertritte zum griechisch-katholischen Ritus. Am Beispiel der griechisch-katholischen Kirche zeigte sich, wie das durch die Konversionsstrategie der Ustaša gegebene Ermöglichungsfenster allem Anschein nach die Hoffnungen des Vatikans auf die Annäherung zwischen der Ost- und Westkirche verstärkte. Auch bei Konversionen zum griechischkatholischen Ritus wurden die großen Handlungsräume lokaler politischer und religiöser Akteure und die Bedeutung lokaler Interessen sowie die Abwesenheit des Staates sichtbar. Hier wurde einmal mehr deutlich, dass der römisch-katholische Klerus nicht als eine einheitliche Gruppe zu betrachten ist und die Kirchenhierarchie sich nicht auf alle Ebenen erstreckte. Die lokalen Ustaše und Verwalter sowie römisch-katholische Geistliche behinderten Übertritte zum griechisch-katholischen Ritus, die durch rege Werbung des griechisch-katholischen Klerus 1941 evident wurden. An der Praxis der Konversionen zum griechischen Ritus zeigte sich ebenfalls die Animosität zwischen der von den Franziskanern geführten Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung und den Ministerien. Die Erhöhung der Mitgliederzahl war auch im Kontext der griechisch-katholischen Übertritte ein gewichtiges Motiv der Zusammenarbeit des Klerus mit der Ustaša oder gegen die Ustaša. Stepinac setzte sich entsprechend den Beschlüssen der Kongregation für die orientalischen Kirchen für die Konversionen zum griechisch-katholischen Ritus ein. Auf diese Weise positionierte er sich gegen breite Teile der hohen und niederen politischen Akteure. Er erlangte zusehends die kirchliche Autonomie wieder und verstand es, indem er im politischen Feld agierte, seine Kirche gegen „schismatische“ Strömungen zu sichern. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zum Hintergrund des Rückzugs aus der staatlichen Konversionspolitik ab Winter 1941 auch eine Neuausrichtung der Führung der römisch-katholischen Kirche in Zagreb bezüglich der Konversion der Serben in die griechisch-katholische Kirche als die Kirche der „Unierten“, gehörte. Pavelićs „Charmoffensive“ gegenüber den muslimischen und katholischen Kirchenvertretern zur Sicherung ihrer Unterstützung sollte im Frühjahr 1942 eine neue Qualität gewinnen. Die nach außen hin gewahrte Gleichstellung der religiösen Gemeinschaften sollte durch eine Trennung zwischen Religion und Staat bzw. zwischen der römisch-katholischen Kirche von Staat bewerkstelligt werden. Starčevićs
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Kapitel 2 Projekt Kirche: Die integrierende Funktion der Religion
Ideologie eines kroatischen Nationalstaates mehrerer Religionen bildete die Grundlage für die Gründung einer kroatisch-orthodoxen Kirche zur nationalen Integration der noch verbliebenen serbischen Bevölkerung. Die Kriegsentwicklungen und der wachsende Widerstand machten einen erneuten Strategiewechsel notwendig. Zusammen mit dem Erlahmen der deutschen Unterstützung für die Ustaše schwand der Einfluss der Regierung auf die religiösen Akteure überhaupt. Die Initiative der katholischen Kirchen zur Annäherung der Kroaten und Serben mittels der griechischkatholischen Kirche und die angestrebten Konversionen der Serben in die „unierte“ Kirche wurden durch die Gründung einer neuen orthodoxen Kirche obsolet. Ein Umlenken der Serben mithilfe des serbischen Klerus und einer neuen orthodoxen Kirche wurde von der NDH-Regierung mit dem Ziel erhofft, die Einstellung des serbischen Widerstandes gegen den Ustaša-Staat zu erreichen. Der kollaborierende serbisch-orthodoxe Klerus sollte eine Rechtfertigung für das Fortbestehen des Staates und der darin kroatisch-nationalisierten Serben bieten. In der Verfassung der kroatisch-orthodoxen Kirche wurde sogar das Ziel der Vereinigung der christlichen Kirchen genannt. Die Bedingungen der Existenz der Ustaša veränderten sich im Laufe des Krieges und damit auch die Rechtfertigungsbedürfnisse für ihre soziale Position. Dies bedeutete, dass sich auch die Einstellung der Ustaša-Politik zu einer bestimmten religiösen Botschaft veränderte. Die kroatisch-orthodoxe Kirche sollte vor allem Serben in Bosnien erfassen, denn in den kroatischen Gebieten waren bereits alle Serben vertrieben, ermordet oder konvertiert, was zumindest offiziell die Existenz eines gewissen serbischen Volkskörpers negierte. Unter großen propagandistischen Bemühungen und durch Versprechungen von großzügigen Rechten wurde nun auf die nationale Integration aller anerkannten religiösen Gruppen gesetzt. Mit dem Ziel der Bekämpfung des Widerstands und wegen der von den deutschen Stellen geforderten Befriedung des Landes war die Integration mit dem Instrument Religion aus der Perspektive der Ustaša-Regierung die einzige Alternative zur Erhaltung des NDH. Die staatliche Konversionspolitik zum römischkatholischen Glauben kam damit auch offiziell zum Erliegen. Auch hier zeigte sich wieder die Renitenz regionaler und lokaler Akteure. Je nach räumlichen Kontexten und Kriegseinwirkungen verweigerten die lokalen Akteure die Verstetigung der kroatisch-orthodoxen Kirche oder erzwangen weiterhin, wie der Großgespan von Posavje, religiöse Übertritte zum Katholizismus. Ein starker Opponent war der griechisch-katholische Bischof. Vorrangig auf die bosnischen Bezirke ausgerichtet, zeigte die Eröffnung von neuen orthodoxen Kirchen in Nord- und Ostbosnien kurzfristig eine für die Ustaša positive Wirkung. Die als Friedensangebot verstandene religiöse Freiheit für die Serben führte gebietsweise zur Bildung von Allianzen zwischen den Ustaše und Četnici zur Bekämpfung der Partisanen. Im Laufe des Krieges und im Zuge der Verluste der Ustaša wurden die kroatisch-orthodoxen Kirchen, obwohl ihre Eröffnung offiziell vom Religionsministerium kontrolliert wurde, immer mehr zu Symbolen serbischer Selbstbehauptung und ihre religiöse Botschaft unterschied sich nicht von der ursprünglichen Denomination. Sie fungierten wieder als Vehikel des serbischen Nationalismus. Ähnlich wie bei Konversionen zum katholischen Glauben entzogen sich muslimische politische Autoritäten der neuen
7. Ergebnisse
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Politiklinie. Die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche verstärkte die Distanz Stepinacs zur Ustaša. Die Gewaltforschung hat die großen Handlungsräume der regionalen Akteure in ethnonationalen Vorhaben in Hitler-Europa bereits transparent gemacht.379 Auch kann vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse die erwartete Analogie zwischen der Ustaša und den deutschen Apparaten hinterfragt werden. Immerhin konnte die römisch-katholische Kirche fernab der Kontrolle der NS-Stellen staatliche Programme im angeblichen „Satelitenstaat“ zum Fall bringen, was für einen hohen Grad an politischer Autonomie der Ustaša sowie für unterschiedliche Machtzentren im NDH spricht. Die Analyse der lokalen Praxis im Umgang mit der serbischen Bevölkerung einerseits und der Ideologie der Ustaša andererseits zeigte die darin inbegriffene Dialektik.380 Aus der Pragmatik der Beherrschung der lokalen Situationen heraus wurden auf der einen Seite ideologische Überbauten der nationalen Inklusion entwickelt. Aus inkohärenten ideologischen Prämissen der Ustaša wurden in ihrem polykratischen Herrschaftssystem auf der anderen Seite zum Teil entgegengesetzte Praktiken etabliert, beobachtbar etwa in der Missachtung muslimischer Forderungen nach Gleichberechtigung, der eigensinnigen Politik der Großgespane u. a.
379 KoRb, Schatten, 10 f. 380 Angelehnt an Ideologie-Praxis-Dialektik bei WoLF, Ideologie, 470.
KAPITEL 3 NICHT NUR GOTT UND KROATEN. DIE NS-POLITIK UND REGIONALE INITIATIVEN 1. „NICHT KALT UND NICHT WARM“. DIE NS-POLITIK UND DIE ORTHODOXEN KIRCHEN Die Leitung der serbisch-orthodoxen Kirche wandte sich im Sommer 1941 mehrmals hilfesuchend an die deutschen Stellen in Serbien. Im August 1941 reichte die serbisch-orthodoxe Kirche ein Memorandum über die Verbrechen an der serbischen Bevölkerung im Unabhängigen Staat Kroatien beim deutschen General im besetzten Serbien, Danckelmann, ein. Der Budimer Bischof Valerian war der Unterzeichner des Schriftstücks. Die Beschreibungen der Verbrechen der Ustaše gelangten auf diesem Weg erstmals nach Deutschland und nach England, wo sich die serbische Exilregierung aufhielt. Die Grundlage des Memorandums bildeten zum Teil Berichte der serbischen Flüchtlinge aus dem Ustaša-Gebiet, darunter des vertriebenen serbischen Klerus. Die vermittelten Bilder über blutrünstige Ustaše, die im Namen der katholischen Kirche Serben bestialisch töteten und konvertierten, sollten die deutsche und jugoslawische Korrespondenz und Publizistik in der kommenden Zeit prägen und später Eingang in die Geschichtsschreibung finden. Für die Aufladung des Konfliktes zwischen den Kriegsparteien im NDH mit religiöser Symbolik sorgten die Täter selbst, etwa durch religiös konnotierte Rituale, die den Zusammenhalt der Ustaša stärken sollten. Doch dies geschah auch durch Fremdzuschreibungen religiöser Autoritäten, die aus dem Stoff des Konfliktes eine Bibelgeschichte fabrizierten. Gefallene Engel und Dämonen betraten die Bühne. Es sollte Jahrzehnte dauern, bis die Geschichtsschreibung die gewalttätigen Auseinandersetzungen auf dem jugoslawischen Territorium als ein multiples und sich dynamisiertes Gewaltgeschehen deutete, das nichts mit religiösem Fanatismus gemein hatte. Für die Zeitgenossen brachte bereits ein Kommentar zum Memorandum, das ein Mitglied der Kroatischen Bauernpartei in London verfasste, die Situation in diesem Teil von Hitlers Europa auf den Punkt: „War intermixed with civil war and guerilla fighting carried on by different groups and movements. […] One series of atrocities engenders another and we go further and further into the horrors of war“1 Für die Konvertiten waren ihre Konversionen meist bedeutungslos, ohne eine innere oder spirutuelle Relevanz. Eine große Relevanz hatten sie jedoch für die religiösen Akteure, die den Konversionsakten eine religiöse und identitäre Dimension zusprachen. Weil sie von der serbisch-orthodoxen Kirche als ein Angriff der katholischen Kirche in 1
AJ-103-158-458 Comments on the Memorandum of the Serbian Orthodox Church addressed to General Danckelmann; Den Kommentar verfasste der Ökonom und Mitglied der Kroatischen Bauernpartei im Exil, Rudolf Bićanić. tomaSevich, Occupation, 721.
1. „Nicht kalt und nicht warm“. Die NS-Politik und die orthodoxen Kirchen
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Kroatien verstanden wurden, wurde ihre Bedeutung für die Einzelnen überhöht und inszeniert. Das erste Memorandum der serbisch-orthodoxen Kirche wurde etwa einen Monat vorher an den Militärbefehlshaber in Serbien, General Ludwig von Schröder, gesendet. Es enthielt neben Beschreibungen kroatischer Verbrechen an der serbischen Bevölkerung und dem Klerus auch Sympathiebekundungen gegenüber Deutschland und den Deutschen. Das Memorandum war ein Gesuch um Schutz und Einschreiten der Deutschen in die kroatische Politik. Das Gros der Beschuldigungen richtete sich gegen die römisch-katholische Kirche und ihren Klerus. Ungeachtet des Wahrheitsgehaltes der offensichtlich tendenziösen Darstellung über die römisch-katholische Kirche – zumal mit dem Versuch, historische Kontinuitäten entlang der Proselytismus-Debatte seit dem Mittelalter herzustellen – transportierte die Beschwerde ein überaus unvorteilhaftes Bild des Katholizismus nach außen. Bei den deutschen Rezipienten verstärkten die Beschreibungen die bereits in der nationalsozialistischen Ideologie verankerte Abneigung zur römisch-katholischen Kirche. Der Beweis für den extremen Bekehrungseifer der römisch-katholischen Kirche wurde geschickt vorgebracht. Die einheimischen Deutschen in der Batschka, Syrmien und Banat, die unter den Orthodoxen lebten, seien national bewusst geblieben, während die Deutschen in Kroatien kroatisiert wurden. Damit verbunden enthielt die Beschwerde auch eine Warnung, dass nämlich die Serben gerade wegen der fortschreitenden Katholisierung zum „verzweifelten und blutigen“ Widerstand aufgehetzt würden. Die Heilige Synode der serbisch-orthodoxen Kirche bot ihre Zusammenarbeit in der Eindämmung des serbischen Widerstandes gegen die deutschen und italienischen Kräfte durch die orthodoxe Geistlichkeit, wenn die deutsche Militärverwaltung die Rückkehr der inhaftierten und vertriebenen serbischorthodoxen Geistlichen in ihre Gemeinden in Kroatien und Bosnien ermöglichte.2 Zu den akuten Fällen gehörte das Gesuch um Freilassung zweier orthodoxer Bischöfe aus kroatischen Konzentrationslagern, das der kommissarische Justizminister in Serbien an den deutschen Militärbefehlshaber in Serbien herantrug. Der Chef des deutschen Verwaltungsstabs suchte anschlieβend, am 2. August 1941 die deutsche Gesandtschaft in Zagreb auf, damit sie sich bei den kroatischen Behörden für die Freilassung des Sarajevoer orthodoxen Metropoliten Petar Zimonjić (Bischof von Dabar-Bosna) einsetzte.3 Die deutsche Gesandtschaft schritt in der Regel bei kroatischen Behörden zugunsten von Nichtdeutschen nur dann ein, wenn ein „besonderes deutsches Interesse“ vorlag. Die Begründung für das besondere Interesse lieferte bald das Auswärtige Amt in Berlin. Da die Angelegenheit sehr empfindlich war, wurde indes der Militärbefehlshaber in Serbien aufgefordert, seinen Schriftverkehr mit deutschen Gesandtschaften außerhalb von Serbien über die Dienststelle des Auswärtigen Amtes in Belgrad abzuwickeln.4 So hieß es aus Belgrad: „Das 2 3 4
HR-HDA-235, 1 Beschwerde der Heiligen Synode der serbisch-orthodoxen Kirche an den General Ludwig von Schröder, o. D. (ca. Juli 1941); raDić, Verom, 47. PAAA-GZ, 67/2 Der Chef des Verwaltungsstabes für den deutschen Militärbefehlshaber in Belgrad an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, 2.8.1941. PAAA-GZ, 67/2 Die deutsche Gesandtschaft in Zagreb an den Bevollmächtigten des Auswärtigen Amts beim Militärbefehlshaber in Serbien betr. Erwirkung der Freilassung des Sarajevoer
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Kapitel 3 Nicht nur Gott und Kroaten
Auswärtige Amt beabsichtigt, die serbisch-orthodoxe Kirche zum Kampf gegen den kommunistischen Aufstand heranzuziehen. Mit Rücksicht hierauf wäre es erwünscht, die Freilassung des Metropoliten Peter zu erreichen.“5 Neben dem Metropoliten Petar wurde über die deutsche Gesandtschaft in Zagreb zusätzlich auch die Freilassung des Bischofs Sava Trlajić von Ober-Karlovac ersucht. Der deutsche Militärbefehlshaber in Serbien, Felix Benzler, erhöhte den Druck auf den Zagreber Gesandten Siegfried Kasche, der sich seinerseits mehrmals, doch vergebens an das kroatische Außenministerium wandte.6 Schließlich gab das kroatische Außenministerium am 9. Mai 1942 dem Polizeiattaché bei der deutschen Gesandtschaft, Hans Helm, bekannt, dass sich die beiden Bischöfe in keinem Lager befänden. Die Suche wurde auf Drängen Benzlers bis Oktober 1942 fortgesetzt.7 Beide Bischöfe waren bereits 1941 ermordet worden.8 Abgesehen von der Suche nach serbisch-orthodoxen Bischöfen, die eine Zusammenarbeit mit der Synode der serbisch-orthodoxen Kirche in Aussicht stellte, versuchten die deutschen Stellen, auch einzelne Geistliche für eine Zusammenarbeit gegen den Widerstand zu gewinnen. Im Frühjahr 1942 sollte die deutsche Gesandtschaft z. B. den Einsatz des Metropoliten Dositej Vasić prüfen. Dositej wurde vor seiner Überstellung an die Feldgendarmerie in Semlin im Mai 1942 von den Ustaše schwer misshandelt und „scheine im kirchlichen Leben keine Rolle mehr zu spielen“. Auch politisch sei er nicht hervorgetreten, hieß es in einem Schreiben des Auswärtigen Amtes, womit weitere Bemühungen vermutlich eingestellt wurden.9 Die deutschen Stellen verhinderten außerdem bereits Verhaftungen des orthodoxen Klerus durch die Ustaša. Durch die Flucht nach Belgrad mit der Hilfe eines deutschen Offiziers, so berichtete der Militärgeistliche Jovan Zeječar, konnte sich der Episkop Nektarije aus Tuzla der Verhaftung entziehen.10 Der deutsche Beglei-
5 6
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Metropoliten Peter, 9.8.1941; Ebd., Das AA an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, 15.10.1941. Ebd., Der Bevollmächtigte des AA beim Militärbefehlshaber in Serbien an die deutsche Gesandtschaft in Kroatien, 15.11.1941. Ebd., Mehrere erfolglose Anfragen zum Verbleib der beiden Bischöfe seitens der deutschen Gesandtschaft in Zagreb an das kroatische Außenministerium, 23.3.1942, 22.4.1942, 21.5.1942; Ebd., Mehrere Gesuche aus Benzlers Büro an die deutsche Gesandtschaft, damit sie bei kroatischen Behörden interveniert, darunter auch direkte Anfragen von Benzler an Kasche, 5.2.1942, 10.3.1942, 8.5.1942. Ebd., Verbalnote des kroatischen Außenministeriums an die deutsche Gesandtschaft in Kroatien, 28.5.1942; Ebd., Die deutsche Gesandtschaft in Zagreb an den Bevollmächtigten des AA beim Militärbefehlshaber in Serbien, 30.5.1942; Ebd., Die deutsche Gesandtschaft, gez. Troll, an Benzler, 3.10.1942. mojzeS, Genocides, 63; raDić, Verom, 74. PAAA-GZ, 67/2 Verbalnote des kroatischen Innenministeriums an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, 28.3.1942; Ebd., Das AA an die deutsche Gesandtschaft, 21.4.1942. RS-AS-KFA, 9 Bericht für den orthodoxen Episkop der Eparchie (Bischof, Hohepriester) in Zaječar vom Militärgeistlichen Jovan Pajkanović, 10.4.1942; Ebd., Bericht für das KFA in Belgrad des Gerbers Ljubomir Antić, 16.11.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla -Zvornik, 22.12.1941. In seinem Bericht führt Nektarije die deportierten, vertriebenen und ermordeten Geistlichen seiner Eparchie namentlich auf.
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ter war ein Angehöriger der deutschen Geheimpolizei, bestätigte der Episkop auch selbst später in Belgrad. Den Namen des Offiziers nannte er in seinem Bericht nicht. Die Reise nach Belgrad mit dem Auto des Offiziers am 4. Juli 1941 erfolgte aus Gründen der Teilnahme des Episkops an der Sitzung der Heiligen Synode, erklärte er. Die Wohnung des Episkops in Tuzla bezog daraufhin ein deutscher Offizier. Trotzdem wurde sie ausgeplündert und das Eigentum der Eparchie einem Kommissar unterstellt.11 Dem serbisch-orthodoxen Pfarrer in Slavonska Požega verhalf ein pensionierter Lehrer deutscher Herkunft, N. Hegediš, zur Flucht. In Begleitung zweier deutscher Offiziere kam er im Juni 1941 nach Belgrad.12 Für die Pflege der Beziehungen zu orthodoxen Kirchen in Europa beantragte die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts 1941 eine Summe in Höhe von 100.000 RM. In der Begründung des Antrags hieß es, dass das Niederkämpfen der anglo-amerikanischen, französischen, römisch-kurialen und panslawistischen Kulturpolitik durch die Förderung des Nachwuchses der orthodoxen Kirche erfolgen solle. Dies sei vor dem Hintergrund der kriegerischen Entwicklungen und des Verhältnisses Deutschlands zur Ukraine das vordringlichste Ziel der deutschen Kulturpolitik.13 Die Korrespondenz der Vertretungen des Auswärtigen Amtes in Belgrad und Zagreb enthüllt ein reges Interesse der deutschen auswärtigen Politik an einer Zusammenarbeit mit der serbisch-orthodoxen Kirche in Serbien seit Juni 1941. Im Juli hatte die Kirchenführung eine Presseerklärung abgegeben, die von der Militärverwaltung in Serbien als Loyalitätserklärung aufgefasst wurde. Danach hatte sich die Kirche jedoch zurückgezogen. Das von den deutschen Stellen angestrebte Ziel war es vor allem, die serbisch-orthodoxe Kirche anzuregen, eine Zusammenarbeit aus eigener Initiative einzuleiten. Im September 1941 versuchte auch der Ministerpräsident in der serbischen Marionettenregierung, Milan Nedić, der Kirchenführung eine Erklärung abzugewinnen. Alle Versuche scheiterten jedoch weitgehend. Die serbisch-orthodoxe Kirche hatte sich bis zum Frühjahr 1942 weder entschieden gegen den Kommunismus noch für die Regierung Nedićs ausgesprochen. Vielmehr beobachteten deutsche Stellen eine Unterstützung der Mihajlović-Truppen seitens der Kirchenhierarchie. Der Hoffnungsträger, Bischof Nikolaj Velimirović, hatte sich auch nach monatelangen Bemühungen der Einsatzgruppe des Sicherheitsdienstes nicht auf die deutsche Seite geschlagen. In einem Erlass vom 20. Oktober 1941 hatte das Auswärtige Amt eben diese Zusammenarbeit mit ihm gefordert. Benzler sah den Grund für die Zurückhaltung der Kirchenführung in der Situation in Kroatien. Der serbische Klerus machte auch die deutschen Stellen für die Ver11 12
13
Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla -Zvornik, 22.12.1941. Nektarije war ein Mitglied der Heiligen Synode. Ebd., Bericht für das Flüchtlingskommissariat von der Hausfrau Ljuba Vukojević und vom Landarbeiter Vladimir Stojan, Belgrad, 26.9.1942; Ebd., vom Krämergehilfen Luka Milinković, Belgrad 4.6.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Priester Milenko Zjalić, Jagodina, 1.2.1942. PAAA-R 901/67686 Begründung von Dr. Granow für die Finanzierung der Frauenarbeit und der Beziehungspflege zu orthodoxen Kirchen, 24.9.1941; Zum Überblick über die deutsche Politik gegenüber den orthodoxen Kirchen in Europa ShKaRovSKij, Michael: Die Kirchenpolitik des Dritten Reiches gegenüber den orthodoxen Kirchen in Osteuropa (1939–1945). Münster 2004, 76–96; raDić, Verom, 40 f., 52 f.
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brechen der Ustaša und ihre Konversionspolitik verantwortlich, weil sie diese nicht verhinderten. Der stellvertretende serbische Patriarch ließ im Oktober 1941 über den deutschen evangelischen Pfarrer Bornikoel in Belgrad je zwei Schreiben an den deutschen evangelischen Bischof Heckel in Berlin und den deutschen evangelischen Bischof Popp im NDH weiterleiten. Es handelte sich dabei einerseits um die bereits im Juli an Schröder gerichtete Denkschrift gegen die „Greuel“ gegenüber der serbisch-orthodoxen Kirche und andererseits um eine Denkschrift zu den Voraussetzungen der Zusammenarbeit der serbisch-orthodoxen Kirche mit den deutschen Behörden. Beide Schreiben wurden jedoch zunächst von Benzler einkassiert und nur an Bischof Heckel übersandt. Im Frühjahr 1942 schlug Benzler schließlich vor, auf Abstand zur orthodoxen Kirche zu gehen und verbreitete die Nachricht, dass die Kirche ihre Gelegenheit verpasst hätte und der Sicherheitsdienst sich ebenfalls bereits zurückhielte. In der Presse wurde die Kirche „totgeschwiegen“, solange sie keine positive Stellung zu Nedić bezog. Eine Ausnahme bildete lediglich der Bischof Venijamin von Braničevo, der einen unpräzisen Hirtenbrief veröffentlichte. Eine Zusammenarbeit sei erst möglich, wenn eine bessere Stellung der serbischorthodoxen Kirche in Kroatien ermöglicht würde, so Benzler. Die Rede des kroatischen Minister Puk im Sabor hätte die Gemüter beunruhigt.14 In seiner Rede hatte Puk zugegeben, dass die Regierung religiöse Übertritte unterstützte. Nur wenige Tage später hatte Pavelić Puk darin widersprochen. Beide lehnten jedoch eine Anerkennung der serbisch-orthodoxen Kirche ab.15 Möglich, dass Pavelić Puk auf Druck der deutschen Gesandtschaft in den Rücken fiel. Benzler bemerkte, dass die Desavouierung Puks durch Pavelić jedoch nicht zu einer Meinungsänderung des orthodoxen Klerus in Serbien führte.16 Von deutschen Stellen wurden auch Forderungen nach Besetzung der Stellen in der obersten Synode und Kanzlei des Patriarchen im Einvernehmen mit der serbischen Regierung laut. Der deutsche Militärbefehlshaber in Serbien hatte sogar alle kirchlichen Angelegenheiten dem Justizministerium entzogen und dem Unterrichtsministerium unterstellt, um den Einfluss des Kollaborationsregimes auf die Kirche zu stärken. Damit fand eine Angleichung an kroatische Verhältnisse statt. 14
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PAAA-R 901/67686 Der Bevollmächtigte des AA in Belgrad, Benzler, an das AA in Berlin betr. Haltung der serbisch-orthodoxen Kirche, 7.10.1941 und 22.10.1941; Ebd., Notiz zum Gespräch mit Bf. Heckel über die Greuelschrift, gez. Granow, 1.11.1941; Ebd., GZ, 68 Benzler an das AA betr. die orthodoxe Kirche in Serbien, Antwort auf den Erlass vom 20.10.1941, 24.3.1942; Ebd., R 901/67686 Aufruf (Hirtenbrief) von Bf. Venijamin an den orthodoxen Klerus, 26.9.1941. Im Aufruf findet sich jedoch kein Bekenntnis zur Nedić-Regierung, lediglich der Hinweis, dass außerhalb des Herrschaftsbereichs des deutschen Militärbefehlshabers in Serbien Verbrechen an den Serben begannen wurden; Zur Übermittlung der Denkschrift außerdem noch EZA/5/895, A7858/41 Pf. Bornikoel an Bf. Heckel, 22.10.1941; Andere Autoren verstehen die Proklamation als ein Loyalitätsbekenntnis, so z. B. byFoRd, Jovan: Bishop Nikolaj Velimirović: ‚Lackey of the Germans‘ or a ‚Victim of Fascism‘? In: Serbia and the Serbs in World War Two. Hg. v. Sabrina P. Ramet / Ola LiSthaug. New York 2011, 128–155, hier 142. PAAA-GZ, 67/2 Die Rede von Puk im Sabor in deutscher Übersetzung, 25.2.1942; Ebd., Die Rede von Pavelić im Sabor in deutscher Übersetzung, 28.2.1942; Hrvatski List, 1.3.1942. PAAA-GZ, 68 Der Bevollmächtigte des AA in Belgrad, Benzler, an das AA in Berlin betr. orthodoxe Kirche in Serbien, Antwort auf den Erlass vom 20.10.1941, 24.3.1942.
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Die serbisch-orthodoxe Kirche bzw. der kirchennahe und faschistische Verein „Zbor“ unter dem Faschisten Dimitrije Ljotić stellten seit Oktober 1941 ihrerseits Bedingungen. In einem Leitaufsatz unter dem Titel „Nicht kalt und nicht warm“ griff Ljotić den Hirtenbrief von Bf. Venijamin scharf an, da er sich nicht klar gegen den Kommunismus und für Nedić positionierte. Ljotić forderte, dass der serbische Patriarch Josif aus der Internierung in einem Kloster entlassen und die Tagung der Synode in Anwesenheit aller Bischöfe – auch aus dem Ausland – ermöglicht wurde. Benzler bewertete die Forderungen als zu hoch. Die serbisch-orthodoxen Bischöfe aus Kroatien, darunter die bereits für diplomatische Fauxpas sorgenden Petar und Sava sowie Bischof Irenäus sollten befreit werden. Die Tätigkeit der Kirche und des Klerus sollte nicht behindert werden, während die orthodoxe Kirche in den Gebieten des NDH und anderen Gebieten wieder aufgebaut und ihr enteignetes Eigentum zurückgegeben werden sollte. Ferner verlangte Ljotić im Namen des Vorstandes der Heiligen Synode die Unterstellung der kirchlichen Angelegenheiten unter ein eigens dafür geschaffenes Sekretariat beim Justizministerium. Chancen hätten die deutschen Behörden außerdem nur, wenn sie die niedere, volksnahe Geistlichkeit für sich gewannen.17 Der Fokus wurde nun auf die Landgeistlichen in den umkämpften Gebieten gerichtet. Die evangelische Kirche in Deutschland und die serbisch-orthodoxe Kirche Die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin nutzte seit Mitte der 1930er Jahre die Verbindungen und die ökumenischen Aktivitäten der evangelischen Kirche (EK) in Deutschland für die Beeinflussung der orthodoxen Kirchen in Osteuropa im Sinne der deutschen Interessen. Der Konsistorialrat im kirchlichen Außenamt der evangelischen Kirche in Deutschland, Eugen Gerstenmaier, arbeitete insbesondere hinsichtlich der Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen auf dem Balkan mit der Informations- und Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes zusammen. In dieser Rolle organisierte er z. B. die Stipendienvergabe an orthodoxe Theologen für ein Studium in Deutschland. Die Stipendien wurden seit 1936 aus den Mitteln des Auswärtigen Amts für orthodoxe Theologen, Lehrer und Juristen gewährt. Dafür wurde ein Netzwerk aus „reichsdeutschen“ und „volksdeutschen“ evangelischen Geistlichen in Jugoslawien aufgebaut. Über den deutschen evangelischen Pfarrer Bornikoel in Belgrad versuchte nach Kriegsausbruch der Bischof der EK in Deutschland, Theodor Heckel, direkte Kontakte mit der serbisch-orthodoxen Kirchenführung zu knüpfen. Die „orthodoxen Dinge“ seien im vollen Lauf, meldete Bornikoel Anfang Juni nach Berlin. Da die Synode nicht tagte sei man jedoch vorsichtig, den Leuten sei es nicht an der geistigen Annäherung gelegen, so Bornikoel. Die deutschen Amtsstellen in Belgrad hielten sich ebenfalls zurück und boten keine Hilfe für die 17
Ebd., der Bevollmächtigte des AA in Belgrad, Benzler, an das AA in Berlin betr. orthodoxe Kirche in Serbien, Antwort auf den Erlass vom 20.10.1941, 24.3.1942; Ebd., Die Anlage: Die Forderungen der serbisch-orthodoxen Kirche, gez. Ljotić; Ebd., R 901/67686 Der Leitaufsatz von Ljotić unter dem Titel „Nicht kalt und nicht warm“, erschien in „Naša borba“, 20.10.1941.
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ökumenische Arbeit. Eine Zusammenarbeit bestand auch zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Kirchlichen Außenamt der evangelischen Kirche (KAEK) einerseits und dem russischen Bischof im Exil, Anastasius, andererseits. Den Geistlichen der russischen Kirche in serbischer Emigration konnte Bornikoel Treffen mit der evangelischen Kirche sowie mit Benzler in Aussicht stellen. Die wohl unerwartete Aberkennung der serbisch-orthodoxen Kirche in Kroatien hatte nämlich die Ziele des Auswärtigen Amts stark gefährdet. Im August 1941 wurde Gerstenmaier auf eine Balkanreise geschickt, „um mit Führung orthodoxer Nationalkirche Fühlung zu nehmen“18 und Stipendien des Deutschen Studienwerks für Ausländer zu vergeben. Er bereiste zwischen dem 2. und 22. September 1941 Serbien, Bulgarien, Griechenland und Rumänien, um erneut mit den Kirchenleitungen in Verbindung zu treten. Gerstenmaier kehrte in der Überzeugung nach Berlin zurück, dass die Vertreibungen und Zwangskonversionen in Kroatien die Organisation des Widerstandes in Serbien verursachten. Sein Vorschlag zur Bekämpfung des Widerstandes war es, der serbischen Regierung mit Hilfe von Benzler die Unterstützung der serbisch-orthodoxen Kirche zu ermöglichen. Das Ziel war, durch den Einfluss der serbisch-orthodoxen Kirche auf die Bevölkerung, breitere Kreise hinter die NedićRegierung zu bringen. Die deutschen militärischen Stellen in Serbien sowie der Sicherheitsdienst, der bereits eine eigene Politik aufzustellen versucht hatte, sollten die neue Strategie unterstützen, jedoch nicht beeinflussen. Der stellvertretende serbische Patriarch Josif sollte wegen seiner deutschfeindlichen Einstellung, die ihm u. a. auch von der bulgarischen Orthodoxie angelastet wurde, durch einen anderen Patriarchen ersetzt werden. Dazu schlug er den Bischof Nikolaj Velimirović von Žića vor, der in Opposition zum Patriarchen Gavrilo stand und ein Kritiker der serbisch-sowjetischen Annäherung war. Bischof Nikolaj war der führende Gegner des Konkordats zwischen dem Vatikan und Belgrad 1937.19 In diesem Sinne erließ das Auswärtige Amt am 20. Oktober eine entsprechende Anweisung, so dass Bischof Heckel Bornikoel zum Bischof Nikolaj schickte, damit er ihn für eine Zusammenarbeit bewegte. Nikolaj war bei der Bevölkerung beliebt, zumal er eine einflussreiche Laienbewegung leitete. Zuvor wurden anscheinend ähnliche Versuche mit dem rumänischen Kirchenführer unternommen. Gerstenmaier befürwortete außerdem eine Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Metropoliten Paissy von Vratza und dem Bf. Kyrill von Plovdiv, während er eine Zusammenarbeit mit dem Metropoliten Stefan ausschlug. Stefan war ein Verfechter der panslawischen Idee. Bei der Stipendienvergabe bestand eine Zusammenarbeit mit 18
19
PAAA-R 901/67686 Telegramm, gez. Twardowski, an den dt. Gesandten in Belgrad, 30.8.1941; Ebd., zu Prozessen der Stipendienvergabe und Schirmherrschaft 69678 Deutsches Studienwerk für Ausländer an das AA Kulturabteilung, 8.12.1941 sowie ebd. allgemein zur Stipendienvergabe an serbische Theologen ein Konvolut an Korrespondenz zwischen dem AA und deutschen Stellen in Kroatien und Serbien. – Zu Gerstenmaiers Engagement außerdem noch muRtoRinne, Eino: Die Finnisch-deutschen Kirchenbeziehungen 1940–1944. Göttingen 1990, 76 f. – Zu Bornikoels Engagement EZA/5/866, Bd. 7, A7066/41 Pf. Bornikoel an Bf. Heckel, 11.6.1941 und ebd., 5/895, A7169/41, 30.6.1941. PAAA-R 901/67686 Reisebericht von Gerstenmaier betr. orthodoxe Nationalkirchen des Südostens, 24.9.1941; Ebd., zur Abstimmung der Strategie des SD mit dem AA das Schreiben von Granow, 1.11.1941; PeRica, Idols, 18.
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dem bulgarischen Theologen Zankow. Zankow leitete die Eingaben der serbischen Kirchenführung an das KAEK weiter. Im Reisebericht von Gerstenmaier wurden auch Kontakte und Beziehungen zur griechischen und rumänischen Orthodoxie und die gemeinsamen Ziele erötert, die Ausbreitung der römisch-katholischen Kirche im Südosten und des Bolschewismus zu verhindern.20 Die Kultusabteilung beim Auswärtigen Amt setzte sich im gleichen Zuge für den Erhalt der russisch-orthodoxen Kirchen in Leipzig und Dresden ein. Der Hintergrund des Erhalts der Kirchen war, eine positive propagandistische Wirkung auf die orthodoxe Welt zu erzielen. Nach der Intervention des Reichskirchenministers wurde die geplante Auflösung des Leipziger Vereins zur Erhaltung der russischen Kirche sowie der Leipziger und Dresdner russischen orthodoxen Kirchen gestoppt. Im Einvernehmen mit der Gestapo und der Reichsstatthalterei wurde ein neuer Kirchenvorstand einberufen.21 Gesandtschaftsrat Granow von der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts übermittelte im Oktober 1941 Bischof Heckel die beiden Denkschriften der serbischen Kirchensynode über die Verbrechen gegenüber der serbisch-orthodoxen Kirche in Kroatien und die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit zwischen der serbisch-orthodoxen Kirche und den deutschen Behörden. Dabei wies er die evangelische Kirche in Deutschland an, nur bei der Stipendienvergabe zu vermitteln und nicht selbst in die Lösung der „orthodoxen Frage“ einzugreifen. Bischof Heckel versicherte, keine praktischen Schritte unternehmen zu wollen. Dem serbischen Patriarchen versicherte Heckel anschließend, dass deutsche Stellen bereits tätig seien, die evangelische Kirche jedoch nicht politisch tätig sein durfte.22 Zeitgleich wurde neben dem KAEK auch der Sicherheitsdienst auf die Strategie des Auswärtigen Amtes abgestimmt.23 Am 12. November 1942 schrieb der bulgarische Theologe Stefan Zankow aus Sofia erneut an Bischof Heckel in Berlin. Zankow wiederholte seine Bitte an Heckel, „Schritte vor den betreffenden deutschen Faktoren unternehmen zu wollen, damit durch entsprechende Intervention dieser grausigen Verfolgung einer Kirche Christi ein Ende gemacht wird“.24 Er berichtete von der Verfolgung der orthodoxen Kirche in Kroatien und den offiziellen Memoranden der Heiligen Synode der serbisch-orthodoxen Kirche. An diesen Missständen erkannte Zankow die Absichten der römisch-katholischen Kirche, die orthodoxe Bevölkerung zum römischen Katholizismus zu überführen. Obwohl vom Auswärtigen Amt zur Zurückhaltung 20
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PAAA-GZ, 68 Der Bevollmächtigte des AA in Belgrad, Benzler, an das AA in Berlin betr. orthodoxe Kirche in Serbien, Antwort auf den Erlass vom 20.10.1941, 24.3.1942; Ebd., R 901/67686 Reisebericht von Gerstenmaier betr. orthodoxe Nationalkirchen des Südostens, 24.9.1941; byFoRd, Bishop, 143. PAAA-R 901/67686 Geplante, aber nicht abgeschickte Eingabe an den Reichsstatthalter in Sachsen, November 1941; Ebd., Vermerk über den Stopp der Auflösung der beiden Kirchen, 18.11.1941. Ebd., Notiz von Granow nach seinem Gespräch mit Heckel, 1.11.1941; EZA/5/895, A7858/41 Bf. Heckel an das Patriarchat der serbisch-orthodoxen Kirche, ca. 22.11.1941. Ebd., Schreiben von Granow an den Chef der Sicherheitspolizei und des SD betr. Behandlung der serbisch-orthodoxen Kirche, 8.11.1941. AJ 103–5, 430–433 Abschrift eines Briefes gerichtet an Bf. D. Th. Heckel von Stefan Zankow, 12.11.1942.
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verpflichtet, forderte Heckel das Auswärtige Amt auf, entsprechende Schritte in Kroatien zu unternehmen, damit die Vorfälle nicht gegen das Reich ausgelegt würden.25 Nicht nur der Balkan stand im Fokus der ökumenisch-politischen Tätigkeit der evangelischen Kirche in Deutschland. Ähnliche Bestrebungen wurden vom Auswärtigen Amt auch in Finnland angestoßen. Dazu gehörte Informationsbeschaffung über die lutherische und vor allem die orthodoxe Kirche in Finnland hinsichtlich der Instrumentalisierung dieser beiden Kirchen bei einer späteren Missionierung des Ostens. Gerstenmaier erhielt einen Sonderauftrag in dieser Angelegenheit und sammelte im Sommer 1941 ausführliche Informationen. Das Auswärtige Amt plante angeblich eine umfassende Hilfestellung gegenüber der orthodoxen Kirche im Osten, für welche russische Emigranten und Theologen vom Balkan verwendet würden. Anscheinend waren aber im finnischen Kontext auch Pläne über eine evangelische Missionierung des Ostens im Spiel. Es hieß, die lutherische Pfarrerschaft hätte aus nationalistischen Motiven Pläne zur Lutherisierung Ostkareliens vorbereitet, dann jedoch davon abgelassen, da die dortige Bevölkerung überwiegend orthodox war und eher mittels der orthodoxen Kirche beeinflusst werden konnte. Der finnische Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende des Pfarrerverbandes der finnischen Kirche, Virkkunen, lehnte eine finnische evangelische Missionierung des Ostens ab. Aus Russen Evangelische zu machen oder eine Bekehrungspropaganda unter den eigenen Orthodoxen zu betreiben wies er zurück, begrüßte jedoch einen möglichen Vorstoß solcher Art gegenüber den „Bibelchristen“. Insgesamt stand der finnische evangelische Klerus einem religiös-ideologischen Kreuzzug gegen den Atheismus positiv gegenüber. Insbesondere betraf dies die durch die Zusammenarbeit mit dem Reich in Aussicht gestellte Wiedereingliederung ehemals finnischer Gebiete an Finnland. Für die deutsche Seite bildete die orthodoxe Kirche in Finnland die „Brücke zum Osten“, eine Helferin im Kampf gegen den Bolschewismus. Die Interessen des finnischen Klerus überschnitten sich mit den deutschen besonders im Falle von Ostkarelien, dessen Bevölkerung bei einem Anschluss an Finnland und der Verwirklichung von „Großfinnland“ mittels der orthodoxen Kirche geistlich und geistig an das finnische Volk angegliedert werden sollte.26 Wie am Beispiel von Finnland deutlich wurde, stellten kirchenpolitische Pläne im Zweiten Weltkrieg weder eine Besonderheit der Ustaša-Bewegung noch des „Südost“-Raumes dar. Die Kulturpolitik des Auswärtigen Amtes bot dabei Anknüpfungspunkte und Impulse für die Ustaša-Politik. Während die Ustaša im Vergleich zu Finnland mittels der römisch-katholischen Kirche zunächst versuchte, die Serben zu katholisieren und so zu Kroaten zu machen, lehnten die Finnen es ab, aus Kareliern mittels der evangelischen Kirche Finnen zu machen. Vielmehr versuchten die Finnen die orthodoxe Kirche zu instrumentalisieren; eine Entwicklung, die sich in Kroatien erst infolge der nötig gewordenen Befriedungspolitik einstellte. 25 26
Ebd; PAAA-R 901/69678 Bf. Heckel an das AA anlässlich der Eingabe von Zankow, 10.12.1941; Ebd., zur Weiterleitung des Schreibens von Granow (AA) an die Partei-Kanzler der NSDAP, 5.2.1942. muRtoRinne, Kirchenbeziehungen, 77–88, 108–111.
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Die NS-Politik und die kroatisch-orthodoxe Kirche Vor dem Hintergrund der NS-Politik gegenüber der serbisch-orthodoxen Kirche kann eine weitere Kontextualisierung der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche angegangen werden. Berichte über die Verfolgung der orthodoxen Kirche in Kroatien und die Rückwirkungen dieser Verfolgung auf den Widerstand in Serbien veranlassten die Kultusabteilung des Auswärtigen Amts zur deutlichen Positionierung gegen die kroatische Religionspolitik sowie die herausragende Stellung der römisch-katholischen Kirche in Kroatien. Die deutsch-orientierte serbische Orthodoxie könne für die deutschen Belange nicht zum Zuge kommen, hieß es. Zu überzeugend waren die im Vorfeld zirkulierenden Memoranden und Protestnoten seitens der orthodoxen Kirchenhierarchie gewesen. Das Auswärtige Amt erließ am 5. September unmissverständliche Richtlinien für seine Vertretung in Zagreb: „Zur dortigen Unterrichtung darf bemerkt werden, dass es uns einerseits unerwünscht ist, wenn die katholische Kirche ihre Machtstellung auf dem Balkan durch Zwangsbekehrungen in Kroatien ausbaut und vergrößert, und dass wir anderseits auf die Stimmung und Haltung der orthodoxen Kirchenkreise in Serbien, zu denen wir Beziehungen unterhalten und weiterpflegen wollen, gewisse Rücksichten zu nehmen haben.“27
Der deutsche Gesandte in Zagreb, Siegfried Kasche, vertrat jedoch den Standpunkt, dass die kroatische Politik gegenüber der orthodoxen Kirche maßgeblich durch ihre Rolle und die Tätigkeit ihrer Geistlichen bei der Verbreitung des serbischen Nationalismus bedingt war. Alle Maßnahmen gegen sie seien gerade in Anbetracht des Erfolgs des Kampfes gegen den Widerstand durchgeführt worden.28 Tatsächlich entsprach diese Erklärung der Position der kroatischen Regierung, die die Maßnahmen gegen die orthodoxe Kirche verschärfte, um den Aufstand zu bekämpfen. Diese Einstellung sollte sich zu dieser Zeit im September 1941 noch nicht geändert, sondern weiter gefestigt haben, wie an der Institutionalisierung der Konversionspolitik zu beobachten war. Gleichzeitig reagierte Kasche auf die Kritik des Auswärtigen Amtes hinsichtlich der Stärkung der gesellschaftlichen Rolle der römisch-katholischen Kirche mit der Bemerkung, dass dies nicht im Sinne Pavelićs war, denn er hätte auch Übertritte zum Protestantismus gewünscht.29 Im September 1941 ersuchte Pavelić den deutschen evangelischen Bischof Popp in Zagreb um Hilfe. Die deutsche evangelische Kirche in Kroatien (DEK) sollte ihm helfen, einen Teil der Orthodoxen zu konvertieren. Fraglich bleibt, ob Pavelić nicht gerade auf Druck Kasches bzw. des Auswärtigen Amtes auf die Protestanten zuging und indirekt von Ihnen zur Entscheidung, die evangelische Kirche in Kroatien in die Konversionspolitik einzubinden, veranlasst wurde. Schließlich beschnitt Pavelić mit der Eröffnung der Religionsabteilung bei der Staatsdirektion für Erneuerung die Kompetenzen und Rechte der römisch-katholischen Kirche gravierend. In diesem Deutungsrahmen 27 28 29
PAAA-GZ, 68 Erlass des AA an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, 5.9.1941; Ebd., Abschrift zu Kult Gen 1761/41. Ebd., Bericht von Kasche an das AA betr. orthodoxe Kirche in Kroatien, 24.9.1941. Ebd.
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erscheint die Gründung der Religionsabteilung im Zeitraum zwischen dem Erlass des Auswärtigen Amtes vom 5. September und Kasches Antwortschreiben vom 24. September als ein Lösungsversuch von Pavelić, den Widerstand zu bekämpfen und die Ausbreitung des Einflusses der römisch-katholischen Kirche zu hemmen. Bei der Verkündung der gesetzlichen Verordnung zur Gründung der kroatischorthodoxen Kirche stellte die Ustaša die Gründung als eine Initiative der orthodoxen Geistlichen Lazić, Šurlan u. a. dar. Es sollte der Eindruck vermittelt werden, die Regierung beugte sich dem Gesuch der Orthodoxen selbst.30 Ähnliche Ziele verfolgte Benzler in Serbien mit der Erwartung, dass die Initiative zur Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden von der serbisch-orthodoxen Kirche selbst eingeleitet würde. Beiden war es bewusst, dass nur eine freiwillige Zusammenarbeit positive Reaktionen bei ihren Mitgliedern auslösen konnte. Tatsächlich wurde die Idee einer kroatischen orthodoxen Kirche schon zu Beginn der Regierung der Ustaša von verschiedenen Seiten in Umlauf gebracht. In seinem Bericht vom 14. Juni 1941 schlug der Informant von Glaise von Horstenau, Hauptmann Arthur Häffner, eine Reform der serbisch-orthodoxen Kirche vor. Neben Forderungen nach Anerkennung des Grundsatzes, dass mit der Zugehörigkeit zur SOK nicht zugleich auch die Zugehörigkeit zur serbischen Nationalität verquickt wird, wies Häffner auf die Möglichkeit hin, die serbisch-orthodoxe Kirche in Kroatien anzuerkennen, wenn sie kroatisch-nationalen Charakter annehme. Häffner versuchte durch die Anknüpfung an alte Strukturen der Habsburgerzeit, die Lösung des „Serbenproblems“ voranzutreiben. Bis in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts soll sich die „griechisch-orientalische“ Bevölkerung als Kroaten bekannt haben. Angeblich hätte Ungarn dann den serbischen Nationalismus gefördert, um die kroatische Bevölkerung zu bekämpfen. Die Angehörigen einer solchen modifizierten orthodoxen Kirche sollten im Beruf und bei der Versorgung mit den Kroaten gleichgestellt werden, wenn sie sich national als Kroaten bekannten. Häffner nahm hier direkten Bezug zu den derzeit stattfindenden Entlassungen der Serben aus dem Staatsdienst. In einem höhnischen Ton bemerkte Häffner, dass „gewisse klerikale Kreise“ den Übertritt der orthodoxen Bevölkerung in die römisch-katholische Kirche wünschten, was er für den falschen Weg hielt.31 Auf der kroatischen Seite hatte wohl der Außenminister Mladen Lorković schon 1941 ähnliche Pläne geäußert. In seinem Bericht an das Auswärtige Amt vom 24. September 1941 erklärte Kasche, dass Lorković beabsichtigte, „später“ den „Restbestand“ der Orthodoxen in Kroatien vom serbischen Patriarchen zu lösen und in einer kroatischen orthodoxen Kirche zusammenzufassen. Kasche hielt diese Entwicklung für zweckmäßig. Kasches spätere Berichte über die Gründung und Wirkung der kroatisch-orthodoxen Kirche an das Auswärtige Amt standen in Verbindung mit dem Erlass des Auswärtigen Amts vom 5. September, die Interes-
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Hrvatski List, 5.4.1942 Gesetzliche Verordnung zur Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche; Ebd., über den Ursprung des Vorhabens, 17.4.1942. BArch RH 31-III, 16–21 Bericht über die vordringlichsten Probleme des selbstständigen Staates Kroatien von Arthur Haeffner, 14.6.1941.
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sen der serbisch-orthodoxen Kirche zu beachten, sowie seiner Antwort darauf vom 24. September.32 In einer Unterredung mit Kasche erklärten Lorković und Pavelić im Februar 1942, zwei wichtige Schritte bei der Befriedung des Landes unternehmen zu wollen. Zum einen kündigte Pavelić an, die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche im Sabor bekannt zu geben und zum anderen Maßnahmen gegen die Polizei- und Ustaša-Ausschreitungen zu ergreifen. Den aktuellen Hintergrund bildeten gewalttätige Ereignisse in Ostbosnien.33 Später resümierte Kasche zutreffend, die KOK sei nicht geschaffen worden, um eine serbische Volksgruppe außerhalb von Serbien anzuerkennen, sondern sei ein Versuch gewesen, „das religiöse Bedürfnis dieser Kreise zu befriedigen, um das nationale mehr und mehr zurücktreten zu lassen“. So sollte die KOK stärker in den Vordergrund gestellt werden.34 Die Gründung der KOK wertete er als eine positive Maßnahme.35 Zu den Motiven der Gründung der KOK zählte Nikica Barić die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen den religiösen Gruppen in Bosnien. Die meist zur römisch-katholischen Kirche durchgeführten Übertritte der Serben hätten den Anteil der Katholiken vergrößert und zur Unzufriedenheit unter den Muslimen geführt, die den NDH aufgrund der Verschiebungen in der traditionellen Verteilung der Bevölkerung zunehmend als einen katholischen Staat wahrnahmen.36 Tatsächlich führte Kasche u. a. auch dieses Argument in seinem Bericht zur Kirchengründung gegenüber dem Auswärtigen Amt an und ergänzte es mit der Erklärung, die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche nähme den Muslimen die Angst vor einer Katholisierung der ganzen Bevölkerung im NDH.37 In der Summe war es die Befriedung des Landes, die mit der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche angestrebt wurde und welche sich als übergeordnetes Argument durch die diplomatischen und militärischen Beziehungen zog. Die Bekämpfung der Partisanen und die Unterordnung der Četnici stellten dabei eine Seite der Medaille dar, während auf der anderen die „muslimische Frage“ und Begrenzungen des Einflusses der römisch-katholischen Kirche standen. Die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche wurde in der bisherigen Forschung als ein Ergebnis der NS-Politik betrachtet. Ihre Gründung wird z. B. von Buchenau mit einem ähnlichen nationalsozialistischen Projekt aus den späten 1930er Jahren zum Bau der orthodoxen Kathedrale in Berlin und Gründung einer
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PAAA-GZ, 68 (auch R 901/67686) Bericht von Kasche an das AA betr. orthodoxe Kirche in Kroatien, 24.9.1941; Ebd., Erlass des AA an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, 5.9.1941; Ebd., (auch R 901/69663) Kasche an das AA mit Beziehung auf die Berichte vom 24.9.1941 und 22.4.1942 betr. kroatisch-orthodoxe Kirche, 12.6.1942. PAAA-R 901/69678 Telegramm von Kasche an das AA, 7.2.1942. PAAA-GZ, 243 Vermerk von Kasche, November 1942. Ebd., 68 Fernschreiben von Kasche an das AA in Berlin anlässlich des Gesetzesdekrets zur Gründung der KOK, 8.4.1942. Barić, O osnutku, 137 f. PAAA-GZ, 68 (auch R 901/69663) Eingabe von Kasche an das AA mit Bezug auf die Berichte vom 24.9.1941 und 22.4.1942 betr. kroatisch-orthodoxe Kirche, 12.6.1942.
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nationalen deutschen orthodoxen Kirche in Verbindung gebracht.38 Für eine deutsche Beteiligung an der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche spricht auch der Umstand, dass sie gegründet wurde, nachdem die von den deutschen Behörden angestrebte Zusammenarbeit mit der serbisch-orthodoxen Kirche von Benzler im März 1942 als gescheitert erklärt wurde.39 Nicht abwegig scheint deshalb die Erklärung, dass die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche ein Kompensationsversuch der deutschen Stellen war, um die Beziehungen zur Orthodoxie dennoch zu verbessern. Der neue kirchenpolitische Kurs der kroatischen Regierung sollte in serbischen Kreisen bekannt gemacht werden, weil davon eine positive Reaktion erwartet wurde.40 Die kroatisch-orthodoxe Kirche war außerdem nicht die einzige unter deutscher Vermittlung gegründete orthodoxe Kirche im Zweiten Weltkrieg. Am 27. April 1941 wurde die orthodoxe ungarisch-ruthenische Kirche ins Leben gerufen, die mit etwa 200 Gemeinden in den angegliederten Gebieten der Tschechoslowakei und Gebieten mit serbischer und rumänischer Bevölkerung die „Volksungarn“ gleicher Kirchenzugehörigkeit zusammenfasste.41 Wenn Benzler und das Auswärtige Amt die Forderungen der serbisch-orthodoxen Kirche nach Wiederaufbau der orthodoxen Kirche in Kroatien und Rückgabe des enteigneten Eigentums ernst nahmen, erscheint die Gründung der kroatischorthodoxen Kirche sogar als eine Initiative der serbisch-orthodoxen Kirche selbst. Die serbisch-orthodoxe Kirche in Serbien wünschte jedoch sicherlich nicht die Gründung einer von ihr unabhängigen Kirche. Für die deutschen Apparate konnte diese wiederum so etwas wie ein Kompromiss bedeuten. Indem von der deutschen Diplomatie langfristig die Einbeziehung des hohen serbischen Klerus angestrebt wurde und eine Werbung unter den verbliebenen orthodoxen Geistlichen im NDH 38
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ShKaRovSKij, Kirchenpolitik, 92–95; Ramet, Jugoslawien, 172 f.; buchenau, Spuren, 397. – Zur antikatholischen Haltung von Pavelić als dem Motiv der Kirchengründung deRS., Orthodoxie, 73 f.; deRS., Kirchen, 72 f.; Ebd., Diskussion über zwei weitere Motive der Gründung der KOK: 1. Pavelić habe mit der Gründung der KOK die Monopolstellung der RKK in Kroatien untergraben und Erzbischof Stepinac gefügiger machen wollen, und 2. Stepinac selbst habe die Gründung der KOK vorgeschlagen. Allerdings blenden diese Erklärungen die an die Kriegssituation gebundenen Motive aus, wie die beabsichtigte Befriedung und den Druck der deutschen Politik. Das erste Motiv (1), welches Eugen Kvaternik in seinen Erinnerungen anführte, ist zudem unlogisch. Warum hätte ein durch die Gründung einer neuen Kirche provozierter Bruch mit Stepinac ihn gefügiger machen können? Pavelić musste bedacht haben, dass die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche zur weiteren Entfremdung von Stepinac vom Ustaša-Regime führen würde. Das zweite Motiv (2), welches von Vilim Cecelja angeführt wurde, kann nach vorliegenden Analysen verworfen werden. Buchenau schreibt außerdem, dass Pavelić in seiner Jugend der Orthodoxie beitreten und eine kroatische orthodoxe Kirche gründen wollte, führt allerdings keine Belege dafür an. deRS., Katholizismus, 239, 245; deRS., Kirchen, 66 f.; ognyanova, Religion, 183. PAAA-GZ, 68 Der Bevollmächtigte des AA in Belgrad, Benzler, an das AA in Berlin betr. orthodoxe Kirche in Serbien, Antwort auf den Erlass vom 20.10.1941, 24.3.1942. PAAA-R 901/69678 Das AA an den dt. Militärbefehlshaber in Serbien, 13.4.1942. PAAA-R 901/67687 Eingabe der ungarischen provisorischen Organisation der orthodoxen Kirche an das Reichsministerium für Erziehung und Unterricht, Abtl. kirchliche Angelegenhieten, o. D.; Ebd., 67686 Vermerk der Kulturabtl. des AA betr. Gründung einer orthodoxen ungarischruthenischen Kirche, Oktober 1941.
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auch von Pavelić begrüßt wurde, eröffnete sich eine positive Perspektive für die Zusammenarbeit zwischen dem Reich und der Orthodoxie. Die neue Entwicklung brachte aber anscheinend unerwartete Probleme, weil die deutsche Vermittlungspolitik bei der Gründung der kroatsich-orthodoxen Kirche die deutschen Beziehungen zur serbisch-orthodoxen Kirche gefährdete. Der Metropolit Anastasius, Vorsitzender der Heiligen Erzbischöflichen Synode der russischorthodoxen Kirche im Ausland, versuchte anlässlich der Gründung des Metropolitanbezirkes in Deutschland über die Vertretung des Auswärtigen Amtes in Berlin die Versammlung einer Synode zu erwirken. An den Vorbereitungen in Belgrad sollten ausdrücklich die Erzbischöfe Germogen und Teophan teilnehmen. Kasche befürwortete das Treffen, befürchtete jedoch, dass sich Anastasius offen gegen Germogen und die neue Kirche stellen könnte. Gegründet, um das Verhältnis zur Orthodoxie insgesamt zu stärken, drohte die kroatisch-orthodoxe Kirche zum größten Störfaktor zu werden. Die deutschen Behörden in Belgrad sollten entsprechend auf Anastasius einwirken. Lorković sprach sich gegen eine Reise Germogens nach Belgrad aus, da die Propaganda Stimmung gegen ihn machte. Im Gegenzug versuchte Lorković, Kasche dafür zu gewinnen, dass er sich für eine Reise Anastasius’ nach Kroatien einsetzte. Kasche lehnte dies ab, da es nicht der Praxis bei Einberufungen von Bischöfen entsprach.42 Gleichzeitig versuchte der Vertreter der russischen Emigration in Kroatien, Ferchmin, auf Anastasius einzuwirken, um dessen öffentliches Auftreten gegen die kroatisch-orthodoxe Kirche zu verhindern. Benzler verhinderte zunächst durch Zensur eine öffentliche Stellungnahme von Anastasius.43 Die Bemühungen scheiterten dennoch. Die Wahl Germogens zum Oberhaupt der kroatischorthodoxen Kirche wurde als ein antikanonischer Akt gewertet, der eine Resolution Anastasius’ nach sich zog. Die am 24. Mai 1942 in Umlauf gebrachte Resolution führte mehrere Brüche des Kirchenrechts an. Der Übergang von einer Eparchie zu einer anderen ohne Erlaubnis oder Ersuch des Episkops oder Metropoliten, die Ernennung zum Oberhaupt der kroatisch-orthodoxen Kirche lediglich seitens der Landesregierung und nicht durch eine kirchliche Instanz, die Mitwirkung an ungesetzlichen Vereinigungen und Ungehorsam gegenüber der Kirchenobrigkeit der russisch-orthodoxen Kirche waren Vorwürfe, die u. a. dazu führten, dass Germogens Fall vor ein Kirchengericht gebracht und ihm die Priestertätigkeit untersagt wurde.44 Benzlers stetige Vermittlungen erreichten zumindest, dass Anastasius eine Legalisierung der kroatisch-orthodoxen Kirche im Falle der Zustimmung der serbischorthodoxen Kirche in Aussicht stellte. Anastasius zeigte sich zudem bereit, vom Verbot der sakramentalen Handlungen für Germogen abzusehen, wenn Germogen ihm schriftlich die Gründe seiner Entscheidung unterbreitete. Der Hintergrund der letzten Forderung war die an Anastasius herangetragene Information, dass Ger42 43 44
PAAA-GZ, 68 Telegramm von AA an Kasche, 5.6.1942; Ebd., Telegramm von Kasche an die diplomatische Vertretung in Belgrad, 11.6.1942; Ebd., Verbalnote von Lorković an Kasche, 30.7.1942 und Kasches Antwort, 6.8.1942. PAAA-GZ, 68 (auch R 901/69663) Kasche an das AA mit Beziehung auf die Berichte vom 24.9.1941 und 22.4.1942 betr. kroatisch-orthodoxe Kirche, 12.6.1942; Ebd., Telegramm von Benzler an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, 13.6.1942. HR-HDA-235, 1 Resolution über den Ausschluss Germogens, 24.5.1942.
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mogen von Pavelić gezwungen wurde, sein Amt anzutreten. Mit der schriftlichen Bestätigung dieser Umstände hätte er seine Person als Geistlicher rehabilitiert. Germogen wurde jedoch angeblich gewarnt, dass die orthodoxe Bevölkerung noch mehr Schaden nehmen würde. Zur Abschreckung sollen die Ustaše in der Umgebung von Bosanska Dubica Verbrechen gegen die serbische Bevölkerung verübt haben. Dabei wurden auch mehrere Russen verhaftet.45 Die russische Auslandskirche. „Wohlwollende Behandlung“ und „Eckpfeiler“ Der russische Metropolit Anastasius arbeitete zwar mit dem Dritten Reich gegen den Bolschewismus in der Sowjetunion zusammen, lehnte jedoch eine Zusammenarbeit mit dem Ustaša-Regime ab. Er übte Einfluss sowohl auf die serbischen kirchlichen Kreise als auch auf die deutsche Diplomatie im Konflikt um die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche. Weder die deutschen Stellen noch die kroatische Regierung konnten den Verlust seiner Autorität in der kirchenpolitischen Arbeit riskieren. Die deutschen Stellen konnten es in Serbien vor allem nicht, nachdem die Zusammenarbeit mit der serbisch-orthodoxen Kirche gescheitert war. Die militärische Lage in der Sowjetunion machte die Zusammenarbeit mit der russisch-orthodoxen Kirche umso notwendiger. Zwischen der Ustaša-Regierung und Anastasius herrschten seit Frühsommer 1941 Spannungen, weil die anti-serbischen Maßnahmen im NDH nicht ausdrücklich andere orthodoxe Gruppen ausschlossen. Bei den Verhaftungen der orthodoxen Geistlichen im Juni 1941 wurden z. B. auch russische und montenegrinische Priester aus Zagreb interniert. Sie wurden schließlich mit der Auflage freigelassen, keine Gottesdienste zu halten. Die Montenegriner mussten nach Montenegro ausreisen. Der russische Priester Serafim Kupčevski konnte vorerst seine Tätigkeit fortsetzen. In der zweiten Verhaftungswelle von orthodoxen Priestern wurde er im August 1941 erneut einige Tage verhaftet. Nach der Freilassung wurde er Archivar der orthodoxen Kirchengemeinde in Zagreb und konnte nur in privaten Räumen Gottesdienste halten. Der orthodoxe Priester des bulgarischen Konsulats, Dr. Stefan Bolčev, durfte als einziger orthodoxer Geistlicher Gottesdienste in der Kirche abhalten.46 Montenegrinische Geistliche wurden nachträglich von den Aussiedlungen ausgenommen, soweit sie sich nicht als Serben „fühlten“. Die rumänische, mazedonische, bulgarische, russische und ukrainische sowie die „loyale“ montenegrinische orthodoxe Bevölkerung wurde von der Aussiedlung nach Serbien ausgenommen.47 45
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Zu den Umständen der Organisation und Anerkennung der kroatisch-orthodoxen Kirche Konvolut PAAA-GZ, 68: Ebd., z. B. Telegramm von Benzler an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, 16.6.1942; Ebd., Memorandum, gez. Ferchmin, 17.6.1942; Ebd., z. B. Vermerk von Kasche gelegentlich einer Unterredung mit dem Konsul Ferchmin, 20.6.1942 und Germogen, 10.7.1942. RS-AS-KFA, 19 Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Ober-Pf. Stavrofor Dimitrije Vitković, o. O. und D. HR-DAOS-701, 16 und HR-DAOS-6, 5795 Inhaftierung der Geistlichen, Handlungsweise bei Rumänen, Montenegrinern, Mazedoniern und Russen, Staatsdirektion für Erneuerung in Zag-
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Die ersten Erpressungen der Verwaltung und Ustaša zum religiösen Übertritt richteten sich auch gegen ukrainische Gemeinden in Bosnien, wo seit 1922 eine ukrainisch-orthodoxe Kirchengemeinde bestand. Sie gliederte sich in drei Pfarreien mit drei Pfarrern, besaß sechs Kirchen, Pfarrhäuser und zählte etwa 3.000 Gemeindeangehörige. In ihren Anfängen war sie noch dem Kiewer Metropoliten, anschließend dem ukrainischen Erzbischof in Amerika und später dem serbischen Patriarchen in Serbien unterstellt. Im NDH stellte sie sich nach dem Verbot der serbischorthodoxen Kirche unter die Jurisdiktion des ukrainischen Erzbischofs in Cholm im Generalgouvernement. Spätestens Mitte Juni 1941 kam es zu Erpressungen der Verwaltung und der Ustaše gegen die ukrainische orthodoxe Bevölkerung. Der ukrainische Presbyter Strilček wurde z. B. in Hrvaćani verhaftet und die Kirchen wurden abgeriegelt. Es fehlen aussagekräftige Belege dafür, wer die Aktionen leitete und warum die Ukrainer zum griechisch-katholischen Glauben konvertiert werden sollten. Die meisten griechisch-katholischen Geistlichen wurden aus Bosnien vertrieben und Šimrak hatte sie in Oberkroatien aufgenommen. Die deutsche Gesandtschaft intervenierte jedenfalls nach einem Gesuch von Strilček beim Außenminister Lorković, der eine „wohlwollende Behandlung“ der Ukrainer zusagte.48 Im September 1941 meldeten sich angeblich 450 Ukrainer aus den bosnischen Bezirken Banja Luka, Prijedor, Prnjavor und Bosanska Gradiška als Freiwillige im „Kampf gegen den Bolschewismus“.49 Hierbei handelte es sich wahrscheinlich um alle kampffähigen Männer der kleinen Bevölkerungsgruppe. Auch hierzu fehlen aber hintergründige Informationen. Zudem bewirkte die Gleichstellung der Ukrainer mit Serben in den Augen der lokalen Akteure vereinzelte Übertrittsgesuche der ukrainischen Bevölkerung zum Katholizismus in den kroatischen Bezirken. In Katinci im Bezirk Daruvar (Großbezirk Livac-Zapolje) z. B. bat Mitte Juli 1941 der dortige orthodoxe Priester ukrainischer Herkunft, Pavao Šamiljski, zusammen mit seinen Gemeindemitgliedern um einen Übertritt zum griechisch-katholischen Glauben.50 Es ist unwahrscheinlich, dass die Übertritte auch ausgeführt wurden, weil die Behörden zu dieser Zeit Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben nicht duldeten bzw. annullierten. Mitte August untersagte die Bezirksverwaltung außerdem dem inzwischen neuen Pfarrer in Katinci, Dimitrije Mrihin, die Ausübung seiner Pfarrertätigkeit.51 Die russisch-orthodoxe Kirche zählte im NDH etwa 6.000 Mitglieder und nur vier Geistliche. Jeweils eine Gemeinde befand sich in Sarajevo und Zemun und eine
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reb an alle Bezirke, Zweigstellen der Staatsdirektion für Erneuerung, Polizeibehörden, Großbezirke, Bürgermeisterämter und Aussiedlerlager, 9.8.1941. PAAA-GZ, 68 Aufzeichnung von Krainer, 21.6.1941; Ebd., der ukrainische Erzbf. Strilček an Kasche, 28.6.1941; Ebd., der Chef des Generalstabes an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb betr. ukrainische Gemeinde in Hrvaćani, 15.6.1941; Ebd., Der deutsche Gesandte an den Leiter der politischen Abteilung im Außenministerium, Vrančić, 1.7.1941. PAAA-GZ, 68/1 deutsche Übersetzung eines Artikels aus Novi List vom 8.9.1941. HR-HDA-1076, 446–1679 Bezirksvorsteher in Daruvar an Staatsdirektion für Erneuerung in Zagreb betr. Übertritte der Orthodoxen zum griechisch-katholischen Bekenntnis, 19.7.1941. šKiLjan, Filip: Vjerski prijelazi s pravoslavne na rimokatoličku i grkokatoličku vjeroispovijest na području kotareva Pakrac i Daruvar između 1941. i 1945 [Glaubensübertritte vom orthodoxen zum römisch- und griechisch-katholischen Bekenntnis in den Bezirksgebieten Pakrac und Daruvar 1941–1945]. In: Zbornik Janković I, Nr. 1 (2016), 101–122, hier 112.
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Kapelle in Crikvenica.52 Am 31. Mai 1941 wurden russische Orthodoxe mit einem Erlass des kroatischen Innenministeriums von den Beschränkungen, die der serbischen Bevölkerung auferlegt wurden, ausgenommen. Als am 4. Dezember 1941 die Zeitrechnung nach dem julianischen Kalender durch eine gesetzliche Verordnung53 der Regierung verboten wurde, reagierte der russisch-orthodoxe Bischof Anastasius empört. Er ersuchte in seinen Gesuchen an die deutsch-evangelische Kirchund Schulgemeinde in Belgrad (Bornikoel) um Vermittlung bei der Vertretung des Auswärtigen Amts in Belgrad zwecks einer Ausnahmeregelung für die russischen Emigranten und ihrer Gemeinden. Anastasius wandte sich außerdem direkt an das kroatische Ministerium für Justiz und Religion. Da die russisch-orthodoxe Kirche in Serbien einen wichtigen „Eckpfeiler“, so Anastasius, im deutschen Kampf gegen den Bolschewismus bildete, erwirkten die deutschen Stellen im März 1942 eine Korrektur des Gesetzes. Kasche willigte der Vermittlung jedoch erst ein, nachdem die russisch-orthodoxe Kirche detailliert die Gründe gegen die Umstellung auf den gregorianischen Kalender nannte. Als ein weiteres Entgegenkommen gegenüber der Orthodoxie – mit Rücksicht auf die angestrebte Verbesserung der Zusammenarbeit – führte Kasche die erfolgreiche Verhinderung des Abrisses der orthodoxen Kirche in Križevci sowie die Verhinderung der Schließung des Nonnenklosters in Hopovo in Syrmien auf.54 Im Kloster Hopovo, das ebenso wie die orthodoxe Kirche in Križevci von der griechisch-katholischen Kirche beansprucht wurde, fand Pavelić später den dort in Emigration lebenden russischen und bald kroatisch-orthodoxen Metropoliten Germogen. Das Gesuch der russischen Bevölkerung aus Ruma auf Nutzung der dortigen serbisch-orthodoxen Kirche wurde dagegen von der Staatsdirektion für Erneuerung abgelehnt. Angeblich wollte die Religionsabteilung die Nutzung der Kirche durch die serbische Bevölkerung verhindern. Die Kirche wurde für den Abriss vorgesehen.55 Germogen bzw. das Ministerium für Justiz und Religion verlangten von den russischen Geistlichen in kroatisch-orthodoxen Kirchen in Sarajevo und Zemun, dass sie bei Gottesdiensten Fürgebete für die kroatischen Zivilmächte bzw. Pavelić und für Germogen selbst sprachen. In orthodoxen Kirchen bedeutet diese Praxis, dass der in das Gebet eingeschlossene Bischof als Teil der Gebetsgemeinschaft und als Oberhaupt eines kirchlichen Gebietes anerkannt war. Die russisch-orthodoxe Kirche hatte Germogen jedoch nicht anerkannt und verweigerte die Einflussnahme Germogens auf die russischen Geistlichen im Gebiet des NDH. Germogens Vor52 53 54
55
PAAA-GZ, 207 Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10. und 28.7.1944. „Zakonska odredba o ukidanju Julianskog kalendara“ [Gesetzliche Verordnung über die Abschaffung des Julianischen Kalenders], in: Zbornik zakona, 1012 f. PAAA-GZ, 68 Konvolut zum Schriftverkehr zwischen Bf. Anastasius, dem Bevollmächtigten des AA beim Militärbefehlshaber in Serbien, dem Auswärtigen Amt in Berlin, dem deutschen evangelischen Bf. Heckel, dem kroatischen Ministerium für Justiz und Religion und der deutschen Gesandtschaft in Zagreb, 8.1.–26.3.1942; Ebd., R 901/69678 vereinzelte Schreiben zum gleichen Sachverhalt. HR-HDA-1076, 584–38 Das Gesuch Bezirksregierung in Ruma und das Antwortschreiben der Staatsdirektion für Erneuerung betr. Nutzung der serbisch-orthodoxen Kirche durch russische Kolonisten, 18.11.1941 und 15.12.1941.
1. „Nicht kalt und nicht warm“. Die NS-Politik und die orthodoxen Kirchen
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stoß wurde als „religiöse Vergewaltigung“ bezeichnet und er war Gegenstand einer Klage der bischöflichen Synode der russisch-orthodoxen Kirche im Ausland im Dezember 1943 an die deutschen Behörden in Serbien. Über den Gesandten des Auswärtigen Amtes in Serbien von Germogens Forderungen unterrichtet, leitete das Auswärtige Amt die Angelegenheit an Kasche nach Zagreb weiter. Die kroatische Regierung beabsichtigte, Germogens Forderungen weder zu erzwingen noch auf ihn einzuwirken, von seinen Forderungen zurückzutreten. Die Religionsabteilung im Ministerium für Justiz und Religion und die kroatische Regierung vertraten den Standpunkt, dass die russischen Priester, vor allem der russische Priester in Sarajevo Beziehungen nach Belgrad unterhielten und sogar versuchten, Anhänger der kroatisch-orthodoxen Kirche für die russisch-orthodoxe Kirche abzuwerben. Insgesamt verhielt sich die kroatische Regierung in dieser Angelegenheit, für welche es viele Anhaltspunkte gab, jedoch passiv.56 Die russischen Priester im NDH weigerten sich zudem, zur kroatisch-orthodoxen Kirche überzutreten.57 Germogen drohte sogar mit der Kirchenschließung, für den Fall, dass die betreffenden Priester ihn nicht in ihr Gebet einschlossen. Der russisch-orthodoxe Metropolit Anastasius intervenierte erneut beim Auswärtigen Amt. Auf Druck der deutschen Gesandtschaft in Zagreb rückte Germogen schließlich Anfang April 1944 von seinem Standpunkt ab.58 Ab April 1944 versuchte Germogen seinen Einflussbereich auf alle orthodoxen Geistlichen im NDH auszudehnen. In seinem Schreiben an den Kommandeur des Stabes der Kosaken-Division in Sisak forderte er, dass sich die Feldgeistlichen unter seine Jurisdiktion stellten, sich nach dem Kalender und den Zeremonien der kroatisch-orthodoxen Kirche richteten sowie bei Gottesdiensten Fürgebete für Pavelić und Germogen sprachen.59 Die Feldgeistlichen waren jedoch vom Metropoliten Anastasius ausgewählt und in der 1. Kosakendivision angestellt worden, so dass dieser erneut beim Bevollmächtigten des Auswärtigen Amtes in Belgrad, Neubacher, protestierte. Unter anderem beschuldigte Anastasius jetzt Germogen, einen Stil des Gottesdienstes zu fordern, der in Russland von der sowjetischen Regierung gegen die russisch-orthodoxe Kirche durchgesetzt worden und unter dem Namen „lebendige Kirche“ (Schiwaja Tzerkow) bekannt war.60 Die Kosakendivision legte auch selbst bei der deutschen Gesandtschaft in Zagreb Protest gegen die Forderungen Germogens ein. Das Auswärtige Amt entschied im Sinn der deutschen politischen und militärischen Zielen, dass die Interessen der russischen Geistlichen und 56
57 58 59 60
PAAA-GZ, 67/7 Abschrift des synodalen Schreibens an den Bevollmächtigten des AA für den Südosten, 29.12.1943; Ebd., Sonderbevollmächtigte des AA, gez. Klaiber an das AA betr. russisch-orthodoxe Kirche in Belgrad, 31.12.1943; Ebd., Siegfried Kasche an das AA betr. russisch-orthodoxe Kirche in Kroatien, 24.2.1944. Ebd., 68 Vermerk von Kasche gelegentlich einer Unterredung mit dem Konsul Ferchmin, 6.7.1942. Ebd., 67/7 Das AA an Siegfried Kasche betr. „Streitigkeiten zwischen Metropolit Anastasius, Belgrad und Metropolit Germogen in Agram“, 10.3.1944; Ebd., Antwortschreiben von Siegfried Kasche an das AA, 6.4.1944. Ebd., Übersetzung des Schreibens des Zagreber Metropoliten an den Kommandeur des Stabes der Kosaken-Division, 14.4.1944. Ebd., Metropolit Anastasius an den Gesandten Neubacher, 16.6.1944; Ebd., Der Sonderbevollmächtigte des AA in Belgrad an das AA, 19.6.1944.
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des russischen Metropoliten gewahrt werden mussten. Germogen sollte angewiesen werden, von Maßnahmen gegen Priester der Belgrader Synode Abstand zu nehmen. Kasche befürchtete, dass eine Parteinahme für Anastasius zu Unstimmigkeiten mit der kroatischen Regierung führen würde, konnte allerdings nichts gegen die Entscheidung des Auswärtigen Amtes ausrichten. Gleichzeitig sollte die Angelegenheit auch bei den Kosaken mit viel Einfühlungsvermögen behandelt werden. Germogen zog seine Forderungen schließlich zurück.61 2. „GUTER WILLE“ UND „STIEFMÜTTERLICHE BEHANDLUNG“: DIE EVANGELISCHE KIRCHE ZWISCHEN USTAŠAS RELIGIONSPOLITIK UND KATHOLISCHER „ÜBERMACHT“ Religiöse Übertritte zur deutschen evangelischen Kirche Die evangelische Kirche in Jugoslawien gliederte sich seit 1929 in die slowakische evangelische Kirche augsburgischen Bekenntnisses, die deutsche evangelische christliche Landeskirche augsburgischen Bekenntnisses und die reformierte Kirche. Die bis dahin unabhängige evangelische Kirche von Zagreb, deren zahlreichste Mitglieder neben Kroaten Magyaren und Slowenen waren, fiel 1930 auch unter die Organisation der deutschen evangelischen Kirche.62 Im Jahr 1931 zählte die Zagreber Gemeinde 832 Gläubige unter den deutschen Muttersprachlern, 669 unter den serbokroatischen, 73 unter den slowenischen, 59 unter den tschechischen, 37 unter den ungarischen und 26 unter den russischen Muttersprachlern.63 Insgesamt zählte die evangelische Kirche in Jugoslawien im Jahr 1935 129.029 Mitglieder in 70 Pfarrgemeinden. Davon waren 100.993 Mitglieder Deutsche, 24.647 Slawen und 3.389 Ungarn.64 Von den 160.000 Deutschen in Kroatien waren 1935 26.000 evangelisch. In der Vojvodina gab es ein ähnliches Verhältnis mit 59.342 evangelischen Deutschen von insgesamt 450.000. In Bosnien mit 8.515 sich zum Deutschtum bekennenden Einwohnern waren dagegen die meisten (8.010) evangelisch.65 Das oberkroatische Seniorat zählte nach dem 1933 erfolgten Anschluss der Kirchengemeinden Osijek und Podravska Slatina insgesamt 10.192 Mitglieder. Nach der Gründung des NDH organisierten sich die deutschen evangelischen Kirchenge61
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Ebd., Die 1. Kosakendivision an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb, 21.6.1944; Ebd., Das Auswärtige Amt an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb betr. russisch-orthodoxe Kirche in Belgrad, 5.7.1944; Ebd., Gesandtschaftsrat Völkner an Krenner, 20.7.1944; Ebd., Deutsche Gesandtschaft, gez. Völkers, an das AA, 16.8.1944. DAOS-469 Reformirana župa Tordinci [Reformierte Gemeinde Tordinci], 12 Bitte um Antrag zum Schutz der Gesetzmäßigkeit, evangelische Kirchengemeinde in Zagreb an die Staatsanwaltschaft der Republik Kroatien, 18.12.1946. HR-HDA-367, 55 Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Zagreb 1931. Arbeitsbericht des Bischofs Dr. Philipp Popp erstattet beim 3. Landeskirchentag der Deutschen Evangelisch-Christlichen Kirche A. B. im Königreich Jugoslawien in Nova Pazova (Syrmien) am 22. und 23. Januar 1935. Zagreb 1935, 62. PoPP, Arbeitsbericht, 62; SchubeRt, Ernst: Auslandsdeutschtum und evangelische Kirche. Jahrbuch 1935. München ca. 1935, Tafel I.
2. „Guter Wille“ und „stiefmütterliche Behandlung“
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meinden auf seinem Territorium unter einer deutschen evangelischen Kirche unter dem Landesbischof Philipp Popp. Die Gesamtzahl der Mitglieder betrug im April 1941 etwa 36.000.66 Die deutsche evangelische Kirche gliederte sich nun in drei Seniorate. Das bosnische Seniorat führte Senior Karl Hamm, das oberkroatische Senior Anton Walter und das syrmische Senior Karl Peter. Der bischöfliche Pfarrer Becker in Zagreb und der Senior Hamm in Sarajevo wurden zu Honorar-Militärseelsorgern ernannt.67 Die Kirche arbeitete eng mit der evangelischen Kirche und derem Kirchlichen Außenamt in Deutschland zusammen. Zeitgleich mit dem Anstieg der Übertrittsgesuche zum Katholizismus meldeten sich Serben in Gebieten mit deutschen Siedlungen auch für einen Übertritt zum evangelischen Glauben an. Die Ustaša hatte neben der katholischen Kirche und dem Islam auch die evangelische Kirche anerkannt und theoretisch auch religiöse Übertritte zum evangelischen Glauben erlaubt. Das Rundschreiben der UstašaRegierung vom 30. Juli 1941 legte dazu fest, dass serbisch-orthodoxen Personen, die ohne „Blutzugehörigkeit“ zur deutschen Minderheit zum Protestantismus konvertierten, die Rechte der deutschen Volksgruppe nicht zustanden.68 Das Motiv für die Konversionen zum Protestantismus war, wie bei anderen Übertritten, die Hoffnung auf Schutz vor der Verfolgung der Ustaša. Neben diesen individuellen Anträgen spielten bei Übertritten zum Protestantismus auch die Bemühungen des evangelischen Klerus, die Mitgliederzahl zu erhöhen, eine bedeutende Rolle. Da die Konversionspolitik der Ustaša auf Übertritte zum römisch-katholischen Glauben ausgerichtet war, zeigten lokale Behörden keine Bereitschaft dazu, Übertritte zum Protestantismus zu akzeptieren. Im Bezirk Podravska Slatina im Großbezirk Baranja kam es im Herbst 1941 zu vermehrten Gesuchen zum Übertritt in die evangelische Kirche. Im Dorf Kozice konvertierten z. B. vier serbische Familien zum Protestantismus.69 In der Gemeindeverwaltung in Podravska Slatina stellte der Gemeindenotar Martin Kopić zwar die Anträge auf Übertritt zum Protestantismus aus, riet aber gleichzeitig von der Antragstellung ab, da keine Aussicht auf Genehmigung bestünde. Dem orthodoxen Antragsteller Gjuro (Ðuro) Borčić teilte Kopić mit, dass „alle gestern weggejagt wurden, die eingetragen wurden“ und dass Borčić kein Deutscher sei. Bei den evangelischen Geistlichen riefen solche Vorfälle Entrüstung aus. In Anwesenheit des deutschen evangelischen Pfarrers Edgar Walter aus Podravska Slatina wurde bei der Bezirksverwaltung in Podravska Slatina am 13. November 1941 ein Protokoll über die Behinderung der Übertritte zum Protestantismus verfasst. Der dortige Bezirksvorsteher, Florijan Kosnica, ließ am Vortag bei der Begehung der Gemeinde Gornji Miholjac alle Orthodoxen in der Schule versammeln, um ihnen den Übertritt zum katholischen Glauben nahezulegen. Die Konversionsaktion zum Katho66 67 68 69
EZA/5/895, A6755/41 Bf. Popp an Bf. Heckel, 23.4.1941. PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen EvangelischChristlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“. HR-DAOS-6, 5795, Rundschreiben, 30.7.1941; HR-HDA-218, 3; Ebd., 13–48468. HR-HDA-1076, 584–666 Stjepan Hefer an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Konversionsarbeit, 27.12.1941.
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lizismus lief zu dieser Zeit auf Hochtouren, die Genehmigung der Übertritte zum evangelischen Glauben schloss Kosnica dagegen aus. Ausnahmen wollte er nur bei Personen mit deutschen Eltern oder deutschen Namen zulassen. Kosnica willigte ein, etwaigen Bittgesuchen des evangelischen Pfarrers auf Haftentlassungen von Serben entgegenzukommen. Zwei Orthodoxe, Davidović und Umiljenović, die ihren Übertritt zum Protestantismus angemeldet hatten, wollte Kosnica allerdings vertreiben. Der Leiter der deutschen Volksgruppenorganisation, Branimir Altgayer, forderte im Januar 1942 die Absetzung Kosnicas wegen feindlicher Einstellung zu den Volksdeutschen.70 Zu ähnlichen Situationen kam es im Herbst 1941 in ganz Baranja. Das evangelische Vikariatsbüro in Velimirovac im Bezirk Našice vermeldete am 17. November 1941 die Aufnahme von 19 orthodoxen Familien mit insgesamt 73 Personen aus dem Ort und Umgebung von Darkovac in den evangelischen Religionsunterricht. Diese Personen beklagten sich aber bald beim Pfarramt in Velimirovac, dass ihnen Ustaše und katholische Geistliche mit Konzentrationslagern drohten, sollten sie zum evangelischen Glauben konvertierten. Die Pfarre in Velimirovac sah sich verpflichtet diese Personen zu schützen, war sich aber im Unklaren über die Vorgehensweise. Der katholische Pater in Našice nannte die evangelische Religion eine Räuberreligion und drohte den potentiellen Konvertiten zum Protestantismus mit dem Abtransport ins Konzentrationslager. Der evangelische Vikar Staecker hatte in Darkovac einige Familien aufgenommen, doch vorerst nicht in das Konversionsbuch eingetragen.71 Von den 3.350 Serben in Bektež in der Nähe von Našice konvertierten bis November 1941 1.577 Personen, 1.730 weitere meldeten ihren Übertritt an. Unter den Anmeldungen waren auch 40 zum evangelischen Glauben.72 Ähnliche Tendenzen zeigten sich im Großbezirk Bilogora und auch in ganz Syrmien, so z. B. in Maradik.73 In den deutschen evangelischen Kirchengemeinden in Bosnien unterschied sich die Situation kaum. Auch hier weigerten sich lokale Verwaltungen, Konvertiten zum Protestantismus zu akzeptieren. Der Gemeindenotar aus Dubrava (Königsfeld) beantragte z. B. bereits im Juni 1941 die Erlaubnis zum Übertritt zum Protestantismus, der Religion seiner deutschen Frau. Diese konnte ihm vom Bezirksvorsteher nicht erteilt werden, da die Zustimmung des römisch-katholischen Pfarrers in Bosanska Gradiška ausstand. Ein Bericht des evangelischen Pfarrers aus Banja Luka vom 7. Oktober 1941 erwähnte nur einige Ausnahmefälle, in denen die Übertritte zum Protestantismus vom dortigen Polizeichef genehmigt wurden. Die Genehmigung wurde jedoch entgegen der gesetzlichen Vorgabe nicht regulär ausgestellt, stattdessen fand sich im Antrag lediglich ein handschriftlicher Vermerk 70 71 72 73
Ebd., 584 Abschrift des Protokolls, 13.11.1941; PAAA-GZ, 247 Eingabe von Altgayer an Artuković, 17.1.1942. Ebd., Abschrift des Protokolls; In Darkovac lebten derzeit 710 Deutsche PAAA-GZ, 243 „Abschrift Amt für Statistik und Sippenkunde“, 15.6.1943; EZA/5/897, A7056/42 Verhandlungsschrift über die Sitzung des Landeskirchenrates vom 31.3.1942. Ebd., Gemeindeverwaltung in Bektež an die Staatsdirektion für Erneuerung, 15.11.1941. Ebd., Bürgermeisteramt Bjelovar an Staatsdirektion für Erneuerung, 2.11.1941; Ebd., 584–594 Gemeindenotar in Maradik an die Staatsdirektion für Erneuerung, Dez. 1941.
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über die Genehmigung des Polizeichefs. Der evangelische Pfarrer beklagte sich, dass das Rundschreiben des Ministeriums für Justiz und Religion vom 30. Juli 1941 nur an die katholischen Pfarrämter zugestellt wurde. Die in diesem Rundschreiben enthaltenen Bestimmungen über die Übertritte zum Protestantismus, die eine Anerkennung der Konvertiten als Mitglieder der deutschen Volksgruppe ausschlossen, suggerierten den kroatischen Behörden fälschlicherweise eine Gleichheit der evangelischen Kirche und der Organisation der Volksgruppe, so der Pfarrer.74 Die Organisation der deutschen Volksgruppe in Banja Luka hatte laut dem dortigen Propagandabeauftragten tatsächlich auch Serben aufgenommen.75 Der evangelische Pfarrer in Banja Luka war zudem verärgert über die Rechte der getauften Juden in seiner Stadt und die Nichtbeachtung der Rassengesetze vom 30. April 1941 seitens der römisch-katholischen Kirche, die angeblich Hunderte von Juden taufte.76 Der Propagandabeauftragte für den Großbezirk Sana und Luka hielt ebenfalls fest, die meisten Juden in der Stadt Banja Luka hätten entweder zum Christentum oder zum Islam konvertiert.77 Der eigentliche wunde Punkt war für den evangelischen Pfarrer aber die mangelnde Gleichberechtigung der evangelischen mit der katholischen Kirche in seinem Umfeld. Ähnlich wie bei muslimischen Geistlichen rief die öffentliche Privilegierung der katholischen Kirche Unzufriedenheit hervor. Der Wettbewerb um Mitglieder und Einfluss in der Gesellschaft hatte durch die Konversionspolitik auch die deutschen evangelischen Kreise erfasst. Osijek war die Stadt mit den meisten Konversionen zum Protestantismus. Laut den Angaben des evangelischen Pfarramts in Osijek waren bis März 1942 434 Personen serbisch-orthodoxen Glaubens in der Stadt Osijek zum evangelischen Glauben konvertiert und 450 für einen Übertritt zum Protestantismus angemeldet.78 Bis September 1942 waren landesweit etwa 50.000 Serben für einen Übertritt zur evangelischen Kirche gemeldet, doch nach Angaben von Bischof Popp führten wegen Behinderungen der Behörden nur rund 1.000 Personen einen Übertritt auch durch.79 Erzbischof Šarić aus Sarajevo beklagte sich dagegen im November 1941 beim Erzbischof Stepinac über die Propaganda der evangelischen Kirche. Diese versuchte, die Serben von einem Übertritt zum Katholizismus abzubringen und zum Übertritt zum Protestantismus zu überreden.80 In Gemeinden und Städten mit einem deutschen Bevölkerungsanteil beschuldigten die Behörden die evangelischen Geistlichen und Mitglieder der deutschen Volksgruppenorganisation, Übertritte zum katholischen Glauben behindert zu haben. Sowohl die Gemeinde- und Bezirksvertretungen in Baranja, Livac-Zapolje und Vuka, als auch der Großgespan von Baranja beschuldigten sie der Gegenpropaganda. Der Großgespan Hefer stellte 74 75 76 77 78 79 80
Ebd., Abschrift des Protokolls aus Banja Luka, 7.10.1941. HR-HDA-237, 38 Bericht des Propagandabeauftragten aus Banja Luka, 6.5.1942. Darin hieß es außerdem, dass ein größerer Teil der Organisation Lebensmittelhandel betrieben hatte. HR-HDA-1076, 584 Abschrift des Protokolls aus Banja Luka, 7.10.1941. HR-HDA-237, 38 Bericht des Propagandabeauftragten aus Banja Luka, 6.5.1942. HR-DAOS-701, 2 Staatsdirektion für Erneuerung in Osijek an ev. Pfarrbüro, 6.3.1942; Ebd., Bericht von Pf. Walter an Staatsdirektion für Erneuerung in Osijek, 9.3.1942. PAAA-GZ, 207 Bf. Popp an Kasche betr. Verfassungsentwurf der dt. evangelischen Kirche in Kroatien, 5.9.1942. biondich, Controversies, 58, Fn. 58; deRS., Religion, 105–107.
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im November 1941 fest, dass die protestantische Gegenpropaganda die Übertritte im Bezirk Slatina behinderte.81 Kulturbundmitglieder sollen außerdem in Daruvar im Großbezirk Livac-Zapolje für eine niedrige Bereitschaft der Serben zum Übertritt zum römisch-katholischen Glauben verantwortlich gewesen sein.82 Das Gegenargument war, dass Serben in Daruvar Vanjski selbst Konversionen zum Protestantismus bevorzugten.83 Die Mitglieder des Kulturbunds sollen ferner in den slawonischen Dörfern Cabuni, Budanci und Borovo (Suhopolje) Werbung für Übertritte zum evangelischen Glauben betrieben haben. Es habe eine „Not gedroht“, doch konnten zwischen dem 16. und 21. November 1941 dennoch 263 Serben zum römisch-katholischen Glauben konvertiert werden, so der Großgespan Hefer.84 Für die schwache Entwicklung der Konversionen zum Katholizismus in Cabuna machte die dortige Gemeindeverwaltung die Angehörigen der deutschen Volksgruppe bzw. ihre „starke Agitation“ verantwortlich. Sie verbreiteten Ängste unter der unwissenden Bevölkerung und verkündeten, dass nur der evangelische Glaube prosperieren würde, so die Erklärung.85 In Suha Mlaka hatten nach Angaben Hefers evangelische Deutsche die Übertritte zum römisch-katholischen Glauben gestört.86 Tatsächlich sollen die Dorfbewohner selbst einen Übertritt zum evangelischen Glauben vorgeschlagen haben, der abgelehnt wurde.87 In Suhopolje war es ein deutschstämmiger Bürgermeister, der angeblich Übertritte zum Katholizismus behinderte. Der Volksgruppenführer Altgayer verlangte die Absetzung des Bürgermeisters Michael (Miško) Feth. Als assimilierter Deutscher brächte er Zwiespalt in den Ort und fördere Konflikte zwischen den Deutschen und Kroaten, so Altgayer.88 Ende Oktober 1941 besuchte der Bezirksleiter von Virovitica das Dorf Pčelić, um die dortigen Serben von einem Übertritt zum römisch-katholischen Glauben zu überzeugen. In seiner Gesellschaft war auch der Franziskaner Srećko Majstorović. In den folgenden Tagen soll jedoch der Lehrer in Pčelići und Mitglied der deutschen Volksgruppe, Karl Schielavi (Dragutin Zilavi), Gegenpropaganda für den Übertritt zum Protestantismus betrieben haben. Majstorović war schließlich erfolgreicher und konvertierte 230 Personen zum römisch-katholischen Glauben. Während der
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HR-HDA-1076, 584 Bericht über Konversionen vom Großgespan Hefer an die Religionsabteilung der Staatsdirektion für Erneuerung 10.11.1941. HR-HDA-1076, 584 Bezirksleiter Mihalić in Daruvar an den Großbezirk Livac Zapolje betr. religiöse Übertritte, 30.11.1941. Ebd., Gemeindevertretung Daruvar Vanjski an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Anweisungen zu Übertritten, 2.1.1942. HR-HDA-1076, 584–323 Großbezirksregierung in Osijek an die Staatsdirektion für Erneuerung, 28.11.1941. In Cabuna lebten in November 1941 1.280 Serben, davon bereits konvertiert 186 und mit angemeldeten Übertritten zwölf Familien. HR-HDA-1076, 584 Gemeindeverwaltung in Cabuna an die Staatsdirektion für Erneuerung, 27.11.1941. HR-HDA-1076, 584–666 Stjepan Hefer an die Staatsdirektion für Erneuerung betr. Konversionsarbeit, 17.12.1941 und 27.12.1941. makSić, Suha Mlaka, 295. PAAA-GZ, 247 Eingabe von Altgayer an Artuković, 17.1.1942.
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Konversionsfeier und dem anschließenden Bankett hatte Schielavi jedoch eine Versammlung in der Schule einberufen, die für Provokation gesorgt hatte.89 Am 18. November 1941 bedauerte der Bezirksvorsteher in Vukovar die schwächelnde Zahl der Übertritte. „Einzelne Personen“ hätten den Konversionskandidaten von erzwungenen Übertritten abgeraten und sie darin belehrt, frei über die Wahl des neuen Glaubens und den Zeitpunkt des Übertrittes zu entscheiden. Unter anderem sollen dies die ansässigen Deutschen in den Bezirken Vinkovci und Osijek gewesen sein. Die Deutschen aus dem deutschen Dorf Jarmina (1.287 Einwohner) im Bezirk Vinkovci sollen die Orthodoxen im Dorf Gaboš zum Abwarten überredet haben. Angeblich hätte auch der evangelische Pastor Anton Walter aus Osijek in Borovo missioniert, bis der Bezirksverwalter diesem Verhalten ein Ende setzte.90 Der deutsche Kreisleiter in Vinkovci, Fritz Holzschuh, behauptete dagegen, die Orthodoxen hätten sich infolge der „unsinnige[n] zwangsweise[n] Umtaufswelle“ selbst mit der Bitte, zum evangelischen Glauben überzutreten, an die Deutschen gewandt.91 Ähnlich wie bei Forderungen der griechisch-katholischen Kirche stießen Forderungen der evangelischen Kirche nach Übernahme von orthodoxen Kirchen auf die Ablehnung der niederen und höheren Verwaltung. Das bischöfliche Pfarramt in Zagreb beabsichtigte z.B im Oktober 1941 die serbisch-orthodoxe Kirche in Prijedor zu übernehmen, nachdem es dort etwa 900 Anmeldungen zum Übertritt zum Protestantismus gab. Die Ustaša-Organisation in Prijedor befand sich seit August 1941 im Streit mit der evangelischen Kirchengemeinde, was Beschwerden des evangelischen Bischofs beim Ministerium für Justiz und Religion nach sich zog.92 Die Behinderungen und gegenseitigen Beschuldigungen führten schließlich zu offiziellen Beschwerden, die Popp an die Regierung richtete. Die „Zurücksetzung“ des Protestantismus Bischof Popp richtete am 16. November 1941 eine Beschwerde an das UstašaHauptquartier zu Händen Lorković. Anscheinend weigerten sich die Ustaše und die lokale Verwaltung, Kroaten protestantischen Glaubens in die Reihen der Ustaša aufzunehmen und empfahlen ihnen stattdessen zum römisch-katholischen Glauben überzutreten. Im Bezirk Bjelovar entließ der Ustaša-Ortsvorsteher der Gemeinde Ivanjska in Gornja Narta Kroaten protestantischen Glaubens aus den Reihen der Ustaša. Popp verlangte vom Ustaša-Hauptquartier, ein Rundschreiben an die besag89 90 91 92
HR-HDA-1076, 584 Der Bezirksleiter von Virovitica an den Großgespan von Baranja, 10.11.1941. Ebd., Bezirk Vukovar an Staatsdirektion für Erneuerung, 15. und 18.11.1941; Bericht des Bürgermeisteramtes in Vukovar an die Staatsdirektion für Erneuerung, 15.11.1941. HR-DASB-189 Centar za povijest Slavonije i Baranje u Slavonskom Brodu [Geschichtszentrum von Slawonien und Baranja in Slavonski Brod], 177 Lagebericht der Kreisleitung SaveDonau, gez. Holzschuh, 21.5.1943. HR-HDA-218 Eingangsregister 1352, 4048 (1941). – Mark Biondich wies in seinem Aufsatz als erster darauf hin, dass es im NDH auch zu Übertritten zum Protestantismus kam. biondich, Religion, 105.
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ten Behörden zu senden und darauf aufmerksam zu machen, dass die evangelische Kirche und ihre Mitglieder gleichberechtigt mit dem Islam und der römisch-katholischen Kirche behandelt werden müssen. Eine Abschrift der Beschwerde ging sogleich an alle Minister und das Regierungspräsidium.93 Das Ustaša-Hauptquartier reagierte darauf mit einem Befehl an alle Ustaša-Organisationen auf Großbezirksebene, die evangelischen Konvertiten gleich mit den Katholiken und Muslimen zu behandeln, dabei aber auch die gleichen Richtlinien zur Aufnahme anzuwenden, ohne dass die Bedingungen in irgendeiner Hinsicht umgangen werden dürfen.94 Zwei Tage später ging bei der Ustaša-Regierung und allen Ministern sowie beim Ustaša-Hauptquartier und der Staatsdirektion für Erneuerung eine Beschwerde des evangelischen Bischofsamtes wegen der „Zurücksetzung und Herabminderung“ des Protestantismus im NDH ein. Die Beschwerde richtete sich insbesondere gegen die niederen staatlichen Behörden, Bezirksvertreter und Gemeindevorsteher sowie Ustaša-Führer. Der Feststellung des evangelischen Bischofs, dass die evangelische Kirche nicht gleichberechtigt mit der römisch-katholischen Kirche und der muslimischen Glaubensgemeinschaft war, wurde mit den Behinderungen der Übertritte zum Protestantismus begründet. In zahlreichen Fällen verweigerten die niederen Behörden den Antragstellern das Sittlichkeitszeugnis. Zudem wurden die vor dem Gesetz vom 30. Juli durchgeführten Übertritte zum Protestantismus nicht anerkannt. Bis zu diesem Zeitpunkt zählten die evangelischen Kirchen etwa 1.500 serbische Konvertiten bei einer Gesamtzahl von 70.000 Gläubigen. Die Beschwerde von Bischof Popp mutete wie eine Drohung an die kroatische Regierung an. Hinter der kleinen Zahl von 70.000 Gläubigen stünden eine viertel Milliarde Gläubige aus den fortschrittlichsten Ländern der Welt, darunter die Mehrheit der Deutschen, so Popp. Die Missstände sollten behoben werden, so dass keine negativen Botschaften in die protestantische Welt hinausgetragen würden, forderte er. Teil der zentralen Forderungen Popps war eine offizielle Anweisung der Regierung an alle seine Behörden, die deutsche evangelische Kirche als eine gesetzlich anerkannte und mit der römisch-katholischen Kirche und der muslimischen Glaubensgemeinschaft gleichberechtigte Kirche zu respektieren. Außerdem sollte in einem Rundschreiben bzw. einer Verordnung die Behinderung der Übertritte der Orthodoxen zum Protestantismus unterbunden werden. Den Konvertiten zum Protestantismus sollten die gleichen Rechte zugebilligt werden wie den Konvertiten zu anderen anerkannten Glaubensgemeinschaften. Ein weiterer Faktor, der zur Beschwerde führte, war die wachsende Unruhe unter den Protestanten in den ländlichen Gebieten des Landes. Die Ustaša-Verwaltung hätte vielerorts eine despektierliche Einstellung gegenüber dem protestantischen Glauben an den Tag gelegt, so Popp.95 93
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HR-HDA-212, 1 Das bischöfliche Amt der Deutschen evangelisch-christlichen Kirche augsburgischen Bekenntnisses im Unabhängigen Staat Kroatien an das Ustaša-Hauptquartier betr. Beschwerde wegen der Nichtaufnahme von Kroaten evangelischen Glaubens in der UstašaOrganisation, 16.11.1941. Die Verordnung im Wortlaut in Sarajevski Novi List, 18.12.1941. HR-HDA-1076, 584 Beschwerde des evangelischen Bischofsamtes gegen die Zurücksetzung und Herabminderung des Protestantismus im Unabhängigen Staat Kroatien, 18.11.1941; EZA/5/895, A8125/41.
2. „Guter Wille“ und „stiefmütterliche Behandlung“
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Die Regierung reagierte im Januar 1942 mit einer offiziellen Verurteilung der Diskriminierung gegenüber den Mitgliedern der DEK. Im Februar 1942 wurde der evangelischen Kirche ein 1.075 m2 großes Gebäude in Zagreb zugeteilt.96 Bischof Popp erhielt auf Antrag des Regierungspräsidiums im November 1943 einen Personenkraftwagen der Marke Mercedes (1939/230) im Wert von 14.181 Reichsmark. Damit erhielt auch der letzte Vertreter einer anerkannten Kirche ein eigenes Fahrzeug.97 Der Zeitpunkt der Beschwerde des evangelischen Bischofs Popp überlappte sich mit der Bischofskonferenz der katholischen Kirche sowie dem Empfang der Konvertitendelegation aus Budimci bei Pavelić und damit den Beschwerden der muslimischen Vertreter. Da Bischof Popp seine Beschwerde gegen die Zurücksetzung des Protestantismus nur einen Tag nach der Bischofskonferenz an Pavelić richtete, kann nicht ausgeschlossen werden, dass er gerade durch die Beschlüsse der Bischofskonferenz zur Beschwerde verleitet wurde. Die Freiräume, die die römisch-katholische Kirche bei „inneren kirchlichen Angelegenheiten“ beanspruchte, sollten auch der evangelischen Kirche eingeräumt werden. In dieser Lesart war die Beschwerde von Popp eher eine Antwort auf die Forderungen der Bischofskonferenz als auf die Missstände auf der lokalen Ebene. Auch an diesem Beispiel zeigt sich, dass singuläre Erklärungsstränge zur Position der katholischen Kirche oder anderer Gemeinschaften im NDH nur unzureichende Ergebnisse bringen können. Erst der Blick auf alle religiösen und politischen Akteure auf allen Hierarchieebenen verspricht tiefere Einblicke in die komplexen Beziehungen und Entwicklungen. Bischof Popp versuchte bereits in den ersten Wochen nach der Gründung des NDH, die Position der evangelischen Kirche zu stärken. Verbunden mit den Glückwünschen zur Staatsgründung trug Bischof Popp Pavelić die Bitte um Gleichberechtigung der evangelischen und katholischen Kirche in Kroatien vor. Außerdem erbat er entsprechende staatliche Subventionen und die Errichtung einer evangelischen Sektion im Unterrichtsministerium bzw. im Ministerium für Justiz und Religion. Der Minister für Justiz und Religion hatte der Einsetzung des Landeskirchenanwalts, Johann Steinmetz, als Vertreter der evangelischen Kirche in seinem Ministerium zugestimmt.98 Das entsprechende Memorandum wurde bereits seit Mai 1941 96 97
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biondich, Religion, 107. HR-HDA-212, 1 Allgemeine geschäftliche Korrespondenzen 282–17307. Dankesschreiben von Bf. Popp an den Regierungssekretär Cvitković, 23.11.1943; Ebd., Korrespondenz zum Bestellvorgang, 11.11.1943 und 2.4.1944. Weil zivile Personen keinen Anspruch auf Lieferungen von Kriegsgerät hatten, wurde in der Rechnung der Ausführgemeinschaft für Kriegsgerät der Staatssekretär General Begić als Begünstigter der Lieferung angegeben. Die Rechnung beglich zunächst das kroatische Belieferungsamt für militärische Güter in Berlin, das im April 1944 anscheinend wiederholt um die Kostenerstattung seitens des kroatischen Kriegsministeriums bat. PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen EvangelischChristlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“. – Zu Popps Besuch bei Pavelić, Kvaternik und Budak EZA/5/895; A6755/41 Bf. Popp an Bf. Heckel, 23.4.1941. – Steinmetz stammte aus Tuzla und fiel bei der dortigen Bevölkerung als Nationalsozialist auf. Er war an den Feierlichkeiten beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Tuzla beteiligt. BiH-ATKT-RPiNOBSB Z, 48–2276. – RS-AS-KFA, 9 Bericht an die
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Kapitel 3 Nicht nur Gott und Kroaten
vorbereitet. Außerdem forderte Popp, dass bei der Vorbereitung und Erbringung des staatlichen Ehegesetzes und der interkonfessionellen Gesetze die Mitarbeit und die Vorschläge der evangelischen Kirche gleichberechtigt berücksichtigt wurden. Popp begrüßte zudem die Aushöhlung des interkonfessionellen Gesetzes von 1906 durch die gesetzliche Verordnung zu religiösen Übertritten der kroatischen Regierung. Bei Übertritten war keine Abmeldung mehr notwendig, – eine nicht unbedeutende Veränderung hinsichtlich der häufigen Schließung von Mischehen unter den Evangelischen. Einige Auszüge aus den Matrikeln und die Statistiken der evangelischen Kirchenführung deuten auf einen relativ hohen Anteil an Vermischung. Im beobachteten Zeitraum zwischen 1935 und 1945 zeigten die Konvertitenverzeichnisse wie auch die Heiratsregister, dass insbesondere in den Städten Syrmiens und Slawoniens die Evangelischen nicht selten interkonfessionell heirateten. Im Jahr 1935 zählte die evangelische Kirche für ganz Jugoslawien 157 Eintritte und 86 Austritte aus der evangelischen Kirche. Sie waren vermutlich dem Heiratsverhalten geschuldet. Die Ausnahme bildete das bosnische Seniorat, wo weder interkonfessionelle und internationale Mischehen noch Ein- und Austritte vorkamen und wo der Senior Hamm sogar die Inzucht beklagte. In den slawonischen Städten dagegen war selbst in den Kriegsjahren ein bedeutender Anteil der in der evangelischen Kirche geschlossenen Ehen interkonfessionell, so waren z. B. fünf von sieben zwischen 1942 und 1943 in Slavonski Brod geschlossenen Ehen gemischt.99 Altgayer verlangte jedoch von der evangelischen Kirche, „völkische“ Ehen zu verbieten.100 Pavelić bemühte sich bei der Staatsgründung auch bei der evangelischen Kirche um Unterstützung für seine Politik. Zusammen mit katholischen und muslimischen religiösen Vertretern waren auch evangelische Geistliche bei öffentlichen Veranstaltungen zugegen. Während des ersten Treffens mit Bischof Popp betonte Pavelić seine Zuneigung zu den Kirchen. Er könne sich die Zukunft seines Volkes und Staates nicht ohne religiöse und christliche Erziehung vorstellen. Die evangelische Kirche rief er zur Mitarbeit beim Aufbau des Volks- und Staatslebens auf und versprach ihr die Gleichberechtigung mit der katholischen Kirche.101 Zur Eidesleistung des Staatschefs und des Ministerrates wurde auch der evangelische BischofsHl. Erzb. Synode in Belgrad vom Episkop Nektarije aus der Eparchie Tuzla-Zvornik, 22.12.1941. 99 HR-DASB-334 Župni ured evangeličko-augsburške crkvene općine u Slavonskom Brodu [Pfarramt der evangelisch-augsburgischen Kirchengemeinde in Slavonski Brod], Matrikelauszüge; HR-DAOS-467 Evangelički župni ured u Osijeku [Evangelisches Pfarramt in Osijek], Erklärungen zur Konversionsabsicht bzw. Austritt aus der evangelischen Kirche; PoPP, Arbeitsbericht, 77; Bericht der evangelischen Kirchengemeinde in Sarajevo (Jugoslawien) über das Jahr 1937, erstattet von Pfarrer Karl Hamm. Sarajevo 1938, o. S.; Für das dt.-evangelische Dorf Schutzberg in Bosnien hielt der dortige Pfarrer Sommer fest: „Eine Ehe wie die andere rein deutsch, ganz selten ein Mischfall.“ EZA/200 Gustav-Adolf-Werk/2/1645 Abschied von Schutzberg, 24.11.1942. 100 EZA/5/866, Bd. 7, A6905/41 Gerhard May aus Cilli an das KAEK und die Gustav-AdolfStiftung, 22.5.1941. 101 PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen EvangelischChristlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“.
2. „Guter Wille“ und „stiefmütterliche Behandlung“
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pfarrer Becker hinzugezogen, obwohl – wie es innerhalb der Kirche hieß – kein einziges Regierungsmitglied evangelisch war. Die Eidesleistung der evangelischen Geistlichen erfolgte dagegen wegen der Änderung des Wortlautes der Eidesformel nicht. Ein Schwur „dass wir das Interesse des kroatischen Staates und Volkes vor Augen haben werden“102, ohne einen expliziten Schwur auf das Deutschtum abzulegen, stieß auf Ablehnung. Versicherungen der Gleichberechtigung der zwei christlichen Kirchen erhielt Bischof Popp auch vom Unterrichtsminister Mile Budak und vom später für kirchliche Fragen verantwortlichen Minister für Justiz und Religion, Mirko Puk.103 In den ersten Monaten versicherte sich Popp der staatlichen Unterstützung und forderte den Ausbau und die Festigung seiner Kirche, die ohne die serbischen Gebiete um ein Drittel ihrer Mitglieder geschrumpft war.104 In dieser Zeit schien das Verhältnis der evangelischen Kirche und der Regierung harmonisch gewesen zu sein. An der Errichtung einer staatlichen evangelischen Religionsprofessur an den staatlichen Mittelschulen in Zagreb war nach Auffassung Popps der „gute Wille der kroatischen Regierung zu erkennen, uns nicht stiefmütterlich behandeln zu wollen.“105 Der „gute Wille“ der Ustaša zeigte sich auch in finanziellen Zuwendungen an die evangelische Kirche. Ende April 1941 ersuchte Bischof Popp staatliche Subventionen. Genehmigt wurde eine jährliche Zuwendung in Höhe von 591.552 Kuna. Bereits im Juli 1941 wurden zusätzlich weitere 571.200 Kuna Teuerungszulage genehmigt. Dazu kam, wie für alle Beamten, eine einmonatliche Kriegszulage in Höhe von 41.314 Kuna, wodurch das Gesamteinkommen der Kirche auf 1.204.066 Kuna im Jahr 1941 stieg. Die Pensionen wurden ebenfalls vom Staat übernommen und die staatlichen Zuwendungen im Vergleich zu den Einkünften im Königreich Jugoslawien verdreifacht. Die Kirche erhielt in Kroatien einen vergleichbar hohen Betrag an Subventionen, wie sie ihn vorher in ganz Jugoslawien erhalten hatte. Die kroatische Regierung begünstigte hierbei insbesondere die Geistlichen und weniger 102 EZA/5/866, Bd. 7, A6905/41 Protokoll zur „Erste[n] Zusammenkunft von Bf. DDr. Popp mit den Amtsbrüdern in Kroatien und Syrmien am 16. Mai 1941 in Semlin“, gez. Senior Turek; außerdem dazu PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen Evangelisch-Christlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“. – Zur Eidesleistung der Geistlichen EZA/5/895, A6755/41 Bf. Popp an Bf. Heckel, 23.4.1941. 103 PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen EvangelischChristlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“. 104 Laut dem Zensus von 1931 lebten im Königreich Jugoslawien 383.674 deutsche Katholiken und 100.806 deutsche Protestanten. Etwas weniger als ein Drittel der deutschen Minderheit lebte später in den Grenzen des NDH. Von den Protestanten gehörten rund 85 % zur Deutschen Evangelischen (Lutherischen) Christlichen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (vorliegend evangelische Kirche genannt) und die restlichen 15 % zur Reformierten (Kalvinistischen) Christlichen Kirche Jugoslawiens (vorliegend reformierte Kirche genannt). Lyon, Philip W.: After Empire. Ethnic Germans and Minority Nationalism in Interwar Yugoslavia. Phil. Diss., University of Maryland 2008, 20. 105 PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen EvangelischChristlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“.
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die Gemeinden.106 Die gleiche Praxis verfolgte sie auch bei den katholischen und muslimischen religiösen Vertretern. Neben den inländischen Zuwendungen wurde die evangelische Kirche durch das KAEK gefördert. Die reichsdeutschen Stellen verlagerten nach nationalsozialistischen Vorstößen einiger Ortsgruppen des Kulturbundes 1935 und der dadurch eingetretenen Schwächung der Position des Kulturbundes gegenüber der jugoslawischen Regierung die „Volkstumsarbeit“ samt finanziellen Zuwendungen auf die evangelischen Geistlichen. Die Zahlungen des Gustav Adolf-Vereins konnten unter Vermittlung des KAEK und des deutschen Konsulats wegen Devisenvorschriften nur verdeckt an die evangelische Kirche in Jugoslawien transferiert werden. Den beteiligten Banken wurden weder der Absender noch der Verwendungszweck des Geldes bekannt gegeben. Die Geldtransfers für „nicht nur kirchliche, sondern auch völkische Arbeit“ wurden von aufwendigen Korrespondenzen und Gesuchen Bischof Popps begleitet.107 Nach der Gründung des NDH gewährte das KAEK der evangelischen Kirche in Kroatien Gehaltsergänzungen für Pfarrer und Prediger sowie Pensionsergänzungen in Höhe von 244.996 Kuna im Jahr 1941. Den größten Anteil davon erhielt das Syrmische Seniorat (97.165), dann das Oberkroatische Seniorat (69.500) sowie schließlich das Bosnische Seniorat (42.000). Das Banater Seniorat erhielt 29.100 Kuna. Im Jahr 1943 wurden 300.000 Kuna bewilligt. Außerdem erhielt die evangelische Kirche Beihilfen vom Gustav-Adolf-Verein, die für die Gemeinden und kirchlichen Anstalten bestimmt waren.108 Die Auszahlung der Zuwendungen geriet jedoch bereits im Herbst 1941 ins Stocken. Sowohl Kasche als auch das KAEK setzten sich im Laufe der Jahre 1942 und 1943 beim Auswärtigen Amt mehrmals für eine materielle Unterstützung der deutschen evangelischen Kirche ein. Das KAEK erbat mehrmals um dringliche Überweisungen der wegen der Geldentwertung nötig gewordenen Hilfsgelder an die DEK, wobei es argumentierte, dass die Geistlichen im Falle eines Ausbleibens wegen schlechter Versorgung ins Reich fliehen würden. Das Ansehen der evangelischen Pfarrer und Prediger sei im Vergleich zu katholischen Amtskollegen deutlich schlechter, argumentierte Kasche im Duktus der vorherigen Beschwerden Popps wegen der Zurücksetzung der Evangelischen. Kasche bemerkte außerdem, dass die evangelische Kirche als eine ausdrücklich deutsche Kirche, die in der Vergangen106 HR-HDA-218, 2 Das Ministerium für Justiz und Religion an das staatliche Rechnungsamt, 30.6.1941; PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen Evangelisch-Christlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“; EZA/5/866, Bd. 7, A6905/41 Protokoll zur „Erste[n] Zusammenkunft von Bf. DDr. Popp mit den Amtsbrüdern in Kroatien und Syrmien am 16. Mai 1941 in Semlin“, gez. Senior Turek. 107 PAAA-GZ, 207 Z. B. KAEK an das dt. Konsulat in Zagreb betr. Transfer in Höhe von 2.500 bzw. 2.000 RM, 21.4.1937, 10.12.1936 u. a.; Ebd., Das Bischofsamt in Zagreb an die deutsche Gesandtschaft in Belgrad betr. Transferierung von Geldern der Gustav-Adolf-Stiftung, 22.12.1937; Ebd., Aufstellung über mehr als 31.000 RM der bei der Kassa des Evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung lagernden Zuwendungen für die DEK in Jugoslawien, o. D. 108 Ebd., Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen Evangelisch-Christlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“; EZA/5/897, A7228/43 Ausweis über die Beihilfe des KAEK, 23.6.1943.
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heit eine Pflegestätte des deutschen völkischen Lebens darstellte, die Machtposition des Reiches verkörpere und deshalb umso mehr unterstützt werden müsse. Für seine Entscheidungen zog das Auswärtige Amt Berichte der deutschen Gesandtschaft und der deutschen Volksgruppe heran und bewilligte für die Jahre 1942 und 1943 mehrmals die Auszahlung von Summen in Höhe zwischen 10.–15.000 RM (ca. 300.000 Kuna).109 Die Frage der religiösen Übertritte zum Protestantismus schien trotz der Probleme in den Gemeinden zunächst auf positive Resonanz bei Pavelić zu stoßen. Während der Tagung des evangelischen Landeskirchenrates in Zagreb am 18. und 19. September 1941 trug Pavelić an die inländischen Teilnehmer der Tagung seinen Wunsch vor, die evangelische Kirche in Kroatien möge Orthodoxe im größeren Ausmaße aufnehmen. In diesem Zusammenhang waren sie zu einer Audienz bei Pavelić gebeten worden. Die Audienz war „nicht nur ein Erlebnis, sondern bot reichlich Fingerzeige für das Verhalten der Kirche insbesondere gegenüber der pravoslavischen Kirche“110, hielt das Protokoll zur Sitzung fest. Nicht im Protokoll festgehalten, jedoch beim deutschen Gesandten Kasche vermerkt, war Popps Erwiderung auf Pavelićs Anfrage. Popp antwortete, dass die evangelische Kirche eine deutsche Kirche sei und keine Übertritte von „Fremdvölkischen“ tolerierte. Pavelić habe darauf nach Hilfe bei der Aufnahme einer größeren Zahl von Orthodoxen in die kroatischen evangelischen Kirchengemeinden gefragt und eine Zusage von Popp erhalten.111 Während der Tagung des Landeskirchentages fand eine – vor dem Hintergrund der Ereignisse in den jeweiligen Gemeinden – längst fällige Diskussion über religiöse Übertritte der Orthodoxen statt. Im Nachtrag zur Tagungsordnung am 18. und 19. September wurde dieser Punkt unter kirchenrechtlichen Fragen aufgeführt. Insbesondere Senior Anton Walter berichtete über Vorfälle in
109 EZA/5/897, A7090/42 Bf. Popp an das KAEK betr. Überweisung von 10.000 bzw. 15.000 RM, 10.6.1942 und 30.11.1942; PAAA-GZ, 207 Die dt. Gesandtschaft in Zagreb an das AA betr. Unterstützung der DEK in Kroatien, 30.6.1942, 18.12.1942, 14.4.1943, 29.7.1943; Ebd., Das KAEK an das AA betr. Unterstützung der DEK in Kroatien, 3.9.1941, 30.4.1942, 17.6.1943; Ebd., Das AA an die dt. Gesandtschaft in Zagreb betr. Bewilligung von 15.000 RM, 6.8.1942, 23.2.1943; In seinen Eingaben an das AA, v. a. 18.12.1942 übernahm Kasche die Argumentation von Popp wörtlich; Ebd., Bf. Popp an die dt. Gesandtschaft betr. Beihilfe des KAEK, 19.9.1942. 110 PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen EvangelischChristlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“. 111 PAAA-GZ, 68 Bericht von Kasche an das AA betr. orthodoxe Kirche in Kroatien, 24.9.1941; Ebd., R 901/69663 Siegfried Kasche über Konfessionelle Verhältnisse in Kroatien an das Auswärtige Amt, Kult. Gen., 22.4.1942. – Zur Einführung ins Thema deutsche evangelische Kirche im NDH und religiöse Übertritte Simon, Daniela: Die Deutsche Evangelische Kirche im Unabhängigen Staat Kroatien und religiöse Übertritte. In: Nijemci u Bosni i Hercegovini i Hrvatskoj – nova istraživanja i perspektive: zbornik radova / Die Deutschen in Bosnien und Herzegowina und Kroatien – neue Forschungen und Perspektiven: Konferenzbeiträge. Hg. v. Carl bethKe / Husnija kamBerović / Jasna tuRKaLj. Sarajevo 2015, 287–309.
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seinem Seniorat. Das Ergebnis der Diskussion war, dass jeder Pfarrer nach seinem Gewissen handeln durfte.112 Inzwischen hatten sich auch in Syrmien Fälle gehäuft, in welchen serbische Gemeinden, z. B. Bastajnica und Altpasua, einen Übertritt in die evangelischen Gemeinden ersuchten. Pfarrer Rometsch, der zugleich auch Ortsleiter in Neupasua war, reiste deswegen im November 1941 zu einer Beratung zu Pfarrer Bornikoel nach Belgrad. Bornikoel fungierte als christlicher Apologet und Leiter der Inneren Mission im NDH sowie im Banat, der Batschka und in Belgrad. Für seine Aufgaben verfügte er über einen Etat von 12.000 Kuna.113 Die kroatische Regierung hatte auch in Syrmien die serbisch-orthodoxe Kirche verboten. Nach der abgeschlossenen Übertrittsaktion im Großbezirk Baranja sollte die Konversionspolitik ab Herbst 1941 auch auf den Großbezirk Vuka ausgedehnt werden. Die Volksgruppenorganisation hatte die syrmischen Pfarrer über die Konversionspläne der kroatischen Regierung in Syrmien unterrichtet. In der deutschsprachigen Belgrader „Donauzeitung“ hieß es, die innere kroatische Befriedung hätte durch die Rückkehr der orthodoxen Kroaten in Baranja zum Katholizismus einen wesentlichen Schritt getan. In anderen Landesteilen sollte dasselbe erfolgen.114 Bei deutschen evangelischen Pfarrern lösten solche Meldungen Initiativen zur Werbung für Übertritte zum Protestantismus aus. Pfarrer Rometsch und die syrmischen Pfarrer beabsichtigten, serbische Konvertiten aufzunehmen, wie es auch in Slawonien „in recht beträchtlichen Umfang“115 geschah. Gerade weil die Volksgruppenführung erklärte, „man solle sie nur ruhig katholisch werden lassen“116, pochten die syrmischen Pfarrer darauf, den Wunsch serbischer Konvertiten zu akzeptieren, „weil andernfalls mit dem kroatischen Katholizismus auch bald der Jesuitismus seinen Einzug in der Umgebung der deutschen Gemeinden halten werde und eine gefährlich werdende Uebermacht gewinnen müsse.“117 Die Aufnahme von Orthodoxen sollte zusammen mit der Gründung slawischer evangelischer Tochtergemeinden unter der Leitung betreffender deutscher Muttergemeinden durchgeführt werden. Bei einer im Dezember 1941 abgehaltenen Pfarrarbeitsgemeinschaft beriet man sich aufgrund des Berichtes von Pfarrer Lohman über die „sehr brennende Angelegenheit des Übertritts prawoslawer (orthodoxer) Christen zur evangelischen Kirche, ihrer geistlichen Versorgung in ihrer Muttersprache (serb.) und ihrer wirtschaftlichen Erhaltung in Kirchenwesen“. Pfarrer Lohman begann mit der Ausarbeitung eines Plans 112 EZA/5/895, A8050/41 Pf. Bornikoel an das KAEK und Gerstenmaier betr. Aufnahme orthodoxer Serben in Kroatien in die evangelische Kirche, 20.11.1941; PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen Evangelisch-Christlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“. 113 PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen EvangelischChristlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“. 114 EZA/5/895, A8050/41 Pf. Bornikoel an das KAEK und Gerstenmaier betr. Aufnahme orthodoxer Serben in Kroatien in die evangelische Kirche, 20.11.1941; Donauzeitung, 20.11.1941. 115 Ebd., Pf. Bornikoel an das KAEK und Gerstenmaier betr. Aufnahme orthodoxer Serben in Kroatien in die evangelische Kirche, 20.11.1941. 116 Ebd. 117 Ebd.
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für die geistliche Versorgung solcher Gemeinden. Bornikoel meldete nach Berlin, dass Lohman Predigten übersetzte und Religionsunterricht für die Jugend plante, und erbat eine Stellungnahme des KAEK zum Übertritt geschlossener Gruppen. Pfarrer Rometsch beabsichtigte indes im Gemeindeblatt „Kirche und Volk“ in Neupasua dazu Stellung zu nehmen. Der evangelische Bischof Heckel und das KAEK in Berlin erhoben keine Einwände gegen diese Praxis, vielmehr bewerteten sie die Übertritte durch die evangelischen Vertreter als erforderlich. Es sollte jedoch eine „Überfremdung“ und „Unterwanderung“ deutscher Gemeinden sowie das Schaffen von – nach Auffassung der Gesamtorthodoxie – „Kampffronten“, vermieden werden.118 Die innerdeutschen Bemühungen um eine Zusammenarbeit mit der orthodoxen Kirche in Serbien, an welcher auch die EK beteiligt war, durften nicht gefährdet werden. Wie oben erläutert, versuchte das Auswärtige Amt in dieser Zeit zusammen mit der evangelischen Kirche und der Militärverwaltung in Serbien, die serbisch- und russisch-orthodoxen Kirchen für eine Zusammenarbeit im Kampf gegen den Widerstand zu instrumentalisieren. Bei der darauffolgenden Sitzung des Landeskirchenrates in Zagreb am 31. März 1942 beschloss die Versammlung, einen eigenen Missionspfarrer für Kroatien zu ernennen.119 Die gescheiterte Kirchenverfassung Die Neuorganisation der evangelischen Kirchen in neuen territorialen Grenzen erforderte auch eine neue Kirchenverfassung zur Festsetzung der inneren Organisationsstruktur und des rechtlichen Status der Kirche. Die erste Kirchen- und Pfarrerkonferenz nach der Gründung des NDH fand am 16. Mai 1941 im syrmischen Zemun statt. Die meisten Tagungsteilnehmer stammten aus Syrmien. Unter den diskutierten Themen waren Verhandlungen mit der kroatischen Regierung, darunter auch über die Gleichstellung der evangelischen Kirche, Staatssubventionen sowie den Entwurf einer neuen Kirchenverfassung. Bischof Heckel hatte die Organisation der Kirche nach dem Führerprinzip gefordert und die evangelische Kirche in Kroatien unter Zugzwang gesetzt. Über die Änderung der Verfassung hatte das Seniorat bereits im Zusammenhang mit dem Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung zur Zusammenarbeit mit dem KAEK im Februar 1941 beraten.120 118 EZA/5/866, Bd. 7, A6487/42 und A8099/41 Erfahrungs- und Tätigkeitsbericht von Pf. Bornikoel für das Jahr 1941 und die Monate Jan.–Feb. 1942 im Raum der Dt. ev. Kirche, 28.2.1942; Ebd., Pf. Rometsch an Bf. Heckel, 2.12.1941; Ebd., 895, A8050/41 Pf. Bornikoel an das KAEK und Gerstenmaier betr. Aufnahme orthodoxer Serben in Kroatien in die evangelische Kirche, 20.11.1941; Ebd., KAEK an Pf. Bornikoel, 22.12.1941. 119 EZA/5/897, A7056/42 Verhandlungsschrift über die Sitzung des Landeskirchenrates vom 31.3.1942. 120 EZA/5/866, Bd. 7, A6905/41 Protokoll zur „Erste[n] Zusammenkunft von Bf. DDr. Popp mit den Amtsbrüdern in Kroatien und Syrmien am 16. Mai 1941 in Semlin“, gez. Senior Turek; PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen EvangelischChristlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“; Für den Text der Vereinbarung EZA/5/866, Bd.7, unterzeichnet in Berlin am 24.2.1941.
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Kapitel 3 Nicht nur Gott und Kroaten
Bei der ersten Zusammenkunft nach der Gründung des NDH setzte sich Bischof Popp für einen Anschluss der Landeskirche an die Reichskirche ein. Die Lage der Reichskirche war kein Geheimnis, aber auch kein abschreckendes Beispiel. Bei der Zusammenkunft war ein Militärgeistlicher aus dem Reich anwesend, der anscheinend negativ über die Lage der Kirchen im Reich berichtete. „Turek hindert einen Pfarrer im Soldatenrock aus dem Reiche, der neben ihm sitzt, sich in Gegenwart des Bereichsleiters ungünstig über die Reichskirche auszusprechen“, hielt das Protokoll fest.121 Die Anwesenheit der Volksgruppenorganisation bei Tagungen der Pfarrer sprach dabei für ein reges Interesse politischer Akteure für die inneren Vorgänge der Kirche. Popp verstand die evangelische Kirche in Kroatien in erster Linie als eine dem kroatischen Staat loyale und unter seinem Schutz stehende Kirche. Im Mai 1941 war er von einem Ernüchterungsprozess noch weit entfernt. Die von Pavelić versprochene rechtliche Gleichstellung mit der römisch-katholischen Kirche und die Subventionen signalisierten die Möglichkeit einer Autonomie gegenüber der Reichkirche, selbst wenn es zum Anschluss käme. Die politischen Vorteile des Anschlusses waren gewichtiger als die Nachteile, die im Krisenfall durch ein Einschreiten der kroatischen Regierung abgemildert werden könnten. Außerdem wollte sich Popp den Eingriffen der Volksgruppe entziehen bzw. die Unterstellung der evangelischen Kirche unter die Volksgruppe verhindern. Der zur Sitzung am 16. Mai hinzugestoßene Bereichsleiter der Volksgruppe, Kutschera, zeigte sich skeptisch hinsichtlich des Anschlusses, vermutlich, weil dies die Kompetenzen der Volksgruppe in Kirchenfragen beschnitten hätte. Sollte kein Anschluss zustande kommen, so strebte Popp eine möglichst enge Zusammenarbeit mit der Reichskirche in moralischen und finanziellen Fragen an, hielt das Protokoll fest. Bischof Heckel hatte Popp versichert, dass die evangelische Kirche in Kroatien genauso abgesichert werden würde wie die Reichskirche. Reichsbischof Müller und Bischof Popp hatten bereits im Februar 1934 ein „freundschaftliche[s] Übereinkommen“, das die moralischen und finanziellen Angelegenheiten umfasste, unterzeichnet. Es stellte die Grundlage für die Unterstützung der Evangelischen in Jugoslawien dar. Im Arbeitsbericht von Bischof Popp zum Jahr 1934 hieß es: „Als Deutsche in Jugoslawien fühlen wir uns als lebendiges und tätiges Glied der gesamten deutschen Volksgemeinschaft unseres Landes, kennen in unserer völkisch-kulturellen Betätigung keine konfessionellen Schranken, es soll uns jeder rechte deutsche Mensch des Staates als Freund und Bruder gelten.“122 Ob an die Reichskirche angeschlossen oder in einem losen Verbund, erforderte die neue politische Lage jedenfalls eine neue Kirchenverfassung. Mit der Ausarbeitung eines Entwurfs zur neuen Kirchenverfassung wurde in der Zusammenkunft am 16. Mai 1941 Pfarrer Becker beauftragt, dem die Geistlichen Hamm, Schiller und Lohmann helfen sollten. Das KAEK wirkte zunächst beratend.123 121 EZA/5/866, Bd. 7, A6905/41 Protokoll zur „Erste[n] Zusammenkunft von Bf. DDr. Popp mit den Amtsbrüdern in Kroatien und Syrmien am 16. Mai 1941 in Semlin“, gez. Senior Turek. 122 PoPP, Arbeitsbericht, 63. 123 PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen EvangelischChristlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“.
2. „Guter Wille“ und „stiefmütterliche Behandlung“
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In der ersten Tagung des Landeskirchenrates der evangelischen Kirche in Kroatien am 18. und 19. September 1941 – wo es zur Anfrage Pavelićs bezüglich Konversionen kam – wurde der Freundschaftsvertrag mit der evangelischen Kirche in Deutschland explizit auch auf die evangelische Kirche in Kroatien ausgedehnt. Inhaltlich wich die Vereinbarung nicht von der vorherigen ab. Zukünftig sollte das KAEK alle Entscheidungen, Entwicklungen und den Informationsaustausch der evangelischen Kirche in Kroatien beaufsichtigen. Neben dem KAEK berichtete Popp ebenfalls noch dem Gustav-Adolf-Verein. Der zweite wichtige Punkt der Tagung war die Diskussion über die neue Kirchenverfassung unter der Federführung des KAEK. Anwesend waren aus Deutschland Bischof Heckel und Konsistorialrat Wahl.124 Zu den grundsätzlichen Elementen der neuen autoritären Verfassung gehörten eine straffere Führung bzw. die Einführung des Führerprinzips und ein vereinfachter Aufbau der Kirchenverwaltung.125 Angeblich stellte die alte Verfassung der evangelischen Kirche in Kroatien auch eine Belastung für den kroatischen Staat dar, weil sie nach dem ungarischen Muster auf parlamentarischer und demokratischer Grundlage entstanden war.126 Die Einführung des autoritären Prinzips war nach dem Abschluss des erweiterten Freundschaftsvertrages ein logischer Schritt. Bischof Popp bemängelte das demokratische Prinzip, nach welchem alles Recht in der Kirchengemeinde wurzelte und sich dadurch Kirchenaufgaben, vor allem die materiellen, nicht durchsetzen ließen. Nach dem alten Prinzip wurden z. B. die Pfarrgehälter und Reparaturen an Kirchen- sowie Schulgebäuden verhandelt. In der neuen Verfassung war die Bündelung aller Entscheidungen unter die Kompetenz des Kirchenrats vorgesehen. Nicht unwesentlich war dabei die Erhöhung der staatlichen Subventionen und Priestergehälter, die auch mit der Inflation zusammenhing. Praktisch zeigte sich die Aufhebung des Wahlrechts der Gemeinden schon bei der Planung zur Einsetzung eines neuen weltlichen Landeskirchenpräsidenten. Ein weiterer Verfassungsentwurf wurde vom Mitarbeiter des KAEK und Vertrauten Bischof Heckels, dem Konsistorialrat Hans Wahl, ausgearbeitet. Anschließend sollten die Entwürfe von Pfarrer Becker und Konsistorialrat Wahl zur Beratung gestellt und entsprechend umgearbeitet werden. Bischof Heckel beabsichtigte auch, selbst an Besprechungen zur neuen Verfassung in Zagreb teilzunehmen. Das erste Treffen des Landeskirchenrates und die Einführung der Landeskirchenverfassung wurden für die erste Aprilhälfte 1942 geplant.127 Die für die Ausarbeitung des Entwurfs eingesetzte Verfassungskörperschaft wurde durch eine gesetzliche Verordnung der kroatischen Regierung legitimiert und mit der entsprechenden Aufgabe betraut.128 Im Oktober 1941 setzten sich Pfarrer Becker, der Konsistorialrat Wahl und Bischof Heckel mit den beiden Entwürfen der Kirchenverfassung auseinander. Die 124 Ebd. 125 Ebd., Bf. Popp an Kasche betr. Verfassungsentwurf der dt. evangelischen Kirche in Kroatien, 5.9.1942. 126 Ebd. 127 Ebd., Siegfried Kasche an das AA betr. DEK in Kroatien, 18.3.1942. 128 HR-HDA-218 Eingangsregister 3123 (1942); PAAA-GZ, 207 Bf. Popp an Kasche betr. Verfassungsentwurf der DEK in Kroatien, 5.9.1942.
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Konversionspolitik der Ustaša lief derzeit an und die Konflikte bei den Übertritten zum evangelischen Glauben mehrten sich. Der Entwurf von Pfarrer Becker eröffnete unter § 5 die Möglichkeit des Anschlusses anderer Kirchen an die deutsche evangelische Kirche. Der § 5 konnte „besondere Bedeutung erlangen für die Tendenz gewisser serbischer Kreise, die sich nicht in die katholische Kirche ziehen lassen wollen, in die DEK einzutreten“129, hieß es in der Besprechung. Vor allem sollte aber der Anschluss des reformierten Seniorats mit seinem Vermögen sowie der Slowaken in Syrmien mit bis zu 10.000 Mitgliedern ermöglicht werden. Einwände erhob der Konsistorialrat gegen die Formulierungen zur Organisation des Religionsunterrichtes. Becker blieb aber dabei, dass die Religionslehrer unter Beteiligung der Kirche ernannt werden sollten.130 Der kroatische Minister für Justiz und Religion, Puk, hatte bei Vorlage des Entwurfes am 20. März eine schnelle Sanktionierung der Verfassung versichert und Vorbereitungen getroffen. Nach seinem Wunsch sollte in der Verfassung festgehalten werden, dass der Landesbischof und der bischöfliche Vikar kroatische Staatsbürger sein mussten.131 Der schließlich in mehreren Sitzungen ausgearbeitete Entwurf wurde am 2. April an die deutsche Gesandtschaft übermittelt, die ihn am 9. April 1942 dem Auswärtigen Amt zur Prüfung vorlegte.132 Gleichzeitig veranlasste das Auswärtige Amt die Einschaltung der Volksdeutschen Mittelstelle in die Verhandlungen zur Kirchenverfassung.133 Die Volksdeutsche Mittelstelle war eine Reichsbehörde, die volkstumspolitische NS-Ziele bei den im Ausland lebenden Deutschen durchsetzte. Sie erhob Einwände am Entwurf und arbeitete an Ergänzungen, wodurch die geplante Sanktionierung durch Pavelić bzw. das Ministerium für Justiz und Religion am 19. April 1942 nicht stattfinden konnte.134 Während der letzten Vorbereitungen für die Sanktionierung hatte die verfassungsgebende Körperschaft eine wichtige Änderung vorgenommen. Nachdem in Anwesenheit von Bischof Heckel am 17. März die Regelung zur Wahl des Landesbischofs besprochen wurde, änderte der Verfassungsausschuss diesen Passus nachträglich, indem er bestimmte, dass die Wahl des Landesbischofs gemäß der Vereinbarung von 1941 nach „Beratung“ und nicht im „Einvernehmen“ mit dem KAEK erfolgte.135 Die deutsche Gesandtschaft hielt sich anschließend drei Monate lang mit jeglichen Äußerungen gegenüber Popp zurück. Inzwischen hatte die Volksgruppen129 EZA/5/895, A7724/41 Vermerk vom Konsistorialrat Wahl über die Besprechung mit Pf. Becker über die beiden Entwürfe der Verfassung, 6.10.1941. 130 Ebd. 131 PAAA-GZ, 207 Bf. Popp an Kasche betr. Verfassungsentwurf der dt. evangelischen Kirche in Kroatien, 5.9.1942; Ebd., Telegramm von Kasche an das AA, 16.4.1942; Ebd., GZ, 240 Das Bischofsamt an die dt. Gesandtschaft, z. Hd. Zoller, betr. Kirchenverfassung, 2.4.1942; EZA/5/895, A6751/42 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 14.4.1942. 132 PAAA-R 901/69663 Siegfried Kasche betr. konfessionelle Verhältnisse in Kroatien an das Auswärtige Amt, Kult. Gen., 22.4.1942; Ebd., GZ, 240 Das Bischofsamt an die dt. Gesandtschaft, z. Hd. Zoller, betr. Kirchenverfassung, 2.4.1942. 133 PAAA-GZ, 207 Telegramm des AA an die dt. Gesandtschaft, 28.3.1942; Ebd., Bf. Popp an Kasche betr. Verfassungsentwurf der dt. evangelischen Kirche in Kroatien, 5.9.1942. 134 Ebd., Telegramm des AA, Luther, an die dt. Gesandtschaft in Zagreb, 18.4.1942. 135 EZA/5/895, A6751/42 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 14.4.1942.
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führung unter Altgayer die finanziellen Zuwendungen der innerdeutschen Stellen an die evangelische Kirche kritisiert und sich überhaupt gegen die Interessen der evangelischen Kirche gestellt. Das Auswärtige Amt sprach sich im Einvernehmen mit der Volksdeutschen Mittelstelle im Juni 1942 für die Einbeziehung des Volksgruppenführers bei der Besetzung des Bischofsamtes, der Ernennung der Pfarrer und der weltlichen Vertreter aus. Angeblich wurde damit Rücksicht auf die kroatische Regierung genommen, welche kein Verständnis dafür hätte, dass der kroatische Staat die volksdeutschen Beamten bestätigen musste, der Volksgruppenführer beim Klerus jedoch nicht dieselben Rechte genoss. Da die kroatische Regierung dem Entwurf bereits zugestimmt hatte, schien das Argument unbegründet. Insgesamt wurden elf Paragrafen der Verfassung beanstandet. Die evangelische Kirche in Kroatien bedurfte ferner keiner Unterstützung des Kirchlichen Außenamtes, weil diese Funktion durch eine entsprechende Verfassungsänderung von der Volksgruppenführung übernommen werden könne. Eine Unterstützung und Abhängigkeit der evangelischen Kirche in Kroatien vom Kirchlichen Außenamt wurde vom Auswärtigen Amt und der Volksdeutschen Mittelstelle nicht begrüßt und der Einfluss des KAEK auf die Verfassung der evangelischen Kirche in Kroatien nicht geduldet. Unter dem § 1 der Verfassung sollte erwähnt werden, dass die Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe vom Volksgruppenführer bestimmt würde. Die evangelische Kirche sollte sich wie z. B. in Rumänien vollkommen dem Volksgruppenführer unterordnen. Weder das KAEK noch Bischof Popp wurden über diese Erlasse unterrichtet. Bischof Popp glaubte aber, dass gerade der Einsatz des KAEK das Verfahren beschleunigen würde, weswegen er Kasche bat, die Aufnahme der Verbindung der innerdeutschen Stellen zum KAEK zu veranlassen.136 Bischof Popp rühmte sich damit, dass die evangelische Kirche in Kroatien und ihr Bischof unter allen volksdeutschen evangelischen Kirchen und Bischöfen die engsten Beziehungen zur evangelischen Kirche in Deutschland hätten. Tatsächlich trafen die beiden Kirchen bereits 1934 eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit. Selbst hob das Bischofsamt hervor, dass Popp als Anerkennung für seine Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Deutschland 1936 zum Ehrendoktor der Universität Breslau promoviert wurde.137 Doch alle Bemühungen sollten nichts nutzen. Kasche ging nicht ferner auf den Erlass des Auswärtigen Amtes ein. Nach Konsultationen mit Altgayer meldete er nach Berlin, dass die Volksgruppenführung kein Interesse an der vorgeschlagenen Bindung der evangelischen Kirche an die Volksgruppenführung hätte. Die Sonderstellung der evangelischen Kirche ermöglichte ihr, laut Altgayer, getrennt von der Volksgruppenführung ebenfalls eine angemessene Vertretung des Deutschtums. Ein wichtiger Faktor war außerdem, dass die Volksgruppe zu 80 % aus Katholiken bestünde und eine Unterordnung der evangelischen Kirche unter die Volksgruppenorganisation nicht förderlich wäre. Inzwischen 136 PAAA-GZ, 240 Erlass des AA an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb betr. Verfassung der deutschen Landeskirche in Kroatien, 5.6.1942; Ebd., zum Schreiben von Popp an Kasche, 17.6.1942. 137 Ebd., Das Bischofsamt an die dt. Gesandtschaft, z. Hd. Zoller, betr. Kirchenverfassung, 2.4.1942.
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war die Kirchenverfassung der deutschen evangelischen Kirche im Banat, die sich inhaltlich nicht unterschied, vom Militärbefehlshaber in Serbien erlassen worden. Kasche setzte sich für die Verabschiedung der Verfassung für Kroatien in ihrer beantragten Form ein sowie auch für die Verbindung der evangelischen Kirche in Kroatien mit dem KAEK. Schließlich unterstünde das KAEK dem Reichskirchenministerium, das es steuerte und beeinflusste, und somit würde das KAEK direkt von der Reichsregierung bestimmt. Kasche sprach sich gegen eine unmittelbare Mitbestimmung des Volksgruppenführers aus, weil das die Position der evangelischen Kirche im Vergleich zu anderen Glaubensgemeinschaften untergraben würde. Es würde ausreichen, so Kasche, wenn die innerdeutschen Stellen mit dem KAEK vereinbarten, dass das KAEK vor der Abgabe von Entscheidungen zu solchen Fragen über die Volksdeutsche Mittelstelle die Stellungnahme der Volksgruppe einholte. Die Zustimmung für die Bischofswahl würde dann über das Auswärtige Amt erfolgen. Kasche unterbreitete dem Auswärtigen Amt am 19. Juni auch konkrete Änderungsvorschläge, nach denen der Landesbischof durch den Landeskirchenrat im Einvernehmen mit dem KAEK aus der Reihe der Pfarrer berufen und vom kroatischen Staatsoberhaupt bestätigt werden sollte. Der Bischof musste kroatischer Staatsbürger sein. Die Zugehörigkeit der kirchlichen Amtsträger zur Volksgruppe galt als unabdingbar. Im ersten Satz der Verfassung sollte stehen, dass die Kirche ein Bestandteil des deutschen Volkstums und damit der Volksgruppe sei. Die Sicherung des Einflusses der deutschen Volksgruppe sollte durch die von ihr beeinflusste Wahl des Landeskirchenkurators gewährleistet sein.138 Das Auswärtige Amt blieb jedoch bei seinem Standpunkt, dass eine Zusammenarbeit mit dem KAEK weder im Interesse der deutschen Volksgruppe liege noch aus anderen Gründen notwendig sei. Sowohl das Auswärtige Amt, als auch die Volksdeutsche Mittelstelle hielten es weiterhin für erforderlich, dass der Volksgruppenführer unmittelbar auf die Bischofswahl einwirkte.139 Erst jetzt unterrichtete Kasche Bischof Popp über die Forderungen der innerdeutschen Stellen. Er schwieg sich jedoch darüber aus, dass die Volksdeutsche Mittelstelle hinter der Blockade stand, anscheinend um die ohnehin schlechten Beziehungen der evangelischen Kirche zur Volksgruppe zu schonen. Ebenso geheim hielt er die Forderung nach dem Abbruch der Beziehungen der evangelischen Kirche in Kroatien zum KAEK. Bischof Popp stimmte den Änderungen zu, dass die evangelische Kirche Teil der deutschen Volksgruppe wird und nur Mitglieder der deutschen Volksgruppe Mitglieder der evangelischen Kirchen sein oder werden durften. Dass die Wahl von Bischöfen, Pfarrern, Predigern und Kirchengemeindekuratoren nur unter Zustimmung der Volksgruppe erfolgen sollte, lehnte er allerdings ab. Lediglich die Wahl des Landeskirchenkurators sollte der Entscheidung der Volksgruppe unterliegen. Ebenso lehnte Popp aus Rücksicht auf die kroatische Regierung die Zustimmung der Reichsregierung bei der Wahl des Landesbischofs sowie alle übrigen Forderungen ab.140 138 Ebd., Antwort von Kasche auf den Erlass vom 5.6.1942 an das AA, 19.6.1942. 139 Ebd., Erlass des AA auf das Schreiben von Kasche vom 19.6.1942, betr. Kirchenverfassung, 21.7.1942. 140 EZA/5/897, A7327/42 Bf. Popp an Bf. Heckel, 8.7.1942.
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Die von Popp an Kasche im Sommer 1942 übermittelten Eingaben waren deutlich fordernder. Im Vordergrund der Argumentation standen nicht mehr die guten Beziehungen zum nationalsozialistischen Deutschland und zum KAEK, wie sie im Erstgesuch genannt wurden, sondern – in Absprache mit Bischof Heckel – die schlechten Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche in Kroatien. Der klerikale Charakter der römisch-katholischen Kirche hemme die Existenz und die Entwicklung des Protestantismus, weswegen die Verabschiedung der Verfassung dringend notwendig sei, so Popp. Pavelić sei den Protestanten freundlich gesinnt, doch wüchse der Druck der römisch-katholischen Kirche, die auch politisch mit Rom zusammenarbeitete. Die deutschen Evangelischen fürchteten, dass die katholischklerikale Aktion die Sanktionierung des Entwurfes verhindern könnte.141 „Wir haben tatsächlich nicht die volle Gleichberechtigung mit der römischen Kirche, welche […] uns erst durch die neue Verfassung zuerkannt werden soll“142, so Popp. Die evangelische Kirche werde von den kroatischen Behörden als „Winkelkirche“ und „Fremdkörper“ behandelt, hieß es weiter.143 Die in der evangelischen Kirche geschlossenen Ehen würden von der römisch-katholischen Kirche für ungültig erachtet und die katholischen Ehepartner als ledig behandelt. Die in der evangelischen Kirche getauften Kinder aus gemischten Ehen würden in der katholischen Kirche nochmals getauft, so Popp. Das Ministerium für Justiz und Religion habe Popp gegenüber sogar erklärt, dass es daran nichts ändern könne, da die römischkatholische Kirche durch die kirchliche und staatliche Gesetzgebung bevorrechtet würde. Popp klagte auch wegen der feindlichen Haltung der römisch-katholischen Kirche gegenüber der nationalsozialistischen Gesinnung der deutschen Protestanten.144 Damit baute Popp bewusst eine anti-katholische Argumentation auf, in der Hoffnung, bei den deutschen Behörden dadurch eine bessere Ausgangsposition zu erlangen. Seit der Übernahme der geheimdienstlichen Arbeit durch den Polizeiattaché bei der deutschen Gesandtschaft in Zagreb, Hans Helm, kamen die anti-katholischen Tendenzen der deutschen Stellen in Kroatien noch deutlicher zum Ausdruck. Auch Kasche argumentierte dem Auswärtigen Amt gegenüber mit dem steigenden Einfluss der römisch-katholischen Kirche, auch wenn er zunächst nur die „steigenden italienischen Einflüsse“ in die Diskussion brachte.145 Weil das Auswärtige Amt und die Volksdeutsche Mittelstelle die Zusammenarbeit der evangelischen Kirche mit dem KAEK durch Stärkung der Kompetenzen der Volksgruppe unterbinden wollten, schlossen sie das KAEK aus den Verhandlungen aus. Bischof Heckel erfuhr durch Bischof Popp von den Änderungsvorschlägen der innerdeutschen Stellen. Er empörte sich darüber, dass Bischof Popp die Änderungswünsche für die Kirchenverfassung ohne Rücksprache mit ihm abgelehnt hatte und 141 PAAA-GZ, 207 Bf. Popp an Kasche betr. Verfassungsentwurf der dt. evangelischen Kirche in Kroatien, 5.9.1942; Ebd., 240 Bf. Popp an Kasche, 8.6.1942; EZA/5/897, A7137/42 Bf. Popp an Bf. Heckel, 15.6.1942. 142 PAAA-GZ, 207 Bf. Popp an Kasche betr. Verfassungsentwurf der dt. evangelischen Kirche in Kroatien, 5.9.1942. 143 Ebd. 144 Ebd. 145 Ebd., 240 Antwort von Kasche auf den Erlass vom 5.6.1942 an das AA, 19.6.1942.
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verlangte einen ausführlichen Bericht, falls Popp Ratschläge erwartete. Dass die Wahl der Geistlichen nur mit Zustimmung der Volksgruppe erfolgen sollte, hielt Heckel ebenfalls für überzogen, betonte aber, dass ihm die grundlegenden Informationen fehlten, um die Forderungen besser einschätzen zu können.146 Bischof Popp sprach im September 1942 erneut bei Kasche vor. Mit der Verabschiedung der Verfassung hegte er die Hoffnung auf den Erhalt eines eigenen Sektionschefs im Ministerium für Justiz und Religion. „Jetzt ist unsere Kirche noch immer einem katholischen kroatischen Mönch als Sektionschef unterstellt“147, klagte er. Etwa zeitgleich, am 15. September, wurde im Ministerium für Justiz und Religion über die Ausarbeitung eines Gesetzes zur Organisation der islamischen Glaubensgemeinschaft verhandelt.148 Die evangelische Kirche schien als einzige eine gesetzliche Grundlage ihrer Tätigkeit und Organisation zu vermissen. Die Enttäuschungen über die innerdeutschen Stellen und die inzwischen auch zum KAEK strapazierten Beziehungen machten Popp die schlechte Lage seiner Kirche noch deutlicher und die Einrichtung einer Interessenvertretung in der kroatischen Regierung umso dringlicher. Die Zurücksetzung des Protestantismus drohte vor dem Hintergrund der anstehenden Aussiedlung der Bosniendeutschen noch größer zu werden. Die Protestanten waren zahlenmäßig völlig unterlegen und drohten in die Bedeutungslosigkeit zu versinken und außerdem hatte auch die Frage der religiösen Übertritte gezeigt, dass die evangelische Kirche kaum politischen Einfluss ausübte. Die Konvertiten wurden trotz oder sogar wegen des Übertrittes zur evangelischen Kirche vielerorts verschleppt und inhaftiert.149 Bald reiste Kasche nach Berlin, wo er sich mit einem Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, Luther, über das weitere Vorgehen beriet. Kasche brachte inzwischen immer häufiger Argumente vor, die auf der Gefahr seitens der römisch-katholischen Kirche und des Vatikans aufbauten. In seinem Bericht vom 22. April 1942 hatte er noch das Gegenteil behauptet. Nun zog er Helms Berichte als Grundlage seiner Argumentation heran. Helm hatte in einem seiner Berichte die Rede des UstašaOberst Gustović vom 22. Juli 1942 als Beispiel der zunehmenden „Katholisierung“ in Kroatien angeführt. Gustović habe den Verdacht geäußert, dass die deutsche evangelische Kirche mit der serbisch-orthodoxen Kirche zusammenarbeite und die katholischen Interessen deshalb in einen Block zusammengefasst werden müssten. Die Instrumentalisierung der evangelischen Kirche für eine Zusammenarbeit zwischen der orthodoxen Kirche und dem Reich war damit zumindest in Ansätzen aufgeflogen. Die hinausgezögerte Verabschiedung der von der kroatischen Regierung geforderten Verfassung bedeutete eine weitere Belastung der deutsch-kroatischen Beziehungen.150 146 EZA/5/897, A7327/42 Bf. Heckel an Bf. Popp, 24.7.1942. 147 PAAA-GZ, 207 Bf. Popp an Kasche betr. Verfassungsentwurf der dt. evangelischen Kirche in Kroatien, 5.9.1942. 148 Ebd., 68 Schreiben von Kasche an das AA betr. „Muselmanen“, 18.9.1942. 149 Ebd., 207 Bf. Popp an Kasche betr. Verfassungsentwurf der dt. evangelischen Kirche in Kroatien, 5.9.1942. 150 Ebd., 240 Schreiben von Kasche an das AA im Nachgang zum Schreiben vom 21.7.1942, 7.8.1942; EZA/5/897, A7756/41 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 30.9.1942.
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Der Legationsrat Büttner vom Auswärtigen Amt hatte in der Frage der Kirchenverfassung zunächst im April der Partei-Kanzlei der NSDAP einen Entwurf der Verfassung übermittelt und sie im Juni 1942 über seine Änderungsvorschläge verständigt. Die Volksdeutsche Mittelstelle zog jedoch im August 1942 ihre Forderungen über die Wahl des Bischofs seitens der Volksgruppenführung oder der Reichsregierung zurück, womit sie sich auf Kasches Linie einstimmte.151 Diese Entscheidung hatte Popp anscheinend wieder ermutigt. Er revidierte seine Zustimmung zur Präambel, in welcher die evangelische Kirche als Teil der Volksgruppe definiert wurde. Doch er lehnte weiterhin ab, dass alle Mitglieder der evangelischen Kirche auch Mitglieder der Volksgruppe sein sollten. Angeblich hätte Altgayer während einer gemeinsamen Unterredung vorgeschlagen, dass alle Evangelischen deutscher Ethnie und „artverwandter Volkstümer“ Mitglieder der DEK im NDH sein durften. Wegen des Priestermangels lehnte Popp ebenfalls weiterhin ab, sich bei der Wahl der Priester auf Angehörige der Volksgruppe zu beschränken. Des Weiteren beantragte Popp, dass die Wahl des weltlichen Präsidenten nicht nach Zustimmung, sondern nur im Einvernehmen mit der Volksgruppenführung erfolgen sollte.152 Über die deutsche Gesandtschaft in Zagreb wurde im Januar 1943 von den innerdeutschen Stellen aus ein Kompromiss vorgeschlagen. Die DEK konnte als Bestandteil des deutschen Volkstums und nicht der deutschen Volksgruppe, mit welcher sie jedoch verbunden war, definiert werden. Ebenso durften die Mitglieder der DEK nun auch Slowaken, Reichsdeutsche, Kroaten, Skandinavier und andere „arische“ Völker sein. Bei den Geistlichen hatten die innerdeutschen Stellen immer noch darauf bestanden, dass sie Volksdeutsche waren, was Popp wiederholt ablehnte und die Formulierung „Angehörige der Volksgruppe in Kroatien, einer anderen deutschen Volksgruppe und Reichdeutsche“ forderte. Außerdem versuchte Popp die Kompetenzen des KAEK bei der Wahl des Landesbischofs zu stärken. Der Verfassungsausschuss hatte dem KAEK ursprünglich nur eine beratende Funktion bei der Bischofswahl eingeräumt. Keine Kontroversen verursachte der Vorschlag, dass der Landeskirchenkurator im Einvernehmen mit der Volksgruppenführung bestimmt wurde. Die innerdeutschen Stellen nahmen auch Abstand von ihren Forderungen bezüglich der Berufung von weltlichen Mitgliedern und des Landeskirchenrates.153 Bei einer Besprechung in der deutschen Gesandtschaft in Zagreb im 151 PAAA-R 901/69663 Das AA (Büttner) an die Partei-Kanzlei der NSDAP (Krüger) betr. Deutsche Evangelische Landeskirche in Kroatien, 25.4.1942; Ebd., Die Partei-Kanzler der NSDAP (Krüger) an das AA (Büttner) betr. volksdeutsche evangelische Kirchen in Kroatien und in der Slowakei, 7.1.1943; Ebd., Die Antwort des AA an die NSDAP (Krüger), 1.3.1943. 152 EZA/5/897, A8116/42 Bf. Popp an Bf. Heckel, 30.11.1942. 153 Ebd., A6092/43 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 15.1.1943. Gegen eine starke Einflussnahme des KAEK bei der Bischofswahl hatten Senior Hamm, der weltliche Präsident Bruckner, Senioratsinspektor Jauss, Konsenior Schiller und Pf. Lohmann gestimmt. Senior Hamm war gleichzeitig Ortsgruppenleiter in Sarajevo. Im Sommer 1942 wurde ihm die Anstellung als Hauptamtsleiter für Verwaltung innerhalb der Volksgruppe in Aussicht gestellt. Vor allem sollte er mit der Umsiedlung der Deutschen aus Bosnien betraut werden. Hamm war dem nicht abgeneigt, obwohl ihm laut Heckel eine Anstellung im Reich offenstand. Hamm habe sich außerdem schon vorher nach einem neuen Beruf umgeschaut, weil er sich von seinem Beruf als Geistlicher seelisch und geistlich entfremdet habe, bemerkte Altgayer. Doch Hamm hatte an-
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Februar 1943 konnte Bischof Popp schließlich auch diese Forderungen bezüglich der Geistlichen und der Rolle des KAEK durchsetzen. Die Verfassung galt zu diesem Zeitpunkt als von den reichsdeutschen Stellen genehmigt. Zusätzlich versuchte er nun auch seine eigene Berufung zu entfristen, so dass er, wie in anderen evangelischen volks- und reichsdeutschen Kirchen, Landesbischof auf Lebenszeit bleiben konnte. Die Sanktionierung der Verfassung durch Pavelić sollte nun im April 1943 erfolgen.154 Die dafür nötige Sitzung des Landeskirchenrates und des Verfassungsausschusses konnte jedoch aufgrund der Kriegseinwirkungen und somit unsicheren Reisemöglichkeiten der Mitglieder nicht stattfinden. Einige Mitglieder erhoben zudem schriftliche Einsprüche gegen den neuen Entwurf. Ein Mitglied verlangte infolge der Umsetzung des Arierparagrafen innerhalb der Kirchenverfassung und somit de jure, eine Beratung darüber, wie mit „Nichtariern“ und „Mischlingen“ in der Kirche zu verfahren war. Ein anderes Mitglied des Verfassungsausschusses lehnte die Mitsprache der Volksgruppe ab, weil er nicht verstehen konnte „was eine – wahrscheinlich immer noch – katholische Volksgruppenführung mit unserer Kirche zu tun hat. Eine Förderung ist von dort gewiss nicht zu erwarten. Wir kehren zur alten Monarchie zurück, wo der röm. kath. Kaiser unser ‚summus episcopus‘ war.“155 Die Sanktionierung der Verfassung musste somit erneut auf den 31. Oktober 1943 verschoben werden. In der Frage der Rechte von Nichtariern (ca. 40 Mitglieder) und Mischlingen (ca. 60 Mitglieder) sprach sich Popp schließlich gegen eine verfassungsrechtliche Regelung aus, um keine Schwierigkeiten mit den innerdeutschen Stellen zu provozieren. Stattdessen sollten diese Personen nach Absprache mit Kasche „stillschweigend in den Gemeinden geduldet werden.“156 Ein weiteres Mitglied des Verfassungsausschusses hatte angemerkt, dass die ausdrückliche Anwendung des Arierparagrafen durch die Bestimmung, dass die Mitglieder der DEK Angehörige des deutschen Volkes und „artverwandter“ Völker sein müssen, in der übrigen protestantischen Welt Aufsehen erregen könnte. Doch Popp und Kasche blieben bei ihrer Regelung. Bischof Heckel wollte ebenfalls keine Rücksicht auf die „Feindpropaganda“ nehmen.157 Bischof Popp hatte seine Beziehung zur Volksgruppe gegenüber dem KAEK stets als positiv und freundschaftlich bezeichnet. Dass dies jedoch nicht der Wahrheit entsprach, belegen die Eingaben von Altgayer an innerdeutsche Stellen, die sich gegen die Kirchen richteten. Nach außen hin riskierte der Volksgruppenführer nicht, die Kirchenmitglieder gegen die Volksgruppe aufzuhetzen. Dies zeigte sich
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scheinend abgelehnt, weil er als Pfarrer in diesem Amt von der Volksdeutschen Mittelstelle keine Duldung erwartete. Daraufhin wurde er als politisch unzuverlässig dargestellt. Dennoch wechselte er zum Deutschen Institut in Sarajevo. PAAA-GZ, 243/2 Altgayer an die Volksdeutsche Mittelstelle betr. Besetzung der Hauptämter für Verwaltung und Kultur, 4.8.1942; EZA/5/897, A7466/42 und A7117/43, Korrespondenz zw. Bf. Popp, KAEK und Hamm, 31.7.– 26.2.1943. EZA/5/897, A6401/43 und A6728/43 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 22.2.1943 und 16.3.1943. Ebd., A6728/43 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 16.3.1943. Ebd., A6729/43 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 13.4.1943. Ebd., A6729/43 und A7316/43 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 13.4.1943 und 24.7.1943; Ebd., die Antwort von Heckel, 9.7.1943.
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an den Reaktionen zum später thematisierten Fall Ritz bei der Finanzierung der evangelischen Kirche, der Schulträgerschaft usw. Altgayer hatte in einem Schreiben an die Volksdeutsche Mittelstelle vom 15. Mai 1943 seine Antipathie gegen die religiösen Vertreter der evangelischen und auch katholischen Deutschen in Kroatien erneut zum Ausdruck gebracht.158 Bischof Popp übermittelte Kasche schließlich am 27. Juli 1943 die durchgeführten Änderungen an der Verfassung für die Weiterleitung an die innerdeutschen Stellen. Im ersten Absatz der Verfassung sollte gervorgehoben werden, dass die DEK im NDH ein Bestandteil des deutschen Volkstums und damit nur mit der Deutschen Volksgruppe verbunden war. Als Mitglieder der DEK wurden die Angehörigen des deutschen Volkes und artverwandter Völker evangelischen Glaubens genannt, während alle Seelsorger, Amtsträger und Beamten der Kirche Angehörige des deutschen Volkstums sein mussten. Der Bischof musste kroatischer Staatsbürger sein und durch den Landeskirchenrat im Einvernehmen mit dem Außenamt der DEK in Berlin auf Lebenszeit berufen werden. Das kroatische Staatsoberhaupt bestätigte den Bischof. Der Landeskirchenrat wählte im Einvernehmen mit dem Volksgruppenführer den Landeskirchenkurator.159 Bis auf die Ergänzung, dass unter den Mitgliedern der evangelischen Kirche auch artverwandte Völker verstanden würden, entsprachen die Änderungswünsche im Großen und Ganzen den Vorschlägen, die Kasche am 19. Juni 1942 an das Auswärtige Amt gerichtet hatte. Die für Oktober 1943 angesetzte Sanktionierung der Kirchenverfassung konnte nicht stattfinden, weil die Kriegsereignisse eine vorherige Zusammenkunft der Mitglieder unmöglich machten.160 Die Verfassung der evangelischen Kirche wurde schließlich ebenso wie die Verfassung der islamischen Glaubensgemeinschaft nie verabschiedet. 3. DIE ZUSAMMENARBEIT DER KIRCHEN IM ZEICHEN DES NATIONALSOZIALISMUS Die evangelische und katholische Kirche Die ökumenische Arbeit der evangelischen Kirche war nach ihrer Gleichschaltung im Nationalsozialismus auf die politisch instrumentalisierte Kooperation, etwa mit der serbisch-orthodoxen Kirche, begrenzt. Eine prosowjetische Stellungnahme des Bischofs von Canterbury sorgte Anfang 1939 für Solidaritätsbekundungen und Gegenstellungsnahmen innerhalb der Kirchenkreise aller Konfessionen in Europa. Auf der politischen Ebene nutzte das Auswärtige Amt die Gelegenheit, seine Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen in Ost- und Südosteuropa zu stärken. Die angli158 PAAA-GZ, 207 Schreiben von Altgayer betr. Tätigkeit der kirchlichen Behörden in Kroatien, 15.5.1943. Die Volksdeutsche Mittelstelle leitete das Schreiben an die Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Hummitzsch und Schrems, sowie an Reichel vom AA weiter. Erst durch die Weiterleitung des AA erhielt Kasche Kenntnis von den Vorwürfen, die Altgayer erhob. 159 Ebd., Bf. Popp an Kasche, 27.7.1943. 160 EZA/5/897 Bf. Popp an Bf. Heckel, 29.10.1943.
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kanische Kirche bot eine Projektionsfläche für die Entwicklung einer Propaganda, die sich gleichzeitig gegen den Bolschewismus und gegen England richtete. Bischof Popp versuchte auf Anweisung von Bischof Heckel, den serbisch-orthodoxen Patriarchen Dožić gegen den englischen Vorstoß „Religion und Kirche in rein politische Angelegenheiten hineinzuziehen“ zu mobilisieren. Die protestantischen wie die orthodoxen Kirchen sollten sich gegen den Vorschlag lehnen, dass alle christlichen Kirchen Europas unter der Führung des Papstes oder – wenn dieser die Führung ablehnen sollte – des Bischofs von Canterbury gegen Deutschland aufgehetzt würden.161 Als sich z. B. der finnische Erzbischof Kaila bei Abbruch der britischfinnischen Beziehungen scharf gegen den Bischof von Canterbury wandte, der sich für eine Zusammenarbeit mit der Sowjetunion ausgesprochen hatte, richtete auch Bischof Popp eine Beistandsbekundung an Kaila.162 Der Protest des finnischen Bischofs gegen den Bischof von Canterbury wurde als Propagandawaffe im Kampf gegen die anglikanische Kirche benutzt.163 Seit der kroatischen Bischofskonferenz im November 1941 beobachteten deutsche V-Männer verstärkt Kontakte zwischen der römisch-katholischen Kirche in Kroatien und dem Vatikan. Der Rückzug Stepinacs von der Seite der Ustaša sowie seine latenten anti-nationalsozialistischen Äußerungen ließen die deutschen Stellen unter der deutschen Gesandtschaft in Kroatien vermuten, dass die Bildung eines anti-nationalsozialistischen Blocks zwischen Stepinac, dem Papst und dem Bischof von Canterbury entstand. Dieser Block schloss die serbisch-orthodoxe Kirche mit ein. Die Orientierung der römisch-katholischen Kirche in Kroatien in Richtung vermeintlich friedlicher Konversionen und der Verwendung der griechisch-katholischen Kirche als Mittel der Annäherung zwischen der Ost- und Westkirche wurde als eine ernste Gefahr für die deutschen Interessen eingestuft. Ungeachtet der mangelnden Analyse tatsächlicher Hintergründe vatikanischer Politik, die ein Quellenstudium in vatikanischen Archiven erfordern würde, muss anerkannt werden, dass die NS-Politik von einer Zusammenarbeit zwischen dem Vatikan, England und Stepinac im Sinne der Annäherung zwischen der Ost-, West- und der anglikanischen Kirche mit dem Ziel der Bekämpfung des Nationalsozialismus überzeugt war. Im NDH bildete eine solche Einschätzung den Rahmen der Religionspolitik und kann für die Erklärungen der Gesamtsituation in Kroatien nicht vernachlässigt werden. Insgesamt sah Kasche die römisch-katholische Kirche in Kroatien als die Hauptträgerin des Kroatentums, die den gleichen Zielen wie der kroatische Staat nachging. Die Vorteile, die die römisch-katholische Kirche aus dieser Nähe zum Staat zog, äußerten sich z. B. in der Gründung von elf konfessionellen Mittelschulen mit Öffentlichkeitsrecht zwischen Juli und September 1941 sowie vor allem in der Personalfluktuation. Viele Geistliche waren Mitglieder und Funktionäre in der Ustaša-Organisation. Dennoch bestanden aufgrund des Aufbaus der staatlichen Jugendorganisation Spannungen zwischen den beiden Akteuren, weil dadurch der Kirche der Einfluss auf die Jugendbildung entzogen wurde. Kasche bemerkte zu 161 PAAA-GZ, 207 Eingabe von Bf. Popp an den Patriarchen Dožić, 31.3.1939; Ebd., Bischöflicher Pf. Becker an Bf. Heckel, 3.4.1939. 162 Ebd., 68 Bf. Popp an den finnischen Erzbf. Kaila, 21.9.1941. 163 muRtoRinne, Kirchenbeziehungen, 101.
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Recht, dass die Regierung die Bemühungen des politischen Katholizismus behinderte. Er verstand den Großteil des niederen Klerus und den Großteil des Ordensklerus, insbesondere der Franziskaner, als nationalistisch-kroatisch orientiert, den Großteil des höheren Klerus mit Erzbischof Stepinac und den Ordensklerus der Jesuiten dagegen dem politischen Katholizismus zugeneigt. Den politischen Einfluss, den die römisch-katholische Kirche im öffentlichen Leben ausübte, schrieb er auch den Verdiensten des Seniorats der Studentenvereinigung „Domagoj“ zu. Diese wurde zwar aufgelöst, ihre Netzwerke wirkten jedoch an wichtigen kirchlichen Stellen weiter. Viele staatliche Funktionäre aus den Bereichen des staatlichen Presse- und Propagandawesens sowie der Jugenderziehung kamen außerdem aus den Kreisen um die Zeitschrift „Hrvatska smotra“.164 Die Beziehungen der römisch-katholischen Kirche und des kroatischen Staates zum Vatikan standen unter der besonderen Beobachtung von Siegfried Kasche. Der Papst hatte Pavelić und die kroatische Delegation zu einer Audienz empfangen. Die gegenseitige Abordnung der Gesandten – des Delegaten Giuseppe Ramiro Marcone nach Zagreb am 5. August 1941 und des Gesandtschaftsrates in Rom, Rušinović, in den Vatikan – kam einer Anerkennung Kroatiens durch den Papst nahe. In Kroatien wurde Marcone zunehmend als Teil des diplomatischen Korps wahrgenommen und wohnte bedeutenden öffentlichen Veranstaltungen bei. Auch der kroatische Gesandte in Deutschland, Budak, soll den Nuntius in Berlin als „Katholik“ besucht haben; alles ausreichende Gründe für die serbische Exilregierung, im Vatikan wegen zu großer Nähe zwischen dem Ustaša-Regime und dem Vatikan zu protestieren.165 Eine de jure Anerkennung des NDH durch den Vatikan blieb jedoch aus. Die Erklärung war, dass der Heilige Stuhl in Kriegszeiten keine Staaten anerkannte. Ohne Zweifel versuchte Pavelić, eine Anerkennung durch den Vatikan zu erlangen und auch seine Politik gegenüber der römisch-katholischen Kirche war darauf ausgerichtet, dass Stepinac eine Anerkennung im Vatikan beschleunigen sollte. Spätestens mit der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche zeichnete sich jedoch ab, dass Pavelić eine Legitimierung seines Regimes durch den Vatikan nicht mehr erwartete. Die Informationen über eine mögliche Kanonisierung des serbisch-orthodoxen Heiligen und Kirchenbegründers Sava als einen katholischen Heiligen, die den der Boden für eine Vereinigung der serbisch-orthodoxen mit der römisch-katholischen Kirche in Kroatien vorbereiten würde, bewertete Kasche allerdings als einen Ausläufer der kroatischen Serbenpolitik.166 Tatsächlich besteht die Erklärungsoption, dass Stepinac in Absprache mit Pavelić selbst die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche befürwortet oder sogar vorgeschlagen hatte. In der Verfassung der kroatisch-orthodoxen Kirche wurde eine Vereinigung christlicher Kirchen als explizite Aufgabe genannt.167 Dies soll allerdings vor der unzureichenden Quellenlage nur angedeutet bleiben. Ebenso spekulativ, aber dennoch erwähnenswert ist die Mög164 PAAA-R 901/69663 Siegfried Kasche über Konfessionelle Verhältnisse in Kroatien an das Auswärtige Amt, Kult. Gen., 22.4.1942. 165 Ebd. 166 Ebd. 167 Zur Kirchenverfassung im Wortlaut Hrvatski List, 7.6.1942.
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lichkeit, dass Stepinac und Pavelić gemeinsam die Strategie der Annäherung der serbisch-orthodoxen an die katholische Kirche mittels der griechisch-katholischen Kirche verfolgten. Dies würde erklären, warum Šimrak in Pavelićs Namen 1942 im Vatikan für eine Anerkennung des NDH warb. Es ist denkbar, dass Pavelić die kroatisch-orthodoxe Kirche erst infolge der gescheiterten Kirchenpolitik in Zusammenarbeit mit Stepinac und Šimrak gründete. Diese Überlegungen müssen jedoch weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Weiteren Antrieb erhielt die These von der kirchlichen anti-nationalsozialistischen Blockbildung durch Hinweise über das Verhalten des Klerus. Hans Helm berichtete am 25. August 1942 an das Reichssicherheitshauptamt, Ämter IV und VI, über „feindliches anti-deutsches Handeln des katholischen Klerus in Kroatien“. Unter dem niederen Klerus seien viele extrem nationalistisch, darunter auch eine Bewegung, die die Ustaše im Kampf gegen die Serben anführe und Verbrechen zu verantworten habe. Die Beziehungen der katholischen Kirche zur orthodoxen Kirche seien wegen dieser Handlungen und Zerstörungen der Orthodoxie sehr schlecht. Daher bezweifelten die Nationalsozialisten die Möglichkeit einer Vereinigung der beiden Kirchen. Distanzierungsversuche der katholischen Kirche von der Ustaša seien erst nach schwerwiegenden Verbrechen der Ustaša an der serbischen Bevölkerung erfolgt, so Helm.168 Die Schwierigkeit war aber, dass der Klerus im NDH gespalten war. Dies wurde an der Konversionspolitik verdeutlicht. Die Irritation der deutschen Stellen wurde gerade durch diese Spaltung hervorgerufen. Helm war ohne Zweifel gut informiert und verfügte über detaillierte Informationen selbst über in bosnischen Provinzorten gehaltene Predigten und Reden, auch von weniger exponierten Persönlichkeiten des Klerus. So habe der Pfarrer Čekada am 2. August 1942 in Teslić russlandfreundlich gepredigt und Ermordungen insgesamt verurteilt. Ähnliches habe am gleichen Tag auch Pfarrer Buljan in Zavidovići gepredigt. Dahinter vermutete Helm eine organisierte Aktion. Neben dem bereits oben genannten Fall Dujmušić beschwerte sich Helm außerdem über den Pfarrer Božidar Bralo in Sarajevo, der jüdisches Eigentum in einem Fall nicht einem Volksdeutschen, sondern einem Kroaten überlassen habe. In Vrpolje nahe Đakovo soll der Pfarrer Lovro Knežević einigen Volksdeutschen gedroht haben. Er störte sich an ihrer nach außen gekehrten deutschen Identität. „Sind das [Altgayer, Brauchitsch und Sartari, Anm. d. A.] etwa Deutsche? […] Hauptsache es siegen Slawen und keine Deutschen.“169 Diese Vorfälle wurden von den V-Männern ernst genommen. Mit jedem Ereignis wuchs bei den deutschen diplomatischen und militärischen Stellen die Gewissheit, dass der römisch-katholische Klerus in Kroatien zunehmend anti-deutsch eingestellt war, wenn er auch gleichzeitig die Ustaša unterstützte. 168 HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942. 169 Ebd.; 35 Dossier; Buljan warfen die muslimischen Honoratioren auch anti-muslimische Ressentiments vor. Er sei bei der Verhaftung von 90 Muslimen aus Travnik beteiligt gewesen, was die Beziehungen zwischen Muslimen und Katholiken im Bezirk Travnik noch weiter anspannte. Auch dem Pfarrer in Travnik, Perčinlić, der Konversionen zum Katholizismus förderte, warfen die Muslime Agitation mit dem Ziel der Schaffung einer katholischen Mehrheit in Bosnien vor. HR-HDA-211, 2–78 Bericht von Ćatić Mehmed Alija an den Präsidenten des Sabor über die Lage im Bezirk Travnik, 30.5.1942.
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Die Ausdehnung des Einflusses der katholischen Kirche in Kroatien verstand die deutsche Gesandtschaft als einen weiteren Brandbeschleuniger in den kriegerischen Auseinandersetzungen, weil dadurch die Unzufriedenheit der Muslime wuchs. Helms Abteilung und geheimdienstliche Netzwerke versuchten angeblich, die Konversionen zum katholischen Glauben zu behindern, was zu einem geringen Anteil durch Förderung von Übertritten zum Islam oder Protestantismus gelungen sei. Helm schlug auch konkret die Ausnutzung der katholisch-muslimischen Gegnerschaft vor, um die kroatische Regierung zu mehr Eingeständnissen gegenüber den Muslimen zu drängen und dadurch den Einfluss der katholischen Kirche zu mindern.170 Er glaubte, dass die Ustaša ihre Konversionspolitik eingestellt hatte, weil die Muslime in Bosnien Gleichbehandlung und damit auch Übertritte der Serben in Bosnien zum Islam forderten. Außerdem erkannte Helm in dieser Situation die Möglichkeit zur Zügelung der Verbreitung des katholischen Einflusses. Um Konflikte mit Muslimen zu meiden, sei die kroatische Regierung zum Entgegenkommen genötigt und müsse aufhören, die katholische Kirche zu favorisieren. Der Einfluss des Vatikans in Kroatien werde so, auch im Interesse des RSHA gemindert.171 Die von der deutschen Gesandtschaft im NDH gesammelten Informationen über den katholischen Klerus dienten auch einem anderen Ziel. Ebenso wie sie den Klerus anderer Kirchen für ihre Interessen zu manipulieren versuchte, prüfte sie einzelne katholische Geistliche für eine „Verwendung“. Als z. B. der bereits erwähnte katholische Priester, Dragutin Kamber, im Dezember 1941 einen überaus deutschlandfreundlichen Artikel in der muslimischen Zeitschrift „Osvit“ in Sarajevo veröffentlichte, fiel die Aufmerksamkeit deutscher Stellen auf ihn. Kamber unterhielt gute Beziehungen zum Herausgeber des „Osvit“, Hasan Hadžiosmanović. Nicht nur weil der Artikel „ganz auf unserer Seite liegt“, wie Kasche dem Auswärtigen Amt mitteilte, sondern auch weil er nicht im führenden „Katolički tjednik“ abgedruckt wurde, stellte das deutsche Konsulat in Sarajevo über Kamber Nachforschungen an. Wichtig für die deutsche Gesandtschaft wurden die Fragen, warum sich Kamber innerhalb der führenden Kreise des „Katolički tjednik“ keines Rückhaltes erfreute und „wie Kamber für unsere Zwecke herangezogen werden könnte“.172 Der deutsche Konsul in Sarajevo empfahl die Verwendung Kambers für gelegentliche publizistische Bearbeitung eines ihm gestellten Themas, führte jedoch seinen Zwist mit dem „Katolički tjednik“ auf einen persönlichen Konflikt zurück. Kamber war nämlich zwischen 1926 und 1928 Redakteur des besagten Blattes gewesen, geriet aber wegen seiner Einstellung in einen Streit mit den sogenannten „Senioren“ und verlor seinen Posten.173 Später versuchte er sich auch in der von Erzbischof 170 HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942. 171 Ebd. 172 PAAA-GZ, 67Y/1 „Uebersetzung aus dem muselmanischen Blatt ‚Osvit‘ vom 18.12.1942. Warum wuenschen wir den Sieg Deutschlands und seiner Verbuendeten“; Ebd., Deutsche Gesandtschaft in Zagreb, gez. Kreiner, an das deutsche Konsulat in Sarajevo, 13.1.1943; Ebd., HR-HDA-1521, 35 Dossier. 173 Mit „Senioren“ waren die Anhänger des Kroatischen katholischen Seniorats (HKS) gemeint, der Institution der Kroatischen katholischen Bewegung (HKP). Dragutin Kamber war ein An-
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Šarić gegründeten Tageszeitung „Narod“, die aber nach nur kurzem Anlauf 1933 ihr Erscheinen einstellen musste. Kamber wurde mehrere Male wegen kroatischnationaler und kritischer Äußerungen gegen die jugoslawische Regierung verhaftet. Bis zum Kriegsausbruch war Kamber acht Jahre lang Pfarrer in Doboj. Beim ersten Angriff der Četnici oder Partisanen auf die Stadt flüchtete er. In seiner Pfarre war er nicht mehr willkommen und ersuchte bei Bischof Šarić die Versetzung in die Zagreber Diözese. Šarić versetzte ihn jedoch nach Sarajevo, wo er als Religionslehrer arbeitete. Interessant für die deutschen Diplomaten waren auch Kambers gute Verhältnisse zu den Volksdeutschen in Doboj.174 Ein bedeutender Teil von Kambers publizistischer Arbeit war schließlich der Propagierung einer kroatischen Identität unter den bosnischen Muslimen gewidmet. Seine Artikel wurden in muslimischen, kroatischen und deutschen Blättern veröffentlicht, etwa in der deutschen „Neue[n] Ordnung“ über „Die geistige Verbundenheit zwischen bosnischen Muslimanen und Katholiken“.175 Damit lag seine pro-muslimische publizistische Arbeit tatsächlich ganz auf der Linie der Nationalsozialisten. Kamber wurde 1944 zum Militärvikar ernannt. In einem Schreiben Stepinacs an den Papst anlässlich von Kambers Ernennung wurde festgehalten, dass 240.000 Serben im NDH zum römisch-katholischen Glauben konvertiert hatten. Das lange Zeit kontrovers diskutierte Schreiben bewertete der Historiker Jozo Tomasevich später als echt.176 Die evangelischen Kirchen in Deutschland und Kroatien bemühten sich ebenfalls um eine Annäherung an die serbisch-orthodoxe Kirche. Für Bischof Popp bedeutete eine weitere Privilegierung der katholischen Kirche einen sinkenden Einfluss der Protestanten in Kroatien. Eine Zusammenarbeit mit der serbischorthodoxen Kirche in Serbien war einerseits im Sinne des KAEK und des Auswärtigen Amtes. Andererseits erhöhte sich die Zahl der evangelischen Kirchenmitglieder durch die Anpreisung der Konversionen zum Protestantismus, was als eine Ausbalancierung zu den durch die Ustaša gewaltsam erpressten Konversionen betrachtet wurde. Die propagierte Rettung der Serben durch die Aufnahme in die DEK war ein gewichtiges Argument für die Verhandlungen mit der serbisch-orthodoxen Kirche. Ab dem Herbst 1942 stand sogar die ganze Existenz der DEK auf dem Spiel. Nach der Aussiedlung der Bosniendeutschen im Herbst 1942 schrumpfte die hänger der oppositionellen Katholischen Aktion. Kambers Vorgänger als Redakteur des „Katolički tjednik“ war der slowenische Geistliche Karlo Cankar, der ebenfalls zu den „Seniori“ gehörte. Auch der spätere griechisch-katholische Bischof Šimrak war Angehöriger der „Seniori“ sowie der von ihnen gegründeten Kroatischen Volkspartei. Weiterführend zur HKS, HKP und der Kroatischen Volkspartei matijević, Stranka, 78–89; deRS. Katolici i politika: Spor između stranačkoga Hrvatskog katoličkog pokreta i izvanstranačke Katoličke akcije (1912.–1929. godine) [Katholiken und Politik: der Konflikt zwischen der parteinahen Kroatischen katholischen Bewegung und der parteilosen Katholischen Aktion (1912–1929)]. In: Časopis za suvremenu povijest, Vol. 29 (1997), 437–456. 174 PAAA-GZ, 67Y/1 Siegfried Kasche an das AA betr. „Artikel im muselmanischen Blatt ‚Osvit‘“, 7.1.1943; das deutsche Konsulat an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb betr. Dragutin Kamber, 6.2.1943. 175 Neue Ordnung, 13.–20.2.1944. 176 tomaSevich, Occupation, 541 f., 576–579; Dieselbe Zahl bei jelić-Butić, Ustaše, 175 sowie FRucht, Bullet, 816.
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Zahl der deutschen Protestanten im NDH von fast 40.000 – inklusive der Konvertiten – auf etwa 30.000, die sich auf 60 Gemeinden verteilten. Insgesamt verrichteten 27 Pfarrer und Prediger religiöse Arbeit in den Gemeinden.177 Weitere Aussiedlungen aus Ostkroatien standen bevor. Die deutsche Volksgruppenführung behinderte jedoch eine Annäherung der evangelischen an die orthodoxe Kirche, weil sie dies als eine Gefahr für den nationalen Charakter der evangelischen Kirche bewertete. Die religiösen Übertritte in die evangelische Kirche, die eine weitere Stärkung der katholischen Kirche in Kroatien hemmten, hätten eine Gelegenheit zur Annäherung geboten, doch die Volksgruppenführung lehnte den Entwurf der Kirchenverfassung auch deswegen ab, weil er die Anschlüsse anderer Kirchen und serbische Übertritte ermöglichte. Popp hingegen sah die Möglichkeit der Annäherung der katholischen und der orthodoxen Kirche in Kroatien und Serbien als nicht gegeben.178 Für Ustaša, Papst oder Kroatien. Der katholische Klerus und seine Laien Die Irritationen, die die verschiedenen Positionen innerhalb der katholischen Kirche beim Auswärtigen Amt und der deutschen Gesandtschaft verursachten, gründeten in den Bedingungen der religiösen Arbeit des niederen und des hohen Klerus sowie der spezifischen Stellung der Franziskaner in Bosnien. Nach Helms Auffassung war der niedere katholische Klerus in Kroatien im Gegensatz zum höheren Klerus nationalistisch orientiert und glich in seiner politischen Einstellung dem orthodoxen Klerus in Serbien. Ferner, so Helm, lenke Stepinac im Interesse des Vatikans für die serbisch-kroatische Annäherung ein, weil ein geeintes Jugoslawien dem Kirchenfeind Deutschland schade. Der Vatikan habe Stepinac im März 1942 entsprechende Instruktionen gegeben. Des Weiteren berichtete Helm, dass der niedere Klerus die vom Vatikan geförderte Haltung abgelehnt habe. Dies ist durch die Analyse der Reaktionen der lokalen Akteure bereits deutlich geworden. Dass der Vatikan den NDH vorerst nicht anerkennen wollte, interpretierte der deutsche Geheimdienst als den Versuch des Vatikans, durch die Behinderung der nationalistischen Tendenzen in Kroatien die Politik des Dritten Reiches zu hemmen. Eine logische Folge für das RSHA sei deshalb die Förderung des Nationalismus in Kroatien. Dabei war jedoch problematisch, dass nationalistische Kreise bei den Übergriffen gegenüber der serbischen Bevölkerung federführend waren und die Unterscheidung zwischen nationalen Interessen und konfessionellen Motiven unklar war.179 Übergriffe auf die serbische Bevölkerung verursachten Gegenangriffe, die die deutschen Ressourcen und Interessen auf dem Gebiet des Königreichs Jugoslawien gefährdeten.
177 EZA/5/895, A6755/41 Bf. Popp an Bf. Heckel, 23.4.1941; PAAA-GZ, 207 Bf. Popp an die dt. Gesandtschaft in Zagreb betr. Beihilfe des KAEK, 19.9.1942. 178 HR-HDA-1521, 35 Dossier. Popps Äußerungen sind auf ein Gespräch mit Beissner vom Januar 1942 zurückzuführen. 179 HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942. Da Helm März 1942 und nicht etwa November 1942 nannte, würde dies für die These sprechen, dass Stepinac die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche nach Instruktionen aus dem Vatikan befürwortete.
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Religionssoziologisch betrachtet, folgt der Klerus in seiner religiösen Arbeit der Maxime, die Lebenspraxis der Laien entsprechend den Glaubenslehren zu beeinflussen. Weil er von den Laien die Anerkennung als weltliche wie auch spirituelle Macht erwartet, muss er auf die Bedürfnisse der Laien eingehen, wobei eine Anpassungs- und Angleichungsarbeit an die Glaubenslehre zustande kommt. Die Laien sind gleichzeitig das Objekt der Beeinflussung und die Stützen der Macht. Die religiöse Arbeit der Priester unterscheidet sich je nachdem, ob es sich um Eliten oder ländliche Bevölkerung bzw. breite Massen handelt.180 Dies kann bedeuten, dass die religiösen Arbeiten auch die „traditionellsten, also die magischen Formen religiöser Vorstellungen und Praktiken ergreifen“.181 Je einflussreicher die Priesterschaft in der Bevölkerung ist, desto mehr divergieren die religiösen Interessen, auf die sie reagieren muss und umso unterschiedlicher sind wiederum die Gegenreaktionen. Die religiösen Bedürfnisse z. B. der Bauern und der Eliten können sehr unterschiedlich sein. So haben der hohe Klerus und die Landgeistlichkeit unterschiedliche Interessengruppen und reagieren darauf mit unterschiedlichen Botschaften.182 Setzte man die Landgeistlichen und die volksnahen Franziskaner einerseits und den hohen Klerus anderseits der Bourdieu’schen Theorie aus, scheint sich das Bild zu fügen. Die Reaktionen, Initiativen und Handlungen des niederen und hohen Klerus bei der Organisation und Durchführung der religiösen Übertritte deuteten bereits auf eine solche Verteilung hin. Der niedere Klerus und die Franziskaner waren nationalistisch und pro-Ustaša orientiert, da sie auf den „primitiven ideologischen Nationalismus“ der Provinzbevölkerung reagierten bzw. die Bevölkerung durch ihn zu beeinflussen versuchten, um ihre Macht in der Bevölkerung zu sichern.183 Dagegen passte der hohe Klerus seine religiöse Botschaft den politischen Vorstellungen der politischen Eliten an, wobei der Kompromiss der religiösen Botschaft in der Ablehnung der Methoden der Ustaša – jedoch nicht auch in der Ablehnung des Regimes selbst – lag. Die politischen Eliten entschieden über den Erhalt der Macht und die Einkünfte des Klerus. Bei einer Verweigerung der Ustaša hätte der hohe Klerus folglich die Stützen seiner Macht im religiösen Feld und somit auch die Macht selbst eingebüßt. Die Positionen des katholischen Klerus können ferner in etwa entlang von zwei Achsen gebündelt werden. Die erste Achse stellte der kroatische Nationalismus dar – mit allen Veränderungen vor und während des Krieges – und die zweite der Gegensatz zwischen den Franziskanern und der hohen Kirche, der in den bosnischen Verhältnissen begründet war. Die Entscheidungen Vatikans und die NS-Kirchenpolitik beeinflussten als externe Faktoren die Verhältnisse entlang der Achsen. Außerdem schien die Altersstruktur Hinweise auf die politische Einstellung der katholischen Geistlichen zu erlauben. Unter kroatischen Geistlichen war die 180 181 182 183
bouRdieu, Interpretation, 26 f. ebd., 27. ebd. Der unreflektierte, instinktartige, reagierende bzw. „primitive Nationalismus“, der zu verschiedenen Zeiten aufkommen kann, geht auf die Kategorisierung von Eugen Lemberg zurück. Seine konstitutiven Faktoren waren das Wissen um die gewaltsame Eroberung, die sozioökonomische Unterdrückung und die Religion. behSchnitt, Nationalismus, 20, 240, 265.
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Auffassung vertreten, dass die älteren Geistlichen ab 40 Jahren Maček zugeneigt waren, während die jüngeren Pavelić unterstützten.184 Eine Charakterisierung der Priester nur nach ihrer Position in der Hierarchie ist dagegen unzureichend. Durch die Analyse der Funktionsweise der Religionspolitik der Ustaša wurde z. B. bei den Franziskanern deutlich, dass gerade die Spitze mit ihren personellen Verbindungen zum Ministerium für Justiz und Religion und zur Staatsdirektion für Erneuerung einen nationalistischen und Ustaša-freundlichen Kurs vertrat. Bei den Landgeistlichen aus dem Franziskanerorden in Bosnien und Kroatien ist die politische Einstellung nicht so einfach zu fassen. Der Verlauf des Krieges sollte zeigen, dass die Franziskaner, je nach Region und vorherrschenden Bedingungen, sogar zu den Partisanen gingen. Stepinac verurteilte solche „Kompromisse“ mit den Aufständischen scharf. Sie stellten einen Verrat an der katholischen Kirche dar.185 Es war die Nähe zum Volk und die Verpflichtung zum Volk, gerade in Bosnien und Herzegowina, die bei manchen Franziskanern zur Parteinahme für die Volksbefreiungsbewegung der Kommunisten führte. Damit ist auch zu erklären, dass einige von ihnen aus gemischten Gebieten und Städten nach 1945 von der jugoslawischen Justiz nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. In den rein katholischen Gebieten Bosniens und Herzegowinas, wo sich die Ustaša bis zum Ende des Krieges halten konnte, blieben auch die Franziskaner der Ustaša treu. Der Franziskaner Vitomir Jeličić, der spätere Provinzial der bosnischen Provinz „Bosna Srebrena“ und führende Aktivist in der Vereinigung „Dobri pastir“, gehörte zu einer Gruppe Franziskaner, die mit den Partisanen sympathisierten. Im November 1944 wurde er Dekan der neu gegründeten römisch-katholischen theologischen Fakultät in Sarajevo. Neben Jeličić fiel z. B. auch der Franziskaner Eduard Žilić bei deutschen Informanten negativ auf. Žilić war Redakteur der katholischen Monatsschrift „Glasnik Sv. Ante“, der Zweimonatsschrift „Glasnik bl. Nikole Tavelića“ und des Kalenders „Kalendar Sv. Ante“ in Visoko und Sarajevo sowie Professor an der theologischen Fakultät in Sarajevo. Später wurde er Pfarrer der Kirche Sv. Anto in Belgrad und Guardian des Klosters in Rama. Bei einem Treffen zwischen den beiden Franziskanern und einem Verbindungsmann Helms, der sich als Bekannter des Ustaša-Unteroffiziers Vokić ausgab, zeigten sich die Franziskaner bereit, den Verbindungsmann im Falle einer Gefahr mit der Franziskaner-Kutte auszustatten und ihm zur Flucht zur verhelfen. Das Treffen fand wohl im Herbst 1943 statt, denn der Bericht war auf den 12. Oktober datiert. Žilić und Jeličić zeigten sich sehr feindlich gegenüber dem Nationalsozialismus, glaubten an den Einmarsch der Engländer vor den Russen und zeigten mehr Verständnis für die Partisanen als für die Deutschen. Die Geistlichen hätten von den Partisanen nichts zu befürchten, hieß es. Dabei trügen die Deutschen die alleinige Schuld an den Verbrechen.186 Vokić war neben Lorković der zweite Drahtzieher der Verschwörung gegen das Ustaša-Regime im August 1944.187 Die deutschen Infor184 AJ-103-160, 42 Nach einem Bericht des jugoslawischen Gesandten in Zürich zu seinem Treffen mit dem kroatischen Geistlichen, Kadić, 6.10.1941. 185 kolanović, Quelle 2, Siegfried Kasche an das Auswärtige Amt in Berlin, 19.11.1942, 319. 186 HR-HDA-1521, 38 Vermerk, Sarajevo, 12.10.1943; Ebd., 35 Dossiers. 187 Die Lorković-Vokić Verschwörung gegen die NS-Herrschaft in Kroatien und das UstašaRegime wurde einen Monat nach dem Attentat vom 20. Juli auf Hitler aufgedeckt. Pavelić ließ
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manten zählten sogar den Erzbischof von Sarajevo, Šarić, ab 1943 zu den Sympathisanten der Partisanen, was jedoch als unwahrscheinlich gelten kann.188 Tatsächlich waren die Partisanen ab Mitte 1942 unter dem Sekretär des Zentralkommitees der KP Kroatiens, Andrija Hebrang, auf einem Deeskalationskurs zur katholischen Kirche. Die atheistische Propaganda wurde zurückgenommen und aufgrund eines Erlasses von Tito vom 23. Juni 1942 wurden sogar Priester als religiöse Referenten aufgenommen. Es gab Rituale der Segnung der Partisanenfahne und militärische Vereidigungen in Kirchen. Kirchliche Hochzeiten und religiöse Feste waren keine Seltenheit in den Reihen der Partisanen. Dadurch wurde der massenhafte Anschluss von Kroaten an die Partisanenbewegung ermöglicht. Die Volksbefreiungsfront wandte sich beispielsweise am 11. August 1941 auch an die kroatischen Katholiken und kündigte die Bildung einer antifaschistischen Gemeinschaft aus Kommunisten, Anhängern der Bauernpartei, Katholiken, Serben aus Kroatien und anderen. Katholische Priester wurden als Aushängeschilder der Demokratie benutzt. Svetozar Rittig von der Zagreber St. Markus-Kirche war mit seiner projugoslawischen Einstellung in der Tradition von Bischof Strossmayer einer der exponiertesten katholischen Priester in den Reihen der Partisanen. Rittig vermittelte zwischen den katholischen und serbisch-orthodoxen Geistlichen innerhalb des Antifaschistischen Landesrats der Volksbefreiung Kroatiens (ZAVNOH) und blieb wohl auch in Kontakt mit Stepinac. Ab August 1944 wurde die kirchenfreundliche Strategie wieder zurückgefahren.189 Die deutschen Stellen glaubten sogar, dass der Erzbischof Stepinac Symphatien für die Partisanen hegte. Stepinacs Familie engagierte sich mehrheitlich für die Partisanen.190 Mehrmals soll Stepinac an die Partisanen die Botschaft geschickt haben, er stünde nicht auf der Seite des Ustaša-Regimes. Die deutschen Stellen hoben insbesondere den Umstand hervor, dass die Partisanen Stepinacs Sommersitz in Brezovice nicht plünderten.191 Insgesamt sollen sich etwa 75 katholische Priester im jugoslawischen Raum den Partisanen angeschlossen haben. Davon waren 52 Kroaten, 21 Slowenen und 2 Polen. In Bosnien gingen auch vereinzelt serbisch-orthodoxe Priester und muslimische Imame und Hodžas zu den Partisanen.192 In der Forschung zum Verhältnis zwischen Sozalismus und Religion wird hervorgehoben, dass die Allianz zwischen ihnen von
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ihn erschießen. Banac, Pitanje, 335. Interessant scheint hier für weitere Studien die Verbindung zwischen den Franziskanern und den Verschwörern. Interessant ist auch, dass auch Lorkovićs Doktorvater Karl Christian von Lösch angeblich Verbindungen zu den Juli-Attentätern pflegte. PAAA-GZ, 207 Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10. und 28.7.1944; Angeblich hielt Šarić über den Partisanenstab Kontakt zu englischen Offizieren. Zu den Deutschland-feindlichen hohen katholischen Geistlichen zählte Helm u. a. einen Mitarbeiter Šarićs, Čedomil Čekada, und Krunoslav Draganović HR-HDA-1521, 35 Dossier zu Šarić, Čekada, Draganović u. a. Petešić, Svećenstvo, 25–30; Ders., Dokumenti, Nr. I, 233; Ders., Dokumenti, Nr. II, 234 f. – Buchenau schreibt, dass der kirchenfreundliche Kurs zurückgenommen wurde, um auch Serben für die Partisanenbewegung zu gewinnen. buchenau, Katholizismus, 245 ff., 250. StahL, Alojzije, 260–262. kolanović, Quelle 3, Polizeiattaché Helm an den Reichsführer SS und Chef der dt. Polizei in Berlin, 21.11.1942, 323. Petešić, Svećenstvo, 242 f.
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der Existenz transnationaler Akteure abhängt: „[…] socialism is an ally of religion when it joins forces with it against a transnational foe; it is religion’s enemy when it is itself that foe.“193 Dies traf zum Teil auch auf die untersuchten Regionen zu. Innerhalb des hohen wie des niederen katholischen Klerus zeigten sich große Unterschiede in der Zustimmung für die Ustaša, besonders ab 1942. Das nationalistische- und das pro-Ustaša-Lager drifteten immer weiter auseinander, während sie in den ersten Monaten nach der Staatsgründung noch eine Einheit gebildet hatten. Die Unterstützung für Deutschland erfuhr eine ähnliche Entwicklung. Für beide Entwicklungen war die Beschneidung der Kompetenzen der Kirche durch die Ustaša ausschlaggebend – die sie Stepinacs Unterstützung kostete – sowie die Kirchenpolitik des Dritten Reichs. Eine nicht mindere Rolle spielten auch Ermordungen von katholischen Priestern durch die Ustaša. Mit Stepinacs sachten Angriffen gegen den Nationalsozialismus spaltete sich der Klerus in weitere Fraktionen. Stepinac wandte sich in seiner Predigt zum Abschluss der Buß-Prozession am 31. Oktober 1943 an „ungezählte, geheime Berater von links und rechts, von oben und von unten“, die der Kirche suggerierten, was sie tun sollte, damit sie keine Schuld träfe. Die später viel zitierte Predigt strotzte vor Andeutungen und Metaphern. Auf die Kritik, die Kirche habe nicht rechtzeitig und nicht richtig gegen die Verbrechen in einigen Teilen des Landes reagiert, erwiderte Stepinac, die Kirche sei keine Trompete einzelner Parteien und Personen. In der Öffentlichkeit sei die Kirche stets für Gottesgesetze eingetreten, unabhängig davon, ob es sich bei Betroffenen um Kroaten, Serben, Juden, Roma, Katholiken, Muslime, Orthodoxe oder andere handelte. Die Kirche könne jedoch weder jemanden auffordern noch physisch dazu zwingen, diese göttlichen Gesetze zu wahren, denn jeder Einzelne sei vor Gott selbst für seine Taten verantwortlich. Deswegen könne die Kirche auch nicht für einzelne Hitzköpfe unter der Priesterschaft haften. Stepinac wies die Kritik mit der Feststellung zurück, dass die Kirche an der ganzen Lage nicht schuld sei, denn sie sei es nicht gewesen, die zu diesem Krieg mit schrecklichen Folgen gehetzt hätte, und richtete sie an „gewisse Kreise, Organisationen und Angehörige anderer Volksgruppen“.194 Im weiteren Verlauf der Predigt distanzierte sich Stepinac von Rassismus, Nationalsozialismus und der Politik des Dritten Reichs: „Die katholische Kirche kann nicht billigen, dass eine Rasse oder Volk, weil zahlreicher, größer und besser bewaffnet, Gewalt an einem zahlenschwächeren und kleineren Volk verübt. Wir können nicht gutheißen, dass Unschuldige ermordet werden, weil vielleicht jemand einen Soldaten aus dem Hinterhalt tötete, selbst wenn dieser von edelster Rasse wäre. Das System der Erschießung hunderter Geiseln wegen eines Verbrechens, dessen Schuldiger nicht identifiziert werden kann, ist ein heidnisches System, das niemals fruchtbar war und es niemals werden kann. Es ist ganz sicher, dass wenn man versuchte mit diesen Maßnahmen Ordnung zu schaffen, ganz viele von denen, die bisher die Stimme der Kirche gehört hatten, schließlich selbst versuchen werden die Rettung in den Wäldern zu finden, wenn sie selbst dem Terror ausgesetzt würden.“195
193 jueRgenSmeyeR, War, 145. 194 AJ-103-160, 704–706 Stepinacs Predigt anlässlich der Buß-Prozession in Zagreb, 31.10.1943. 195 Ebd.
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Unfähig oder unwillig, sich deutlich gegen die Ustaša auszusprechen, wie er dies gegen den Nationalsozialismus getan hatte, erklärte er die verfallene Moral der Menschen zur Grundursache der Ereignisse. Seine Kritik an der modernen Gesellschaft und dem Liberalismus bildete den roten Faden seiner Predigt. Krieg und Verbrechen sind nach Stepinacs Rede die Folge der Missachtung der zehn Gebote, vor allem von moralischen Vergehen wie Abtreibung, heidnischer Frauenmode, Strandkultur, Presse und Kino.196 Zu Recht bemerkte Klaus Buchenau, dass gerade die Skepsis gegenüber der Moderne den Boden für die Kollaboration mit dem Dritten Reich und seinen Satellitenstaaten unter dem Klerus vorbereitete und zu „temporären Koalitionen“ führte.197 Es war aber auch wieder die Skepsis gegenüber der Moderne und die Angst vor dem damit zusammenhängenden Machtverlust, die zum Teil zur Abkehr vom kroatischen Regime unter „heidnischer“ nationalsozialistischer Federführung führte, weil über den Nationalsozialismus deutlicher denn je Säkularisierungstendenzen nach Kroatien transportiert wurden. In der Analyse der katholischen Presse zeigte sich außerdem im Vergleich zwischen Zagreb und Sarajevo, dass die staatliche Zensur in Zagreb eher als in Sarajevo eingreifen konnte. Während z. B.der Herausgeber des im Zagreber „Katolički List“, Nikola Kolarek, für einen Artikel sogar die Fürsprache Stepinacs benötigte, konnte im Sarajevoer „Katolički Tjednik“ im Mai 1941 ein Artikel über die Megalomanie des Nationalismus ungestraft erscheinen. Darin wurde vor dem modernen, einseitigen, leidenschaftlichen Nationalismus in Kroatien gewarnt, der zu einer Psychose führte.198 Etwa zeitgleich erschien in Sarajevo auch eine Kritik an dem zehn Tage zuvor verabschiedeten Gesetz zum Schutz des arischen Blutes und der Ehre des kroatischen Volkes, die es so in Zagreb nie gegeben hatte.199 Der pro-Ustaša Klerus sah sich einerseits durch die Strategie, die Stepinac seit der Bischofskonferenz vertrat, zurückgedrängt, da die Konversionspolitik der Ustaša viele Unterstützer unter den katholischen Geistlichen gefunden hatte. Als Stepinac der Religionsabteilung die Unterstützung der Kirche entzog und sogar Übertritte zum griechisch-katholischen Glauben förderte, brachte er viele Geistlichen gegen sich auf. Andererseits wurden katholische Geistliche durch die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche in die Enge getrieben. Die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche brachte gerade das pro-Ustaša-Lager auf Gegenkurs zum Nationalsozialismus, weil die Geistlichen sie als ein Produkt deutscher Politik auffassten. Es liegen keine Belege über mögliche Reaktionen des katholischen Klerus auf die deutsche Politik gegenüber den orthodoxen Kirchen vor. Falls die pro-Ustaša Geistlichen davon erfuhren, dürfte sie das weiter gegen den Nationalso196 Ebd; Zum Antiliberalismus der katholischen Kirche in Bosnien und Kroatien ikić, Gesellschaftsbezug, 242–246. 197 buchenau, Klaus über: Emily GREBLE: Sarajevo, 1941–1945. Muslims, Christians, and Jews in Hitler’s Europe. Ithaca, NY, London 2011. In: http://www.oei-dokumente.de/JGO/erev/ Buchenau_Greble_Sarajevo.html (12.3.2018). 198 Katolički tjednik, 18.4.1941, zit. nach Macut, Tisak, 92. Obwohl er die katholische Presse in Zagreb und Sarajevo einem Vergleich im Hinblick auf die Zensur unterzieht, scheint Macut diesem durchaus kritischen Artikel keine besondere Bedeutung beizumessen. Ebd., 88, 92 f. 199 Zur Analyse der katholischen Presse zur Zeit der Proklamation des NDH macut, Tisak.
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zialismus aufgebracht haben. Der Franziskaner Šolc sah die Verantwortung für die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche z. B. ausschließlich bei den Deutschen. Seine Einstellung wandelte sich nach Zeugenaussagen ab April 1942 stark. Als ehemals radikaler Verfechter der Konversionspolitik soll er schließlich sogar Sympathien für die kommunistische Bewegung und eine serbisch-kroatische Front gegen die Deutschen entwickelt haben.200 Am 10. April 1942 erschien laut „Hrvatski List“ im „halboffiziellen“ Blatt der katholischen Kirche „Osservatore Romano“ die Meldung, dass sich Akšamović auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzen ließ.201 „Und was nun“ fragte der Missionar Rade den Leiter der Religionsabteilung beim Ministerium für Justiz und Religion, Glavaš, als er die Nachricht über die kroatischorthodoxe Kirche erhielt.202 Die Ustaša hatte sich mit der Gründung der kroatischorthodoxen Kirche endgültig vor den katholischen Kirchenautoritäten diskreditiert und deren Pläne durchkreuzt. Die gegen Stepinac gewandten pro-Ustaša-Kreise unter dem Klerus befanden sich nun selbst in Opposition zur Ustaša. Es sind wohl die Überlegungen zur „Donauföderation“, die den katholischen Klerus schließlich auf einen Nenner brachten. Helm fasste Mitte 1943 für das Reichssicherheitshauptamt, Ämter VI und IVb, die politische Einstellung der katholischen Priesterschaft in Kroatien erneut in zwei Kategorien zusammen. Diesmal unterschied er nicht nach niederem und höherem Klerus, sondern nach territorialen Gesichtspunkten. Die bosnische Priesterschaft war Deutschland angeblich freundlich gesinnt, weil Deutschland entschieden gegen den Bolschewismus kämpfte. Diese Gruppe habe unter den Partisanenaktivitäten gelitten. Dagegen sei die zweite Gruppe der überwiegend aus den Gebieten nördlich der Save (Kroatien, Slawonien, Syrmien) sowie aus Dalmatien stammenden Geistlichen zunehmend deutschlandfeindlich eingestellt. Diese Priesterschaft orientiere sich an Werten der ehemaligen Kroatischen Bauernpartei sowie der klerikalen Kroatischen Volkspartei und setzte sich für die Errichtung einer katholischen Donaumonarchie unter den Habsburgern ein. Zwischen dem adriatischen Meer und der Nordsee würde so ein antibolschewistischer und antinationalsozialistischer Schutzwall geschaffen. Die Donaumonarchie wurde von der Mehrheit des ganzen Klerus unterstützt, vor allem des hohen Klerus und von Bischof Stepinac. Die Laienkreise verlangten indes nach politischer Führung seitens der Priesterschaft, die laut Helm wieder aufleben könne, was sich bereits manifestiere. Helm zitierte eine Aussage des amerikanischen Vermittlers im Vatikan, Taylor, nach der die katholische Kirche im Osten Europas eine entscheidende Rolle für die Nachkriegsordnung einnehmen sollte, sofern sie England und die USA während des Krieges unterstützte. In Kroatien sei dafür der Genossenschaftsbund (Hrvatski zadružni savez) unter der Leitung von Dr. Juretić vorgesehen. Dieser halte sich in der Schweiz auf, wo sich die Mitglieder der ehemaligen klerikalen Volkspartei, darunter Dr. Poštić befänden. Dabei ließ Helm andeuten, dass er die Information über die Pläne Englands und der USA vom jugoslawischen Gesandten im Vatikan, Mirošević-Sorgo, und vom finnischen Gesandten, die sie wiederum von 200 PAAA-GZ, 247 Bericht des Kreisorganisationsleiters Johler über die Ermordung des Paters Sidonius, 29.5.1942. 201 Hrvatski List, 15.4.1942. 202 HR-HDA-218, 32–2795 Rade an Glavaš, 13.2.1942.
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Taylor bekamen, erhielt.203 In Berichten von V-Männern, die in der zweiten Hälfte des Jahres 1943 bei Helm eingingen, wurden den meisten katholischen Geistlichen in Slawonien eine freundliche Einstellung zu England nachgesagt.204 Die Idee eines Donaustaates versammelte im August 1944 eine Reihe von Kirchenvertretern, darunter auch zwei aus Kroatien, zu einem Treffen im Vatikan. Aus den Informationen, die dem deutschen Geheimdienst darüber vorlagen ließ sich entnehmen, dass aus Österreich, Ungarn, Kroatien und Slowenien ein katholischer Staatenblock unter der Führung der Habsburger entstehen sollte. Die Kroatische Bauernpartei in der Person Mačeks sowie einige andere Regierungsvertreter wie Tomo Mravunac aus dem Armeeministerium unterstützten diese Pläne. Die Slowakei sollte mit Teilen Polens und Tschechiens einen weiteren Staat bilden und Rumänien bei Beibehaltung der Autonomie an die SSSR angegliedert werden.205 Da keine katholisch-orthodoxe Front gegen den Bolschewismus und Nationalsozialismus formiert werden konnte, gingen nun die Pläne in Richtung eines rein katholischen Blocks. Anders als bei der vorigen Strategie, konnte die „Donaumonarchie“ auch auf die Unterstützung des bosnischen Klerus hoffen. Die deutsche evangelische Kirche zwischen den Interessen der Volksgruppenführung und der NS-Politik Die deutsche Volksgruppe war der Volksdeutschen Mittelstelle und somit dem Auswärtigen Amt und dem Reichskomissar für Festigung des deutschen Volkstums untergeordnet. Sie unterhielt keine direkten Beziehungen zur NSDAP. Zur geplanten Bildung der politischen Organisation „Nationalsozialistische Deutsche Gefolgschaft“ nach dem Vorbild der NSDAP kam es infolge von Kriegsereignissen nicht.206 Die Organisation der Deutschen Volksgruppe leitete Branimir Altgayer nach dem Führerprinzip. Die Zahl der deutschen Ortsgruppen variierte nach den angelaufenen Aussiedlungen der Deutschen aus dem NDH zwischen etwa 310 und 250. Die höchste Anzahl der Ortsgruppen vor der Umsiedlung gab es in den Kreisen Unterdrau und Save-Donau (92) mit Zentren in Osijek und Vinkovci. In zwei weiteren Kreisen Ostsyrmien und Mitteldrau-Ilowa bestanden etwa 137 Ortsgruppen.207 Bischof Popp und die Volksgruppenführung gerieten bald nach der Gründung des NDH in einen Streit, der ihre Beziehung in den folgenden Jahren maßgeblich beeinflussen sollte. Der Streit wurzelte in der Ablehnung der evangelischen Kirchenführung in Jugoslawien, die volksdeutschen Schulen der Volksgruppe zu unterstellen. Die Gründung des NDH hatte die Spielräume der Volksgruppenor203 HR-HDA-1521, 38 Helm an Reichssicherheitshauptamt VI und IVb, 16.7.1943; Es bestanden in den intellektuellen Kreisen Osteuropas verschiedene Pläne für die Nachkriegsordnung, darunter polnisch-slowakische Entwürfe einer Konföderation katholischer Völker von Polen über die Slowakei und Ungarn bis nach Kroatien. StahL, Alojzije, 256 f. 204 HR-HDA-1521, 38 Kirchenbericht von Hans Helm, 18.9.1943. 205 Ebd., 38 Anmerkung Nonnenmachers, 9.8.1944. 206 HR-DASB-189, 171 Vernehmungsprotokoll Branimir Altgayer. 207 Ebd., 177 Organisationsstatistik 1.4–31.12.1942, darunter Verzeichnis der Ortsbauernführer.
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ganisation vergrößert, während jedoch gleichzeitig die kroatische Politik Teile der Jugenderziehung in der Kompetenz der Kirchen beließ. Zwar hatten der Bundesobmann des Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes (KB) in Jugoslawien, Sepp Janko, und der damals noch regionale Leiter des Kulturbundes für Slawonien, Branimir Altgayer, 1940 der Gründung des privaten deutschen Gymnasiums in Zagreb als einer Propagandaschule unter der Trägerschaft der evangelischen Kirche zugestimmt, doch spielten dabei rein rechtliche Gründe eine Rolle. Die jugoslawische Gesetzgebung ließ keine Trägerschaft seitens des Kulturbunds zu. Es sei nicht wahr, dass es zwischen der Volksgruppe und Bischof Popp zu Reibungen gekommen sei, verteidigte sich Popp im August 1941 gegenüber dem KAEK. Die Volksgruppenführung habe niemals verlangt, dass die volksdeutschen Schulen der Kirche entzogen würden. Es sei ihm unbegreiflich, wie man zu dieser Behauptung gekommen war.208 Die Volksgruppenführung fasste dies anscheinend nachträglich als Affront auf, denn durch die Errichtung des NDH hatte sich die politische und rechtliche Situation grundlegend geändert. Einer Trägerschaft durch die Volksgruppe waren keine rechtlichen Schranken gestellt. Ein oder mehrere Volksgruppenmitglieder – der Absender der Klage blieb anonym – nutzten angebliche Äußerungen Popps zum Kriegsausgang als Vorwand, ihn vor den innerdeutschen Stellen zu diskreditieren. Es sei unglaublich, so die Anschuldigung an Popp, dass ein deutscher Senator der deutschen Volksgruppe mit einer Niederlage Deutschlands rechne. Unter dem Druck des Auswärtigen Amtes stellte das KAEK Bischof Popp zur Rede.209 Dieser sagte aus, er beabsichtigte nur einen möglichen Zugriff fremder Staatsregierungen auf die deutschen Schulen zu vermeiden und habe deshalb die kirchliche Trägerschaft von Schulen befürwortet.210 Die Weigerung Popps, die deutschen Schulen unter die Leitung der deutschen Volksgruppe zu stellen, wurde von Altgayer und Helm als eine anti-deutsche Haltung gedeutet. Der Informationsfluss über seine politische Haltung verlief über die 208 EZA/5/866, Bd. 7, A7037/41 Die Stellungnahme des Bf. Popp zu den Vorwürfen, gerichtet an Bf. Heckel, 7.6.1941. Darin auch das Protokoll zur Sitzung betr. Schulgründung im August 1940. 209 Ebd., Bd. 7, A6644/41 Auswärtiges Amt an das KAEK, 19.4.1941; Ebd., Bf. Heckel an Bf. Popp, 30.4.1941. 210 Ebd., A7037/41 Die Stellungnahme von Bf. Popp zu den Vorwürfen, gerichtet an Bf. Heckel, 7.6.1941. Darin auch das Protokoll zur Sitzung betr. Schulgründung im August 1941; Als die Vorwürfe gegen Popp erhoben wurden, stand er kurz vor dem Sturz. Senior Hamm galt als Oppositionsführer und Senior Walter als möglicher Kandidat für das Bischofsamt. Nicht auszuschließen ist deshalb, dass die Beschuldigungen aus dem Kirchenkreis kamen. Insgesamt konnte sich Bf. Popp die Unterstützung des gesamten Klerus nicht sichern. Bei einer späteren Besprechung zum Verfassungsentwurf wurde deutlich, dass Pf. Becker Bedenken gegen Bf. Popp hatte und ihm mit der Verfassung nicht zu viel Macht einräumen wollte. Weil er die Änderungen der innerdeutschen Stellen im Verfassungsentwurf nicht akzeptierte, zögerte er die Sanktionierung der Kirchenverfassung hinaus. Das stieß bei den Geistlichen auf Unverständnis. Dazu ebd., 866, A7037 Vermerk von Konsistorialrat Wahl an Bf. Heckel, 25.6.1941; Ebd., Bd. 7, A6905/41 Gerhard May aus Cilli an das KAEK und die Gustav-Adolf-Stiftung, 22.5.1941; Zur Besprechung mit KAEK betr. Verfassung ebd., 895, A7724/41 Vermerk vom Konsistorialrat Wahl über die Besprechung mit Pf. Becker über die beiden Entwürfe der Verfassung, 6.10.1941.
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deutsche Volksgruppe an den Polizeiattaché und von dort aus an das RSHA.211 Altgayer kritisierte vor allem, dass die evangelische Kirche noch 1939 das Primat der Jugenderziehung zu behalten versuchte und eigene Jugendgruppen aufstellte. Damit habe die evangelische Kirche der Verbreitung des Nationalsozialismus Widerstand geleistet. Zulasten gelegt wurde der Kirchenorganisation außerdem, dass sie negativ bei der Eröffnung von deutschen Schulen wirkte und dadurch die Verschmelzung von katholischen und evangelischen Deutschen zu einem Volk behinderte. In Antunovac sollen slowakische Mitglieder der evangelischen Kirche eine solche Eröffnung verhindert haben. Überhaupt störte sich Altgayer an der ethnischen Zusammensetzung der Mitglieder der evangelischen Kirche. Diese umfasste in ihren Reihen trotz ihres Selbstverständnises als Vertreterin des Deutschtums 18 % Kroaten, Ungarn, und Slowaken.212 Die Spannungen zwischen der Volksgruppenführung und Bischof Popp machte sich auch in der Frage der finanziellen Zuwendungen an die evangelische Kirche bemerkbar. Altgayer trug seine Antipathie gegen die evangelische Kirche offen vor. Eine weitere Unterstützung der evangelischen Kirche betrachtete er als überflüssig, weil die „Volkstumspflege“ von der Volksgruppe übernommen wurde. Das KAEK konnte Hilfeleistungen nur mit dem Einverständnis des Auswärtigen Amtes an die evangelische Kirche in Kroatien leiten. Altgayer sprach sich jedoch bei der deutschen Gesandtschaft dafür aus, die Zuwendungen für die evangelische Kirche stark zu limtieren, da sie die Kluft zwischen den Deutschen in Kroatien verstärkte. Altgayers Vorwurf lautete, durch die Beschränkung der materiellen Unterstützung durch innerdeutsche Stellen in der Zwischenkriegszeit auf evangelische Deutsche, sei es zur Beschleunigung des „Entdeutschungsprozesses“ der katholischen Deutschen gekommen. Altgayer wies die evangelische Kirche an, dass sie ihre Bemühungen um die Erhöhung der Einkünfte und Beihilfen zukünftig an die kroatische Regierung zu richten habe, wie es auch erfogreich die katholischen Deutschen taten. Außerdem rechnete er damit, dass die Zahl ihrer Mitglieder wegen der anstehenden Aussiedlung der meist evangelischen Bosniendeutschen weiter schrumpfen und sich so die Zahl der zuschussbedürftigen Gemeinden ohnehin vermindern würde.213 Erst im Laufe des Krieges zeigte sich, wie groß die Differenzen zwischen den katholischen und evangelischen Deutschen im NDH tatsächlich waren. Im Vordergrund der Aktivitäten der evangelischen Kirchen stand die Ausdehnung ihres Einflusses und die Stärkung der Protestantismus überhaupt. Eine Ausdehnung der katholischen Kirche versuchten die evangelischen religiösen Autoritäten zu bekämpfen. Somit arbeiteten sie auch gegen die Interessen der deutschen Katholiken. Wie noch deutlich werden soll, standen für die evangelischen religiösen Akteure konfessionelle Interessen über den „völkischen“. In der Diskussion um Anschlüsse anderer Kirchen und Konversionen verfolgte die evangelische Kirhenführung auch gegenüber der Volksgruppenführung unterschiedliche Ziele. 211 HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942. 212 PAAA-GZ, 207 Eingabe von Altgayer an die dt. Gesandtschaft in Zagreb betr. Zuwendung für deutsch-evangelische Landeskirche, 26.8.1942. 213 PAAA-GZ, 207 Eingabe von Altgayer an die dt. Gesandtschaft in Zagreb betr. Zuwendung für deutsch-evangelische Landeskirche, 26.8.1942.
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Bereits während der ersten Sitzung der Kirchen- und Pfarrerkonferenz im NDH berieten die Teilnehmer über einen Anschluss der slowakischen evangelischen Kirche an die DEK.214 Sie zählte im Gebiet des Königreichs Jugoslawien etwa 20.000 Mitglieder in sechs Gemeinden mit sieben Geistlichen. Popp befürwortete ausdrücklich den Anschluss, weil die evangelische Kirche von den staatlichen Subventionen profitieren würde. Er befürchtete aber, dass die Neuorganisation der Kirche nach dem Führerprinzip den Anschluss der 15.000 Slowaken im NDH behindern könnte. Nicht alle Senioren begrüßten die Anschlusspläne, der syrmische Senior Karl Peter setzte sich eher für einen losen Verbund ein. Popp dagegen argumentierte mit erheblichen finanziellen Zuwächsen, wenn sich den deutschen Evangelischen die Slowaken und vielleicht auch 4.000 Reformierte anschlossen. Angeblich hätten die Slowaken selbst einen Anschluss verlangt. Es scheint jedoch wahrscheinlicher, dass die Initiative von Popp ausging.215 Die Volksgruppe wollte dagegen nur die Evangelischen augsburgischen Bekenntnisses und Reformierte in einer Kirchenorganisation vereinen. Bereichsleiter Kutschera sprach sich bei der ersten Tagung der evangelischen Geistlichen im Mai 1941 für einen Zusammenschluss aus: „Wir werden auch einen gewissen leichten Terror ausüben, weil diese Trennung von den Deutschen nicht auf unserer Linie liegt.“ Der bei der Tagung anwesende reformierte Pfarrer Bellmann stimmte dem Zusammenschluss ein. Die reformierten evangelischen Geistlichen hatten sich im Vorfeld mit der Volksgruppe in dieser Angelegenheit beraten.216 Bischof Popp zeigte sich etwas zurückhaltender, willigte aber auch ein, während Heckel dessen Zurückhaltung gegenüber einem Anschluss nicht teilen konnte.217 Der im Herbst 1941 vom KAEK und der evangelischen Kirche in Kroatien diskutierte Entwurf zur Kirchenverfassung ermöglichte eventuelle Anschlüsse anderer Kirchen an die deutsche evangelische Kirche. Popp setzte sich weiterhin für einen Zusammenschluss mit den Slowaken ein. Bischof Heckel befürwortete einen losen Anschluss, zumal das Protestantengesetz von 1936 diese Möglichkeit grundsätzlich einräumte. Heckel drängte Bischof Popp jedoch auf die Einholung der Zustimmung der Volksgruppenführung.218 Das slowakische evangelische Pfarrbüro in Ilok reichte einen Entwurf zur Regelung der rechtlichen Stellung ihrer Glaubensgemeinschaft beim Ministerium für Justiz und Religion ein. Im Februar 1942 diskutierten die Slowaken intensiv darüber, sich der deutschen evangelischen Kirche anzuschließen. Im Mai 1942 gab es immer noch keine Regelung des rechtlichen Status.219 Inzwischen setzte sich Bischof Popp auch für einen geschlossenen Übertritt der ca. 35.000 Altkatholiken zur evangelischen Kirche ein. Dieser Anschluss 214 Ebd., Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen Evangelisch-Christlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“. 215 EZA/5/866, Bd. 7, A6905/41 Protokoll zur „Erste[n] Zusammenkunft von Bf. DDr. Popp mit den Amtsbrüdern in Kroatien und Syrmien am 16. Mai 1941 in Semlin“, gez. Senior Turek; Zu slowakischen Gemeinden ebd., 895, A6755/41 Bf. Popp an Bf. Heckel, 25.4.1941. 216 Ebd., A6905/41 Protokoll zur „Erste[n] Zusammenkunft von Bf. DDr. Popp mit den Amtsbrüdern in Kroatien und Syrmien am 16. Mai 1941 in Semlin“, gez. Senior Turek. 217 Ebd., A6905/41 Bf. Heckel an Bf. May, 7.6.1941. 218 EZA/5/895, A8180/41 Bf. Heckel an Bf. Popp, 20.12.1941. 219 HR-HDA-218 Eingangsregister 1834, 3379, 5796 (1942).
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kam einem Untergang der altkatholischen Kirchenorganisation und dem Verlust von Funktionen für Bischöfe und Beamte gleich. Die altkatholische Kirche hatte jedoch nichts zu verlieren, weil sie von der Ustaša und der katholischen Kirche im Herbst 1941 verboten und völlig neutralisiert worden war. Bischof Heckel sah jedoch gerade bei den Altkatholiken die Gefahr eines Konfliktes mit der kroatischen Regierung und vermutete, dass auch die deutschen Stellen zurückhaltend sein würden.220 Er sollte Recht bekommen. Der Landeskirchenrat beschloss in seiner Sitzung im März 1942, bei den Übertritten der Altkatholiken vorsichtig zu sein und nur deutschsprachige Konvertiten zu akzeptieren. Die Gültigkeit der Ehe wurde in der evangelischen Kirche akzeptiert.221 Branimir Altgayer wollte nur die Deutschen in einer Kirche vereint sehen. Kurz vor der verfassunggebenden Sitzung des Landeskirchenrates der DEK am 31. März 1942 ersuchte er Bischof Popp um die Ergänzung der Verfassung um einen entsprechenden Paragraphen, der ausdrücklich die Eingliederung der deutschen Reformierten in die DEK ermöglichte. Die Reformierten waren immer noch zusammen mit den ungarischen Reformierten organisiert. Popp habe dabei erklärt, dass die Reformierten den Anschluss von sich aus ersuchen müssten, damit kein Eindruck des Zwanges entstünde.222 Der § 5 wurde derart ausgelegt, dass sich ganze evangelische Gemeinden nichtdeutscher Volkszugehörigkeit und reformierte Gemeinden deutscher Volkszugehörigkeit bei Achtung ihres Bekenntnisses der deutschen evangelischen Kirche anschließen konnten.223 In der Zwischenkriegszeit kam es zu einer anderen Entwicklung mit Auswirkungen auf die Frage der späteren Vergrößerung der DEK im NDH ein. Das KAEK hatte die Beschwerde von Bischof Popp an Pavelić im November 1941 an den Ethnologen Karl C. von Lösch vom Institut für Grenz- und Auslandsstudien weitergeleitet. Das Hauptarbeitsgebiet des Instituts war die Ausbildung auslandsdeutscher Studenten für den „Volkstumskampf“. Lösch machte die Beschwerde zum Gegenstand einer Aussprache mit dem kroatischen Gesandten im Reich, Mile Budak. Als ehemaliger zuständiger Minister für das Ressort Religion war Budak ein kompetenter Gesprächspartner.224 Lösch reiste im Sommer 1941 durch NDH und war ein Kenner der dortigen Situation. Der kroatische Außenminister Lorković hatte bei Lösch über die Entwicklung der Nationalität auf dem Balkan promoviert.225 Lösch arbeitete einen Vertragsentwurf heraus, der die „Grundlage für einen Mas220 EZA/5/895, A8180/41 Bf. Popp an Bf. Heckel, 12.12.1941; Ebd., Bf. Heckel an Bf. Popp, 20.12.1941. 221 EZA/5/897, A7056/42 Verhandlungsschrift über die Sitzung des Landeskirchenrates vom 31.3.1942. 222 EZA/5/897, A7056/42 Verhandlungsschrift über die Sitzung des Landeskirchenrates vom 31.3.1942; Ebd., 895, A6751/42 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 14.4.1942. 223 EZA/5/895, A7169/41 Entwurf der Verfassung, § 5. 224 Ebd., A6110/42 Lösch an Bf. Heckel, 19.1.1942; Lösch war seit 1939 für das AA tätig. Er beriet das Ustaša-Regime und publizierte die Denkschrift von Pavelić „Die kroatische Frage“. – Zum Leben und Wirken von Lösch haaR, Ingo / FahLbuSch, Michael (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. München 2008, 386–389. 225 Korb nennt das Buch „Narod i zemlja Hrvata“ (Kroatisches Volk und Land) als Lorkovićs Dissertationsarbeit. KoRb, Schatten, 95; Andere Autoren nennen ein Buch mit dem Titel „Die
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senübertritt von Serben zur evangelischen Kirche“226 schaffte und die Gründung einer kroatischen evangelischen Kirche vorsah. Die Anfrage von Pavelić an Popp nach der Möglichkeit, einen Teil der Serben der evangelischen Kirche zuzuführen, schlug sich in diesem Vorschlag von Lösch nieder: „Diesem Wunsche des Poglavniks nachzukommen befürwortete ich nach langen Überlegungen, weil es kaum einen anderen Weg gibt.“227 Andernfalls würde ein Massenzustrom in die deutsche evangelische Kirche diese sprengen, erklärte er. Die deutsche Gesandtschaft in Zagreb wollte Lösch zunächst von den Überlegungen ausschließen. Durch den Vertrag sollten neben Orthodoxen auch Altkatholiken zur kroatischen evangelischen Kirche übertreten. Die DEK unterstützte die kroatische evangelische Kirche, doch vorgesehen war, dass sie später selbstständig würde. Die bereits zur DEK konvertierten Personen sollten sogar von der Volksgruppe als Deutsche anerkannt, jedoch keine Mitglieder der deutschen Volksgemeinschaft werden dürfen. Sobald aber die kroatische evangelische Kirche gegründet würde, sollten sie diesen Status verlieren. Die Geistlichen sollten umgeschult und durch deutsche evangelische Geistliche ausgebildet werden. Für diese Aufgabe wurden deutsche evangelische Geistliche in Betracht gezogen, die Kroatisch sprachen. Die „Übergangszeit“ sollte von der kroatischen Regierung finanziert werden, die eine eigene Verwaltungseinheit im Bischofsamt, Räumlichkeiten, die Umwandlung und Errichtung von Kirchenbauten, Pfarrhäuser, Gemeinderäume, Konfirmations- und anderer Unterricht, konfessionelle Gemeindeschwestern, Stipendien für angehende Theologen usw. bezahlen musste. Um die „Schikanen und Übergriffe“ gegen die deutsche evangelische Kirche zu beseitigen, sollte außerdem ein Empfang der Konvertiten zum evangelischen Glauben bei Pavelić unter Anwesenheit des Religions- und Innenministers, des Polizeichefs, des Volksgruppenführers und des evangelischen Bischofs organisiert werden. Damit sollte – offensichtlich nach dem Beispiel der Baranja-Deputation unter der Leitung des Großgespans Hefer – die Anerkennung der DEK durch die Bezirks- und Gemeindevertreter durchgesetzt werden. Für Zuwiderhandlungen war im Vertragsentwurf eine Bestrafung vorgesehen.228 Von Lösch verstand im Übrigen den Glaubenswechsel der serbischen Bevölkerung in Kroatien als einen legitimen Prozess der „Umvolkung“ und „volklichen Umprägung“. Die Konversion zur römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft verstand er als eine Bekundung der Zugehörigkeit zum kroatischen Volk seitens der serbischen Bevölkerung, die sich durch die Sprache oder den schulischen Werdegang nicht erreichen ließ, da sie zwischen Kroaten und Serben keine Unterscheidungsfunktion hatten. Lösch zog dabei Parallelen zu den Sathmarer Schwaben, die durch die Magyarisierung ihre deutsche Sprache verloren hätten, nicht jedoch ihr Bewusstsein als Schwaben. Als sie mit ihren Siedlungsgebieten nach dem Ersten Weltkrieg Rumänien zufielen, kehrten sie freiwillig zu ihrer deutschen Volksgemeinschaft zurück, indem sie sich für deutsche Volksschulen einsetzten. Hier konnte die „Umkehr“ mittels Sprache Entstehung des SHS-Staates“ (Postanak Države SHS). StuParić, Tko, 237; kiSić kolanović, Muslimani, 25. – Zur Karriere von Lösch haaR / FahLbuSch, Handbuch, 389. 226 EZA/5/895, A6110/42 Lösch an Konsistorialrat Wahl, 19.1.1942. 227 Ebd. 228 Ebd., A6110/42 Der Vertragsentwurf von Lösch.
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erreicht werden, während sie bei den Serben mangels sprachlicher Unterschiede nur mit einem Religionswechsel erreicht werden könnte. Lösch schien keinen Zweifel daran zu hegen, dass die „Umkehr“ auch in Kroatien freiwillig geschah.229 Der Vorschlag, diese Umkehr durch eine kroatische evangelische Kirche durchzuführen, schien ihm naheliegend, da es bereits serbische Vorstöße in diese Richtung gab. Einen Monat später wurde der Vertragsentwurf zwischen Lösch, Bischof Heckel und Konsistorialrat Wahl besprochen. Heckel riet Lösch zur Zurückhaltung. Er selbst wollte die Angelegenheit in Zagreb während seiner anstehenden Reise nach Belgrad ansprechen. Um eine direkte Einschaltung der Reichsregierung zu vermeiden, schlug Heckel vor, dass man das Abkommen zwischen der kroatischen Regierung und Bischof Popp im Beisein des KAEK abgeschließe. Lösch plante, Ende März oder Anfang April 1942 direkt mit Pavelić darüber zu sprechen.230 Im Vordergrund stand für Heckel auch das konfessionelle Interesse an der Vergrößerung der Kirche. Dass er die Reichsstellen nicht einbeziehen wollte, war sicherlich riskant. Bei dem am 31. März tagenden Landeskirchenrat der DEK in Zagreb fand das Abkommen keine Erwähnung. Im Protokoll hieß es nur knapp, dass keine Berichte zu den Übertritten der Orthodoxen vorlagen. Einige Tage vorher hatte Heckel in Zagreb von der anstehenden Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche erfahren.231 Er schrieb an Lösch, dass die Eingliederung der Serben und damit das Abkommen gegenstandslos geworden seien. Der Gesandte Kasche setzte Heckel unter Druck, weil er ihn über die Pläne nicht unterrichtet habe. Die deutschen diplomatischen und militärischen Stellen in Serbien förderten zwar evangelisch-orthodoxe kirchliche Konsense, doch stand Löschs Vorschlag auf der Linie der aggressiven Konversionspolitik der Ustaša. Pavelićs Versuche im September 1941, die evangelische Kirche für die Konversionspolitik zu gewinnen, bildeten die Grundlage von Löschs Überlegungen. Ende März stand jedoch die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche fest, die eine Befriedung der serbischen Bevölkerung erreichen sollte und die sich aber gegen die Berliner Initiative richtete. Außerdem waren die Pläne nicht im Interesse der deutschen Volksgruppenführung, die die Deutschen im NDH vereinen und nicht durch „völkische Fremdeinflüsse“ weiter „entdeutschen“ wollte. Heckel musste Kasche versichern, dass er nicht von sich aus tätig werden wollte und dass die evangelische Kirche gegenüber den Serben kein Missionsinteresse hätte. Sollten jedoch die Reichsstellen die Übernahme eines Patronats der DEK für die Orthodoxen wünschen, wäre das KAEK bereit, dieses zu leisten, so Heckel.232 Konträre Positionen bezogen Bischof Popp und die Volksgruppenführung auch in der Frage der evangelischen Kirche in den ehemaligen jugoslawischen Gebieten, die an Ungarn gefallen waren. Die DEK im NDH versuchte ihren Einfluss in diesen Gebieten weiter zu halten. Dazu ernannte Popp im Einvernehmen mit Bischof 229 LöSch, Karl C. von / mühLmann, Wilhelm E.: Die Völker und Rassen Südosteuropas, Prag 1943, 18–22. 230 EZA/5/895, A6110 I+II Vermerk zur Besprechung Heckel-Wahl-Lösch, 23.2.1942. 231 EZA/5/897, A7056/42 Verhandlungsschrift über die Sitzung des Landeskirchenrates vom 31.3.1942; EZA/5/895, A6110 I+II Vermerk zur Besprechung Heckel-Wahl-Lösch, 23.2.1942, darin handschriftlicher Vermerk von Heckel, 20.3.1942. 232 EZA/5/895, A61110/III Bf. Heckel an Lösch, 24.3.1942.
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Heckel den Konsenior Heinrich Meder zum Organisator der Kirche in den nun zu Ungarn gehörenden Teilen von Bačka und Baranja. Der ungarische Bischof Sándor Raffay widersetzte sich dem Vorstoß, weil er diese Gebiete unter der Jurisdiktion der ungarischen (ungarländischen) evangelischen Kirche wünschte. Der Leiter der deutschen Volksgruppe im serbischen Banat, Sepp Janko, lehnte Popps Vorhaben ab.233 Die evangelische Kirche des Banates mit einem eigenen Bischof wurde in Anwesenheit von Bischof Heckel gegründet. Der Einführung des Bischofs Franz Hein wohnten am 15. März 1942 auch Vertreter der deutschen Militärverwaltung in Serbien, darunter Harald Turner, und der Volksgruppenführer bei. Außerdem wurde unter Teilnahme von Bischof Heckel sowie militärischen und zivilen Stellen Bornikoel in sein Amt als neuer Pfarrer der evangelischen Gemeinde eingeführt.234 Die Gründung der Kirche war mit der Verpflichtung verbunden, dass Hein die rechtliche Neuordnung der Verhältnisse der Gemeinden und Kirchen vorbereitete und einen Kirchenrat bestellte, welcher die Kirchenleitung zu bestätigen und eine Kirchenordnung unter Zustimmung des Militärbefehlshabers auszuarbeiten hatte. Das Auswärtige Amt erwartete die Unterstützung dieses Auftrages durch Bischof Popp. Dieser erwiderte jedoch, dass er als kroatischer Bischof nichts für Bischof Hein tun könne und sein Mögliches bereits im Einvernehmen mit Bischof Heckel getan hätte.235 Die Volksgruppe wollte Popps Einflussnahme in Banat, der Bačka und Baranja nicht unterstützen, weil die Volksgruppenführung in Budapest beabsichtigte, die Banater Kirche nach der Vereinigung des Banats mit Ungarn mit der deutschen evangelischen Kirche in Südungarn zusammenzuschließen.236 Welche Rolle Bischof Popp in der vom Auswärtigen Amt verfolgten Zusammenarbeit mit der serbisch-orthodoxen Kirche tatsächlich spielte, ist unklar. Die Vermittlung der evangelischen Kirche in Deutschland muss nicht zwangsläufig auch die Unterstützung von Popp und den Senioren in Kroatien umfasst haben. Die Ustaša war mit dem deutschen Einsatz für die Befreiung von orthodoxen Geistlichen aus Konzentrationslagern nicht einverstanden, wie die Fälle der Metropoliten Sava und Petar zeigten. Es gibt keinen Anlass zur Vermutung, dass Popp eine antiUstaša Strategie unterstützt hätte. Spätestens nach den Problemen bei der Verabschiedung der Kirchenverfassung dürfte er Abneigungen gegen die innerdeutschen 233 EZA/5/866, Bd. 7, A6905/41 Protokoll zur „Erste[n] Zusammenkunft von Bf. DDr. Popp mit den Amtsbrüdern in Kroatien und Syrmien am 16. Mai 1941 in Semlin“, gez. Senior Turek; PAAA-GZ, 207 Pamphlet zur „Tagung des Landeskirchenrates der Deutschen EvangelischChristlichen Kirche A. B. im Unabhängigen Staate Kroatien am 18. und 19. September 1941 in Zagreb“. – Zur Bevollmächtigung Meders WiLd, Georg: Die Entstehung der Deutschen Evangelischen Kirche Südungarns (DEKS) 1941. In: Franz Hamm. Festschrift zum 80. Geburtstag. Hg. v. Georg WiLd. München 1981, 61–77, hier 63 f. 234 Archiv der Kommission für Zeitgeschichte, Bonn, RKA Reichsverband für das katholische Deutschtum im Ausland, Nachlass Albert Büttner D. XXIV. 4.) c) bb) Rektor Schönberger in Belgrad an den RKA, 24.3.1942. 235 PAAA-GZ, 68 Telegramm zur Ernennung von Bf. Hein vom 30.1.1942 und seine Weiterleitung an Bf. Popp, 3.2.1942; Ebd., Antwortschreiben von Popp an den Gesandtschaftsrat Troll in Zagreb, 11.2.1942. 236 EZA/5/897, A6401/43 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 22.2.1943; WiLd, Entstehung, 65.
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Stellen entwickelt haben. Für die deutschen militärischen Autoritäten in Serbien galt Bischof Popp als Untergebener des kroatischen Staates. Popp soll einer vom Militärverwaltungschef in Serbien, Turner, nach Zagreb abgesandten Kommission, die sich für die Freilassung von etwa 300 Serben aus einem Konzentrationslager einsetzen sollte, „informatorische Besuche“ verwehrt haben, weil sie kroatische Souveränitätsrechte verletzten.237 Bischof Popp stand deshalb seit November 1943 unter verstärkter Beobachtung durch Helm, der Beweismaterial über Popps anti-nationalsozialistische Einstellung sammelte. Angeblich stand Popp auch unter Beobachtung, weil er Beziehungen mit Germogen unterhielt. Die vom Vatikan angestoßene ökumenische Arbeit zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche zur Bildung eines Blocks gegen den Nationalsozialismus wurde von der evangelischen Kirche in Kroatien sabotiert. Popp habe angeblich eine Annäherung zwischen der kroatisch-orthodoxen und der katholischen Kirche befürchtet, weil sie eine weitere Stärkung des Katholizismus und Schwächung des Protestantismus bedeutete. In diesem Zusammenhang habe sich Bischof Popp um Einflussnahme auf die kroatisch-orthodoxe Kirche bemüht. Laut Helm hielt der evangelische Militärgeistliche in Serbien, Troch, die Verbindung zu Germogen über Popp auf.238 Weitere Belege dazu wurden jedoch nicht gefunden. „Wer angeln kann, soll Seelen fangen!“ Die deutsche reformierte Kirche und die deutsche Volksgruppe Die evangelische reformierte christliche Kirche im Königreich Jugoslawien fiel nach dem Aprilkrieg in Teilen an Ungarn, das Banat und an den NDH. Etwa 4–5.000 Deutsche bekannten sich bei der Gründung des NDH zur evangelischen reformierten Kirche helvetischen Bekenntnisses. Zur reformierten Kirche bekannten sich außerdem noch etwa 8.000 Ungarn in bis zu acht Gemeinden, die von sechs Geistlichen betreut wurden. Die Deutschen waren in fünf Gemeinden mit fünf Pfarrern zusammengefasst. Dazu kamen noch etwa 2.000 Tschechen in drei Gemeinden mit zwei Pfarrern und nur wenige Kroaten in den Gemeinden Tordinci und Uljanik.239 Die reformierte Kirche erstreckte sich überwiegend auf Ostkroatien. Nach der Bevölkerungserhebung aus dem Jahr 1931 lebten in der Stadt Zagreb 68 serbokroatische Muttersprachler, die sich zum reformierten Bekenntnis bekannten. Die nächst größeren Gruppen stellten deutsche (76) und ungarische (106) Muttersprachler.240 Eine relativ große Gruppe Reformierter (1.459) lebte 1931 im 237 PAAA-GZ, 58 Militärverwaltungschef in Serbien, Harald Turner, an den Bevollmächtigten des AA, Benzler, betr. Überführung von Serben aus kroatischen Anhaltelagern nach Serbien, 27.1.1942. 238 HR-HDA-1521, 35 Dossiers zu Popp und Troch. 239 PAAA-GZ, 207 Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10.10. und 28.7.1944. – Zu Gemeindeverteilung HR-DAOS-469 Reformirana župa Tordinci, 12 Das reformierte Pfarramt in Vinkovci an reformierte Pfarrämter in Tordinci und Uljanik, 29.4.1941. 240 HR-HDA-367, 55 Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Zagreb 1931.
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Bezirk Vukovar. Davon waren 907 ungarische, 131 deutsche und 418 serbokroatische Muttersprachler.241 Ebenso wie bei der deutschen evangelischen Kirche augsburgischen Bekenntnisses, stellte sich bald die Frage nach der rechtlichen Lage der Gemeinden sowie den Beziehungen zur Ustaša-Regierung und zur Kirchenleitung, die sich in Ungarn befand. Der Vorschlag der Kirchenleitung sah die Organisation von zwei Senioraten vor, die ihre Tätigkeit bis zur Verabschiedung ihrer eigenen Verfassung im Rahmen der Verfassung und der Erlasse der ehemaligen reformierten Kirche in Jugoslawien ausüben sollten. Das deutsche Seniorat umfasste die Kirchengemeinden Šidski Banovci, Bečmen, Beška, Velimirovac und Vinkovci. Das ungarische Seniorat erstreckte sich auf die Gemeinden Brekinjska, Daruvar, Hrastin, Korodj, Laslovo, Maradik, Nikinci, Retfala und Velika Pisanica. Die kroatische Gemeinde in Tordinci und die tschechische in Uljanik sollten dagegen im fünfjährigen Zyklus über ihre Zugehörigkeit zu den Senioraten entscheiden. Beide Seniorate sollten gemeinsam die reformierte Kirche vor der Regierung des NDH vertreten, wozu ein Ausschuss aus Mitgliedern der beiden Seniorate für gemeinsame Belange gegründet werden sollte.242 Als Vertreter der deutschen Gemeinden suchte der Pfarrer Heinrich Weidmann Ende April/Anfang Mai 1941 den Minister für Unterricht und Religion, Mile Budak, auf, um über die rechtliche Lage des deutschen Seniorats in Kroatien zu sprechen. Im Vorfeld bot er den zwei kroatischen Gemeinden an, die formal dem ungarischen Seniorat angegliedert waren, sich dem deutschen Seniorat anzuschließen. Weidmann war es wichtig, dass dadurch das deutsche Seniorat die gleiche Anzahl an Gemeinden hätte wie das ungarische. Die kroatischen Gemeinden sollten sich jedoch weiterhin alleine finanzieren.243 Das reformierte Seniorat mit dem Büro im Osijeker Stadtteil Retfala untersagte jedoch der Gemeinde Tordinci eine Abstimmung darüber, ob sie sich dem deutschen oder ungarischen Seniorat anschließen wollte.244 Die kroatischen Mitglieder sollten weiterhin dem ungarischen Seniorat angegliedert bleiben. Innerhalb des deutschen Seniorates der reformierten Kirche zeigten sich im NDH ebenfalls Tendenzen zur Vergrößerung der Mitgliederzahl durch Konversionen. Die Konversionspolitik der Ustaša bot eine Möglichkeit dafür. Der Pfarrer der reformierten Gemeinde in Vinkovci, Heinrich Weidmann, schrieb am 1. Dezember 1941 an die reformierte Gemeinde in Tordinci: „Die Stunde der Reformation in Kroatien ist da. Die serbisch-orthodoxe Kirche hat nach dem neuen Gesetz aufgehört zu existieren. Wer angeln kann, soll Seelen fangen! Zwei Gemeinden sind kollektiv zu uns übergetreten. Gehen Sie mit diesen Rundschreiben nach Antin und Ost-
241 Ebd., Statistik zur Religionszugehörigkeit und Muttersprache in Vukovar 1931. 242 HR-DAOS-469-12 Rundschreiben der Leitung der reformierten Kirche aus Ungarn an alle reformierten Gemeinden im NDH, o. D.; Ebd., Vorschlag über die rechtliche Lage und Leitung der reformierten Kirchengemeinden im NDH, o. D. 243 HR-DAOS-469-12 Das reformierte Pfarramt in Vinkovci an reformierte Pfarrämter in Tordinci und Uljanik, 29.4.1941. 244 Ebd., Das reformierte Pfarramt des Seniorats in Retfala an das Pfarramt in Tordinci, 15.5.1941.
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Kapitel 3 Nicht nur Gott und Kroaten rovo unter die Serben und bringen Sie sie dazu, dass sie alle zu unserem Glauben übertreten! Berichten Sie mir über Ihre Erfolge. Ich danke Ihnen!“245
Es ist nicht klar, ob Weidmann an die rein deutschen reformierten Gemeinden denselben Brief schickte. Die Adressaten waren hier die kroatischen Mitglieder der reformierten Kirche in Tordinci. Sie sollten das Rundschreiben unter die Serben in den Nachbarsdörfern Rajevo Selo, Trnjani, Klokočevik, Šidski Banovci und Vinkovački Banovci verteilen, wo auch deutsche reformierte Gemeinden bestanden. Das Rundschreiben enthielt das Versprechen an die „Brüder im Jesus Christus“, dass das Deutsche Reformierte Seniorat im NDH sie unter seinen Schutz nehmen werde. Da sie vor die Wahl gestellt würden ihre Heimstätte zu verlassen oder zu einem anerkannten Glauben überzutreten, wollte die reformierte Kirche sie aufnehmen. Die Gründe seien religiöser Natur, denn die griechisch-östliche Religion habe vieles mit der reformierten gemeinsam. Ein langes Rundschreiben enthielt sogar sieben Punkte, die auf Gemeinsamkeiten in der Liturgie und in den Dogmen hinwiesen. Das Eigentum der serbisch-orthodoxen Gemeinden sollte umgeschrieben werden. Das appellative Rundschreiben betonte insbesondere die Notwendigkeit von kollektiven Übertritten ganzer Gemeinden, damit das Kircheneigentum gesichert werden konnte.246 Anscheinend waren die Versuche nicht sehr erfolgreich. Die Orthodoxen aus Rajevo Selo konvertierten am 1. Februar 1942 zum Katholizismus.247 Das deutsche Seniorat der reformierten Kirche ersuchte das Ministerium für Justiz und Religion um die Erteilung von staatlichen Hilfen.248 Der Antrag wurde jedoch abgelehnt. Das Seniorat wand sich daraufhin an die Volksgruppenführung, die beim Ministerium für Justiz und Religion intervenierte. Da Minister Puk angeblich nicht gewusst habe, dass der reformierten Kirche auch Deutsche und Kroaten angehörten, enthielt der erneute Antrag beim Ministerium deshalb auch die Anträge der kroatischen Gemeinden.249 Die kroatischen Reformierten hatten sich zwar nicht den deutschen angeschlossen, dennoch spekulierte das deutsche Seniorat auf diesen Anschluss, um höhere staatliche Zuwendungen zu erhalten. Der Beistand der Volksgruppenführung sollte gegenüber Minister Puk als Druckmittel benutzt werden. Die Religionsabteilung des Ministeriums für Justiz und Religion richtete im März 1943 eine Anfrage an die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde, in der sie die dem helvetischen Bekenntnis zugehörigen Kroaten z. B. aus Tordinci bat, sich zur Frage der Neugründung einer eigenen kroatischen reformierten Kirche im Vergleich zu einem Anschluss an die deutsche oder ungarische reformierte Kirche zu äußern.250 Die Verzögerung bei der Verabschiedung der evangelischen Kirchen245 Ebd., 289/1941 Der reformierte Oberpfarrer in Šidski Banovci hieß Heinrich Bolz. Sein Vertreter war der Vinkovacer Pfarrer Heinrich Weidmann; milić, Kalvinizam, 221. 246 Ebd. 247 HR-HDA-218, 28–1092 Bezirksregierung in Županja an den Großbezirk Posavje, 3.2.1942. 248 HR-HDA-218 Eingangsregister 5750 (1942). 249 HR-DAOS-469-12 Das deutsch-reformierte Oberpfarramt Šidski Banovci an das Pfarramt in Tordinci, 12.3.1942. 250 Ebd., Radoslav Glavaš an Gemeindeverwaltung in Tordinci, 1.3.1943; Ebd., Gemeindeverwaltung in Tordinci an die evangelisch-reformierte Gemeinde in Tordinci, 7.3.1943.
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verfassung, mit derer Hilfe der Anschluss der deutschen Reformierten bewerkstelligt werden sollte, verzögerte ebenfalls die Klärung der Frage der finanziellen staatlichen Zuwendungen. Die von der Volksgruppe auferlegten Regeln zur völkischen Zugehörigkeit der Mitglieder erschwerten den Prozess der Zusammenführung der kroatischen und deutschen Reformierten. Wie anhand der Frage der Kirchenverfassung gezeigt wurde, wies das Verhältnis zwischen der deutschen Volksgruppeführung und der Kirchenführung der evangelischen Kirche Spannungen auf. Bis zum Sommer 1942 deuten die Quellen jedoch nicht darauf hin, dass die Volksgruppenführung Probleme mit den reformierten Geistlichen hatte. Der Volkstumsreferent sprach sich allerding im Herbst 1942 gegen eine finanzielle Unterstützung der Reformierten aus. Die Geistlichen seien keine Nationalsozialisten und pflegten zweifelhaften Umgang mit den magyarischen und sonstigen Kirchenangehörigen, erklärte er.251 Dem Sinneswandel lag ein gewaltsames Ereignis zu Grunde. Ende August oder Anfang September 1942 starben bei einem Partisanenangriff der Kreisleiter der deutschen Volksgruppe in Vinkovci, Ritz, sowie sein Chauffeur, Hoffman. Ritz bekannte sich angeblich zur „Deutschen Gottgläubigkeit“, während Hofmann reformierter Protestant war. Für Ritz hielt der evangelische Pfarrer aus Vinkovci, Kettenbach, die Totenmesse – ganz zur Zufriedenheit der deutschen Volksgruppe. Der reformierte Priester Weidmann aus Vinkovci hielt dagegen bei der Beerdigung Hoffmans in Anwesenheit hoher Vertreter der Gesandtschaft und der Volksgruppe eine polemische, gegen den Nationalsozialismus und seine Rassentheorie gerichtete Rede. Dies teilte der Volkstumsreferent der deutschen Gesandtschaft, Hruschka, am 3. September 1942 Helm mit.252 Hruschka forderte die Bestrafung Weidmanns. Altgayer war dagegen bemüht, die Konsequenzen für Weidmann möglichst niedrig zu halten, um auf die Haltung der reformierten Gemeindemitglieder Rücksicht zu nehmen.253 Wie er auch bei der Kirchenverfassung der DEK eine offene Auseinandersetzung mit Bischof Popp vermieden und seine Forderungen über die Volksdeutsche Mittelstelle zu erreichen versucht hatte, hielt er sich bei Weidmann mit offener Kritik zurück. Der Vorfall „Weidmann“ brachte die Volksgruppenführung und den Volksgruppenreferenten gegeneinander auf. Altgayer hatte bereits im Juni 1941 die Beantragung eines Gesetzes zur Anerkennung der „Deutschen Gottgläubigkeit“254 251 PAAA-GZ, 207 Vermerk für Dr. Zoller, gez. Volkstumsreferent, Name unlsrl., 9.10.1942. 252 HR-HDA-1521, 35 Schreiben von Hruschka sowie Dossier zu Kettenbach. 253 PAAA-GZ, 238 Der Volkstumsreferent Hruschka an die Volksgruppenführung betr. Ausfälle des reformierten Pfarrers Weidmann, 29.9.1942; In Šidski Banovci fungierte der evangelische Pfarrer Kettenbach auch als Notar. HR-HDA-1076, 584 Monatsbericht über Konversionen in Šidski Banovci, November 1941. 254 Seit einem Erlass des Reichsinnenministeriums vom 26.11.1936 wurde die Kategorie „gottgläubig“ eingeführt, die vor allem die Kategorien „Dissident“ und „konfessionslos“ ersetzen sollte. In den Personalpapieren und in den Unterlagen der Einwohnermeldeämter konnte fortan „gottgläubig“ angegeben werden und bedeutete die Unabhängigkeit von organisierten Religionsgemeinschaften, bei bestehendem Glauben an Gott. Nur drei Jahre nach dem Erlass erklärten sich bei der Volkszählung 1939 2,76 Millionen Reichsbürger als „gottgläubig“. SchmitzbeRning, Cornelia: Vokabular des Nationalsozialismus, Berlin 2007, 281–283; jungingeR, Horst: Die Deutsche Glaubensbewegung als ideologisches Zentrum der völkisch-religiösen
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angeregt. Der deutsche Gesandte riet jedoch Altgayer, auf die kroatischen Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen und mit dem Gesetzesvorschlag etwas abzuwarten. Am 28. Juli schlug Altgayer bei einem Treffen mit dem Volkstumsreferenten Hruschka und dem Gesandten Kasche die Schaffung einer gesetzlichen Möglichkeit zum Austritt aus den gegenwärtigen Konfessionsgemeinschaften vor. In diesem Zusammenhang sollte auch die Frage der Matrikelführung gelöst werden. Kasche riet erneut zur Zurückhaltung aus Rücksicht auf die kroatische Regierung, so dass nichts weiter geschah.255 Als nun Hruschka die Bestrafung Weidmanns forderte, lehnte sich Altgayer gegen Hruschka auf. Er reagierte mit Forderungen an die Reichsstellen nach einer gesetzlichen Ermöglichung der formellrechtlichen Loslösung der Volksgruppe von den konfessionellen Gemeinschaften. In Kroatien gab es keine staatliche Matrikelführung, also keine Anerkennung von Tod, Geburt und Heirat ohne die Beteiligung der religiösen Gemeinschaften. Somit fehlte die Grundlage für eine Trennung des Konfessionellen vom Völkischen, so Altgayer. Der von Hruschka geforderte Verzicht auf priesterlichen Beistand bei Begräbnissen war unter den gegebenen Umständen nicht möglich.256 Altgayer verfolgte das Ziel einer weitgehenden Vereinigung der Deutschen im NDH nach völkischen Kriterien. Die konfessionellen Unterschiede sollten aufgehoben werden. „Es ist der heiße, durch die Gesamtlage der Volksgruppe begründete Wunsch der Volksgruppenführung, eine Loslösung ihrer Angehörigen von der formalrechtlichen Bindung an die einzelnen Konfessionen zu erreichen.“257 Die Trennung der Volksgruppe von ihren kirchlichen Gemeinschaften war der Grund für die Behinderung der Kirchenverfassung durch die Volksdeutsche Mittelstelle und Altgayer. Dieses Ziel glaubte Altgayer nur erreichen zu können, wenn er die Macht der kirchlichen Autoritäten begrenzte. Deshalb setzte er sich für die Anerkennung der „Deutschen Gottgläubigkeit“ ein. Die Trennungsfunktion der zwei Konfessionen sollte aufgehoben und ein drittes, neutrales Bekenntnis, sollte die Brückenfunktion im Prozess der völkischen Integration einnehmen.
Bewegung. In: Die völkisch-religiöse Bewegung im Nationalsozialismus. Eine Beziehungsund Konfliktgeschichte. Hg. v. Uwe PuSchneR / Clemens voLLnhaLS. Göttingen 2012, 65–103, hier 102. 255 HR-DASB-189, 174 Vermerk zum Vorsprechen beim dt. Gesandten in Zagreb, 28.7.1941; PAAA-GZ, 238 Altgayer an die Volksdeutsche Mittelstelle betr. Personenstandsverhältnisse, 7.10.1941. 256 PAAA-GZ, 238 Die dt. Volksgruppe an den Volkstumsreferenten Hruschka betr. Ausfälle des reformierten Pfarrers Weidmann, 9.9.1942; Ebd., Schreiben von Hruschka an die Volksgruppenführung, 31.8.1942. 257 PAAA-GZ, 238 Die dt. Volksgruppe an den Volkstumsreferenten Hruschka betr. Ausfälle des reformierten Pfarrers Weidmann, 9.9.1942.
4. Die Assimilation des „kostbaren Volksguts“
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4. DIE ASSIMILATION DES „KOSTBAREN VOLKSGUTS“. DIE DEUTSCHE VOLKSGRUPPE UND DIE KATHOLISCHE KIRCHE Die Opposition der Volksgruppenführung zu den christlichen Kirchen begründete sich in der spaltenden Wirkung der konfessionellen Zugehörigkeit auf die angestrebte völkische Integration der Deutschen in Kroatien. Als die zweite Gefahr für das Deutschtum überhaupt erkannten die „Erneuerer“ die Assimilation insbesondere der katholischen Deutschen. Der Einfluss der römisch-katholischen Kirche wurde von der Volksgruppenführung als stetig steigend bewertet, worin Altgayer die Gefahr der weiteren „Kroatisierung“ der deutschen Katholiken in Kroatien sah. Verantwortlich für die Assimilation war nach Altgayer auch die Abhängigkeit der staatlichen Strukturen von den kirchlichen. Da die Personenstandsverhältnisse in Kroatien von den Pfarrämtern bzw. den muslimischen Glaubensgemeinden gepflegt wurden, stellten diese nach Altgayer einen Antrieb für die Assimilation der Deutschen in Kroatien dar. Dadurch, dass es keinen staatlichen Einfluss auf die Führung der Matrikelbücher gab, behinderten die Kirchen nach geläufiger Auffassung mit ihrer Deutungshoheit in identitätspolitischen Fragen einerseits die Bestrebungen der Volksgruppe nach Erneuerung des Deutschtums. Andererseits standen die Kirchen einer weitgehenden Verschmelzung der Katholiken und Protestanten im deutschen Volkstum im Weg. Anders als bei der evangelischen Kirche, welcher in der Zwichenkriegszeit für die Pflege des deutschen Volkstums personelle und materielle Mittel aus dem Reich zuflossen und die sich zu einer Stifterin der deutschen Identität etablierte, war die römisch-katholische Kirche eine supranationale Organisation und die Stifterin einer kroatischen Leitkultur. Die größte Kraft bei der Integration der Deutschen in Kroatien stellte in der Vergangenheit die katholische Kirche dar. Die gemeinsame Konfession ermöglichte den überwiegend katholischen Deutschen in den überwiegend katholisch geprägten kroatischen Gebieten eine schnellere sprachliche und kulturelle Assimilation. Der Vereinnahmungsprozess der Deutschen in Kroatien durch die Träger der nationalsozialistischen Ideologie setzte bereits in den 1930er Jahren ein, doch reichte die kurze Zeitspanne bis zum Ausbruch des Krieges für eine Dissimilation nicht aus. Die Integrationskraft der römisch-katholischen Kirche wurde zur Projektionsfläche für die Kritik der nationalsozialistischen Erneuerer. Die Etablierung eines deutschen Schulwesens oder etwa die Einberufung von Volksdeutschen in die deutschen militärischen Verbände zeigten die Schwierigkeiten bei der eindeutigen Feststellung der Volkszugehörigkeit von Personen. Der Volksdeutschen Mittelstelle teilte Altgayer mit, die römischkatholische Kirche behindere die Einführung von deutschen Vornamen, vergebe unaufgefordert biblische Vornamen, die zudem noch in der kroatischen Form seien, und übersetze die deutschen Vornamen in kroatische. Schwierigkeiten entstünden vor allem bei Familiennamen, weil sie phonetisch geschrieben und kroatisiert würden. Aufgrund der so geführten Matrikelbücher sprach die katholische Geistlichkeit den Deutschen ihre deutsche Volkszugehörigkeit ab, so Altgayer.258 258 Ebd., 242 Schreiben von Altgayer an das kroatische Landwehrministerium betr. Überprüfung der deutschen Volkszugehörigkeit, 18.7.1942; Ebd., 238 Altgayer an die Volksdeutsche Mittelstelle betr. Personenstandsverhältnisse, 7.10.1941. – Zu Assimilationsvorwürfen an die katho-
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Der rechtliche Status der Deutschen in Kroatien wurde durch drei gesetzliche Bestimmungen geregelt. Die deutsche Sprache wurde in den deutschen Siedlungsgebieten der kroatischen gleichgestellt. Die Gleichbehandlung sollte landesweit auch für die deutsche Fahne gelten. Außerdem wurden die Rechte der Organisation der deutschen Minderheit und ihrer Mitglieder geregelt. Das bis dahin gültige Minderheitenprinzip wurde verworfen. Für Branimir Altgayer dienten die Deutschen in Kroatien in der Vergangenheit als Brücke zwischen dem deutschen und kroatischen Volk. In der Zukunft sollten sie ihren Beitrag als großes Volk beim Aufblühen des kroatischen Staates leisten, sprach er bei den Feierlichkeiten anlässlich der Gesetzesunterzeichnung.259 Die nach der Verordnung über die Nutzung der deutschen Sprache, Flagge und Symbole vom 30. Oktober 1941 eingesetzte Welle der Änderungen von deutschen Namen, die seit 1921 in den Geburts-, Heirats-, Tauf-, Sterbe- und Heimatbüchern sowie anderen Registern in phonetischer Weise geschrieben und so dem Serbischen oder Kroatischen angepasst worden waren, war ein Ausdruck der Rückkehr zur deutschen Sprache und damit zu einer grenzüberschreitenden deutschen Sprachgemeinschaft.260 Die Änderung versprach eine schnellere Anerkennung seitens reichsdeutscher Organe in wie auch immer gearteten Angelegenheiten sozialen oder militärischen Charakters, die zuvor selten unter einer Frau „Miler“ eine Frau „Müller“ oder unter einem Herr „Dizna“ einen Herrn „Dießner“ vermuteten. Bald nach der Verordnung über die Nutzung der deutschen Sprache, Flagge und Symbole im Unabhängigen Staat Kroatien wurden innerhalb der deutsch-katholischen Kreise Forderungen nach deutschen Seelsorgern und deutschen Gottesdiensten laut, die es bis dato nur in den rein deutschen Gemeinden gab und in Kroatisch abgehalten wurden. Der Wunsch nach sprachlicher Entfaltung im religiösen Bereich speiste sich aus der Auffassung, dass bereits „viel kostbares Volksgut, auch religiöser Natur, verloren gegangen ist“261 – damit manifestierte sich rückblickend eine deutliche Missbilligung der vor 1941 herrschenden Assimilierungstendenzen unter den deutschen Katholiken in Kroatien. Zum einen umfassten die Forderungen die regelmäßige Seelsorge mit deutschen Sonntagspredigten und deutschen Volksandachten, je nach Prozentsatz deutscher Streusiedler sowie die lische Kirche WeRni, Josef: Die katholischen Donauschwaben in der Diözese Diakowar, 1918– 1945. In: Die katholischen Donauschwaben in den Nachfolgestaaten 1918–1945. Hg. v. Michael Lehmann. Freilassing 1972, 277–325, hier 295–300, 318 f. – Ebd., zum katholischen Religionsunterricht 303 f. – Ebd., zu fehlenden Standesämtern und zum Religionswechsel bei den Donauschwaben bei Eheschließungen 291 f. – Außerdem zur Slawisierung der deutschen Minderheit buchenau, Spuren, 216. 259 HR-DASB-189, 177 Gesetzestexte Juni-Oktober 1941; Zu den Feierlichkeiten und die Reden im Wortlaut Sarajevski Novi List, 4.11.1941; WehLeR, Hans-Ulrich: Nationalitätenpolitik in Jugoslawien. Die deutsche Minderheit 1918–1978. Göttingen 1980, 46. 260 HR-DAOS 469, 41–45 Anordnung des Ministeriums für Justiz und Religion an alle bischöflichen Ordinariate, Großbezirksverwaltungen, Stadt- und Bezirksverwaltungen über Berichtigung der Schreibweise von deutschen Namen, 26.6.1942; HR-DASB-189, 177 Gesetzliche Verordnung über die Verwendung der dt. Sprache, Flagge und Symbole. 261 HR-DAOS-469-12 Eingabe an den Volksgruppenführer als Hilfsmittel zur vorläufigen Regelung der kirchlichen Rechtslage der Deutschen im Unabhängigen Staate Kroatien, gez. Josef Gahl, Osijek, 26.11.1941.
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Abschaffung der kroatischen und die Einführung der lateinischen Sprache in liturgischen Handlungen, die Deutsche betrafen. Zum anderen verlangten die kirchlichen Akteure, dass im Falle der Einführung von doppelsprachigen Matrikelauszügen die deutsche Rechtschreibung berücksichtigt werden musste. In den deutschen Mittelschulen sollten ferner nur „völkischbewährte“ deutsche Priester als Religionslehrer eingesetzt und an Volksschulen der Religionsunterricht nur auf Deutsch durchgeführt werden dürfen. Dass das Misstrauen gegenüber nichtdeutschen Priestern tief saß, war aus den Ausführungen zur angeblich prekären rechtlichen Lage der Deutschen in Kroatien herauszulesen. Diese sei durch die „Entdeutschung“ aufgrund des Druckes seitens der nichtdeutschen Geistlichen entstanden. So sollte das zuständige bischöfliche Ordinariat gewährleisten, dass der Religionsunterricht an deutschen Volksschulen nicht missbraucht wurde, wenn er aus Mangel an deutschen Priestern von deutschsprachigen kroatischen Priestern durchführt werden musste. Dies galt vor allem für die Verbreitung von deutschfeindlichen Anschauungen. Ausdrücklich abgelehnt wurden Priester nicht rein arischer Abstammung, deutschfeindliche und emigrierte slowenische Priester. Die Volksgruppenführung nahm bei der Priesterwahl für den Religionsunterricht eine beratende Funktion wahr.262 Der Einsatz vertriebener katholischer Priester aus Krain und der Untersteiermark in Konvertitengemeinden und überhaupt im Bistum Đakovo wurde von der Volksgruppe unter dem Vorwurf der Verbreitung anti-nationalsozialistischer Propaganda besonders streng beobachtet.263 Für die reichsdeutschen Kinder war der Religionsunterricht kein Pflichtfach.264 Die von den Nationalsozialisten propagierte Dissimilation der Deutschen im NDH vollzog sich auch mithilfe der kirchlichen Ressourcen. Es waren auch die kirchlichen Akteure, die durch Forderungen nach deutschen Gottesdiensten und deutschsprachigem Schul- bzw. Religionsunterricht zwar die deutsche Identität reklamierten, dabei jedoch auch nur ihre eigenen Kirchenmitglieder ansprachen. Die Unterschiede zwischen den deutschen Katholiken und Protestanten sollten sich dadurch noch vergrößern. Altgayer insistierte mehrmals auf der Vermittlung der innerdeutschen Behörden bei der gesetzlichen Anerkennung der „Deutschen Gottgläubigkeit“ durch die kroatische Regierung. Im Herbst 1941 kündigte er die Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs an. Mit dem Gesetz sollten bestehende Gesetze umgangen werden, die festlegten, dass in Kroatien jede Person einer staatlich anerkannten Konfessionsgemeinschaft angehören musste. Der Austritt aus einer anerkannten konfessionellen Gemeinschaft – der laut Altgayer von vielen Volksdeutschen gewünscht sei – war jedoch nur durch eine gleichzeitige Konversion zu einer anerkannten Konfession möglich. Um den Aufwand bei der Übertragung der Pflege der Personenstandsregister zu minimieren, schlug Altgayer außerdem vor, dass die deutschen Lehrer diese Aufgabe übernahmen.265 Nach dem Vorfall „Weidmann“ wandte sich Altgayer in einem Telegramm an die Volksdeutsche Mittelstelle. Diese 262 263 264 265
Ebd. PAAA-GZ, 247 Monatsbericht des Kreises Unterdrau, August 1941. EZA/5/897, A7756/42 Bf. Popp an Bf. Heckel betr. Kirchenverfassung, 30.9.1942. PAAA-GZ, 238 Altgayer an die Volksdeutsche Mittelstelle betr. Personenstandsverhältnisse, 7.10.1941.
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ließ Altgayer ausrichten, dass er solche internen Fragen zur Assimilation nicht über den Postweg oder öffentliche Leitungen zusenden solle. Stattdessen sollte er eine Person namens Leonhard einweihen, damit dieser die Angelegenheit während seiner Reise nach Berlin direkt besprechen konnte. Außerdem sollte sich Altgayer selbst mit der deutschen Gesandtschaft beraten.266 Altgayer hoffte durch die Anerkennung der „Deutschen Gottgläubigkeit“ auch die Lösung des Problems der Jugenderziehung – einer Quelle des Streits zwischen der Volksgruppenorganisation und den Kirchen – zu erreichen.267 Die Jugenderziehung sollte dadurch aus der evangelischen und katholischen kirchlichen Trägerschaft ausgegliedert werden. Die „Gottgläubigkeit“ kam nicht, alle anderen Probleme blieben. In Osijek hatte z. B. Josef Gahl, ein Religionslehrer am deutschen Gymnasium, ohne die Genehmigung der Volksgruppe das katholische Halbmonatsblatt „Sankt Bonifatius“ herausgegeben. Der Verlag des St. Bonifatiuswerkes gab außerdem noch ein Gesang- und Gebetbuch sowie ein Katechismus heraus. Ein Dorn im Auge war Altgayer auch die katholische Zeitschrift des Đakovoer Bistums, „Glasnik“, die Artikel über die mangelnde Religionslehre in deutschen Schulen druckte. In einem Artikel wurde die Geistlichkeit aufgefordert, die Eltern dazu zu drängen, ihre Kinder zum Religionsunterricht in die Kirchen zu schicken und sich gegen die „heimlichen Gottesleugner“ in den Ortsleitungen durchzusetzten. Der Religionsunterricht würde bereits in vielen Gemeinden erteilt, vereinzelt hetzten die Priester auch gegen die Deutsche Jugend, so Altgayer. Außerdem würde auch in Syrmien für die katholische Presse geworben. Eine ähnliche Entwicklung zeichnete sich auch in evangelischen Kreisen ab. Altgayers Vorwurf lautete, evangelische Pfarrer hielten die Eltern an, ihre Kinder zum Religionsunterricht zu schicken, der gemeinsam für deutsche und kroatische Kinder gegeben wurde. Der evangelische Vikar und Sohn von Bischof Popp äußerte zudem, dass der Dienst in der Deutschen Jugend zwar vor jedem anderen Dienst stünde, die evangelischen Jugendlichen jedoch auch nicht vom Dienst in der „Jungen Gemeinde“ abgehalten werden durften. Vikar Popp drohte jedem, der es wagte, ihn auf der Kanzel anzugreifen und die konsequente Trennung der Jugend nach ethnischen Kriterien zu fordern, „denn wir lebten je im Unabhängigen State Kroatien“.268 Die Auseinandersetzungen mit der Volksgruppenführung und die Enttäuschung über die mangelnde Unterstützung der deutschen Stellen im Reich und in Kroatien resultierten im Rückzug zu kroatischen Strukturen, die kirchliche Jugendorganisationen erlaubten. Vikar Popp habe sogar öffentlich gegen Himmler, Rosenberg, Göring u. a. gesprochen und diese als Angreifer der Kirche bezeichnet. Unter den Evangelischen beschuldigte Altgayer auch den Pfarrer Becker in Zagreb, weil er im März 1943 in einem Brief an den Landesjugendführer bat, die Einheits266 Ebd., Schreiben des Volkstumsreferenten Hruschka an Altgayer, 9.12.1941. 267 Ebd., Altgayer an die Volksdeutsche Mittelstelle betr. Personenstandsverhältnisse, 7.10.1941. 268 PAAA-GZ, 207 Schreiben von Altgayer betr. Tätigkeit der kirchlichen Behörden in Kroatien, 15.5.1943. Die Volksdeutsche Mittelstelle leitete das Schreiben an die Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Hummitzsch und Schrems, sowie an Reichel vom AA. Erst durch die Weiterleitung des AA erhielt Kasche Kenntnis von den Vorwürfen, die Altgayer erhob; Zur feindlichen Haltung der Volksgruppenführung gegenüber den deutschen katholischen Religionslehrern WeRni, Donauschwaben, 303, 308.
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führer über die kirchliche Jugendarbeit aufzuklären und sie anzuweisen, sich ihr gegenüber nicht ablehnend zu verhalten.269 Die volksdeutsche Organisation der Jugend kam insgesamt schleppend voran. In Bosanski Brod existierte z. B. im April 1942 immer noch keine Jugendführung, hauptsächlich wegen Unkenntnis der deutschen Sprache.270 Das innerhalb der Organisation der Volksgruppe errichtete staatliche Schulamt sollte durch Reformierung des Schulwesens die Dissimilation der Deutschen begünstigen. Bis Dezember 1941 hatten sich 20.000 Volksschulkinder, 880 Bürgerschulkinder, 130 Zöglinge der Lehrerbildungsanstalt und 1.330 Gymnasiasten für die deutschen Schulen gemeldet.271 Für je zehn Kinder im Umkreis von acht Kilometern konnte eine deutsche Volksschule errichtet werden, bald wurden es 280. In Osijek und Umgebung wurden ein Realgymnasium, fünf Bürgerschulen und eine Lehrerbildungsanstalt eröffnet.272 Der Lehrermangel machte den Schulausbau jedoch zum Problem.273 Um seine Vorwürfe gegen die römisch-katholische Kirche zu untermauern, beschuldigte sie Altgayer, Massentaufen von Juden gegen hohe Gebühren praktiziert und überhaupt die jüdischen Konvertiten beschützt zu haben. Für die Zwangskonversionen der Serben machte er allein die römisch-katholische Kirche verantwortlich.274 Stepinac erreichte bei der kroatischen Regierung, dass die getauften Juden unter keine Kennzeichnungspflicht fielen, allerdings bezog sich die Verordnung nur auf die von Stepinac persönlich getauften Juden.275 Immer wieder hetzte Altgayer gegen den örtlichen katholischen Klerus, der die kroatische Bevölkerung gegen die Deutschen aufbrächte.276 Das bischöfliche Ordinariat in Ðakovo unter Bischof Akšamović entschied im Dezember 1942, dass Mitglieder der deutschen Volksgruppe genauso wie andere kroatische Staatsbürger dieselben Gebühren für Auszüge aus den Kirchenregistern und andere Urkunden zahlen mussten, sofern sie diese für private Zwecke benötigten.277 Kostenlose Auszüge und Korrekturen waren zuvor nur in Fällen vorgesehen, in denen nachgewiesen werden konnte, dass jugoslawische Behörden nach 1929 die Namen der Kinder in einer anderen Weise geschrieben hatten als die Namen ihrer Eltern lauteten. Da es jedoch Streitpunkte darüber gab, wer für die falsche Schreibweise bzw. die Kroatisierung verantwortlich 269 Ebd., (auch R 901/69663) Schreiben von Altgayer betr. Tätigkeit der kirchlichen Behörden in Kroatien, 15.5.1943. Die Volksdeutsche Mittelstelle leitete das Schreiben an die Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Hummitzsch und Schrems, sowie an Reichel vom AA. Erst durch die Weiterleitung des AA erhielt Kasche Kenntnis von den Vorwürfen, die Altgayer erhob. 270 HR-DASB-189, 175 Ortsleitung von Bosanski Brod an die Kreisleitung Save-Donau betr. Schulungsmaterial für die Jugend, 1.4.1942; Ebd., Die Ortsleitung Bosanski Brod an die Deutsche Jugend in Vinkovci betr. Erfassung der gesammten Jugend, 18.5.1942. 271 PAAA-GZ, 238 Nach einem dem AA übermittelten Bericht einer „besonderen Stelle“, Dezember 1941; WehLeR, Nationalitätenpolitik, 46. 272 WeRni, Donauschwaben, 302. 273 HR-DASB-189, 177 Altgayers politischer Lagebericht für die Zeit 20.7.–15.8.1942. 274 PAAA-GZ, 238 Altgayer an die Volksdeutsche Mittelstelle betr. Personenstandsverhältnisse, 7.10.1941. 275 PAAA-GZ, 68/1 Vermerk, 11.6.1941. 276 HR-DASB-189, 177 Altgayers politischer Lagebericht für die Zeit 20.7.–15.8.1942. 277 HR-DAOS-469-12 Gebührenpflicht für Mitglieder der deutschen Volksgruppe für Auszüge aus den Kirchenregistern, Bezirksverwaltung Vukovar an die Gemeindeverwaltung, 30.12.1942.
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war, weigerten sich die Bittsteller, die anfallenden Gebühren zu zahlen. Akšamović entschied sich deswegen für eine Gleichbehandlung bei der Gebührenordnung, so dass Deutsche die gleichen Gebühren zahlten wie Kroaten. Damit setzte er sich wieder Anschuldigungen wegen der Assimilation der Deutschen aus.278 Die verstärken Bemühungen der Volksgruppenführung um Dissimilation der Deutschen verursachten Konflikte mit kroatischen Behörden und dem kroatischen katholischen Klerus. Im Kreis Unterdrau wurden solche Konflikte besonders spürbar, da sich die hohe Zahl der deutschen Bevölkerung auf die Besetzung von wichtigen Ämtern und die Verwaltung niederschlug. Bei Kroaten stieß die Werbung der Volksgruppe um Mitglieder, insbesondere unter denen, die nicht deutschsprachig waren und bei denen es sich nach kroatischer Einschätzung um Kroaten handelte, auf Unverständnis. In einigen Dörfern sprach kaum einer der Einwohner Deutsch, so beispielsweise in Dalj, wo 80 % von 800 Einwohnern nicht die deutsche Sprache beherrschten. Da die Unterscheidung zwischen „kroatisch“ und „deutsch“ kompliziert war, schlug die Volksgruppe in Osijek sogar vor, das Bekenntnis und nicht die Sprache oder den Namen heranzuziehen. Schließlich hätten Kroaten in der Vergangenheit die Deutschen auch auf diese Weise „absorbiert“. Welche Vorteile eine mindestens genauso schwierige Methode der Unterscheidung nach Glaubenszugehörigkeit bringen sollte, außer dass sie vielleicht Serben und Juden unterscheidbar machte, bleibt rätselhaft. Bis Ende Juni 1941 soll es im Osijeker Raum etwa 60 von solchen kontroversen Fällen gegeben haben. Die Angst der Kroaten vor einer deutschen Übermachtstellung in Osijek durch den stetigen Anstieg der Zahl der Volksgruppenmitglieder wurde außerdem dadurch verstärkt, dass sich darunter auch Personen serbischer Abstammung befanden. Der kroatische katholische Klerus agierte gegen das Vorgehen der Volksgruppe, wie z. B. in Josipovac, wo außerdem die Eröffnung einer deutschen Schule sabotiert wurde.279 Die deutsche Volksgruppenorganisation errang im Oktober 1941 in Anwesenheit der Vertreter der deutschen Gesandtschaft vom Außenminister Lorković die Zusicherung, dass der kroatische Staat von jedem Assimilierungsversuch gegenüber Deutschen Abstand nehmen wollte. Altgayer protestierte drei Monate später, weil die kroatischen Behörden die Eröffnung von deutschen Schulen, z. B. in Josipovac und Ernestinovo, behinderten und die Aufstellung von Untergliederungen der Ustaša-Bewegung in deutschen Siedlungen förderten. Konflikte seien in Josipovac, Kravice, Jovanovac und Ernestinovo ausgebrochen, weil sich in der Vergangenheit kleine oppositionelle Fraktionen gebildet hätten, welche jetzt gegen die Volksgruppe stünden. Bei diesen Gruppen handelte es sich zum Teil um Anhänger der 278 Ebd., 41–45 Anordnung des Ministeriums für Justiz und Religion an alle bischöflichen Ordinariate, Großbezirksverwaltungen, Stadt- und Bezirksverwaltungen über Berichtigung der Schreibweise von deutschen Namen, 26.6.1942. 279 PAAA-GZ, 247 Bericht des deutschen Lehrers Engeßer an die dt. Gesandtschaft in Zagreb über die Lage in Osijek und Umgebung, 29.6.1941; Ebd., Monatsbericht des Kreises Unterdrau, gez. Skreptschuk, August 1941; Ebd., Bericht des Ortsleiters Seidl über die Ortsverhältnisse in Dalj an Siegfried Kasche, 20.12.1941; Altgayer beschwerte sich beim Innenminister Artuković, weil die kroatischen niederen Behörden und Ustaša-Amtsträger die Stellung der Deutschen im Staat und ihre Dissimilation nicht respektierten und sie als eine Minderheit behandelten. Ebd., Eingabe von Altgayer an Artuković, 17.1.1942.
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Bauernpartei, die sich wiederum zum Teil später den Ustaše angeschlossen hatten. Altgayer kritisierte, dass solche Personen die Assimilierung der Deutschen vorantrieben und sogar vom Großgespan Hefer unterstützt wurden. Diese Unterstützung war auch materieller Art, etwa indem die Führer der in diesen Dörfern gegründeten Ustaša-Jugend kostenlose Uniformen erhielten. Solche assimilierten Deutschen, etwa 500 Personen, würden die öffentlichen Ämter und Stellungen an sich reißen, um die Assimilierungspolitik nach magyarischem Muster besser betreiben zu können. Etwa 15–18 von ihnen besetzten führende Ämter in der Verwaltung.280 Altgayer richtete im Januar 1942 eine Beschwerde an die kroatische Regierung, weil sie unterlassen hätte, die gesetzlich anerkannte Gleichberechtigung der Deutschen Volksgruppe durchzusetzen. Im Vordergrund seiner Beschwerde standen lokale Konflikte, die Besetzung von Ämtern und Kroatisierungstendenzen gegenüber Deutschen. In dieser Beschwerde griff Altgayer die assimilierten Deutschen unter den führenden Personen der Ustaša-Bewegung offen an und verlangte die „Festsetzung klarer Volkstumsgrenzen“.281 Nach Deutungen des Bezirksleiters in Daruvar habe eine Identifizierung der Bevölkerung mit deutschem Hintergrund mit dem Deutschtum und der Volksgruppe förderliche Auswirkungen auf die Mobilisierung der Kroaten gehabt. Dort schloss sich ein früherer Abgeordneter der Bauernpartei, Ipša Mijo, angeblich als Reaktion auf die Aktivitäten des Kulturbundes den Ustaše an. Aus welcher Richtung diese Interaktion tatsächlich angestoßen wurde, bleibt dahingestellt. In der Tat scheint die Frage nach Auswirkungen und Transfers nationalsozialistischer Mobilisierung auf die Mobilisierung kroatischer Nationalisten auf der Ebene der Gemeinden interessant zu sein. Die Konversionspropaganda, insbesondere die Rede von Pavelić beim Empfang der Delegation der Konvertiten aus Baranja, bewirkte eine Spaltung der Bevölkerung, bemerkte der Bezirksleiter.282 Die durch das inszenierte Ereignis vermittelte Botschaft von der Akzeptanz der Serben in Kroatien als ebenbürtige Staatsbürger, stieß auf Ablehnung unter den Anhängern der Ustaša. Der römisch-katholische Pfarrer in Dalj, Josip Astaloš, wurde auf Antrag der deutschen Ortsgruppe aus Dalj spätestens im Dezember 1941 „beseitigt“. Astaloš wurde daraufhin Pfarrer in der Osijeker Unterstadt. Er werde seiner Pfarre und seinen Pfarrkindern ein guter religiöser und nationaler Führer sein, so Astaloš. Er wisse, dass darunter auch andere Völker vertreten waren, doch das sei unwich-
280 Ebd., Eingabe von Altgayer an Artuković, 17.1.1942. Altgayer benannte darunter aus Jovanovac Franz Hartmann, Ustaša-Ortschef, Michael Feth, Bürgermeister und Ustaša-Ortschef in Suhopolje und Peter Neubauer, Ustaša-Ortschef-Adjutant in Josipovac. Außerdem nannte Altgayer aus Josipovac noch Stefan Neubauer, Stefan Schrempf (Tischler) Johann Sykora und Johann Pirk (Ortsrichter). In Jovanovac außerdem noch Franz Keller, Agrarkommissar. Aus Ernestinovo waren es Josef Lischtschewitsch, Mathias Halter, Josef Würtz, Gabriel Rothpflug und Hans Tisler. Aus Vrbanja nannte Altgayer Franz Schwels, Vertrauensmann der Ernährungsdirektion und aus Bečmen Peter Sorg, Vertrauensmann der Ustaša-Bewegung. 281 Ebd., Eingabe von Altgayer an Artuković, 17.1.1942. 282 HR-HDA-1076, 584 Bezirksleiter Mihalić in Daruvar an den Großbezirk Livac Zapolje betr. religiöse Übertritte, 30.11.1941.
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tig, denn die katholische Kirche vereine sie alle.283 Später, im September 1943, soll Astaloš wegen Angriffen auf die Volksdeutschen vom Ustaša-Chef im Bezirk, Krvarić, aus dem Kroatischen Heim vertrieben worden sein.284 Die Hintergründe Gegen die Assimilation der Deutschen wirkten seit den 1930er Jahren auch deutschkatholische kirchliche Akteure aus dem Reich. Reisten katholische Geistliche aus dem Reich in den 1930er Jahren nach Kroatien und Serbien, wurden sie von dem Ausmaß an Akkulturation bis hin zur Assimilation der katholischen Deutschen überrascht. „Viele von den kath. Deutschen sind im Volke untergegangen, andere sind dem Volkstum treu geblieben, aber der Kirche ganz entfremdet, oder [befinden sich] fast ganz im Fahrwasser des Protestantismus, der durch seine vielseitige Arbeit eine nicht unbedeutende Rolle spielt“285, hielt der Kaplan Hermann Plietker 1935 in Zagreb fest. Doch auch in Serbien und vor allem in Streusiedlungen zeigte sich anhand von Alltagspraktiken, Sprache und Brauchtum eine Annäherung an die Mehrheitsbevölkerung. „Völlig unwissend im Glauben“ seien die deutschsprachigen Katholiken im syrmischen Grgurevci beim Eintreffen des Kaplans Heinrich Sieber 1938 gewesen. Anders als in Krndija in Slawonien und Čalma in Syrmien gestaltete sich die Arbeit des Kaplans dort schwieriger, zumal die Gemeinde über Jahrzehnte keine deutsche Seelsorge erhalten hatte.286 In Siedlungen mit nur wenigen deutschen Familien sprachen die Kinder weder kroatisch bzw. serbisch, wie z. B. in Svetozar Miletić, noch ein gutes Deutsch. Im Banat war dies keine Ausnahme. Deutsche Geistliche aus dem Reich sahen sich vor allem der Aufgabe der Jugendseelsorge verpflichtet.287 Auslanddeutsche Lehrer in den Banater Gemeinden, wie Josef Schneider aus Banatski Despotovac, empfanden indes die Unterstützung für den Kampf der „Katholiken und Deutschen“ für das „Christliche und Völkische“ in einer Umgebung mit fremden Einflüssen als unzureichend. Schneider und andere verlangten deutsche Bücher, vor allem religiöse Schriften aus Deutschland. Ihr Einfluss auf die deutsche Bevölkerung, zumal durch den Lehrerberuf, war wohl nicht unwesentlich.288 Gleichzeitig mit den Bemühungen der Erneuerer wirkte der Reichsverband für das katholische Deutschtum im Ausland (RKA) im Kampf gegen die Assimilation der Deutschen in Kroatien bzw. Jugoslawien mit. Der RKA ging ideologisch auf deutsche Vereine zurück, die sich ab den 1830er Jahren des 19. Jahrhunderts mit 283 PAAA-GZ, 247 Bericht des Ortsleiters Seidl über die Ortsverhältnisse in Dalj an Siegfried Kasche, 20.12.1941; Zur Anstellung von Astološ in Osijek Hrvatski List, 7.6.1942. Astaloš war Anhänger der Križari bzw. der Vereinigung „Orao“. 284 HR-HDA-1521, 38 Kirchenbericht von Hans Helm, 18.9.1943. 285 RKA D. XXIV. 4.) f) 567 Kaplan Hermann Plietker an den RKA, 18.3.1935. 286 RKA XXIV 2.3)d)S-Z (175–176) Kaplan Heinrich Sieber an Bf. Akšamović, 22.4.1938. 287 Ebd., 2.3)d)S-Z (178–179) Kaplan Lorenz (Nachname unleserlich) an das Sankt-Bonifatiuswerk, Paderborn Hauptvertretung Berlin, 7.10.1936. 288 Ebd., (179–180) Lehrer Josef Schneider an den Prälaten (Adressat nicht eindeutig), 6.3.1937.
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dem Zweck der Fürsorge für deutsche Auswanderer in Übersee formiert hatten. Der Missionsgedanke war mit den Initiativen zur Fürsorgetätigkeit im Ausland, die sich oft während der Katholikentage herausbildeten, eng verbunden. Die während des Kulturkampfs ausgewiesenen Ordensleute konnten diese Aufgabe dann auch unmittelbar vor Ort fördern.289 Während des Ersten Weltkriegs rückten die deutschen „Sprachinseln“ in Ost- und Südosteuropa in das Bewusstsein der deutschen katholischen Öffentlichkeit. Infolge des Aufrufs der Fuldaer Bischofskonferenz im August 1918 zur Betreuung der Auslandsdeutschen kam es am 5. Oktober 1918 in Koblenz zur Gründung des „Reichsverbands für die katholischen Auslandsdeutschen“. Die Fragen des Minderheitenschutzes in der Zwischenkriegszeit beschleunigten die Entwicklung eines Netzwerkes aus Organisationen und Institutionen, die sich den Interessen der Auslandsdeutschen bzw. den Interessen Deutschlands an den Deutschen im Ausland widmeten. Bis 1928 entstanden neben 36 Vereinen und Verbänden 47 Ordensgemeinschaften sowie Genossenschaften für Auswanderer und Auslandsdeutsche, zudem auch eine rege publizistische Tätigkeit im Dreieck zwischen Missionsgedanke, Auswanderung und Auslandsdeutschtum.290 Der Reichsverband für die katholischen Auslandsdeutschen bildete die Dachorganisation dieser Vereinigungen, die sich für Förderung und Aufrechterhaltung der „tief ethisch gegründete[n] Pflicht der Auslandsdeutschen“ einsetzten, „ihre Muttersprache, Kultur und Verbundenheit mit dem deutschen Stammland zu wahren, nicht in fremdem Volkstum zu ertrinken und zum bloßen ‚Kulturdünger‘ fremder Nationen herabzusinken“.291 Seinen Sitz hatte der Verband – wobei sich die Bezeichnung „Reichsverband für das katholische Deutschtum im Ausland“ durchsetzte – seit 1927 in Berlin. Das „Katholische Auslandssekretariat“ fungierte darunter als Archiv-, Informations- und Werbestelle. Seine seit 1924 erscheinende Zeitschrift „Die Getreuen. Zeitschrift für die Katholiken deutscher Zunge in aller Welt“ erfreute sich in Kroatien und Serbien einer stetig wachsenden Leserschaft unter jüngeren Theologen.292 In dieser Zeit weiterte die „Auslandsseelsorge“ ihre Tätigkeiten des konfessionellen Minderheitenschutzes auch auf die ethnische und sprachliche Fürsorge aus.293 So versprach z. B. die Gründung der ersten deutschen katholischen Volksmission in Sarajevo im April 1936 eine wirksame kirchliche „Deutschtumsarbeit“. Aus dem Bericht zur Eröffnung hieß es, die Volksmission habe „den Deutschen Sarajevos das Gefühl nicht nur ihrer religiösen, sondern auch ihrer volklichen Zusammengehörigkeit in das Bewusstsein zu rufen und in ihnen den Wunsch verstärkt geweckt, diesem Bewusstsein zu einem sichtbaren Ausdruck zu verhelfen.“294
289 RichteR, Reinhard: Nationales Denken im Katholizismus der Weimarer Republik. Münster 2000, 303. 290 ebd., 304. 291 Zit. aus dem „Großen Herder“ aus 1932 nach RichteR, Denken, 305. 292 RKA D. XXIV. 3.) c) Korrespondenz meist junger Theologen, wie z. B. des Kaplans aus Stanišić, Segler aus Zagreb, des Kaplans Milla aus Bački Brestovac, u. a. 293 RichteR, Denken, 305. 294 RKA B. V. 1.) b) 22) iv) 349–352 Bericht des Vorstands des Reichsverbandes an das Auswärtige Amt über die erste deutsche katholische Volksmission in Sarajevo im April 1936, 10.6.1936.
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Der Einzug des Nationalsozialismus nach Slawonien und Syrmien erfolgte durch die Bewegung der „Erneuerer“. Sie bildeten seit ihrer Formierung im Banat 1934 durch Jakob Awender eine Gegenbewegung zum Schwäbisch-Deutschen Kulturbund, einem Verein zur Pflege deutscher Kultur in Jugoslawien.295 In Slawonien kam es 1936 indes zur Gründung einer weiteren Gegenbewegung, der „Kultur- und Wohlfahrtsvereinigung der Deutschen“ unter Branimir Altgayer.296 Die Awender- und Altgayer- Gruppen unterwanderten und übernahmen schließlich 1939 die Leitung des Kulturbunds, welcher 1941 aufgelöst und in die Volksgemeinschaft der Deutschen Volksgruppe überführt wurde. „Die Kämpfe mit den ‚Erneuerern‘ beginnen auch schon in den kath. Gemeinden“297, stellte ein Religionslehrer aus Novi Vrbas (Batschka) im Juni 1936 fest. Im Kulturbund habe eine „extrem kirchenfeindliche Richtung gesiegt“, schrieb er zwei Jahre später.298 Von Pančevo verbreitete sich der Einfluss der Erneuerer unter Jakob Awender immer weiter aus, wobei die Deutschen aus Kroatien die Auseinandersetzungen zwischen den Traditionalisten und den Erneuerern immer deutlicher vernahmen. Für Altgayer waren die Gegner der Erneuerer die Klerikalen.299 Im Sommer 1938 wankten auch die bis dahin traditionalistisch orientierten Theologiestudenten an den Zagreber, Sarajevoer und Đakovoer Theologie-Lehrstühlen in ihren Einstellungen. Die deutschen Theologiestudenten aus der Batschka berieten sich auf der Suche nach Orientierung mit dem Reichsverband für das katholische Deutschtum im Ausland (RKA) über die Art einer eventuellen Zusammenarbeit mit dem zunehmend nationalsozialistisch gefärbten Kulturbund. Seitens der katholischen Geistlichen aus der Batschka sei ein Vorschlag darüber vorgetragen worden, dass das Völkische und das Religiöse jeweils als Kompetenzen des Kulturbundes bzw. der deutschen Geistlichkeit wahrgenommen werden konnten. Damit verbunden war eine Hoffnung auf Zusammenarbeit des Kulturbundes mit der Geistlichkeit in der Batschka, wie es hieß, um Spannungen zwischen der völkischen und der religiösen Seite zu vermeiden. In den Gemeinden sollte eine Christusjugend mit religiösem Arbeitsgebiet und eine Kulturbundgruppe mit völkischem Arbeitsgebiet organisiert werden.300 Doch die katholische Kirchenorganisation in der Batschka und im Banat unterstützte in der Zwischenkriegszeit bis in die 1930er Jahre hinein den ungarischen Staat in der Revisionspolitik, indem sie ungarisch-assimilierend wirkte und einer deutsch-Nationalisierung der Deutschen entgegenwirkte. Auch der deutsche katholische Klerus in Slawonien hat eine Nationalisierung der Deutschen nicht besonders unterstützt.301 295 Zur Geschichte des Kulturbunds 1920–1933 böhm Johann: Die deutsche Volksgruppe in Jugoslawien 1918–1941. Frankfurt a. M. 2009, 106–111, 159–169. 296 geigeR, Folksdojčeri pod teretom kolektivne krivnje [Die Volksdeutschen unter der Last der Kollektivschuld]. Osijek 2002, 77. 297 RKA D. XXIV. 3.) c) 28 Katechet Franz Leh an das Bonifatiuswerk in Paderborn, Novi Vrbas, 22.6.1936. 298 Ebd., 16–17 Katechet Franz Leh an RKA (Wagner), Filipovo, 24.7.1939. 299 HR-DASB-189, 171 Vernehmungsprotokoll Branimir Altgayer. 300 RKA D. XXIV. 3.) c) 1 Theologiestudent Anton Segler an den RKA, 24.10.1938. 301 GONDA, Gábor: „Jungs! Wenn diese Fahne die Richtung zeigt, dann kennt ihr eure Pflicht!“. Die katholische Kirche im Dienste des Nationalstaatsgedankens am Beispiel eines ungarndeutschen Dorfes in Südtransdanubien (1918–1933). In: Kirche und Gruppenbildungsprozesse
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Darin lagen zum Teil die Aversionen der deutschen Volksgruppe gegenüber dem katholisch-kirchlichen Engagement begründet, zumal die Baranja zu den von Ungarn beanspruchten Gebieten gehörte. Mit der Wahl von Janko Sepp zum neuen Obmann des Kulturbundes vollzog sich 1939 der „Machteroberungsprozess“ der Erneuerer.302 Zu Jankos Strategien gehörte die „freundschaftliche Zusammenarbeit“ zwischen den vor allem jungen römisch-katholischen Geistlichen und der Volksgruppe. Es sollte „langsam und systematisch gegenseitiges Misstrauen beseitigt“ werden, hielt der Belgrader Kirchenvorstand nach einem Treffen mit Janko im November 1940 fest. Die Systematik zeigte sich im Vorschlag Jankos, Aufsätze von Geistlichen über „Glaube[n] und Volkstum“ im „Volksblatt“ und im „Volksruf“ veröffentlichen zu lassen sowie in seinen Einladungen an Geistliche, bei repräsentativen Versammlungen des Kulturbundes eine Rede zu diesem Thema zu halten. Außerdem wurde eine Aussprache zwischen Janko, seinen Mitarbeitern und der Volksgruppe mit jungen Geistlichen geplant. Adam Berenz’ Blatt „Die Donau“ durfte keine Geistlichen unter seinen Abonnenten haben. Außerdem wurde das Erscheinen der Blätter „Familienblatt“ und „Raphaelsblatt“ eingestellt. An ihrer Stelle erschien in Belgrad das „Kirchenblatt“ Wochenzeitschrift für die Katholischen Deutschen Jugoslawiens. Parallel zu diesen Veränderungen war eine langsame Schließung von konfessionellen Vereinen und die Verlagerung der religiösen Jugendarbeit in die Pfarrseelsorge durchgeführt worden. Konvikte, wie in Vrbas und Vršac sollten bestenfalls geduldet werden. Mittelschulkatecheten sollten sich in einer Besprechung auf neue Richtlinien, Religionsbücher usw. einigen. Geplant wurde außerdem eine statistische Erhebung über die deutsche Seelsorge in Jugoslawien. Davon versprach man sich unter anderem Antworten auf die Frage, an welchen deutschen Gemeinden andersnationale Priester und welche deutschen Priester in andersnationalen Gemeinden tätig waren, in welchen deutschen Gemeinden keine deutschen Gottesdienste stattfanden, in welcher Sprache in den Konvikten unterrichtet wurde, welche deutschen Theologen in welchen Seminaren und in welcher Sprache studierten sowie schließlich die Frage nach der Möglichkeit eine volksnahe deutsche Ausbildung zu erhalten.303 Tatsächlich dienten die deutschen Gemeinden, die keinen deutschsprachigen Geistlichen hatten – z. B. hielten die Bewohner des slawonischen Dorfes Tomašanci nahe Đakovo regelmäßig eine „deutsche Vesper“ bzw. Nachmittagsandachten ohne einen Priester ab – als Rechtfertigung zur Errichtung von Erneuerer-Netzwerken.304 Wie dies in der Praxis aussah, beschrieb ein Mittelschüler aus Čeminac nahe Osijek. Ein Jugendleiter mit Filmmaterial, darunter dem „Weihnachtsfilm“ und „Bonideutscher Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa 1918–1933. Hg. v. Rainer bendeL / Robert Pech / Norbert SPannenbeRgeR. Berlin 2015, 147–169, hier 148–150; janjetović, Zoran: Zwischen ungarischem Staatsbewusstsein und südslawischer Loyalität: Der katholische Klerus und die Donauschwaben der Batschka und des Banats zwischen 1918 und 1933. In: Ebd, 213– 225, hier 214. 302 böhm, Volksgruppe, 286. 303 RKA D. XXIV. 4.) c) aa) 825–826 Aus der Korrespondenz an den Rektor Alois Schönberger in Belgrad, gez. „Ihr Vorstand“, 11.11.1940; Ebd., 827 Alois Schöneberger an den RKA (Albert Büttner), 12.11.1940. 304 Ebd., 3.) c) Kaplan Fritz Milla aus Brestovac an den RKA, 9.6.1938.
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fatiusfilm“, zog im Winter 1940/41 zusammen mit den Mittelschülern aus Čeminac durch deutsche Pfarreien in Slawonien. In Čeminac, Darda, Popovac, Petlovac und Beli Manastir sammelten die „politischen Propagandisten“, wie sie von manchen gesehen wurden, Unterstützer. „Besonders hat unserer Jugendleiter, Herr Heinrich, die Frage des Verhaltens des Volkstumes gegenüber der Religion bearbeitet, denn auch unserer Baranja steht die Gefahr vor; daß man allgemein glauben könnte, daß Volkstum und Religion unvereinbar seien, wie es auch schon in so vielen Gegenden des Südostens der Fall ist.“305
Über den RKA gelangten Bücher und Informationsmaterial in die Gemeinden, aus ganz Jugoslawien wurden Bücher aus Deutschland bestellt. Die Erneuerer stießen mit ihrer völkischen Ideologie auf Widerstand innerhalb der deutschen Gemeinden bzw. in Gemeinden mit einem Anteil an deutscher Bevölkerung. In Josipovac (Josefsdorf) und im ganzen Osijeker Raum gab es z. B. einen hohen Grad an Vermischung. Deutschnationale Identitätsangebote setzten sich nur mühsam und nur teilweise durch. Viele Josipovacer waren Anhänger der kroatischen Bauernpartei und bis 1938 – auch durch den Einfluss der kroatischen Schulbildung – zeigte sich eine deutliche Tendenz zur Assimilation ab. Dass die Josipovacer katholisch waren, begünstigte die Assimilation. Die Gründung der Ortsgruppe Josipovac-Kravice des Schwäbischen-Deutschen Kulturbundes 1935 war mit Widerstand und Schwierigkeiten verbunden. Insgesamt trugen die Gründung des Kulturbundes sowie die zunehmenden Angebote an Presse und Rundfunk zu einer Annäherung an den Nationalsozialismus bei. Als es zum Konflikt zwischen der konservativnationalen Leitung des Kulturbundes und den nationalsozialistischen Erneuerern kam, wurden die Erneuerer aus dem Kulturbund ausgeschlossen. Darauf schlossen sie sich der Kultur- und Wohlfahrtsvereinigung der Deutschen Slawoniens an. Die Ortsgruppe Josipovac folgte ihnen. Es gab jedoch auch Widerstand von Seiten des „noch nicht völkisch erwachten Teiles der Dorfbevölkerung“306, so Altgayer. Josipovac blieb auch bis 1941 gespalten; jedenfalls sollen die Zahlen der Mitglieder des Kulturbundes im Ort dürftig gewesen sein. Im August 1941 beschwerte sich der Kreisleiter von Unterdrau, dass sich 60 Personen aus Josipovac unter dem Einfluss des katholischen Pfarrers aus Petrijevci zu Kroaten erklärt hatten.307 Der kroatische katholische Klerus wurde nicht nur von den Erneuerern, sondern auch von den deutschen katholischen Geistlichen angefeindet, denn die kroatischen Geistlichen kämpften gegen ihre deutschnationalen Angebote. Die „systematische“ Annäherung der Volksgruppe und der deutschen Geistlichen verstärkte die seit den 1930er Jahren existierenden Konflikte zwischen der jugoslawischen und deutschen katholischen Geistlichkeit in den Diözesen. Der kroatische Bischof im vojvodinischen Subotica, Budanović, kündigte Ende 1940 an, das deutsche „Kirchenblatt“ 305 Ebd., 174 Präparand Franz Roth an den RKA (Büttner), Čeminac, 27.1.1941. 306 Zit. nach bethKe, Carl: Ingeborg Weber-Kellermann und die Donauschwaben. In: Volkskundlich-ethnologische Perspektiven auf das östliche Europa. Rückblicke – Programme – Vorausblicke. Hg. von Reinhard johLeR, Heinke KaLinKe u. Christian maRchetti. Berlin 2015, 127– 150, hier 143. 307 bethKe, Ingeborg, 142 f.; PAAA-GZ, 247 Monatsbericht des Kreises Unterdrau, gez. Skreptschuk, August 1941.
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verbieten zu lassen, worauf ein „heißer Kampf“ unter der Geistlichkeit ausgebrochen sei, das Verbot jedoch verhindert werden konnte. Fortan übte er Zensur an einigen „völkisch bewussten“ Artikeln. Seiner Geistlichkeit verbot er die Mitgliedschaft im Kulturbund bzw. forderte ihren Austritt.308 Budanović fiel bereits 1934 zusammen mit Bischof Akšamović aus Đakovo als Kontrahent des Kulturbundes auf, als er sich weigerte, Bischof Berning aus Osnabrück zu empfangen, weil dieser bei der Ankunft in seiner Diözese zunächst den Kulturbund besucht hatte und nicht ihn.309 Akšamović weigerte sich z. B., deutsche Gottesdienste in der syrmischen Gemeinde Berak zuzulassen: „Ich sage Euch, solange ein kroatisches Haus in Berak ist, werdet ihr keinen deutschen Gottesdienst bekommen. Wendet euch nicht mehr an den Kulturbund in Neusatz, dieser führt euch ins Verderben. […] Ja, Ihr zahlt das meiste, aber Ihr dürft nicht vergessen, Ihr seid in Kroatien, hier ist kroatischer Boden und da wird kroatisch gesprochen. Der Kulturbund will aber daraus ein Großdeutschland machen, […].“310
Der Blick auf die Entwicklungen bei den evangelischen Deutschen machte für die deutschen Katholiken die Bedeutung eigener Forderungen umso deutlicher. Mit Argwohn vernahm der katholische Rektor Schönberger in Belgrad die Einführung des Banater Bischofs Franz Hein und die Ernennung Borniekoels zum Pfarrer der evangelischen Gemeinde, insbesondere da diese durch die Anwesenheit aller militärischen und zivilen Stellen legitimiert wurde.311 „Die günstige Situation der evangelischen Kirche im alten Jugoslawien hat sich durch den neuen Kirchenvertrag der Kirche des Banates mit dem serbischen Staate noch wesentlich verbessert. Wir leben hier und arbeiten abgeschnitten von Heimathafen. ‚Und Berlin schweigt‘, ist unser täglicher Gruß bei der Mittagstafel.“312
Schließlich wurde der katholische Geistliche Lazarus Rössler zum deutschen Pfarrer in Pančevo ernannt.313 In den nächsten Monaten wurden auch in Kroatien deutsche Seelsorgestellen geschaffen. In Zagreb leitete bereits der Beauftragte des Reichsverbandes, Hermann Plietker, die Seelsorge. Mit seiner Hilfe baute der RKA in Sarajevo und Laibach eine regelmäßige deutsche Seelsorge auf. Dazu gehörten auch Besuche der deutschen katholischen Siedlungen, die keine deutsche Seelsorge hatten, so geschehen z. B. 1937 im syrmischen Grgurevci durch Plietkers Vertreter Sieber. Das kroatische Episkopat, in diesem Fall Bischof Akšamović, musste solche Aufenthalte genehmigen.314 In Osijek wurde nach der Konferenz der deutschen Seelsorge in Đakovo im Juli 1941 eine Seelsorgestelle errichtet. Bischof
308 RKA D. XXIV. 4.) c) aa) 841, 843, 850–851 Alois Schönberger an den RKA (Albert Büttner), 29.12.1940, 11.1.1941, 29.1.1941. 309 böhm, Volksgruppe, 212. 310 Zit. nach böhm, Volksgruppe, 212. 311 RKA D. XXIV. 4.) c) bb) Rektor Schönberger in Belgrad an den RKA, 24.3.1942. 312 Ebd. 313 Ebd., 2. 3.) e) 386 Schreiben des Vorstandes an Lazarus Rössler, 21.4.1942; Ebd., 3.) c) Lazarus Rössler an RKA (Wagner), April 1942. 314 RKA B. V. 1.) b) 22) iv) 371 Der Vorstand des Reichsverbandes an das AA, Abtlg. Kult A, 6.1.1938.
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Akšamović hatte bei der Errichtung der deutschen Seelsorge in Osijek sogar seine moralische und finanzielle Mithilfe zugesichert.315 Bei der Auswahl der Geistlichen achtete der RKA auf einwandfreie nationale Haltung zum Deutschen Reich. Pfarrern, die sich kritisch zur nationalsozialistischen Kirchenpolitik verhielten, drohte auf Druck des Auswärtigen Amtes die Rücksendung ins Reich. Meist widersetzten sich die betreffenden Geistlichen jedoch der Rücksendung oder flohen in ein Drittland. Außerdem bestand die Gefahr, dass der zuständige Bischof im Ausland die Rücksendung und/oder einen neuen reichsdeutschen Geistlichen verweigerte. Der RKA vermied das Risiko, dass die deutschen Gemeinden im Ausland dauerhaft den Seelsorger verloren. Beim AA sprach der Reichsverband gegen die Abberufung des vojvodinischen Jesuitenpaters von Köth vor, der sich kritisch gegen die nationalsozialistische Kirchenpolitik geäußert hätte. Der Belgrader kroatisch-katholische Bischof Ujčić stand der Zulassung weiterer reichsdeutscher Seelsorger skeptisch gegenüber, so befürchtete der RKA, nach der Abberufung von Köths, die Umgebung von Zrenjanin ohne „kirchliche Deutschtumsarbeit“ hinterlassen zu müssen. Das Auswärtige Amt beharrte jedoch weiterhin auf seiner Entscheidung. Der Vorstand des RKA gab nicht auf und sprach sich erneut für den Verbleib von von Köth in seiner Gemeinde aus.316 Der Ausgang des Tauziehens zwischen dem RKA und dem AA ist den gesichteten Quellen nicht zu entnehmen. Als Schirmherr der zukünftigen Entsendung und Rückberufung deutscher Seelsorger ins Auslands- und Volksdeutschtum fungierte der Osnabrücker Bischof Berning. Um eine bessere Versorgung mit deutschen Priestern in Jugoslawien zu ermöglichen, versuchte Berning ab 1938 eine neue Struktur des Priesteraustausches aufzubauen. Jugoslawische Priester sollten im Austausch nach Deutschland zur Seelsorge unter jugoslawischen Staatsbürgern abgesandt werden.317 Die Vorwürfe der deutschen katholischen Geistlichen an ihre kroatischen katholischen Kollegen wegen der Slawisierung und Entfremdung der Deutschen wurden nach dem Kriegsausbruch noch lauter erhoben. Unterstützt von der Deutschen Volksgruppe, äußerte sich dies z. B. in Pančevo, der Hochburg der Erneuerer, in Forderungen nach der Absetzung von slawischen Priestern in Gemeinden mit deutscher Bevölkerung und Einsetzung von deutschen Priestern.318 Auf kroatischem Gebiet exponierte sich insbesondere Bischof Akšamović als Bewahrer des kroatischsprachigen Unterrichts und von kroatischsprachigen Gottesdiensten sowie als Gegner der Durchsetzung deutschnationaler Forderungen. Für die deutschen Stel-
315 RKA D. XXIV. 4.) e) 136 Der Osijeker Religionslehrer an den RKA (Wagner), 2.12.1942; Ebd., f) 698 Hermann Plietker an den RKA, 24.7.1942. 316 RKA B. V. 1.) b) 22) iv) 366, 372, 376, 384 Der Vorstand des RKA an das Auswärtige Amt, 20.10.1937, 25.1.1938, 14.11.1938; Ebd., 375 Das Auswärtige Amt an den RKA, 5.4.1938. 317 RKA B. V. 1.) b) 22) iv) 366, 372, 376 Der Vorstand des RKA an das Auswärtige Amt, 20.10.1937, 25.1.1938. 318 RKA D. XXIV. 2. 3.) e) 325–328, 374–375 Deutsche Volksgruppe im Banat, Ortsgruppe Pantschowa, an den RKA, 29.5.1942, 10.7.1942; Ebd., 333–352 Der Kirchenrat der römisch-katholischen Kirchengemeinde in Pantschowa an den Erzbf. von Belgrad, Ujčić, 28.3.1942.
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len galt Akšamović als jugoslawisch-gesinnt.319 Insbesondere hegte der Volkstumsreferent der deutschen Gesandtschaft, Hruschka, eine Abneigung gegen Akšamović wegen dessen kritischen Äußerungen über Deutschland: „In Zukunft wird eben vermieden werden müssen, solche Pfarrer einzusetzen, solange die ‚Gottgläubigkeit‘ in Kroatien nicht gesetzlich anerkannt wird.“320 Akšamović habe deutsche Lehrbücher abgelehnt und einen Kulturkampf zwischen den Katholiken und Protestanten heraufbeschworen, so Hruschka.321 Unter dem deutschen katholischen Klerus kam es auch gegenseitig zu Beschuldigungen. Ein Beispiel für die Abberufung unbequemer deutscher Geistlicher ist der Fall Plietker, der auf Drängen des AA und unter Anregung von Siegfried Kasche von seinem Posten enthoben wurde. Angeblich hatte er sich in seinen Predigten wiederholt negativ über den Nationalsozialismus geäußert. Der RKA versuchte vergebens, im Sinne der Aufrechterhaltung deutschsprachiger Seelsorge zu vermitteln. Der Leiter des RKA, Büttner, befürchtete die Ernennung eines nichtdeutschen Geistlichen durch Erzbischof Stepinac, womit der deutsche Einfluss in kirchlichen Belangen ausgeschaltet würde. Insbesondere argumentierte Büttner, ähnlich wie der evangelische Bischof Popp seine Forderungen verteidigte, mit der Gefahr des italienischen Einflusses auf der kirchlichen Seite in Kroatien. Das AA bestand jedoch auf der Absetzung von Plietker. Wilhelm Keilbach, ein Universitätsdozent in Zagreb und Volksdeutscher, übernahm ab Oktober 1942 Plietkers Stelle als Leiter der deutschen Seelsorge. Von Seiten Büttners hieß es, Keilbach sollte die Tätigkeit ausführen bis ein reichsdeutscher Geistlicher an diese Stelle versetzt würde.322 Die von dem antifaschistischen Landesrat der Volksbefreiung Kroatiens gegründete Kommission für Religionsfragen bescheinigte dem Universitätsdozenten Wilhelm Keilbach im Juni 1945 eine saubere Weste sowie „jugoslawischen Patriotismus“ und setzte sich für sein Fortwirken in der kroatischen Wissenschaft ein. Keilbach habe sich 1941 nur unter Druck der Deutschen Volksgruppe angeschlossen. Angeblich habe er sich von nationalsozialistischen Ideen in seinem Buch „Misli o Bogu i religiji“ [Gedanken über Gott und Religion] 1942 distanziert.323 Tatsächlich war Keilbachs Korrespondenz mit dem RKA aber durchzogen von nationalsozialistischem Gedankengut. Kurz vor dem Ausbruch des Krieges versuchte Keilbach, dauerhaft Fuß an einer Fakultät in Deutschland zu fassen. Seine Bemühungen um Vermittlung für das katholische Deutschtum durch den Reichsverband 319 PAAA-GZ, 207 Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10. und 28.7.1944; Für Forderungen nach deutschen Gottesdiensten und Auseinandersetzungen mit Akšamović in den frühen 1930er Jahren WeRni, Donauschwaben, 297 f. 320 PAAA-GZ, 238 Der Volkstumsreferent Hruschka an die Volksgruppenführung betr. Ausfälle des reformierten Pfarrers Weidmann, 29.9.1942. 321 Ebd., Der Volkstumsreferent Hruschka an die Volksgruppenführung betr. Ausfälle des reformierten Pfarrers Weidmann, 29.9.1942. 322 RKA D. XXIV. 4.) e) Wilhelm, Keilbach an den RKA (Büttner), 24.10.1942; Ebd., f) Der Vorstand des Reichsverbandes an Hermann Plietker, 17.8.1942; Ebd., B. V. 1.) b) 22) iv) 420, 427 Der RKA an das AA Kult. gen., 17.4.1942, 20.8.1942; Ebd., 426 Das AA an den RKA, 18.7.1942; HR-HDA-1521, 22 und 35, Dossiers. 323 HR-HDA-207, Z-2686, Film Nr. 14, Bescheinigung der Kommission für Religionsfragen betr. Vilim (Wilhelm) Keilbach, 26.6.1945.
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zeigten jedoch keine Wirkung. Nach dem Aprilkrieg kehrte er wieder nach Zagreb zurück, verbesserte seine Stellung als ordentlicher Professor für Theologie und legte den Eid auf Pavelić ab. In dieser Stellung arbeitete er mit dem ideologischen Vorreiter der serbischen „Rückkehr“ zum Katholizismus, Krunoslav Draganović, und dem Mitglied des Exekutivausschusses der Bischofskonferenz für Konversionen, Franjo Herman (Franz Hermann324), zusammen. Nach einem Aufenthalt in der Batschka, wo seine Familie lebte, teilte er am 2. Juli 1941 dem RKA mit: „Mit den Juden hat man besonders in Betschkerek gründlich aufgeräumt, wie ich allgemein hören konnte, mit Recht. Die reichsten und vornehmsten Juden sind in einer Kaserne, müssen gewöhnliche Arbeiten verrichten und werden streng überwacht. Die anderen, die noch zu Hause wohnen, werden gemeinsam zur Arbeit geführt.“325
Als äußerst positiv bewertete er, dass Pavelić, den er als „echt gläubig und katholisch eingestellt“ einschätzte, einen eigenen Kaplan erhielt. Damit rechnete er mit dem „besten Verhältnis von Staat und Kirche“. Erst 1940 durch die Ernennung des Erzbistums München bzw. schließlich durch die offizielle Ernennung durch Stepinac am 18. November 1941, wurde Keilbach Delegierter des kroatischen Episkopats zur Regelung der Kroatenseelsorge in deutschen Arbeitslagern. Die Ernennung erfolgte nach besonderer Empfehlung des kroatischen Gesandten in Deutschland und früheren Unterrichtsministers, Mile Budak. In seiner Funktion als Delegierter hielt er sich im Herbst und Winter 1941/42 mehrmals in Deutschland auf. Mile Budak beauftragte ihn, den deutschen Bischöfen über „die Frage der vom kroatischen Staat urgierten Übertritte vom orthodoxen zum katholischen Glauben – eine Frage, die im heutigen politisch-nationalen Leben des kroatischen Volkes von besonderer Bedeutung ist“326, zu berichten. In diesem Sinne sprach Keilbach bei den Kardinälen, Bischöfen und Erzbischöfen Michael Faulhaber, Theodor Innitzer, Ferdinand Pawlikowski, Johannes Filzer, Konrad Gröber, Wilhelm Berning, Clemens August Graf von Galen, Albert Stohr, Matthias Ehrenfried, Heinrich Wienken und anderen vor.327 Auf Wunsch der kroatischen Behörden wurde er jedoch am 29. Januar 1942 durch Erzbischof Stepinac seines Amtes enthoben. Die kroatischen Behörden wünschten einen Kroaten in diesem Amt, hieß es offiziell. Sein Nachfolger wurde Vilim Nuk.328 Das kroatische Außenministerium forderte Keilbach auf, sofort nach Kroatien zurückzukehren und seinen Dienst anzutreten: „Widrigenfalls wird er zur 324 Herman war wohl deutscherAbstammung, bekannte sich aber als Kroate. WeRni, Donauschwaben, 311. 325 RKA D. XXIV. 4.) e) Brief von Wilhelm Keilbach an den RKA, 2.7.1941. 326 Ebd., Wilhelm Keilbach an unbekannten Adressaten betr. Kroatenseelsorge im Deutschen Reich, 11.2.1942. 327 Ebd. 328 Ebd., Zu den Umständen von Keilbachs Ernennung, Tätigkeit und Entlassung: Konvolut der Korrespondenz von Wilhelm Keilbach an den RKA, insb. 7.4.1941, 10.2.1942, 16.12.1942 sowie das Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten in Berlin, 11.2.1942; Die späteren Nachforschungen der deutschen Gesandtschaft zu dem aus den Quellen nicht abzuleitenden Grund ergaben, dass er sich durch „Umsicht und Gründlichkeit“ auszeichne und erhoben keine Einwände. PAAA-GZ, 67/2 Die deutsche Gesandtschaft, gez. Troll, an das AA betr. Drahterlass vom 15.4.1942, 31.7.1942.
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Disposition gestellt“, so Lorković. Mile Budak und der RKA vermittelten, doch war die Rückreise unumgänglich. Ernüchtert stellte er fest: „Auf Grund meiner heutigen Vorsprache in München habe ich fast den Eindruck, meine Angelegenheit werde von München nicht wohlwollend weitergegeben. Es sind nun schon viele Versuche gewesen. Man hört mich zunächst recht verständnisvoll an, dann interessiert man sich bei der Stelle, – und man ist auf einmal wie zugeknöpft.“329
Es ist nicht klar, warum Keilbach von Stepinac abberufen wurde. Seine Ernennung stand vermutlich mit den Ergebnissen der Bischofskonferenz in Verbindung, die einen Tag vorher stattfand. Wurde Keilbach von Stepinac mit einer weiteren Mission nach Deutschland geschickt? Suchte Stepinac vielleicht mögliche Gleichgesinnte unter den deutschen Bischöfen? Rief er Keilbach wieder ab, weil er sich als Nationalsozialist erwies? Und was wollte Budak mit seinem Auftrag an Keilbach erreichen? Die vorhandenen Quellen schweigen sich über diese Fragen aus. Nach seiner Rückkehr nach Kroatien war Keilbach weiterhin als Universitätsdozent tätig und publizierte mehrere Bücher und Aufsätze. Laut Helm wurde Keilbach von Stepinac wegen seiner nationalsozialistischen Gesinnung abgelöst, während Nuk von Stepinac ins Reich geschickt wurde, um Informationen über die Verfolgung der katholischen Kirche, Kirchenenteignungen und Verhaftungen der Geistlichen zu sammeln. Gleichzeitig lehnte Helm weitere Reisen Keilbachs ins Reich ab, wegen der Gefahr, dass Keilbach nachrichtendienstlich für die Kirche tätig sein könnte. Anscheinend verschlechterten sich wegen dieser Angelegenheit die Beziehungen zwischen Stepinac und dem deutschen Bischof Faulhaber. Faulhaber war maßgeblich an der päpstlichen Enzyklika gegen die Exzesse der Nationalsozialisten „Mit brennender Sorge“ von 1937 beteiligt. Vermutlich war der von Helm ins erzbischöfliche Ordinariat eingeschleuste Agent Vilko Heger für die entstandene Verwirrung um Keilbach verantwortlich, der seinen eigenen Vertrauensmann, Kukolj, als Seelsorger in Deutschland wünschte. Der Grund der Entlastung Keilbachs durch die jugoslawischen Behörden nach 1945 lag genau in dieser Beurteilung des Einflusses von Heger. Keilbach war demnach kein Nationalsozialist, sondern gab sich als einer aus, um eine Reisegenehmigung für Deutschland zu erhalten.330 Im Winter 1944/45 wurde Keilbach angewiesen, alle Beiträge, Aufzeichnungen, AnschriftenKartotheken usw. zu den Volksdeutschen in seiner Gemeinde zu vernichten. Vielleicht sind auch durch diese Aktion Quellen, die Keilbachs Fall näher beleuchten würden, vernichtet worden.331
329 Ebd., Brief von Keilbach an den „Prälat“ beim RKA, München, 16.2.1942. 330 Ebd., Wilhelm Keilbach an den RKA, 16.2.1942, 16.2.1942, 1.10.1942, 24.10.1942; HRHDA-1521, 22 Helms „Personenverzeichnis des Nachrichtendienstes der katholischen Kirche“; Ebd., 35 Dossier; Zur Enzyklika Ramet, Jugoslawien, 173; Dass es einen deutschen Spitzel im Ordinariat gab betonen auch andere Autoren. dieRKeR, Wolfgang: Himmlers Glaubenskrieger. Der Sicherheitsdienst der SS und seine Religionspolitik 1933–1941. Paderborn 2003, 110. 331 RKA D. XXIV. 4.) e) Wilhelm Keilbach an den RKA, 16.12.1944.
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Die deutschen Katholiken und die Konversionspolitik Die deutschstämmigen Priester unter dem römisch-katholischen Klerus treten in den Quellen weder als eine gesonderte Gruppe auf, noch ist ihre Erfassung in eine analytische Kategorie möglich. In nur wenigen Fällen, wo Fremd- und/oder Selbstzuschreibungen aus den Quellen hervorgingen, wurde eine Annäherung an die Verortung der nationalen Identität der Geistlichen gewagt. Die Frage nach der Beteiligung des deutschen katholischen Klerus an der Konversionspolitik oder nach eigenen Initiativen zur Konversion bestimmter Gruppen ist deshalb ungleich schwieriger zu erörtern als die nach der Betiligung der evangelischen Deutschen. Dabei war auch bei den Evangelischen die Gleichzeitigkeit mehrerer Identitäten nicht auszuschließen, wenn sie sich auch innerhalb einer deutschen Kirche zum Deutschtum bekannten. Im vorigen Unterkapitel konnte gezeigt werden, wie schwierig die kommunikativen Aushandlungen und Zuschreibungen sozial relevanter Merkmale einer Identität, zumal in Zeiten von Krieg und Gewalt, für die politischen wie religiösen Akteure waren. Zu leichtfertig wäre es deshalb bei den Personen, wie beispielsweise Mayer, Etinger, Bürger, Riedl, Jungert, Friedrich usw. auf Deutsche zu schließen. Bei den politischen Akteuren ist die Frage einfacher zu beantworten. Doch auch hier kann nur dann von Deutschen ausgegangen werden, wenn es ausreichend Selbstund Fremdzuschreibungen gab, z. B. bei Leitern der Volksgruppenorganisation in den Gemeinden, Bezirken und Kreisen. Kaum eine andere Person veranschaulicht das identitätspolitische Dilemma besser als der Großgespan Stjepan Hefer. Branimir Altgayer nannte ihn zwar einen assimilierten Deutschen, doch selbst bezeichnete er sich stets als Kroate. Tatsächlich kann in nur einem Fall belegt werden, dass katholische Deutsche persönlich Konversionen erpressten und durchführten. Zum Beispiel erfolgten die Konversionen in Dalj, nachdem 116 serbische Familien im Juni und September 1941 vertrieben worden waren. Bei der Organisation der zweiten Vertreibung waren drei der neun Gemeinderäte Deutsch. Der Ortsleiter Michael Seidl rühmte sich mit der guten Organisation der zweiten Vertreibung im Vergleich zur ersten, an welcher nur Kroaten beteiligt waren. Danach rief der deutsche Gemeindenotar die übrig gebliebenen Serben auf, zum römisch-katholischen Glauben überzutreten, um weiteren Vertreibungen und Ernteausfällen vorzubeugen. Innerhalb einer Woche meldeten 95 % der Serben aus Dalj ihren Übertritt an.332 Der deutsche Polizeiattaché bei der deutschen Gesandtschaft in Zagreb vermerkte im September 1943, dass der katholische Pfarrer aus Dalj, Josip Mayer, Geldspenden von der serbischen Bevölkerung für den Wiederaufbau der zerstörten orthodoxen Kirche sammelte.333 Da die Volksgruppe den kroatischen katholischen Priester aus Dalj wegen feindlicher Einstellung zu den Volksdeutschen hatte versetzen lassen, war sein Nachfolger Mayer wahrscheinlich ein Deutscher. Es ist aber nicht belegt, ob Mayer oder sein kroatischer Vorgänger Astaloš die Konversionen durchführte. Dalj war ein Beispiel für gut integrierte und sogar assimilierte Deutsche. Wie oben 332 PAAA-GZ, 247 Bericht des Ortsleiters Seidl über die Ortsverhältnisse in Dalj an Siegfried Kasche, 20.12.1941. 333 HR-HDA-1521, 38 Kirchenbericht von Hans Helm, 18.9.1943; Ebd., 35 Dossier.
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bereits erwähnt, sprachen von den 800 vermeintlich deutschen Einwohnern 80 % kein Deutsch. Es ist möglich, dass sie den kroatischen, serbenfeindlichen Nationalismus teilten. Stjepan Hefer entwickelte sich schließlich auch zum Ustaša und konzeptualisierte die Konversionspolitik. Der jugoslawische Geheimdienst wertete allerdings das Verhalten der Deutschen in Dalj, wie auch z. B. in Sarvaš, Jovanovac, Velimirovci und Inđija gegenüber ihren serbischen Nachbarn als nicht konfliktual.334 Eine mögliche Erklärung für die Beteiligung der Deutschen an der Konversionspolitik in Dalj liefern pragmatische wirtschaftliche Gründe. Seidl nannte auch selbst die Ernteausfälle, die durch Vertreibungen verursacht wurden. Somit erschienen die durch Konversionen vermiedenen Vertreibungen als Beleg für die serbenfreundliche Haltung der Deutschen in Dalj. Allerdings betonte Seidl wiederum die gut organisierten Vertreibungen durch Deutsche. Aus den von der deutschen Gesandtschaft in Zagreb gesammelten Berichten aus den einzelnen Gemeinden wird ersichtlich, dass erst die Bedrohung der deutschen Bevölkerung durch die Aktionen der Partisanen und Serben sowie die Ernteausfälle dazu führten, dass die deutsche Bevölkerung für die Serben in ihren Orten einstand.335 Etwas einfacher zu beantworten ist die Frage nach der Relevanz der ethnischen Verteilung der Bevölkerung für die Durchführung der Konversionspolitik in den jeweiligen Gemeinden. Es wurde untersucht, in welchem Umfang die orthodoxe Bevölkerung konvertierte, wenn sie in Dörfern mit einem Anteil an deutscher katholischer Bevölkerung lebte. Bei den evangelischen Deutschen manifestierten sich – wie gezeigt – verschiedene Versuche, die Serben zum evangelischen Glauben zu konvertieren. Bei Massenmorden war es anscheinend so, dass es – im Gegensatz zur Situation in Bosnien und Herzegowina – in Slawonien und Syrmien aufgrund des höheren deutschen Bevölkerungsanteils 1941 zu keinen vergleichbaren Gewaltexzessen kam, die von außen seitens der Strafkompanien und Expeditionen der Ustaša hineingetragen wurden.336 Die deutsche Präsenz sollte 1942 jedoch keine so ausschlaggebende Rolle mehr spielen, wie z. B. die Ustaša-Ausschreitungen in Syrmien im Herbst 1942 zeigten.337 Nach der Auswertung der vorhandenen Quellen zur Siedlungsstruktur in den untersuchten (Groß)bezirken erhärtete sich die Annahme, dass die Präsenz deutscher Katholiken in den Dörfern keine eindämmende Wirkung auf den Umfang der Konversionen hatte. In Baranja, wo die meisten katholischen Deutschen lebten, wurden schließlich alle Serben konvertiert. Exemplarisch für diese Entwicklung auch in anderen Großbezirken steht der Bezirk Požega in Livac-Zapolje. Der ganze Bezirk zählte etwa 63.708 Einwohner, davon 7.420 Deutsche. In Ciglenik waren es 185 Übertritte bei einer deutschen Bevölke334 HR-DASB-189, 174 Material zum Buch von Ivan Flod über die deutsche Volksgruppe im NDH und ihr Verhältnis zu Kroaten, Serben, Juden sowie das Verhältnis der Deutschen untereinander. 335 PAAA-GZ, 243 Konvolut an Berichten vom Sommer 1942 und aus dem Jahr 1943. 336 AJ-103-160 Nach dem Bericht eines serbischen Militärs aus Dalmatien über die Umstände der Machtübernahme der Ustaša und die Ereignisse in den folgenden 7–8 Monaten, 23.12.1941. 337 KoRb, Alexander: Integrated Warfare? The Germans and the Ustasa Massacres: Syrmia 1942. In: War in a Twilight World. Partisan and Anti-Partisan Warfare in Eastern Europe 1939–1945. Hg. v. Pattinson ShePheRd. Basingstoke u. a. 2010, 210–232.
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rung von etwa 242 Personen und in Tominovci 60 bei 253 Deutschen. In der Stadt Požega mit 1.080 Deutschen, in Kaptol mit etwa 752 Deutschen, in Vetovo mit 368 Deutschen und Kutjevo mit 598 konvertierten im Frühjahr 1942 alle Serben zum römisch-katholischen Glauben.338 Im Dorf Tomislavci in der Gemeinde Kutjevo führten sogar die volksdeutschen Priester Mirko Messner und Juraj Stehno die Konversionen durch.339 In den Quellen finden sich außerdem keine Hinweise für die Weigerung deutscher Gemeinde- oder Bezirksleiter, die Konversionen durchzuführen, oder für Behinderungen der Übertritte, wie dies bei Evangelischen anzutreffen war. In dem vom deutschen Großgespan Elicker regierten Großbezirk Vuka wurde die Konversionspolitik ebenfalls durchgeführt. In seinem Regierungssitz, Vukovar, wurden fast alle serbischen Familien konvertiert. Doch anders als bei Hefer oder Sabolić wurden für Elickers Engagement in der Konversionspolitik keine Belege gefunden. Da die Gespane bei der Durchführung der Konversionspolitik die Gelenkstelle zwischen der Staatsdirektion für Erneuerung und den Bezirken und Gemeinden bildeten, Juričev regelmäßig berichteten und die Konversionen dokumentierten, muss er allerdings beteiligt gewesen sein. Folglich hatten sich weder der deutsche katholische Klerus noch die Mitglieder der Volksgruppenorganisation der Konversionspolitik entzogen, wenn sie sie auch in den meisten Fällen nicht explizit förderten und erpressten. Die Einstellung der Volksgruppenorganisation wie auch der reichsdeutschen Stellen in Kroatien zur Konversionspolitik wurde stets von ihrer Wirkung auf die Mobilisierung des serbischen Widerstandes aus betrachtet. Die kroatisch-orthodoxe Kirche sei zu spät gegründet worden, resümierte Altgayer im Sommer 1942.340 Nicht die gewalttätigen Aktionen der Ustaša an sich, sondern ihre Folgen für die deutschen Interessen standen in der Kritik. Für die Kreisleitung der Deutschen Volksgruppe im Gebiet Save-Donau stellte sich in diesem Zusammenhang der Ausbruch des Widerstandes als eine Folge des Mordens der Kroaten dar.341 Eine ähnliche Einstellung ist auch den Berichten der Deutschen Gesandtschaft in Zagreb zu entnehmen, die sich z. B. auf das Gebiet Bjelovar-Virovitica in September 1942 bezogen, das Papuk-Gebirge in Januar 1942, auf Syrmien in November 1941 usw. sowie auch auf die nach den Überfällen der Ustaše entstandene Unruhe.342 Auch der Informant Arthur Haeffner kam, vor allem im Hinblick auf den Widerstand in 338 HR-HDA-218, 30–2200 Bericht über die Entwicklung der Konversionen der Bezirksregierung Požega an das Ministerium für Justiz und Religion, 4.3.1942; Ebd., 1076–584 Bezirksverwaltung in Požega zur kollektiven Anmeldung zum Übertritt in Škrabutnik an die Staatsdirektion für Erneuerung, 21.10.1941; VA-NDH, 213/4/6; PAAA-GZ, 243 „Abschrift Amt für Statistik und Sippenkunde“, 15.6.1943. 339 Zeitungsanzeige zu durchgeführten Übertritten in diesen Orten Hrvatski List, 6.3.1942; Das Jahrbuch der Deutschen in Kroatien bezeichnet beide Priester als Deutsche, tRišLeR, Renata / maK, Nikola (Hg.): Volksdeutsche Gemeinschaft, Jahrbuch 2003. Osijek 2003, 261. 340 HR-DASB-189, 177 Altgayers politischer Lagebericht für die Zeit 20.7.–15.8.1942. 341 Ebd., 174 Lagebericht des Kreisleiters Save-Donau, Vinkovci, 21.5.1943. 342 BArch RH/31, III 7 Anlage 2 zum Bericht der deutschen Gesandtschaft Zagreb, 26.10.1942; Veröffentlichte Berichte: HrečkovSki, Slavica / jović, Dragiša / krnić, Zdravko et al.: Građa za historiju narodnooslobodilačkog pokreta u Slavoniji III [Historische Quellen über die Volksbefreiungsbewegung in Slawonien III]. Slavonski Brod 1964, z. B. 58 f., 69, 164 u. a.
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Bosnien und Herzegowina, zu der Interpretation, dass der Aufstand „gänzlich auf das Konto der Ustascha zu buchen ist“.343 Im Laufe des Krieges verfestigte sich diese Ansicht, zumal sie auch als Druckmittel der deutschen Stellen bei Verhandlungen mit der kroatischen Regierung diente. General Edmund Glaise von Horstenau schlussfolgerte während der deutsch-kroatischen Wirtschaftsverhandlungen im Juni 1943: „Schließlich ist auch die unselige anti-serbische Gewaltpolitik, die ein Hauptgrund für die inneren Kämpfe war, im wesentlichen abgebaut.“344 Durch die Lageberichte der Deutschen Volksgruppe zog sich das Narrativ über die unsinnige und den Widerstand fördernde Politik der Kroaten bis zur Ebene der Dörfer und Kleinstädte. In der Kritik standen dabei das sinnlose Morden, die wirtschaftliche Verschwendung und Misswirtschaft der Behörden samt Plünderungen und Willkür gegenüber den Zivilisten.345 Die deutschen Orts- und Bezirksleiter verstanden den Kommunismus als eine Folge der Ausschreitungen der Ustaša, auch wenn die Juden weiterhin als Hauptverantwortliche dienen mussten: „Eine schwere Sache ist dies weil wir sehr viel Juden haben und nicht die Möglichkeit haben dieselben abzuschieben.“346 Weil sich die Ustaša die Unterstützung der MačekAnhänger nicht zu sichern verstand, die exponierten Mitglieder entfernte und stattdessen auf „minderwertige“ Elemente setzte, provozierte sie eine starke kroatische Opposition, so die Einschätzung der volksdeutschen Kreisleitung Save-Donau.347 Branimir Altgayer appellierte mehrmals an die deutsche Gesandtschaft, etwas gegen die kroatischen Aktionen gegen die serbische Bevölkerung, die den Widerstand befeuerten, zu unternehmen.348 In den einzelnen Gemeinden in Bosnien und Kroatien kam es auch zu Konflikten zwischen der Volksgruppenorganisation und der Ustaša-Organisation und zuweilen der Verwaltungsstellen. Mit dem wachsenden Widerstand und den Angriffen der Partisanen auf deutsche Dörfer in Slawonien und Bosnien, wurden diese häufiger und heftiger ausgetragen. Die ablehnende Haltung der Volksgruppenführung gegenüber der Konversionspolitik der Ustaša muss in diesem Kontext betrachtet werden. Da sie serbische Gegenreaktionen verursachte und nicht weil sie ideolo-
343 BArch RH/31, III 55 Bericht für Glaise v. Horstenau von Arthur Haeffner, 29.12.1941. Hier sei auch der Oberst Metzger, „den die Ustascha als den ihrigen betrachten“, derselben Ansicht. Metzger habe sogar Pavelić vorgeschlagen, die Ustaše ganz aus Bosnien abzuziehen, worauf dieser zugesagt habe dies zu erwägen. 344 Ebd., III 9 Vermerk über die allgemeine Situation in Kroatien im Zusammenhang mit den deutsch-kroatischen Wirtschaftsverhandlungen im Juni 1943, Agram, 29.6.1943. 345 PAAA-GZ, 243 Konvolut an Berichten vom Sommer 1942 und aus dem Jahr 1943, z. B. aus Daruvar, Bjelovar, Đakovo. Außerdem hier interessant ist der Bericht des Großgespans von Vuka, Elicker, über die „Säuberungen“ der kroatischen Landwehr und der deutschen Wehrmacht in der Fruška Gora, darunter zur Tomić-Aktion, September 1942. 346 HR-DASB-189, 174 Vermerk der Bezirks- oder Ortsleitung (keine eindeutige Nennung) der Deutschen Volksgruppe im Gebiet Derventa, gez. F. d. R. Haag, P. Ries e. h., Kolg, 10.1.1942. 347 Ebd., Lagebericht des Kreisleiters Save-Donau, Vinkovci, 21.5.1943. 348 PAAA-GZ, 238 Z. B. zu Vorfällen in Borovik, V. Nabrđe und Paučje Altgayer an die deutsche Gesandtschaft in Zagreb betr. planloses Vorgehen bei Räumung serbischer Siedlungen – Erhöhung der Bandengefahr, 3.11.1942.
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gisch oder wie auch immer falsch und verwerflich war, konnte sie als Strategie nicht positiv gewertet werden. Die Ustaša und die Volksgruppenorganisation gingen in vielen Gemeinden von Anfang an auf Konfrontation. Zum einen bestimmten Verteilung von Posten oder anderen Ressourcen, wie Lebensmittel usw. und zum anderen konkurrierende Machtpositionen das Verhältnis lokaler kroatischer und deutscher Akteure. Dies soll an Beschreibungen aus vier Großbezirken exemplarisch veranschaulicht werden. Die Konflikte zwischen Deutschen und Kroaten im Großbezirk Baranja wurden Ende des Sommers 1941 zunächst seltener,349 bevor sie infolge der Ausweitung des serbischen Widerstandes zunahmen. So spitzte sich der Konflikt zwischen den kroatischen Behörden und der deutschen Kreisorganisation Mitteldrau-Ilova im Laufe des Winters 1941/42 zu. Die deutschen Ortsleiter aus Pčelić, Suhopolje und Cabuna (Baranja) ersuchten die Bezirksbehörde in Virovitica um Zuteilung von jüdischen bzw. serbischen Häusern. Die Bezirksverwaltung verweigerte die Zuteilung von Gebäuden mit der Begründung, dass diese bereits belegt seien: „Ihr Deutschen verlangt, was nicht sein kann.“ Auch bei den bereits in serbischen oder jüdischen Häusern eingerichteten Heimen der deutschen Volksgruppe versuchten die kroatischen Behörden, diese wieder für eigene Zwecke zu entwenden, z. B. in Uljanik und Pakrac.350 Das Recht auf Zuteilung von Gebäuden aus beschlagnahmtem Besitz konnte die deutsche Volksgruppenorganisation seit der Vereinbarung zwischen der kroatischen Regierung, dem Gesandten Kasche und der Führung der Deutschen Volksgruppe am 5. August 1941 in Zagreb beanspruchen.351 Im Bezirk Vuka erreichten die Konflikte ihren Höhepunkt im Sommer 1942. Darunter waren vermeintlich harmlose Auseinandersetzungen über die Positionierung und Größe der deutschen und kroatischen Fahnen auf öffentlichen Gebäuden und bei feierlichen Anlässen oder die Verwendung der deutschen Sprache auf Schildern und ähnlichem. Ihre Wurzeln hatten die Auseinandersetzungen u. a. in Fragen der Verteilung des jüdischen und serbischen Eigentums. Ernstere Auseinandersetzungen gab es so bei der Zuteilung von Schulgebäuden, z. B. in Tovarnik, und der Verteilung von Lebensmitteln. Dass jedoch ehemalige jugoslawische Politiker und Beamte in die Volksgruppe aufgenommen wurden oder dass mancher „Švabe“ auf die Ustaša-Bewegung herabschaute und andere Serben beschützte, brachte den Propagandabeauftragten des Großbezirkes Subotić zur Verzweiflung. Kroaten, die in die Volksgruppe aufgenommen wurden, bezeichnete Subotić als ebenso staatsfeindlich.352 Für Altgayer waren im Gegenzug die assimilierten Deutschen 349 HR-HDA-237, 38 Bericht des Propagandabeauftragten aus Baranja, 31.8.1942. 350 HR-DASB-189, 174 Bericht der deutschen Kreisleitung Mitteldrau-Ilova für den Monat Dezember 1941 an den Volksgruppenführer Altgayer, Virovitica, 8.1.1942. 351 Ebd., Befehl des Volksgruppenführers Altgayer, dass eine Kommission aus Volksdeutschen die jüdischen Häuser verzeichnet, Osijek, 10.3.1942. 352 Unter den Serben, die in die VG aufgenommen wurden, wurden Dr. Tičak, Jovan Đurđević und Aleksej Petrović genannt. Josef Taubel, der aus Sotin nahe Vukovar stammte und in Zemun Schulrektor war, soll die Serben beschützt haben. HR-HDA-237, 38 Bericht des Propagandabeauftragten Subotić aus Vuka, 29.8.1942. – Zum Streit über die Lebensmittel- und Getreideabgaben HR-DASB-189, 172 Bericht über die wirtschaftliche Benachteiligung der Deutschen, 12.5.1943.
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die Quelle des Zwistes. Als Altgayer eine Protestnote an die kroatische Regierung richtete, in welcher er den assimilierten Deutschen die Schuld an den zerrütteten Verhältnissen zwischen den Deutschen und Kroaten gab, führte er Hefer als Unterstützer von solchen Personen an.353 Zu den Folgen der erzwungenen Übertritte gehörte auch die Belastung der Beziehungen zwischen Kroaten und Deutschen auf lokaler Ebene. Im bosnischen Bezirk Derventa (Posavje) griffen die Aufständischen gezielt solche Personen an, die zuvor religiöse Übertritte erzwungen hatten.354 Auf seiner Reise durch Nordbosnien, insbesondere in Derventa und Prnjavor, stellte der Landmannschaftsführer Lichtenberger fest, dass sich die staatliche Gewalt dort nicht durchgesetzt habe. Es herrsche die Willkür der Ortsverwaltung und der „wilden Ustaše“ gegenüber den Serben, die sich zunehmend organisierten und Widerstand boten.355 Die darauf wegen der serbischen Gegenangriffe ausgerückte kroatische Militärformation benahm sich angeblich so „absurd“, dass sich die Organisation der Deutschen Volksgruppe fragte, was aus Bosnien werden sollte. Die Rache der Serben traf dabei auch die einheimischen Deutschen. In Derventa und Prnjavor verhandelte die Deutsche Volksgruppenorganisation mit aufständischen Serben und zeigte die für Raubmorde verantwortlichen Kroaten an. Die Deutsche Mannschaft erreichte in Derventa die Freilassung der jüngsten und ältesten Männer. Außerdem soll sie in den Dörfern der Bezirke Gradačac und Derventa einige Morde verhindert haben, so auch am 17. September in Dugo Polje. Die Verantwortlichen Ustaše für die Übergriffe in Dugo Polje, Vekić und Lukić, wurden verhaftet. Die Rolle der Deutschen in diesem Konflikt kann kaum eindeutig gewertet werden. Der deutsche Oberstleutnant Hartmann soll zwar Anfang des Jahres 1942 Serben in Prnjavor unter seinen Schutz gestellt haben356, doch der Bezirksleiter in Prnjavor beschuldigte die einheimischen Deutschen. In Glogovac (Schutzberg) bei Prnjavor sollen sie einerseits den Serben angeboten haben, Mitglieder der Volksgruppe zu werden, um dadurch keine Konversion durchführen zu müssen, da sie durch die Mitgliedschaft geschützt seien.357 Im Dorf Bosanski Svinjari im Bezirk Prnjavor soll aber andererseits die Deutsche Mannschaft im Mai 1942 durch Übergriffe auf zwei serbische Familien die Angriffe der Četnici in Rakovac und Kunovi selbst provoziert haben, bei welchen ca. 70 Häuser niedergebrannt wurden.358 353 PAAA-GZ, 247 Eingabe von Altgayer an Artuković, 17.1.1942. 354 VA-NDH 196 Bezirksleiter in Prnjavor an die Polizeidirektion im Großbezirk betr. Flucht des ganzen Dorfes Tabak Ilova zu den Četnici, 18.2.1942. 355 PAAA-GZ, 238 Bericht von Lichtenberger über seine Reise nach Bosnien am 6. und 7.9.1941; Ebd., Weiterleitung des Berichtes von Altgayer an die Volksdeutsche Mittelstelle, 29.9.1941. 356 HR-DASB-189, 177 Vermerk der Bezirks- oder Ortsleitung (keine eindeutige Nennung) der Deutschen Volksgruppe im Gebiet Derventa, gez. F. d. R. Haag, P. Ries e. h., Kolg, 16.1.1942. – Zu den Aktivitäten der deutschen Mannschaft in Derventa und Gradačac RS-AS-KFA, 9, Bericht eines unbekannten Verfassers aus Gradačac, o. D.; Ebd., Bericht von Jovan Kovačević, Belgrad, 22.9.1941. 357 VA-NDH 196 Bezirksleiter in Prnjavor an die Polizeidirektion im Großbezirk betr. Flucht des ganzen Dorfes Tabak Ilova zu den Četnici, 18.2.1942. 358 Ebd., 8,1 Bezirksverwaltung in Prnjavor u. a. an die Direktion für öffentliche Ordnung, Sicherheit und Polizei, 17.5.1942.
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Die deutsche Volksgruppenorganisation geriet in Nova Gradiška (Livac-Zapolje) bereits gleich nach dem Einmarsch der Wehrmacht in einen Konflikt mit dem örtlichen Ustaša-Führer. Die Volksdeutschen in Nova Gradiška, darunter Organisationsleiter und Gründungsmitglied Friedrich (Fritz) Holzschuh sowie Dietrich Klein wurden vor das Bezirksgericht gestellt, weil sie serbische und jüdische Häuser geplündert hatten.359 Diese Vorfälle prägten das Verhältnis zwischen der Volksgruppenorganisation und den Ustaše in Nova Gradiška. Als bei dem im vorigen Kapitel beschriebenen Angriff auf Ritz, Hofmann und Holzschuh, letzterer schwer verwundet, fiel die Vermutung, dass es sich bei dem Angriff um eine Falle der Ustaše gehandelt habe.360 Holzschuhs Ablehnung der Konversionspolitik ist in diesem Kontext zu verstehen. Der spätere Kreisleiter im Save-Donau Gebiet, Holzschuh, bezeichnete die Konversionspolitik als „unsinnige zwangsweise Umtaufungswelle seitens des kroatischen Staates“, die auch dazu führte, dass Teile der serbischen Bevölkerung um Übertritte zum evangelischen Glauben ersuchten. Sie versprachen sich dadurch den Schutz der Reichsstellen.361 Nachbarschaftliche Hilfe unter Deutschen und Serben war ebenso häufig wie entlohnte Hilfsmaßnahmen. Serbische Flüchtlinge berichteten aus allen Teilen des Landes von Menschlichkeit und Hilfe, von Seiten ihrer kroatischen und deutschen Nachbarn. Der protestantische Pfarrer in Podravska Slatina, Edgar Walter, rettete angeblich viele Serben. Auf welche Weise er das tat, wollte der berichtende serbisch-orthodoxe Pfarrer aus Podravska Slatina nicht preisgeben. Er selbst erfuhr Hilfe von einigen Kroaten, die vergeblich Unterschriften für ihn sammelten und nach Zagreb telefonierten. Als ehemaliger Abgeordneter der Kroatischen Bauernpartei in den Jahren 1935 und 1938 und serbisch-orthodoxer Pfarrer sei er bei der Eröffnung des kroatischen Sabor am 29. August 1939 als serbischer Pfarrer von der Bevölkerung begeistert akklamiert worden.362 Ein Zeuge berichtete des Weiteren, dass die serbischen Ortsbewohner in Dračice nahe Đakovo von den einheimischen „Švaben“ – wie die deutschen Einwanderer im Volksmund genannt wurden – beschützt wurden.363 Der katholische Pfarrer Julio Bürger setzte sich bereits im Juli 1941 für fünf, teils konvertierte, serbische Familien ein, denen die Aussiedlung drohte. Selbst bezeichnete er sich als Kenner der Politik im Bezirk P. Slatina und als Kämpfer gegen das Belgrader Regime.364 Bürger soll nach Flüchtlingsberichten Konversionen der Serben vorgenommen haben, um sie vor weiterer Verfolgung
359 PAAA-GZ, 238 Vernehmungsprotokoll zu Holzschuh und anderen Beschuldigten, 24.5.1941; Ebd., Berichte der Kommandantur in N. Gradiška an die dt. Gesandtschaft betr. Strafverfahren gegen Volksdeutsche in N. Gradiška, o. D.; bethKe, Sprache, 267. 360 Ebd., Bericht des Volkstumsreferats, 3.9.1942. 361 HR-DASB-189, 174 Lagebericht des Kreisleiters Save-Donau, Vinkovci, 21.5.1943. Holzschuh bekannte sich in diesem Bericht als Verfolger von Juden in Nova Gradiška; Dazu auch bethKe, Sprache, 324. 362 RS-AS-KFA, 14 Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad vom Pf. Rajko Kokanović, V. Bečkerek, 15.12.1941. 363 Ebd., 19 Bericht für das KFA in Belgrad vom Landarbeiter Marko Uzelac, Smederevska Palanka, 29.5.1942. 364 HR-HDA-1076, 444–1093 Julio Bürger an die Staatsdirektion für Erneuerung, 16.7.1941.
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zu retten.365 Im Gebiet von Derventa brüstete sich der dortige Verantwortliche innerhalb der Deutschen Volksgruppenorganisation damit, vielen Serben bei kroatischen Übergriffen geholfen zu haben. So soll er die Erschießung von 51 Serben in Prnjavor verhindert haben.366 Als in Daruvar im September 1942 alle Serben der Stadt auf Anordnung des Leutnants Matijević aus Zagreb ohne Rücksicht auf Konversionen verhaftet und in ein nahe gelegenes Sammellager deportiert wurden, trat die deutsche Ortsleitung gegen die Verhaftungen ein. Sie befürchtete, dass die Verhaftungen Angriffe der Aufständischen provozieren würden. Die Serben wurden zwar freigelassen, doch viele flüchteten anschließend zu den Partisanen.367 Die in Belgrad 1941 vorherrschende Meinung über die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Vojvodina war, dass diese eher Serbien als Kroatien zugeneigt waren und sie Serben in Syrmien und Kroatien vor dem Terror schützten.368 Die Serben berichteten aber auch vom Profit durch den Verkauf serbischen Eigentums und durch das Schleusen der Serben über die Grenze. In der Frage der Lebensmittelversorgung kritisierte die deutsche Ortsleitung in Čačinci zunächst die Enteignungen der Serben in der Gemeinde Orahovica durch die kroatischen Behörden, griff jedoch bald zu den gleichen Maßnahmen, um die eigene Bevölkerung zu versorgen.369 Im Ort Janja bei Bijeljina an der bosnisch-serbischen Grenze halfen dem Ökonomen Vaso Petrović zwei Deutschen zur Flucht nach Lešnica über den Fluss Drina. Unter den Ustaše, die Petrović daraufhin aufsuchten, war auch der deutsche Vize-Leiter des Kreises Indija aus Petrovo Polje (Schönborn) und der dortige Ortsgruppenleiter, Karl Leitenberger. Einer der deutschen Fluchthelfer organisierte außerdem die Flucht von Petrovićs Angehörigen und vermittelte im Gegenzug in einer schriftlichen Vereinbarung die Überlassung aller immobilen Güter Petrovićs an den Staat.370 Leitenberger war anscheinend in mehrere Affären verwickelt, die ihn unter den muslimischen und katholischen Vertretern der Verwaltung in Ungunst brachten. Unter anderem soll er illegal Serben über die Drina nach Serbien gebracht haben. Angeblich sollen die Volksgruppenangehörigen in Bijeljina denjenigen geholfen haben, die die Deutschen im Aprilkrieg beschützt hatten. Ein anderer Vorwurf belastete Leitenberger wie auch die gesamte Volksgruppenorganisation in Bijeljina und Umgebung: Als Verwalter des jüdischen Eigentums hätten sie in die eigenen Taschen gewirtschaftet, keine Steuern gezahlt und Schmuggel betrieben. 365 RS-AS-KFA, 14 Zusammenfassender Bericht über die Verbrechen der Ustaše im Bezirk Podravska Slatina, unbekannter Berichterstatter, o. D.; Ebd., Bericht von Slavka Pištelić, Belgrad, 6.7.1942; Ebd., Bericht an die Hl. Erzb. Synode in Belgrad von Miloš Ivošević, Popović, 31.12.1941. 366 HR-DASB-189, 174 Vermerk der Bezirks- oder Ortsleitung (keine eindeutige Nennung) der Deutschen Volksgruppe im Gebiet Derventa, gez. F. d. R. Haag, P. Ries e. h., Kolg, 10.1.1942. 367 PAAA-GZ, 243 Lagebericht der deutschen Ortsgruppe in Daruvar, 9.11.1942. 368 AJ-103-186, 461–469 Bericht von Vasilije Vojnović, besonderer Attaché der königlichen Gesandtschaft in Frankreich und Oberstleutnant im Ruhestand an die Gesandtschaft des Königreiches Jugoslawien in Lissabon, 12.12.1941. 369 HR-DASB-189, 172 Schreiben der Ortsgruppe Čačinci an die Kreisleitung des Kreises Unterdrau 1/2 Kreisbauernamt, gez. F. Schilling, 21.10.1941. 370 RS-AS-KFA, 9 Bericht für das Flüchtlingskommissariat vom Ökonomen Vaso Petrović, Belgrad, 29.3.1943.
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Der von der Bezirksverwaltung eingesetzte Prüfer der Umstände in der Verwaltung des jüdischen Eigentums in Bijeljina, Mijo Vukojević, wurde bei einem Streit mit Leitenberger von Letzterem angeschossen. Der Vize-Leiter des Großbezirks Posavje forderte daraufhin von der Generaldirektion für öffentliche Ordnung und Sicherheit in Zagreb die Absetzung Leitenbergers als Verwalter des jüdischen Eigentums. Die kroatische Verwaltung in Bijeljina hatte sich seit dem Aprilkrieg an der selbstbewussten Haltung der Deutschen gestört. In einem Fall hätten sie die kroatische Fahne entfernt und für eine „Minderheit“ zu viele Rechte in Anspruch genommen, hieß es von Seiten der kroatischen Behörden. Die Vorfälle in Bijeljina sorgten für einen langwierigen Disput zwischen dem Landwehrministerium und der Volksgruppenorganisation über die Rechte und Pflichten der Volksgruppe und ihre Versuche, sich über das Gesetz zu stellen. Leitenberger wurde von Altgayer im Februar 1942 von seinen Pflichten und Würden in der Volksgruppe entledigt und einem Disziplinarverfahren ausgesetzt.371 Das „Elaborat über die Volksdeutschen“ der Kommission für Aufklärung der Kriegsverbrechen in Bosnien und Herzegowina brachte polarisierende Ergebnisse. Ungefähr die Hälfte der Berichte bescheinigte ein negatives Verhalten der Deutschen mit Anschuldigungen wegen Diebstahl, Mitgliedschaft im Kulturbund oder einer „Fünfte-Kolonne-Gesinnung“. Konkrete Beispiele wurden nur sporadisch angeführt: So soll in Brgule ein Volksdeutscher Namens Rohmez Leopold an der Ermordung von Serben und Zerstörung des Dorfes beteiligt gewesen sein. Insgesamt handelte es sich bei fast allen Fällen um keine schweren (Kriegs)Verbrechen. In etwa der Hälfte der Fälle hatten die Berichterstattenden nichts am Verhalten der Volksdeutschen auszusetzen.372 5. DIE NS-POLITIK UND DIE BOSNISCHEN MUSLIME Das NS-Regime mobilisierte die Muslime Europas und Asiens für seine geostrategischen Ziele und eine Schwächung der Sowjetunion sowie der Alliierten. Die Mobilisierung freiwilliger muslimischer Soldaten und die Befriedung der Bevölkerung in der Sowjetunion wurden im Rahmen des im Reichssicherheitshauptamt im Frühjahr 1942 entstandenen und von Himmler geführten „Unternehmen Zeppelin“ vorangetrieben. Das NS-Regime versprach den Muslimen in den besetzten Gebieten Süd- und Osteuropas freie Religionsausübung und ein eigenes Staatswesen 371 VA-NDH 174/11/45 Der Vize-Gespan von Posavje an die Generaldirektion für öffentliche Ordnung und Sicherheit in Zagreb betr. Mordversuch an Mijo Vukojević, 25.8.1941; Ebd., 171a/1/24 Lagebericht der Bezirksleitung in Bijeljina an die Vertretung von Pavelić in Sarajevo, 2.6.1941; AJ-103-160, 340–352 Aus einem Lagebericht an den jugoslawischen Ministerratspräsidenten im Londoner Exil, u. a. zum Verhalten der Deutschen in Bijeljina, Mitte 1942; PAAA-GZ, 242 Eingabe von Altgayer an das Landwehrministerium in Zagreb betr. Verhalten der Angehörigen der dt. Volksgruppe in Bijeljina, 9.4.1942; Ebd., Antwort des Landwehrministeriums auf Altgayers Eingabe, gez. Laxa, 17.4.1942. 372 ABiH-ZKUZ, 6 Das Elaborat über die Volksdeutschen, 1946. U. a. zu Brgule IV. Kreis Sarajevo, 6. Distrikt Vareš.
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nach dem „Endsieg“.373 Im Werben um die Muslime wurde Hitler sogar eine aus dem Koran abgeleitete Autorität zugeschrieben. Als „Licht des Propheten“ sollte er die Gunst der islamisch geprägten Länder gewinnen.374 Die bosnischen Muslime und ihre Instrumentalisierung für die deutschen geopolitischen und militärischen Interessen standen auch im Fokus der NS-Politik. Anzeichen von panislamischen Gedanken in Bosnien wurden von deutschen Behörden genau dokumentiert. Nach dem Aufenthalt des Mufti von Jerusalem in Rom und Berlin glaubte Kasche im April 1942, unter den Muslimen in Bosnien eine panislamische Bestrebung bemerkt zu haben, die von Deutschland gefördert sein mochte.375 Durch Presseanalyse und geheimdienstliche Informationsbeschaffung wurden insbesondere die religiösen und ab 1942 auch die politischen Akteure beobachtet. Selbst Zeitungsberichte in der bosnischen Presse über mögliche muslimische Vereinigungen in Asien wurden genauestens verfolgt.376 Der deutsche Geheimdienst im NDH bewertete den Einfluss der Muslime im NDH im Hinblick auf ihre Bevölkerungszahl, die etwa ein Siebtel der Gesamtpopulation ausmachte, als sehr hoch. Völlig zutreffend war Helms Einschätzung, dass die Ustaša-Regierung Konflikte mit Muslimen scheute, um das Land nicht noch weiter zu destabilisieren, zumal die Feindschaft der Muslime zu Serben in Bosnien von großem Vorteil für Kroatien und das Dritte Reich waren. Muslime und ihre Interessen im NDH zu stärken, stellte von Helms Standpunkt aus ein Element der Serbenpolitik mit positiven Rückwirkungen auf die Minderung des Einflusses der katholischen Kirche dar.377 Ein Zugehen auf die Interessen der Muslime wurde vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Beziehungen zwischen dem Ustaša-Regime und den Muslimen umso dringender. Gleichzeitig mit den im vorigen Kapitel geschilderten Beschwerden gegen die Ustaša wuchs auch die Unzufriedenheit gegen das Dritte Reich. Eine unter dem Pseudonym „Altfreund“ verfasste Protestschrift gegen den serbischen Terror an den Muslimen in Ostbosnien, vor allem in Foča, wurde im Sommer 1942 an den deutschen Konsul in Sarajevo gerichtet. Die Protestschrift enthielt neben Anschuldigungen an die serbische Seite für die Verbrechen an Zivilisten auch eindeutige Anschuldigungen an die deutsche Seite, weil sie solche Verbrechen zuließ, sowie die Warnung, dass sich die treuesten Verbündeten von Deutschland abwenden würden.378 Kasche verlangte daraufhin ausführliche Berichte über die Lage der Muslime in Ostbosnien. Helm fasste in seinem Bericht 373 KooP, Volker: Hitlers Muslime. Die Geschichte einer unheiligen Allianz. Berlin 2012. Muslime, 11 f., 21; hoaRe, Marko Attila: The Bosnian Muslims in the Second World War. A History. London 2013, 53. 374 KooP, Muslime, 65–79. 375 PAAA-R 901/69663 Siegfried Kasche über konfessionelle Verhältnisse in Kroatien an das Auswärtige Amt, Kult. Gen., 22.4.1942. 376 PAAA-GZ, 68 Konvolut aus Schriftverkehr zwischen dem deutschen Konsulat in Sarajevo, Siegfried Kasche und dem Auswärtigen Amt über einen im bosnischen „Osvit“ erschienenen Artikel „Japan zu den Muselmanen Indiens“, 29.5.–20.6.1942. 377 HR-HDA-1521, 36–13 Bericht von Hans Helm an RSHA, 25.8.1942. 378 PAAA-GZ, 68 Abschrift und handschriftliches Original des Protestschreibens, gesendet vom deutschen Konsulat in Sarajevo an den Gesandten Kasche, 31.8.1942; Ebd., zu Erkundigungen das deutsche Konsulat in Sarajevo an Kasche, 24.8.1942.
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zusammen, dass die islamischen Führer die Übermacht der römisch-katholischen Kirche in Bosnien fürchteten und sich als die nächsten Opfer nach den Orthodoxen sahen. Die Muslime organisierten sich in der Hadžiefendić-Legion, verfolgten die Serben und plünderten ihre Häuser, wie z. B. in Kladanj und Dubnica. Als beispielhaft für das gespannte Verhältnis zwischen den Muslimen und dem deutschen Militär wies Helm vor allem auf die Lage in Dubica hin, wo die Serben nach der Schutzzusicherung vom deutschen General Bader in ihr Dorf zurückkehrten, dort jedoch von muslimischen Legionären verfolgt wurden.379 Wegen der Befürchtung, dass die Enttäuschung der bosnischen Muslime negative Folgen für die Einstellung der Muslime weltweit haben könnte, hatte Kasche ein Treffen der führenden bosnischen Muslime mit dem Mufti von Jerusalem in Berlin angeregt. Der von den Nationalsozialisten als „Großmufti“ titulierte Mufti von Jerusalem, Amin al Husseini Haddsch, wurde durch die Unterstützung Himmlers zum verbindenden Element zwischen den Muslimen im Vorderen Orient, in der Sowjetunion und dem NS-Regime. Das Auswärtige Amt sprach sich zunächst gegen dieses Treffen und eine erneute Vermittlung des Mufti zugunsten der bosnischen Muslime aus. Gleichzeitig sollte der italienische Einfluss auf die Muslime, der in der Herzegowina sogar zu Koalitionen mit den Četnici geführt habe, unterbunden werden. Die führenden Muslime aus Sarajevo wurden nämlich von der italienischen Seite nach Rom zum Treffen mit dem Mufti eingeladen. Die Einladung lehnten sie zwar ab, doch reiste eine andere muslimische Gruppe im Oktober 1942 aus Mostar nach Rom, um dort mit dem Mufti über eine mögliche Schutzherrschaft über die Muslime zu verhandeln. Das Treffen erfolgte unter Anwesenheit der dortigen kroatischen Gesandtschaft. Die wachsende Unzufriedenheit unter den Muslimen ab dem Herbst 1941 hatte auch die kroatische Regierung zu konkreteren Schritten veranlasst. Die Beratungen über eine neue Verfassung der islamischen Glaubensgemeinschaft standen in diesem Zusammenhang. Die Verfassung wurde jedoch nicht verabschiedet, u. a. wegen der Zurückhaltung des stellvertretenden Reis-ul-Ulema, Bašić.380 Zur Eindämmung anti-deutscher Einstellungen und ihrer Ausweitung über Bosnien hinaus befahl das Auswärtige Amt die propagandistische Auswertung geeigneter Berichte über die Lage der Muslime in Bosnien. Angeblich gehe von „arabisch-mohammedanischer“ Seite eine Klage über die schlechte Lage der bosnischen Muslime ein. Um der Verbreitung der Behauptung, dass die Muslime unter deutscher Herrschaft in ihrer Religionsausübung behindert wurden, entgegenzutreten, sollten z. B. positive Berichte über die Feiern des Opferfestes am 18. Dezember
379 Ebd., Bericht aus Ostbosnien betr. „Mohammedaner Stimmung u. Gerüchte“ vom 4.8.1942 sowie Bericht aus Dubnica vom 10.8.1942, der Polizeiattaché Helm an Kasche, 1.9.1942. 380 Ebd., Schreiben von Siegfried Kasche an das AA betr. Muslime in Kroatien, 6.11.1942; Ebd., Bericht von Kasche mit Anlage an das AA über das Treffen der Muslime aus Mostar mit dem Großmufti in Rom, 11.11.1942; In weiteren „Stimmungsberichten“ aus Bosnien drängten die deutschen Stellen zur Vermittlung zwischen den Muslimen, vor allem der führenden Kreise in Prijedor, Travnik und Sarajevo und dem Großmufti, weil ihre positive Einstellung zum Reich kippte. Ebd., R 901/69678, Bericht des „S260“ von seiner Reise nach Banja Luka, 12.12.1941.
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1942 international veröffentlicht werden. Zu diesem Zweck wurden Presseberichte und Leitartikel, z. B. aus „Hrvatski narod“ und „Deutsche Zeitung“ verwendet.381 Gleichzeitig mehrten sich in der NDH-Presse Darstellungen, die das beschädigte Image Deutschlands zu verbessern versuchten. Nachrichten über die gute Behandlung der muslimischen Arbeiter im Reich ließen die zuständigen Stellen an die kroatischen Organe und weiter an die bosnische Presse weiterleiten. Es wurde berichtet, dass die Feier der bosnischen Arbeiter zum Opferfest im Dezember 1941 in Deutschland sogar vom Berliner Radio übertragen worden sei. Der Sprecher der Arbeiter, Salih Hadžialić, würdigte dabei die Stellung der Muslime und des NDH durch ihre Verbindung mit dem Reich und rief zur Verteidigung des Islam in der Welt auf. Zusammen mit Deutschland kämpften die bosnischen Muslime für die Zukunft der islamischen Religion, so Hadžialić.382 Pavelićs „Charmeoffensive“ gegenüber den Muslimen ab Frühjahr 1942 kann nicht von der NS-Strategie isoliert betrachtet werden. Vielmehr scheinen Pavelićs Anstrengungen um die Gunst der muslimischen religiösen Vertreter die Deutschen direkt nachgeahmt zu haben. Die Handžar und die muslimische Autonomie Die NS-Behörden griffen bei der Vereinnahmung der bosnischen Muslime für ihre militärischen Interessen explizit auf religiöse Inhalte und ihre religiösen Autoritäten zurück. Der Prozess der Aufstellung der bosnischen 13. SS-Freiwilligen bosnisch-herzegowinischen Gebirgsdivision „Handžar“ verdeutlicht die Instrumentalisierung religiöser Unterschiede auf der rhetorischen Ebene sowie die Interaktionen zwischen den deutschen diplomatischen und militärischen Stellen und den muslimischen religiösen Vertretern. Der Aufruf an die bosnischen Muslime, sich freiwillig in der Division Handžar zu verpflichten, enthielt eine unmittelbare Aufforderung zur Verteidigung des Glaubens: „Ihr wie auch die uebrigen Voelker und an deren Spitze das deutsche Volk nehmt heute teil an der Verteidigung all dessen, was euch das liebste ist, und das ist die Verteidigung Eurer Heimstaetten, Eures Besitzes und Eures Glaubens.“383 Die islamische Geistlichkeit spielte eine Schlüsselrolle beim Anwerben der Muslime in die militärischen Verbände. Die Imame und Mullahs dienten unter deutschen Vorgesetzten in muslimischen Divisionen, wie z. B. in der 20.000 Mann starken Handžar als weltanschauliche Schulungsleiter. In der Handžar gab es sogar in jedem Bataillon einen Imam mit klar definiertem Aufgabenbereich. Himmler genehmigte 30 Imam-Planstellen. Sie unterstanden dem Divisionsimam, der ein Vortragsrecht beim Divisionskommandeur innehatte. Die Imame dienten als Berater des Kommandeurs in religiös-rituellen und interkulturellen Fragen und genossen 381 Ebd., Telegramm des AA an die dt. Gesandtschaft in Zagreb, 11.12.1942; Ebd., Fernschreiben von Kasche, 24.12.1942; Ebd., 68/1 Erlass des AA betr. Lage der Mohammedaner in Kroatien, 14.10.1942. 382 Sarajevski Novi List, 30.12.1941. 383 caSagRande, Thomas: Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen. Frankfurt a. M. 2003, 331.
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eine Behandlung als Offiziere. Zwischen der SS und dem Mufti von Jerusalem, al Husseini, wurde eine Vereinbarung zur „weltanschaulich geistigen Erziehung der muselmanischen SS-Division“ bei gegenseitiger Achtung der beiden Weltanschauungen, Nationalsozialismus und Islam, getroffen. Neben der gemeinsamen Feindschaft zu Juden wurde darin außerdem die Feindschaft zum Anglo-Amerikanismus, zur Freimaurerei und zum Katholizismus bekräftigt. Die Autorität des Mufti war jedoch unter den bosnischen Muslimen beschränkt. Die Militär-Imame und Mullahs erwiesen sich durch ihre Netzwerke nützlicher für die Nationalsozialisten, wenn es auch in einigen Fällen Schwierigkeiten gab. Hafiz Muhamed Pandža, ein Mitglied des vierköpfigen Obersten Rats der islamischen Gemeinschaft und Religionslehrer, war aus muslimischer Sicht der Initiator und Befürworter der Handžar. Zusammen mit dem SS-Obersturmführer Krempler warb er in den bosnischen ländlichen Gebieten für die Division.384 Pandža lief später zu den Partisanen über, kehrte aber wieder zurück und arbeitete in der kroatischen Propaganda.385 Der Mufti wurde von der Ustaša-Regierung als Förderer des arabischen Nationalismus dargestellt. Sein Engagement zielte nach dem Verständnis der Ustaša über die außenpolitische Feindschaft zu Großbritannien einerseits sowie das Streben nach einer panislamischen Bewegung anderseits hinaus auf die Verschmelzung der politischen und religiösen Frage im arabischen Raum. So wurde Husseini von Pavelić als die geeignete Person zur Mobilisierung der Muslime bei der Zusammenarbeit mit den Achsenmächten gesehen. Husseinis Besuch in Kroatien im Frühjahr 1943 wurde genutzt, um die Verbindung der Muslime zum Ustaša-Staat und seinen Verbündeten zu stärken. Der identitätspolitische Mehrwert dieser Bestrebungen zeigte sich u. a. in der Darstellung der Muslime als Kroaten.386 Der Mufti von Jerusalem teilte dem Auswärtigen Amt nach seinem Besuch in Sarajevo mit, dass die muslimische Bevölkerung zur Zusammenarbeit bereit sei, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Division auf bosnischem Territorium bleibe und zum Schutz von Heimat und Familie eingesetzt werde.387 Die Imame sollten nach Plänen des Reichsministeriums aus dem Jahr 1941 in „Mullah-Schulen“ in Dresden und Guben, die unter das Protektorat des Mufti von Jerusalem zu stellen waren, für ihre Aufgaben ausgebildet werden. Zur weiteren Ausarbeitung der Pläne kam es dann aber zunächst nicht. Himmler griff die Idee der „Mullah-Schule“ erst 1943 nach Anregungen aus der Handžar wieder auf und gründete im November 1944 eine Ausbildungsstätte für muslimische Priester in Dresden. Huseini und der bosnische Divisionsimam und SS-Hauptsturmführer, Husein Džoso, begrüßten die Gründung der Imamschule. Dem Mufti von Jerusalem wurde 384 KooP, Muslime, 113 f., 117–120, 122–125, 174. – Zu Presseberichten über den Mufti und Veröffentlichungen seiner propagandistischen Reden zugunsten Deutschlands in den bosnischen und kroatischen Zeitungen und Zeitschriften, darunter „Osvit“ vom 8./9.8.1942, PAAA-GZ, 68; FRucht, Bullet, 821. 385 PAAA-GZ, 207 Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10. und 28.7.1944; HR-HDA-1521, 35 Dossier. 386 „Arapski svijet i Hrvati muslimani“ [Die arabische Welt und die Kroaten-Muslime] im UstašaPresseorgan „Spremnost“, Mai 1943, zit. nach Sarajevski Novi List, 11.5.1943. 387 caSagRande, Prinz, 331 f.
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durch die Gründung die Kontrolle über die muslimische Geistlichkeit in Aussicht gestellt. Als die Handžar im Oktober 1944 „Zersetzungserscheinungen“ zeigte, wurden ihre Imame in Budapest zu einem Treffen mit dem Mufti einberufen.388 Bei der Anwerbung der Freiwilligen für die Handžar stellte die kroatische Regierung 6.000 Ustaše zur Verfügung und übernahm die organisatorische Leitung. In der kroatischen Presse kursierten Versprechungen über die materielle Absicherung und Versorgung der Freiwilligen, während muslimische Geistliche die Anwerbung unterstützten. So sollen sich z. B. in Brčko nach den propagandistischen Reden der Imame Halim und Mustafa Malkoć 500 Rekruten gemeldet haben. Die Ziele der Ustaše unterschieden sich jedoch von den Zielen der SS. Die Bereitstellung der 6.000 Soldaten sollte dem von deutscher Seite angestrebten rein muslimischen Charakter der Division entgegenwirken. Siegfried Kasche setzte sich für den Einsatz von 2.800 nicht-muslimischen Soldaten in der Handžar ein. Die Anwerbung der Muslime seitens der kroatischen Stellen schaffte Probleme, weil der zuständige Leiter Alija Suljak, ein Adjutant von Pavelićs, wegen Muslimen-feindlicher Hetze kein Vertrauen in der Bevölkerung genoss. Die Division erhielt ihre Ausrüstung in den Barackenlagern der Volksdeutschen Mittelstelle bei Zemun (Semlin). Bis zum 24. März 1943 hatten sich 30.000 Männer gemeldet, davon rund ein Drittel aus der Region Sandžak. Die volksdeutsche SS-Freiwilligen-Gebirgsdivision Prinz Eugen verweigerte die Abgabe der muslimischen Soldaten, weil damit die Sicherung der Eisenbahnstrecke Sarajevo-Višegrad nicht mehr zu bewerkstelligen gewesen wäre. Auch muslimische Vertreter sahen die Abgabe der wehrfähigen Männer als bedenklich an, weil dadurch breite Gebiete ohne Soldaten blieben. Die muslimische „Hadžiefendić-Legion“ aus dem Raum Tuzla verlöre durch den Einzug der Männer in die Handžar ihre Basis, hieß es seitens der muslimischen Vertreter. Die Anwerbung wurde zudem durch die negativen Auswirkungen der Vergeltungsmaßnahmen erschwert, die die Wehrmacht und die SS an der muslimischen Bevölkerung verübten.389 Das Projekt Handžar trieb, wie Kasche bemerkte, wegen der Gefahr der „deutschen Sonderpläne mit Ostbosnien“ einen Keil zwischen die kroatische Regierung und das Dritte Reich.390 Die Ustaša befürchtete die Intensivierung der autonomistischen Bewegung unter den Muslimen durch die Herausbildung rein muslimischer militärischer Streitkräfte. Kasche wurde u. a. vom kroatischen Minister für Justiz und Religion, Canki, darüber unterrichtet, dass entgegen den Vorstellungen der kroatischen Regierung nun eine rein muslimische Division entstünde. „Auf dem Lande warben Hodžas für [die] Division unter starker Betonung religiöser Motive, 388 KooP, Muslime, 126–129, 226. 389 ebd., 95, 98, 165–171, 174 f., 201 f., 226. – Zur Anwerbung in Brčko ABiH-ZKUZ, 6 Vjera Rukavina, Bericht der Kommission über die Handžar, 1947, 2 f. – Zur Haltung der kroatischen Regierung und zum Aufruf an die kroatischen Freiwilligen, der dem Aufruf an die Volksdeutschen im Banat und Kroatien für die Prinz Eugen Division ähnelte, außerdem noch caSagRande, Prinz, 331. – Zu den sogenannten „Sühneaktionen“ (Geiselerschießungen) der Wehrmacht und der SS-Truppen gegen Zivilisten einen knappen Überblick bei caLic, Geschichte, 142 f.; gumz, Wehrmacht, 1030. 390 KooP, Muslime, 174; kiSić kolanović, Muslimani, 370.
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sodass insbesondere nach dem Besuch des Großmufti der Anschein erweckt werde, als solle eine panislamitische Kampftruppe geschaffen werden, […]“391, zitierte Kasche den kroatischen Minister Canki. Canki verlangte die Rekrutierung für die neue Division ausschließlich durch die kroatischen militärischen Meldestellen und ihre Bildung nach dem Muster der „Teufelsdivision“ – wie die „Prinz-Eugen“ genannt wurde – unter deutscher Führung.392 Andererseits schlugen auch Vertreter der Muslime, vor allem Avdić aus Tuzla, Kasche die Aufstellung einer muslimischen kroatischen Legion in Bosnien unter dem Kommando deutscher Offiziere vor. Die dazugehörigen Ortsschutztruppen sollten auf den Strukturen der HadžiefendićLegion aufgebaut werden und aus beweglichen verwendbaren Verbänden bestehen. Bei Kasche stieß dieser Vorschlag auf offene Ohren, wie er Glaise von Horstenau mitteilte: „Wenn muselmanische Legionsverbände im Einvernehmen mit der kroatischen Regierung, vorerst unter deutschen Offizieren, aufgestellt werden können, besteht meinerseits kein Bedenken.“393 Gewiss hätte Pavelić gemischte Kampfformationen aus Muslimen und Katholiken, wie die „Schwarze Legion“, präferiert. Die Ustaša-Eliteeinheit „Schwarze Legion“ (Crna legija) wurde unter Jure Francetić in Sarajevo gegründet, um die Četnici und Partisanen im östlichen Bosnien zurückzuschlagen. Bekannt durch ihren Fanatismus und Gewalttätigkeit, versammelte sie in ihren Reihen meistens sehr junge Männer unter siebzehn Jahren. Ihre Jugend und Elan symbolisierten die nationale Regeneration, was für die Muslime in der Legion jedoch „Kroatisierung“ bedeutete.394 Unter den Mitgliedern der Legion war auch der eigentlich orthodoxe, semi-religiöse Brauch der Verbrüderung (pobratimstvo) verbreitet. Zwei Männer versprachen sich dabei lebenslange Loyalität.395 Himmler beauftragte den SS-Gruppenführer und Generalleutnant der WaffenSS, Arthur Phelps, mit der Aufstellung der Handžar. Ihr erster Kommandeur wurde bis August 1943 der SS-Standartenführer Herbert von Obwurzer. Ihm folgte bis Juni 1944 der SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS Karl-Gustav Sauberzweig. Ab Juni 1944 befahl der SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS Desiderius Hampel die Division. Die Handžar und die Prinz Eugen bildeten außerdem zusammen den V. Korpus, der insgesamt Phelps unterstellt war. Nach dem Beispiel der Handžar sollte später eine weitere Division unter dem Na391 BArch RH/31, III 7 Deutsche Gesandtschaft in geheimer Reichssache an den Deutschen General in Kroatien, Glaise v. Horstenau, 19.4.1943. 392 Ebd. 393 Ebd., Aufzeichnung des Gesandten Kasche, gerichtet an den General Glaise von Horstenau betr. „Ausführungen eines muselmanischen Bürgers aus Tuzla, Avdić, welche er mir am 11.1. in meiner Wohnung gemacht hat.“, 22.1.1943. Avdić hatte bei seinem Besuch bei Kasche auch die Privilegierung der Serben Sekulić und Mičić durch die Deutsche Wehrmacht in Tuzla bemängelt bzw., dass diese beiden als Vertrauensleute der Wehrmacht einen zu großen Einfluss ausübten. Bei Avdić handelte es sich um einen exponierten Ustaša, der sich laut serbischen Flüchtlingsberichten bei der Verfolgung der Serben in Tuzla besonders hervorgetan hat. RSAS-KFA, 9 Bericht für das KFA in Belgrad des Beamten Drago Stefanović-Džinić, 22.12.1943; Ebd., des Gerbers Ljubomir Antić, 16.11.1942. 394 yeomanS, Francetić, 192–195. 395 ebd., mazoWeR, Balkans, 60.
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men „Kama“ aufgestellt werden. Die Führung der Handžar lag in deutscher Hand, meistens handelte es sich dabei um Volksdeutsche, wobei nur 10 % der Offiziere Muslime waren. Bei den Unteroffizieren betrug der Anteil der Deutschen 50 %. Die anschließende weltanschauliche und militärische Schulung, die auch seitens der in Berlin ausgebildeten Muftis unterstützt wurde, wurde in Deutschland und Frankreich durchgeführt.396 Das NS-Regime musste seine rassischen Auswahlkriterien und den radikalen Biologismus397 formal aufweichen, um gläubige Muslime in die SS aufzunehmen. Muslime auf dem Balkan wurden von Himmler als „rassisch wertvolle Völker Europas“ bezeichnet, die ihren Platz an der Seite der Arier noch erringen müssten.398 Mit dem „Frontforschungsauftrag“ von Himmler zur Frage der „Rassen im Kampf“ betraut, untersuchte der Rassentheoretiker Ludwig Ferdinand Clauß drei Monate lang in den bosnischen Gebieten im NDH, „welcher Art die Unterschiede in der Verhaltensweise der Rassen im Kampf sind und welche praktischen Folgerungen und Anwendungsmöglichkeiten zur wirksameren Bekämpfung eines fremdrassigen Gegners sich aus derartigen Unterschieden ergeben können“.399 Clauß hob in seinen Ergebnissen die anders-Rassigkeit und den orientalischen Charakter der Völker, Religionen und sogar Kirchen in Bosnien hervor. Er empfahl eine „harte Hand“ gegenüber den Muslimen und betonte die Möglichkeit des Anschlusses an die ehemalige österreichische Politik gegenüber den Muslimen, die in der historischen Erinnerung ein positives Bild hinterlassen habe. Das etablierte Gefolgschaftsverhältnis fuße vor allem auf der österreichischen Strategie der Eindämmung der christlichen Forderungen gegenüber den muslimischen Interessen.400 Als Symbol der Zusammenarbeit der Nationalsozialisten mit den Muslimen wurde die Handžar zur allgemeinen Anwerbung der Muslime und Aufstellung weiterer muslimischen Verbände im Jahr 1944 propagandistisch ausgeschlachtet. Bis Ende 1944 wurden etwa 150.000 Muslime in die SS einberufen, davon 15.000 zur Division Prinz Eugen.401 Die Anwerbung erfolgte auch aus den Reihen der muslimischen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion und aus den Konzentrationslagern. Die Zahl der in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern inhaftierten Muslime, von denen die Mehrheit wegen Meuterei in der SS-Division Handžar verurteilt worden war, belief sich Ende 1943 und Anfang 1944 auf ca. 500–1150. Davon stammten 349 muslimische Häftlinge aus dem NDH, die für Himmler potenzielle Soldaten für die Waffen-SS waren.402 Die bosnischen Muslime hätten „eine für Soldaten praktische und sympathische Religion“403, erklärte Himmler 1944 vor den Leitern der Reichspropagandaämter. Den angeblichen „Fanatismus“ der muslimischen Soldaten schätzten sowohl Hitler als auch Himmler, allerdings nur im Krieg. 396 397 398 399 400 401 402 403
ABiH-ZKUZ, 6 Vjera Rukavina, Bericht der Kommission über die Handžar, 1947, 1–7. Himmler sprach vom „Sozialismus des guten Blutes“. Zit. nach aLy, „Endlösung“, 376. KooP, Muslime, 106 f. Zit. nach: ebd., 102. ebd., 103 f. ebd., 145. ebd., 50 f., 177 f. Zit. nach ebd., 59.
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Um die muslimischen Völker danach dauerhaft zu befrieden, beabsichtigte Himmler zum Beispiel, die Muslime im Kaukasus religiös zum Buddhismus oder zu Bibelforschern umzuerziehen.404 Auf dem kroatisch-bosnischen Territorium war die Division ab Februar 1944 aktiv und verübte massive Verbrechen in Syrmien und vor allem in Ostbosnien. Die Täter waren zum Teil Volksdeutsche aus der Handžar.405 Die Souveränitätsversprechen der Nationalsozialisten galten auch gegenüber den bosnischen Muslimen. Siegfried Kasche stellte nach dem Besuch des Mufti von Jerusalem in Sarajevo im April 1943 fest, dass der Besuch sowie die Aufstellung einer muslimischen Division das muslimische Selbstbewusstsein und Autonomiebestreben befeuert hatten. Bei der Anwerbung der Freiwilligen bediente sich der mit der Errichtung der Division beauftragte SS-Obersturmführer Krempler der autonomistischen Kreise und lehnte die Unterstützung der pro-kroatischen Stellen ab. Profitieren konnte Krempler auch von den Folgen des am 10. November 1942 seitens der Vertreter der bosnischen Muslime an die Regierung des Dritten Reiches gesandten Memorandums, das Vorschläge zur Schaffung eines autonomen Bosniens enthielt. Kasche schlussfolgerte, dass die deutsche Seite gegenüber den bosnischen Muslimen eine doppelte Politik führte. Die muslimischen Autonomisten gehörten zu jenen Kreisen, die im Königreich Jugoslawien gegen die Autonomie waren, während sich die damaligen Autonomisten zum NDH bekannten. Kasche vermied ein Treffen mit al Husseini.406 Dass in den Kasernen der Handžar ein Bild von al Husseini und nicht von Pavelić hing, führte zu Protesten der Ustaša.407 Laut dem letzten Befehlshaber der Handžar, Karl-Gustav Sauberzweig, betrachteten die Ustaše die Muslime in den SS-Einheiten und nicht die Partisanen als den Staatsfeind Nr. 1.408 Neben Krempler, der eine der zwei Anwerbe-Kommissionen in Bosnien leitete, bestand noch eine weitere Kommission in Zemun sowie die Hauptkommission unter Sturmbannführer Willi Hempel in Zagreb. In dem von der Kommission für Kriegsverbrechen 1947 verfassten Bericht über die Handžar hieß es, man wollte durch die Gründung der Handžar die Basis für eine spätere Abspaltung Bosniens vom NDH schaffen.409 Tatsächlich erkannte die Ustaša-Regierung in der verstärkten Zuwendung der deutschen diplomatischen Stellen zu Muslimen die Gefahr der Schaffung von Strukturen für eine muslimische Autonomie. Daher lehnte sie sich gegen die deutsche Strategie auf, indem sie die religiösen Akteure ebenfalls zu beeinflussen versuchte. Im dritten Kapitel wurden solche Versuche, die nach den Beschwerden der muslimischen Vertreter eingeleitet wurden, erörtert. Im Fokus der Ustaša stand weiterhin die nationale Integration. In der Presse würdigte die Ustaša die „Jugoslawische Muslimische Organisation“, eine politische Partei, die bis 1929 wirkte, weil sie – gleich wie die kroatische Bauernpartei – die Muslime in Bosnien vereint und so den kroatischen Nationalismus gestärkt habe. Die autonomistische muslimische Bewegung hätte 404 405 406 407 408 409
ebd., 53, 58–60. ABiH-ZKUZ, 6 Vjera Rukavina, Bericht der Kommission über die Handžar, 1947, 8 ff. KooP, Muslime, 83 f., 172 f., 225; hoaRe, Muslims, 51. KooP, Muslime, 202. ebd., 10. ABiH-ZKUZ, 6 Vjera Rukavina, Bericht der Kommission über die Handžar, 1947, 1.
6. The day after. Die letzten Chancen
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keine Existenzberechtigung, weil die Ustaša-Bewegung allen Kroaten alle Möglichkeiten zur freien Entfaltung geboten hätte, hieß es. Von der katholischen Kirche ginge ferner keine Gefahr aus. Eine größere Autonomie könne es nicht geben, da nun sogar Pavelić seinen Regierungssitz nach Banja Luka verlegen wolle. Eigentlich hatte Pavelić die Verlegung nach Banja Luka als „Zukunftsmusik“ bezeichnet. Der Staatssekretär Vjekoslav Vrančić erklärte bei der ersten Ustaša-Versammlung im bosnischen Banja Luka im Mai 1943 auch, dass diejenigen, die nach noch mehr Autonomie strebten, frei seien das Land zu verlassen und ihre Autonomiebestreben anderswo auszuleben.410 6. THE DAY AFTER. DIE LETZTEN CHANCEN Sowohl die Ustaša als auch die deutschen Stellen in Kroatien nutzten den Einfluss religiöser Autoritäten bis Ende des Jahres 1944. 1943 und 1944 stand für Kasche vor allem die Zusammenarbeit mit den Četnici im Vordergrund, die er durch die Erweiterung der Handlungsräume für die serbisch-orthodoxe Kirche in Bosnien zu verbessern versuchte. Parallel dazu verfolgte er auch die Zusammenarbeit mit den muslimischen religiösen Akteuren. Doch die vermeintliche Befriedungspolitik der Ustaša und der deutschen Stellen schlug fehl und verschärfte die Konflikte auf der lokalen Ebene zwischen Serben und Muslimen in Bosnien sowie zwischen der Ustaša und den deutschen Stellen auf der diplomatischen Ebene. Der gemeinsame Feind, die Partisanen, vermochten die Konkurrenzen und Gewalterfahrungen nicht zu kompensieren. Ab Herbst 1942 machte sich zudem innerhalb der Ustaša-Führung Besorgnis über einen möglichen Regierungsverlust breit, der angesichts massiver Konflikte mit den deutschen Stellen und des erfolgreichen Widerstandes mehr als begründet war. Im August 1942 hatte die sogenannte Tomić-Aktion Tausende serbische Opfer in Syrmien verschuldet und das kroatisch-deutsche Verhältnis erneut belastet.411 Die Bestellung des Generaloberst Alexander Löhr zum Wehrmachtbefehlshaber Südost im August 1942 wurde im Zusammenhang mit seinen Aufgaben im Bereich der Befriedung des Landes und der Verhandlungen mit den Četnici von den Ustaše als ein unmittelbares Bestreben nach ihrer Absetzung interpretiert.412 Die Ustaša und die Landwehr wurden allmählich unter deutsche Kontrolle gestellt. Die Herrschaft der Ustaša zeigte Zersetzungserscheinungen, bevor sie sich überhaupt etablieren konnte. Wie bereits beschrieben wurde, verstärkte die Ustaša ihre Bemühungen nach Befriedung des Landes und Manipulierung der religiösen Vertreter in diesem Zeitraum. Die Ustaša-Regierung glaubte, dass Deutschland eine Zusammenarbeit mit Vladko Maček anstrebte. Maček blieb nach seinem Rückzug aus der Regierung für die Ustaše stets ein konkurrierender und potentieller Träger von kroatischen politischen Interessen. Der jugoslawische Gesandte in Frankreich, 410 „Bosnien war, ist und wird sein das Rückgrat des kroatischen Volkes und Staates“, in: Sarajevski Novi List, 18.5.1943; kiSić kolanović, Muslimani, 53. 411 KoRb, Warfare, 210–232. – Telegramm von Kasche an das AA zur Abberufung von Tomić, 13.9.1942. HrečkovSki, Građa, 54; Barić, Chetniks, 189–195. 412 HR-HDA-235, 1 Bericht des kroatischen Gesandten in Serbien, Ante Nikšić, 22.9.1942.
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Vasilije Vojnović, erwähnte in einem Bericht, dass Maček Ende Mai 1941 vom deutschen Ex-Gesandten in Belgrad, von Heeren, besucht wurde. Von Heeren habe ihm eine Regierungsbeteiligung angeboten, doch Maček forderte im Gegenzug Pavelićs Absetzung, bessere Behandlung von Serben und Juden und die Revision der Grenzen zu Italien.413 Die Ustaša bemühte sich um die Unterstützung der Anhänger der Bauernpartei. Dies zeigte sich verstärkt in der Pressereform von Mijo Bzik, der ab 1942 die staatliche Presseabteilung übernahm. Auf der vierten Seite der Zeitungen sollte in den ersten beiden Spalten fortan über die Eingliederung der Organisation der Bauernpartei in die Ustaša berichtet werden. Der Begriff „Eingliederung“ sollte jedoch vermieden werden, um die Illusion einer ohnehin geschlossenen Anhängerschaft der Ustaša unter den Bauern entstehen zu lassen. Der Beitritt der Anhänger der Bauernpartei in die Ustaša sollte als bloße und längst überfällige Formalität dargestellt werden.414 Nach der Freilassung aus Jasenovac auf seinen Familienbesitz in Kupinec südlich von Zagreb aus der Öffentlichkeit gebannt, empfing Maček deutsche Politiker, darunter auch Siegfried Kasche. Im September 1942 kursierten auch in Belgrad Gerüchte, Kasche hätte ihm die Regierung in Kroatien angeboten. Maček stellte jedoch Forderungen nach Wiederherstellung der jugoslawischen Grenzen, Räumung der okkupierten Gebiete, Ausweisung der Ustaše und Bestrafung der Verbrechen an den Serben. Im Gegenzug erklärte er sich bereit, Kroatien als deutsches Protektorat zu akzeptieren, wenn dafür keine kroatischen Soldaten an die Ostfront geschickt würden. Mitunter kam ein Gesandter der kroatischen Regierung in Belgrad, – der frühere Großgespan von Pokupje, Ante Nikšić, über einen angeblichen „Delegaten“ von Maček an diese Informationen.415 Nikšić glaubte, dass Maček die serbisch-kroatische Aussöhnung durch die integrative Kraft der altkatholischen Kirche zu erreichen plante. Gerade die italienische Besetzung Dalmatiens habe eine Opposition gegen Rom und die römisch-katholische Kirche unter den Dalmatinern formiert, die anfingen, in Richtung der altkatholischen Kirche zu blicken.416 Dass die Bauernpartei in der Vergangenheit die Altkatholiken unterstützte, fügte sich in dieses Bild. Zu diesen Indizien passt auch die Meinung von Radoslav Glavaš, dass ein Teil der Altkatholiken die Zusammenarbeit mit der neuen kroatisch-orthodoxen Kirche erwägte.417 Die Nutzung der national-integrativen Macht der Religion wurde von allen Parteien und Konfliktgegnern in Betracht gezogen und dementsprechend wurde die religiöse Konversion von allen Konfliktparteien als politische Konversion verstanden. 413 AJ-103-186, 461–469 Aus dem Bericht über die Hin- und Rückreise aus Frankreich nach Belgrad Vasilije Vojnović, besonderer Attaché der königlichen Gesandtschaft in Frankreich und Oberstleutnant im Ruhestand an die Gesandtschaft des Königreiches Jugoslawien in Lissabon, 12.12.1941. 414 HR-HDA-212, 1 Rundschreiben des neuen Pressebeauftragten Mijo Bzik an alle PresseRedaktionen im NDH, o. D. 415 HR-HDA-235, 1 Bericht des kroatischen Gesandten in Serbien, Ante Nikšić, 22.9.1942; AJ103-160, 398–403 Bericht des Mitarbeiters der polnischen Gesandtschaft in Jugoslawien aus dem Exil in Portugal, Kovelik, an Slobodan Jovanović im Innenministerium der jugoslawischen Exilregierung, 15.1.1943. 416 Ebd., Bericht des kroatischen Gesandten in Serbien, Ante Nikšić, 22.9.1942. 417 šKiLjan, Crkva, 204.
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Die von der Ustaša-Regierung erzwungenen Übertritte erzeugten Synergieeffekte. Im bosnisch-serbischen Grenzgebiet kam es sogar zu erzwungenen Übertritten zur serbisch-orthodoxen Kirche. Anfang des Jahres 1943 verwüsteten und plünderten die Četnici weite Teile Ostbosniens und misshandelten und ermordeten dabei Tausende Muslime. Im Dorf Podpeć im Bezirk Foča wurden Anfang März 1943 ca. 80–84 muslimische Frauen und Kinder von ihren serbischen Nachbarn gezwungen, zum serbisch-orthodoxen Glauben überzutreten. Die Četnici riefen die muslimische Bevölkerung zum Glaubensübertritt auf und drohten ihnen bei Weigerung mit Verfolgung und Tod. Der serbisch-orthodoxe Priester aus dem Nachbardorf Miljevina wurde für diesen Akt nach Podpeć geholt. Später sollten noch weitere 164 Personen zum Übertritt gezwungen werden. Diese Übertritte wurden jedoch durch die Einfälle der Partisanen verhindert. Tatsächlich blieben die Konvertiten von weiteren serbischen Überfällen verschont. Als deutsche Einheiten das Gebiet eroberten, kehrten die Konvertiten wieder zum Islam zurück. Angeblich hatten die Četnici in Foča den Befehl erteilt, alle muslimischen Flüchtlinge im Bezirk Foča zum Übertritt zum serbisch-orthodoxen Glauben zu zwingen.418 Zu erzwungenen Übertritten der Muslime zum serbisch-orthodoxen Glauben kam es im März 1943 auch im Dorf Vikoč im Bezirk Foča. Die dortige Bevölkerung wurde gezwungen, muslimische traditionelle Kleidung gegen serbische einzutauschen und einen serbischen Namen anzunehmen. Etwa 23 muslimische Frauen wurden mit Serben zwangsverheiratet.419 Zu Zwangskonversionen zum serbisch-orthodoxen Glauben kam es außerdem im Podbrijeg im montenegrinischen Bezirk Šavnik. Dort zwangen montenegrinische Četnici 76 Muslime, darunter ganze Familien, zum Übertritt.420 Die Zusammenarbeit der Wehrmacht mit den Četnici gegen die Partisanen erfolgte im Winter 1943/44 insbesondere in Ostbosnien im Dreieck zwischen dem Save und dem Drina-Tal in den Bezirken Brčko, Vlasenica, Zvornik und Bijeljina. Damit sollte eine Befriedung der Region erreicht werden, nachdem erbitterte Kämpfe zwischen den Četnici und den Muslimen geführt wurden, die mit massiven Verbrechen an der zivilen Bevölkerung einhergingen, und nachdem die 13. SS-Division das Gebiet von den Partisanen befreite. Die Zusammenarbeit mit den Četnici umfasste die Eröffnung der serbisch-orthodoxen Kirchen, z. B. von Mrihin im Umfeld von Bijeljina, und die Überstellung serbischer Geistlicher aus Serbien in das Gebiet. Die kro418 HR-HDA-212, 1 Asim Čamdžić: Niederschrift über die Verbrechen der Četnici in Foča, Goražde 1.6.1943 und 8.6.1943; Dies belegt auch ein Bericht der Polizei in Sarajevo vom 16. März 1943, den sie an die Polizei-Direktion in Zagreb, an den Großgespan von Vrhbosna in Sarajevo, an den Beauftragten für zivile Angelegenheiten bei der deutschen Wehrmacht in Slavonski Brod und den Bevollmächtigten der kroatischen Regierung in Sarajevo, Pavao Canki, richtete. Zum Polizeibericht vgl.: čekić, Smail: Genocid nad Bošnjacima u Drugom svjetskom ratu. Dokumenti [Der Genozid an den Bosniaken im Zweiten Weltkrieg. Dokumente]. Hg. v. Udruženje muslimana za antigenocidne aktivnosti. Sarajevo 1966, 259 f., 284 f. 419 PAAA-GZ, 68 Eingabe der Muslime aus Bosnien, 4 f., ca. März 1943. Darin auch die am 2./3.3.1943 erlassene Resolution der Muslime aus Plevlje, Sjenica, Prijepolje, Nova Varoš, Bijelopolje und Čajniče; Ebd., zu Übertritten in Podpeć und Vikoč Bericht des deutschen Konsulats in Sarajevo an die dt. Gesandtschaft in Zagreb betr. Zwangsübertritte im Sandžak, 18.3.1943. 420 HR-HDA-212, 1 Niederschrift über die Verbrechen der Četnici, verfasst in Foča, 14.6.1943.
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atischen Stellen protestierten gegen die „Verwaltungsorganisation“.421 Im Protestbrief des ehemaligen Großgespans von Posavje, Sabolić, hieß es, Mitte des Jahres 1944 seien 30 serbisch-orthodoxe Geistliche ins bosnische Gebiet gebracht und auf ehemalige orthodoxe Pfarren verteilt worden. In der Nähe von Tuzla (Požarnica, Crno Blato, Kalesija) und auch in Kiseljak nahe Sarajevo hielten sie Versammlungen ab.422 Die Muslime protestierten bei der Ustaša-Regierung. Die deutsche Gesandtschaft in Kroatien legte im Frühjahr 1944 den deutschen militärischen Stellen nahe, dass sie der serbisch-orthodoxen Kirche wegen Spannungen mit den Kroaten, jegliche Unterstützung verweigern sollen.423 Die Ustaša-Regierung stellte schließlich im Herbst 1944 ihre Strategie zur Beeinflussung der Serben im NDH durch die kroatisch-orthodoxe Kirche ein. Die Bezeichnung „kroatisch-orthodoxe Kirche“ galt ohnehin nur im offiziellen Schriftverkehr, während für die Bevölkerung und für orthodoxe Pfarrer in Bosnien die serbisch-orthodoxe Kirche als wiederhergestellt galt. Die deutsche Zusammenarbeit mit den Četnici hatte sie zusätzlich durch die Ankunft von orthodoxen Pfarrern aus Serbien als serbische Kirche legitimiert. Vergebens war auch der letzte Appell vom Innenminister Lorković im Januar 1944: „Ich erachte es hier als meine Pflicht zu betonen, dass die kroatische Staatsregierung keinen Unterschied zwischen den Angehörigen der einzelnen Glaubensbekenntnisse macht. […] Wir haben orthodoxe Minister und Generäle, hohe Staatsbeamten aller Zweige, Männer auf den höchsten und verantwortungsvollsten Stellen. Durch die Schaffung des Unabhängigen Staates Kroatien wurde grundsätzlich auch der Standpunkt des kroatischen Staates gegenüber der orthodoxen Kirche festgelegt. Sie ist uns lieb wie jede andere anerkannte Glaubensgemeinschaft, doch muss sie als Nationalkirche ihren Sitz in Kroatien haben und kann keinem fremden Staatsoberhaupt untergeordnet sein. Ich bin überzeugt, dass auch auf diesem Gebiete die Zeit ihres besorgen wird.“424
Lorković nahm zusammen mit dem Landwehrminister Vokić und in Absprache mit Pavelić sogar Gespräche mit der Kroatischen Bauernpartei auf, die auf eine Koalition gegen Deutschland zielten, Lorković und Vokić wurden jedoch im August 1944 als Verschwörer enttarnt.425 Im Herbst 1944 galt das Projekt kroatisch-orthodoxe Kirche, ebenso wie die Befriedung durch religiöse Vertreter, als gescheitert. Die großzügigen Bestimmungen zum Gehalt von Patriarchen und Episkopen der kroatisch-orthodoxen Kirche wurden im September 1944 vom neuen Minister für Justiz und Religion, Pavao Canki, außer Kraft gesetzt. Die Einkünfte der Patriarchen richteten sich fortan nach der Beamtenbesoldung der zweiten Kategorie und die der Episkopen nach der Beamtenbesoldung der vierten Kategorie.426 Indes wurde die Kluft zwischen Pavelić, Kasche und dem Obersten Rat der Muslime in Sarajevo größer. Seit dem Tod von Fehim ef. Spaho im Februar 1942 421 PAAA-GZ, 65 Lagebericht aus Ost-Bosnien-Bassin von Bijeljina, o. D. 422 Ebd., 67/7 Staatssekretär Sabolić an die deutsche Gesandtschaft betr. serbische Geistliche, Tätigkeit, 8.8.1944. 423 Ebd., Siegfried Kasche an den deutschen General in Kroatien, betr. Unterstützung der serbischorthodoxen Kirchengemeinden in Kroatien, 19.2.1944. 424 Ebd., 68 Vortrag des Ministers Lorković im kroatischen Sabor, 14.1.1944. 425 lorković, Narod, 5 f. 426 HR-HDA-218, 117–7390 Der Minister für Justiz und Religion, Pavao Canki, an das Finanzministerium betr. Gebäude und Wohnungen für Patriarchen und Episkope, September 1944.
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blieb das Amt des Reis-ul-Ulema unbesetzt. Der stellvertretende Reis-ul-Ulema war Salih Safvet ef. Bašić. Dem vierköpfigen Rat der Muslime, Ulema Medžlis, stand Hafiz Ibrahim ef. Ridžanović vor. Ridžanović galt in seiner politischen Orientierung in der Zwischenkriegszeit als serbenfreundlich.427 Kasche und das Auswärtige Amt hatten von dieser angeblichen serbenfreundlichen Position Ridžanovićs vergebens einen Mehrwert für einen gemeinsamen Kampf der Kroaten, Serben und Muslime gegen die Partisanen erwartet. Mehrere muslimische Delegationen protestierten zwischen Frühjahr und Herbst 1944 bei kroatischen und deutschen Stellen wegen deren Unterstützung der Četnici und des schwachen Rückhaltes der Regierung. Im März besuchte eine Delegation unter der Leitung von Nazif Bubić Landewehrminister Vokić. Eine von Kulenović geführte Delegation protestierte beim Ministerpräsidenten Mandić in Sarajevo im April 1944. Eine Delegation aus 13 muslimischen Bürgermeistern und Ortsvorstehern aus Bosnien, angeführt von Alija Šuljak, der bereits bei der Rekrutierung für die Handžar mit deutschen Stellen zusammengearbeitet hatte, erschien im Juli 1944 persönlich in der deutschen Gesandtschaft in Zagreb. Sie forderten Waffen zur Bekämpfung der Četnici in Ostbosnien.428 Ihre Beteuerungen der Treue zum Dritten Reich gingen mit kroatischen Sorgen einher, dass sich die Muslime mit deutscher Hilfe vom NDH abspalten und ein autonomes Gebiet errichten könnten. Pavelić ging noch einmal in die propagandistische Offensive. Gekonnt setzte er den Bau der Moschee in Zagreb als Zeichen der Gleichberechtigung zwischen Muslimen und Katholiken in Szene. Als die Moschee im August 1944 feierlich eröffnet wurde, versicherte der Vertreter des Reis-ul-Ulema und des Obersten Rats der Gemeinschaft, Aganović, dass sich die Muslime bis zum Äußersten für den kroatischen Staat einsetzen würden.429 Im Herbst 1944 kam jedoch auch die Zusammenarbeit mit den muslimischen religiösen Autoritäten zum Erliegen. Eine allgemeine Zersetzung des Regimes war längst unaufhaltbar geworden. Der Wettbewerb zwischen den religiösen Akteuren um Mitglieder und Macht setzte sich bis zum Ende des Krieges fort. Als Branimir Altgayer im Januar 1945 Bischof Popp zur Flucht aus Zagreb riet, lehnte Popp den Rat ab. Es müsse ein evangelischer Seelsorger in Zagreb bleiben, weil sich die Gemeindemitglieder andernfalls zum Austritt aus der evangelischen und zum Übertritt in die katholische
427 PAAA-GZ, 207 Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10. und 28.7.1944. 428 Ebd., Bericht der dt. Gesandtschaft an das AA betr. kirchenpolitische Lage in Kroatien, 10. und 28.7.1944; Ebd., 67/7 Schreiben an Glaise von Horstenau, die deutsche Gesandtschaft in Zagreb und den Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, 30.3.1944; Ebd., Deutsche Gesandtschaft, gez. Völkers, an das AA betr. Besuch ostbosnischer Muslime in der Gesandtschaft, 3.8.1944; Ebd., Protokoll zum Besuch, 28.7.1944. Nazif Bubić organisierte die Ustaša in Ostbosnien 1941. Er galt für die deutschen Diplomaten als ein Führer der Muslime. Vor dem Krieg war er Generalsekretär der Bauernpartei in Bosnien. Die besonders durch die Überfälle der Četnici gefährdeten Orte waren Sokolovic, Rogatica und Ostrožac. 429 PAAA-GZ, 207 Fernschreiben von Kasche an das AA, 18.8.1944; Auch die deutsche Grenzwacht brachte Meldungen über die Eröffnung der Moschee, nebst Meldungen zur Arbeit der kroatisch-orthodoxen Kirche, z. B. 25.8.1944.
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Kirche entschließen könnten, lautete seine Erklärung.430 Möglicherweise rechnete er auch damit, von der neuen Regierung verschont zu bleiben. Er wuchs immerhin in serbischem Umfeld auf, pflegte in der Zwischenkriegszeit gute Beziehungen zur serbischen Politik und zeigte sich immer loyal zum jugoslawischen Staat. Vielleicht hoffte er auch auf mildernde Umstände wegen seiner Beziehungen mit den Vertretern der serbisch-orthodoxen Kirche. Bischof Philipp Popp wurde im Juni 1945 von der Partisanen-Regierung wegen Kollaboration mit dem Ustaša-Regime standrechtlich erschossen. Branimir Altgayer wurde ebenfalls zum Tode verurteilt und erschossen. Die evangelische Kirche, die nach Aussiedlung, Flucht und Vertreibung der Deutschen nur noch etwa 5.000 Mitglieder zählte, wurde enteignet. Die Grundlage dafür bot die Entscheidung des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens (AVNOJ) über die Enteignung aller Personen deutscher Volkszugehörigkeit vom 21. Oktober 1944 und das folgende Gesetz über die Konfiszierung des Besitzes der Feinde und die Zwangsverwaltung des Besitzes abwesender Personen. Der Präsident der evangelischen Kirche in Zagreb, Miroslav Frelić, und der Sekretär Martin Tot richteten am 18. Dezember 1946 eine Bittschrift zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Enteignung an die Staatsanwaltschaft der Volksrepublik Kroatien. Die Bittschrift stützte sich insbesondere auf das Argument der Multiethnizität der Mitglieder der evangelischen Kirche. Weil sie nicht alle ethnische Deutsche waren, appellierte die Kirchenführung, die Enteignung aufzuheben. Die evangelische Gemeinde in Zagreb distanzierte sich vom deutschen Charakter wie auch von der nationalsozialistischen Ausrichtung der evangelischen Kirche. Die Verantwortung für die Kollaboration mit den Feinden wurde einzelnen Führungspersonen zulasten gelegt. Die Gemeinde bat um die Rückgabe des Gebäudes und des Grundstückes in der Gundulićeva Straße 28, die 60 Jahre lang im Besitz der evangelischen Kirche waren. Es wurden keine Ansprüche auf die während des Krieges von der UstašaRegierung erhaltenen Gebäude am Trg Žrtava Fašizma gestellt.431 Die Leitung der Zagreber Gemeinde wurde vom Sohn des ehemaligen Bischof Philipp Popp, Edgar Popp, geführt. Seine Wahl und die Wahl des Presbyteriums standen unter Beobachtung des jugoslawischen Innenministeriums und der Religionskommission des Regierungspräsidiums. Gegen die Wahl von Edgar Popp gab es Widerstand aus den Reihen der Gemeindemitglieder, vor allem wegen der Rolle seines Vaters im UstašaRegime. Im September 1946 schrieb Edgar Popp an den befreundeten reformierten Pfarrer Heinrich Weidmann: „Mein Vater hat den Fehler begangen nur das Deutsche hervorzuheben. Wir währen in Kroatien viel stärker, wenn wir kroatisch gepredigt hätten.“432 Die Distanzierung gegenüber seinem Vater war ein notwendiger Schritt, um die Gemeinde von innen zu stärken und ein Signal an die Religionskommission
430 EZA/200/2/36 Evangelischer Oberkirchenrat in Wien an die Gustav Adolf-Stiftung, 16.1.1945. 431 DAOS-469-12 Bittschrift betr. Schutz der Gesetzmäßigkeit, evangelische Kirchengemeinde in Zagreb an die Staatsanwaltschaft der Republik Kroatien, 18.12.1946. – Zu Popps und Altgayers Verurteilung und zum Schicksal der deutschen Bevölkerung in Kroatien allgemein geigeR, Vladimir: Nestanak Folksdojčera [Das Verschwinden der Volksdeutschen]. Zagreb 2007, hier 103–109; deRS., Folksdojčeri, 78–89; WehLeR, Nationalitätenpolitik, 20, 76–95. 432 HR-DAOS-46912 Edgar Popp an Heinrich Weidmann, September 1946.
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zu senden. „So ringe ich jetzt um jede protestantische Seele“433, schrieb er an Weidmann. 1946 habe es sogar acht Übertritte der Katholiken in die evangelische Kirche gegeben, berichtete er.434 Die reformierte Kirche, die sich während der Kriegszeit außerhalb der Organisation der deutschen evangelischen Kirche befand, blieb von der Konfiszierung verschont.435 Das Presbyterium in Zagreb unterbreitete dem reformierten Bischof Ágoston Sándor (1882–1960) einen Vorschlag zum Anschluss der evangelischen Gemeinden an die reformierten. Doch Bischof Ágoston wollte kein „troianisches Pferd in seine Kirche einführen“436. Die deutsche evangelische Kirche ging schließlich in die kroatische evangelische Kirche auf. Doch wie richteten sich die verschiedenen Kirchen in der anbrechenden kommunistischen Ära ein und wie ging man mit der kirchlichen Elite im neuen Staat um? Der antifaschistische Landesrat der Volksbefreiung Kroatiens (ZAVNOH) hatte bereits in seiner Präsidiumssitzung Ende August 1944 entschieden, dass die religiösen Übertritte der Orthodoxen für ungültig erklärt werden sollen. Den Antrag hatte der Serbische Verein (Srpski klub) gestellt. Außerdem wurde eine Kommission für religiöse Fragen unter der Leitung des römisch-katholischen Priesters Svetozar Rittig, des orthodoxen Priesters Ilija Cuk und des Anwalts Ivan Tremski gegründet.437 Ab Herbst 1944 verließen die Partisanen im Rahmen ihres gesamtjugoslawischen Nationsbildungsprozesses den freundlichen Kurs gegenüber dem katholischen Klerus. Antikommunistische Geistliche wurden pauschal für Verbrechen an den Serben mitverantwortlich gemacht, wohingegen Fikreta Jelić-Butić die Zahl der aktiv an den Verbrechen gegen Zivilisten beteiligten katholischen Priester auf elf bezifferte. Stepinac verweigerte eine Loslösung der katholischen Kirche vom Vatikan. Zudem veröffentlichten im März 1945 fünf kroatische Bischöfe (Šarić, Garić, Šimrak, Akšamović und Stepinac) einen Hirtenbrief, in dem sie das kroatische Bestreben nach einem eigenen Staat aber auch den Kommunismus verdammten.438 Sympathien der Partisanen gewannen sie dadurch gewiss keine. Die katholische Kirche hatte die kommunistische Regierung nie legitimiert, obwohl sie auch von Hunderttausenden Kroaten getragen wurde. Die serbisch-orthodoxe Kirche verweigerte ebenfalls unter Agitation von Bischof Nikolaj Velimirović aus dem Exil die Legitimation des kommunistischen Regimes und änderte niemals ihren Standpunkt. Die islamische Glaubensgemeinschaft und die mazedonische orthodoxe Kirche taten das Gegenteil.439 Die römisch-katholische Kirche in Kroatien wurde der Kollaboration mit dem Ustaša-Regime für schuldig befunden. Stepinac wurde 1946 zu 16 Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit verurteilt. Nach sechs Jahren wurde er unter Hausarrest
433 Ebd. 434 Ebd. 435 Ebd., Bittschrift betr. Schutz der Gesetzmäßigkeit, evangelische Kirchengemeinde in Zagreb an die Staatsanwaltschaft der Republik Kroatien, 18.12.1946. 436 HR-DAOS-469-12 Edgar Popp an Heinrich Weidmann, September 1946. 437 HR-HDA-207, Z-2686, Film Nr. 14, Beschlüsse der Sitzung der ZAVNOH-Präsidentschaft in Topusko am 25. und 26.8.1944; Ebd., Protokoll der Sitzung am 24. und 25.8.1944. 438 buchenau, Katholizismus, 248; PeRica, Idols, 25, 27; jelić-Butić, Ustaše, 219. 439 PeRica, Idols, 26.
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gestellt, wo er 1960 verstarb.440 Der Metropolit der kroatisch-orthodoxen Kirche, Germogen, wurde zum Tode verurteilt.441 Der griechisch-katholische Bischof Janko Šimrak wurde verhaftet, entging aber einer Verurteilung.442 7. ERGEBNISSE Das dritte Kapitel untersuchte die Religionspolitik der Ustaša vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen (Religions-)Politik in Kroatien und Serbien unter Berücksichtigung zwischenkirchlicher Zusammenarbeit sowie der Handlungsräume deutschstämmiger Akteure im NDH. Schon zu Beginn der bewaffneten Konflikte im NDH, versuchten die Nationalsozialisten religiöse Akteure für ihre Strategien zu vereinnahmen. Insbesondere ausgehend vom Auswärtigen Amt wurden über das Kirchliche Außenamt der Deutschen evangelischen Kirche die traditionell guten Beziehungen der evangelischen Kirche mit der serbisch-orthodoxen Kirche verwertet. Solche Initiativen waren jedoch regionenübergreifend. Für ihre Ostpolitik nutzten die Nationalsozialisten die evangelische Kirche seit Mitte der 1930er Jahre zur Beeinflussung der Bevölkerung in Osteuropa. Die serbische Nedić-Regierung bediente sich dergleichen Taktiken und arbeitete zusammen mit den deutschen Stellen an der Beeinflussung des serbisch-orthodoxen Klerus in Serbien. Die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche im NDH konnte anhand der NS-Politik eingehend kontextualisiert werden. Diskutiert wurden die Hintergründe der Kirchengründung und die Provenienz der Initiative. Dabei konnten konkrete deutsche Vorschläge sowie zeitliche und sachliche Parallelen zwischen dem deutschen Bemühen, die serbisch-orthodoxe Kirche in Serbien zu vereinnahmen, und der Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche im NDH sichtbar gemacht werden. Allerdings führte die Gründung der kroatisch-orthodoxen Kirche zu massiven Spannungen zwischen den deutschen Stellen und der für die Bekämpfung des „Bolschewismus“ sehr wichtigen russischen Auslandskirche. Das Auswärtige Amt drängte außerdem zur Begrenzung des Einflusses der römisch-katholischen Kirche im NDH, weil er den Beziehungen mit der Orthodoxie insgesamt nicht zuträglich war. Die Gründung der Religionsabteilung der „Erneuerung“ im September 1941 erscheint deshalb auch als ein Versuch Pavelićs, den Einfluss der römisch-katholischen Kirche zu mindern. Dafür sprechen zudem Pavelićs Anfragen an den deutschen evangelischen Bischof im NDH und seine Bereitschaft, ihm bei der Konversion der Orthodoxen zu helfen und einen Teil zum Protestantismus zu konvertieren. Sowohl Pavelić als auch der deutsche militärische Befehlshaber in Serbien inszenierten das Zugehen auf die
440 bRemeR, Geschichte, 42; Zu den belastenden Dokumenten im Stepinacs Prozess Pattee, Case; štamBuk-škalić, Marina: Gradivo: Dokumenti obrane u sudskom procesu protiv nadbiskupa Alojzija Stepinca I/II/III [Quellen: Dokumente zur Verteidigung im gerichtlichen Prozess gegen Erzbischof Alojzije Stepinac I/II/III]. In: Fontes: izvori za hrvatsku povijest 02, Nr. 1. (1996), 45–312; aLexandeR, Mit, 105–149. 441 ShKaRovSKi, Kirchenpolitik, 269. 442 šKiLjan, Prijelazi, 101.
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serbisch-orthodoxe Kirche als eine Initiative der Kirche selbst dar, um die Aussichten auf Erfolg bei den Gläubigen zu erhöhen. Serbische Übertritte zum evangelischen Glauben führten ebenfalls zu Spannungen zwischen der evangelischen Kirchenobrigkeit und der Ustaša-Regierung. Auf lokaler Ebene sabotierten anscheinend zivile Verwaltungen und die Ustaše die theoretisch möglichen Konversionen zum Protestantismus. Die Konversionen zum evangelischen Glauben bedrohten die Vorstellungen von der religiösen Ordnung in den Gemeinden. In diesem Zusammenhang beschwerte sich der evangelische Bischof Popp zum Zeitpunkt der katholischen Bischofskonferenz offiziell bei Pavelić und trug ebenfalls dazu bei, dass die NDH-Regierung im Winter 1941/42 die Beziehungen zu den Religionsvertretern änderte. Popp forderte Gleichberechtigung mit der römisch-katholischen Kirche und dem Islam sowie auch, die inneren Kirchenangelegenheiten – zu denen auch die Konversionen zählten – analog zur römisch-katholischen Kirche, selbständig und frei zu bestimmen. In der Frage der Konversionen zur deutschen evangelischen Kirche wurden Unterschiede zwischen den Vorstellungen der deutschen Volksgruppenführung im NDH und den innerdeutschen Stellen sichtbar. Während vom Reich aus Initiativen zur Zusammenarbeit zwischen der evangelischen Kirche und der orthodoxen Kirche angestrebt wurden, lehnte die Volksgruppenführung eine „Überfremdung“ des deutschen Charakters der Kirche ab. Die evangelische Kirche im NDH zeigte allerdings Interesse an der Aufnahme einer größeren Zahl serbischer Konvertiten und führte die Konversionen auch zum Teil durch. Der katholischen „Übermacht“ sollte auch auf diese Weise begegnet werden. Die Ausarbeitung einer neuen evangelischen Kirchenverfassung machte die Konflikte zwischen der evangelischen Kirchenführung und der Volksgruppenführung transparent, was insgesamt gegen das „Deutschtum“ im NDH als einer ideologisch geschlossenen Entität spricht. Die deutsche Volksgruppenführung versuchte, zum Teil mit dem Zuspruch der Volksdeutschen Mittelstelle und des Auswärtigen Amts, die deutschen religiösen Führer auf katholischer wie evangelischer Seite zu neutralisieren, ihre Verbindungen zu den religiösen Zentren im Reich zu unterbinden und ein überkonfessionelles Deutschtum zu fördern. Die Evangelischen befürchteten jedoch eine völlige Zurückdrängung seitens der überwiegend aus katholischen Mitgliedern zusammengesetzten Volksgruppe. Die kontroversen Räume Identitätsbildung, „Volkstumspflege“ und Jugenderziehung wurden von kirchlichen wie national-völkischen Akteuren beansprucht. Insgesamt verschärfte die kroatische Konversionsstrategie die Spannungen aufgrund der religiösen Mehrheits- und Minderheitsverhältnisse auch unter der deutschen Bevölkerung. Die nationalsozialistische Religionspolitik im südslawischen Raum war ab 1942 wegen der Versuche der Annäherung der Ost- und Westkirchen maßgeblich von den Vorstellungen der Bildung eines antideutschen Blocks aus der römisch-katholischen, der serbisch-orthodoxen und anglikanischen Kirche beeinflusst. Wegen der anti-nationalsozialistischen Haltung Stepinacs, der Verschlechterung der deutschen Beziehungen zu den bosnischen Muslimen und aufgrund der Vergrößerung des katholischen Machtbereichs übten die deutschen Stellen im NDH Druck auf die NDH-Regierung aus. Die deutsche Gesandtschaft in NDH „verwendete“ zudem religiöse Akteure, darunter auch römisch-katholische Geistliche, zur Durchsetzung
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deutscher Interessen, wie z. B. zur Unterstützung muslimischer Gläubiger und ihrer Vereinnahmung für das Dritte Reich. Bei einer differenzierten Betrachtung der römisch-katholischen Geistlichen bestätigte sich erneut die eingangs aufgestellte Annahme einer Abhängigkeit der religiösen Botschaft des Klerus von den Bedürfnissen politischer Akteure. Der in den ländlichen Gebieten traditionell volksnahe niedere Klerus und die Franziskaner waren nationalistisch und pro-Ustaša orientiert. Der hohe Klerus orientierte sich an den Bedürfnissen politischer Eliten in den Machtzentren, zeigte sich regimefreundlich, wenn er auch die Methoden der Ustaša ablehnte und gleichzeitig den katholischen Universalismus nicht aus dem Blick verlor. Hinzu kam der Gegensatz zwischen der hohen Kirche und den Franziskanern. Die Untersuchung erklärte vermeintliche Paradoxien, warum z. B. ein Teil der Franziskaner zu den Partisanen ging, ein Teil des Klerus den Nationalsozialismus kritisierte oder wieso katholische Geistliche weder die Ustaša noch Stepinac guthießen. Die Konkurrenz im religiösen Feld ist auf Verschiebungen der Mitgliederzahlen durch religiöse Übertritte, Kirchenverbote, Aussiedlungen, Vertreibungen und Kirchengründungen sowie bei Kirchenanschlüssen zurückuzführen. So diskutierten politische und religiöse Akteure über den Anschluss der kroatischen altkatholischen Kirche an die deutsche evangelische Kirche, den Zusammenschluss der reformierten Evangelischen mit den Evangelischen augsburgischen Bekenntnisses, die Gründung evangelischer Konvertitengemeinden und sogar einer kroatischen evangelischen Kirche. Im Vordergrund standen für die politischen Akteure stets Pläne zur Bevölkerungskontrolle und Gruppenbildungsprozesse und für die religiösen Akteure die Mitgliederzahlerhöhung und Vergrößerung des Einflussbereichs. Nationalsozialistische Interessen bildeten dabei den Handlungsrahmen. Das dritte Kapitel zeichnete auch ein Bild über die vorherrschenden kirchlichen und politischen Strukturen in den deutschen Siedlungen im NDH. Zu den Zielen der deutschen Volksgruppenführung gehörte eine formalrechtliche Loslösung der Volksgruppe von den konfessionellen Gemeinschaften und die Anerkennung der „Deutschen Gottgläubigkeit“. Die angestrebte Trennung des Konfessionellen vom Völkischen hing mit der erhofften Begrenzung der Macht der kirchlichen Autoritäten zusammen und sollte durch die Aufhebung der konfessionellen Schranken zu einer Einheit aller Deutschen führen. Die „Deutsche Gottgläubigkeit“ sollte als das Verbindungsglied fungieren, konnte jedoch als Kategorie in Kroatien nicht durchgesetzt werden. In der Abhängigkeit staatlicher Strukturen von den kirchlichen sah die Volksgruppenführung die Gründe für die Assimilation der katholischen Deutschen in Kroatien. Die von der deutschen Volksgruppenorganisation angestoßene Dissimilation der katholischen Deutschen führte, wie an Beispielen auf der lokalen Ebene verdeutlicht wurde, zu einem Konflikt mit der römisch-katholischen Kirche und offenbarte auch Konflikte zwischen den deutschen und kroatischen katholischen Geistlichen. Hervorgehoben werden muss, dass die Präsenz deutscher Katholiken in gemischten Dörfern mit einem serbischen Bevölkerungsanteil keine eindämmende Wirkung auf den Umfang der erzwungenen Konversionen zum römisch-katholischen Glauben hatte. Die Volksgruppenorganisation und die Ustaša gerieten regelmäßig in Konflikte um die Verteilung von Ressourcen und Macht.
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Diese Verteilungskonflikte sowie die serbischen Racheakte, die die ganze Region weiter destabilisierten und auch die Deutschen zum Ziel hatten, waren der Grund für die Kritik der Volksgruppe am gewaltsamen Vorgehen der Ustaša. Gleichzeitig versuchte die Volksgruppenorganisation gleich der deutschen militärischen Verwaltung, Kooperationen mit den serbischen Četnici zu schmieden. Um die Unterstützung der bosnischen Muslime herbeizuführen, manipulierte das Auswärtige Amt und die deutsche Gesandtschaft im NDH die muslimischen religiösen Führer. Die dafür eingespannten Mittel und die Propaganda decken sich zeitlich und sachlich mit Pavelićs „Charmoffensive“ gegenüber den Muslimen und ihren religiösen Führern. Allerdings sorgte die deutsche Aufstellung rein-muslimischer Verbände – wobei die deutschen Rassenkriterien im Werben um die Muslime von Himmler aufgeweicht wurden – wegen des befürchteten Erstarkens der muslimischen autonomistischen Strömungen für Konflikte mit der kroatischen Regierung. Insgesamt zeigte die Studie, wie durchlässig und flexibel die Ideologie der Nationalsozialisten gegenüber den situativen Bedürfnissen war. Die Befriedungspolitik unter religiösen Vorzeichen verschärfte vor allem im bosnischen Grenzgebiet die Gewalt zwischen den Konfliktparteien. Die gleichzeitige Unterstützung serbischer Priester in Bosnien durch das deutsche Militär resultierte in Protesten der Muslime gegen die Deutschen und die Ustaša. Sowohl die Ustaše als auch die Deutschen nahmen 1944 die letzten Chancen zur Befriedung der Bevölkerung durch die Öffnung von vermeintlich kroatischen orthodoxen Kirchen und schließlich auch einer Moschee mitten in Zagreb wahr. Für die Bekämpfung des gemeinsamen Feinds, der Partisanen, reichte es nicht. Die Verästelung des religionssoziologischen und des politikwissenschaftlichen Ansatzes in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt zeigte sich auf vier Feldern besonders effektiv. Erstens konnte durch eine so geschaffene theoretische Synthese die Religion als eine Ressource verortet werden, welcher sich die politischen regionalen und nationalsozialistischen Akteure für die Mobilisierung der Anhänger und die Gewinnung breiter gesellschaftlicher Kreise für ihre Politik und auch Gewaltstrategien bedienten. Zweitens zeigte die Studie, dass sich eine Instrumentalisierung der Religion nicht nur in eine Richtung vollzog, sondern die religiösen Akteure den Grad der Vereinnahmung religiöser Traditionen maßgeblich beeinflussen konnten. Dadurch konnten sie die Ustaše und Nationalsozialisten dazu zwingen, ihre Strategien zu modifizieren. Die Intersubjektivität religiöser Traditionen wurde deutlich. Der Klerus anerkannter Religionsgemeinschaften verstand es außerdem, die neu entstandene Situation seit der Gründung des NDH für eigene kirchenpolitische Zwecke zu nutzen. Drittens wurde ausführlich beleuchtet, in welchem Verhältnis die Einstellungen, Entscheidungen und Handlungen der religiösen Akteure zu den Bedürfnissen der Ustaše standen. Die religiösen Akteure generierten ihre Botschaft in Abhängigkeit von Zeit und Raum. Sie waren von den Vorstellungen der Regimeträger abhängig, die ihre materielle Existenz sicherten und ihrer religiösen Botschaft Bedeutung verliehen. So gab es keine monolithischen Blöcke, sondern verschiedene Strömungen und Fraktionen innerhalb der Geistlichkeit aller religiösen Gruppen. Viertens wurden Konkurrenzverhältnisse der religiösen Akteure im religiösen Feld sichtbar. Sie äußerten sich im Bestreben
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um gleichberechtigte Ressourcenverteilung, Erhöhung der Mitgliederzahl und die Vergrößerung des Einflussbereichs in der Gesellschaft. Durch die Instrumentalisierung der Religionen vonseiten der Politik wurden fünftens, wie anhand der Bildung der politischen Koalitionen verdeutlicht, die Konfliktsituation und die Gewalt deutlich verschärft. Die Instrumentalisierung der Religion zum Zweck der Befriedung des Landes scheiterte. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist die Zäsur der zweiten Kriegshälfte. Spätestens ab Ende 1942 verfolgten die politischen Akteure eher die weltanschaulichen und ideologischen Interessen, wohingegen sie von den Strategien zur Konstruktion bzw. Dekonstruktion religiöser Unterschiede abwichen. Die Verdrängung der Religion als eine mobilisierende Ressource, wenn sich auch politische Akteure bis zum Ende des untersuchten Zeitraums der Autorität der religiösen Akteure bedienten, wich überkonfessionellen Modellen der Integration von Gruppen. Dies ist nicht nur aufseiten der Ustaša und den Nationalsozialisten beobachtbar. Die populärste, kommunistisch geführte Massenbewegung Europas entwickelte sich in diesem Raum der religiös-ethnischen Heterogenität und wechselnder nationaler und religiöser Zugehörigkeiten. Somit ist die integrierende Macht der Religion infrage zu stellen und insgesamt, wie die Studie zeigte, als ein erfolgloses Unterfangen zu bezeichnen. Im Allgemeinen täuscht die hohe Zahl der unterschiedlichen Versuche der politischen Eliten die Religion zu instrumentalisieren über den tatsächlichen Erfolg solcher Religionspolitiken und Instrumentalisierungen zu Mobilisierungsund Gruppenbildungszwecken hinweg. Die Anziehungskraft der schließlich siegenden Partisanen hatte auch eine religiöse Komponente. Für die Ustaša-Verwaltung im Laufe des Krieges immer mehr zum Instrument und zur Ware gemacht, ohne Bezüge zum Transzendenten, gelangte die Religiosität der Menschen in einen Säkularisierungsstrudel. Je intensiver die Ustaša ihre Religionspolitik verfolgte und je mehr das Regime auf die religiösen Akteure setzte, desto profaner wurden die vermittelten religiösen Inhalte. Zudem vermochte die öffentliche Degradierung des Glaubensbekenntnisses zur bloßen politischen Strategie – zumal unter massiven Kriegseinwirkungen und Gewalterfahrungen – ihre Wirkung in Richtung der Herausbildung säkularer Werte entfaltet haben. Die religiösen Akteure hatten sich durch Zusammenarbeit mit verbrecherischen Politikern zutiefst diskreditiert und ihr Vertrauen bei den Laien verspielt. Ihre Autorität hatten sie selbst untergraben. In dieser Lesart spielte die Ustaša der Partisanenbewegung die Trümpfe zu. Die Aufladung der Konflikte mit religiöser Symbolik resultierte wegen ihrer enormen Gewaltentladung in mehr Distanz zur Religion. Der Partisanenwiderstand entstand in einer Situation der multiethnischen Konfrontation. Er transzendierte die religiösen und ethnischen Unterschiede und brachte durch die Reproduktion der bereits vorhandenen, mehr oder minder vorherrschenden religiösen Indifferenz und der wechselnden nationalen Zugehörigkeiten die große Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Die Botschaft der Partisanen, „Brüderlichkeit und Einigkeit“ über die religiösen und ethnischen Unterschiede hinaus, hatte ironischerweise mehr Potenzial für die Gruppenbildung als jede andere Botschaft zuvor. Hier scheint die Frage berechtigt, ob aus der symbolischen Ordnung der Partisanenbewegung in der Nachkriegszeit eine politische Religion
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erwuchs. Fluide nationale Loyalitäten schienen auch für die katholischen „Volksdeutschen“ zuzutreffen, wie die Volksgruppenführung regelmäßig bemängelte. Für sie galt es, die assimilierten Deutschen zurückzugewinnen. Diese im Nazi-Vokabular auch als „Zwischenschicht“443 bezeichnete Bevölkerung wurde im NDH einer „Renationalisierung“ unterzogen. Die Beschäftigung mit der Kategorie Indifferenz im gesamtjugoslawischen Kontext verspricht jedenfalls innovative Forschungsvorhaben, um das Zusammenleben im pluriethnischen Kontext, die supranationalen Bewegungen u. a. besser verorten und erklären zu können. Die Untersuchungsergebnisse zum Verhältnis zwischen Gewalt und Religion in Kroatien erklären sich nicht aus deutschen Entwicklungen oder der NS-Programmatik heraus. Bei der Einbettung der Untersuchung in die Forschung zur NS-Herrschaft und zum Holocaust können vor allem postfunktionalistische Sichtweisen gestärkt werden. Zunächst sei jedoch hervorgehoben, dass der Holocaust in Kroatien zwar unter deutschen Rahmenbedingungen begann, organisiert wurde er aber 1941 von der Ustaša und von den Nationalsozialisten. Die ethnonationale Gewalt der Ustaša gegenüber den Serben geschah im Hintergrund und unter Nutzung der NS-Herrschaft.444 Die Entscheidungsräume der Ustaša waren ungleich höher als bei anderen regionalen Akteuren in z. B. Polen oder Serbien. Von den NS-Apparaten wurden die Alleingänge der Ustaša in der Serbenpolitik hingenommen, wenn auch mit wachsenden Bedenken. Sie tangierten nämlich deutsche Ressourcen, so dass ab Ende 1942 das NS-Regime den Druck auf die Ustaše verstärkte, damit sie die Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung erlangten. In der Frage der Radikalisierung der staatlichen Gewalt gegenüber den verfolgten Bevölkerungsgruppen im NDH konnte die Studie hinsichtlich der serbischen Bevölkerung ideologische und praktische Flexibilität ausmachen. Während es bei der jüdischen Bevölkerung keine Zäsuren der Gewalt, sondern eine kumulative Radikalisierung der Verfolgung445 gab und ab Sommer 1941 eine dynamisierende und radikalisierende Gewaltspirale in Gang gesetzt wurde, kamen in den unterschiedlichen Stufen der Serbenpolitik ab Herbst 1941 zunehmend Anzeichen einer „Entradikalisierung“ zum Vorschein. Die Zäsur der zweiten Kriegshälfte bedeutet somit, dass das Konzept über eine integrierte Gewaltgeschichte im NDH unberechtigt ist. Die Konversionspolitik und ferner die Religionspolitik der Ustaša insgesamt standen für eine geänderte ideologische Ausichtung, die aus herrschaftsrationalen Erwägungen auf eine Inklusion der Serben in den kroatischen nationalen Korpus abzielte. Dies soll jedoch nicht heißen, dass die extreme Gewalt der Ustaša gegenüber der serbischen zivilen Bevölkerung eingeschränkt wurde. Den Nationalsozialisten waren die ideologischen Grundlagen im NDH fremd. Hier muss eine Differenzierung zwischen der Ustaša und dem Nationalsozialismus bzw. dem kroatischen und deutschen Nationalismus vorgenommen werden. Das historisch gewachsene Inklusionsmodell der Kroaten gegenüber den Serben stand dem rassisch exklusiven Modell des Nationalsozialismus gegenüber, welchem der 443 Nach einem Zitat über die nationale Indifferenz in Prag zahRa, Noncommunities, 108. 444 KoRb, Schatten, 10 f., 14, 36, 139, 277, 449. 445 In Bezug zum Vernichtungsprogramm gegen Juden im Osten insgesamt mommSen, NS-Regime, 176. – aLy, „Endlösung“, 398.
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Ausschluss von „Fremdvölkischen“ inhärent war. Die neuere Gewaltforschung zum NDH verwies bereits auf die Flexibilität der Ustaša in der Definierung und Kategorisierung der Bevölkerung. Sie arbeitete die Unterschiede zur biologistischdeterministisch aufgeladenen nationalsozialistischen Ideologie, Programmatik und Praxis heraus.446 Die diskutierten Religionspolitiken und Vereinnahmungen der religiösen Akteure seitens der Ustaša und der Nationalsozialisten bestätigen hinsichtlich rassischer Kriterien allerdings auch eine herrschaftsrationale und situative Praxis der Nationalsozialisten. Die Inkohärenz der NS-Ideologie ermöglichte, dass die rivalisierenden politischen Akteure widersprüchliche Politikentwürfe ideologisch legitimieren konnten.447 Die untersuchten religionspolitischen Strategien der deutschen Stellen im NDH zeigten, wie aufgeweicht die rassischen Kriterien hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den Muslimen und Serben, des Anschlusses „fremdvölkischer“ Kirchen an die DEK oder auch der „Rückvolkung“ der „Volksdeutschen“ waren.448 Die Spannungen zwischen den unterschiedlichen deutschen Stellen im NDH, z. B. der Gesandtschaft und den militärischen Akteuren einerseits und ihr Verhältnis zu den Reichsstellen andererseits, zeugen nicht von einem programmatischen und durchgeplanten Vorgehen, sondern vom „permanente(n) Ineinandergreifen von Praxis und Planung“449. Die herrschaftsrationale Praxis im Kampf gegen den Partisanenwiderstand manifestierte sich beispielsweise in der Bildung muslimischer Kampfverbände und den Allianzen mit den Četnici. Das Ämterchaos bzw. eine Mischung aus Improvisation und Chaos des nationalsozialistischen Systems450 entfaltete seine Wirkungsweise im NDH kongruent zum Erstarken des serbischen- und Partisanenwiderstandes. Das Auswärtige Amt, die Volksdeutsche Mittelstelle oder die deutsche Gesandtschaft in Zagreb verfolgten unterschiedliche Strategien bei der Vereinnahmung religiöser Akteure. Eine Differenzierung des Machtapparates ist neben den deutschen Institutionen auch für die kroatischen Institutionen beobachtbar. Verdeutlicht wurden verschiedene Machtzentren in der Nähe des Staates, der Ustaša und den Ministerien sowie der Hochkirche und den Franziskanern. Die polykratische Herrschaft bzw. die Interessendivergenzen zwischen den einzelnen Spitzenvertretern der einschlägigen Institutionen451 waren charakteristisch für das NS- wie auch das Ustaša-Regime.
446 KoRb, Schatten, 443 f. 447 WoLF, Ideologie, 12. – Mommsen betont am Beispiel der Nürnberger Gesetze: „begrenzt miteinander kompatible ideologische Zielvorstellungen schufen einen Handlungshorizont, innerhalb dessen taktische Beweggründe […], die Interessen der für Rassenfragen zuständigen Parteiführer, die Vorstellungen der beteiligten Ressorts und der Rassentheoretiker zu einem instabilen Formelkompromiss zusammenflossen […].“ mommSen, NS-Regime, 63. 448 Für Polen wurden Politiken der Nationalsozialisten beobachtet, die nicht nur auf die Exklusion rassisch Fremder sondern auch auf die Inklusion völkisch Gleicher und die Assimilation Nichtdeutscher abzielten. WoLF, Ideologie, z. B. 14 f., 488. 449 So im Zusammenhang mit der NS-Judenpolitik insgesamt. aLy, „Endlösung“, 390. 450 Gleich der Situation in Ost- und Ostmitteleuropa, mommSen, NS-Regime, 176. 451 Aly, „Endlösung“, 390, 399. – Wehler spricht vom „Kompetenzwirrwarr des ‚gelenkten Chaos‘ polykratischer Herrschaftsparzellierung und – überschneidung“. WehLeR, Nationalsozialismus, 232.
ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Upravna podjela NDH [Verwaltungsgliederung des NDH]. Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin SBB IIIC 2K 10683 .............. 351 Abbildung 2: Priručni zemljovid NDH [Landkarte des NDH]. Quelle: Österreichische Nationalbibliothek KAR 2018 0984, Z70024405 .................................................................................. 352
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AA Anm. d. A AVNOJ Bf. DEK EK Erzbf. Fn. HKP HKS KAEK KB KWDS KOK NDH o. D. o. O. o. S. Pf. Ponova RBiH RKA RKK RSHA SOK VG ZAVNOH
Auswärtiges Amt Anmerkung der Autorin Antifaschistischer Rat der Nationalen Befreiung Jugoslawiens Bischof Deutsche evangelische christliche Kirche augsburgischen Bekenntnisses Evangelische Kirche Erzbischof Fußnote Hrvatski katolički pokret [Kroatische katholische Bewegung] Hrvatski katolički seniorat [Kroatisches katholisches Seniorat] Kirchliches Außenamt der Deutschen evangelischen Kirche Schwäbisch-Deutscher Kulturbund Kultur- und Wohlfahrtsvereinigung der Deutschen Slawoniens Kroatisch-orthodoxe Kirche Unabhängiger Staat Kroatien ohne Datumsangabe ohne Ortsangabe ohne Seitenangabe Pfarrer Staatsdirektion für Erneuerung Republik Bosnien und Herzegowina Reichsverband für das katholische Deutschtum im Ausland Römisch-katholische Kirche Reichssicherheitshauptamt Serbisch-orthodoxe Kirche Volksgruppe Antifaschistischer Landesrat der Volksbefreiung Kroatiens
QUELLEN UND LITERATURVERZEICHNIS ARCHIVQUELLEN Kroatien HR-HDA Hrvatski državni arhiv u Zagrebu (Kroatisches Staatsarchiv in Zagreb) – 207 Zemaljsko antifašističko vijeće narodnog oslobođenja Hrvatske, ZAVNOH (Antifaschistischer Landesrat der Volksbefreiung Kroatiens) – 211 Hrvatski državni sabor (Kroatischer Landtag) – 212 Predsjedništvo vlade Nezavisne države Hrvatske (Regierungspräsidium des NDH) – 218 Ministarstvo pravosuđa i bogoštovlja. Odjel za bogoštovlje Nezavisne države Hrvatske, MPB NDH (Ministerium für Justiz und Religion. Abteilung für Religion des NDH) – 235 Konzularno predstavništvo Nezavisne Države Hrvatske u Beogradu (Konsularvertretung des NDH in Belgrad) – 237 Glavno ravnateljstvo za promičbu pri Predsjedništvu Vlade Nezavisne države Hrvatske (Propagandadirektion am Regierungspräsidium des NDH) – 367 Državni zavod za statistiku (Staatliches Amt für Statistik) – 1076 Državno ravnateljstvo za ponovu (Staatsdirektion für Erneuerung) – 1521 Hans Helm – policijski izaslanik pri Poslanstvu Trećeg Reicha u Zagrebu (Hans Helm – Polizeiattaché bei der Gesandtschaft des Dritten Reichs in Zagreb) HR-DASB Državni arhiv u Slavonskom Brodu (Kroatisches Staatsarchiv in Slavonski Brod) – 13 Gradsko poglavarstvo u Brodu na Savi 1941–45 (Rathaus in Brod an der Save 1941–45) – 189 Centar za povijest Slavonije i Baranje u Slavonskom Brodu (Geschichtszentrum von Slawonien und Baranja in Slavonski Brod) – 334 Župni ured evangeličko-augsburške crkvene općine u Slavonskom Brodu (Pfarramt der evangelisch-augsburgischen Kirchengemeinde in Slavonski Brod) – 351/3 Zbirka memoarskih zapisa 1937–1945 (Sammlung von Memoiren 1937–1945) HR-DAOS Državni arhiv u Osijeku (Kroatisches Staatsarchiv in Osijek) – 6 Gradsko poglavarstvo Osijek (Rathaus Osijek) – 467 Evangelički župni ured u Osijeku (Evangelisches Pfarramt in Osijek) – 469 Reformirana župa Tordinci (Reformierte Gemeinde Tordinci) – 701 Ured za podržavljeni imetak Osijek 1941–45 (Amt für verstaatlichtes Eigentum Osijek 1941–45) HR-DABJ Državni arhiv u Bjelovaru (Kroatisches Staatsarchiv in Bjelovar) – KOD Kotarska Oblast Daruvar (Bezirksverwaltung Daruvar) – VŽB Velika Župa Bilogora (Großbezirksverwaltung Bilogora) NA Nadbiskupijski arhiv, Zagreb (Erzbischöfliches Archiv, Zagreb) – ADS Arhiv Duhovnog stola, Urudžbeni zapisnici za 1941 (Archiv des erzbischöflichen Ordinariates, Eingangsregister zu 1941)
Bosnien und Herzegowina BiH-ATKT Arhiv Kantona Tuzla (Kantonalarchiv Tuzla) – IDžT Imamat džemata Tuzla (Muslimische Glaubensgemeinde Tuzla) – RPiNOBSB Z Radnički pokret i narodnooslobodilačka borba u sjeveroistočnoj Bosni (Arbeiterbewegung und Volksbefreiungskampf in Nordostbosnien)
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ZEITUNGEN UND ZEITSCHRIFTEN Brojitbeni izvještaj [Statistischer Bericht] Brüsseler Zeitung Deutsche Allgemeine Zeitung Dom [Heimat] Donauzeitung Glas Koncila [Stimme des Konzils] Grenzwacht Hrvat [Kroate] Hrvatski List [Kroatisches Blatt] Hrvatski Narod [Kroatisches Volk] Katolički List [Katholisches Blatt] Nedjelja [Sonntag]
Quellenpublikationen
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Monographien und Aufsätze
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REGISTER ORTSVERZEICHNIS A Aleksandrovac: 66 Altpasua: 242 Andrijevci: 103 Antunovac: 268 B Banja Luka: 37 Bačka Palanka: 101 Banatski Despotovac: 286 Bastajnica: 242 Bataković: 197 Batković: 196 Bečmen: 275 Bektež: 232 Belgrad: 36 Beli Manastir: 290 Berak: 291 Berek: 168 Berlin: 135, 217, 223, 250, 272, 282, 287, 305–307, 311 Bern: 139 Beška: 275 Bijeljina: 36, 95–96, 143, 145, 193–198, 303–304, 315 Bijeljina-Seoska: 95, 197 Bjelovar: 113, 130, 170, 176, 203, 235, 298 Bolfan: 201 Bonn: 131 Borovo: 101–102, 234–235 Bosanska Dubica: 226 Bosanska Gradiška: 227, 232, 261 Bosanski Brod: 73, 95, 183, 194, 205–206, 283 Bosanski Petrovac: 183 Bosanski Šamac: 72, 98, 197 Bosanski Svinjari: 301 Bračevci: 115 Braničevo: 216 Brčko: 36, 59–60, 67, 94, 96–98, 100, 116–117, 150, 162, 195, 197–198, 204, 309, 315 Brekinjska: 275 Breške: 100
Brezovice: 262 Brgule: 304 Brinjani: 113 Brod (Slavonski): 36, 55, 57, 67, 73, 94–95, 98, 109, 186, 189, 195, 204, 206, 238 Bršljanica: 113 Brusnica: 205 Budanci: 234 Budapest: 273, 309 Budimci: 89, 157, 237 Bugojno: 68 Bukvik: 97, 195 C Cabuna: 234, 300 Čačinci: 303 Čaire: 113 Čajniče: 150, 200 Čalma: 286 Čapljina: 165 Caprag: 59–60, 65 Cazin: 79 Čazma: 105, 174–175, 203 Čeminac: 289–290 Čepin: 79, 108, 121 Cholm: 227 Ciglenik: 297 Ćosići: 62–63 Čović Polje: 194 Crikvenica: 228 Crkvina: 197 Crno Blato: 316 Crvica: 199 Čuntić: 75–76 D Ðakovo: 35, 39, 45, 48, 50, 66, 84, 101, 105–109, 114–115, 132, 157, 164, 256, 281–283, 288–289, 291, 302 Dalj: 108, 186, 284–285, 296–297 Darda: 290 Darkovac: 232 Daruvar: 174, 285, 303 Daruvar Vanjski: 234
342 Derventa: 36, 61, 68, 73, 95, 98, 121, 147, 166, 204–206, 301, 303 Dišnik: 167–169, 171, 175, 177 Doboj: 36, 61, 76, 258 Dobrović(i): 92 Doljani: 193 Donji Lipovčani: 203 Donji Miholjac: 35, 87 Dračice: 66, 302 Dragaljevac: 195 Drenje: 115 Drenovci: 92, 97, 105 Dresden: 219 Dubica: 197, 306 Dubnica: 306 Dubrava: 232 Dubrave: 136 Dubrovnik: 39, 184 Dugo Polje: 301 Dvor: 76, 162 E Ernestinovo: 286 F Fakovići: 199 Foča: 150, 198, 200, 305, 315 G Gaboš: 235 Garešnica: 62, 112, 113–114, 167–169, 172, 175–176 Glina: 62, 72, 75, 128 Glogovac (vgl. Schutzberg): 89, 301 Gomirje: 176 Goražde: 150, 199–200 Gornja Narta: 235 Gornja Slatina: 204 Gornji Miholjac: 91, 231 Gornji Rahić: 97 Gornji Žabar: 198 Gospić: 71 Graberje: 105 Grabovac: 128 Gračanica: 36, 61 Gradačac: 36, 99, 301 Granje: 93 Grgurevci: 286, 291 Grubišno Polje: 62, 172 Guben: 308 Gundinci: 103 Gunja: 97
Register H Habjanovci: 136, 140 Hopovo: 176, 228 Hrastin: 275 Hrvaćani: 227 Hrvatska Kapela: 176, 202 Hrvatski Karlovci: 36, 166 Hrvatska Mitrovica: 36 Hudovo: 204 Hum: 88 Hvar: 39 I Ilok: 36, 67, 269 Imotski: 84 Inđija: 297, 303 Irig: 36, 96, 103 Istanbul: 58 Ivanjska: 235 J Jabukovac: 75 Janja: 197, 303 Jarmina: 235 Jasenovac: 11, 43, 140, 205, 314 Jastrebarsko: 171 Josipovac: 284, 290 Jovanovac: 284, 297 K Kalesija: 316 Kaniška Iva: 112, 114, 175 Kapelna: 92 Kaptol: 298 Karlovac: 40, 130, 138, 214 Kašta: 171 Katinci: 193, 227 Kiseljak: 316 Kladanj: 36, 61, 306 Klinča Selo: 99 Ključ: 112 Klokočevik: 106, 276 Kloštar: 105 Knin: 88 Koblenz: 287 Korodj: 275 Konstantinopel: 133 Koprivnica: 130, 162, 170, 176 Koraj: 98 Korenica: 79 Kostajnica: 64–65, 72 Kozarac: 147 Kozice: 231
Ortsverzeichnis Kozluk: 199 Kraljevac: 203 Krapanj: 140 Kravice: 284, 290 Kreševine: 113 Križevci: 39, 154, 166–167, 170, 176–177, 180, 201, 203–204, 228 Krndija: 286 Kunovi: 301 Kupinec: 314 Kutinica: 113 Kutjevo: 93, 298 L Laibach: 291 Laslovo: 275 Leipzig: 219 Lepavina: 176–177, 201 Lepoglava: 140 Lešnica: 303 Liješće: 73, 205 Lipnice: 204 Lipovčani: 175 Livno: 136 Ljubija: 138 London: 178, 212 Lukavac: 55 M Mačkovec: 128 Maglaj: 36, 61 Majar: 107 Makarska: 184 Maradik: 140, 232, 275 Marča: 176, 202 Markušica: 66, 101–102 Miljevina: 315 Miloševac: 197 Mostar: 37, 39, 118, 120, 136, 165, 180, 306 N Nabrđe: 114 Narta: 176, 202, 235 Našice: 35, 87, 90, 115, 136, 232 Negoslavci: 102 Neupasua: 242–243 Nikinci: 275 Nova Bukovica: 92, 110–112 Nova Gradiška: 65, 104, 302 Novi Marof: 203 Novi Sad: 127 Novi Vrbas: 288 Novska: 162
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O Obudovac: 97, 194 Odžak: 99, 197 Ogulin: 70, 136 Omarska: 62 Omiš: 77 Oriovac: 189 Osijek: 35–36, 39, 45, 51, 57, 66, 68–69, 73, 78–80, 85, 87, 90–92, 121, 128, 151–152, 157, 189–192, 230, 233, 235, 266, 275, 282–285, 289–292 Osnabrück: 291 Orahovica: 59, 105–106, 192, 303 P Pančevo: 288, 291–292 Pakrac: 40, 163, 300 Pčelić: 234, 300 Petlovac: 290 Petrijevci: 290 Petrinja: 53, 62, 75, 88, 162 Petrovac: 66, 183 Petrova Slatina: 66 Petrovo Polje (Schönborn): 303 Pisanica Velika: 176 Pisarovina: 94 Plaški: 128 Plavšinac: 176, 201–202 Pobrđani: 204 Podbrijeg: 315 Podgorača: 115 Podpeć: 315 Podravska Slatina: 35, 51, 66, 90–91, 93, 105, 162, 230–231, 302 Podrinje: 66 Poganovci: 89 Poloj: 205 Popovac: 290 Požarnica: 316 Požega: 64, 94, 193, 297–298 Prgomelja: 166, 174 Pribojevići: 199 Prijedor: 62, 77, 147–148, 227, 235 Prnjavor: 227, 301, 303 Puračić: 55 R Radojišće: 204 Rajevo Selo: 97–98, 276 Rakovac: 301 Rama: 261 Ravanica: 106 Reljevo: 200
344
Register
Remetinac: 203 Retfala: 275 Rivica: 103 Rogatica: 150, 200 Rogoža: 113 Rom: 51, 128, 130–133, 163, 178, 249, 255, 305–306, 314 Rovište: 203 Ruma: 36, 228 S Salnik: 176, 204 Samobor: 171 Šaptanovci: 140 Šaptinovci: 136 Sarajevo: 37, 38–39, 44–45, 54, 57, 79, 101, 118–121, 126, 135–136, 141, 143–147, 149, 151, 158, 164, 183–184, 194, 200, 227–229, 231, 233, 256–258, 261, 264, 287, 291, 305–306, 308–310, 312, 316–317 Sarvaš: 297 Šavnik: 315 Senj: 39, 74 Schutzberg (vgl. Glogovac): 89, 301 Šibenik: 74, 178 Šid: 36, 196 Šidski Banovci: 275–276 Siloši: 66 Sinj: 77 Široki Brijeg: 165 Sisak: 59, 76, 207, 229 Skelani: 199 Skoplje: 38 Slatina: 67, 204 Slatinski Drenovci: 92, 105 Slavonska Požega: 60, 62–65, 71, 73, 87, 93, 104, 215 Slavonski Brod: 36, 67, 73, 94–95, 98, 109, 186, 189, 195, 204, 206, 238 Sofia: 219 Sokolovac: 169–171, 201 Split: 48, 128, 130 Srebrenica: 61, 150 Stara Gradiška: 65 Stara Pazova: 36 Stari Slatinik: 67 Staza: 115 Stenjevac: 140 Stolac: 165 Striživojna: 115 Stupovači: 113–114 Subotica: 290
Suha Mlaka: 91, 162, 234 Suhopolje: 234, 300 Sunja: 115 Šurkovac: 136 Šušnjevci: 95 Svetozar Miletić: 286 T Tešanj: 36, 61, 206 Teslić: 36, 61, 199–200, 256 Tomašanci: 289 Tominovci: 93, 298 Tomislavci: 298 Topolje: 106 Tordinci: 87, 274–276 Tovarnik: 300 Tramošnica: 97 Trebinje: 165 Trnjani: 95, 276 Trpinja: 115–116 Tübingen: 160 Turanovac: 140 Tuzla: 36, 40, 45, 53, 55, 60, 78, 99–100, 134, 136, 146–147, 162, 206, 214–215, 309–310, 316 U Ugljevik: 197 Uljanik: 193, 274–275, 300 V Valpovo: 35, 87 Velika: 87 Velika Barna: 172 Velika Mučna: 201 Velika Peratovica: 172 Velika Pisanica: 275 Veliki Bastaji: 174, 176, 193, 201–202 Veliki Poganac: 201–202 Veliki Zdenci: 61, 169, 171, 202 Veliko Vukovje: 112–113, 176, 202 Velimirovac: 232, 275 Velimirovci: 297 Vetovo: 298 Vikoč: 315 Vinkovački Banovci: 276 Vinkovci: 36, 71, 235, 266, 275, 277 Virovitica: 35, 105, 128, 162, 234, 298, 300 Višegrad: 147, 200, 309 Visočnik: 199 Visoko: 165, 200, 261 Vlasenica: 61, 66, 150, 199, 315
Personenverzeichnis Vočin: 92 Vojakovac: 187, 202, 204 Vojnić: 94 Vranovac: 66 Vrbas: 288–289 Vrdnik: 106 Vrpolje: 256 Vršac: 289 Vršadin: 102 Vršani: 195, 197 Vukmanić: 206 Vukovar: 36, 66, 101–102, 109, 115–116, 128, 194, 235, 275, 298 Vukovje: 112–114 W Warnsdorf: 139 Wien: 139 Z Žabnica: 176 Zabrište: 136
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Zagreb: 35, 39–40, 43, 45–48, 53, 56–57, 62, 65, 68, 70, 73–74, 78–80, 86, 88, 90, 94–96, 99, 109–110, 126–128, 130, 132, 134–137, 139, 151, 154–155, 163, 166, 168, 172, 179, 183–184, 190, 192, 195–196, 209, 213–215, 221, 226, 229–231, 235, 237, 239, 241, 243, 245, 249, 251, 255, 264, 267, 271–272, 274, 282, 286, 291, 293–294, 296–298, 300, 302–304, 312, 314, 317–319, 323, 326 Zamlače: 136 Zavidovići: 256 Zemun: 36, 136, 184, 227–228, 243, 309, 312 Zenica: 68 Žepče: 68 Žeravac: 205 Živinice: 100 Žljebac: 199 Zovik: 97 Zrenjanin: 292 Žumberak: 166, 171 Županja: 36, 98, 103, 186 Zvornik: 36, 40, 60–61, 315
PERSONENVERZEICHNIS A Adam, Karl: 160 Akšamović, Antun: 39, 50, 84, 89, 92, 106–107, 114–115, 117, 157, 159, 163–164, 265, 283–284, 291–293, 319 Altgayer, Branimir: 232, 234, 238, 247, 251–253, 256, 266–268, 270, 277–285, 288, 290, 296, 298–301, 304, 317–318 al-Husseini, Amin Mohammed: 306, 308, 312 Andrašec, Dionizij: 109 Artuković, Andrija: 187–188 Astaloš, Josip: 285–286, 296 Awender, Jakob: 288 B Babić, Mijo: 111 Bader, Paul: 306 Bakota, Petar: 56 Barbarić, Mladen: 165 Barbarić, Tomislav: 136 Barišić, Josip: 78 Bašić, Salih Safvet: 306, 317 Bauer, Antun: 129 Becker (Pfarrer): 95, 231, 239, 244–246, 282
Benzler, Felix: 214–218, 222, 224–225 Berenz, Adam: 289 Berning, Wilhelm: 291–292, 294 Besarović, Savo: 196 Bogdan, Ivo: 142 Bolčev, Stefan: 226 Borčić, Gjuro (Ðuro): 231 Borić, Nikola: 136, 155 Bornikoel, Bernhard: 216–218, 228, 242–243, 273 Bralo, Božidar: 256 Bubić, Nazif: 317 Budak, Mile: 51, 63, 206, 239, 255, 270, 275, 294–295 Budanović, Lajčo: 290–291 Burić, Viktor: 39, 74, 154, 179 Bürger, Julio: 90–91, 105, 302 Büttner, Albert: 251, 293 Bzik, Mijo: 158, 314 C Canki, Pavao: 309–310, 316 Carević, Josip Marija: 39 Čekada (Pfarrer): 256
346
Register
Cigula, Ivan: 140 Clauß, Ludwig Ferdinand: 311 Čuić, Mijo: 102, 163–164 Čule, Petar: 39, 120, 165, 180 Cuk, Ilija: 319 Curić, Vladislav: 165 Cvijović, Josif (Metropolit): 217– 218 D Dizdar, Tomislav: 148 Dodić, Pavao: 76 Donković, Ante: 138–140 Đorđević, Irinej: 178 Dožić, Gavrilo: 218, 254 Draganović, Krunoslav: 51, 88, 104, 142, 155, 294 Drnas, Stanko: 77 Dujmović, Dragan: 188–189 Dumandžić, Jozo: 184 Ðurić, Ante: 76–77 Đurić, Josip: 112–114, 175 Džoso, Husein: 308 E Ehrenfried, Matthias: 294 Elicker, Jakob: 101, 298 F Faulhaber, Michael: 294–295 Feth, Michael (Miško): 234 Fijenber, Dragutin (Dragan): 190–191 Filzer, Johannes: 294 Francetić, Jure: 310 Frelić, Miroslav: 318 G Gahl, Josef: 282 Galen, Clemens August Graf von: 294 Garić, Josip: 39, 112, 319 Germogen (Grigorij Ivanovič Maksimov): 184–185, 187, 199, 225–226, 228–230, 274, 320 Gerstenmaier, Eugen: 217–220 Glaise von Horstenau, Edmund: 200, 222, 299, 310 Glavaš, Radoslav: 51, 82, 136–137, 163–164, 177, 202–204, 265, 314 Göring, Hermann: 282 Granow, Hans Ulrich: 219 Grgić, Ivica: 97 Gribanowski, Anastasius: 218, 225–226, 228–229, 230
Gröber, Konrad: 294 Guberina, Ivan: 51 Gustović, Artur: 250 Gvozdanović, Petar: 171 H Hadžialić, Salih: 307 Hadžić, Hakija: 143 Hadžiosmanović, Hasan: 257 Häffner, Arthur: 222 Halauš, Mato: 168–169 Hamm, Karl: 231, 238, 244 Hampel, Desiderius: 310 Handžić, Mehmed: 143 Hebrang, Andrija: 262 Heckel, Theodor: 216–220, 243–246, 249–250, 252, 254, 269–270, 272–273 Hefer, Stjepan: 77–81, 84, 88–89, 91–92, 101, 105, 108, 114, 136, 156–157, 162, 192, 233–234, 271, 285, 296–298, 301 Heger, Vilko: 295 Hein, Franz: 273, 291 Helm, Hans: 139–140, 159, 177, 214, 249–250, 256–257, 259, 261, 265–267, 274, 277, 293, 295, 305–306 Hempel, Willi: 312 Herman, Franjo: 154, 294 Herman, Hermengildo Častimir: 75, 77 Himmler, Heinrich: 282, 304, 306–308, 310–312, 323 Hitler, Adolf: 58, 305, 311 Holzschuh, Fritz: 235, 302 Horvat, Rudolf: 87 Hruschka, Egon: 277–278, 293 I Innitzer, Theodor: 294 Irenäus (Miroslav Gavrilović): 217 Ivanović, Davorin: 140 Ivelić, Josip: 140 J Janko, Sepp: 267, 273, 289 Jeličić, Vitomir: 261 Jovanović, Risto: 97 Jurčenko (Priester): 195–196 Juretić, Augustin: 154, 178, 265 Juričev, Dionizije: 51, 80, 82–83, 87–89, 101–102, 107, 114, 161–164, 173–174, 203, 298 Jurišić Šturm, Momčilo: 178
Personenverzeichnis K Kalaj, Janko: 154 Kalođera, Marko: 130–132, 137–139 Kamber, Dragutin: 76–77, 257, 258 Kasche, Siegfried: 178, 201, 205–206, 214, 221–223, 225, 228–230, 240–241, 247–255, 257, 272, 278, 293, 300, 305–306, 309–314, 316–317 Keilbach, Wilhelm: 293–295 Kenninck, Franciscus: 138 Kettenbach (Pfarrer): 277 Klarić, Ante: 67, 97 Klein, Dietrich: 302 Knežević, Lovro: 256 Kočić, Stefan (Stjepan): 205 Kolarek, Nikola: 264 Kopić, Martin: 231 Koronsovac: 197–198 Kosanović, Stevo: 97 Kosnica, Florijan: 91, 231–232 Korytnik, Rikard: 129 Krajačić, Ilija: 171 Kraus, Samuel und Flora: 152 Krempler, Karl von: 308, 312 Kreuzer, Erwin: 138, 139 Kröger, Erwin: 139 Kuery, Adolf: 139 Kulenović, Džafer-beg: 142, 149, 151, 317 Kunić, Gjuro: 167 Kupčevski, Serafim: 226 Kurt, Muhamed Šefket: 100 Kutschera: 244, 269 Kvaternik, Eugen: 105, 108, 185–186 Kvaternik, Slavko: 47–48, 50, 105, 159, 177 Kyrill (von Plovdiv): 218 L Lach, Josip: 39 Lacić, Antun: 112 Lamešić, Mirko: 78 Lastavica, Miron: 197 Lazić, Petar: 222 Leitenberger, Karl: 303–304 Lešić, Luka: 98 Ljotić, Dimitrije: 217 Löhr, Alexander: 313 Lösch, Karl C. von: 270–272 Lohman (Pfarrer): 242–244 Lončar, Pavao: 159 Lorković, Mladen: 142, 159, 222–223, 225, 227, 235, 261, 270, 284, 295, 316
M Maček, Vladko: 40, 47–48, 129, 178, 261, 266, 313–314 Majstorović, Srećko: 162, 234 Maksimov, Grigorij Ivanovič: 184 Malinarić, Luka: 140 Malkoć, Halim: 309 Malkoć, Mustafa: 309 Mandić, Nikola: 151, 317 Mandić, Dominik: 180 Margaretić (Pater): 117 Marcone, Giuseppe Ramiro: 255 Matica, Josip: 65 Matijević, Pavo: 114 Mayer, Josip: 296 Meder, Heinrich: 273 Mešić, Ademaga: 147, 150, 206 Messner, Mirko: 298 Mifka, Spiridon: 200 Mijo, Ipša: 285 Mileta, Jeronim: 74 Miletić (Pater): 117 Milošević, Božo: 129 Mirošević-Sorgo, Nikola: 178–179, 265 Mišić, Alojzije: 39 Montani, Vjećeslav: 96–97, 150 Moscatello, Nikola: 179, 180 Mračkovsky (Priester): 199 Mravunac, Tomo: 266 Mrihin, Dimitrije: 193, 196, 197, 227, 315 Müller, Ludwig: 244 Muftić, Ismet: 142, 157 N Nakić, Risto: 97 Nedić, Milan: 215–218 Nektarije (Bischof): 214 Neubacher, Hermann: 229 Niedzielski, Feliks: 53, 199 Nikšić, Ante: 314 Ninčić, Momčilo: 180 Nuk, Vilim: 294, 295 O Ognjanov, Stjepan: 116 Omerović, Derviš: 202, 206 Oršanić, Ivan: 53 P Paissy (Metropolit): 218 Pandža, Hafiz Muhamed: 308 Pantić: 195
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Register
Paschek, Alois: 139 Pavelić, Ante: 17, 47–48, 50–51, 53–55, 58, 76–77, 84, 87–89, 96, 98, 113, 127, 135–136, 142–143, 146–150, 155–162, 172–173, 179–185, 189, 193, 196, 206, 208–209, 216, 221–223, 225–226, 228–229, 237–238, 241, 244–246, 249, 252, 255–256, 261, 270–272, 285, 294, 307–310, 312–314, 316–317, 320–321, 323 Paulić, Antun: 198 Pawlikowski, Ferdinand: 294 Peter, Karl: 231, 269 Petrić, Niko: 128 Petrović, Leon: 165 Petrović, Vaso: 303 Phelps, Arthur: 310 Pilar, Ivo: 134 Pipinić, Franjo: 93 Plietker, Hermann: 286, 291, 293 Popović, Bogdan: 194 Popović, Dušan: 197 Popp, Edgar: 282, 318 Popp, Philipp: 69, 135, 216, 221, 231, 233, 235–241, 244–254, 258–259, 266–276, 277, 282, 293, 317–318, 321 Predavec, Josip: 129 Prodanović, Miron: 195 Puk, Mirko: 56, 63, 71, 88, 137, 140, 157, 160, 181–184, 216, 239, 246, 276 Pušić, Mihovil: 39 R Rade, Stjepan: 115–116, 265 Rado (Pater): 117 Radić, Antun: 40, 132–134, 207 Radić, Stjepan: 40, 129, 130, 132–134, 207 Radojčić, Mladen: 89 Radovanović, Varnava: 199–200 Raffay, Sándor: 273 Ridžanović, Hafiz Ibrahim: 317 Rieger, Vilko: 53 Rindel, Andreas: 139 Ristić, Slavko: 60 Rittig, Svetozar: 262, 319 Ritz, Ludwig: 253, 277, 302 Rogulja, Petar: 180 Rogulja, Tomo: 112 Rometsch: 242–243 Rössler, Lazarus: 291 Rukavina, Juraj: 70 Rušinović, Nikola: 255
S Sabolić, Vladimir: 94–95, 101, 116, 195–197, 204–206, 298, 316 Salis-Seewis, Franjo: 39 Šamiljski, Pavao: 227 Sándor, Ágoston: 319 Šarić, Ivan: 39, 164, 178, 233, 258, 262, 319 Sauberzweig, Karl-Gustav: 310, 312 Schielavi, Karl (Dragutin Zilavi): 234–235 Schneider, Josef: 286 Schönberger, Alois: 291 Schröder, Ludwig von: 213, 216 Seidl, Michael: 296–297 Selak, Josip: 110–112 Šemper, Alfons: 138 Šeper, Franjo: 160 Sieber, Heinrich: 286, 291 Šimrak, Janko: 39, 154, 166, 170–171, 174–176, 179–180, 193, 201–202, 204, 227, 256, 319–320 Šolc, Sidonije: 90–91, 93, 117, 162, 265 Sommer, Ferdinand: 89 Sović, Cvijetin: 196–197 Spaho, Fehim: 143, 146, 316 Špica, Šerif: 152 Starčević, Ante: 17, 132–133, 142, 146, 158, 160, 181, 182, 207, 209 Stefan (Metropolit): 218 Stehno, Juraj: 298 Steinmetz, Johann: 237 Stepinac, Alojzije: 33, 39, 42, 48–51, 53, 68, 87, 93, 127, 136, 154–157, 159, 162–163, 173–176, 178–179, 181, 193, 200–202, 209, 211, 233, 254–256, 258–259, 261–265, 283, 293–295, 319, 321–322 Stipić (Pater): 165 Stohr, Albert: 294 Strossmayer, Josip Juraj: 132, 179, 207, 262 Šuljak, Alija: 309, 317 Šurlan, Vaso (Vasilij): 184, 193, 222 Svijanović, Petar: 172 Svitlić, Ljubomir: 195, 197 T Taylor, Myron C.: 178, 265–266 Tisserant, Eugen: 178 Teodorović, Dositej: 192 Teophan (Metropolit): 225 Tito, Josip Broz: 262 Todorović, Dositej: 59 Tot, Martin: 318 Tremski, Ivan: 319
Personenverzeichnis Trlajić, Sava: 214 Troch: 274 Trumbić, Ante: 130 Tüchler, Robert: 139 Turner, Harald: 273–274 U Ujčić, Josip: 292 V Valerian (Bischof): 212 Valjak, Josip: 204 Vasić, Dositej: 214 Vekić: 301 Velimirović, Nikolaj: 215, 218, 319 Venijamin (Metropolit): 216–217 Violoni, Ilija: 116–117 Vlasov, Aleksandar: 167, 175 Vojnović, Vasilije: 314 Vokić, Ante: 261, 316–317
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Vrančić, Vjekoslav: 313 Vukadinović, Arsenije: 197 Vukojević, Mijo: 304 Vukomanović, Franjo: 117 W Wahl, Hans: 245–246, 272 Walter, Anton: 231, 235, 241 Walter, Edgar: 51, 231, 302 Weidmann, Heinrich: 275–278, 281, 318–319 Wienken, Heinrich: 294 Z Zagorac, Stjepan: 128, 133 Zankow, Stefan: 219 Zeječar, Jovan: 214 Žilić, Eduard: 261 Zimonjić, Petar: 213 Zubić, Silvester: 102, 115
ABBILDUNGEN
Abbildung 1. Upravna podjela NDH [Verwaltungsgliederung des NDH]. Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin SBB IIIC 2K 10683.
Abbildung 2. Priručni zemljovid NDH [Landkarte des NDH]. Quelle: Österreichische Nationalbibliothek KAR 2018 0984, Z70024405.
352 Abbildungen
Religion als kognitive Struktur und gesellschaftliche Ordnungskraft kann das Gewaltgeschehen beeinflussen: Sie kann daher als eine Variable in ethnischen Auseinandersetzungen und Kriegen betrachtet werden. So waren im Zweiten Weltkrieg und an seinen Nebenschauplätzen die religiösen Akteure sowohl Objekte als auch Subjekte der politischen Instrumentalisierung. Am Beispiel zweier Regionen im „Unabhängigen Staat Kroatien“, die von einer ausgeprägten ethnischen und religiösen Vielfalt gekennzeichnet waren, nimmt Daniela Simon jene Schnittstellen zwischen Gewalt und Religion in den Blick, die die komplexen Prozesse der
Verfolgung, die Massenverbrechen und die Vertreibungen erklärbarer machen. In ihrer Analyse der Handlungen, der Situationen und der politischen und religiösen Akteure unterschiedlicher Ebenen hinterfragt Simon dabei die gängigen Deutungen zum Ustaša-Kroatien als einem „Satellitenstaat“, verdeutlicht in Analogie zum „Dritten Reich“ ein Kompetenzwirrwarr und Ämterchaos und entschleiert die Existenz mehrerer Machtzentren. Das thematische Feld des Buches reicht dabei von religiösen Zwangskonversionen bis hin zu nationalsozialistischen Vereinnahmungen der religiösen Traditionen und Akteure.
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ISBN 978-3-515-11648-0
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7 83 5 1 5 1 1 6480